Vertrauensschutz in Verwaltungsvorschriften des Steuerrechts. Eine Untersuchung zur Bewältigung der Vertrauensschutzproblematik bei der rückwirkenden Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften,: zugleich ein Beitrag zum besseren Verständnis der Wirkkraft von Verwaltungsvorschriften und der Maßgaben des Vertrauensschutzprinzips im Allgemeinen und für das Steuerrecht im Besonderen [1 ed.] 9783428546718, 9783428146710

Die Gewährung von Vertrauensschutz bei der rückwirkenden Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften ste

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Vertrauensschutz in Verwaltungsvorschriften des Steuerrechts. Eine Untersuchung zur Bewältigung der Vertrauensschutzproblematik bei der rückwirkenden Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften,: zugleich ein Beitrag zum besseren Verständnis der Wirkkraft von Verwaltungsvorschriften und der Maßgaben des Vertrauensschutzprinzips im Allgemeinen und für das Steuerrecht im Besonderen [1 ed.]
 9783428546718, 9783428146710

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Schriften zum Steuerrecht Band 120

Vertrauensschutz in Verwaltungsvorschriften des Steuerrechts

Von Julius Helbich

Duncker & Humblot · Berlin

JULIUS HELBICH

Vertrauensschutz in Verwaltungsvorschriften des Steuerrechts

S c h r i f t e n z u m St e u e r r e c ht Band 120

Vertrauensschutz in Verwaltungsvorschriften des Steuerrechts Eine Untersuchung zur Bewältigung der Vertrauensschutzproblematik bei der rückwirkenden Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften, zugleich ein Beitrag zum besseren Verständnis der Wirkkraft von Verwaltungsvorschriften und der Maßgaben des Vertrauensschutzprinzips im Allgemeinen und für das Steuerrecht im Besonderen

Von Julius Helbich

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Wintersemester 2014/2015 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: Buch Bücher de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 978-3-428-14671-0 (Print) ISBN 978-3-428-54671-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-84671-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 2014/2015 von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur konnten bis Juni 2014 vollständig, danach nur noch vereinzelt berücksichtigt werden. Zu tiefem Dank verpflichtet bin ich meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Markus Möstl. Während der Assistenzzeit an seinem Lehrstuhl hat er das Entstehen dieser Arbeit großzügig gefördert und nachhaltig die Freude an der Vielfalt und Tiefe des Öffentlichen Rechts in mir geweckt. Besonderen Dank schulde ich zugleich Herrn Professor Dr. Karl-Georg Loritz. Neben der äußerst zeitnahen Erstellung des Zweitgutachtens vermittelte er mir bereits während des Studiums in Vorlesungen und Seminaren die Freude an der wissenschaftlichen und vor allem kritischen Durchdringung des Steuerrechts. Herrn Professor Dr. Heinrich Amadeus Wolff danke ich herzlich für die Übernahme des Vorsitzes im Rahmen des Kolloquiums sowie für die umfassende Kommentierung des § 114 VwGO im Sodan/Ziekow, die mir in vielerlei Hinsicht als Quelle der Inspiration bei der Anfertigung dieser Arbeit diente. Ganz besonders danken möchte ich der Stiftung Esche Schümann Commichau aus Hamburg sowie der Brigitte Knobbe-Keuk Stiftung aus Bonn, welche die vorliegende Dissertation jeweils mit großzügigen Preisen ausgezeichnet haben. Widmen möchte ich diese Arbeit meinen Eltern, deren Zuversicht und Unterstützung ich mir Zeit meines Lebens gewiss sein durfte. Bayreuth, den 21.05.2015

Julius Helbich

Inhaltsübersicht Einleitung

23

I. Rechtfertigung des Untersuchungsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

1. Kapitel

Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht

31

I. Verwaltungsvorschriften: Begriff und Verortung im System der Rechtsquellen . . . . 31 II. Verwaltungsvorschriften und Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Allgemeinen Verwaltungsrecht . . . . . . . 64

2. Kapitel

Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

77

I. Rechtstatsächliche sowie -politische Bedeutung steuerlicher Verwaltungsvorschriften 77 II. Verfassungsrechtliche Besonderheiten beim Erlass steuerlicher Verwaltungsvorschriften 79 III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

3. Kapitel Vertrauensschutz

119

I. Begriffliche Herleitung des Vertrauensschutzprinzips sowie Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Verfassungsrechtliche Grundlagen des Vertrauensschutzprinzips . . . . . . . . . . . . . . . 120 III. Die klassische Rückwirkungsdoktrin des Bundesverfassungsgerichts und deren Kritik im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 IV. Die neue Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . 130 V. Ergebnis und Konsequenzen für die weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

10

Inhaltsübersicht 4. Kapitel



Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

156

I. Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 II. Übertragbarkeit der zu Gesetzen ergangenen Rückwirkungsdogmatikauf Verwal­ tungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 III. Konsequenz: Differenziertes Abwägungsprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit 198 IV. Rechtsfolgeschutzwürdigen Vertrauens: Notwendigkeit von Übergangsregelungen 228 V. Zusammenfassung und Konsequenzen für die weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . 241 5. Kapitel

Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes

242

I. Einfachgesetzlich normierter Vertrauensschutz im Bereich der Abgabenordnung . . 243 II. Kompetenzielle Vorüberlegungen zur Gewährung von Vertrauensschutz . . . . . . . . . 270 III. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 IV. Verfahrensrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 6. Kapitel

Prozessuale Durchsetzung des Anspruchs auf Gewährung von Vertrauensschutz

323

I. Grundsätzliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 II. Gerichtliche Kontrolle des finanzbehördlichen Billigkeitsdispenses . . . . . . . . . . . . . 324 III. Prozessuale Aspekte der Zweigleisigkeit des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 7. Kapitel

Zusammenfassung der Problemstellung und der Ergebnisse

342

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Verwaltungsvorschriftenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396

Inhaltsverzeichnis Einleitung

23

I. Rechtfertigung des Untersuchungsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Zur ersten Dimension des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Zur zweiten Dimension des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3. Notwendigkeit einer Gesamtbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

1. Kapitel

Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht

31

I. Verwaltungsvorschriften: Begriff und Verortung im System der Rechtsquellen . . . . 31 1. Herkömmliche Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 a) Kriterium der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Interne Wirkung der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 c) Abstrakt-generelle Fassung der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Verortung der Verwaltungsvorschriften im System der Rechtsquellenlehre . . . . . 34 II. Verwaltungsvorschriften und Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Zur Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Funktionsumfang der Exekutive im Verhältnis zum parlamentarischen Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 aa) Demokratisch-rechtsstaatlicher Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 bb) Die Wesentlichkeitstheorie als Delegationsschranke parlamentarischer Rechtsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 cc) Der Gesetzgebung entzogene Regelungsbereiche kraft verfassungsrechtlichen Verwaltungsvorbehalts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 (1) Verwaltungsvorbehalt im Bereich konkret-individuellen Verwaltungshandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 (2) Verwaltungsvorbehalt im Bereich abstrakt-generellen Verwaltungshandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Originäres Normsetzungsrecht der Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 aa) Die jüngere verfassungsrechtliche Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

12

Inhaltsverzeichnis bb) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Verfassungsrechtliche Grundlagen der Bindungs- und Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 a) Das Selbstprogrammierungsrecht der Verwaltung als verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt mittelbarer Außenwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 b) Konsequenz: Mittelbare Bindungs- und Außenwirkung über Art. 3 I GG . . . 49 aa) Art. 3 I GG und das rechtmäßige Vollzugsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . 49 bb) Art. 3 I GG und das rechtswidrige Vollzugsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . 51 (1) Grundsatz: Kein Anspruch auf „Fehlerwiederholung“ . . . . . . . . . . . 51 (2) Das strukturelle Vollzugsdefizit einer Steuerrechtsnorm als Begründungsansatz einer mittelbaren Bindungswirkung rechtswidriger Verwaltungsvorschriften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 c) Nicht: Vertrauensschutz als Grundlage mittelbarer Außenwirkung . . . . . . . . 54 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Folgewirkungen mittelbarer Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften . . . . . 57 a) Auslegung von Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 b) Allgemeine Veröffentlichungspflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 c) Subjektiver Anspruch auf Erlass von Verwaltungsvorschriften? . . . . . . . . . . . 60 aa) Ausgangsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 bb) Zur Rolle des Art. 3 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 cc) Zur Rolle der Freiheitsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Allgemeinen Verwaltungsrecht . . . . . . . 64 1. Organisations- und Dienstvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Grundsatz: Keine Bindungswirkung norminterpretierender Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Ausnahme: Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften zur Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . 68 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 4. „Gesetzesvertretende“ Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 5. Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 a) Begriff und Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 6. Zusammenfassung und Konsequenzen für die weitere Vorgehensweise . . . . . . . 76

Inhaltsverzeichnis

13

2. Kapitel

Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

77

I. Rechtstatsächliche sowie -politische Bedeutung steuerlicher Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 II. Verfassungsrechtliche Besonderheiten beim Erlass steuerlicher Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Das System dezentralisierter Steuerverwaltung im Lichte des Art. 108 GG . . . . 79 2. Zur Praxis der BMF-Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Organisations- und Dienstvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2. Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Grundsatz: Auch im Steuerrecht keine Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . 87 b) Ausnahmen bei der Konkretisierung steuerlicher Typusbegriffe? . . . . . . . . . . 88 3. Typisierende Verwaltungsvorschriften und Verwaltungsvorschriften zur Vereinfachung der Sachverhaltsermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 b) Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 aa) Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (1) Die Rechtsprechung des VI. Senats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (2) Die Rechtsprechung des II. Senats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (3) Die Rechtsprechung zu den AfA-Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (4) Zusammenfassende Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 bb) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . 98 cc) Bericht aus dem Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 dd) Zusammenfassende Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 c) Schlussfolgerung für den weiteren Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . 103 4. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Die Judikatur des Bundesfinanzhofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Die Problematik der Koppelungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 aa) Die Position der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 bb) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 5. Nichtanwendungserlasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Begriff und Einführung in die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 c) Pflichten beim Erlass von Nichtanwendungserlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

14

Inhaltsverzeichnis d) Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 e) Abschließende Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

3. Kapitel Vertrauensschutz

119

I. Begriffliche Herleitung d es Vertrauensschutzprinzips sowie Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Verfassungsrechtliche Grundlagen des Vertrauensschutzprinzips . . . . . . . . . . . . . . . 120 1. Generelle Problematik des Vertrauensschutzprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Verfassungsrechtliche Herleitung des Vertrauensschutzprinzips . . . . . . . . . . . . . 122 3. Anwendungsvoraussetzungen des Vertrauensschutzprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . 123 III. Die klassische Rückwirkungsdoktrin des Bundesverfassungsgerichts und deren Kritik im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Grundsätzliche Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung . . . 124 a) Grundansatz des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 b) Echte Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 c) Unechte Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Kritik an der veranlagungszeitraumbezogenen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . 127 a) Forderung nach einem dispositionsbezogenen Rückwirkungsbegriff . . . . . . 127 b) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 IV. Die neue Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Beibehaltung der Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung . 130 2. Die neuen Vertrauenstatbestände des Bundesverfassungsgerichts auf dem Gebiet der unechten Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Der „konkret vorhandene Vermögensbestand“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa) Anerkennung von steuerfreien Wertzuwächsen als vertrauensbegründender Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb) Dogmatische Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (1) Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (2) Art. 2 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (3) Art. 3 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (a) Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . 134 (b) Folgerichtigkeitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

Inhaltsverzeichnis

15

cc) Rechtfertigungsanforderungen bei Vorliegen einer unechten Rückwirkung im Bereich des „konkret vorhandenen Vermögensbestands“ . . . . . . . . . . 137 b) Die Rechtsfigur der „verbindlichen Dispositionen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 aa) Verfassungsgerichtliche Anerkennung eines Dispositionsschutzes . . . . . 138 bb) Dogmatische Herleitung sowie Voraussetzungen des Dispositionsschutzes 139 cc) Einschränkungen auf Ebene der Schutzwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (1) Einbringung eines Gesetzesbeschlusses in den Bundestag . . . . . . . . 140 (2) Zeitraum von maximal zwei Veranlagungszeiträumen . . . . . . . . . . . 141 (3) „Gestaltbarkeit“ der Dispositionsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 dd) Rechtfertigungsanforderungen bei Verletzung der verfassungsrechtlich schutzwürdigen Disposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 c) Die „Tatbestandslösung“ des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . 145 aa) Inhalt und Reichweite der Tatbestandslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 bb) Dogmatische Herleitung der Tatbestandslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 cc) Rechtfertigungsmaßstäbe bei Durchbrechung des Vertrauens im Rahmen der Tatbestandslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 dd) Kritik an der Tatbestandslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3. Gesamtbewertung der neuen Rückwirkungsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a) Aufgabe der Unterscheidung zwischen Fiskalzweck- und Lenkungsnormen für den Bereich des Vertrauensschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 b) Bekenntnis zu einer freiheitsrechtlichen Verankerung des Vertrauensschutzes im Bereich des Steuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 c) Reformfähigkeit des Steuerrechts wird erschwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 V. Ergebnis und Konsequenzen für die weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1. Grundsätzliche Übernahme der Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. Differenzierungen auf Ebene der Schutzwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Konsequenz: Zweistufiges Prüfprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit . . . . 155

4. Kapitel

Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

156

I. Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 1. Nochmals: Differenzierung zwischen den Ebenen „Selbstbindung der Verwaltung“ und „Vertrauensschutz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2. Grundsätzliche Überlegungen zur Qualität staatlichen Handelns als Vertrauensgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

16

Inhaltsverzeichnis a) Ausgangsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 b) Rechtliche Wirkungen der Verwaltungsvorschrift als Vertrauensgrundlage . . 161 c) Faktische Wirkungen der Verwaltungsvorschrift als Vertrauensgrundlage . . . 161 aa) Grundrechtsbindung der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 bb) Mandat zur außenwirksamen Rechtskonkretisierung im Einzelfall . . . . . 163 cc) Ergänzung der faktischen Wirkungen des Selbstprogrammierungsrechts durch die Wertungen des Steuerrechtsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 d) Zurechenbares Verhalten des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Rechtmäßige Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand . . . . . . . . . . . . . 168 a) Fehlende Normwirkung von Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften durch Gewährung von Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 c) Unklare Grenzziehung zwischen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 4. Rechtswidrige Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand . . . . . . . . . . . . 171 a) Grundsätzliche Einwände gegen den Schutz des Vertrauens in rechtswidrige Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 b) Parallele zum Vertrauensschutz in rechtswidrige Normen . . . . . . . . . . . . . . . 173 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 5. Vertrauensbegründender Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Allgemeine Maßstäbe für die Konturierung des vertrauensbegründenden Anknüpfungspunkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 aa) Das Programm zweistufigen Gesetzesvollzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 bb) Subjektive Blickrichtung des Vertrauensschutzprinzips . . . . . . . . . . . . . . 177 cc) Besonderheiten aufgrund des föderal geteilten Gesetzesvollzugs . . . . . . 178 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 b) Der Verwaltung kraft Gesetzes zugewiesene Spielraum als vertrauensbegründender Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 c) Prozeduraler Spielraum der Verwaltung zur Erstinterpretation des Gesetzes als vertrauensbegründender Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 d) Spielraum bezüglich der Anwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung als vertrauensbegründender Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 aa) Das prolongierte Erstauslegungsrecht als prozeduraler Spielraum der (Finanz-)Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) „Sperrwirkung“ aufgrund originären Vertrauensschutzes in höchstrichterliche Rechtsprechung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

Inhaltsverzeichnis

17

6. Entstehen und Entfallen des Vertrauenstatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Grundsätzliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Nicht publizierte Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 aa) Kraft Weisung zur Mitteilung im Einzelfall bestimmte Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 bb) Weisungswidrig publizierte/mitgeteilte Verwaltungsvorschriften . . . . . . 187 cc) Kenntnis von unveröffentlichten Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . 188 c) Sonderfall: Änderung publizierter Verwaltungsvorschriften durch nichtveröffentlichte Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 7. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 II. Übertragbarkeit der zu Gesetzen ergangenen Rückwirkungsdogmatikauf Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Abstrakt-generelle Geltungskraft als strukturelle Gemeinsamkeit . . . . . . . . . . . . 193 2. Geringe Unterschiede der Wirkung einer vergangenheitsbezogenen Änderung . . 196 3. „Kompensationsfunktion“ der Verwaltungsvorschrift im Steuerrecht bei geringer Normierungsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 III. Konsequenz: Differenziertes Abwägungsprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit 198 1. Beibehaltung der Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung . 198 a) Grundsätzliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 b) Beibehaltung des veranlagungszeitraumbezogenen Rückwirkungsbegriffs für den Bereich der direkten Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 c) Veranlagungszeitraumbezogener Rückwirkungsbegriff auf dem Gebiet der Umsatzsteuer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Maßstab für die Bestimmung der Schutzwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Abwägungsdirektiven auf Ebene der Schutzwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 a) Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 aa) Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 bb) Freiheitsrechtliche Verankerung des Vertrauensschutzprinzips . . . . . . . . 204 cc) Zur Differenzierung zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (1) Verfassungsrechtlich vorgesehener Rechtsfindungsprozess . . . . . . . . 206 (2) Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (3) Vorgaben des Rechtsstaatsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

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Inhaltsverzeichnis dd) Zwischenergebnis und Konsequenzen für die Entwicklung einzelner Schutzwürdigkeitsindikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 b) Rechtmäßige Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 aa) Änderungsinteresse der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (1) Änderung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften nur bei Spielräumen der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (2) Anpassungsbedürfnis an geänderte tatsächliche Verhältnisse . . . . . . 212 (3) Höchstrichterliche „Zweifel“ an der künftigen Rechtmäßigkeit der Verwaltungsvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (4) Möglichkeit der Vorfeldabsicherung über § 89 II AO . . . . . . . . . . . . . 214 (5) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 bb) Bestandsinteresse des Bürgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (1) Gewichtung der Bestandsinteressen des Bürgers anhand der Fall­gruppen­ bildung des Bundesverfassungsgerichts zur unechten Rückwirkung 217 (2) Bindungswirkung der Verwaltungsvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (3) Zeitliche Existenz der Verwaltungsvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (4) Höchstrichterliche Bestätigung der Verwaltungsauffassung . . . . . . . 219 (5) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 c) Rechtswidrige Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 aa) Regelfall: Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände rechtfertigt Enttäuschung betätigten Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 bb) Besondere Momente der Schutzwürdigkeit auf Seiten des Bürgers . . . . . 222 (1) Zeitliche Existenz der Verwaltungsvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (2) Höchstrichterliche Bestätigung der Verwaltungsauffassung . . . . . . . 223 (3) Festhalten an der ursprünglichen Rechtsauffassung durch die Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228

IV. Rechtsfolgeschutzwürdigen Vertrauens: Notwendigkeit von Übergangsregelungen . 228 1. Grundsätzliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Zeitlicher Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3. Zeitliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Übertragbarkeit der zu Gesetzen entwickelten Rückwirkungsdogmatik . . . . . 232 aa) Echte Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 bb) Unechte Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (1) Tatbestandslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (2) Verbindlich getätigte Dispositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (3) Konkret vorhandener Vermögensbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

Inhaltsverzeichnis

19

b) Wertungen aus dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 aa) Verfassungsrechtliche Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 bb) Grundsatz: Abschluss des Besteuerungszeitraums als zeitliche Grenze einer Übergangsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 cc) Ausnahme: Periodenübergreifende Konkretisierung der Leistungsfähigkeit 237 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 c) Stichtagsregelungen als Mittel zur typisierenden Überleitung der Rechtslage . 238 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 V. Zusammenfassung und Konsequenzen für die weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . 241

5. Kapitel

Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes

242

I. Einfachgesetzlich normierter Vertrauensschutz im Bereich der Abgabenordnung . . 243 1. Vertrauensschutz im Bereich der Steuerbescheide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 a) § 173 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 b) § 174 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 c) § 175 I 1 Nr. 2 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 d) § 176 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 aa) Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 bb) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (1) Grundsatz: Anwendbarkeit von § 176 AO auf jegliche Korrekturen von Steuerbescheiden, insbesondere auch §§ 164, 165 AO . . . . . . . . 249 (2) § 173 I AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (3) § 174 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 cc) Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (1) Gemeinsame Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (a) Keine Anwendung von § 176 AO auf den Erlass von Erstbescheiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (b) Verhältnis von § 176 AO zum Einspruchsverfahren . . . . . . . . . . 253 (c) Keine Schutzwürdigkeit auf Seiten des Steuerpflichtigen erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (2) § 176 I 1 Nr. 3 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 (a) Qualitative Anforderungen an den Begriff der „Rechtsprechung“ 258 (aa) Obiter dicta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 (bb) Eindeutig entschiedene Rechtsfrage? . . . . . . . . . . . . . . . . 259 (cc) Rechtslage ersichtlich unklar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

20

Inhaltsverzeichnis (b) Änderung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 (c) Anwendung bestehender Rechtsprechung durch die Finanzbehörde 262 (d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 (3) § 176 II AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 e) Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 2. Vertrauensschutz im Bereich der sonstigen steuerlichen Verwaltungsakte . . . . . . 267 a) Vertrauensschutz als Schranke pflichtgemäßer Ermessensausübung beim erstmaligen Erlass eines sonstigen steuerlichen Verwaltungsakts . . . . . . . . . . . . . 267 b) Vertrauensschutz als Schranke pflichtgemäßer Ermessensausübung bei Rücknahme und Widerruf eines sonstigen steuerlichen Verwaltungsakts, §§ 130, 131 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

II. Kompetenzielle Vorüberlegungen zur Gewährung von Vertrauensschutz . . . . . . . . . 270 1. Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 2. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 a) Ausgangsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 b) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 3. Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 III. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 1. Generelle Eignung des Billigkeitsdispenses für die Berücksichtigung von Ver­ trauensschutzaspekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 a) Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 b) Ansätze im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 aa) Verfassungsrechtliche Grundsatzkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 bb) Methodengerechter Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 cc) Zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften differenzierender Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 c) Gesamtbewertung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 2. Einschlägige Rechtsgrundlage innerhalb des Billigkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . 287 a) Verhältnis der abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO zum Steuererlass gem. § 227 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 aa) Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 bb) Bericht aus dem Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 cc) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 b) Einzelfragen zum Tatbestand und Anwendungsbereich von § 163 AO . . . . . . 291 aa) Verhältnis von § 163 AO zum Steuerfestsetzungsverfahren . . . . . . . . . . . 292 bb) Zur Bedeutung des § 163 S. 3 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 cc) Sonderproblem: Billigkeitsdispens bei Realsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

Inhaltsverzeichnis

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3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 IV. Verfahrensrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 1. Vertrauensschutz durch Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 a) Grundsätzliche Überlegungen zur Notwendigkeit von Übergangsrichtlinien . 296 aa) Differenzierung zwischen dem Recht und einer Pflicht der Exekutive zum Erlass von Übergangsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 bb) Dogmatische Begründung einer Pflicht zum Erlass von Übergangsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 b) Sachgerechte Kriterien für den Erlass von Übergangsrichtlinien . . . . . . . . . . 300 aa) Praxis der BMF-Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 bb) Bericht aus Rechtsprechung und Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 (1) Für den Erlass von Übergangsrichtlinien sprechende Kriterien . . . . . 305 (2) Gegen den Erlass von Übergangsrichtlinien sprechende Kriterien . . 307 (3) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 c) Rechtsnatur und Bindungswirkung von Übergangsrichtlinien . . . . . . . . . . . . 310 d) Inhaltliche Ausgestaltungsmöglichkeiten von Übergangsrichtlinien . . . . . . . . 312 aa) Grundsatz: Gestaltungsfreiheit der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 bb) Übergangsgerechtigkeit als rechtliche Grenze der Gestaltungsfreiheit . . 313 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 2. Vertrauensschutz durch Einzelfallentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 a) Keine Übergangsrichtlinie erlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 b) Übergangsrichtlinie erlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 aa) Grundsatz: Kein Abweichungsrecht im Einzelfall bei wirksam typisierender Übergangsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 bb) Abweichungsrecht im atypischen Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 cc) Nicht von der Übergangsrichtlinie umfasste Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

6. Kapitel

Prozessuale Durchsetzung des Anspruchs auf Gewährung von Vertrauensschutz

323

I. Grundsätzliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 II. Gerichtliche Kontrolle des finanzbehördlichen Billigkeitsdispenses . . . . . . . . . . . . . 324

22

Inhaltsverzeichnis 1. Durch § 102 S. 1 FGO gewährleisteter Prüfungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 2. Prüfungsumfang bei erlassenen Übergangsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 a) Das Programm zweistufiger Ermessensausübung als Maßstab und Richtschnur gerichtlicher Überprüfung von Übergangsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . 326 b) „Typisierende“ Übergangsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 c) Abweichungsrecht im atypischen Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 d) Nicht von der Übergangsrichtlinie umfasste Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 3. Prüfungsumfang bei nicht erlassenen Übergangsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328

III. Prozessuale Aspekte der Zweigleisigkeit des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 1. Isolierter Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gem. § 163 S. 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 2. Isolierte Anfechtung der Steuerfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 3. Parallelverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 a) Ermittlung des Rechtsschutzbegehrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 b) Aussetzung des Verfahrens/der Verhandlung, § 363 AO/§ 74 FGO . . . . . . . . . 336 aa) Ausgangsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 bb) Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 cc) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 (1) Keine Aussetzungspflicht aufgrund der Einstufung des Billigkeitsdispenses als Grundlagenbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 (2) Aber: Aussetzungspflicht aufgrund drohenden Verstoßes gegen Art. 19 IV GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341

7. Kapitel

Zusammenfassung der Problemstellung und der Ergebnisse

342

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Verwaltungsvorschriftenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396

Einleitung Nach früherer, im 4. Bauherrenerlass vom 31.08.19901 niedergelegter Verwaltungsauffassung konnten die im Rahmen eines Bauherrenmodells getätigten Eigenkapitalvermittlungsprovisionen regelmäßig bis zu 6 v.H. des vermittelten Eigenkapitals als sofort abzugsfähige Werbungskosten geltend gemacht werden, wenn der Anleger nicht als Erwerber der Immobilie anzusehen war. Durch Urteil vom 08.05.2001 entschied der IX. Senat des Bundesfinanzhofs, dass ein Anleger bereits dann nicht mehr als Hersteller, sondern vielmehr als Erwerber einer Immobilie anzusehen sei, wenn er auf die konkreten Vertragsbedingungen der anzuschaffenden Immobilie keine Einflussmöglichkeiten habe;2 der IV.  Senat des Bundesfinanzhofs schloss sich dieser Rechtsauffassung am 28.06.20013 durch Rücknahme seines diesbezüglichen Vorlagebeschlusses an den Großen Senat vom 29.04.19994 an. Die sich aufgrund anderweitiger Entscheidungen des Bundesfinanzhofs bereits abzeichnende5 Fortentwicklung der Rechtsprechung hatte zur Konsequenz, dass nach dem 4.  Bauherrenerlass ehemals als Werbungskosten sofort abzugsfähige Eigenkapitalvermittlungsprovisionen in zu aktivierende Herstellungskosten umzuqualifizieren waren. Das Bundesfinanzministerium bestätigte diese Rechtsauffassung durch Schreiben vom 24.10.20016 und ordnete die Anwendung der Rechtsprechung auf nunmehr sämtliche Formen geschlossener Fonds an. Im 5. Bauherrenerlass (sog. „Fondserlass“7) wurde dies erneut bekräftigt und der Anwendungsbereich der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs endgültig auf nahezu alle8 geschlossenen Fonds erweitert. Die Anwendung der geänderten Bauherren-Rechtsprechung auf jegliche Anlagemodelle ging mit einer erheblichen Verschärfung der Rechtslage einher: Ob Immobilien, Schiffe, Flugzeuge oder Windparks – die Herausgabe einer geänderten Verwaltungsvorschrift konnte oftmals nicht weniger als das Aus gesamter Assetklassen am freien Kapitalanlagemarkt in ihrer bisherigen Form bedeuten.9 1

BMF, Schreiben v. 31.08.1990 – IV B 3 – S 2253 a – 49/90, BStBl. I 1990, S. 366, 372 Tz. 7.1. 2 BFH, Urteil v. 08.05.2001 – IX R 10/96, BFHE 195, S. 310 ff. 3 BFH, Beschluss v. 28.06.2001 – IV R 40/97, BB 2001, S. 2051. 4 BFH, Vorlagebeschluss v. 29.04.1999 – IV R 40/97, BFHE 188, S. 374 ff. 5 Zu der Rechtsprechungsentwicklung s. die Darstellung bei Ronig, in: Schmider/Wagner/ Loritz, Bauherren-/Erwerbermodelle (4020) Rn. 106 ff.; zu den steuerlichen Motiven s. Loritz, Einkommensteuerrecht, § 15 Rn. 637 ff. 6 BMF, Schreiben v. 24.10.2001 – IV C 3-S 2253 a-15/01, BStBl. I 2001, S. 780. 7 Beck, DStR 2002, S. 1846. 8 Für Film- und Medienfonds gilt dagegen der sog. „Medienerlass“, vgl. BMF, Schreiben v. 23.02.2001 – IV A 6 – S 2241 – 8/01, BStBl. I 2001, S. 175 sowie die Verschärfungen mit Übergangsregelung in BMF, Schreiben v. 05.08.2003 – IV A 6 – S 2241 – 81/03, BStBl. I 2003, S. 406. 9 Beck, DStR 2002, S. 1846, 1847; Wagner, in: Assmann/Schütze, § 17 Rn. 138.

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Einleitung

Angesichts dieser sich durch die Veränderung der Rechtslage abzeichnenden Härten traf das Bundesfinanzministerium durch Schreiben vom 24.10.2001 nachfolgende Übergangsregelung: „Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder sind die Grundsätze der vorgenannten Urteile auf geschlossene Fonds mit folgender Maßgabe anzuwenden: Soweit die Anwendung der Urteile zu einer Verschärfung der Besteuerung gegenüber der bisher geltenden Verwaltungspraxis führt, sind die Urteile nicht anzuwenden, wenn der Außenvertrieb der Fondsanteile vor dem 1. Januar 2002 beginnt und soweit der Steuerpflichtige dem Fonds vor dem 1. Januar 2003 beitritt.“10

Die vorstehende Übergangsregelung wurde durch das BMF-Schreiben vom 29.11.200211 verlängert und inhaltlich im Ergebnis in den 5.  Bauherrenerlass/ Fondserlass12 überführt. Dieser auf den ersten Blick nicht als alltäglich erscheinende, die steuerliche Beratungspraxis dennoch bis heute beschäftigende Sachverhalt,13 ist ein Beleg für die ungebrochene Aktualität steuerlicher Verwaltungsvorschriften als „untergesetzliche“14 Planungsgrundlage. Kapitalanleger und Steuerpflichtige nehmen regelmäßig eine oftmals nicht höchstrichterlich bestätigte Verwaltungsvorschrift zum Anlass entsprechender steuerlicher Gestaltung, da die Durchsetzung der Verwaltungsauffassung in der Rechtsanwendungspraxis regelmäßig weniger streitanfällig ist und somit einen bedeutenden Anteil zur Planungssicherheit im Steuerrecht beitragen kann. Nicht selten kommt es dabei vor, dass die untergesetzliche Planungsgrundlage eine –  mit den Elementen einer Rückwirkung behaftete  – Änderung bzw. Aufhebung durch den Vorschriftengeber oder aber ein entsprechendes Präjudiz der höchstrichterlichen Rechtsprechung erfährt. Teilweise werden BMF-Schreiben, die sich mit der geänderten Rechtslage auseinandersetzen, mit der Formulierung „Dieses Schreiben ist auf alle noch offenen Fälle anzuwenden.“15

beendet, ohne dass sich eine entsprechende Übergangsregelung finden ließe. In dieser Situation fragen sich Steuerbürger und -berater gleichermaßen, ob und gege­benenfalls auf welchem Wege auf der Basis von Verwaltungsvorschriften betätigtes Vertrauen verfahrens- und verfassungsrechtlichen Schutz genießt.

10

BMF, Schreiben v. 24.10.2001 – IV C 3-S 2253 a-15/01, BStBl. I 2001, S. 780. BMF, Schreiben v. 29.11.2002 – IV C 3 – S 2253a – 95/02, BStBl. I 2002, S. 1388. 12 BMF, Schreiben v. 22.10.2003 – IV C 3 – S 2253 a – 48/03, BStBl. I 2003, S. 546, 552 Rn. 50. 13 s. beispielsweise FG Köln, Urteil v. 09.09.2010 – 10 K 4059/07, EFG 2011, S. 329 ff.; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BFH, Beschluss v. 15.06.2011  – IX  B  148/10, BFH/NV 2011, S. 1516. 14 Begriff nach Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 593. 15 BMF, Schreiben v. 22.08.2005 – IV B 2 – S 2144 – 41/05, BStBl. I 2005, S. 845, 847 Rn. 20. 11

I. Rechtfertigung des Untersuchungsinteresses

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I. Rechtfertigung des Untersuchungsinteresses Das Untersuchungsinteresse der vorliegenden Arbeit ist vor dem Hintergrund der durch den Untersuchungsgegenstand zweidimensional aufgeworfenen Problemstellungen in zugleich doppelter Hinsicht gerechtfertigt: Zunächst besteht eine Rechtfertigung hinsichtlich der ersten Dimension des Untersuchungsgegenstandes, ob und inwiefern das in einer Verwaltungsvorschrift niedergelegte Vollzugsprogramm tauglicher Anknüpfungspunkt schutzwürdigen Vertrauens des Bürgers sein kann. Ergänzt wird das Untersuchungsinteresse durch die nachgelagerte zweite Dimension der Thematik, ob Vertrauensschutz bei einer rückwirkenden Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften auch durch Verwaltungsvorschriften gewährt werden kann bzw. muss. 1. Zur ersten Dimension des Untersuchungsgegenstandes Die erste Dimension des Untersuchungsgegenstandes, ob Verwaltungsvorschriften einen potenziellen Vertrauenstatbestand darstellen können und das mit Blick auf deren Existenz betätigte Vertrauen auch schutzwürdig sein kann, zählt zu einem insgesamt nur in Ansätzen durchdrungenem Problemkreis der deutschen Rechtswissenschaft. Im Allgemeinen Verwaltungsrecht verweisen zahlreiche Vertreter darauf, dass das Vertrauen in den Inhalt einer Verwaltungsvorschrift grundsätzlich nicht geschützt sei und sich der Bürger insofern nicht auf Vertrauensschutz berufen könne.16 Gerade rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften sprechen viele Verfasser die Qualität als Vertrauenstatbestand unter Hinweis auf den Grundsatz „Keine Gleichheit im Unrecht“ ab.17 Während diese unbefriedigende Situation im Allgemeinen Verwaltungsrecht größtenteils widerspruchslos hingenommen wird, entfalten die dogmatischen Defizite im Steuerrecht besondere Brisanz: Hier legt die Verwaltungsvorschrift das notwendigerweise offene Gesetz oftmals erst gleichmäßig vollzugsfähig aus. Als wohl populärstes Beispiel aus jüngerer Zeit können die im Schrifttum aufgeworfenen zahlreichen Zweifelsfragen zum „neuen“ Umwandlungssteuererlass  201118 oder die Diskussionen um den Entwurf eines BMF-Schreibens zu 16 Rogmann, Bindungswirkung, S.  221; Erichsen, in: FS  Kruse 2001, S.  39, 57; Seibert, in: FG BVerwG 2003, S. 535, 545; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 104 Rn. 61 ff.; Kopp/Ramsauer, § 40 VwVfG Rn. 45 u. 50; Maurer, AVwR, § 24 Rn. 30. 17 Arndt, in: FS  Armbruster 1976, S.  233, 244 ff.; Ossenbühl, DÖV  1970, S.  264, 266; Blanke, Vertrauensschutz, S. 273; skeptisch auch Berg, JuS 1980, S. 418, 421; Liggenstorfer, Gleichbehandlung, S. 83 f.; Kölbel, Gleichheit, S. 116; Schwarz, Vertrauensschutz, S. 353 f. 18 BMF, Schreiben v. 11.11.2011 – IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, S. 1314 ff.; Schneider/Ruoff/Sistermann, FR  2012, S.  1 ff.; Patt/Rupp/Aßmann, Umwandlungssteuer­ erlass; Volb, Umwandlungssteuererlass; Schell, FR 2012, S. 101 ff.; Benecke, GmbHR 2012, S. 113 ff.; Stimpel, GmbHR 2012, S. 123 ff.; Heinemann, GmbHR 2012, S. 133 ff.; Neumann, GmbHR 2012, S. 141 ff.; Rasche, GmbHR 2012, S. 149 ff.; Pung, GmbHR 2012, S. 158 ff.; Kai, GmbHR 2012, S. 165 ff.; Dötsch, GmbHR 2012, S. 175 ff.

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Einleitung

§ 8c KStG19 angeführt werden. Überdies sind die Finanzämter in praktischer Hinsicht gehalten, bei zu erwartenden Änderungen von Verwaltungsvorschriften die Beantwortung verbindlicher Auskünfte zurückzustellen.20 Doch selbst eine erteilte verbindliche Auskunft kann dem vorausplanenden Steuerpflichtigen nicht durchweg weiterhelfen, da ihre Bindungswirkung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs durch die Fassung des Antrags beschränkt wird.21 Im Ergebnis entscheidet in zahlreichen Fällen, in denen andere Rechtsfragen als die Auslegung einer Verwaltungsvorschrift Gegenstand der verbindlichen Auskunft waren, wiederum das in einer Verwaltungsvorschrift niedergelegte und gegebenenfalls geänderte Vollzugsprogramm über den Bestand einer Steuergestaltung. Während die Gewährung von Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften gerade mit Blick auf den durch § 176 II AO nur unzureichend gewährleisteten Vertrauensschutz22 in der steuerrechtlichen Literatur nachhaltig gefordert wird,23 nimmt der Bundesfinanzhof – geprägt von der vorkonstitutionellen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs24 – seit jeher einen restriktiven Standpunkt ein und gewährt Vertrauensschutz allenfalls im Billigkeitswege bei der Aufhebung und Änderung langjährig existierender, höchstrichterlich bestätigter Verwaltungsvorschriften.25 Das allgemeine steuerrechtliche Unbehagen des 19 Schneider/Sommer, FR  2014, S.  537 ff.; Rödder, Ubg  2014, S.  317 ff.; Ritzer/Stangl, DStR 2014, S. 977 ff.; Suchanek/Rüsch, DStZ 2014, S. 419 ff.; Fuhrmann/Hoffmann, DB 2014, S. 738 ff.; Neumann, GmbHR 2014, S. 673 ff. 20 AEAO zu § 89 AO Tz. 3.5.4 S. 2. 21 BFH, Beschluss v. 24.09.2010 – IV B 34/10, BFH/NV 2011, S. 241, 243. 22 Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn. 9; v. Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 20; v. Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176 AO Rn. 1; Waldhoff, in: DStJG 27 (2004), S. 129, 151; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 593 ff. jeweils m.w.N. 23 Leisner, Verwaltungsvorschriften, S.  59 ff.; Loritz, DB  1992, S.  1156, 1162; Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759 ff.; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 593 ff.; Hey, DStR 2004, S. 1897, 1903; Leisner-Egensperger, Kontinuität, S. 591 ff.; Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 363 ff.; Klass, DB 2010, S. 2464 ff.; Tipke, StRO I, S. 169 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, § 3 Rn. 282. 24 Der Reichsfinanzhof hat  – auf „Anregung“ des Reichsministers der Finanzen hin, vgl. RdF, Schreiben v. 10.06.1940 – S 1105 – 9 III R, RStBl. 1940, S. 756 ff. – die sog. „Milderungserlasse“ unter Verweis auf § 17 RAO einer vollständigen gerichtlichen Kontrolle entzogen und deren Rechtmäßigkeitskontrolle „gerichtsfrei“ in die ausschließliche Zuständigkeit der Exekutive gestellt, vgl. RFH, Urteil v. 04.07.1940 – IV 17/38, RStBl. 1940, S. 673; RFH, Urteil v. 13.11.1940 – VI 381/40, RStBl. 1940, S. 1042, 1043; RFH, Urteil v. 12.01.1943 – I 103/42, RStBl. 1943, S. 196; RFH, Urteil v. 11.02.1943 – IV 68/42, RStBl. 1943, S. 235 f.; RFH, Urteil v. 28.06.1944 – VI 328/43, RStBl. 1945, S. 27 f. 25 BFH, Urteil v. 17.04.2013  – X  R  6/11, BFH/NV  2013, S.  1537, 1540; BFH, Urteil v. 07.10.2010  – V  R  17/09, BFH/NV  2011, S.  865, 866; BFH, Urteil v. 14.07.2009  – VIII R 10/07, BFH/NV 2009, S. 1815, 1817; BFH, Beschluss v. 10.02.2005 – IX B 182/03, BFH/NV 2005, S. 1058; BFH, Urteil v. 23.10.2003 – V R 24/00, BFHE 203, S. 523, 530 f.; BFH, Urteil v. 05.05.1999 – XI R 1/97, BFHE 189, S. 57, 62 f.; BFH, Urteil v. 26.04.1995 – XI R 91/83, BFHE 178, S. 4, 7 f.; BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 485; BFH, Urteil v. 15.01.1986 – II R 141/83, BFHE 145, S. 453, 456; BFH, Urteil v. 10.11.1982 – I R 142/79, BFHE 137, S. 202, 205; BFH, Urteil v. 22.04.1980 – VIII R 149/75, BFHE 130, S. 391, 403, jeweils m.w.N.

I. Rechtfertigung des Untersuchungsinteresses

27

Bundesfinanzhofs zeigt sich insbesondere an der hierzu ergangenen jüngeren Judikatur, in der die Problematik oftmals nur am Rande,26 insbesondere in Kostenfestsetzungs-27 oder Nichtzulassungsbeschlüssen28 als „geklärt“ gestreift und dadurch eine Vertiefung der im Rahmen dieser Untersuchung interessierenden Grundfragen –  nicht selten zur Vermeidung von Präzendenzfällen  – im Ergebnis verhindert wird. Ungeachtet der dogmatisch unzureichenden Erschließung und der von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs aufgestellten Kriterien hat sich in der Rechtsrealität der Finanzverwaltung dagegen in den sog. BMF-Schreiben eine lebendige Praxis von Übergangs-, Nichtbeanstandungs- und sonstigen vermeintlich vertrauensschützenden Regelungen etabliert,29 deren Rechts- und Bindungswirkungen in weiten Teilen unklar sind und das durch sie gewährte Maß an Vertrauens­ schutz den Vertrauensbetätigungen des Bürgers oft nicht in vollem Umfang gerecht wird. Eine tiefergehende Untersuchung der hier dargelegten Problematik ist fernab der soeben aufgezeigten grundsätzlichen Fragestellungen zudem vor dem Hintergrund der jüngeren und jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur echten und unechten Rückwirkung angezeigt: So werden die verfassungsrechtlichen Determinanten für eine unechte Rückwirkung im Steuerrecht durch die Beschlüsse des 2. Senats vom 07.07.201030 sowie 1. Senats vom 10.10.201231 neu bestimmt. Überdies hat der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtlichen Grenzen echter Rückwirkung im Zusammenhang mit gesetzgeberischen „Klarstellungen“ durch Beschluss vom 17.12.201332 in ungewohnt deutlicher Weise aufgezeigt und dabei die eigenständige Rolle anderer Staatsgewalten bei der Rechtsfindung im Verhältnis zum demokratisch legitimierten Gesetzgeber hervorgehoben. Die Problematik eines möglichen Vertrauensschutzes gegenüber der rückwirkenden Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften wird insoweit auf verfassungsrechtlich neuer und noch grundlegenderer Ebene aufgeworfen. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Frage, ob und inwieweit Verwaltungsvorschriften schutzwürdiges Vertrauen begründen können, ein in der Rechts- und Ver 26

So z.B. jüngst BFH, Urteil v. 17.04.2013 – X R 6/11, BFH/NV 2013, S. 1537, 1540. BFH, Beschluss v. 17.12.2002  – I  R  43/02, BFH/NV  2003, S.  785 f.; BFH, Beschluss v. 01.04.2004  – VIII  R  55/03, BFH/NV  2004, S.  1392; BFH, Beschluss v. 20.05.2005  – VIII R 103/03, BFH/NV 2005, S. 1830 f. 28 BFH, Beschluss v. 01.10.2003  – X  B  75/02, BFH/NV  2004, S.  44 f.; BFH, Beschluss v. 10.02.2005  – IX  B  182/03, BFH/NV  2005, S.  1058; BFH, Beschluss v. 26.09.2007  – V B 8/06, BFHE 219, S. 245 ff. 29 Hey, DStR 2004, S. 1897, 1903. 30 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 16 ff. (Rückwirkung im Steuerrecht I); BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 75 ff. (Rückwirkung im Steuerrecht II); BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 46 ff. (Rückwirkung im Steuerrecht III). 31 BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302 ff. 32 BVerfG, Beschluss v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, DStR 2014, S. 520 ff. 27

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Einleitung

waltungspraxis gegenwärtiges, auf höchstrichterlicher Ebene oftmals verdrängtes und auch aus wissenschaftlicher Sicht nur unzureichend bewältigtes Problem darstellt. Dieses gilt es im Rahmen der vorliegenden Untersuchung näher zu durchdringen. 2. Zur zweiten Dimension des Untersuchungsgegenstandes Ausgehend von dem soeben dargestellten Problemaufriss bedarf es auf Ebene der zweiten Dimension der Thematik einer Untersuchung der dogmatischen Kriterien und des normativen Umfelds für den Erlass von Übergangsrichtlinien, d.h. der Gewährung von Vertrauensschutz durch Verwaltungsvorschriften. Obgleich die Funktion der Übergangsrichtlinien, eine Vorhersehbarkeit und Rationalisierung im Rahmen des Wandels der Verwaltungsauffassung zu gewährleisten, als grundsätzlich anerkannt gelten dürfte,33 führen die für deren Erlass sprechenden Kriterien trotz der ständigen Praxis des Bundesfinanzministeriums sowohl in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als auch im steuerrechtlichen Schrifttum ein dogmatisches Schattendasein. Nicht selten werden zwar in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Notwendigkeit und das Bedürfnis zum Erlass von Übergangsrichtlinien hervorgehoben, um das konkrete Verfahren sodann mit dem Verweis auf die Möglichkeit zur Gewährung von Vertrauensschutz im Einzelfall zu beenden.34 Ähnlich unbefriedigend ist die bisherige dogmatische Konturierung des genauen Verhältnisses von erlassenen Übergangsrichtlinien zur ergänzenden Gewährung von Vertrauensschutz im Einzelfall. Während in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und Kommentarliteratur stets der nicht abschließende Charakter von erlassenen Übergangsrichtlinien betont wird,35 hat eine tieferführende Klärung bis dato nicht stattgefunden. Insofern wird im Schrifttum die Zulässigkeit von Übergangsrichtlinien zur Bewältigung der hier untersuchten Problematik insgesamt angezweifelt36 und die Verwaltung mitunter als „Ersatzgesetzgeber“37 bezeichnet.

33 s. dazu beispielsweise Seer, in: Tipke/Lang, § 21 Rn. 337; Sauer, in: Beermann/Gosch, § 163 AO Rn. 28; Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 367 f. jeweils m.w.N. 34 BFH, Urteil v. 14.10.1987  – II  R  120/85, BFH/NV  1989, S.  80 f.; BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 485 f.; BFH, Beschluss v. 26.09.2007 – V B 8/06, BFHE 219, S. 245, 249. 35 Vgl. dazu nochmals die Nachweise in Fn. 34. 36 Trzaskalik, in: DStJG 5 (1982), S. 315, 324 f.; v. Groll, in: HHSp, § 227 AO Rn. 205 m.w.N. 37 Tiede, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rn. 538.

II. Gang der Untersuchung

29

3. Notwendigkeit einer Gesamtbewältigung Trotz zahlreicher verdienstvoller früherer und neuerer Ansätze38 für eine übergreifende Lösung der soeben erläuterten Problemfelder ist es bisher nicht gelungen, das insgesamt schwierige Spannungsfeld zwischen Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz sowohl in seiner ersten als auch zweiten Dimension sowie im Verhältnis zueinander einer umfassenden Klärung zuzuführen. Ziel dieser Untersuchung ist es daher, die dogmatischen und verfassungsrechtlichen Dimensionen von Verwaltungsvorschriften und des Vertrauensschutzgrundsatzes näher zu durchdringen und beide Rechtsinstitute miteinander zu verknüpfen. Hiervon ausgehend bedarf es einer Bewältigung der in zweiter Dimension nachgeschalteten Frage der Gewährung von Vertrauensschutz durch die hierfür originär zuständige Gewalt in individuell-konkreter oder aber abstrakt-genereller Form. Das Untersuchungsinteresse der vorliegenden Arbeit verdichtet sich nach alledem darauf, inwieweit und durch welche Instrumente der Bürger auf dem wirtschaftlich bedeutsamen Rechtsgebiet des Steuerrechts einen verfassungsrechtlich abgesicherten Schutz betätigten Vertrauens bei der Aufhebung oder Änderung einer Verwaltungsvorschrift beanspruchen kann.

II. Gang der Untersuchung Eine Untersuchung über das durch die Themenstellung aufgeworfene Spannungsverhältnis von der Gewährung von Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung eines exekutiven Handlungsprogramms hat sich zunächst mit der Rechtsnatur und Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften auseinanderzusetzen. Denn wenn und soweit der Bürger im Verhältnis zur Verwaltung ein subjektives Recht auf Einhaltung der Verwaltungsvorschrift geltend machen kann, muss das Vertrauensschutzprinzip richtigem Verständnis zufolge nicht ergänzend herangezogen werden. Im 1. Kapitel werden daher zunächst die allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundlagen für den Erlass und die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften dargestellt, um sodann die verschiedenartigen Erscheinungsformen von Verwaltungsvorschriften im Allgemeinen Verwaltungsrecht näher zu beleuchten. Hiervon ausgehend beschäftigt sich das 2.  Kapitel vorrangig mit den besonderen Ausprägungen steuerlicher Verwaltungsvorschriften. In diesem Zusammenhang ist zudem auf die verfassungsrechtlichen Besonderheiten beim Erlass steuerlicher Verwaltungsvorschriften einzugehen, da diese nicht selten auch die Zuständigkeit und damit die Rechtmäßigkeit einer Übergangsregelung insgesamt 38 Leisner, Verwaltungsvorschriften, S. 59 ff.; Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759 ff.; Hey, Steuerplanungssicherheit, S.  593 ff.; Hey, DStR  2004, S.  1897, 1903; Leisner-Egensperger, Kontinuität, S. 591 ff.; Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 363 ff.

30

Einleitung

berühren. Im 3. Kapitel gilt es sodann die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Vertrauensschutzprinzips einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Im Vordergrund steht dabei die kritische Würdigung der eingangs genannten neueren Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts. Nach Abschluss der dogmatischen Grundlegung in den Kapiteln 1–3 ist im 4. Kapitel die erste Dimension des Untersuchungsgegenstandes einer Lösung zuzuführen, indem dort die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Bindungs- und Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften mit der Wirkkraft des Vertrauensschutzprinzips verknüpft werden. Von besonderem Interesse ist dabei zunächst, inwieweit rechtmäßige bzw. rechtswidrige Verwaltungsvorschriften als ein dem Staat zurechenbarer Vertrauenstatbestand betrachtet werden können. Einen weiteren Schwerpunkt wird die Entwicklung einzelner Schutzwürdigkeitsindikatoren bilden, um schlussendlich weitergehende Kriterien für die Überleitung schutzwürdiger Vertrauenspositionen in die geltende Rechtslage zu entwickeln. Sodann gilt es im 5. Kapitel die vorab entwickelten materiellen Kriterien in das steuerliche Verfahrensrecht einzubetten. Vorab bedarf es dabei einer sorgfältigen Analyse des einfachgesetzlich gewährleisteten Vertrauensschutzes durch die bestehenden Regelungen der Abgabenordnung. Einen Schwerpunkt der Ausführungen werden sodann die Überlegungen zur Tauglichkeit des Billigkeitsdispenses der Abgabenordnung als Rechtsgrundlage für die Gewährung von Vertrauensschutz darstellen, um anschließend Kriterien für den Erlass von Übergangsrichtlinien und der weitergehenden Gewährung von Vertrauensschutz durch Einzelfallentscheidungen zu entwickeln. Mithin soll im 5. Kapitel eine Bewältigung der zweiten Dimension des Untersuchungsgegenstandes erfolgen. Abgeschlossen wird die Untersuchung im 6. Kapitel anhand einer Vertiefung prozessualer Fragen der Durchsetzung eines potenziellen Anspruchs auf Gewährung von Vertrauensschutz.

1. Kapitel

Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht Jede Untersuchung über das durch die Themenstellung aufgeworfene Problemfeld der Gewährung von Vertrauensschutz in ein exekutives Handlungsprogramm hat sich vorrangig mit der Frage zu beschäftigen, welche verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Rechtsnatur und Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften existieren. Denn wenn und soweit der Bürger im Verhältnis zur Verwaltung ein subjektives Recht auf Einhaltung der Verwaltungsvorschrift geltend machen kann, bedarf es richtigerweise keiner Heranziehung des Vertrauensschutzprinzips, um den Interessen des Bürgers auf Anwendung des in einer Verwaltungsvorschrift niedergelegten Handlungsprogramms Rechnung zu tragen.1 Hiervon ausgehend ist zunächst kurz auf den Begriff sowie die Verortung der Verwaltungsvorschrift im System der Rechtsquellen einzugehen (I.), um sodann die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften zu beleuchten (II.). Abschließend wird in Anlehnung an die Dogmatik zum Allgemeinen Verwaltungsrecht eine Kategorisierung der verschiedenen Erscheinungsformen von Verwaltungsvorschriften vorgenommen (III.).

I. Verwaltungsvorschriften: Begriff und Verortung im System der Rechtsquellen 1. Herkömmliche Definition Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet Verwaltungsvorschriften als „Regelungen, die für eine abstrakte Vielheit von Sachverhalten des Vewaltungsgeschehens verbindliche Aussagen treffen, ohne auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet zu sein.“2

1

Burmeister, DÖV 1981, S. 503, 510; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 680. BVerfG, Beschluss v. 02.03.1999 – 2 BvF 1/94, BVerfGE 100, S. 249, 258.

2

32

1. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht 

Diese Definition ist als allgemeine Umschreibung des Begriffs der Verwal­ tungsvorschrift von weiten Teilen des Schrifttums3 sowie der Rechtsprechung4 anerkannt. Nach herkömmlicher Definition zeichnen sich Verwaltungsvorschriften somit durch drei Merkmale aus: Es muss eine Regelung getroffen werden [a)], die primär innengerichtet ist [b)] und abstrakt-generell erfolgt [c)]. a) Kriterium der Regelung Hinsichtlich des Merkmals der Regelung bietet es sich an, auf den hierzu be­ stehenden Begriff im Rahmen des Verwaltungsakts gem. § 35 S. 1 VwVfG zurückzugreifen. Danach ist eine Regelung durch das Setzen bzw. Herbeiführen von verbindlichen Rechtsfolgen gekennzeichnet;5 diese müssen unmittelbar –  folglich final – herbeigeführt werden.6 Die Intensität der angeordneten Bindungswirkung ist für die Frage der Regelungsqualität dabei unbeachtlich.7

3

Vgl. auszugsweise aus dem verfassungsrechtlichen Schrifttum: Kirchhof, in: Maunz/­ Dürig, Art.  84 GG Rn.  176; Hermes, in: Dreier, Art.  84 GG Rn.  74; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 104 Rn.  4; Badura, Staatsrecht, F  21; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art.  84 GG Rn.  14; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art.  84 GG (24. EL, 1985) Rn.  96. Für das Allgemeine Verwaltungsrecht: Maurer, AVwR, § 24  Rn.  1; Detterbeck, AVwR, Rn.  100; Bull/Mehde, AVwR, Rn. 226; Erichsen/Klüsche, Jura 2000, S. 540; Erichsen, in: FS Kruse 2001, S.  39,  40; Wahl, in: FG  BVerwG 2003, S.  571, 574; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 19 Rn.  17; Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S.  43; Rogmann, Bindungswirkung, S. 53. Für das Steuerrecht exemplarisch: Englisch, in: Tipke/Lang, § 5 Rn. 5; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 80; Wernsmann, in: HHSp, § 5 AO Rn. 184; Vogel, StuW 1991, S. 254. 4 Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts: BVerwG, Urteil v. 26.04.1979 – 3  C  111.79, BVerwGE  58, S.  45, 49; BVerwG, Beschluss v. 18.11.1977  – VI  CB  63.76, Buchholz  232, § 23  BBG Nr.  25; BVerwG, Urteil v. 08.04.1997  – 3  C  6.95, BVerwGE  104, S. 220, 222 f.; aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs: BFH, Urteil v. 17.12.1959 – V 251/58 U, BFHE 70, S. 267, 269; BFH, Urteil v. 30.09.1997 – IX R 39/94, BFH/NV 1997, S. 446; BFH, Urteil v. 09.03.2010 – VIII R 24/08, BFHE 228, S. 499, 504. 5 Ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. BVerwG, Urteil v. 25.02.1969  – I  C  65.67, BVerwGE  31, S.  301, 306 f.; BVerwG, Urteil v. 01.03.1978  – VIII  C  99.76, BVerwGE  55, S.  280,  285; BVerwG, Urteil v. 22.05.1980  – 2  C  30.78, BVerwGE  60, S.  144,  145; BVerwG, Urteil v. 20.05.1987  – 7  C  83.84, BVerwGE  77, S. 268, 271; BVerwG, Urteil v. 15.02.1989 – 6 A 2.87, BVerwGE 81, S. 258, 260; Kopp/Ram­ sauer, § 35 VwVfG Rn. 88 f.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 VwVfG Rn. 141; Maurer, AVwR, § 9 Rn. 6; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VwR I, § 45 Rn. 39; Detterbeck, AVwR, Rn. 100 u. 852; Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 39 f. 6 BVerwG, Urteil v. 26.04.1968 – VI C 113.67, BVerwGE 29, S. 310, 312 f.; BVerwG, Urteil v. 28.10.1970 – VI C 48.68, BVerwGE 36, S. 192, 194. 7 Axer, Normsetzung, S. 47 ff.; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 19 Rn. 4.

I. Verwaltungsvorschriften: Begriff und Verortung im System der Rechtsquellen 

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b) Interne Wirkung der Regelung Im engen Zusammenhang mit dem Kriterium der Regelung steht das Merkmal der internen Wirkung. Die unmittelbare Rechtsfolge der Verwaltungsvorschrift resultiert zunächst behördenintern in der kraft der originären Geschäftsleitungs- und Organisationsgewalt der jeweiligen Behörde8 verbindlichen Weisung, den Inhalt der Verwaltungsvorschrift in den dort umschriebenen Fällen auf vergleichbare Vorgänge oder Sachverhalte anzuwenden.9 Die Frage, ob und inwieweit Verwaltungsvorschriften Außenwirkung zukommt,10 braucht hierbei nicht weiter verfolgt werden, da diese als Problem der grundgesetzlich angelegten Kompetenzverteilung einzustufen und insofern im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grundlagen von Verwaltungsvorschriften zu erörtern ist.11 Die interne Geltung der Verwaltungsvorschriften ist insofern allgemein anerkannt12 und nicht weiter klärungsbedürftig. c) Abstrakt-generelle Fassung der Regelung Um Verwaltungsvorschriften von einzelfallbezogenen Weisungen abgrenzen zu können, bedarf es schlussendlich des Merkmals der abstrakten und generellen Regelung. Maßgeblich ist insoweit, dass die Verwaltungsvorschrift Organisations- und/oder Verfahrensfragen bzw. die Auslegung des materiellen Rechts

8 Ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. nur BVerwG, Urteil v. 09.06.1983  – 2  C  34.80, BVerwGE  67, S.  222, 229; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 104 Rn. 44; Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 116; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 20 Rn.  18; Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn.  85, § 5 AO Rn.  185; Remmert, Jura  2004, S. 728, 729; Erichsen/Klüsche, Jura 2000, S. 540, 542; Jarass, JuS 1999, S. 105, 106. 9 Im Beamtenrecht resultiert diese Pflicht aus § 35  S.  2  BeamtStG; hinsichtlich der An­ gestellten sowie Arbeiter des Öffentlichen Dienstes sei auf die allgemeine Weisungsbefugnis des Arbeitgebers aus § 106 S. 1 GewO hingewiesen. Früher ergab sich eine Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschrift für letzteren Personenkreis bereits aus der in § 8 II BAT verankerten Gehorsamspflicht. 10 Zum Streitstand s. mit umfangreichen Nachweisen: Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 104 Rn. 48 ff.; Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 2 Rn. 69; Möstl, in: Erichsen/ Ehlers, AVwR, § 19 Rn. 6; zur Frage der „parlamentsfreien“ Bereiche auch Lerche, in: Merten/ Papier, HbGR Bd. III, Teil II, § 62 Rn. 67. 11 So auch Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 42 f. 12 Ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil v. 25.06.1964 – VIII C 23.63, BVerwGE 19, S. 48, 55; BVerwG, Urteil v. 26.04.1979 – 3 C 111.79, BVerwGE 58, S. 45, 49; BVerwG, Urteil v. 08.04.1997  – 3  C  6.95, BVerwGE  104, S.  220,  222; BVerwG, Urteil v. 17.06.2004  – 2 C 50.02, BVerwGE 121, S. 103, 109; zuletzt BVerwG, Beschluss v. 28.09.2010 – 1 WB 41.09, BVerwGE 138, S. 40, 43. Es seien an dieser Stelle aus dem kaum mehr überschaubaren Schrifttum auszugsweise genannt: Maurer, AVwR, § 24 Rn.  1; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VwR  I, § 24 Rn.  20; Bull/Mehde, AVwR, Rn.  226; Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 2 Rn.  66; Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 42 f.; Rogmann, Bindungswirkung, S. 8 u. 29 ff; Forsthoff, VwR I, S. 139.

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1. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht 

allgemein regelt.13 Problematisch ist in diesem Zusammenhang, ob zur Bestimmung der Allgemeinheit einer Regelung auf den Adressatenkreis oder aber eine Vielzahl von zu regelnden Sachverhalten abzustellen ist. Diese Diskussion wird namentlich für den Bereich der Verwaltungsakte kontrovers geführt,14 führt aber der Sache nach im Bereich der Verwaltungsvorschriften nicht weiter: Wie Thomas Sauerland zutreffend festgestellt hat, ist der Adressatenkreis einer Verwaltungsvorschrift regelmäßig bestimmbar15 und damit für den Bereich der Verwaltung abschließend.16 Entscheidend bleibt für eine Abgrenzung zur Weisung und dem individuellen Regelungscharakter demnach, dass die Regelung zum Zeitpunkt des Erlasses für eine Vielzahl von Sachverhalten und Personen getroffen wird.17 d) Zusammenfassung Zur vorläufigen Definition des Begriffs der Verwaltungsvorschrift kann der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts18 uneingeschränkt gefolgt werden. Verwaltungsvorschriften sind abstrakt-generelle Regelungen mit primär innenrechtlicher Verbindlichkeit. 2. Verortung der Verwaltungsvorschriften im System der Rechtsquellenlehre Über die rechtstheoretische Einordnung der Verwaltungsvorschrift in das System der Rechtsquellenlehre wird seit geraumer Zeit diskutiert, ohne dass sich bis heute eine einheitliche Linie erkennen ließe. Diese Tatsache ist namentlich der seit

13 BVerwG, Beschluss v. 15.09.1987 – 7 N 1.87, NVwZ 1988, S. 1119, 1120; BVerwG, Beschluss v. 25.11.1993 – 5 N 1.92, BVerwGE 94, S. 335, 341; BVerwG, Urteil v. 26.01.1996 – 8 C 19.94, BVerwGE 100, S. 262, 268; BVerwG, Beschluss v. 10.01.2006 – 6 P 10.04, NVwZRR 2006, S. 325, 326; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 100 Rn. 11; Kirchhof, in: Maunz/Dürig, Art. 84 GG Rn. 182; Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR  II, § 34 Rn.  37; Bull/Mehde, AVwR, Rn.  268; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 21 Rn. 33; Ipsen, AVwR, § 2 Rn. 147; Schmidt-Aßmann, in: FS Vogel 2000, S. 477, 485; Jachmann, Verw. 28 (1995), S. 17, 19. 14 Hierzu bereits Forsthoff, VwR I, S. 200 ff.; Achterberg, AVwR, § 21 Rn. 47 u. 50 ff.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 VwVfG Rn. 208; Henneke, in: Knack/Henneke, § 35 VwVfG Rn. 24 ff.; Maurer, AVwR, § 9 Rn. 18 ff.; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 21 Rn. 31 ff.; Bull/Mehde, AVwR, Rn. 269. 15 Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 42. 16 Achterberg, AVwR, § 21 Rn. 211. 17 Henneke, in: Knack/Henneke, § 35 VwVfG Rn. 127; Detterbeck, AVwR, Rn. 852; Hill/ Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR  II, § 34 Rn.  37. Kritisch: Axer, Normsetzung, S. 37 ff. 18 BVerfG, Beschluss v. 02.03.1999 – 2 BvF 1/94, BVerfGE 100, S. 249, 258.

I. Verwaltungsvorschriften: Begriff und Verortung im System der Rechtsquellen 

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jeher bestehenden Unklarheiten über den Rechtsnormbegriff als solchem geschuldet,19 insbesondere, ob dieser rechtstheoretisch20 oder historisch-konventionell21 auszulegen ist. Richtigerweise braucht dieser Diskussion hier nicht weiter nachgegangen werden: Ungeachtet der umstrittenen Einordnung von Verwaltungsvorschriften in das System der Rechtsquellenlehre wurde von verschiedener Seite her bereits festgestellt, dass Verwaltungsvorschriften aufgrund ihrer Verbindlichkeit im Innenverhältnis unzweifelhaft als (Rechts-)Normen im rechtstheoretischen Sinne betrachtet werden können.22 Diese Grundannahme dürfte auch im übrigen Schrifttum anerkannt sein, und zwar unabhängig von der Frage, ob man Verwaltungsvorschriften aufgrund ihres primären Innenrechtscharakters als Rechtssätze oder Rechtsnormen bezeichnen möchte. Im Hinblick auf die Rechtsquellenlehre ist aufgrund der erzeugten Rechtswirkungen im Innenverhältnis im Einklang mit den heute überwiegend vertretenen Ansätzen davon auszugehen, dass Verwaltungsvorschriften dem Bereich der Rechtssätze23 bzw. (Rechts-)Normen24 zuzuordnen sind – je nach begrifflichem Verständnis. Im Ergebnis darf die abstrakt geführte Diskussion über die Rechtsnormqualität von Verwaltungsvorschriften nicht den Blick für die hier interessierenden Komplexe der Bindungswirkung sowie gerichtlichen Kontrolldichte verstellen.25 Diese

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Grundlegend: Thoma, in: FG  Mayer 1974, S.  165,  176; vgl. im Übrigen die Nachweise bei Alexy, Theorie, S. 42 Fn. 10; Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, S. 74 Fn. *; Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 23 Fn. 35–39. Kirchhof, Rechtsetzung, S. 26 f. bezeichnet den Begriff der „Norm“ aufgrund der Schwierigkeiten einer Begriffsbildung sogar als Typusbegriff. 20 Für den Bereich der Rechtstheorie: Larenz, Methodenlehre, S.  250 ff.; Meyer-Cording, Rechtsnormen, S.  19 f.; Nawiasky, Rechtslehre, S.  11 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 120 ff.; Vesting, Rechtstheorie, Rn. 30; aus dem Allgemeinen Verwaltungsrecht: Ipsen, AVwR, § 2 Rn. 87 f.; Maurer, AVwR, § 4 Rn. 4; Wallerath, AVwR, § 4 Rn. 6. 21 So insbesondere im vorkonstitutionellen Schrifttum in Anlehnung an den dualistischen Gesetzesbegriff Paul Labands; vgl. Laband, Budgetrecht; Krüger, in: FS Smend 1952, S. 211, 217 u. 222; Forsthoff, VwR I, S. 132 f. Offengelassen bei Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 82 sowie Axer, Normsetzung, S. 35 f. Zur Kritik an der begrifflichen Beliebigkeit: O ­ ssen­ bühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR  V, § 100 Rn.  9 sowie Müller/Christensen, Methodik  I, Rn. 157. 22 Thiel, in: Landmann/Rohmer, § 48  BImSchG Rn.  5; Ipsen, AVwR, Rn.  147; Reimer, Jura 2014, S. 678, 680 ff. 23 Forsthoff, VwR I, S. 140 f.; Rupp, JuS 1975, S. 609, 612; Vogel, StuW 1991, S. 254, 255; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VwR I, § 24 Rn. 18; Wallerath, AVwR, § 4 Rn. 7 f.; Maurer, AVwR, § 24 Rn. 3. 24 Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 119; Rupp, JuS 1975, S. 609, 612; Stern, Staatsrecht II, S.  656; Achterberg, AVwR, § 16 Rn.  53; Axer, Normsetzung, S.  47; Wahl, in: FG  BVerwG 2003, S. 571, 593; Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 94; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 104 Rn. 57 f.; Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 2 Rn. 65; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 19 Rn. 4; Kirchhof, in: Maunz/Dürig, Art. 84 GG Rn. 175. 25 Ähnlich auch Axer, Normsetzung, S. 47, der diesbezüglich vor Rückschlüssen auf die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften warnt.

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1. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht 

Fragen sind nicht rechtstheoretischer oder -dogmatischer Natur,26 sondern bedürfen einer Beantwortung anhand des geltenden Verfassungsrechts.27

II. Verwaltungsvorschriften und Verfassungsrecht Von dem soeben dargelegten Grundriss ausgehend sind nachfolgend die verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Erlass sowie die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften zu untersuchen. Da die Bindungswirkung einer jeden Verwaltungsvorschrift maßgeblich durch die Existenz einer Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive determiniert wird, ist diese somit gleichsam vor die Klammer gezogen einer genaueren Betrachtung zu unterziehen  (1.). Darauf aufbauend werden die verfassungsrechtlichen Grundlagen einer Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften im Außenverhältnis gegenüber dem Bürger näher beleuchtet (2.), um abschließend die hieraus resultierenden Konsequenzen zu erörtern (3.). 1. Zur Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive Zentraler Dreh- und Angelpunkt jeglicher Dogmatik zur Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive. Wenn und soweit nämlich Bereiche existieren, in denen der Verwaltung bereits von Verfassungs wegen ein eigenständiger Funktionsbereich oder aber ein Normsetzungsrecht zuzugestehen wäre, ließe sich auf die Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften angesichts einer sodann konsequenterweise zu bejahenden unmittelbaren Außenwirkung die allgemein zu Gesetzen und Außenrechtssätzen ergangene Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts übertragen,28 ohne dass es hierzu noch weitergehender Überlegungen bedürfte. Die genaue Konturierung einer Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive wird dabei bestimmt durch das grundsätzliche Verhältnis der Exekutive zum parlamentarischen Gesetzgeber einerseits [a)] und die neuere, im Schrifttum aufgeworfene Diskussion um ein originäres Normsetzungsrecht der Verwaltung andererseits  [b)]. Diese beiden Pole gilt es nachfolgend zu vertiefen.

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Böckenförde/Grawert, AöR 95 (1970), S. 1, 15 u. 19. Leisner, Verwaltungsvorschriften, S. 26; Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR (12. A., 2002), § 5 Rn. 10; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 104 Rn. 40; Ipsen, AVwR, § 2 Rn.  86 u. 149 f. Allgemein in rechtstheoretischer Hinsicht Müller/Christensen, Methodik  I, Rn. 157 sowie in verfassungsrechtlicher Hinsicht Stern, Staatsrecht II, S. 568 f. 28 Vgl. dazu insbesondere die Ausführungen im 3. Kapitel, III., S. 124 ff. 27

II. Verwaltungsvorschriften und Verfassungsrecht

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a) Funktionsumfang der Exekutive im Verhältnis zum parlamentarischen Gesetzgeber aa) Demokratisch-rechtsstaatlicher Gesetzesvorbehalt Der Versuch, die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Funktionsumfangs der Exekutive im Verhältnis zum demokratisch-legitimierten Gesetzgeber zu bestimmen, hat sich an zwei in der Verfassung durch Art. 20 II GG vorgegebenen Grundwertungen zu orientieren, die als allgemein anerkannt gelten dürfen: Es sind dies die grundsätzliche Befugnis des Parlaments zur abstrakt-generellen Rechtsetzung sowie das Recht und die Pflicht der Exekutive zum konkret-individuellen Gesetzesvollzug, d.h. einzelfallbezogenem Handeln.29 Von dieser Weichenstellung ausgehend ist klar, dass zugunsten der Legislative ein allgemeiner Rechtsetzungsvorbehalt besteht. Seine Begründung findet er in der demokratischen Legitimation des Parlaments als Ausfluss des Demokratieprinzips30 sowie im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 III GG, wonach Eingriffe in Freiheit und Eigentum des Bürgers einer gesetzlichen Grundlage bedürfen.31 Richtigerweise wird daher auch von einem „demokratisch-rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt“ gesprochen.32 Hieraus ergibt sich die bedeutende Konsequenz, dass es der Verwaltung grundsätzlich verwehrt ist, ohne entsprechende parlamentarische Ermächtigung in abstrakt-genereller Weise außenwirksame Rechtssätze zu erlassen.33 bb) Die Wesentlichkeitstheorie als Delegationsschranke parlamentarischer Rechtsetzung Von diesem Grundriss ausgehend ist die Reichweite des Rechtsetzungsvorbehalts des Parlaments näher zu konturieren. Unstreitig ist diesbezüglich zunächst, dass trotz des allgemeinen Parlamentsvorbehalts im Bereich abstrakt-genereller Rechtsetzung nicht jeder Lebensbereich einer formal gesetzlichen Normierung be-

29

Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 GG Rn. 44 ff.; Möstl, in: Lindner/Möstl/Wolff, Art. 70 BV Rn. 1 jeweils m.w.N. 30 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 GG Rn. 44; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 20 GG (Rechtsstaat) Rn. 114; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG VI Rn. 101; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 101 Rn. 46 ff.; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 GG Rn. 218; Maurer, AVwR, § 6 Rn. 6. 31 Badura, Staatsrecht, F  13; Degenhart, StaatsR  I, Rn.  314; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG VI Rn. 101; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 GG Rn. 46; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 20 GG (Rechtsstaat) Rn. 107; Lerche, in: Merten/Papier, HbGR Bd. III, Teil II, § 62 Rn. 24; Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 2 Rn. 41. 32 Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 GG Rn. 278 u. Möstl, in: Lindner/ Möstl/Wolff, Art. 70 BV Rn. 1. 33 Degenhart, StaatsR  I, Rn.  346; Bauer, in: Dreier, Art.  80 GG Rn.  11 ff., insb. Rn.  13; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 80 GG Rn. 2.

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1. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht 

darf oder gar zugänglich ist.34 Abstrakt-generelle Rechtsetzung ist deshalb grundsätzlich unter den Voraussetzungen des Art.  80 GG delegationsfähig, wobei die Ermächtigungsnorm des Art. 80 GG mit ihren einschränkenden Voraussetzungen gleichzeitig die verfassungsrechtliche Grenze delegierter Rechtsetzung normiert.35 Hiervon ausgehend besteht für den Bereich des Einzelfallhandelns fernab der Eingriffsverwaltung –  trotz entgegenstehender Versuche in Form des sog. Totalvorbehalts36 – kein allgemeiner Parlamentsvorbehalt.37 Aus Sicht der hier aufgeworfenen Frage nach einem eigenständigen Funktionsbereich der Exekutive und einem damit potenziell eröffneten Bereich zum Erlass von Verwaltungsvorschriften mit wie auch immer gearteter Außenwirkung innerhalb der Spielräume des Rechts interessiert freilich, welche Regelungsmaterien einer Delegation nicht fähig sind und durch den parlamentarischen Gesetzgeber selbst geregelt werden müssen. Eine Antwort hierauf liefert die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Wesentlichkeitstheorie, wonach alle für die Verwirklichung von Grundrechten wesentlichen Bereiche durch den Gesetzgeber selbst geregelt werden müssen.38 Obgleich die Wesentlichkeitstheorie nicht ohne Kritik

34 BVerfG, Urteil v. 06.07.1999 – 2 BvF 3/90, BVerfGE 101, S. 1, 35 m.w.N. – aus diesem Grund wird auch zutreffend von einer „Entlastungsfunktion“ (Bauer, in: Dreier, Art. 80 GG Rn. 11) bzw. „Anstoßfunktion“ (Uhle, Parlament, S. 157) der Rechtsverordnung gesprochen. 35 Insofern ist es zutreffend, wenn das Bundesverfassungsgericht in früheren Entschei­ dungen hinsichtlich der Norm des Art.  80 GG von einer „Durchbrechung“ des Gewaltenteilungsprinzips spricht, s. BVerfG, Beschluss v. 12.11.1958  – 2  BvL  4/56 u.a., BVerfGE  8, S. 274, 321. Besonders deutlich wird dies bei BVerfG, Beschluss v. 02.06.1964 – 2 BvL 23/62, BVerfGE 18, S. 52, 59, wo das Bundesverfassungsgericht ausführt: „Die Vorschrift umschreibt die Grenzen dieser Rechtsetzungsbefugnis, die sich aus den verfassungsrechtlichen Prinzipien des Rechtsstaates und der Gewaltenteilung ergeben.“ 36 Insbesondere Jesch, Gesetz und Verwaltung, passim; Rupp, Grundfragen, S. 113 ff. 37 BVerfG, Urteil v. 18.12.1984 – 2 BvE 13/83, BVerfGE 68, S. 1, 109; Sachs, in: Sachs, Art.  20 GG Rn.  88; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Art.  20 GG VI Rn.  108; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, Art.  20 GG Rn.  51; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 101 Rn.  25; Stern, Staatsrecht I, S. 808. 38 Grundlegend BVerfG, Beschluss v. 14.03.1972 – 2 BvR 41/71, BVerfGE 33, S. 1, 9 ff.; BVerfG, Beschluss v. 21.12.1977 – 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75, BVerfGE 47, S. 46, 78 ff.; BVerfG, Beschluss v. 20.10.1981  – 1  BvR  640/80, BVerfGE  58, S.  257,  268 ff.; BVerfG, Beschluss v. 27.11.1990  – 1  BvR  402/87, BVerfGE  83, S.  130, 142; BVerfG, Urteil v. 31.05.2006 – 2 BvR 1673/04 u.a., BVerfGE 116, S. 69, 80 ff.; vgl. zur Formel der Grundrechtsrelevanz: BVerfG, Beschluss v. 04.04.1978  – 2  BvR  1108/77, BVerfGE  48, S.  89, 126 f.; BVerfG, Urteil v. 16.06.1981  – 1  BvL  89/78, BVerfGE  57, S.  295, 319 ff.; BVerfG, Beschluss v. 26.06.1991 – 1 BvR 779/85, BVerfGE 84b, S. 212, 226; BVerfG, Beschluss v. 25.03.1992 – 1 BvR 1430/88, BVerfGE 85, S. 386, 406 f.; BVerfG, Urteil v. 12.07.1994 – 2 BvE 3/92 u.a., BVerfGE 90, S. 286, 381 ff.; BVerfG, Urteil v. 14.07.1998 – 1 BvR 1640/97, BVerfGE  98, S.  218, 251. Aus dem verfassungsrechtlichen Schrifttum s. Badura, Staatsrecht, D 56 u. F 13; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 GG Rn. 47 ff.; Grzeszick, in: Maunz/ Dürig, Art.  20  GG  VI Rn.  105 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art.  20 GG  (Rechtsstaat) Rn. 103; Sachs, in: Sachs, Art. 20 GG Rn. 116 f.; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 GG Rn. 278.

II. Verwaltungsvorschriften und Verfassungsrecht

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geblieben ist,39 muss ihr im Interesse einer umfassenden Freiheitswahrung des Bürgers gefolgt werden.40 Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Einzelgrundrechte bei wertender Auslegung im Zweifel selbst das ausschlaggebende Kriterium zur Bestimmung der Wesentlichkeit liefern. Dies zeigt auch ein Blick auf die jüngere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die in Anlehnung an die Wesentlichkeitstheorie für die Sicherung und Verwirklichung grundrechts- und statusrelevanter Bereiche wenigstens eine außenrechtssatzmä­ßige Regelung in Form der Rechtsverordnung fordert.41 Im Ergebnis scheidet der Erlass von (außenwirksa­ men) Verwaltungsvorschriften in solchen Bereichen aus, in denen der parlamentarische Gesetzgeber nach der Wesentlichkeitstheorie zumindest die Voraussetzungen, unter denen eine exekutive Rechtskonkretisierung zulässig ist, selbst zu regeln hat. cc) Der Gesetzgebung entzogene Regelungsbereiche kraft verfassungsrechtlichen Verwaltungsvorbehalts? Von dem soeben Gesagten ausgehend stellt sich nunmehr unter gleichsam umgekehrten Vorzeichen die Frage, ob Bereiche existieren, die einem Zugriff durch den parlamentarischen Gesetzgeber kraft eines der Exekutive verfassungsrechtlich zugewiesenen eigenständigen Funktionsbereichs entzogen sind (sog. Verwaltungsvorbehalt42). Die Beantwortung dieser Frage ist notwendig vor dem Hintergrund, dass dadurch gegebenenfalls Bereiche für außenwirksame Rechtskonkretisierung durch Verwaltungsvorschriften nachgewiesen werden können. Vorab sei darauf hingewiesen, dass hier nicht dem Problemkreis um einen Regierungsvorbehalt i.S.d. Artt. 64 I, 65 S. 1 GG nachgegangen werden soll;43 die nach 39

Prägnant: Kloepfer, JZ 1984, S. 685, 692: „Wesentlich ist, was das Bundesverfassungsgericht dafür hält.“; Kloepfer, VerfR I, § 7 Rn. 214; insgesamt zur Kritik Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 101 Rn. 56 ff. m.w.N. 40 Worauf auch Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 4 Rn. 22 hinweist. 41 s. beispielsweise die jüngere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Beihilferecht des Bundes, vgl. BVerwG, Urteil v. 17.06.2004 – 2 C 50.02, BVerwGE 121, S. 103, 109 f. sowie neuerdings zu den Heilfürsorgevorschriften der Bundespolizei und der truppenärztlichen Versorgung BVerwG, Urteil v. 12.09.2013 – 5 C 33.12, NVwZ 2014, S. 305, 306 f.; dazu Saurer, DÖV 2005, S. 587 ff., insb. S. 593. 42 Grundlegend: Maurer, VVDStRL 43 (1985), S. 135, ff.; Schnapp, VVDStRL 43 (1985), S.  172 ff.; Degenhart, NJW  1984, S.  2184 ff.; Stettner, DÖV  1984, S.  611 ff.; Schmidt, NVwZ  1984, S.  545 ff.; Schertl, BayVBl.  1987, S.  393 ff.; Janssen, Grenzen, S.  65 f.; Burmeister, Institutioneller Gesetzesvorbehalt, S.  132 ff.; Kunig, Jura  1993, S.  308, 309 f.; Rogmann, Bindungswirkung, S.  88 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, HStR  II, § 26 Rn.  57; Schröder, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 106 Rn.  22; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG VI Rn. 127 ff. 43 Bereits Schmidt, NVwZ 1984, S. 545, 546 hat insofern zutreffend auf die sprachlichen Unterschiede und daraus resultierenden Probleme verwiesen. Zum Regierungsvorbehalt: grundlegend v.  Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung; Stettner, DÖV  1984, S.  611, 615; Maurer, VVDStRL 43 (1985), S. 135, 151 ff.; Maurer, in: FS Vogel 2000, S. 331 ff.; Schröder, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 106 Rn. 13 ff.

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1. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht 

folgenden Ausführungen beschränken sich allein auf die Verwaltung als vollziehende Gewalt im engeren Sinne. (1) Verwaltungsvorbehalt im Bereich konkret-individuellen Verwaltungshandelns Ausgangspunkt der näheren Untersuchung eines Verwaltungsvorbehalts muss die Feststellung sein, dass alle eigenständigen Funktionsbereiche der Verwaltung sowohl für abstrakt-generelles als auch konkret-individuelles Handeln einer Festlegung durch die Verfassung selbst bedürfen. Kaum weiterführend ist daher zunächst die durch Art. 20 II 2 GG geforderte organisatorisch-personelle Trennung der verschiedenen Staatsgewalten. Ihr lässt sich jedenfalls keine Aussage dahingehend entnehmen, dass dem parlamentarischen Gesetzgeber der Zugriff auf eine bisher von der Verwaltung vorgenommene Materie verwehrt wäre.44 Vor dem Hintergrund des Art. 20 III GG gilt vielmehr, dass Freiräume der Exekutive grundsätzlich nur nach Maßgabe der Verfassung und Gesetze bestehen.45 Dies ist im Bereich des Einzelfallhandelns der Verwaltung insbesondere für solche Tätigkeitsbereiche anerkannt, die noch keiner gesetzlichen Normierung zugeführt wurden und bisher von der Verwaltung aufgrund ihres „Rechts des ersten Zugriffs auf die Sach­ probleme“46 behandelt wurden.47 Ein eigenständiger Funktionsbereich der Exekutive ist lediglich dahingehend anzuerkennen, als ihr nicht per se die kraft Gewaltenteilungsprinzips nach Art. 20 II 2 GG inhärente Organisations-, Geschäftsleitungs- sowie Vollzugsgewalt vollständig entzogen werden darf.48 Mithin kann sich die Verwaltung allenfalls auf eine Art „Schutz im institutionellen Sinne“ berufen, bleibt aber im Wesentlichen einem Zugriff des Gesetzgebers ausgesetzt. Der Exekutive verbleibt damit lediglich das grundsätzliche Recht, Gesetze für den Einzelfall erstmalig anzuwenden

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BVerfG, Beschluss v. 13.09.2005 – 2 BvF 2/03, BVerfGE 114, S. 196, 232. Früh: Vogel, VVDStRL 24 (1966), S. 125, 175; Schmidt-Aßmann, in: FS Ipsen 1977, S. 333, 347; Degenhart, NJW 1984, S. 2184, 2185 f.; Stettner, DÖV 1984, S. 611, 617; Ossenbühl, in: Isensee/ Kirchhof, HStR V, § 101 Rn. 76; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG VI Rn. 127. Umfassend m.zahlr.w.N. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 80 GG Rn. 10. 45 Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 101 Rn. 71 spricht sogar von einer „Restkompetenz“ der Verwaltung. 46 Begriff nach Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG V Rn. 80. 47 Stettner, DÖV 1984, S. 611, 617; Maurer, VVDStRL 43 (1985), S. 135, 156; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG V Rn. 79. Zum Bereich der „gesetzesfreien“ Verwaltung auch Ossen­ bühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 104 Rn.  33 sowie BVerfG, Beschluss v. 12.06.1979  – 1 BvL 19/76, BVerfGE 52, S. 1, 41; BVerfG, Urteil v. 03.11.1982 – 1 BvR 210/79, BVerfGE 62, S. 169, 182, wonach sogar eine gesetzgeberische Pflicht zur Aufstellung eines konkreten Handlungsprogramms der Verwaltung durch den Gesetzgeber bestehen kann. 48 Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 101 Rn. 69 ff.; umfassend: Schmidt-Aßmann, in: FS Ipsen 1977, S. 333 ff. sowie Schnapp, VVDStRL 43 (1985), S. 172, 192 ff.

II. Verwaltungsvorschriften und Verfassungsrecht

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(sog. Erstzugriffsrecht).49 Namentlich dieser verfassungsrechtlich angelegte Vollzugsauftrag genießt den Schutz des Art. 79 III GG,50 wobei das Erstzugriffsrecht zugleich eine Einschränkung durch die jederzeitige Zugriffsmöglichkeit des Parlaments51 und die Wesentlichkeitstheorie erfährt. Insgesamt bleibt festzuhalten: In Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden Meinung ist davon auszugehen, dass ein „gesetzesfester“ Kern der Verwaltung, der dem generellen Zugriff des Gesetzgebers entzogen wäre und insofern das Recht zum Erlass außenwirksamer Verwaltungsvorschriften begründet, nicht existiert. Die Rechtsfigur eines Verwaltungsvorbehalts ist abzulehnen.52 (2) Verwaltungsvorbehalt im Bereich abstrakt-generellen Verwaltungshandelns Aus der Ablehnung eines Verwaltungsvorbehalts im Bereich des konkret-individuellen Gesetzesvollzugs folgt für die abstrakt-generelle Rechtsetzung durch die Verwaltung, dass auch hier keine verfassungsrechtlich geschützten und „entzugsfesten“ eigenständigen Funktionsbereiche existieren.53 Dies wird besonders daran deutlich, dass weder die Organisations-, noch die Geschäftsleitungs- und Vollzugsgewalt der Verwaltung nach der Funktionsordnung des Grundgesetzes eine Befugnis zur eigenständigen, abstrakt-generellen Normsetzung enthalten.54

49 Zum Erstzugriffsrecht der Exekutive insbesondere Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 101 Rn. 75. 50 Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 79 GG Rn. 44; Dreier, in: Dreier, Art. 79 III GG Rn. 50; Herdegen, in: Maunz/Dürig, Art.  79 GG Rn.  141 ff.; ähnlich Sachs, in: Sachs, Art.  79 GG Rn. 74; zur Kritik Hain, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 79 Abs. 3 GG Rn. 98 f. 51 BVerfG, Urteil v. 15.11.1967  – 2  BvL  7/64  u.a., BVerfGE  22, S.  330, 346; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 80 GG Rn. 5. 52 So bereits schon Klein, in: FG  Forsthoff 1967, S.  163, 174 f.; Degenhart, NJW  1984, S.  2184, 2189 f.; Schmidt, NVwZ  1984, S.  545, 550; Maurer, VVDStRL  43 (1985), S.  135, 164 ff.; Dreier, Verw. 25 (1992), S. 137, 154 f.; Kunig, Jura 1993, S. 308, 310 f.; Rogmann, Bindungswirkung, S. 91; Schröder, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 106 Rn. 23 f.; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG VI Rn. 127; Remmert, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 1 GG Rn. 15. Tendenziell offener Stettner, DÖV  1984, S.  611, 620 ff.; bejahend Schnapp, VVDStRL  43 (1985), S. 172, 197. 53 BVerfG, Beschluss v. 13.09.2005  – 2  BvF  2/03, BVerfGE  114, S.  196, 232; Bauer, in: Dreier, Art. 80 GG Rn. 47; Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 80 GG Rn. 25; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 80 GG Rn. 10. 54 Deshalb wird in den einschlägigen Kommentierungen nur davon ausgegangen, dass eine Erweiterung der Rechtsetzungsbefugnisse der Exekutive mit Art. 79 III GG vereinbar ist, Umkehrschlüsse hinsichtlich etwaiger verfassungsrechtlich garantierter Rechtsetzungsbefugnisse der Exekutive lassen sich hieraus gerade nicht ableiten. Im Einzelnen hierzu Dreier, in: Dreier, Art. 79 III GG Rn. 50; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 79 GG Rn. 49; ausführlich Hain, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 79 Abs. 3 GG Rn. 95 ff.

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1. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht 

dd) Zusammenfassung Der demokratisch-rechtsstaatliche Gesetzesvorbehalt weist die Befugnis zur abstrakt-generellen Rechtsetzung grundsätzlich dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber zu. Schranken delegierter Rechtsetzung ergeben sich für den Bereich der Exekutive namentlich aus der Wesentlichkeitstheorie, die insofern die Befugnis zum Erlass außenwirksamer Verwaltungsvorschriften versperrt. Ein eigenständiger Funktionsbereich der Exekutive unter dem Gedanken der Rechtsfigur des Verwaltungsvorbehalts ist verfassungsrechtlich abzulehnen. Diese Maßgaben sind für die verfassungsrechtliche Positionierung der Exekutive in zweifacher Hinsicht bedeutsam. Zum einen ist aufgrund der Funktion des parlamentarischen Gesetzgebers davon auszugehen, dass die Exekutive grundsätzlich nur zum Einzelfallvollzug der Gesetze berufen ist. Zum anderen ist die Verwaltung im Falle der fehlenden gesetzlichen Normierung bestimmter Sachmaterien verfassungsrechtlich vorbehaltlich der durch die Wesentlichkeitstheorie gesetzten Grenzen dazu berufen, den ersten Sachzugriff auf eine Materie in konkret-individueller Weise auszuüben.55 Von einer so gehandhabten strikten Differenzierung zwischen abstraktgenereller Rechtsetzung sowie konkret-individueller Normvollziehung ausgehend wäre die nach hiesiger Ansicht folgerichtige Konsequenz, der Verwaltung keine kraft ihres Vollzugsmandats inhärente bzw. originäre Rechtsetzungsbefugnis mit Außenwirkung56 zuzugestehen. b) Originäres Normsetzungsrecht der Exekutive aa) Die jüngere verfassungsrechtliche Diskussion Gegen diesen verfassungsrechtlich vermeintlich eindeutigen Befund sind insbesondere in jüngerer Zeit vermehrt Stimmen aufgekommen, die der Exekutive ein von parlamentarischer Ermächtigung unabhängiges und daher originäres bzw. von den Einschränkungen des Art. 80 I GG teilweise losgelöstes Normsetzungsrecht zugestehen möchten.57 Die Argumentationsstränge sind hierbei äußerst vielschichtig. Zunächst wird zahlreich betont, dass verfassungsrechtliche Einwände gegen 55 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG V Rn. 80; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 101 Rn. 75. 56 Dass die Exekutive für ihren Innenbereich eine originäre Rechtsetzungskompetenz dem Grunde nach besitzt, ist unstreitig, vgl. dazu insbesondere Achterberg, AVwR, § 16 Rn. 55. 57 s. bereits Vogel, VVDStRL  24 (1966), S.  125 ff.; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 510; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 101 Rn. 73; unter Berufung auf Gewohnheitsrecht Wolff/Bachof, VwR I, 9. A., 1974, S. 136; Krebs, VerwArch 70 (1979), S. 259, 263 ff.; Scheuing, VVDStRL 40 (1981), S. 153, 160; Stern, Staatsrecht II, S. 659; Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 382 ff., insb. S. 396; Rogmann, Bindungswirkung, S. 57 ff.; Horn, Grundrechtsunmittelbare Verwaltung, S.  67 ff.; Axer, Normsetzung, S.  225 ff.; v.  Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 459 ff.; Seiler, Parlamentsvorbehalt, S. 185 ff. (differenzierend nach Eingriffs- und Leistungsverwaltung); Leisner-Egensperger, JZ 2002, S. 219, 227 ff.,

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ein originäres Normsetzungsrecht der Exekutive dahingehend nicht durchgreifen, als sie im verfassungsrechtlichen Gefüge selbst ein hohes Maß an demokratischer Legitimation aufweise.58 Zum anderen wird versucht, ein Normsetzungsrecht für all diejenigen Bereiche anzunehmen, die von der Wesentlichkeitstheorie nicht umfasst sind.59 Insofern bedürfe die Exekutive keiner parlamentarischen Ermächtigung zur Regelung derartiger Materien. In verfassungsgeschichtlicher Hinsicht wird argumentiert, dass die Gründe, welche gegen ein Normsetzungsrecht der Exekutive sprächen, aus konstitutioneller Zeit herrührten und den Gegeben­ heiten der heutigen verfassungsrechtlichen Realität nicht mehr entsprächen  – Kompetenzkonflikte zwischen Monarch und Parlament gehörten der Vergangenheit an.60 Weiterhin wird der Versuch unternommen, unter teilweiser Berufung auf die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Formel einer funktionsgerechten Aufgabenverteilung61 das Gewaltenteilungsprinzip zur verfassungsrechtlichen Legitimation einer Normsetzungskompetenz der Exekutive zu bemühen.62 Schlussendlich wird gegen eine mögliche Sperrwirkung des Art. 80 I GG angeführt, dass sich diese nur auf delegierte Rechtsetzung, d.h. dem Gesetzesvorbehalt unterfallende Komplexe beziehe und für alle weiteren Bereiche keine Aussagen treffe bzw. diese entsprechend zu relativieren seien.63

insb. S. 230; Wahl, in: FG BVerwG 2003, S. 571, 585 ff.; Hoffmann-Riem, AöR 130 (2005), S. 5, 66 ff.; Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 274 ff.; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG VI Rn. 135 ff.; Differenzierend Schmidt-Aßmann, in: FS Vogel 2000, S. 477, 487 ff.; Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR II, § 34 Rn. 24. 58 Grundlegend: Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 156 ff. u. 187 ff.; Hill, NVwZ 1989, S. 401, 407; Wahl, in: FG BVerwG 2003, S. 571, 594; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG VI Rn. 134 sowie 139 f.; Axer, Normsetzung, S. 225 ff. weist insoweit auf die gesetzlich legitimierte Geschäftsleitungs- und Organisationsgewalt der Exekutive hin. 59 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S.  509; Krebs, VerwArch  70 (1979), S.  259, 271; Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 392; Rogmann, Bindungswirkung, S. 66; Horn, Grundrechtsunmittelbare Verwaltung, S.  62 ff.; Seiler, Parlamentsvorbehalt, S.  249; Leisner-­Egensperger, JZ  2002, S.  219, 224; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Art.  20 GG  VI Rn. 135. Vgl. auch Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 290 ff. 60 Vogel, VVDStRL 24 (1966), S. 125, 129 ff.; Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S.  386 ff.; Horn, Grundrechtsunmittelbare Verwaltung, S.  43 ff.; Seiler, Parlamentsvorbehalt, S. 51 ff. u. 216 ff.; Leisner-Egensperger, JZ 2002, S. 219, 222; Wahl, in: FG BVerwG 2003, S. 571, 594. Vgl. auch Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 103 Rn. 16, der insoweit von einer „Verordnungsphobie“ spricht. 61 BVerfG, Urteil v. 18.12.1984 – 2 BvE 13/83, BVerfGE 68, S. 1, 86, bestätigt in BVerfG, Beschluss v. 17.07.1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, S. 1, 15 sowie BVerfG, Urteil v. 14.07.1998 – 1 BvR 1640/97, BVerfGE 98, S. 218, 251 f. 62 Rogmann, Bindungswirkung, S. 60 f.; Schmidt-Aßmann, in: FS Vogel 2000, S. 477, 485 ff.; Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 291 ff., der insoweit die Wesentlichkeitstheorie als Funktionenlehre mit entsprechenden Konsequenzen handhabt. 63 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S.  510; Krebs, VerwArch  70 (1979), S.  259, 270; Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S.  394 ff.; Horn, Grundrechtsunmittelbare Verwaltung, S. 66 ff.; Seiler, Parlamentsvorbehalt, S. 222 f. unter der Einschränkung des Vorrangs des Gesetzes; Schmidt-Aßmann, in: FS Vogel 2000, S. 477, 489 f.; Leisner-Egensperger, JZ 2002, S. 219, 226; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG VI Rn. 136.

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1. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht 

Auf all diesen Punkten baut zum Teil  sehr deutliche Kritik an der herkömmlichen Lehre auf. So finden sich mitunter Feststellungen in der Weise, dass es sich bei Verwaltungsvorschriften nach der klassischen Doktrin um eine Form „apokry­pher Rechtsetzung“64 handele; es sei an der Zeit, hinsichtlich eines Rechtsetzungsmonopols des Parlaments „Traditionsbestände aufzugeben“65; die Wesentlichkeitslehre „blockiert die Verwaltung und nimmt dem Bürger im Effekt die Möglichkeit in den Genuss des grundrechtlichen Schutzes (…) zu kommen“66. bb) Kritische Würdigung Allen Ansätzen zur Begründung eines wie auch immer gearteten –  von einer Delegation durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber losgelösten  – Normsetzungsrechts der Exekutive ist gemein, die in der Rechtsrealität existierende Relevanz exekutiver Normsetzung verstärkt in den Vordergrund zu rücken.67 So berechtigt derartige Überlegungen auch sein mögen, ändern diese nichts an den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften. Im Ergebnis stellt die gesamte Diskussion den nur wenig überzeugenden Versuch dar, für Realitäten und Notwendigkeiten der Rechtspraxis eine verfassungsrechtlich tragfähige Grundlage zu konstruieren.68 In Abkehr von den neueren Auffassungen zur Bestimmung des Funktionsumfangs der Exekutive nach dem Grundgesetz ist es an der Zeit, die Diskussion auf die tragenden Verfassungsbestimmungen der Artt.  20,  80 GG zurückzuführen: Das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip des Art.  20 GG sowie die Delegationsnorm des Art. 80 GG statuieren in ihrer Gesamtbetrachtung ein Rechtsetzungsmonopol zugunsten des Parlaments, das nur unter den Voraussetzungen des Art.  80 GG unter Ergänzung durch die Wesentlichkeitstheorie eine Delegation an die Exekutive zulässt.69 Vom Demokratieprinzip des Art. 20 II GG ausgehend bleibt abstrakt-generelle Rechtsetzung gegenüber dem Bürger danach grundsätz 64

Wahl, in: FG BVerwG 2003, S. 571, 596. Schmidt-Aßmann, in: FS Vogel 2000, S. 477, 484. 66 Horn, Grundrechtsunmittelbare Verwaltung, S. 91. 67 Hill, NVwZ 1989, S. 401, 405 f.; v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 467; SchmidtAßmann, in: FS Vogel 2000, S. 477 ff.; Leisner-Egensperger, JZ 2002, S. 219, 231; HoffmannRiem, AöR  130 (2005), S.  5, 66 ff., insbesondere S.  69; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 101 Rn. 74. Prägnant Wahl, in: FG BVerwG 2003, S. 571, 587: „Nicht die Praxis tut, was sie nicht darf, sondern die Theorie erfasst und begreift nicht, was die Praxis tut (und tun muss).“ 68 Dies wird insbesondere bei Krebs, VerwArch 70 (1979), S. 259, 268 deutlich: „Erweist sich trotz gesetzlicher Regelung eine eigenständige (Außen-)Rechtsetzung der Verwaltung als verfassungsrechtlich unumgänglich, dann muss trotz umfassenden Gesetzesvorbehalts eine der eingangs erwähnten Prämissen aufgegeben werden.“ 69 Statt aller Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 80 GG Rn. 1. 65

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lich Sache des Parlaments;70 exekutive Rechtsetzung muss sich mithin stets an legislative Vorgaben rückbinden lassen.71 Die Befugnis der Exekutive, Recht zu setzen, beruht bei Rechtsverordnungen auf einer parlamentarischen Ermächtigung in Form des Gesetzes und ist bei Satzungen aus einer kraft Gesetzes oder Verfassung verliehenen Autonomie abzuleiten, die jedoch dem Zugriff des Gesetzgebers im Rahmen des geltenden – und damit grundsätzlich abänderbaren – Rechts unterliegt.72 Wenig zu überzeugen vermag es ebenfalls, die Kehrseite der Wesentlichkeitstheorie als Argument für eine originäre Rechtsetzungskompetenz der Exekutive heranzuziehen; schließlich trifft die Wesentlichkeitstheorie nur eine Aussage dahingehend, welche Bereiche wenigstens durch Außenrechtssätze geregelt werden müssen, nicht jedoch darüber, ob der Exekutive die Befugnis zur originären Normsetzung zusteht.73 Zwar mag es richtig sein, dass die Exekutive für den Bereich des Nicht-Wesentlichen eine Entscheidungsbefugnis hat. Diese Entscheidungsbefugnis bezieht sich kraft des Gewaltenteilungsprinzips allerdings nur auf den Einzelfall, nicht dagegen auf abstrakt-generelle Rechtsetzung. Ob eine derartige Kompetenz besteht, wird durch einen Umkehrschluss gerade nicht beantwortet. Weiterhin lässt sich aus der Formulierung des Bundesverfassungsgerichts zum Gewaltenteilungsgrundsatz in der sog. Nachrüstungsentscheidung zur Stationierung von Pershing II-Raketen74 nicht entnehmen, dass der Exekutive seitens des Grundgesetzes ein Normsetzungsrecht zugesprochen werden könnte. Einerseits ergeben sich bereits aus dem Wortlaut der Entscheidung – wie Johannes Saurer überzeugend nachgewiesen hat  – diesbezüglich erhebliche Zweifel.75 Andererseits trifft Art. 80 GG eine Grundentscheidung hinsichtlich delegierter Rechtsetzung dahingehend, dass diese stets unter einem Gesetzesvorbehalt steht. Zu Recht wird daher auch von einem „gesetzlichen Totalvorbehalt“76 gesprochen. 70

So explizit BVerfG, Beschluss v. 17.07.1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, S. 1, 16 f.: „Im freiheitlich-demokratischen System des Grundgesetzes fällt dem Parlament als Legislative die verfassungsrechtliche Aufgabe der Normsetzung zu. Nur das Parlament besitzt hier für die demokratische Legitimation.“; in diesem Sinne ebenfalls Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 20 GG Rn. 218; Kloepfer, VerfR I, § 21 Rn. 307. 71 Jachmann, Verw. 28 (1995), S. 17, 22; Bauer, in: Dreier, Art. 80 GG Rn. 13 u. 19; Badura, Staatsrecht, F 16; Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 80 GG Rn. 11. 72 Vgl. zur kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art.  28  II  1 GG insbesondere die „Rastede“-Entscheidung, BVerfG, Beschluss v. 23.11.1988 – 2 BvR 1619/83 u.a., BVerfGE 79, S. 127, 143. Allgemein: Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 105 Rn. 28. 73 In diesem Sinne auch Maurer, VVDStRL 43 (1985), S. 135, 162 sowie Nierhaus, in: BK, Art. 80 GG Rn. 87 unter Verweis auf Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 394. 74 BVerfG, Urteil v. 18.12.1984 – 2 BvE 13/83, BVerfGE 68, S. 1, 86 wo gesagt wird, „dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen“. 75 Saurer, Rechtsverordnung, S. 349 f. 76 Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 80 GG Rn. 24; Mann, in: Sachs, Art. 80 GG Rn. 6.

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1. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht 

Hinzu kommt aus historischer Sicht, dass sich der bundesdeutsche Gesetzgeber im Rahmen der Diskussion um eine Verfassungsreform explizit gegen die Einführung von originären Rechtsetzungsbefugnissen der Exekutive aussprach.77 Die Enquete-Kommission Verfassungsreform war sich der rechtsstaatlich problematischen Situation mangelnder Transparenz eines Handelns durch Verwaltungsvorschriften sowie einer möglichen Entlastung des Parlaments durch die Einführung eines selbstständigen Verordnungsrechts der Verwaltung durchaus bewusst.78 Im Ergebnis setzten sich die Bedenken gegen ein Verordnungsrecht durch, da einerseits die Gefahr der Verschiebung der Machtbalance zulasten des Parlaments zu befürchten sei, andererseits ein selbstständiges Rechtsetzungsrecht mit Veröffentlichungspflichten der gebotenen Flexibilität des Verwaltungshandelns nicht gerecht werde.79 Es lässt sich unter den heutigen verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen zwar nicht bestreiten, dass dem Bereich exekutiver Rechtsetzung ein heraus­ ragender Stellenwert in der Rechtspraxis zukommt.80 Umso mehr bedarf es aber einer genauen verfassungsrechtlichen Konturierung des Vollzugsmandates, da die grundrechtlichen Gefährdungslagen des Bürgers gegenüber der Verwaltung nach wie vor präsent sind.81 Durch eine solche Sichtweise werden die Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten der Exekutive auch nicht über das verfassungsrechtlich gebotene Maß hinaus eingeschränkt. Der Staat des Grundgesetzes stellt der Exekutive effektive Handlungsinstrumente zur Verfügung, welche die für die Bewältigung der Zukunftsaufgaben notwendigen Entscheidungsspielräume belassen.82 Wirksamer Grundrechtsschutz ist dabei nach dem durch das Grundgesetz vorgesehenen Konzept im Zweifel durch das Bundesverfassungsgericht zu erlangen; eine fehlende Normsetzungskompetenz der Verwaltung stellt sich hierbei nicht als ein „Danaergeschenk“83 für den Grundrechtsträger dar.

77 s. hierzu den Schlussbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform, BT-Drucks. 7/5924, S. 89 ff.; Laufer, Verfassungsreform, S. 85 ff. 78 BT-Drucks. 7/5924, S. 91. 79 BT-Drucks. 7/5924, S. 92. Auf die insgesamt widersprüchliche Haltung der Kommission in diesem Punkt weist Laufer, Verfassungsreform, S. 89 f. zutreffend hin. 80 Was auch von den Gegnern eines originären Normsetzungsrechts der Exekutive keinesfalls bezweifelt wird; vgl. Saurer, Rechtsverordnung, S.  188 ff.; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 19 Rn. 1; Maurer, AVwR, § 4 Rn. 22. 81 s. hierzu jüngst BVerfG, Beschluss v. 31.05.2011 – 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, S. 1 ff. zu der Frage, inwieweit Gerichte an eine Konkretisierung von unbestimmten Rechtsbegriffen durch die Verwaltung gebunden sind. 82 Zu weit geht insofern Wahl, in: FG BVerwG 2003, S. 571, 580, wenn er meint, „dass die Umwege der deutschen Dogmatik (…) nur dazu (dienen), verfassungsrechtliche Bedenken zu zerstreuen“. 83 Horn, Grundrechtsunmittelbare Verwaltung, S. 91.

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Aus den vorstehenden Überlegungen wird die Skepsis des Bundesverfassungsgerichts84 sowie des Bundesverwaltungsgerichts85 gegenüber einer Normkonkretisierung außerhalb des Rechtssatzvorbehalts von Art. 80 I 1 GG deutlich. Ein von Art. 80 I 1 GG unabhängiges Normsetzungsrecht der Exekutive ist verfassungsrechtlich abzulehnen.86 c) Zwischenergebnis Die Außenverbindlichkeit abstrakt-genereller Rechtsetzung der Exekutive ist an eine parlamentarische Ermächtigung geknüpft. Originäre Rechtsetzungsbefugnisse der Exekutive sind unter der Verfassung des Grundgesetzes nicht vorgesehen. Für Verwaltungsvorschriften folgt hieraus die grundlegende und für den weiteren Gang der Bearbeitung zentrale Feststellung, dass ihnen mangels eigenständiger Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive keine unmittelbare Außenwirkung zukommen kann. 2. Verfassungsrechtliche Grundlagen der Bindungs- und Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften Steht fest, dass Verwaltungsvorschriften mangels originärer Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive keine unmittelbare Außenwirkung entfalten, stellt sich nachfolgend die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ihnen jedenfalls mittelbare Außenwirkung zugesprochen werden kann. Dafür ist zunächst auf das Selbstprogrammierungsrecht der Verwaltung einzugehen [a)], um sodann die dogmatische Begründung und den Umfang mittelbarer Außenwirkung über den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG näher zu konturieren [b)] und von den Rechtswirkungen des Vertrauensschutzprinzips abzugrenzen [c)].

84 BVerfG, Beschluss v. 21.06.1989 – 1 BvR 32/87, BVerfGE 80, S. 257, 265; BVerfG, Beschluss v. 22.10.1991 – 1 BvR 393/85 u.a., BVerfGE 85, S. 36, 54. 85 Das wird insbesondere in der Beihilfe-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts deutlich, vgl. BVerwG, Urteil v. 17.06.2004 – 2 C 50.02, BVerwGE 121, S. 103, 108 f., wo explizit die Befürchtung geäußert wurde, dass „der für Besoldung und Versorgung bestehende Gesetzesvorbehalt (…) zunehmend ausgehöhlt“ werden könne. 86 Für die nach wie vor überwiegende Auffassung: Achterberg, AVwR, § 21 Rn. 3; Badura, Staatsrecht, F  16; Degenhart, StaatsR  I, Rn.  313 ff.; Maurer, VVDStRL  43 (1985), S.  135, 162; Maurer, AVwR, § 4 Rn.  22; Kloepfer, VerfR  I, § 21 Rn.  302; Uhle, Parlament, S.  156; Uhle, ZG 2001, S. 328, 335 ff.; Saurer, Rechtsverordnung, S. 351; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 19 Rn. 7; Nierhaus, in: BK, Art. 80 GG Rn. 85 ff. u. 179; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 80 GG Rn. 3; Bauer, in: Dreier, Art. 80 GG Rn. 19; Martini, AöR 133 (2008), S. 155, 161; Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 80 GG Rn. 11; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke, Art. 80 GG Rn. 6; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 80 GG Rn. 14; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 80 GG Rn. 4; Groh, in: FS Battis 2014, S. 221, 229 ff.

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1. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht 

a) Das Selbstprogrammierungsrecht der Verwaltung als verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt mittelbarer Außenwirkung Verfassungsrechtliche Ausgangsprämisse der mittelbaren Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften muss das der Verwaltung durch Art. 20 II 2 GG gewährleistete Recht zum eigenständigen Vollzug des Gesetzes sein.87 Mit diesem verfassungsrechtlich angelegten Vollzugsauftrag korrespondiert ein Recht der Exekutive, den Vollzug des Rechts durch autonom gesetzte Instrumente der Selbstprogrammierung intern zu steuern; dies ist allgemein unstreitig und bedarf keiner weitergehenden Vertiefung.88 Folge dieses im Vollzugsauftrag enthaltenen Rechts zur Selbstprogrammierung des Vollzugshandelns ist es, der Verwaltung im Falle von gesetzlich nicht vollumfänglich determinierten Entscheidungen entsprechende Spiel- und Freiräume zuzugestehen, um das zu vollziehende Gesetz für sich selbst zu konkretisieren. Art. 20 III GG legt damit einhergehend den verfassungsrechtlichen Umfang sowie die Grenzen des Rechts zur Selbstprogrammierung fest. Den jeweiligen Selbstprogrammierungsspielraum konkretisiert maßgeblich das zu vollziehende Gesetz selbst,89 wobei der Freiraum zur Interpretation und Selbstprogrammierung je nach Ausgestaltung und Regelungsdichte der gesetzlichen Grundlage entsprechend weitläufig oder geringfügig ist.90 Durch eine solche Sichtweise ist es im Ergebnis möglich, die innenrechtlichen Spielräume der Verwaltung zur Ausgestaltung ihrer Vollzugsmaßstäbe an die im Gesetz enthaltenen Vorgaben des demokratisch legitimierten Gesetzgebers zu koppeln.

87 Guckelberger, Verw. 35 (2002), S. 61, 62; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 20 Rn. 18; sinngemäß Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 80 GG Rn. 30. 88 Dies insbesondere vor dem Hintergrund, wenn in Rechtsprechung und Schrifttum von „Geschäftsleitungsgewalt“ gesprochen wird: BVerfG, Beschluss v. 15.07.1969 – 2 BvF 1/64, BVerfGE  26, S.  338,  396; BVerwG, Urteil v. 07.05.1981  – 2  C  5.79, DVBl.  1982, S.  195, 196; BVerwG, Urteil v. 09.06.1983 – 2 C 34.80, BVerwGE 67, S. 222, 229; BVerwG, Urteil v. 25.01.1990  – 2  C  45.87, BVerwGE  84, S.  287, 289; BVerwG, Urteil v. 02.03.2006  – 2 C 3.05, BVerwGE 125, S. 85, 89; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 104 Rn. 39, 44; Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 116; Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn. 85; Maurer, AVwR, § 24 Rn. 1; Jarass, JuS 1999, S. 105, 106; Remmert, Jura 2004, S. 728, 729. Ausdrücklich in diesem Sinne aber nur bei List, StbKRep 1975, S. 139, 162; Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR II, § 34 Rn. 37 f.; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 19 Rn. 18. Ähnlich Forsthoff, VwR I, S. 141, der den Begriff der „Hoheitsgewalt“ verwendet sowie Guckelberger, Verw.  35 (2002), S.  61, 62 wonach Verwaltungsvorschriften dem „Funktionsbereich“ der Exekutive zugeordnet seien. 89 Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 80 GG Rn. 9; Nierhaus, in: BK, Art. 80 GG Rn. 153. 90 v. Danwitz, VerwArch 84 (1993), S. 73, 93.

II. Verwaltungsvorschriften und Verfassungsrecht

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b) Konsequenz: Mittelbare Bindungs- und Außenwirkung über Art. 3 I GG Konsequenz der internen Verbindlichkeit einer Verwaltungsvorschrift sowie ihrer fehlenden unmittelbaren Außenwirkung ist eine mittelbare Bindungswirkung im Verhältnis gegenüber dem Bürger über Art. 3 I GG: Sobald der Verwaltung Spielräume zur Konkretisierung des Rechts eingeräumt werden, ist es ihr vor dem Hintergrund des Art. 3 I GG verwehrt, ohne sachlichen Grund in gleich gelagerten Fällen eine andere Konkretisierung vorzunehmen.91 Den Umfang und die Reichweite der mittelbaren Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften gilt es nachfolgend in grundsätzlicher Hinsicht zu beleuchten, wobei dogmatische Feinheiten der Typologie einzelner Verwaltungsvorschriften vorbehalten bleiben. aa) Art. 3 I GG und das rechtmäßige Vollzugsprogramm Es bestehen keine Zweifel und es bedarf keiner tiefergehenden Ausführungen darüber, dass Art. 3 I GG die Verwaltung zur Einhaltung einer ständig prak­ tizierten, rechtmäßigen Verwaltungspraxis verpflichtet.92 Insofern ergeben sich auch keine Schwierigkeiten bezüglich der mittelbaren Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, wenn sich die Verwaltung an die von ihr selbst gesetzten Regeln in ständiger Verwaltungspraxis hält. Problematischer ist dagegen der Fall, wenn es zu einem Abweichen von Verwaltungsvorschrift und Verwaltungs­praxis kommt. Die überlieferte Auffassung, welche eine unmittelbare Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften ablehnt, knüpft in diesem Fall an die tatsächlich aus-

91 Starck, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, Art.  3 GG Rn.  264 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 3 GG Rn. 35 f.; sinngemäß auch BVerwG, Urteil v. 08.04.1997 – 3 C 6.95, BVerwGE 104, S. 220, 223. 92 Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. BVerfG, Beschluss v. 16.02.1965  – 1  BvL  15/62, BVerfGE  18, S.  353,  363; BVerfG, Beschluss v. 26.02.1985  – 2 BvR 1145/83, BVerfGE 69, S. 161, 169; BVerfG, Beschluss v. 13.06.2006 – 1 BvR 1160/03, BVerfGE 116, S. 135, 153 f. Für das Bundesverwaltungsgericht: BVerwG, Urteil v. 10.12.1969 – VIII  C  104.69, BVerwGE  34, S.  278,  280 f.; BVerwG, Urteil v. 16.09.1980  – 1  C  52.75, BVerwGE 61, S. 15, 18; BVerwG, Urteil v. 08.04.1997 – 3 C 6.95, BVerwGE 104, S. 220, 223; zuletzt BVerwG, Urteil v. 21.08.2003 – 3 C 49.02, BVerwGE 118, S. 379, 383 f. Aus dem Schrifttum: Burmeister, DÖV 1981, S. 503, 508; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 GG (24. EL, 1985) Rn. 97; Achterberg, AVwR, § 16 Rn. 62; Boysen, in: v. Münch/Kunig, Art. 3 GG Rn. 76 ff.; Seibert, in: FG BVerwG 2003, S. 535, 541; Saurer, Rechtsverordnung, S. 336 f.; Erichsen, in: FS Kruse 2001, S. 39, 56; Guckelberger, Verw. 35 (2002), S. 61, 66; Bull/Mehde, AVwR, Rn. 233 ff.; Badura, Staatsrecht, F 24, 26; Maurer, AVwR, § 24 Rn. 21 ff.; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 3  GG Rn. 19; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 3 GG Rn.  35a; Osterloh, in: Sachs, Art.  3 GG Rn.  118; Detterbeck, AVwR, Rn.  871; Erbguth, AVwR, § 27 Rn. 7.

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1. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht 

geübte Verwaltungspraxis an und lässt einen Rückgriff auf die in der Verwaltungsvorschrift niedergelegten Handlungsgrundsätze nicht zu.93 Die Aussagen der soeben dargestellten Auffassung sind dann plausibel, wenn die Reichweite des Art. 3 I GG dahingehend determiniert wird, dass nur die tat­sächliche Verwaltungspraxis tauglicher Anknüpfungspunkt eines möglichen Gleichbehandlungsanspruchs sein kann. Dennoch ist bei Lichte besehen die Frage relevant, inwieweit Art. 3 I GG eine Pflicht zum programmkonformen Handeln im Außenverhältnis, d.h. auf Einhaltung selbst gesetzter Vollzugsregeln, statuiert. Bei Bejahung einer derartigen, aus dem Gleichheitssatz entspringenden Pflicht bestehen keine Bedenken, direkt an das in der Verwaltungsvorschrift niedergelegte Handlungsprogramm anzuknüpfen. Folgende Überlegungen sind hierfür maßgeblich: Ein Anspruch auf Gleichbehandlung gegenüber der Verwaltung gem. Art. 3 I GG kommt regelmäßig nur dann in Betracht, wenn das Gesetz der Verwaltung entsprechende Spielräume zur Ausführung des Gesetzes belässt. Eine Ausfüllung dieses Spielraums erfolgt dabei zunächst anhand der Verwaltungsvorschrift, die sodann auf den zu entscheidenden Fall angewandt wird. Dieses Programm zweistufiger Gesetzesanwendung rechtfertigt es im Ergebnis, direkt an die im jeweiligen Programm niedergelegten Vollzugsmaßstäbe anzuknüpfen,94 ohne den Umweg einer in praktischer Hinsicht oftmals schwer beweisbaren tatsächlichen Verwaltungspraxis zu gehen. Eine derartige Herleitung weist wesentliche Vorteile auf: Zunächst dürfte in rechtstatsächlicher Hinsicht zu bemerken sein, dass sich die Verwaltung regelmäßig an das von ihr gesetzte Vollzugsprogramm halten wird. In rechtsdogmatischer Hinsicht werden die Probleme der Rechtsfigur einer „antizipierten Verwaltungspraxis“ aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts95 beseitigt, die oftmals als Argument für eine unmittelbare Außenwirkung angeführt werden.96 93

BVerwG, Urteil v. 26.04.1979 – 3 C 111.79, BVerwGE 58, S. 45, 51; BVerwG, Urteil v. 17.01.1996 – 11 C 5.95, NJW 1996, S. 1766, 1767; BVerwG, Urteil v. 25.04.2012 – 8 C 18.11, BVerwGE 143, S. 50, 58 ff.; BFH, Urteil v. 24.11.2005 – V R 37/04, BFHE 211, S. 411, 415; Achterberg, AVwR, § 16 Rn. 62; Guckelberger, Verw. 35 (2002), S. 61, 65; Heun, in: Dreier, Art.  3 GG Rn.  58; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 40 VwVfG Rn.  111; Kopp/Ramsauer, § 40 VwVfG Rn. 50; Bull/Mehde, AVwR, Rn. 234 f.; Maurer, AVwR, § 24 Rn. 21. 94 s. hierzu bereits Labus, Gleichheitssatz, S. 145 ff.; Scheuing, VVDStRL 40 (1981), S. 153, 157, die in der Folge allerdings offensichtlich von einer unmittelbaren Außenwirkung der Verwaltungsvorschrift ausgehen. Wie hier Seibert, in: FG BVerwG 2003, S. 535, 543; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 20 Rn. 21. Ähnlich zudem Wallerath, AVwR, § 4 Rn. 47, der jedoch diesbezüglich auf die Anwendung des Gleichheitssatzes verzichtet. Maurer, AVwR, § 7 Rn. 14 f. sieht auch die Möglichkeit einer zweistufigen Ermessensausübung, zieht aber an anderer Stelle (§ 24 Rn. 22) nicht die sich hieraus ergebenden Konsequenzen. 95 BVerwG, Urteil v. 29.04.1971  – II  C  20.69, DÖV  1971, S.  748; BVerwG, Urteil v. 07.05.1981 – 2 C 5.79, DVBl. 1982, S. 195, 196; BVerwG, Urteil v. 24.03.1977 – II C 14.75, BVerwGE 52, S. 193, 199. 96 Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S.  391; Vogel, in: FS Thieme 1993, S.  605, 608 f.; Rogmann, Bindungswirkung, S.  39 f. u. 58; Leisner-Egensperger, JZ  2002, S.  219, 223; Wahl, in: FG  BVerwG 2003, S.  571, 587; Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 197; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 104 Rn. 58.

II. Verwaltungsvorschriften und Verfassungsrecht

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Sodann ist es durch die hiesige Sichtweise möglich, Verwaltungsvorschriften trotz ihrer Innenwirkung im Außenverhältnis gegenüber dem Bürger zur Geltung zu verhelfen, ohne dogmatische Umwege gehen zu müssen.97 Ein so hergeleiteter Anspruch auf Anwendung einer Verwaltungsvorschrift steht stets unter dem Vorbehalt der zu Art. 3 I GG ergangenen Doktrin, wonach wesentlich Gleiches gleich und unwesentlich Gleiches ungleich zu behandeln ist. ­Daraus folgt sowohl das Recht als auch die Pflicht der Verwaltung, im Einzelfall von der Verwaltungsvorschrift abzuweichen, wenn und soweit sich dieser als atypisch herausstellt.98 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Art. 3 I GG im Außenverhältnis eine Pflicht zum programmkonformen Handeln statuiert, die im Einzelfall einen mittelbaren Anspruch auf Anwendung der Verwaltungsvorschrift begründen kann. bb) Art. 3 I GG und das rechtswidrige Vollzugsprogramm (1) Grundsatz: Kein Anspruch auf „Fehlerwiederholung“ Weitergehende Fragestellungen ergeben sich, wenn das in der Verwaltungsvorschrift niedergelegte Vollzugsprogramm rechtswidrig ist und dessen Einhaltung vom Bürger begehrt wird. Hinsichtlich dieses – von weiten Teilen im Schrifttum auch unter dem Stichwort der „Gleichheit im Unrecht“ diskutierten99 – Problemkreises geht die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung100 und Literatur101 97 Was – wie Saurer, Rechtsverordnung, S. 337 unter Verweis auf Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 391 sieht – nach der klassischen Doktrin nicht möglich ist. 98 BVerwG, Beschluss v. 01.06.1979 – 6 B 33.79, NJW 1980, S. 75; Erichsen, in: FS Kruse 2001, S. 39, 57; Bull/Mehde, AVwR, Rn. 234 Lösung „zulasten der sachgerechten Differenzierung“; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 3 GG Rn. 35; Maurer, AVwR, § 24 Rn. 23. 99 Grundlegend Götz, DVBl. 1968, S. 93; Götz, NJW 1979, S. 1478; Götz, in: FG BVerwG 1978, S.  245; Wallerath, Selbstbindung, S.  98 ff.; Ossenbühl, DÖV  1970, S.  264; Labus, Gleichheitssatz, S.  152 ff.; Randelzhofer, JZ  1973, S.  536; Arndt, in: FS  Armbruster 1976, S. 233; Berg, JuS 1980, S. 418; Liggenstorfer, Gleichbehandlung; Pauly, JZ 1997, S. 647; Kölbel, Gleichheit; Boysen, in: v. Münch/Kunig, Art. 3 GG Rn. 81 ff.; Heun, in: Dreier, Art. 3 GG Rn. 61; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3 GG Rn. 274 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 3 GG Rn. 36; Osterloh, in: Sachs, Art. 3 GG Rn. 46 ff.; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke, Art. 3 GG Rn. 19. 100 BVerfG, Beschluss v. 17.01.1979 – 1 BvL 25/77, BVerfGE 50, S. 142, 166; BVerwG, Urteil v. 19.06.1974 – VIII C 89.73, BVerwGE, S. 197, 200 f.; BVerwG, Urteil v. 26.02.1993 – 8 C 20.92, BVerwGE 92, S. 153, 157; BFH, Beschluss v. 18.07.2002 – V B 112/01, BFHE 199, S. 77, 80. 101 Wallerath, Selbstbindung, S. 99; Labus, Gleichheitssatz, S. 154 ff.; Randelzhofer, JZ 1973, S. 536, 273; Götz, in: FG BVerwG 1978, S. 245, 253 f.; Kölbel, Gleichheit, S. 35 ff.; Boysen, in: v. Münch/Kunig, Art. 3 GG Rn. 81; Heun, in: Dreier, Art. 3 GG Rn. 61; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3 GG Rn. 274; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 3 GG Rn. 36; Osterloh, in: Sachs, Art.  3 GG Rn.  46; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art.  3 GG Rn. 19. Für die Rechtslage in der Schweiz Liggenstorfer, Gleichbehandlung, S. 41 ff.

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1. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht 

davon aus, dass Art. 3 I GG lediglich einen Anspruch auf Einhaltung eines rechtmäßigen Vollzugsprogramms vermittelt. Dem ist zuzustimmen, da es der Exekutive bereits aufgrund der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nach Art. 20 III GG verwehrt ist, pro futuro an ein rechtswidriges Vollzugsprogramm anzuknüpfen.102 Jede andere Handhabung von Art. 3 I GG würde im Ergebnis nicht nur ein „gesetzesunabhängiges, sondern sogar gesetzesänderndes Verordnungsrecht“103 begründen. Im Ergebnis statuiert Art. 3 I GG damit lediglich einen Anspruch auf Einhaltung des rechtmäßigen Vollzugsprogramms der Verwaltung.104 Andere Ergebnisse lassen sich auch nicht aus den teilweise von der Rechtsprechung für ruinöse Wettbewerbssituationen gemachten Ausnahmen herleiten.105 Genau genommen dient Art. 3 I GG in derartigen Fallgruppen als Instrument, um schwerwiegende Verfassungsverstöße auszugleichen und insbesondere eine Rückabwicklung rechtswidrig gewährter Subventionen herbeizuführen. Hierbei darf jedoch nicht übersehen werden, dass es sich um besondere, äußerst selten gelagerte Ausnahmefälle handelt.106 Art. 3 I GG fungiert dort als gleichheitsrechtliches Kompensationsmittel freiheitsrechtlicher Defizite und ist insofern Paradigma für die verfassungsrechtliche Wechselwirkung zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten. Um es mit Günter Dürig zu halten, wird hier die der Freiheit dienende Funktion der Gleichheit besonders deutlich.107 (2) Das strukturelle Vollzugsdefizit einer Steuerrechtsnorm als Begründungsansatz einer mittelbaren Bindungswirkung rechtswidriger Verwaltungsvorschriften? Von besonderem Interesse ist in Ergänzung zu den obigen Ausführungen die Fallgruppe des strukturellen Vollzugsdefizits einer Steuerrechtsnorm. Das Bundesverfassungsgericht hatte in den Verfahren die Zinsbesteuerung108 sowie Spekula­

102

Ossenbühl, DÖV 1970, S. 264, 266; Arndt, in: FS Armbruster 1976, S. 233, 243; Berg, JuS 1980, S. 418, 419; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3 GG Rn. 274: „Wie hier zu entscheiden ist, kann wegen Art.  20  Abs.  3 nicht fraglich sein.“ Ebenso Kölbel, Gleichheit, S. 43. 103 Vgl. nur Ossenbühl, DÖV 1970, S. 264, 266. 104 Entgegen Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 365 f. wird man angesichts des klaren Wortlauts von Art. 3 I GG demzufolge nicht sagen können, dass der Gleichheitssatz noch einer Abwägung zugunsten der Rechtsanwendungsgleichheit fähig sei. 105 Götz, in: FG BVerwG 1978, S.  245, 257 f.; Pauly, JZ  1997, S.  647, 653 f.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3 GG Rn. 276. 106 Dies allein schon aufgrund der Tatsache, dass im Vorfeld regelmäßig der Rechtsweg zu beschreiten sein wird, um eine Subventionierung des Konkurrenten zu verhindern, hierzu OVG Berlin, Urteil v. 25.04.1975 – II B 86.75, JZ 1976, S. 402 f. Ähnlich Osterloh, in: Sachs, Art. 3 GG Rn. 52. 107 Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 GG Rn. 134 ff. 108 BVerfG, Urteil v. 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239 ff. – sog. „Zinsurteil“.

II. Verwaltungsvorschriften und Verfassungsrecht

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tionssteuer109 betreffend über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu entscheiden, deren inhaltlicher Vollzug durch entgegenstehende Verwaltungsvorschrif­ten110 bzw. eine tatsächlich fehlende Überprüfungsmöglichkeit der Versteuerung111 faktisch leerlief.112 Im Zinsurteil erörtert das Bundesverfassungsgericht, inwieweit eine tatsächliche Belastungsungleichheit und ein dadurch hervorgerufener struktureller Vollzugsmangel zu einer Verfassungswidrigkeit der Norm führen können.113 Wenn – nach den im Rahmen dieser Untersuchung nicht weiter interessierenden Voraussetzungen – ein struktureller Vollzugsmangel bestehe, sei der Grundrechtsträger in seinem Recht aus Art. 3 I GG verletzt.114 Sofern man die bereichsspezifische Dogmatik des Gleichheitssatzes im Steuer­ recht ausblendet, ließe sich mit Teilen der Literatur festhalten, dass das Gericht durch eine derartige Handhabung des Gleichheitssatzes faktisch einen Anspruch auf Fehlerbeibehaltung statuiere115 und sich dadurch letztlich auch gegenüber der Verwaltung ein Anspruch auf Durchsetzung eines rechtswidrigen Vollzugsprogramms herleiten ließe. Derartige Überlegungen können indes nur begrenzt überzeugen. Geht man mit dem Bundesverfassungsgericht und der herrschenden Auffassung im steuerrechtlichen Schrifttum davon aus, dass die besonderen Anforderungen an eine Lastengleichheit im Steuerrecht sowie das Gesetzmäßigkeitsprinzip der Besteuerung eine bereichsspezifische Dogmatik des Gleichheitssatzes im Steuerrecht rechtfertigen und u.U. sogar fordern,116 ist die Verfassungswidrigkeit der Steuerrechtsnorm aufgrund struktureller Vollzugsdefizite eine zwingende Konsequenz der zum Steuerrecht ergangenen Dogmatik.117 Die Fallgruppe des strukturellen Vollzugsdefizits reiht sich insofern in die „reguläre“ Rechtsfolge verfassungswidriger Steuerrechtsnormen ein, wonach die Anwendung des Gleichheitssatzes lediglich zur Abwehr der gleichheitswidrigen Belastung 109

BVerfG, Urteil v. 09.03.2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, S. 94 ff. – sog. „Tipke-Urteil“. So im Verfahren des Zinsurteils, BVerfG, Urteil v. 27.06.1991  – 2  BvR  1493/89, BVerfGE 84, S. 239, 243 ff. u. insb. S. 248 ff. 111 So im Verfahren des Tipke-Urteils, BVerfG, Urteil v. 09.03.2004  – 2  BvL  17/02, BVerfGE 110, S. 94, 101 ff. 112 Zum strukturellen Vollzugsdefizit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insgesamt: Werth, in: Rensen/Brink, Linien BVerfG I, S. 411 ff. 113 BVerfG, Urteil v. 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239, 271 ff. 114 BVerfG, Urteil v. 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239, 274 f. 115 Görlich, JZ  1991, S.  1139 f.; ihm folgend Pauly, JZ  1997, S.  647, 649 sowie Meyer, DÖV 2005, S. 551, 554 u. 557. 116 Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. grundlegend und instruktiv für das Steuerrecht BVerfG, Urteil v. 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239, 268 f. sowie BVerfG, Beschluss v. 22.06.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121, 135; aus jüngerer Zeit BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, S. 224, 245. Aus dem steuerrechtlichen Schrifttum: Vogel/Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rn. 500; Tipke, StRO I, S. 295 ff.; Jakob, Einkommensteuer, Rn. 11 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, § 3 Rn. 121 ff.; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 188; Weber-Grellet, in: Schmidt, § 2 EStG Rn. 13; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 3 GG Rn. 48 f. 117 Wie hier Waldhoff, StuW 2013, S. 121, 129. 110

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führt.118 Die Betrachtung des strukturellen Vollzugsdefizits als Anspruch auf Fehlerwiederholung würde zu einem grundsätzlichen Bruch mit dem System lastengerechter Besteuerung führen und ist deswegen abzulehnen. Zu Recht betont das Bundesverfassungsgericht daher, dass es im Fall des strukturellen Vollzugsdefizits nicht um einen Anspruch „auf Gleichstellung im Unrecht“119 gehe.120 Abschließend lässt sich festhalten, dass sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum strukturellen Vollzugsdefizit keine verallgemeinerungsfähigen Grundsätze für die verfassungsrechtliche Anerkennung eines gleichheitsrechtlichen Anspruchs auf Fehlerwiederholung herleiten lassen.121 c) Nicht: Vertrauensschutz als Grundlage mittelbarer Außenwirkung In Ergänzung zur mittelbaren Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften über den allgemeinen Gleichheitssatz ist nachfolgend auf die im Schrifttum immer wieder aufgeworfene Diskussion um eine Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften kraft des Vertrauensschutzprinzips einzugehen.122 In der –  auch im Schrifttum rezipierten123  – Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fanden sich bereits früh vereinzelte Ansätze, um die Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften über den Vertrauensschutzgrundsatz zu begründen;124 ähnlich sah dies zudem das OVG  Münster in einer älteren Entscheidung zum Subventionsrecht, in der es trotz gleichheitsgerechter Ausgestaltung des begünstigten Personen 118 Besonders deutlich bei Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 526: „Weil das Unrecht des Vollzuges seine eigene materiellrechtliche Grundlage infiziert, entfällt deren Verfassungsmäßigkeit und damit die Rechtsgrundlage für die bis dahin rechtmäßige, weil gesetzmäßige Besteuerung des Beschwerdeführers.“ 119 BVerfG, Urteil v. 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239, 284. Ebenfalls Werth, in: Rensen/Brink, Linien BVerfG I, S. 411, 413. 120 Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht im o.g. Beschluss ebenfalls festgestellt, dass eine übergangsweise Ungleichbehandlung zur Herstellung rechtmäßiger bzw. gleichheitsgerechter Zustände verfassungsrechtlich geboten sein kann (insbesondere für den Fall, dass ein derartiges strukturelles Vollzugsdefizit erstmalig festgestellt wird; vgl. BVerfG, Urteil v. 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239, 283 ff.). 121 Im Ergebnis auch Wernsmann, in: HHSp, § 5 AO Rn. 196; Heun, in: Dreier, Art. 3 GG Rn. 61; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 3 GG Rn. 36; Waldhoff, StuW 2013, S. 121, 129; offengelassen bei Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3 GG Rn. 278. 122 Hinsichtlich der Ansätze zur Begründung einer wie auch immer gearteten Außenwirkung darf auf die umfangreiche Darstellung bei Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 190 ff. verwiesen werden. 123 Grundlegend insofern Klein, in: FG Forsthoff 1967, S. 163, 179 ff. Ähnlich Randelz­hofer, JZ 1973, S. 536, 542 ff.; Badura, Staatsrecht, F 26; vgl. auch die Nachweise bei Ossenbühl, DVBl. 1981, S. 857, 860 (Fn. 37 ebd.). 124 BVerwG, Urteil v. 17.04.1970 – VII C 60.68, BVerwGE 35, S. 159 ff. Das Bundesverwaltungsgericht argumentiert namentlich mit den „Verfassungsprinzipien der Rechtssicherheit und Beständigkeit“ und in der Folge auch mit dem „Vertrauensschutz“, vgl. BVerwG, S. 161 f.

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kreises einen Anspruch kraft Vertrauensschutzes gewährte.125 Leitender Gesichtspunkt war in beiden Entscheidungen, dass die Veröffentlichung der Verwaltungsvorschrift einen entsprechenden Vertrauenstatbestand begründe, der sodann zu einer (un-)mittelbaren Außenwirkung der Verwaltungsvorschrift führe.126 Ähnlich wird zudem im Europarecht argumentiert, wo die Außenwirkung abstrakt-genereller Administrativakte kraft des Vertrauensschutzgrundsatzes ebenfalls anerkannt ist.127 Weiterhin wurden Versuche unternommen, diesbezüglich zwischen innensowie außengerichteten Verwaltungsvorschriften zu differenzieren.128 Überdies wird eine Außenwirkung der Verwaltungsvorschrift teilweise auf den Gedanken des § 176  II AO gestützt.129 § 176  II AO sei sinngemäß die verallgemeinerungsfähige Wertung zu entnehmen, wonach die Vorschrift das Vertrauen in den Fortbestand einer rechtswidrigen Verwaltungsvorschrift schütze und hieraus deren Außenwirkung abzuleiten sei.130 Die Begründung einer Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften über den Grundsatz des Vertrauensschutzes kann – wie Hartmut Maurer nachhaltig betont hat131 – nicht überzeugen. Denn die bisher hierzu vertretenen Ansätze vermischen die Bindungsebenen zwischen dem Gleichheitssatz und verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzprinzip: Der Gleichheitssatz weist eine prospektive Dimension dahingehend auf, dass er Ansprüche für die Zukunft bzw. ein zukünftiges Verwaltungshandeln begründet.132 Das Vertrauensschutzprinzip nimmt hingegen einen retrospektiven Blickwinkel ein und regelt den verfassungsrechtlichen Schutz sowie die Abwicklung in der Vergangenheit betätigten Vertrauens.133 Nach einer so gehandhabten Differenzierung ist das Vertrauensschutzprinzip für die Begründung zukünftiger Ansprüche nicht heranzuziehen. Selbst wenn man jedoch davon ausginge, dass das Vertrauensschutzprinzip auch eine –  über den Erlass von Übergangsregelungen hinausgehende  – prospektive Dimension aufweist, verblieben bei einer solchen Lösung dogmatische Schwächen: Einerseits ist in zukunftsgerichteter Dimension unklar, worin genau der 125

OVG Münster, Urteil v. 30.01.1976 – IV A 986/74, BB 1976, S. 1534 f. BVerwG, Urteil v. 17.04.1970 – VII C 60.68, BVerwGE 35, S. 159, 161 f.; OVG Münster, Urteil v. 30.01.1976 – IV A 986/74, BB 1976, S. 1534 f. 127 Borchardt, Vertrauensschutz, S. 93 f.; Crones, Selbstbindungen, S. 131 ff., insb. S. 153 ff.; Schwarze, EuR 2011, S. 3, 10 ff.; Möstl, DVBl. 2011, S. 1076, 1082. 128 s. die Nachweise bei Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 201 ff. 129 Explizit Martens, in: DStJG  5 (1982), S.  165, 188. In diesem Sinne wohl auch Tipke, StuW 1981, S. 189, 195. 130 Martens, in: DStJG 5 (1982), S. 165, 188. 131 Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 123 ff.; Maurer, AVwR, § 24 Rn. 24. 132 Grundlegend nach wie vor Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 GG Rn. 193 ff., insb. Rn. 204 ff.; s. dazu auch Heun, in: Dreier, Art. 3 GG Rn. 39 ff. 133 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3 GG Rn. 275; umfassend Schwarz, Vertrauensschutz, S. 258 ff.; Leisner-Egensperger, Kontinuität, S. 459 ff.; Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 1 ff., insb. Rn. 4. Speziell für Verwaltungsvorschriften Blanke, Vertrauensschutz, S. 263 ff. sowie Lotz, WiVerw 1979, S. 1, 7; Lange, WiVerw 1979, S. 15, 32 f. 126

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Vertrauens­tatbestand besteht.134 Andererseits wurde in der bisher hierzu ergangenen Judikatur, welche die Literatur zur Begründung einer Außenwirkung kraft Vertrauensschutzes heranzieht, offengelassen, ob und inwieweit eine Vertrauensbetätigung im Falle der Veröffentlichung tatsächlich erforderlich ist.135 Dies verdeutlicht die Problematik einer Außenwirkung kraft Vertrauensschutzes, denn der Rechtsgrund für betätigtes Vertrauen liegt denknotwendig in der Vergangenheit und ist jedenfalls dem Grunde nach nicht zukunftsbezogen. Bezüglich des vermeintlich in § 176  II AO enthaltenen Rechtsgedankens ist anzumerken, dass diese Vorschrift ein steuerrechtliches Unikat darstellt und der Gesetzgeber mangels historischen Vorbilds offensichtlich von einer Notwendigkeit ausging, diesen – vergangenheitsbezogenen und auf den Schutz der materiellen Bestandskraft beschränkten – Fall des Vertrauensschutzes gesetzlich zu normieren.136 Auch dies spricht dafür, dass sich aus dem normativen Gehalt des § 176 II AO in prospektiver Dimension keine verallgemeinerungsfähigen Grundsätze herleiten lassen.137 Festzuhalten bleibt damit, dass der Vertrauensschutzgrundsatz zur Begründung einer mittelbaren bzw. unmittelbaren Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften ungeeignet ist. Hiervon streng unterschieden werden muss das im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehende Interesse auf eine retrospektiv begründete Einhaltung administrativer Handlungsprogramme. d) Zusammenfassung Die Begründung der mittelbaren Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften kann verfassungsrechtlich ausschließlich anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art.  3  I  GG erfolgen. Der allgemeine Gleichheitssatz fungiert als grundrechtliches Vehikel, dem innenrechtlich ohnehin bestehenden und beachtlichen Selbstprogrammierungsrecht der Verwaltung zu mittelbarer Außenwirkung zu verhelfen. Eine Heranziehung des Vertrauensschutzprinzips zur Begründung

134 Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 123; Maurer, AVwR, § 24 Rn. 24: Selbst im Falle der Veröffentlichung einer Verwaltungsvorschrift gilt nichts anderes, da dieser nach dem verfassungsrechtlichen Gefüge ausschließlich Innenwirkung zukommt. Wie H.  Maurer auch Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 204 ff. und Rogmann, Bindungswirkung, S. 42 ff. 135 BVerwG, Urteil v. 17.04.1970 – VII C 60.68, BVerwGE 35, S. 159, 162 f.; OVG Münster, Urteil v. 30.01.1976 – IV A 986/74, BB 1976, S. 1534 f. Zu weit geht allerdings Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 203 mit der Behauptung, dass die Gerichte auf eine Vertrauensbetätigung verzichten würden. Dies blieb in den genannten Entscheidungen nämlich offen. 136 Insbesondere war sich der Gesetzgeber darüber bewusst, dass „der durch § 157 gewährte Vertrauensschutz (…) nicht in allen Fällen ausreichend“ ist, vgl. BT-Drucks. VI/1982, S. 155. 137 Grundlegend Trzaskalik, in: DStJG  5 (1982), S.  315, 324 Fn.  29; ihm folgend Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S.  200. Eine Übertragbarkeit lehnen ebenfalls Hey, Steuer­ planungssicherheit, S. 596 f. und Waldhoff, in: DStJG 27 (2004), S. 129, 151 ab. Sinngemäß auch v. Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176 AO Rn. 1; v. Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 25; Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn. 9; Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn. 3.

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einer Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften verwischt demgegenüber die Grenzen zwischen mittelbarer Außenwirkung sowie der Abwicklung in der Vergangenheit liegender Sachverhalte; sie ist mithin abzulehnen. 3. Folgewirkungen mittelbarer Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften Die verfassungsrechtlich lediglich mittelbar begründete Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften über den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG zieht eine Reihe von Folgefragen nach sich, die –  gleichsam vor die Klammer gezogen – bereits an dieser Stelle für einen Großteil der Erscheinungsformen von Verwaltungsvorschriften einheitlich beantwortet werden können. Es handelt sich dabei einerseits um die Problematik der Auslegung  [a)] sowie andererseits die Diskussion um eine allgemeine Veröffentlichungspflicht von Verwaltungsvorschriften [b)]. Schlussendlich ist auf die Frage nach einem subjektiven Anspruch des Bürgers auf den Erlass von Verwaltungsvorschriften einzugehen [c)]. a) Auslegung von Verwaltungsvorschriften Die Auslegung von Verwaltungsvorschriften ist nicht nur in praktischer Hinsicht, sondern auch vor dem Hintergrund der hier untersuchten Themenstellung von besonderem Interesse. Nicht selten ist nämlich im Falle eines durch Verwaltungsvorschriften konkretisierungsfähigen Spielraums problematisch, auf welchen Inhalt der mittelbare Anspruch auf Einhaltung des exekutiven Vollzugsprogramms gerichtet ist. Die Diskussion verdichtet sich dabei namentlich auf die Frage, aus wessen Perspektive das in der Verwaltungsvorschrift niedergelegte Vollzugsprogramm auszulegen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts138 sowie des Bundesfinanzhofs139 hat eine Auslegung von Verwaltungsvorschriften analog § 133 BGB zu erfolgen. Demzufolge sei der tatsächliche Wille des Vorschriftengebers zu erforschen. Das Bundesverwaltungsgericht stellt hierbei auf die vom Vorschriftengeber gebilligte bzw. geduldete tatsächliche Verwaltungsübung ab, um auch gegebenenfalls deren Änderung ermitteln zu können.140 Auf 138 BVerwG, Urteil v. 24.03.1977 – II C 14.75, BVerwGE 52, S. 193, 199; BVerwG, Urteil v. 07.05.1981 – 2 C 5.79, DVBl. 1982, S. 195, 197; bestätigt durch BVerwG, Urteil v. 02.03.1995 – 2 C 17.94, ZBR 1995, S. 238; zuletzt BVerwG, Urteil v. 15.11.2011 – 1 C 21.10, BVerwGE 141, S. 151, 156 f. Ablehnend Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 104 Rn. 60. 139 Grundlegend BFH, Urteil v. 24.11.2005 – V R 37/04, BFHE 211, S. 411, 414 ff.; dem folgend BFH, Urteil v. 02.08.2006 – XI R 57/04, BFH/NV 2007, S. 858, 860; BFH, Beschluss v. 07.03.2007 – I R 98/05, BFHE 217, S. 430; BFH, Urteil v. 13.01.2011 – V R 43/09, BFH/ NV 2011, S. 1049, 1050 f. 140 BVerwG, Urteil v. 07.05.1981 – 2 C 5.79, DVBl. 1982, S. 195, 197. Hierzu Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, § 114 VwGO Rn. 22.

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grund der damit verbundenen Unsicherheiten zieht das Bundesverwaltungsgericht die Grenze der Auslegung dahingehend, „daß in eine Erklärung nicht mehr hineingelegt werden darf, als für die Personen, für welche die Erklärung bestimmt ist, bei verständiger Würdigung und unter Berücksichtigung aller Begleitumstände.“141

In dogmatischer Hinsicht muss die Rechtsprechung als eine Einschränkung der Auslegung einer Verwaltungsvorschrift auf den objektiven Empfängerhorizont des Amtswalters als Adressat der Verwaltungsvorschrift gem. § 157 BGB analog gewertet werden. Das ist dem Grunde nach konsequent. Geht man wie hier von einer rein innenrechtlichen Deutung der Verwaltungsvorschrift aus, muss auf den Willen des Vorschriftengebers sowie den objektiven Empfängerhorizont des Amtswalters abgestellt werden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesfinanzhofs wurde bisher allerdings offengelassen, ob andere Ergebnisse zur Auslegung denkbar sind, wenn eine Verwaltungsvorschrift in ihrem Wortlaut eindeutig ist und der Bürger diesbezüglich schützenswerte Dispositionen getätigt hat.142 Obgleich die letztgenannte Frage bisher nicht geklärt wurde, ist eine derartige Differenzierung sachgerecht.143 Sofern der Bürger retrospektiv die Einhaltung eines exekutiven Handlungsprogramms nach Maßgabe des Vertrauensschutzgrund­satzes begehrt, kann die Sicht der Behörde richtigerweise nur eine untergeordnete Rolle spielen. Vielmehr nähert sich die Auslegung von Verwaltungsvorschriften in diesem Fall der Auslegung anhand des objektiven – d.h. vom Amtswalter losgelösten – Empfängerhorizonts an und entspricht im Ergebnis nahezu der Auslegung von Rechtsnormen. Der Verwaltungspraxis und damit mittelbar dem Willen des Vorschriftengebers kommt bei einer derartigen Handhabung Indizwirkung dahingehend zu, ob das Vertrauen im Hinblick auf eine etwaige Kenntnis der Praxis schutzwürdig ist. Im Ergebnis hält eine derartige Differenzierung die Bindungsebenen zwischen Gleichheitssatz (prospektive Dimension) und Vertrauens­schutzprinzip (retrospektive Dimension) auseinander und sorgt für eine klare Respektierung der grundgesetzlich angelegten Gewaltenteilung zwischen Entscheidungsfreiräumen der Exekutive auf der einen und grundrechtlich fundierten Vertrauensschutzgesichtspunkten des Bürgers auf der anderen Seite. b) Allgemeine Veröffentlichungspflicht? Aus Sicht des Vertrauensschutzprinzips und der damit verbundenen Frage um die Existenz eines Vertrauenstatbestandes interessiert weiterhin, ob und in welchen Fällen eine allgemeine Veröffentlichungspflicht von Verwaltungsvorschriften kraft 141

BVerwG, Urteil v. 07.05.1981 – 2 C 5.79, DVBl. 1982, S. 195, 197. BVerwG, Urteil v. 07.05.1981 – 2 C 5.79, DVBl. 1982, S. 195, 197. 143 So auch Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S. 241; Blanke, Vertrauensschutz, S. 264 f. 142

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ihrer mittelbaren Bindungswirkung über Art.  3  I  GG existiert.144 Diesbezüglich ist zunächst festzuhalten, dass Verwaltungsvorschriften als abstrakt-generelle Regelungen zu ihrer Wirksamkeit im Innenbereich der Verwaltung einer Bekanntgabe bedürfen.145 Problematisch ist für den hier dargelegten Problemkreis, inwiefern eine Publikation von Verwaltungsvorschriften im Außenverhältnis gegenüber dem Bürger erforderlich ist. Sofern man mit Teilen des Schrifttums von einer unmittelbaren Außenwirkung der Verwaltungsvorschrift ausgeht, ist diese Frage wie für den Innenbereich der Verwaltung zu beantworten. Verwaltungsvorschriften bedürften demnach wie sonstige Außenrechtssätze zu ihrer generellen Wirksamkeit einer Veröffentlichung.146 Nach der hier vertretenen Innenwirkung von Verwaltungsvorschriften mit mittelbarer Außenwirkung lässt sich grundsätzlich keine allgemeine Publikationspflicht gegenüber dem Bürger ableiten.147 Ein Anspruch des Einzelnen auf Wiedergabe des Inhalts einer Verwaltungsvorschrift kann sich daher zunächst nur aus den einschlägigen Vorschriften der Verfahrensgesetze herleiten lassen, dies insbesondere im Rahmen bestehender Begründungspflichten von Verwaltungsakten nach § 39  I VwVfG bzw. § 121  I AO.148 Überdies besteht im konkreten Verwaltungsverhältnis ein Anspruch auf Veröffentlichung bzw. Bekanntgabe des Inhalts der Verwaltungsvorschrift, sofern dieser zur Geltendmachung der Rechte des Einzelnen erforderlich ist. Insofern folgt der individuelle Veröffentlichungsanspruch unmittelbar aus dem betroffenen Grundrecht.149 Ob überdies allgemeine Publikationspflichten bestehen, muss – entgegen einer starken Tendenz im Schrifttum150 – als zumindest nicht selbstverständlich bezeichnet werden. Die Einzelgrundrechte gebieten zunächst nur die individuelle Bekanntgabe, nicht jedoch die generelle Publikation einer Verwaltungsvorschrift. Allerdings sind – insbesondere im Steuerrecht – Fallkonstellationen denkbar, in denen eine Verwaltungsvorschrift erst den gleichmäßigen Vollzug des Steuergesetzes sichert und damit gleichzeitig einen bedeutenden Beitrag zur Rechts- und 144

Dazu ausführlich Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S. 255 u. passim. BVerwG, Urteil v. 08.04.1997 – 3 C 6.95, BVerwGE 104, S. 220, 224; Maurer, AVwR, § 24 Rn. 36; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 20 Rn. 23. 146 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 462 ff.; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 104 Rn. 83; BVerwG, Urteil v. 25.11.2004 – 5 CN 1.03, BVerwGE 122, S. 264, 269 f.; Hermes, in: Dreier, Art. 84 GG Rn. 83. 147 So explizit die Ausführungen bei BVerwG, Urteil v. 16.09.1980 – 1 C 52.75, BVerwGE 61, S. 15, 17 ff. 148 Für das Allgemeine Verwaltungsrecht insbesondere Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 20 Rn.  23 sowie umfassend m.w.N. Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S.  288 f.; für das Steuerrecht: Wieland, DStR  2004, S.  1, 5; Pezzer, DStR  2004, S.  525, 531; Herden, in: FS Spindler 2011, S. 445, 454. 149 Eine solche Möglichkeit bejaht explizit BVerwG, Urteil v. 16.09.1980  – 1  C  52.75, BVerwGE 61, S. 15, 19 ff. Vgl. auch Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S. 294 ff. 150 Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art.  19 GG  VI Rn.  252; Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S.  269 f.; Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S.  338 ff.; Hermes, in: Dreier, Art. 84 GG Rn. 83; v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, S. 485 f. 145

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Planungssicherheit leistet.151 In diesen Fällen kann es aufgrund des Rechtsstaatsprinzips geboten sein, die Verwaltungsvorschrift allgemein zu publizieren.152 Als Kriterium zur Beurteilung der Relevanz für den Grundrechtsträger bietet sich hierbei ein Rückgriff auf die Wesentlichkeitstheorie an, wobei der Begriff nicht im Sinne des Anwendungsbereichs der Wesentlichkeitstheorie (Vorbehalt des Gesetzes) missverstanden werden darf. Der Rückgriff erfolgt dergestalt, dass eine Verwaltungsvorschrift, die tiefgreifende Eingriffsregelungen, d.h. die Tatbestandsmerkmale eines Steuergesetzes als Eingriffsnorm, näher konkretisiert und insofern als „wesentlich“ bezeichnet werden kann, aus rechtsstaatlichen Gründen einer gesteigerten Publikationspflicht unterliegt.153 Dies gilt insbesondere bei solchen Konstellationen, in denen die Verwaltungsvorschrift zur Beurteilung der hinreichenden Bestimmtheit einer Norm herangezogen werden muss.154 Abschließend bleibt für den weiteren Gang dieser Untersuchung festzuhalten, dass die allgemeine Veröffentlichung von Verwaltungsvorschriften zwar in weiten Teilen die staatsrechtliche Praxis darstellen mag,155 aus verfassungsrechtlicher Perspektive indes nicht zwingend und in jeder Konstellation geboten ist. c) Subjektiver Anspruch auf Erlass von Verwaltungsvorschriften? aa) Ausgangsproblematik Mit Blick auf den in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs immer wieder thematisierten Aspekt eines Anspruchs des Bürgers auf Erlass von Übergangsrichtlinien156 interessiert abschließend, ob ein solches subjektives Recht verfassungsrechtlich nach dem hier zugrunde gelegten Modell einer Innenwirkung von Verwaltungsvorschriften tatsächlich existiert. Grundüberlegung muss hierzu die Feststellung sein, dass der Erlass von Verwaltungsvorschriften innenrechtlich prinzipiell im Ermessen der Exekutive steht.157 Interne Selbstprogrammierungspflich 151

Hierzu umfassend m.w.N. Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 397 ff. Für eine derartige Pflicht Maurer, AVwR, § 24 Rn. 36. Offengelassen bei BVerwG, Urteil v. 16.09.1980 – 1 C 52.75, BVerwGE 61, S. 15, 21. 153 Insofern kann es nicht verwundern, wenn das BVerwG, Urteil v. 08.04.1997 – 3 C 6.95, BVerwGE 104, S. 220, 227 von einem „Ermessen“ spricht. 154 Dass Verwaltungsvorschriften als solche nicht geeignet sind, die Bestimmtheitsanforde­ rungen einer Norm zu erhalten, ist offensichtlich; s. dazu Jehke, Bestimmtheit, S. 135 f.; ähnlich Fetzer, in: FS Schenke 2011, S. 129, 142 f. 155 s. dazu die Nachweise bei Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 349 f. (Fn. 708 ebd.) u. Groh, in: FS Battis 2014, S. 221, 233 ff.; für die Praxis der Finanzverwaltung Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 400 ff. 156 BFH, Urteil v. 14.10.1987  – II  R  120/85, BFH/NV  1989, S.  80 f.; BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 483 ff.; BFH, Urteil v. 07.11.1996 – IV R 69/95, BFHE 182, S. 56, 59; BFH, Beschluss v. 26.09.2007 – V B 8/06, BFHE 219, S. 245, 249. 157 BVerfG, Beschluss v. 15.03.1960 – 2 BvG 1/57, BVerfGE 11, S. 6, 18; Blümel, in: Isensee/ Kirchhof, HStR IV (1), § 101 Rn. 39. 152

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ten der Verwaltung werden sich regelmäßig erst dann ergeben, wenn auf andere Art und Weise die Rechtmäßigkeit und Einheitlichkeit des Gesetzesvollzugs, z.B. durch Einzelweisungen, nicht erreicht werden können. Die verfassungsdogmatische Begründung liefert hierfür eine Gesamtbetrachtung des verfassungsrechtlich durch Art. 20 II 2 GG abgesicherten Vollzugsauftrags sowie des in Art. 20 III GG festgelegten Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, welche eine Pflicht der Exekutive statuieren, einen rechtmäßigen und insbesondere einheitlichen Gesetzesvollzug zu sichern. In diesen Fällen besteht die aus den Artt. 20 II 2, III GG entspringende Pflicht lediglich innenrechtlich.158 Um im Außenverhältnis gegenüber dem Bürger wirkende Selbstprogrammierungspflichten der Verwaltung begründen zu können, bedarf es mithin der ergänzenden Heranziehung von Freiheitsoder Gleichheitsgrundrechten. Insoweit bedarf es im Folgenden weitergehender Überlegungen darüber, ob und inwieweit die Grundrechte als innenrechtliche Gestaltungsgebote der Exekutive angesehen werden können. bb) Zur Rolle des Art. 3 I GG Zunächst ließe sich erwägen, den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG als anspruchsbegründende Norm für den Erlass von Verwaltungsvorschriften heranzuziehen.159 Für eine solche Sichtweise spricht insbesondere, dass Art. 3 I GG in den Bereichen der Ermessensausübung, Ausfüllung behördlicher Beurteilungsspielräume sowie des Subventionsrechts anerkanntermaßen in engen Grenzen ein Verbot planlosen Vorgehens statuiert.160 Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass der Gesetzgeber die Gestaltungsspielräume der Verwaltung dort bewusst offen gehalten hat, um einen praktikablen Gesetzesvollzug zu ermöglichen.161 Das Verbot planlosen Vorgehens konstituiert aus grundrechtlicher Sicht insoweit lediglich einen Abwehranspruch gegen die belastende oder ablehnende staatliche Maßnahme, ohne ein derivatives Leistungsrecht zu statuieren.162 Richtigerweise kann Art. 3 I GG zugunsten des Bürgers daher keine Selbstprogrammierungspflichten begründen. Hieraus resultiert für den Bürger kein Rechtsnachteil, da er die belastende oder ablehnende staatliche Maßnahme jedenfalls über Art. 3 I GG abwehren kann. Die Verwaltung wird aufgrund dieses Abwehranspruchs daher innenrecht 158 Hermes, in: Dreier, Art. 84 GG Rn. 81; ähnlich Thiel, in: Landmann/Rohmer, § 48 BImSchG Rn. 9. 159 In diese Richtung: Schmidt, Gesetzesvollziehung, S. 104; Scheuing, VVDStRL 40 (1981), S. 153, 157; Franßen, in: FS Zeidler 1987, S. 429, 450; Hill, NVwZ 1989, S. 401, 407; Pauly, JZ 1997, S. 647, 652. 160 Vgl. die Nachweise bei Seibert, in: FG BVerwG 2003, S. 535, 540 sowie Möstl, in: Erichsen/ Ehlers, AVwR, § 19 Rn. 33 (Fn. 175 ebd.). 161 So insbesondere Starck, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, Art.  3 GG Rn.  246: „Nicht der Gleichheitssatz bindet die Exekutive (…) strenger als die Legislative, vielmehr beruhen die zusätzlichen Bindungen der Exekutive (…) auf Entscheidungen der Legislative.“ 162 Seibert, in: FG BVerwG 2003, S. 535, 541; ähnlich Wallerath, Selbstbindung, S. 59 ff., insb. S. 64; Osterloh, in: Sachs, Art. 3 GG Rn. 117.

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1. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht 

lich regelmäßig gehalten sein, entsprechende Verwaltungsvorschriften zu erlassen, ohne dass dadurch gleichsam ein subjektiver Anspruch des Bürgers auf den Erlass von Verwaltungsvorschriften begründet wird. Im Ergebnis kann Art. 3 I GG daher faktisch eine Selbstprogrammierungspflicht der Verwaltung begründen, ohne dass hieraus subjektive Ansprüche des Grundrechtsträgers resultieren. cc) Zur Rolle der Freiheitsgrundrechte Da Art. 3 I GG für die Begründung eines subjektiven Anspruchs des Bürgers auf Erlass von Verwaltungsvorschriften nicht fruchtbar gemacht werden kann, ist nachfolgend von besonderem Interesse, ob sich andere Ergebnisse aus den Freiheitsgrundrechten herleiten lassen. Geht man mit Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass die Freiheitsgrundrechte auch im Rahmen ihrer klassischen Abwehrdimension ein Gestaltungsgebot hinsichtlich Organisation und Verfahren enthalten können,163 ließe sich hierdurch eine freiheitsrechtlich fundierte Pflicht der Exekutive zur Programmierung ihres Vollzugshandelns begründen.164 Allerdings wird in diesem Fall die Schwelle zur Wesentlichkeit denknotwendig überschritten sein, sodass der Regelungskomplex zumindest einem Rechtssatzvorbehalt unterliegt.165 Denn wenn eine verfahrens- und organisationsmäßige Ausgestaltung grundrechtlich geboten ist, wird man von einer „Unwesentlichkeit“ der zu regelnden Materie nicht ausgehen können. Dann aber kann sich aus dem Grundrecht selbst kein unmittelbarer Anspruch gegen die Verwaltung auf Erlass einer Verwaltungsvorschrift ergeben, sondern allenfalls gegen den Gesetz- oder Verordnungsgeber. Hiergegen wird man nicht einwenden können, dass dadurch die Wesentlichkeitstheorie überstrapaziert werde.166 Zwar wäre es denkbar, dass sich der Gesetzgeber auf gewisse Vorkehrungen in materieller Hinsicht beschränkt167 und die restliche Ausgestaltung des Verfahrens der Verwaltung überlässt. Dabei handelt es sich regelmäßig um die noch zu vertiefenden Fallgruppen der Ermessensausübung sowie des Beurteilungsspielraums, deren gleichmäßige Ausgestaltung allenfalls über Art. 3 I GG zu sichern ist und freiheitsrechtlich nicht fruchtbar gemacht werden kann. Unmittelbare Ansprüche des Grundrechtsträgers, die gleichsam als Rechts 163 BVerfG, Beschluss v. 20.12.1979  – 1 BvR 385/77, BVerfGE  53, S.  30, 65 f.; BVerfG, Beschluss v. 27.11.1990 – 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, S. 130, 151 f.; BVerfG, Beschluss v. 17.04.1991 – 1 BvR 1529/84 u.a., BVerfGE 84, S. 59, 72 f.; BVerfG, Urteil v. 08.04.1997 – 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, S. 267, 307 f.; Krebs, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 108 Rn. 84 f.; Schmidt-Aßmann, in: Merten/Papier, HbGR Bd. II, Teil I, § 45 Rn. 24 ff. Hierzu auch Badura, Staatsrecht, C 21. 164 Aus steuerungswissenschaftlicher Perspektive bejaht eine derartige Pflicht seitens der Exekutive Eifert, VVDStRL 67 (2008), S. 286, 317 ff. 165 Zutreffend Koch, in: Koch/Scheuing, § 48 BImSchG Rn. 23. 166 So aber Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 GG (24. EL, 1985) Rn. 91 (Fn. 42a ebd.). 167 Wie z.B. im Fall des § 48 BImSchG, wo lediglich die Existenz derartiger Verwaltungsvorschriften erwähnt wird.

II. Verwaltungsvorschriften und Verfassungsrecht

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reflex oder „innenrechtliche Kehrseite“ direkt auf die innerbehördliche Organisation des Gesetzesvollzugs einwirken können, sind bei der hier vertretenen Handhabung der Wesentlichkeitstheorie nicht denkbar.168 Im Ergebnis ist die innerbehördliche Ausgestaltung des Gesetzesvollzuges damit eine Angelegenheit der Exekutive; Freiheitsgrundrechte können insofern nicht fruchtbar gemacht werden. Das bedeutet allerdings nicht, dass Freiheitsgrundrechte bei (ausnahmsweise)  gleichheitsrechtlich fundierten Selbstprogrammierungspflichten der Verwaltung keine Rolle spielen würden: Aufgrund der Wechselwirkung von Freiheits- und Gleichheitsgrundrechten können im Falle mittelbarer Betroffenheit beider Grundrechte die gleichheitsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen steigen.169 dd) Zusammenfassung Namentlich die eingangs angesprochene Kombination aus den Artt.  20  II  2, 20 III GG kann sich im Einzelfall zu einer verfassungsrechtlichen innengerichteten Verpflichtung der Exekutive zum Erlass von Verwaltungsvorschriften verdichten. Weder die Freiheits- noch die Gleichheitsgrundrechte führen dabei zu einem subjektiv einklagbaren Anspruch auf den Erlass von Verwaltungsvorschriften. Im Ergebnis verbleibt es damit bei dem Grundsatz, dass originäre Ansprüche des Bürgers auf Aufstellung eines Vollzugsprogramms durch die Verwaltung als eng umrissene Ausnahme in Form des „Verbots planlosen Vorgehens“ zu gelten haben und es beim Regelfall derivativer Ansprüche auf Einhaltung der bereits ergangenen Vollzugsregeln in den Grenzen des Art. 3 I GG verbleibt. 4. Zwischenergebnis Mangels verfassungsrechtlich zulässigem Normsetzungsrecht der Exekutive kommt Verwaltungsvorschriften nur aufgrund und in den Grenzen des Art. 3 I GG mittelbare Außenwirkung zu. Bei der weiteren Handhabung von Verwaltungsvorschriften muss ihrem strikt innenrechtlichen Charakter bei der Auslegungs- sowie Veröffentlichungsproblematik ausreichend Rechnung getragen werden. Ein subjektiver Anspruch auf den Erlass von Verwaltungsvorschriften ist verfassungsrechtlich abzulehnen. 168 Ähnlich Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 GG (24. EL, 1985) Rn. 91 Fn. 42a: „Davon zu unterscheiden ist, daß (vor allem) im grundrechtlichen Bereich bereits das auszuführende Bundesgesetz selbst hinreichende Sicherungen enthalten muß, soweit der Gedanke des „Grundrechtsschutzes durch Verfahren“ reicht (…).“ 169 BVerfG, Beschluss v. 26.01.1993 – 1 BvL 38/92 u.a., BVerfGE 88, S. 87, 96; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3 GG Rn. 300; Boysen, in: v. Münch/Kunig, Art. 3 GG Rn. 107; Heun, in: Dreier, Art. 3 GG Rn. 140 u. 32; in grundsätzlicher Hinsicht Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 GG Rn. 134 ff.

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1. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht 

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Allgemeinen Verwaltungsrecht Mit Festlegung der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Bindungs- und Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften kann nachfolgend auf deren Erscheinungsformen im Allgemeinen Verwaltungsrecht näher eingegangen werden. Dies ist für die hier untersuchte Thematik vor dem Hintergrund notwendig, dass sich die Behandlung steuerlicher Verwaltungsvorschriften eng an der im Allgemeinen Verwaltungsrecht etablierten Dogmatik orientiert und Verwaltungsvorschriften je nach Erscheinungsform ein unterschiedlicher Grad an Bindungsintensität sowie gerichtlicher Kontrolldichte zukommen kann. Im Folgenden werden daher zunächst die überlieferten Kategorien der Verwaltungsvorschriften im Allgemeinen Verwaltungsrecht dargestellt. 1. Organisations- und Dienstvorschriften Nach herkömmlicher Überlieferung stellen Organisations- und Dienstvorschriften den klassischen Fall von Verwaltungsvorschriften dar.170 Diese regeln den Aufbau bzw. die innere Organisation sowie den Dienstbetrieb einer Behörde. Insbesondere beinhalten derartige Verwaltungsvorschriften Bestimmungen über die behördeninterne Zuständigkeit für Geschäftsvorgänge, den innerbehördlichen Geschäftsablauf sowie weitere behördeninterne Verfahrensfragen. In diesem Zusammenhang wird mitunter auf die Abgrenzung der Organisations- und Dienstvorschriften von Rechtsverordnungen hingewiesen.171 Maßgeblich sei insofern, dass die Verwaltungsvorschrift eine Regelung enthalte, die den Bediensteten über den amtlichen Status hinaus auch in persönlicher Hinsicht betreffe. Im Ergebnis stellt diese Unterscheidung jedoch nichts anderes als einen Rekurs auf die im Rahmen von Verwaltungsakten überlieferte Doktrin zur Abgrenzung von Innen- und Außenwirkung dar.172 Davon ausgehend ist klar, dass Organisations- und Dienstvorschriften grundsätzlich nur behördeninterne Wirkung zukommt. Sie haben für den Bürger regel­ mäßig keine eigenständige Bedeutung; folglich kann sich der Bürger gegenüber der Behörde nicht auf deren Einhaltung berufen. Etwas anderes kann sich in solchen Fällen ergeben, in denen die Verwaltungsvorschrift Regelungen enthält, welche die Rechtssphäre des Bürgers bzw. dessen rechtlichen Status betreffen 170

Forsthoff, VwR I, S. 139; Achterberg, AVwR, § 16 Rn. 55; Rogmann, Bindungswirkung, S. 16; Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 63 f.; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 104 Rn. 19 ff.; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VwR I, § 24 Rn. 21; Wallerath, AVwR, § 4 Rn. 36; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 20 Rn. 22; Detterbeck, AVwR, Rn. 855; Maurer, AVwR, § 24 Rn. 8. 171 VGH Mannheim, Beschluss v. 15.08.1972 – IV 1036/70, ESVGH 23, S. 90 ff.; Detterbeck, AVwR, Rn. 856; Maurer, AVwR, § 24 Rn. 8. 172 Worauf Maurer, AVwR, § 24 Rn. 8 entsprechend hinweist. Zur Abgrenzung von Innenund Außenwirkung allgemein Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 VwVfG Rn. 146 ff.; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 21 Rn. 44 ff.; Kopp/Ramsauer, § 35 VwVfG Rn. 124 ff.

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Allgemeinen Verwaltungsrecht 

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können.173 So ist es sowohl für den Bereich der Eingriffs- als auch Leistungsverwaltung denkbar, dass in einer Verwaltungsvorschrift z.B. die behördliche Zuständigkeit geregelt wird. Derartige Fälle sind namentlich aus früherer Zeit im Steuerrecht auf dem Gebiet der steuerlichen Betriebsprüfung nachweisbar.174 Hier ist meist nicht die Bindungswirkung einer derartigen Verwaltungsvorschrift das Problem, sondern vielmehr die Frage, ob und in welchem Umfang derartige Materien einem Gesetzesvorbehalt unterfallen und eine Regelung durch Verwaltungsvorschrift überhaupt zulässig ist. Zu dieser nicht unproblematischen Frage sei nur auf nachfolgende Überlegungen abgestellt: Zunächst gilt in staatsorganisationsrechtlicher Hinsicht auf Ebene des Grundgesetzes angesichts der nur partiell auftretenden Gesetzesvorbehalte kein genereller institutioneller Gesetzesvorbehalt.175 Anderes mag für einen Großteil der Landesverfassungen zutreffen, so z.B. in Bayern nach Art. 77 I 1 BV,176 wonach die Regelung von Behördenzuständigkeiten ausschließlich durch Gesetz erfolgen kann.177 Aus Sicht des Bürgers stellt sich die Frage des Gesetzesvorbehalts folglich nur nach den Maßstäben der diesbezüglich grundrechtlich fundierten Wesentlichkeitstheorie. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit in grundsätzlicher Hinsicht anerkannt, dass das Verfahren dem Grundrechtsschutz auch unter dem Gesichtspunkt der Transparenz dienen kann.178 Indes wird eine allgemeine Relevanz der Behördenzuständigkeit, des Verfahrens oder aber der Form für die Ausübung der Grundrechte nicht in allen Situationen denkbar sein: Sofern die in der Verwaltungsvorschrift enthaltene Regelung keinem Gesetzesvorbehalt nach Bundes- oder Landesrecht unterfällt, hat sich der Gesetzgeber bezüglich der soeben dargestellten 173 Zu diesem Problemkreis: Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S.  263 ff. u. S.  502 ff.; Schnapp, AöR  105 (1980), S.  243, 269 ff.; Burmeister, Institutioneller Gesetzesvorbehalt, S. 51 ff.; Ohler, AöR 131 (2006), S. 336, 365 ff. 174 s. hierzu insbesondere die Rechtsprechung zu den verschiedenartigen Facetten der Großbetriebsprüfung durch die Oberfinanzdirektionen (BFH, Beschluss v. 28.05.1986 – I B 22/86, BFHE 146, S. 508 ff.; BFH, Urteil v. 21.04.1993 – X R 112/91, BFHE 171, S. 15 ff.) sowie die Errichtung von Finanzämtern für Großbetriebsprüfung durch Verwaltungsvorschrift des Finanzministers (BFH, Urteil v. 04.04.1984 – I R 269/81, BFHE 140, S. 509 ff.). Vgl. zu dieser Rechtsprechung insgesamt die Ausführungen im 2. Kapitel, III. 1., S. 85 ff. 175 Vgl. statt Vieler Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Art.  20 GG VI Rn.  120 ff. Teilweise wird die Anwendbarkeit der Wesentlichkeitslehre für das Staatsorganisationsrecht diskutiert, vgl. Hufen, NJW  1991, S.  1321, 1324 sowie NWVerfGH, Urteil v. 09.02.1999  – VerfGH  11–98, NJW 1999, S. 1243, 1245 f. Hierzu insbesondere Böckenförde, NJW 1999, S. 1235 f.; Isensee, JZ 1999, S. 1113 ff. 176 Weitere Gesetzesvorbehalte finden sich in Art.  96  BbgVerf; Art.  70  M-VVerf; Art.  56 NdsVerf; Art.  77  NRWVerf; Art.  83  SächsVerf; Art.  86  Sachs-AnhVerf; Art.  45  SchlHVerf; Art. 90 ThürVerf. 177 Nach Wolff, in: Lindner/Möstl/Wolff, Art. 77 BV Rn. 2 handelt es sich um eine Regelung, die „aus der Sicht der bundesstaatlichen Verfassung von beneidenswerter Klarheit ist“. 178 BVerfG, Beschluss v. 20.12.1979  – 1 BvR 385/77, BVerfGE  53, S.  30, 65 f.; BVerfG, Beschluss v. 27.11.1990 – 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, S. 130, 151 f.; BVerfG, Beschluss v. 17.04.1991 – 1 BvR 1529/84 u.a., BVerfGE 84, S. 59, 72 f. Explizit für den Gesichtspunkt der Transparenz BVerfG, Urteil v. 08.04.1997 – 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, S. 267, 307 f.

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1. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht 

Fragen bei gebundenen Entscheidungen jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung für eine Unbeachtlichkeit des Verstoßes gem. § 46 VwVfG bzw. § 127 AO entschieden. Das ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, denn ein allgemeiner Anspruch auf „die zuständige Behörde“ existiert ebenso wenig wie ein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch.179 Dies ist letztlich der Tatsache geschuldet, dass der Aspekt der Verfahrensökonomie einerseits bei gesetzgeberischen Abwägungen in gebührender Weise berücksichtigt werden darf180 und der Gesetzgeber andererseits ohnehin weite Dispositionsfreiheit in den genannten Bereichen genießt.181 Anderes gilt nach dem soeben Gesagten für den Bereich der Ermessensausübung, wobei aber auch hier keine verfassungsrechtlich zwingenden Vorgaben aufzufinden sind,182 solange „elementare, rechtsstaatlich unverzichtbare Verfahrensanforderungen“183 gewahrt bleiben. Eine mittelbare Bindungswirkung von Organisations- und Dienstvorschriften ist daher nur in Fällen der Ermessensausübung denkbar. Durch die vorstehenden Ausführungen ist letztlich auch der gerichtliche Prüfungsmaßstab geklärt. Organisationsrechtliche Verwaltungsvorschriften können, sofern sie für den Bürger rechtlich relevant sind, uneingeschränkt von den Gerichten überprüft werden. Eine solche rechtliche Relevanz wird sich insbesondere für den bereits angesprochenen Bereich der §§ 45, 46 VwVfG sowie für das Steuerrecht in den Parallelvorschriften der §§ 126, 127 AO ergeben. 2. Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften a) Grundsatz: Keine Bindungswirkung norminterpretierender Verwaltungsvorschriften Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften dienen einer vereinheitlichten Auslegung und Anwendung des Gesetzes und damit mittelbar einem einheitlichen Gesetzesvollzug durch die Verwaltung.184 In der Praxis kommt ihnen die besonders bedeutsame Funktion der Konkretisierung von unbestimmten Rechtsbegrif 179

Menger, Rechtsschutz, S. 119 u. 165. Bonk, NVwZ  2001, S.  636, 641; Schwarz, in: Fehling/Kastner, § 46  VwVfG Rn.  9 f.; Kopp/Ramsauer, § 46 VwVfG Rn. 4 f. 181 Schnapp, AöR 105 (1980), S. 243, 271. Ähnlich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 45 VwVfG Rn. 17: „nur sehr begrenzt verbindlich determinierende Verfassungsvorgaben“; vgl. auch Schwarz, in: Fehling/Kastner, § 45 VwVfG Rn. 8. 182 Schnapp, AöR 105 (1980), S. 243, 271; Ohler, AöR 131 (2006), S. 336, 370 f. 183 BVerfG, Beschluss v. 20.04.1982 – 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, S. 253, 295. 184 BVerfG, Beschluss v. 31.05.1988  – 1  BvR  520/83, BVerfGE  78, S.  214, 227. Ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. nur BVerwG, Urteil v. 26.11.1970  – VIII  C  41.68, BVerwGE  36, S.  313, 315; BVerwG, Urteil v. 28.10.1998  – 8  C  16.96, BVerwGE 107, S. 338, 340; zuletzt BVerwG, Urteil v. 26.05.2011 – 2 C 8.10, NVwZ-RR 2011, S. 824 f.; Rogmann, Bindungswirkung, S. 19; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 104 Rn. 24; Maurer, AVwR, § 24 Rn. 9. 180

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Allgemeinen Verwaltungsrecht 

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fen zu.185 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine weitere trennscharfe Differenzierung zwischen Verwaltungsvorschriften, die „einfaches“ Geset­zesrecht auslegen, sowie Verwaltungsvorschriften, die unbestimmte Rechtsbegriffe näher konkretisieren, weder in theoretischer Hinsicht zufriedenstellend möglich als auch in praktischer Hinsicht geboten ist.186 Bezüglich der hier interessierenden Fragen einer Bindungswirkung sowie gerichtlichen Kontrolldichte von Verwaltungsvorschriften ergeben sich keine bedeutenden Unterschiede. Bereits in grundsätzlicher Hinsicht ist unstreitig, dass norminterpretierende Verwaltungsvorschriften keine Bindungswirkung gegenüber dem Bürger erzeugen.187 Der Exekutive steht zwar aufgrund des verfassungsrechtlich inhärenten Vollzugsauftrags ein behördliches Erstauslegungsrecht zu. Indes ist es der Verwaltung wegen Art. 20 III GG verwehrt, geltende Gesetze kraft eigenen Willensakts zu derogieren. Folglich gibt es auch keine mittelbare Bindungswirkung norminterpretierender Verwaltungsvorschriften über Art. 3 I GG.188 Gleiches gilt für die richterliche Kontrolle norminterpretierender Verwaltungsvorschriften. Der aus Art.  19  IV  GG hergeleitete Grundsatz der richterlichen Vollkontrolle189 von Verwaltungsentscheidungen erfordert, dass Verwaltungsvorschriften grundsätzlich „Gegenstand und nicht Maßstab der richterlichen Entscheidung“190 sind. Eine in der Verwaltungsvorschrift vorgenommene Auslegung hat daher nur soweit Bestand, als ein Gericht der behördlichen Auslegung aus eigener Überzeugung folgt. Anderes lässt sich nicht für Verwaltungsvorschriften zur Kon 185

Wallerath, AVwR, § 4 Rn. 38; Detterbeck, AVwR, Rn. 857. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art.  19 GG  VI Rn.  183. Zur Problematik der un­ bestimmten Rechtsbegriffe auch Franßen, in: FS Zeidler 1987, S. 429 ff. sowie Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 11 Rn. 10 ff. 187 Ganz h.M.: BVerfG, Beschluss v. 31.05.1988  – 1  BvR  520/83, BVerfGE  78, S.  214, 227; zuletzt BVerfG, Beschluss v. 31.05.2011  – 1 BvR 857/07, BVerfGE  129, S.  1, 1064; BVerwG, Urteil v. 26.11.1970 – VIII C 41.68, BVerwGE 36, S. 313, 315; BVerwG, Urteil v. 28.10.1998 – 8 C 16.96, BVerwGE 107, S. 338, 340; Rogmann, Bindungswirkung, S. 182 f.; Jarass, JuS  1999, S.  105, 107 f.; Erichsen, in: FS  Kruse 2001, S.  39, 51 f.; Guckelberger, Verw. 35 (2002), S. 61, 65; Leisner-Egensperger, JZ 2002, S. 219, 228; Remmert, Jura 2004, S.  728, 730; Bull/Mehde, AVwR, Rn.  236; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 20 Rn.  22; Maurer, AVwR, § 24 Rn. 17; Detterbeck, AVwR, Rn. 857. 188 In diesem Sinne Erichsen, in: FS Kruse 2001, S. 39, 51 unter Verweis auf BVerwG, Urteil v. 10.12.1969 – VIII C 104.69, BVerwGE 34, S. 278, 282. 189 Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, s. dazu nur BVerfG, Beschluss v. 05.02.1963  – 2  BvR  21/60, BVerfGE  15, S.  275, 282; BVerfG, Urteil v. 07.12.1999  – 2 BvR 1533/94, BVerfGE 101, S. 275, 294 f.; BVerfG, Urteil v. 20.02.2001 – 2 BvR 1444/00, BVerfGE 103, S. 142, 156. Aus der umfangreichen Kommentarliteratur: Krebs, in: v. Münch/ Kunig, Art. 19 GG Rn. 71; Badura, Staatsrecht, H 23; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 19 GG Rn.  67; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art.  19 GG  VI Rn.  183; Sachs, in: Sachs, Art. 19 GG Rn. 145. 190 Ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG, Beschluss v. 31.05.1988  – 1  BvR  520/83, BVerfGE 78, S. 214, 227; BVerfG, Beschluss v. 31.05.2011 – 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, S. 1, 21; BVerwG, Urteil v. 28.10.1998 – 8 C 16.96, BVerwGE 107, S. 338, 340. Dazu auch Achterberg, AVwR, § 16 Rn. 60; Remmert, Jura 2004, S. 728, 731. 186

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1. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht 

kretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe sagen.191 Denn auch die Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen kann letztverbindlich nur durch den Richter erfolgen.192 Nach alledem weisen norminterpretierende Verwaltungsvorschriften weder gegenüber dem Bürger noch dem Gericht Bindungswirkung auf. b) Ausnahme: Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften zur Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum Eine Ausnahme von der prinzipiellen Unverbindlichkeit norminterpretierender Verwaltungsvorschriften ist für den Bereich solcher Verwaltungsvorschriften anzuerkennen, die unbestimmte Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum konkretisieren. Die Annahme eines Beurteilungsspielraums hat ein behördliches Letztentscheidungsrecht zur Konsequenz, das von Bürger und Gericht hinzunehmen ist.193 Erlässt die Exekutive Verwaltungsvorschriften, um den Beurteilungsspielraum gleichmäßig auszufüllen, kann der Bürger einerseits deren Einhaltung gegenüber der Behörde aufgrund und in den Grenzen des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 I GG fordern,194 andererseits hat er die aufgrund der Verwaltungsvorschrift ergangene Entscheidung gleichzeitig hinzunehmen.

191

Ausdrücklich jüngst bei BVerfG, Beschluss v. 31.05.2011 – 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, S.  1, 21 ff. So aber Schmidt, Gesetzesvollziehung, S.  144 ff., der davon ausgeht, dass die norminterpretierende Verwaltungsvorschrift eine gewisse Richtigkeitsgewähr enthalte und die richterliche Kontrolldichte dementsprechend auf eine Vertretbarkeitskontrolle beschränkt sei. Ähnlich auch Martens, in: DStJG 5 (1982), S. 165, 186 ff., der allerdings eine „präsumtive Verbindlichkeit“ aus norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften herleitet und insofern die richterliche Abweichungsbefugnis auf „gewichtige“ Gründe beschränkt. 192 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 19 GG Rn. 67; Sachs, in: Sachs, Art. 19 GG Rn. 146; Wallerath, AVwR, § 7 Rn. 80; Bull/Mehde, AVwR, Rn. 571 f.; kritisch Krebs, in: v. Münch/Kunig, Art. 19 GG Rn. 71. 193 Hierzu grundlegend die Untersuchung von Pache, Beurteilungsspielraum und Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 14 ff. Aus neuerer Zeit Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 11 Rn.  10 ff. Das Schrifttum kann als kaum mehr überschaubar bezeichnet werden, vgl. nur auszugsweise Bachof, JZ 1955, S. 97 ff.; Bachof, JZ 1972, S. 641 ff.; Bertossa, Beurtei­ lungsspielraum; Rupp, in: FS Zeidler 1987, S.  455 ff.; Franßen, in: FS Zeidler 1987, S. 429 ff.; Ossenbühl, in: FS Redeker 1993, S. 55 ff.; Ossenbühl, DVBl. 1999, S. 1 ff.; Schulze-­ Fielitz, JZ  1993, S.  772 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art.  19  IV  GG Rn.  125 ff.; Schoch, Jura 2004, S. 612 ff.; Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, § 114 VwGO Rn. 55 ff.; Rennert, in: Eyermann/Fröhler, § 114 VwGO Rn. 51 ff.; Schwarz, in: Fehling/Kastner, § 114 VwGO Rn.  56 ff.; Kopp/Ramsauer, § 40  VwVfG Rn.  6 u.  99 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/­ Dürig, Art. 19  GG VI Rn. 185 ff.; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VwR I, § 31 Rn. 15 ff.; Walle­ rath, AVwR, § 7 Rn. 78 ff.; Bull/Mehde, AVwR, Rn. 556 ff.; Detterbeck, AVwR, Rn. 354 ff.; Maurer, AVwR, § 7 Rn. 31 ff. 194 Badura, in: FS Bachof 1984, S.  169, 187 f.; Jarass, JuS  1999, S.  105, 108; Erichsen/­ Klüsche, Jura  2000, S.  540, 547; Remmert, Jura  2004, S.  728, 731; Gerhardt, in: Schoch/ Schneider/Bier, § 114 VwGO Rn. 63; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 20 Rn. 21.

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Problematisch ist in diesem Zusammenhang regelmäßig, nach welchen Kriterien sich das Vorliegen eines Beurteilungsspielraums richtet. Das Bundesverfassungsgericht195 sowie die überwiegende Auffassung im Schrifttum196 bedienen sich hierzu der sog. „normativen Ermächtigungslehre“, wonach die Annahme eines behördlichen Letztentscheidungrechts auf eine hinreichend konkrete Ermächtigung des Gesetzgebers zurückzuführen sein muss.197 Die verfassungsrechtlichen Hürden für die Annahme eines Beurteilungsspielraums hat insbesondere das Bundesverfassungsgericht in seiner jüngeren Rechtsprechung zur Betriebsklasseneinordnung im Rahmen der Investitionszulage deutlich verschärft.198 Es fordert, dass sich die normative Ermächtigung „ausdrücklich aus dem Gesetz ergeben oder durch Auslegung hinreichend deutlich zu ermitteln sein“199 muss. Anderenfalls verbleibe es bei dem durch Art. 19 IV 1 GG gewährleisteten Grundsatz gerichtlicher Vollkontrolle von Verwaltungsentscheidungen. Unter Zugrundelegung des Kriteriums einer normativen Ermächtigung wurden in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprechende Beurteilungsspielräume insbesondere im Bereich des Prüfungsrechts,200 der beamtenrechtlichen Beurteilungen,201 weisungsfreier Ausschüsse mit gesteigerter demokratischer Le-

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Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts s. BVerfG, Beschluss v. 31.05.2011  – 1 BvR 857/07, BVerfGE  129, S.  1, 21 ff.; BVerfG, Urteil v. 20.02.2001  – 2  BvR  1444/00, BVerfGE  103, S.  142, 156 f. unter Rekurs u.a. auf BVerfG, Beschluss v. 16.12.1992 – 1 BvR 167/87, BVerfGE 88, S. 40, 56 u. 61 sowie den Sasbach-Beschluss des BVerfG, Beschluss v. 08.07.1982 – 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, S. 82, 112. 196 Grundlegend nach wie vor Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19 GG VI Rn. 185. Ihm folgend Maurer, AVwR, § 7 Rn. 34; Wallerath, AVwR, § 7 Rn. 86; Schwarz, in: ­Fehling/ Kastner, § 114 VwGO Rn. 57; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 19 IV GG Rn. 125 ff.; ­Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art.  19 GG Rn.  69; Schoch, Jura  2004, S.  612, 616; Kopp/Ramsauer, § 40 VwVfG Rn. 100 f. 197 Insgesamt aber str., s. hierzu die Nachweise bei Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe, S.  172 ff. und Schulze-Fielitz, JZ  1993, S.  772, 774. Aus jüngerer Zeit sei insbesondere der Ansatz von Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 11 Rn. 27 ff. zur Lehre eines „administrativen Entscheidungsfreiraums“ erwähnt sowie das Modell von Pache, Beurteilungsspielraum, S. 479 ff.; kritisch ebenfalls Poscher, in: FS Wahl 2011, S. 527 ff. 198 BVerfG, Beschluss v. 31.05.2011 – 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, S. 1 ff. 199 BVerfG, Beschluss v. 31.05.2011 – 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, S. 1, 22. 200 Grundlegend die sog. „Nichtversetzungs-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. BVerwG, Urteil v. 24.04.1959  – VIII  C  104.58, BVerwGE  8, S.  272, 273 ff.; s. auch BVerfG, Beschluss v. 17.04.1991 – 1 BvR 419/81 u.a., BVerfGE 84, S. 34 ff.; BVerfG, Beschluss v. 17.04.1991  – 1  BvR  1529/84  u.a., BVerfGE  84, S.  59 ff.; Rennert, in: Eyermann/Fröhler, § 114 VwGO Rn. 68; Schwarz, in: Fehling/Kastner, § 114 VwGO Rn. 60 ff.; Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 11 Rn.  47; Maurer, AVwR, § 7 Rn.  43 ff. jeweils m.zahlr.w. N. 201 BVerwG, Urteil v. 13.05.1965 – II C 146.92, BVerwGE 21, S. 127, 129 ff.; BVerwG, Urteil v. 26.06.1980 – 2 C 8.78, BVerwGE 60, S. 245, 247 ff.; BVerfG, Beschluss v. 29.05.2002 – 2 BvR 723/99, NVwZ 2002, S. 1368; Rennert, in: Eyermann/Fröhler, § 114 VwGO Rn. 69; Schwarz, in: Fehling/Kastner, § 114 VwGO Rn. 63.

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1. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht 

gitimation202 sowie politischer Verwaltungsentscheidungen203 anerkannt. All diesen Beurteilungsspielräumen ist gemein, dass sie durch eine meist fehlende Reproduzierbarkeit der Entscheidung oder bereits von Verfassungs wegen vorgesehene eigenständige Entscheidungsfreiräume gekennzeichnet sind und repressive gerichtliche Kontrolle insofern an ihre Grenzen stößt.204 Die gerichtliche Überprüfung eines Beurteilungsspielraums und hierzu ergangener Verwaltungsvorschriften beschränkt sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darauf, ob der Sachverhalt durch die Behörde richtig festgestellt, das Verwaltungsverfahren eingehalten, Recht in genereller Weise durch die Behörde richtig angewandt, allgemein gültige Beurteilungsmaßstäbe beachtet sowie sachfremde Erwägungen nicht angestellt wurden.205 Wie Friedrich Schoch bereits festgestellt hat, handelt es sich hierbei um ein weitestgehend „ausgewogenes Kontrollkonzept“206, bei dem die Ausfüllung des Spielraums zwar der Exekutive zugeordnet wird, die aber im Übrigen nach Art. 20 III GG fortbestehende Rechtsbindung der Verwaltung durch das Gericht zu überprüfen ist.207

202 Grundlegend: BVerwG, Urteil v. 16.12.1971  – I  C  31.68, BVerwGE  39, S.  197, 203 f.; BVerwG, Urteil v. 07.11.1985  – 5  C  29.82, BVerwGE  72, S.  195, 200; BVerwG, Urteil v. 03.03.1987  – 1  C  16.86, BVerwGE  77, S.  75, 77 f. Diese Rechtsprechung wurde nach der „Jose­fine Mutzenbacher“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss v. 27.11.1990 – 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, S. 130, 147 f.) dahingehend abgeschwächt, als dass sich der Beurteilungsspielraum nur noch auf den Abwägungsvorgang als solchen bezieht; vgl. BVerwG, Urteil v. 26.11.1992 – 7 C 20.92, BVerwGE 91, S. 211, 215 f.; Rennert, in: ­Eyermann/Fröhler, § 114 VwGO Rn. 73 f.; Bull/Mehde, AVwR, Rn. 579 ff.; Maurer, AVwR, § 7 Rn. 40. 203 Wie z.B. CIA-Flüge über deutsches Hoheitsgebiet, vgl. dazu BVerwG, Urteil v. 29.10.2009  – 7  C  22.08, NVwZ  2010, S.  321 f.: Ein Beurteilungsspielraum besteht hinsichtlich des Merkmals „nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen“ gem. § 3 Nr. 1a IFG. Insgesamt dazu Schoch, Jura 2004, S. 612, 617; Schwarz, in: Fehling/Kastner, § 114 VwGO Rn. 67. 204 Das Bundesverfassungsgericht spricht in diesem Zusammenhang von den „Funktionsgrenzen der Rechtsprechung“, vgl. BVerfG, Beschluss v. 17.04.1991  – 1  BvR  419/81  u.a., BVerfGE 84, S. 34, 50; zuletzt BVerfG, Beschluss v. 31.05.2011 – 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, S. 1, 23. 205 BVerwG, Urteil v. 26.06.1980 – 2 C 8.78, BVerwGE 60, S. 245, 246 f.; BVerwG, Urteil v. 03.03.1987  – 1  C  16.86, BVerwGE  77, S.  75, 85; BVerwG, Beschluss v. 24.01.1995  – 1 WB 68.94, BVerwGE 103, S. 200, 204; BVerwG, Beschluss v. 25.09.2002 – 1 WB 27.02, BVerwGE  117, S.  81, 82; BVerwG, Urteil v. 16.05.2007  – 3  C  8.06, BVerwGE  129, S.  27, 39; BVerwG, Urteil v. 02.04.2008 – 6 C 15.07, BVerwGE 131, S. 41, 48; BVerwG, Urteil v. 23.11.2011 – 6 C 11.10, NVwZ 2012, S. 1047, 1050. 206 Schoch, Jura 2004, S. 612, 618. 207 Schoch, Jura  2004, S.  612, 618; ähnlich zudem Maurer, AVwR, § 7 Rn.  62; kritisch­ Poscher, in: FS Wahl 2011, S. 527, 549 ff.

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Allgemeinen Verwaltungsrecht 

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c) Zusammenfassung Insgesamt bleibt festzuhalten: Die Frage der Bindungswirkung norminterpretierender Verwaltungsvorschriften ist bis auf die Fälle eines Beurteilungsspielraums abzulehnen. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich in letzteren Fällen anhand eines differenzierten Kontrollrasters im Ergebnis darauf, ob die behördliche Entscheidung vertretbar ist. Korrespondierend hierzu kann der Bürger über Art. 3 I GG die Einhaltung des behördlichen Vollzugsprogrammes einfordern. 3. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften Ähnlichen Pfaden wie Verwaltungsvorschriften zur Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum folgen die sog. ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften. Ihnen kommt die Funktion zu, eine einheitliche Ermessensausübung im Bereich der Ermessensverwaltung zu gewährleisten.208 Nach der hiesigen Sichtweise weisen derartige Verwaltungsvorschriften ausschließlich Innenwirkung auf; folglich können sie nur über den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG mittelbare Außenwirkung entfalten. Hinsichtlich der Begründung mittelbarer Außenwirkung ist dabei unmittelbar an das in der Verwaltungsvorschrift niedergelegte Vollzugsprogramm anzuknüpfen und nicht an die sich durch die Verwaltungsvorschrift konstituierende Verwaltungspraxis.209 Sofern das in der Verwaltungsvorschrift niedergelegte Vollzugsprogramm gegen höherrangiges Recht verstößt oder ein atypischer Einzelfall vorliegt, versagt regelmäßig die Bindungswirkung über Art. 3 I GG; Gleiches gilt für das Subventionsrecht hinsichtlich der im Haushaltsplan verfügbaren Mittel.210 Steht fest, dass der Bürger aufgrund des allgemeinen Gleichheitssatzes einen mittelbaren Anspruch auf Anwendung der Verwaltungsvorschrift hat, bedeutet dies für die gerichtliche Kontrolle, dass die Verwaltungsvorschrift nunmehr Maßstab und zugleich Gegenstand der richterlichen Überprüfung ist.211 Sie ist Maßstab dahingehend, dass ein Gericht im Rahmen von § 114 S. 1 VwGO die behördliche Entscheidung auf Ermessensfehler anhand der Verwaltungsvorschrift zu überprüfen hat. Die Überprüfung beschränkt sich gem. § 114 S. 1 VwGO darauf, ob die Behörde das ihr zustehende Ermessen überhaupt ausgeübt hat (Ermessensnichtgebrauch), eine zweckwidrige Ermessensausübung stattfand (Ermessens­ 208

Grundlegend nach wie vor BVerwG, Urteil v. 10.12.1969 – VIII C 104.69, BVerwGE 34, S. 278, 281. In diesem Sinne auch Achterberg, AVwR, § 16 Rn. 61 f.; Rogmann, Bindungswirkung, S. 16 ff.; Schoch, Jura 2004, S. 462, 464; Wallerath, AVwR, § 4 Rn. 42 f.; Maurer, AVwR, § 7 Rn. 14. 209 s. nochmals oben, II. 2. b) aa), S. 49 ff. 210 Zu Letzterem BVerwG, Urteil v. 26.04.1979  – 3  C  111.79, BVerwGE  58, S.  45, 48; BVerwG, Urteil v. 08.04.1997  – 3  C  6.95, BVerwGE  104, S.  220, 222; Möstl, in: Erichsen/­ Ehlers, AVwR, § 20 Rn. 21; Maurer, AVwR, § 24 Rn. 31. 211 Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 104 Rn. 70.

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1. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht 

fehlgebrauch) oder eine Rechtsfolge gewählt wurde, welche die rechtliche Grundlage nicht vorsieht (Ermessensüberschreitung).212 Nach dem zweistufigen Konzept der Ermessensausübung erfolgt eine gerichtliche Kontrolle zunächst dahingehend, ob die Verwaltungsvorschrift überhaupt beachtet wurde, was ansonsten zu einem Ermessensausfall führen kann.213 Gleiches gilt für den Fall, dass die Verwaltungsvorschrift aufgrund von Kompetenzverstößen (z.B. gegen Art. 84 II GG) rechtswidrig und nichtig ist.214 Weiterhin darf die Verwaltungsvorschrift nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen; dies führt gegebenenfalls zu einer Ermessensüberschreitung.215 Schlussendlich muss der Inhalt der Verwaltungsvorschrift auf einen zweckwidrigen Inhalt hin überprüft werden (Ermessensfehlgebrauch).216 Auf der zweiten Stufe beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle darauf, inwiefern die drei überlieferten Ermessensfehlerkategorien zu einem Abweichungsrecht im atypischen Einzelfall führen.217 Innerhalb dieser Fehlerkategorien sowie zwischen der abstrakten und konkreten Ebene der Ermessensausübung bleibt die Verwaltungsvorschrift dahingehend Maßstab der richterlichen Entscheidungsfindung, dass ein Gericht die von der Behörde vorgenommene Ermessensentscheidung zu akzeptieren hat. Bei einer Prüfung der Frage, ob Ermessensfehler in dem soeben dargestellten Sinne vorliegen, hat das Gericht auf den strikt innenrechtlichen Charakter der Verwaltungsvorschrift zu achten und diese nach dem tatsächlichen Willen der erlassenden Behörde unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts des Amtswalters auszulegen.218 212 Zu den überlieferten Ermessensfehlerkategorien: Schoch, Jura  2004, S.  462, 465 ff.; Schwarz, in: Fehling/Kastner, § 114 VwGO Rn. 42 ff.; Kopp/Ramsauer, § 40 VwVfG Rn. 85 ff.; Maurer, AVwR, § 7 Rn. 19 ff.; speziell zu Ermessensrichtlinien: Rennert, in: Eyermann/Fröhler, § 114  VwGO Rn.  27 ff.; Wolff, in: Sodan/Ziekow, § 114  VwGO Rn.  85 ff.; Guckelberger, Verw. 35 (2002), S. 61, 84 f. 213 Sinngemäß BVerwG, Urteil v. 26.06.1987 – 8 C 6.85, BVerwGE 77, S. 352, 364. Ähnlich Wolff, in: Sodan/Ziekow, § 114 VwGO Rn. 98 u. 104 u. Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 20 Rn. 21. A. A. wohl Schwarz, in: Fehling/Kastner, § 114 VwGO Rn. 52; zu den Ausnahmen­ Rennert, in: Eyermann/Fröhler, § 114 VwGO Rn. 19. 214 BVerwG, Urteil v. 14.03.1985 – 5 C 145.83, BVerwGE 71, S. 139, 148; Wolff, in: Sodan/ Ziekow, § 114 VwGO Rn. 109. 215 Aus der Rechtsprechung: BVerwG, Urteil v. 26.11.1970 – VIII C 104.68, BVerwGE 36, S. 323, 325 f.; BVerwG, Urteil v. 04.07.1979 – 8 C 3.79, BVerwGE 58, S. 181, 188; BVerwG, Urteil v. 18.09.1984 – 1 A 4.83, BVerwGE 70, S. 127, 133; BVerwG, Urteil v. 10.11.1992 – 10 C 2.91, BVerwGE 91, S. 159, 164 ff. 216 Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, § 114 VwGO Rn. 22; Rennert, in: Eyermann/Fröhler, § 114 VwGO Rn. 28. 217 Ständige Rspr., vgl. BVerwG, Urteil v. 22.01.1969 – VI C 52.65, BVerwGE 31, S. 212, 213 f.; BVerwG, Beschluss v. 01.06.1979  – 6  B  33.79, NJW  1980, S.  75; BVerwG, Urteil v. 18.09.1984 – 1 A 4.83, BVerwGE 70, S. 127, 142; Erichsen, in: FS Kruse 2001, S. 39, 57; Rennert, in: Eyermann/Fröhler, § 114 VwGO Rn. 28; Wolff, in: Sodan/Ziekow, § 114 VwGO Rn. 95; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 104 Rn. 69; Wallerath, AVwR, § 4 Rn. 43; Maurer, AVwR, § 7 Rn. 15. 218 s. die Darstellung bei den norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften mit Beurteilungsspielraum oben, III. 2. b), S. 68 ff.

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Allgemeinen Verwaltungsrecht 

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4. „Gesetzesvertretende“ Verwaltungsvorschriften Eng an die Dogmatik ermessenslenkender Verwaltungsvorschriften angelehnt sind die sog. „gesetzesvertretenden“ Verwaltungsvorschriften. Diese regeln zumeist die Vergabe und Verteilung staatlicher Subventionsleistungen aus Haushaltsmitteln. Aus diesem Grund werden derartige Verwaltungsvorschriften teilweise als eigenständige Kategorie der „gesetzesvertretenden Verwaltungsvorschriften“ bezeichnet.219 Bei Lichte besehen stellen Verwaltungsvorschriften im Bereich der gesetzesfreien Verwaltung lediglich ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dar, sodass sich hier keine Unterschiede im Vergleich zum vorstehend Gesagten ergeben.220 Insgesamt bleibt jedoch festzuhalten, dass aufgrund der steigenden Normierungsdichte innerhalb der Leistungsverwaltung sowie der zunehmenden Grundrechtsrelevanz des Subventionsrechts die Bedeutung derartiger Richtlinien stetig abnimmt.221 5. Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften a) Begriff und Bindungswirkung Die Rechtsfigur der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift stellt eine im Bereich des Umwelt- und Technikrechts seit geraumer Zeit anerkannte eigenständige Kategorie von Verwaltungsvorschriften dar,222 hinsichtlich derer auch im Steuerrecht immer wieder Anleihen zur Begründung einer Bindungs- und Außenwirkung sog. Typisierungsrichtlinien gegenüber Bürgern und Gerichten gemacht

219 Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 104 Rn.  33 f.; Hill/Martini, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR II, § 34 Rn. 43; Detterbeck, AVwR, Rn. 861 f.; Maurer, AVwR, § 24 Rn. 11. 220 Rogmann, Bindungswirkung, S. 17; Detterbeck, AVwR, Rn. 862. 221 Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR  II, § 34 Rn.  43; Maurer, AVwR, § 24 Rn. 11; dazu auch Erichsen/Klüsche, Jura 2000, S. 540, 541 f. 222 Für die Rechtsprechung: BVerwG, Urteil v. 19.12.1985  – 7  C  65.82, BVerwGE  72, S.  300 ff.; BVerwG, Beschluss v. 10.01.1995  – 7  B  112.95, NVwZ  1995, S.  994; BVerwG, Urteil v. 28.10.1998 – 8 C 16.96, BVerwGE 107, S. 338 ff.; BVerwG, Urteil v. 20.12.1999 – 7 C 15.98, BVerwGE 110, S. 216 ff.; BVerwG, Urteil v. 21.06.2001 – 7 C 21.00, BVerwGE 114, S. 342 ff. Aus dem Schrifttum: Erbguth, DVBl. 1989, S. 473 ff.; Hill, NVwZ 1989, S. 401 ff.; Hill/Martini, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR II, § 34 Rn. 44; Papier, in: FS Lukes 1989, S.  159, 162; Di  Fabio, DVBl.  1992, S.  1338 ff.; Reinhardt, DÖV  1992, S. 102, 108; Sendler, UPR 1993, S. 321 ff., insb. S. 328; v. Danwitz, VerwArch 84 (1993), S. 73, 92 ff.; Jarass, JuS 1999, S. 105, 108 ff.; Uerpmann, BayVBl. 2000, S. 705 ff.; Thiel, in: Landmann/Rohmer, § 48 BImSchG Rn. 4 ff.; Guckelberger, Verw. 35 (2002), S. 61, 85 ff.; Wahl, in: FG  BVerwG 2003, S.  571, 580; Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, § 114 VwGO Rn.  63; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 104 Rn.  71 ff.; Wallerath, AVwR, § 4 Rn.  39 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art.  19 GG  VI Rn.  206a; Groh, in: FS  Battis 2014, S. 221, 227 ff.

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1. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht 

werden.223 Inhaltlich füllen normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften unbestimmte Rechtsbegriffe des Umwelt- und Technikrechts wie z.B. „allgemein anerkannte Regeln der Technik“, „Stand der Technik“ oder „Stand von Wissenschaft und Technik“ aus224 und beruhen oft auf gesetzlicher Grundlage (vgl. beispielsweise § 48 I 1 BImSchG). In Abkehr von der allgemein zu Verwaltungsvorschriften ergangenen Dogmatik mittelbarer Außenwirkung über den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG spricht das Bundesverwaltungsgericht normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften in mittlerweile225 gefestigter Rechtsprechung226 unmittelbare Außenwirkung zu. Die dogmatischen Erwägungen stützen sich im Wesentlichen darauf, dass unbestimmte Rechtsbegriffe des Umwelt- und Technikrechts durch „generelle, dem gleichmäßigen und berechenbaren Gesetzesvollzug dienende Standards“227 konkretisiert würden und die Risikovorsorge „auf einen gleichmäßigen Vollzug“228 hin angelegt sei. Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen könne eine unmittelbare Außenwirkung dann bejaht werden, wenn (1) beim Erlass der Verwaltungsvorschrift höherrangigen Geboten und dem für deren Konkretisierung wesentlichen Erkenntnis- und Erfahrungsstand Rechnung getragen werde, (2)  die Verwaltungsvorschrift nicht durch Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt ist und (3) dem Erlass ein umfangreiches Beteiligungsverfahren vorausgegangen ist, dessen Zweck es ist, vorhandene Erfahrungen und den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis auszuschöpfen.229 Unter diesen Voraussetzungen liege ein „in hohem Maße wissenschaftlich-technischer Sachverstand“230 vor, der eine unmittelbare Außenwirkung rechtfertige. Die gerichtliche Kontrolle derartiger Verwaltungsvorschriften beschränkt sich nach der Rechtsprechung darauf, ob die Voraussetzungen für eine unmittelbare Außenwirkung (noch) vorliegen.231 Normkonkretisierende Verwaltungsvorschrif-

223 Vogel, in: FS Thieme 1993, S.  605, 615; Jachmann, StuW  1994, S.  347, 350; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S.  111; in diese Richtung wohl auch Leisner-Egensperger, JZ 2002, S. 219, 224 ff. 224 Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19 GG VI Rn. 203 ff. bezeichnet diese auch als „Technikklauseln“. 225 Früher lehnte das Bundesverwaltungsgericht eine unmittelbare Außenwirkung norm­ konkretisierender Verwaltungsvorschriften ab und bezeichnete die in ihnen enthaltene Wertung als „„antizipiertes“ Sachverständigengutachten“. Vgl. die sog. Voerde-Entscheidung, BVerwG, Urteil v. 17.02.1978 – I C 102.76, BVerwGE 55, S. 250 ff., 258 ff. 226 s. dazu insgesamt nochmals die Nachweise in Fn. 222. 227 BVerwG, Beschluss v. 10.01.1995 – 7 B 112.95, NVwZ 1995, S. 994. 228 BVerwG, Beschluss v. 10.01.1995 – 7 B 112.95, NVwZ 1995, S. 994, 995; bestätigt durch BVerwG, Urteil v. 21.06.2001 – 7 C 21.00, BVerwGE 114, S. 342, 344. 229 So explizit in der Entscheidung zur Rahmen-Abwasserverwaltungsvorschrift, s. BVerwG, Urteil v. 28.10.1998 – 8 C 16.96, BVerwGE 107, S. 338, 341 f., bestätigt zuletzt für die AVV Baulärm, s. BVerwG, Urteil v. 10.07.2012 – 7 A 11.11, BVerwGE 143, S. 249, 255 ff. 230 BVerwG, Urteil v. 28.10.1998 – 8 C 16.96, BVerwGE 107, S. 338, 342. 231 BVerwG, Urteil v. 20.12.1999 – 7 C 15.98, BVerwGE 110, S. 216, 218.

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Allgemeinen Verwaltungsrecht 

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ten seien daher gleichsam wie Rechtsnormen auszulegen232 und eine Bindungswirkung entfalle erst, „soweit die ihnen zu Grunde liegenden Annahmen durch weitere gesicherte Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt sind“233. In Abkehr von früheren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts234 entfällt bei normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften damit ein Abweichungsrecht der Behörde im atypischen Einzelfall, wodurch der Geltungsanspruch gegenüber Bürgern und Gerichten als unbedingt bezeichnet werden kann. b) Kritische Würdigung Geltungsanspruch und Bindungswirkung normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften bedürfen trotz ihrer generellen Akzeptanz in Rechtsprechung und Schrifttum einer kritischen Würdigung. Bei genauerem Hinsehen ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Verhältnis zu seiner sonstigen Dogmatik mittelbarer Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften in weiten Teilen inkonsequent und widersprüchlich. Ausgangspunkt der Begründung einer Bindungswirkung von normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften muss die Frage sein, wie die normative Ermächtigungsgrundlage der Gesetzeskonkretisierung durch Verwaltungsvorschriften rechtsdogmatisch zu verorten ist. Richtigerweise ist insoweit davon auszugehen, dass die normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift lediglich einen Beurteilungsspielraum ausfüllt235 und insofern an die überlieferten Pfade mittelbarer Außenwirkung anknüpft. Daran ändert sich nichts durch die Überlegung, dass die Verwaltung bei normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften den ihr zugestandenen Spielraum abstrakt-generell ausfüllen wolle und daher von einem „Konkretisierungsspielraum“ zu sprechen sei.236 Letztlich füllt nämlich jede Verwaltungsvorschrift den der Verwaltung zugesprochenen Spielraum behördenintern auf abstrakt-generelle Weise aus.237 Jede Modifikation der mittelbaren Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften führt im Ergebnis dazu, der 232

BVerwG, Urteil v. 20.12.1999 – 7 C 15.98, BVerwGE 110, S. 216, 218. BVerwG, Urteil v. 20.12.1999 – 7 C 15.98, BVerwGE 110, S. 216, 219 unter Verweis auf BVerwG, Beschluss v. 21.03.1996 – 7 B 165.95, juris. 234 BVerwG, Beschluss v. 15.02.1988 – 7 B 219.87, NVwZ 1988, S. 824, 825 sowie BVerwG, Beschluss v. 10.01.1995 – 7 B 112.95, NVwZ 1995, S. 994, 995. 235 Das ist auch im Schrifttum nicht weiter streitig, vgl. Papier, in: FS Lukes 1989, S. 159, 162; v.  Danwitz, VerwArch  84 (1993), S.  73, 95 ff.; Di  Fabio, DVBl.  1992, S.  1338, 1345; Lange, NJW 1992, S. 1193, 1196; Koch, in: Koch/Scheuing, § 48 BImSchG Rn. 69; SchulzeFielitz, JZ 1993, S. 772, 780; Sendler, UPR 1993, S. 321, 322; Erichsen/Klüsche, Jura 2000, S. 540, 548; Uerpmann, BayVBl. 2000, S. 705, 708 f.; Guckelberger, Verw. 35 (2002), S. 61, 87; Remmert, Jura 2004, S. 728, 733; Rennert, in: Eyermann/Fröhler, § 114 VwGO Rn. 58a. Ähnlich Gusy, DVBl. 1987, S. 497, 498 ff., der jedoch von einem „Konkretisierungsauftrag“ spricht. 236 In diese Richtung: Di Fabio, DVBl. 1992, S. 1338, 1344 ff.; Wahl, in: FG BVerwG 2003, S. 571, 578; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 104 Rn. 71, Fn. 138. 237 Darauf weist Sendler, UPR 1993, S. 321, 324 zutreffend hin. 233

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1. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Verfassungs- und Verwaltungsrecht 

Verwaltung ein von den Vorgaben des Art. 80 I GG losgelöstes und gegen das Demokratieprinzip verstoßendes Normsetzungsrecht einzuräumen, was durch den unbedingten Geltungsanspruch der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften besonders deutlich zum Vorschein kommt. Durch eine Rückkehr auf den verfassungsrechtlich abgesicherten Pfad mittelbarer Außenwirkung wird im Ergebnis weder „auf einen längst abgefahrenen Zug“238 aufgesprungen noch werden überkommene „Traditionsbestände“239 wiederbelebt. Vielmehr erfährt der Bürger durch ein Modell mittelbarer Bindungswirkung eine vollumfassende Realisierung des in Art. 19 IV GG gewährleisteten Rechtsschutzes und die Möglichkeit zur Geltendmachung atypischer Umstände des Einzelfalls, die ein Abweichen von der Verwaltungsvorschrift rechtfertigen. Nach alledem ist die Rechtsfigur der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift mangels zusätzlichen Erkenntnisgewinns abzulehnen. Die allgemein zur Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften entwickelten Kriterien sind in der Lage, den Besonderheiten des Umwelt- und Technikrechts Rechnung zu tragen, ohne dass es hierfür einer eigenständig zu etablierenden Dogmatik bedürfte. Im Ergebnis ist mit dem zutreffenden Fazit Hans-Joachim Kochs abzuschließen, wonach „weitere Spekulationen über den spezifischen Charakter der sog. normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften (…) müßig“240

sind. 6. Zusammenfassung und Konsequenzen für die weitere Vorgehensweise Dem Modell mittelbarer Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften folgend ist Organisations- und Dienstvorschriften eine Bindungswirkung gegenüber dem Bürger abzusprechen, Gleiches gilt für norminterpretierende Verwaltungsvorschriften. Lediglich ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften sowie Verwaltungsvorschriften zur Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum können über den Gleichheitssatz des Art.  3  I  GG mittelbare Außenwirkung erzeugen. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls die Rechtsfigur der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift zu sehen und als eigenständige Kategorie mit Sonderdogmatik –  entgegen der herrschenden Auffassung  – abzulehnen. Sämtliche Erscheinungsformen von Verwaltungsvorschriften im Allgemeinen Verwaltungsrecht fügen sich insofern schlüssig in das hier vorgeschlagene Konzept ein, ohne mit den grundlegenden Wertungen des Verfassungsrechts in Widerspruch zu stehen. 238

So Leisner-Egensperger, DÖV 2005, S. 399, 440. Schmidt-Aßmann, in: FS Vogel 2000, S. 477, 484. 240 Koch, in: Koch/Scheuing, § 48 BImSchG Rn. 69. 239

2. Kapitel

Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht Im Anschluss an die im 1. Kapitel gefundenen Ergebnisse ist nachfolgend die Typologie steuerlicher Verwaltungsvorschriften näher zu untersuchen. Die vorstehend entwickelten Maßgaben sind dafür von zentraler Bedeutung: Es gilt, die überlieferten Kategorien steuerlicher Verwaltungsvorschriften in das hier dargelegte System mittelbarer Außenwirkung einzuordnen und Unterschiede zum Allgemeinen Verwaltungsrecht herauszuarbeiten. Hinsichtlich der Vorgehensweise ist vorab auf die im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten außerordentlich praktische Relevanz der Verwaltungsvorschriften einzugehen (I.), um sodann die verfassungsrechtlichen Besonderheiten für deren Erlass zu umgrenzen  (II.). Abschließend werden die Erscheinungsformen steuerlicher Verwaltungsvorschriften näher kategorisiert und deren Bindungswirkung dargelegt (III.).

I. Rechtstatsächliche sowie -politische Bedeutung  steuerlicher Verwaltungsvorschriften Die rechtstatsächliche und -politische Bedeutung steuerlicher Verwaltungsvorschriften ist im Hinblick auf das Steuerrecht als „Massenfallrecht“ allgemein anerkannt.1 Im Bereich der Rechtsanwendung durch die Finanzverwaltung sorgen steuerliche Verwaltungsvorschriften regelmäßig für den einfachgesetzlich in § 85 S. 1 AO sowie von Verfassungs wegen durch Art. 3 I GG geforderten gleichmäßigen Gesetzesvollzug und sichern mit Blick auf den teilweise hohen Grad an unbestimmter Normierung die Vollzugsfähigkeit des Gesetzes.2 Nicht selten beurteilt sich auch im Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 AO die Strafbarkeit eines Sachverhalts anhand einer steuerlichen Verwaltungsvorschrift.3 So können Verwaltungsvorschriften gerade im Bereich des Steuerrechts durchaus als Korrektiv „unausgereifter“ und unvollständiger Gesetzgebung bezeichnet werden.4 1 Grundlegend bereits List, StbKRep 1975, S. 139, 157 ff.; Martens, in: DStJG 5 (1982), S. 165, 165 ff.; Trzaskalik, in: DStJG 5 (1982), S. 315, 318 f.; Loritz, Einkommensteuerrecht, § 1 Rn.  31 ff.; Seer, Verständigungen, S.  239 ff.; Seer, in: BK, Art.  108 GG Rn.  182; Hey, Steuerplanungssicherheit, S.  654; Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S.  358; Englisch, in: Tipke/Lang, § 5 Rn. 32; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Art. 108 GG Rn. 50; Schlette, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 108 GG Rn. 114; Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn. 85. 2 Seer, Verständigungen, S.  239; Trzaskalik, in: DStJG  5 (1982), S.  315, 318; Tipke, StRO III, S. 1431 ff. 3 Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 112. 4 Feldhausen, StbKRep 1981, S. 117 f.

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

Für den Steuerbürger bzw. dessen steuerlichen Berater schaffen Verwaltungsvorschriften Planungssicherheit und Verlässlichkeit. Daher ist auch aus ökonomischer Perspektive nicht streitig, dass steuerliche Verwaltungsvorschriften einen erheblichen Beitrag zur Senkung der Rechtsdurchsetzungskosten leisten können.5 Sowohl auf Seiten der Finanzverwaltung als auch in Steuerberaterklausuren wird daher zwecks „Streitvermeidung“ die Darstellung der Verwaltungsmeinung gefordert, sodass die Verwaltungsauffassung bereits im Rahmen der steuerlichen Ausbildung einen herausragenden Stellenwert einnimmt.6 In zivilrechtlicher Hinsicht bleibt zu bedenken, dass der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Beachtung von Verwaltungsvorschriften im Hinblick auf eine mögliche Haftung des steuerlichen Beraters fordert.7 Als Beleg für die allgemeine Relevanz steuerlicher Verwaltungsvorschriften seien aus jüngerer Zeit die aktualisierten Erbschaftsteuer-Richtlinien mit ihren für die Praxis wichtigen Bestimmungen zur Immobilien- und Unternehmsanteilsbewertung genannt.8 Weiterhin werden durch den neuen UmwandlungssteuerErlass  2011 zahlreiche Zweifelsfragen, die nach der Änderung des UmwStG aufgetreten sind, geklärt.9 Allein die zum Umwandlungssteuererlass hervorgegangenen Publikationen sind Zeugnis der ungebrochenen Aktualität steuerlicher Verfragen waltungsvorschriften.10 Das BMF-Schreiben vom 02.01.2012 zu Grund­ des Vorsteuerabzugs enthält zahlreiche Beispielrechnungen und -bestimmungen zur Anwendung der geänderten BFH-Rechtsprechung sowie übergangsweisen Weitergeltung der vorherigen Verwaltungsauffassung.11 Schlussendlich darf auch im Verfahrensrecht die Bedeutung steuerlicher Verwaltungsvorschriften nicht unterschätzt werden, wie die im Hinblick auf die Verschärfung der Selbstanzeige (§ 371  AO) überarbeiteten Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (AStBV) belegen.12

5

Wagner, StuW 2005, S. 93, 94 f. Verwiesen sei auf die für den Bereich der „Praktiker“ relevante Ausbildungsliteratur, z.B. explizit Völkel/Karg, Umsatzsteuer, S. V; Zimmermann, Personengesellschaft, Vorwort; Wolf, Steuerberaterprüfung, Vorwort; Hottmann, Die GmbH im Steuerrecht, Vorwort. 7 Grundlegend BGH, Urteil v. 23.11.1995 – IX ZR 225/94, DStR 1996, S. 781 ff.; bestätigt durch BGH, Urteil v. 28.09.2000 – IX ZR 6/99, NJW 2001, S. 146, 147; BGH, Urteil v. 20.10.2005 – IX ZR 127/04, DStRE 2006, S. 126, 127. 8 Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011 v. 19.12.2011, BStBl.  I 2011, Sondernummer 1/2011, S. 2; s. dazu z.B. Viskorf/Haag, DStR 2012, S. 219 ff.; Korezkij, DStR 2012, S. 340 ff. 9 UmwSt-Erlass v. 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, S. 1314 ff. 10 Schneider/Ruoff/Sistermann, FR 2012, S. 1 ff.; Patt/Rupp/Aßmann, Umwandlungssteuer­ erlass; Volb, Umwandlungssteuererlass; Schell, FR 2012, S. 101 ff.; Benecke, GmbHR 2012, S.  113 ff.; Stimpel, GmbHR  2012, S.  123 ff.; Heinemann, GmbHR, S.  133 ff.; Neumann, GmbHR 2012, S. 141 ff.; Rasche, GmbHR 2012, S. 149 ff.; Pung, GmbHR 2012, S. 158 ff.; Kai, GmbHR 2012, S. 165 ff.; Dötsch, GmbHR 2012, S. 175 ff. 11 BMF-Schreiben v. 02.01.2012, IV D 2 – S 7300/11/10002, BStBl. I 2012, S. 60. 12 Oberste Finanzbehörden der Länder v. 31.10.2011, BStBl. I 2011, S. 1000 ff.; s. hierzu insbesondere Beyer, AO-StB 2012, S. 60 ff. 6

II. Besonderheiten beim Erlass steuerlicher Verwaltungsvorschriften

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II. Verfassungsrechtliche Besonderheiten beim Erlass steuerlicher Verwaltungsvorschriften Ausgehend von der Tatsache, dass ein Großteil auftretender Vertrauensschutzprobleme bei der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften in sog. BMF-Schreiben geregelt wird, ist nachfolgend auf die sich aus der Verfassung ergebenden föderalen Besonderheiten für die Entstehung, Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften näher einzugehen. Von Interesse ist dabei zunächst ein kurzer Blick auf die verfassungsrechtlich angelegte Struktur der Finanzverwaltung (1.), um sodann die aus dem System der dezentralisierten Steuerverwaltung resultierende und verfassungsrechtlich umstrittene Praxis der BMF-Schreiben darzulegen (2.). 1. Das System dezentralisierter Steuerverwaltung im Lichte des Art. 108 GG Bevor eine Darstellung der Problematik der BMF-Schreiben erfolgen kann, ist vorab auf Art. 108 GG als „magna charta“13 der Finanzverwaltung einzugehen: Nur aus der verfassungsrechtlich angelegten Struktur der Finanzverwaltung heraus wird begreiflich, warum trotz der besonders starken Stellung des Bundesfinanzministeriums im Vergleich zu anderen Bundesministerien die Notwendigkeit für den Erlass von BMF-Schreiben besteht. Bereits in historischer Hinsicht wurde die Notwendigkeit einer zentral gesteuerten Finanzverwaltung erkannt, jedoch wurde im Zuge der Entstehung des Grundgesetzes von der Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung abgesehen und die föderalen Elemente der Steuerverwaltung unter gleichzeitigem Ausbau – sowie 1969 der Erweiterung – der Leitungsbefugnisse des Bundesfinanzministeriums gestärkt.14 Die im Rahmen der Auftragsverwaltung verfassungsrechtlich angelegte Stärkung der Rechte des Bundesfinanzministeriums resultiert maßgeblich aus der Überlegung, dass das durch die Entkoppelung von Ertrags- und Verwaltungshoheit drohende bundesstaatliche Ungleichgewicht einer rechtlichen Kompensation bedarf: Nur eine Bundesbehörde mit umfangreichen Weisungs- und Eingriffsmöglichkeiten ist in der Lage, im Rahmen des komplexen föderalen Verwaltungsgeflechts zwischen Landes- und Bundesfinanzbehörden für einen einheitlichen Vollzug der Steuergesetze zu sorgen.15 Insbesondere der Gedanke, dass trotz föderal angelegter Verwaltungsstrukturen die Verwaltung der Steuern als gesamtstaatliche Einheit begriffen werden muss, spielt hierbei angesichts des verfas 13

Zitiert nach Schmitt, in: DStJG 31 (2008), S. 99, 102. Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 18 ff.; Kemmler, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 108 GG Rn. 3. 15 Brodersen, in: FS Selmer 2004, S. 601 ff.; Schlette, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 108 GG Rn. 68; Schmitt, in: DStJG 31 (2008), S. 99, S. 105 ff.; Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 103. 14

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

sungsrechtlich vorgesehenen Länderfinanzausgleichs eine herausragende Rolle.16 Obgleich namentlich vom Bundesrechnungshof17 sowie durch die im Auftrag des BMF erstellte Kienbaum-Studie18 immer wieder Anregungen für eine Bundessteuerverwaltung vorgebracht wurden, konnte das verfassungsrechtlich angelegte System des föderalen Steuervollzugs – auch auf entsprechende Vorbehalte der Länder hin19 – nicht überwunden werden. Dennoch sind insbesondere in jüngerer Zeit Tendenzen erkennbar, unter Beibehaltung des dezentralisierten Systems der Steuerverwaltung kooperative Formen des länderübergreifenden Zusammenwirkens unter Leitung des BMF zu etablieren.20 Demnach bleibt festzuhalten, dass vornehmlich praktische Bedürfnisse und gesamtstaatliche Notwendigkeiten dazu geführt haben, trotz der prinzipiell fortbestehenden Verwaltungshoheit der Länder unter der Leitung des Bundes länderübergreifende Vollzugsstandards herzustellen.21 2. Zur Praxis der BMF-Schreiben Von dem soeben aufgezeigten Bedürfnis nach bundeseinheitlichem Vollzug der Steuergesetze hat sich mit steigender Normierungsdichte des Steuerrechts ein Bedürfnis nach schnellen und bundesweit einheitlichen Vollzugstandards entwickelt.22 Die Sicherung dieses strukturell einheitlichen Vollzugsbedürfnisses durch Verwaltungsvorschriften wird seitens des Grundgesetzes durch Art. 108 VII GG beantwortet. Danach ist die Bundesregierung anstatt des Bundesfinanzministers – entgegen der übrigen Konzeption des Art. 108 GG – für den Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften zuständig. Dieses Verfahren ist angesichts der Beteiligung des Bundesrats jedoch langwierig und politisch mit gewissen Unwägbarkeiten belastet.23 Ähnliches gilt für die durch das Bundesfinanzministerium koordinierten Ländererlasse, die aufgrund ihres Einstimmigkeitserfordernisses als unflexibel betrachtet werden.24 Aufgrund der zeitlichen Schwierigkeiten beim Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften etablierte sich seit den siebziger Jahren die Praxis der BMFSchreiben. Inhaltlich gibt das BMF in einem solchen Schreiben an die obersten 16

Bonsels, Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte, S.  105; Heintzen, in: v.  Münch/Kunig, Art. 108 GG Rn. 4; Schlette, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 108 GG Rn. 2; Heun, in: Dreier, Art. 108 GG Rn. 7 f. 17 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2005 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes, 2005, S. 102 f. 18 Dazu Senger, Reform, S. 224 ff.; Schmitt, in: DStJG 31 (2008), S. 99, 100 f. 19 Ausführlich Senger, Reform, S. 260 ff. 20 Insbesondere auf dem Gebiet der gemeinsamen Datenverarbeitung werden derartige Bestrebungen immer deutlicher, vgl. Senger, Reform, S. 142 ff. Zum kooperativen Föderalismus allgemein Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 117 ff. 21 Ebenfalls Heun, in: Dreier, Art. 108 GG Rn. 8. 22 Nose, BMF-Schreiben, S. 25 ff. 23 Zu den politischen „Risiken“ s. mit Beispielen Brodersen, in: FS Selmer 2004, S. 601, 610 ff. 24 Schmitt, in: DStJG 31 (2008), S. 99, 112; Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 103.

II. Besonderheiten beim Erlass steuerlicher Verwaltungsvorschriften

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Finanzbehörden der Länder Vollzugsgrundsätze bezüglich bestimmter Sach- oder Rechtsfragen bekannt.25 Die obersten Finanzbehörden der Länder weisen ihrerseits die ihnen nachgeordneten Behörden meist in allgemeiner Form an, das BMFSchreiben anzuwenden.26 Die Grundlage für den Erlass von BMF-Schreiben stellt dabei die Bund-Länder-Vereinbarung vom 15.01.1970 dar.27 Seit Ergehen der Bund-Länder-Vereinbarung wird deren rechtliche Grundlage sowie damit einhergehend die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von BMF-Schreiben kontrovers diskutiert.28 Im Fokus steht dabei, ob ein BMF-Schreiben mit Art. 108 III 2 GG zu vereinbaren ist (Problematik der allgemeinen Weisungen),29 ein Verstoß gegen Art. 108 VII GG vorliegt (Umgehung der Beteiligung des Bundesrats)30 oder aber 25

Dazu insgesamt Nose, BMF-Schreiben. Vgl. nur Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 121 m.zahlr.w.N. in Fn. 613, ebd. 27 Die Bund-Länder-Vereinbarung hat folgenden Wortlaut: „Ohne Präjudiz für die unterschiedlichen Rechtsstandpunkte von Bund und Ländern zur Frage der Erteilung allgemeiner Weisungen durch den Bundesminister der Finanzen für die Steuern, die durch die Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwaltet werden, wird zwischen den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder folgendes vereinbart: 1. Bei den Steuern, die von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwaltet werden, treten an die Stelle der bisherigen koordinierten Ländererlasse künftig Schreiben des Bundesministers der Finanzen an die obersten Finanzbehörden der Länder. 2. Vor Übersendung dieser Schreiben an die obersten Finanzbehörden der Länder wird den Ländern Gelegenheit gegeben, zu dem Entwurf Stellung zu nehmen. Der Bundesminister der Finanzen gibt solche Schreiben nur heraus, wenn die Mehrzahl der Länder keine Einwendungen dagegen erhoben hat. In den Schreiben wird auf das Ergebnis der Erörterungen mit den Ländern Bezug genommen. 3. Die Länder werden sich nach den in diesem Verfahren ergangenen Schreiben des Bundesministers der Finanzen richten. Sie werden Fragen von überregionaler oder grundsätzlicher Bedeutung an den Bundesminister der Finanzen herantragen. Eigene Weisungen werden die Länder entgegen der Rechtsauffassung des Bundesministers der Finanzen nicht herausgeben. 4. Im übrigen bedürfen allgemeine Weisungen der obersten Finanzbehörden der Länder – einschließlich der Anordnungen nach § 131 RAO, die sich auf eine Mehrzahl von Fällen beziehen – der Zustimmung des Bundesministers der Finanzen, soweit dieser nicht auf die Ausübung des Zustimmungsrechtes verzichtet. Allgemeine Weisungen der Oberfinanz­ direktionen werden dem Bundesminister der Finanzen über die zuständige oberste Landesfinanzbehörde zur Kenntnis übersandt, soweit der Bundesminister der Finanzen nicht auf die Übersendung verzichtet hat. 5. Diese Vereinbarung gilt nicht auf dem Gebiet der Organisation und des Personalwesens.“ Der Wortlaut der Bund-Länder-Vereinbarung ist nachgewiesen bei Bonsels, Einwirkungsund Mitwirkungsrechte, S.  115 (Fn.  258); Seer, in: BK, Art.  108 GG Rn.  117; Nose, BMFSchreiben, S. 36 f.; Schmitt, in: DStJG 31 (2008), S. 99, 114. 28 s. dazu die Nachweise in den folgenden Fn. 29 Müller/Zeitler, DStZ  1975, S.  467, 470 ff.; Heintzen, in: v.  Münch/Kunig, Art.  108 GG Rn. 34; Brodersen, in: FS Selmer 2004, S. 601, 615 f.; Schlette, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art.  108  GG Rn.  69 ff.; Kemmler, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art.  108 GG Rn. 17 ff.; Sauerland, DStZ 2007, S. 668, 670 ff. 30 Schlette, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 108 GG Rn. 71; Sauerland, DStZ 2007, S. 668, 672; Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 116. 26

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

die Zulässigkeit eines BMF-Schreibens spätestens seit Einführung des § 21a FVG allgemein anerkannt ist.31 Die Frage, ob und inwieweit BMF-Schreiben verfassungsrechtlich zulässig sind, hat sich unstreitig an den Wertungen des Art. 108 GG sowie dem föderalen Vollzugskonzept des Grundgesetzes zu orientieren. Ohne hierbei auf alle Einzelheiten der ohnehin wenig ergiebigen Streitigkeit einzugehen, seien nur folgende grundlegende Linien skizziert: Ausgehend von der zu Art. 85 III 1 GG ergangenen Doktrin ist klar, dass fernab der Verwaltungsvorschriften für allgemeine Weisungen verfassungsrechtlich kein Raum verbleibt.32 Überdies ist eine Abgrenzung von allgemeinen Weisungen und Verwaltungsvorschriften praktisch kaum möglich.33 Unzulässig sind ebenfalls diejenigen Ansätze, welche die Wertungen der Allgemeinverfügung gem. § 35 S. 2 VwVfG für konkret-generelle Einzelweisungen fruchtbar machen wollen.34 Insgesamt würden abstrakte Weisungen im Falle ihres Ergehens gegen die in Art. 108 VIII GG verankerten Mitwirkungsrechte des Bundesrats sowie die Erlasskompetenz der Bundesregierung als Kollegialorgan verstoßen.35 In den Kanon dieser Argumentation reiht sich § 21a I FVG ein, der einfachgesetzlich keine weitergehenden Weisungsrechte des Bundesfinanzministers statuieren kann, als diese vom Grundgesetz vorgesehen sind.36 Daher kann § 21a I 1 FVG hinsichtlich der Zulässigkeit von BMF-Schreiben jedenfalls verfassungsrechtlich keine nennenswerte Bedeutung zukommen.37 Auch die Neufassung von Art. 108 IV 1 GG ändert an dieser Sichtweise nichts, da der Regelungsgehalt der Art. 108 III, VII GG als insoweit spezieller angesehen werden muss. 31 Sauerland, DStZ 2007, S. 668, 673; Heun, in: Dreier, Art. 108 GG Rn. 17; Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 123 f. 32 Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 85 GG Rn. 50; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 85 GG Rn. 6; Hermes, in: Dreier, Art. 85 GG Rn. 43; Broß/Mayer, in: v. Münch/Kunig, Art. 85 GG Rn. 21; Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 116; Bonsels, Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte, S. 108 f. Zum gesamten Komplex auch Tschentscher, Bundesaufsicht in der Bundesauftragsverwaltung, 1992, S. 161 ff. 33 Brodersen, in: FS Selmer 2004, S. 601, 615; Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 116; Siekmann, in: Sachs, Art. 108 GG Rn. 24. 34 Tschentscher, Bundesaufsicht in der Bundesauftragsverwaltung, 1992, S. 170; Sauerland, DStZ 2007, S. 668, 671 m.w.N. Von dieser Möglichkeit gehen scheinbar Lerche, in: Maunz/­ Dürig, Art. 85 GG Rn. 51 und Stern, Staatsrecht II, S. 812/813 aus. 35 Ebenfalls Schlette, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 108 GG Rn. 119. Hiergegen kann nicht eingewendet werden, dass der Bund dadurch an der Wahrnehmung seiner Sachkompetenz im Rahmen der Auftragsverwaltung gehindert wäre. Sollte sich ein Land trotz Ergehens einer Einzelweisung in vergleichbaren Fällen zum Vollzug im Sinne des Bundesfinanzministers weigern, sind die verfassungsrechtlich vorgesehenen Mittel der Bundesaufsicht voll auszuschöpfen und notfalls das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Eine Handlungsunfähigkeit des Bundesfinanzministeriums wird man dabei nicht ernsthaft befürchten müssen. 36 Kemmler, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art.  108 GG Rn.  19; Sauerland, DStZ  2007, S.  668, 673; Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S.  47 f.; Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 122 ff. 37 Deutlich Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Art. 108 GG Rn. 35: „[D]ie Regelung befriedigt die Bedürfnisse der Praxis, lässt aber die verfassungsrechtlichen Meinungsunterschiede unberührt.“

II. Besonderheiten beim Erlass steuerlicher Verwaltungsvorschriften

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Ausgehend von diesem knappen Aufriss könnte der voreilige Schluss naheliegen, dass BMF-Schreiben als abstrakt-generelle Weisungen gegen die Wertungen des Art. 108 GG i.V.m. Art 85 GG verstoßen. Eine solche Betrachtungsweise verkennt indes das durch die föderalen Strukturen des Grundgesetzes angelegte Konzept eines kompetenzgeteilten Gesetzesvollzugs im staatlichen Mehrebenensystem zwischen Bund und Ländern. Zentrale Frage der Bund-Länder-Vereinbarung und damit der Praxis der BMF-Schreiben ist nicht die Zulässigkeit von allgemeinen Weisungen. Es geht vielmehr darum, die verfassungsrechtlichen Grenzen der konsensualen Aufgabenerledigung durch die Länder mit dem Bund aufgrund der Bund-Länder-Vereinbarung als Form informellen Verwaltungshandelns auszu­ loten. Im Kern steht dabei das Problem, inwieweit die Länder ihre föderalen Verpflichtungen zum Gesetzesvollzug und die damit einhergehenden Spielräume durch konsensuale Handlungsformen abgeben dürfen. Grundüberlegung muss hierzu die Feststellung sein, dass es Bund und Ländern jenseits der verfassungsrechtlich anerkannten Handlungsmethoden nicht verwehrt ist, in konsensualer Weise für eine effektive Erfüllung der staatlichen Aufgaben als gleichsam übergeordneten Leitgedanken zu sorgen.38 Ein abschließender Katalog von Handlungsformen der Exekutive ist dem Grundgesetz jenseits zwingend enthaltener Bestimmungen grundsätzlich fremd.39 Die Grenze des konsensualen Gesetzesvollzugs ist demnach dort zu sehen, wo das Grundkonzept der staatlichen Auf­ gabenerfüllung durch die Länder und damit die vertikale Gewaltenteilung insgesamt infrage gestellt werden.40 Andererseits ist es den Ländern kraft ihrer „Dominanz (…) auf dem Gebiet der Exekutive“41 nicht verwehrt, sich im Wege der informellen42 und damit rechtlich unverbindlichen Kooperation auf eine bundeseinheitliche Vorgehensweise unter Koordinierung der verfassungsrechtlich in Art. 108 III GG ohne­hin vorgesehenen Aufsichtsbehörde des Bundesfinanzministeriums festzulegen.43 Gerade die Steuerverwaltung verknüpft mit den Landesfinanzämtern als örtlichen Finanzbehörden das Moment der Sachnähe des Gesetzesvollzugs auf Länderebene in einzigartiger Weise mit dem überregionalen Moment des insbesondere 38

Die Kooperation stellt insofern die „Kehrseite der Kompetenzteiligkeit“ im Bundesstaat dar, s. Möstl, Bundesstaat, S.  66. Von der Möglichkeit konsensualen Verwaltungshandelns scheint auch das Bundesverfassungsgericht auszugehen, s. BVerfG, Beschluss v. 02.03.1999 – 2 BvF 1/94, BVerfGE 100, S. 249, 259. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 GG (21. EL) Rn. 11 spricht sogar von einem „imposante[n] Garten zahlloser Kooperationsformen der Kompetenzträger“. Hierzu auch Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 119. Allgemein Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, § 126 Rn. 19 ff. 39 BVerfG, Beschluss v. 02.03.1999 – 2 BvF 1/94, BVerfGE 100, S. 249, 258. Zur Kompe­ tenzordnung insbesondere Möstl, Öffentliche Sicherheit, S. 470 ff. 40 BVerfG, Beschluss v. 12.01.1983 – 2 BvL 23/81, BVerfGE 63, S. 1, 39; Lerche, in: Maunz/ Dürig, Art. 83 GG (21. EL) Rn. 25; kritisch Broß/Mayer, in: v. Münch/Kunig, Vorb. Art. 83–87 GG Rn. 17. 41 Möstl, Öffentliche Sicherheit, S. 450. 42 Nose, BMF-Schreiben, S. 227 ff. 43 Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, § 126 Rn. 102 ff., insb. Rn. 104 ff.; Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 118.

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

vor Art. 3 I GG bundesweit notwendigerweise einheitlichen Steuervollzugs.44 Auftrags- und Landeseigenverwaltung sind in diesem Bereich bereits durch das für sämtliche Bereiche einheitlich geltende Steuerverfahrensrecht derart miteinander verflochten, dass eine klassische Aufteilung zwischen dezentraler und zentraler Aufgabenwahrnehmung im Bundesstaat schnell an ihre Grenzen stoßen würde.45 Nach alledem bestehen an der Verfassungsmäßigkeit der Bund-Länder-Vereinbarung dahingehend keine Zweifel, dass die Wahrnehmungskompetenz der Länder durch den Erlass von BMF-Schreiben nicht infrage gestellt wird.46 Folglich handelt es sich auch nicht um eine Form verfassungsrechtlich unzulässiger Mischverwaltung.47 Vielmehr machen die Länder von der Möglichkeit, föderale Spielräume im Rahmen des Vollzugs der Steuergesetze zu realisieren, im Wege der vorrangig verwaltungspsychologisch48 wirkenden Absprache Gebrauch. Andersherum gewendet stellt sich die Bund-Länder-Vereinbarung als langjährig praktizierte Wahrnehmung des föderalen Spielraums dar: Den Ländern muss es im Hinblick auf einen potenziell drohenden Verstoß gegen das Gebot bundesfreundlichen Verhaltens gestattet sein, im Wege der koordinierten Praxis unter Beteiligung des Bundes verfassungsrechtliche Spielräume ohne Aufgabe ihrer generellen Wahrnehmungskompetenz auszufüllen.49 Zusammenfassend sind folgende Punkte festzuhalten: Bei BMF-Schreiben handelt es sich weder um Weisungen gem. Art. 108 III GG noch um allgemeine Verwaltungsvorschriften gem. Art. 108 VII GG. Die freiwillige Befolgung der einvernehmlich erzielten Grundsätze stellt sich vielmehr als Wahrnehmung föderaler Spielräume der Länder beim Gesetzesvollzug dar. Das Weisungsrecht des Bundes und die Möglichkeit der Länder, verfassungsgerichtlich gegen eine ergangene Weisung vorzugehen, bleiben dabei unangetastet.50 Die derzeitige, auf der Bund-Länder-Vereinbarung basierende Praxis der BMF-Schreiben ist mithin verfassungsgemäß.51 44 Bonsels, Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte, S.  109 ff., insb. S.  110.; ähnlich Löwer, Steuerauftragsverwaltung, S. 126 f. 45 Zu dieser Aufteilung grundlegend Möstl, Öffentliche Sicherheit, S. 475 ff. s. auch Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 51 ff. u. Bonsels, Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte, S. 114: „Anderenfalls würden sich beide Seiten blockieren.“ 46 Die Wahrnehmungskompetenz ist den Ländern nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht entziehbar, vgl. dazu insbesondere die sog. „Biblis-A“-Entscheidung des BVerfG, Urteil v. 19.02.2002 – 2 BvG 2/00, BVerfGE 104, S. 249, 264 f. 47 In diese Richtung aber wohl Bonsels, Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte, S. 122. 48 Bonsels, Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte, S.  122 f.; Seer, in: BK, Art.  108 GG Rn. 118. Schmitt, in: DStJG 31 (2008), S. 99, 118 f. weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich dieses informelle Handeln in der Praxis auf besondere Art und Weise bewährt habe. 49 Müller/Zeitler, DStZ  1975, S.  467, 473; ähnlich Lerche, in: Maunz/Dürig, Art.  83 GG (21.  EL) Rn.  27. Dass die Spielräume bei der Organisation und dem Zusammenwirkungen verschiedener Verwaltungsträger groß sind, betont BVerfG, Beschluss v. 12.01.1983  – 2 BvL 23/81, BVerfGE 63, S. 1, 34 besonders. 50 Brodersen, in: FS Selmer 2004, S. 601 unter Verweis auf Schlette, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 108 GG Rn. 77. 51 Im Ergebnis ebenfalls Bonsels, Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte, S. 122 f.; Schlette, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 108 GG Rn. 77; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 108 GG Rn. 44;

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

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III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht Die Typologie steuerlicher Verwaltungsvorschriften folgt in weiten Teilen den Pfaden des Allgemeinen Verwaltungsrechts. Von herausgehobenem Interesse sind an dieser Stelle die hauptsächlich im Steuerrecht anzutreffenden Formen typisierender und pauschalierender Verwaltungsvorschriften sowie der sog. Nichtanwendungserlasse. Ihnen sei jeweils besondere Aufmerksamkeit gewidmet. 1. Organisations- und Dienstvorschriften Organisations- und Dienstvorschriften sind im Steuerrecht auf vielfältigste Art und Weise vorzufinden.52 Interessant ist in diesem Zusammenhang, inwieweit Zuständigkeitsregelungen durch Verwaltungsvorschriften eine Bindungswirkung gegenüber dem Steuerpflichtigen erzeugen können. Angesichts der ausdifferenzierten Zuständigkeitsregelungen in den §§ 16 ff. AO sowie §§ 2, 12 ff.  FVG könnte bei unbefangener Betrachtung der Schluss nahe liegen, dass Organisations- und Dienstvorschriften des Steuerrechts für den Bereich der Zuständigkeit keine große Bedeutung beizumessen sei. Dennoch ist das Gegenteil der Fall: Insbesondere Mitte der 1980er Jahre wurde in der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Bereich der Großbetriebsprüfung kontrovers diskutiert, inwiefern bedeutende Steuer­ fälle durch eine den Oberfinanzdirektionen zugeordnete Betriebsprüfungsstelle, deren Zuständigkeit kraft Verfügung angeordnet wurde, geprüft werden dürfen.53 Nach anfänglichen Bedenken an dieser Vorgehensweise54 betrachtete der Bundesfinanzhof in seinen Folgeentscheidungen die ursprüngliche Beauftragung der Oberfinanzdirektionen als unerheblich, da zwischenzeitlich entsprechende Finanz­ ämter für Großbetriebsprüfung durch Rechtsverordnung eingerichtet wurden.55 Erst 1993 wurde die Praxis der Anordnung einer Großbetriebsprüfung durch Oberfinanzdirektionen aufgrund eines Verstoßes gegen § 195  S.  2  AO endgültig für

grds. mit Abweichungen auch Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 118; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Art. 108  GG Rn. 35. A. A. Bilsdorfer/Heintz/Sutor, SteuerStud 2011, S. 497, 499 u. Nose, BMFSchreiben, S. 239. 52 s. z.B. Geschäftsordnung für die Finanzämter vom 16.11.2010 (FAGO 2010), Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 16.11.2010 – z.B. Bay. Staatsministerium der Finanzen, 35-O 2120–002–42971/10, BStBl. I 2010, S. 1315; BMF, Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung (BpO 2000) v. 15.03.2000, BStBl. I 2000, S. 358. 53 BFH, Beschluss v. 28.05.1986  – I  B  22/86, BFHE  146, S.  508, 509; BFH, Urteil v. 21.04.1993 – X R 112/91, BFHE 171, S. 15, 23. 54 BFH, Beschluss v. 28.05.1986 – I B 22/86, BFHE 146, S. 508, 509 ff. 55 BFH, Urteil v. 26.02.1987 – IV R 109/86, BFHE 149, S. 101, 104; BFH, Beschluss v. 30.11.1987 – VIII B 3/87, BFHE 151, S. 354, 359; dieser Rechtsprechung schloss sich auch das Finanzgericht Düsseldorf an, s. FG  Düsseldorf, Urteil v. 02.07.1987  – VIII  75/83 AO, EFG 1987, S. 489 f.

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

rechtswidrig erklärt.56 Hierbei blieb offen, ob es zulässig ist, die Oberfinanzdirektion kraft Verwaltungsanweisung mit den Betriebsprüfungen zu beauftragen.57 Besonders auffällig ist dabei, dass nur in einer der vorstehend genannten Entscheidungen die Vorschrift des § 127  AO angesprochen wurde.58 In den Kanon der vorstehenden Zuständigkeitsfragen reiht sich ebenfalls die Problematik der Errichtung von Finanzämtern für Großbetriebsprüfung durch Verwaltungsvorschrift ein, die der Bundesfinanzhof ebenfalls für zulässig erachtete.59 Die Diskussion um die Zuständigkeitsregelung durch Verwaltungsvorschriften hat in grundsätzlicher Hinsicht zwei Dinge auseinanderzuhalten. Zunächst handelt es sich dabei um den Problemkreis, ob Finanzbehörden kraft Organisationsakts der obersten Landesbehörde und damit durch Verwaltungsvorschrift errichtet werden dürfen. Diese Frage ist mit dem überwiegenden Schrifttum zu bejahen, da hier keine zwingenden verfassungsrechtlichen Vorgaben aufzufinden sind.60 Insofern ist die Errichtung von Behörden unmittelbarer Ausfluss der der Exekutive inhärenten Organisationsgewalt. Anders dagegen beurteilt sich die Übertragung von Zuständigkeiten an bereits errichtete Behörden durch Verwaltungsvorschriften. § 17 II FVG gibt hierauf insofern eine Antwort, als dass die Übertragung von abweichenden sachlichen Zuständigkeiten stets durch Gesetz bzw. Rechtsverordnung zu erfolgen hat. Dies ist vor dem Hintergrund des § 127 AO nur konsequent, denn jede Modifikation der sachlichen Zuständigkeit durch Verwaltungsvorschriften verletzt den Bürger jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung kraft der gesetzgeberischen Wertung in seinen Rechten. Bezüglich der örtlichen Zuständigkeit kann nichts anderes gelten. Selbst wenn das Bundesverfassungsgericht in früheren Entscheidungen Organisationsvorschriften gewisse Relevanz –  und damit zumindest mittelbar Außenwirkung  – zugesprochen haben sollte,61 kann dies auf den Bereich der Eingriffsverwaltung mit striktem Rechtssatzvorbehalt nicht übertragen werden.62 Für den Bereich der Betriebsprüfung lassen sich hierzu ergänzend die ausdifferenzierten Regelungen der §§ 195 S. 2 AO, 17 II 3 FVG anführen. Mithin verbleibt es auch im Steuerrecht bei einer bloßen Innenwirkung der Organisations- und Dienstvorschriften.

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BFH, Urteil v. 21.04.1993 – X R 112/91, BFHE 171, S. 15, 22 f. BFH, Urteil v. 21.04.1993 – X R 112/91, BFHE 171, S. 15, 23. 58 BFH, Urteil v. 21.04.1993 – X R 112/91, BFHE 171, S. 15, 23 erwähnt die Vorschrift des § 127 AO in Bezug auf die Nichtanwendbarkeit im Bereich der sachlichen Zuständigkeit. 59 BFH, Urteil v. 04.04.1984 – I R 269/81, BFHE 140, S. 509 ff. 60 v. Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 17 FVG Rn. 3; Schwarz, in: Schwarz, § 17 FVG Rn. 2; Schmieszek, in: HHSp, § 17 FVG Rn. 9 ff. Umfassend Besendorfer, Zuständigkeit, S. 54 ff. 61 BVerfG, Beschluss v. 28.10.1975 – 2 BvR 883/73 u.a., BVerfGE 40, S. 237, 248 ff. 62 Allgemein für den Bereich der Steuerrichtlinien: Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Art. 108 GG Rn. 51; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 108 GG Rn. 60; Schlette, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 108 GG Rn. 121; Siekmann, in: Sachs, Art. 108 GG Rn. 42. 57

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

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2. Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften a) Grundsatz: Auch im Steuerrecht keine Bindungswirkung Um das Massenfallrecht im Steuerrecht weitestgehend einheitlich handhaben zu können, bedient sich die Finanzverwaltung im umfangreichen Maße norminterpretierender Verwaltungsvorschriften. Für das Steuerrecht gelten dabei keine anderen Grundsätze als im Bereich des Allgemeinen Verwaltungsrechts, sodass eine Bindungswirkung sowohl gegenüber Steuerbürgern als auch Finanzgerichten abzulehnen ist.63 Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften bleiben Gegenstand der richterlichen Kontrolle und stehen unter dem ständigen Vorbehalt einer anderweitigen finanzgerichtlichen Auslegung. Zweifelhaft war in diesem Zusammenhang die Position des Bundesfinanzhofs. In früherer Zeit vertrat er die Auffassung, dass norminterpretierende Verwaltungsvorschriften den Richter insofern binden würden, als dass es sich um eine „rechtlich vertretbare Auslegung des Gesetzes“64 halte. Später wurde mit Urteil vom 15.11.1991 entschieden,65 dass bei einer zutreffenden Wiedergabe der Rechtsauffassung des BFH in den Richtlinien zugunsten des Steuerpflichtigen eine Bindung der Rechtsprechung an die in der Verwaltungsanweisung niedergelegte Rechtsauffassung bestünde. Von dieser zumindest missverständlichen Linie66 ist die Rechtsprechung jedoch wieder abgerückt; so heißt es im Urteil vom 23.10.2003: Verwaltungsvorschriften stehen „konkludent (…) unter dem Vorbehalt einer davon abweichenden Auslegung der Norm durch die Rechtsprechung“.67 Es ist folglich auch höchstrichterlich anerkannt, dass norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht grundsätzlich keine Bindungswirkung gegenüber Steuerpflichtigen und Finanzgerichten zukommt. Dies gilt insbesondere für solche Verwaltungsvorschriften, die unbestimmte Rechtsbegriffe konkretisieren.

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Ganz h.M. im steuerrechtlichen Schrifttum: Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 80; Neumann, in: Beermann/Gosch, § 4 AO Rn. 51; Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn. 88; Schwarz, in: Schwarz, § 4 AO Rn. 35; Gersch, in: Klein, § 4 AO Rn. 9 f.; Pahlke, in: Pahlke/Koenig, § 4 AO Rn.  54; Englisch, in: Tipke/Lang, § 5 Rn.  34; Heintzen, in: v.  Münch/Kunig, Art.  108 GG Rn.  51; Schlette, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, Art.  108 GG Rn.  122; Siekmann, in: Sachs, Art.  108 GG Rn.  43; Jaenke, Verwaltungsvorschriften, S.  105 ff.; Seer, Verständigungen, S. 244; Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 185 f.; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 662 ff.; List, StbKRep 1975, S. 139, 159; Pahlke, DStR-Beih. 2011, S. 66, 69. 64 BFH, Urteil v. 30.08.1963 – VI 71/62 U, BStBl. III 1963, S. 582. 65 BFH, Urteil v. 15.11.1991 – III R 30/88, BStBl. II 1991, S. 179, 182. 66 Zur Kritik an den Widersprüchlichkeiten der Rspr.: Osterloh, Gesetzesbindung, S. 492 f. 67 BFH, Urteil v. 23.10.2003 – V R 48/01, BFHE 203, S. 531, 538. Seitdem ständige Rspr., vgl. nur BFH, Beschluss v. 11.05.2007 – IV B 28/06, juris, Rn. 4 f.; BFH, Urteil v. 07.07.2011 – V R 21/10, BFHE 234, S. 531, 540.

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

b) Ausnahmen bei der Konkretisierung steuerlicher Typusbegriffe? Fraglich ist, ob das oben gefundene Ergebnis auch auf solche Verwaltungsvorschriften übertragen werden kann, die steuerliche Typusbegriffe konkretisieren. Typusbegriffe sind im Gegensatz zu subsumtionsfähigen Tatbestandsmerkmalen (sog. Klassenbegriffe) nach h.M. dadurch gekennzeichnet, dass sie lediglich einer Beschreibung zugänglich sind.68 Folglich kann ein Typusbegriff auch dann erfüllt sein, wenn von mehreren Merkmalen des Typus eines stärker, das andere hingegen schwächer ausgeprägt ist. Als Beispiele für steuerliche Typusbegriffe lassen sich der umsatzsteuerliche Unternehmerbegriff gem. § 2 I UStG,69 der Begriff des Gewerbebetriebs gem. § 15  II  EStG,70 der Mitunternehmerbegriff nach § 15 I 1 Nr. 2 EStG,71 der steuerrechtliche Arbeitnehmerbegriff72 oder aber die frühere Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen bei hinreichend ertrag­ bringendem Vermögen gem. § 10 I Nr. 1a EStG a. F.73 anführen. Zunächst sei klargestellt, dass die Problemkreise einer Konkretisierung von Typusbegriffen sowie einer Typisierung im eigentlichen Sinne streng auseinanderzuhalten sind.74 Die Zulässigkeit typisierender Richtlinien folgt verfassungsrechtlich anderen Pfaden als die abstrakt-generelle Konkretisierung von Typusbegriffen 68

Vgl. aus früherer Zeit in Ansätzen die Aufsätze von Ball, DStZ 1932, S. 424 f.; Maunz, ZAkDR 1937, S. 680, 681 f. und Wolff, Studium Generale V (1952), S. 196, 203 f. Aus dem steuerrechtlichen Schrifttum: Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn.  395; Drüen, StuW  1997, S.  261, 264; Weber-Grellet, in: FS Beisse 1997, S.  551, 561; Fischer, DStZ  2000, S.  885;­ Mössner, in: FS  Kruse 2001, S.  161, 170; Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S.  449 f.; Florstedt, StuW 2007, S. 314, 315 f.; Schenke, Rechtsfindung, S. 160 ff.; Englisch, in: Tipke/ Lang, § 5 Rn. 53; Pahlke, DStR-Beih. 2011, S. 66, 67; Wernsmann, DStR-Beih. 2011, S. 72, 76. 69 Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bezieht sich hierbei auf das Merkmal „wie ein Händler“, vgl. BFH, Urteil v. 27.02.1975 – V R 139/70, BFHE 114, S. 556, 558; BFH, Urteil v. 18.07.1991 – V R 86/87, BFHE 165, S. 116, 118; hierzu auch Korn, in: Bunjes/Geist/Heidner, § 2 UStG Rn. 5 und Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 1691 ff. 70 Erinnert sei hier nur an die Rspr. zum gewerblichen Grundstückshandel mit den wegweisenden Beschlüssen BFH, Beschluss v. 03.07.1995 – GrS 1/93, BFHE 178, S. 86, 90 und BFH, Beschluss v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BFHE 197, S. 240, 243 sowie dem sog. „Supermarkt-Urteil“, BFH, Urteil v. 24.01.1996 – X R 225/93, BFHE 180, S. 51, 53. Allgemein: Wacker, in: Schmidt, § 15 EStG Rn. 47 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, § 8 Rn. 517 ff. 71 Ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, vgl. nur BFH, Urteil v. 01.08.1996  – VIII  R  12/94, BStBl.  II  1997, S.  272, 275; BFH, Urteil v. 25.04.2006  – VIII  R  74/03, BFHE 213, S. 358; BFH, Urteil v. 08.04.2008 – VIII R 73/05, BFHE 221, S. 238. 72 Hierzu jüngst BFH, Urteil v. 22.02.2012 – X R 14/10, BFHE 236, S. 464 m.zahlr.w.N. 73 § 10  I  Nr.  1a  S.  1  EStG hatte bis zur Änderung durch das JStG  2008 vom 20.12.2007, BGBl. I 2007, S. 3150, folgenden Wortlaut: „auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben.“ Dazu Fischer, DStZ 2000, S. 885, 891 f.; Florstedt, StuW 2007, S. 314, 321 f. 74 Ebenso Pahlke, DStR-Beih. 2011, S. 66. Ähnlich Wernsmann, DStR-Beih. 2011, S. 72, 76: „Typusbegriffe betreffen die Ebene des Obersatzes der Rechtsanwendung. Der Rechtsanwender gewinnt Gestaltungsmacht durch größere Flexibilität.“

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

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anhand von Verwaltungsvorschriften: Während die Typisierung auf die Zusammenfassung von im Wesentlichen gleichartigen, in einzelnen Merkmalen jedoch verschiedenen Lebenssachverhalten abzielt, ist der Typusbegriff prinzipiell auf die Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles ausgerichtet75  – obgleich namentlich die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dem Anspruch der Einzelfallgerechtigkeit durch die Auslegung von Typusbegriffen nicht immer gerecht wird.76 Die Verwendung von Typusbegriffen muss verfassungsrechtlich daher primär anhand der Maßgaben des Bestimmtheitsgrundsatzes gemessen werden,77 die Typisierung hingegen sieht sich besonderen Rechtfertigungsanforderungen gegenüber Art. 3 I GG ausgesetzt.78 Das hat für den Bereich der Konkretisierung von Typusbegriffen durch Verwaltungsvorschriften zweierlei Konsequenzen. Zunächst können Verwaltungsvorschriften als Auslegungshilfen in der Gesamtschau mit anderen Rechtsauffassungen dazu dienen, verfassungsrechtlich einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot zu vermeiden.79 Dies lässt jedoch weder den Schluss dahingehend zu, dass der Verwaltung diesbezüglich eine Normkonkretisierungskompetenz mit bindender Wirkung zukäme, noch folgt hieraus die Unverbindlichkeit derartiger Innenrechtsnormen.80 75 Pahlke, DStR-Beih.  2011, S.  66; Wernsmann, DStR-Beih.  2011, S.  72, 76; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 385. 76 Die Auslegung von Typusbegriffen wird in zahlreichen Entscheidungen für eine typisierende und damit gerade nicht einzelfallgerechte Betrachtungsweise zweckentfremdet. Vgl. hierzu beispielhaft die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu der Frage, in welchen ­Fällen bei Überschreiten der sog. Drei-Objekt-Grenze im Rahmen des gewerblichen Grundstückshandels von keiner gewerblichen Tätigkeit auszugehen ist: Nach BFH, Urteil v. 18.09.2002  – X  R  28/00, BFHE  200, S.  304, 308 f. sowie BFH, Urteil v. 20.02.2003  – III R 10/01, BFHE 201, S. 515, 522 seien die individuellen bzw. persönlichen Beweggründe für den Verkauf der Objekte grundsätzlich unbeachtlich. Damit entfernt sich der Bundesfinanzhof von der den Typusbegriff gerade kennzeichnenden Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls zugunsten einer typisierenden Betrachtungsweise. Dass dies insgesamt nur eine halbherzige Lösung darstellt, wird an anderer Stelle der zitierten Entscheidungen deutlich, wonach in Ausnahmefällen konkrete Beweggründe ausnahmsweise eine Rolle spielen können (BFH, Urteil v. 18.09.2002 – X R 28/00, BFHE 200, S. 304, 315 f.; BFH, Urteil v. 20.02.2003 – III R 10/01, BFHE 201, S. 515, 524). 77 Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 449 f. 78 Dazu umfassend Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn. 451 ff. sowie Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 385 ff. 79 Von derartigen Annahmen scheint sich auch das Bundesverfassungsgericht leiten zu lassen: In seinem jüngsten Beschluss über die Unzulässigkeit der Richtervorlage des BFH zur Verfassungsmäßigkeit der sog. Mindestbesteuerung (BFH, Vorlagebeschluss v. 06.09.2006 – XI R 26/04, BFHE 214, S. 230 ff.) zitiert das BVerfG auf den S. 357–361 durchgehend Beispiele aus dem amtlichen Einkommensteuer-Handbuch des Bundesministeriums der Finanzen, vgl. BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010 – 2 BvL 59/06, BVerfGE 127, S. 335, 357 ff. Allerdings wird man insgesamt bezweifeln müssen, dass Verwaltungsvorschriften allein einen Verstoß gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot verhindern können. Dazu Jehke, Bestimmtheit, S. 135; Fetzer, in: FS Schenke 2011, S. 129, 142 ff. 80 Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 421; Schenke, Rechtsfindung, S. 417. Zu diesem schwierigen Spannungsfeld Jehke, Bestimmtheit, S. 135 f.

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

Den wohl umfassendsten Ansatz zur Lösung des Problems einer Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften, die steuerliche Typusbegriffe konkretisieren, hat Rolf Eckhoff vorgelegt: Der Gesetzgeber weise die Verwaltung durch die Verwendung von Typusbgeriffen an, diese unter Rückgriff auf ihre Verwaltungserfahrung näher zu konkretisieren.81 Er folgert aus dem Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit des Art. 3 I GG, dass die Verwaltung im Außenverhältnis gegenüber dem Bürger verpflichtet sei, entsprechende Verwaltungsvorschriften zu erlassen, mit denen Typusbegriffe ausgefüllt werden.82 Eckhoff konstatiert: „Ohne Beachtung normkonkretisierender Richtlinien der Finanzverwaltung lässt sich Rechtsanwendungsgleichheit in diesem Bereich nicht verwirklichen.“83

Daher unterläge die Verwaltung bei der Bestimmung des normativen Typus den gleichen verfassungsrechtlichen Bindungen wie der Gesetzgeber.84 Mithin sei es notwendige Konsequenz, dass Verwaltungsvorschriften im Bereich der Typus­ begriffe sowohl Gerichte als auch Bürger gleichermaßen binden. Sie weisen demnach eine zwar über Art. 3 I GG hergeleitete, dem Ergebnis nach aber unmittelbare Außenwirkung auf.85 Konsequenz sei somit ebenfalls, dass Finanzgerichte derartige Verwaltungsvorschriften wie revisible Rechtsnormen auszulegen haben.86 Dem Ansatz Eckhoffs kann nach dem hier zugrunde gelegten Modell mittelbarer Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften nicht gefolgt werden. Die Verwaltung ist als Rechtsanwender nicht zur rechtsverbindlichen Konkretisierung steuerlicher Typusbegriffe befugt. Eine einseitige Befugnis zu Konkretisierung von Typusbegriffen setzt nach hier vertretener Ansicht einen Beurteilungsspielraum voraus, welcher der Wertung des Einzelsteuergesetzes wenigstens durch Auslegung zu entnehmen sein muss. Dies ist bei Typusbegriffen regelmäßig nicht der Fall;87 vielmehr wird vom Gesetzgeber eine Konkretisierung in der Rechtspraxis in Form eines Diskurses zwischen Verwaltung und Rechtsprechung um die Auslegung des Typusbegriffs bezweckt sein, was im Ergebnis auch den oftmals fließenden Übergang vom Typus- zum Klassenbegriff erklärt.88 Die Sachgesetzlichkeiten des Steuerrechts in Form des Massenfallrechts vermögen die Annahme eines Beurteilungsspielraums daher nicht zu rechtfertigen.89 Diese Sichtweise wird bestätigt durch die nur in Ausnahmefällen aus Art. 3 I GG herleitbaren Selbstprogrammierungspflichten der Verwaltung. Es ist zwar richtig, 81

Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 109. Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, ebd. 83 Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 111. 84 Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 112. 85 Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 131 f. 86 Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 132. 87 Schenke, Rechtsfindung, S. 416 f. 88 Drüen, StuW 1997, S. 261, 266; ähnlich Leenen, Typus, S. 78 f., der aber eine endgültige Erstarrung des Typusbegriffs zum Klassenbegriff ablehnt. 89 Überzeugend: Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 449 ff. 82

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

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dass Richtlinien, die sich der Gesetzgeber bei Erlass eines Gesetzes zu Eigen macht, ein strukturelles Vollzugsdefizit und damit die Verfassungswidrigkeit einer Steuernorm hervorrufen können.90 Ein Umkehrschluss, der die Verfassungsmäßigkeit einer Norm vom Erlass entsprechender Verwaltungsvorschriften abhängig macht, wird sich hieraus aber nicht herleiten lassen. Anderenfalls hätte es die Verwaltung in der Hand, sich von den Bindungen des Art. 20 III GG zu lösen.91 Mithin ist für den Bereich der „typusbegriffkonkretisierenden“ Verwaltungsvorschriften eine sowohl unmittelbare als auch mittelbare Bindungswirkung abzulehnen. 3. Typisierende Verwaltungsvorschriften und Verwaltungsvorschriften zur Vereinfachung der Sachverhaltsermittlung a) Begriff Typisierende Verwaltungsvorschriften und Verwaltungsvorschriften zur Vereinfachung der Sachverhaltsermittlung sind als Besonderheit des Steuerrechts allgemein anerkannt.92 Vom Grundsatz her problematisch ist bereits, ob zwischen Verwaltungsvorschriften zur Typisierung und Sachverhaltsermittlung eine weitere Differenzierung überhaupt möglich ist. Dies hängt entscheidend vom Begriffsverständnis der Typisierung ab. Unter Typisierung wird die normative Zusammenfassung von bestimmten, in wesentlichen Elementen gleichgearteten Lebenssach 90 BVerfG, Urteil v. 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239, 272. Dazu R. Eckhoff, Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 110 unter Verweis auf Gast-de Haan, in: FS 75 Jahre RFH – BFH 1993, S. 227, 233. 91 Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn. 425. 92 Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: BVerfG, Beschluss v. 31.05.1988 – 1  BvR  520/83, BVerfGE  78, S.  214, 227 ff.; BVerfG, Kammerbeschluss v. 28.06.1993  – 1 BvR 390/89, StuW 1994, S. 354, 355, ebenfalls ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, vgl. nur BFH, Urteil v. 02.04.2008 – II R 59/06, BFHE 225, S. 482, 485 ff.; BFH, Urteil v. 04.02.2010 – II R 1/09, BFH/NV 2010, S. 1244, 1245 sowie die Rechtsprechungsnachweise im Folgenden. Grundlegend nach wie vor Osterloh, Gesetzesbindung, S. 451 ff.; Osterloh, JuS 1990, S. 100 ff.; Osterloh, StuW 1993, S. 342, 344 ff. und Vogel, StuW 1991, S. 254 ff.; Vogel, in: FS Thieme 1993, S. 605 ff. Aus dem Schrifttum des Allgemeinen Verwaltungsrechts: Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 343 ff.; Rogmann, Bindungswirkung, S. 23 f.; Möstl, in: Erichsen/ Ehlers, AVwR, § 20 Rn. 22. Für das Schrifttum des Steuerrechts: Jaenke, Verwaltungsvorschriften, 117 ff.; Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, 110 ff.; List, StbKRep 1975, S. 139, 164 ff.; Jaehnike, StuW 1979, S. 293 ff.; Martens, Verwaltungsvorschriften, S. 105 ff.; Martens, in: DStJG 5 (1982), S. 165, 200 ff.; Kurz, DStZ 1982, S. 26, 32; Jachmann, StuW 1994, S. 347 ff.; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 113 ff.; Erichsen, in: FS Kruse 2001, S. 39, insb. S. 45 f. u. 54 f.; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 674 ff.; Karl, DStZ 2002, S. 598 ff.; Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 446 ff.; Leisner, StuW 2007, S. 241 ff; Gersch, in: Klein, § 4 AO Rn. 11; Pahlke, in: Pahlke/Koenig, § 4 AO Rn. 56; Englisch, in: Tipke/Lang, § 5 Rn. 35; Kirchhof, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, § 2 EStG Rn. A 570 ff.; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 87 ff.; Seer, Verständigungen, S. 247 ff.; Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 187 ff.; Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn. 86 u. 88; Wernsmann, DStR-Beih. 2011, S. 72, 74 ff.

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

verhalten verstanden.93 Hierbei unterscheidet die h.M. zwischen materieller und formeller Typisierung. Eine materielle Typisierung wird angenommen, wenn von gewissen Sachverhaltsmerkmalen unwiderleglich, d.h. ohne Zulässigkeit des Gegenbeweises auf das Vorliegen einer bestimmten Rechtsfolge geschlossen wird.94 Die formelle Typisierung zeichnet sich dagegen dadurch aus, dass der Gegenbeweis zugelassen bleibt.95 Dogmatisch wird die formelle Typisierung daher teilweise als Beweisregel eingeordnet, die sich sowohl auf die Beweiswürdigung als auch das Beweismaß beziehe.96 Typisierende Verwaltungsvorschriften zeichnen sich unter Zugrundelegung dieses Begriffsverständnisses folglich dadurch aus, dass sie einen bestimmten Sachverhalt würdigen und somit auf die Feststellung der Rechtsfolge gerichtet sind.97 In Abgrenzung hierzu beziehen sich Verwaltungsvorschriften zur Sachverhaltsermittlung auf die Ebene der Sachverhaltsfeststellung und nicht auf die Rechtsfolge als solche. Mitunter wird die rechnerische Zusammenfassung der Sachverhaltsermittlung auch als Pauschalierung bezeichnet, wobei sich der Sache nach keine Unterschiede ergeben.98 Allerdings sei hier bereits klargestellt, dass die obige Unterscheidung lediglich theoretischer Natur ist und in praktischer Hinsicht eine präzise Unterscheidung zwischen Rechts- und Tatfragen kaum befriedigend bzw. oftmals gar nicht möglich ist.99 Mithin lässt sich festhalten, dass Verwaltungsvorschriften zur Typisierung und Sachverhaltsermittlung bzw. Pauschalierungsrichtlinien in erster Linie dazu dienen, den Ermittlungs- und Rechtsfindungsprozess innerhalb der Verwaltung zu rationalisieren. Eine genaue Unterscheidung kann im Rahmen dieser Untersuchung unterbleiben. Hiervon zeugt einerseits die Tatsache, dass die meisten Auseinandersetzungen zu dieser Frage den Themenkomplex verknüpfen.100 Andererseits ver 93

BVerfG, Beschluss v. 06.07.2010  – 2  BvL  13/09, BVerfGE  126, S.  268 ff.; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 385; Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn. 452. 94 Isensee, Typisierende Verwaltung, S. 31 ff.; Jachmann, StuW 1994, S. 347, 349; Pahlke, DStR-Beih. 2011, S. 66, 71; Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 2 EStG Rn. A 571. 95 Leisner, Verwaltungsvorschriften, S.  50; Osterloh, Gesetzesbindung, S.  39; Osterloh, JuS 1990, S. 100 f.; Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 2 EStG Rn. A 570. 96 Osterloh, Gesetzesbindung, S. 327 ff. 97 Jachmann, StuW 1994, S. 347, 349. 98 Leisner, Verwaltungsvorschriften, S.  49; Tipke, StRO  I, S.  349; Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn. 452. 99 Osterloh, Gesetzesbindung, S. 492 f.; Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 187. In diese Richtung wohl auch Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 385. Skeptisch ebenfalls Leisner, StuW 2007, S. 241, 244. 100 Auf die unterschiedlichen Inhalte derartiger Verwaltungsvorschriften hat insbesondere Osterloh, Gesetzesbindung, S. 451 deutlich hingewiesen. Für die zusammengefasste Behandlung vgl. insbesondere Leisner, Verwaltungsvorschriften, S. 48; Martens, in: DStJG 5 (1982), S. 165, 200 ff.; Kurz, DStZ 1982, S. 26, 32; Vogel, StuW 1991, S. 254 ff.; Vogel, in: FS Thieme 1993, S.  605 ff.; Gast-de  Haan, in: FS 75 Jahre RFH  – BFH 1993, S.  227 ff.; Jachmann, StuW 1994, S. 347, 348 ff.; Rogmann, Bindungswirkung, S. 23; Erichsen, in: FS Kruse 2001, S. 39, S. 54 f.; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 87 ff.; Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 2 EStG Rn. A 570 ff.; Pahlke, in: Pahlke/Koenig, § 4 AO Rn. 56 ff.; Gersch, in: Klein, § 4 AO Rn. 11; Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 187; Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn. 86.

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

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fährt auch das Bundesverfassungsgericht ähnlich, wenn es sich bei Gesetzen auf „generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen“101 bezieht. Wie sogleich aufzuzeigen ist, ergeben sich im Einzelnen insoweit keine Unterschiede hinsichtlich der Bindungswirkung sowie des gerichtlichen Rechtsschutzes. Daher werden im Folgenden die verschiedenen Erscheinungsformen derartiger Richtlinien unter dem Oberbegriff der typisierenden Verwaltungsvorschriften behandelt. b) Bindungswirkung Obgleich die Bindungswirkung typisierender Verwaltungsvorschriften des Steuer­ rechts seit jeher diskutiert wird, kann die Problematik als nach wie vor nicht geklärt gelten. Ohne hierbei auf alle Einzelheiten eingehen zu können, seien die wesentlichen Linien der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und Bundesverfassungsgerichts sowie des Schrifttums im Folgenden näher dargestellt. aa) Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zeigt auf dem Gebiet der typisierenden Verwaltungsvorschriften ein sowohl innerhalb der Senate als auch in zeitlicher Hinsicht diffus anmutendes Erscheinungsbild,102 was anhand einiger ausgewählter Beispiele illustriert werden soll. (1) Die Rechtsprechung des VI. Senats Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Bindungswirkung typisierender Richtlinien wurde nachhaltig durch den seit jeher für Lohnsteuerstreitigkeiten zuständigen VI. Senat des Bundesfinanzhofs geprägt. Während frühere Judikate mit durchaus fragwürdigen Begründungen eine für Bürger und Gerichte gleichsam verbindliche Wirkung derartiger Richtlinien herleiteten,103 wurden in späterer Zeit

101 Ständige Rspr., vgl nur die Entscheidungen zum Steuerrecht BVerfG, Beschluss v. 31.05.1988 – 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, S. 214, 226 f.; BVerfG, Beschluss v. 10.04.1997 – 2  BvL  77/92, BVerfGE  96, S.  1, 6; BVerfG, Beschluss v. 06.07.2010  – 2  BvL  13/09, BVerfGE 126, S. 268, 278. 102 Vgl. zum Ganzen ausführlich mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs: Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 87 ff. 103 BFH, Urteil v. 31.10.1957  – VI  U  1/54, BFHE  66, S.  8, 16 f. bejaht diese Möglichkeit, wenn die Beteiligten zugestimmt hätten. Dagegen geht BFH, Urteil v. 30.08.1963  – VI 71/62 U, BFHE 77, S. 713, 714 von einer „rechtlich vertretbare[n] Auslegung des Gesetzes, gegen die keine Bedenken bestehen“ aus. BFH, Urteil v. 24.08.1973 – VI R 189/71, BFHE 110, S. 344, 346 spricht von einer „zutreffende[n] Anwendung und Auslegung des Werbungskostenbegriffs“.

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

der Vereinfachungseffekt104 sowie das Gebot einer gleichmäßigen Besteuerung105 in den Mittelpunkt gerückt. Immer wieder und nachhaltig betont der VI.  Senat dabei den Rechtsgedanken der sachgerechten Schätzung.106 Teilweise wurde dabei ein Abweichen von den Richtlinien nur zugelassen, wenn deren Anwendung zu einem offensichtlich willkürlichen Ergebnis führe.107 Insoweit können typisierende Verwaltungsvorschriften „vertretbare“ Schätzungen enthalten, die unter dem Vorbehalt einer im Einzelfall offensichtlich unzutreffenden Besteuerung auch für die Gerichte verbindlich seien.108 Jüngst hat der VI. Senat diese Einschätzung in einem Beschluss erneut bestätigt, wonach nur eine Vertretbarkeitskontrolle durchzuführen sei.109 (2) Die Rechtsprechung des II. Senats Weiterhin bemüht sich der für Besitz- und Verkehrsteuern und damit mittelbar das Bewertungsrecht zuständige II. Senat – bzw. früher zusätzlich der III. Senat110 – des Bundesfinanzhofs ebenfalls mit Nachdruck, für eine Bindungswirkung typisierender Verwaltungsvorschriften einzutreten. Besonders in der früheren Rechtsprechung zum Stuttgarter Verfahren wurde ein Abweichen von den in den Richtlinien festgesetzten Werten nur in einem einzigen Fall zugelassen, in dem das Ergebnis 104 BFH, Urteil v. 21.07.1967 – VI 290/65, BFHE 90, S. 10, 12; BFH, Urteil v. 25.10.1985 – VI R 15/81, BFHE 145, S. 181, 189; BFH, Urteil v. 08.08.1986 – VI R 195/82, BFHE 147, S. 247, 251; BFH, Urteil v. 26.07.1991 – VI R 114/88, BFHE 165, S. 374, 376. 105 BFH, Urteil v. 13.06.1969  – III  R  132/67, BFHE  96, S.  365, 367; BFH, Urteil v. 08.08.1969  – III  R  9/66, BFHE  96, S.  486, 490; BFH, Urteil v. 27.10.1978  – VI  R  8/76, BFHE 126, S. 217, 219; BFH, Urteil v. 20.11.1979 – VI R 112/79, BFHE 129, S. 158, 161; BFH, Urteil v. 30.03.1982 – VI R 162/78, BFHE 136, S. 79, 81; BFH, Urteil v. 30.07.1982 – VI R 257/80, BFHE 136, S. 399, 403; BFH, Urteil v. 23.04.1991 – VIII R 61/87, BFHE 164, S. 422, 423; BFH, Urteil v. 26.01.1994 – VI R 118/89, BFHE 173, S. 174, 177. 106 BFH, Urteil v. 17.12.1965  – VI  297/65  U, BFHE  84, S.  574, 576; BFH, Urteil v. 23.02.1968 – VI R 260/67, BFHE 91, S. 535, 537; BFH, Urteil v. 16.02.1970 – VI R 325/67, BFHE 98, S. 353, 354; BFH, Urteil v. 20.03.1980 – VI R 11/76, BFHE 130, S. 307, 310; BFH, Urteil v. 08.08.1986  – VI  R  195/82, BFHE  147, S.  247, 250; BFH, Urteil v. 26.01.1994  – VI R 118/89, BFHE 173, S. 174, 177; BFH, Urteil v. 15.04.2010 – VI R 20/08, BFHE 229, S. 203, 205. 107 BFH, Urteil v. 20.12.1971 – VI R 257/70, BFHE  104, S.  217, 219; BFH, Beschluss v. 19.01.1973  – VI  B  99/72, BFHE  108, S.  37, 39; BFH, Urteil v. 23.02.1979  – VI  R  74/76, BFHE 127, S. 205, 207. 108 BFH, Urteil v. 20.03.1980  – VI  R  11/76, BFHE  130, S.  307, 310; BFH, Urteil v. 08.08.1986 – VI R 195/82, BFHE 147, S. 247, 250; BFH, Urteil v. 26.01.1994 – VI R 118/89, BFHE 173, S. 174, 177; BFH, Urteil v. 15.04.2010 – VI R 20/08, BFHE 229, S. 203, 205. 109 BFH, Beschluss v. 15.03.2011 – VI B 145/10, BFH/NV 2011, S. 983. 110 Bis zum Ablauf des 31.12.1984 hatte der III. Senat des Bundesfinanzhofs Streitigkeiten in Vermögensteuersachen und damit ebenfalls mittelbar über das Bewertungsrecht zu entscheiden. Der II. Senat war bis zu diesem Zeitpunkt für die Entscheidung in Streitigkeiten bei Erbschaft- und Schenkungsteuerangelegenheiten zuständig. Vgl. hierzu den Geschäftsverteilungsplan des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 1985, BFHE 144, S. VII ff., insb. S. VIII.

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

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ganz offensichtlich gesetzeswidrig war.111 Eine ähnlich restriktive Linie ist im Bereich der Gebäudebewertung für Zwecke der Grundsteuer nach dem Bewertungsgesetz vorzufinden. Hier sei es nach Auffassung des damals zuständigen III. Senats sowohl im Interesse der Finanzverwaltung als auch der Steuerpflichtigen, nicht von den Bewertungsrichtlinien abzuweichen, um eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung, Rechtssicherheit sowie Praktikabilität des Bewertungsverfahrens sicherzustellen.112 In jüngerer Zeit hat der II. Senat nochmals deutlich hervorgehoben, dass „im In­teresse der Einheitlichkeit und Praktikabilität“113 die Gleichmäßigkeit der Be­steuerung mit verbindlichen Richtlinien, die keiner (!) gesetzlichen Grundlage bedürften, hergestellt werden könne. Demzufolge wird der II. Senat in seinen Folgeentscheidungen nicht müde, eine Außenverbindlichkeit der Verwaltungsvorschrift bereits dann zu bejahen, wenn dies für eine gleichmäßige Besteuerung, die Rechtssicherheit oder die Praktikabilität des Bewertungsverfahrens infrage komme.114 (3) Die Rechtsprechung zu den AfA-Tabellen Als weiteren Beleg für die allenfalls ansatzweise dogmatische Bewältigung typisierender Verwaltungsvorschriften durch den Bundesfinanzhof lässt sich dessen Rechtsprechung zu den AfA-Tabellen anführen.115 Ob Kraftfahrzeug,116 Leasingvertrag,117 Pflegeheim,118 Windpark119 oder Schiffsfonds120 – die AfA-Tabellen sind aufgrund ihrer nicht endgültig geklärten Bindungswirkung immer wieder Gegenstand von Gerichtsverfahren. Der VI.  Senat bejaht in einem Grundsatzurteil zur Abschreibung beruflich genutzter Kraftfahrzeuge eine potenzielle Bindungswirkung der AfA-Tabelle „unter dem Gesichtspunkt der nach außen hin publizierten Selbstbindung der Verwaltung und im Hinblick auf das Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.“121

111 BFH, Urteil v. 25.08.1972 – III R 33/71, BFHE 107, S. 303, 308. Ansonsten betont der II. Senat seine restriktive Haltung, wonach ein Abweichen nur bei gesicherten Erkenntnissen zulässig sei, vgl. BFH, Urteil v. 30.11.1988 – II R 237/83, BFHE 155, S. 140, 144 f. 112 BFH, Urteil v. 26.06.1981 – III R 3/79, BFHE 133, S. 437, 441. 113 BFH, Urteil v. 02.04.2008 – II R 59/06, BFHE 225, S. 482, 486. Das ist bemerkenswert: Im Gegensatz zum Bundesfinanzhof sah die Vorinstanz aufgrund der fehlenden gesetzlichen Ermächtigung den sog. „Denkmalerlass“ als eine unzulässige normersetzende Verwaltungsvorschrift an, vgl. FG Thüringen, Urteil v. 08.09.2005 – II 723/03, EFG 2007, S. 741, 742. 114 BFH, Urteil v. 04.02.2010 – II R 1/09, BFH/NV 2010, S. 1244, 1245. 115 s. hierzu z.B. die AfA-Tabelle für die allgemein verwendbaren Anlagegüter (AfA-Tabelle „AV“): BMF, Schreiben v. 15.12.2000 – IV D 2 – S 1551 – 188/00, BStBl. I 2000, S. 1532 ff. 116 BFH, Urteil v. 26.07.1991 – VI R 82/89, BFHE 165, S. 378 ff. 117 BFH, Urteil v. 19.11.1997 – X R 78/94, BFHE 184, S. 522 ff.; BFH, Urteil v. 09.12.1999 – III R 74/97, BFHE 191, S. 125 ff. 118 BFH, Urteil v. 28.10.2008 – IX R 16/08, BFH/NV 2008, S. 899 ff. 119 BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 46/09, BFHE 233, S. 214 ff. 120 BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 8/10, BFHE 233, S. 226 ff. 121 BFH, Urteil v. 26.07.1991 – VI R 82/89, BFHE 165, S. 378, 384.

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

Zugleich ist hierzu allerdings anzumerken, dass der VI. Senat eine Bindungswirkung im konkreten Fall aufgrund des fehlenden internen Bindungswillens des BMF im Ergebnis offenließ.122 Dagegen lehnen sowohl der X.  Senat sowie der (nunmehr für das Einkommensteuerrecht zuständige) III. Senat eine gerichtliche Bindungswirkung ab, obgleich stets hervorgehoben wird, dass derartige Richtlinien „zunächst die Vermutung der Richtigkeit“ besäßen.123 Der IX.  Senat des Bundesfinanzhofs schließt sich der Rechtsprechung des III. und X. Senats zwar grundsätzlich an, betont aber die besonders wirkenden gleichheitsrechtlichen Anforderungen, die im Ergebnis zu einer Bindungswirkung im Einzelfall führen würden.124 Das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass der IX. Senat an anderer Stelle eine Typisierungsbefugnis der Verwaltung generell ablehnt und eine Bindungswirkung nur nach Maßgabe einer fehlenden Bestimmtheit des Gesetzes zulässt.125 In jüngerer Zeit hatte sich der für die Besteuerung von Mitunternehmerschaften zuständige IV.  Senat des Bundesfinanzhofs in zwei grundlegenden Urteilen vom 14.04.2011 mit der Bindungswirkung von AfA-Tabellen auseinanderzusetzen.126 Er rückte im Rahmen dieser Verfahren den Gedanken des Hilfsmittels für die Schätzung der Nutzungsdauer –  und damit der Unverbindlichkeit der AfA-­ Tabelle – in den Vordergrund, bezog sich aber gleichzeitig wiederum auf eine Verbindlichkeit unter dem 122

BFH, Fn. 121, mit den entsprechenden Nachweisen zur Verwaltungsauffassung. Auch nach heutiger Verwaltungsauffassung (BMF, Schreiben v. 15.12.2000 – IV D 2 – S 1551 – 188/00, BStBl. I 2000, S. 1532, 1533) sollen die AfA-Tabellen lediglich einen „Anhaltspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit der steuerlichen Absetzungen für Abnutzung“ darstellen. 123 BFH, Urteil v. 19.11.1997  – X  R  78/94, BFHE  184, S.  522, 525; BFH, Urteil v. 09.12.1999 – III R 74/97, BFHE 191, S. 125, 132. Anzumerken bleibt indes, dass der X. Senat einer Bindungswirkung von typisierenden Verwaltungsvorschriften generell skeptisch gegenübersteht. So äußerte er jüngst in einem obiter dictum – zwar unter genereller Anerkennung einer Typisierungsbefugnis – erhebliche Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit von Pauschbeträgen für Hotelübernachtungen im Ausland nach § 4 V S. 1 Nr. 5 S. 4 EStG 2001, vgl. BFH v. 23.03.2011 – X R 44/09, BFHE 233, S. 297, 304: „Auch ist zweifelhaft, ob die Pauschbeträge auf die --unter dem Gesichtspunkt des „steuerlichen Massenverfahrens“ dem Grunde nach gegebene-- allgemeine Typisierungsbefugnis der Finanzverwaltung gestützt werden können. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb gerade ein Nachweis der Kosten von im Ausland durchgeführten Hotelübernachtungen für die Steuerpflichtigen wesentlich schwieriger zu erbringen ist als der Nachweis sonstiger --in- oder ausländischer-- Betriebsausgaben, für die die Finanzverwaltung aber keine Pauschalierungen vorsieht.“ 124 BFH, Urteil v. 28.10.2008  – IX  R  16/08, BFH/NV  2008, S.  899, 900. Der IX.  Senat beschränkt sich an dieser Stelle auf eine Art Vertretbarkeitskontrolle der Rechtsauffassung der Finanzbehörde durch das Finanzgericht. 125 Vgl. BFH, Urteil v. 27.01.2010 – IX R 31/09, BFHE 229, S. 90, 93: Danach könne eine Bindung an Typisierungsrichtlinien bereits dann eintreten, wenn die Norm „in einer Weise unbestimmt [ist], dass sie ohne eine entsprechende Konkretisierung seitens der Verwaltung keinen hinreichend bestimmten, verfassungsgemäßen Regelungsgehalt hätte“. 126 BFH, Urteil v. 14.04.2011  – IV  R  46/09, BFHE  233, S.  214, 222; BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 8/10, BFHE 233, S. 226 ff.

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

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„Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung und (…) Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.“127

Dass es sich hierbei um ein nur halbherziges Bekenntnis handelt, wird im nachfolgenden Satz der Urteile deutlich: Eine Bindungswirkung derartiger Tabellen trete nur dann ein, wenn sie nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen.128 Sodann prüft der IV. Senat nämlich unter Bejahung dieses Krite­ riums die Richtigkeit der finanzgerichtlichen Schätzung nach.129 (4) Zusammenfassende Beurteilung Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auf dem Gebiet der typisierenden Verwaltungsvorschriften schwankt von der prinzipiellen Anerkennung einer oftmals auf den Gleichheitssatz in Verbindung mit dem Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit gestützten Bindungswirkung bis zur generellen Ablehnung einer gerichtlichen Bindungswirkung. Auffällig ist hierbei, dass die dogmatischen Begründungen zur Bindungswirkung von Senat zu Senat bzw. Rechtsgebiet zu Rechtsgebiet mitunter nur partiell variieren, in anderen Fällen dagegen beträchtliche Gegensätze bestehen. Diese unklare Situation führt zu deutlicher Rechtsunsicherheit. So ist dem Steuerbürger wenig mit einer „Vermutung der Richtigkeit“ von typisierenden Verwaltungsvorschriften geholfen, die gerichtlich im entscheidenden Fall aufgrund des Vorbehalts der offensichtlich unzutreffenden Besteuerung nicht durchsetzbar ist. Verfassungsrechtlich kann ebenso wenig eine strikte Bindungswirkung aus Gründen der Praktikabilität oder Rechtsanwendungsgleichheit in Kombination mit dem Gedanken der publizierten Selbstbindung aus Art.  3  I  GG als Begründungsansatz dienen. Eine nach außen hin publizierte Selbstbindung der Verwaltung kann nämlich nur dort eintreten, wo die Verwaltung Spielräume anhand von Verwaltungsvorschriften ausfüllt. Derartige Typisierungsspielräume könnten den einschlägigen Normen der Steuergesetze regelmäßig nur unter dem Gesichtspunkt rechtlich zu ordnender Massenerscheinungen entnommen werden, um auf diesem Wege eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung herbeizuführen. Allerdings kann ein derartiges Verständnis von Art. 3 I GG nicht überzeugen: Das aus Art. 3 I GG hergeleitete Ziel einer Rechtsanwendungsgleichheit wäre sodann einerseits Begründung, andererseits Mittel zur Herleitung einer Außenwirkung von typisierenden Verwaltungsvorschriften. Streng betrachtet ließe sich ein derartiges Ziel nur aus dem Gedanken des Rechtstaatsprinzips des Art. 20 III GG ableiten, wenn man mit Teilen des Schrifttums der Auffassung ist, dass der Gesetzgeber bewusst oder un 127 BFH, Urteil v. 14.04.2011  – IV  R  46/09, BFHE  233, S.  214, 222; BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 8/10, BFHE 233, S. 226, 236. 128 BFH, Fn. 127. 129 BFH, Urteil v. 14.04.2011  – IV  R  46/09, BFHE  233, S.  214, 224 ff.; BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 8/10, BFHE 233, S. 226, 238 ff.

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

bewusst auf eine Regelung der Materie verzichtet und insofern eine „durch gesetzgeberischen Verzicht erforderliche Verwaltungssteuerung“130 vorliegt. Die hieraus resultierenden Verstöße gegen Art. 19 IV GG sowie das Demokratieprinzip sind jedoch offensichtlich und bedürfen keiner weiteren Vertiefung.131 Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu typisierenden Verwaltungsvorschriften zu einer dogmatischen Begründung etwaiger Bindungswirkungen nicht herangezogen werden kann.132 bb) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht setzte sich im Beschluss vom 31.05.1988 mit der Bindungswirkung typisierender Verwaltungsvorschriften auseinander.133 Streitig war im zu entscheidenden Fall, ob der Bundesminister der Finanzen durch BMFSchreiben die in § 33a I 1 EStG festgesetzte Höchstgrenze für die Abzugsfähigkeit von Unterhaltsleistungen an die Einkommensverhältnisse im Ausland auch für die Gerichte verbindlich anpassen durfte. Zunächst äußert sich das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der gerichtlichen Kontrolldichte mit seinem viel zitierten Satz, wonach „Verwaltungsvorschriften mit materiell-rechtlichem Inhalt (…) grundsätzlich Gegenstand, nicht jedoch Maßstab richterlicher Kontrolle“134

sind. Sodann wird festgestellt, dass Massenerscheinungen ein typisierendes und pauschalierendes Vorgehen der Verwaltung rechtfertigen können.135 Weiterhin sei es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn „im Interesse der Einheitlichkeit und Praktikabilität“136 Richtlinien erlassen werden, welche die „behördliche und gerichtliche Prüfungstätigkeit“137 entsprechend einschränken können. Überdies bestehe im Steuerrecht ein besonderes Bedürfnis für einen möglichst raschen und gleichmäßigen Gesetzesvollzug, was als rechtsgebietsspezifische Besonderheit des Steuerrechts eine Bindung der Behörde rechtfertigen könne.138 Explizit offengelassen wurde dagegen, ob und unter welchen Voraussetzungen der Bürger im Hinblick auf den Gleichheitssatz oder das Vertrauensschutzprinzip die Anwendung von typisierenden Verwaltungsvorschriften begehren kann.139 Mit 130 Seer, in: Tipke/Kruse, § 85  AO Rn.  20 unter Bezugnahme auf Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 433 u. Seer, in: DStJG 31 (2008), S. 7, 13. 131 Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 442 f. 132 Ähnlich Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 91, wonach es bereits an einer gesetzlichen Grundlage fehlt. 133 BVerfG, Beschluss v. 31.05.1988 – 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, S. 214, 226 ff. 134 BVerfG, Fn. 133, BVerfGE 78, S. 214, 227. 135 BVerfG, Fn. 133, BVerfGE 78, S. 214, 229. 136 BVerfG, Fn. 133, BVerfGE 78, S. 214, 230. 137 BVerfG, Fn. 133, BVerfGE 78, S. 214, 230. 138 BVerfG, Fn. 133, BVerfGE 78, S. 214, 231. 139 BVerfG, Fn. 133, BVerfGE 78, S. 214, 229.

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

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Kammerbeschluss vom 28.06.1993 wurde diese Rechtsprechung bestätigt.140 Ergänzend hat das Bundesverfassungsgericht dabei betont, dass eine Bindungswirkung typisierender Verwaltungsvorschriften sowohl unter dem Gesichtspunkt des Art. 20 III GG als auch Art. 3 I GG jedenfalls dann ausscheidet, wenn diese den gesetzlichen Vorgaben zuwiderlaufen.141 Versucht man die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu bewerten, verdient die pauschale Ablehnung einer Bindungswirkung typisierender Verwaltungsvorschriften unter gleichzeitiger Bejahung einer Typisierungsbefugnis der Verwaltung besondere Aufmerksamkeit.142 Im Hinblick auf die Gewaltenteilung sowie fehlende Rechtsetzungskompetenz der Verwaltung ist die Ablehnung einer Bindungswirkung gegenüber dem Bürger zwar folgerichtig, das Ergebnis des Beschlusses muss indes als halbherzig und nur wenig überzeugend bezeichnet werden.143 Dass sich der Richter – wie das Bundesverfassungsgericht meint  – aus eigener Überzeugung der Gesetzesauslegung der Verwaltung anschließt, kann angesichts der teilweise anderslautenden Rechtsprechung des VI. BFH-Senats im Jahre 1983 eher als Vermutung bezeichnet werden.144 In tatsächlicher Hinsicht hat sich das Gericht aus der komplexen Materie der Auslandssachverhaltsermittlung verabschiedet und diese der Verwaltung gleichermaßen in Alleinregie zugewiesen. Nur so erklären sich die verhältnismäßig langen Ausführungen zur Typisierungskompetenz der Verwaltung, die angesichts der verfassungsrechtlich ohnehin zulässigen Kompetenz der Exekutive zum Erlass von Verwaltungsvorschriften als selbstverständlich erscheint. Damit ist jedoch nichts über die Verbindlichkeit derartiger Richtlinien gesagt. Bloße „Massenerscheinungen“ des Besteuerungsverfahrens können hierbei noch lange keine Bindung des Bürgers oder Gerichts rechtfertigen. Eine Verbindlichkeit von typisierenden Verwaltungsvorschriften ließe sich mit Rolf Eckhoff allenfalls aus der mangelnden Steuerungsfähigkeit des Steuergesetzes ableiten.145 Wenn jedoch bloße rechtliche Massenerscheinungen eines Rechtsgebiets die Außenwirksamkeit derartiger Richtlinien begründen könnten, wäre es mit Josef Isensee tatsächlich an der Zeit, von einer „Notkompetenz“146 bzw. „brauchbaren Illegalität“147 zu sprechen. 140

BVerfG, Kammerbeschluss v. 28.06.1993 – 1 BvR 390/89, StuW 1994, S. 354 f. BVerfG, Fn. 140, StuW 1994, S. 354, 355. 142 BVerfG, Fn. 133, BVerfGE 78, S. 214, 227 ff., insb. S. 229. 143 In diese Richtung ebenfalls Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 130. Prägnant Isensee, StuW 1994, S. 3, 13: „Das Bundesverfassungsgericht empfindet angesichts dieser Praxis zugleich theoretische Ratlosigkeit und praktisches Verständnis.“ 144 Die Vorentscheidung war ein Beschluss vom VI.  Senat des Bundesfinanzhofs vom 24.02.1983 – VI B 114/82, vgl. BVerfG, Fn. 133, BVerfGE 78, S. 214. Die bis zu diesem Zeitpunkt bestehende Rechtsprechung des VI.  Senats ging von einer grundsätzlichen Verbindlichkeit auch für die Finanzgerichte aus, s. z.B. BFH, Urteil v. 09.12.1983  – VI  R  196/81, BFHE 140, S. 230. 145 Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 115 ff. 146 Isensee, Typisierende Verwaltung, S. 172. 147 Isensee, StuW 1973, S. 199, 205. 141

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

cc) Bericht aus dem Schrifttum Das zu Typisierungsrichtlinien ergangene Schrifttum ist kaum noch überschaubar.148 Im Folgenden seien daher nur die wesentlichen Argumentationslinien skizziert, welche von prinzipieller Anerkennung einer Bindungswirkung149 bis zu deren genereller Ablehnung150 reichen. Von Interesse sind hier insbesondere die vielfältigen Ansätze zur Begründung einer außenwirksamen Verbindlichkeit. Schon früh ist Klaus Vogel für eine unmittelbare Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften eingetreten und hat diesen Gedanken konsequent für das Steuerrecht verfolgt.151 Die Bindungswirkung resultiere im Bereich des Bewertungsrechts aus dem Prognosecharakter der Entscheidung,152 bei Pauschalierungsrichtlinien stützt er sich auf die soeben dargestellte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts153 und zieht insgesamt einen Vergleich zu den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften.154 Josef Isensee leitet dagegen aus Praktikabilitätserwägungen eine „brauchbare Illegalität“155 des Verwaltungshandelns her. Hieraus rechtfertige sich eine Art „Notkompetenz“156 der Verwaltung zum typisierenden Vorgehen und damit mittelbar auch zum Erlass von typisierenden Verwaltungsvorschriften.157 Als für den Bereich der typisierenden Verwaltungsvorschriften nach wie vor grundlegend muss die Untersuchung Lerke Osterlohs aus dem Jahr 1992 gelten.158

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s. insbesondere die Nachweise in Fn. 92. Früh bereits Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, 111; List, StbKRep 1975, S. 139, 165; Martens, in: DStJG 5 (1982), S. 165, 202 (vorher aber noch ablehnend, vgl. Martens, Ver­ waltungsvorschriften, S.  105 ff.); Osterloh, JuS  1990, S.  100 ff.; Osterloh, Gesetzesbindung; Osterloh, StuW 1993, S. 342 ff.; Vogel, StuW 1991, S. 254 ff.; Vogel, in: FS Thieme 1993, S. 605 ff.; Gast-de Haan, in: FS 75 Jahre RFH – BFH 1993, S. 227, 533 f.; Jachmann, StuW  1994, S.  347 ff.; Isensee, StuW  1994, S.  3, 11; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit,  S.  113 ff. (der allerdings nur typuskonkretisierenden Verwaltungsvorschriften Bin­ dungswirkung zugesteht, vgl. im Einzelnen oben, III.  2.  b), S.  88  ff.); Pahlke, in: Pahlke/ Koenig, § 4  AO Rn.  56; Gersch, in: Klein, § 4  AO Rn.  11; Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, § 2  EStG Rn. A  571. Tendenziell offen auch Wernsmann, in: HHSp, § 5 AO Rn. 199. 150 Jaehnike, StuW  1979, S.  293, 303; Leisner, Verwaltungsvorschriften, 49; Erichsen, in: FS Kruse 2001, S. 39, 54 f.; Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 334 f. u. S. 438 ff.; Leisner, StuW 2007, S. 241 ff.; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 91; Seer, Verständigungen, S. 249 f.; Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 189; skeptisch auch Englisch, in: Tipke/Lang, § 5 Rn. 35. 151 Vogel, VVDStRL 24 (1966), S. 125, 162 ff.; Vogel, StuW 1991, S. 254 ff.; Vogel, in: FS Thieme 1993, S. 605, 614 f. 152 Vogel, StuW 1991, S. 254, 260 f. 153 Vogel, StuW 1991, S. 254, 261 f. 154 Vogel, in: FS Thieme 1993, S. 605, 615 ff. 155 Isensee, StuW 1973, S. 199, 205. 156 Isensee, Typisierende Verwaltung, S. 172 ff. 157 Isensee, Typisierende Verwaltung, S. 176. 158 Osterloh, Gesetzesbindung. 149

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

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Osterloh entnimmt der Auslegung des materiellen Steuerrechts eine Absenkung des Beweismaßes,159 welche auf einer „Entwicklung generalisierender Entscheidungskriterien aufgrund relativ freier Abwägungen nach Maßgabe allgemeiner Prinzipien gleichmäßiger, zumutbarer und praktikabler Anwendung der Steuergesetze“160

beruhe. Die Offenheit des materiellen Steuerrechts für gesetzeskonkretisierende Rechtsanwendung161 lasse es im Ergebnis zu, eine Beweismaßreduzierung aus der Gesamtheit der materiellen Steuerrechtsnormen herzuleiten,162 um hierauf aufbauend eine entsprechende Außenwirksamkeit von typisierenden Verwaltungsvorschriften zu begründen.163 Einen ähnlichen Weg geht Monika Jachmann.164 Sie entnimmt den einschlägigen Steuerrechtsnormen bei nur schwer zu ermittelnden bzw. erbringenden Nachweisen allgemeine Typisierungsspielräume der Verwaltung; ausreichend sei die Festlegung eines bloßen gesetzgeberischen Rahmens.165 Konsequenz sei in diesem Falle eine Bindung von Bürgern und Gerichten aufgrund der Gesetzesbindung der Verwaltung und Art. 3 I GG.166 dd) Zusammenfassende Beurteilung Dreh- und Angelpunkt der auch im Schrifttum diskutierten Frage einer Bindungswirkung von Typisierungsrichtlinien bleibt die Begründung eines Beurteilungsbzw. Typisierungsspielraums der Verwaltung. Ausgangspunkt ist hierzu in Übereinstimmung mit der jüngeren verfassungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 19 IV GG, dass es weder Behörden noch Gerichte in der Hand haben, das verfassungsrechtlich angelegte Prinzip der Vollkontrolle „in eigener Sache“167 zu verschieben. Damit ergeben sich folgende Konsequenzen für den Komplex der Typisierungsrichtlinien: (1) Materielle Typisierung ist dem Gesetzgeber vorbehalten und mangels legislatorischer Ermächtigung auf Seiten der Verwaltung bereits vom Grundsatz her unzulässig.168 Das materiell typisierende Vorgehen anhand von Richtlinien bewirkt eine unzulässige Loslösung der Behörden von ihrer Gesetzesbindung.169 159

Osterloh, Gesetzesbindung, S. 221 ff. u. S. 305 ff. Osterloh, Gesetzesbindung, S. 90. 161 Osterloh, Gesetzesbindung, S. 93 ff.; Osterloh, JuS 1990, S. 100, 101 162 Osterloh, Gesetzesbindung, S. 203 ff.; Osterloh, StuW 1993, S. 342, 346 ff. 163 Osterloh, Gesetzesbindung, S. 451 ff. u. passim. 164 Jachmann, StuW 1994, S. 347 ff. 165 Jachmann, StuW 1994, S. 347, 351. 166 Jachmann, StuW 1994, S. 347, 348 u. 352. 167 BVerfG, Beschluss v. 31.05.2011 – 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, S. 1, 22. 168 Vgl. nur Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 386; Pahlke, DStR-Beih. 2011, S. 66, 71 sowie die ausführlichen Nachweise bei Osterloh, Gesetzesbindung, S. 27 (Fn. 19 ebd.). 169 Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 389 ff.; Wernsmann, DStR-Beih. 2011, S. 72, 73. 160

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

(2) Eine formelle Typisierung anhand von Verwaltungsvorschriften ist innenrechtlich angesichts der knappen personellen und sachlichen Ressourcen jeder Verwaltungstätigkeit zweifelsohne zulässig, mangels gesetzgeberischer Ermächtigung bindet sie im Außenverhältnis weder Bürger noch Gerichte.170 Insbesondere kann eine solche Ermächtigung weder einer Gesamtauslegung der materiellen Steuerrechtsnormen entnommen werden,171 noch lässt sie sich aus der Komplexität der Sachverhaltsermittlung oder gar Massenerscheinungen herleiten. Das aus § 162 AO hergeleitete Schätzungsargument kann bereits wegen der in § 96 I 1 Hs. 1 FGO angeordneten eigenen richterlichen Schätzungsbefugnis nicht überzeugen.172 Hinzu kommt des Weiteren, dass durch das Steuerbürokratieabbaugesetz173 in § 88 III AO eine gesetzliche Grundlage für den Erlass von Rechtsverordnungen geschaffen wurde, die sowohl Art als auch Umfang der Ermittlungen im Rahmen vollmaschineller Fallverarbeitung festlegen können. Gerade das Verordnungserfordernis für maschinelle Fallbearbeitung kann als ergänzendes Argument gegen eine Zulässigkeit typisierender Verwaltungsvorschriften angeführt werden. Nach alledem steht fest, dass Typisierungsrichtlinien grundsätzlich keine Bindungswirkung gegenüber Bürgern und Gerichten erzeugen.174 Andere Ergebnisse ließen sich allenfalls unter dem Aspekt herleiten, dass das Finanzamt im grundrechtlich geschützten Privatbereich an Sachverhaltsfeststellungen gehindert ist und insofern einen Pauschalbetrag als verfassungsgemäße Konkretisierung des objektiven Nettoprinzips im Sinne eines freiheitsschonenden Ausgleichs ansetzt.175 Allerdings besitzt ein derartiger Ansatz im Hinblick auf den in § 76 S. 1 FGO verankerten Untersuchungsgrundsatz sowie in § 96 I 1 FGO statuierten Grundsatz der freien Beweiswürdigung nur geringe Überzeugungskraft; das Finanzgericht hat wie das Finanzamt im Streitfall selbst entsprechende Ermittlungen und Beweiswürdigungen vorzunehmen.176 Sofern sich der Steuerpflichtige insoweit auf seine grundrechtlich geschützte Sphäre beruft, ist der Abzug entsprechender Betriebsausgaben, Werbungskosten und dergleichen notfalls zu versagen.177 Schlussendlich hilft das in den §§ 88 I 2 Hs. 1, 92 S. 1 AO angeordnete Ermittlungsermessen nicht weiter.178 So besteht hinsichtlich der Art und des Umfangs der Ermittlungen im Einzelfall zwar behördliches Ermessen, dieses ist indes der über 170

Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S.  334 f.; Seer, in: BK, Art.  108 GG Rn.  189; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 91 f. 171 So aber Osterloh, Gesetzesbindung, S. 203 ff.; Osterloh, StuW 1993, S. 342, 346 ff. 172 Osterloh, Gesetzesbindung, S. 500 ff.; Osterloh, StuW 1993, S. 342, 344. 173 Steuerbürokratieabbaugesetz vom 20.12.2008, BGBl. I 2008, S. 2850. 174 s. hierzu die Nachweise in Fn. 150. 175 In diese Richtung Eckhoff, StuW 1996, S. 107, 113; Karl, DStZ 2002, S. 598, 604. 176 Ebenso Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 309. 177 Tipke, StRO I, S. 425 ff., insb. S. 429 f.; Seer, in: Tipke/Kruse, § 88 AO Rn. 14; Söhn, in: HHSp, § 88 AO Rn. 202 f. jeweils m.w.N. 178 Dazu insbesondere Seer, in: Tipke/Kruse, Vor § 118 AO Rn. 20 f.

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

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lieferten Kategorie von Verwaltungsvorschriften zur Ermessensausübung zuzuordnen und nicht künstlich einer eigenständigen Erscheinungsform derartiger Richtlinien. Zudem bleibt zu bedenken, dass die Verfahrensvorschriften der AO (mit Ausnahme des Steuerdispenses in den §§ 163, 227 AO) für sich nicht in der Lage sein können, einen materiellen Steuertatbestand zu reduzieren. Vielmehr zeigt die Wertung der §§ 41, 42 AO, dass das Verfahrensrecht auf die Durchsetzung des materiellen Steuerrechts angelegt ist. c) Schlussfolgerung für den weiteren Gang der Untersuchung Das hier gefundene Ergebnis kann für den Steuerbürger erheblich nachteilige Konsequenzen haben. Dies gilt namentlich dann, wenn der Bürger im Vorfeld im Vertrauen auf die Bindungswirkung einer typisierenden Verwaltungsvorschrift disponiert und ihm im Nachhinein die Dispositionsgrundlage entzogen wird. Beispiel: Industriegroßhändler H bestellte am 18.07.2006 ein Kontingent an Eintrittskarten für sog. „VIP-Logen“ zu Spielen der Fußballbundesliga im Jahr 2007. Die Eintrittskarten ließ H noch im selben Jahr durch seine Mitarbeiter sukzessive zu Zwecken der Kundenbindung an ausgewählte Kunden aushändigen. Um im Hinblick auf § 160  I AO ein Höchstmaß an Diskretion gegenüber den Partnern seiner langjährigen Geschäftsbeziehungen zu er­reichen, nimmt H die in den BMF-Schreiben vom 11.07.2006179 sowie 22.08.2005180 vorgesehene Pauschalierungsmöglichkeit in Anspruch. Nach dieser Pauschalierungsmöglichkeit erhöht sich die Einkommensteuer des H für jede verteilte Eintrittskarte um 30 €. Der Gesetzesentwurf des JStG 2007181 sieht dagegen eine höhere Besteuerung der Sachzuwendung vor, was zu einer Erhöhung der Steuerlast des H um zusätzliche 15 € je abgegebener Karte führt.

Das vorstehende Beispiel verdeutlicht, dass die Problematik typisierender Verwaltungsvorschriften nicht im Bereich der prospektiven Bindungswirkung, sondern vielmehr kraft der retrospektiven Dimension im Bereich des Vertrauensschutzes liegt. Auf die Frage einer Bindungswirkung derartiger Verwaltungsvorschriften kommt es im Vorfeld meist nicht an, vornehmlich muss die Lösung auf der Ebene des Vertrauensschutzes zu suchen sein.182

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BMF, Schreiben v. 11.07.2006 – IV B 2 – S 2144 – 53/06, BStBl. I 2006, S. 447 Tz. 6. BMF, Schreiben v. 22.08.2005 – IV B 2 – S 2144 – 41/05, BStBl. I 2005, S. 845 Rn. 16. 181 BT-Drucks. 16/2712, S. 11 u. 55 f. 182 Für diese Annahme sprechen auch die Ausführungen in BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 223/07/10002 –, BStBl. I 2008, S. 831 Tz. 4.2, wonach sich tatsächliche Verständigungen bei entsprechenden behördlichen Ermittlungsspielräumen ausschließlich auf ab­ geschlos­sene Sachverhalte beziehen. 180

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

4. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften Für ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften gelten im Steuerrecht dem Grunde nach keine anderen Grundsätze als die bereits für das Allgemeine Verwaltungsrecht aufgezeigten. Im hiesigen Zusammenhang ist primär noch von Interesse, kurz auf die Position des Bundesfinanzhofs einzugehen. Darüber hinaus wird an dieser Stelle die rechtliche Problematik sog. „Koppelungsvorschriften“ näher dargestellt, die im Rahmen der für die weitere Behandlung der Thematik relevanten §§ 163, 227 AO von Bedeutung sind. a) Die Judikatur des Bundesfinanzhofs Der Bundesfinanzhof vertritt in ständiger Rechtsprechung in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht, dass ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung eine mittelbare Bindungswirkung über Art. 3 I GG erlangen können.183 Das Gericht scheint sich hierbei von dem Gedanken leiten zu lassen, dass die Verwaltung hinsichtlich der ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften an ihre tatsächlich ausgeübte Verwaltungspraxis gebunden sei.184 In Anlehnung an § 102  FGO prüft der Bundesfinanzhof die Anwendung ermessenslenkender Richtlinien dahingehend, ob sich die Finanzbehörden an die Verwaltungsvorschrift gehalten haben und die Verwaltungsvorschrift selbst einer sachgerechten Ermessensausübung entspricht.185 Überdies geht der Bundesfinanzhof davon aus, dass ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Rechtsnormen auszulegen sind, sondern vielmehr maßgeblich sei, wie die Verwaltung die Verwaltungsvorschrift verstanden habe und verstanden wissen wollte.186 Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs deckt sich augenfällig mit den hier vertretenen Kernaussagen: Er folgt dem Modell einer mittelbaren Außenwirkung und nimmt im Ergebnis eine zweistufige Ermessensprüfung vor. Hinsichtlich der 183

Vgl. nur BFH, Urteil v. 10.02.1988  – VIII  R  159/88, BFHE  153, S.  188; BFH, Urteil v. 26.04.1995  – XI  R  91/83, BFHE  178, S.  4, 7; BFH, Urteil v. 14.05.2009  – IV  R  27/06, BFHE 225, S. 187, 190; BFH, Urteil v. 19.03.2009 – V R 48/07, BFHE 225, S. 215, 231; BFH, Urteil v. 07.10.2010 – V R 17/09, BFH/NV 2011, S. 865, 867; BFH, Urteil v. 18.03.2010 – IV R 23/07, BFHE 228, S. 526, 531 jeweils m.w.N. 184 BFH, Urteil v. 24.11.2005  – V  R  37/04, BFHE  211, S.  411, 417; BFH, Urteil v. 19.03.2009 – V R 48/07, BFHE 225, S. 215, 223. Für die hier vertretene Auffassung wohl auch Kruse, in: Tipke/Kruse, § 5 AO Rn. 50. 185 BFH, Urteil v. 24.11.2005  – V  R  37/04, BFHE  211, S.  411, 414 f.; BFH, Urteil v. 14.05.2009 – IV R 27/06, BFHE 225, S. 187, 190; BFH, Urteil v. 19.03.2009 – V R 48/07, BFHE 225, S. 215, 220; BFH, Beschluss v. 15.03.2011 – VI B 145/10, BFH/NV 2011, S. 983. 186 Ständige Rspr., s. nur BFH, Urteil v. 13.01.2005 – V R 35/03, BFHE 208, S. 398, 404; BFH, Urteil v. 24.11.2005 – V R 37/04, BFHE 211, S. 411, 415; BFH, Urteil v. 18.03.2010 – IV R 23/07, BFHE 228, S. 526, 531 u. 532 f. m.w.N.

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

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Auslegung folgt der Bundesfinanzhof einer strikten Innenverbindlichkeit der Verwaltungsvorschrift. Nicht zuzustimmen ist dem Bundesfinanzhof in der Aussage, wonach bei der Ermessenshandhabung auf die tatsächliche Vollzugspraxis der Finanzbehörden abzustellen sei. Dieser Ansatz ist aufgrund des hier vertretenen zweistufigen Konzepts der Gesetzesanwendung abzulehnen. Konsequent wäre es, wenn der Bundesfinanzhof in Einklang mit der von ihm vertretenen zweistufigen Ermessensüberprüfung direkt an das in der Verwaltungsvorschrift niedergelegte Vollzugsprogramm anknüpfen würde. b) Die Problematik der Koppelungsvorschriften Eine weitere, sich gleichsam für den Bereich des Steuerrechts namentlich im Bereich der Billigkeitsrichtlinien187 besonders aufdrängende Fragestellung liegt bei den sog. Koppelungsvorschriften. Die Problematik der Koppelungsvorschriften, d.h. die Verknüpfung von unbestimmtem Rechtsbegriff auf Tatbestandsseite sowie Ermessen auf Rechtsfolgenseite,188 zählt zu einem kontrovers diskutierten Problemkreis der deutschen Verwaltungsrechtswissenschaft.189 Fernab der nach wie vor nicht vollständig durchdrungenen verfassungsrechtlichen, rechtsdogmatischen sowie rechtstheoretischen Fragen des Allgemeinen Verwaltungsrechts,190 die im Rahmen dieser Untersuchung keiner tiefergehenden Betrachtung unterzogen werden brauchen, sei an dieser Stelle ausschließlich auf die dogmatische Bewältigung im Steuerrecht eingegangen. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass die Verknüpfung von unbestimmtem Rechtsbegriff und Ermessen bei den im Rahmen dieser Untersuchung besonders interessierenden §§ 163, 227 AO hinsichtlich des Begriffs der „Unbilligkeit“ in Erscheinung tritt. Gerade der Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen und die mit ihm verbundenen Billigkeitsrichtlinien spielen – wie später noch ausführlich darzulegen sein wird – eine herausragende Rolle bei der Bewältigung der Problematik um die Gewährung von Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften. 187 Die sog. Billigkeitsrichtlinien sollen das den Behörden in den §§ 163, 227 AO eingeräumte Ermessen einheitlich lenken, vgl. nur BFH, Urteil v. 19.03.2009  – V  R  48/07, BFHE  225, S. 215, 223. 188 Die wohl überwiegende Auffassung geht hierbei davon aus, dass der unbestimmte Rechtsbegriff nicht zwingenderweise einen Beurteilungsspielraum enthalten muss, vgl. dazu Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe, S.  182; Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR (12. A., 2002), § 10 Rn.  47; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 40  VwVfG Rn.  36; Gerhardt, in: Schoch/ Schneider/Bier, § 114 VwGO Rn. 13; Maurer, AVwR, § 7 Rn. 48. In diese Richtung wohl auch Bull/Mehde, AVwR, Rn. 589 u. Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 11 Rn. 15. 189 Maurer, AVwR, § 7 Rn. 47 konstatiert hierzu zutreffend: „„Ermessen“ und „unbestimmter Rechtsbegriff“ bilden nach wie vor einen der umstrittensten Bereiche des Verwaltungsrechts.“, vgl. ebenfalls Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 182 ff. 190 Dazu m.w.N. insbesondere Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 11 Rn.  15; Alexy, JZ 1986, S. 701, 715 f.; Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 182 ff.; Forsthoff, VwR I, S. 94 f. Für die österreichische Perspektive Stoll, Ermessen, S. 133 ff. u. 188 ff.

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

aa) Die Position der Rechtsprechung Eine grundlegende höchstrichterliche Klärung der rechtsdogmatischen Handhabung von Koppelungsvorschriften im Steuerrecht fand im Jahr 1971 durch einen Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes statt.191 Der Gemeinsame  Senat ging in seinem Beschluss zur Vorschrift des § 131  I  1  RAO192 davon aus, dass es sich bei der Verknüpfung von unbestimmtem Rechtsbegriff und Ermessen insgesamt um eine einheitliche Ermessensausübung handele und die gerichtliche Kontrolldichte bei Koppelungsvorschriften demzufolge reduziert sei.193 Maßgebende Überlegung war für den Gemeinsamen Senat, dass die Vorschrift des § 131  I  1  RAO einerseits entstehungsgeschichtlich als Ermessensvorschrift konzipiert sei194 und andererseits eine vollständige gerichtliche Überprüfung des Begriffs der Unbilligkeit dem Wesen des Ermessens zuwider laufe.195 Ferner müsse der gesetzlich vorgesehene Steuerdispens tendenziell restriktiv gehandhabt werden.196 Schlussendlich gebiete es die Rücksichtnahme auf den Funktionsbereich der Verwaltung und die Einzelfallgerechtigkeit, von einer einheitlichen Ermessensentscheidung auszugehen.197 Der Gemeinsame Senat hat durch den obigen Beschluss die diesbezüglich ohne­hin schon bestehende BFH-Rechtsprechung bestätigt.198 So geht der Bundesfinanzhof nach wie vor in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es sich bei den Erlassvorschriften der §§ 163,  227 AO respektive des Begriffs „unbillig“ insgesamt um Ermessensnormen handle und die Ermessensausübung gerichtlich nur im Rahmen des § 102  FGO auf die überlieferten Kategorien von Ermessensfehlern überprüft werden könne.199 Von einem derartigen Verständ 191

GmSOGB, Beschluss v. 19.10.1971 – GmS-OGB 3/70, BFHE 105, S. 101 ff. § 131 I 1 RAO hatte bis zu seinem Außerkrafttreten folgenden Wortlaut: „Im Einzelfall können Steuern und sonstige Geldleistungen ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn ihre Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre (…).“ 193 GmsOGB, Fn. 191, BFHE 105, S. 101, 107 ff. Der Gedankengang des Gemeinsamen Senats ist dabei insgesamt vom Ansatz Forsthoffs geprägt, wonach stets nach dem Sinn und Zweck der Norm insgesamt zu fragen sei und sich in praktischer Hinsicht eine Differenzierung verbiete, vgl. Forsthoff, VwR I, S. 94 f. 194 GmsOGB, Fn. 191, BFHE 105, S. 101, 108. 195 GmsOGB, Fn. 191, BFHE 105, S. 101, 108 f. 196 GmsOGB, Fn. 191, BFHE 105, S. 101, 109 f. 197 GmsOGB, Fn. 191, BFHE 105, S. 101, 111. 198 Vgl. dazu die Nachweise bei GmsOGB, Fn. 191, BFHE 105, S. 101, 107. 199 BFH, Urteil v. 15.05.1990  – VII  R  7/88, BFHE  161, S.  395, 396; BFH, Urteil v. 18.04.1996 – V R 55/95, BFHE 180, S. 516, 517; BFH, Urteil v. 16.07.1997 – XI R 32/96, BFHE  184, S.  193, 196; BFH, Urteil v. 08.03.2001  – V  R  61/97, BFHE  194, S.  517, 522; BFH, Urteil v. 13.01.2005 – V R 35/03, BFHE 208, S. 398, 404. Aus jüngerer Zeit: BFH, Urteil v. 26.10.2011 – VII R 50/10, BFH/NV 2012, S. 552, 554; BFH, Beschluss v. 11.01.2012 – V  B  88/11, BFH/NV  2012, S.  714; BFH, Beschluss v. 28.02.2012  – VIII  R  2/08, BFH/ NV 2012, S. 1135. 192

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

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nis ausgehend hat der Bundesfinanzhof die sog. „Beachtlichkeitsformel“ zur gerichtlichen Kontrolle von den auf Grundlage der §§ 163, 227  AO ergangenen Billigkeitsrichtlinien entwickelt. Danach seien die auf den Billigkeitsdispens der Abgabenordnung gestützten Verwaltungsvorschriften auch für die Gerichte verbindlich, wenn sie von den §§ 163, 227  AO als Rechtsgrundlage gedeckt sind.200 bb) Kritische Würdigung Die Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats sowie des Bundesfinanzhofs sind auf den ersten Blick von dem Bestreben gekennzeichnet, den Finanzbehörden nach wie vor bestehende Freiräume bei der Entscheidung über Billigkeitsmaßnahmen zu gewähren. In Abkehr von der zumindest im Allgemeinen Verwaltungsrecht als überwiegende Meinung zu bezeichnenden und auch hier vertretenen Ansicht, wonach unbestimmte Rechtsbegriffe einer gerichtlichen Vollkontrolle unterliegen,201 geht der Bundesfinanzhof einen rechtsdogmatischen Sonderweg.202 Dieser Sonderweg darf allerdings –  worauf in der Literatur zu Recht hingewiesen wird203  – nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bundesfinanzhof mittlerweile ein differenziertes und gefestigtes Prüf­ programm gegenüber Billigkeitsentscheidungen der Finanzverwaltung etabliert hat, das in tatsächlicher Hinsicht kaum noch eigene Spielräume der Behörden anerkennt.

200 BFH, Urteil v. 25.11.1980  – VII  R  17/78, BFHE  132, S.  159, 162; BFH, Beschluss v. 25.06.1984  – GrS  4/82, BFHE  141, S.  405, 417; BFH, Urteil v. 15.01.1986  – II  R  141/83, BFHE 145, S. 453, 455 f.; BFH, Urteil v. 12.01.1989 – IV R 87/87, BFHE 155, S. 484, 486; BFH, Urteil v. 16.03.2004 – VIII R 33/03, BFHE 205, S. 270, 273; BFH, Urteil v. 18.09.2007 – I R 30/06, BFHE 219, S. 184, 190; BFH, Beschluss v. 15.03.2006 – VI S 2/06 (PKH), BFH/ NV  2006, S.  1097, 1098; BFH, Beschluss v. 08.02.2007  – IX  B  125/06, BFH/NV  2007, S. 107; BFH, Urteil v. 19.10.2010 – X R 41/08, BFH/NV 2011, S. 245, 248; BFH, Urteil v. 13.01.2011 – V R 43/09, BFH/NV 2011, S. 1049, 1050. 201 s. hierzu umfassend nochmals die Ausführungen im 1. Kapitel, III. 2. a), S. 66 ff. 202 Dass dieser zumindest hinsichtlich der unbestimmten Rechtsbegriffe angesichts der jüngeren verfassungsgerichtlichen Judikatur (BVerfG, Beschluss v. 31.05.2011 – 1 BvR 857/07, BVerfGE  129, S.  1 ff.) so nicht mehr haltbar ist, liegt offenkundig auf der Hand: Hält man sich vor Augen, dass bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von Typisierungen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts regelmäßig auch die Möglichkeit eines Billigkeitserlasses zur Korrektur einzelner Härten zu berücksichtigen ist (s. hierzu m.zahlr.w.N. BVerfG, Beschluss v. 05.04.1978 – 1 BvR 117/73, BVerfGE 48, S. 102, 114 ff. Zuletzt bestätigt durch BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 03.09.2009  – 1  BvR  2539/07, NVwZ  2010, S.  902, 904 f.), würde eine gerichtlich eingeschränkte Kontrolldichte des Begriffs der Billigkeit unmittelbar auf die Verfassungsmäßigkeit der infrage stehenden Norm zurückwirken. 203 Dazu umfassend Stöcker, in: Beermann/Gosch, § 227 AO Rn. 129 f.; v. Groll, in: HHSp, § 227 AO Rn. 117 ff.

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

Trotz aller bestehenden Unsicherheiten lässt sich der Komplex der Koppelungsvorschriften anhand einer Rückbesinnung204 auf die tragenden Prinzipien zum unbestimmten Rechtsbegriff sowie Ermessensspielraum wie folgt lösen: Die Frage der Unbilligkeit ist als unbestimmter Rechtsbegriff in Anlehnung an die jüngste verfassungsgerichtliche Rechtsprechung205 voll überprüfbar.206 Die insoweit vom Gemeinsamen Senat angeführte anderweitige verfassungsgerichtliche Recht­sprechung aus dem Jahr 1960207 gibt hierzu entgegen der Beschlussbegründung keinerlei Anhaltspunkte. Es bestehen vom Wortlaut der §§ 163, 227 AO sicherlich keine Zweifel dahingehend, dass es sich bei der Entscheidung über eine abweichende Steuerfestsetzung bzw. einen Erlass um Ermessensentscheidungen handelt. Mit dieser Feststellung ist allerdings nichts darüber gesagt, dass der un­ bestimmte Rechtsbegriff gerichtlich nicht voll überprüfbar wäre. Sofern nach einer rechtlichen, gegebenenfalls auch gerichtlichen Würdigung das Vorliegen von Billigkeitsgründen festgestellt wird, stellt sich die Frage, ob eine abweichende Festsetzung vorzunehmen bzw. ein Erlass zu gewähren ist, nicht. Richtigerweise ist in diesem Fall das Entschließungsermessen der Behörde stets auf Null reduziert.208 Andere Ergebnisse lassen sich nicht mit der Begründung erzielen, dass es sich bei den genannten Vorschriften insgesamt um Ermessenstatbestände handeln würde. Bei Lichte betrachtet besteht entgegen dem Gemeinsamen Senat für die Behörde im Falle der Unbilligkeit nach wie vor ein nicht unbeachtliches Auswahlermessen zur Beseitigung des „unbilligen“ Zustands.209 Die überlieferten Kategorien der Ermessensfehlerlehre bieten hierbei für den Steuerpflichtigen ausreichenden Rechtsschutz. Dass die behördliche Ermessensausübung hierdurch beträchtlich eingeengt bzw. in nicht wenigen Einzelfällen gänzlich aufgehoben werden kann, ist eine vom Rechtsanwender zu akzeptierende gesetzgeberische Wertentscheidung, die sich nicht mit dem kursorischen

204 Entscheidend ist insofern, dass die Kategorien vom unbestimmten Rechtsbegriff und Ermessen nicht vermischt werden. Wie hier auch Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR (12. A., 2002), § 10 Rn. 47; Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 433; Sachs, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, § 40 VwVfG Rn. 36; Maurer, AVwR, § 7 Rn. 55. 205 BVerfG, Beschluss v. 31.05.2011 – 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, S. 1, 21 ff. 206 Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, § 114  VwGO Rn.  13; Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 434 f.; Stöcker, in: Beermann/Gosch, § 227 AO Rn. 129 f.; Loose, in: Tipke/ Kruse, § 227 AO Rn. 24. 207 GmsOGB, Fn.  191, BFHE  105, S.  101, 112 führt als Begründung die Entscheidung BVerfG, Urteil v. 07.12.1960 – 1 BvR 314/60, BVerfGE 12, S. 180, 192 an. 208 In dieser Konstellation lässt sich von einem „Ermessensschwund“ sprechen; in diese Richtung Ossenbühl, DÖV 1970, S. 84, 87; Ossenbühl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR (12. A., 2002), § 10 Rn. 48; explizit Maurer, AVwR, § 7 Rn. 55; für das Steuerrecht vgl. auch Stöcker, in: Beermann/Gosch, § 227 AO Rn. 128 („innere Schranke des Ermessens“). Im Hinblick auf § 227 AO formuliert FG Düsseldorf, Urteil v. 19.07.2000 – 7 K 237/97 AO, EFG 2000, S. 1410 zutreffend: „Die Billigkeit ist zugleich Tatbestandsvoraussetzung und Ermessensschranke.“ 209 So für die Rechtslage in Österreich zur vergleichbaren Vorschrift des § 236 BAO: Stoll, Ermessen, S. 193.

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

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Verweis auf das Wesen des Ermessens oder Einengung behördlicher Spielräume abweichend rechtfertigen ließe.210 Anhand dieser differenzierten Vorgehensweise lässt sich der diskutierte Widerstreit zwischen dem Gewaltenteilungsprinzip sowie der in Art.  19  IV  1 GG verankerten Rechtsschutzgarantie ausgewogen in Einklang bringen. Die Besonderheiten der §§ 163, 227 AO im Steuerrecht rechtfertigen eine andere Vorgehensweise als im Allgemeinen Verwaltungsrecht mithin nicht. Der Bundesfinanzhof wäre gut beraten, die im Schrifttum und auch hier vorgenommene Differenzierung anzuerkennen, anstatt unter dem Vorwand der einheitlichen Ermessensausübung sowie inhaltlich leerlaufenden „Beachtlichkeitsformel“ im Ergebnis zu einer ähnlichen Lösung zu geraten. c) Zusammenfassung Ermessensrichtlinien folgen im Steuerrecht denselben dogmatischen Kriterien wie im Allgemeinen Verwaltungsrecht. Die Tatbestandsstruktur der §§ 163, 227 AO rechtfertigt im Steuerrecht keine anderweitige Handhabung im Vergleich zu Koppelungsvorschriften anderer Rechtsgebiete. 5. Nichtanwendungserlasse a) Begriff und Einführung in die Problematik Die sog. „Nichtanwendungserlasse“ stellen eine steuerrechtliche Besonderheit dar und sind in anderen Rechtsgebieten des besonderen Verwaltungsrechts so nicht anzutreffen. Dies ist namentlich darauf zurückzuführen, dass einerseits die höchstrichterliche Rechtsprechung im steuerlichen Massenverfahren seit jeher eine herausragende Rolle einnimmt211 und andererseits das Bundesfinanzministerium aufgrund dessen föderal bedingter Machtposition zu einer einheitlichen Durchsetzung seiner Rechtsauffassung gegenüber dem Bundesfinanzhof in der Lage ist.212 Inhaltlich wird die Finanzverwaltung mit einem Nichtanwendungserlass in der Regel in Form eines BMF-Schreibens dazu angewiesen, ein bestimmtes Urteil des Bundesfinanzhofs über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht auf andere vergleichbare Fälle anzuwenden.213 Der gesamte Komplex der Nichtanwendungserlasse hat

210 Im Ergebnis ebenfalls Stöcker, in: Beermann/Gosch, § 227 AO Rn. 129; Loose, in: Tipke/ Kruse, § 227 AO Rn. 25; Wernsmann, in: HHSp, § 5 AO Rn. 94. 211 Pezzer, DStR 2004, S. 525, 529. 212 Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 79 f. 213 Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 119; Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn. 341; Herden, in: FS Spindler 2011, S. 445, 448 f.

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

eine kaum noch überschaubare Anzahl von Veröffentlichungen hervorgerufen, deren Einzelheiten hier nicht dargestellt werden können.214 Im Rahmen dieser Untersuchung ist vorrangig von Interesse, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Nichtanwendungserlass gegenüber dem Bürger als auch Gericht Bindungswirkung erzeugen kann. Diese Herangehensweise mag auf den ersten Blick paradox erscheinen, steht doch überwiegend die Frage der Abwehrmöglichkeiten gegenüber Nichtanwendungserlassen im Mittelpunkt.215 Die Praxis des BMF zeigt indes, dass auch Nichtanwendungserlasse im Interesse des Steuer­pflichtigen ergehen können. So sind durchaus Fälle nachweisbar, in denen der Bundesfinanzhof durch Urteil eine für den Steuerpflichtigen günstige Verwaltungsvorschrift verwirft, die vom BMF dennoch wenigstens temporär aufrechterhalten wird.216 Folglich kann in die Existenz eines derartigen Nichtanwendungserlasses unter Umständen schützenswertes Vertrauen begründet sein. b) Zulässigkeit Bevor auf die Bindungswirkung von Nichtanwendungserlassen näher eingegangen werden kann, stellt sich das Problem, unter welchen Voraussetzungen diese überhaupt zulässig sind. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass eine unzulässige und damit rechtswidrige Verwaltungsvorschrift in Form des Nichtanwendungserlasses unter Art. 3 I GG keine Bindungswirkung entfalten kann. Ausgangsüberlegung hinsichtlich der Zulässigkeit von Nichtanwendungserlassen muss die gesetzgeberische Wertung in § 110 I FGO sein, wonach Urteile eines Finanzrechtsstreits nur die am Verfahren beteiligten Personen binden, und zwar 214 Als umfassend muss die Untersuchung von Desens, Bindung der Finanzverwaltung, bezeichnet werden. Monographisch ebenfalls Buhs, Bindung der Finanzverwaltung u. Kreft, Nichtanwendungserlass. Zum gesamten Komplex der Nichtanwendungserlasse sei vorab auf die Kommentarliteratur bei Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 119; Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn.  341; Pahlke, in: Pahlke/Koenig, § 4 AO Rn.  64 ff. sowie die Ausführungen von Englisch, in: Tipke/Lang, § 5 Rn. 38 verwiesen, jeweils m.w.N. Zum Standpunkt der Bundes­ elche regierung: BT-Drucks. 16/13759, S. 6 („Für die Bundesregierung ist nicht ersichtlich, w verfassungsrechtlichen Bedenken (…) bestehen könnten.“). Hinsichtlich der weiteren Veröffentlichungen seien aus allein jüngerer Zeit genannt Schaumburg, in: Dt. Finanzgerichtstag 2004, S. 73, 79 ff.; Wieland, DStR 2004, S. 1 ff.; Pezzer, DStR 2004, S. 525, 528 ff.; Spindler, DStR 2007, S. 1061 ff.; Weber-Grellet, in: FS Lang 2010, S. 927 ff.; Jachmann, in: FS Spindler 2011, S.  115, 124 ff.; Herden, in: FS  Spindler 2011, S.  445 ff.; Versin, SteuerStud  2011, S. 430 ff.; Schlenk, Bundesfinanzhof und Finanzverwaltung, S. 108 ff. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht Djanani/Brähler/Krenzin, StuW 2011, S. 323 ff. 215 Buhs, Bindung der Finanzverwaltung, S.  129 ff.; Schaumburg, in: Dt.  Finanzgerichtstag 2004, S. 73, 90 f.; Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 459 ff.; Pahlke, in: Pahlke/­ Koenig, § 4 AO Rn. 66; Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn. 342. 216 s. hierzu die umfangreichen Nachweise bei Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 18, Fn. 56. Laut Djanani/Brähler/Krenzin, StuW 2011, S. 323, 328 seien rund 39 % aller Nichtanwendungserlasse mit positiven Wirkungen für den Steuerpflichtigen verbunden.

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

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nur insoweit, als dass über den Streitgegenstand entschieden wurde.217 Deshalb ist es vom Prinzip her hinnehmbar, wenn die Finanzverwaltung ein einzelfallbezogenes Urteil nicht anwendet. Dies resultiert insbesondere aus der Überlegung, dass die Finanzbehörden selbst zur Rechtsanwendung und –  wenn auch nur vorläufigen – Rechtsfindung berufen sind. Demzufolge muss sich die Finanzverwaltung grundsätzlich nicht der Rechtauffassung eines Gerichts über den entschiedenen Fall hinaus anschließen.218 Zunächst hilft Art. 20 III GG in dieser Situation nicht weiter. Richterrecht lässt sich als Ergebnis der Rechtsauslegung und -anwendung nicht unter „Recht“ im Sinne des Art. 20 III GG subsumieren.219 Gleiches gilt für den Gedanken richterlichen Gewohnheitsrechts, hier wird es regelmäßig an einer opinio iuris zumindest auf Seiten der Verwaltung, dass sie an höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden sei, fehlen.220 Dies alles sind Aspekte, die ebenfalls vom Bundesfinanzhof gesehen werden.221 Um eine begrenzte Bindungswirkung höchstrichterlicher Rechtsprechung gegenüber der Verwaltung herzuleiten, bedient er sich eines schon seit geraumer Zeit anerkannten Begründungsmusters:222 Aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 III GG leitet er implizit den Gedanken der Rechtssicherheit und damit des Vertrauensschutzes in Gesetze her.223 In Bezug auf die Schutzwürdigkeit des betätigten Vertrauens sei insbesondere eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung heranzuziehen.224 Maßgebend sei hierfür die Überlegung, dass die obersten Bundesgerichte zur Rechtsfortbildung berufen seien und überdies die verfassungsrechtliche Funktionszuordnung eine derartige Differenzierung gebiete.225 Der Sache nach begründet der Bundesfinanzhof folglich einen Vertrauensschutz in höchstrichterliche Rechtsprechung und setzt damit seine bereits im Beschluss des Großen Senats vom 17.12.2007226 angedeutete Tendenz fort. Dass eine solche Argumentation nur bedingt überzeugt, wurde schon von verschiedener Seite her betont.227 Der vom IX. Senat aus den §§ 11 II, 115 II Nr. 2 FGO

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Zum gesamten Komplex: Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 104 ff. Statt Vieler Englisch, in: Tipke/Lang, § 5 Rn. 38. 219 Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, s. zuletzt BVerfG, Beschluss v. 02.05.2012 – 2 BvL 5/10, BVerfGE 131, S. 20, 878 m.w.N. Aus der Literatur Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 2 Rn. 60; ausführlich Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 216 ff. 220 Umfassend Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 184 ff., insb. S. 187 (Fn. 502 ebd.). 221 BFH, Vorlagebeschluss v. 07.12.2010 – IX R 70/07, BFHE 232, S. 121 ff. 222 Auf dieses Argumentationsmuster hat bereits Fritz Ossenbühl frühzeitig hingewiesen, s. Ossenbühl, AöR 92 (1967), S. 478, 484 ff. m.zahlr.w.N. 223 BFH, Fn. 221, BFHE 232, S. 121, 126 ff. 224 BFH, Fn. 221, BFHE 232, S. 121, 130 ff. 225 BFH, Fn. 221, BFHE 232, S. 121, 131 f. 226 BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BFHE 220, S. 129, 146 f. 227 Besonders deutlich bei Wieland, DStR 2004, S. 1, 5 u. Weber-Grellet, in: FS Lang 2010, S. 927, 933 ff. 218

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

hergeleitete Auftrag zur Rechtsfortbildung oberster Bundesgerichte228 kann schwerlich zur Begründung für Vertrauensschutz in höchstrichterliche Rechtsprechung herangezogen werden: Gerade der Rechtsfortbildungsauftrag oberster Bundesgerichte verbietet es diesen, sich aus Vertrauensschutzgesichtspunkten stärker zu binden als der Gesetzgeber selbst.229 Der Hinweis auf die grundgesetzlich angelegte Funktionsordnung gibt ebenfalls kaum Antworten auf die aufgeworfenen Fragestellungen. Der Kontrollauftrag der Judikative und die damit verbundene richterliche Unabhängigkeit rechtfertigen zuvörderst ein Letztentscheidungsrecht im Einzelfall.230 Im Ergebnis wird man daher auf verfassungsrechtliche „Loyalitätspflichten“231, die nichts anderes als den allgemein anerkannten Grundsatz der Organtreue darstellen, zurückgreifen müssen.232 Dieser statuiert allerdings nur begrenzte, überdies im Einzelnen unscharf konturierte Rücksichtnahmepflichten gegenüber anderen Staatsgewalten und kann nur in Extremfällen fruchtbar gemacht werden.233 Hieraus folgt für den Bereich der Nichtanwendungserlasse, dass es der Verwaltung nach wie vor freisteht, sich dem Inhalt eines Urteils aus eigener Überzeugung anzuschließen.234 Ihr Freiraum bei der Überzeugungsbildung wird jedoch dahingehend eingeschränkt, als dass eine gefestigte, unter Umständen langjährig bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung eine gewisse Vermutung der „Richtigkeit“235 – vorrangig im Sinne von Rechtsfrieden236 – in sich trägt und die Verwaltung insofern eine diesbezügliche faktische Bindung zu akzeptieren hat. Dieser Gedankengang wird schlussendlich durch die h.M. im Staatshaftungsrecht zu Art. 34 GG, § 839 BGB hinsichtlich des Verschuldensmaßstabs bei Fehlinterpretationen des Gesetzes bestätigt.237 So ist ein Verschulden des Amtswalters bei Nichtbeachtung von Judikaten nur dann zu bejahen, wenn die fallrelevanten 228

BFH, Fn. 221, BFHE 232, S. 121, 131. Ossenbühl, AöR 92 (1967), S. 478, 485. 230 BVerfG, Beschluss v. 31.05.2011 – 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, S. 1, 21; zum materiellen Rechtsprechungsbegriff s. insbesondere Stern, Staatsrecht II, S. 898; ihm folgend SchulzeFielitz, in: Dreier, Art. 92 GG Rn. 26; Wilke, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 112 Rn. 58 jeweils m.w.N. 231 BFH, Fn. 221, BFHE 232, S. 121, 132 f. 232 Worauf sich der BFH, Fn. 221, BFHE 232, S. 121, 132 ebenfalls bezieht. Zu diesem Gedanken bereits Schaumburg, in: Dt. Finanzgerichtstag 2004, S. 73, 87; Spindler, DStR 2007, S. 1061, 1064. Dass der Bundesfinanzhof letztlich mit dem Grundsatz der Organtreue argumentiert, wird mit seinem Verweis auf Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 GG Rn. 225 deutlich. 233 So deutlich bei Voßkuhle, NJW 1997, S. 2216, 2217 f. Vgl. dazu auch Weber-Grellet, in: FS Lang 2010, S. 927, 934 ff. 234 Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 76; Weber-Grellet, in: FS Lang 2010, S. 927, 936; sinngemäß auch Djanani/Brähler/Krenzin, StuW 2011, S. 323, 326. 235 Jachmann, in: FS Spindler 2011, S. 115, 124; gegen eine solche Vermutung Weber-Grellet, in: FS Lang 2010, S. 927, 933. 236 Wieland, DStR 2004, S. 1, 5. 237 Vgl. statt Vieler Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, S.  76 ff.; Ossenbühl, AöR  92 (1967), S. 478, 488 f.; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 34 GG Rn. 227 f.; Maurer, AVwR, § 26 Rn. 25. 229

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

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Rechts­fragen höchstrichterlich geklärt wurden.238 Dagegen besteht kein Verschulden bei einer vertretbaren Abweichung des Amtswalters von der Rechtsprechung,239 insbesondere wenn ein mit mehreren Berufsrichtern besetzter Spruchkörper dessen Auffassung bestätigt hat.240 Nach alledem bleibt festzuhalten, dass die Verwaltung langjährige höchstrichterliche Rechtsprechung prinzipiell zu beachten, aber nicht zwingend anzuwenden hat,241 sofern vertretbare Gründe wie z.B. eine fortgeschrittene Rechtsentwicklung oder aber geänderte tatsächliche Verhältnisse eine „Anregung“ der Verwaltung an die obersten Bundesgerichte rechtfertigen.242 In rechtspolitischer Hinsicht wird hinsichtlich letzterer Fallgruppe zu bedenken sein, dass die Rechtsprechung, also namentlich der Bundesfinanzhof, endgültig und letztverbindlich über die Frage der genügenden Überzeugungskraft seiner eigenen Argumente entscheidet. Aus diesem Grund ist es per se nicht unzulässig, wenn die Finanzverwaltung einen Nichtanwendungserlass zwecks zeitnaher gesetzgeberischer Neuregelung erlässt, um Fehlentwicklungen vorzubeugen.243 Schließlich ist sie den öffentlichen Haushalten gegenüber stärker verpflichtet als die Rechtsprechung.244 Im Ergebnis entscheidet damit nach wie vor der demokratisch legitimierte Gesetzgeber mit großem Gestaltungsspielraum245 über die Besteuerungswürdigkeit eines Sachverhalts. Hierfür spricht zudem die Erwägung, dass ein Gesetzgebungsverfahren zumindest in theoretischer Hinsicht prinzipiell ergebnissoffen ist.246 238

BGH, Urteil v. 23.03.1959  – III  ZR  207/57, BGHZ  30, S.  19, 22; BGH, Urteil v. 29.04.1963 – III ZR 6/62, NJW 1963, S. 1453, 1454. 239 BGH, Urteil v. 06.11.1961 – III ZR 143/60, BGHZ 36, S. 144, 149; BGH, Beschluss v. 24.11.1988 – III ZR 86/88, NVwZ 1989, S. 287; BGH, Urteil v. 09.12.2004 – III ZR 263/04, BGHZ 161, S. 305, 309 f. 240 Sog. „Kollegialgerichts-Richtlinie“, s. hierzu zuletzt BGH, Urteil v. 04.11.2010  – III ZR 32/10, BGHZ 187, S. 286, 301 f. m.w.N. 241 Deutlich: Weber-Grellet, in: FS Lang 2010, S. 927, 936: „Die Verwaltung kann und darf nicht auf eine eigene Prüfung verzichten.“; ähnlich Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn. 341 f., der den Auftrag der Verwaltung zur eigenständigen Rechtsfindung betont. 242 Wieland, DStR 2004, S. 1, 5; Englisch, in: Tipke/Lang, § 5 Rn. 39. Skeptisch Jachmann, in: FS Spindler 2011, S. 115, 125 f. 243 A. A. Schaumburg, in: Dt. Finanzgerichtstag 2004, S. 73, 89. 244 Dies darf jedoch nicht dahingehend missverstanden werden, dass die Finanzverwaltung kraft Nichtanwendungserlasses zu einer Auslegung „in dubio pro fisco“ berechtigt wäre, vgl. Kreft, Nichtanwendungserlass, S. 105 ff. Vielmehr ist die obige Aussage so zu verstehen, als dass die Verwaltung gesteigerten Überprüfungspflichten im Hinblick auf die Überzeugungskraft höchstrichterlicher Rechtsprechung unterliegt. 245 So sieht auch das Bundesverfassungsgericht die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nicht durch entgegenstehende Judikate der rechtsprechenden Gewalt eingeschränkt. s. hierzu BVerfG, Kammerbeschluss v. 15.10.2008 – 1 BvR 1138/06, HFR 2009, S. 187. 246 Dass die verfassungsrechtliche Realität eine andere sein mag, wird vom Verfasser dabei nicht verkannt (s. hierzu Pezzer, DStR 2004, S. 525, 526 [Fn. 11 ebd.] u. Spindler, DStR 2007, S. 1061, 1062). Allerdings helfen rechtstatsächliche Erscheinungen bei der Beurteilung der verfassungsrechtlichen Ausgangslage insoweit nicht weiter. Ebenso Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 68 ff., insb. S. 71.

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

Insgesamt dürfen die Freiräume der Verwaltung zur erstmaligen Nichtbefolgung bzw. Nichtanwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht allzu eng gehalten werden.247 c) Pflichten beim Erlass von Nichtanwendungserlassen Ergänzend sei in diesem Zusammenhang kurz auf das ebenfalls im Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs aufgeworfene Problem einer Begründungs- und Veröffentlichungspflicht eingegangen, die als weitere Voraussetzung für die rechtliche Zulässigkeit von Nichtanwendungserlassen diskutiert werden.248 Namentlich die Begründungs- und Veröffentlichungspflicht von Nichtanwendungserlassen sind im Rahmen dieser Untersuchung im Hinblick auf die Frage eines potenziellen Vertrauenstatbestands sowie der Schutzwürdigkeit von nicht zu unterschätzender Relevanz.249 Als im steuerrechtlichen Schrifttum allgemein anerkannt scheint die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 III GG hergeleitete Veröffentlichungspflicht von Nichtanwendungserlassen zu gelten, die zur Transparenz und Berechenbarkeit des Handelns der Finanzverwaltung beitragen soll.250 Diese Annahme ist indes nicht unproblematisch: Eine allgemeine Veröffentlichungspflicht von Verwaltungsvorschriften besteht generell nämlich nicht. Dennoch wurde aufgezeigt, dass für Verwaltungsvorschriften, die tiefgreifende Eingriffsregelungen näher konkretisieren, eine Veröffentlichung rechtsstaatlich geboten sein kann.251 Gerade in den Konstellationen der Nichtanwendungserlasse entscheidet sich die Verwaltung dafür, dem Steuerpflichtigen einen seitens der Rechtsprechung herbeigeführten Orientierungspunkt der Rechtssicherheit zu nehmen. Dieser für das Steuerrecht als klassisches Eingriffsrecht und im Hinblick auf Art. 3 I GG zudem grundrechtsrelevante wesentliche Orientierungsaspekt rechtfertigt es im Ergebnis, in Abkehr vom allgemeinen Grundsatz eine prinzipielle Veröffentlichungspflicht für Nichtanwendungserlasse zu bejahen.252 Hierbei ist in zeitlicher Hinsicht zu beachten, dass der Finanzver 247

Für eine gelockerte Berücksichtigungspflicht ebenfalls Wieland, DStR  2004, S.  1, 4 f.; Weber-Grellet, in: FS Lang 2010, S. 927, 937 (unter 12. u. 14.); Herden, in: FS Spindler 2011, S. 445, 453 f.; Jochum, Grundfragen, S. 44 ff.; Schlenk, Bundesfinanzhof und Finanzverwaltung, S. 112 ff. 248 Zum Ganzen: Schaumburg, in: Dt. Finanzgerichtstag 2004, S. 73, 89; Wieland, DStR 2004, S. 1, 5; Pezzer, DStR 2004, S. 525, 531; Spindler, DStR 2007, S. 1061, 1064; Weber-Grellet, in: FS Lang 2010, S. 927, 937; Jachmann, in: FS Spindler 2011, S. 115, 124; Herden, in: FS Spindler 2011, S. 445, 454. Ausführlich: Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 392 ff. u. 446 ff. 249 Worauf ebenfalls der BFH im Vorlagebeschluss v. 07.12.2010 – IX R 70/07, BFHE 232, S. 121, 133 hinweist. 250 Statt aller m.w.N.: Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn. 342; Herden, in: FS Spindler 2011, S. 445, 455 ff., insb. S. 457. 251 s. hierzu die Ausführungen oben, 1. Kapitel, II. 3. b), S. 58 ff. 252 BFH, Vorlagebeschluss v. 07.12.2010 – IX R 70/07, BFHE 232, S. 121, 133; Wernsmann, in: HHSp, § 4  AO Rn.  342; Buhs, Bindung der Finanzverwaltung, S.  155 ff.; Kreft, Nicht-

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

115

waltung bezüglich der Veröffentlichung ein von der Breitenwirkung der Rechtsprechung abhängiger Beratungs- und Übergangszeitraum einzuräumen sein wird.253 Problematischer hingegen beurteilt sich die mit einer Veröffentlichung gleichsam verknüpfte Frage einer Begründungspflicht von Nichtanwendungserlassen. Nur vereinzelt wird diese gänzlich abgelehnt.254 Die überwiegenden Teile des Schrifttums bejahen eine Begründungs- bzw. Hinweispflicht im Rahmen des Steuerbescheids gem. § 121  I  AO.255 Richtig ist im Hinblick auf die Begründungspflichten zunächst, dass im Rahmen des konkreten Steuerrechtsverhältnisses auf die Nichtanwendung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung hingewiesen werden muss  – zumindest wenn der Steuerpflichtige steuerlich nicht beraten wird. In diesem Rahmen ist also eine einzelfallbezogene Begründungspflicht für die Nichtanwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung zu fordern. Eine generelle Begründungspflicht mag für Nichtanwendungserlasse wie auch für alle anderen Verwaltungsvorschriften rechtspolitisch wünschenswert sein, verfassungsrechtlich geboten ist diese indes nicht.256 d) Bindungswirkung Nachdem vorstehend die Voraussetzungen für rechtmäßige Nichtanwendungserlasse geklärt wurden, bedürfen die hier interessierenden Fragen einer Bindungswirkung von begünstigenden bzw. „positiven“ Nichtanwendungserlassen einer abschließenden Betrachtung. Wie bereits eingangs erwähnt wurde, ist der Aspekt einer potenziellen Bindungswirkung von Nichtanwendungserlassen –  soweit ersichtlich – nur randläufig betrachtet worden.257 Dies ist umso mehr erstaunlich, da der Steuerpflichtige ein durchaus vitales Interesse an der Nichtanwendung einer verschärfenden Rechtsprechung bei entgegenstehenden vergünstigenden Verwaltungsvorschriften haben kann. anwendungserlass, S. 140 ff., 144.; Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 397 ff.; Schlenk, Bundes­finanzhof und Finanzverwaltung, S. 119 ff. Bereits aus praktischer Hinsicht ist ein derartiges Erfordernis zu bejahen, vgl. BT-Drucks. 16/13759, S. 2 u. 6. 253 Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 64 u. 412. 254 Wieland, DStR 2004, S. 1, 5; Jochum, Grundfragen, S. 46 f. 255 Schaumburg, in: Dt. Finanzgerichtstag 2004, S. 73, 89; Pezzer, DStR 2004, S. 525, 531; Spindler, DStR 2007, S. 1061, 1064; Weber-Grellet, in: FS Lang 2010, S. 927, 937; Jachmann, in: FS Spindler 2011, S. 115, 124; Herden, in: FS Spindler 2011, S. 445, 454; Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 392 ff. u. 446 ff.; für eine Hinweispflicht im Rahmen der Veranlagung gem. § 121 I AO überdies: Wieland, DStR 2004, S. 1, 5; Pezzer, DStR 2004, S. 525, 531; ­Spindler, DStR 2007, S. 1061, 1065; Pahlke, in: Pahlke/Koenig, § 4 AO Rn. 66; Herden, in: FS Spindler 2011, S. 445, 454; Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn. 432. 256 Kreft, Nichtanwendungserlass, S. 140 ff., 148; Schlenk, Bundesfinanzhof und Finanzverwaltung, S.  122 ff. Für das Allgemeine Verwaltungsrecht: Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 337; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 19 Rn. 17; Maurer, AVwR, § 24 Rn. 35. Allgemein zu Begründungspflichten von Gesetzen Schwarz/Bravidor, JZ 2011, S. 653 ff. 257 Felix, KÖSDI 1992, S. 8995, 8999; Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 52 ff.

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2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

Eine Annäherung an das Problem der Bindungswirkung von Nichtanwendungserlassen muss zunächst unter dem Gesichtspunkt einer normativen Ermächtigung erfolgen. Nichtanwendungserlasse sind im steuerlichen Verfahrensrecht nicht explizit geregelt. Dass der Gesetzgeber indes von der prinzipiellen Möglichkeit einer Nichtanwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung anhand von Verwaltungsvorschriften ausgeht, wird seit dem Steuerbürokratieabbaugesetz vom 20.12.2008258 in § 165 II 3 AO deutlich. Die Vorschrift ermöglicht in Fällen einer nach § 165 I 2 Nr. 4 AO vorläufigen Steuerfestsetzung die Änderung des Steuerbescheids zugunsten des Steuerpflichtigen, sofern die Auslegung des Steuergesetzes Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof ist. Insofern soll § 165  I  2  Nr.  4  AO der Vermeidung von Masseneinsprüchen bei Anhängigkeit einer Streitfrage vor dem Bundesfinanzhof dienen.259 Eine weitergehende normative Ermächtigung hinsichtlich eines etwaigen Beurteilungsspielraums lässt sich dieser Norm indes nicht entnehmen. Gleiches gilt für das in § 363 II 2 Hs. 1 AO angeordnete zwangsweise Ruhen des Verfahrens in Bezug auf eine vor dem Bundesfinanzhof anhängige Rechtsfrage. Auch diese Vorschrift dient ausweislich der gesetzgeberischen Intention der Verfahrensökonomie und trifft keine Aussage hinsichtlich eines etwaigen Beurteilungsspielraums bezüglich der Anwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung seitens der Verwaltung.260 Kann dem steuerlichen Verfahrensrecht nach alledem keine Aussage bezüglich der normativen Ermächtigung hinsichtlich eines Beurteilungsspielraums für die Anwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung entnommen werden, müssten sowohl belastende als auch begünstigende Nichtanwendungserlasse mit dem Schrifttum als bloße unverbindliche norminterpretierende Verwaltungsvorschriften betrachtet werden.261 An diesem Ergebnis bestehen zumindest für belastende Nichtanwendungserlasse keine tiefergehenden Zweifel: So ist es dem Steuerpflichtigen nach Ergehen eines Nichtanwendungserlasses nicht verwehrt, die Anwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung in seinem Fall vor den Finanzgerichten einzufordern. Damit ist klar, dass eine Bindung des Finanzgerichts hinsichtlich begünstigender Nichtanwendungserlasse grundsätzlich ebenfalls nicht gegeben ist. Ein anderes Ergebnis lässt sich allenfalls in solchen Konstellationen herleiten, in denen die Verwaltung temporär die Nichtanwendung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs beispielsweise aus Vertrauensschutzgründen verfügt (sog. zeitlich begrenzter Nichtanwendungserlass262). Streng betrachtet handelt es sich hierbei um Über 258

Steuerbürokratieabbaugesetz vom 20.12.2008, BGBl. I 2008, S. 2850. BT-Drucks. 16/10188, S. 30; Seer, in: Tipke/Kruse, § 165 AO Rn. 20; Cöster, in: Pahlke/ Koenig, § 165 AO Rn. 27; Buciek, in: Beermann/Gosch, § 165 AO Rn. 48. 260 Statt aller BFH, Urteil v. 14.03.2006 – I R 1/04, BFHE 213, S. 38, 47 m.w.N. 261 So die Auffassung der Bundesregierung, vgl. BT-Drucks. 16/13759, S. 2. s. auch Schaumburg, in: Dt. Finanzgerichtstag 2004, S. 73, 79 (Fn. 31 ebd.); Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 48. 262 Felix, KÖSDI 1992, S. 8995, 8999; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 647; Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 362; Djanani/Brähler/Krenzin, StuW 2011, S. 323, 327. 259

III. Typologie der Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

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gangserlasse, die auf der Rechtsgrundlage der §§ 163, 227 AO ergehen und die „Rechtsfolgen“ höchstrichterlicher Judikate nur zeitlich, aber nicht inhaltlich verlagern sollen. Solche Übergangserlasse stellen jedoch nichts anderes als Ermessensrichtlinien dar, welche den dort überlieferten dogmatischen Kriterien folgen. Die Frage der zeitlich begrenzten begünstigenden Nichtanwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung ist demzufolge ein im Rahmen der Billigkeitsrichtlinien auftretendes Problem, das an anderer Stelle noch zu thematisieren sein wird.263 Im Endergebnis ließe sich eine Bindungswirkung von begünstigenden Nichtanwendungserlassen damit nur aus einer Art prozeduralem Spielraum begründen. Dieser resultiert maßgeblich aus der Überlegung, dass die Behörde fortwährend zur eigenständigen Rechtsfindung berufen ist. Gerade in solchen Konstellationen, in denen die Verwaltung den Bundesfinanzhof zum Überdenken seiner Rechtsauffassung „anregen“ möchte,264 zeigt sich das prolongierte Erstauslegungsrecht der Finanzverwaltung von seiner deutlichsten, gleichzeitig aber auch schwächsten Seite: Ein prolongiertes Erstauslegungsrecht ist der Finanzverwaltung zwar kraft des Gewaltenteilungsprinzips gem. Art. 20 II 2 GG inhärent, wird aber durch das Letztentscheidungsrecht der Gerichte sowie den Grundsatz der gerichtlichen Vollkontrolle gem. Art.  19  IV  GG entschieden beschnitten. Insgesamt verbleibt der Verwaltung damit ein lediglich prozeduraler Spielraum, der kraft seiner Vorläufigkeit aus sich heraus jedoch weder gegenüber dem Bürger noch Gericht dazu in der Lage ist, Bindungswirkungen zu erzeugen. Bedeutung kann der prozedurale Spielraum lediglich bei der temporären Nichtanwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung kraft gesetzgeberischer Ermächtigung in den §§ 163, 227 AO erlangen. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Bindungswirkung von Nichtanwendungserlassen nur in den Fällen temporärer Nichtanwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung eintreten kann, ein dauerhafter Nichtanwendungserlass hingegen keine mittelbare Außenwirkung erzeugt. e) Abschließende Anmerkung Die generelle Nichtanwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung durch die Finanzbehörden ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen zu vereinbaren. Etwas anderes mag im Falle des Rechtsmissbrauchs durch die Verwaltung gelten, hierfür sind allerdings regelmäßig starke Indizien zu fordern. Solange es sich lediglich um eine Einzelfallentscheidung des Bundesfinanzhofs handelt, wird man der Finanzverwaltung zumindest bis zur Bestätigung dieser Rechtsprechung ein Festhalten an ihrer ursprünglichen Rechtsauffassung zubilligen müssen. Hieraus resultiert sodann ein nicht gerichtsfester prozeduraler Spielraum der Finanzbehörde.

263

Hey, DStR 2004, S. 1897, 1903; wohl auch Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 362. Zu diesen Konstellationen umfassend: Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 25 ff.

264

118

2. Kap.: Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht

6. Zusammenfassung Verwaltungsvorschriften des Steuerrechts folgen in wesentlichen Teilen den gleichen Pfaden wie Verwaltungsvorschriften des Allgemeinen Verwaltungsrechts. Zwar sind gewisse besondere Erscheinungsformen von Verwaltungsvorschriften im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten zu konstatieren, bei konsequenter Handhabung der zum Allgemeinen Verwaltungsrecht gefundenen Ergebnisse ergeben sich – oftmals entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – keine wesent­ lichen Abweichungen hinsichtlich eventueller Spielräume zugunsten der Verwaltung und damit einhergehend einer möglichen Bindungswirkung der jeweiligen Verwaltungsvorschrift. Namentlich norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften, Verwaltungsvorschriften zur Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe sowie typisierenden Verwaltungsvorschriften kommt mangels eines gesetzlich eingeräumten Beurteilungs- oder Ermessensspielraums keine Bindungswirkung zu. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften sowie temporäre Nichtanwendungserlasse in Form des Übergangserlasses folgen aufgrund des der Verwaltung in­soweit eingeräumten eigenständigen Funktionsbereichs und damit einhergehenden Spielräumen anderen Wegen und können über den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG in gewissen Grenzen auch für Bürger und Gerichte nur begrenzt überwindbare Bindungswirkung erzeugen.

3. Kapitel

Vertrauensschutz Nachdem in den vorstehenden Kapiteln die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen sowie die Erscheinungsformen von Verwaltungsvorschriften im Allgemeinen Verwaltungsrecht sowie im Steuerrecht untersucht worden sind, bedarf es im Folgenden einer generellen Darlegung der verfassungsrechtlichen Grundlagen sowie Voraussetzungen des Vertrauensschutzprinzips. Dies erfolgt vor dem Hintergrund, dass die Bewältigung der Vertrauensschutzproblematik bei der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften ohne eine genaue verfassungsrechtliche Verankerung des Vertrauensschutzprinzips nicht möglich ist. Letztendlich ist die Behandlung der Vertrauensschutzprinzips in einem eigenen Kapitel der Tatsache geschuldet, dass das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtlichen Koordinaten des Vertrauensschutzes im Steuerrecht mit Beschlüssen vom 07.07.20101 und 10.10.20122 sowie 17.12.20133 neu bestimmt hat.

I. Begriffliche Herleitung des Vertrauensschutzprinzips sowie Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten Bevor die verfassungsrechtlichen Grundlagen sowie Voraussetzungen des Vertrauensschutzprinzips näher dargestellt werden können, ist dessen genaue begriff­ liche Herleitung zu klären sowie eine Abgrenzung von anderen Rechts-/Verfassungs­ prinzipien vorzunehmen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Unterscheidung zwischen dem Vertrauensschutzprinzip auf der einen sowie der verfassungsrechtlichen Kontinuitätsgewähr auf der anderen Seite. Wesentliche Erkenntnis für die Konturierung des Vertrauensschutzprinzips ist dessen Blickwinkel aus der Perspektive des Bürgers.4 Das Vertrauensschutzprinzip wird daher nach überwiegender Auffassung von einem subjektiven Element geprägt5 und zielt darauf ab, eine in der Vergangenheit ausgeübte Vertrauensbetä 1

BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010  – 2  BvL  14/02 u.a., BVerfGE  127, S.  1 ff. (Rückwirkung im Steuerrecht I); BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61 ff. (Rückwirkung im Steuerrecht II); BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31 ff. (Rückwirkung im Steuerrecht III). 2 BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302 ff. 3 BVerfG, Beschluss v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, DStR 2014, S. 520 4 Statt Vieler Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 4. 5 Kirchhof, DStR 1989, S. 263, 266 f.; Leisner-Egensperger, Kontinuität, S. 473; Birk, in: DStJG 27 (2004), S. 9, 10 ff. sowie jüngst eindringlich Lepsius, JZ 2014, S. 488, 492 f.

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3. Kap.: Vertrauensschutz

tigung nicht zu enttäuschen. Charakteristikum des Vertrauensschutzprinzips ist folglich dessen retrospektive Blickrichtung, die dadurch – gleichsam als Nebeneffekt – einen schonenden Übergang zur geltenden Rechtslage herstellen soll; es handelt sich beim Vertrauensschutzprinzip mithin um eine „Bestandsgarantie im Interesse des Bürgers“6. Abzugrenzen ist das Vertrauensschutzprinzip von dem noch nicht in allen Facetten durchleuchteten Grundsatz der Rechtskontinuität. Während das Vertrauensschutzprinzip die subjektiven Rechte des Einzelnen wahren soll, zielt das Kontinuitätsgebot auf eine schonende stetige Fortentwicklung des geltenden Rechts als objektives Verfassungsprinzip ab.7 Der Rechtsgrundsatz der Kontinuität wurde als Verfassungsprinzip in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht ausdrücklich anerkannt. Zwar gibt es vereinzelt Stimmen, die dessen Geltung zumindest im Steuerrecht befürworten.8 Das Kontinuitätsgebot sieht sich jedoch der nicht von der Hand zu weisenden Kritik ausgesetzt, dass dessen Konturen für eine verfassungsrechtliche Handhabbarkeit unscharf und mit einem latenten Verstoß gegen das Demokratieprinzip behaftet sind. So begrüßenswert es sein mag, „Gleichheit in der Zeit“9 herzustellen, lassen sich hieraus jedoch insgesamt kaum verallgemeinerungsfähige Grundsätze zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit bzw. Gültigkeit staatlicher Rechtsakte bilden.10 Für die weitere Vorgehensweise ergeben sich damit folgende Konsequenzen: Die Frage, ob das Kontinuitätsgebot Verfassungsrang aufweist, braucht im Rahmen dieser Untersuchung mangels Bezug zum Untersuchungsgegenstand nicht weiter vertieft werden. Unter dem Begriff des Vertrauensschutzes ist allein die subjektive Erwartung des Bürgers in den Fortbestand der geltenden Rechtslage zu verstehen.

II. Verfassungsrechtliche Grundlagen des Vertrauensschutzprinzips Die Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrauensschutzprinzip kann nur dann sinnvoll erfolgen, wenn vorab auf die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Vertrauensschutzprinzips eingegangen wird. Von be 6

Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 4. Grundlegend Leisner-Egensperger, Kontinuität, S. 165 ff.; Leisner-Egensperger, in: DStJG 27 (2004), S. 191, 200 ff.; Birk, in: DStJG 27 (2004), S. 9, 17 f.; früh bereits Kirchhof, DStR 1989, S. 263, 266 f.; insgesamt auch Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 5 m.w.N. 8 Vogel, JZ 1988, S. 833, 834; Kirchhof, DStR 1989, S. 263, 266 f., der allerdings die Voraussetzungen in subjektiver Hinsicht im Ergebnis zum Vertrauensschutzprinzip verdichtet; Birk, in: DStJG 27 (2004), S. 9, 17 ff. 9 Leisner-Egensperger, Kontinuität, S. 593. 10 Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 5 u. 75 f.; deutlich zur dogmatischen Angreifbarkeit der Lösung Leisner-Egenspergers (Fn. 7): Hahn, DStZ 2004, S. 680, 683 ff.; skeptisch auch Hey, DStR 2004, S. 1897, 1900. Tendenziell offener Kirchhof, StuW 2000, S. 221, 222. 7

II. Verfassungsrechtliche Grundlagen des Vertrauensschutzprinzips

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sonderem Interesse sind dabei die generellen Problempunkte, welche aus der Anwendung des Vertrauensschutzprinzips resultieren (1.), dessen verfassungsdogmatische Herleitung (2.) sowie Anwendungsvoraussetzungen (3.). 1. Generelle Problematik des Vertrauensschutzprinzips Bereits die generelle Geltung des Vertrauensschutzprinzips ist verfassungsrechtlich nicht unproblematisch.11 Das gegen eine Geltung des Vertrauensschutzprinzips angeführte Argumentationspotenzial bezieht sich im Wesentlichen auf einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip, der eine Verschiebung der Gewaltenbalance und damit einhergehende Einschränkung der legislativen Gestaltungsfreiheit sowie die Entstehung einer „subjektiv gefärbten Einzelfallgerechtigkeit“12 befürchten ließen. Die Problematik des Vertrauensschutzes besteht den Kritikern zufolge verfassungsrechtlich darin, dass gegenwärtige Mehrheiten zukünftige freie gesetzgeberische Gestaltung verhindern,13 hierdurch eine Fortentwicklung des Rechts- und Sozialstaats verhindert14 und schlussendlich die Machtbalance zulasten des Parlaments auf die dritte Gewalt verschoben werde.15 Die grundlegenden Einwände gegen die Geltung des Vertrauensschutzprinzips sind dem Grunde nach nicht von der Hand zu weisen. Indes sind sie weder einzeln betrachtet noch in ihrer Gesamtheit dazu geeignet, den Grundsatz der Rechtssicherheit als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips und damit der gesamten Rechtsordnung außer Kraft zu setzen. Das Problem des Vertrauensschutzprinzips ist nicht dessen generelle Geltung, sondern vielmehr die Bewältigung des Konflikts zwischen Beständigkeit und Fortschritt.16 Dieser Konflikt kann nicht einseitig zulasten der geläuterten Rechtserkenntnis und damit der Rechtmäßigkeit bzw. des Fortschritts gelöst werden. Vielmehr ist es Aufgabe eines verfassungsdogmatischen Gesamtkonzepts, derartige Gegenpole in Einklang zu bringen. Die generelle Geltung des Vertrauensschutzprinzips ist unter der Verfassung des Grundgesetzes nach alledem zu bejahen.

11 Grundlegend Forsthoff, VwR  I, S.  263: „In Wahrheit gibt der Rechtsstaat sich selbst auf (…).“ Umfassend zur Kritik m.w.N. Schwarz, Vertrauensschutz, S. 48 ff. 12 Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S. 31. 13 Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S. 278; Vogel, JZ 1988, S. 833, 835. 14 Lotz, WiVerw 1979, S. 1; Burmeister, DÖV 1981, S. 503, 509 f. 15 Ossenbühl, DÖV 1972, S. 25, 34; Forsthoff, VwR I, S. 262 f.; Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S. 32 m.w.N. (Fn. 17 ebd.). 16 Schwarz, Vertrauensschutz, S. 55.

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3. Kap.: Vertrauensschutz

2. Verfassungsrechtliche Herleitung des Vertrauensschutzprinzips Die verfassungsrechtliche Herleitung des Vertrauensschutzprinzips ist seit jeher umstritten.17 Im Rahmen dieser Untersuchung bedarf es einer genaueren inhaltlichen Positionierung vor dem Hintergrund, dass die sich aus der Anwendung des Vertrauensschutzprinzips ergebenden Fragestellungen in einheitlichem Gewand gesehen und beantwortet werden können. Das Bundesverfassungsgericht deduziert in ständiger Rechtsprechung aus der Argumentationskette Rechtsstaatsprinzip – Rechtssicherheit das Vertrauensschutzprinzip als sozusagen „drittes Glied“,18 wobei namentlich seit geraumer Zeit stets auch die Freiheitsgrundrechte sowie die grundrechtsgleichen Rechte für eine subjektive Verdichtung des Prinzips der Rechtssicherheit zum Vertrauensschutz herangezogen werden.19 Im Schrifttum werden fernab des grundrechtlichen Begründungsansatzes zudem Anleihen bei den Grundsätzen von Treu und Glauben, des „venire contra factum proprium“ sowie „culpa in contrahendo“ gemacht oder aber allgemeine Strukturprinzipien der Verfassung für die Herleitung des Vertrauensschutzprinzips bemüht.20 Entgegen der soeben angeführten Ansätze, die eine Verankerung des Vertrauensschutzprinzips in allgemeinen rechtlichen Grundsätzen suchen, ist mit der überwiegenden Auffassung davon auszugehen, dass das Vertrauensschutzprinzip aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit dem jeweiligen Freiheitsgrundrecht herzuleiten ist.21 Folgende Überlegungen müssen hierfür maßgeblich sein: Geht man wie hier von einer vornehmlich subjektiven Dimension des Vertrauensschutzprinzips aus, können objektiv-rechtliche Verfassungsprinzipien zur Begründung individueller und zudem verfassungsrechtlich subjektivierter Abwehrmechanismen nur schwer angeführt werden. Es bedarf daher einer kumulativen Heranziehung sowohl des Rechtsstaatsprinzips als auch des jeweils einschlägigen Grundrechts. Zunächst sorgt die Heranziehung des einschlägigen Grundrechts für eine das gesamte Verfassungsleben prägende Subjektivierung sowie Prozessualisierung der geschützten Freiheiten.22 Gleichzeitig wird dadurch die für den Bereich der Eingriffsverwaltung anerkannte (vorrangig, wenn auch nicht ausschließlich) freiheitsrechtliche Veranke 17 Muckel, Vertrauensschutz, S.  59 ff.; Werder, Dispositionsschutz, S.  82 ff.; umfassend Blanke, Vertrauensschutz, S. 13 ff. sowie Schwarz, Vertrauensschutz, S. 103 ff. 18 Ständige Rspr. seit BVerfG, Urteil v. 19.12.1961 – 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, S. 261, 271; zuletzt BVerfG, Beschluss v. 02.05.2012 – 2 BvL 5/10, BVerfGE 131, S. 20, 878. Dazu auch Muckel, Vertrauensschutz, S. 59 ff. 19 Umfassend m.zahlr.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesvefassungsgerichts: Desens, in: Rensen/Brink, Linien BVerfG I, S. 329, 332. 20 Dazu ausführlich Schwarz, Vertrauensschutz, S. 134 ff. 21 Die Auffassung des BVerfG kann insofern als h.M. bezeichnet werden, s. nur BVerfG, Beschluss v. 13.06.2006 – 1 BvL 9/00, BVerfGE 116, S. 96, 20; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 16 m.w.N. 22 Statt Aller Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 43.

II. Verfassungsrechtliche Grundlagen des Vertrauensschutzprinzips

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rung des Vertrauensschutzprinzips deutlich.23 Sodann dient das Rechtsstaatsprinzip als gleichsam übergeordnetes Verfassungsprinzip dazu, grundrechtsübergreifende Abwägungsdirektiven bereitzustellen. Deren Anwendung wird durch das betroffene Grundrecht jeweils wiederum modifiziert, was zu einer insgesamt rechtsgüterschutzorientierten Wechselwirkung von Rechtsstaatsprinzip und Grundrechten als Ausdruck des grundrechtlich verbürgten Vertrauensschutzprinzips führt. 3. Anwendungsvoraussetzungen des Vertrauensschutzprinzips Die soeben dargelegte verfassungsrechtliche Verankerung des Vertrauensschutzprinzips im Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Grundrechten hat zugleich unmittelbare Auswirkungen auf dessen dogmatische Struktur sowie tatbestandliche Voraussetzungen. Die rechtsstaatliche Verankerung des Vertrauensschutzprinzips hat zunächst zur Konsequenz, dass seitens des Bürgers ein Vertrauenstatbestand zu fordern ist.24 An den Vertrauenstatbestand dürfen dabei keine allzu großen Anforderungen gestellt werden; es genügt vielmehr dem Grunde nach jedes staatliche oder aber staatlich gebilligte Handeln.25 Sodann bedarf es angesichts der grundrechtlichen Fundierung einer Vertrauensbetätigung.26 Ohne eine solche Vertrauensbetätigung wird es nämlich regelmäßig an der Eröffnung des Schutzbereichs des einschlägigen Grundrechts fehlen. Die in diesem Zusammenhang teilweise in der Literatur vorgenommene weitere Differenzierung zwischen Vertrauen und Vertrauensbetätigung macht dabei wenig Sinn.27 Vertrauen ist als gleichsam innerliches Moment keine greifbare Tatsache und wird sich daher erst durch eine entsprechende Vertrauensbetätigung äußerlich manifestieren. Dogmatisch ist daher wenig mit einem zusätzlichen Kriterium des „Vertrauens“ gewonnen, sofern man ohnehin zusätzlich eine Vertrauensbetätigung fordert. Der Verzicht auf das Kriterium des Vertrauens bedeutet vielmehr eine Vermeidung komplizierter und ohnehin wenig ergiebiger Abgrenzungsschwierigkeiten. So kann es auch nicht verwundern, dass die überwiegende Meinung nach wie vor lediglich eine Vertrauensbetätigung fordert.28 23

s. die Nachweise bei Blanke, Vertrauensschutz, S. 28 f. Mainka, Vertrauensschutz, S. 31 ff.; Lotz, WiVerw 1979, S. 1, 12; Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S. 78 ff.; Muckel, Vertrauensschutz, S. 80 ff.; Leisner-Egensperger, Kontinuität, S. 462; Schwarz, Vertrauensschutz, S. 295 ff.; Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 13; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG VII Rn. 64. 25 Schwarz, Vertrauensschutz, S. 296 ff.; zur Problematik fehlerhafter Gesetze als Vertrauensgrundlage auch Hey, in: DStJG 27 (2004), S. 91, 99 ff. 26 Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S.  96 ff.; Schwarz, Vertrauensschutz, S.  307 f.; Ciftci, Übergangsfristen, S. 37. 27 So insbesondere bei Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S. 90 ff.; Muckel, Vertrauensschutz, S. 90 ff.; Schwarz, Vertrauensschutz, S. 302 ff. 28 So explizit in BVerfG, Urteil v. 12.05.1999 – 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, S. 239, 273. s. auch Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 13. 24

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3. Kap.: Vertrauensschutz

Schlussendlich muss das Vertrauen des Bürgers schutzwürdig sein.29 Das Kriterium der Schutzwürdigkeit resultiert dabei insbesondere aus der Heranziehung des Rechtsstaatsprinzips. Dieses fungiert insofern als Hebel zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwischen Bürger und Staat, namentlich zur Herstellung praktischer Konkordanz durch Anwendung des Übermaßverbots.30 Das von der überwiegenden Auffassung und auch hier vertretene Konzept eines dreistufig zu prüfenden Vertrauensschutzes weist den Vorteil der universellen Anwendbarkeit auf das Handeln aller Staatsgewalten auf. Die einzelne Handhabung der jeweiligen Punkte folgt dabei unterschiedlichen Pfaden, die anhand einer Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rückwirkungsproblematik bei Gesetzen sogleich näher erläutert werden.

III. Die klassische Rückwirkungsdoktrin des Bundesverfassungsgerichts und deren Kritik im Schrifttum III. Die klassische Rückwirkungsdoktrin des BVerfG und Kritik im Schrifttum

Von diesem Problemaufriss ausgehend ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rückwirkung im Steuerrecht einer tiefergehenden Betrachtung zu unterziehen. Angesichts der hierzu ergangenen umfangreichen Erörterungen bedarf es in dieser Untersuchung keiner umfassenden Darstellung des Streit- und Meinungsstandes.31 Eingegangen sei hier lediglich nur auf die für die Handhabung der Vertrauensschutzdogmatik interessierenden Aspekte. 1. Grundsätzliche Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung a) Grundansatz des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet in ständiger Rechtsprechung zwischen echter und unechter Rückwirkung.32 Es formuliert: 29 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 20; Schwarz, Vertrauensschutz, S. 309 ff.; Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 13. 30 Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S.  112 ff.; Blanke, Vertrauensschutz, S.  134 ff., insb. S.  134 m.zahlr.w.N. zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Fn.  776 ebd.; Schwarz, Vertrauensschutz, S. 310 ff. 31 Verwiesen wird insofern auf die Darstellungen aus jüngerer Zeit bei Berger, Rückwirkung, S. 91 ff.; Stötzel, Vertrauensschutz, S. 69 ff.; Werder, Dispositionsschutz, S. 19 ff. u. S. 167 ff.; Desens, in: Rensen/Brink, Linien BVerfG I, S. 329 ff. 32 Auf die begrifflichen Differenzierungen zwischen der „Rückbewirkung von Rechtsfolgen“ und „tatbestandlicher Rückanknüpfung“ (Zweiter Senat des Bundesverfassungsgerichts, vgl. nur BVerfG, Beschluss v. 14.05.1986 – 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, S. 200, 241; BVerfG, Beschluss v. 03.12.1997 – 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, S. 67, 78 f.) sowie „echter/unechter Rückwirkung“ (Erster Senat des Bundesverfassungsgerichts, vgl. BVerfG, Urteil v. 12.05.1999 – 1 BvF 1/94,

III. Die klassische Rückwirkungsdoktrin des BVerfG und Kritik im Schrifttum

125

„Eine Rechtsnorm entfaltet Rückwirkung, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm gültig geworden ist (…). Die Anordnung, eine Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten (Rückbewirkung von Rechtsfolgen, ‚echte‘ Rückwirkung), ist grundsätzlich unzulässig. Demgegenüber betrifft die tatbestandliche Rückanknüpfung (‚echte‘ Rückwirkung) nicht den zeitlichen, sondern den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm. Die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten erst nach Verkündung der Norm ein, deren Tatbestand erfasst aber Sachverhalte, die bereits vor Verkündung ‚ins Werk gesetzt‘ worden sind (…).“33

b) Echte Rückwirkung Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt eine echte Rückwirkung dann vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift.34 Hierbei wird in ständiger Rechtsprechung betont, dass eine echte Rückwirkung verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig sei.35 Die echte Rückwirkung konnte mithin nur in Ausnahmefällen verfassungsrechtlich Bestand haben; dies gilt nach neuester Rechtsprechung des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts insbesondere auch bei nachträglichen legislatorischen „Klarstellungen“ mit konstitutiver Wirkung.36 Als Ausnahmefälle hat das Bundesverfassungsgericht namentlich folgende Fallgruppen herausgestellt: –– Mit der ändernden Regelung war zu rechnen.37 –– Ein Recht wurde unredlich erworben.38 BVerfGE 101, S. 239, 263) wird hier angesichts der gleichen Rechtsfolgen und der Tatsache, dass auch der Zweite Senat die Begrifflichkeiten kumulativ verwendet (BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 17 f. nicht näher eingegangen. Dazu: Pieroth, Rückwirkung, S. 79 ff.; Stötzel, Vertrauensschutz, S. 101 ff. 33 BVerfG, Beschluss v. 03.12.1997  – 2  BvR  882/97, BVerfGE  97, S.  67, 78 f.; BVerfG, Beschluss v. 05.02.2002  – 2  BvR  305/93, BVerfGE  105, S.  17, 37 f.; BVerfG, Beschluss v. 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, S. 133, 181; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2  BvL  14/02 u.a., BVerfGE  127, S.  1, 16 f.; zuletzt BVerfG, Beschluss v. 17.12.2013  – 1 BvL 5/08, DStR 2014, S. 520 ff. 34 BVerfG, Beschluss v. 31.05.1960 – 2 BvL 4/59, BVerfGE 11, S. 139, 145 f. 35 BVerfG, Beschluss v. 14.05.1986 – 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, S. 200, 242; BVerfG, Beschluss v. 31.05.1995 – 1 BvR 1379/94 u.a., BVerfGE 93, S. 97, 80; BVerfG, Beschluss v. 15.10.1996 – 1  BvL  44/92, BVerfGE  95, S.  64, 86 f.; BVerfG, Beschluss v. 03.12.1997  – 2  BvR  882/97, BVerfGE 97, S. 67, 78 f.; BVerfG, Urteil v. 12.05.1999 – 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, S. 239, 263 f.; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 17; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 47; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2  BvR  748/05 u.a., BVerfGE  127, S.  61, 76; zuletzt BVerfG, Beschluss v. 17.12.2013  – 1 BvL 5/08, DStR 2014, S. 520, 522 Rn. 41 f. 36 BVerfG, Beschluss v. 17.12.2013  – 1  BvL  5/08, DStR  2014, S.  520 ff.; s. dazu insbesondere die Besprechungen von Birk, FR  2014, S.  338 ff.; Hey, JZ  2014, S.  500 ff.; Hey, NJW 2014, S. 1564 ff.; Drüen, Ubg 2014, S. 683 ff. 37 BVerfG, Beschluss v. 23.3.1971 – 2 BvL 2/66, BVerfGE 30, S. 367, 387. 38 BVerfG, Urteil v. 12.05.1999 – 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, S. 239, 266.

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3. Kap.: Vertrauensschutz

–– Die geltende Rechtslage ist unklar oder lückenhaft;39 wobei die rückwirkendkonstitutive „Klarstellung“ explizit hiervon ausgenommen wird.40 –– Eine verfassungswidrige Norm wird rückwirkend durch eine verfassungsgemäße Norm ersetzt.41 –– Zwingende Gründe des Gemeinen Wohls rechtfertigen eine echte Rückwirkung.42 –– Ein Ankündigungseffekt soll beseitigt werden, der eine beabsichtigte Wirkung der Gesetzesänderung ganz oder zum Teil zunichte machen droht.43 –– Durch die echte Rückwirkung wird kein bzw. nur ein ganz unerheblicher Schaden verursacht (sog. Bagatellvorbehalt).44 c) Unechte Rückwirkung Die Voraussetzungen und Grenzen der unechten Rückwirkung folgen hingegen anderen Pfaden. Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet.45 Nach früherer Rechtsprechung war diese verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig.46 Allenfalls durch den Vertrauensschutz und das Verhältnismäßigkeitsprinzip konnten einer unechten Rückwirkung Grenzen gezogen werden. Das war namentlich dann der Fall, „wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen.“47

Dabei ging das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass Anpassungen für die Zukunft bei bestehenden Rechtsverhältnissen weniger strengen Voraussetzungen unterliegen als echte Rückwirkungen.48

39

BVerfG, Beschluss v. 23.3.1971 – 2 BvL 2/66, BVerfGE 30, S. 367, 388. BVerfG, Beschluss v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, DStR 2014, S. 520, 525 f. 41 BVerfG, Urteil v. 19.12.1961 – 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, S. 261, 272. 42 BVerfG, Beschluss v. 23.3.1971 – 2 BvL 2/66, BVerfGE 30, S. 367, 390 f. 43 BVerfG, Beschluss v. 15.10.1996 – 1 BvL 44/92, BVerfGE 95, S. 64, 89. 44 BVerfG, Beschluss v. 23.3.1971 – 2 BvL 2/66, BVerfGE 30, S. 367, 389. 45 BVerfG, Beschluss v. 15.10.1996 – 1 BvL 44/92, BVerfGE 95, S. 64, 86 f. 46 BVerfG, Beschluss v. 23.03.1971 – 2 BvL 17/69, BVerfGE 30, S. 392, 402 f. 47 Ständige Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschluss v. 15.10.1996 – 1 BvL 44/92, BVerfGE 95, S. 64, 86; BVerfG, Urteil v. 12.05.1999 – 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, S. 239, 263; bestätigt durch BVerfG, Beschluss v. 24.5.2001 – 1 BvL 4/96, BVerfGE 103, S. 392, 403; BVerfG, Beschluss v. 13.06.2006 – 1 BvL 9/00, BVerfGE 116, S. 96, 132. 48 BVerfG, Beschluss v. 25.05.1993 – 1 BvR 1509/91, BVerfGE 88, S. 384, 406 f. 40

III. Die klassische Rückwirkungsdoktrin des BVerfG und Kritik im Schrifttum

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2. Kritik an der veranlagungszeitraumbezogenen Rechtsprechung a) Forderung nach einem dispositionsbezogenen Rückwirkungsbegriff Die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung blieb im Schrifttum nicht ohne Kritik.49 Insbesondere wurde betont, dass sie die Planungsposition des Steuerpflichtigen nur unzureichend schütze und ein dispositionsbezogener Rückwirkungsbegriff eingeführt werden müsse.50 Entscheidend sei, dass der Steuerpflichtige seine Disposition vollständig getätigt habe und demnach steuerbegründend gebunden sei.51 Auch der Bundesfinanzhof hat sich dieser Auffassung in zwei Vorlagebeschlüssen an das Bundesverfassungsgericht angeschlossen.52 Namentlich im Vorlagebeschluss vom 02.08.2006 betont der Bundesfinanzhof, dass es sich bei der veranlagungszeitraumbezogenen Differenzierung zwischen echter und unechter Rückwirkung um eine „rein formale, verwaltungstechnische Betrachtungsweise“53 handle. Er stützt seine Überlegung vornehmlich darauf, dass gem. § 37  III  EStG sowie § 38  III  EStG Vorauszahlungen auf die Jahreseinkommensteuer zu leisten seien und demzufolge das Veranlagungszeitraumprinzip bei der Frage einer echten und unechten Rückwirkung nicht durchgreife.54 Aus diesem Grund sei mit der Literatur davon auszugehen, dass die vollständige Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals für die Gewährung von Vertrauensschutz maßgeblich sei.

49

Umfassend zur Kritik m.zahlr.w.N. Hey, Steuerplanungssicherheit, S.  306 ff.; Stötzel, Vertrauensschutz, S.  101 ff.; Werder, Dispositionsschutz, S.  82 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, § 3 Rn. 264 ff. Speziell zum Verhältnis von Lenkungsnormen und Vertrauensschutz Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 394 ff. 50 s. dazu insbesondere Hey, in: Tipke/Lang, § 3 Rn. 264 m.w.N. Auch der Bundesfinanzhof verwirft in seinem Vorlagebeschluss die veranlagungszeitraumbezogene Rechtsprechung und plädiert für einen einheitlichen, dispositionsbezogenen Rückwirkungsbegriff, s. BFH, Vorlagebeschluss v. 02.08.2006  – XI  R  34/02, BFHE  214, S.  386, 397 f. Für einen dispositionsbezogenen Rückwirkungsbegriff auch Vogel, JZ  1988, S.  833, 838; Birk, in: HHSp, § 4  AO (161.  EL, 06/1999) Rn.  739; Kirchhof, StuW  2000, S.  221, 223; Schaumburg, DB 2000, S. 1884 ff.; Loritz, in: FS Knemeyer 2012, S. 599 ff.; Loritz, WuB X. § 8 GewStG 1.13, S.  3 f.; tendenziell offen auch Mellinghoff, in: DStJG  27 (2004), S.  25, 38 ff. Insgesamt zur Kritik m.w.N. BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 18 f. 51 Hey, in: Tipke/Lang, § 3 Rn. 265; Kirchhof, StuW 2000, S. 221, 229. 52 BFH, Vorlagebeschluss v. 03.11.1982 – I R 3/79, BFHE 137, S. 275 ff.; BFH, Vorlagebeschluss v. 02.08.2006 – XI R 34/02, BFHE 214, S. 386, 396 ff. 53 BFH, Vorlagebeschluss v. 02.08.2006 – XI R 34/02, BFHE 214, S. 386, 397. 54 BFH, Vorlagebeschluss v. 02.08.2006 – XI R 34/02, BFHE 214, S. 386, 397 f.

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3. Kap.: Vertrauensschutz

b) Kritische Würdigung Der dispositionsbezogene Rückwirkungsbegriff vermag nicht zu überzeugen. Vielmehr ist an der überlieferten Differenzierung zwischen echter und unechter Rückwirkung festzuhalten.55 Jeder Ansatz, der die abgeschlossene Disposition zum Anknüpfungspunkt einer entsprechenden Rückwirkungsdogmatik machen möchte, verliert die einfachgesetzliche Grundentscheidung bezüglich des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung im Ertragsteuerrecht aus den Augen. Die grundsätzliche, überaus problematische und hier nur ansatzweise zu vertiefende Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Prinzip der Abschnittsbesteuerung überhaupt Ver­ fassungsrang aufweist, liegt hauptsächlich dem jeweiligen verfassungsrechtlichen Verständnis des Ertrag-/Einkommensteuerbegriffs bzw. den damit verbundenen gleichheitsrechtlichen Maßgaben des Steuerzugriffs zugrunde. Sofern davon ausgegangen wird, dass die Einkommensteuer auf das Gesamteinkommen bzw. die Totalperiode der Einkünfteerzielung abstellt, ließe sich die verfassungsrechtliche Geltung des Prinzips der Abschnittsbesteuerung durchaus bezweifeln bzw. gänzlich ablehnen.56 Andererseits muss in verfassungshistorischer Hinsicht bedacht werden, dass dem Grundgesetz kein spezifischer Begriff der Einkommensteuer zugrunde liegt.57 Insbesondere lässt sich mit beachtlichen Gründen die gegenteilige These vertreten, wonach der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung, jedenfalls mittelbar über das Folgerichtigkeitsprinzip, ein Rechtsgrundsatz mit Verfassungsrang ist.58 Gerade der Abschluss eines Veranlagungszeitraums und das damit verbundene Veranlagungsprinzip sorgen für eine verstetigte Einnahmeplanung des Staates.59 Gleichzeitig dienen die endgültige Veranlagung und das damit verbundene Rechtsinstitut der Bestandskraft dem Rechtsfrieden des Grundrechtsträgers und sind deshalb gleichsam Ausdruck des Prinzips der Rechtssicherheit. Überdies ist das Prinzip der Abschnittsbesteuerung in verfassungsrechtlicher Hinsicht Ausdruck des durch das Demokratieprinzip hervortretenden steten Änderungsinteresses des Gesetzgebers. Es markiert insofern die verfassungsrechtliche Zäsur zwischen den Bestandsinteressen des Bürgers sowie den Änderungsinteressen des Gesetzgebers. Dadurch wird der betroffene Bürger nicht rechtlos gestellt. Nach den hier vertretenen Maßstäben sorgt

55

Wie hier Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn. 739. So insbesondere Musil, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2 EStG Rn. 900; Hey, in: Tipke/ Lang, § 8 Rn. 44; Röder, Verlustverrechnung, S. 229 ff.; jeweils m.w.N. 57 Insbesondere vor dem Hintergrund, wie die Leistungsfähigkeit anhand verfassungsrechtlicher Maßstäbe zu bestimmen ist, s. dazu Vogel/Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rn. 528. 58 Kirchhof, in: 57.  DJT 1988, S.  F  1, F  75 ff.; Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 2 EStG Rn. 18; Lehner, in: FS Raupach 2006, S. 67, 76 f.; Schaumburg/Schaumburg, StuW 2013, S. 61, 62 f. 59 So auch Kirchhof, in: 57. DJT 1988, S. F 1, F 76. 56

III. Die klassische Rückwirkungsdoktrin des BVerfG und Kritik im Schrifttum

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die Differenzierung zwischen echter und unechter Rückwirkung zunächst für eine klare Einordnung der verfassungsrechtlich anerkannten Vertrauensschutzkriterien. Sodann ist es – lösbare – Aufgabe der jeweiligen Abwägungsdogmatik von echter und unechter Rückwirkung, freiheitsschonende Maßgaben für den Schutz des Individualvertrauens zu entwickeln, wie dies jetzt auch das Bundesverfassungsgericht vertritt.60 Ein dispositionsbezogener Rückwirkungsbegriff wäre nach alledem dazu ge­ eignet, zusätzliche bzw. grundlegend neue verfassungsrechtliche Probleme im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Gewährung von Vertrauensschutz hervorzurufen:61 Nimmt man die Forderungen der Befürworter des dispositionsbezogenen Rückwirkungsbegriffs ernst, würde dies auf die Gewährung von periodenübergreifendem – und damit im Ergebnis dauerhaftem – Vertrauensschutz hinauslaufen. Dass dieses Ergebnis allerdings weder nach den Maßgaben des Rechtsstaatsprinzips noch den individuellen Wertungen der Grundrechte vertretbar ist, leuchtet ein. Die Belange des Dispositionsschutzes sind daher vielmehr als Kriterium zur Beurteilung der Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens einzuordnen. Somit ist dem IX.  Senat des Bundesfinanzhofs darin beizupflichten, dass eine Aufgabe der überkommenen Dogmatik den Vertrauensschutz im Bereich von echten Rückwirkungen deutlich verringern würde.62 Der von den Kritikern der unechten Rückwirkung erhobene Vorwurf, dass einzelne Dispositionen nur unzureichend geschützt werden, kann durch eine entsprechend konsequente sowie freiheitsschonende Handhabung des Abwägungserfordernisses im Rahmen der unechten Rückwirkung begegnet werden. Dies zeigt ebenfalls der Vorlagebeschluss des IX. Senats des Bundesfinanzhofs, wonach das verfassungsrechtliche Schutzniveau durch eine generelle Übertragung der für den Bereich der Verschonungssubventionen und Steuervergünstigungen anerkannten verstärkten Vertrauensschutzmaßgaben63 auf den Bereich der unechten Rückwirkung im Bereich der Fiskalzwecknormen erhöht werden kann.64 Nach alledem ist die Einführung eines dispositionsbezogenen Rückwirkungsbegriffs verfassungsrechtlich weder geboten noch überzeugend. Vielmehr muss mit dem Bundesverfassungsgericht zwischen echter und unechter Rückwirkung unterschieden werden.

60

BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 17 ff. In diese Richtung BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S.  1, 19 f. sowie Wernsmann, Verhaltenslenkung, S.  420 f.; deutlich: Spindler, in: DStJG  27 (2004), S. 69, 85 ff. 62 BFH, Vorlagebeschluss v. 16.12.2003 – IX R 46/02, BFHE 204, S. 228, 243. 63 So in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Schiffbausubventionen, BVerfG, Beschluss v. 03.12.1997 – 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, S. 67. 64 BFH, Vorlagebeschluss v. 16.12.2003 – IX R 46/02, BFHE 204, S. 228, 244. 61

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3. Kap.: Vertrauensschutz

IV. Die neue Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts Durch die Beschlüsse des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts zur Rückwirkung im Steuerrecht I–III65 vom 07.07.2010 sowie den Beschluss des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10.10.2012 hat die verfassungsgerichtliche Rückwirkungsdogmatik auf dem Gebiet der unechten Rückwirkung im Steuerrecht eine grundlegende Änderung erfahren, die im Schrifttum eine Diskussion auf breiter Ebene hervorgerufen hat.66 Die Änderung der Rechtsprechung verdient im Rahmen der vorliegenden Untersuchung einer kritischen Würdigung vor dem Hintergrund, dass die vom Bundesverfassungsgericht und der Literatur vorgenommene Fallgruppenbildung potenziell für eine Vertrauensschutzdogmatik steuerrechtlicher Verwaltungsvorschriften fruchtbar gemacht werden kann. Bereits an dieser Stelle sei dabei betont, dass angesichts der geringen verfassungsdogmatischen Unterschiede zwischen der Rechtsprechung des 1. und 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts67 die neuere Rechtsprechungslinie einheitlich behandelt wird. 1. Beibehaltung der Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung Das Bundesverfassungsgericht hält in den Beschlüssen zur Rückwirkung im Steuerrecht an der im Schrifttum vielfach kritisierten68 Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung fest.69 Dies wird maßgeblich mit der Überlegung begründet, dass die Rechtsfolgen einer echten Rückwirkung als beson-

65 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010  – 2  BvL  14/02 u.a., BVerfGE  127, S.  1 ff.; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61 ff.; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31 ff. 66 Spindler, Stbg.  2010, S.  529 ff.; Birk, FR  2011, S.  1 ff.; Musil/Lammers, BB  2011, S. 155 ff.; Desens, StuW 2011, S. 113 ff.; Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn. 767 ff.; Milatz/ Herbst, GmbHR  2010, S.  1018 ff.; Koops/Dräger, DB  2010, S.  2247 ff.; Förster, DB  2010, S. 259 ff.; Heuermann, DB 2011, S. 551 ff.; Söffing, BB 2011, S. 917 ff.; Gelsheimer/Meyen, DStR 2011, S. 193 ff.; Schmidt/Renger, DStR 2011, S. 693 ff.; Morgenthaler/Stracke, JZ 2011, S. 786 ff.; El Mourabit/Seufer, FR 2012, S. 335 ff.; Momen, BB 2011, S. 2781 ff.; Hey, in: Tipke/ Lang, § 3 Rn. 266 ff.; Jochum, Grundfragen, S. 39 ff.; Marfels, StBW 2012, S. 1083 ff.; Birk/ Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 178 ff.; Desens, FR 2013, S. 148 ff.; Scharfenberg, DB 2013, S. 85 ff.; Hey, in: FS Kirchhof, Bd. II 2013, S. 1657, 1661 ff.; Krüger, DStZ 2013, S. 137 ff.; Schwarz, JA 2013, S. 683 f. 67 Desens, FR 2013, S. 148, 155. 68 Vgl. die Nachweise bei Desens, StuW 2011, S. 113, 116 (Fn. 44 ebd.). 69 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 18 ff.; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 46 ff.; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 77 ff.; BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 317 ff.

IV. Die neue Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts

131

ders schützenswerte Kategorie aufrechterhalten bleiben müssen.70 Trotz einer Beibehaltung der Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung hat das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine verfassungsrechtlich – nicht prinzipiell unzulässige – unechte Rückwirkung verschärft. Es führt hierzu aus: „Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt.“71

2. Die neuen Vertrauenstatbestände des Bundesverfassungsgerichts auf dem Gebiet der unechten Rückwirkung In Abkehr von der bisherigen Vertrauensschutzdogmatik hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Beschlüssen auf dem Gebiet der unechten Rückwirkung drei neue Fallgruppen zur Ausdifferenzierung des Vertrauensschutzes geschaffen, die im Schrifttum größtenteils auf Zustimmung gestoßen sind.72 Diese lassen sich im Wesentlichen nach dem Grad der rechtlichen Verwirklichung einer Vertrauensbetätigung unterscheiden und werden im Folgenden näher erläutert. a) Der „konkret vorhandene Vermögensbestand“ aa) Anerkennung von steuerfreien Wertzuwächsen als vertrauensbegründender Tatbestand Zunächst soll nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die bloße Möglichkeit einer steuerfreien Wertrealisierung als tauglicher Anknüpfungspunkt für geschütztes Vertrauen genügen. In seinen Beschlüssen zu den §§ 17, 23  I  EStG 70

BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 19; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 77; sinngemäß auch BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 318; jetzt auch BVerfG, Beschluss v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, DStR 2014, S. 520, 327. 71 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010  – 2  BvL  14/02 u.a., BVerfGE  127, S.  1, 18; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010  – 2  BvL  1/03 u.a., BVerfGE  127, S.  31, 48; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010  – 2  BvR  748/05 u.a., BVerfGE  127, S.  61, 77; vgl. auch BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 320. 72 Ausführlich Desens, StuW 2011, S. 113, 117 ff.; s. auch Koops/Dräger, DB 2010, S. 2247, 2250 f.; Birk, FR  2011, S.  1, 5 f.; Gelsheimer/Meyen, DStR  2011, S.  193, 195 ff.; Momen, BB 2011, S. 2781, 2784 ff.; Morgenthaler/Stracke, JZ 2011, S. 786, 791 f.; Hey, in: Tipke/Lang, § 3 Rn. 266 ff.; Schwarz, JA 2013, S. 683, 686 f.

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3. Kap.: Vertrauensschutz

wurden erstmals steuerfreie Wertzuwächse als „konkret vorhandene Vermögensbestände“ anerkannt.73 Dieser Vermögensbestand werde bereits durch reinen Zeitablauf ohne weiteres Dispositionserfordernis erworben; subjektive Schutzbedürftigkeitsfragen seien angesichts der generalisierenden Sicht des Gesetzgebers außer Acht zu lassen.74 Nach der neuen Rechtsprechung erweist sich das Vertrauen des Steuerbürgers insofern als schutzwürdig, wenn sich dessen Vermögen aufgrund der Steuerfreiheit einer potenziellen Veräußerung konkret mehren ließe. bb) Dogmatische Herleitung Die konkret vorhandenen Vermögensbestände sollen nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts im grundrechtlich geschützten Verfügungsbereich veran­ kert sein.75 Eine weitere Festlegung erfolgt dabei nicht, sodass es an dieser Stelle einer genaueren dogmatischen Konturierung bedarf. (1) Art. 14 GG In den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts fehlen naheliegende Äußerungen zu einer Verankerung der Vermögensposition im Bereich des Art. 14 I GG. Allerdings sind im Bereich der Literatur Tendenzen erkennbar, Bezüge zu Art. 14 GG herzustellen76 und den steuerfreien Vermögenszuwachs insoweit eigentumsrechtlich geschützt zu sehen.77 Das ist nicht unbedenklich. Ungeachtet der Frage, ob die Auferlegung von Steuern als Eingriff in Art. 14 I GG zu werten ist78 oder nicht,79 müssen die gesetzgeberischen Grundentscheidungen in Bezug auf Veranlagungssteuern beachtet werden. Nach § 38 AO i.V.m. § 36 I EStG entsteht die Einkommensteuer mit Ablauf des Veranlagungszeitraumes. Daher wird – unter Beibehaltung des veranlagungszeitraumbezogenen Rückwirkungsbegriffs  – bei unterhalb des Veranlagungszeitraums entstandenen steuerfreien Wertsteigerungen nicht von einer 73 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 21 f.; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 80. 74 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 22; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 81. 75 BVerfG, Fn. 74. 76 Birk, FR 2011, S. 1, 5; Desens, StuW 2011, S. 113, 127 f.; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 180. 77 So insbesondere Birk, FR 2011, S. 1, 5. s. auch Isensee, in: FS Klein 1994, S. 611, 619 ff. 78 So die Rechtsprechung des 2.  Senats des Bundesverfassungsgerichts, vgl. BVerfG, Beschluss v. 18.01.2006 – 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, S. 97, 111. 79 In diesem Sinne die Rechtsprechung des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts, vgl. BVerfG, Beschluss v. 31.05.1988 – 1 BvL 22/85, BVerfGE 78, S. 232, 243; BVerfG, Urteil v. 08.04.1997 – 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, S. 267, 300.

IV. Die neue Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts

133

„konkret“ verfestigten Vermögensposition im Sinne einer Forderung oder dergleichen gesprochen werden können.80 Überdies begegnet die Heranziehung von Art. 14 GG grundsätzlichen Bedenken: Eine Sichtweise, wonach steuerfreie Wertzuwächse einem nach Art. 14 GG geschützten Vermögensgegenstand gleichsam anheften, bricht mit der verfassungsrechtlich überlieferten Eigentumsdogmatik.81 Die Argumentation sieht sich insofern dem Vorwurf ausgesetzt, als dass Steuerminderungspotenzial durch die verfassungsrechtliche „Hintertür“ zu eigentumsfähigen Rechtspositionen aufgewertet wird. Eine verfassungsrechtliche Herleitung des konkret vorhandenen Vermögensbestands aus Art.  14 GG kann nach alledem nicht überzeugen. (2) Art. 2 I GG Die soeben erhobenen Bedenken werden durch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur freiheitsrechtlichen Verankerung des konkret vorhandenen Vermögensbestands bestätigt. In den Beschlüssen zu den §§ 17, 23 EStG wird die überlieferte Linie des Gerichts betont, wonach die bloße Möglichkeit, Gewinne später steuerfrei vereinnahmen zu können, freiheitsrechtlich nach wie vor grundsätzlich nicht geschützt sei.82 Dies ist überzeugend, da die Erwartungen auf Gewinne oder Wertsteigerungen weder von der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG noch von der Berufsfreiheit des Art. 12 I GG umfasst sind.83 Insofern können zukunftsgerichtete Erwartungen auf steuerfreie Einnahmen nicht gleichsam retrospektiv in Art. 14 I GG verankert werden.84 (3) Art. 3 I GG Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur gleichheitsrechtlichen Verortung des konkret vorhandenen Vermögensbestands.85 Das Bundesverfassungsgericht folgt in den Beschlüssen seiner

80

Ähnlich Desens, StuW 2011, S. 113, 128. Zu dieser überlieferten Dogmatik: Pieroth, Rückwirkung, S. 349 ff.; Werder, Dispositionsschutz, S. 157; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 GG Rn. 160 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14  GG Rn. 165 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 14 GG Rn. 18 ff.; speziell zum Halbteilungsgrundsatz Möstl, DStR 2003, S. 720, 725 f. 82 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 21; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 79; ähnlich ebenfalls BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 319 f. 83 Badura, Staatsrecht, C 80. 84 So auch Desens, StuW 2011, S. 113, 128; tendenziell ähnlich Hey, in: FS Kirchhof, Bd. II 2013, S. 1657, 1659 f. 85 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 22 ff.; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 81 ff. 81

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3. Kap.: Vertrauensschutz

allgemeinen Vorgehensweise, die Verfassungsmäßigkeit von Steuergesetzen anhand des Prinzips der Folgerichtigkeit oder aber der steuerlichen Leistungsfähigkeit zu messen.86 (a) Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip In seinem Beschluss zu § 17  EStG prüft das Bundesverfassungsgericht die rückwirkende Herabsetzung der Beteiligungsgrenze als rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung anhand Art. 3 I GG.87 Dabei wendet der Senat als Prüfungsmaßstab das Leistungsfähigkeitsprinzip unter Rekurs auf seine Rechtsprechung zur Pendlerpauschale88 an89. Grundannahme des Gerichts ist dabei, dass der bei einer Beteiligung entstehende Wertzuwachs die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen innerhalb des jeweiligen Kalenderjahres steigert.90 Aus Gründen „einer vorsichtigen, substanzschonenden Besteuerung“91 sei jedoch der insgesamt angefallene Zuwachs an steuerlicher Leistungsfähigkeit erst zum Zeitpunkt der Re­ alisation des Veräußerungsgewinns anzusetzen. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Prinzip der steuerlichen Leistungsfähigkeit tragen unverkennbar freiheitsrechtliche Bezüge mit Blick auf Art. 14 I GG in sich, wenn das Gericht auf eine substanzschonende Besteuerung abstellt. Zugleich muss dabei aber die Frage gestellt werden, ob diese Maßstäbe im Rahmen des Art. 3 I GG überhaupt berücksichtigt werden dürfen. Leitidee der Entscheidung ist offensichtlich, dass sich die höhere Leistungsfähigkeit insgesamt gleichmäßig auf den Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung beziehe92 und hierdurch die Ungleichbehandlung hervorgerufen werde. Bereits die Grundannahme des Bundesverfassungsgerichts muss als zweifelhaft, wenn nicht gar, wie Marc Desens formuliert, angreifbar93 betrachtet werden. Denn das Bundesverfassungsgericht muss sich insofern an seiner Veranlagungszeitraum-Rechtsprechung festhalten lassen und darf folglich nur das jeweilige Kalenderjahr als typischen Vergleichsmaßstab heranziehen. Die Einordnung des Veräußerungsgewinns ist keineswegs, wie das Bundesverfassungsgericht ausführt, eine „bloß formale Zuordnung“94 zu einem Veranlagungszeitraum, sondern auch 86 Vgl. dazu aus jüngerer Zeit z.B. BVerfG, Beschluss v. 15.01.2008  – 1  BvL  2/04, BVerfGE  120, S.  1, 29 ff.; BVerfG, Beschluss v. 06.07.2010  – 2  BvL  13/09, BVerfGE  126, S. 268, 278 ff. 87 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 81 ff. 88 BVerfG, Urteil v. 09.12.2008 – 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, S. 210, 231. 89 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 81. 90 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 82. 91 BVerfG, Fn. 90. 92 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 82. 93 Desens, StuW 2011, S. 113, 129. 94 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 82.

IV. Die neue Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts

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eine wertende Grundentscheidung des Gesetzgebers hinsichtlich der Bestimmung steuerlicher Leistungsfähigkeit.95 Mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip ist es unter einer auf den Veranlagungszeitraum bezogenen Betrachtungsweise durchaus vereinbar, im Folgejahr nach der Steuerfreiheit alle Veräußerungsgewinne unabhängig vom Vorjahreszeitraum im Sinne einer gleichen Bemessungsgrundlage zu erfassen.96 Das ist aber – wie der Senat selbst sieht – eine politische Entscheidung.97 Insofern hätte es gleichsam einen Schritt weiter nahegelegen, die genaue Ausgestaltung des Systems der Veräußerungsgewinnbesteuerung im Rahmen gewerblicher Einkünfte und damit auch des § 17 EStG anhand des Folgerichtigkeitsgebots zu überprüfen.98 (b) Folgerichtigkeitsgebot In der Entscheidung zu den Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 23 EStG und der rückwirkenden Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre sieht das Bundesverfassungsgericht den Verstoß des Gesetzgebers im einkommensteuerrechtlichen Zugriff auf steuerfrei erworbene Vermögenszugänge und damit dem Gebot einer folgerichtigen Ausgestaltung der einkommensteuerrechtlichen Belastungsentscheidungen.99 Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts trifft das Einkommensteuergesetz eine Belastungsgrundentscheidung mit der Trennung von Gewinn- und Überschusseinkunftsarten dahingehend, dass bei Überschusseinkunftsarten grundsätzlich nur die Erträge des eingesetzten Vermögens besteuert werden.100 Sodann folgen Ausführungen zum Realisationsprinzip und zum Prinzip der Abschnittsbesteuerung. Maßgeblich sei bei einer Durchbrechung der periodischen Einkommensbesteuerung aufgrund des Realisationsprinzips die Überlegung, dass die Liquidität des Steuerpflichtigen zu schonen sei.101 Insbesondere bleibe das Jahreseinkommen der Maßstab der finanziellen Leistungsfähigkeit.102 Es sei demzufolge nicht folgerichtig, wenn Wertzuwächse rückwirkend erfasst werden, die in der Vergangenheit steuerfrei gewesen sind.103 Inwieweit die Frage einer folgerichtigen Ausgestaltung des Systems der Veräußerungsgewinnbesteuerung etwas mit Vertrauensschutz sowie dem Periodizitätsprinzip zu tun haben soll, erschließt sich nach Lektüre der Urteilsbegrün 95

Kirchhof, in: 57. DJT 1988, S. F 1, 75 ff. Birk, FR 2011, S. 1, 6 f. 97 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 29. 98 Wie es das BVerfG in seiner Entscheidung zu § 23 EStG handhabt, vgl. BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 22 ff. 99 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 22 ff.; jetzt bestätigt durch BVerfG, Beschluss v. 01.04.2014 – 2 BvL 2/09, juris, Rn. 51. 100 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 22 f. 101 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 24. 102 BVerfG, Fn. 101, BVerfGE 127, S. 1, 24. 103 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 24 f. 96

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3. Kap.: Vertrauensschutz

dung nicht.104 Vielmehr hätte es nahe gelegen, dass das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die von ihm selbst zu Beginn der Folgerichtigkeit gemachten Ausführungen hinsichtlich der gesetzgeberischen Grundentscheidung zwischen Gewinn- und Überschusseinkunftsarten105 konsequent weiter geprüft hätte. Die Entscheidung geht schließlich an anderer Stelle davon aus, dass es eine gesetzgeberische Grundentscheidung sei, ob Gewinne aus der Veräußerung von Grundstücken der Einkommensteuer unterliegen oder nicht.106 Wenn es aber eine Frage politischer Gestaltung ist, ob und inwieweit Veräußerungsgewinne der Besteuerung unterworfen werden, so kann es keinen Unterschied machen, ob es sich um bereits angeschaffte oder noch anzuschaffende Grundstücke handelt.107 Das Bundesverfassungsgericht durchbricht seine Argumentation hinsichtlich der Periodenbesteuerung insoweit selber: Einerseits wird der Zuwachs an steuerlicher Leistungsfähigkeit dem jeweiligen Kalenderjahr zugeordnet, andererseits werden aber innerhalb eines Veranlagungszeitraums die Wertungen aus anderen Kalenderjahren in den späteren Veranlagungszeitraum übertragen. (4) Zusammenfassung Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsrechtlichen Herleitung des „konkret vorhandenen Vermögensbestands“ sind mit dogmatischen Unsicherheiten behaftet. Es ist den Beschlüssen die Tendenz zu entnehmen, die Vertrauensschutzproblematik nunmehr nicht ausschließlich im Rechtsstaatsgebot des Art. 20 III GG zu verankern, sondern auch (wenngleich nicht explizit) die freiheitsrechtlichen Dimensionen stärker in den Vordergrund zu rücken. Schwer nachvollziehbar und der Sache nach nicht überzeugend ist die Verknüpfung des Vertrauensschutzprinzips mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art.  3  I  GG.108 Die Norm des Art. 3 I GG dient nach der derzeitigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu einer lastengerechten Ausgestaltung des Steuerrechts, wonach Systementscheidungen des Gesetzgebers einerseits leistungsgerecht und andererseits folgerichtig gehandhabt werden müssen. Fragen des Vertrauensschutzes können dessen Wertungen zwar verstärken, sind verfassungsrechtlich indes nicht unmittelbar mit ihm verknüpft.109 Das in den Beschlüssen latent anklingende verfassungsrechtliche Problem der Gleichheit in der Zeit kann richtigerweise aufgrund 104

Skeptisch auch Desens, StuW 2011, S. 113, 128. BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 22 f. 106 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 27 ff., insb. S. 29. 107 Was das Bundesverfassungsgericht an anderer Stelle des Beschlusses (nämlich auf Ebene der Rechtfertigung) auch mehr oder weniger anerkennt, vgl. BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 25. 108 Unklar insofern BVerfG, Beschluss v. 01.04.2014  – 2  BvL  2/09, juris, Rn.  52, wo der 2. Senat gegenüber dem Bundesfinanzhof eine Vermengung dieser Maßstäbe rügt. 109 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3 GG Rn. 255 f.; ähnlich wohl auch Heun, in: Dreier, Art. 3 GG Rn. 40 f. 105

IV. Die neue Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts

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des fehlenden Vergleichsmaßstabs nicht über die Wertungen des Art. 3 I GG, sondern nur durch konsequente Handhabung des Rechtsstaatsprinzips sowie der Freiheitsgrundrechte gelöst werden.110 Der entscheidende Punkt einer gleichheitsrechtlichen Fundierung der Vertrauensschutzproblematik ist folglich, dass Art. 3 I GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Funktion eines gleichheitsrechtlichen „Katalysators“ zum Ausgleich verfassungsrechtlich nicht bewältigter freiheitsrechtlicher Defizite im Bereich des Steuerrechts innehat.111 cc) Rechtfertigungsanforderungen bei Vorliegen einer unechten Rückwirkung im Bereich des „konkret vorhandenen Vermögensbestands“ Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat sich für den Bereich der unechten Rückwirkung bei konkret vorhandenen Vermögensbeständen deutlich verschärft. Das allgemeine Änderungsinteresse des Gesetzgebers112 sowie die bloße Absicht, staatliche Mehreinkünfte zu erzielen,113 reichen nicht mehr für eine Durchbrechung der Schutzwürdigkeit des Vertrauens aus. Allenfalls die Gesichtspunkte der Praktikabilität und Vereinfachung kommen noch für eine grundsätzliche Rechtfertigung infrage.114 Gleiches gilt für den Aspekt der Missbrauchsbekämpfung. Jedoch behält sich das Bundesverfassungsgericht auch für diesen Bereich vor, die diesbezügliche Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers stärker einzuschränken.115 Die Verschärfung der Rechtfertigungsanforderungen bei unechten Rückwirkungen ist notwendige Folge der strengeren Verhältnismäßigkeitsprüfung, wonach nur besondere Gründe die Enttäuschung des Vertrauens rechtfertigen können. Die restriktiven Anforderungen auf der Rechtfertigungsebene sind zugleich Ausdruck der tendenziell freiheitsrechtlichen Verankerung des Vertrauensschutzprinzips ne 110 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3 GG Rn. 255 f.; anders Musil/Lammers, BB 2011, S. 155, 160. 111 Dies zeigen auch die jüngeren Ausführungen des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung des häuslichen Arbeitszimmers. Dort wird nämlich unter Verweis auf den gleichheitsrechtlichen Verstoß eine Verletzung von Art. 12 GG offengelassen. Gleichzeitig betont der Senat, dass im Übrigen keine berufsregelnde Tendenz erkennbar sei. Das gespaltene Verhältnis des BVerfG zu Besteuerung und Freiheitsgrundrechten tritt hier offen zutage. s. BVerfG, Beschluss v. 06.07.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, S. 268, 284. 112 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 25 f.; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 82 f. 113 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 26; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 83. 114 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 83 f. 115 Anders lassen sich nicht die in BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010  – 2  BvR  748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 84 gemachten Ausführungen erklären, in denen das Bundesverfassungsgericht ausführlich begründet, warum die Fälle des sog. „ballooning“ keinen Missbrauch von steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten darstellen sollen.

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3. Kap.: Vertrauensschutz

ben dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 III GG.116 Im Hinblick auf die demokratische Legitimation des Gesetzgebers muss allerdings die Auffassung des Gerichts bezweifelt werden, dass die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers ohne nähere Abwägung einseitig zugunsten des Vertrauensschutzes eingeschränkt werden kann: Eine derartige Vorgehensweise steht im Widerspruch zu den früheren Entscheidungen zur Mietpreisbindung oder den Schiffsbausubventionen, wo dem Gesetzgeber hinsichtlich der Missbrauchsbekämpfung großzügige und zeitlich umfangreiche Einschätzungsprärogativen gewährt wurden.117 b) Die Rechtsfigur der „verbindlichen Dispositionen“ aa) Verfassungsgerichtliche Anerkennung eines Dispositionsschutzes Nach derzeitiger verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung reichen auch verbindlich getätigte Dispositionen aus, um Vertrauensschutz begründen zu können. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in seiner bisherigen Rechtsprechung einen Dispositionsschutz, d.h. einen Schutz von betätigten Entscheidungen über Investitionen, Konsum oder Sparen,118 nicht anerkannt.119 Unter Rekurs auf seine frühere Rechtsprechung120 betont das Gericht auch in den jüngeren Beschlüssen nochmals explizit, dass „die allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz“121

verdiene. Weiterhin wird klargestellt, dass auch die Möglichkeit, Gewinne steuerfrei vereinnahmen zu können, vom Vertrauensschutz grundsätzlich nicht umfasst sei.122

116

Birk, FR 2011, S. 1, 5; Desens, StuW 2011, S. 113, 127 f. Zum Kontrollumfang insbesondere Stettner, NVwZ 1989, S. 806, 808; s. dazu einerseits BVerfG, Beschluss v. 15.10.1996 – 1 BvL 44/92, BVerfGE 95, S. 64, 89; andererseits BVerfG, Beschluss v. 03.12.1997 – 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, S. 67, 82. 118 Schaumburg, DB  2000, S.  1884, 1888; Kirchhof, StuW  2000, S.  221, 227 f.; Spindler, DStR 2001, S. 725, 728. 119 Das wird in der Entscheidung zu den Sozialpfandbriefen explizit betont, BVerfG, Beschluss v. 05.02.2002 – 2 BvR 305/93, BVerfGE 105, S. 17, 39 ff. 120 BVerfG, Beschluss v. 17.07.1974  – 1  BvR  51/69  u.a., BVerfGE  31, S.  61, 83; BVerfG, Beschluss v. 31.10.1984  – 1  BvR  35/82, BVerfGE  68, S.  193, 222; BVerfG, Beschluss v. 05.02.2002  – 2  BvR  305/93, BVerfGE  105, S.  17, 40; BVerfG, Beschluss v. 05.02.2004  – 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, S. 133, 180 f.; BVerfG, Beschluss v. 08.12.2009 – 2 BvR 758/07, BVerfGE 125, S. 104, 135. 121 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010  – 2  BvL  14/02 u.a., BVerfGE  127, S.  1, 17; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010  – 2  BvL  1/03 u.a., BVerfGE  127, S.  31, 47; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 76. 122 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 21; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 79. 117

IV. Die neue Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts

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Sodann vollzieht das Bundesverfassungsgericht im Urteil zur Tarifbegünstigung gem. § 34 EStG einen erstaunlichen Wandel: Nach Wiederholung der im Verfahren „Rückwirkung im Steuerrecht  I“123 aufgestellten Grundsätze kommt der Senat zu dem Ergebnis, die Erwartung, auf eine Entschädigung werde nur ein bestimmter Steuersatz angewandt, sei „uneingeschränkt schutzwürdig“124. Zwar spricht der 2. Senat in der Folge nur von einem „betätigten Vertrauen“125 sowie von „Entscheidungen über Sparen, Konsum oder Investitionen“126. Der Sache nach handelt es sich hier aber um die Anerkennung eines Dispositionsschutzes,127 was die Ausführungen zu den „vertraglich erworbenen Rechtspositionen“ an anderer Stelle nochmals verdeutlichen.128 Diese Linie wurde im Beschluss des 1. Senats vom 10.10.2012 nochmals hervorgehoben,129 obgleich das Gericht in dieser Entscheidung unter fragwürdiger Handhabung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe des Unternehmenssteuerrechts einen Vertrauensschutz im Ergebnis ablehnt.130 bb) Dogmatische Herleitung sowie Voraussetzungen des Dispositionsschutzes Erstaunlich ist ebenfalls die Begründung der Anerkennung des Dispositionsschutzes: Maßgeblich sei nach Auffassung des 2.  Senats eine „erhebliche Bedeutung“131 für den Steuerpflichtigen im Hinblick auf den zu erwartenden Nettoertrag. Damit erschöpfen sich die Ausführungen des Gerichts zur dogmatischen Herleitung des verfassungsrechtlichen Dispositionsschutzes. Auch hinsichtlich der Voraussetzungen des Dispositionsschutzes bleibt das Bundesverfassungsgericht im Vagen. Der Beschluss sagt lediglich, dass bereits mit dem Vertragsschluss eine entsprechende Disposition getätigt sei.132 Diese Begründung hat zur Folge, dass bei jeder betätigten steuerlichen Investitionsentscheidung ein dem Grunde nach anzuerkennender Dispositionsschutz zu gewähren, mithin ein Vertrauenstatbestand gegeben ist.

123

BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 17 ff. BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 49. 125 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 49 f. 126 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 57. 127 Desens, StuW 2011, S. 113, 117 f. 128 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 54. 129 BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 330 f.; s. auch Desens, FR 2013, S. 148, 150. 130 s. dazu insbesondere die Kritik bei Desens, FR 2013, S. 148, 150 f. 131 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 50. 132 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 57. 124

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3. Kap.: Vertrauensschutz

cc) Einschränkungen auf Ebene der Schutzwürdigkeit Die mit der Anerkennung eines Dispositionsschutzes verbundenen Unsicher­ heiten, insbesondere die gesetzgeberischen Unwägbarkeiten, hat auch das Bundes­ verfassungsgericht gesehen. Aus diesem Grund hat es zahlreiche Differenzierungen auf Ebene der Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens133 vorgenommen. (1) Einbringung eines Gesetzesbeschlusses in den Bundestag Zunächst ist nach der Rechtsprechung des 2.  Senats des Bundesverfassungsgerichts weniger schutzbedürftig, wer seine Dispositionen nach Einbringung eines Gesetzesentwurfs in den Bundestag tätigt. Ausreichend sei hier sogar die Einbringung eines Gesetzesentwurfs durch ein „initiativberechtigtes Organ“.134 Folglich seien ab diesem Zeitpunkt etwaige Rechtsänderungen allgemein voraussehbar, dem könnten Steuerpflichtige anhand von Anpassungsklauseln in den jeweiligen Verträgen begegnen.135 An anderer Stelle des Beschlusses wird diese Auffassung jedoch dahingehend eingeschränkt, als dass sich die Rechtsänderung „konkret“ abzeichnen müsse.136 Wie wenig überzeugend dieses Differenzierungskriterium ist, zeigt sich anhand nachfolgender Überlegungen: Würde die Einbringung eines entsprechenden Gesetzesentwurfes durch beliebige initiativberechtigte Organe des Bundestages ausreichen, hätten es sämtliche Fraktionen des Bundestages in der Hand, schützenswertes Vertrauen des Bürgers zu zerstören und damit die politische Handlungsfähigkeit der jeweiligen Regierung mittelbar zu blockieren. Gerade die Einbringung von Gesetzesentwürfen durch Oppositionsparteien sagt regelmäßig nichts darüber aus, ob die Gesetzesinitiative auch Erfolg haben wird. Zwar wird man bei einer Einbringung durch die Bundesregierung bei einer politisch ab­ gesicherten Mehrheit im Bundestag tendenziell von einem Gesetzesbeschluss ausgehen können, sicher ist dies indes nicht.137 Das vom 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts einschränkend angeführte Kriterium der konkreten Abzeichnung einer Änderungsmöglichkeit der gesetzlichen Regelung ist in diesem Zusammenhang nicht geeignet, die soeben dargestellten Unsicherheiten zu beseitigen. Nach alledem verwundert es nicht, wenn der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts an der Rechtsauffassung des 2. Senats zumindest zweifelt und den Zeitpunkt schutz 133 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 50 ff.; BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 322 f. 134 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 50. 135 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 50; bestätigt durch den 1.  Senat des Bundesverfassungsgerichts, vgl. BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012  – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 324. 136 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 57. 137 Zweifelnd auch Marfels, StBW 2012, S. 1083, 1085; Krüger, DStZ 2013, S. 137, 140 f.

IV. Die neue Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts

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würdigen Vertrauens – allerdings für die sogleich folgende und im Rahmen dieser Untersuchung als „Tatbestandslösung“ bezeichnete Fallgruppe – jedenfalls bis zum Beschluss des Vermittlungsausschusses ausdehnt.138 Ebenfalls der Verweis darauf, möglichen Gesetzesänderungen durch Anpassungsklauseln innerhalb des Vertrages vorzubeugen, begegnet Bedenken. Es mag sein, dass zivilrechtlich gewisse steuerliche Rechtsänderungen vertraglich abgesichert werden können. Dies setzt regelmäßig voraus, dass der andere Vertragspartner zur Aufnahme entsprechender Klauseln bereit ist, was sowohl aufgrund der unabsehbaren finanziellen Auswirkungen als auch aus verhandlungsstrate­ gischen Aspekten regelmäßig nicht der Fall sein wird.139 Darüber hinaus zeigt die zivilrechtliche Judikatur zu § 313 BGB, dass eine Vertragsanpassung bei Rechtsänderungen im Steuerrecht nur in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich ist.140 (2) Zeitraum von maximal zwei Veranlagungszeiträumen Eine weitere fragliche Einschränkung nimmt der 2.  Senat des Bundesverfassungsgerichts für den Zeitraum schutzwürdiger Dispositionen vor. Dispositions­ schutz sei nur über eine Periode von maximal zwei Veranlagungszeiträumen zu gewähren.141 Ansonsten wird der vorausplanende Steuerpflichtige auf die vertraglichen Anpassungsklauseln verwiesen, denn auch hier bleibe „die Möglichkeit zukünftiger Gesetzesänderungen[en] in Betracht zu ziehen“142. Begründet wird diese Einschränkung mit dem Argument, dass sich die Zeitspanne für Entschädigungszahlungen gem. § 24 Nr. 1 EStG typischerweise innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren bewege. Bezüglich der Einbeziehung des Folgejahres wird angeführt, dass die besondere Schutzbedürftigkeit aus der Abschätzbarkeit des wirtschaftlichen Ergebnisses der Vereinbarung resultiere, insbesondere der zu zahlende Bruttobetrag sowie der auszuzahlende Nettobetrag seien hier der maßgebliche Bezugspunkt.143 Aufgrund der Schnelllebigkeit des Ertragsteuerrechts könne nicht mehr als einen Veranlagungszeitraumwechsel auf den Bestand der infrage stehenden Rechtsnorm vertraut werden.144 138 BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 324 ff.; die Frage, ob die Einbringung eines Gesetzesentwurfs stets als der maßgebliche Zeitpunkt angesehen werden kann, hat der 1. Senat dagegen explizit offengelassen, vgl. BVerfG, ebd., S. 326. 139 Deutlich Loritz, in: FS Knemeyer 2012, S. 599, 611. 140 Die Möglichkeit potenzieller Rechtsänderungen fällt nämlich mangels anderweitiger Vereinbarungen wie der potenzielle Ertrag aus einem Rechtsgeschäft regelmäßig in die Risi­ kosphäre der jeweiligen Partei, vgl. Grüneberg, in: Palandt, § 313  BGB Rn.  34; Lorenz, in: Bamberger/Roth, § 313  BGB Rn.  60. Zur Steuerbefreiung für Sozialpfandbriefe explizit OLG München, Urteil v. 22.01.1997 – 7 U 4544–96, NJW-RR 1999, S. 557, 558. 141 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 51 u. 53. 142 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 51. 143 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 52 f. 144 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 53.

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3. Kap.: Vertrauensschutz

Die Begrenzung des Dispositionsschutzes auf einen Zeitraum von maximal zwei Veranlagungszeiträumen mag vom Grundsatz her ein taugliches und auch sinn­ volles Differenzierungskriterium zur Bestimmung der Schutzwürdigkeit sein. Indes führt die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Trennung zu einer starren „Alles-oder-Nichts“-Lösung, was zwangsläufig mit gewissen Härten verbunden und einer prinzipiell abwägungsoffenen Verhältnismäßigkeitsprüfung fremd ist.145 Im Übrigen verbleibt die auf zwei Veranlagungszeiträume beschränkte Argumentation mit Widersprüchen behaftet. Auf der einen Seite fordert das Bundesverfassungsgericht vom Steuerpflichtigen nämlich die vorausschauende Planung, um (noch) als schutzwürdig zu gelten,146 auf der anderen Seite wird der Steuerpflichtige für seine vorausschauende Planung „bestraft“,147 indem er unter Umständen über einen Zeitraum von knapp mehr als zwei Veranlagungszeiträumen disponiert. Ebenso wenig wird man eine unter Zuhilfenahme professioneller Beratung geplante Disposition fordern können, um sodann unter Verweis auf den „wirtschaftlichen, rechtlichen oder tatsächlichen Druck“148 eine ohne vertragliche Anpassungsklausel bzw. rechtliche Beratung vorgenommene Disposition, die innerhalb des festgelegten Zeitraums von zwei aufeinander folgenden Jahren getroffen wurde, für schutzwürdiges Vertrauen genügen zu lassen. Überdies darf ein generelles Problem nicht außer Acht gelassen werden: In einer Regelungsmaterie wie dem Steuerrecht ist es äußerst fraglich, ob dort hinsichtlich einmaliger bzw. wiederkehrender Sachverhalte über mehr als einen Veranlagungszeitraum in die geltende Rechtslage vertraut werden kann. So ist der Gesetzgeber –  von der gleichheitsrechtlichen Dimension abgesehen  – prinzipiell nicht gehindert, beispielsweise die Pendlerpauschale künftig gänzlich abzuschaffen. Dies ist namentlich der Überlegung geschuldet, dass dem Gesetzgeber die Ausgestaltung des Steuersystems als demokratisch legitimiertem Organ grundsätzlich freistehen muss.149 Etwas anderes ergibt sich regelmäßig insbesondere bei solchen Normen, deren Wirkkraft sich über mehrere Veranlagungszeiträume erstreckt, wie zum Beispiel Sonderabschreibungen. Hier liegt die Problematik nicht in der Abschaffung pro futuro, sondern in der Ausgestaltung des Übergangsrechts.150

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Desens, StuW 2011, S. 113, 118 f. BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 50. 147 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 51. 148 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 52. 149 Jachmann, in: v.  Mangoldt/Klein/Starck, Art.  105 GG Rn.  28; ähnlich auch Möstl, DStR 2003, S. 720, 726. 150 Ähnlich Hey, in: Tipke/Lang, § 3 Rn.  268 a.E. sowie jüngst BVerfG, Beschluss v. 01.04.2014 – 2 BvL 2/09, juris, Rn. 50 ff. 146

IV. Die neue Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts

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(3) „Gestaltbarkeit“ der Dispositionsentscheidung Der 1.  Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in seinem Beschluss vom 10.10.2012 die allgemeine Skepsis des Bundesverfassungsgerichts gegenüber einem Dispositionsschutz bekräftigt und zugleich nochmals verschärft. Er fordert für schutzwürdige Dispositionen im Hinblick auf die Steuerfreiheit von Streubesitzdividenden eine vom Gesellschafter „maßgeblich verantwortete Dispositionsentscheidung“151, da der Bürger das Ergebnis einer (Vorab-)Ausschüttung ansonsten „regelmäßig lediglich hinnehmen“152 werde. Eine mit Blick auf die Steuerfreiheit von Streubesitzdividenden getätigte Vorabausschüttung sei letztlich nicht mit einer Investitionsentscheidung vergleichbar, die im Vertrauen auf die Beständigkeit der Rechtslage erfolge.153 Bei genauerem Hinsehen beschränkt der 1. Senat schutzwürdige Dispositionen auf solche Entscheidungen, die einem gewissen Gestaltungseinfluss des Bürgers unterliegen und knüpft dabei entscheidend an die aktive Gestaltung der jeweiligen Disposition an. Der Grund dieser Einschränkung bleibt dabei jedoch im dogmatischen Dunkel. Insofern ist nämlich, um es in den Worten des 2. Senats zu halten, unklar, inwieweit sich der „entscheidende Nettoertrag“154 des „Minderheits“gesellschafters eines DAX-Konzerns, der seinen gesamten Anteil vorher steuerfrei hätte veräußern können und dies aufgrund der Steuerfreiheit der zu erwartenden Dividenden auch unterlässt, von einem gekündigten Arbeitnehmer und dessen vergünstigt zu besteuernder Entlassungsentschädigung unterscheidet.155 Schlussendlich bleibt anzumerken, dass der 1. Senat die soeben dargelegte fragwürdige Einschränkung offenbar selbst nicht konsequent einhält. An anderer Stelle des Beschlusses geht er offenbar doch von der Möglichkeit schutzwürdiger Dispositionen des Minderheitsgesellschafters aus,156 obgleich hier wiederum die verschiedenen vom 2. Senat entwickelten Fallgruppen nicht konsequent auseinandergehalten werden. Nach alledem ist davon auszugehen, dass entgegen der Auffassung des 1. Senats auch das bewusste Unterlassen potenzieller Folgedispositionen schutzwürdiges Vertrauen begründen kann. dd) Rechtfertigungsanforderungen bei Verletzung der verfassungsrechtlich schutzwürdigen Disposition Hinsichtlich der Rechtfertigungsanforderungen bei Verletzung schutzwürdiger Dispositionen setzt der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts – ebenfalls unter Abkehr von den bisherigen Rechtfertigungsgründen – neue Maßstäbe an. Das 151

BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 323. BVerfG, Fn. 151. 153 BVerfG, Fn. 151. 154 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 50. 155 Kritisch auch Desens, FR 2013, S. 148, 150. 156 BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 330 f. 152

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3. Kap.: Vertrauensschutz

schlichte Interesse an einer Gegenfinanzierung anderweitiger Steuerentlastungen reiche demnach nicht mehr zu einer Rechtfertigung der Entwertung der verfassungsrechtlich schutzwürdigen Disposition157 aus. Der 2.  Senat betont an dieser Stelle nochmals ausdrücklich, dass aufgrund der Ausgestaltung des § 34  EStG als Sondertarif die für eine allgemeine Tariferhöhung geltenden Maßstäbe nicht anzusetzen seien.158 Das ist bemerkenswert. Geht man nämlich davon aus, dass § 34 EStG (im Gegensatz zu früher) in seiner jetzigen Form als Sozialzwecknorm ausgestaltet ist,159 würde die Abschaffung von Fiskalzwecknormen unter den Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes verfassungsrechtlich höheren Rechtfertigungsanforderungen im Vergleich zu Lenkungsnormen unterliegen. Weiterhin fordert das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich des Abbaus von zweckwidrig überschießenden Vergünstigungseffekten eine Dringlichkeit im Sinne einer zeitnahen gesetzgeberischen Notwendigkeit, die jedenfalls im entschiedenen Fall bei einem Zeitraum von sieben Jahren nicht mehr vorliegen soll.160 Für die Handhabung der Rechtfertigungsebene bleibt nach alledem festzuhalten: Sofern der Steuerpflichtige die oben dargestellte „Hürde“ der Schutzwürdigkeit des Vertrauens überwunden hat, kann er sich der fehlenden verfassungsrechtlichen Rechtfertigung nunmehr sicher sein. Es gibt wenige Gründe, aus denen ein Dispositionsschutz dann noch versagt werden könnte. ee) Zusammenfassung Insgesamt erwecken die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Schutzwürdigkeit getätigter Dispositionen den Eindruck von Unentschlossenheit und Widersprüchlichkeit. Offensichtlich sah insbesondere der 2.  Senat die für Arbeitnehmer mit der Neuregelung des § 34 EStG verbundenen Härten, wollte sich aber nicht zu einem gänzlichen Dispositionsschutz durchringen, was auch in der ablehnenden Tendenz des 1.  Senats nochmals deutlich zum Ausdruck kommt. Dies wird durch die restriktiven Kriterien zur Bestimmung der Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens belegt und im Ergebnis durch die sehr vertrauensschutzorientierten Rechtfertigungsanforderungen verstärkt. Die dogmatische Herleitung bleibt innerhalb der Beschlüsse unklar, die vorgenommenen Einschränkungen und Differenzierungen wirken halbherzig und in mancher Hinsicht beliebig. 157 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 54 f.; dem folgt auch der 1. Senat, wobei der Bezug zur hiesigen Fallgruppe nicht ganz klar wird, vgl. BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 331. 158 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 54. 159 Mellinghoff, in: Kirchhof, § 34  EStG Rn.  1 ff.; Horn, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 34 EStG Rn. 3 u. 5. 160 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 55.

IV. Die neue Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts

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c) Die „Tatbestandslösung“ des Bundesverfassungsgerichts aa) Inhalt und Reichweite der Tatbestandslösung In Abkehr von seiner bisherigen Vertrauensschutzdogmatik erkennt der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung zu den Entlassungsentschädigungen als gleichsam dritte Fallgruppe die vollständige Verwirklichung des Tatbestands einer einzelnen Steuernorm unabhängig von der Vollendung des Veranlagungszeitraums als eigenständigen Vertrauenstatbestand an.161 Dies sei insbesondere unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige bewusst in Kenntnis der Änderung der Rechtslage eine entsprechende Gestaltung gewählt habe.162 Das Bundesverfassungsgericht stützt seine Überlegungen maßgeblich darauf, dass der Sachverhalt einen „gesteigerten Grad an Abgeschlossenheit“ erreicht habe, was insbesondere durch die Erhebung der Lohnsteuer nach Maßgabe des alten Rechts zum Ausdruck komme.163 Darüber hinaus müsse die „Gewährleistungsfunktion (…) des geltenden Rechts“164 beachtet werden, wonach der Gesetzgeber nicht ohne sachliche Gründe von hinreichendem Gewicht die Rechtslage rückwirkend zulasten des Steuerpflichtigen verändern könne.165 Betrachtet man dagegen die früheren Entscheidungen zur Mietpreisbindung166 oder den Schiffsbausubventionen,167 so wurde dem Gesetzgeber dort zur Beseitigung von Ankündigungs- und Mitnahmeeffekten ein „beträchtlicher Einschätzungsspielraum“168 im Hinblick auf ein „effektives Gesetzgebungsverfahren“169 eingeräumt und damit die Verantwortung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers in den Vordergrund gerückt. Zwar wird im Beschluss nochmals ausdrücklich betont, dass derartige Ziele eine verschärfende Regelung rechtfertigen können – und folglich nicht von der früheren Rechtsprechung abgewichen werde.170 Indes sei es Steuerpflichtigen im Hinblick auf ihre allgemeine wirtschaftliche Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG nicht verwehrt, Gestaltungsmöglichkeiten des geltenden Rechts auszunutzen, um nachteiligen Gesetzesänderungen entgegenzuwirken.171 So stelle es demzufolge keinen Missbrauch dar, wenn Steuerpflichtige in Kenntnis des laufenden Gesetzgebungs-

161 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 56 ff.; dem folgt auch der 1. Senat, vgl. BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 323 ff. 162 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 60. 163 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 59. 164 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 58 u. 59. 165 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 58. 166 BVerfG, Beschluss v. 15.10.1996 – 1 BvL 44/92, BVerfGE 95, S. 64 ff. 167 BVerfG, Beschluss v. 03.12.1997 – 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, S. 67 ff. 168 BVerfG, Beschluss v. 15.10.1996 – 1 BvL 44/92, BVerfGE 95, S. 64, 89. 169 BVerfG, Beschluss v. 03.12.1997 – 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, S. 67, 82. 170 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 59 f. 171 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 60.

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3. Kap.: Vertrauensschutz

verfahrens eine Abfindung vereinbaren und den Auszahlungstermin bewusst vor die Verkündung der Neuregelung legen.172 bb) Dogmatische Herleitung der Tatbestandslösung Wie bereits vorstehend angedeutet wurde, stützen sowohl der 1. als auch 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts die dogmatische Herleitung der Tatbestandslösung maßgeblich auf die „Gewährleistungsfunktionen des geltenden Rechts“173. Offensichtlich scheinen die Senate hierbei von einer Art verfassungsrechtlicher Kontinuitätsgewähr auszugehen, ohne sich dabei explizit auf das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 III GG zu beziehen, geschweige denn den Begriff des Kontinu­ itätsgebots zu erwähnen.174 Die Reichweite der Gewährleistungsfunktion des geltenden Rechts bleibt auch nach den Beschlüssen nach wie vor unklar. Allenfalls mittelbar erhält dieses tendenziell objektive Verfassungsprinzip in den Beschlüssen einen subjektiven Bezugspunkt dahingehend, dass auf die allgemeine wirtschaftliche Handlungsfreiheit eingegangen wird.175 Dennoch bleiben Zweifel angebracht, wenn das Bundesverfassungsgericht an selber Stelle von „legitimen Dispositionen“ spricht.176 Insofern könnte auch der Schluss naheliegen, die Tatbestandslösung mehr oder weniger dem Dispositionsschutz zuzuordnen, obgleich hier doch die Disposition vollständig verwirklicht wurde. cc) Rechtfertigungsmaßstäbe bei Durchbrechung des Vertrauens im Rahmen der Tatbestandslösung Hinsichtlich der Tatbestandslösung führt das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen die bereits in den Beschlüssen zu den §§ 17, 23  EStG angeführten Rechtfertigungsgründe177 an. Ansatzweise rückt der Aspekt der Missbrauchs 172

Wie auch im Ausgangsverfahren 2 BvL 58/06 (BVerfGE 127, S. 31, 42): dort vereinbarte der Steuerpflichtige am 22.11.1998 (zwei Tage nach Einbringung des Gesetzesentwurfs in den Bundestag) mit seinem Arbeitgeber die Aufhebung des Arbeitsvertrages zum 30.6.1999. Die Abfindung sollte im Monat März 1999 ausgezahlt werden, das heißt noch vor Verkündung der Neuregelung des § 34 EStG. 173 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 58 u. 59; BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 323 f. 174 Der Begriff des „rechtsstaatliche[n] Kontinuitätsgebot[s]“ wurde bisher lediglich im Zinsurteil explizit erwähnt, ohne dass hieraus in der bisherigen Judikatur konkrete Schlussfolgerungen gezogen worden wären, vgl. BVerfG, Urteil v. 27.06.1991  – 2  BvR  1493/89, BVerfGE 84, S. 239, 285. 175 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 60; BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 323 f. 176 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 60. 177 Vgl. BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 25 ff.; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 82 ff.; BVerfG, Beschluss v.

IV. Die neue Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts

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bekämpfung in den Vordergrund, der wiederum sehr restriktiv mit geringen Einschätzungsprärogativen zugunsten des Gesetzgebers ausgelegt wird.178 dd) Kritik an der Tatbestandslösung Die sich aus der Tatbestandslösung ergebenden Kritikpunkte sind beträchtlich. Nachdem sich der 1.  und 2.  Senat allenfalls halbherzig zu einem Dispositionsschutz durchringen konnten179 und diesen sehr restriktiv handhaben, wird nunmehr unter schlichtem Verweis auf die Gewährleistungsfunktion des geltenden Rechts sowie den gesteigerten Grad der Abgeschlossenheit eines Sachverhalts die tatsächlich verwirklichte Disposition geschützt. Die den Beschlüssen zugrunde liegende verfassungsrechtliche Dogmatik ist dahingehend widersprüchlich, dass verbindliche Dispositionen zum Zeitpunkt ihrer Vereinbarung unter Hinweis auf die Möglichkeit der ständigen Rechtsänderung sowie das Gestaltungsbedürfnis des Gesetzgebers weniger schutzwürdig sind; der schnell handelnde Bürger bei tatsächlicher Realisierung seines Vorhabens jedoch verfassungsrechtlich privilegiert wird.180 Unter bloßem Hinweis auf die eintretende Zwangslage kann dem Steuerpflichtigen einerseits der Schutz versagt, andererseits aber unter vereinfachten Voraussetzungen gewährt werden. Das ist besonders unbefriedigend vor dem Hintergrund, dass die dogmatische Grundlage dieser Privilegierung unklar bleibt. Die Senate begnügen sich hier mit einem Hinweis auf die allgemeine wirtschaftliche Handlungsfreiheit181 bzw. „die Rechtsordnung als Garant (…) einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung“182. Würde das Gericht darin tatsächlich die Grundlage des Vertrauensschutzes sehen, müssten im Rahmen des Art. 2 I GG auch die allgemeinen Ziele der Umgestaltung des Steuerrechts sowie der Erhöhung des Steueraufkommens als Rechtfertigungsgrund anerkannt werden. Sicher kann dem Bundesverfassungsgericht kein Vorwurf dahingehend gemacht werden, dass es im Einzelfall zugunsten des Vertrauensschutzes abgewogen hat. Zwingend ist dieses Ergebnis nach den hier zugrunde gelegten Maßstäben jedenfalls nicht.

10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 331 ff.; bestätigt durch den 1. Senat, s. BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 331 ff. 178 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 60; BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 331 f. 179 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 49 ff.; BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 323 u. 330; kritisch dazu Loritz, WuB X. § 8 GewStG 1.13, S. 3 f. 180 In diese Richtung auch Desens, StuW 2011, S. 113, 120. 181 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 60. 182 BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 323 f.

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3. Kap.: Vertrauensschutz

3. Gesamtbewertung der neuen Rückwirkungsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rückwirkung im Steuerrecht hat zu gravierenden Änderungen der gesamten Rückwirkungsdogmatik geführt. Nachdem vorhergehend einzelne, insbesondere dogmatische Kritikpunkte zu den jeweiligen Fallgruppen angeführt wurden, bedarf es vor der Erörterung der Frage, ob die neue Rechtsprechung auf ein Vertrauensschutzkonzept übertragen werden kann, einer Gesamtbewertung. a) Aufgabe der Unterscheidung zwischen Fiskalzweckund Lenkungsnormen für den Bereich des Vertrauensschutzes Die gesamte Vertrauensschutzdogmatik für den Bereich der Gesetze ist geprägt durch die weitestgehende Differenzierung zwischen Fiskalzweck- und Lenkungsnormen.183 Dies hat insbesondere auch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu den Entlassungsentschädigungen verdeutlicht.184 Während das Gericht im Beschluss zu den Schiffsbausubventionen noch einen erhöhten Vertrauensschutz bejaht hatte,185 wurde in der Entscheidung zu den Sozialpfandbriefen der angedeutete Wandel in der Vertrauensschutzdogmatik wieder eingeschränkt.186 Gerade die Entscheidung zu den Entlassungsentschädigungen hat verdeutlicht, dass die Abschaffung von Fiskalzwecknormen verfassungsrechtlich höheren Rechtfertigungsanforderungen unterliegen kann als diejenige von Sozialzweck- bzw. Lenkungsnormen. Dass ein solches Ergebnis nicht nur sinnwidrig, sondern auch angesichts der Rechtfertigungsanforderungen für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Lenkungsnormen kaum haltbar ist,187 liegt dabei auf der Hand. Auf die generelle Problematik von Vertrauensschutz in diesem Bereich (Abgrenzungsschwierigkeiten, Differenzierung wegen des Gesetzeszwecks, generelle Eignung einer Lenkungsnorm zur Erreichung nur bei Vertrauensschutz) 183 Für eine solche Differenzierung sind namentlich Vogel, JZ 1988, S. 833, 838; Kirchhof, DStR 1989, S. 263, 268; Muckel, Vertrauensschutz, S. 101; Isensee, in: FS Klein 1994, S. 611, 613 f.; Birk, in: HHSp, § 4 AO (161. EL, 06/1999) Rn. 773; Leisner-Egensperger, Kontinuität, S. 576 ff.; Mellinghoff, in: DStJG 27 (2004), S. 25, 32 f.; eingetreten. s. zu dieser Problematik insgesamt Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 407 m.w.N. in Fn. 69 ebenda sowie Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn. 772. 184 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 50 ff. 185 BVerfG, Beschluss v. 03.12.1997 – 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, S. 67, 80. 186 BVerfG, Beschluss v. 05.02.2002 – 2 BvR 305/93, BVerfGE 105, S. 17, 40. 187 Zu den Rechtfertigungsanforderungen s. insbesondere BVerfG, Beschluss v. 05.02.2002 – 2  BvR  305/93, BVerfGE  105, S.  17, 46 ff.; BVerfG, Urteil v. 06.03.2002  – 2  BvL  17/99, BVerfGE 105, S. 73, 113 ff.; BVerfG, Beschluss v. 20.04.2004 – 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, S. 274, 292 f.; BVerfG, Beschluss v. 07.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1, 32 f.; Hey, in: Tipke/Lang, § 19 Rn. 74 ff.; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 208 ff.; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 198 ff. u. S. 345 ff.

IV. Die neue Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts

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wurde schon an verschiedenen Stellen hingewiesen.188 Die Problematik der Vertrauensschutzdogmatik ist folglich nicht bei einem erhöhten Vertrauensschutz für Fiskalzweck- oder Lenkungsnormen, sondern vielmehr bei den durch die Ausgestaltung einer Norm ausgelösten Rechtswirkungen anzusiedeln.189 Dies verdeutlicht folgende Überlegung: Für einen Investor macht es keinen Unterschied, ob er in einen lenkungssteuerlich begünstigten Schiffsbau-Fonds investiert oder aber in einen Leasing-Fonds, bei dem er im Vorfeld für mehrere Jahre ein Nutzungsentgelt im Hinblick auf § 11 II EStG 2003 a.F. und den damit verbundenen sofortigen Werbungskostenabzug leistet. Entscheidend ist für das Verhalten in beiden Fällen der durch die steuerliche Gestaltung erzielte Zins- bzw. Vermögensvorteil und nicht die Frage, ob jemand zur Investition durch Lenkungszwecke oder die Rechts­ wirkungen von Fiskalzwecknormen veranlasst wird.190 b) Bekenntnis zu einer freiheitsrechtlichen Verankerung des Vertrauensschutzes im Bereich des Steuerrechts Den Beschlüssen zur Rückwirkung im Steuerrecht I–III ist eine freiheitsrechtliche Verankerung zu entnehmen, zu der sich das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht explizit bekennt.191 Angesichts des äußerst schwierigen Spannungsfelds zwischen Besteuerung und Freiheitsgrundrechten hält sich das Bundesverfassungsgericht bedeckt, inwiefern vertraglich getätigte Dispositionen bzw. steuerfreie Wertzuwächse freiheitsrechtlich zu konturieren sind. Auf den Gebieten der Berufs-192 oder Eigentumsfreiheit193 kann das Vertrauensschutzprinzip unmittelbar aus dem jeweiligen Freiheitsgrundrecht fruchtbar gemacht werden. Art. 3 I GG trägt zur Lösung des Problems auf dem Gebiet des Steuerrechts insoweit wenig bei. Die Probleme des Sachbereichs Freiheitsgrundrechte können nicht unmittelbar in einer gleichheitsrechtlichen Dimension gesehen werden, ohne hier verfassungsrechtlich auseinanderzuhaltende Maßstäbe miteinander zu vermischen.194 Die Pro 188

Umfassend m.zahlr.w.N. Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 413 ff. Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 419. 190 Dies kann zumindest aus betriebswirtschaftlicher Hinsicht nicht als zweifelhaft bezeichnet werden, vgl. Kruschwitz, Investitionsrechnung, S. 11 ff.; Schneider, Investition, S. 65 ff.; Eckerle, Einfluß der Besteuerung, S. 7 f. 191 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 20 ff.; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010  – 2  BvL  1/03 u.a., BVerfGE  127, S.  31, 60; BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 323 f. 192 BVerfG, Beschluss v. 05.05.1987 – 1 BvR 724/81 u.a., BVerfGE 75, S. 246, 279; BVerfG, Urteil v. 27.10.1998 – 1 BvR 2306/96 u.a., BVerfGE 98, S. 265, 309; BVerfG, Beschluss v. 08.06.2010 – 1 BvR 2011/07 u.a., BVerfGE 126, S. 112, 155 f. 193 Papier, in: Maunz/Dürig, Art.  14 GG Rn.  327; Bryde, in: v.  Münch/Kunig, Art.  14 GG Rn. 62.; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 GG Rn. 228 ff.; ähnlich Schwarz, Vertrauensschutz, S. 184 ff. u. Blanke, Vertrauensschutz, S. 110 f. 194 Gegen eine grundsätzliche Verankerung in Art.  3  I  GG auch Muckel, Vertrauensschutz, S. 57 ff.; Werder, Dispositionsschutz, S. 140 ff. 189

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3. Kap.: Vertrauensschutz

blematik der vertrauensschutzrechtlichen Bewältigung von Dispositionsschutz ist nicht die Gleichheit, sondern die Freiheit und das damit verbundene Vertrauen in die Rechtsordnung: Vor Art. 3 I GG kann es nämlich geboten und erforderlich sein, eine Differenzierung zur Fortentwicklung des Rechts vorzunehmen.195 Art. 14 GG kann in dieser Situation mangels konkret vorhandener Rechtsposition regelmäßig nicht fruchtbar gemacht werden.196 Die allgemeine Handlungsfreiheit versagt angesichts ihres verhältnismäßig geringen Schutzbereichs und ist im Hinblick auf die Problematik des Vertrauensschutzes lediglich das Vehikel dazu, objektives Verfassungsrecht zu subjektivieren, ohne dass hierbei – isoliert betrachtet – weitergehende konkrete Wertungen abgeleitet werden könnten.197 Somit verbleibt für die freiheitsrechtliche Bewältigung des Problems regelmäßig nur Art. 12 I GG, dessen Potenzial für das Steuerrecht als noch lange nicht ausgeschöpft gelten kann.198 Zwar fehlt es bei der Auferlegung von Steuern nach überlieferter Auffassung an einer objektiv berufsregelnden Tendenz,199 obgleich für den Bereich von Aufwand- und Verbrauchsteuern auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vereinzelt Eingriffe nachweisbar sind.200 Dennoch scheut sich das Bundesverfassungsgericht angesichts der damit verbundenen Konsequenzen, einen Eingriff in die Berufsfreiheit bei der Auferlegung von Ertragsteuern zu sehen201 und ist insofern in Einklang mit der herrschenden Auffassung, die einen Eingriff ablehnt.202 Damit wird zugleich ein verfassungsrechtliches Grundproblem der – nicht nur steuerrechtlichen – Dogmatik zu Art. 12 I GG deutlich: die zu restriktiv gehandhabte Eingriffsschwelle.203 Man wird zwar nicht davon ausgehen können, dass die prinzipielle Auferlegung von Steuern per se einen Eingriff in die Berufsfreiheit 195

Blanke, Vertrauensschutz, S. 119 f. – Dies darf allerdings den Blick nicht dahingehend verstellen, dass die freiheitsrechtliche Verankerung der Vertrauensschutzproblematik gleichheitsrechtliche Probleme mit Blick auf Übergangsregelungen nach sich ziehen kann. 196 Vgl. die Nachweise in Fn. 81. 197 Muckel, Vertrauensschutz, S. 53 f.; Blanke, Vertrauensschutz, S. 99 f. u. S. 120 ff.; tendenziell auch Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 43. Offener Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 171 ff. 198 Tipke, StRO I, S. 434 ff.; Friauf, in: DStJG 12 (1989), S. 3, 25 f. 199 BVerfG, Beschluss v. 11.10.1977 – 1 BvR 343/73 u.a., BVerfGE 47, S. 1, 21 ff.; BVerfG, Beschluss v. 29.11.1989 – 1 BvR 1402/87 u.a., BVerfGE 81, S. 108, 121 f.; BVerfG, Beschluss v. 16.09.2009  – 2  BvR  852/07, BVerfGE  124, S.  235, 242 ff.; BFH, Urteil v. 31.07.1990  – I R 62/86, BFHE 161, S. 570, 575; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 12 GG Rn. 16; Kämmerer, in: v. Münch/Kunig, Art. 12 GG Rn. 48; Wieland, in: Dreier, Art. 12 GG Rn. 71; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 165 ff. 200 BVerfG, Urteil v. 07.05.1998 – 2 BvR 1876/91 u.a., BVerfGE 98, S. 83, 97; BVerfG, Urteil v. 16.12.1997 – 2 BvR 1991/95 u.a., BVerfGE 98, S. 106, 117. 201 Zuletzt BVerfG, Beschluss v. 06.07.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, S. 268, 284. 202 s. die Nachweise in Fn. 199 jeweils m.w.N. 203 In dieser Deutlichkeit ebenfalls Scholz, in: Maunz/Dürig, Art.  12 GG Rn. 426; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 12 GG Rn. 75 m.w.N.

IV. Die neue Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts

151

darstellt, da die Steuererhebung gerade die privatwirtschaftliche Betätigungsfreiheit garantieren soll.204 Die Grenzen sind diesbezüglich in Art. 14 I GG als verfassungsrechtliche ultima ratio der Besteuerung zu sehen. Andererseits müssen die freiheitsrechtlichen Bezüge des EStG und KStG berücksichtigt werden. Dies wird namentlich bei der Besteuerung von Entlassungsentschädigungen in § 34 EStG deutlich, dessen Ausgestaltung faktisch auch auf den Wechsel bzw. die Beendigung der beruflichen Tätigkeit einwirkt. Gleiches gilt für die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen im Rahmen der §§ 17, 23 EStG, sofern ihnen eine entsprechende berufliche Tätigkeit zugrunde liegt. Dass hieraus keine Gefahr oder – um es bildlich zu beschreiben – ein Dammbruch der Dogmatik zu Art. 12 I GG folgen muss, belegt die jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts:205 In Bezug auf das (nunmehr auch gleichheitsrechtlich fundierte)  Problem der Ausgestaltung des Übergangsrechts im Rahmen des Art. 12 GG muss dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber ein großer Gestaltungsspielraum verbleiben, der die niedrigere Eingriffsschwelle kompensiert. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe lässt sich die Steuerfreiheit von noch nicht realisierten Wertsteigerungen sowie die verfassungsrechtliche Absicherung vertraglich getätigter Dispositionen schlüssig begründen, ohne Gleichheitsgrundrechte als dogmatisches Fundament dort zu bemühen, wo diese nicht fruchtbar gemacht werden können.206 c) Reformfähigkeit des Steuerrechts wird erschwert Die neue Vertrauensschutzdogmatik wird Reformen des Steuerrechts in vielen Bereichen erschweren. Dies ergibt sich aus der Verschärfung der Rechtfertigungsanforderungen bei unechten Rückwirkungen einerseits sowie dem Zusammenwirken von Folgerichtigkeitsgebot und Vertrauensschutz andererseits. Die deutlich strengeren Rechtfertigungsanforderungen werden den Gesetzgeber zu komplexen Übergangsregelungen hinsichtlich der steuerfreien Wertzuwächse zwingen. Namentlich der Aspekt der Typisierung und damit der Vereinfachung von Übergangsregelungen wird vom Bundesverfassungsgericht zunehmend zurückgedrängt. Die äußerst restriktive Handhabung des Aspekts der Missbrauchsbekämpfung sowie der Rechtsbereinigung muss angesichts der gesteigerten demokratischen Legiti-

204

Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR  V, § 118 Rn.  1 ff.; Vogel, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, § 30 Rn. 71; Friauf, in: DStJG 12 (1989), S. 3 f.; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 105 GG Rn. 2. 205 BVerfG, Beschluss v. 04.05.2012 – 1 BvR 367/12, BVerfGE 131, S. 20, 57 – zur Preisansagepflicht bei sog. „Call-by-Call“-Gesprächen. 206 Zutreffend weist Heun, in: Dreier, Art. 3 GG Rn. 140 darauf hin, dass diese strikte Trennung in der verfassungsgerichtlichen Praxis nur sehr inkonsequent durchgehalten wird. Insbesondere werden hier „zurückgedrängte“ Grundrechte im Rahmen des überlagernden Grundrechts gleichermaßen inzident geprüft.

152

3. Kap.: Vertrauensschutz

mation und damit auch der Gemeinwohlverpflichtung des Gesetzgebers als zumindest fragwürdig bezeichnet werden.207 Weitaus gravierender sind die verfassungsrechtlichen Konsequenzen, die sich aus dem Zusammenwirken von Folgerichtigkeit und Vertrauensschutz ergeben werden. Das in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelte Folgerichtigkeitsgebot208 zwingt den Steuergesetzgeber zu einer (auf deutliche – hier aber nicht zu vertiefende – Kritik209 stoßende) Systemkonsequenz. Dem Gesetzgeber verbleiben hinsichtlich der folgerichtigen Umsetzung nur wenige Gestaltungsalternativen. Die Vertrauensschutzproblematik kann den grundsätzlich nur an die Verfassung gebundenen Gesetzgeber insofern dazu zwingen, an einfachgesetzliche Prämissen dauerhaft gebunden zu bleiben: Ergänzt man die Rechtswirkungen von Systemkonsequenz und Vertrauensschutz im Steuerrecht, so verbleiben dem Gesetzgeber im Ergebnis wenig Spielräume für die Ausgestaltung von Grundentscheidungen sowie echte Systemwechsel. Vielmehr besteht entweder die Gefahr, dass es sich nicht um einen Systemwechsel, sondern nur um eine (folgerichtige)  Umsetzungsentscheidung handelt210 oder aber dass im Rahmen der Ausgestaltung des Übergangsrechts steuerfreizustellende Wertsteigerungen bzw. Vermögenspositionen übersehen wurden. Schlussendlich ist es denkbar, dass Aspekte des Vertrauensschutzes eine folgerichtige Umsetzung von gesetzgeberischen Grundentscheidungen gänzlich verhindern. Die hier nur ansatzweise aufgeworfenen Überlegungen scheint das Bundesverfassungsgericht zumindest tendenziell gesehen zu haben, da es die verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen hinsichtlich einer Durchbrechung des Vertrauensschutzprinzips mit dem Folgerichtigkeitsgebot zu rechtfertigen versucht.211 Auf diese Weise werden jedoch die verfassungsrechtlich auseinanderzuhaltenden Vergleichsmaßstäbe von Folgerichtigkeit und Vertrauensschutz und damit nach hier vertretener Auffassung von Gleichheits- und Freiheitsgrundrechten bis zu ihrer Unkenntlichkeit verwischt.212 207 Kritisch auch Musil/Lammers, BB  2011, S.  155, 160; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 180; Krüger, DStZ 2013, S. 137, 143 tritt diesbezüglich sogar für zeitlich befristete Gesetze ein. 208 Ständige Rspr. seit BVerfG, Urteil v. 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239, 271; aus jüngerer Zeit BVerfG, Beschluss v. 21.06.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 180; BVerfG, Urteil v. 09.12.2008 – 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, S. 210, 231 ff.; BVerfG, Beschluss v. 12.05.2009  – 2  BvL  1/00, BVerfGE  123, S.  111, 120 ff.; BVerfG, Beschluss v. 06.07.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, S. 268, 277 ff. 209 Zur Kritik Schwarz, in: FS  Isensee 2007, S.  949 ff., insb. S.  964; Kischel, in: Sym­ posium Kirchhof 2008, S. 175, 184 ff.; Lepsius, JZ 2009, S. 260 ff.; Ratschow, in: Blümich/Ebling, § 2 EStG Rn. 15; Payandeh, AöR 136 (2011), S. 578, 595 ff. u. S. 610 ff. jeweils m.w.N. 210 Kischel, in: Symposium Kirchhof 2008, S. 175, 185; Lepsius, JZ 2009, S. 260, 262; Payandeh, AöR 136 (2011), S. 578, 599. 211 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 22 ff.; unklar jetzt aber BVerfG, Beschluss v. 01.04.2014 – 2 BvL 2/09, juris, Rn. 51 f. 212 Ähnlich (ohne Bezug auf die vertrauensschutzrechtliche Problematik) Kischel, in: Sym­ posium Kirchhof 2008, S. 175, 184.

V. Ergebnis und Konsequenzen für die weitere Vorgehensweise

153

V. Ergebnis und Konsequenzen für die weitere Vorgehensweise 1. Grundsätzliche Übernahme der Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts Die neue Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts führt zu einem verfassungsrechtlich erhöhten Vertrauensschutz zugunsten des Bürgers, der grundsätzlich anzuerkennen und auch dem weiteren Gang der Untersuchung zugrunde zu legen ist. Allerdings haben die vorstehenden Kritikpunkte gezeigt, dass die Rückwirkungsdogmatik in ihrer jetzigen Form gewisser Abwandlungen bedarf, um verfassungsrechtlich konsistenter zu sein. Zunächst ist mit dem Bundesverfassungsgericht die Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung aufrecht zu erhalten.213 Die maßgebliche Begründung ergibt sich hierfür aus der Überlegung, dass die Fallgruppe echter Rückwirkung eine besondere Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens indiziert und deshalb in aller Regel unzulässig bleiben muss.214 Für den Bereich der unechten Rückwirkung kann die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Fallgruppenbildung weitestgehend übernommen werden. Sie ist ein taugliches Instrument, um trotz Beibehaltung des veranlagungszeitraumbezogenen Rückwirkungsbegriffs je nach Abgeschlossenheit des jeweiligen Sachverhalts handhabbare Kriterien für die Abwägung zwischen Gemeinwohl- und Individualinteressen zu liefern. Dies setzt freilich voraus, dass man die freiheitsrechtlichen Dimensionen der Vertrauensschutzproblematik auch für das Steuer­ recht anerkennt. Im Einzelnen bedarf es gewisser Modifikationen. Als Gegenstand abstraktgenerellen staatlichen Handelns bietet das Steuergesetz regelmäßig einen entsprechenden Vertrauenstatbestand.215 Für eine Vertrauensbetätigung ist es grundsätzlich erforderlich, aber auch ausreichend, dass sich diese äußerlich – zum Beispiel in Form eines Vertragsabschlusses oder eines Investitionsverhaltens – manifestiert.216

213

Spindler, in: DStJG  27 (2004), S.  69, 85 ff.; Spindler, Stbg.  2010, S.  529, 531 u.  534; Desens, in: Rensen/Brink, Linien BVerfG  I, S.  329, 337 ff.; Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 27; ähnlich auch Wernsmann, JuS 2000, S. 39, 41 f. 214 Spindler, in: DStJG 27 (2004), S. 69, 85 ff.; Drüen, Ubg 2014, S. 747, 750; so nun explizit ebenfalls der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts, vgl. BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 319. 215 Mellinghoff, in: DStJG 27 (2004), S. 25, 34 ff.; Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 47; zum „fehlerhaften“ Steuergesetz Hey, in: DStJG 27 (2004), S. 91 ff.; Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn.  755 f.; zu Ausnahmen allgemein Muckel, Vertrauensschutz, S.  86 ff.;­ Stötzel, Vertrauensschutz, S. 164 ff. 216 Desens, in: Rensen/Brink, Linien BVerfG I, S. 329, 346 f.; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 265 f.; Spindler, in: DStJG 27 (2004), S. 69, 87 ff.

154

3. Kap.: Vertrauensschutz

2. Differenzierungen auf Ebene der Schutzwürdigkeit Differenzierungen sind nach den soeben dargestellten Maßstäben auf Ebene der Schutzwürdigkeit vorzunehmen. Hierbei kann insbesondere die Fallgruppenbildung des Bundesverfassungsgerichts fruchtbar gemacht werden. Steuerfreie Wertsteigerungen als „konkret vorhandener Vermögensbestand“ genießen insofern bei langjährigen und schwer revidierbaren Investitionen einen erhöhten, freiheitsrechtlich verbürgten Vertrauensschutz, der nur durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls beseitigt werden kann.217 Auch für verbindlich getätigte Dispositionen besteht verfassungsrechtlich grundsätzlich Vertrauensschutz. Dabei ist allerdings in Abkehr vom Beschluss zu § 34 EStG mit der älteren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davon auszugehen, dass für eine Enttäuschung des Vertrauens der Gesetzesbeschluss im Bundestag maßgeblich ist und nicht die bloße Gesetzesinitiative oder aber der Beschluss des Vermittlungsausschusses.218 Der Dispositionsschutz bezieht sich dabei regelmäßig auf mindestens einen Veranlagungszeitraum, wobei hier wiederum der gesteigerte Verwirklichungsgrad einer getätigten Disposition ähnlich der Fallgruppe der konkret steuerfreien Wertminderung zu berücksichtigen ist.219 Schlussendlich indiziert die vollständige Verwirklichung eines steuerrechtlichen Tatbestandes die Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens, dies allerdings denknotwendig nur innerhalb des jeweiligen Veran­ lagungszeitraumes.220 Sofern nach diesen Maßstäben ein dem Grunde nach schutzwürdiges Vertrauen zu bejahen ist, wird man sich an die strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung des Bundesverfassungsgerichts anschließen müssen, um einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Steuerpflichtigen sowie dem Änderungsinteresse des Gesetzgebers finden zu können.221 Demnach sind potenzielle Rechtfertigungsgründe grundsätzlich eng auszulegen, wenn auch an einigen Stellen leichte Modifizierungen insbesondere zugunsten der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zu machen sind. Die bloße Absicht der Erzielung von Steuermehreinnahmen oder das schlichte Änderungsinteresse zur Verbreiterung der Bemessungsgrundlage reichen 217

Muckel, Vertrauensschutz, S. 113 ff.; Wernsmann, JuS 2000, S. 39, 42; Stötzel, Vertrauensschutz, S. 212 ff.; Spindler, in: DStJG 27 (2004), S. 69, 88 f.; Werder, Dispositionsschutz, S. 222 ff.; Desens, in: Rensen/Brink, Linien BVerfG I, S. 329, 346. 218 BVerfG, Urteil v. 19.12.1961 – 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, S. 261, 272 f.; BVerfG, Beschluss v. 10.03.1972  – 2  BvL  3/68, BVerfGE  30, S.  272, 287; BVerfG, Beschluss v. 22.06.1971  – 2  BvL  6/70, BVerfGE  31, S.  222, 227; BVerfG, Beschluss v. 14.05.1986  – 2  BvL  2/83, BVerfGE  72, S.  200, 261; BVerfG, Beschluss v. 24.03.1998  – 1  BvL  6/92, BVerfGE  97, S. 378, 389. Im Ergebnis wie hier El Mourabit/Seufer, FR 2012, S. 335, 343; strenger Krüger, DStZ 2013, S. 137, 143. 219 So zum Beispiel die tatsächliche oder aber jederzeit mögliche Realisationsmöglichkeit der jeweiligen stillen Reserven bzw. Einnahmen. Ähnlich Birk, FR 2011, S. 1, 7; Stötzel, Vertrauensschutz, S. 216 ff., der insoweit auf das Schadensausmaß abstellt. 220 Stötzel, Vertrauensschutz, S. 222 ff. 221 Spindler, Stbg. 2010, S. 529, 534; Birk, FR 2011, S. 15 f.; Desens, StuW 2011, S. 113, 124.

V. Ergebnis und Konsequenzen für die weitere Vorgehensweise

155

generell nicht mehr zur Enttäuschung des betätigten Vertrauens aus. Hierbei ist davon auszugehen, dass sich die Schutzwürdigkeit – mit Ausnahme von längerfristigen und nur schwer revidierbaren Investitionen im Bereich der steuerfreien Wertsteigerungen sowie getätigter Dispositionen  – regelmäßig (nur) auf einen Veranlagungszeitraum bezieht. Dadurch wird eine vereinfachte Gestaltbarkeit von Übergangsregelungen und gleichzeitig eine „verfassungsfeste“ Änderungsmöglichkeit von Steuergesetzen erreicht, die ebenfalls Rechtssicherheit und Kalkulierbarkeit für die Rechtspraxis schafft. 3. Konsequenz: Zweistufiges Prüfprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit Auf der Ebene der Schutzwürdigkeit ergibt sich nach alledem ein zweistufiges Prüfprogramm. Dieses ist in der Lage, die hier vorgeschlagene Dogmatik in ein systematisches und zugleich differenziertes System des Vertrauensschutzes einzuordnen. Auf einer ersten Stufe ist nach generellen bzw. allgemeinen Gründen zu fragen, die eine Abschwächung des Vertrauens indizieren. Hier sind die öffentlichen Interessen, welche gegen die Schutzwürdigkeit des Vertrauens sprechen, zu berücksichtigen. Auf einer zweiten Stufe schließt sich die restriktive Verhältnismäßigkeitsprüfung mit angemessener Berücksichtigung der Vertrauensinteressen des Bürgers an. Auf der ersten Stufe ist in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu fragen, ob und inwieweit mit einer Neuregelung zu rechnen war; hierbei ist auf den Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses der Neuregelung im Bundestag abzustellen.222 Zudem können Abstriche dann vorzunehmen sein, wenn sich die gesetzliche Regelung als evident rechtswidrig herausstellte.223 Auf der zweiten Stufe der Schutzwürdigkeitsprüfung ist die restriktive sowie Rechtfertigungsgründe tendenziell eng auszulegende Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen. Diese hat fall- und regelungsbereichsbezogen stattzufinden, sodass sich an dieser Stelle kaum weiterführende verallgemeinerungsfähige Grundsätze herausarbeiten lassen. Abschließend bleibt festzuhalten, dass sich durch die oben aufgeführten Abwandlungen ein Vertrauensschutzkonzept ergibt, das die Änderungsinteressen des Gesetzgebers und die Interessen des Bürgers ausgewogen in Einklang bringt und damit auch für den Konflikt zwischen Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und Bestandsschutzinteressen des Bürgers grundsätzlich fruchtbar gemacht werden kann.

222

s. oben, Fn. 218. Wobei allerdings nicht zu fordern sein kann, dass sich der Bürger diesbezüglich rechtlich beraten lässt. Ansonsten würde die Frage des Vertrauensschutzes zu einer Art „Beratungsprivileg“ verkommen. So auch Desens, in: Rensen/Brink, Linien BVerfG I, S. 329, 341. 223

4. Kapitel

Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz Nachdem in den vorstehenden Kapiteln die dogmatischen Grundlagen sowie die Wirkungskraft sowohl von Verwaltungsvorschriften als auch des Vertrauensschutzprinzips je für sich einer Betrachtung unterzogen wurden, ist die Untersuchung an einem zentralen Punkt angelangt: Der Verknüpfung von Verwaltungsvorschriften mit dem Vertrauensschutzprinzip, wodurch eine Bewältigung der ersten Dimension des Untersuchungsgegenstands, nämlich dem Schutz des Vertrauens in den Inhalt einer Verwaltungsvorschrift, ermöglicht wird. Diese den weiteren Verlauf der Untersuchung prägende Weichenstellung erschließt sich in ihrer gesamten Dimension erst vor dem Hintergrund, dass sich nach traditioneller deutscher Verwaltungsrechtslehre und gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung Verwaltungsvorschriften und das Vertrauensschutzprinzip mit Blick auf die fehlende originäre Normsetzungskompetenz der Exekutive sowie die Gesetzesbindung der Verwaltung in einem scheinbar unversöhnlichen und sich gegenseitig ausschließendem Verhältnis gegenüberstehen.1 Von zentraler Relevanz ist daher die Frage, inwiefern es die Grundsätze des Vertrauensschutzes erlauben, die Verwaltung an ihrem früheren, in einer Verwaltungsvorschrift niedergelegten Vollzugsprogramm festzuhalten. Auf den Punkt gefasst gilt es nachfolgend die Reichweite des Vertrauensschutzprinzips gegenüber der zweiten Staatsgewalt bei der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften auszuloten. Die Vorgehensweise hat hierbei angesichts der Ausgangsfrage gleichsam viergliedrig zu erfolgen. In einem ersten Schritt ist zu klären, ob das Vertrauensschutz 1

BVerwG, Urteil v. 08.04.1997 – 3 C 6.95, BVerwGE 104, S. 220, 226 ff.; BVerwG, Urteil v. 11.05.2006 – 5 C 10.05, BVerwGE 126, S. 33, 48 ff.; BFH, Urteil v. 09.03.1988 – I R 262/83, BFHE 153, S. 38, 43 f.; BFH, Urteil v. 11.10.1988 – VIII R 419/83, BFHE 155, S. 298, 306; BFH, Urteil v. 07.11.1996  – IV  R  69/95, BFHE  182, S.  56, 60; zuletzt BFH, Beschluss v. 03.04.2013 – V B 125/12, BFHE 240, S. 447, 453 u. BFH, Urteil v. 17.04.2013 – X R 6/11, BFH/NV 2013, S. 1537, 1540; Mainka, Vertrauensschutz, S. 77 ff.; Arndt, in: FS Armbruster 1976, S. 233, 244 ff.; Lotz, WiVerw 1979, S. 1, 7 f.; Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S. 234 ff., insb. S. 237; Neumann, in: Beermann/Gosch, § 4 AO Rn. 61 ff.; Rogmann, Bindungswirkung, S.  42 ff.; Schwarz, Vertrauensschutz, S.  352 ff.; Erichsen/Klüsche, Jura  2000, S.  540, 546; Erichsen, in: FS Kruse 2001, S. 39, 57, 59 f.; Seibert, in: FG BVerwG 2003, S. 535, 545; Remmert, Jura 2004, S. 728, 730 Fn. 25; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 104 Rn. 61 ff.; Kopp/Ramsauer, § 40 VwVfG Rn. 45 u. 50; Pahlke, in: Pahlke/Koenig, § 4 AO Rn. 53; Maurer, AVwR, § 24 Rn. 30; Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 128 ff., insb. Rn. 130. In diese Richtung ebenfalls Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 20 Rn. 21, wonach „ein Vertrauen auf Fortbestand der bestehenden Verwaltungsvorschriften (…) grundsätzlich nicht schutzwürdig“ sei; kritisch auch Wernsmann, in: HHSp, § 5 AO Rn. 195.

I. Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand

157

prinzip generell auf Verwaltungsvorschriften – genauer gesagt: den Inhalt von Verwaltungsvorschriften  – anwendbar ist, es diesbezüglich Wirkungskraft entfaltet und Verwaltungsvorschriften folglich als Vertrauenstatbestand in Betracht kommen können  (I.). Davon ausgehend muss in einem zweiten Schritt erörtert werden, ob die zur Rückwirkung von Gesetzen entwickelten Grundsätze prinzipiell auf das in einer Verwaltungsvorschrift niedergelegte Vollzugsprogramm übertragbar sind (II.). Weiterhin ist in einem dritten Schritt auf die hieraus resultierenden grundsätzlichen Konsequenzen auf Ebene der Schutzwürdigkeit einzugehen (III.). Schlussendlich stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen dem Vertrauensschutzprinzip bei Vorliegen schutzwürdigen Vertrauens entnommen werden können (IV.). Bevor auf die soeben dargelegten Aspekte näher eingegangen werden kann, sei betont, dass in diesem Kapitel nur das dogmatische Fundament für die soeben skizzierte Problematik gelegt werden kann. Weitere Einzelheiten hinsichtlich möglicher Rechtsgrundlagen sowie der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung der hier gewonnenen Maßstäbe müssen mit strikt steuerrechtlichem Blick dem nachfolgenden Kapitel vorbehalten bleiben.

I. Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand Die prinzipielle Anwendbarkeit des Vertrauensschutzprinzips bei der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften steht und fällt mit der Frage, ob diese generell einen Vertrauenstatbestand darstellen können. Im nachstehenden Abschnitt gilt es daher, nochmals die Bindungsebenen des Art. 3 I GG sowie des Vertrauensschutzprinzips auszuloten (1.), um sodann der Frage nachzugehen, inwieweit Verwaltungsvorschriften einen tauglichen Vertrauenstatbestand darstellen. Hierbei folgen zunächst grundsätzliche Überlegungen zur Qualität staatlichen Handelns als Vertrauensgrundlage (2.). Sodann gilt es in strikter Differenzierung zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften die gegen deren Eignung als Vertrauenstatbestand vorgetragenen Bedenken auszuräumen (3. u. 4.), um letztlich den genauen vertrauensbegründenden Anknüpfungspunkt (5.) sowie dessen Entstehen und Entfallen näher zu beleuchten (6.). 1. Nochmals: Differenzierung zwischen den Ebenen „Selbstbindung der Verwaltung“ und „Vertrauensschutz“ Bevor die sich aus der generellen Anwendbarkeit des Vertrauensschutzprinzips auf Verwaltungsvorschriften ergebenden Fragestellungen einer tiefergehenden Betrachtung unterzogen werden können, bedarf es erneut einer trennscharfen Differenzierung zwischen den Bindungsebenen der Selbstbindung der Verwaltung auf der einen sowie des Vertrauensschutzprinzips auf der anderen Seite. Gleichsam vor die Klammer gezogen muss dabei als Richtschnur gelten, dass dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG anspruchsbegründende Wirkung zukommt, wohingegen

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

das Vertrauensschutzprinzip lediglich anspruchserhaltende Wirkung aufweist. Von der zeitlichen Dimension aus betrachtet wirkt der Gleichheitssatz damit bei gleichbleibenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen prinzipiell unbegrenzt, das Vertrauensschutzprinzip dagegen bereits von Verfassungs wegen zeitlich begrenzt. Die verschiedenartigen Bindungsebenen von Vertrauensschutz und allgemeinem Gleichheitssatz begrenzen nach alledem das Anwendungsfeld für die hier untersuchte Problematik. Einer Heranziehung des Vertrauensschutzprinzips bedarf es im Falle der Aufhebung oder Änderung einer Verwaltungsvorschrift nicht, wenn der Bürger kraft der durch Art. 3 I GG vermittelten Selbstbindung einen Anspruch auf Einhaltung des Vollzugsprogramms hat.2 Entscheidend ist für die Bindungsebenen folglich, dass eine Selbstbindung der Verwaltung regelmäßig ex ante gem. Art. 3 I GG zu begründen ist.3 Die Bindungswirkung sowie Reichweite des Vertrauensschutzprinzips zielt dagegen nicht auf eine Anwendung der Verwaltungsvorschrift pro futuro, sondern vielmehr auf eine Anwendung in der Vergangenheit, d.h. ex post und mit gegebenenfalls zeitlich begrenzter Wirkung pro futuro.4 Plastisch formuliert kann über den Gleichheitssatz damit nur eine Anwendung der geltenden Rechtslage begehrt werden, über das Vertrauensschutzprinzip hingegen nur eine begrenzt wirkende Aufrechterhaltung der früheren Rechtslage. Davon ausgehend muss die Untersuchung der teilweise im Schrifttum vorgenommenen Versuchung widerstehen, das Vertrauensschutzprinzip zur Begründung einer (un-)mittelbaren Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften heranzuziehen.5 Ein solcher Ansatz ist – wie bereits an anderer Stelle dieser Untersuchung dargelegt wurde6 – strikt abzulehnen. Anderenfalls werden „Ursache und Wirkung der 2 Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 680, die allerdings auf S. 656 insofern davon ausgeht, dass im Falle des fehlenden Anspruchs auf Anwendung von Verwaltungsvorschriften hieraus bereits kein Vertrauensschutz gegenüber einer Änderung der Verwaltungsvorschrift geltend gemacht werden könne; ähnlich Hey, DStR  2004, S.  1897, 1902 f.; Burmeister, DÖV  1981, S. 503, 510; Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 791; ähnlich Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, 112 ff.; Blanke, Vertrauensschutz, S. 270 ff.; Schwarz, Vertrauensschutz, S. 352; Ossenbühl, DVBl. 1981, S. 857, 861; Haas, Vertrauensschutz im Steuerrecht, S. 144 f.; in diese Richtung wohl auch Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S. 255 f. 3 Hinsichtlich rechtswidriger Verwaltungsvorschriften: Lotz, WiVerw  1979, S.  1, 7; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 677. 4 Deutlich bei Hamann, VerwArch  73 (1982), S.  28 ff., der zwischen der rückwirkenden Änderung (S. 32 f.) und der Begründung einer Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften anhand des Vertrauensschutzprinzips differenziert (S. 35 f.). s. auch Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 766; Blanke, Vertrauensschutz, S. 263 ff., insb. S. 275; Hey, DStR 2004, S. 1897, 1903; ähnlich Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 366 f. 5 So insbesondere Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S. 238 ff.; Hamann, VerwArch 73 (1982), S. 28, 35 f. und Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 130; ähnlich Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S.  198 ff., 207, der explizit betont, dass das Vertrauensschutzprinzip nicht vor Änderungen der Verwaltungsvorschrift in der Zukunft sowie vor Abweichungen im Einzelfall schütze. Terminologisch zumindest missverständlich auch Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 364, die insofern von intratemporaler Gleichheit sprechen. 6 s. oben, 1. Kapitel, II. 2. c), S. 54 ff.

I. Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand

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exter­nen Bindungswirkung von bürgeradressierten „Verwaltungsanweisungen“7 verwechselt.8 Die Widersprüchlichkeit der These, dass Vertrauensschutz zur Begründung einer mittelbaren Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften herangezogen werden könne, zeigt sich insbesondere darin, dass der für die Begründung der Außenwirkung notwendige Vertrauenstatbestand gleichsam doppelfunktional auch für die Begründung des retrospektiven Vertrauensschutzes in Betracht kommen müsste.9 Ein derartiges Verständnis des Vertrauensschutzprinzips steht dessen Reichweite jedoch in grundsätzlicher Hinsicht entgegen.10 Insgesamt ist bezüglich der Reichweite des Vertrauensschutzprinzips somit für den weiteren Gang der Untersuchung von einer stets retrospektiven Ausrichtung auszugehen. Entscheidend ist demnach, inwieweit das Vertrauensschutzprinzip einer echt oder unecht rückwirkenden Änderung oder Aufhebung einer Verwaltungsvorschrift entgegensteht.11 Dies alles darf den Blick indes nicht dahingehend verengen, dass das Vertrauensschutzprinzip bei Übergangsregelungen als Rechtsfolge schutzwürdigen Vertrauens durchaus prospektive Elemente aufweisen kann. 2. Grundsätzliche Überlegungen zur Qualität staatlichen Handelns als Vertrauensgrundlage Bevor eine Auseinandersetzung mit den vom Schrifttum und der Rechtsprechung vorgetragenen Aspekten stattfinden kann, die gegen eine Qualität von Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand sprechen, bedarf es einiger grundsätzlicher Überlegungen zur Qualität staatlichen Handelns als Vertrauensgrundlage. Denn ohne eine systematische Grundlegung der gleichsam vorgelagerten Problemstellung, welche rechtlichen oder faktischen Wirkungen des Verwaltungshandelns schutzwürdiges Vertrauen begründen können, ist eine umfassende Durchdringung der Einzelaspekte zu Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand nicht möglich. Ein Lösungsversuch der soeben skizzierten Grundproblematik muss mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand zweiteilig erfolgen: Einerseits bedarf es der Klärung, ob nur rechtliche oder auch faktische Handlungen der Exekutive einen Vertrauenstatbestand darstellen; andererseits wird damit einhergehend die Problematik aufgeworfen, welche Anforderungen an den Willen der Behörde zum Setzen eines Vertrauenstatbestandes notwendig sind.

7

Blanke, Vertrauensschutz, S. 259. Tendenziell auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3 GG Rn. 275. 9 Insofern unzutreffend Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S. 247, die hier die Bindungsebenen von Vertrauensschutz und Gleichheitssatz vermischt und wechselweise zu einer Begründung der Außenverbindlichkeit heranzuziehen versucht. 10 Im Ergebnis ebenfalls Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 207. 11 Burmeister, Vertrauensschutz, S. 278. 8

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

a) Ausgangsproblematik Bei unbefangener Betrachtung ließe sich die Frage, ob die rechtlichen oder faktischen Wirkungen des Gesetzesvollzugs anhand von Verwaltungsvorschriften als Vertrauensgrundlage in Betracht kommen, angesichts der Adressierung des Rechtsstaatsprinzips an alle Staatsgewalten sowie der Bindung der Verwaltung an das Vertrauensschutzprinzip über die Grundrechte nach Art. 1 III GG als geradezu selbstverständlich bejahen und daher als wenig erörterungswürdig erscheinen. Dieser voreilige Befund steht jedoch im deutlichen Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie weiten Teilen der Literatur. Das Bundesverwaltungsgericht ist in seiner Rechtsprechung schwankend, hat diese Frage jedoch angesichts der fehlenden Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens gegenüber der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften im Ergebnis stets unbeantwortet gelassen.12 Ähnlich unklar ist die instanzgerichtliche Rechtsprechung auf dem Gebiet des Allgemeinen Verwaltungsrechts; dort wird die Problematik des Vertrauenstatbestandes zumeist ausgeklammert.13 Besondere Skepsis äußert auch der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung gegenüber Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand.14 Da Verwaltungsvorschriften nur an den Amtswalter adressiert seien, könne innerorganisatorisches Verwaltungs­ handeln keinerlei Vertrauenstatbestand begründen.15 Kaum ergiebiger sind die Ausführungen im Schrifttum. Obgleich dort eine tiefergehende Diskussion um die Vertrauensschutzproblematik bei der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften stattgefunden hat,16 sind die genauen Wirkungen der Verwaltungsvorschrift, die eine Vertrauensgrundlage begründen können, auch hier weitestgehend ungeklärt. Im Folgenden bedarf es daher einer Untersuchung der rechtlichen und faktischen Wirkungen einer Verwaltungsvorschrift, die geeignet sein können, potenzielles Vertrauen zu begründen.

12 BVerwG, Urteil v. 08.04.1997 – 3 C 6.95, BVerwGE 104, S. 220, 229; BVerwG, Urteil v. 11.05.2006 – 5 C 10.05, BVerwGE 126, S. 33, 47 ff. 13 OVG Berlin, Urteil v. 16.12.2004 – OVG 5 B 4.04, JZ 2005, S. 672, 677; OVG Münster, Urteil v. 23.08.2011 – 8 A 2247/10, NWVBl. 2012, S. 117, 119. 14 Grundlegend BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 481. s. auch BFH, Urteil v. 22.04.1980 – VIII R 149/75, BFHE 130, S. 391, 403; BFH, Urteil v. 09.03.1988 – I R 262/83, BFHE 153, S. 38, 43 f.; BFH, Urteil v. 26.04.1995 – XI R 91/83, BFHE 178, S. 4, 8; BFH, Urteil v. 07.11.1996 – IV R 69/95, BFHE 182, S. 56, 60; BFH, Beschluss v. 03.04.2013 – V B 125/12, BFHE 240, S. 447, 453; BFH, Urteil v. 17.04.2013 – X R 6/11, BFH/NV 2013, S. 1537, 1540. 15 Mittelbar BFH, Urteil v. 22.04.1980 – VIII R 149/75, BFHE 130, S. 391, 402; jüngst BFH, Beschluss v. 03.04.2013 – V B 125/12, BFHE 240, S. 447, 453. 16 s. dazu nochmals die Nachweise in Fn. 1.

I. Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand

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b) Rechtliche Wirkungen der Verwaltungsvorschrift als Vertrauensgrundlage Als relativ einfach handhabbar stellen sich diejenigen Verwaltungsvorschriften dar, denen über den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG mittelbare Außenwirkung zukommt. Ähnlich dem Vertrauensschutz in Gesetze vertraut der Bürger hier auf die abstrakt-generellen Bindungswirkungen der Verwaltungsvorschrift. Das Vertrauen begründet sich dabei nicht auf die – nach hiesiger Ansicht ohnehin nicht bestehende – unmittelbare rechtliche Außenwirkung, sondern vielmehr auf die Ausfüllung des der Verwaltung rechtlich zugewiesenen Spielraums über das Selbstprogrammierungsrecht im Innenverhältnis. Die rechtlichen vertrauensbegründenden Wirkungen werden hier bei genauerer Betrachtung nicht durch den Spielraum als solchen ausgelöst, sondern vielmehr durch den Willen der Verwaltung, diesen Spielraum anhand von einheitlichen Vollzugsmaßstäben kraft ihres Selbstprogrammierungsrechts im Rahmen des Programms zweistufiger Gesetzesanwendung auszufüllen. Denn die bloße Existenz eines der Verwaltung zugewiesenen Spielraums sagt noch nichts darüber aus, ob dieser innerhalb der Verwaltung gleichmäßig ausgefüllt werden oder sich erst allmählich eine einheitliche, durch Verwaltungsvorschriften programmierbare Vollzugspraxis entwickeln soll.17 Insgesamt bleibt damit festzuhalten: Das Vertrauen des Bürgers gründet sich vorrangig auf die kraft Selbstprogrammierungsrecht ausgelösten rechtlichen Wirkungen, die im Ergebnis zu einer mittelbaren abstrakt-generellen Geltungskraft der Verwaltungsvorschrift führen. c) Faktische Wirkungen der Verwaltungsvorschrift als Vertrauensgrundlage Wesentlich problematischer gestaltet sich die Situation, wenn der Verwaltungsvorschrift keine über den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG vermittelte Bindungswirkung zukommt. Zu erwähnen sind hierbei insbesondere rechtswidrige Verwaltungsvorschriften. In diesen Fällen hat der Bürger im Vorfeld keinen Anspruch auf richtlinienkonforme Verbescheidung kraft Art. 3 I GG. Die Verwaltungsvorschrift entfaltet insofern lediglich faktische Wirkungen. Ob und inwieweit faktisches Verwaltungshandeln taugliche Vertrauensgrundlage sein kann, ist weitestgehend ungeklärt.18 Die Problematik faktischen Handelns als Vertrauensgrundlage besteht namentlich darin, dass der Bürger im Nachhinein etwas einfordert, was ihm im 17

In diese Richtung Seibert, in: FG BVerwG 2003, S. 535, 540 f. Dafür generell offen: Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S. 79 f.; Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 765 f.; Tipke, StRO I, S. 169; wohl auch Blanke, Vertrauensschutz, S. 149 f.; differenzierend Hey, Steuerplanungssicherheit, S.  656; ablehnend Schwarz, Vertrauensschutz, S. 351 f.; Ossenbühl, DÖV 1972, S. 25, 29. 18

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

Vorhinein zwar in tatsächlicher Hinsicht gewährt worden wäre, ex post hierauf jedoch kein Anspruch besteht. Die nähere dogmatische Konturierung faktischen Verwaltungshandelns als Vertrauensgrundlage hat zunächst bei den Maßgaben anzusetzen, die aus der Grundrechtsbindung der Verwaltung – und damit auch der Bindung der Verwaltung an das Vertrauensschutzprinzip  – folgen  [aa)]. Sodann bedarf es einer Präzisierung dieser Maßgaben durch den der Verwaltung kraft Gewaltenteilungsprinzips zugewiesenen Auftrag zur verbindlichen Rechtskonkretisierung im Einzelfall unter besonderer Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur echten Rückwirkung19  [bb)]. Schlussendlich müssen die dort gefundenen Ergebnisse für den Bereich des Steuerrechts um die Wertungen des Steuerrechtsverhältnisses ergänzt werden [cc)]. aa) Grundrechtsbindung der Verwaltung Ausgangspunkt einer Lösung der soeben aufgeworfenen Fragestellung muss die Bindung der Verwaltung an die Grundrechte sowie das Rechtsstaatsprinzip auch bei faktischem Verwaltungshandeln und damit beim Erlass von Verwaltungsvorschriften sein.20 Bernhard Kempen hat hierzu zutreffend formuliert, „daß Verwaltungsvorschriften auf Verwaltungsvorgänge einwirken, die ihrerseits im Außenverhältnis die grundrechtlich geschützte Freiheit des Einzelnen berühren. Diese nur mittelbare, gewissermaßen reflexhafte Wirkung von Verwaltungsvorschriften ist durchaus geeignet, eine grundrechtliche Bindung auszulösen, mit anderen Worten: Sobald die Verwaltungsvorschriften mittelbar den grundrechtsgeschützten Rechtskreis des Einzelnen berühren, ist die grundrechtliche Bindung aktualisiert.“21

Diese reflexhafte bzw. faktische Wirkung von Verwaltungsvorschriften strahlt auf das prinzipiell nur innenrechtlich wirkende Selbstprogrammierungsrecht der Verwaltung ein. Denn gegenüber dem Bürger entsteht aufgrund der behördeninternen Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschrift die wiederum freiheitsrechtlich fundierte Erwartungshaltung, dass sich die Behörde an das von ihr selbst gesetzte Vollzugsprogramm hält.22 Unter dieser Prämisse sorgt die faktische Wirkung des Selbstprogrammierungsrechts für eine Beachtungspflicht der Grundrechte im Innenbereich der Verwaltung bei dessen Ausgestaltung. Hierdurch ist es der Verwaltung verwehrt, die Produkte der grundrechtlich geschützten Freiheiten durch innenrechtliches Handeln mit faktischer Außenwirkung zu 19

BVerfG, Beschluss v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, DStR 2014, S. 520 ff. Dazu: Rüfner, in: Isensee/Kirchhof, HStR  IX, § 197 Rn.  38; Kempen, in: Merten/Papier, HbGR Bd. II, Teil I, § 54 Rn. 45; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 1 GG Rn. 33; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 GG Rn. 227; Dreier, in: Dreier, Art. 1 Abs. 3 GG Rn. 61. 21 Kempen, in: Merten/Papier, HbGR Bd. II, Teil I, § 54 Rn. 45. 22 Leisner, Verwaltungsvorschriften, S.  59 f., 60; Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S. 260 f.; Tipke, StRO I, S. 169; Hey, in: FS Kirchhof, Bd. II 2013, S. 1657, 1663 f. 20

I. Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand

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zerstören.23 Diese grundrechtlich-rechtsstaatlich fundierte Vorwirkung ist der entscheidende Grund für die Heranziehung der faktischen Wirkungen einer an sich unverbindlichen Verwaltungsvorschrift im Außenverhältnis gegenüber dem Bürger als Vertrauenstatbestand. Gegen das soeben gefundene Ergebnis lässt sich nicht einwenden, dass dadurch die Gesetzesbindung der Verwaltung aufgehoben werde und eine Perpetuierung rechtswidriger Zustände erfolge.24 Die partielle Derogation der Gesetzesbindung der Verwaltung sowie die damit scheinbar einhergehende „Perpetuierung“ rechtswidriger Zustände durch jeweils übergeordnete Verfassungsprinzipien sind bei Lichte besehen allgemeine verfassungsrechtliche Erscheinungen, welche die Anwendung des Vertrauensschutzprinzips auf rechtswidriges Staats- und Verwaltungshandeln betreffen und keine Besonderheit faktischer Vertrauensgrundlagen. Hier müssen vielmehr differenzierte Lösungen auf Ebene der Schutzwürdigkeit gefunden werden, wie dies paradigmatisch die zu § 48 II VwVfG ergangene Rücknahmedogmatik zeigt.25 Für Rechtsnormen des Außen- und Innenrechts gilt zudem, dass sie – auch im Falle ihrer Rechtswidrigkeit und damit prinzipiellen Nichtigkeit  – zumindest den Anschein erwecken, dass sich der Staat gegenüber dem Bürger auf verschiedenartige Weise binden will.26 Schlussendlich steht die hier vertretene Sichtweise zur Begründung eines Vertrauenstatbestandes nicht im Widerspruch zur Handhabung der Selbtsprogrammierungspflichten im 1. Kapitel.27 Die Frage, ob Verwaltungsvorschriften als eine dem Staat zurechenbare Handlung einen Vertrauenstatbestand darstellen können, hängt im Ergebnis nicht mit innenrechtlichen Selbstprogrammierungspflichten der Verwaltung zusammen; schließlich gibt die innenrechtliche Grundrechtsbindung der Verwaltung nur eine bedingte Antwort auf potenziell existierende Selbstprogrammierungspflichten. bb) Mandat zur außenwirksamen Rechtskonkretisierung im Einzelfall Die soeben gemachten Ausführungen werden durch das der Exekutive kraft Verfassung zugewiesene Mandat zur außenwirksamen Rechtskonkretisierung im Einzelfall bestätigt. Das hier angesprochene Mandat beinhaltet prozedurale Spiel 23

Prägnant Kisker, VVDStRL 32 (1973), S. 149, 166: „Eine andere Wertung würde das Einräumen grundrechtlicher Freiheiten sinnlos machen. Eine Handlungsfreiheit, deren Produkte durch die öffentliche Gewalt jederzeit zerschlagen werden können, ist wertlos.“ 24 In diesem Sinne Ossenbühl, DÖV 1970, S. 264, 266; Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, 113; Arndt, in: FS Armbruster 1976, S. 233, 247; Lotz, WiVerw 1979, S. 1, 7; Blanke, Vertrauensschutz, 275; Schwarz, Vertrauensschutz, S. 352; Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 127. 25 Dazu eingehend: Blanke, Vertrauensschutz, S. 171 ff. 26 So explizit zu verfassungswidrigen Gesetzen Hey, in: DStJG 27 (2004), S. 91, 100; ähnlich Muckel, Vertrauensschutz, S. 87 f.; Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S. 88; Mellinghoff, in: DStJG 27 (2004), S. 25, 35 f. 27 s. oben, 1. Kapitel, II. 3. c), S. 60 ff.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

räume, welche die Verwaltung regelmäßig mit grundrechtlich-rechtsstaatlich vorfundierter Selbstprogrammierung ausfüllen kann. Insofern trifft es zu, wenn die Verwaltungsvorschrift als „normative Zwischenkategorie“28 bezeichnet wird. Im verfassungsrechtlich vorgesehenen Rechtsanwendungsprozess steht die Verwaltungsvorschrift mit ihren faktischen Wirkungen im Außenverhältnis deshalb zwischen dem durch das Gesetz erteilten normativen Handlungsauftrag und der tatsächlichen Vollziehung dieses Handlungsauftrags gegenüber dem Bürger im Einzelfall. Bestätigt werden diese Überlegungen insbesondere durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur echten Rückwirkung vom 17.12.2013.29 So konstatiert das Bundesverfassungsgericht, dass die durch den offenen Gesetzeswortlaut hervorgerufene Auslegungsproblematik einer jeden Rechtsnorm immanent sei;30 insofern könne der Gesetzgeber den anderen Staatsgewalten erteilten normativen Handlungsauftrag und das sich hierauf stützende Vertrauen auf die notwendige Konkretisierung eines Gesetzes im Nachhinein nicht durch legislative „Klarstellungen“ zerstören.31 Richtiger Auffassung zufolge stützt sich das Vertrauen gerade bei durch Auslegung konkretisierungsbedürftigen Rechtsnormen auf den insoweit offenen Gesetzeswortlaut,32 wobei sich die Vertrauensgrundlage in der hier diskutierten Konstellation – im Unterschied zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – in der Konkretisierung des offenen Wortlauts durch die jeweilige Verwaltungsvorschrift manifestiert. Eine solche Sichtweise ist zudem dogmatisch konsequent, denn die strukturell ähnliche Gefährdungslage des Bürgers verschiebt sich lediglich von der Legislative auf die Exekutive als anderweitigem Grundrechtsadressaten und vertrauenserzeugender Gewalt. Im Ergebnis sind es die der Verwaltung von Verfassungs wegen zugewiesene eigenständige Rolle im verfassungsrechtlich vorgesehenen Rechtsfindungsprozess und das damit verbundene Mandat zur außenwirksamen Rechtskonkretisierung im Einzelfall, die aus vertrauensschutzrechtlicher Sicht auch faktische Wirkungen einer Verwaltungsvorschrift als Vertrauensgrundlage genügen lassen. cc) Ergänzung der faktischen Wirkungen des Selbstprogrammierungsrechts durch die Wertungen des Steuerrechtsverhältnisses Das oben gefundene Ergebnis wird für das Gebiet des Steuerrechts durch die Wertungen des Steuerrechtsverhältnisses ergänzt. Zwar kommt den dem Grunde nach unverbindlichen Verwaltungsvorschriften – wie aufgezeigt – nur eine faktische Wirkung zu. Dennoch ist klar, dass bei Verwirklichung des gesetzlichen 28

Waldhoff, in: DStJG 27 (2004), S. 129, 146. BVerfG, Beschluss v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, DStR 2014, S. 520 ff. 30 BVerfG, Beschluss v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, DStR 2014, S. 520, 526. 31 BVerfG, Fn. 30. 32 Birk, FR 2014, S. 338, 339; Hey, JZ 2014, S. 500, 504 ff.; Drüen, Ubg 2014, S. 747, 751 ff. 29

I. Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand

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Tatbestandes ein konkretes Verwaltungs- bzw. Steuerrechtsverhältnis entsteht, das über die allgemeine Staat-Bürger-Beziehung hinausgeht.33 Im Rahmen dieses konkreten Rechtsverhältnisses hat der Bürger auch einen Anspruch auf Mitteilung des Inhalts der für seinen Steuerfall bedeutsamen Verwaltungsvorschriften34 und kann anhand dieses Anspruchs sein verbleibendes Restinterpretationsrisiko vermindern. Vertrauensgrundlage ist in diesem Fall nach wie vor nicht die faktische Außenwirkung einer Verwaltungsvorschrift. Vielmehr hat der Staat durch den Erlass der Verwaltungsvorschrift gegenüber dem Bürger im Rahmen des nunmehr konkretisierten Steuerrechtsverhältnisses signalisiert, dass er den ihm zustehenden Konkretisierungsrahmen durch die vorgenommene Selbstprogrammierung gegenüber dem disponierenden Steuerbürger in einer spezifischen Weise ausfüllen wird.35 Die Wertungen des Steuerrechtsverhältnisses führen insofern zu einer partiellen Verrechtlichung der faktischen Wirkungen des Vertrauenstatbestands. Diesem Ergebnis kann nicht mit dem Bundesfinanzhof eine fehlende Indi­ vidualisierung der Beziehung zwischen Bürger und Staat unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden.36 Die Bemühung des Grundsatzes von Treu und Glauben verkennt die bereits durch die Verwirklichung des Steuertatbestandes eingetretene Individualisierung des Steuerrechtsverhältnisses sowie die auch für faktisches Verwaltungshandeln bestehenden grundrechtlichen Vorwirkungen. Hinsichtlich dieses Punktes unterscheidet sich das Steuerrechtsverhältnis deutlich von der Dogmatik des allgemeinen Verwaltungsrechtsverhältnisses, dessen Wirkungen einen gesteigerten Kontakt des Bürgers zur Verwaltung voraussetzen, beispielsweise in Form eines subjektiv-öffentlichen Rechts.37

33 Drüen, in: Tipke/Kruse, Vorbemerkungen zu §§ 33–37 AO Rn. 1; Seer, in: Tipke/Lang, § 6 Rn. 1. 34 Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S. 288 ff.; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 20 Rn. 23. 35 Ähnlich Leisner, Verwaltungsvorschriften, S. 61; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 672. 36 BFH, Urteil v. 14.08.1958  – I  39/57  U, BFHE  67, S.  354, 360 ff.; BFH, Urteil v. 22.04.1980 – VIII R 149/75, BFHE 130, S. 391, 402; BFH, Urteil v. 10.11.1982 – I R 142/79, BFHE  137, S.  202, 204 f.; BFH, Urteil v. 15.01.1986  – II  R  141/83, BFHE  145, S.  453, 455 ff.; BFH, Urteil v. 11.12.1986  – V  R  166/81, BFH/NV  1987, S.  402, 403; BFH, Urteil v. 09.03.1988  – I  R  262/83, BFHE  153, S.  38, 43 f.; BFH, Urteil v. 11.10.1988  – VIII R 419/83, BFHE 155, S. 298, 305 f.; BFH, Urteil v. 12.01.1989 – IV R 87/87, BFHE 155, S.  484, 486; BFH, Urteil v. 31.10.1990  – I  R  3/86, BFHE  163, S.  478, 481; BFH, Urteil v. 26.04.1995  – XI  R  91/83, BFHE  178, S.  4, 6 f.; BFH, Urteil v. 07.11.1996  – IV R 69/95, BFHE 182, S. 56, 58 ff.; BFH, Urteil v. 07.10.2010 – V R 17/09, BFH/NV 2011, S.  865, 866 ff.; zuletzt BFH, Urteil v. 17.04.2013  – X  R  6/11, BFH/NV  2013, S.  1537, 1539 f. 37 Maurer, AVwR, § 8 Rn. 17 ff.; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VwR I, § 32 Rn. 35 ff.; Kopp/ Ramsauer, Einführung I Rn. 56 ff.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

dd) Zusammenfassung Als vertrauensbegründender Anknüpfungspunkt kommen sowohl die rechtlichen als auch faktischen Wirkungen einer Verwaltungsvorschrift aufgrund der durch Willensakt der Verwaltung vorgenommenen Selbstprogrammierung im Innenverhältnis in Betracht. Auch durch den Erlass eines im Außenverhältnis unverbindlichen Vollzugsprogramms kann die Verwaltung zumindest den wiederum im Rahmen des Vertrauensschutzprinzips rechtlich relevanten Anschein erwecken, sich an die von ihr selbst gesetzten Maßstäbe binden zu wollen. Damit können auch Verwaltungsvorschriften als Bestandteil der „untergesetzlichen Rechtslage“38 als Vertrauenstatbestand in Betracht kommen. Verwaltungsvorschriften sind nach alledem nicht Vertrauensgrundlage minderen Ranges, sondern vielmehr in Abhängigkeit der ihnen zugrunde liegenden Spielräume sowie ihrer zeitlichen Existenz und tatsächlichen Handhabung auf Seiten der Verwaltung zum Hervorrufen schutzwürdigen Vertrauens geeignet.39 Insgesamt genügt daher, unabhängig von den rechtlichen oder faktischen Wirkungen staatlichen Handelns, jedes dem Staat zurechenbare Verhalten für die Existenz eines Vertrauenstatbestandes. d) Zurechenbares Verhalten des Staates Wie soeben festgestellt wurde, ist für die Existenz eines Vertrauenstatbestandes ein dem Staat zurechenbares Verhalten gegenüber dem Bürger erforderlich, aber auch ausreichend. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Anforderungen an die Zurechenbarkeit des staatlichen Handelns gegenüber dem Bürger zu stellen sind. Hier stehen sich namentlich zwei Positionen gegenüber. Einerseits ließe sich mit weiten Teilen des Schrifttums fordern, dass für die Zurechenbarkeit ein gezielter Willensakt des Staates in Form einer Publikation der prinzipiell innengerichteten Verwaltungsvorschrift zu fordern ist.40 Andererseits ließe sich erwägen, das Kriterium der Zurechenbarkeit von einem gezielten Publikationswillen für den Außenbereich zu lösen und damit letztendlich an den Willen zur Selbst­ programmierung anzuknüpfen. Letzteres ist im Hinblick auf die hier vertretenen Maßstäbe zur rechtlichen und faktischen Qualität staatlichen Handelns als Vertrauensgrundlage konsequent. Für die Zurechenbarkeit eines Vertrauenstatbestandes kann es nicht auf des-

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Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 593. Kritisch gegenüber der ablehnenden Haltung des Bundesfinanzhofs auch Rüsken, NWB Fach 2, S. 9721, 9723. 40 Blanke, Vertrauensschutz, S. 264 f.; ähnlich Hey, in: DStJG 27 (2004), S. 91, 100; Balmes/ Felten, BB 2008, S. 1434, 1437; Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S. 267; Schwerdtfeger, NVwZ 1984, S. 486, 488. 39

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sen ­Publikation ankommen. Der gezielte Wille zum Setzen eines Vertrauenstatbestands entsteht nicht erst im Moment der Publikation, sondern vielmehr durch den Willen der Verwaltung, ihren Gesetzesvollzug selbstprogrammiert zu leiten. Dies ist der entscheidende Akt, der den für eine Zurechenbarkeit notwendigen Kausalzusammenhang zwischen rechtlicher wie faktischer Vertrauensgrundlage und staatlichem Handeln schafft. Strikt von der soeben dargelegten Fragestellung muss die Problematik getrennt werden, inwiefern die Existenz des Vertrauenstatbestandes dagegen für die Vertrauensbetätigung des Bürgers kausal ist.41 Die bloße Existenz eines Ver­ trauenstatbestandes sagt nämlich noch nichts darüber aus, ob der Bürger in Kenntnis hiervon eine Vertrauensbetätigung durchgeführt hat. Hier müssen wiederum Kriterien wie beispielsweise die Publikation der Verwaltungsvorschrift oder die Kenntnis des Bürgers einer auf Selbstprogrammierung schließenden Verwaltungspraxis herangezogen werden. Dies ist jedoch an anderer Stelle noch vertieft zu behandeln. Eine Publikation des Vertrauenstatbestands mag im Ergebnis daher nur die Kausalität und Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens begründen oder verstärken, kann jedoch nicht zur Begründung von dessen Existenz herangezogen werden. e) Zwischenergebnis Das Selbstprogrammierungsrecht der Verwaltung zur Ausfüllung vorhandener vorläufiger wie endgültiger Spielräume beim Gesetzesvollzug ist der maßgebliche Anknüpfungspunkt potenziellen Vertrauens bei der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften. Dieser Wille zur Selbstprogrammierung kann dabei sowohl rechtliche als auch faktische Wirkungen auslösen, welche die Qualität einer Verwaltungsvorschrift als Vertrauensgrundlage im Ergebnis nicht beeinflussen. Eine dem Grundrechtsträger gegenüber vorgenommene Publikation ist zur Schaffung eines Vertrauenstatbestands nicht erforderlich; vielmehr reicht der Wille der Verwaltung zur Selbstprogrammierung aus. Der Kanon vertrauensbegründenden Staatshandelns ist nach alledem nicht auf einzelne Handlungsformen der Verwaltung begrenzt. Basierend auf diesen Überlegungen eröffnet sich für die Etablierung einer Vertrauensschutzdogmatik gegenüber der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften ein breites Anwendungsfeld, dessen einzelne Voraussetzungen es mit Blick auf die Qualität der Verwaltungsvorschrift als Vertrauensgrundlage sogleich noch schärfer zu konturieren gilt.

41

Dazu instruktiv: BFH, Urteil v. 17.04.2013 – X R 6/11, BFH/NV 2013, S. 1537, 1540 sowie die Vorentscheidung des FG  Baden-Württemberg, Urteil v. 17.12.2009  – 3  K  49/09, EFG 2011, S. 1402, 1405.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

3. Rechtmäßige Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand Wie die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, sind Verwaltungsvorschriften –  und zwar ungeachtet ihrer Bindungswirkung  – grundsätzlich in der Lage, einen tauglichen Vertrauenstatbestand zu bilden. Dennoch ist die Heranziehung einer Verwaltungsvorschrift als Vertrauenstatbestand mit Blick auf die fehlende originäre Normsetzungskompetenz der Exekutive aus grundsätzlicher Sicht nicht unproblematisch. An dieser Stelle werden daher zunächst die gegen rechtmäßige Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand vorgetragenen Einwände einer kritischen Betrachtung unterzogen. a) Fehlende Normwirkung von Verwaltungsvorschriften Als zentraler Einwand, der gegen eine prinzipielle Gewährung von Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften spricht, ließe sich zunächst deren fehlende Normwirkung anführen.42 Dafür sprächen im Wesentlichen die prinzipiellen Unterschiede zwischen innengerichtetem Exekutivrecht sowie abstrakt-generellen Außenrechtssätzen. Bei näherer Betrachtung kann eine solche Argumentationsweise indes nicht überzeugen. Es ist zwar richtig, dass Verwaltungsvorschriften keine unmittelbare Außenwirkung entfalten können. Dennoch erzeugen Verwaltungsvorschriften in den erörterten Konstellationen über den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG mittelbare Außenwirkung. Die Rechtswirkungen der Selbstbindung kommen im Ergebnis abstrakt-generellen Rechtssätzen sehr nahe. Gerade dieser Punkt spricht, was die Anwendbarkeit des Vertrauensschutzprinzips anbelangt, für eine strukturelle Vergleichbarkeit von Verwaltungsvorschriften und abstrakt-generellen Rechtssätzen mit Außenwirkung. Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass es für die Begründung eines Vertrauenstatbestands an einer Sonderverbindung des Bürgers zum Handeln der Behörde fehle.43 Namentlich im Steuerrecht steht der Bürger aufgrund der Wirkungen des formellen wie materiellen Steuerrechtsverhältnisses in einer regelmäßig verdichteten Beziehung zum Staat, innerhalb derer er auf die Anwendung des Vollzugsprogramms vertraut.44 Im Übrigen kann die Existenz eines Vertrauenstatbestandes aufgrund der freiheitsrechtlichen Begründung des Vertrauensschutzprinzips nicht von einer verdichteten Sonderbeziehung des Bürgers zum Staat abhängig gemacht werden.45

42 So tendenziell Haas, Vertrauensschutz im Steuerrecht, S. 139; ähnlich Maurer, in: Isensee/ Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 122. 43 Mainka, Vertrauensschutz, S. 77 f.; Lotz, WiVerw 1979, S. 1, 8; Pauly, JZ 1997, S. 647, 653; Blanke, Vertrauensschutz, S. 261; tendenziell auch Arndt, in: FS Armbruster 1976, S. 233, 248. 44 Deutlich bei Leisner, Verwaltungsvorschriften, S.  61; offen auch Lange, WiVerw  1979, S. 15, 32; vgl. dazu insgesamt nochmals oben, I. 2. c) cc), S. 164 ff. 45 Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 682; Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 367.

I. Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand

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Die hier vertretene Sichtweise wird durch die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,46 (Teilen des) Bundesfinanzhofs47 sowie die überwiegende Auffassung im Schrifttum48 bestätigt: Alle dort vertretenen Ansätze zeigen, dass die fehlende Normwirkung von Verwaltungsvorschriften nicht ein Problem des Vertrauenstatbestandes ist, sondern vielmehr auf Ebene der Schutzwürdigkeit des betätigten Vertrauens berücksichtigt werden muss. b) Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften durch Gewährung von Vertrauensschutz Hat man für den Bereich des Vertrauenstatbestands die prinzipielle Vergleichbarkeit von Verwaltungsvorschriften und anderen abstrakt-generellen Außenrechtssätzen akzeptiert, ließe sich sodann einwenden, dass einer Verwaltungsvorschrift durch die Gewährung von Vertrauensschutz (mittelbare) Außenwirkung zukäme. Dieses Ergebnis würde Verwaltungsvorschriften zu einer Normwirkung verhelfen,49 die einerseits verfassungsrechtlich nicht vorgesehen ist und andererseits der obigen Argumentation zur Trennung der Bindungsebenen des allgemeinen Gleichheitssatzes sowie Vertrauensschutzprinzips widerspricht. Indes kann auch diese Betrachtungsweise weder für sich genommen noch insgesamt überzeugen. Es ist zwar richtig, dass die Gewährung von Vertrauensschutz in Bezug auf den Inhalt einer Verwaltungsvorschrift faktisch zu einer Außenwirkung führt, die es dem Bürger ermöglicht, übergangsweise das dort niedergelegte Vollzugsprogramm einzufordern. Diese faktische Außenwirkung stellt sich allerdings nur als Rechtsreflex der Anwendung des Vertrauensschutzprinzips dar und ist damit letztlich eine Art 46

BVerwG, Urteil v. 17.04.1970 – VII C 60.68, BVerwGE 35, S. 159, 161 ff.; BVerwG, Urteil v. 08.04.1997  – 3  C  6.95, BVerwGE  104, S.  220, 223; BVerwG, Urteil v. 11.05.2006  – 5 C 10.05, BVerwGE 126, S. 33, 47 ff. 47 BFH, Urteil v. 31.10.1990  – I  R  3/86, BFHE  163, S.  478, 483 f.; BFH, Beschluss v. 26.09.2007  – V  B  8/06, BFHE  219, S.  245, 248 ff.; BFH, Beschluss v. 04.08.2010  – X B 172/09, BFH/NV 2010, S. 2053, 2054; BFH, Beschluss v. 02.04.2012 – III B 189/10, BFH/ NV 2010, S. 1101, 1102; so wohl auch BFH, Urteil v. 10.11.1982 – I R 142/79, BFHE 137, S.  202, 205 f.; BFH, Urteil v. 12.01.1989  – IV  R  87/87, BFHE  155, S.  484, 486; BFH, Urteil v. 12.01.1987  – IV  R  87/87, BFHE  155, S.  487, 490 f.; schwankend BFH, Beschluss v. 21.04.2005  – III  B  40/04, BFH/NV  2005, S.  1480 u. BFH, Beschluss v. 07.12.2007  – XI B 61/07, BFH/NV 2008, S. 592 f. 48 Randelzhofer, JZ 1973, S. 536, 543; Götz, in: FG BVerwG 1978, S. 245, 253; Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S. 242 ff.; Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 766 f.; Blanke, Vertrauensschutz, S.  263 ff.; Schwarz, Vertrauensschutz, S.  351 f.; Seibert, in: FG  BVerwG 2003, S. 535, 545; Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 367; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 20 Rn. 21. Tendenziell offen auch Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, 112 ff.; Sauerland, Verwaltungsvorschrift, S. 205 ff. 49 Im Ergebnis so Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S. 267 f.; diesbezüglich skeptisch BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 482; Ossenbühl, DÖV 1972, S. 25, 29; ähnlich Blanke, Vertrauensschutz, S. 271 ff., der die Problematik allerdings soweit ersichtlich auf die rechtswidrige Verwaltungspraxis reduziert.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

„Prolongierung“ der bei rechtmäßigen Verwaltungsvorschriften über Art. 3 I GG bestehenden Bindungswirkung.50 Ein genereller Begründungsansatz ist er für die Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften aus dieser Sichtweise nicht.51 c) Unklare Grenzziehung zwischen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften Ein weiteres, namentlich auch vom Bundesfinanzhof52 bemühtes, Argument gegen die Gewährung von Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften betrifft ein hierdurch hervorgerufenes, jenseits des Art.  80  I  GG stehendes, unabhängiges Verordnungsrecht der Exekutive53 und eine damit scheinbar verbundene Verwässerung der Grenzen zwischen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften. Bereits ein erster Blick auf die erhobenen Einwände zeigt jedoch, dass diese weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit überzeugen können: Hat man der Sache nach akzeptiert, dass der Verwaltung kein von Art. 80 GG losgelöstes Verordnungsrecht zusteht,54 wird auch das Vertrauensschutzprinzip bei dogmatisch konsequenter Handhabung verfassungsrechtlich nicht dazu in der Lage sein, ein solches hervorzurufen. Vielmehr ist das Verbot einer verordnungsunabhängigen Rechtsetzung der Exekutive als verfassungsimmanente Schranke der Reichweite des Vertrauensschutzprinzips gegenüber Verwaltungsvorschriften zu sehen. Ähnlich wie bei Gesetzen kann das Vertrauensschutzprinzip nur dazu in der Lage sein, einer früheren Rechtslage übergangsweise zur Weitergeltung zu verhelfen. Da die Wirkungskraft des Vertrauensschutzprinzips mithin von Verfassungs wegen zeitlich begrenzt ist, stellt sich dieses Ergebnis als nicht vergleichbar mit dem durch Art. 80 GG zeitlich prinzipiell unbegrenzt wirkenden Verordnungsrecht der Exekutive dar. d) Zusammenfassung Die gegen eine Eignung von rechtmäßigen Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand vorgetragenen Bedenken haben sich als insgesamt nicht tragfähig erwiesen. Es ist folglich mit der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur55 und in klarer Absage an entgegenstehende Tendenzen des 50

Leisner, Verwaltungsvorschriften, S. 61. Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 130; Schwarz, Vertrauensschutz, S. 352. 52 BFH, Urteil v. 21.12.1972  – IV  R  53/72, BFHE  107, S.  564, 575; BFH, Urteil v. 18.03.1986  – VII  R  55/83, BFHE  146, S.  294, 297; BFH, Urteil v. 31.10.1990  – I  R  3/86, BFHE 163, S. 478, 482 jeweils m.w.N. 53 Ossenbühl, DÖV 1972, S. 25, 29; Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, 110; Blanke, Vertrauens­ schutz, S. 260; vgl. auch die Ausführungen bei Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S. 251 f. 54 Vgl. die Ausführungen oben, 1. Kapitel, II. 1. b) bb), S. 44 ff. 55 s. dazu nochmals die Nachweise in Fn. 46–48. 51

I. Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand

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Bundesfinanzhofs56 davon auszugehen, dass die insgesamt gegen einen Vertrauensschutz bei Änderung bzw. Aufhebung von rechtmäßigen Verwaltungsvorschriften sprechenden Gründe allenfalls auf Ebene der Schutzwürdigkeit in die Abwägung einzustellen sind. Die Qualität einer rechtmäßigen Verwaltungsvorschrift als Ver­trauenstatbestand wird dadurch nicht berührt. 4. Rechtswidrige Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand Fritz Ossenbühl formulierte 1972 die apodiktische These, dass sich die Gewährung von Vertrauensschutz gegenüber rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften als das „trojanische Pferd des Rechtsstaates“57 entpuppen würde. In wohl keinem anderen Punkt des Untersuchungsgegenstandes stehen sich die vertretenen Ansichten derart diametral gegenüber.58 Ungeachtet der verhärteten Fronten gilt es im Folgenden, die grundsätzlichen Erwägungen gegen die Gewährung von Vertrauens­ schutz bei rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften näher zu untersuchen, um sodann insbesondere auf die mit der hier aufgeworfenen Fragestellung im engen Zusammenhang stehende Parallele zum Vertrauensschutz in rechtswidrige Normen einzugehen. a) Grundsätzliche Einwände gegen den Schutz des Vertrauens in rechtswidrige Verwaltungsvorschriften Die grundsätzlichen Einwände gegen die Gewährung von Vertrauensschutz bei rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften und damit deren Eignung als Vertrauenstatbestand wurden bereits vielfach dargestellt,59 sodass sich die Untersuchung auf 56 Vgl. zuletzt BFH, Beschluss v. 03.04.2013 – V B 125/12, BFHE 240, S. 447, 453 u. BFH, Urteil v. 17.04.2013 – X R 6/11, BFH/NV 2013, S. 1537, 1540. 57 Ossenbühl, DÖV 1972, S. 25, 29. 58 Ablehnend Arndt, in: FS Armbruster 1976, S. 233, 244 ff.; BVerwG, Urteil v. 10.12.1969 – VIII  C  104.69, BVerwGE  34, S.  278, 284; Ossenbühl, DÖV  1970, S.  264, 266; BFH, Beschluss v. 03.02.2005 – I B 152/04, BFH/NV 2005, S. 1214 ff.; BFH, Urteil v. 17.04.2013 – X  R  6/11, BFH/NV  2013, S.  1537, 1540; Blanke, Vertrauensschutz, S.  273; skeptisch auch Berg, JuS  1980, S.  418, 421; Liggenstorfer, Gleichbehandlung, S.  83 f.; Kölbel, Gleichheit, S.  116; Schwarz, Vertrauensschutz, S.  353 f.; skeptisch auch BFH, Urteil v. 31.10.1990  – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 484; Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 364 ff. Prinzipiell bejahend Götz, NJW 1979, S. 1478, 1481; Götz, in: FG BVerwG 1978, S. 245, 254 f.; Randelzhofer, JZ 1973, S. 536, 542 ff.; Pauly, JZ 1997, S. 647, 653; Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, 114 (zu § 131 AO); offen auch Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 680 ff., insb. S. 682; Hey, DStR 2004, S. 1897 ff.; Hey, in: FS Kirchhof, Bd. II 2013, S. 1657, 1664; Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 766 ff. 59 Zu den grundsätzlichen Einwendungen s. insbesondere Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 127 f.; Blanke, Vertrauensschutz, S. 273; Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S. 245 f.; Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 775 ff.; Hey, DStR 2004, S. 1897, 1903;

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

die wesentlichen Aspekte beschränken kann. Im Mittelpunkt der Diskussion steht zunächst die Überlegung, dass durch eine Gewährung von Vertrauensschutz gegenüber rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften die Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz aufgehoben werde60 und damit einhergehend eine Perpetuierung rechtswidriger Zustände61 erfolge. Diese dem Anschein nach plausiblen Argumente sind jedoch bereits in grundsätzlicher Hinsicht ungeeignet, um gegen die Existenz faktischen und damit auch rechtswidrigen Verwaltungshandelns als Vertrauensgrundlage angeführt werden zu können. Insofern ist richtigerweise davon auszugehen, dass auch rechtswidrige Verwaltungsvorschriften einen Vertrauens­ tatbestand darstellen.62 Die Problematik der Gesetzesbindung der Verwaltung sowie die Aufrechterhaltung rechtswidriger Zustände sind vielmehr eine Frage der Schutzwürdigkeit des betätigten Vertrauens und demzufolge differenzierend in eine Abwägung des betätigten Vertrauens gegen die Verpflichtung der Verwaltung, gesetzmäßige Zustände wiederherzustellen, einzustellen.63 Zu Recht wird deshalb betont, dass die Versagung des Vertrauenstatbestandes zu einem vollständigen Abwägungsausfall führt, der dem freiheitlich-rechtsstaatlichen Bestreben nach Einzelfallgerechtigkeit regelmäßig fremd ist.64 Ergänzend indiziert die in § 176 II AO enthaltene gesetzgeberische Wertung, dass auch rechtswidrige Verwaltungsvorschriften in Bezug auf die Anwendung des Vertrauensschutzprinzips einen entsprechenden Vertrauenstatbestand darstellen können.65 Insgesamt müssen daher differenzierte Kriterien auf Ebene der Schutzwürdigkeit gefunden werden; die Eignung einer rechtswidrigen Verwaltungsvorschrift als Vertrauenstatbestand kann aufgrund ihrer Rechtswidrigkeit nicht infrage gestellt werden. Weitaus gravierender als die vorstehend dargelegten Bedenken wiegt dagegen die vom Bundesfinanzhof wiederholt vorgetragene Erwägung, dass durch die Schwarz, Vertrauensschutz, S. 351 ff.; Lange, WiVerw 1979, S. 15, 32 ff.; Kölbel, Gleichheit, S. 113 ff.; Liggenstorfer, Gleichbehandlung, S. 83 ff.; Arndt, in: FS Armbruster 1976, S. 233, 244 ff.; Berg, JuS 1980, S. 418, 420 ff.; Randelzhofer, JZ 1973, S. 536, 542 ff.; Pauly, JZ 1997, S. 647, 653 f.; Götz, in: FG BVerwG 1978, S. 245, 254 f.; Ossenbühl, DÖV 1970, S. 264, 266; Ossenbühl, DÖV 1972, S. 25, 29; Burmeister, DÖV 1981, S. 503, 509 ff., insb. S. 512. 60 Ossenbühl, DÖV  1970, S.  264, 266; Selmer, StKongrRep  1974, S.  83, 113; Arndt, in: FS Armbruster 1976, S. 233, 247; Lotz, WiVerw 1979, S. 1, 7; Blanke, Vertrauensschutz, 275; Schwarz, Vertrauensschutz, S. 352; Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 127. 61 Ossenbühl, DÖV 1970, S. 264, 265 f.; Arndt, in: FS Armbruster 1976, S. 233, 246 f.; Lotz, WiVerw 1979, S. 1, 7; Rechenbach, NVwZ 1987, S. 383, 386. 62 Randelzhofer, JZ  1973, S.  536, 543; Götz, NJW  1979, S.  1478, 1481; Berg, JuS  1980, S. 418, 421; Haas, Vertrauensschutz im Steuerrecht, S. 146; mittelbar auch Hey, Steuerplanungs­ sicherheit, S. 682. 63 Pauly, JZ 1997, S. 647, 653; ähnlich Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S. 245 f. 64 Englisch/Plum, StuW  2004, S.  342, 362 f., 367; in diese Richtung ebenfalls Hey, in: FS Kirchhof, Bd. II 2013, S. 1657, 1664; Tipke, StRO I, S. 170. 65 Dies alles freilich unter der hier vertretenen Prämisse, dass § 176 II AO nicht als Argument zur Begründung einer mittelbaren Außenwirkung der Verwaltungsvorschrift kraft des Vertrauensschutzgrundsatzes in prospektiver Hinsicht herangezogen werden kann.

I. Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand

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Gewährung von Vertrauensschutz bei Aufhebung und Änderung rechtswidriger Verwaltungsvorschriften die gerichtliche Kontrolldichte und damit der gesetzliche Kontrollauftrag der Gerichte gegenüber der Verwaltung in unzulässiger Weise eingeschränkt werde.66 Auf den ersten Blick mag eine derartige Sichtweise durchaus einleuchtend sein; bei näherer Betrachtung erweist auch sie sich als nicht überzeugend. Unstreitig gilt das Vertrauensschutzprinzip aufgrund der Grundrechtsbindung aller Staatsgewalten auch gegenüber der Verwaltung. Demzufolge kommt es primär darauf an, dass die Behörde die aus dem Vertrauensschutzprinzip resultierenden Konsequenzen zuvörderst für sich selbst zieht.67 Ein Gericht hat folglich im jeweiligen gesetzlichen Rahmen die Einhaltung des Vertrauensschutzprinzips zwischen Bürger und Behörde zu überprüfen. Eine Beschränkung des aus Art. 19 IV GG resultierenden Rechtsschutzauftrags ist damit nicht verbunden.68 b) Parallele zum Vertrauensschutz in rechtswidrige Normen Immer wieder wird die Existenz des Vertrauenstatbestandes einer rechtswidrigen Verwaltungsvorschrift im Schrifttum mit dem Argument abgelehnt, dass bereits das Vertrauen in verfassungs- oder gesetzeswidrige Rechtsnormen nicht geschützt sei und demzufolge Vertrauen in eine rechtswidrige Verwaltungsvorschrift von vornherein nicht in Betracht komme.69 Ein Blick auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur echten Rückwirkung zeigt jedoch schnell, dass diese Aussage bereits in ihrer Allgemeinheit nicht zutrifft: Es ist zwar richtig, dass das Bundesverfassungsgericht den Bürger teilweise darauf verwiesen hat, dass das Vertrauen in eine nur scheinbar bestehende Rechtslage nicht geschützt sei.70 Dagegen verweist das Bundesverfassungsgericht –  insbesondere auf dem Gebiet des Abgabenrechts  – gern auf den Rechtsschein der Gültigkeit von verfassungswidrigen Normen, die sodann im Wege der echten Rückwirkung durch inhaltsgleiche Normen ersetzt werden können, um dem Verwaltungshandeln nachträglich eine Rechtsgrundlage zu verschaffen.71 Die Widersprüchlich 66 BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 482; BFH, Urteil v. 07.11.1996 – IV R 69/95, BFHE 182, S. 56, 59 67 Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 778. 68 Burmeister, in: FS  Friauf 1996, S.  759, 776 ff., 779; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 686; Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 368; v. Groll, in: HHSp, § 227 AO Rn. 206; Loose, in: Tipke/Kruse, § 227 AO Rn. 55; Fritsch, in: Pahlke/Koenig, § 227 AO Rn. 21. Bezogen auf den Aspekt des konkreten Prozessrechtsverhältnisses wohl auch Robbers, JZ 1988, S. 481, 489. 69 Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 127; Blanke, Vertrauensschutz, S. 273. In diese Richtung wohl auch Arndt, in: FS Armbruster 1976, S. 233, 246 f. 70 BVerfG, Urteil v. 19.12.1961 – 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, S. 261, 272; BVerfG, Beschluss v. 16.11.1965 – 2 BvL 8/64, BVerfGE 19, S. 187, 197. 71 BVerfG, Urteil v. 15.11.1967 – 2 BvL 7/64 u.a., BVerfGE 22, S. 330, 348; BVerfG, Beschluss v. 16.01.1980 – 1 BvR 127/78 u.a., BVerfGE 53, S. 115, 130.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

keit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist deshalb zu Recht kritisiert worden.72 Als entscheidendes Argument gegen eine Parallele zum Vertrauensschutz in verfassungswidrige Normen lässt sich jedoch die Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit von gleichheitswidrigen Steuergesetzen anführen.73 Das Bundesverfassungsgericht praktiziert unter Hinweis auf die Stabilität der Haushalte sowie die gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheiten eine Ausnahme vom Nichtigkeitsausspruch des § 78 S. 1 BVerfGG und erklärt das infrage stehende Gesetz lediglich als mit Art. 3 I GG für unvereinbar.74 Vor allem die Grundsätze des Vertrauensschutzes können es hier rechtfertigen, dass die Rechtsnorm nicht ex tunc für nichtig erklärt wird. Dies erklärt sich vor dem Hintergrund, dass der Bürger auf den Rechtsschein der Gültigkeit einer Rechtsnorm vertraut hat.75 Ergänzend dazu muss berücksichtigt werden, dass das Bundesverfassungsgericht durch die temporäre Beibehaltung des verfassungswidrigen Zustandes mit Blick auf die öffentlichen Haushalte dem Rechtsschein der Gültigkeit einer Rechtsnorm offensichtlich mehr Gewicht beimisst als der sofortigen Nichtigkeitserklärung zugunsten des Bürgers.76 Von diesem grundsätzlichen Einwand abgesehen muss überdies festgehalten werden, dass das Bundesverfassungsgericht in zahlreichen älteren wie jüngeren Entscheidungen nicht von einem Entfallen des Vertrauenstatbestandes, sondern vielmehr von einer fehlenden Schutzwürdigkeit des Vertrauens ausgeht.77 Es ist 72

s. dazu insbesondere Pieroth, Rückwirkung, S.  89; Stötzel, Vertrauensschutz, S.  107 f.; Hey, in: DStJG 27 (2004), S. 91, 93 f.; Schwarz, Vertrauensschutz, S. 128 ff.; Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 47 relativiert die Kritik dahingehend, dass sich das Vertrauen in den oben genannten Fällen zumeist „auf den Bestand der durch die Nichtigerklärung eines Gesetzes aufgedeckten Rechtslage“ relativiere; so auch Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn. 755. Das ist sicher richtig, jedoch schafft auch die vorhergehende Rechtslage einen Vertrauenstatbestand, der eben nicht durch die rückwirkende Ersetzung mit einer verfassungsgemäßen Norm entfällt. 73 So insbesondere Hey, in: DStJG 27 (2004), S. 91, 95. Zur Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts bei gleichheitswidrigen Steuergesetzen insbesondere Wernsmann, Das gleichheitswidrige Steuergesetz; Seer, NJW 1996, S. 285 ff.; Drüen, FR 1999, S. 289 ff. 74 s. dazu die umfassenden Nachweise bei Wernsmann, Das gleichheitswidrige Steuergesetz, S. 75 ff. 75 Seer, NJW 1996, S. 285, 289; BVerfG, Beschluss v. 29.09.1998 – 2 BvL 64/93, BVerfGE 99, S. 69, 83. Umso mehr verwundern die Ausführungen im sog. Zinsurteil, vgl. BVerfG, Urteil v. 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239, 284 f. Dort erklärt das Bundesverfassungsgericht die an sich durch das strukturelle Vollzugsdefizit verfassungswidrige und damit nichtige Norm des § 20 I Nr. 5 EStG 1979 als für eine Übergangszeit unter dem Gedanken der Rechtskontinuität weiterhin für anwendbar. Dass die übergangsweise Anwendbarkeit der Sache nach freilich einen Vertrauensschutz (der steuerverkürzenden Bürger) in verfassungswidrige Normen begründet, wird freilich nicht erwähnt. Ähnlich wie hier Tipke, BB 1998, S. 241 ff. 76 Explizit Drüen, FR 1999, S. 289, 291. 77 Explizit BVerfG, Beschluss v. 16.11.1965  – 2  BvL  8/64, BVerfGE  19, S.  187, 197 u. BVerfG, Beschluss v. 21.07.2010 – 1 BvL 11/06 u.a., BVerfGE 126, S. 369, 393 f.; andeutungsweise auch in BVerfG, Beschluss v. 03.12.1997 – 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, S. 67, 81 f.; zuletzt BVerfG, Beschluss v. 02.05.2012 – 2 BvL 5/10, BVerfGE 131, S. 20, 878; undeutlich aber BVerfG, Beschluss v. 18.02.2009 – 1 BvR 3076/08, BVerfGE 122, S. 374, 394.

I. Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand

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deshalb keinesfalls so, dass – wie dies in Teilen des Schrifttums unter Berufung auf die diesbezüglich unklare Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vertreten wird78 – im Falle eines verfassungswidrigen Gesetzes stets der Vertrauenstatbestand entfällt. Das hier entstandene Bild bestätigt sich ebenfalls durch eine genauere Analyse des strukturell vergleichbar gelagerten Problems einer „unklaren bzw. lückenhaften Rechtslage“, die im Wege der echten Rückwirkung beseitigt werden soll. Das Bundesverfassungsgericht bedient sich der ebenfalls in der Kritik stehenden Formel,79 wonach sich der Bürger „auf das geltende Recht (…) dann nicht verlassen [kann], wenn die Rechtslage unklar und verworren oder lückenhaft ist oder in einem Maße systemwidrig und unbillig, daß ernsthafte Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit bestehen. In diesen Fällen erfordert das Rechtsstaatsprinzip selbst, daß die Rechtssicherheit und Gerechtigkeit durch eine klärende Regelung rückwirkend hergestellt wird.“80

Bei genauer Betrachtung des vorstehenden Zitats ergeben sich keine expliziten Aussagen dahingehend, dass der Vertrauenstatbestand des allgemein gültigen Gesetzes per se durch dessen Lückenhaftigkeit bzw. unklare Formulierung entfallen würde. Vielmehr sind die Ausführungen in Übereinstimmung mit der jüngeren Rechtsprechung des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts so zu verstehen, dass der Gesetzgeber nur unter engen Voraussetzungen eine „Klarstellung“ der gesetzlichen Lage mit rückwirkenden Rechtsfolgen herbeiführen darf;81 bereits die – ggf. auch rechtswidrige – Konkretisierungsfähigkeit eines Gesetzes ist demnach geeignet, vertrauenserzeugend zu wirken.82 Demzufolge überrascht es kaum, wenn das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zum Rentenversicherungs­ neuordnungsgesetz vom fehlenden „schutzwürdige[n] Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts für vergangene Zeiträume“83 spricht.

78 Dazu z.B. Pieroth, Rückwirkung, 89; Sachs, in: Sachs, Art. 20 GG Rn. 134; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Art. 20 GG VI Rn. 86 jeweils m.w.N. 79 Zur Kritik: Pieroth, Rückwirkung, S. 88 f.; Stötzel, Vertrauensschutz, S. 106 f.; Schwarz, Vertrauensschutz, S. 129 f. 80 BVerfG, Beschluss v. 23.3.1971  – 2  BvL  2/66, BVerfGE  30, S.  367, 393 f.; s. auch BVerfG, Urteil v. 19.12.1961 – 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, S. 261, 272; BVerfG, Beschluss v. 14.05.1986 – 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, S. 200, 259, 260; BVerfG, Beschluss v. 12.06.1986 – 2 BvL 5/80 u.a., BVerfGE 72, S. 302, 326; BVerfG, Beschluss v. 18.02.2009 – 1 BvR 3076/08, BVerfGE 122, S. 374, 394; BVerfG, Beschluss v. 21.07.2010 – 1 BvL 11/06 u.a., BVerfGE 126, S. 369, 393 f. 81 So nun explizit der 1.  Senat des Bundesverfassungsgerichts, BVerfG, Beschluss v. 17.12.2013  – 1  BvL  5/08, DStR  2014, S.  520, 522 ff.; vgl. auch Birk, FR  2014, S.  338 ff.; Drüen, Ubg 2014, S. 747, 751 f.; Hey, NJW 2014, S. 1564, 1565 ff. 82 Vgl. BVerfG, Fn. 81, S. 524: „Eine nachträgliche Klärung der Rechtslage durch den Gesetzgeber ist (…) dann als konstitutiv rückwirkende Regelung anzusehen, wenn die rückwirkende Regelung eine in der Fachgerichtsbarkeit kontroverse Auslegungsfrage entscheidet, die noch nicht höchstrichterlich geklärt ist.“ 83 BVerfG, Beschluss v. 21.07.2010 – 1 BvL 11/06 u.a., BVerfGE 126, S. 369, 393 f.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

Die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen die geringe Überzeugungskraft der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrauensschutz in verfassungswidrige Normen. In Übereinstimmung mit jüngeren Tendenzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist deshalb davon auszugehen, dass auch verfassungswidrige Gesetze den Rechtsschein ihrer Gültigkeit in sich tragen und demzufolge allenfalls die Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens abzuschwächen bzw. zu versagen ist.84 Die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes lässt daher den durch ihn erzeugten Rechtsschein nicht entfallen. Insgesamt kann die soeben angeführte Rechtsprechung nicht als Argument gegen die Qualität rechtswidriger Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand herange­ zogen werden. c) Zusammenfassung Die von der Literatur gegen rechtswidrige Verwaltungsvorschriften als Ver­ trauenstatbestand vorgebrachten Einwände können weder für sich genommen noch insgesamt überzeugen, zumal das gern bemühte Argument der nichtigen Rechtsnormen dabei nicht verfängt. Rechtswidrige Verwaltungsvorschriften kommen daher als potenzieller Anknüpfungspunkt schutzwürdigen Vertrauens in Betracht.85 5. Vertrauensbegründender Anknüpfungspunkt Mit der Feststellung, dass sowohl rechtmäßigen als auch rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften die Eignung als Vertrauenstatbestand nicht abgesprochen werden kann, ist im Folgenden der jeweils vertrauensbegründende Anknüpfungspunkt einer Verwaltungsvorschrift genauer herauszuarbeiten. Zunächst ist dabei auf die allgemeinen Maßstäbe für eine Konturierung des vertrauensbegründenden Anknüpfungspunktes einer Verwaltungsvorschrift einzugehen [a)], um sodann die rechtlichen und prozeduralen Spielräume, die potenzielles Vertrauen begründen können, zu beleuchten [b)−d)].

84 Stötzel, Vertrauensschutz, S. 202 ff.; ähnlich – allerdings in Bezug auf den Kontinuitätsgrundsatz – Leisner-Egensperger, Kontinuität, S. 498 f. 85 Götz, NJW 1979, S. 1478, 1481; Götz, in: FG BVerwG 1978, S. 245, 254 f.; Randelzhofer, JZ 1973, S. 536, 542 ff.; Pauly, JZ 1997, S. 647, 653; Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, 114 (zu § 131 AO); offen auch Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 680 ff., insb. S. 682; Hey, DStR 2004, S. 1897 ff.; Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 766 ff.

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a) Allgemeine Maßstäbe für die Konturierung des vertrauensbegründenden Anknüpfungspunkts Die genaue Konturierung des vertrauensbegründenden Anknüpfungspunktes einer Verwaltungsvorschrift ist von drei Faktoren abhängig, die gleichsam vor die Klammer gezogen einer differenzierten Betrachtung unterzogen werden müssen. Danach ist zunächst der Einfluss des Programms der zweistufigen Gesetzesanwendung auf die Ausdifferenzierung des Vertrauenstatbestands zu untersuchen [aa)], um anschließend die aus Sicht des vertrauensschutzsuchenden Bürgers problematische Frage einer Auslegung der jeweiligen Verwaltungsvorschrift zu vertiefen  [bb)]. Abschließend sollen die sich aus der föderalen Teilung des Gesetzes­ vollzugs ergebenden Besonderheiten kurz dargestellt werden [cc)]. aa) Das Programm zweistufigen Gesetzesvollzugs Das Programm des zweistufigen Gesetzesvollzugs ist von unmittelbarem Einfluss auf die nähere Ausgestaltung des vertrauensbegründenden Anknüpfungspunktes einer Verwaltungsvorschrift: Denn es ließe sich diesbezüglich sowohl an den durch die Verwaltungspraxis manifestierten Selbstprogrammierungswillen der Verwaltung anknüpfen als auch an den in der Verwaltungsvorschrift niedergelegten Rechtssatz, mithin dem dort zum Ausdruck kommenden Selbstprogrammierungswillen. Richtigerweise hat sich eine Beantwortung dieser Frage strikt an den im 1. Kapitel gefundenen Ergebnissen zur Begründung einer mittelbaren Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften zu orientieren.86 Danach ist in Anlehnung an das Programm der zweistufigen Gesetzesanwendung durch Verwaltungsvorschriften nicht an den in der Verwaltungspraxis zum Ausdruck kommenden Willen des Vorschriftengebers anzuknüpfen, sondern vielmehr unmittelbar an das in der Verwaltungsvorschrift niedergelegte Vollzugsprogramm. Nichts anderes kann hinsichtlich der inhaltlichen Ausfüllung des Vertrauenstatbestands gelten, ohne sich in grundlegenden Widerspruch zur Begründung mittelbarer Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften zu begeben. In tatsächlicher Hinsicht besteht dadurch zudem der Vorteil, dass sich die in der Rechtspraxis auf Seiten des Bürgers oft schwierigen Beweisfragen zur Existenz einer vertrauensbegründenden Verwaltungspraxis nicht stellen.87 bb) Subjektive Blickrichtung des Vertrauensschutzprinzips Die weitergehende grundsätzliche Konturierung einer Verwaltungsvorschrift als Vertrauenstatbestand ist eng mit deren Auslegung verknüpft. Aus Sicht des Bürgers ist insofern immer wieder problematisch, ob für deren Auslegung mit Blick auf das 86

s. dazu nochmals die Ausführungen im 1. Kapitel, II. 2. b), S. 49 ff. Vgl. dazu instruktiv BFH, Urteil v. 17.04.2013 – X R 6/11, BFH/NV 2013, S. 1537 ff.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

Vertrauensschutzprinzip eine vom Vorschriftengeber gebilligte Interpretation maßgeblich ist oder vielmehr eine von der Behördensicht unabhängige, durch objektive Auslegungskriterien ermittelbare Rechtsauffassung. Obgleich sich das Bundesverwaltungsgericht hierzu nicht explizit geäußert hat,88 muss diese Frage aufgrund der subjektiven Prägung des Vertrauensschutzprinzips zugunsten des Grundrechts­ trägers und damit jedenfalls im Falle veröffentlichter Verwaltungsvorschriften losgelöst vom Willen des Vorschriftengebers beantwortet werden. Maßgeblich ist demnach nicht der pro futuro in der Verwaltungspraxis zum Ausdruck kommende und durch den Vorschriftengeber gebilligte Inhalt der Verwaltungsvorschrift, sondern vielmehr eine retrospektiv am Vertrauen des Bürgers ausgerichtete Betrachtungsweise.89 Im Ergebnis kommt die Auslegung von Verwaltungsvorschriften aus dem Blickwinkel des Vertrauensschutzprinzips damit der im Zivilrecht vorherrschenden Auslegung anhand des objektiven Empfängerhorizonts sehr nahe. Die hier vertretene Sichtweise hat jedoch nicht eine vollständige Unbeachtlichkeit des tatsächlichen Willens des Vorschriftengebers zur Konsequenz. Denn wenn und soweit sich die durch den Vorschriftengeber gebilligte Verwaltungspraxis so weit von der im Wortlaut eindeutigen Verwaltungsvorschrift entfernt, dass dies faktisch einer Aufgabe des in der Verwaltungsvorschrift niedergelegten Handlungsprogramms gleichkommt und der Bürger dies erkennen konnte, muss die Schutzwürdigkeit des betätigten Vertrauens herabgesetzt –  wenn nicht gar vollständig versagt – werden.90 cc) Besonderheiten aufgrund des föderal geteilten Gesetzesvollzugs Abschließend sind diejenigen Besonderheiten für eine präzise Bestimmung des Vertrauenstatbestands zu beachten, die sich aus der arbeitsteiligen Struktur des Gesetzesvollzugs durch die Finanzverwaltung ergeben. Da der Vollzug der Steuergesetze aufgrund von Art. 108 II GG überwiegend den Ländern zugewiesen ist, können sich föderal bedingte und verfassungsrechtlich grundsätzlich hinzunehmende Abweichungen hinsichtlich der vertrauensbegründenden Weisungs- und Vollzugslage ergeben. Eine solche Sichtweise steht in Einklang mit der herrschenden Auffassung zu Art. 3 I GG, wonach ein Gleichbehandlungsanspruch grundsätzlich nur gegenüber dem jeweiligen Hoheitsträger besteht.91 Dies hat gleichzeitig zur Konsequenz, dass schützenswertes Vertrauen nur bei Verwaltungsvorschriften derjeni 88

BVerwG, Urteil v. 07.05.1981 – 2 C 5.79, DVBl. 1982, S. 195, 197. Dazu nochmals oben, 1. Kapitel, II. 3. a), S. 57 ff. 90 Für die strukturell ähnliche gelagerte Problematik der Bindungswirkung bei abweichender Verwaltungspraxis Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 20 Rn. 21. 91 BVerfG, Beschluss v. 21.12.1966 – 1 BvR 33/64, BVerfGE 21, S. 54, 68; bestätigt durch BVerfG, Beschluss v. 12.05.1987  – 2  BvR  1226/83  u.a., BVerfGE  76, S.  1, 73; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3 GG Rn. 270. 89

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gen Behörde entstehen kann, in dessen Geschäfts- und Zuständigkeitsbereich sich der Grundrechtsträger aufhält.92 Schwierigkeiten bereiten in diesem Zusammenhang insbesondere solche Konstellationen, in denen die Rechtauffassung einer Landesfinanzbehörde dem Inhalt eines BMF-Schreibens widerspricht. Hier stellt sich aus Sicht des Bürgers die Frage, ob beispielsweise eine Oberfinanzdirektion dazu berechtigt ist, mehrdeutige Regelungen eines BMF-Schreibens zu konkretisieren und den Vertrauenstatbestand folglich zulasten des Steuerpflichtigen abzuändern.93 Richtigerweise verbleiben den Ländern bei der Konkretisierung von BMF-Schreiben nur dann derartige Spielräume, wenn die streitige Rechtsfrage im BMF-Schreiben nicht geregelt ist und auch nicht geregelt sein soll. Anderenfalls würden sich die Länder in Widerspruch zur freiwilligen Befolgung der auf Bund-Länder-Ebene entwickelten Vollzugsmaßstäbe setzen. Abweichende landesrechtliche Konkretisierungen können daher den durch ein BMF-Schreiben erzeugten Vertrauenstatbestand nicht zerstören. dd) Zusammenfassung Nach dem vorstehend Gesagten sind der Inhalt der Verwaltungsvorschrift und damit das in der Verwaltungsvorschrift niedergelegte Vollzugsprogramm tauglicher Anknüpfungspunkt potenziell schutzwürdigen Vertrauens des Bürgers. Dieses Ergebnis ist konsequent vor dem Hintergrund, dass die subjektive Prägung des Vertrauensschutzprinzips nicht an eine anderweitig gewollte innerdienstliche Auslegung anknüpfen kann. Schließlich ist davon auszugehen, dass die Behörde regelmäßig ihre schriftlich fixierte Weisungslage durchsetzen will und nicht eine davon abweichende Praxis. Damit einhergehend sind die Besonderheiten des föderalen Steuervollzugs zu berücksichtigen. Hier vertraut der Bürger regelmäßig auf die (für ihn im Rahmen des Steuerrechtsverhältnisses geltende) Weisungslage im Zeitpunkt der Vornahme der Disposition. Für die weitere dogmatische Durchdringung des vertrauensbegründenden Anknüpfungspunktes einer Verwaltungsvorschrift ist nach alledem entscheidend, welche Spielräume der Verwaltung gegenüber dem Bürger beim programmgeleiteten Vollzug des Rechts zugewiesen sind. Denn nur diese Spielräume können in Anknüpfung an die grundsätzlichen Überlegungen zum staatlichen Handeln als Vertrauenstatbestand mit dem vertrauensbegründenden Selbstprogrammierungsrecht ausgefüllt werden.94 92 Wie hier FG Baden-Württemberg, Urteil v. 17.12.2009 – 3 K 49/09, EFG 2011, S. 1402, 1407. 93 Instruktiv FG  Köln, Urteil v. 22.01.2008  – 6  K  4264/04, EFG  2008, S.  1772 ff., insb. S. 1773: „Ebenso wenig wie das FG (…) ist der Bekl. und die OFD berechtigt, allgemein für die FinVerw. zu sprechen, wenn die einschlägige Verwaltungsanweisung vom BMF stammt.“ 94 Zum vertrauensbegründenden Selbstprogrammierungsrecht vgl. die Ausführungen oben, I. 2., S. 159 ff.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

b) Der Verwaltung kraft Gesetzes zugewiesene Spielraum als vertrauensbegründender Anknüpfungspunkt Sobald der Verwaltung ein Spielraum zum autonomen Gesetzesvollzug eingeräumt wird, ist die durch die Verwaltungsvorschrift als Ausfluss des Selbstprogrammierungsrechts vorgenommene Ausgestaltung des Spielraums vertrauensbegründender Anknüpfungspunkt. Im Ergebnis sind es – wie aufgezeigt – die durch das Selbstprogrammierungsrecht über Art. 3 I GG vermittelten begrenzten Rechtswirkungen und nicht die Verwaltungspraxis, auf deren Basis Dispositionen getroffen werden und auf deren Einhaltung der Bürger im Nachhinein vertraut.95 Wird die durch den Spielraum vermittelte Bindungswirkung im Nachhinein beseitigt, stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Planungsgrundlage eines durch Verwaltungsvorschriften ausgefüllten Spielraums kraft des Vertrauensschutzprinzips begrenzt aufrechterhalten werden kann.96 Nur eine solche Handhabung des Vertrauenstatbestands steht im Einklang mit dem zweistufigen Programm der behördlichen Gesetzesanwendung und Ermessensausübung, wonach ebenfalls das in der Verwaltungsvorschrift niedergelegte Handlungsprogramm als Ausdruck des Selbstprogrammierungsrechts Anknüpfungspunkt einer mittelbaren Selbst­ bindung der Verwaltung ist. Die soeben gemachten Ausführungen gelten nicht für rechtswidrige Verwaltungsvorschriften. Da diese – von seltenen Ausnahmefällen abgesehen97 – keine Bindungswirkung erzeugen können, verbietet sich konsequenterweise ein Anknüpfen an deren Inhalt, sofern sie auf rechtswidrige Weise der Verwaltung kraft Gesetzes zugewiesene Spielräume ausfüllen. c) Prozeduraler Spielraum der Verwaltung zur Erstinterpretation des Gesetzes als vertrauensbegründender Anknüpfungspunkt In den zumindest im Steuerrecht am häufigsten anzutreffenden Fällen konkretisieren Verwaltungsvorschriften keine der Verwaltung kraft Gesetzes zugewiesenen Spielräume zum autonomen Vollzug des Rechts. In diesen Fällen wird sich der Bürger nicht auf die vertrauensbegründende rechtliche Wirkung des Selbst­programmierungsrechts und eine damit einhergehende mittelbare Bindungswirkung berufen können. Trotz ihrer rechtlichen Funktionslosigkeit im Außenverhältnis gegenüber dem Bürger können dem Grunde nach unverbindliche Verwaltungsvorschriften jedoch faktische Wirkungen auslösen, denen aufgrund der Grundrechtsbindung der Verwaltung wiederum rechtliche Bedeutung beizumes 95

Leisner, Verwaltungsvorschriften, S. 61; Tipke, StRO I, S. 169 f. Insofern missverständlich Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 766, der dort von Verwaltungspraxis spricht, aber andererseits (S. 763) an den Inhalt der Verwaltungsvorschrift anknüpft. 97 Zu diesen Ausnahmefällen s. oben, 1. Kapitel, II. 2. b) bb) (1), S. 51 f. 96

I. Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand

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sen ist.98 Dies wiederum rechtfertigt es, an das in der Verwaltungsvorschrift niedergelegte Vollzugsprogramm als Vertrauenstatbestand anzuknüpfen.99 Bei genauer Betrachtung beziehen sich die durch das Selbstprogrammierungsrecht ausgelösten faktischen Wirkungen dabei auf den der Verwaltung kraft Gewaltenteilungsprinzips inhärenten Spielraum zur Erstinterpretation des Gesetzes.100 Dieser ist zwar aufgrund der Kontrollfunktion der Judikative nicht gerichtsfest. Dennoch ist die Verwaltung bei der Erstauslegung des Gesetzes ähnlich frei wie der Gesetzgeber, wenn auch aufgrund von Art.  20  III  GG in deutlich engeren Grenzen. Füllt die Verwaltung diesen Erstinterpretationsspielraum durch Verwaltungsvorschriften aus, gibt sie damit zu erkennen, dass sie die ihr zumindest prozedural zustehenden Spielräume für sich selbst verbindlich konkretisiert und anwendet. Insofern ist es zutreffend, wenn Roman Seer von einem „Konkretisierungsspielraum“101 der Verwaltung spricht, der ihr bei der Erstauslegung des Gesetzes trotz strikter Gesetzesbindung grundsätzlich zusteht. Diese Ausführungen gelten angesichts der lediglich faktischen Wirkungen des Selbstprogrammierungsrechts im Außenverhältnis gleichermaßen für rechtmäßige wie auch rechtswidrige Verwaltungsvorschriften. d) Spielraum bezüglich der Anwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung als vertrauensbegründender Anknüpfungspunkt Abschließend ergeben sich im Zusammenhang mit dem prozeduralen Spielraum der Verwaltung zur Erstinterpretation des Gesetzes besondere Fragestellungen, wenn die behördliche Verpflichtung zur Anwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Diskussion steht. Da begünstigende wie belastende Nichtanwendungserlasse für sich betrachtet102 keine mittelbare Bindungswirkung erzeugen, kommt diesbezüglich lediglich ein prolongiertes Erstauslegungsrecht der Finanzverwaltung als prozeduraler und damit vertrauensbegründender Spielraum in 98

Dazu grundlegend oben, I. 2. c), S. 161 ff. So zumindest Hey, Steuerplanungssicherheit, S.  674 ff., jedoch in Bezug auf einen Anwendungsanspruch rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften, der dort über Art. 3 I GG begründet wird. Ähnlich Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, 113 f.; Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 766; Tipke, StRO I, S. 169 f.; unklar Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 130. 100 Zu diesem Konkretisierungsspielraum bei norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften Seer, Verständigungen, S. 244 ff., insb. S. 245; in diesem Sinne ebenfalls Leisner, Verwaltungsvorschriften, S. 60. 101 Seer, Verständigungen, S. 173. 102 Ausgenommen seien explizit Nichtanwendungserlasse mit entsprechenden Übergangsregelungen, die auf Basis der §§ 163, 227 AO als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften durchaus mittelbare Bindungswirkung erzeugen können. In der hier erörterten Konstellation steht aber vielmehr die Frage der prinzipiellen Nichtanwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung im Vordergrund. 99

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

Betracht. Insoweit wird das Problem aufgeworfen, ob ein über das Erstinterpretationsrecht hinausgehender prozeduraler und durch Selbstprogrammierungsrecht ausfüllbarer Spielraum zum Anknüpfungspunkt potenziellen Vertrauens gemacht werden kann. Die Besonderheit dieser Konstellation ist insofern, dass die behördliche Rechtsauffassung gerichtlich verworfen wurde und die Verwaltung an ihrer Gesetzesauslegung weiterhin festhält.103 Die Frage, ob ein derartiger begünstigender Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung als rechtmäßig oder rechtswidrig zu beurteilen ist, hängt maßgeblich von der Perspektive des jeweiligen Betrachters ab. Aus Sicht der Verwaltung wird er sich als rechtmäßig darstellen, da sie von der Richtigkeit ihres Vorgehens überzeugt ist. Aus Sicht der Rechtsprechung mit Letztentscheidungsrecht im Einzelfall ist ein derartiges Vorgehen rechtswidrig; dies spätestens dann, wenn das höchstrichterliche Präjudiz erneut bestätigt wird. Wie sich allerdings sogleich zeigen wird, ist eine Differenzierung zwischen rechtmäßigen bzw. rechtswidrigen begünstigenden Nichtanwendungserlassen im Ergebnis müßig, da sich hinsichtlich des vertrauensbegründenden Anknüpfungspunktes keine Unterschiede ergeben.

aa) Das prolongierte Erstauslegungsrecht als prozeduraler Spielraum der (Finanz-)Verwaltung Gibt die Verwaltung durch einen Nichtanwendungserlass zum Ausdruck, dass sie höchstrichterliche Rechtsprechung einstweilen nicht anwenden wird, macht sie hierdurch von ihrem prolongierten Erstauslegungsrecht Gebrauch. Dies wird besonders daran deutlich, dass sie ihre ursprüngliche Rechtsauffassung bis zu einem weiteren Verfahren vor dem Bundesfinanzhof aufrechterhält. Bildlich betrachtet gibt der Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung daher eine zweite Möglichkeit, an ihrer ursprünglichen Rechtsauffassung festzuhalten. Die Situation im Fall eines Nichtanwendungserlasses unterscheidet sich demnach von der Erstinterpretation einer Steuerrechtsnorm dahingehend, dass nach einer erneuten höchstrichterlichen „Klarstellung“ die Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs als verbindlich anzusehen ist.104 Der prozedurale Erstinterpretationsspielraum ist im Gegensatz dazu ein größerer, da hier noch keine höchstrichterliche Klärung stattgefunden hat und die Verwaltungsvorschrift demzufolge zumindest prozedural das Recht verstetigt und verfestigt.105 Hat allerdings eine höchstrichterliche Klärung stattgefunden, ließe sich gegen die Qualität des begünstigenden Nichtanwendungserlasses als Vertrauens­ 103 Zur ähnlich gelagerten Problematik der nicht eingeschalteten gerichtlichen Kontrolle Seer, Verständigungen, S. 245 f. 104 Friauf, in: DStJG 5 (1982), S. 53, 56. 105 Hey, in: FS Kirchhof, Bd. II 2013, S. 1657, 1664; zur zumindest strukturell ähnlich gelagerten Problematik bei norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften Seer, Verständigungen, S. 245 f.

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tatbestand einwenden, dass das höchstrichterliche Präjudiz dessen Entstehung verhindere. Eine solche Betrachtung greift indessen zu kurz. Solange und soweit die Grenzen der verfassungsrechtlichen Organtreue nicht verletzt sind, ist der Verwaltung einstweilen ein weiterer – mit Blick auf den Grundsatz der Organtreue regelmäßig letzter  – Versuch zur höchstrichterlichen Klärung der Rechtsfrage zuzugestehen. Insofern ist die von der Behörde beibehaltene Rechtsauffassung gegenüber dem höchstrichterlichen Präjudiz prozedural prolongiert. Dieser in prozeduraler Hinsicht bestehende Spielraum der Verwaltung zur erneuten und damit vorerst endgültigen Klärung der Rechtsfrage rechtfertigt es im Ergebnis, das prolongierte Erstauslegungsrecht der Finanzverwaltung als vertrauensbegründenden Spielraum anzuerkennen.

bb) „Sperrwirkung“ aufgrund originären Vertrauensschutzes in höchstrichterliche Rechtsprechung? Den obigen Ausführungen ließe sich entgegenhalten, dass ein prozeduraler Spielraum der Verwaltung bezüglich der Anwendbarkeit höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig dann entfällt bzw. verdrängt wird, wenn der Bürger einen originären Anspruch auf Gewährung von Vertrauensschutz in höchstrichterliche Präjudizien geltend machen könnte. In diesen Fällen würde der originäre Anspruch auf Vertrauensschutz gegenüber der Rechtsprechung einer temporären Nichtanwendung des Judikats durch die Verwaltung entgegenstehen. Dies vermag indes nicht zu überzeugen. Zunächst ist anzuführen, dass die Verwaltung –  im Gegensatz zum Zivilprozess  – von Anfang an zur verbindlichen Rechtsfindung im Verwaltungsverhältnis berufen ist. Die Frage einer „Sperrwirkung“ aufgrund originären Vertrauensschutzes in höchstrichterliche Rechtsprechung stellt für den Bereich des Öffentlichen Rechts damit primär ein Problem der Zuständigkeit zur Gewährung von Vertrauensschutz in der kompetenziellen Schnittmenge zwischen Verwaltung und Rechtsprechung dar. Demzufolge dürfen Ursache und Wirkung der behördlichen Zugrundelegung höchstrichterlicher Rechtsprechung im Rechtsfindungsprozess gegenüber dem Bürger nicht miteinander verwechselt werden: Das Vertrauen in das Handeln der Exekutive durch Verwaltungsvorschriften sowie das Vertrauen in höchstrichterliche Rechtsprechung schließen sich demnach nicht im Sinne eines Exklusivitätsverhältnisses aus, sondern können vielmehr einander ergänzen und nebeneinander stehen. So kann ein Nichtanwendungserlass der Verwaltung nicht das Vertrauen des Bürgers in eine ihm günstige Rechtsprechung zerstören, ein erstmaliges abweichendes Judikat aber ebenso wenig das Vertrauen des Bürgers in eine ihm günstige Verwaltungsvorschrift, wenn deren Inhalt erneut durch einen begünstigenden Nichtanwendungserlass bestätigt wird. Eine „Sperrwirkung“ sowie ein damit verbundenes Entfallen des Vertrauenstatbestands aufgrund originären Vertrauensschutzes in höchstrichterliche Rechtsprechung sind nach alledem abzulehnen.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

e) Zusammenfassung Die vorstehenden Ausführungen haben verdeutlicht, dass Verwaltungsvorschriften ungeachtet ihrer Typologie generell als Vertrauenstatbestand in Betracht kommen. Dabei ist strikt an das in der Verwaltungsvorschrift kraft Selbstprogrammierungsrecht niedergelegte Handlungsprogramm, das heißt die dort enthaltenen Rechtssätze, anzuknüpfen. Dies gilt gleichermaßen für rechtmäßige Verwaltungsvorschriften mit mittelbarer Außenwirkung über Art. 3 I GG als auch dem Bürger aufgrund ihrer Typologie bzw. Rechtswidrigkeit gegenüber unverbindlichen Richtlinien. Die Bindungswirkung einer Verwaltungsvorschrift ist daher für deren Qualität bzw. Eigenschaft als Vertrauenstatbestand unerheblich. Im Gegenzug bedeutet dies, dass die Frage der Bindungswirkung umso mehr auf Ebene der Schutzwürdigkeit des betätigten Vertrauens zu berücksichtigen ist. 6. Entstehen und Entfallen des Vertrauenstatbestands Ausgehend von der vorherigen Feststellung, dass Verwaltungsvorschriften generell einen Vertrauenstatbestand darstellen können, bedarf es nachfolgend einer Untersuchung der Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen der Vertrauenstatbestand gegenüber dem Bürger entsteht bzw. wieder entfällt. Die Notwendigkeit einer genaueren Konturierung des Entstehens und Entfallens ergibt sich insbesondere aus der Tatsache, dass das Erlassverfahren von Verwaltungsvorschriften aufgrund ihrer Qualität als Innenrecht im Gegensatz zu Gesetzen ein deutlich verminderter Grad an Publizität zukommt106 und das Vorliegen eines Vertrauenstatbestands im Einzelfall somit sorgsam untersucht werden muss. Obgleich sowohl die theoretische als auch praktische Relevanz dieses Problems auf der Hand liegen, hat bisher eine allenfalls ansatzweise Klärung stattgefunden.107 a) Grundsätzliche Überlegungen Die Grundfragen zum Entstehen und Entfallen eines Vertrauenstatbestands stehen im engen Zusammenhang mit den grundsätzlichen Ausführungen zur Qualität staatlichen Handelns als Vertrauensgrundlage. Jegliche weitere Überlegungen haben sich daher strikt an den dort gefundenen Ergebnissen zu orientieren. Entscheidendes Kriterium für das Entstehen und Entfallen des Vertrauens­tatbestands ist in Anlehnung an die Zurechenbarkeit des Vertrauenstatbestands der Wille der Verwaltung, ihren Gesetzesvollzug selbstprogrammiert zu leiten. Davon aus 106

Wie hier auch Wernsmann, in: HHSp, § 4 AO Rn. 751. Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S.  241 f.; Blanke, Vertrauensschutz, S.  265; FG Baden-Württemberg, Urteil v. 17.12.2009 – 3 K 49/09, EFG 2011, S. 1402, 1406; Jaenke, Verwaltungsvorschriften, S. 90 ff.; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 94. 107

I. Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand

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gehend liegt grundsätzlich mit dem Erlass einer Verwaltungsvorschrift ein tauglicher Vertrauenstatbestand vor, und zwar unabhängig davon, ob die Verwaltungsvorschrift publiziert wurde oder nicht. Dennoch ist der Publikations­akt bei wertender Betrachtung wesentliches Moment für den Zurechnungszusammenhang, also die Kausalität zwischen Vertrauenstatbestand und Vertrauensbetätigung. Insofern konzentriert sich die Frage nach dem Entstehen und Entfallen des Vertrauenstatbestands maßgeblich darauf, ob und inwieweit eine Kenntnis des Vertrauenstatbestands auf Seiten des Bürgers bejaht werden kann. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem Entstehen und Entfallen des Vertrauenstatbestands in genereller Hinsicht durch Publikationsakt sowie individueller Hinsicht durch tatsächliche Kenntnisnahme der jeweiligen Verwaltungspraxis als Indiz einer kraft Willensakts der Exekutive selbstprogrammiert gesteuerten Verwaltungspraxis. Ausgehend von diesen Überlegungen lassen sich die Grundkonstellationen zum Entstehen und Entfallen des Vertrauenstatbestands in Gestalt einer Verwaltungsvorschrift noch klarer darstellen. Danach markieren der Erlass sowie die Aufhebung einer Verwaltungsvorschrift die zeitlichen Grundpole, in denen ein Vertrauens­ tatbestand überhaupt bestehen kann. Damit ist klar, dass die Vertrauensgrundlage grundsätzlich spätestens mit einer Publikation der jeweiligen Verwaltungsvorschrift in genereller Hinsicht entsteht.108 Gleichzeitig ist dadurch geklärt, dass der Ver­ trauenstatbestand spätestens durch die publizierte Aufhebung bzw. Änderung der Verwaltungsvorschrift in genereller Hinsicht entfällt. Damit sind indes nur zwei sehr begrenzte und von ihren Voraussetzungen her dem Grunde nach unproblematische Fälle angesprochen. Die eigentlichen Fragestellungen ergeben sich im Grenzbereich zwischen genereller und individueller Kenntnisnahme des Vertrauenstatbestands. Es handelt sich um diejenigen Konstellationen, in denen die Verwaltungsvorschrift zwar erlassen wurde, aber noch keine Publikation stattgefunden hat, eine Verwaltungsvorschrift für die Publikation im Einzelfall freigegeben wurde, es aber an einer Allgemeinveröffentlichung fehlt oder aber  – in entgegengesetzter Richtung  – die Aufhebung bzw. Änderung der infrage stehenden Verwaltungsvorschrift behördenintern bereits stattgefunden hat, allerdings noch nicht publiziert wurde. Ein Großteil der in diesem Grenzbereich aufgeworfenen Fragestellungen tritt dabei im Bereich der nicht­ publizierten Verwaltungsvorschriften auf und wird nachfolgend deshalb unter diesem Punkt gesondert vertieft. Die nicht bekanntgemachte Änderung bzw. Aufhebung von Verwaltungsvorschriften wird als darauf basierendes Folgeproblem hingegen eigenständig behandelt.

108 Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S. 241; Hamann, VerwArch 73 (1982), S. 28, 35; Blanke, Vertrauensschutz, S. 265.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

b) Nicht publizierte Verwaltungsvorschriften Sobald sich der Bürger auf eine nicht publizierte Verwaltungsvorschrift als Vertrauenstatbestand beruft, stellt sich die Frage, ob und inwiefern deren Kenntnis bei Vornahme der Vertrauensbetätigung bejaht werden kann. Bei den hier als „nicht publiziert“ bezeichneten Verwaltungsvorschriften handelt es sich um den in der Rechtspraxis bedeutsamen Bereich der sog. NfD-Dokumente („nur für den Dienstgebrauch“). Diese stellen Verwaltungsanweisungen dar, die grundsätzlich nur behördenintern verwendet werden dürfen und von denen der Bürger keine Kenntnis erlangen soll.109 Diese Art von Verwaltungsvorschriften wurde schon früh mit Blick auf die mangelnde Transparenz staatlichen Handelns als die „geheime Handakte des Beamten“110 kritisiert. Eine Lösung der nachstehenden Fallkonstellationen hat insofern strikt zwischen genereller und individueller Kenntnisnahme des Vertrauenstatbestands zu differenzieren. aa) Kraft Weisung zur Mitteilung im Einzelfall bestimmte Verwaltungsvorschriften Verhältnismäßig einfach zu handhaben ist zunächst diejenige Fallgruppe, bei der es sich um eine zwar grundsätzlich nicht allgemein zu publizierende Verwaltungsvorschrift handelt, die übergeordnete Behörde jedoch verfügt, dass bei konkreten Sachentscheidungen auf den Inhalt des NfD-Dokuments Bezug zu nehmen ist. So stellte sich auch der Sachverhalt der Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 17.12.2009111 dar: Hier war streitig, ob die für einen Steuerpflichtigen günstige, in einer Niederschrift zu einer Dienstbesprechung der Oberfinanzdirektion herausgegebene Verwaltungsvorschrift potenzielles Vertrauen begründen kann; sie mithin einen Vertrauenstatbestand darstellt. Die Oberfinanzdirektion hatte in dem streitigen Fall explizit verfügt, dass die Finanzämter in ablehnenden Entscheidungen auf die Dienstbesprechung Bezug zu nehmen haben. Das FG Baden-Württemberg hat das Vorliegen eines Vertrauenstatbestandes im Streitfall bejaht,112 der Bundesfinanzhof dagegen in der Revisionsinstanz unter Verweis auf die fehlende Kenntnis des Bürgers vom konkreten Wortlaut der Verfügung abgelehnt.113

Die Rechtsauffassung des Finanzgerichts ist konsequent. Bedenkt man, dass für die Veröffentlichung einer Verwaltungsvorschrift stets ein Publikationswille erforderlich ist, lag dieser im soeben beschriebenen Fall vor. Denn die Oberfinanzdirektion hat die Veröffentlichung zwar nicht allgemein verfügt, aber durch die 109

FG Baden-Württemberg, Urteil v. 17.12.2009 – 3 K 49/09, EFG 2011, S. 1402, 1406. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S.  464; ebenso im Wortlaut Gusy, DVBl.  1979, S. 720, 724. 111 FG Baden-Württemberg, Urteil v. 17.12.2009 – 3 K 49/09, EFG 2011, S. 1402 ff.; nachfolgend BFH, Urteil v. 17.04.2013 – X R 6/11, BFH/NV 2013, S. 1537 ff. 112 FG Baden-Württemberg, Urteil v. 17.12.2009 – 3 K 49/09, EFG 2011, S. 1402, 1406. 113 BFH, Urteil v. 17.04.2013 – X R 6/11, BFH/NV 2013, S. 1537, 1540. 110

I. Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand

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Bezugnahme in konkreten Sachentscheidungen auf eine über den Einzelfall hinausgehende Publikation und Breitenwirkung gesorgt. Aufgrund des insoweit zu bejahenden Publikationswillens der Behörde entsteht der Vertrauenstatbestand in derartigen Konstellationen in genereller Hinsicht dann, wenn die Behörde eine prinzipielle Weitergabe an den jeweiligen Bürger verfügt. Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht daraus, wenn man mit dem Bundesfinanzhof114 ein Abstellen auf den Zeitpunkt der individuellen Kenntnisnahme durch den Bürger fordern würde. Bei strenger Betrachtung würde der Bürger nämlich spätestens im Vorfeld bei Vornahme der Vertrauensbetätigung ohnehin vom Inhalt der Verwaltungsvorschrift erfahren. In grundsätzlicher Hinsicht ist daher bei zu im Einzelfall bekanntzugebenden NfD-Verwaltungsvorschriften das Vorliegen eines Vertrauens­ tatbestandes bei deren behördeninternen Veröffentlichung zu bejahen. bb) Weisungswidrig publizierte/mitgeteilte Verwaltungsvorschriften Problematischer gestaltet sich sodann der Fall, wenn es an einem Publikationswillen der übergeordneten Behörde fehlt, die untergeordnete Behörde den Inhalt der Verwaltungsvorschrift jedoch weisungswidrig mitteilt. Beispiel: Das Finanzamt beruft sich entgegen einer Weisung der Oberfinanzdirektion auf deren Verfügung, sodass der Steuerpflichtige von deren Inhalt Kenntnis erhält und daraufhin entsprechende Dispositionen trifft.

In derartigen Konstellationen ließe sich erwägen, dass es an einem für die Weiter­gabe nach außen erforderlichen Publikationswillen fehlt und ein generelles Entstehen des Vertrauenstatbestands zu verneinen wäre. Schließlich entscheidet innerhalb des jeweiligen Weisungsverhältnisses die übergeordnete Behörde über die Veröffentlichung der von ihr intern herausgegebenen Verwaltungsvorschriften. An einer solchen Betrachtung ist zunächst richtig, dass der Inhalt der von der übergeordneten Behörde erlassenen Verwaltungsvorschrift nicht kraft deren Willens an den Bürger gelangt und insofern ein generelles Entstehen des Vertrauenstatbestands zu verneinen ist. Bezüglich der Frage eines Vertrauenstatbestandes können im Ergebnis jedoch keine anderen Maßstäbe im Vergleich zu den vorstehend genannten Erwägungen gelten. Würde man in der hier beschriebenen Konstellation das Entstehen eines Vertrauenstatbestandes vom Willen der übergeordneten Behörde abhängig machen, könnte die übergeordnete Behörde innerbehördliches Fehlverhalten zulasten des jeweiligen Bürgers sanktionieren. Entscheidend ist in der hier erörterten Konstellation demnach das individuelle Entstehen des Vertrauenstatbestands. Spätestens mit Kenntnisnahme des Inhalts der jeweiligen Verwaltungsvorschrift wird beim Bürger die Erwartungshaltung hervorgerufen, dass sich die Behörde an die von ihr zugrunde gelegten Vollzugs 114

BFH, Fn. 113.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

maßstäbe hält. Auch wird es unter dem Gedanken einer sphärenorientierten Risiko­ zuweisung für einen Steuerpflichtigen regelmäßig nicht erkennbar sein, ob das jeweilige Finanzamt befugt war, sich auf den Inhalt einer Verwaltungsvorschrift zu berufen und den Bürger dadurch mittelbar über deren Existenz und Inhalt in Kenntnis zu setzen.115 Sollte in Einzelfällen eine Kenntnis auf Seiten des Bürgers bestehen, dass die Verwaltungsvorschrift nicht hätte veröffentlicht werden dürfen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis; das Entstehen eines Vertrauenstatbestandes kann auf diese Weise nicht verhindert werden. cc) Kenntnis von unveröffentlichten Verwaltungsvorschriften Die wohl schwierigsten Fragestellungen werden aufgeworfen, wenn eine Verwaltungsvorschrift nicht publiziert wurde, der Bürger dennoch Kenntnis von deren Inhalt erlangt hat. Angesichts der fehlenden Veröffentlichung und des damit verbundenen fehlenden Publikationswillens der Behörde ist der Vertrauenstatbestand dem Staat damit in genereller Hinsicht nicht zurechenbar, sodass dessen Entstehen von vornherein abzulehnen wäre. Aus diesem Grund bezeichnet Almut Wittling die Nichtveröffentlichung von Verwaltungsvorschriften als „das beste und­ sicherste Mittel gegen Ansprüche aus dem Vertrauensschutzgrundsatz“116. Diese Betrachtungsweise scheint vordergründig betrachtet plausibel, kann allerdings in Anlehnung an die grundsätzlichen Überlegungen zur Differenzierung zwischen genereller und individueller Kenntnisnahme nur bedingt überzeugen. Bei bestehenden Publikationspflichten einer Verwaltungsvorschrift würde die Behörde nämlich rechtswidrig handeln, wenn sie entgegen der aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Publikationspflicht eine Verwaltungsvorschrift nicht veröffentlicht. In derartigen Fallkonstellationen muss der Vertrauenstatbestand individuell spätestens durch Kenntnisnahme des Betroffenen, generell frühestens jedoch ab Bestehen der jeweiligen Publikationspflicht entstehen. Damit sind namentlich diejenigen Verwaltungsvorschriften angesprochen, in denen fallzahlenmäßig seltener auftretende Fallkonstellationen bzw. Rechtsfragen geregelt werden. Sofern die Bedeutung der Verwaltungsvorschrift angesichts der steigenden Fallzahlen und einer damit verbundenen Sicherung eines gleichmäßigen Gesetzesvollzugs wächst, wird in aller Regel eine Publikationspflicht der jeweiligen Verwaltungsvorschrift bestehen.117 In diesem Fall verbietet es das Rechtsstaatsprinzip, dass die jeweilige Behörde das Entstehen eines Vertrauenstatbestandes durch 115 Zur ähnlich gelagerten Problematik bei Zusagen einer sachlich unzuständigen obersten Landesfinanzbehörde BFH, Beschluss v. 02.07.1996 – V B 21/96, BFH/NV 1997, S. 163 ff. 116 Zitiert nach Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S. 241 f.; ihr folgend Blanke, Vertrauensschutz, S. 265. 117 So namentlich Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 464; Gusy, DVBl. 1979, S. 720, 724; für das Steuerrecht explizit Hey, Steuerplanungssicherheit, S.  689. Dazu in grundsätzlicher Hinsicht oben, 1. Kapitel, II. 3. b), S. 58 ff.

I. Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand

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(gezielte) Nichtveröffentlichung verhindern kann. Problematisch ist dann jedoch, dass der Bürger in den meisten Fällen keine Kenntnis von dem konkreten Inhalt der jeweiligen Verwaltungsvorschrift haben wird. In derartigen Situationen muss die tatsächliche Verwaltungspraxis als Indiz hinsichtlich einer zugrunde liegenden richtliniengesteuerten Vorgehensweise herangezogen werden, ohne damit die Verwaltungspraxis als solche zum entscheidenden Gradmesser zu erheben.118 Die vorstehende Betrachtung wird im Ergebnis durch die Rechtslage zu Auskunftsansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) bestätigt. Da jede Person grundsätzlich nach § 1 I 1 IFG Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen hat, wäre die jeweilige Behörde kraft Gesetzes zur Offenlegung der jeweiligen Verwaltungsvorschrift verpflichtet. Anderes ergibt sich für den Bereich des Steuerrechts nicht aus § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG, da hier regelmäßig keine Kontroll- bzw. Aufsichtsaufgaben der Finanzbehörden betroffen sind.119 § 3 Nr. 4 IFG kann eine Veröffentlichung der Verwaltungsvorschrift ebenfalls nicht verhindern, da Fragen der Gesetzesauslegung nicht Geheimhaltungsinteressen des Bundes berühren und insoweit das Steuergeheimnis nicht einschlägig ist.120 Im Ergebnis hat es damit die jeweilige Behörde nicht in der Hand, durch Nichtveröffentlichung das Entstehen eines Vertrauenstatbestands zu verhindern. Problematisch gestaltet sich die Situation dagegen, wenn ein Bundesland – wie z.B. Bayern  – keine der Rechtslage des Bundes vergleichbaren Informationsfreiheitsgesetze erlassen hat. Da verfassungsrechtlich kein subjektiv-rechtlicher Anspruch auf Informationszugang existiert,121 steht es in der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit des jeweiligen Bundeslandes, Informationszugang zu Verwaltungsvorschriften zu erlassen.122 Danach scheidet ein Anspruch auf Bekanntgabe des Inhalts der Verwaltungsvorschrift nach dem Informationsfreiheitsgesetz grundsätzlich – und damit auch die generelle Existenz eines Vertrauenstatbestandes – aus. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die generelle Existenz eines Vertrauenstatbestands nicht auch auf andere Weise begründet werden könnte. Sobald nämlich eine auf zumindest längere Zeit verlässliche Verwaltungspraxis existiert, die auf einen entsprechenden innengerichteten Willen zur Selbstprogrammierung schließen lässt, wird ein Entstehen des Vertrauenstatbestands in genereller Hinsicht zu 118 So wie dies insbesondere im steuerrechtlichen Schrifttum gehandhabt wird, Jaenke, Verwaltungsvorschriften, S. 90 ff., 95; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn. 94. 119 § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG dürfte bereits von seinem Schutzbereich her nicht einschlägig sein, da es hier nicht um sensible Aufgaben des einheitlichen Steuervollzugs geht, sondern vielmehr nur um die (schlichte) Gesetzesauslegung. Zum Schutzumfang speziell für die Aufgaben der Finanzverwaltung s. Schoch, IFG, § 3 IFG Rn. 43 u. 51. 120 Schoch, IFG, § 3 IFG Rn. 150 f. 121 H. M., vgl. umfassend Rossi, Informationszugangsfreiheit, S.  83 ff.; Schoch, IFG, Einl. Rn. 47; auch das Bundesverwaltungsgericht geht nur von einem einfachgesetzlichen Anspruch auf Informationszugang aus, s. BVerwG, Urteil v. 03.11.2011  – 7  C  3.11, BVerwGE  141, S. 122, 132; a.A. Wegener, Geheimer Staat, S. 475 ff. 122 Insofern ist es zutreffend, wenn Schoch, IFG, Einl. Rn. 118 von einer „Atomisierung“ des Informationszugangsrechts spricht.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

bejahen sein. In allen anderen Fällen verbleibt es beim Individualanspruch des Steuerpflichtigen auf Mitteilung des Inhalts einer Verwaltungsvorschrift im Rahmen des konkreten Steuerrechtsverhältnisses. Im Ergebnis sind hier jedoch keine Unterschiede im Vergleich zu Bundesländern mit Informationsfreiheitsgesetzen festzustellen. Insgesamt ist es für die Existenz eines Vertrauenstatbestands damit unerheblich, ob die Behörde eine Verwaltungsvorschrift veröffentlicht hat oder nicht. Sobald der jeweilige Betroffene Kenntnis von deren Inhalt erlangt, liegt spätestens ein gegenüber dem Bürger entstandener Vertrauenstatbestand vor. Insofern trifft es zu, wenn Vertrauensschutz teilweise als unabhängig von der Publikation einer Verwaltungsvorschrift bezeichnet wird.123 c) Sonderfall: Änderung publizierter Verwaltungsvorschriften durch nichtveröffentlichte Verwaltungsvorschriften Eine besondere Konstellation zwischen der Schnittstelle von veröffentlichten und unveröffentlichten Verwaltungsvorschriften und damit deren Existenz als Vertrauenstatbestand wird bei der in BVerwGE 104, S. 220 beschriebenen Konstellation angesprochen.124 Im dortigen Fall beantragte der Kläger Ende 1988 Zuschüsse für die Personalkosten einer Sozialstation. Als „Rechtsgrundlage“ für die Zuschüsse diente eine veröffentlichte Verwaltungsvorschrift des Landessozialministers aus dem Jahr 1983. Der Sozialminister kürzte durch unveröffentlichte Verwaltungsvorschrift Anfang 1989 die Höchstsätze für eine mögliche Bezuschussung. Unter Verweis auf die geänderte Richtlinienpraxis wies das Landessozialministerium den Antrag des Klägers auf Verbescheidung nach der früheren Richtlinienpraxis ab.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem das Subventionsrecht betreffenden Fall entschieden, dass veröffentlichte Richtlinien nicht geeignet seien, ein Vertrauen dergestalt zu begründen, dass eine Änderung der Verwaltungsvorschrift stets allgemein bekanntgemacht und veröffentlicht werde.125 Allenfalls sei eine generelle Anordnung des jeweiligen Vorschriftengebers zur Veröffentlichung von Verwaltungsvorschriften dazu geeignet, entsprechendes Vertrauen in deren Veröffentlichung zu begründen, sofern dies nach den dort niedergelegten Grundsätzen angezeigt sei.126 Richtig ist an der Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts zunächst, dass für eine innenrechtliche Außerkraftsetzung der jeweiligen Verwaltungsvorschrift lediglich die für den Erlass der ursprünglichen Verwaltungsvorschrift gel 123

Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 688. BVerwG, Urteil v. 08.04.1997 – 3 C 6.95, BVerwGE 104, S. 220 ff. 125 BVerwG, Urteil v. 08.04.1997 – 3 C 6.95, BVerwGE 104, S. 220, 227. 126 BVerwG, Urteil v. 08.04.1997 – 3 C 6.95, BVerwGE 104, S. 220, 227 f. 124

I. Verwaltungsvorschriften als Vertrauenstatbestand

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tenden Rahmenbedingungen zu beachten sind.127 Dieses Argument betrifft jedoch nur die auf die Zukunft gerichtete prospektive Dimension des Art.  3  I  GG und nicht die Bindungsebenen des Vertrauensschutzes unter Berücksichtigung der Spielräume des Rechts. Insofern kann es nach den hier gefundenen Maßstäben nicht darauf ankommen, dass die Verwaltungsvorschrift in rechtlich wirksamer Weise durch eine nicht veröffentlichte Verwaltungsvorschrift aufgehoben wurde. Ähnlich wie die gezielte Nichtveröffentlichung von Verwaltungsvorschriften wäre deren Aufhebung durch nicht publizierte Verwaltungsvorschriften dann tatsächlich ein effektives Mittel, den Vertrauenstatbestand in genereller Hinsicht durch die „verfassungsrechtliche Hintertür“ frühestmöglich entfallen zu lassen. Hier ist in Anlehnung an die Problematik zu verfassungswidrigen Gesetzen vielmehr maßgeblich, dass der Rechtsschein eines praktizierten Selbstprogrammierungsrechts fortwirkt. Andererseits kann der Vertrauenstatbestand durch eine solche Sichtweise nicht gleichsam ewig Bestand haben.128 Vielmehr ist – ähnlich der Problematik nicht publizierter Verwaltungsvorschriften – danach zu fragen, wann der Bürger tatsächliche Kenntnis von der Aufhebung/Änderung erlangt hat bzw. die Aufhebung/­ Änderung durch die Behörde hätte allgemein publiziert werden müssen. Damit gilt in strenger Orientierung an die grundsätzlichen Überlegungen, dass die Kenntnis des Bürgers von einer Aufhebung bzw. Änderung der Verwaltungsvorschrift den Vertrauenstatbestand individuell entfallen lässt, ein Entfallen in genereller Hinsicht spätestens mit Veröffentlichung der Aufhebung bzw. Änderung eintritt. Die aus einer solchen Betrachtungsweise resultierenden rechtsstaatlichen Transparenzanforderungen werden dadurch nicht im Sinne einer Handlungsunfähigkeit des jeweiligen Administrativstrangs überspannt: Die hier beschriebenen Konstellationen ähneln der Rechtsfigur des venire contra factum proprium und dienen unter besonderer Berücksichtigung der Maßgaben einer sphärenorientierten Risiko­ zuweisung dazu, die Behörde an ihrem vorherigen Tun festzuhalten, ohne ihr dadurch zusätzliche Publikationspflichten aufzubürden.129 d) Zusammenfassung Bezüglich des Entstehens und Entfallens des Vertrauenstatbestands der Ver­ waltungsvorschrift ist zwischen den Ebenen einer individuellen Kenntnisnahme sowie generellen Bekanntmachung zu unterscheiden. Der Vertrauenstatbestand 127 Was das Gericht an anderer Stelle auch selbst sieht, vgl. BVerwG, Urteil v. 08.04.1997 – 3 C 6.95, BVerwGE 104, S. 220, 223 f. unter Berufung auf Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 467. 128 Ebenso Niedersächsisches FG, Urteil v. 28.02.2007 – 2 K 710/04, EFG 2008, S. 49, 51. 129 Ähnlich insofern die bei Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S. 270 ff. beschriebene Nichtigkeitssanktion bei der fehlenden Publikation einer Aufhebung bzw. Änderung der Verwaltungsvorschrift.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

einer Verwaltungsvorschrift entsteht unter Berücksichtigung dieser Differenzierung spätestens mit seiner Veröffentlichung und frühestens mit der individuellen Kenntnisnahme durch den Bürger, wobei hier die einer Behörde auferlegten Publikationspflichten für gewisse Modifikationen sorgen. Im Ergebnis ist die Unterscheidung zwischen veröffentlichten und nichtveröffentlichten Verwaltungsvorschriften allerdings aufgrund der Ansprüche nach dem IFG sowie einer verlässlichen, auf Selbstprogrammierung hindeutenden Verwaltungspraxis nur gradueller Natur. Die hinsichtlich des Entstehens eines Vertrauenstatbestandes gewonnenen Erkenntnisse gelten unter umgekehrten Vorzeichen gleichsam für dessen Entfallen, sodass die amtlich bekannt gemachte Aufhebung einer Verwaltungsvorschrift den spätesten Zeitpunkt markiert. Als sicherste Methode für die Behörde, einen Vertrauenstatbestand entstehen und entfallen zu lassen, bietet sich nach alledem die gezielte und frühzeitige Publikation der jeweiligen Verwaltungsvorschrift einschließlich deren Aufhebung bzw. Änderung an.130 Das bereits oben angesprochene131 Bild Almut Wittlings lässt sich im Ergebnis dahingehend abwandeln, dass ein gezielter Nichtgebrauch des Selbstprogrammierungsrechts, also der Nichterlass von Verwaltungsvorschriften als „das beste und sicherste Mittel gegen Ansprüche aus dem Vertrauensschutzgrundsatz“132 bezeichnet werden kann. 7. Ergebnis Verwaltungsvorschriften sind ungeachtet ihrer Qualifizierung als rechtmäßig oder rechtswidrig taugliche Vertrauenstatbestände. Den vertrauensbegründenden Anknüpfungspunkt stellen dabei das Selbstprogrammierungsrecht der Verwaltung zur Ausfüllung zugewiesener Spielräume und die dadurch ausgelösten rechtlichen oder faktischen Wirkungen einer Verwaltungsvorschrift dar. In den Fällen faktischer Wirkungen einer Verwaltungsvorschrift ist an einen prozeduralen, durch Selbst­programmierungsrecht ausfüllbaren Konkretisierungsspielraum für die (Erst-)Interpretation des Rechts anzuknüpfen. Hierbei ist in prozeduraler Hinsicht zwischen der allgemeinen Erstinterpretation eines Gesetzes sowie der Anwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung zu differenzieren. In zeitlicher Hinsicht entsteht und entfällt der Vertrauenstatbestand aus genereller Sicht spätestens mit der Publikation einer Verwaltungsvorschrift sowie deren publizierter Aufhebung bzw. Änderung. Auch nicht publizierte Verwaltungsvorschriften können nach den hier zugrunde gelegten Maßstäben bei im Einzelfall bestehenden Ansprüchen des Bürgers auf Mitteilung des Inhalts der Verwaltungsvorschrift als Vertrauenstatbestand 130 So auch Hamann, VerwArch 73 (1982), S. 28, 36; ähnlich Pauly, JZ 1997, S. 647, 653, wonach die Maxime gelte, „entstandenes Vertrauen zunächst wieder zu zerstören“. 131 s. oben unter I. 6. b) cc), S. 188. 132 Zitiert nach Wittling, Publikation der Rechtsnormen, S. 241 f.; ihr folgend Blanke, Vertrauensschutz, S. 265.

II. Übertragbarkeit der zu Gesetzen ergangenen Rückwirkungsdogmatik

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in Betracht kommen. Die Feststellung von Volkmar Götz, wonach kein „numerus clausus der vertrauensschützenden Staatsakte“133 existiert, ist daher von nach wie vor ungebrochener Aktualität.134

II. Übertragbarkeit der zu Gesetzen ergangenen Rückwirkungsdogmatikauf Verwaltungsvorschriften Mit der Feststellung, dass Verwaltungsvorschriften generell als Vertrauenstatbestand in Betracht kommen, stellt sich im Folgenden das Problem, ob die zur Rückwirkung von Gesetzen entwickelten Vertrauensschutzgrundsätze auf die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften übertragen werden können. Obgleich diese Frage in weiten Teilen des Schrifttums (teilweise selbstverständlich) bejaht wird,135 ist dies vor dem Hintergrund, dass Verwaltungsvorschriften aufgrund ihrer Innengerichtetheit nur über die Rechtsanwendung im Einzelfall Außenwirkung zugesprochen werden kann, nicht unproblematisch. Nachfolgend gilt es daher, die für eine Gewährung von Vertrauensschutz wesentlichen Grundsätze und Gemeinsamkeiten von Gesetzen sowie Verwaltungsvorschriften näher auszuloten. Im Mittelpunkt stehen dabei drei Aspekte: Zunächst ist auf die – ungeachtet ihres Adressatenkreises – abstrakt-generelle Geltungskraft von Gesetzen und Verwaltungsvorschriften einzugehen (1.). Sodann sind die Wirkungen der vergangenheitsbezogenen Änderung von Gesetzen und Verwaltungsvorschriften einer näheren Betrachtung zu unterziehen  (2.), um schlussendlich die „Kompensationsfunktion“ der Verwaltungsvorschrift im Verhältnis zur gesetzgeberischen Offenheit von Normen zu beleuchten (3.). 1. Abstrakt-generelle Geltungskraft als strukturelle Gemeinsamkeit Ausgangspunkt hinsichtlich der Frage, ob die Rückwirkungsgrundsätze des Bundesverfassungsgerichts auf eine Änderung bzw. Aufhebung von Verwaltungsvorschriften übertragen werden können, muss die Feststellung sein, dass sich die Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts stets auf Gesetze im ma 133

Götz, in: FG BVerwG 1978, S. 245, 255. Prägnant auch Loritz, NZG  2013, S.  411, 414: „Einem Rechtsstaat darf das Schicksal seiner Bürger, die sich im Vertrauen auf die geltende Rechtslage, ungeachtet der Rechtsquelle, auf die sie sich stützt, rechtskonform verhalten haben, nicht gleichgültig sein.“ 135 Felix, KÖSDI 1981, S. 4178, 4180 f.; Haas, Vertrauensschutz im Steuerrecht, S. 145; Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 767 f.; Tipke, StRO I, S. 169 f.; Hey, Steuerplanungssicherheit, 681; Englisch/Plum, StuW  2004, S.  342, 367; Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 130; tendenziell auch Hey, in: Tipke/Lang, § 3 Rn. 282; Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn. 3. 134

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

teriellen Sinn bezieht.136 Für die Ebene der richterlichen Rechtsfortbildung und damit die Rechtsanwendung hat das Bundesverfassungsgericht dagegen eigenständige Maßgaben entwickelt. Entscheidend ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, ob die Änderung der Rechtsauffassung und damit insbesondere die Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung hinreichend begründet sei und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung halte.137 Hiervon ausgehend ließe sich unter Hinweis auf die fehlende Außenrechtssatz-Eigenschaft von Verwaltungsvorschriften sowie die eigenständige Vertrauensschutzdogmatik auf Rechtsanwendungsebene eine Übertragung der zu Gesetzen entwickelten Grundsätze ablehnen.138 Ungeachtet der nicht unproblematischen rechtstheoretischen Einordnung von Verwaltungsvorschriften139 hilft eine solche Sichtweise hier nicht weiter,140 da für eine strukturelle Vergleichbarkeit die durch Gesetze bzw. Verwaltungsvorschriften ausgelösten Wirkungen von entscheidender Bedeutung sein müssen.141 Gesetze erlangen abstrakt-generelle Bindungswirkung aus sich heraus, Verwaltungsvorschriften bedürfen dagegen zum Erzeugen von Rechtswirkungen im Außen­verhältnis gegenüber dem Bürger einer Rechtsanwendung und -konkretisierung im Einzelfall, beispielsweise durch Verwaltungsakt. Demzufolge wird für die Anwendung der Rückwirkungsgrundsätze oftmals das Vorliegen eines personalen Näheverhältnisses gegenüber der Verwaltung gefordert, was bei der erstmaligen Anwendung von Verwaltungsvorschriften regelmäßig fehle.142 Eine solche Betrachtungsweise kann indes nicht verfangen. Zunächst ließe sich, was Johanna  Hey bereits überzeugend dargelegt hat, eine fehlende Individualisierung des Verwaltungsrechtsverhältnisses in gleicher Weise gegen Gesetze anführen.143 Schließlich muss auch das Gesetz gegenüber dem Bürger erst durch Verwaltungsakt oder eine andere Handlungsform vollzogen werden. Der entscheidende Unterschied besteht demnach lediglich in der fehlenden unmittelbaren Außenwirksamkeit von Verwaltungsvorschriften. Doch ist dies für die Übertragung der zu Gesetzen entwickelten Rückwirkungsdogmatik kein Hindernis: 136 Vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010  – 2  BvL  14/02 u.a., BVerfGE  127, S.  1, 16 ff.; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31, 47 ff.; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 75 ff. jeweils m.w.N. 137 BVerfG, Beschluss v. 14.01.1987 – 1 BvR 1052/79, BVerfGE 74, S. 129, 158 ff.; BVerfG, Beschluss v. 26.06.1991  – 1  BvR  779/85, BVerfGE  84a, S.  212, 227 f.; BVerfG, Beschluss v. 15.01.2009  – 2  BvR  2044/07, BVerfGE  122, S.  248, 277 f.; zuletzt BVerfG, Beschluss v. 02.05.2012 – 2 BvL 5/10, BVerfGE 131, S. 20, 40 ff. 138 Trzaskalik, in: DStJG 5 (1982), S. 315, 324 f. 139 s. dazu nochmals die Ausführungen oben im 1. Kapitel, I. 2., S. 34 f. 140 So auch Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 657. 141 Kisker, VVDStRL 32 (1973), S. 149, 193; Tipke, StRO I, S. 168 f.; Hey, in: FS Kirchhof, Bd. II 2013, S. 1657, 1664. 142 Mainka, Vertrauensschutz, S. 77 f.; Pauly, JZ 1997, S. 647, 653; Blanke, Vertrauensschutz, S. 261; tendenziell auch Arndt, in: FS Armbruster 1976, S. 233, 248. 143 Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 672.

II. Übertragbarkeit der zu Gesetzen ergangenen Rückwirkungsdogmatik

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Das strukturelle Manko der fehlenden abstrakt-generellen Geltungskraft von Verwaltungsvorschriften wird insofern durch den Vollzugsbefehl im Innenverhältnis und die insoweit faktische Umsetzung im Außenverhältnis gegenüber dem Bürger kompensiert. Diese Sichtweise wird durch einen genaueren Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt. Im Beschluss zur betrieblichen Altersversorgung zieht das Gericht rückwirkender Rechtsanwendung nämlich unter dem Gedanken der „unechten Rückwirkung“ explizit Grenzen.144 Die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Differenzierung stellt sich somit lediglich als Modifikation auf Ebene der Schutzwürdigkeit heraus. Schlussendlich lässt sich für eine Übertragbarkeit der zu Gesetzen entwickelten Rückwirkungsgrundsätze das namentlich vom Bundesfinanzhof entwickelte „Richtlinien-Argument“145 anführen. Danach könne die Verschärfung einer für den Steuerpflichtigen günstigen Rechtslage aufgrund geänderter höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Verpflichtung zum Erlass von Übergangsregelungen auslösen; dies insbesondere in solchen Fällen, in denen der Rechtslage eine richt­ liniengesteuerte Verwaltungspraxis zugrunde liegt.146 Der Bundesfinanzhof betont in seinem Beschluss zur Vererblichkeit des Verlustabzugs insofern, dass „solche Richtlinien (Art. 108 Abs. 7 GG) (…) nicht zuletzt deswegen einen besonderen Vertrauensschutz [begründen], weil sie infolge ihrer Veröffentlichung im Bundesanzeiger, im Bundessteuerblatt und als selbstständige, vom BMF herausgegebene Schriften eine große Publizität und Breitenwirkung erfahren.“147

Wenn es somit aber die große Publizität und Breitenwirkung, d.h. die faktischen „normähnlichen“ Wirkungen einer Verwaltungsvorschrift durch deren Anwendung im Einzelfall sind, die zur Begründung und Verstärkung eines Vertrauensschutzes in höchstrichterliche Präjudizien geeignet sein sollen, können vom Grundsatz her für die rückwirkende Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften keine anderen Maßstäbe gelten als bei rückwirkenden Gesetzen. Dies ist konsequent vor dem Hintergrund, dass das Selbstprogrammierungsrecht der Verwaltung nach den hier vertretenen Maßgaben den entscheidenden vertrauensbegründenden Anknüpfungspunkt darstellt. Insgesamt lässt sich daher strikt bezogen auf die Frage, ob die zu Gesetzen ergangene Rückwirkungsdogmatik auf Verwaltungsvorschriften übertragen werden kann, die abstrakt-generelle Geltungskraft als strukturelle Gemeinsamkeit zwischen Gesetzen und Verwaltungsvorschriften anführen.148 144

BVerfG, Beschluss v. 14.01.1987  – 1  BvR  1052/79, BVerfGE  74, S.  129, 155 führt im Wortlaut aus: „Die angegriffene Entscheidung ist mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Bedeutung für die Beurteilung einer unechten Rückwirkung nicht vereinbar.“ 145 BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BFHE 220, S. 129, 149. 146 GmSOGB, Beschluss v. 19.10.1971 – GmS-OGB 3/70, BFHE 105, S. 101, 113 ff.; BFH, Urteil v. 31.10.1990  – I  R  3/86, BFHE  163, S.  478, 483; BFH, Beschluss v. 17.12.2007  – GrS 2/04, BFHE 220, S. 129, 148 f. m.w.N. 147 BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BFHE 220, S. 129, 149. 148 In allgemeiner Hinsicht ebenso Kisker, VVDStRL 32 (1973), S. 149, 189.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

2. Geringe Unterschiede der Wirkung einer vergangenheitsbezogenen Änderung Die Feststellung, dass Verwaltungsvorschriften insbesondere im Steuerrecht eine Breitenwirkung zukommt, welche die strukturellen Unterschiede zu Gesetzen in Bezug auf das Vertrauensschutzprinzip weitestgehend nivelliert, hat Bedeutung für einen weiteren Aspekt, der für eine Übertragbarkeit der zu Gesetzen ergan­ genen Rückwirkungsdogmatik spricht. Es handelt sich dabei um die geringen Unterschiede der Wirkung einer vergangenheitsbezogenen Änderung von Gesetzen bzw. Verwaltungsvorschriften.149 Aus der für das Vertrauensschutzprinzip maßgeblichen, freiheitsrechtlich fundierten Perspektive des Grundrechtsträgers macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob es sich um eine Änderung von Gesetzen oder aber Verwaltungsvorschriften handelt.150 Dies lässt sich anhand folgender Betrachtungsweise besonders verdeutlichen: Sowohl die rückwirkende Änderung von Gesetzen als auch die Außerkraftsetzung von Verwaltungsvorschriften durch die Verwaltung bzw. die Rechtsprechung hat für den Steuerpflichtigen gleichermaßen zur Konsequenz, dass für den (teilweise) verwirklichten Sachverhalt eine höhere Steuerschuld festgesetzt wird. Gerade die Heranziehung der zu Gesetzen entwickelten Rückwirkungsgrundsätze sorgt in diesem problematischen Bereich für eine klare und vorhersehbare dogmatische Ausgestaltung der jeweiligen Abwägungsdirektiven. Mithin sprechen die Wirkungen einer vergangenheitsbezogenen Änderung von Verwaltungsvorschriften ebenfalls für die Heranziehung der zu Gesetzen entwickelten Rückwirkungsgrundsätze. 3. „Kompensationsfunktion“ der Verwaltungsvorschrift im Steuerrecht bei geringer Normierungsdichte Im Zusammenhang mit den geringen Unterschieden der Wirkung einer vergangenheitsbezogenen Änderung von Verwaltungsvorschriften muss abschließend auf den namentlich von Johanna Hey vorgetragenen Aspekt der Kompensationsfunktion von Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht bei geringer gesetzgeberischer Normierungsdichte hingewiesen werden.151 Hey betrachtet die Verwaltungsvorschrift als gleichsam kompensatorisches Instrument für den Fall „notwendiger gesetzgeberischer Offenheit“152, um das Interpretationsrisiko für den Steuerpflichtigen entsprechend zu verringern.

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Friauf, in: DStJG 5 (1982), S. 53, 59. Hey, DStR 2004, S. 1897, 1904; Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 767 f. m.w.N. zur Problematik der rückwirkenden Rechtsprechungsänderung; Leisner, Verwaltungsvor­ schriften, S.  59 ff.; Tipke, StRO  III, S.  1447; im Ansatz ähnlich Englisch/Plum, StuW  2004, S. 342, 367. 151 Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 681; Hey, in: FS Kirchhof, Bd. II 2013, S. 1657, 1664 f. 152 Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 681. 150

II. Übertragbarkeit der zu Gesetzen ergangenen Rückwirkungsdogmatik

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Dieser Gedanke überzeugt. Gerade im Steuerrecht existieren Bereiche, die einer tiefergehenden gesetzlichen Normierung nicht zugänglich sind. Beispielhaft lässt sich hier der große Komplex der Typusbegriffe sowie Wertansätze und Typisierung anführen. Zwar ist der Gesetzgeber nicht gehindert, auch konkrete Einzel­fragen einer gesetzlichen Normierung zuzuführen; indes bedarf ein vollzugsfähiges Gesetz auch gewisser Abstraktheit,153 sodass im Steuerrecht immer Rechtsbereiche mit einem nicht unerheblichen Konkretisierungsauftrag auf Seiten der Verwaltung verbleiben. Um diesen Konkretisierungsauftrag vor dem Hintergrund eines gleichmäßigen Vollzugs erfüllen zu können, muss sich die Verwaltung im Verhältnis zum notwendigerweise offenen Gesetz der Verwaltungsvorschrift als kompensatorischem Mittel bedienen. Aus der Perspektive des Grundrechtsträgers ist die Verwaltungsvorschrift deshalb bildlich gesprochen die „normative“ Brücke für eine planbare Ausgestaltung der geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen und damit unerlässliches Instrument zuverlässiger Steuerplanung.154 Die vorstehend angesprochenen ähnlichen vergangenheitsbezogenen Wirkungen einer Änderung bzw. Aufhebung von Verwaltungsvorschriften und Gesetzen werden damit durch die Kompensationsfunktion der Verwaltungsvorschrift verstärkt.155 Abschließend kann auch hier wiederum die bereits oben angesprochene Parallele zum Vertrauen in den konkretisierungsbedürftigen offenen Gesetzeswortlaut angeführt werden, die nach der neueren Rechtsprechung des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts zur Begründung schutzwürdigen Vertrauens geeignet ist.156 Abschließend darf die Kompensationsfunktion der Verwaltungsvorschrift nicht dahingehend missverstanden werden, dass diese einen Verstoß des Gesetzgebers gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verhindern könnte.157 In der hier angesprochenen Konstellation handelt es sich um einen Fall notwendiger gesetzgeberischer Offenheit und damit um eine Norm, die in jedem Fall den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz genügt. Insofern dient die Konkretisierungsleistung der Verwaltungsvorschrift nicht dazu, einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz zu heilen. 4. Ergebnis Die im vorherigen Kapitel zu Gesetzen entwickelte Rückwirkungsdogmatik kann im Grundsatz auch auf Verwaltungsvorschriften übertragen werden. Hierfür sprechen insbesondere die abstrakt-generelle Geltungskraft, die vom Ergebnis her 153

Dazu aus jüngerer Zeit insbesondere Jochum, Grundfragen, S. 33 ff. Hey, in: FS Kirchhof, Bd. II 2013, S. 1657, 1663 f.; in diesem Sinne auch Birk, FR 2014, S. 338, 340. 155 A. A. Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 497 f. 156 s. dazu erneut die Ausführungen oben unter I. 2. c) bb), S. 163 f. sowie die Nachweise in Fn. 32 ebd. 157 s. dazu nochmals oben, 2. Kapitel, III. 2. b), S. 68 ff. 154

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

ähnlichen Wirkungen einer vergangenheitsbezogenen Änderung sowie ergänzend die Kompensationsfunktion der Verwaltungsvorschrift bei einer notwendig geringen gesetzgeberischen Normierungsdichte. Das soeben gefundene Ergebnis darf jedoch nicht dazu verleiten, die zu Gesetzen entwickelte Rückwirkungsdogmatik uneingeschränkt auf den Problemkreis der Verwaltungsvorschriften zu übertragen. Dies verbieten nach wie vor die von der Geltungskraft her prinzipiellen Unterschiede zwischen Gesetzen und Verwaltungsvorschriften. Jene Unterschiede, welche insbesondere die Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens betreffen, gilt es sogleich genauer zu durchdringen.

III. Konsequenz: Differenziertes Abwägungsprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit Mit Bejahung einer prinzipiellen Übertragbarkeit der zu Gesetzen ergangenen Rückwirkungsdogmatik sind im folgenden Abschnitt die hieraus speziell für ein Abwägungsprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit resultierenden Konsequenzen zu untersuchen. Angesichts der im 3. Kapitel zum Vertrauensschutzprinzip gefundenen Ergebnisse (Beibehaltung der Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung sowie differenziertes Prüfprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit) muss die Untersuchung in drei Punkte untergliedert werden: Zunächst ist der Frage nachzugehen, auf welche Weise die Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung für den Bereich der Verwaltungsvorschriften insbesondere im Steuerrecht aufrechterhalten werden kann (1.). Hiervon ausgehend ist der Maßstab zur Bestimmung der Schutzwürdigkeit weiterzuentwickeln (2.). Schlussendlich müssen im Einzelnen differenzierte Abwägungs­kriterien auf Ebene der Schutzwürdigkeit gefunden werden (3.). 1. Beibehaltung der Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung a) Grundsätzliche Überlegungen Sobald die zu Gesetzen ergangene Rückwirkungsdogmatik auf die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften übertragen werden soll, muss namentlich für das Steuerrecht die Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung beibehalten werden.158 Verfassungsrechtlich ist die Beibehaltung dieser Unterscheidung vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass die Gruppe der echten

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Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 768 ff.; in diesem Sinne wohl auch Tipke, StRO I, S.  169 sowie Tipke, StRO  III, S.  1447; differenzierend (bei „vertretbarer“ Auslegung) Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 681 f.; ähnlich Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, 113.

III. Differenziertes Abwägungsprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit

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Rückwirkung eine besondere Schutzbedürftigkeit betätigten Vertrauens indiziert159 und insofern auch bei der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften für eine dogmatisch saubere und zudem handhabbare Lösung sorgt.160 b) Beibehaltung des veranlagungszeitraumbezogenen Rückwirkungsbegriffs für den Bereich der direkten Steuern Mit Beibehaltung der Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung ist gleichzeitig klar, dass für den Bereich der direkten Steuern der veranlagungszeitraumbezogene Rückwirkungsbegriff des Bundesverfassungsgerichts aufrechterhalten werden muss. Dies ist namentlich der Überlegung geschuldet, dass das Prinzip der Abschnittsbesteuerung auf dem Gebiet der direkten Steuern eine einfachgesetzliche Konkretisierung des verfassungsrechtlich verankerten Leistungsfähigkeitsprinzips und damit der ertragsteuerlichen Belastungsgrundentscheidung darstellt.161 c) Veranlagungszeitraumbezogener Rückwirkungsbegriff auf dem Gebiet der Umsatzsteuer? Problematisch ist dagegen, ob eine veranlagungszeitraumbezogene Differenzierung zwischen echter und unechter Rückwirkung auch für den Bereich der Umsatzsteuer angezeigt ist. Diese Frage ließe sich angesichts der in § 16 I 2 UStG enthaltenen Ausgestaltung der Umsatzsteuer als Jahressteuer auf den ersten Blick bejahen.162 Dennoch bedarf es hier einer genaueren Betrachtung vor dem Hintergrund, dass der steuerliche Belastungsgrund der Umsatzsteuer im Gegensatz zu direkten Steuern nicht auf die Abschöpfung der gesamten steuerlichen Leistungsfähigkeit abzielt, sondern vielmehr vom Gedanken der Momentaufnahme individueller Leistungsfähigkeit geprägt ist. Die Beantwortung der hier aufgeworfenen Fragestellung hängt nach alledem von der steuersystematischen Einordnung der Umsatzsteuer ab. Da die Umsatzsteuer sowohl Elemente einer Verbrauch- als auch Verkehrsteuer aufweist,163 kommt es insofern maßgeblich auf die jeweilige Betrachtungsweise an. Dass es sich bei der hier aufgeworfenen Problemstellung nicht

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So jüngst erneut der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts, vgl. BVerfG, Beschluss v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, DStR 2014, S. 520 527 f. 160 Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 768. 161 BVerfG, Beschluss v. 10.04.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, S. 1, 7; BVerfG, Beschluss v. 30.09.1998 – 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, S. 88, 96 f.; Kirchhof, StuW 2000, S. 221, 225; Lehner, in: FS Raupach 2006, S. 67, 76 ff. 162 So Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 771 f., 782 f. 163 Müller, Verbrauchsteuern, S. 138; Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, Rn. A 1; Förster, Verbrauchsteuern, S. 131 ff.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

um ein dogmatisches Glasperlenspiel handelt, belegt anschaulich die auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts zum Untersuchungsgegenstand ergangene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs.164 Ausgangspunkt einer Beantwortung der skizzierten Problematik muss der verschiedenartige Charakter der Umsatzsteuer sein. Obgleich die Einordnung der Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer sowohl europa- als auch verfassungsrechtlich heutzutage nicht mehr streitig ist,165 weist sie in finanzverwaltungsrechtlicher Hinsicht nach wie vor zahlreiche Elemente einer Verkehrsteuer auf.166 So wird die Umsatzsteuer einerseits durch Landesfinanzbehörden verwaltet, andererseits entsteht sie im Gegensatz zu speziellen Verbrauchsteuern mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums (§ 13 I Nr. 1 UStG) und nicht mit Übergang eines Wirtschaftsguts in den steuerrechtlich freien Verkehr.167 Von dieser Sichtweise ausgehend kann es nicht verwundern, dass das Bundesverfassungsgericht in früheren Entscheidungen die veranlagungszeitraumbezogene Differenzierung zwischen echter und unechter Rückwirkung auch auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts vorgenommen hat.168 Gerade die strukturellen Ähnlichkeiten aufgrund der in der Umsatzsteuer ent­ haltenen verkehrsteuerartigen Elemente würden für eine Anwendbarkeit des veranlagungszeitraumbezogenen Rückwirkungsbegriffs sprechen.169 Indes ist eine verwaltungstechnische Betrachtungsweise mit den hier vertretenen Maßstäben des Vertrauensschutzprinzips unvereinbar. Maßgeblich ist für die Ausgestaltung des Vertrauensschutzprinzips nicht die verwaltungsorganisatorische Ausgestaltung einer Steuer, sondern vielmehr deren Belastungsgrund. Dieser ist entscheidend in den Mittelpunkt zu rücken. Während bei der Einkommensteuer der Veranlagungszeitraum als Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips betrachtet werden kann, wird eine derartige Handhabung dem spezifischen Charakter der Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer nicht gerecht. Als Verbrauchsteuer ist die Umsatzsteuer nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie des EuGH auf eine Abwälzung auf den Letztverbraucher ausgelegt.170 Insofern ist es – im Gegensatz zu speziellen Verbrauchsteuern – gerechtfertigt, die Umsatz 164 Aus jüngerer Zeit seien insbesondere genannt BFH, Urteil v. 24.11.2005  – V  R  37/04, BFHE  211, S.  411 ff.; BFH, Urteil v. 19.03.2009  – V  R  48/07, BFHE  225, S.  215, 222 f.; BFH, Urteil v. 07.10.2010 – V R 17/09, BFH/NV 2011, S. 865 ff.; BFH, Urteil v. 07.07.2011 – V R 21/10, BFHE 234, S. 531 ff.; BFH, Urteil v. 24.01.2013 – V R 34/11, BFHE 239, S. 552, 558 f. 165 Statt Vieler s. nur Englisch, in: Tipke/Lang, § 17 Rn. 10 m.w.N. 166 s. die Nachweise bei Müller, Verbrauchsteuern, S. 139. 167 Müller, Verbrauchsteuern, S. 137; Jatzke, Verbrauchsteuern, S. 150 f. 168 BVerfG, Beschluss v. 09.03.1971 – 2 BvR 326/69 u.a., BVerfGE 30, S. 250, 267; BVerfG, Beschluss v. 23.03.1971 – 2 BvL 17/69, BVerfGE 30, S. 392, 401 f. 169 Dazu nochmals Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 782 ff. 170 Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts s. BVerfG, Urteil v. 16.12.1997 – 2  BvR  1991/95  u.a., BVerfGE  98, S.  106, 124; für die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs: EuGH, Urteil v. 03.10.2006 – C-475/03, Slg. 2006, S. I-9373 Rn. 26 ff. (Banca Popolare di Cremona).

III. Differenziertes Abwägungsprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit

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steuer als allgemeine Verbrauchsteuer zu charakterisieren:171 Ihren Belastungsgrund findet die Umsatzsteuer nämlich in dem durch die Verwendung von Einkommen oder Vermögen zum Ausdruck kommende individuelle Leistungsfähigkeit.172 Im Gegensatz zu den direkten Steuern wie der Einkommen-, Körperschaft- oder Gewerbesteuer knüpft das Umsatzsteuerrecht nicht an ein Gesamteinkommen bzw. die Totalperiode oder aber abstrakte Ertragskraft des Gewerbebetriebs an. Vielmehr steht der Einzelumsatz als Ausdruck individueller Leistungsfähigkeit im Vordergrund. Wenn es aber die im Einzelumsatz zum Ausdruck kommende in­ dividuelle Leistungsfähigkeit des Verbrauchers ist, verbietet es sich in grundsätzlicher Hinsicht, für das Umsatzsteuerrecht einen veranlagungszeitraumbezogenen Rückwirkungsbegriff zugrunde zu legen. Dieses Ergebnis ändert sich auch nicht dadurch, dass die Umsatzsteuer als indirekte Steuer ausgestaltet und Steuerschuldner demzufolge der Unternehmer ist. Dem Unternehmer wird es – vom Anwendungsbereich des § 29 UStG abgesehen – nach Ausführung des Umsatzes und Vereinnahmung des Entgelts regelmäßig nicht mehr möglich sein, eventuelle Mehrsteuern auf den Letztverbraucher nachträglich abzuwälzen. Im Ergebnis ist daher der Unternehmer bei der Versagung von Vertrauensschutz mit der Umsatzsteuer wirtschaftlich belastet. Mithin muss für den Bereich der Umsatzsteuer ein umsatzbezogener Rückwirkungsbegriff zugrunde gelegt werden.173 Das Vorliegen einer echten Rückwirkung ist nach diesen Maßgaben dann zu bejahen, wenn der Steuertatbestand aufgrund einer vollumfänglichen Durchführung des steuerpflichtigen Umsatzes vollständig verwirklicht ist. Differenzierungen sind bei Teilleistungen im Sinne des § 13 I Nr. 1a S. 3 UStG angezeigt. Hier bietet sich eine Anknüpfung an den jeweiligen Voranmeldungszeitraum an, da insbesondere bei Dauersachverhalten der jeweilige Tatbestand des Umsatzsteuergesetzes stets neu verwirklicht wird. Modifikationen sind ebenfalls vorzunehmen bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten gem. § 20 UStG, da es sich letztlich nur um eine Form der Steuerstundung zugunsten des Unternehmers handelt.174 Somit ist es sachgerecht, an den Regelfall der gesetzlichen Steuerentstehung anzuknüpfen. Nach alledem kann das Vorliegen einer unechten Rückwirkung für den Bereich des Umsatzsteuer­ rechts nur dann bejaht werden, wenn der Tatbestand, welcher zu einem steuerpflichtigen Umsatz wird, noch nicht vollständig verwirklicht wurde.

171 Stadie, in: Rau/Dürrwächter, Vorbemerkung zum UStG Rn. 141 ff.; Englisch, in: Tipke/ Lang, § 17 Rn. 10; Müller, Verbrauchsteuern, S. 138. 172 Englisch, in: Tipke/Lang, § 17 Rn. 11; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, Vorbemerkung zum UStG Rn. 141 ff. 173 In diese Richtung wohl auch Loritz, in: FS Knemeyer 2012, S. 599, 601. 174 Str., wie hier BFH, Urteil v. 22.07.1999 – V R 51/98, BFHE 189, S. 211 ff. (lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung); a.A. Frye, in: Rau/Dürrwächter, § 20 UStG Rn. 3 (steuerschuldrechtliches Wahlrecht).

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

d) Zusammenfassung Insgesamt ist die Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung auch für den Bereich der Verwaltungsvorschriften grundsätzlich beizubehalten. Bei direkten Steuern muss in Übereinstimmung mit der zu Gesetzen ergangenen Rückwirkungsdogmatik ein veranlagungszeitraumbezogener Rückwirkungsbegriff zugrunde gelegt werden. Anderes gilt für den Bereich der Umsatzsteuer. Unter Rückbesinnung auf ihre Ausgestaltung als allgemeine Verbrauchsteuer bedarf es hier des Rückgriffs auf einen umsatzbezogenen Rückwirkungsbegriff.

2. Maßstab für die Bestimmung der Schutzwürdigkeit Mit einer prinzipiellen Übertragung der zu Gesetzen entwickelten Rückwirkungsdogmatik auf Verwaltungsvorschriften stellt sich die Frage, ob die Maßstäbe zur Bestimmung der Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens aufgrund einer abstrakt-generellen oder aber konkret-individuellen Betrachtungsweise zu gewinnen sind. Problematisch ist insofern, ob bei Verwaltungsvorschriften eine abstrakt-generelle Maßstabsbildung überhaupt zulässig sein kann oder aber vielmehr für jeden Einzelfall stets neue Kriterien zur Bestimmung der Schutzwürdigkeit zu entwickeln sind. Hat man die Übertragbarkeit der zu Gesetzen entwickelten Rückwirkungsdogmatik bejaht, sind auch die Maßstäbe zur Bestimmung der Schutzwürdigkeit auf abstrakt-generelle Weise zu ermitteln. Ein hiermit verbundener Vorteil ist die Rationalisierung und prinzipielle Entindividualisierung der Schutzwürdigkeitsprüfung, was gleichzeitig für eine Vorhersehbarkeit des Abwägungsergebnisses sorgt. Dies wird besonders daran deutlich, wenn die Schutzwürdigkeit betätigter Dispositionen anhand des Modells der zweistufigen Ermessensausübung zu bestimmen ist: Geht man davon aus, dass die Verwaltung bei der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften abstrakt-generelle Kriterien zur Gewährung von Vertrauensschutz durch Verwaltungsvorschriften aufstellen kann bzw. unter Umständen dazu sogar verpflichtet ist, muss die Schutzwürdigkeit ebenfalls auf zwei Ebenen bestimmt werden. Bedient sich die Verwaltung auf abstrakt-genereller Ebene der Verwaltungsvorschrift zur Regelung einer auftretenden Vertrauensschutzproblematik, ist die Schutzwürdigkeit vorab anhand abstrakt-­objektiver Kriterien zu bestimmen. Dabei kann die Verwaltung aufgrund des Gebots der aus Art. 3 I GG abzuleitenden Übergangsgerechtigkeit zudem gehalten sein, die auftretenden Problemkonstellationen typisierend zu regeln. Mit Erlass einer Übergangsregelung ist es der Verwaltung aufgrund des zweistufigen Programms der Ermessensausübung (vom Abweichungsrecht im atypischen Einzelfall abgesehen) verwehrt, die typisiert bestimmte Schutzwürdigkeit durch eine vollständige Neuausübung des Ermessens nachträglich abzuwandeln. Anderenfalls käme es tatsächlich – wie Hermann-Josef Blanke zutreffend hervorhebt  – zu einer erheblichen Individua-

III. Differenziertes Abwägungsprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit

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lisierung des Vertrauensschutzprinzips, was dem Charakter abstrakt-genereller Innenrechtsetzung durch Verwaltungsvorschriften grundsätzlich widerspräche.175 3. Abwägungsdirektiven auf Ebene der Schutzwürdigkeit Nachdem vorstehend die grundlegenden Weichenstellungen für ein Abwägungs­ modell auf Ebene der Schutzwürdigkeit vorgenommen wurden, müssen nachfolgend die einzelnen Abwägungsdirektiven für schutzwürdiges Vertrauen des Bürgers herausgearbeitet werden. Die Vorgehensweise hat sich hierbei strikt an dem im 3. Kapitel vorgeschlagenen zweistufigen Prüfprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit zu orientieren. Es gilt daher, zunächst allgemeine Gründe darzustellen, die eine prinzipielle Abschwächung des Vertrauens indizieren bzw. eine Schutzwürdigkeit sogar vollständig versagen können. Sodann sind gleichsam in einem zweiten Schritt die Vertrauensinteressen des Bürgers, die für eine Berücksichtigung des Vertrauens sprechen, zu konkretisieren. Hier muss wiederum konsequent zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften differen­ziert werden. a) Ausgangssituation Bevor die einzelnen Abwägungskriterien für rechtmäßige und rechtswidrige Verwaltungsvorschriften entwickelt werden können, muss im Vorfeld auf einige verfassungsrechtliche Grundüberlegungen näher eingegangen werden, die für die Kriterienbildung von wesentlicher Bedeutung sind. Dabei handelt es sich einerseits um die verfassungsrechtlichen Maßgaben für eine Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften  [aa)] sowie andererseits um die verfassungsrechtliche Verankerung des Vertrauensschutzprinzips  [bb)]. Schlussendlich ist erneut auf die Unterscheidung zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften einzugehen [cc)]. aa) Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften Bevor das Vertrauensschutzprinzip gegenüber der Änderung und Aufhebung von Verwaltungsvorschriften vollständig angewandt werden kann, ist es erforderlich, sich die grundlegenden verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften nochmals vor Augen zu führen. Dies ist notwendig vor dem Hintergrund, dass die verfassungsrechtlichen Grundaussagen von unmittelbarem Einfluss auf die Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens des Bür 175

Blanke, Vertrauensschutz, S. 273 f. (Fn. 698 ebd.).

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

gers sind. Verfassungsrechtlich existieren namentlich drei Grundpole, welche die Schutzbedürftigkeit betätigten Vertrauens gegenüber Verwaltungsvorschriften per se mindern und eine tendenziell restriktive Handhabung des Vertrauensschutzprinzips gegenüber Verwaltungsvorschriften rechtfertigen: 1. Verwaltungsvorschriften haben grundsätzlich keine Gesetzen vergleichbare Bindungswirkung. Insbesondere bei im Außenverhältnis gegenüber dem Bürger unverbindlichen Verwaltungsvorschriften ist damit klar, dass einer Verwaltungsvorschrift in retrospektiver Hinsicht grundsätzlich nicht zu einer Bindungswirkung verholfen werden kann, die der Bürger im Vorfeld sowohl rechtlich als auch faktisch nicht beanspruchen konnte. 2. Der Exekutive steht verfassungsrechtlich kein originäres Normsetzungsrecht zu. Die Gewährung gruppenwirksamen Vertrauensschutzes „en gros“ darf deshalb in retrospektiver Hinsicht nicht zu einem faktischen Normsetzungsrecht führen. 3. Aufgrund der Gesetzesbindung der Verwaltung muss als Generalmaxime gelten, den Vorrang des Gesetzes vollständig zu verwirklichen. Damit ist die Exekutive in grundsätzlicher Hinsicht gehalten, Verwaltungsvorschriften an die „geltende“ Rechtslage anzupassen. Es besteht daher ein prinzipielles und ständiges Bedürfnis zur Aufhebung und Änderung rechtswidriger Verwaltungsvorschriften.

Nach dem soeben Gesagten ist klar: Der vorschnellen Bejahung einer Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens gegenüber der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften wird in Rechtsprechung und Schrifttum nicht grundlos mit Skepsis begegnet.176 Gegenüber unverbindlichen Verwaltungsvorschriften wird daher bereits auf der ersten Stufe der Schutzwürdigkeitsprüfung ohne das Hinzutreten besonderer Momente der Schutzbedürftigkeit die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in einer Großzahl der Fälle deutlich abgeschwächt sein.177 An diesem Ergebnis können angesichts der soeben dargelegten verfassungsrechtlichen Maßgaben vernünftigerweise keine Zweifel bestehen. Die Gewährung von Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften hat den verfassungsrechtlichen Vorgaben zufolge Ausnahmecharakter. bb) Freiheitsrechtliche Verankerung des Vertrauensschutzprinzips Die Begrenzung der Reichweite des Vertrauensschutzprinzips aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften darf indes nicht vorschnell dazu verleiten, die Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens unter Berufung auf den Ausnahmecharakter prinzipiell und pauschal zu versagen. Eine solche Handhabung wird der freiheitsrechtlichen Verankerung und Wirkungskraft des Vertrauensschutzprinzips gegenüber der Exeku 176

s. dazu nochmals die Nachweise in Fn. 1. Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 20 Rn.  21; Jarass, JuS  1999, S.  105, 108; Maurer, AVwR, § 24 Rn. 24; für das Subventionsrecht: BVerwG, Urteil v. 11.05.2006 – 5 C 10.05, BVerwGE 126, S. 33, 48 ff.; Seibert, in: FG BVerwG 2003, S. 535, 545. 177

III. Differenziertes Abwägungsprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit

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tive nicht gerecht,178 die – wie dargelegt – auch in den Innenbereich der Verwaltung einstrahlt. Insofern kann es nur verwundern, dass insbesondere der Bundesfinanzhof dem Vertrauensschutzprinzip in ständiger Rechtsprechung unter Rekurs auf den Grundsatz von Treu und Glauben jegliche Wirkkraft gegenüber der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften abspricht.179 Die mangelnde Überzeugungskraft dieser „Treu-und-Glauben-Rechtsprechung“ hat in jüngerer Zeit insbesondere Johanna  Hey nachhaltig und umfassend im Hinblick auf ihre verunklarende und wenig aussagekräftige Dogmatik kritisiert.180 In der Tat ist die Bemühung des Grundsatzes von Treu und Glauben – wie Heinrich Wilhelm Kruse bereits 1960 angemerkt hat – für den Bereich steuerrechtlicher Verwaltungsvorschriften „verführerisch einfach“181. Dementsprechend schwankt auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs: Hier wird das Prinzip von Treu und Glauben je nach Bedarf für die Ablehnung182 oder Begründung183 von Vertrauensschutz gegenüber Verwaltungsvorschriften herangezogen und damit im Ergebnis situationsbedingt der richterlichen Kontrolle entzogen. Durch ein klares Bekenntnis zu den freiheitsrechtlichen Bindungen der Exekutive wird deutlich, dass der Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben für die Anwendung des Vertrauensschutzprinzips gegenüber dem Bürger richtigerweise keine Rolle spielen kann. Unter Zugrundelegung dieser Prämisse lässt sich die Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens nicht durch Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben verneinen. 178

Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 367; ähnlich Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 778. BFH, Urteil v. 14.08.1958  – I  39/57  U, BFHE  67, S.  354, 360 ff.; BFH, Urteil v. 22.04.1980 – VIII R 149/75, BFHE 130, S. 391, 402; BFH, Urteil v. 10.11.1982 – I R 142/79, BFHE  137, S.  202, 204 f.; BFH, Urteil v. 15.01.1986  – II  R  141/83, BFHE  145, S.  453, 455 ff.; BFH, Urteil v. 11.12.1986 – V R 166/81, BFH/NV 1987, S. 402, 403; BFH, Urteil v. 09.03.1988 – I R 262/83, BFHE 153, S. 38, 43 f.; BFH, Urteil v. 11.10.1988 – VIII R 419/83, BFHE 155, S. 298, 305 f.; BFH, Urteil v. 12.01.1989 – IV R 87/87, BFHE 155, S. 484, 486; BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 481; BFH, Urteil v. 26.04.1995 – XI R 91/83, BFHE 178, S. 4, 6 f.; BFH, Urteil v. 07.11.1996 – IV R 69/95, BFHE 182, S. 56, 58 ff.; zuletzt BFH, Urteil v. 07.10.2010 – V R 17/09, BFH/NV 2011, S. 865, 866 ff. 180 Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 590 ff. u. S. 671 ff.; Hey, DStR 2004, S. 1897, 1903 f. 181 Kruse, StuW 1960, S. 478, 488. 182 BFH, Urteil v. 22.04.1980  – VIII  R  149/75, BFHE  130, S.  391, 402; BFH, Urteil v. 10.11.1982 – I R 142/79, BFHE 137, S. 202, 204 f.; BFH, Urteil v. 09.03.1988 – I R 262/83, BFHE  153, S.  38, 43 f.; BFH, Urteil v. 11.10.1988  – VIII  R  419/83, BFHE  155, S.  298, 305 f.; BFH, Urteil v. 07.10.2010  – V  R  17/09, BFH/NV  2011, S.  865, 866; BFH, Urteil v. 17.04.2013 – X R 6/11, BFH/NV 2013, S. 1537, 1540. 183 Die Formulierung „Begründung“ sollte allerdings nicht dahingehend missverstanden werden, dass die Kläger in den entsprechenden Verfahren obsiegt hätten. Vielmehr hat sich der Bundesfinanzhof in den genannten Entscheidungen über seine allgemeine Skepsis hinsichtlich der Vertrauensschutzproblematik hinweggesetzt und die auftretenden Konstellationen einer eingehenderen Prüfung über das Maß von Treu und Glauben hinaus unterzogen. s. dazu BFH, Urteil v. 14.08.1958 – I 39/57 U, BFHE 67, S. 354, 360 ff.; BFH, Urteil v. 15.01.1986 – II  R  141/83, BFHE  145, S.  453, 455 ff.; BFH, Urteil v. 31.10.1990  – I  R  3/86, BFHE  163, S. 478, 482 ff.; BFH, Urteil v. 26.04.1995 – XI R 91/83, BFHE 178, S. 4, 6 ff.; BFH, Urteil v. 07.11.1996 – IV R 69/95, BFHE 182, S. 56, 58 ff.; BFH, Urteil v. 11.12.1986 – V R 166/81, BFH/NV 1987, S. 402, 403 f. 179

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

cc) Zur Differenzierung zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften Die Beurteilung der Frage, wann eine Verwaltungsvorschrift rechtswidrig, d.h. mit der geltenden Rechtsordnung nicht mehr in Einklang steht, mag auf den ersten Blick banal und wenig vertiefungswürdig erscheinen. Dennoch ist der Wandel von der Rechtmäßigkeit zur Rechtswidrigkeit und umgekehrt bei genauerem Hinsehen hochkomplex und nicht immer eindeutig zu beantworten.184 Hält man sich vor Augen, dass eine Verwaltungsvorschrift gegebenenfalls jahrzehntelang unverändert existiert und überdies höchstrichterlich bestätigt wurde, ist eine eindeutige Beantwortung der Frage, ob die ursprüngliche Verwaltungsvorschrift rechtmäßig oder rechtswidrig ist, zumindest aus prozeduraler Sicht nicht ohne Weiteres möglich.185 So kann es nur wenig verwundern, wenn die rechtlichen Bindungswirkungen einer ursprünglich als rechtmäßig erkannten Verwaltungsvorschrift im Falle ihrer späteren Beurteilung als rechtswidrig in lediglich faktische Wirkungen umschlagen. Es bieten sich deshalb vorab einige Überlegungen zur Bestimmung der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit von Verwaltungsvorschriften an. Da auch rechtswidrige Verwaltungsvorschriften nach den hiesigen Maßgaben einen Vertrauenstatbestand darstellen, bedarf es einer tiefergehenden Betrachtung vor dem Hintergrund, dass nach überwiegender Sichtweise das Vertrauen in eine rechtswidrige Verwaltungsvorschrift weniger schutzwürdig sei als in eine rechtmäßige.186 Hierbei ist zunächst auf die tatsächlichen Schwierigkeiten des verfassungsrechtlich vorgesehenen Rechtsfindungsprozesses unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs einzugehen, um sodann die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Maßgaben für eine Differenzierung zwischen rechtswidrigen und rechtmäßigen Verwaltungsvorschriften näher zu betrachten. (1) Verfassungsrechtlich vorgesehener Rechtsfindungsprozess Aus der Perspektive der Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens bietet es sich zunächst an, den verfassungsrechtlich vorgesehenen Rechtsfindungsprozess genauer zu beleuchten. Erst durch die Betrachtung der tatsächlichen Schwierigkeiten des Rechtsfindungsprozesses werden die Vorgaben und Wirkungen des Rechtsstaats 184

Berg, JuS 1980, S. 418, 422. Zutreffend Tipke, StRO I, S. 170; ähnlich Hey, in: FS Kirchhof, Bd. II 2013, S. 1657, 1664. 186 BFH, Urteil v. 17.04.2013 – X R 6/11, BFH/NV 2013, S. 1537, 1540; BFH, Beschluss v. 03.02.2005 – I B 152/04, BFH/NV 2005, S. 1214, 1215; BFH, Beschluss v. 26.09.2007 – V B 8/06, BFHE 219, S. 245, 249 f.; BFH, Urteil v. 07.11.1996 – IV R 69/95, BFHE 182, S. 56, 60; BFH, Urteil v. 26.04.1995 – XI R 91/83, BFHE 178, S. 4, 8; Götz, NJW 1979, S. 1478, 1481; Berg, JuS 1980, S. 418, 421; Pauly, JZ 1997, S. 647, 653; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 682; Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 367. 185

III. Differenziertes Abwägungsprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit

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prinzips hinsichtlich der Differenzierung zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften deutlich. In praktischer Hinsicht wird der Rahmen zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns namentlich durch zwei Grundpole abgesteckt. Es sind dies die Verbindlichkeit höchstrichterlicher Präjudizien auf der einen sowie die Gesetzesbindung des Richters auf der anderen Seite. Relativ einfach handhabbar stellt sich die Situation bei solchen Verwaltungsvorschriften dar, deren Inhalt Gegenstand eines höchstrichterlichen Präjudizes ist. Unter höchstrichterlichen Präjudizien sind dabei solche zu verstehen, die von einem obersten Bundesgericht im Sinne des Art. 95 I GG bzw. dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes gefällt werden. Diesen Gerichten kommt im Gegensatz zu Instanzgerichten maßgeblich die Aufgabe der Rechtsfortbildung sowie Wahrung der Rechtseinheit im gesamten Bundesgebiet zu.187 Höchstrichterliche Präjudizien legen folglich – ohne dass ihnen Rechtsnormcharakter zuzusprechen wäre188 – über den Einzelfall hinaus faktisch die Rechtmäßigkeit des Exekutivhandelns bis zur Änderung der Rechtsprechung fest. Demzufolge muss eine höchstrichterlich bestätigte Verwaltungsvorschrift aus Sicht von Bürger und Verwaltung – gerade im Lichte der neueren Rechtsprechung des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts zur echten Rückwirkung189  – bis zu einem anderweitigen höchstrichterlichen Präjudiz grundsätzlich als rechtmäßig gelten. Sofern über die Rechtmäßigkeit einer Verwaltungsvorschrift keine höchstrichterlichen Präjudizien vorliegen, muss die Einordnung einer Verwaltungsvorschrift als rechtmäßig oder rechtswidrig anhand der Methodenlehre der Rechtswissenschaft, welche auch die Gesetzesbindung des Richters konkretisiert,190 vorgenommen werden. Der im Rahmen der Gesetzesbindung des Richters (Art.  20  III, 97  I  GG) verbleibende Spielraum richterlicher Rechtsgewinnung wird insofern durch die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung begrenzt.191 Für die Einstufung von Verwaltungsvorschriften als rechtmäßig oder rechtswidrig hat das zur Konsequenz, dass deren Inhalt anhand der anerkannten Auslegungsmethoden beruteilt werden muss. Das Ergebnis wird je nach Komplexität der geregelten Materie mehr oder weniger eindeutig ausfallen. Dies bedeutet wiederum, dass sich 187 Pohl, Rechtsprechungsänderung, S. 89 ff.; zu den rechtstheoretischen Aspekten auch Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 35 u. 257; speziell für das Steuerrecht Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 100 ff. 188 Maurer, AVwR, § 4 Rn.  42; Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 2 Rn.  63 f.; Rüthers/­ Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 236 ff. 189 Vgl. BVerfG, Beschluss v. 17.12.2013  – 1  BvL  5/08, DStR  2014, S.  520, 524: „Eine rückwirkende Klärung der Rechtslage durch den Gesetzgeber ist in jedem Fall als konstitutiv rückwirkende Regelung anzusehen, wenn der Gesetzgeber damit nachträglich einer höchstrichterlich geklärten Auslegung des Gesetzes den Boden zu entziehen sucht.“ 190 BVerfG, Beschluss v. 15.01.2009 – 2 BvR 2044/07, BVerfGE 122, S. 248, 282 ff.; Pohl, Rechtsprechungsänderung, S. 35 f.; zu den Grenzen auch BVerfG, Beschluss v. 14.06.2007 – 2 BvR 1447/05 u.a., BVerfGE 118, S. 212, 243. 191 Dazu statt Vieler: Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 133 ff.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

ein Großteil der auftretenden Vertrauensschutzprobleme bei der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften in einer „Grauzone“ zwischen Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit bewegt und ohne höchstrichterliches Prä­ judiz eine Einordnung der Verwaltungsvorschrift als rechtmäßig oder rechtswidrig faktisch kaum möglich ist. (2) Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Ein ähnlicher Befund ergibt sich bei einer näheren Betrachtung der Recht­ sprechung des Bundesfinanzhofs. Der Bundesfinanzhof sieht ebenfalls die herausgehobene Bedeutung höchstrichterlicher Präjudizien für die Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens.192 Indes umgeht er die Problematik einer Differenzierung zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften, indem er die Voraussetzungen für die Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens bei der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften an das restriktive Kriterium der „gesicherten Rechtsauffassung“ knüpft. Der Bundesfinanzhof geht insofern davon aus, „dass ein schützenswertes Vertrauen, das die Pflicht zum Erlass einer Übergangsregelung auslöst, nur dann gegeben ist, wenn als Vertrauensgrundlage eine gesicherte, für die Meinung des Steuerpflichtigen sprechende Rechtsauffassung bestand (…).“193

Das vorstehende Zitat verdeutlicht auf besondere Art und Weise die Bedeutung höchstrichterlicher Präjudizien. Entscheidend kann für eine „gesicherte Recht­ auffassung“ nämlich regelmäßig nur die höchstrichterliche Bestätigung des Inhalts einer Verwaltungsvorschrift sein. In diesem Fall erhält sie zumindest den Anschein gesteigerter Legitimität. Im deutlichen Gegensatz zu diesen Grundsätzen entzieht der I.  Senat des Bundesfinanzhofs unter Verweis auf die Rechtswidrigkeit einer Verwaltungsvorschrift jeglichen Ansprüchen aus dem Vertrauensschutzprinzip die Grundlage.194 Das ist bemerkenswert vor dem Hintergrund, dass es gerade der I. Senat des Bundesfinanzhofs im Jahr 1990 war, der die vertrauensschutzrechtlichen Anforderungen bei der Aufhebung und Änderung steuerrechtlicher Verwaltungsvorschriften unter Ausblendung dieser Problematik konkretisiert hat.195 Insgesamt lassen sich aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs daher kaum verallgemeinerungsfähige Grundsätze ableiten.

192

BFH, Urteil v. 31.10.1990  – I  R  3/86, BFHE  163, S.  478, 482 ff.; BFH, Beschluss v. 26.09.2007 – V B 8/06, BFHE 219, S. 245, 249. 193 BFH, Beschluss v. 26.09.2007 – V B 8/06, BFHE 219, S. 245, 249 f. 194 BFH, Beschluss v. 03.02.2005 – I B 152/04, BFH/NV 2005, S. 1214, 1215: „Aus einer Praxis, die geltendem Recht nicht entspricht, kann sich ebenso wenig wie eine Bindung der Verwaltung auch kein Vertrauensschutz ergeben.“; bestätigt durch BFH, Urteil v. 17.04.2013 – X R 6/11, BFH/NV 2013, S. 1537, 1540. 195 BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 482 ff.

III. Differenziertes Abwägungsprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit

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(3) Vorgaben des Rechtsstaatsprinzips Ausgehend von der aufgezeigten Komplexität des Rechtsfindungsprozesses muss abschließend bedacht werden, dass die endgültige rechtsverbindliche Einzelfallentscheidung über die Rechtmäßigkeit hoheitlicher Akte im demokratischen Rechtsstaat den Gerichten obliegt.196 Deshalb ist es nach den Maßgaben des Art. 20 III GG richtig, dass bei gleichbleibenden tatsächlichen Verhältnissen sowie fehlenden Beurteilungs- oder Ermessensspielräumen regelmäßig nur eine rechtlich vertretbare Lösung existiert (sog. These der „einzig richtigen Entscheidung“).197 Diese Lösung hat zur Konsequenz, dass eine ursprünglich höchstrichterlich als rechtmäßig anerkannte Verwaltungsvorschrift bei gleichbleibenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen gleichsam ex tunc rechtswidrig wird. Eine solche Sichtweise steht in Einklang mit der Dogmatik zum Wiederaufgreifen des Ver­ fahrens in § 51 I Nr. 1 VwVfG. Danach stellt eine Änderung der Rechtsprechung nach herrschender Auffassung keine Änderung der Rechtslage dar, weil das Recht bisher nicht richtig erkannt wurde und demzufolge ein Wiederaufgreifen nicht in Betracht kommt.198 Damit ist klar: Ein Großteil der im Rahmen der Schutzwürdigkeit zu behandelnden Probleme ist dem Bereich rechtswidrigen Verwaltungshandelns zuzuordnen. Deshalb kann es nur wenig überzeugen, wenn der Bundesfinanzhof vor dieser verfassungsrechtlichen Realität die Augen verschließt und an das Kriterium der „gesicherten“ (aber eben auch gegebenenfalls rechtswidrigen) Rechtsauffassung anknüpft. (4) Zusammenfassung Die soeben skizzierten Linien verdeutlichen, dass es sich verbietet, die Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens ausschließlich anhand einer Differenzierung zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften zu beurteilen. Das verfassungsrechtlich schwierige Spannungsfeld vom Übergang von einer rechtswidrigen zur rechtmäßigen Rechtslage bzw. umgekehrt muss einer differenzierenden und abwägenden Lösung zugeführt werden.

196 Im Sinne der hier diskutierten Problematik nun auch explizit der 1.  Senat des Bundes­ verfassungsgerichts, s. BVerfG, Beschluss v. 17.12.2013  – 1  BvL  5/08, DStR  2014, S.  520, 522 ff. 197 Dazu insbesondere für Verwaltungsvorschriften Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, 108 ff. 198 Statt Vieler mit umfangreichen Nachweisen zum Schrifttum und zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts: Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 51 VwVfG Rn. 96 ff.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

dd) Zwischenergebnis und Konsequenzen für die Entwicklung einzelner Schutzwürdigkeitsindikatoren Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften sind geeignet, die Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens des Bürgers – im Vergleich zu Gesetzen – in weitem Ausmaß zu beschränken. Indes belässt das Grundgesetz unter Zugrundelegung der freiheitsrechtlichen Veran­kerung des Vertrauensschutzprinzips sowohl bei rechtswidrigen als auch rechtmäßigen Verwaltungsvorschriften nach wie vor Spielräume, um die Schutzwürdigkeit des Bürgers begründen oder verstärken zu können. Diese Spielräume gilt es im Folgenden auszuloten. Dabei sind die besonderen Momente der Schutzwürdigkeit des Bürgers dem Aufhebungs- und Änderungsbedürfnis der Verwaltung bei rechtmäßigen sowie rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften gegenüberzustellen. Zur Herleitung tauglicher Kriterien ist dabei vorab nochmals auf die Formel des Bundesverfassungsgerichts einzugehen, wonach eine unechte Rückwirkung nur zulässig ist, „wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt.“199

Zunächst sind demnach die für die Änderung bzw. Aufhebung einer Verwaltungsvorschrift sprechenden Gründe zu ermitteln. Sodann sind ihnen die Gründe, die das Gewicht des enttäuschten Vertrauens bestimmen, gegenüberzustellen. Schlussendlich hat eine Gesamtabwägung zwischen den Bestandsinteressen des Bürgers sowie Änderungsinteressen der Verwaltung stattzufinden, wobei angesichts der restriktiven Verhältnismäßigkeitsprüfung die Zumutbarkeitsgrenze für den Bürger als Leitmotiv der Abwägung im Mittelpunkt steht. b) Rechtmäßige Verwaltungsvorschriften aa) Änderungsinteresse der Verwaltung Versucht man das Änderungsinteresse der Verwaltung bezüglich rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften näher zu betrachten, muss vorab der Frage nachgegangen werden, in welchen Fällen die Aufhebung und Änderung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften überhaupt gerechtfertigt sein kann. Hiervon ausgehend werden verschiedene Aspekte, die für eine Änderung bzw. Aufhebung der Verwaltungs­ vorschrift sprechen, erörtert. 199

BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010  – 2  BvL  14/02 u.a., BVerfGE  127, S.  1, 18; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010  – 2  BvL  1/03 u.a., BVerfGE  127, S.  31, 48; BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61, 77; BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302, 320.

III. Differenziertes Abwägungsprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit

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(1) Änderung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften nur bei Spielräumen der Verwaltung Wenn die Verwaltung eine rechtmäßige Verwaltungsvorschrift aufhebt bzw. ändert und der Bürger diesbezüglich Vertrauensschutz beanspruchen möchte, stellt sich zuvörderst die Frage, aus welchen Gründen die Änderung bzw. Aufhebung einer rechtmäßigen Verwaltungsvorschrift überhaupt gerechtfertigt sein kann. Denn prinzipiell ist es so, dass die Änderung einer rechtmäßigen Verwaltungsvorschrift im Falle strikter Gesetzesbindung zu einer gesetzeswidrigen Rechtsanwendungspraxis führen würde. Ausscheiden müssen demnach zunächst all diejenigen Begründungsversuche, wonach die Verwaltung namentlich bei norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften aufgrund einer geläuterten Rechtserkenntnis ihre ursprüngliche Rechtsauffassung korrigiert. In diesem Fall ist die Verwaltungsvorschrift nämlich von Anfang an rechtswidrig.200 Das gilt selbst in solchen Konstellationen, in denen die Verwaltungsauffassung aufgrund höchstrichterlicher Präjudizien ursprünglich „bestätigt“ wurde, die Rechtsprechung zu einem späteren Zeitpunkt jedoch die Rechtswidrigkeit der Verwaltungsvorschrift feststellt. In diesem Fall stehen nicht nur die Verwaltungsvorschrift, sondern auch die vor Erlass des die Rechtswidrigkeit feststellenden Urteils ergangene Rechtsprechung mit dem Gesetz nicht in Einklang.201 Mithin verbleibt für den Anwendungsbereich und damit das Interesse der Verwaltung an einer Aufhebung und Änderung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften nur der Bereich der Ermessens- und Typisierungsrichtlinien.202 Nur in diesen Bereichen ist es denkbar, dass die Verwaltung von einer ursprünglich vertretbaren, mittlerweile aber aufgrund geänderter tatsächlicher Verhältnisse zu einer anderen vertretbaren Rechtsauffassung übergeht.203 Dies gilt unabhängig davon, ob die Verwaltungsvorschrift gegenüber dem Bürger eine Bindungswirkung erzeugt oder nicht. Beispiel: Das BMF erlässt jährlich Schreiben mit Pauschbeträgen für Privatentnahmen im Sinne des § 6 I Nr. 4 S. 1 EStG (unentgeltliche Wertabgaben) für unterschiedliche Gewerbezweige. So wurde für einen Restaurantbetreiber im Jahr 2011 ein Pauschbetrag für die private Entnahme von Speisen und Getränken i.H.v. insgesamt 3.105 €204, 2012 i.H.v. 3.198  €205, 2013 i.H.v. 3.194  €206 sowie 2014 i.H.v. 3.317  €207 angesetzt. Die jeweiligen 200

Für die hier erörterte Problematik Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 682; ähnlich Scholtz, in: Koch/Scholtz, § 4 AO Rn.  38 f.; Bleckmann, JZ  1995, S.  685, 687. Explizit Fischer, in: Dt. Finanzgerichtstag 2011, S. 41, 44. 201 Bleckmann, JZ 1995, S. 685, 687. 202 Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, 113; ähnlich Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 681. 203 Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, 113. 204 BMF, Schreiben v. 08.12.2010  – IV A  4-S  1547/0:001, 2010/0984804, BStBl.  I  2010, S. 1344. 205 BMF, Schreiben v. 24.01.2012 – IV A 4-S 1547/0:001, 2012/0059852, BStBl. I 2012, S. 99. 206 BMF, Schreiben v. 14.12.2012 – IV A 4-S 1547/0:001, 2012/1116775, BStBl. I 2012, S. 1247. 207 BMF, Schreiben v. 16.12.2013 – IV A 4-S 1547/13/10001–01, 2013/1137127, BStBl. I 2013, S. 1608.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

Pauschbeträge orientieren sich an den zugrunde liegenden Durchschnittspreisen der Gastronomie sowie der allgemeinen Inflationsentwicklung. So sind sie innerhalb eines Jahres vertretbar, aufgrund der erfolgten Preissteigerungen im nächsten Jahr jedoch nicht (mehr). Gerade in diesem Bereich ist ein Übergang von einer vertretbaren Auslegung zu einer anderen vertretbaren Auslegung des § 6 I Nr. 4 S. 1 EStG denkbar, ohne dass dadurch die ursprünglich zugrunde gelegte Rechtsauffassung rechtswidrig wäre.

(2) Anpassungsbedürfnis an geänderte tatsächliche Verhältnisse Für den Übergang von einer vertretbaren Auslegung zu einer anderen wird auf Seiten der Verwaltung regelmäßig das Anpassungsbedürfnis an geänderte tatsächliche Verhältnisse sprechen.208 Diesbezüglich bietet sich insbesondere ein Rekurs auf die allgemeine Änderungs- bzw. Abweichungsbefugnis der Verwaltung bei der Anwendung von ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften im Rahmen des Art. 3 I GG an.209 Die für eine Zumutbarkeit der Änderung sprechenden Gründe werden zumeist in denjenigen Fällen überwiegen, in denen die Verwaltung eine über mehrere Jahre bestehende Verwaltungsvorschrift an geänderte tatsächliche Verhältnisse anpasst und diesbezüglich eine vorherige Anhörung durchführt. Wohl populärstes Beispiel ist hierfür die in nur unregelmäßigen Abständen stattfindende Aktualisierung der Nutzungsdauer verschiedener Wirtschaftsgüter in der „AfA-Tabelle für allgemein verwendbare Anlagegüter (AfA-Tabelle „AV“)“, bei der im Vorfeld regelmäßig die beteiligten Verbände angehört werden.210 In diesen Konstellationen muss sich der Bürger regelmäßig darauf einstellen, dass die für ihn geltenden Pauschbeträge, Abschreibungssätze und dergleichen auf Dauer keinen Bestand mehr haben werden. Hinsichtlich der Frage, wann sich der Bürger auf eine Änderung der Rechtsauffassung einstellen muss, legt der Bundesfinanzhof in seiner Rechtsprechung äußerst strenge Maßstäbe an. Eine Schutzwürdigkeit sei bereits dann zu verneinen, wenn dem Steuerpflichtigen Zweifel am Bestand der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung hätten kommen müssen.211 Dass eine solche Handhabung nur schwerlich überzeugen kann, liegt auf der Hand. Einerseits lässt sich im Hinblick auf die hochkomplexe Regelungsmaterie des Steuerrechts nämlich immer mit gu 208 Das ist auch in der Rechtsprechung unstrittig, vgl. nur BFH, Urteil v. 11.10.1988  – VIII R 419/83, BFHE 155, S. 298, 305. 209 Zu diesen Kriterien: Seibert, in: FG BVerwG 2003, S. 535, 545; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 20 Rn. 21. 210 BMF, Schreiben v. 15.12.2000  – IV  D  2-S  1551–188/00, B/2–2–337/2000-S 1551  A, S 1551–88/00, BStBl. I 2000, S. 1532: „Die Fachverbände der Wirtschaft wurden vor der Aufstellung der AfA-Tabellen angehört.“ 211 BFH, Urteil v. 23.02.1979  – III  R  16/78, BFHE  127, S.  476, 480 ff.; BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 483 ff.; BFH, Beschluss v. 01.10.2003 – X B 75/02, BFH/NV 2004, S. 44 f.; BFH, Beschluss v. 04.08.2010 – X B 172/09, BFH/NV 2010, S. 2053, 2054 f.; BFH, Beschluss v. 26.09.2007 – V B 8/06, BFHE 219, S. 245, 249; BFH, Beschluss v. 04.08.2010 – X B 172/09, BFH/NV 2010, S. 2053, 2054.

III. Differenziertes Abwägungsprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit

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ten Gründen an der Verwaltungsauffassung zweifeln; das Kriterium der Zweifel hat insofern kaum Aussagekraft und läuft damit inhaltlich leer. Andererseits ist der Maßstab von „Zweifeln“ zu streng. Wenn sich die Verwaltung gegenüber dem Bürger nachhaltig auf ihre begünstigenden Verwaltungsvorschriften beruft, bestehen hier regelmäßig wenig Gründe, diese Rechtsauffassung anzuzweifeln.212 Für die Beurteilung der Schutzwürdigkeit des Bürgers müssen deshalb vielmehr Anleihen bei der Wertung des § 48 II 3 Nr. 3 VwVfG bzw. § 130 II Nr. 4 AO gemacht werden. Insofern ist auf Seiten des Bürgers lediglich zu fragen, ob ihm Umstände hätten bekannt sein bzw. gleichsam aufdrängen müssen, die eine Änderung der Verwaltungsvorschrift rechtfertigen.213 Beispiel:214 Ein aus vielen Einzelanlegern bestehender Schiffsfonds in Rechtsform der GmbH & Co. KG (nachfolgend „Schiffsfonds“ genannt) erwirbt im Jahr 2003 ein ca. zweieinhalb Jahre altes Doppelhüllen-Tankschiff und setzt dieses im internationalen Seeverkehr ein. Nach der im Jahr 2003 gültigen AfA-Tabelle für den Wirtschaftszweig „Hochsee-,­ Küsten- und Binnenschifffahrt“215 wurde für derartige Schiffe eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 12 Jahren festgelegt, die auf Schätzungen aus dem Jahr 1972 für Einhüllen-Tankschiffe beruhte.216 Aufgrund geänderter Umweltschutzvorschriften wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 417 aus dem Jahr 2002217 festgelegt, dass Schiffe mit einem Mindestalter von 25 Jahren nur noch unter besonderen Schutzvorkehrungen in Häfen unter der Gerichtsbarkeit eines Mitgliedsstaates einlaufen dürfen. Die klagende Fondsgesellschaft hat sich gegenüber dem Bundesfinanzhof auf die in der AfA-Tabelle festgelegte kürzere Nutzungsdauer und den damit verbundenen höheren Abschreibungssatz berufen. Der Bundesfinanzhof hat eine Zugrundelegung der 12-jährigen Nutzungsdauer im Hinblick auf die geänderten tatsächlichen Verhältnisse abgelehnt.218

Dies wäre auch nach den hier vertretenen Maßstäben konsequent. Spätestens mit Erlass einer EG-Verordnung zu veränderten Umweltschutzbestimmungen aufgrund veralteter, aber immer noch im Verkehr befindlicher Seeschiffe muss einem Investor, der am internationalen Seeverkehr teilnimmt und dessen rechtliche Rahmenbedingungen zu kennen hat, in entsprechender Anwendung von § 130 II Nr. 4 AO klar sein, dass die von der Finanzverwaltung seit über 30 Jahren unverändert vertretene Nutzungsdauer spätestens ab dem Jahr 2002 hätte angepasst werden müssen.219 212

Tipke, StRO I, S. 170; Hey, in: FS Kirchhof, Bd. II 2013, S. 1657, 1664. Für das Subventionsrecht s. hierzu die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung: BVerwG, Urteil v. 08.04.1997 – 3 C 6.95, BVerwGE 104, S. 220, 229; BVerwG, Urteil v. 11.05.2006 – 5 C 10.05, BVerwGE 126, S. 33, 49 ff., 57; wie hier auch Fritsch, in: Pahlke/Koenig, § 227 AO Rn. 25; Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 121. 214 Nach BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 8/10, BFHE 233, S. 226 ff., stark vereinfacht. 215 BMF, Schreiben v. 16.09.1992 – IV A 7 – S 1551 – 103/92, BStBl. I 1992, S. 570. 216 BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 8/10, BFHE 233, S. 226, 237. 217 Verordnung (EG) Nr. 417/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Februar 2002 zur beschleunigten Einführung von Doppelhüllen oder gleichwertigen Konstruktionsanforderungen für Einhüllen-Öltankschiffe und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2978/94 des Rates, ABl. L 64 vom 07.03.2002, S. 1 ff. 218 BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 8/10, BFHE 233, S. 226, 235 ff. 219 So auch mittelbar BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 8/10, BFHE 233, S. 226, 237 f. 213

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

(3) Höchstrichterliche „Zweifel“ an der künftigen Rechtmäßigkeit der Verwaltungsvorschrift Ein weiterer, für ein tendenziell überwiegendes Änderungsinteresse der Verwaltung sprechender Aspekt kann die höchstrichterliche Ankündigung von „Zweifeln“ an der weiteren Vertretbarkeit der von der Behörde zugrunde gelegten Rechtsauffassung sein. Dies mag auf den ersten Blick befremdlich erscheinen, lässt sich jedoch anhand folgenden jüngeren Beispiels aus der Rechtsprechung des VI. Senats220 des Bundesfinanzhofs anschaulich belegen: Im streitigen Fall ging es um die Frage, ob Aufwendungen des Arbeitgebers (einer Großkanzlei) für eine Betriebsveranstaltung (Sommerfest, Weihnachtsfeier) zu Arbeitslohn führen. Die Finanzverwaltung ordnet diesbezüglich in R 19.3 II Nr. 3 LStR 2011221 (im Streitfall der inhaltsgleiche Abschnitt in R 72 IV 2 LStR 2005222) an, dass Aufwendungen des Arbeitgebers für derartige Veranstaltungen bis zu einem Gesamtbetrag von 110 € einschließlich Umsatzsteuer nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führen. Die Klägerin tätigte Aufwendungen je Arbeitnehmer i.H.v. 175 € und wendet sich gegen den Lohnsteuernachforderungsbescheid mit der Begründung, dass die Pauschalgrenze von 110 € angesichts der gestiegenen Inflationsrate nicht mehr den tatsächlichen Verhältnissen entspräche.223 Der Bundesfinanzhof hat für das Streitjahr die Gültigkeit des Pauschbetrags in Höhe von 110 € (noch) bejaht. Indes betont der Senat explizit, dass „die Finanzverwaltung erwägen sollte, alsbald den Höchstbetrag (…) neu und auf der Grundlage von Erfahrungswissen zu bemessen.“224

(4) Möglichkeit der Vorfeldabsicherung über § 89 II AO Abschließend bleibt zu klären, ob die Möglichkeit der Vorfeldabsicherung über das Rechtsinstitut der verbindlichen Auskunft gem. § 89 II AO ebenfalls zu einem tendenziellen Überwiegen des Änderungsinteresses der Verwaltung führt. Hierfür ließe sich zunächst anführen, dass die verbindliche Auskunft im Vorfeld das­ sicherste Mittel zur Erlangung von Planungssicherheit gegenüber Verwaltungsvorschriften ist.225 Weiterhin ließe sich argumentieren, dass der Steuerpflichtige im 220 BFH, Urteil v. 12.12.2012 – VI R 79/10, BFHE 240, S. 44, 48 f.; ähnlich bereits früher BFH, Urteil v. 26.01.1994 – VI R 118/89, BFHE 173, S. 174, 178 f.: „Vor dem Hintergrund der vorstehenden Erwägungen wird der Senat vorerst die von der Finanzverwaltung für den Dienstgang und die Dienstreise (…) festgelegten typisierenden Pauschalen aus Gründen der Kontinuität im Grundsatz weiter anerkennen (…).“ 221 Lohnsteuerrichtlinien 2011 vom 23.11.2010, BStBl. I 2010, S. 1325 ff. 222 Lohnsteuerrichtlinien 2005 vom 11.10.2001, BStBl. I 2001, Sondernummer 1/2001. 223 Zum gesamten Sachverhalt s. die Ausführungen der Vorinstanz: Hessisches FG, Urteil v. 01.09.2010 – 10 K 381/08, EFG 2011, S. 443 ff. 224 BFH, Urteil v. 12.12.2012 – VI R 79/10, BFHE 240, S. 44, 49. 225 In diese Richtung die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, vgl. insbesondere BFH, Urteil v. 11.12.1986 – V R 166/81, BFH/NV 1987, S. 402, 403; BFH, Urteil v. 09.03.1988 – I R 262/83, BFHE 153, S. 38, 43 f.; BFH, Urteil v. 11.10.1988 – VIII R 419/83, BFHE 155, S. 298, 306; BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 481; BFH, Urteil v. 07.10.2010 – V R 17/09, BFH/NV 2011, S. 865, 866, jeweils m.w.N.; s. auch Tipke, StRO III, S. 1447.

III. Differenziertes Abwägungsprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit

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Nachhinein über den Grundsatz des Vertrauensschutzes die Gebührenpflicht des § 89 III–VII AO umgehen könnte. Hält man sich den Geltungsgrund sowie die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der verbindlichen Auskunft einschließlich der Gebührenpflicht vor Augen, können diese Bedenken weder für sich genommen noch insgesamt überzeugen. Die verbindliche Auskunft befindet sich nämlich selbst im verfassungsrechtlichen Spannungsfeld zwischen Rechtsrichtigkeit und Vertrauensschutz. Einerseits ließe sich hier in Einklang mit der unklaren „Vorausberechnungsformel“ des Bundesverfassungsgerichts226 vertreten, dass der Steuerpflichtige nach Maßgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes seine Steuerlast selbst berechnen können müsse. Wenn von dieser Prämisse ausgehend das Steuerrecht derart komplex und verworren ist, stellt sich der Erlass einer verbindlichen Auskunft als gleichsam kompensatorisches Mittel zur Verhinderung eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz dar.227 Andererseits steht eine solche Betrachtungsweise im Widerspruch zur Grundaussage des Art. 19 IV GG, wonach – auch komplexe – Rechtsfragen unter der geltenden Verfassungsordnung stets einer nachträglichen Klärung durch die Gerichte zugeführt werden sollen. Somit stellt die verbindliche Auskunft einen Sondervorteil dar, der auf der einen Seite die Ausgestaltung der Norm als Ermessensvorschrift rechtfertigt und auf der anderen Seite sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach durch Gebühren abschöpfbar ist.228 Hat der Bürger nach alledem verfassungsrechtlich prinzipiell keinen verbindlichen Anspruch auf Vorabklärung der Geltungskraft einer Verwaltungsvorschrift, spricht die einfachgesetzliche Existenz des Rechtsinstituts der verbindlichen Auskunft nicht generell gegen die Gewährung von Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften.229 Dies gilt insbesondere in solchen Konstellationen, in denen die Verwaltungsvorschrift im Wortlaut eindeutig ist und die Verwaltung in Vergleichsfällen entsprechend verfährt.230 Hier besteht im Vorfeld für den Steuerpflichtigen regelmäßig kein Anlass zum Einholen einer verbindlichen Auskunft, sodass er auch im Nachhinein nicht auf diese Möglichkeit verwiesen werden darf. Anders gestaltet sich die Situation, wenn die Verwaltungsvorschrift im Wortlaut mehrdeutig ist und dem 226 Grundlegend BVerfG, Urteil v. 14.12.1965 – 1 BvR 571/60, BVerfGE 19, S. 253, 267; zuletzt BVerfG, Beschluss v. 23.10.1986 – 2 BvL 7/84, BVerfGE 73, S. 388, 400. Zur „Vorausberechnungsformel“ und ihrer Kritik umfassend Jehke, Bestimmtheit, S. 128 ff. 227 Ähnlich wohl auch Spilker, StuW 2013, S. 19, 20. 228 So insbesondere die Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteil v. 30.03.2011  – I  R  61/10, BFHE  232, S.  406, Rn.  15 ff.; aus dem Schrifttum: Birk, NJW  2007, S.  1325, 1328; Horst, Verbindliche Auskunft, S.  170; Söhn, in: HHSp, § 89  AO Rn.  322; Seer, in: Tipke/Kruse, § 89 AO Rn. 64; Roser, in: Beermann/Gosch, § 89 AO Rn. 89; skeptisch Spilker, StuW 2013, S. 19, 26. 229 Im Ergebnis auch Hey, Steuerplanungssicherheit, S.  671 ff.; Hey, DStR  2004, S.  1897, 1903. 230 Ähnlich für die hier diskutierte Problematik: BFH, Beschluss v. 26.09.2007 – V B 8/06, BFHE 219, S. 245, 249.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

zufolge Auslegungsrisiken für den Steuerpflichtigen verbleiben. In diesen Fällen kann das Vertrauensschutzprinzip nicht das verfassungsrechtliche Instrument dazu sein, dem Steuerpflichtigen retrospektiv Planungssicherheit zu vermitteln. Hiergegen spricht die Wertung des § 89 II AO, wonach das Risiko einer negativen Vorfeldauskunft beim Steuer­pflichtigen verbleibt und im Nachhinein nicht durch die Geltung des Vertrauensschutzprinzips beseitigt werden kann.231 Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass der Steuerpflichtige nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Vorfeld keinen Anspruch auf einen bestimmten Inhalt einer verbindlichen Auskunft hat: Schließlich handelt es sich bei der verbindlichen Auskunft lediglich um eine Gegenwartsprognose im Rahmen des komplexen Rechtsfindungsprozesses.232 (5) Zusammenfassung Für die Aufhebung und Änderung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften spricht vornehmlich das Anpassungsbedürfnis der Verwaltung an geänderte tatsächliche Verhältnisse. Dieses Anpassungsbedürfnis ist regelmäßig vor Art. 20 III GG gerechtfertigt. Verstärkt wird das relative Übergewicht des Änderungsinteresses, wenn die Verwaltung im Vorfeld eine Änderung der Verwaltungsvorschrift ankündigt bzw. aufgrund höchstrichterlicher Judikate Zweifel an der weiteren Vertretbarkeit der bisherigen Rechtsauffassung geäußert werden. Abschließend spricht die Möglichkeit der Vorfeldabsicherung hinsichtlich der Geltungskraft einer Verwaltungsvorschrift über § 89 II AO jedenfalls bei im Wortlaut eindeutigen Verwaltungsvorschriften nicht durchweg für ein Überwiegen des Änderungsinteresses der Verwaltung. bb) Bestandsinteresse des Bürgers Im Folgenden bedarf es einer eingehenden Würdigung der Bestandsinteressen des Bürgers, die für eine Beibehaltung des in der Verwaltungsvorschrift niedergelegten Vollzugsprogramms sprechen. Vorab ist hier wiederum auf die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Fallgruppenbildung auf dem Gebiet der unechten Rückwirkung einzugehen, um sodann verschiedene Schutzwürdigkeitsindikatoren auf Seiten des Bürgers herauszustellen.

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Explizit: BFH, Urteil v. 26.04.1995  – XI  R  91/83, BFHE  178, S.  4, 8: „Aufgrund dieser Rechtsprechung und des dargestellten Standes der Verwaltungsmeinung konnte der Kläger nicht ohne konkrete Zusage darauf vertrauen, daß die von ihm gewählte Gestaltung von der Verwaltung gebilligt würde.“ 232 BFH, Urteil v. 29.02.2012 – IX R 11/11, BFHE 237, S. 9, 12 ff.

III. Differenziertes Abwägungsprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit

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(1) Gewichtung der Bestandsinteressen des Bürgers anhand der Fallgruppenbildung des Bundesverfassungsgerichts zur unechten Rückwirkung Sofern nicht der Fall einer echten Rückwirkung vorliegt, welche per se eine besondere Schutzbedürftigkeit indiziert,233 sind hinsichtlich der Gewichtung des schutzwürdigen Vertrauens auf Seiten des Bürgers die vom Bundesverfassungsgericht gebildeten Fallgruppen heranzuziehen. Eine besonders starke Gewichtung der Bestandsinteressen des Bürgers findet dabei in solchen Konstellationen statt, in denen der steuerliche „Tatbestand“ einer Verwaltungsvorschrift bereits vollständig verwirklicht wurde.234 Für den Fall langfristiger Investitionen indiziert die Fallgruppe des „konkret vorhandenen Vermögensbestands“ eine hervorgehobene Schutzwürdigkeit, die aber angesichts der fehlenden vollständigen Verwirklichung des jeweiligen Tatbestandes graduell abgeschwächter ist. Schlussendlich genießen verbindlich getätigte Dispositionen erhöhten Vertrauensschutz. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass die Vornahme einer Disposition aufgrund einer Verwaltungsvorschrift im Hinblick auf ihre nur eingeschränkte Bindungswirkung generell verminderten Vertrauensschutz genießt. Gerade die Fallgruppe der verbindlich getätigten Dispositionen verdeutlicht hier nochmals das Erfordernis des Hinzutretens weiterer besonderer Momente der Schutzwürdigkeit. (2) Bindungswirkung der Verwaltungsvorschrift Als entscheidendes Kriterium zur Steigerung der Schutzwürdigkeit lässt sich zu aller erst die durch eine Verwaltungsvorschrift ausgelöste rechtliche Bindungswirkung nennen.235 Dies trifft nach hier vertretener Auffassung ausschließlich auf den Bereich der ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften sowie Verwaltungsvorschriften zur Konkretisierung von Beurteilungsspielräumen zu. Sofern eine solche Verwaltungsvorschrift über den Gleichheitssatz des Art.  3  I  GG Bindungswirkung erzeugt, darf der Bürger in retrospektiver Hinsicht auf deren Einhaltung 233

Die grundsätzliche Unzulässigkeit echter Rückwirkung bei der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für das Subventionsrecht unstreitig, vgl. BVerwG, Urteil v. 08.04.1997 – 3 C 6.95, BVerwGE 104, S. 220, 228; BVerwG, Urteil v. 11.05.2006 – 5 C 10.05, BVerwGE 126, S. 33, 55; auch wurde sie im Bereich der Fürsorgepflicht des Dienstherren anerkannt, s. dazu BVerwG, Beschluss v. 20.03.1973  – I  WB  217.72, BVerwGE  46, S.  89, 91 ff. Instanzgerichtlich wurde diese Frage  – eher beiläufig  – jüngst bejaht: OVG  Münster, Urteil v. 23.08.2011  – 8 A  2247/10, NWVBl. 2012, S. 117, 119. Unklar ist dagegen nach wie vor die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, s. exemplarisch nur BFH, Urteil v. 27.06.2007 – II R 39/05, BFHE 217, S. 248, 253 m.w.N. 234 Im Rahmen dieser Untersuchung als „Tatbestandslösung“ bezeichnet, vgl. oben, 3. Kapitel, IV. 2. c), S. 145 ff. 235 Haas, Vertrauensschutz im Steuerrecht, S.  139 ff.; wohl auch Wolff, in: Sodan/­Ziekow, § 114 VwGO Rn. 103 und Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 40 VwVfG Rn. 125.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

vertrauen. Maßgebliche Begründungskriterien sind hierfür die über den Gleichheitssatz ausgelösten rechtlichen Wirkungen im Außenverhältnis, die in diesem Bereich für eine strukturelle Ähnlichkeit zu Gesetzen sorgen.236 Wie beim Gesetz kann der Bürger auch bei einer Verwaltungsvorschrift die Einhaltung gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen, sodass die hervorgerufene Bindung im Außenverhältnis für eine deutliche Aufwertung der Bestandsinteressen des Bürgers sorgt. Anderes gilt freilich in solchen Fällen, in denen es sich um einen vom Sinn und Zweck der Verwaltungsvorschrift nicht umfassten Fall handelt. Diesbezüglich steht der Verwaltung regelmäßig ein Abweichungsrecht im atypischen Einzelfall zu, das im Nachhinein nicht über den Vertrauensschutzgrundsatz beseitigt werden kann. (3) Zeitliche Existenz der Verwaltungsvorschrift Ein weiteres – auch von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs anerkanntes237  – Argument für die höhere Gewichtung der Bestandsinteressen des Bürgers ist die zeitliche Existenz einer Verwaltungsvorschrift.238 Je länger eine rechtmäßige Verwaltungsvorschrift besteht, desto mehr kann der Bürger mit Blick auf die vertrauensbegründenden faktischen Wirkungen des Selbstprogrammierungsrechts darauf vertrauen, dass die Behörde in seinem Fall nach dem von ihr selbst gesetzten Vollzugsprogramm verfahren wird. Letztlich lässt sich diese Erwartungshaltung des Bürgers ebenfalls aus dem aus Art. 3 I GG abzuleitenden strukturellen Vollzugssicherungsauftrag der Behörde herleiten, der die Behörde zur­ Sicherstellung eines gleichmäßigen Gesetzesvollzugs verpflichtet und ein Verbot planlosen Vorgehens statuiert.239 Verfährt die Behörde Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte nach derselben Verwaltungsvorschrift, besteht für den Bürger kein Anlass daran zu zweifeln, dass hier im Nachhinein ohne sachlichen Grund davon abgewichen wird. Das gilt insbesondere in solchen Fällen, in denen die Verwaltungsvorschrift von ihrem Wortlaut her unbedingt ist und der ausführenden Behörde nahezu keine Spielräume belässt. Beispiel: Bis zum 31.12.1992 wurde für die Abschreibung von Personenkraftwagen eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer im Sinne des § 7 I 2 EStG von 4 Jahren festgelegt. Diese typisiert unterstellte Nutzungsdauer galt seit dem Jahr 1968 unverändert fort.240 Durch Schreiben vom 03.12.1992241 legte das BMF der Abschreibung ab dem 01.01.1993 eine hö 236

Haas, Vertrauensschutz im Steuerrecht, S. 144 f. Grundlegend BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 483 unter Bezugnahme auf FG Nürnberg, Urteil v. 03.11.1977 – VI 104/76, EFG 1978, S. 206 f. 238 Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 787; Raupach/Burwitz, IStR 2000, S. 385, 389 f. 239 s. dazu nochmals oben, 1. Kapitel, II. 3. c) bb), S. 61 ff. 240 Zur früheren Rechtsentwicklung insgesamt umfassend m.w.N. BFH, Urteil v. 26.07.1991 – VI R 82/89, BFHE 165, S. 378, 380 ff. 241 BMF, Schreiben v. 03.12.1992  – IV A  7  – S  1551  – 122/92/IV  B  6  – S 2353  – 89/92, BStBl. I 1992, S. 734. 237

III. Differenziertes Abwägungsprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit

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here Nutzungsdauer von 5 Jahren zugrunde, wodurch sich die jährliche Abschreibungsrate auf insgesamt 20 % verringerte und damit eine über 25 Jahre bestehende Verwaltungsvorschrift abgeändert wurde. Hintergrund der erhöhten Nutzungsdauer war ein Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 1991, in dem die Richtigkeit der vierjährigen Nutzungsdauer bezweifelt wurde.242

Das vorstehende Beispiel verdeutlicht, dass das Vertrauen des Steuerpflichtigen in Fällen jahrzehntelang bestehender Verwaltungsvorschriften deutlich stärker ausgeprägt sein kann. Im dargestellten Fall konnte ein Steuerpflichtiger, der seinen Wagen beispielsweise im Jahr 1989 anschaffte, angesichts des eindeutigen Wortlauts der AfA-Tabellen und der Verwaltungspraxis der Finanzämter mit einer Abschreibung pro rata temporis i.H.v. 25 % rechnen. Abgeschwächt wird das Vertrauen indes mit der Feststellung, dass die geltende Verwaltungspraxis in Zukunft mit Blick auf den zwischenzeitlich eingetretenen technischen Fortschritt nicht mehr aufrechterhalten werden kann. (4) Höchstrichterliche Bestätigung der Verwaltungsauffassung Besondere Momente der Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens treten regelmäßig dann hinzu, wenn die rechtmäßige Verwaltungsvorschrift eine höchstrichterliche Bestätigung erfahren hat. In diesen Fällen kann und darf der Steuerpflichtige retrospektiv auf die Anwendung der Verwaltungsvorschrift vertrauen. Dies leitet sich insbesondere daraus ab, dass die Verwaltungsauffassung im Falle einer höchstrichterlichen Bestätigung mit dem Anschein „erhöhter“ Rechtmäßigkeit versehen wird. Bei fehlenden Anzeichen in instanzgerichtlicher Rechtsprechung oder Literatur sowie gleich bleibenden tatsächlichen Verhältnissen kann angesichts des Rechtsstaatsprinzips auf Seiten der Verwaltung nämlich regelmäßig kein Grund bestehen, von der in der Verwaltungsvorschrift verankerten recht­mäßigen Verwaltungspraxis abzuweichen.243 Dementsprechend darf auch der Bürger einer höchstrichterlich bestätigten rechtmäßigen Verwaltungsvorschrift grundsätzlich erhöhtes Gewicht beimessen. Ähnlich stellt sich auch die Rechtslage im vorstehenden Beispiel dar. Die vierjährige Nutzungsdauer von Kraftfahrzeugen war bereits im Jahr 1975 Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof und wurde dort nicht beanstandet.244 Ergänzend kam hinzu, dass das BMF die Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs (Verbindlichkeit der AfA-Tabellen auch für den Bereich der Überschusseinkünfte) durch Schreiben vom 23.02.1978 bekräftigte.245

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BFH, Urteil v. 26.07.1991 – VI R 82/89, BFHE 165, S. 378, 384 ff. Zu den praktischen Aspekten jüngst Tipke, StRO III, S. 1437. 244 BFH, Urteil v. 07.02.1975 – VI R 133/72, BFHE 115, S. 313 ff. 245 BMF, Schreiben v. 23.02.1978 – IV B 2 – S 2190 – 4/78, BB 1978, S. 434. 243

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

In Einklang zu dem hier gefundenen Ergebnis steht die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. Sie schießt jedoch dahingehend über das Ziel hinaus, als sie Verwaltungsvorschriften, die höchstrichterlich nicht bestätigt wurden, die Qualität als Vertrauenstatbestand abspricht und damit mittelbar die Schutzwürdigkeit des vom Bürger betätigten Vertrauens insgesamt verneint.246 Eine solche Handhabung des Vertrauensschutzprinzips ist dogmatisch weder überzeugend noch verfassungsrechtlich haltbar. Zwar ist der Rechtsprechung zuzugestehen, dass Verwaltungsvorschriften unter dem ständigen Vorbehalt richterlicher Überprüfung stehen. Daraus lässt sich jedoch in Einklang mit der neueren Rechtsprechung des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts247 nicht der Schluss ableiten, dass Verwaltungsvorschriften ohne höchstrichterliche Bestätigung als eine dem Staat zurechenbare Handlung unter Hinzutreten weiterer Momente der Schutzwürdigkeit jegliche Qualität als Vertrauenstatbestand abgesprochen werden könnte. Die höchstrichterliche Bestätigung des in einer Verwaltungsvorschrift niedergelegten Vollzugsprogramms ist lediglich ein zusätzliches Kriterium zur Begründung der Schutzwürdigkeit. (5) Zusammenfassung Bei rechtmäßigen Verwaltungsvorschriften sind verschiedene Aspekte denkbar, die für ein tendenzielles Überwiegen der Bestandsinteressen des Bürgers sprechen und demzufolge in der Lage sind, das Änderungsinteresse der Verwaltung zu überwinden. Als indizieller Gradmesser sind hierfür zunächst die Fallgruppen des Bundesverfassungsgerichts zur echten und unechten Rückwirkung heranzuziehen, um sodann weitere Momente der Schutzwürdigkeit in die Gesamtabwägung mit einzubeziehen. Insbesondere die Bindungswirkung einer Verwaltungsvorschrift sorgt hier für ein starkes Gegengewicht zum Änderungsinteresse der Verwaltung. Ergänzend können bei unverbindlichen Verwaltungsvorschriften die zeitliche Existenz der Verwaltungsvorschrift sowie gegebenenfalls deren höchstrichterliche Bestätigung als rechtmäßig angeführt werden.

246 BFH, Urteil v. 17.04.2013  – X  R  6/11, BFH/NV  2013, S.  1537, 1540; BFH, Urteil v. 07.10.2010  – V  R  17/09, BFH/NV  2011, S.  865, 866; BFH, Urteil v. 14.07.2009  – VIII R 10/07, BFH/NV 2009, S. 1815, 1817; BFH, Beschluss v. 10.02.2005 – IX B 182/03, BFH/NV 2005, S. 1058; BFH, Urteil v. 23.10.2003 – V R 24/00, BFHE 203, S. 523, 530 f.; BFH, Urteil v. 05.05.1999 – XI R 1/97, BFHE 189, S. 57, 62 f.; BFH, Urteil v. 26.04.1995 – XI R 91/83, BFHE 178, S. 4, 7 f.; BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 485; BFH, Urteil v. 15.01.1986 – II R 141/83, BFHE 145, S. 453, 456; BFH, Urteil v. 10.11.1982 – I R 142/79, BFHE 137, S. 202, 205; BFH, Urteil v. 22.04.1980 – VIII R 149/75, BFHE 130, S. 391, 403 jeweils m.w.N. 247 BVerfG, Beschluss v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, DStR 2014, S. 520, 524.

III. Differenziertes Abwägungsprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit

221

c) Rechtswidrige Verwaltungsvorschriften Weitergehende Fragestellungen ergeben sich hinsichtlich der Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens auf der Grundlage rechtswidriger Verwaltungsvorschriften.248 Der Bundesfinanzhof hat hierzu –  soweit ersichtlich  – lediglich beiläufig Stellung bezogen und lehnt die retrospektive Anwendung rechtswidriger Verwaltungsvorschriften unter Hinweis auf den Grundsatz „Keine Gleichheit im Unrecht“ ab.249 Kaum weiterführend sind ebenfalls die Äußerungen im Schrifttum; hier wird die Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens im Falle rechtswidriger Verwaltungsvorschriften allgemein verneint.250 Im Folgenden bedarf es deshalb wiederum einer sorgfältigen Gegenüberstellung des Änderungsinteresses der Verwaltung sowie der Bestandsinteressen des Bürgers. aa) Regelfall: Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände rechtfertigt Enttäuschung betätigten Vertrauens Sofern der Bürger in retrospektiver Hinsicht die Einhaltung eines rechtswidri­ gen bzw. als im Nachhinein rechtswidrig erkannten Vollzugsprogramms begehrt, empfiehlt sich im Vorfeld eine Rückbesinnung auf die Maßgaben des Art. 3 I GG. Danach sind namentlich zwei Aspekte für die Gewährung von Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung rechtswidriger Verwaltungsvorschriften zu berücksichtigen: Einerseits ist klar, dass aufgrund der prospektiven Bindungswirkung des Gleichheitssatzes die Einhaltung eines rechtswidrigen Vollzugsprogramms im Vorfeld nicht gefordert werden kann. Die Gewährung von Vertrauensschutz gegenüber rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften rechtfertigt daher allenfalls eine zeitlich begrenzte Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Vollzugsprogramms für die Abwicklung von „Altfällen“, nicht jedoch die Fortführung bzw. Perpetuierung einer früheren rechtswidrigen Verwaltungspraxis.251 Andererseits ist zu bedenken, dass die Aufhebung und Änderung rechtswidriger Verwaltungsvorschriften zwecks Rückkehr zu einem rechtmäßigen Vollzugsprogramm im Rahmen des Art. 3 I GG einen sachlichen Differenzierungsgrund darstellt.252 248 Das besondere Interesse an rechtswidrigem Administrativhandeln betont auch Kahl, in: FS Kirchhof, Bd. I 2013, S. 297, 302. 249 Deutlich bei BFH, Beschluss v. 03.02.2005 – I B 152/04, BFH/NV 2005, S. 1214, 1215; BFH, Beschluss v. 26.09.2007 – V B 8/06, BFHE 219, S. 245, 250; BFH, Urteil v. 17.04.2013 – X R 6/11, BFH/NV 2013, S. 1537, 1540; die Schutzwürdigkeit mittelbar verneinend auch BFH, Beschluss v. 26.09.2007 – V B 8/06, BFHE 219, S. 245, 249 f.; BFH, Urteil v. 07.11.1996 – IV R 69/95, BFHE 182, S. 56, 60; BFH, Urteil v. 26.04.1995 – XI R 91/83, BFHE 178, S. 4, 8 – freilich ohne dass in den letztgenannten Entscheidungen die Frage der Rechtswidrigkeit explizit thematisiert wird. 250 Götz, NJW 1979, S. 1478, 1481; Berg, JuS 1980, S. 418, 421; Pauly, JZ 1997, S. 647, 653; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 682; Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 367. 251 Ähnlich Pauly, JZ 1997, S. 647, 653. 252 Berg, JuS 1980, S. 418, 421; Seibert, in: FG BVerwG 2003, S. 535, 544.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

Diese Grundaussagen dürfen bei der Bewältigung der Vertrauensschutzproblematik rechtswidriger Verwaltungsvorschriften nicht völlig ausgeblendet werden. Demzufolge gilt, dass die Gewährung von Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung rechtswidriger Verwaltungsvorschriften eine nochmals restriktivere Handhabung der allgemein sowie zu rechtmäßigen Verwaltungsvorschriften herausgearbeiteten Abwägungsdirektiven rechtfertigt. Ein rechtswidriges Handlungsprogramm der Exekutive schwächt damit per se die Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens auf ein im Vergleich zu rechtmäßigen Verwaltungsvorschriften geringeres Maß. Für eine Vielzahl von Fällen wird die fehlende Schutzbedürftigkeit betätigten Vertrauens deshalb der Regelfall sein. Vor dem Hintergrund des Art.  20  III  GG gilt im demokratischen Rechtsstaat nach wie vor: Die Wieder­ herstellung des rechtmäßigen Gesetzesvollzugs ist oberste Handlungsmaxime der Exekutive.253 bb) Besondere Momente der Schutzwürdigkeit auf Seiten des Bürgers Die soeben dargestellten Maßgaben verdeutlichen nochmals die Notwendigkeit des Hinzutretens besonderer Momente der Schutzwürdigkeit auf Seiten des Bürgers. Ohne derartige Momente wird sich der Bürger regelmäßig nicht auf eine Schutzwürdigkeit betätigter Dispositionen berufen können. Hinsichtlich der Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens bietet es sich grundsätzlich an, auf die zu rechtmäßigen Verwaltungsvorschriften entwickelten Maßstäbe zurückzugreifen. Nicht übertragbar ist hierbei das Kriterium der rechtlichen Bindungswirkung einer Verwaltungsvorschrift, da rechtswidrige Verwaltungsvorschriften im Rahmen des Art. 3 I GG regelmäßig keine Bindungswirkung erzeugen. (1) Zeitliche Existenz der Verwaltungsvorschrift Das Kriterium der zeitlichen Existenz einer Verwaltungsvorschrift kann insbesondere bei rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften die Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens begründen oder verstärken. Zu denken ist hier an solche Fälle, in denen zu einer bestimmten Verwaltungsvorschrift keine höchstrichterliche Rechtsprechung existiert und die Finanzverwaltung über Jahre bzw. Jahrzehnte stets nach den von ihr erlassenen Grundsätzen verfährt. Wie bereits vorstehend aufgezeigt wurde, steht die Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens nicht unter höchstrichterlichem Vorbehalt. Dies muss ebenfalls bei rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften gelten. Denn für einen Steuerpflichtigen ist es aufgrund der Komplexität des verfassungsrechtlichen Rechtsfindungsprozesses in derartigen Konstellationen regelmäßig nur schwer oder gar nicht erkennbar, ob die Ver 253

Für die hier erörterte Problematik ebenfalls Hey, in: FS Kirchhof, Bd. II 2013, S. 1657, 1664.

III. Differenziertes Abwägungsprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit

223

waltungsvorschrift ein rechtmäßiges Vollzugsprogramm beinhaltet. Meist bestehen hier aus Sicht des Rechtsanwenders wenig Gründe, die Rechtmäßigkeit des Vorgehens zu bezweifeln;254 hier tritt die –  auch vom Bundesverfassungsgericht in neuerer Rechtsprechung vom Grundsatz her anerkannte  – Konkretisierungsleistung anderer Staatsgewalten im verfassungsrechtlich vorgesehenen Rechtsfindungsprozess nochmals deutlich zutage.255 Im Ergebnis kommen über mehrere Jahre bzw. Jahrzehnte existierende Verwaltungsvorschriften aus der subjektiven Perspektive des Vertrauensschutzes rechtmäßigen Verwaltungsvorschriften sehr nahe. Beispiel: Nach früherer Verwaltungsauffassung konnte eine aufgrund fehlender Probezeit als verdeckte Gewinnausschüttung i.S.d. § 8 III 2 KStG zu wertende Pensionszusage nach Ablauf der Probezeit in eine vergleichsübliche Versorgungszusage hineinwachsen.256 Dies hatte zur Konsequenz, dass die Aufwendungen zur Rückstellungszuführung nach Ablauf der Probezeit als abzugsfähige Betriebsausgaben auf Ebene der Körperschaft bis zum Eintritt des Versorgungsfalls zu behandeln waren. Mit Urteil vom 28.04.2010, also mehr als 10 Jahre nach Erlass des infrage stehenden BMF-Schreibens, wendet sich der Bundesfinanzhof gegen die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung und entscheidet, dass für die Anerkennung einer Pensionszusage in jeglicher Hinsicht auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Zusage abzustellen sei.257 Dies bedeutet für den Steuerpflichtigen, dass wegen des Verstoßes gegen die Probezeit ursprünglich nur vorläufig nicht anerkennungsfähige Pensionszusagen in Zukunft generell nichtabzugsfähige Betriebsausgaben darstellen.

(2) Höchstrichterliche Bestätigung der Verwaltungsauffassung Erhöhte Momente der Schutzbedürftigkeit betätigten Vertrauens treten hinzu, wenn die (sich nachträglich als rechtswidrig herausstellende) ursprüngliche Verwaltungsauffassung durch eine höchstrichterliche Entscheidung bestätigt wird. In Anlehnung an die Ausführungen zur Unterscheidung zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften gilt nämlich auch in einem solchen Fall, dass die Verwaltungsvorschrift ex tunc rechtswidrig ist.258 Gern wird im Schrifttum in solchen Konstellationen auf die „evidente“ bzw. „eindeutige“ Rechtswidrigkeit der Verwaltungsvorschrift verwiesen, die eine Schutzwürdigkeit des Vertrauens verringern bzw. vollständig beseitigen würde.259 Bei näherem Hinsehen stellt sich dies zumindest für den Bereich des Steuerrechts als Ausnahmefall dar:

254

Tipke, StRO I, S. 170. So insbesondere auch bei höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Rechtsfragen, vgl. BVerfG, Beschluss v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, DStR 2014, S. 520, 524. 256 BMF, Schreiben v. 14.05.1999 – IV C 6 – S 2742 – 9/99, BStBl. I 1999, S. 512 Tz. 1.2. 257 BFH, Urteil v. 28.04.2010 – I R 78/08, BFHE 229, S. 234, 245. 258 s. dazu nochmals oben, III. 3. a) cc), S. 206 ff. 259 So Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 682 („relatives Übergewicht des Änderungsinteresses“); Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 367 (Vertrauensschutz nur ausnahmsweise); ähnlich wohl auch Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, 112 f.; kritisch Tipke, StRO I, S. 170. 255

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

Sowohl bei der Konkretisierung von Typusbegriffen als auch der Auslegung unbestimmter steuerlicher Rechtsbegriffe sind kaum Fälle denkbar, in denen die Rechtswidrigkeit einer Verwaltungsvorschrift selbst unter Anwendung der anerkannten Auslegungsmethoden des Rechts geradezu „evident“ ist. Das wäre nach den vom Bundesverfassungsgericht jüngst zur Rechtfertigung einer echten Rückwirkung entwickelten „qualifizierten Umständen“ allenfalls dann der Fall, wenn selbst „unter Berücksichtigung von Wortlaut, Systematik und Normzweck völlig unverständlich ist, welche Bedeutung die fragliche Norm haben soll“260. Die „eindeutig“ rechtswidrige Verwaltungsvorschrift existiert zumindest im Steuerrecht regelmäßig nicht.261 Folglich stellt sich die Diskussion um die vermeintlich evidente Rechtswidrigkeit einer Verwaltungsvorschrift als eher theoretisches Problem mit nur geringen Auswirkungen auf die Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens dar. Als Paradigma für die fehlende „Evidenz“ der Rechtswidrigkeit einer Verwaltungsvorschrift lässt sich der über Jahre hinziehende Streit um die Vererblichkeit des Verlustabzugs nach § 10d EStG anführen.262 Die Verwaltung hat im Anschluss an die frühere, über 40 Jahre bestehende BFH-Rechtsprechung durchgehend den Standpunkt vertreten, dass ein Verlustabzug nur bei wirtschaftlicher Belastung des Erben in Betracht kommt.263 Dagegen „zweifelte“ der I. Senat durch Vorlagebeschluss gem. § 11 III FGO an den IV., VIII. und XI. Senat vom 29.03.2000 an der Rechtmäßigkeit dieser Rechtsprechung.264 Obgleich sowohl der IV.265, VIII.266 als auch XI.  Senat267 die Zustimmung zu einer Rechtsprechungsänderung im Sinne einer Höchstpersönlichkeit des Verlustabzugs signalisierten, hielt der I. Senat im Ergebnis zwecks Vermeidung einer Überbesteuerung des Erblassers an der ursprünglichen Rechtsauffassung fest.268 Erst der Grundsatzbeschluss des Großen Senats aus dem Jahr 2007 führte eine endgültige Klärung der Rechtslage herbei, als die Vererblichkeit des Verlustabzugs generell versagt wurde.269 Wenn eine Verwaltungsvorschrift nach alledem höchstrichterlich bestätigt wurde, gilt vorbehaltlich der besseren Rechtserkenntnis durch die Behörde bzw. das Gericht grundsätzlich die Vermutung, dass die in der Verwaltungsvorschrift niedergelegte Rechtsauffassung zumindest mit einem Anschein erhöhter Rechtmäßig 260

BVerfG, Beschluss v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, DStR 2014, S. 520, 526. Auf die Problematik der unübersichtlichen und komplexen Rechtsgrundlagen im Steuerrecht hat jüngst Spilker, StuW 2013, S. 19, 20 hingewiesen; speziell zu Verwaltungsvorschriften Horst, Verbindliche Auskunft, S. 12. 262 Dazu umfassend Ebner, Vertrauensschutz und Kontinuitätsgewähr. 263 BMF, Schreiben v. 26.07.2002 – IV A 5 – S 2225 – 2/02, BStBl. I 2002, S. 667; zuletzt H 10d „Verlustabzug im Erbfall“ EStH 2007; zur Rechtsentwicklung und dem Streitstand vgl. insgesamt BFH, Vorlagebeschluss v. 28.07.2004 – XI R 54/99, BFHE 207, S. 404 ff. 264 BFH, Vorlagebeschluss v. 29.03.2000 – I R 76/99, BFHE 191, S. 353 ff. 265 BFH, Beschluss v. 24.08.2000 – IV ER -S- 1/00, juris. 266 BFH, Beschluss v. 24.10.2000 – VIII ER -S- 1/00, BFH/NV 2001, S. 162. 267 BFH, Beschluss v. 06.09.2000 – XI ER -S- 3/00, juris. 268 BFH, Urteil v. 16.05.2001 – I R 76/99, BFHE 195, S. 328 ff. 269 BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BFHE 220, S. 129 ff. 261

III. Differenziertes Abwägungsprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit

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keit versehen ist.270 Gerade in derartigen Fällen wird sich nicht unter Verweis auf die vermeintliche „Evidenz“ der Rechtswidrigkeit die Schutzwürdigkeit pauschal verneinen lassen. Fraglich ist, ob etwas anderes gilt, wenn im Schrifttum sowie der instanzgerichtlichen Rechtsprechung Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsvorschrift sowie der darauf basierenden höchstrichterlichen Rechtsprechung geltend gemacht werden.271 Obgleich sich dies mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur zweifelhaften Rechtslage durchaus bejahen ließe, muss eine solche Auffassung im Ergebnis abgelehnt werden. Hinsichtlich der im Schrifttum geäußerten Zweifel ist zunächst anzumerken, dass derartige Äußerungen bereits qualitativ andersartig im Vergleich zu normativen Handlungsformen der Verwaltung oder höchstrichterlichen Präjudizien sind.272 Für die Rechtsprechung der Instanzgerichte gilt zudem, dass diese vorrangig den in Art. 19 IV GG verankerten Rechtsschutzauftrag zu verwirklichen haben und ihnen – im Gegensatz zu obersten Bundesgerichten – gerade kein Auftrag zur Wahrung der Rechtseinheit sowie Rechtsfortbildung zukommt.273 Im Ergebnis muss dies aber nicht bedeuten, dass instanzgerichtliche Rechtsprechung sowie Äußerungen im Schrifttum für die Schutzwürdigkeit gänzlich unbeachtlich wären. Wenn die Rechtswidrigkeit der Verwaltungsauffassung als nahezu einhelliger Tenor im Schrifttum bezeichnet werden kann und überdies hinsichtlich der streitigen Verwaltungsvorschrift ein Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof anhängig ist, kann der Steuerpflichtige regelmäßig nicht mehr uneingeschränkt auf die Beibehaltung der bisherigen Rechtsauffassung vertrauen.274 In diesen Konstellationen müssen sich bei verständiger Würdigung der vorgetragenen Argumente tatsächlich – um in den Worten des Bundesfinanzhofs zu sprechen – „Zweifel“ an der Richtigkeit der Verwaltungsvorschrift ergeben. Unter diesen Voraussetzungen ist spätestens mit Anhängigkeit der Revision die Schutzwürdigkeit des Vertrauens erheblich gemindert wenn nicht gar vollständig beseitigt. Diese Ausführungen werden nochmals durch das vorstehende Beispiel zur Vererblichkeit des Verlustabzugs verdeutlicht. Hier haben sowohl die Verwaltung als auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs trotz instanzgerichtlicher sowie im Schrifttum geäußerter Zweifel an der Vererblichkeit des Verlustabzugs festgehalten.275 Erst mit Anhängigkeit des Revisionsverfahrens vor dem I. Senat des 270

Umfassend Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 287 ff., insb. S. 309 ff. In diesem Sinne wohl Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn. 3a. 272 Drüen, StuW 2013, S. 72, 75 ff. 273 Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 162; Jachmann, in: Maunz/Dürig, Art. 95 GG Rn. 17 ff.; Lange, NJW 2002, S. 3657, 3658; Spindler, DStR 2007, S. 1061, 1064; Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 307. 274 Ähnlich Fischer, in: Dt. Finanzgerichtstag 2011, S. 41, 52 f.: Sobald der Bundesfinanzhof wenigstens in einem obiter dictum Zweifel an der bisherigen Rechtsauffassung äußert, soll zumindest die Schutzwürdigkeit vermindert werden. 275 Zu den erhobenen Zweifeln s. umfassend die Nachweise bei BFH, Vorlagebeschluss v. 28.07.2004 – XI R 54/99, BFHE 207, S. 404, 408. 271

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

Bundesfinanzhofs, spätestens jedoch mit dem Vorlagebeschluss an die anderen Senate ist für den Steuerpflichtigen ersichtlich, dass die bisherige Rechtsauffassung mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr beibehalten wird. Die Besonderheit des genannten Verfahrens ist insofern, dass der I. Senat die ursprüngliche Rechtsauffassung überraschenderweise beibehalten hat und der Verlustabzug des Erblassers damit im Ergebnis für den Erben abzugsfähig blieb. (3) Festhalten an der ursprünglichen Rechtsauffassung durch die Verwaltung Die Schutzwürdigkeit des betätigten Vertrauens kann ergänzend verstärkt werden, wenn die Verwaltung an ihrer ursprünglichen, für den Steuerpflichtigen günstigen Rechtsauffassung trotz Ergehen eines entgegenstehenden höchstrichterlichen Urteils durch einen „positiven“ Nichtanwendungserlass festhält. Hier wird für den Steuerpflichtigen erkennbar, dass dem Bundesfinanzhof erneut Gelegenheit gegeben werden soll, die das Urteil tragenden Gründe zu überdenken. Das Besondere an dieser Konstellation ist insofern, dass für den Steuerpflichtigen durch das Ergehen des Nichtanwendungserlasses keine Notwendigkeit zur Vorfeldabsicherung (beispielsweise durch Einholen einer verbindlichen Auskunft gem. § 89 II AO) besteht und er sich auf die Weitergeltung der bisherigen Grundsätze einstellen wird. Indes gelten die soeben aufgestellten Grundsätze nicht uneingeschränkt. In Übereinstimmung mit den Ausführungen zur Zulässigkeit von Nichtanwendungserlassen im 2.  Kapitel276 ist der Verwaltung bis zum Zeitpunkt des bestätigenden höchstrichterlichen Judikats regelmäßig nur einmalig die Möglichkeit einzu­ räumen, von einem Nichtanwendungserlass Gebrauch zu machen. Anderenfalls werden –  von besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen abgesehen  – die verfassungsrechtlichen Grenzen der Organtreue verletzt. Hiervon ausgehend kann die Schutzwürdigkeit nur bis zur Anhängigkeit eines Revisionsverfahrens vor dem Bundesfinanzhof hinsichtlich des streitigen Nichtanwendungserlasses bejaht werden. Besonderes Augenmerk hat dabei regelmäßig der Frage zu gelten, ob überhaupt ein begünstigender Nichtanwendungserlass vorliegt. Dies ist in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu verneinen, wenn sich die Verwaltung diesbezüglich nicht explizit äußert, sondern ihre bestehenden Verwaltungsanweisungen lediglich nicht an die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung anpasst.277 In diesen Fällen kann ohne das Hinzutreten weiterer Indizien nicht von einem Festhalten an der für den Steuerpflichtigen günstigen Verwaltungsauffassung ausgegangen werden. Vielmehr ist es so, dass die Konsequenzen der Rechtsprechungsänderung seitens der Verwaltung zunächst auf Referatsleiterebene in 276

s. oben, 2. Kapitel, III. 5. b), S. 110 ff. BFH, Urteil v. 10.11.1982 – I R 142/79, BFHE 137, S. 202, 206.

277

III. Differenziertes Abwägungsprogramm auf Ebene der Schutzwürdigkeit

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den Bund-Länder-Gremien abgestimmt werden müssen,278 bevor eine Anpassung der jeweiligen Verwaltungsvorschrift stattfinden kann. Deshalb ist zumindest ein Hinweis zu fordern, dass die bisherige Rechtsauffassung beibehalten wird. Fehlt ein solcher Hinweis, muss sich die Beibehaltung der bisherigen Verwaltungsauffassung zumindest aus der fortgesetzten Verwaltungspraxis als Indiz ergeben. In aller Regel äußert sich die Finanzverwaltung angesichts der mit einem positiven Nichtanwendungserlass verbundenen Steuerausfälle jedoch explizit zu der Frage, ob eine verschärfende Rechtsprechung allgemein nicht angewandt werden soll. Beispiel: Nach jahrzehntelang existierender und bis heute praktizierter Verwaltungsauffassung unterfallen die Leistungen aus dem Betrieb einer Sauna dem ermäßigten Umsatzsteuer­ satz gem. § 12 II Nr. 9 UStG, ohne dass es hierfür eines speziellen Nachweises von Heilzwecken bedarf.279 Mit Urteil vom 12.05.2005 entschied der Bundesfinanzhof, dass der Betrieb einer Sauna nicht dem Schutz der menschlichen Gesundheit, sondern vielmehr nur dem allgemeinen Wohlbefinden diene.280 Das Bundesfinanzministerium reagierte durch begünstigenden Nichtanwendungserlass vom 20.03.2007 und stellt unmissverständlich klar: „Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder sind die Grundsätze dieses Urteils über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden. (…) Entgegen der Auffassung des BFH ist es nicht ausgeschlossen, dass eine Sauna, die in einem Fitnessstudio betrieben wird, allgemeinen Heilzwecken dient und damit die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG erfüllt.“281

(4) Zusammenfassung Die Komplexität des (steuerlichen) Rechtsfindungsprozesses begründet in verschiedener Hinsicht zusätzliche Momente der Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens. Hier verdeutlichen sich nochmals die durch das Selbstprogrammierungsrecht ausfüllbaren prozeduralen, wenn auch nicht gerichtsfesten Spielräume der Verwaltung zur Konkretisierung des Rechts. Im Mittelpunkt steht hierbei nach wie vor die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände als Grund für die Herabsetzung bzw. Versagung der Schutzwürdigkeit. Dennoch konnte aufgezeigt werden, dass gerade bei jahrzehntelang unerkannt rechtswidriger bzw. als bisher rechtmäßig erkannter Verwaltungspraxis sowie in Konstellationen der Nichtanwendungserlasse zusätzliche Momente der Schutzwürdigkeit existieren, die eine temporäre Aufrechterhaltung des bisherigen Vollzugsprogramms rechtfertigen können.

278

Bonsels, Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte, S. 91 f. u. 116 ff.; Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 191; zum Abstimmungsverfahren auch Schmitt, in: DStJG 31 (2008), S. 99, 114 ff. 279 Vgl. Abschnitt 12.11 IV 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE), BMF, Schreiben v. 01.10.2010 – IV D 3 – S 7015/10/10002, BStBl. I 2010, S. 846. 280 BFH, Urteil v. 12.05.2005 – V R 54/02, BFHE 209, S. 171 ff. 281 BMF, Schreiben v. 20.03.2007 – IV A 5 – S 7243/07/0002, BStBl. I 2007, S. 307, vgl. nun aber BMF, Schreiben v. 28.10.2014,  – IV  D  2-S  7243/07/10002–02, 2014/0935834, BStBl. I 2014, S. 1439, wonach ab dem 01.07.2015 unter Bezugnahme auf die o.g. Rechtsprechung der allgemeine Steuersatz anzuwenden sei.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

4. Ergebnis Das Vertrauen in rechtmäßige sowie rechtswidrige Verwaltungsvorschriften kann entgegen aller im Schrifttum, in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sowie des Bundesverwaltungsgerichts erhobenen Bedenken schutzwürdig sein. Dabei sind die denkbaren Konstellationen vielfältig und nicht auf vermeintlich seltene und praktisch nicht existierende Ausnahmefälle beschränkt. Die bisherigen Ausführungen konnten dabei aufzeigen, dass es die freiheitsrechtlich fundierten Maßgaben des Vertrauensschutzprinzips rechtfertigen, Verwaltungsvorschriften als Planungsgrundlage einem differenzierten und prinzipiell ergebnisoffenen Abwägungsvorgang zuzuführen. Im Ergebnis stellen sich die pauschalen und oftmals wenig differenzierten Äußerungen gegen die Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens gegenüber Verwaltungsvorschriften als nicht haltbar dar.

IV. Rechtsfolgeschutzwürdigen Vertrauens: Notwendigkeit von Übergangsregelungen 1. Grundsätzliche Überlegungen Wenn nach den soeben dargestellten Maßstäben die Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens bejaht werden kann, ist es der Verwaltung einstweilen verwehrt, die geänderte Rechtslage auf schutzwürdige Vertrauenspositionen anzuwenden. Problematisch und bisher nur ansatzweise geklärt sind in diesem Zusammenhang die Rechtsfolgen, die sich aus dem Vertrauensschutzprinzip bei Vorliegen schutzwürdigen Vertrauens ergeben. Ungeachtet der verfahrensrechtlichen Dimension dieser Problematik sind bereits hier die materiell-rechtlichen Kriterien für den Übergang von der alten zur neuen Rechtslage näher zu konturieren. Allgemein werden als Rechtsfolge des Vertrauensschutzprinzips die Bindung des Staates an den Vertrauenstatbestand, der Erlass von Übergangsregelungen sowie Entschädigungsleistungen angeführt,282 ohne dass sich trotz der relativ lang anhaltenden Diskussion bis heute eine einheitliche Linie herausgebildet hätte.283 Ausscheiden kann für das Steuerrecht zunächst der Gedanke staatlicher Entschä­ digungsleistungen. Da das Steuerrecht als Rechtsfolge ausschließlich die Erhebung einer Geldleistung kennt, bedarf es auch angesichts der Möglichkeit des 282

Salzwedel, Verw. 5 (1972), S. 11, 12; Lotz, WiVerw 1979, S. 1, 2; Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S. 183 ff.; Muckel, Vertrauensschutz, S. 129; Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 15. 283 Auf die Vielschichtigkeit der Vertrauensschutzproblematik weist namentlich Ossenbühl, in: GS Burmeister 2005, S. 289 hin. Die Notwendigkeit bzw. Verpflichtung des Gesetzgebers zur Schaffung von Übergangsregelungen wird insbesondere von Schwarz, Vertrauensschutz, S. 318 f. angezweifelt. Skeptisch auch Pieroth, Rückwirkung, S. 152 f.; umfassend Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 392 ff.

IV. Rechtsfolge: Notwendigkeit von Übergangsregelungen

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Steuerdispenses in den §§ 163, 227 AO keines unmittelbaren Rückgriffs auf das Staatshaftungsrecht.284 Als primäre Rechtsfolge des Vertrauensschutzes kommt deshalb im Steuerrecht die Bindung des Staates an den Vertrauenstatbestand der Verwaltungsvorschrift in Betracht. Deutlich wird nach dem soeben Gesagten, dass die Anwendung der neuen Rechtslage auf vor Inkrafttreten der Neuregelung liegende Sachverhalte prinzipiell nicht möglich und ein Steuerzugriff damit verwehrt ist. Die gesamte verfassungsrechtliche Problematik entfaltet sich jedoch erst bei der Bewältigung von mehraktigen Tatbestandsverwirklichungen sowie den seit jeher komplexen Dauersachverhalten. In diesen Fallkonstellationen wird deutlich, dass das Vertrauensschutzprinzip regelmäßig nur eine temporäre Aufrechterhaltung des bisherigen Rechtszustands ermöglichen kann.285 Insofern besteht Einigkeit darüber, dass die Rechtsfolge des Vertrauensschutzes nicht nur eindimensional eine (dauerhafte)  Bindung des Staates an die Vertrauensgrundlage, sondern vielmehr auch die Notwendigkeit zur Schaffung von Übergangsregelungen beinhaltet.286 Der Begriff der Übergangsregelung darf indes nicht dahingehend missverstanden werden, dass er nur abstrakt-generelle Regelungen beinhalten würde. Vielmehr kann sich die Notwendigkeit zur Schaffung von Übergangsregelungen sowohl im Einzelfall als auch hinsichtlich gleich gelagerter Fallgruppen ergeben.287 Im Gegensatz zu gesetzlichen Übergangsregelungen ist das behördliche Übergangsrecht sowohl von seinen Voraussetzungen als auch Rechtsfolgen damit qualitativ umfassender. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen und Grenzen des Übergangsrechts sind dabei im Hinblick auf die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften bislang nur in Ansätzen bewältigt. Dies überrascht umso mehr vor dem Hintergrund, dass insbesondere im steuerrechtlichen Schrifttum unter Rekurs auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stets die Notwendigkeit von Übergangsregelungen ohne weitere dogmatische Konturierung betont wird.288

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Anders Leisner-Egensperger, DÖV 2004, S. 65 ff.; Kessler/Eicke, DStR 2006, S. 1913 ff. Statt Vieler Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 73 f. 286 So insbesondere die überwiegende Auffassung im Steuerrecht, s. Hey, Steuerplanungssicherheit, S.  680 ff., insb. S.  683; Scholtz, in: Koch/Scholtz, § 4 AO Rn.  39; Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 113 ff.; Fritsch, in: Pahlke/Koenig, § 227 AO Rn. 22; wohl auch Loose, in: Tipke/Kruse, § 227 AO Rn. 56 f.; kritisch dagegen Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn. 58; Rüsken, NWB Fach 2, S. 9721, 9724. 287 Das ist auch in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu den §§ 163, 227 AO an­ erkannt, vgl. BFH, Beschluss v. 25.06.1984 – GrS 4/82, BFHE 141, S. 405, 431; BFH, Urteil v. 14.10.1987 – II R 120/85, BFH/NV 1989, S. 80; BFH, Urteil v. 12.01.1987 – IV R 87/87, BFHE  155, S.  487, 489 f.; BFH, Urteil v. 31.10.1990  – I  R  3/86, BFHE  163, S.  478, 483 u. 486; BFH, Beschluss v. 26.09.2007 – V B 8/06, BFHE 219, S. 245, 249; BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BFHE 220, S. 129, 151. Aus dem Schrifttum Diezel, StuB 2006, S. 454, 458 f.; Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn.  116; Stöcker, in: Beermann/Gosch, § 227 AO Rn.  85 u.  88; Fritsch, in: Pahlke/Koenig, § 227 AO Rn.  25; unklar Loose, in: Tipke/Kruse, § 227 AO Rn. 56. 288 s. hierzu insgesamt nochmals die Nachweise in Fn. 287. 285

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

Zusammengefasst gilt es im Folgenden deshalb Maßgaben für eine vertrauensschützende Überleitung der früheren zur geltenden Rechtslage zu entwickeln. Hierzu empfiehlt es sich, vorab Ursache und Wirkung des Übergangsrechts klar voneinander zu trennen. Die Notwendigkeit von Übergangsregelungen ist nach hier vertretener Auffassung als Rechtsfolge des freiheitsrechtlich verankerten Vertrauensschutzprinzips zu sehen. Davon zu unterscheiden sind die verfassungsrechtlichen Maßgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes, an denen sich die Übergangsregelung (neben unter Umständen spezielleren Freiheitsgrundrechten) ihrerseits messen lassen muss.289 Von diesen Grundpolen ausgehend muss zunächst die Frage beantwortet werden, welche Sachverhalte bzw. verwirklichten Sachverhaltsstadien in eine Übergangsregelung einzubeziehen sind; es geht folglich um den zeitlichen Anknüpfungspunkt einer Übergangsregelung. Hierauf aufbauend sind Kriterien für die Dauer der Weitergeltung sowie Überleitung der früheren Rechtslage zu entwickeln; dieser Aspekt beinhaltet demnach die zeitliche Dimension des Übergangsrechts. 2. Zeitlicher Anknüpfungspunkt Der zeitliche Anknüpfungspunkt von Übergangsregelungen lässt sich verhältnismäßig einfach bestimmen. Nach Johanna Hey „bieten sich für die letztmalige Anwendung der geänderten Rechtsauffassung im wesentlichen drei Zeitpunkte an: (1.)  der Zeitpunkt der Vornahme der von der Verwaltungsvorschrift veranlaßten Disposition, (2.)  der Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruchs, gegebenenfalls auch der Einreichung der Steuererklärung und (3.) der Zeitpunkt der erstmaligen Veranlagung, was sich im wesentlichen mit § 176 Abs. 2 AO decken würde.“290

Mit Blick auf das vorstehende Zitat wird deutlich, dass der Zeitpunkt der Vertrauensbetätigung als solcher grundsätzlich ein sachgerechtes Kriterium zur Bestimmung des zeitlichen Anknüpfungspunkts einer Übergangsregelung darstellt.291 Gleichzeitig ist dieser Zeitpunkt in der Lage, zu praktisch handhabbaren 289 Das Bundesverfassungsgericht sieht Übergangs- und Stichtagsregelungen regelmäßig als potenziellen Rechtfertigungsgrund für die Durchbrechung des allgemeinen Gleichheitssatzes an, s. dazu BVerfG, Beschluss v. 27.02.2007 – 1 BvL 10/00, BVerfGE 117, S. 272, 301; BVerfG, Urteil v. 12.05.1999 – 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, S. 239, 270 f.; BVerfG, Urteil v. 07.07.1992 – 1 BvL 51/86 u.a., BVerfGE 87, S. 1, 42 ff. m.w.N.; dies ist im Schrifttum ebenfalls anerkannt, vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 3 GG Rn. 32; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/­Henneke, Art. 3 GG Rn. 93; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3 GG Rn. 255 ff. u. 277; Osterloh, in: Sachs, Art. 3 GG Rn. 113; kritisch Boysen, in: v. Münch/Kunig, Art. 3 GG Rn. 94 f. 290 Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 685. 291 Für Verwaltungsvorschriften ebenfalls Hey, Steuerplanungssicherheit, S.  685. Das Anknüpfen an die Vertrauensbetätigung wird insbesondere auch bei Gesetzen als sinnvolles Differenzierungskriterium angesehen, vgl. dazu Salzwedel, Verw. 5 (1972), S. 11, 13; Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S. 138 f.; Aschke, Übergangsregelungen, S. 32 f.; Muckel, Vertrauensschutz, S. 121 f.; Mellinghoff, in: DStJG 27 (2004), S. 25, 89 f.; generell skeptisch Schwarz, Vertrauensschutz, S. 318 f.

IV. Rechtsfolge: Notwendigkeit von Übergangsregelungen

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Ergebnissen zu führen. Dies verdeutlicht sich anhand der nachfolgenden Überlegung. Ein Anknüpfen an nachgelagerte Zeitpunkte wäre zwar dem Grunde nach ebenfalls sachgerecht, würde aber seinerseits wiederum zu vor Art. 3 I GG rechtfertigungsbedürftigen Ungleichbehandlungen führen: Ob eine Übergangsregelung an Vorgänge im Kalenderjahr 01, 02 oder 03 anknüpft, ändert nichts an der Schutzwürdigkeit des innerhalb vor Inkrafttreten der geänderten Verwaltungsvorschrift betätigten Vertrauens. Diese kann im Nachhinein nicht durch einen zeitlich nachgelagerten Anknüpfungspunkt einer Übergangsregelung ganz oder teilweise entwertet werden – ansonsten würde die Überwindung der restriktiv ausgestalteten Tatbestandsvoraussetzungen des Vertrauensschutzprinzips auf Rechtsfolgenseite gleichsam nivelliert. Dieses Ergebnis ist dahingehend konsequent, dass der Dispositionszeitpunkt des Steuerpflichtigen mangels Kenntnis des Wandels der Rechtsauffassung regelmäßig unabhängig von einer zukünftigen Änderung der Verwaltungsvorschrift gewählt wird. Insgesamt ist deshalb bei der Ausgestaltung von Übergangsregelungen generell im Interesse einer freiheitsschonenden Überleitung der alten zur neuen Rechtslage an den Zeitpunkt der Vertrauensbetätigung vor einer Änderung der Verwaltungsvorschrift anzuknüpfen. Dies bedeutet freilich nicht, dass die Zeitpunkte des Ablaufs des Veranlagungszeitraums bzw. Eintritts der Bestandskraft für die Ausgestaltung von Übergangsregelungen gänzlich unbeachtlich wären. Vielmehr können sie wichtige Indikatoren hinsichtlich des zeitlichen Umfangs einer Übergangsregelung sein. 3. Zeitliche Dimension Die vorstehenden Ausführungen haben den Blick auf das eigentliche, bei der Ausgestaltung des Übergangsrechts im Mittelpunkt stehende Problem geschärft: der zeitlichen Weitergeltung bzw. dem zeitlichen Nebeneinander von alter und neuer Rechtslage.292 Dies gilt es im nachfolgenden Abschnitt näher zu beleuchten. Konkret gefasst geht es dabei um die Frage, inwieweit es die Grundsätze des Vertrauensschutzes erlauben, die vorherige Rechtslage für einen begrenzten Zeitraum weiterhin anzuwenden, um damit den Vertrauensschutzinteressen des Bürgers angemessen Rechnung zu tragen. Ausgangspunkt der Überlegungen zur inhaltlichen Dauer einer Übergangsregelung muss die Feststellung sein, dass das zeitliche Nebeneinander von alter und neuer Rechtslage vor Art. 3 I GG rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlungen hervorruft.293 Das Vertrauensschutzprinzip ist in seiner freiheitsrechtlich-­ 292 Zutreffend Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 GG Rn. 218: „Entscheidend ist im Hinblick auf Art. 3 nicht so sehr der Zeitpunkt des normativen Wechsels, als vielmehr der Ablösungsvorgang von altem und neuem Recht.“ 293 Prägnant Muckel, Vertrauensschutz, S. 128 f.; umfassend Aschke, Übergangsregelungen, S. 384 ff.; Ciftci, Übergangsfristen, S. 161 ff.; implizit auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 3 GG Rn. 32.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

subjektiven Ausprägung insofern Ursache und Rechtfertigungsmaßstab des Überleitungsrechts zugleich.294 Insofern kann es auch nicht darauf ankommen, ob das Folgerichtigkeitsgebot noch weitergehende verfassungsrechtliche Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung von Übergangsregelungen stellt.295 Denn die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Nebeneinanders zweier Regelungskonzepte steht im Ergebnis nicht mit der systemkonsequenten Ausgestaltung einer Übergangsregelung im Zusammenhang; vielmehr muss das Folgerichtigkeitsgebot in diesem Fall (wenn überhaupt) als Fortwirkung der steuerlichen Belastungsgrundentscheidung gesehen werden.296 Nach alledem lässt sich die Grundformel für die zeitliche Fortgeltung der früheren Rechtslage wie folgt bestimmen: Je größer die Schutzwürdigkeit des betätigten Vertrauens ist, desto länger kann eine Aufrechterhaltung der früheren Rechtslage gerechtfertigt sein. Von dieser Grundprämisse ausgehend sind im Folgenden weitergehende Kriterien zur zeitlichen Ausgestaltung von Übergangsregelungen herzuleiten. Zu Beginn ist hierbei wiederum auf die zu Gesetzen entwickelte Rückwirkungsdogmatik einzugehen, um sodann zusätzliche Kriterien für eine inhaltliche Konkretisierung aus dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung gewinnen zu können. Abschließend sind die Zulässigkeit und Tauglichkeit von Stichtagsregelungen als – insbesondere vom Bundesverfassungsgericht nachhaltig gebilligtes297 – Instrument zur Bewältigung der zeitlichen Dimension des Übergangsrechts darzustellen. a) Übertragbarkeit der zu Gesetzen entwickelten Rückwirkungsdogmatik Zunächst liefert die im vorherigen Kapitel entwickelte und auf die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften übertragbare Vertrauensschutzdog­ matik entscheidende Anhaltspunkte für die zeitliche Ausgestaltung von Übergangsregelungen, da diese Problemkreise im Ergebnis eng miteinander zusammenhängen.298 Es ist dabei strikt an die hergeleiteten Fallgruppen sowie die Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung anzuknüpfen. Diese Fallgruppen sind sodann um die Differenzierungen auf Ebene der Schutzwürdigkeit zu ergänzen.

294 So insbesondere Dürig, in: Maunz/Dürig, Art.  3 GG Rn.  205 ff., wonach die Rechtfertigung der Durchbrechung des Gleichheitssatzes „bei der Rechtswertverwirklichung der Freiheit“ anzusetzen hat. 295 Offengelassen bei BVerfG, Beschluss v. 01.04.2014 – 2 BvL 2/09, juris, Rn. 50 ff. 296 BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1, 22 ff. 297 Ständige Rechtsprechung, vgl. nur BVerfG, Beschluss v. 21.07.2010 – 1 BvL 11/06 u.a., BVerfGE 126, S. 369, 399; BVerfG, Beschluss v. 11.11.2008 – 1 BvL 3/05 u.a., BVerfGE 122, S. 151, 178 f.; BVerfG, Urteil v. 12.05.1999 – 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, S. 239, 270; BVerfG, Urteil v. 07.07.1992 – 1 BvL 51/86 u.a., BVerfGE 87, S. 1, 43 jeweils m.w.N. 298 Pieroth, Rückwirkung, S. 71 ff.; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 388 f.

IV. Rechtsfolge: Notwendigkeit von Übergangsregelungen

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aa) Echte Rückwirkung Ist ein Veranlagungszeitraum oder ein anderer Besteuerungsabschnitt abgeschlossen und liegt damit eine echte Rückwirkung vor, verbietet es das Vertrauensschutzprinzip, diesen rückwirkend mit belastenden Rechtsfolgen zu versehen. Insofern kann es auch nicht darauf ankommen, ob der betroffene Steuerfall verfahrensmäßig in Bestandskraft erwachsen ist oder nicht. Dies zeigt schon die Überlegung, dass der Eintritt der Bestandskraft in tatsächlicher Hinsicht mit Zufallselementen behaftet ist und insofern als sachliches Differenzierungskriterium ausscheiden muss. Vielmehr ist es vor den Anforderungen des Art. 3 I GG ein Postulat der Übergangsgerechtigkeit, diese Fallgruppen unabhängig vom Eintritt der Bestandskraft gleich zu behandeln.299 Insgesamt sind abgeschlossene Sachverhalte bei der Aufhebung und Änderung einer Verwaltungsvorschrift damit in zeitlicher Hinsicht vollumfänglich nach der alten Rechtslage zu bescheiden. bb) Unechte Rückwirkung Diffiziler gestalten sich die Überleitungskriterien bei der unechten Rückwirkung, da hier die bereits bei Gesetzen äußerst problematische Bewältigung der mehraktigen Investitionen sowie Dauersachverhalte zutage tritt.300 Zu unterscheiden ist hier wiederum zwischen den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Fallgruppen des „konkret vorhandenen Vermögensbestands“, „verbindlichen Dispositionen“ sowie der „Tatbestandslösung“. (1) Tatbestandslösung Als relativ praktikabel stellt sich dabei zunächst die Fallgruppe der Tatbestandslösung dar. Ist nach den vorstehenden Maßstäben die Schutzwürdigkeit des betätigten Vertrauens zu bejahen, kommen die Rechtsfolgen im Ergebnis einer echten Rückwirkung sehr nahe, sodass die geänderten Rechtsfolgen hier regelmäßig nur pro futuro, folglich nicht auf den bereits vollständig nach „altem Recht“ verwirklichten Sachverhalt anwendbar sind. Dies rechtfertigt sich insbesondere aus der Überlegung, dass für den Steuerpflichtigen die Rechtsänderung im Vorfeld nicht absehbar war und demzufolge im Nachhinein keine Möglichkeiten beste 299 Explizit GmSOGB, Beschluss v. 19.10.1971 – GmS-OGB 3/70, BFHE 105, S. 101, 113; wie hier auch Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 683; Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn. 9; Krabbe, in: Koch/Scholtz, § 227 AO Rn. 26. Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Ausnahme der „verworrenen Rechtslage“ kann hierbei richtigerweise keine Anwendung finden, da ansonsten bereits das Vorliegen schutzwürdigen Vertrauens zu verneinen wäre, vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, DStR 2014, S. 520, 525 ff. 300 Auf die Notwendigkeit rationalisierender Abwägungskriterien bei dieser Fallgruppe hat insbesondere Pezzer, in: DStJG 27 (2004), S. 269, 277 hingewiesen.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

hen, die belastenden Rechtsfolgen abzumildern. Auf vollständig verwirklichte Tatbestandsmerkmale ist deshalb zeitlich gesehen vollumfänglich die frühere Rechtslage anzuwenden.301 (2) Verbindlich getätigte Dispositionen Schwieriger gestaltet sich die Handhabung der verfassungsrechtlichen Über­ leitungskriterien bei der Fallgruppe verbindlich getätigter Dispositionen. Hier besteht die Besonderheit, dass die Realisierung der betätigten Disposition oftmals erst nach mehreren Veranlagungszeiträumen eintritt. Sinnvollerweise muss dort die Differenzierung zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften besonders zum Tragen kommen. Bei ursprünglich rechtmäßigen Verwaltungsvorschriften verbietet es bereits das Rechtsstaatsprinzip und das damit verbundene Vertrauen in die Rechtmäßigkeit des Vollzugsprogramms, die Verwaltungsentscheidung gleichsam ex tunc zu korrigieren. Andererseits konstituiert das Rechtsstaatsprinzip gerade das Gebot, im Falle rechtswidriger Verwaltungsvorschriften zum schnellstmöglichen Zeitpunkt zu einem rechtmäßigen Vollzugsprogramm zurückzukehren. Demzufolge können es die Grundsätze des Vertrauensschutzes allenfalls rechtfertigen, für abgelaufene Veranlagungszeiträume schutzwürdige Dispositionen unangetastet zu lassen. Pro futuro können angesichts von Art. 20 III GG vernünftigerweise keine Zweifel daran bestehen, auch verbindlich getätigte Dispositionen der geltenden Rechtslage zu unterwerfen.302 Zusammengefasst muss daher bei der zeitlichen Aufrechterhaltung der früheren Rechtslage zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften unter zusätzlicher Zuhilfenahme der auf Ebene der Schutzwürdigkeit gefundenen Kriterien differenziert werden. Beispiel: Tätigt ein Investor im Hinblick auf die kurze Nutzungsdauer der amtlichen AfATabelle303 eine Investition in einen Schiffsfonds und stellt sich diese Nutzungsdauer im Investitionsjahr noch als zutreffend dar, im darauffolgenden Kalenderjahr dagegen nicht, wird regelmäßig dem gesamten Nutzungszeitraum die ursprüngliche, nunmehr aber nicht mehr aktuelle Nutzungsdauer zugrunde zu legen sein. Dies ist gerechtfertigt vor dem Hintergrund, dass sich das Vertrauen bei Vornahme der Disposition auf den gesamten Nutzungszeitraum und nicht nur das einzelne Kalenderjahr bezieht. Anders gestaltet sich freilich die Situation, wenn die in der Verwaltungsvorschrift festgelegte Abschreibungsdauer bereits zum Zeitpunkt der Investition nicht mehr zutreffend ist, dies beispielsweise aber erst drei Jahre nach Vornahme der Investition aufgrund eines Urteils des Bundesfinanzhofs festgestellt wird. Sofern hier noch keine Bescheide ergangen sind, müssen die drei abgelaufenen Kalenderjahre trotz Rechtswidrigkeit der Verwaltungsvorschrift in Anlehnung an die Fall-

301

Allgemein auch Hey, in: Tipke/Lang, § 3 Rn. 282. Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 780 f.; ebenso Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 367. 303 s. dazu nochmals das obige Beispiel in Abschnitt III. 3. b) aa) (2), S. 212 ff. 302

IV. Rechtsfolge: Notwendigkeit von Übergangsregelungen

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gruppe des „konkret vorhandenen Vermögensbestands“ aufgrund jahr(zehnte-)langer Unerkanntheit der Rechtswidrigkeit noch nach altem Recht beschieden werden, wohingegen die erkannte Rechtswidrigkeit der Verwaltungsvorschrift zumindest pro futuro ab dem vierten Jahr eine Behandlung nach dem geltenden Recht und insoweit eine Enttäuschung der verbindlichen Disposition rechtfertigt.

Die hier vorgenommene Differenzierung wird im Ergebnis durch die gesetzlichen Bestimmungen zum Widerruf rechtswidriger Verwaltungsakte (§ 48  II VwVfG), rechtswidriger Zusicherungen (§ 38 II, III VwVfG) sowie rechtswidriger verbindlicher Auskünfte (§ 89 II AO) bestätigt. Allen Normen lässt sich die Wertung entnehmen, dass bei rechtswidrigem Verwaltungshandeln regelmäßig nur eine Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes für die Vergangenheit gerechtfertigt ist und für die Zukunft die Rechtmäßigkeit des Vollzugshandelns im Vorder­ grund steht.304 (3) Konkret vorhandener Vermögensbestand Die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen, dass in den Fallgruppen des konkret vorhandenen Vermögensbestands die Anwendung der neuen Rechtslage auf entstandene, aber noch nicht realisierte Wertsteigerungen mit ex-tunc-Wirkung in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zulässig ist. Zulässig bleibt regelmäßig nur die Neugestaltung der Rechtslage pro futuro mit Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums, wobei hier das Änderungsinteresse der Verwaltung regelmäßig kurz bemessene Übergangsfristen rechtfertigt. Innerhalb eines Veranlagungszeitraums kann es das Änderungsbedürfnis der Verwaltung bei rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften sogar rechtfertigen, an Stichtage anzuknüpfen, um die Rechtmäßigkeit des Vollzugshandelns mit sofortiger Wirkung wiederherzustellen. Insofern ergeben sich nur graduell gelagerte Unterschiede zur Fallgruppe der verbindlich getätigten Dispositionen. cc) Zusammenfassung Die Anknüpfung an die Unterscheidung zwischen echter und unechter Rück­ wirkung sowie die dort herausgearbeiteten Fallgruppen liefern ein Grundschema zur typisierenden Bestimmung des Übergangszeitraums, in welchem die alte Rechtslage aufrechterhalten werden darf. Besonders die Differenzierung zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften kann dabei zusätzliche Anhaltspunkte zur zeitlichen Fortdauer der alten Rechtslage geben.

304

So mittelbar für verbindliche Auskünfte Seer, in: Tipke/Kruse, § 89 AO Rn. 58; Söhn, in: HHSp, § 89 AO Rn. 287.

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

b) Wertungen aus dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung Von den soeben gefundenen Ergebnissen ausgehend ist problematisch, ob die zur Rückwirkungsdogmatik gewonnenen Maßstäbe hinsichtlich der zeitlichen Dimension des Übergangsrechts inhaltliche Modifikationen durch das Prinzip der Abschnittsbesteuerung erfahren. Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung besagt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass die Finanzbehörde bei perio­ dischen Steuern die Grundlagen der Besteuerung für jeden Besteuerungsabschnitt neu zu würdigen hat und eine frühere Rechtsauffassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgegeben werden muss, sofern sie sich als falsch heraus gestellt hat.305 Danach ließe sich für Übergangsregelungen bei der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften erwägen, dass das Prinzip der Abschnittsbesteuerung bei Dauersachverhalten sowie mehraktigen Tatbestandsverwirklichungen eine zeitliche Zäsur für den Übergang von der alten zur neuen Rechtslage setzt.306 Demzufolge würde das Ende eines Besteuerungsabschnitts den letztmöglichen Zeitpunkt der Anwendung alten Rechts markieren. aa) Verfassungsrechtliche Ausgangssituation Bevor die Wertungen des Prinzips der Abschnittsbesteuerung auf die zeitliche Ausgestaltung von Übergangsregelungen übertragen werden können, bedarf es erneut einer kritischen Rückbesinnung auf dessen verfassungsrechtlichen Geltungsgrund. Entgegen aller vorgetragenen Bedenken handelt es sich bei dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung nicht nur um eine durch § 38 AO bedingte technische Möglichkeit, die Lebenseinkommensbesteuerung in Zeitabschnitten zu verwirklichen.307 Vielmehr zeigt beispielsweise das für das Einkommensteuerrecht in § 2 VII 2 EStG verankerte Jahressteuerprinzip, dass es sich bei der Besteuerung nach Zeitabschnitten auch um einen materiellen, durch das objektive Nettoprinzip bedingten Grundsatz der Einkommensbesteuerung handelt.308 Dabei darf nicht verkannt werden, dass das Prinzip der Abschnittsbesteuerung aufgrund der unscharfen verfassungsrechtlichen Vorgaben selbst Durchbrechungen und Ausnahmen erfordert.309 Als solche 305 Ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH, Urteil v. 21.08.2012 – VIII R 11/11, BFHE 239, S. 195, 202; BFH, Beschluss v. 07.12.2007 – XI B 61/07, BFH/NV 2008, S. 592 f.; BFH, Beschluss v. 12.07.2006 – IV B 9/05, BFH/NV 2006, S. 2028 f.; BFH, Beschluss v. 06.02.2003 – X B 153/01, BFH/NV 2003, S. 621; Ismer, in: DStJG 34 (2011), S. 91, 95. 306 So explizit BFH, Urteil v. 07.11.1996 – IV R 69/95, BFHE 182, S. 56, 60; dem folgend Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn. 58. 307 So aber Musil, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 2 EStG Rn. 900; Hey, in: Tipke/Lang, § 8 Rn. 44; Röder, Verlustverrechnung, S. 229 ff. jeweils m.w.N. 308 Kirchhof, in: Kirchhof, § 2  EStG Rn.  18; Schaumburg/Schaumburg, StuW  2013, S.  61, 62 f.; Lehner, in: FS Raupach 2006, S. 67, 76 f. 309 Man denke hierbei nur an die verfassungsrechtlichen Vorgaben zur intertemporalen Verlustverrechnung, dazu Ismer, in: DStJG 34 (2011), S. 91, 117 f. und Schaumburg/Schaumburg, StuW 2013, S. 61, 64 ff.; umfassend Röder, Verlustverrechnung, S. 176 ff.

IV. Rechtsfolge: Notwendigkeit von Übergangsregelungen

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Ausnahmen sind namentlich Beschränkungen denkbar, die aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Vertrauensschutzprinzips resultieren. bb) Grundsatz: Abschluss des Besteuerungszeitraums als zeitliche Grenze einer Übergangsregelung Von diesem verfassungsrechtlichen Rahmen ausgehend ist es grundsätzlich richtig, dass das Prinzip der Abschnittsbesteuerung in seiner einfachgesetzlichen Verankerung einem periodenübergreifenden Vertrauensschutz aufgrund der Gesetzesbindung der Verwaltung Grenzen zieht.310 Prinzipiell wird die zeitliche Grenze für Übergangsregelungen damit beim Ende des jeweiligen Besteuerungsabschnitts zu ziehen sein. Indes verbietet es die Besteuerung nach Zeitabschnitten nicht, auch innerhalb des Veranlagungszeitraums den letztmaligen Anwendungszeitpunkt einer Regelung zu bestimmen. Problematisch sind nach alledem solche Übergangsregelungen, die abschnittsübergreifend die Fortgeltung der früheren Rechtslage anordnen. Hier verbietet es das Prinzip der Abschnittsbesteuerung als Ausfluss des objektiven Nettoprinzips grundsätzlich, periodenübergreifend an einer früheren Rechtslage festzuhalten. Maßgebende Überlegung ist hierfür, dass die Leistungsfähigkeit nach dem Abschluss des Besteuerungsabschnitts stets neu konkretisiert wird. cc) Ausnahme: Periodenübergreifende Konkretisierung der Leistungsfähigkeit So zutreffend eine derartige Betrachtungsweise auch sein mag, berücksichtigt sie nicht die besonderen Voraussetzungen für eine Begründung der Schutzwürdigkeit des betätigten Vertrauens in Verwaltungsvorschriften. Das wird deutlich anhand der nachfolgenden Überlegung: Bei mehraktigen Tatbestandsverwirklichungen sowie Dauersachverhalten, denen eine ursprünglich vertretbare, nunmehr aber aufgrund geläuterter Rechtserkenntnis oder abgewandelter tatsächlicher Verhältnisse unvertretbare Rechtsauffassung zugrunde liegt, konkretisiert die Verwaltung –  freilich nicht gerichtsfest  – aufgrund der Offenheit des Gesetzes das Leistungsfähigkeitsprinzip aus Sicht des Steuerpflichtigen für mehrere Besteuerungsabschnitte im Voraus. Gerade diese Konkretisierung erhebt der Steuerpflichtige zu seiner pe­riodenübergreifenden Dispositionsgrundlage.311 Die aus dem Vertrauensschutzprinzip resultierenden verfassungsrechtlichen Maßgaben lassen in diesen Fällen das Prinzip der Abschnittsbesteuerung zurücktreten. Dies tritt bei der Fallgruppe verbindlich getätigter Dispositionen offen zutage. 310

Lehner, in: FS Raupach 2006, S. 67, 75. Birk, FR 2014, S. 338, 340, der insofern auf das „Vertrauen in den offenen Gesetzeswortlaut“ verweist. 311

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

Durch eine derartige Handhabung der Rechtsfolgen des Vertrauensschutzprinzips wird die gesetzliche Ordnung auch nicht „denaturiert“312. Das zeigt sich insbesondere daran, dass für alle anderen der Besteuerung zugrunde zu legenden Merkmale das Prinzip der Abschnittsbesteuerung uneingeschränkt gilt. Es handelt sich hier lediglich um eine partielle und zudem zeitlich begrenzte Verdrängung. Überdies rechtfertigt und erfordert es Art. 20 III GG bei rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften in der überwiegenden Anzahl der Fälle, sofort zur rechtmäßigen Verwaltungspraxis zurückzukehren. Der Hauptanwendungsbereich einer Durchbrechung des Prinzips der Abschnittsbesteuerung ist daher beschränkt auf die Anpassung ursprünglich rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften an die geänderten tatsächlichen Verhältnisse sowie den Übergang zu einer rechtmäßigen Verwaltungsvorschrift im Falle langfristig unerkannter Rechtswidrigkeit durch die Verwaltung und höchstrichterliche Rechtsprechung. dd) Zusammenfassung Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung begrenzt in einer Vielzahl der auftretenden Fälle den zeitlich zulässigen Übergangsrahmen auf den Abschluss des jeweiligen Besteuerungsabschnitts. Allerdings sind Konstellationen nachweisbar, in denen das Vertrauensschutzprinzip in der Lage ist, die materiell-rechtlichen Wertungen des Prinzips der Abschnittsbesteuerung zurückzudrängen. Es bedarf daher einer sorgfältigen Analyse derjenigen Momente, welche die besondere Schutz­ würdigkeit der Vertrauensbetätigung begründen. c) Stichtagsregelungen als Mittel zur typisierenden Überleitung der Rechtslage Die soeben zum Prinzip der Abschnittsbesteuerung gefundenen Ergebnisse sind von unmittelbarer Auswirkung auf die Bestimmung von Stichtagen im Rahmen einer Übergangsregelung. Stichtagsregelungen weisen eine herausgehobene Bedeutung bei der Überleitung verschiedener Rechtslagen auf. Im Verhältnis zu Übergangsregelungen werden sie allgemein als Sonderfall des typisierenden Übergangsrechts gesehen, weswegen ihre Zulässigkeit überwiegend am Maßstab des Art. 3 I GG beurteilt wird.313 Dies darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Geltungsgrund des Übergangsrechts nach wie vor im Vertrauensschutzprinzip liegt und lediglich dessen Grenzen in Art. 3 I GG gesehen werden müssen. Stich 312

Formulierung nach Ossenbühl, DÖV 1970, S. 264, 266. Bestritten, wie hier BVerfG, Urteil v. 05.07.1989 – 1 BvL 11/87 u.a., BVerfGE 80, S. 297, 311 m.w.N.; Osterloh, in: Sachs, Art. 3 GG Rn. 113; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke, Art. 3 GG Rn. 47; a.A. wohl Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 3 GG Rn. 32, der Stichtagsregelungen als Voraussetzung für Übergangsregelungen betrachtet; gänzlich ablehnend wohl Boysen, in: v. Münch/Kunig, Art. 3 GG Rn. 94. 313

IV. Rechtsfolge: Notwendigkeit von Übergangsregelungen

239

tagsregelungen erweisen sich somit letztlich als ein besonders praktikables Mittel, um den Rechtsübergang vorhersehbar und rechtssicher auszugestalten und damit im Ergebnis um die Grundform einer jeden Übergangsregelung.314 Die Zulässigkeit von Stichtagsregelungen richtet sich nach ständiger Recht­ sprechung des Bundesverfassungsgerichts mit Blick auf Art. 3 I GG danach, ob „deren Einführung und die Wahl des Zeitpunkts (…) sich am gegebenen Sachverhalt orientieren und damit sachlich vertretbar“315

sind. Dabei wurde verschiedentlich betont, dass dem Gesetzgeber bei der Wahl des Stichtags ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt.316 An diesen Maßstäben gemessen sorgt das Prinzip der Abschnittsbesteuerung für eine sachgerechte Wahl des Stichtags im Rahmen einer Übergangsregelung. Die ständige Neukonkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips zum Ablauf jeweiligen des Besteuerungszeitraums ist ein willkürfreier und durch sachliche Prinzipien gerechtfertigter Anknüpfungspunkt und hält damit auch den Maßgaben des Art. 3 I GG stand. Für die Ausgestaltung von Übergangsregelungen bedeutet dies konkret, dass eine für den Steuerpflichtigen günstige Rechtsauffassung regelmäßig letztmalig für den von der Änderung bzw. Aufhebung betroffenen Besteuerungszeitraum anzuwenden ist. Komplexer gestaltet sich die Wahl des Stichtages bei mehraktigen Tatbestandsverwirklichungen sowie Dauersachverhalten. Hier besteht die Besonderheit, dass sich der Besteuerungstatbestand über mehrere Veranlagungszeiträume erstreckt bzw. verwirklicht wird. Da in diesen Fällen die Grundsätze des Vertrauensschutzes eine Durchbrechung des Prinzips der Abschnittsbesteuerung rechtfertigen, ist es sachgerecht, an Stichtage innerhalb eines Besteuerungszeitraums anzuknüpfen.317 Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass eine Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips durch die Grundsätze des Vertrauensschutzes nur insoweit notwendig und gerechtfertigt ist, um den Vertrauensinteressen des Bürgers ausreichend Rechnung zu tragen. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Wahl des Stichtags im Zuge der Aufhebung und Änderung rechtswidriger Verwaltungsvorschriften. Hier muss den Vertrauensinteressen des Bürgers angesichts von Art. 20 III GG in nur sehr engen Grenzen Rechnung getragen werden. Ab Erkennung der Rechtswidrigkeit ist dabei in den 314 Prägnant BVerfG, Beschluss v. 14.10.1970  – 1  BvR  753/68  u.a., BVerfGE  29, S.  245: „Jede als Übergangsregelung konzipierte Befreiungsvorschrift muss eine Stichtagsregelung enthalten, die den Anwendungsbereich der Übergangsregelung beschränkt. Die Stichtagsregelung ist demnach als solche geboten und sachgerecht.“ 315 BVerfG, Beschluss v. 12.05.2009 – 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, S. 111, 128; BVerfG, Urteil v. 12.05.1999 – 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, S. 239, 270; BVerfG, Beschluss v. 27.02.2007 – 1 BvL 10/00, BVerfGE 117, S. 272, 301 f. m.w.N. 316 Ständige Rechtsprechung, vgl. nur BVerfG, Beschluss v. 11.11.2008 – 1 BvL 3/05 u.a., BVerfGE 122, S. 151, 176 ff.; BVerfG, Urteil v. 05.07.1989 – 1 BvL 11/87 u.a., BVerfGE 80, S. 297, 311; zuletzt BVerfG, Beschluss v. 01.04.2014 – 2 BvL 2/09, juris, Rn. 50. 317 In diese Richtung BVerfG, Beschluss v. 03.12.1997 – 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, S. 67, 78 ff., 82 ff. (Schiffbausubventionen).

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4. Kap.: Verwaltungsvorschriften und Vertrauensschutz

überwiegenden Fällen eine sofortige Rückkehr zum rechtmäßigen Gesetzesvollzug gerechtfertigt. Damit ist eine Wahl des Stichtags zum Zeitpunkt der Erkenntnis der Rechtswidrigkeit grundsätzlich sachgerecht. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, welcher Zeitpunkt für die Erkenntnis einer Verwaltungsvorschrift als rechtswidrig maßgeblich ist. Die Praxis des BMF schwankt zwischen der Veröffentlichung des jeweiligen Urteils auf der Internetseite des Bundesfinanzhofs318 sowie teilweise auch einer (Ankündigung der) Veröffentlichung eines Urteils im Bundessteuerblatt  II.319 Richtigerweise muss angesichts von § 110  I  FGO sowie der Weisungslage innerhalb der Finanzverwaltung grundsätzlich an die Ankündigung des BMF im Internet, dass eine als rechtswidrig erkannte Verwaltungsvorschrift aufgehoben bzw. geändert wird, angeknüpft werden. Jedes andere Ergebnis würde im Ergebnis den prozeduralen Spielraum der Finanzverwaltung, ob bzw. wie sie eine geänderte Rechtslage ihrer Vollzugspraxis zugrunde legen will, aushöhlen. Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die Verwaltung bei der Wahl des Stichtags zur Fortgeltung der früheren Rechtslage deutlich engeren Grenzen unterliegt als der Gesetzgeber. Dieses Ergebnis ist konsequent vor dem Hintergrund fehlender unmittelbarer demokratischer Legitimation sowie strikter Gesetzesbindung der Exekutive. Die deutlich engeren Freiräume bei der Wahl des Stichtags sorgen gleichzeitig für eine stärkere Bindung der Verwaltung an das Vertrauensschutzprinzip. Im Ergebnis sind bei einer Schutzwürdigkeit des betätigten Vertrauens auch hinsichtlich der Wahl des Stichtags die verfassungsrechtlichen Wirkungen des Vertrauensschutzprinzips gegenüber der Exekutive im Vergleich zum Gesetzgeber umfassender. 4. Ergebnis Den Vertrauensschutzinteressen des Bürgers wird für die Vergangenheit durch entsprechenden Bestandsschutz ausreichend Rechnung getragen. Bei mehraktigen Tatbestandsverwirklichungen sowie Dauersachverhalten rechtfertigen und gebieten es die Grundsätze des Vertrauensschutzes, den Vertrauensschutzinteressen durch eine temporäre Aufrechterhaltung des früheren Vollzugsprogramms Rechnung zu tragen. Die Notwendigkeit zur „gleitenden“ Anpassung des Rechts resultiert dabei aus den Besonderheiten der Verwaltungsvorschrift als Vertrauenstatbestand und 318 BMF, Schreiben v. 14.12.2012 – IV C 2 – S 2742/10/10001, BStBl. I 2013, S. 58 (Gesellschafter-Geschäftsführer, Probezeit bei Pensionszusagen): „Dieses Schreiben ersetzt das BMF-Schreiben vom 14.5.1999 (BStBl. 1999 I S. 512). Tz. 2 gilt für Pensionsvereinbarungen, die nach dem 29.7.2010 (Datum der Veröffentlichung des Urteils vom 28.4.2010, I R 78/08, BStBl. 2013 II S. 41 auf den Internetseiten des Bundesfinanzhofs) abgeschlossen worden sind.“ 319 BMF, Schreiben v. 24.07.2008 – IV C 4 – S 2225/07/0006, BStBl. I 2008, S. 809 (Vererblichkeit des Verlustabzugs): „Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder ist die bisherige Rechtsprechung – in Abweichung von der o.g. Entscheidung – weiterhin bis zum Ablauf des Tages der Veröffentlichung der Entscheidung im Bundessteuerblatt anzuwenden.“

V. Zusammenfassung und Konsequenzen für die weitere Vorgehensweise

241

ihren verfassungsrechtlich im Vergleich zu Gesetzen andersartig begründeten und zudem begrenzten Wirkungen. Die Anpassung an die geltende Rechtslage bleibt angesichts von Art. 20 III GG dabei oberste verfassungsrechtliche Maxime. Diese Grundpole rechtfertigen es bei der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften auf Rechtsfolgenseite des Vertrauensschutzes, die Verwaltung – im sorgfältig zu begründenden Fall der Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens – stärkeren Bindungen bei der Überleitung des Rechts im Gegensatz zum demokratisch unmittelbar legitimierten Gesetzgeber zu unterwerfen. Das Vertrauensschutzprinzip ist in seiner freiheitsrechtlich-subjektiv verankerten Dimension hierbei zugleich Grund und Grenze der Überleitung in die geltende Rechtslage. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen zur Ausgestaltung des Übergangsrechts werden dabei durch die zur Rückwirkung von Gesetzen entwickelten Fallgruppen, das Prinzip der Abschnittsbesteuerung sowie die Möglichkeit und Notwendigkeit der Verwendung von Stichtagen konkretisiert. Im Ergebnis steht damit auf Rechtsfolgenseite eine Vertrauensschutzdogmatik zur Verfügung, welche die verfassungsrechtliche Spannungslage zwischen alter und neuer Rechtslage ausgewogen in Einklang bringt und der Gesetzesbindung der Verwaltung sowie den Vertrauensinteressen des Bürgers ausreichend Rechnung trägt.

V. Zusammenfassung und Konsequenzen für die weitere Vorgehensweise Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Gewährung von Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften sind unbegründet; rechtmäßige wie rechtswidrige Verwaltungsvorschriften stellen einen tauglichen Vertrauenstatbestand dar, der in der Lage ist, schutzwürdiges Vertrauen zu begründen. Mit einem richtigen Verständnis der verfassungsrechtlichen Dimensionen des Vertrauensschutzprinzips führen differenzierte Abwägungskriterien auf Ebene der Schutzwürdigkeit zum Einklang vom Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung mit den Bestandsinteressen des Bürgers. Insbesondere die Ausgestaltung des Übergangsrechts leistet einen wichtigen Beitrag zur verfassungsgemäßen Handhabung des Vertrauensschutzprinzips gegenüber der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften. Sowohl die Rechtsprechung als auch die wissenschaftliche Diskussion wären gut beraten, vermeintliche verfassungsrechtliche Denkverbote zu überwinden und die vollständige Bindung der Exekutive an das Vertrauensschutzprinzip mit den hieraus resultierenden Konsequenzen zu akzeptieren. Es ist mithin an der Zeit, ein insbesondere in der steuerlichen Rechtsrealität existierendes Problemfeld einer verfassungsrechtlichen Lösung zuzuführen, anstatt der Diskussion unter Verweis auf die Gesetzesbindung der Exekutive den Boden zu entziehen. Verwaltungsvorschriften begründen folglich Vertrauensschutz, der bei konsequenter und restriktiver Handhabung des Vertrauensschutzprinzips für einen begrenzten Zeitraum in der Lage ist, das Handlungsprogramm der Exekutive aufrecht zu erhalten.

5. Kapitel

Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes Mit der Feststellung, dass in materiell-rechtlicher Hinsicht ein Rechtsanspruch auf die Gewährung von Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften bestehen kann, ist der dogmatische Grundstein für die Bewältigung der zweiten Dimension des Themas, die Gewährung von Vertrauensschutz durch die Verwaltung und damit durch Verwaltungsvorschriften, gelegt. Für den weiteren Gang der Untersuchung gilt es nun, das soeben im 4. Kapitel entwickelte Vertrauensschutzkonzept in den einfachgesetzlichen Rahmen des steuerlichen Verfahrensrechts einzubetten. Im Mittelpunkt der Ausführungen steht hierbei die Frage nach einer potenziellen Rechtsgrundlage sowie konkreten verfahrensrechtlichen Ausgestaltung der hergeleiteten Vertrauensschutzdogmatik zur Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften. Die Vorgehensweise ist dabei angesichts der aufgeworfenen Fragestellungen wie folgt vorgezeichnet: Zunächst bedarf es einer sorgfältigen Analyse des einfachgesetzlich existierenden Vertrauensschutzes bei der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften im Bereich der Abgabenordnung  (I.). Denn wenn und soweit der Bürger bereits kraft geltenden steuerlichen Verfahrensrechts die Einhaltung eines früheren exekutiven Handlungsprogramms verlangen kann, müssen keine weiteren (verfahrens-)rechtlichen Maßstäbe hinsichtlich der im 4.  Kapitel hergeleiteten Grundsätze gewonnen werden. Vom einfachgesetzlich gewährleisteten Vertrauensschutz ausgehend folgen im Anschluss kompetenzielle Überlegungen zur Zuständigkeit der Verwaltung für die Gewährung des über das einfachgesetzliche Maß hinausgehenden Vertrauensschutzes  (II.). Eine Vertiefung der Zuständigkeitsproblematik ist dabei notwendig vor dem Hintergrund, dass angesichts der Vielschichtigkeit der hier untersuchten Problematik die eine Aufhebung oder Änderung der Verwaltungsvorschrift begründende Änderung der Rechtslage nicht zwingend aus der Sphäre der Verwaltung, sondern unter Umständen einer anderen Staatsgewalt herrührt. Daran anschließend erfolgt die genaue Konturierung der potenziellen Rechtsgrundlage für all diejenigen Fälle schutzwürdigen Vertrauens, die vom gesetzlichen Raster der Abgabenordnung nicht erfasst werden (III.). Basierend auf diesen Schritten ist eine endgültige Bewältigung der zweiten Dimension des Untersuchungsgegenstandes möglich, ob Vertrauensschutz auch durch Verwaltungsvorschriften in Form von Übergangsrichtlinien gewährleistet werden kann bzw. muss (IV.).

I. Einfachgesetzlich normierter Vertrauensschutz bei der Abgabenordnung

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I. Einfachgesetzlich normierter Vertrauensschutz im Bereich der Abgabenordnung I. Einfachgesetzlich normierter Vertrauensschutz bei der Abgabenordnung

Jede Analyse des einfachgesetzlich gewährleisteten Vertrauensschutzes bei der Aufhebung und Änderung steuerrechtlicher Verwaltungsvorschriften im Bereich der Abgabenordnung hat an die aus der korrekturrechtlichen Dogmatik überlieferte Differenzierung zwischen Steuerbescheiden sowie sonstigen steuerlichen Verwaltungsakten anzuknüpfen.1 Der für den Untersuchungsgegenstand herausragende Bereich der Steuerbescheide wird dabei an erster Stelle untersucht (1.), um anschließend die einfachgesetzliche Gewährung des Vertrauensschutzes im Bereich der sonstigen steuerlichen Verwaltungsakte zu betrachten (2.). 1. Vertrauensschutz im Bereich der Steuerbescheide Bevor eine eingehende Untersuchung der einzelnen Vorschriften des steuerlichen Verfahrensrechts im Bereich der Steuerbescheide hinsichtlich der Vertrauensschutzproblematik bei steuerlichen Verwaltungsvorschriften erfolgen kann, bedarf es einer trennscharfen Unterscheidung zwischen dem erstmaligen Erlass eines Steuerbescheids sowie dessen Bestandskraftdurchbrechung im Falle seiner Aufhebung und Änderung. Für den erstmaligen Erlass eines Steuerbescheids zeigt bereits ein überschlägiger Blick über das der Finanzverwaltung zur Verfügung stehende Instrumentarium, dass eine positivrechtliche Normierung zur Bewältigung der Vertrauensschutzproblematik de lege lata nicht existiert.2 Die fehlende Regelung ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass der historische Gesetzgeber der Abgabenordnung eine explizite Regelung als nicht erforderlich ansah.3 Anders stellt sich dagegen die Situation bei der Korrektur von Steuerbescheiden dar. Die Existenz von § 176 II AO zeigt, dass der Vertrauensschutzgedanke in Bezug auf Verwaltungsvorschriften zumindest bei der Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden einfachgesetzlich Einzug erhalten hat. Existiert nach alledem beim erstmaligen Erlass eines Steuerbescheids kein einfachgesetzlich normierter Vertrauensschutz, haben sich die nachfolgenden Ausführungen auf das Korrekturrecht der §§ 172 ff. AO zu beschränken. Die Vorgehensweise darf dabei nicht dem voreiligen Schluss erliegen, dass Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften hauptsächlich über § 176 II AO verwirklicht würde: Bereits die § 176 AO vorgeschalteten Korrektureröffnungsnormen beinhalten rechtliche Wertungsspielräume zur Berücksichti 1

Dazu statt Vieler nur Seer, in: Tipke/Lang, § 21 Rn. 383 f. H. M., s. nur BFH, Urteil v. 11.10.1988 – VIII R 419/83, BFHE 155, S. 298, 304 ff.; BFH, Urteil v. 16.12.1999 – IX R 86/00, BFHE 199, S. 1, 3 ff.; Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn.  1; v. Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176 AO Rn.  13; v.  Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 67; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 680 ff.; Hey, DStR 2004, S. 1897, 1903. 3 BT-Drucks. VI/1982, S. 155. 2

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

gung von Vertrauensschutzaspekten, ohne dass es noch einer gesonderten Heranziehung von § 176 AO bedürfte. Vorab müssen aus dem Analyseraster jedoch diejenigen Normen ausgesondert werden, welche der Finanzbehörde keine derartigen Spielräume belassen. Es handelt sich hierbei um lediglich „technische“ Vorgänge wie die Umsetzung von Grundlagenbescheiden gem. §§ 182 I 1, 175 I 1 Nr. 1 AO4 sowie mechanische Versehen i.S.d. § 129 S. 1 AO.5 In diesen Fällen verbleiben der Finanz­ behörde angesichts der gesetzlich determinierten Entscheidung keine weitergehenden Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Vertrauensschutzerwägungen. a) § 173 AO Eine begrenzte, vom Ergebnis her jedoch umfassende Möglichkeit zur Berücksichtigung von Vertrauensschutzaspekten bei der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften findet sich zunächst im Rahmen der Korrektur von Steuerbescheiden aufgrund nachträglich bekannt gewordener Tatsachen gem. § 173 I AO. Nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung,6 Verwaltung7 und Schrifttum8 können im Rahmen des § 173 I AO nur solche Tatsachen oder Beweismittel einer Korrektur zugrunde gelegt werden, die rechtserheblich sind. Eine Rechtserheblichkeit ist gegeben, wenn das Finanzamt bei ursprünglicher Kenntnis der Tatsachen oder Beweismittel bei Erlass des zu korrigierenden Steuer­bescheids nicht anders entschieden, die geänderte Tatsache mithin in rechtlicher Hinsicht keinen Einfluss auf die Höhe der festzusetzenden Steuer gehabt hätte.9 Dabei ist nach Auffassung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs maßgeblich auf die die Finanzämter bindenden Verwaltungsanweisungen zum Zeitpunkt des ursprünglichen Bescheiderlasses abzustellen.10 Obgleich das Kriterium der Rechtserheblichkeit von Tatsachen und Beweismitteln insbesondere im Hinblick auf die im Jahr 1993 erfolgte Erweiterung des Fehlerbegriffs in § 177  AO von Rechtsfehlern zu jeglichen materiellen Fehlern nicht unbestritten geblieben ist,11 zeigt es für die in dieser Untersuchung interes 4

In diesem Sinne auch BFH, Urteil v. 29.06.2005 – X R 31/04, BFH/NV 2005, S. 1749. BFH, Urteil v. 27.11.2003 – V R 52/02, BFH/NV 2004, S. 605, 607; Pahlke, in: Pahlke/ Koenig, § 129  AO Rn.  57; Rüsken, in: Klein, § 176  AO Rn.  9b; Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn. 3; v. Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 72; Müller, AO-StB 2013, S. 250, 251. 6 Grundlegend BFH, Beschluss v. 23.11.1987 – GrS 1/86, BFHE 151, S. 495 ff., seitdem ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH, Urteil v. 08.09.2011 – II R 47/09, BFH/NV 2012, S. 67, 70 f. m.w.N. 7 AEAO zu § 173 Tz. 3.1. 8 Rüsken, in: Klein, § 173 AO Rn. 71 ff.; Koenig, in: Pahlke/Koenig, § 173 AO Rn. 87 ff.; str. 9 Ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH, Urteil v. 11.06.1997 – X R 242/93, BFHE 183, S. 427, 430 f.; BFH, Urteil v. 14.04.1999 – XI R 30/96, BFHE 188, S. 286, 289; BFH, Urteil v. 22.04.2010 – VI R 40/08, BFHE 229, S. 57, 59 f. jeweils m.w.N. 10 BFH, Beschluss v. 23.11.1987 – GrS 1/86, BFHE 151, S. 495, 501. 11 Loose, in: Tipke/Kruse, § 173 AO Rn. 54 ff.; Graw/Loose, AO-StB 2008, S. 336 ff.; Krebs, AO-StB 2005, S. 77, 78 ff. jeweils m.w.N. 5

I. Einfachgesetzlich normierter Vertrauensschutz bei der Abgabenordnung

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sierende Frage nach einem Vertrauensschutz bei rückwirkender Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften eine ausgeprägte partielle Verwirklichung des Vertrauensschutzgedankens.12 Dabei fällt zunächst auf, dass Vertrauensschutz unabhängig von der Schutzwürdigkeit des betätigten Vertrauens gewährt wird.13 Der Vertrauensschutz stellt sich insofern –  um in den Worten Johanna  Heys zu sprechen  – als Schutz der steuerlichen Verwendungsplanung dar.14 Gleichzeitig geht der Vertrauensschutz im Vergleich zu § 176  II AO deutlich weiter: Die Rechtserheblichkeit bezieht sich sowohl auf rechtmäßige als auch rechtswidrige Verwaltungsvorschriften, zudem ist sie nicht auf Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung, einer obersten Bundes- oder Landesbehörde beschränkt. Schlussendlich bedarf es keiner Einbeziehung eines obersten Bundesgerichts in den Rechtsfindungsprozess. Im Ergebnis sorgt das Kriterium der Rechtserheblichkeit damit für eine ausgeprägte Berücksichtigung der Vertrauensschutzinteressen des Bürgers bei der Korrektur eines Steuerbescheids aufgrund nachträglich bekannt gewordener Tatsachen und Beweismittel. Einer Heranziehung von § 176 AO bedarf es bei Korrekturen nach § 173 I Nr. 1 AO insofern nicht. b) § 174 AO Auch im Rahmen der Korrektur widerstreitender Steuerfestsetzungen nach § 174 AO können sich Möglichkeiten zur Berücksichtigung schutzwürdigen Vertrauens bei der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften ergeben. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei jedoch um Abgrenzungsfragen zum Anwendungsbereich im Verhältnis zu § 176 AO, sodass die Ausführungen richtigerweise dort zu vertiefen sind. c) § 175 I 1 Nr. 2 AO Eine weitere Ausprägung des Vertrauensschutzes bei der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften lässt sich im Ereignisbegriff des § 175  I  1  Nr.  2 AO sehen. Sofern man unter den Begriff des Ereignisses fernab des Anwendungsbereichs von § 79 II BVerfGG auch Konstellationen normativer Rückwirkung fassen möchte,15 könnten bestandskräftige Steuerbescheide über § 175  I  1  Nr.  2  AO jederzeit zulasten des Bürgers an die geltende Rechtslage angepasst werden. Die hier erörterte Konstellation mag bei unbefangener Betrachtung befremdlich erscheinen, wird allerdings unter gleichsam umgekehr 12

Krebs, AO-StB 2005, S. 77, 79. Arndt, Rücknahme, S. 132; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 755. 14 Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 685. 15 Rust, Rückwirkendes Ereignis, S. 50 ff. 13

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

ten Vorzeichen zugunsten des Bürgers als Mittel zur Bestandskraftdurchbrechung diskutiert.16 Eine derartige Handhabung steht jedoch dem Grundverständnis von § 175 I 1 Nr. 2 AO als verfahrensrechtlichem Pendant zu § 41 I 1 AO diametral entgegen, wonach die Rückabwicklung eines Rechtsgeschäfts steuerschuldrechtlich beachtlich sein muss.17 Die herrschende Auffassung begrenzt den Anwendungsbereich des § 175 I 1 Nr. 2 AO daher zu Recht auf solche Ereignisse, die den ursprünglich verwirklichten Lebenssachverhalt selbst verändern und nicht dessen normatives Umfeld.18 Im Ergebnis schützt die restriktive Definition des rückwirkenden Ereignisses in § 175 I 1 Nr. 2 AO somit vor einer Durchbrechung der Bestandskraft bei der rückwirkenden Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften. d) § 176 AO Vertrauensschutz in die untergesetzliche Rechtslage und damit für die in Verwaltungsvorschriften enthaltene Rechtsauffassung wird im Bereich der Steuerbescheide primär durch § 176 I 1 Nr. 3 sowie § 176 II AO verwirklicht. Zwar ist zuzugeben, dass lediglich § 176  II  AO explizit an Verwaltungsvorschriften anknüpft und sich § 176 I 1 Nr. 3 AO vordergründig auf die Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung bezieht. Ein Blick auf den Wortlaut von § 176 I 1 Nr. 3 AO sowie § 176  I  2  AO zeigt jedoch schnell, dass die Gewährung von Vertrauensschutz stets die Anwendung der bisherigen Rechtsprechung auf Seiten der Verwaltung fordert.19 Eine „Änderung“ höchstrichterlicher Rechtsprechung im Sinne des § 176  I  1  Nr.  3 AO ist damit zugleich immer mit einer Abweichung vom exekutiven Handlungsprogramm verbunden. Die Vertrauensschutzproblematik wird auf einfachgesetzlicher Ebene im Ergebnis damit sowohl in den Konstellationen des § 176 I 1 Nr. 3 AO und § 176 II AO einer gesetzlichen Regelung zugeführt. Die Notwendigkeit einer Betrachtung beider Regelungskomplexe besteht zusätzlich vor dem Hintergrund, dass auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine konsequente Trennung zwischen § 176 I 1 Nr. 3 AO sowie § 176 II AO oftmals vermissen lässt.20 Im Folgenden gilt es daher, den diesen Vorschriften zu 16

s. dazu instruktiv den Sachverhalt bei BFH, Beschluss v. 04.11.1998 – IV B 146/97, BFH/ NV 1999, S. 589 f. 17 Englisch, in: Tipke/Lang, § 5 Rn. 98. 18 Für die hier erörterte Konstellation einer Änderung von Verwaltungsvorschriften zugunsten des Steuerpflichtigen: BFH, Beschluss v. 04.11.1998 – IV B 146/97, BFH/NV 1999, S. 589; BFH, Beschluss v. 02.11.2004 – XI B 142/03, BFH/NV 2005, S. 489; Loose, in: Tipke/ Kruse, § 175 AO Rn.  25 u.  42 f.; Koenig, in: Pahlke/Koenig, § 175 AO Rn.  38; Rüsken, in: Klein, § 175 AO Rn. 80; v. Groll, in: HHSp, § 175 AO Rn. 251 ff., insb. Rn. 253; Frotscher, in: Schwarz, § 175 AO Rn. 37 ff. 19 Wie hier Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 596. 20 Vgl. BFH, Urteil v. 10.11.1988 – IV R 63/86, BFHE 155, S. 109, 113 f.; BFH, Urteil v. 23.02.1994 – X R 123/92, BFHE 174, S. 73, 79 f.; BFH, Urteil v. 20.08.1997 – X R 58/93, BFH/NV 1998, S. 314, 315 f.; BFH, Urteil v. 20.12.2000 – I R 50/95, BFHE 194, S. 185, 189 f.;

I. Einfachgesetzlich normierter Vertrauensschutz bei der Abgabenordnung

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grunde gelegten Normzweck zu erfassen, um sodann den eigentlichen Anwendungsbereich sowie die Anwendungsvoraussetzungen der Vorschriften einer näheren Betrachtung zu unterziehen. aa) Normzweck Die Grundfrage, ob § 176 AO das Vertrauen des Steuerpflichtigen in eine ihm günstige Rechtslage schützt oder aber lediglich dem Schutz der materiellen Bestandskraft dient, wird seit Langem diskutiert. Während der historische Gesetzgeber der Abgabenordnung von ersterer Möglichkeit ausgegangen ist,21 sehen sowohl die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als auch die herrschende Auffassung in der Literatur den Schutzzweck des § 176 AO in einem erhöhten Schutz der materiellen Bestandskraft von Steuerbescheiden.22 Der herrschenden Auffassung ist zuzustimmen. § 176 AO knüpft in zeitlicher Hinsicht an den Bescheiderlass und nicht den Zeitpunkt der Dispositionsvornahme an. Zwar ließe sich in Anlehnung an die Widerrufs- und Rücknahmedogmatik zu den §§ 48, 49 VwVfG vertreten, dass das Institut der Bestandskraft des Verwaltungsakts an sich bereits umfassenden Schutz vor einer Änderung der Rechtslage biete und es mithin keiner § 176  AO vergleichbaren Regelung bedürfe.23 Eine solche Sichtweise verliert jedoch die spezifischen Besonderheiten der Bestandskraft von Steuerbescheiden aus dem Blick. Das Korrekturrecht der Abgabenordnung weicht von der Dogmatik des Allgemeinen Verwaltungsrechts dahingehend ab, dass dort sowohl zeitlich als auch sachlich umfassende Mechanismen zur Durchbrechung der materiellen Bestandskraft existieren (siehe insbesondere die §§ 164, 165, 177 AO) und der Steuerpflichtige im Vergleich zur Situation in anderen Rechtsgebieten eines besonderen Schutzes bedarf.24 Diesen Konflikt scheint auch der historische Gesetzgeber gesehen zu haben; insofern lässt sich § 176 AO als BFH, Urteil v. 14.05.2008 – XI R 70/07, BFHE 221, S. 517, 525 sowie zuletzt BFH, Urteil v. 24.01.2013 – V R 34/11, BFHE 239, S. 552, 558, wo es im Streitfall um die Abweichung von Bestimmungen in den UStR ging und eher die Anwendung von § 176 II AO nahe gelegen hätte. 21 BT-Drucks. VI/1982, S. 155; ähnlich wohl auch Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 596. 22 Ständige Rechtsprechung, s. BFH, Urteil v. 11.04.2002 – V R 26/01, BFHE 198, S. 238, 242; BFH, Urteil v. 16.12.1999 – IX R 86/00, BFHE 199, S. 1, 3 f.; BFH, Urteil v. 11.10.1988 – VIII R 419/83, BFHE 155, S. 298, 305 jeweils m.w.N.; aus dem Schrifttum: v. Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 40; Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn. 1; Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn. 1; v.  Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176 AO Rn.  3; Koenig, in: Pahlke/Koenig, § 176 AO Rn. 2. Unzutreffend ist der häufige Verweis auf die angebliche andere Auffassung von Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn. 1 ff., der dort in Rn. 4 selbst von einem erhöhten Schutz der materiellen Bestandskraft ausgeht. 23 Insoweit ist es auch richtig, von der „Abschlussfunktion des Verwaltungsakts“ zu sprechen, vgl. Englisch/Plum, StuW  2004, S.  342, 371; in diese Richtung ebenfalls Loose, in: Tipke/Kruse, Vor § 172 AO Rn. 2 ff. 24 Ähnlich wie hier Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn. 1; Hey, DStR 2004, S. 1897, 1899; Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 371; dazu auch Arndt, Rücknahme, S. 17 ff.

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

Mittel begreifen, um unter Vorbehalt der Nachprüfung sowie vorläufig veranlagte Steuerpflichtige mit endgültig veranlagten Steuerpflichtigen gleichzustellen.25 Abschließend muss bedacht werden, dass die Norm des § 176 AO in systematischer Hinsicht dem Abschnitt über die Bestandskraft von Steuerbescheiden zuzuordnen ist und vor dem Hintergrund der Regelungen in Nr. 1 und 2 der Vorschrift (Nichtigkeitserklärung eines Steuergesetzes bzw. Nichtanwendung einer für verfassungswidrig gehaltenen Norm durch ein oberstes Bundesgericht) insofern kaum weitergehende Schlüsse auf einen Schutz der untergesetzlichen Rechtslage möglich sind. Das so gefundene Ergebnis ist zudem konsequent vor dem Hintergrund, dass die Feststellungen eines Steuerbescheids vergangenheitsbezogen sind und eine Korrektur des Steuerbescheids folglich stets mit dem Element einer „Rückwirkung“ behaftet ist.26 Insofern überrascht es kaum, wenn der Gesetzgeber in den Fällen der §§ 176 I 1 Nr. 3, II AO von einer typisierten Schutzwürdigkeit ausgeht, ohne dass es tatsächlich einer (schutzwürdigen) Vertrauensbetätigung bedarf.27 § 176  AO schützt seiner Regelungsintention zufolge demnach lediglich die materielle Bestandskraft, nicht dagegen die dem Steuerbescheid zugrunde liegende Rechtslage. bb) Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich des § 176 AO wird insbesondere durch sein Verhältnis zu den übrigen Korrekturvorschriften der AO gekennzeichnet. Als Ausgangsprämisse muss hier die Feststellung gelten, dass der Anwendungsbereich nur dann eröffnet ist, wenn die Änderung des Steuerbescheids mit einer anderen rechtlichen Subsumtion verbunden ist.28 Die von § 176 AO umfasste Vertrauensschutzproblematik bei einer Änderung der Rechtslage tritt mithin bei gesetzlich eindeutig determinierten und damit „technischen“ Entscheidungen wie der Umsetzung von Grundlagenbescheiden über § 175  I  1  Nr.  1 AO sowie der Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten gem. § 129 S. 1 AO bereits im Vorhinein nicht auf.29 Sofern jedoch die Möglichkeit zur Saldierung materieller Fehler bei der pflichtgemäßen Ermessensausübung im Rahmen des § 129 S. 1 AO bejaht wird,30 muss § 176 AO angesichts der entstehenden Regelungslücke konsequenterweise zumindest analoge Anwendung finden.31 25

BT-Drucks. VI/1982, S. 155. Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 740. 27 Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn. 7; v. Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 41. 28 BFH, Beschluss v. 20.06.2003 – XI S 21/02, BFH/NV 2003, S. 1555, 1557; BFH, Beschluss v. 12.08.2008  – X  S  35/08, BFH/NV  2008, S.  2030, 2033; Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn. 2. 29 s. dazu nochmals die Nachweise in Fn. 4 u. 5. 30 So die wohl überwiegende Auffassung zu § 129  AO, s. insbesondere BFH, Urteil v. 08.03.1989 – X R 116/87, BFHE 156, S. 59, 64; BFH, Urteil v. 04.06.2008 – X R 47/07, BFH/ NV 2008, S. 1801, 1802; Seer, in: Tipke/Kruse, § 129 AO Rn. 27; Pahlke, in: Pahlke/Koenig, § 129 AO Rn. 7. 31 Wie hier Szymczak, in: Koch/Scholtz, § 176 AO Rn. 2. 26

I. Einfachgesetzlich normierter Vertrauensschutz bei der Abgabenordnung

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(1) Grundsatz: Anwendbarkeit von § 176 AO auf jegliche Korrekturen von Steuerbescheiden, insbesondere auch §§ 164, 165 AO Generell wird § 176 AO als Korrekturbegrenzungsnorm angesehen, die grundsätzlich auf alle Arten der Korrektur von Steuerbescheiden anwendbar ist.32 Allgemein bejaht wird – entgegen einzelner Tendenzen33 – insbesondere die Anwend­ barkeit von § 176 AO gegenüber Änderungen von Steuerbescheiden unter Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 II 1 AO.34 Die wohl überwiegende Meinung sieht in ihr zu Recht den Hauptanwendungsfall des § 176 AO,35 da die Finanzbehörde andernfalls jederzeit den Steuerbescheid an die „geltende“ Rechtslage anpassen könnte. Insoweit kommt es – in Bezug auf § 176 AO – auch nicht darauf an, ob und inwieweit ein Vorbehalt der Nachprüfung die Gewährung von Vertrauensschutz generell verdrängen kann.36 Von diesen Grundsätzen ausgehend ist ebenfalls klar, dass die Beschränkungen von § 176 AO auch bei der Aufhebung und Änderung vorläufiger Steuerbescheide gem. § 165 II 1 AO zu beachten sind.37 Vorab muss dabei jedoch sorgfältig geprüft werden, ob die Änderungsmöglichkeit nach § 165 II 1 AO im Hinblick auf ungewisse Tatsachen und die damit verbundene Möglichkeit zur Berücksichtigung von Vertrauensschutzerwägungen überhaupt eröffnet sind. Insoweit ist nämlich richtigerweise davon auszugehen, dass selbst im Falle einer rechtswidrig erfolgten vorläufigen Steuerfestsetzung eine Korrektur nur in Bezug auf ungewisse Tatsachen, nicht aber offen gehaltene Rechtsfragen zulässig ist.38 32 H. M., vgl. Loose, in: Tipke/Kruse, § 176  AO Rn.  3; v.  Groll, in: HHSp, § 176  AO Rn.  65 ff.; Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn.  18; Koenig, in: Pahlke/Koenig, § 176 AO Rn. 4; Szymczak, in: Koch/Scholtz, § 176 AO Rn. 2; Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn. 5; differenzierend v. Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176 AO Rn. 7 ff. 33 Rößler, BB 1981, S. 842, 845; Rößler, DStZ 1999, S. 603 f. 34 Aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs s. BFH, Beschluss v. 23.11.1987 – GrS 1/86, BFHE 151, S. 495, 501 f.; BFH, Urteil v. 16.12.1999 – IX R 86/00, BFHE 199, S. 1, 3 f. m.w.N.; Leisner-Egensperger, DStZ 1999, S. 358 ff., insb. S. 363 ff.; Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn. 6; Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn. 3; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 776 ff. 35 BFH, Beschluss v. 23.11.1987  – GrS  1/86, BFHE  151, S.  495, 501 f.; BFH, Urteil v. 16.12.1999 – IX R 86/00, BFHE 199, S. 1, 3 f. m.w.N.; Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn. 6; Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn. 3. 36 Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn. 3 unter Berufung auf BFH, Beschluss v. 04.02.2009 – VI B 142/08, BFH/NV 2009, S. 716. 37 H. M., vgl. nur BFH, Beschluss v. 23.11.1987 – GrS 1/86, BFHE 151, S. 495, 501 f.; BFH, Urteil v. 11.10.1988 – VIII R 419/83, BFHE 155, S. 298, 305; Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn. 21; Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn. 3; Koenig, in: Pahlke/Koenig, § 176 AO Rn. 4 jeweils m.w.N. 38 BFH, Beschluss v. 08.07.1998 – I B 111/97, BFHE 186, S. 313, 315 f. unter Berufung auf BFH, Urteil v. 25.04.1985 – IV R 64/83, BFHE 143, S. 500 ff.; zu unterscheiden ist das soeben angesprochene Problem freilich von der (umstrittenen) Frage, ob die Finanzbehörde generell im Falle rechtswidrig erfolgter vorläufiger Steuerfestsetzungen korrigieren darf, vgl. dazu nur Rüsken, in: Klein, § 165 AO Rn. 39 f. m.w.N.

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

(2) § 173 I AO Von den oben zu § 173 AO gefundenen Ergebnissen39 ausgehend kommt § 176 AO als Korrekturbegrenzungsnorm bei der Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden aufgrund nachträglich bekannt gewordener Tatsachen wegen des Merkmals der rechtserheblichen Tatsache regelmäßig keine eigenständige Bedeutung zu. Lediglich im Rahmen der Mitberichtigung materieller Fehler gem. § 177 IV AO hat sie die Einschränkungen des § 176 AO zu beachten.40 In allen anderen Fällen scheidet bereits mangels Einschlägigkeit der Korrekturnorm des § 173 I 1 AO die Anwendung von § 176 AO aus. (3) § 174 AO Weitere Anwendungsfragen ergeben sich hinsichtlich des Verhältnisses von § 176 AO zur Korrektur widerstreitender Steuerfestsetzungen gem. § 174 AO. Als unstreitig kann zunächst gelten, dass § 176 AO in den Konstellationen des positiven Widerstreits gem. § 174  I,  II AO mangels rechtlicher, genauer gesagt anderweitiger rechtlicher Spielräume der Finanzbehörde regelmäßig unanwendbar bleibt.41 Dies resultiert insbesondere aus der Überlegung, dass die Frage, ob und inwieweit ein Sachverhalt in dem einen oder anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen ist, der Finanzbehörde aufgrund der rechtlichen Eindeutigkeit keinen Wertungsspielraum belässt; im Ergebnis kommt die Korrektur des positiven Widerstreits damit einer „mechanischen“ Korrektur sehr nahe.42 Ebenfalls nur eingeschränkt anwendbar ist § 176 AO auf die Fälle des negativen Widerstreits in § 174 III AO. Hier besteht ein Bedürfnis für die Berücksichtigung von Vertrauensschutzerwägungen nur in Konstellationen nachträglich belastender Änderungen.43 Das gilt freilich nur unter der Prämisse, dass man für eine Korrektur nach § 174 III AO auch eine Recht(-sprechung)sänderung genügen lässt.44 An 39

s. oben, I. 1. a), S. 244 f. H. M., BFH, Beschluss v. 23.11.1987  – GrS  1/86, BFHE  151, S.  495, 501 f.; Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn.  7; Koenig, in: Pahlke/Koenig, § 176 AO Rn.  4; v.  Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 33; v. Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176 AO Rn. 7.1 u. 7.3. 41 v. Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176 AO Rn. 7.2; Koenig, in: Pahlke/Koenig, § 176 AO Rn. 4; Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn. 7a; v. Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 33. 42 Prägnant Brüning, Widerstreitende Steuerfestsetzung, S. 108: „Da die Mehrfachberücksichtigung eines Sachverhalts niemals durch Rechtsnormen, Urteile oder Verwaltungsanweisungen gedeckt sein kann, kommt bezüglich des aufzuhebenden oder zu ändernden rechtswidrigen Steuerbescheides kein Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen in Betracht.“ 43 v. Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176 AO Rn. 7.2; Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn. 7a; Koenig, in: Pahlke/Koenig, § 176 AO Rn. 4; Balmes, in: Kühn/v. Wedelstädt, § 174 AO Rn. 53. 44 Tiedtke/Szczesny, NJW 2002, S. 3733, 3737; das von der h.M. zu § 174 III AO geforderte Kriterium der Kausalität bleibt davon indes unangetastet, vgl. dazu BFH, Urteil v. 29.05.2001 – VIII R 19/00, BFHE 195, S. 23, 28; BFH, Urteil v. 09.04.2003 – X R 38/00, BFH/NV 2003, S. 1035, 1037; Loose, in: Tipke/Kruse, § 174 AO Rn. 29 m.w.N. 40

I. Einfachgesetzlich normierter Vertrauensschutz bei der Abgabenordnung

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gesichts des Wortlauts von § 174 III AO, der die Korrektur in das Ermessen der Finanzbehörde stellt, ließe sich jedoch ebenfalls erwägen, Vertrauensschutzaspekte bereits im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung zu berücksichtigen,45 sodass bereits kein Spielraum für die Anwendung von § 176 AO verbleibt. Nach der wohl überwiegenden Auffassung besteht dieses Problem indes nicht, da § 174 III AO angesichts des Kriteriums der „Erkennbarkeit“ sowie dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung keine weiteren Spielräume für eine pflichtgemäße Ermessensausübung beinhaltet.46 Im Ergebnis braucht diese Frage hier nicht weiter vertieft werden, da – selbst wenn man bei § 174 III AO von einer Ermessensvorschrift ausginge  – die Einschränkungen des § 176 AO jedenfalls im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung zu berücksichtigen sind. Lebhaft wird dagegen seit jeher diskutiert, ob und inwieweit § 176 AO bei Änderungen aufgrund von § 174 IV AO anwendbar ist. Während der Bundesfinanzhof diese Frage bislang offengelassen hat,47 reicht das Spektrum im Schrifttum von einer prinzipiellen Anwendbarkeit48 bis zur tendenziellen Ablehnung49 der Korrekturbegrenzungsnorm. Die Relevanz der Fragestellung wird deutlich vor dem Hintergrund, dass § 174 IV AO periodenübergreifende Korrekturen ermöglicht. Beispiel:50 Der nach Durchschnittssätzen i.S.d. § 13a EStG gewinnermittelnde Landwirt L erhält im Jahr 1979 eine Entschädigung für Wirtschaftserschwernisse aufgrund einer Eisenbahntrasse, die durch seine Felder verläuft. L erfasst die Entschädigungszahlung unter Berufung auf Abschnitt R 131 III 8, 9 EStR 197551 nicht als Betriebseinnahme. Im Jahr 1981 geht L zur Gewinnermittlung nach § 4 I EStG (Betriebsvermögensvergleich) über. Das Finanzamt passiviert in der Eröffnungsbilanz einen Rechnungsabgrenzungsposten zur erfolgswirksamen Erfassung der Entschädigungszahlung in den Jahren 1981–1983. Gegen die Erfassung als betrieblichen Ertrag in den Jahren 1981–1983 geht L erfolgreich vor dem Bundesfinanzhof vor. Das Obsiegen von L beruht nicht auf der vermeintlichen Steuerfreiheit der Zahlung, sondern vielmehr darauf, dass die Entschädigungszahlungen nach Auffassung des Bundesfinanzhofs entgegen der Richtlinienbestimmungen als sonstige steuerpflichtige Ein-

45 So insbesondere Frotscher, in: Schwarz, § 174 AO Rn. 56; Loose, in: Tipke/Kruse, § 174 AO Rn. 38. 46 Ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs seit BFH, Urteil v. 13.11.1985 – II R 208/82, BFHE 145, S. 487, 490 f.; Szymczak, in: Koch/Scholtz, § 174 AO Rn. 15/1; v. Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 174 AO Rn. 85; Balmes, in: Kühn/v. Wedelstädt, § 174 AO Rn. 52; Brüning, Widerstreitende Steuerfestsetzung, S. 70 f. 47 BFH, Urteil v. 24.09.1998 – IV R 65/96, BFHE 187, S. 193, 197; offengelassen auch bei Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn. 7a. 48 Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn. 18; Szymczak, in: Koch/Scholtz, § 176 AO Rn. 2; abwägend v. Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 134; Loose, in: Tipke/Kruse, § 174 AO Rn. 18 a.E.; Brüning, Widerstreitende Steuerfestsetzung, S. 109 f. 49 Einschränkend v. Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176 AO Rn. 7.2; Koenig, in: Pahlke/ Koenig, § 176 AO Rn. 4. 50 In Anlehnung an BFH, Urteil v. 24.09.1998 – IV R 65/96, BFHE 187, S. 193 ff.; Sachverhalt abgewandelt und vereinfacht. 51 Einkommensteuerrichtlinien für das Kalenderjahr 1975 vom 14.04.1976, BStBl. I 1976, Sondernr. 2.

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nahmen bereits im Kalenderjahr 1979 gem. § 13a VI Nr. 3 EStG 1974 hätten erfasst werden müssen.52 Das Finanzamt möchte die Entschädigungszahlung nunmehr im Veranlagungszeitraum 1979 unter Berufung auf § 174 IV AO als Betriebseinnahme erfassen.

Das vorstehende Beispiel verdeutlicht die Problematik um die Anwendbarkeit von § 176 AO im Rahmen der Korrektur widerstreitender Steuerfestsetzungen gem. § 174 IV AO. Maßgeblich muss für eine Abgrenzung der Anwendungsbereiche zunächst die Überlegung sein, dass die Korrekturvorschrift des § 174 IV AO positivierter Ausdruck des die gesamte Rechtsordnung durchziehenden Grundsatzes von Treu und Glauben, hier dem Gebot widersprüchlichen Verhaltens, ist.53 Davon ausgehend ließe sich tatsächlich erwägen, dass der Steuerpflichtige treuwidrig handelt, wenn er eine für ihn günstige Entscheidung herbeiführt und im Nachhinein nicht bereit ist, die damit verbundenen Konsequenzen zu tragen;54 insoweit ließe sich § 176 AO teleologisch reduzieren. Eine solche teleologische Reduktion widerspricht (für das obige Beispiel) jedoch dem klaren Wortlaut des § 176 II AO, der nicht nach einer entsprechenden Schutzwürdigkeit differenziert. Maßgeblich muss ausgehend vom Normzweck des § 176 AO vielmehr sein, ob und inwieweit sich die für den Steuerpflichtigen günstige Rechtslage im bisherigen Steuerbescheid manifestiert hat. Hiervon ausgehend können vernünftigerweise keine Zweifel daran bestehen, dass § 176 AO uneingeschränkt in denjenigen Konstellationen Anwendung finden muss, in denen die bisherige Rechtslage bestandskräftigen Einzug in die Steuerfestsetzung gefunden hat. Jede andere Auslegung würde dem insoweit eindeutigen Wortlaut und dem durch § 176 AO beabsichtigen Zweck entgegenstehen. Im Ergebnis kann daher nur die zeitliche Abfolge für eine Anwendung des § 176 AO im Rahmen von Korrekturen nach § 174 IV AO entscheidend sein. (4) Zusammenfassung § 176  AO ist grundsätzlich bei jeder Korrektur eines Steuerbescheids zu berücksichtigen, soweit der Finanzbehörde Subsumtionsspielräume für anderweitige rechtliche Wertungen zustehen, die zu einer für den Steuerpflichtigen nachteiligen Änderung der Besteuerungsgrundlagen führen. In den Fällen des § 173 AO ist der Anwendungsbereich auf die Mitberichtigung materieller Fehler gem. § 177 AO begrenzt. Schlussendlich ist auch die Anwendbarkeit von § 176 AO im Rahmen der Korrektur widerstreitender Steuerfestsetzungen nach § 174  III, IV AO nicht zweifelhaft.

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BFH, Urteil v. 29.11.1990 – IV R 131/89, BFHE 168, S. 25, 27 ff. Statt Vieler s. nur Brüning, Widerstreitende Steuerfestsetzung, S. 73. 54 Für die ähnlich gelagerte Konstellation der Rechtsprechungsänderung in diese Richtung BFH, Urteil v. 08.02.1995 – I R 127/93, BFHE 177, S. 332, 338 f. 53

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cc) Anwendungsvoraussetzungen Nachdem sowohl der Normzweck als auch Anwendungsbereich des § 176 AO dargestellt wurden, sind nachfolgend die Anwendungsvoraussetzungen der für den Untersuchungsgegenstand relevanten §§ 176 I 1 Nr. 3, II AO einer weitergehenden Betrachtung zu unterziehen. Im Vordergrund der Ausführungen steht dabei die Überlegung, Schutzlücken des geltenden Rechts aufzuzeigen, welche durch die im 4. Kapitel entwickelte Vertrauensschutzdogmatik zu schließen sind. Da sowohl § 176 I 1 Nr. 3 AO als auch § 176 II AO gemeinsame Tatbestandsstrukturen aufweisen, werden diese, um Überschneidungen zu den nachfolgenden Ausführungen zu vermeiden, vorab herausgearbeitet. Daran anschließend werden Einzelfragen zu § 176 I 1 Nr. 3 AO und § 176 II AO erörtert. (1) Gemeinsame Tatbestandsvoraussetzungen (a) Keine Anwendung von § 176 AO auf den Erlass von Erstbescheiden Als wesentliches und strukturprägendes Merkmal von § 176  AO muss der auf die Korrektur von Steuerbescheiden begrenzte Anwendungsbereich bezeichnet werden. § 176  AO gilt daher nicht für den erstmaligen Erlass von Steuerbescheiden.55 Obgleich rechtspolitisch teilweise eine Erweiterung des Anwendungsbereichs auf den erstmaligen Erlass von Steuerbescheiden gefordert wird,56 können angesichts des gesetzgeberischen Willens,57 der auch im Wortlaut der Vorschrift hinreichenden Ausdruck erfahren hat, richtigerweise keine Zweifel an der Unanwendbarkeit des § 176 AO auf Erstbescheide bestehen. (b) Verhältnis von § 176 AO zum Einspruchsverfahren Das Verhältnis von § 176  AO zum außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren (§§ 347 ff. AO) kann in vielschichtigen Konstellationen zum Tragen kommen. Als unkompliziert handhabbar stellt sich zunächst der Fall eines Einspruchs gegen Erstbescheide dar. Hier besteht angesichts der fehlenden Anwendbarkeit von § 176 AO kein Vertrauensschutz.58 Bei Vorbehaltsfestsetzungen und vorläufigen 55 H. M., aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vgl. BFH, Urteil v. 24.01.2013  – V R 34/11, BFHE 239, S. 552, 558; BFH, Urteil v. 16.12.1999 – IX R 86/00, BFHE 199, S. 1, 4 jeweils m.w.N.; Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn. 1; Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn. 1a; Szymczak, in: Koch/Scholtz, § 176 AO Rn. 2; Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn. 17. 56 Rose, Stbg. 1999, S. 401, 409 f. 57 BT-Drucks. VI/1982, S. 155. 58 Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn. 3; Szymczak, in: Koch/Scholtz, § 176 AO Rn. 2/1; Koenig, in: Pahlke/Koenig, § 176 AO Rn. 6; Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn. 22.

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

Steuerfestsetzungen empfiehlt es sich vielmehr, den Einspruch (teilweise) zurückzunehmen und das Finanzamt auf die in §§ 164 II 1, 165 II 1 AO statuierten Korrekturmöglichkeiten zu verweisen; die Anwendbarkeit im sich anschließenden Korrekturverfahren ist insoweit unproblematisch.59 Klar ist weiterhin, dass bei Einsprüchen gegen Änderungsbescheide die richtige Anwendung und Gewährung von Vertrauensschutz im Wege des § 176 AO sowohl durch die Finanzbehörde als auch das Finanzgericht überprüft werden kann und muss.60 Die dogmatische Kernproblematik entfaltet sich mithin erst in solchen Konstellationen, in der eine Änderung der von der Finanzbehörde angewandten Rechtsprechung oder Rechtswidrigkeitserklärung einer Verwaltungsvorschrift i. S. d. § 176 II AO erst nach Erlass des Änderungsbescheids und vor Ergehen der Einspruchsentscheidung stattgefunden hat. Beispiel:61 Steuerberater S ist Alleineigentümer eines Hauses, in dem er mit zwei Kollegen eine Steuerberatersozietät betreibt. Im Kalenderjahr 1996 veräußert S seine 30 v.H.Beteiligung zu je 1/2 an seine Sozien. Das Haus wird dagegen nicht mitveräußert, sondern zu Buchwerten in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft überführt, um eine Aufdeckung der stillen Reserven zu vermeiden. In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1996 beantragt S unter Berufung auf die §§ 16 I, 34 I, II Nr. 1 EStG die Gewährung eines ermäßigten Steuersatzes aufgrund begünstigter Veräußerungsgewinne i. S. d. §§ 18 III, 16 I Nr. 1 EStG in Höhe von insgesamt 4 Mio. DM. Das Finanzamt veranlagt S zunächst antragsgemäß unter Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO. Nach Abschluss einer Betriebsprüfung versagt das Finanzamt die Steuerbefreiung und erlässt im Jahr 1999 einen auf § 164 II 1 AO gestützten Änderungsbescheid, da die Voraussetzungen der Steuerermäßigung nicht vorlägen. Den Änderungsbescheid ficht S mit dem Einspruch an. In der Einspruchsentscheidung vom 23.07.2001 weist das Finanzamt den Einspruch des S als unbegründet zurück. Die Zurückweisung beruht auf den zwischenzeitlich ergangenen Urteilen des Bundesfinanzhofs vom 12.04.200062 sowie 23.05.200063, wonach für das Vorliegen eines begünstigten Veräußerungsgewinnes bei der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils nunmehr die quotale Mitveräußerung von wesentlichen Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens zu fordern sei. S begehrt unter Berufung auf § 176 AO die Gewährung von Vertrauensschutz, da nach den im Jahr 1996 geltenden Verwaltungsvorschriften Büround Verwaltungsgebäude nicht als wesentliche Betriebsgrundlagen zu behandeln waren,64 die eine quotale Mitveräußerung erfordert hätten.

59 Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn. 22; v. Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176 AO Rn.  13; Balmes, in: Kühn/v. Wedelstädt, § 176 AO Rn.  9; Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn. 3; Koenig, in: Pahlke/Koenig, § 176 AO Rn. 6. 60 Balmes, in: Kühn/v. Wedelstädt, § 176 AO Rn. 9; Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn. 22; Koenig, in: Pahlke/Koenig, § 176 AO Rn. 6. 61 In Anlehnung an BFH, Urteil v. 14.02.2007 – XI R 30/05, BFHE 216, S. 559 ff., Sachverhalt teilweise abgewandelt und vereinfacht. 62 BFH, Urteil v. 12.04.2000 – XI R 35/99, BFHE 192, S. 419 ff. 63 BFH, Urteil v. 23.05.2000 – VIII R 11/99, BFHE 192, S. 474 ff. 64 Vgl. H 137 V EStH 1997, Stichwort „Wesentliche Betriebsgrundlage“; OFD München, Verfügung v. 21.12.1994 – S 2240 – 21/2 St 41, DB 1995, S. 118.

I. Einfachgesetzlich normierter Vertrauensschutz bei der Abgabenordnung

255

Der Bundesfinanzhof hat die Anwendbarkeit von § 176 AO vorliegend verneint.65 Die Anwendung der Vorschrift scheitere insbesondere daran, dass dem Wortlaut des § 176  AO zufolge auf den Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheides abzustellen sei. Überdies sei entscheidend, ob das Finanzamt die Änderung auf die geänderte Rechtsprechung stütze. In der Kommentarliteratur wurde diese Rechtsprechung weitestgehend unbesehen übernommen.66

Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs67 kann weder in ihren einzelnen Aspekten noch insgesamt überzeugen. Entscheidend muss zunächst der Gedanke sein, dass § 176 AO dem Schutz der materiellen Bestandskraft dient. Davon ausgehend ist es wenig einleuchtend, ausschließlich auf den Zeitpunkt zwischen Erlass des Erst- und Änderungsbescheids abzustellen und insoweit das Einspruchsverfahren vollständig auszuklammern. Denn das Einspruchsverfahren hält – freilich in den Grenzen von § 351 I AO – das Änderungsverfahren bis zu seinem Abschluss mit der Einspruchsentscheidung offen. Wenn und soweit sich eine Änderung der Rechtslage erst nach Erlass des Änderungsbescheids ergibt, wird die im Erstbescheid insoweit über § 176 AO zu schützende materielle Bestandskraft nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs durchbrochen. Mit diesem Ergebnis steht der Bundesfinanzhof jedoch selbst im Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsprechung, wonach das Vertrauen in „ein[en] Rechtsakt, der Eingang in einen Steuerbescheid gefunden hat, als [sich] später mit der Rechtsordnung nicht vereinbar erweist“68,

geschützt werden soll. Wenig einleuchtend ist überdies darauf abzustellen, ob das Finanzamt den Änderungsbescheid auf eine Änderung der Rechtslage stützt.69 Maßgeblich kann insofern nur sein, ob eine der Erstfestsetzung nicht zugrunde liegende Tatsachenbasis eine andere rechtliche Wertung zulässt und damit zusammenhängend der Anwendungsbereich anderer Korrekturvorschriften eröffnet ist. Lässt sich dies nicht zweifelsfrei ermitteln, wird im Regelfall von einer auf die Änderung der Rechtslage gestützten Korrektur auszugehen sein, was wiederum den Schutz des § 176 AO nach sich zieht. Das hier gefundene Ergebnis ist zudem konsequent vor 65

BFH, Urteil v. 14.02.2007 – XI R 30/05, BFHE 216, S. 559, 565 f. Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn. 8; v. Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176 AO Rn. 32; Szymczak, in: Koch/Scholtz, § 176 AO Rn. 2/1; in diesem Sinne wohl auch v. Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 102. 67 Die Auffassung des Bundesfinanzhofs kann als ständige Rechtsprechung bezeichnet werden, vgl. BFH, Urteil v. 11.01.1991  – III  R  60/89, BFHE  163, S.  286, 292; BFH, Urteil v. 20.12.2000 – I R 50/95, BFHE 194, S. 185, 190; zuletzt BFH, Urteil v. 09.12.2010 – I R 49/09, BFHE 232, S. 145, 152 f. 68 BFH, Urteil v. 16.12.1999 – IX R 86/00, BFHE 199, S. 1, 3. 69 Dass der vorstehend genannte Fall möglicherweise im Ergebnis richtig entschieden wurde, kann vorliegend dahingestellt bleiben, da sich der Bundesfinanzhof insoweit auf die Feststellungen des Betriebsprüfungsberichts bezieht, vgl. BFH, Urteil v. 14.02.2007  – XI R 30/05, BFHE 216, S. 559, 566. 66

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

dem Hintergrund, dass dadurch im Ergebnis ein Gleichlauf zwischen dem Schutz bei Änderungsbescheiden innerhalb und außerhalb des Einspruchsverfahrens hergestellt wird. Es kann nämlich kaum überzeugen, wenn im Schrifttum zur Vermeidung dieser Situation eine Rücknahme des Einspruchs angeregt wird;70 eine Rechtsschutzverkürzung des Steuerpflichtigen ist hier – im Gegensatz zum Erlass von Erstbescheiden – der dogmatisch falsche Pfad. Insgesamt ist § 176 AO damit auch auf Änderungen der Rechtslage anzuwenden, die zwischen Erlass des Änderungsbescheids und der Einspruchsentscheidung eintreten. (c) Keine Schutzwürdigkeit auf Seiten des Steuerpflichtigen erforderlich Als weiteres strukturprägendes Merkmal des § 176 AO lässt sich das fehlende Erfordernis schutzwürdigen Vertrauens auf Seiten des Steuerpflichtigen anführen.71 Zwar wird vereinzelt unter Rekurs auf den Grundsatz von Treu und Glauben eine Eingrenzung des Tatbestands gefordert.72 Im Ergebnis haben sich diese Bedenken jedoch aufgrund des insoweit eindeutigen Wortlauts sowie der gesetzgeberischen Intention, in typisierter Weise besonders schutzwürdige Konstellationen betätigten Vertrauens zu normieren,73 zu Recht nicht durchsetzen können. (d) Zusammenfassung Der tatbestandliche Anwendungsbereich von § 176 AO ist auf die Korrektur von Steuerbescheiden beschränkt und nicht auf Erstbescheide anwendbar. Hinsichtlich des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens ist § 176 AO in zeitlicher Hinsicht nicht auf den Erlass des Änderungsbescheids begrenzt, sondern umfasst auch zwischen Erlass des Änderungsbescheids und der Einspruchsentscheidung eingetretene Rechtsänderungen. Eine Schutzwürdigkeit des betätigten Vertrauens ist nicht erforderlich.

70

Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn. 22. v. Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 118; Koenig, in: Pahlke/Koenig, § 176 AO Rn. 9; Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn. 28; Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn. 6; Tiedtke/Szczesny, NJW 2002, S. 3733, 3737. 72 Rößler, BB 1981, S. 842, 843; Rößler, DStZ 1999, S. 603 f. 73 Vgl. die Ausführungen in BT-Drucks. VI/1982, S.  155, wo explizit von einem Rechtsanspruch ausgegangen wird; zur gesetzgeberischen Gestaltungsbefugnis bei typisierender Gewährung von Vertrauensschutz Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn.  7 u.  28; Hey, Steuer­ planungssicherheit, S. 598. 71

I. Einfachgesetzlich normierter Vertrauensschutz bei der Abgabenordnung

257

(2) § 176 I 1 Nr. 3 AO Bevor auf einzelne, im Rahmen dieser Untersuchung zu § 176 I 1 Nr. 3 AO interessierende Fragestellungen eingegangen werden kann, sei nochmals der besondere Bezug von § 176 I 1 Nr. 3 AO zum Untersuchungsgegenstand hervorgehoben. § 176 I 1 Nr. 3 AO gewährt – im Gegensatz zu einem allgemeinen Vertrauensschutz in höchstrichterliche Rechtsprechung – nur dann Vertrauensschutz bei der Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung, wenn die Verwaltung diese ihrem Vollzugsprogramm zugrunde legt. Da dies in der Praxis regelmäßig in den Anwendungshinweisen der entsprechenden Steuerrichtlinien geschieht,74 beinhaltet eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Sinne des § 176  I  1  Nr.  3  AO zugleich stets eine Abweichung vom bisherigen exekutiven Vollzugsprogramm und zieht in der Praxis – von Nichtanwendungserlassen abgesehen  – eine Änderung der entsprechenden Verwaltungsvorschriften nach sich. Der durch § 176 I 1 Nr. 3 AO gewährte Vertrauensschutz steht damit unter einem „Anwendungsvorbehalt“ der bisherigen höchstrichterlichen Recht­ sprechung durch das exekutive Vollzugsprogramm in Form von Verwaltungsvorschriften. Im Ergebnis stellt die Vorschrift des § 176 I 1 Nr. 3 AO fernab des Problemkreises der Nichtanwendungserlasse eine besondere Form der „bevorstehenden“ Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften dar; er ist mithin Ausdruck der alle Staatsgewalten umfassenden Dimensionen des hier untersuchten Problemkreises. Sofern sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist, darf dies gem. § 176 I 1 Nr. 3 AO im Rahmen der Korrektur eines Steuerbescheids nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden. Hinsichtlich der Schutzwirkungen dieser Vorschrift ergeben sich im Wesentlichen drei Problemkreise, die es im Rahmen dieser Untersuchung zu thematisieren gilt. Zunächst stellt sich die Frage, welche Anforderungen an die Qualität der Rechtsprechung zu stellen sind [a)]. Darüber hinaus bedarf es einer Vertiefung, wann eine Änderung der Rechtsprechung vorliegt [b)]. Schlussendlich ist von Interesse, in welchen Fällen die Finanzbehörde eine bestehende Rechtsprechung in der bisherigen Steuerfestsetzung angewendet hat [c)].

74

Z. B. in den EStH, KStH, ErbStH, etc.

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

(a) Qualitative Anforderungen an den Begriff der „Rechtsprechung“ Die qualitativen Anforderungen an die im Rahmen des § 176 I 1 Nr. 3 AO zugrunde zu legende Rechtsprechung sind seit der Existenz von § 176 AO streitig, ohne dass sich bis heute eine einheitliche Linie entwickelt hätte.75 Als allgemein anerkannt kann zunächst nur gelten, dass eine Rechtsprechung im Sinne des § 176 I 1 Nr. 3 AO lediglich dann vorliegt, wenn die Rechtsfrage überhaupt höchstrichterlich entschieden wurde.76 Die darüber hinausgehenden inhaltlichen Anforderungen an das Judikat sind dagegen unklar. (aa) Obiter dicta Zunächst sprechen Teile des Schrifttums sowie der finanzgerichtlichen Rechtsprechung inzident entschiedenen Rechtsfragen und obiter dicta die Qualität als Vertrauensgrundlage unter Hinweis auf die nicht tragenden Entscheidungsgründe ab.77 Dies kann indes nicht überzeugen. Einerseits ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu § 176 II AO anerkannt, dass auch nicht tragende Entscheidungsgründe einen diesbezüglichen Vertrauensschutz auslösen können.78 Insoweit ist es zutreffend, wenn der Bundesfinanzhof von einem Erst-Recht-Schluss von entscheidungserheblichen Gründen auf obiter dicta ausgeht. Andererseits –  und dies dürfte das entscheidende Argument für die Einbeziehung von obiter dicta in den Anwendungsbereich des § 176 AO sein  – muss bedacht werden, dass nach Wortlaut und Normzweck des § 176 I 1 Nr. 3 AO insbesondere die Anwendung der Rechtsprechung durch die Finanzbehörde der maßgebliche Anknüpfungspunkt ist. Wenn die Finanzbehörde den Steuerbescheid insofern auf ein obiter dictum einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs stützt, sind keine Gründe ersichtlich, den Vertrauensschutz zu versagen. Insoweit kann nur maßgeblich sein, ob und inwieweit die Entscheidungsgründe von der bisherigen Rechtsprechung abweichen. Die so-

75

Zum Streitstand insgesamt: v. Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 170 ff.; Koenig, in: Pahlke/ Koenig, § 176 AO Rn. 25 ff.; Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn. 15 ff.; Szymczak, in: Koch/ Scholtz, § 176 AO Rn. 6 f.; 76 Vgl. statt Vieler nur BFH, Urteil v. 08.12.1998 – IX R 49/95, BFHE 187, S. 512, 520 f.; Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn. 17a; Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn. 16. 77 So insbesondere Frotscher, in: Schwarz, § 176  AO Rn.  63 zu § 176  II  AO; Koenig, in: Pahlke/Koenig, § 176 AO Rn.  27; v.  Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn.  175; v. Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176 AO Rn. 28; FG München, Urteil v. 15.09.1992 – 12 K 2754/91, EFG  1992, S.  302 f. mit unzutreffendem Verweis auf die vermeintliche Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs; FG  Baden-Württemberg, Urteil v. 29.10.1992  – 6  K  179/88, EFG  1993, S. 337, 339. 78 BFH, Urteil v. 28.09.1987 – VIII R 154/86, BFHE 151, S. 107, 110 f.; inhaltsgleich vom selben Tage auch BFH, Urteil v. 28.09.1987 – VIII R 163/84, BFHE 154, S. 375 ff.; bestätigt durch BFH, Urteil v. 28.10.1992 – X R 117/89, BFHE 170, S. 11, 13 f.

I. Einfachgesetzlich normierter Vertrauensschutz bei der Abgabenordnung

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eben gemachten Ausführungen sind streng zu unterscheiden von der Fragestellung, ob eine Änderung der Rechtsprechung auch anhand inzident entschiedener Rechtsfragen bzw. obiter dicta erfolgen kann. (bb) Eindeutig entschiedene Rechtsfrage? Ein weiterer problematischer Aspekt ergibt sich hinsichtlich der Frage, ob die über § 176 I 1 Nr. 3 AO zu schützende Rechtsprechung ein zeitliches Moment im Sinne eines fortdauernden Bestehens oder mehrfacher Wiederholung aufweisen muss. Zwar wird sowohl seitens des Bundesfinanzhofs als auch der Literatur gern darauf verwiesen, dass eine ständige und gefestigte Rechtsprechung für einen Vertrauensschutz ausweislich des Wortlauts von § 176  I  1  Nr.  3 AO nicht erforderlich sei79 und bereits eine einmalige eindeutige Entscheidung ausreiche.80 Dieses vermeintlich günstige Ergebnis wird jedoch dadurch wieder relativiert, dass bloße „Erörterungen“ gewisser Rechtsfragen sowie eine „sich erst allmählich entwickelnde und konkretisierende“ Rechtsprechung für eine „Eindeutigkeit“ nicht ausreichen.81 Anderenfalls entstehe ein Widerspruch zur allgemeinen Auslegung höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. für das Revisionsrecht insbesondere § 115 II Nr. 1 FGO).82 Die für und gegen eine „eindeutig“ entschiedene Rechtsfrage vorgetragenen Aspekte gehen entschieden an der Kernproblematik vorbei. Denn wenn und soweit sich die Finanzbehörde auf die von einem obersten Bundesgericht vorgetragenen Argumente und (auch nicht tragenden) Entscheidungsgründe stützt, kommt es grundsätzlich nicht auf deren Eindeutigkeit an. Die Anwendung der Entscheidung eines obersten Bundesgerichts beruht auf Seiten der Finanzverwaltung vielmehr darauf, dass diese die Frage für sich durch die von ihr zugrunde gelegte, im Judikat angesprochene Rechtsauffassung des obersten Bundesgerichts verbindlich geklärt sieht. Nur diese Sichtweise ist in der Lage, den durch § 176 AO bezweckten Schutz der materiellen Bestandskraft im Rahmen der Anwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung durch die Finanzverwaltung zu erklären. Auch die Bemühung der Revisionszulassungsgründe des § 115  II  Nr.  1  u.  2  FGO ändert hieran nichts; das Rechtsmittelrecht ist mit der materiellen Bestandskraft von Steuerbescheiden insoweit nicht vergleichbar. Die Einführung eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals der „eindeutig entschiedenen Rechtsfrage“ führt letzt 79

Der Gesetzesentwurf sah in BT-Drucks. VI/1982, S. 155 diese Einschränkung noch vor. BFH, Urteil v. 10.06.2008 – VIII R 79/05, BFHE 222, S. 320, 328 f.; v. Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 171; v. Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176 AO Rn. 28; Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn. 17; Koenig, in: Pahlke/Koenig, § 176 AO Rn. 26. 81 Vgl. BFH, Urteil v. 10.06.2008  – VIII  R  79/05, BFHE  222, S.  320, 329; BFH, Urteil v. 20.08.1997  – X  R  58/93, BFH/NV  1998, S.  314, 315 f. m.w.N.; Müller, AO-StB  2013, S. 250, 254. 82 So insbesondere v. Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 176. 80

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lich dazu, der gesetzgeberischen Intention einer gefestigten Rechtsprechung83 im Ergebnis durch die dogmatische Hintertür zum Durchbruch zu verhelfen. Denn als „eindeutig“ entschieden wird eine Rechtsfrage meist nur dann gelten, wenn diese wenigstens erneut bestätigt wurde. Im Ergebnis bedarf es nach den hier vertretenen Maßstäben keiner „eindeutig“ durch das oberste Bundesgericht entschiedenen Rechtsfrage. Vielmehr reicht es aus, wenn sich im Einzelfall ein aus den Entscheidungsgründen wenigstens durch Auslegung ermittelbarer Rechtssatz ergibt. (cc) Rechtslage ersichtlich unklar Eine weitere, vornehmlich von der Kommentarliteratur vorgenommene Einschränkung des von § 176  I  1  Nr.  3 AO umfassten Vertrauensschutzes stellt das Kriterium der „ersichtlich unklaren Rechtslage“ dar:84 Ergehen zu einer bisher entschiedenen Rechtsfrage abweichende Judikate oder Vorlagebeschlüsse an den Großen Senat des Bundesfinanzhofs bzw. Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, könne nicht mehr von einer „eindeutigen“ Rechtsprechung ausgegangen werden. Insbesondere sei –  in Anlehnung an die zu Gesetzen er­ gangene Rückwirkungsdogmatik – das in den Fortbestand der früheren Rechtslage gesetzte Vertrauen nicht mehr schutzwürdig.85 Die im Schrifttum vorgenommene Einschränkung aufgrund der „ersichtlich unklaren Rechtslage“ überzeugt nicht. Wie bereits vorstehend festgestellt wurde, knüpft § 176 AO gerade nicht an individuelle Schutzwürdigkeitsaspekte des Steuerpflichtigen an, sondern unterstellt diese in typisierender Weise. Eine so vorgenommene Einschränkung ist daher weder vom Wortlaut des § 176 AO noch von der gesetzgeberischen Intention gedeckt. Überdies muss in Anlehnung an die Ausführungen im 4.  Kapitel86 bedacht werden, dass mit einem Vorlagebeschluss an den Großen Senat nicht stets eine Änderung und Aufgabe der Rechtsprechung verbunden ist. Sollte sich die Rechtsprechung aus anderen Gründen ändern, wäre die von der Literatur vorgenommene Einschränkung in der Lage, den durch § 176 I 1 Nr. 3 AO bezweckten Vertrauensschutz aufgrund normfremder Erwägungen zu beseitigen.

83

BT-Drucks. VI/1982, S. 155. Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn. 16; Koenig, in: Pahlke/Koenig, § 176 AO Rn. 28; ähnlich wohl auch Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn. 37. 85 So insbesondere Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn. 16; einschränkender Koenig, in: Pahlke/Koenig, § 176 AO Rn. 28. 86 s. oben, 4. Kapitel, III. 3. c) bb) (2), S. 223 ff. 84

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(b) Änderung der Rechtsprechung Sofern nach den vorstehenden Maßgaben eine über § 176 I 1 Nr. 3 AO geschützte Rechtsprechung vorliegt, stellt sich in einem gleichsam darauffolgenden Schritt die Frage, in welchen Fällen sich diese geändert hat. Der Bundesfinanzhof geht davon aus, dass eine geänderte Rechtsprechung i.S.d. § 176 I 1 Nr. 3 AO vorliegt, „wenn ein im Wesentlichen gleichgelagerter Fall nunmehr anders entschieden worden ist“87.

Der vom Bundesfinanzhof entwickelten Formel zur Beurteilung einer Rechtsprechungsänderung ist vom Grundsatz her zu folgen. Insbesondere können auch obiter dicta und inzident entschiedene Rechtsfragen zu einer geänderten Rechtsprechung i.S.d. § 176 I 1 Nr. 3 AO führen, da diese bereits zur vertrauensbegründenden Rechtsprechung zählen. Grundlegende Zweifel bestehen indes an der Handhabung der obigen Formel durch den Bundesfinanzhof in seiner eigenen Rechtsprechung. Hier werden die Grenzen für eine Vergleichbarkeit der verschiedenen Fälle sehr eng gezogen,88 sodass sich das Problem einer geänderten Rechtsprechung zumeist nicht stellt bzw. schlichtweg umgangen wird. Dieser rechtstatsächliche Befund kann vor dem Hintergrund des von der Literatur entwickelten und kaum aussagefähigen Kriteriums der „eindeutig entschiedenen Rechtsfrage“ jedoch nur wenig überraschen. Für die Beurteilung des Zeitpunkts, wann eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung stattgefunden hat, ist nach überwiegender Auffassung entscheidend, ob bzw. wann die geänderte Rechtsprechung in einem (nicht-)amtlichen Publikationsorgan veröffentlicht wurde.89 Dem ist prinzipiell zu folgen, wenn auch bedacht werden muss, dass ebenfalls in nicht veröffentlichten Entscheidungen eine die Gewährung von Vertrauensschutz auslösende Rechtsprechungsänderung stattfinden kann.90

87 Zitiert nach BFH, Urteil v. 10.06.2008 – VIII R 79/05, BFHE 222, S. 320, 329. Ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteil v. 21.11.2000 – IX R 2/96, BFHE 193, S. 460, 475; BFH, Urteil v. 07.12.1988 – X R 15/87, BFHE 155, S. 353, 356 f. Die Kommentarliteratur ist der Auffassung des Bundesfinanzhofs überwiegend gefolgt, s. v. Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 180; v. Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176 AO Rn.  32; Koenig, in: Pahlke/Koenig, § 176 AO Rn. 29; Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn. 36; Szymczak, in: Koch/Scholtz, § 176 AO Rn. 6; Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn. 17; Balmes, in: Kühn/v. Wedelstädt, § 176 AO Rn. 18. 88 s. dazu beispielsweise: BFH, Urteil v. 08.12.1998  – IX  R  49/95, BFHE  187, S.  512, 520 f. zur Anwendbarkeit des Baupatenbeschlusses auf vermögensverwaltende Gesellschaften, dort im Ergebnis offengelassen; deutlicher dagegen BFH, Urteil v. 07.12.1988 – X R 15/87, BFHE  155, S.  353 ff. zur Frage des beschränkten Betriebsausgabenabzugs für Fahrten zwischen Wohnung und auswärtiger Betriebsstätte; BFH, Urteil v. 20.08.1997 – X R 58/93, BFH/ NV 1998, S. 314, 315 zur geänderten Rechtsprechung hinsichtlich der Aktivierbarkeit eines unentgeltlich erworbenen Firmenwerts. 89 v.  Groll, in: HHSp, § 176  AO Rn.  183; v.  Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176  AO Rn. 30; Balmes, in: Kühn/v. Wedelstädt, § 176 AO Rn. 18; Müller, AO-StB 2013, S. 250, 253. 90 In diese Richtung wohl auch Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn. 17.

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

(c) Anwendung bestehender Rechtsprechung durch die Finanzbehörde Die Kernfrage bei der Anwendung des § 176 I 1 Nr. 3 AO konzentriert sich vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen darauf, ob und wann die bisherige Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes von der Finanzbehörde bei der Steuerfestsetzung angewandt worden ist. Verhältnismäßig klar zu handhaben sind zunächst diejenigen Fälle, in denen sich insbesondere aus dem Steuerbescheid oder aber einer vorherigen Anhörung nach § 91 AO ergibt, dass sich die Finanzbehörde hinsichtlich der Behandlung einer Rechtsfrage im konkreten Fall auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs beruft. Sollte dies nicht der Fall sein, besteht nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ähnlich der Rechtsfigur eines prima-facie-Beweises die widerlegbare Vermutung, dass die einschlägige Rechtsprechung von der Finanzbehörde angewandt worden ist.91 Widerlegt werden könne diese Vermutung nach Auffassung des Bundesfinanzhofs im Einzelfall insbesondere durch eindeutige Aktenvermerke bzw. generell bei Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durch Nichtanwendungserlasse oder aber der Rechtsprechung inhaltlich widersprechende bzw. entgegenstehende Verwaltungsvorschriften.92 Ähnlicher Auffassung ist auch die Finanzverwaltung, welche die Frage der Anwendbarkeit höchstrichterlicher Rechtsprechung sogar im Hinblick auf die Angaben in den Steuererklärungen auf die Ebene des Steuerpflichtigen verschiebt und hier maßgeblich auf ein Einverständnis der Finanzbehörde abstellt (z.B. in Form einer Veröffentlichung der Entscheidung im BStBl. II).93 Das Bestehen einer widerlegbaren Vermutung für die Anwendung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein grundsätzlich taugliches und rechtspolitisch zudem begrüßenswertes Mittel, um den Vertrauensschutz im Bereich der Steuerbescheide über § 176 I 1 Nr. 3 AO zu begründen. Indes fehlt der vom Bundesfinanzhof aufgestellten Vermutung eine dogmatisch tragfähige Herleitung. Dies wird insbesondere an den Widerlegungsmöglichkeiten deutlich: So kann es angesichts von der –  auch im Allgemeinen Verwaltungsrecht vorherr 91 Grundlegend BFH, Urteil v. 11.01.1991 – III R 60/89, BFHE 163, S. 286, 292 f.; bestätigt durch BFH, Urteil v. 08.02.1995 – I R 127/93, BFHE 177, S. 332, 337 f.; BFH, Urteil v. 08.12.1998 – IX R 49/95, BFHE 187, S. 512, 520; BFH, Urteil v. 21.11.2000 – IX R 2/96, BFHE 193, S. 460, 475. Aus der Kommentarliteratur: v. Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 191; Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn. 18; Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn. 19. 92 BFH, Urteil v. 11.01.1991 – III R 60/89, BFHE 163, S. 286, 292 f. 93 s. die Regelung in AEAO zu § 176 AO Tz. 3 S. 1 u. 2: „Hat der Steuerpflichtige die bis­ herige Rechtsprechung seinen Steuererklärungen stillschweigend und für das FA nicht erkennbar zugrunde gelegt, gilt der Vertrauensschutz nur, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Finanzbehörde mit der Anwendung der Rechtsprechung einverstanden gewesen wäre. Das Einverständnis ist immer dann zu unterstellen, wenn die Entscheidung im Bundessteuerblatt veröffentlicht worden war und keine Verwaltungsanweisung vorlag, die Rechtsprechung des BFH über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden.“

I. Einfachgesetzlich normierter Vertrauensschutz bei der Abgabenordnung

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schenden  – Erklärungstheorie in § 124  I  2  AO nicht überzeugen, auf lediglich finanzamtsinterne Aktenvermerke abzustellen, von denen der Steuerpflichtige regelmäßig keine Kenntnis erhält.94 Ein ähnliches Problem stellt sich bei nicht veröffentlichten Nichtanwendungserlassen; hier ist nicht ersichtlich, welcher Rechtsauffassung die Finanzbehörde im Ergebnis folgt. Die fehlende dogmatische Überzeugungskraft der Vermutung wird zudem verstärkt durch die Beschränkung auf Konstellationen einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung; ein sachlicher Grund für diesen begrenzten Anwendungsbereich ist nicht ersichtlich.95 Insgesamt muss daher hinsichtlich der Frage, ob die Finanzbehörde die bestehende Rechtsprechung angewandt hat, bei fehlenden Anzeichen im Einzelfall stets auf die bestehende behördeninterne Weisungslage abgestellt werden. Diese kann allenfalls in den Konstellationen rechtswidriger Nichtanwendungserlasse unbeachtlich sein. Die hier vertretene Handhabung der Vermutung steht zudem im Einklang mit dem Grundsatz der Organtreue, wonach der Finanzbehörde ein erneuter, zugleich regelmäßig letztmaliger Versuch zur höchstrichterlichen Klärung von Rechtsfragen zuzugestehen ist. Mithin besteht sowohl bei Steuererklärungen als auch -anmeldungen im Rahmen des § 176 I 1 Nr. 3, S. 2 AO eine auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Organtreue fundierte Vermutung, dass die Finanzverwaltung ihren Steuerfestsetzungen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zugrunde legt. (d) Zusammenfassung Der durch § 176 I 1 Nr. 3 AO bezweckte Vertrauensschutz bei einer Ände­rung der höchstrichterlichen Rechtsprechung entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als ein Schutz der höchstrichterlich bestätigten bzw. auf höchstrichterlichen Präjudizien beruhenden Verwaltungspraxis und damit namentlich Verwaltungsvorschriften. Dies kann vor dem Hintergrund, dass sich die Probleme einer rückwirkenden Änderung der untergesetzlichen Rechtslage sowohl in Bezug auf höchstrichterliche Präjudizien als auch Verwaltungsvorschriften in vielfacher Hinsicht überschneiden,96 kaum überraschen. Die Ausführungen konnten dabei aufzeigen, dass insbesondere die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs den Tatbestand des § 176 I 1 Nr. 3 AO zu eng auslegt und in vielfacher Hinsicht dogmatisch nicht überzeugend handhabt. Es verwundert insofern wenig, dass ein 94

v. Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 192. v.  Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176  AO Rn.  31; v.  Groll, in: HHSp, § 176  AO Rn. 193. 96 Dazu nochmals Hey, Steuerplanungssicherheit, S.  593 ff.; ein Blick auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zeigt überdies, dass die Rechtsfragen von § 176 I 1 Nr. 3 AO sowie § 176 II AO oftmals im Zusammenhang geprüft werden, vgl. BFH, Urteil v. 10.11.1988 – IV R 63/86, BFHE 155, S. 109, 113 f.; BFH, Urteil v. 23.02.1994 – X  R  123/92, BFHE  174, S.  73, 79 f.; BFH, Urteil v. 20.12.2000  – I  R  50/95, BFHE  194, S. 185, 189 f. 95

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

Großteil der zu § 176 I 1 Nr. 3 AO ergangenen Entscheidungen nicht zugunsten des Steuerpflichtigen gefällt wurde.97 (3) § 176 II AO Wie die vorstehenden Erörterungen gezeigt haben, wird ein Großteil der auftretenden Vertrauensschutzprobleme bei der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften einfachgesetzlich bereits über § 176 I 1 Nr. 3 AO abgewickelt. Weitergehende Vertrauensschutzlücken versucht die Vorschrift des § 176 II AO zu schließen. Nach § 176 II AO darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, einer obersten Bundes- oder Landesbehörde von einem obersten Gerichtshof des Bundes als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet worden ist. Der über § 176 II AO verwirklichte Schutz wird allgemein als lückenhaft und fragmentarisch angesehen:98 So umfasst § 176  II  AO lediglich Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung sowie einer obersten Bundes- oder Landesbehörde; die in der Praxis außerordentlich relevanten Verfügungen und Rundschreiben der Mittelbehörden sind davon ausgenommen.99 Weiterhin bezieht sich die Norm nur 97 BFH, Urteil v. 31.03.1987 – IX R 111/86, BFHE  150, S.  7, 11 f.  – Finanzamt hat sich nicht auf Änderung der Rechtsprechung gestützt. BFH, Urteil v. 10.11.1988  – IV  R  63/86, BFHE  155, S.  109, 113 f.  – keine Änderung der Rechtslage. BFH, Urteil v. 15.11.1990  – IV R 20/89, BFH/NV 1991, S. 731 – sachliche Rechtfertigung der Rechtsprechung ist nicht Gegenstand von § 176 AO. BFH, Urteil v. 11.01.1991 – III R 60/89, BFHE 163, S. 286, 291 ff. – keine Vermutung, dass bisherige Rechtsprechung von Finanzbehörde angewandt worden ist; BFH, Urteil v. 19.03.1991 – IX R 247/87, BFH/NV 1991, S. 744; BFH, Urteil v. 20.12.2000 – I R 50/95, BFHE 194, S. 185, 190; BFH, Urteil v. 11.04.2002 – V R 26/01, BFHE 198, S. 238, 242; BFH, Beschluss v. 06.06.2007 – V B 64/06, BFH/NV 2007, S. 1802 f. – § 176 AO schützt nicht vor Änderung der Rechtslage im Rechtsbehelfsverfahren nach Erlass eines Änderungsbescheids. BFH, Urteil v. 23.02.1994 – X R 123/92, BFHE 174, S. 73 ff. – kein vergleichbarer Sachverhalt. BFH, Urteil v. 23.04.1996  – IX  R  5/94, BFHE  180, S.  374 ff.; BFH, Vorlagebeschluss v. 16.12.1998  – I  R  50/95, BFHE  187, S.  305, 307; BFH, Urteil v. 24.03.1999  – I  R  114/97, BFHE  188, S.  315, 323; BFH, Urteil v. 05.09.2000  – IX  R  33/97, BFHE  192, S. 559, 574 f.; BFH, Urteil v. 14.11.2001 – X R 39/98, BFHE 197, S. 179, 186 f. – keine Änderung der Rechtsprechung. BFH, Urteil v. 30.10.1997 – IV R 76/96, BFH/NV 1998, S. 578, 579; BFH, Urteil v. 08.12.1998 – IX R 49/95, BFHE 187, S. 512, 520 f.; BFH, Urteil v. 21.11.2000 – IX R 2/96, BFHE 193, S. 460, 476 – keine Anwendung der bisherigen Rechtsprechung durch die Finanzbehörde. Soweit ersichtlich, wurde lediglich im Fall BFH, Urteil v. 11.10.2007  – V R 27/05, BFHE 219, S. 266 ff. zugunsten des Klägers entschieden. 98 Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn. 9; Hey, DStR 2004, S. 1897, 1903; allgemein auch v. Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176 AO Rn. 1. 99 BFH, Urteil v. 28.10.1992  – X  R  117/89, BFHE  170, S.  11, 14; Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn. 25; v. Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 212; Szymczak, in: Koch/Scholtz, § 176 AO Rn. 11; v. Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176 AO Rn. 35.

I. Einfachgesetzlich normierter Vertrauensschutz bei der Abgabenordnung

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auf die Rechtswidrigkeitserklärung durch ein oberstes Bundesgericht; eine Aufhebung durch die erlassende Behörde selbst wird von der Vorschrift gerade nicht erfasst.100 Obgleich die Gewährung von Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Ände­ rung von Verwaltungsvorschriften in Bezug auf § 176 II AO teilweise als verfassungsrechtlich problematisch angesehen wird,101 können in Anbetracht der im 4. Kapitel gefundenen Ergebnisse102 keine ernsthaften Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift bestehen.103 Angesichts des äußerst engen Anwendungsbereichs von § 176 II AO hat sich der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich nicht zu be­anstandender Weise zur Gewährung typisierenden Vertrauensschutzes für die Konstellationen der Verwendungsplanung entschieden. Demzufolge kommt es mangels subjektiver Schutzwürdigkeitskriterien auch nicht darauf an, ob und inwiefern eine Verwaltungsvorschrift schon bei ihrem Erlass in grobem Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs steht.104 Überdies zeigt die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass die Gewährung von Vertrauensschutz über § 176 II AO in der Praxis für den Steuerpflichtigen im Vergleich zu § 176 I 1 Nr.  3  AO deutlich einfacher durchsetzbar sein kann: Ausreichend ist insofern, dass die Verwaltungsvorschrift in der Entscheidung als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet wird; der Nachweis einer „geänderten“ und zudem von der Finanzverwaltung angewandten Rechtsprechung wird gerade nicht gefordert.105 Insgesamt lässt sich § 176 II AO vor dem Hintergrund der nicht zu beanstandenden Handhabung in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und trotz seines eingeschränkten Anwendungsbereichs als effektive Korrekturbegrenzungsnorm 100

H. M., s. BFH, Urteil v. 22.07.1987 – I R 224/83, BFHE 150, S. 546, 549; sinngemäß auch BFH, Urteil v. 11.10.1988 – VIII R 419/83, BFHE 155, S. 298, 305. Aus dem Schrifttum vgl. nur Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn. 23; v. Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176 AO Rn. 38; v. Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 213; Rüsken, in: Klein, § 176 AO Rn. 25; Szymczak, in: Koch/Scholtz, § 176 AO Rn. 11/2; a.A. Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 683 mit dem nur bedingt überzeugenden Argument der vermeintlichen Regelungslücke. 101 In diese Richtung andeutend zumindest Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn. 5; deutlicher Rößler, BB 1981, S. 842, 844. 102 s. oben, S. 241 f. 103 Loose, in: Tipke/Kruse, § 176 AO Rn. 1; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 593 ff., 597. 104 So aber v. Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, § 176 AO Rn. 36 u. Balmes, in: Kühn/v. Wedel­ städt, § 176 AO Rn. 25 unter Berufung auf BFH, Beschluss v. 21.04.2005 – III B 40/04, BFH/ NV 2005, S. 1480 f. – der Beschluss enthält diese These lediglich in seinem ersten Leitsatz, ohne dass in der Entscheidung selbst dieser Gedanke nochmals aufgegriffen wurde. Der Beschluss muss daher – auch vor dem Hintergrund, dass es sich um die Rückforderung von Investitionszulage handelt – als nicht verallgemeinerbare Einzelfallentscheidung betrachtet werden. 105 BFH, Urteil v. 28.09.1987  – VIII  R  163/84, BFHE  154, S.  375, 379 f.; BFH, Urteil v. 28.10.1992 – X R 117/89, BFHE 170, S. 11, 13; BFH, Urteil v. 20.08.1997 – X R 58/93, BFH/ NV 1998, S. 314, 316; v. Groll, in: HHSp, § 176 AO Rn. 213; v. Wedelstädt, in: Beermann/ Gosch, § 176 AO Rn. 37; Szymczak, in: Koch/Scholtz, § 176 AO Rn. 11; Frotscher, in: Schwarz, § 176 AO Rn. 63.

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

im Falle der Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden bezeichnen. Die durch den Gesetzgeber in typisierender Weise unterstellte Schutzwürdigkeit leistet dabei zumindest bei erlassenen Steuerbescheiden einen bedeutenden Beitrag zum Schutz des Steuerpflichtigen gegenüber der Aufhebung und Änderung einer Verwaltungsvorschrift aufgrund einer Rechtswidrigkeitserkenntnis durch ein oberstes Bundesgericht, insbesondere den Bundesfinanzhof. e) Zusammenfassung und Ergebnis Der auf einfachgesetzlicher Ebene für den Bereich der Steuerbescheide verwirklichte Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften ist auf das Korrekturrecht beschränkt und damit von deutlichen Schutzlücken geprägt. Als am umfassendsten kann noch das durch die §§ 173, 175 I 1 Nr. 2 AO gewährleistete Schutzniveau gelten, da dieses in Bezug auf eine veränderte Tatsachenbasis bzw. Rechtslage bereits die Möglichkeit zur Rechtsfehlerkorrektur über das Institut der materiellen Bestandskraft begrenzt. Sofern dieser „verfahrensrechtliche Schutzwall“ durch eine Korrektureröffnungsnorm durchbrochen wird, kann die rückwirkende Aufhebung bzw. Änderung einer Verwaltungsvorschrift je nach Konstellation im Rahmen des § 176 I 1 Nr. 3 AO und § 176 II AO berücksichtigt werden. Der Anwendungsbereich von § 176 AO ist dabei von verschiedenen Abgrenzungsfragen gekennzeichnet, die in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sowie im Schrifttum dogmatisch vielfach nicht überzeugend gelöst werden. Der durch § 176 I 1 Nr. 3 AO bezweckte Schutz vor einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt sich bei genauerem Hinsehen als ein Schutz vor der Änderung einer finanzbehördlich zugrunde gelegten höchstrichterlich bestätigten Rechtsauffassung dar. § 176  II AO schützt in Anbetracht seines engen Anwendungsbereichs nur in geringem Umfang vor der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften aufgrund höchstrichterlicher Rechtswidrigkeitserkenntnis. Mithin verwundert es nicht, wenn § 176 AO nach fast 40-jähriger Existenz immer noch als „terra incognita“106, die „schwierig zu handhaben“107 ist, bezeichnet wird. Zusammengefasst besteht das vertrauensschutzrechtliche Defizit auf dem Gebiet der Steuerbescheide darin, dass das steuerliche Verfahrensrecht lediglich über das Rechtsinstitut der Bestandskraft und dort auch nur punktuell sowie dogmatisch lückenhaft vor einer Änderung erlassener Verwaltungsentscheidungen schützt. Die Lückenhaftigkeit des positivrechtlichen normierten Vertrauensschutzes im Bereich der Steuerbescheide zeigt sich nach alledem darin, dass ein Schutz von Vertrauensbetätigungen des Steuerpflichtigen vor Erlass des Steuerbescheids nicht existiert. 106

Müller, AO-StB 2013, S. 250. Müller, Fn. 106.

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I. Einfachgesetzlich normierter Vertrauensschutz bei der Abgabenordnung

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2. Vertrauensschutz im Bereich der sonstigen steuerlichen Verwaltungsakte Die Gewährung von Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften wird für den Bereich der sonstigen steuerlichen Verwaltungsakte durch die Berücksichtigungsmöglichkeit von Vertrauensschutzaspekten im Wege pflichtgemäßer Ermessensausübung verwirklicht. Wenn und soweit der (Finanz-)Behörde Ermessensspielräume eingeräumt sind, hat diese die Vertrauensschutzaspekte des Bürgers als Schranke sachgerechter Ermessensausübung angemessen in die Ermessensausübung einzustellen.108 Im Gegensatz zum strikt gesetzesakzessorischen Steuerbescheid eröffnet das steuerliche Verfahrensrecht für die tatsächliche Verwirklichung des Steueranspruchs beträchtliche Ermessensspielräume, die den Finanzbehörden eine flexible und im Einzelfall zugleich freiheitsschonende Gesetzesanwendung ermöglichen sollen.109 Insofern ist klar, dass die Möglichkeit zur Berücksichtigung von Vertrauensschutzaspekten – im Gegensatz zu Steuerbescheiden – sowohl im Hinblick auf den erstmaligen Erlass als auch die Aufhebung und Änderung bestehender sonstiger steuerlicher Verwaltungsakte besteht. a) Vertrauensschutz als Schranke pflichtgemäßer Ermessensausübung beim erstmaligen Erlass eines sonstigen steuerlichen Verwaltungsakts Von diesen Grundüberlegungen ausgehend eröffnet sich in Bezug auf sonstige steuerliche Verwaltungsakte, die eine Akzessorietät zur entstandenen Steuerschuld aufweisen, ein praktisch bedeutsames Anwendungsfeld. Zu denken ist hier insbesondere an den erstmaligen Erlass von Haftungsbescheiden i.S.d. § 191 AO sowie die Feststellung von im Insolvenzverfahren bestrittenen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gem. § 251 III AO, sofern jeweils noch kein Steuerbescheid erlassen wurde. Beispiel:110 Die K-Klinik GmbH stellt ihrem Pflegepersonal unentgeltlich Dienstwohnungen in der Nähe der Klinikgebäude zur Verfügung. Als Mietzins ist für das Personal das auf einer Verfügung der Oberfinanzdirektion beruhende Entgelt für vergleichsübliche Dienst 108 Das ist sowohl bei Vertretern des Allgemeinen Verwaltungsrechts als auch des Steuerrechts unstreitig, s. für das Allgemeine Verwaltungsrecht: Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 40 VwVfG Rn. 83; Seibert, in: FG BVerwG 2003, S. 535, 539 ff.; Blanke, Vertrauensschutz, S. 223 ff.; Schwarz, Vertrauensschutz, S. 323 ff., 325. Für das Steuerrecht: Neumann, in: Beermann/Gosch, § 5 AO Rn. 19; Pahlke, in: Pahlke/Koenig, § 5 AO Rn. 33; Schwarz, in: Schwarz, § 5 AO Rn. 42; Wernsmann, in: HHSp, § 5 AO Rn. 158 u. 212; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 5 AO Rn. 55. 109 Dazu Jochum, Grundfragen, S. 123 ff.; zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der Einräumung von Ermessen insbesondere im Steuerrecht Wernsmann, in: HHSp, § 5 AO Rn. 30 ff. 110 Basierend auf BFH, Urteil v. 25.10.1985 – VI R 130/82, BFHE 144, S. 569 ff.

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

wohnungen des Bundes angesetzt. Das Finanzamt gelangt im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung zu dem Ergebnis, dass der angesetzte Mietzins zu niedrig sei und die Differenz zum üblichen Mietzins einen geldwerten Vorteil im Sinne des § 8 II 1 EStG darstelle. Gegen K ergeht ein auf § 42d EStG gestützter Haftungsbescheid in Höhe der Differenz des geldwerten Vorteils. Der Bundesfinanzhof hat die Inanspruchnahme des Arbeitgebers im vorstehenden Fall als ermessenswidrig angesehen.111 Entscheidend sei insofern, dass die Billigkeit als Schranke der Ermessensausübung eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers im Falle eines vermeidbaren Rechtsirrtums verhindere.

Dem Bundesfinanzhof ist im Ergebnis, wenn auch mit anderer Begründung zuzustimmen. Wenn der Bundesfinanzhof die Billigkeit als Schranke der Ermessensausübung ansieht, wird damit im Ergebnis nichts anderes als die Pflicht zur Berücksichtigung von Vertrauensschutzaspekten im Wege der pflichtgemäßen Ermessensausübung gemeint.112 Legt man mit der herrschenden Auffassung in­ soweit eine solche Ermessensdogmatik zugrunde, bedeutet dies im Ergebnis nichts anderes als Vertrauensschutz bei der Rechtswidrigkeitserkenntnis steuerlicher Verwaltungsvorschriften zu gewähren. Insofern überrascht es durchaus, dass der Bundesfinanzhof in diesem Fall sogar –  entgegen seiner sonstigen Doktrin zur „unklaren Rechtslage“113  – „unklare Lohnsteuer-Richtlinien“114 als Vertrauens­ tatbestand genügen lässt. Schließlich dürfte regelmäßig davon auszugehen sein, dass sowohl der Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer im Hinblick auf den insoweit „steuerfreien“ Arbeitslohn (wie auch immer geartete)  schutzwürdige Dispositionen treffen, ohne dass sich dies als eine spezifische Besonderheit der verschuldensunabhängigen Inanspruchnahme des Arbeitgebers als Haftungsschuldner darstellen würde. b) Vertrauensschutz als Schranke pflichtgemäßer Ermessensausübung bei Rücknahme und Widerruf eines sonstigen steuerlichen Verwaltungsakts, §§ 130, 131 AO In Ergänzung zu den Beschränkungen beim erstmaligen Erlass eines sonstigen steuerlichen Verwaltungsakts müssen auch bei dessen Rücknahme bzw. Widerruf nach den §§ 130, 131 AO Vertrauensschutzaspekte zugunsten des Bürgers berücksichtigt werden. Obgleich die Übertragbarkeit der einfachgesetzlichen Wertung des § 176 II AO auf die §§ 130, 131 AO sowie das Allgemeine Verwaltungsrecht 111 BFH, Urteil v. 25.10.1985 – VI R 130/82, BFHE 144, S. 569, 571 f.; zustimmend Jatzke, in: Beermann/Gosch, § 191 AO Rn. 26; Loose, in: Tipke/Kruse, § 191 AO Rn. 56; Rüsken, in: Klein, § 191 AO Rn. 54a. 112 Vgl. dazu nochmals die Nachweise in Fn. 108. 113 s. die Nachweise im 4. Kapitel, III. 3. b) bb) (4), S. 219, u. III. 3. c) bb) (2), S. 223 ff. 114 BFH, Urteil v. 25.10.1985 – VI R 130/82, BFHE 144, S. 569, 571.

I. Einfachgesetzlich normierter Vertrauensschutz bei der Abgabenordnung

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teilweise abgelehnt wird,115 können angesichts der tatbestandlichen Ausgestaltung der §§ 130, 131 AO als Ermessensnormen keine ernsthaften Bedenken gegen die Etablierung der im 4. Kapitel entwickelten Vertrauensschutzdogmatik gegenüber der Rücknahme und des Widerrufs sonstiger Steuerverwaltungsakte bestehen. Die grundsätzliche Öffnung der Rücknahme- und Widerrufsnormen für die hier entwickelte Dogmatik darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Anwendungskorridor in tatsächlicher Hinsicht schmal ist. Das wohl noch am Ehesten denkbare Feld für die Anwendung der Vertrauensschutzproblematik bei der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften stellt § 130  AO dar; die Aufhebung rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften und damit eines rechtmäßigen Verwaltungsakts nach § 131  AO ist insofern nur in wenigen Ausnahmekonstellationen denkbar.116 Allerdings dürfte auch im Rahmen des § 130 AO die Vertrauensschutzproblematik nur in wenigen Konstellationen überhaupt zum Tragen kommen,117 da ein Widerruf bei rechtswidrigen sonstigen steuerlichen Verwaltungsakten meist an der fehlenden Kenntnis der Rechtswidrigkeit nach § 130 II Nr. 4 AO scheitern wird.118 3. Ergebnis Die überwiegende Ausgestaltung der sonstigen steuerlichen Verwaltungsakte als Ermessensvorschriften eröffnet bereits bei erstmaligem Erlass eines Verwaltungsakts, insbesondere bei Haftungsbescheiden, ein breites Anwendungsfeld für die im 4.  Kapitel entwickelte Vertrauensschutzdogmatik. Im Rahmen der §§ 130,  131  AO wird eine Rücknahme bzw. ein Widerruf zumeist bereits an den restriktiv ausgestalteten Tatbestandsvoraussetzungen scheitern. Im Gegensatz dazu ist den Finanzbehörden aufgrund der strikten Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung beim erstmaligen Erlass sowie der Änderung von Steuerbescheiden regelmäßig kein Ermessen eingeräumt, weswegen Vertrauensschutzaspekte nicht bereits hier berücksichtigt werden können. Eine eingeschränkte Berücksichti 115

So insbesondere von Arndt, Rücknahme, S. 206 ff., 209. s. dazu nochmals die Ausführungen im 4. Kapitel, III. 3. b) aa), S. 210 ff. 117 Die Rücknahmevorschriften der Abgabenordnung sind im Vergleich zu § 48 VwVfG insoweit deutlich großzügiger, s. auch Blanke, Vertrauensschutz, S. 223. 118 Dies gilt freilich nur unter der Prämisse, wenn man – wie hier – mit dem Bundesfinanzhof und Teilen der steuerverfahrensrechtlichen Literatur davon ausgeht, dass die zu niedrige Festsetzung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis zugleich einen begünstigenden, rechtswidrigen Verwaltungsakt darstellen kann. Vgl. dazu BFH, Urteil v. 25.05.2002  – VII  R  29/02, BFHE  205, S.  539, 545; Loose, in: Tipke/Kruse, § 130 AO Rn.  11; Werth, in: Kühn/v. Wedelstädt, Vor §§ 130–132 AO Rn. 10 ff.; a.A. Rüsken, in: Klein, § 130 AO Rn. 40 und Pahlke, in: Pahlke/Koenig, § 130 AO Rn. 17 im Anschluss an die insoweit auch im Allgemeinen Verwaltungsrecht vertretene Auffassung, vgl. dazu BVerwG, Urteil v. 18.03.1988 – 8  C  115.86, NVwZ  1988, S.  938, 940 sowie Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 48 VwVfG Rn. 123 f. m.w.N., insgesamt sehr strittig. 116

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

gungsfähigkeit existiert für diesen Bereich daher nur im einfachgesetzlich vorgesehenen Fall der §§ 176 I 1 Nr. 3, II AO. Als Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass namentlich für den Bereich der Steuerbescheide in allen nicht von § 176 AO erfassten Konstellationen, insbesondere bei Vertrauensbetätigungen vor der erstmaligen Steuerfestsetzung, erhebliche Schutzlücken existieren.

II. Kompetenzielle Vorüberlegungen zur Gewährung von Vertrauensschutz Bevor die einschlägige Rechtsgrundlage für die Gewährung von Vertrauensschutz in den vom Schutzumfang des § 176 AO nicht umfassten und auch sonst gesetzlich nicht geregelten Fällen festgelegt werden kann, müssen zunächst diejenigen potenziellen Bereiche herausgeschält werden, in denen es der Verwaltung verwehrt ist, die sich aus einer Aufhebung bzw. Änderung der Verwaltungsvorschrift resultierenden vertrauensschutzrechtlichen Fragestellungen eigenständig zu bewältigen. Das hier dargelegte Problem stellt sich richtigerweise im Grenzbereich der Exekutive zu anderen Staatsgewalten, namentlich bei Beteiligung anderer Staatsgewalten an der Vertrauensschutz erfordernden Rechtsänderung: Schließlich resultiert der Anlass für die Aufhebung oder Änderung einer steuerlichen Verwaltungsvorschrift oftmals nicht aus Gründen, die unmittelbar aus der Sphäre der Verwaltung herrühren. Kein Gegenstand der folgenden Erörterungen sind demnach autonome Änderungen einer Verwaltungsvorschrift durch die Verwaltung selbst. Bei diesem Problemkreis verbleibt es bei der Feststellung, dass der Erlass und die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften als klassisches Hausgut der Exekutive gelten und die Spielräume der Verwaltung – freilich unter dem Vorbehalt der hier entwickelten verfassungsrechtlichen Maßgaben  – keine Einschränkungen durch andere Staatsgewalten erfahren. Der vorstehend genannte schmale Korridor verwaltungsautonomer Änderungen der untergesetzlichen Rechtslage bildet jedoch nur einen kleinen Ausschnitt des in der Rechtsrealität anzutreffenden und auf die Änderung von Verwaltungsvorschriften unmittelbar einwirkenden Rechtsfindungsprozesses ab. Ein Blick auf die Stellung der Exekutive im Gefüge der übrigen Staatsgewalten zeigt, dass sich vermeintlich verwaltungsautonome Aufhebungen und Änderungen von Verwaltungsvorschriften oftmals als Anpassungen an die durch den Gesetzgeber oder die Rechtsprechung geänderte (untergesetzliche) Rechtslage darstellen: So ist die ersatzlose rückwirkende Aufhebung einer steuerlichen Verwaltungsvorschrift aufgrund höchstrichterlicher Rechtswidrigkeitserkenntnis ebenso wenig ausschließlich auf eine „autonom“ seitens der Verwaltung geläuterte Rechtswidrigkeitserkenntnis zurückzuführen wie die Anpassung einer Steuerrichtlinie an das geänderte Steuergesetz. Auf den Punkt gebracht sind nachstehend die der Verwaltung im Spannungsgefüge der Staatsgewalten verbleibenden eigenständigen Spielräume zur Ge-

II. Kompetenzielle Vorüberlegungen zur Gewährung von Vertrauensschutz

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währung von Vertrauensschutz auszuloten, wenn der eigentliche „Auslöser“ zur Änderung oder Aufhebung der Verwaltungsvorschrift nicht aus der Sphäre der Verwaltung resultiert. Im Fokus steht mithin nicht der Problemkreis um die Gewährung von Vertrauensschutz hinsichtlich des vertrauenserzeugenden Handelns anderer Staatsgewalten durch die Verwaltung, sondern vielmehr die der Verwaltung verbleibenden Spielräume in Bezug auf eine Anpassung ihres Handlungs­ programms an die geänderte Rechtslage als im Rahmen dieser Untersuchung im Mittelpunkt stehender Vertrauensgrundlage. Die Notwendigkeit einer Betrachtung des soeben skizzierten Problemfeldes besteht vor dem Hintergrund, dass insbesondere der Bundesfinanzhof in jüngerer Zeit bei einer Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung, die ebenfalls dem exekutiven Handlungsprogramm zugrunde lag bzw. diesem entstammt, die Spielräume der Verwaltung zur Gewährung von Vertrauensschutz, insbesondere hinsichtlich der grundsätzlichen Frage einer Gewährung von Vertrauensschutz, zuneh­ mend einschränkt.119 Nachfolgend sind daher die der Verwaltung verbleibenden Gestaltungsspielräume zur Gewährung von Vertrauensschutz bei der Anpassung ihres Handlungsprogramms zu konturieren. Dabei ist zunächst auf die Spielräume der Verwaltung im Verhältnis zum demokratisch legitimierten Gesetzgeber näher einzugehen (1.), um sodann die Entscheidungen aus der jüngeren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs mit Blick auf das diesbezügliche Verhältnis zwischen Rechtsprechung und Verwaltung einer kritischen Betrachtung zu unterziehen (2.). Abschließend bedarf es einer zusammenfassenden Darstellung der auf Seiten der Verwaltung in kompetenzieller Hinsicht verbleibenden Spielräume zur Gewährung von Vertrauensschutz (3.) 1. Gesetzgebung Bei der Klärung des Verhältnisses von Gesetzgeber und Verwaltung hinsichtlich der Gewährung von Vertrauensschutz bei der rückwirkenden Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften existieren zwei Problemkreise, die scharf voneinander zu trennen sind: Es ist dies einerseits die Frage, ob der Gesetzgeber selbst Vertrauensschutz gewähren darf und andererseits, ob er hierzu gegebenenfalls verpflichtet ist. Gänzlich abzuscheiden und hier nicht weiter zu vertiefen ist schlussendlich der Problemkreis, ob die Verwaltung im Falle von Gesetzesänderungen zur Schaffung eigenständiger Übergangsregelungen jenseits des Gesetzes berechtigt ist.120 119 BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BFHE 220, S. 129, 147 ff. (Vererblichkeit des Verlustabzugs); BFH, Vorlagebeschluss v. 07.12.2010 – IX R 70/07, BFHE 232, S. 121, 129 ff. (Sofortige Abzugsfähigkeit von im Voraus geleisteten Erbbauzinsen); zumindest prüfend auch BFH, Beschluss v. 31.01.2013 – GrS 1/10, BFHE 240, S. 162, 178 (Aufgabe des subjektiven Fehlerbegriffs hinsichtlich bilanzieller Rechtsfragen). 120 Dazu Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 421 ff.

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

Die Beantwortung der erstgenannten Fragestellung hat im Lichte der jederzeitigen Zugriffsmöglichkeit des Gesetzgebers sowie einem fehlenden Verwaltungsvorbehalt zu erfolgen.121 Danach ist es dem Gesetzgeber prinzipiell nicht verwehrt, bei erstmalig gesetzlich zu normierenden und vorher von der Verwaltung durch Verwaltungsvorschriften gesteuerten Regelungsbereichen entsprechende Übergangsregelungen – beispielsweise in Form von konkreten Stichtagsregelungen oder aber abstrakt durch Härtefallklauseln  – zu schaffen. Sofern der Gesetzgeber von der Möglichkeit zum Erlass von Übergangsregelungen Gebrauch gemacht hat, sind diese Regelungen in Anbetracht des Vorrangs des Gesetzes auch für die Verwaltung verbindlich, sodass fernab des gesetzlichen Übergangsrechts kein Spielraum zur Schaffung darüber hinausgehender verwaltungsbehördlicher Übergangsregelungen besteht.122 Eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Schaffung von Übergangsregelungen im Falle eines bisher lediglich durch Verwaltungsvorschriften gesteuerten Regelungsbereichs wird dagegen nur in den Grenzen der Wesentlichkeitstheorie zu bejahen sein. Danach muss sich die vom Gesetzgeber zu schaffende Übergangsregelung nach der auch hier zugrunde gelegten Wesentlichkeitsformel des Bundesverfassungsgerichts als so grundlegend für die Verwirklichung der Grundrechte des Bürgers erweisen, dass eine Normierungskompetenz der Verwaltung von vornherein ausscheidet.123 Das ist jedoch zumindest für das Steuerrecht nur in seltenen Ausnahmefällen denkbar, wie beispielsweise den früheren, auf das Billigkeitsrecht gestützten Sonderabschreibungen der Zonenrandförderung.124 In diesem Zusammenhang wird allerdings die Frage aufgeworfen, ob die vertrauensbegründende Verwaltungsvorschrift selbst gegen die Vorgaben der Wesentlichkeitstheorie verstößt und sich das Problem einer gesetzgeberischen Verpflichtung zur Schaffung von Übergangsregelungen ohnehin –  mangels vertrauensbegründender Regelungskompetenz der Verwaltung  – nicht stellt.125 Eine derartige Sichtweise ist indes abzulehnen, da sie im Ergebnis die vertrauensbegründenden Wirkungen faktischen Verwaltungshandelns negiert; vielmehr sind hier die Anforderungen an eine Schutzwürdigkeit des betätigten Vertrauens nochmals restriktiver zu handhaben. Beispiel:126 Die Großbank B lagert im Zuge von Kostendämpfungsmaßnahmen die Verwaltung von Krediten im Privatkundengeschäft auf ein eigenständiges, im Zusammenschluss mit anderen Banken gegründetes Dienstleistungsunternehmen aus. Da die Leistungen nach Auffas-

121

Vgl. dazu nochmals oben die Ausführungen im 1. Kapitel, II. 1. a), S. 37 ff. Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 422 f. 123 Zur Wesentlichkeitstheorie und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts s. die Ausführungen im 1. Kapitel unter II. 1. a) bb), S. 37 ff. 124 Zu einem solch besonders gelagerten Fall s. FG  Nürnberg, Urteil v. 03.11.1977  – VI 104/76, EFG 1978, S. 206 f. 125 Vgl. zu den ähnlich gelagerten Konstellationen bei der Fortgeltung unwirksamen Rechts Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3 GG Rn. 277. 126 In Anlehnung an BT-Drucks. 17/9283, S. 2 ff. 122

II. Kompetenzielle Vorüberlegungen zur Gewährung von Vertrauensschutz

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sung der Finanzverwaltung127 nicht der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. a) UStG unterfallen, ergeht auf Anregung des Bankenverbands im November 2008 ein Beschluss der Abteilungsleiter der obersten Finanzbehörden von Bund und Ländern,128 wonach es im Vorgriff auf eine gesetzliche Regelung nicht zu beanstanden sei, „wenn – unter den Voraussetzungen der künftigen gesetzlichen Regelung – die Kreditverwaltungsleistungen der Kreditfabriken bereits jetzt (auch in den offenen Steuerfällen) – wie die Leistungen im Vorfeld der Kreditgewährung – steuerfrei behandelt werden“129. Trotz zweier Gesetzesvorschläge durch die Bundesregierung im Dezember  2008 sowie Juni 2010 scheitert die Durchsetzung einer entsprechenden gesetzlichen Regelung. Der Beschluss wurde auf Kritik des Bundesrechnungshofs hin durch die Abteilungsleiter im November 2011 mit einer Übergangsregelung für betroffene Kreditinstitute bis zum 31.12.2012 aufgehoben.130

Das vorstehende Beispiel verdeutlicht die besondere Problematik hinsichtlich der Gewährung von Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften im Grenzbereich zum Gesetzgeber. Zwar lässt sich die Existenz eines Vertrauenstatbestandes im Beispielsfall mit Blick auf den gefassten und sinngemäß publizierten Abteilungsleiterbeschluss nicht verneinen. Allerdings hätten den betroffenen Kreditinstituten jedenfalls nach Scheitern des zweiten Gesetzgebungsverfahrens begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfreistellung im Verwaltungswege kommen müssen. Da vorliegend – mangels gesetzlicher Regelung der im Raume stehenden Steuerbefreiung  – keine legislatorische Verpflichtung zum Erlass einer Übergangsregelung bestand, konnte die Finanzverwaltung aus eigener Kompetenz heraus entsprechende Übergangsregelungen erlassen. In Respektierung der unmittelbaren demokratischen Legitimation und Gestaltungsfreiheit des parlamentarischen Gesetzgebers hätte es vorliegend jedoch näher gelegen, den Beschluss mit deutlich kürzerer Übergangsregelung bzw. einer sofortigen Überleitung zur geltenden Rechtslage aufzuheben, da die Schutzwürdigkeit der Kreditinstitute insofern zu verneinen ist.131 Zusammengefasst steht es dem Gesetzgeber frei, prinzipiell eine Übergangsregelung zur Anpassung der bisherigen, in einer Verwaltungsvorschrift normierten Verwaltungspraxis an die geltende Rechtslage zu treffen. Eine Verpflichtung zum Erlass einer Übergangsregelung mit der Konsequenz einer Sperrwirkung auf Seiten der Verwaltung besteht, zumindest für den Bereich des Steuerrechts, dabei allenfalls in seltenen Ausnahmefällen.132 Vielmehr sind auch im Verhältnis zum parlamentarischen Gesetzgeber die eigentlichen Fragestellungen auf Ebene der Schutzwürdigkeit anzusiedeln.

127

BMF, Schreiben v. 09.12.2008 – IV B 9-S 7160-a/08/10001, UR 2009, S. 502. Zum historischen Ablauf s. auch BT-Drucks. 17/9283, S. 3 f. 129 BMF, Fn. 127. 130 BT-Drucks. 17/9283, S. 4. 131 Wie hier auch die Rechtauffassung des Bundesrechnungshofs, vgl. BT-Drucks. 17/9283, S. 4. 132 Im Ergebnis ähnlich Ebner, Vertrauensschutz und Kontinuitätsgewähr, S. 89 f. 128

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

2. Rechtsprechung a) Ausgangsproblematik Während sich die Ausführungen zum Verhältnis von Gesetzgeber und Verwaltung hauptsächlich mit der Möglichkeit bzw. Pflicht eines legislativen Zugriffs sowie einer damit verbundenen Sperrwirkung auf Seiten der Verwaltung beschäftigt haben, stellt sich mit Blick auf die Rechtsprechung das Problem, ob diese zur eigenständigen Gewährung von Vertrauensschutz bei der „drohenden“ Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften im Gefüge der Staatsgewalten überhaupt berechtigt ist. Das Besondere an der hier dargelegten Konstellation ist insofern, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung durch eine Änderung ihrer Präjudizien den Anlass für die bevorstehende Aufhebung bzw. Änderung der vertrauensbegründenden Verwaltungsvorschrift schafft. Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen sind demnach ausschließlich die in der Verwaltungsvorschrift und im Präjudiz enthaltenen vertrauensbegründenden Rechtssätze, die in der hiesigen Konstellation gleichermaßen als kompetenzielle Schnittmenge zwischen Verwaltung und Rechtsprechung dienen. Das soeben skizzierte Problemfeld wird maßgeblich durch die jüngere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Vererblichkeit des Verlustabzugs133 einerseits sowie den Vorlagebeschluss des IX. Senats an das Bundesverfassungsgericht zur Abzugsfähigkeit von im Voraus geleisteten Erbbauzinsen134 beeinflusst. Während die frühere Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs sowohl im Beschluss zur Aufgabe der Geprägetheorie vom 25.06.1984135 als auch im Kontokorrent-Beschluss vom 04.07.1990136 mit Blick auf die gesetzgeberische Grundentscheidung in § 176 AO von einer prinzipiellen Kompetenz der Finanzverwaltung zur Gewährung von Vertrauensschutz in der hier diskutierten Konstellation ausging, verkehrt der Große Senat im Beschluss zur Vererblichkeit des Verlustabzugs die vertrauensbegründenden Wirkungen von Verwaltungsvorschriften mit dem von ihm eigens als „Richtlinien-Argument“137 bezeichneten Gedanken nunmehr in ihr Gegenteil: Das Vorhandensein einer auf höchstrichterlicher Rechtsprechung basierenden Verwaltungsvorschrift schaffe einen Vertrauenstatbestand, der die Kompetenz der Rechtsprechung zur Beschränkung ihrer Rechtsfolgen auf zukünftige Fälle rechtfertige.138 Der IX. Senat des Bundesfinanzhofs geht im Vorlagebeschluss zur rückwirkenden Anwendbarkeit von § 11 II 3 EStG139 sogar noch einen Schritt 133

BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BFHE 220, S. 129 ff. BFH, Vorlagebeschluss v. 07.12.2010 – IX R 70/07, BFHE 232, S. 121 ff. 135 BFH, Beschluss v. 25.06.1984 – GrS 4/82, BFHE 141, S. 405, 417. 136 BFH, Beschluss v. 04.07.1990 – GrS 2/88 u.a., BFHE 161, S. 290, 317. 137 BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BFHE 220, S. 129, 149. 138 BFH, Fn. 137. 139 BFH, Vorlagebeschluss v. 07.12.2010 – IX R 70/07, BFHE 232, S. 121 ff.; im Streitfall ging es um die Abzugsfähigkeit von im Voraus geleisteten Erbbauzinsen im Rahmen des § 21 EStG. 134

II. Kompetenzielle Vorüberlegungen zur Gewährung von Vertrauensschutz

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weiter und statuiert einen faktischen Vorrang höchstrichterlicher Präjudizien vor behördlichen Rechtsauffassungen.140 b) Kritische Würdigung Die hier beleuchtete Problemstellung der Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung, welche die Verwaltung ihrem Vollzugsprogramm zugrunde legt, ist eng mit grundsätzlichen Fragen zur Zulässigkeit der Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung verbunden. Obgleich die Gewährung von Vertrauensschutz durch den Bundesfinanzhof im Schrifttum weitestgehend auf Zustimmung gestoßen ist,141 bedarf die Bejahung originärer Kompetenzen der Rechtsprechung zur Gewährung von Vertrauensschutz auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts und damit auch des Steuerrechts – jedenfalls mit Blick auf das eingangs erwähnte und hier im Mittelpunkt stehende „Richtlinien-Argument“142  – einer kritischen Betrachtung. So mag die Gewährung höchstrichterlichen Vertrauensschutzes rechtspolitisch begrüßenswert erscheinen, in verfassungsrechtlicher Hinsicht ergeben sich jedenfalls für die hiesige Konstellation143 einer Anwendung höchst­richterlicher Rechtsprechung durch die Verwaltung grundlegende Einwände. Diese Einwände beziehen sich vornehmlich auf einen Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz in Form eines unzulässigen Kompetenzeingriffs in das Recht der Exekutive zum allgemeinen Gesetzesvollzug.144 Da die Verwaltung von Verfas 140 Dabei sei erwähnt, dass der IX. Senat diese Frage im Beschluss zwar explizit offen gehalten hat, die mit dem Beschluss verbundenen Rechtswirkungen im Ergebnis aber auf einen Vorrang höchstrichterlicher Präjudizien hinauslaufen, s. BFH, Vorlagebeschluss v. 07.12.2010 – IX R 70/07, BFHE 232, S. 121, 130: „Ob sich aus Art. 20 Abs. 3 GG ein normativer Vorrang von Rechtsmeinungen des BFH gegenüber den Rechtsmeinungen des BMF herleiten lässt (…), mag dahinstehen.“; ähnlich wie hier Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn. 56. 141 Schmidt-Troje, in: FS Schaumburg 2009, S. 133, 147 ff.; Kanzler, in: FS Spindler 2011, S. 265, 275 ff., insb. S. 277; Dötsch, DStR 2009, S. 409 ff.; Dötsch, in: FS Meilicke 2010, S. 73, 89; kritisch Fischer, DStR 2008, S. 697, 699 ff.; Fischer, in: Dt. Finanzgerichtstag 2011, S. 41, 54; differenzierend Sontheimer, in: FS Spiegelberger 2009, S. 460, 463 f., 470. 142 BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BFHE 220, S. 129, 147. 143 Das grundsätzliche Problem einer rückwirkenden verschärften Rechtsprechungsänderung wird hierbei explizit ausgeklammert. Vgl. aus dem kaum mehr überschaubaren Schrifttum insbesondere Arndt, Rückwirkende Rechtsprechungsänderung; Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, 118 ff.; Götz, in: FG 25 Jahre BVerfG 1976, S. 421, 448 ff.; Robbers, JZ 1988, S. 481 ff.; Kirchhof, DStR 1989, S. 263 ff.; Schwarz, Vertrauensschutz, S. 373 ff.; Hey, Steuerplanungssicherheit, S.  615 ff.; Hey, DStR  2004, S.  1897, 1898 ff.; Leisner-Egensperger, Kontinuität, S. 615 ff.; Leisner-Egensperger, in: DStJG 27 (2004), S. 191 ff.; Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 360 ff.; Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 145 ff.; Fischer, DStR 2008, S.  697 ff.; Fischer, in: Dt.  Finanzgerichtstag 2011, S.  41 ff.; Sontheimer, in: FS  Spiegelberger 2009, S. 460 ff.; Schmidt-Troje, in: FS Schaumburg 2009, S. 133 ff.; Dötsch, DStR 2009, S. 409 ff.; Dötsch, in: FS Meilicke 2010, S. 73 ff.; Ebner, Vertrauensschutz und Kontinuitätsgewähr; Kanzler, in: FS  Spindler 2011, S.  265 ff.; Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 337 ff., 341 u. 360 ff.; Brocker, NJW 2012, S. 2996 ff.; Bittner, JZ 2013, S. 645, 648 ff. 144 Kritisch auch Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn. 56.

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sungs wegen grundsätzlich nicht dazu verpflichtet ist, ihrem Vollzugsprogramm höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde zu legen, steht die Änderung ihrer Vollzugspraxis und damit auch von Verwaltungsvorschriften, die höchstrichterliche Rechtsprechung wiedergeben, prinzipiell in ihrer eigenen Kompetenz. Daran ändert sich nichts durch den Verweis des Großen Senats des Bundesfinanzhofs, wonach die Rechtsprechung gleichrangig an das Vertrauensschutzprinzip gebunden sei.145 Eine solche Bindung an das Vertrauensschutzprinzip sowie eine damit einhergehende Verpflichtung zur Gewährung von Vertrauensschutz kann sich nämlich nur in solchen Bereichen ergeben, in denen die Rechtsprechung für die Gewährung von Vertrauensschutz originär zuständig ist.146 So mag insbesondere in den für das Zivilrecht herausragenden Bereichen des Arbeits- und Gesellschaftsrechts die Gewährung von Vertrauensschutz Ausfluss der verfassungsrechtlichen Bindung des Richters an das Rechtsstaatsprinzip sein.147 Die gesteigerte Bindung des Richters an das Vertrauensschutzprinzip resultiert in diesen Rechtsbereichen allerdings aus der fehlenden Einbindung des Staates in die Entscheidungsfindung der Vertragsparteien sowie der weitestgehenden Disponibilität gesetzlicher Bestimmungen als Ausfluss der verfassungsrechtlich garantierten Vertragsfreiheit.148 Ergänzt werden diese Überlegungen schließlich durch die horizontale Drittwirkung der Grundrechte im Zivilprozess.149 Im Öffentlichen Recht bestehen diese Besonderheiten indes nicht in dieser Form.150 Vielmehr ist die Verwaltung von Anfang an zur einseitigen hoheitlichen Rechtsfindung und -durchsetzung gegenüber dem Bürger berufen und dabei angesichts von Art. 1 III GG durchgehend grundrechtsgebunden. Konsequenz dieser Grundrechtsbindung ist unter anderem die – einem Vertrauensschutz in höchstrichterliche Rechtsprechung gleichsam vorgeschaltete  – vertrauensbegründende Wirkung faktischen Verwaltungshandelns und damit auch entsprechender Verwaltungsvorschriften. Die Rolle der Rechtsprechung bezieht sich unter Zugrundelegung dieses gewaltenteilungsorientierten Ansatzes primär auf die letztverbindliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Rechtsanwendung gegenüber dem 145

BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BFHE 220, S. 129, 147 f., insb. S. 148. Skeptisch auch Ebner, Vertrauensschutz und Kontinuitätsgewähr, S.  87 ff.; prägnant Ossen­bühl, AöR 92 (1967), S. 478, 484: „Die Ungewißheit des Bürgers kann die Verwaltung durch publizierte Verwaltungsvorschriften, die eine gerichtskonforme Gesetzesanwendung der Verwaltungspraxis ablehnen, beseitigen. Dann steht für den einzelnen erkennbar fest, welche Verwaltungsentscheidung ihn erwartet.“ 147 Das darf indes nicht so verstanden, als dass im Zivilrecht eine klare Vertrauensschutzdogmatik auf dem Gebiet der rückwirkenden Rechtsprechungsänderung vorherrschen würde, s. dazu jeweils m.w.N. Uffmann, Geltungserhaltende Reduktion, S.  72 ff.; Sontheimer, in: FS Spiegelberger 2009, S. 460, 464 ff.; Brocker, NJW 2012, S. 2996 ff. 148 BVerfG, Beschluss v. 14.01.1987 – 1 BvR 1052/79, BVerfGE 74, S. 129, 155; offengelassen bei BVerfG, Beschluss v. 26.06.1991 – 1 BvR 779/85, BVerfGE 84b, S. 212, 227 f. 149 Vgl. dazu statt Aller nur Jarass, in: Jarass/Pieroth, Vorb. vor Art. 1 GG Rn. 13; Sachs, in: Sachs, Vor Art. 1 GG Rn. 32. 150 Wie hier Kirchhof, in: FS 75 Jahre RFH – BFH 1993, S. 285, 301 f.; kritisch auch Krüger, DStZ 2013, S. 667, 673. 146

II. Kompetenzielle Vorüberlegungen zur Gewährung von Vertrauensschutz

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Bürger.151 Hierzu zählt jedoch nicht die grundsätzliche Entscheidung über den Erlass von allgemeinen Übergangsregelungen; die gerichtliche Prüfungskompetenz ist insoweit auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle begrenzt. Nach alledem beschränkt sich die Diskussion um einen originären Vertrauensschutz auf Rechtsprechungsebene in der hiesigen Konstellation auf die Frage, ob die Verwaltung ihrer verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Gewährung von Vertrauensschutz gegenüber dem Bürger in ausreichendem Maße nachgekommen ist.152 Mithin mag eine geänderte Rechtsprechung bei entgegenstehenden erlassenen Verwaltungsvorschriften zwar gleichwohl faktisch eine Pflicht der Verwaltung zum Erlass von Übergangsvorschriften antizipieren, rechtlich verbindlich sind derartige höchstrichterliche Hinweise für die Verwaltung indes nicht. Ob und inwieweit die höchstrichterliche Rechtsprechung darüber hinaus zur Gewährung von Vertrauensschutz berechtigt ist, bedarf hier keiner abschließenden Würdigung.153 3. Verwaltung Von den vorstehenden Ausführungen ausgehend wird deutlich, dass die Finanzverwaltung im Falle der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften für die Gewährung von Vertrauensschutz –  und zwar unabhängig von den die Aufhebung oder Änderung begründenden Umständen – zuständig ist. Sowohl der Erlass als auch die Aufhebung von Verwaltungsvorschriften stellen sich als geradezu klassisches Hausgut der Exekutive dar,154 womit die Gewährung von Vertrauensschutz insofern als Annexkompetenz bezeichnet werden kann. Neben diesen kompetenzrechtlichen Überlegungen spricht auch der strukturelle Vollzugsicherungsauftrag der Verwaltung für eine derartige Sichtweise: Die Verwaltung ist zur Sicherung eines einheitlichen Gesetzesvollzugs gegenüber allen Steuer­ pflichtigen verpflichtet und nicht nur gegenüber denjenigen, die gegebenenfalls den Rechtsweg beschreiten und gerichtlich durch die Rechtsprechung erstmalig gewährte Übergangsregelungen einfordern. Mit einer vorrangigen Zuständigkeit der Verwaltung für die Gewährung von Vertrauensschutz ist überdies keine Verkürzung des Rechtswegs sowie kein unzulässiger Kompetenzeingriff in den Bereich anderer Staatsgewalten, insbesondere 151

Zu den unterschiedlichen Funktionen der Rechtsprechung je nach Gerichtsbarkeitszweig Degenhart, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 115 Rn. 6 ff.; für das Steuerrecht prägnant Kirchhof, in: FS 75 Jahre RFH – BFH 1993, S. 285, 302: „Die Finanzverwaltung ist insoweit nicht bloß vorbereitender Rechtsanwender unter Rechtsprechungsvorbehalt, sondern verantwortliches Vollzugsorgan für die Herstellung allgemeiner, in die Breite wirkender steuerrechtlicher Gleichheit.“ 152 Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 776 ff., 779. 153 Vgl. dazu nochmals die Nachweise in Fn. 143. 154 s. hierzu ergänzend die Ausführungen im 1. Kapitel, II. 2. a), S. 48 f.

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

der Rechtsprechung verbunden. Wie die Ausführungen im 2. Kapitel verdeutlicht haben,155 ist das Vorliegen von Vertrauensschutzgründen als Konkretisierung des Billigkeitsbegriffs gerichtlich voll nachprüfbar; die grundsätzliche Gewährung von Vertrauensschutz steht insofern nicht im Ermessen der Exekutive. Dies gilt auch für den sog. Anlassfall, in dem beispielsweise höchstrichterlich die Rechtswidrigkeit einer Verwaltungsvorschrift festgestellt wird.156 Kompetenzielle Aussagen zum Bereich des Vertrauensschutzes in höchstrichterliche Rechtsprechung werden dabei nicht getroffen, da der hiesige Problemkreis insofern an andere Vertrauenstatbestände anknüpft. Als Ergebnis bleibt damit festzuhalten: Im Verhältnis zur Rechtsprechung ist die Finanzverwaltung für die Gewährung von Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften originär zuständig. Damit ist in Absage an entgegenstehende Tendenzen des Bundesfinanzhofs der im Schrifttum bis heute vorherrschenden Auffassung zu folgen, wonach die Zuständigkeit für die hier diskutierte Problematik ausschließlich auf Ebene der Verwaltung anzusiedeln ist.157 Dies gilt schlussendlich in Übereinstimmung mit dem Grundsatzbeschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes auch für solche Verwaltungsvorschriften, in denen die Verwaltung ihrem Vollzugsprogramm höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde legt, die später aufgegeben wird.158

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s. oben, 2. Kapitel, III. 4. b), S. 105 ff. Arndt, Rückwirkende Rechtsprechungsänderung, S.  89; ähnlich Maurer, in: Isensee/ Kirchhof, HStR IV, § 79 Rn. 153. 157 Loose, in: Tipke/Kruse, § 227 AO Rn. 54 ff., 56; Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn. 59; Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 112 ff.; Krabbe, in: Koch/Scholtz, § 227 AO Rn. 26; Fritsch, in: Pahlke/Koenig, § 227 AO Rn. 22; Stöcker, in: Beermann/Gosch, § 227 AO Rn. 87; Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, 124 ff.; Lohmeyer, DStZ 1982, S. 257, 259; Willibald, DStZ 1991, S.  442, 443; Burmeister, in: FS  Friauf 1996, S.  759, 785; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 681 ff., 684 ff.; Hey, DStR 2004, S. 1897, 1903 f.; Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 367; Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 471 ff. 158 GmSOGB, Beschluss v. 19.10.1971 – GmS-OGB 3/70, BFHE 105, S. 101, 112 ff.; aus der Literatur: Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, 124 ff.; Götz, in: FG 25 Jahre BVerfG 1976, S. 421, 451 f.; Robbers, JZ 1988, S. 481, 482, 488 f.; Kirchhof, DStR 1989, S. 263, 270; Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 468 ff., 470; Tipke, StRO I, S. 176; Ebner, Vertrauens­ schutz und Kontinuitätsgewähr, 90 ff., 118 f.; Fischer, DStR  2008, S.  697, 701; Fischer, in: Dt.  Finanzgerichtstag 2011, S.  41, 54; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Rn.  118; Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR  IV, § 79 Rn.  153; Stöcker, in: Beermann/Gosch, § 227 AO Rn.  87; Fritsch, in: Pahlke/Koenig, § 227  AO Rn.  22; Frotscher, in: Schwarz, § 163  AO Rn.  110. Differenzierung zwischen Anlass- und Altfällen Hey, Steuerplanungssicherheit, S.  646 ff.; Schwarz, Vertrauensschutz, S.  374 Fn.  308; Hey, DStR  2004, S.  1897, 1901; Hey, in: Tipke/Lang, § 3 Rn.  281; Englisch/Plum, StuW  2004, S.  342, 362; Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 358 f.; a.A. Söhn, FR 1971, S. 222, 224; Leisner-Egensperger, Kontinuität, S. 631. 156

III. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Vertrauensschutz

279

III. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Vertrauensschutz Mit der Feststellung, dass der einfachgesetzliche Vertrauensschutz für Steuerbescheide lediglich auf die Konstellationen des § 176 AO beschränkt ist, stellt sich im Folgenden die Frage, ob und inwieweit die im 4. Kapitel entwickelte Vertrauensschutzdogmatik auch in diesem, von § 176 AO nicht umfassten Bereich Einzug halten kann. Die Notwendigkeit einer tiefergehenden Betrachtung besteht vor dem Hintergrund der strikten Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, die insbesondere auch aus verfassungsrechtlicher Sicht ein Abweichen von der entstandenen Steuerschuld prinzipiell nicht zulässt.159 Obgleich sowohl der Bundesfinanzhof160 als auch die überwiegende Auffassung im steuerrechtlichen Schrifttum161 ganz allgemein davon ausgehen, dass Vertrauensschutz wegen einer Änderung der Rechtslage im Wege des Billigkeitsdispenses über die §§ 163, 227 AO gewährt werden könne, ergeben sich hinsichtlich dieser Annahme eine Reihe von Folgefragen, die 159

Zur untergeordneten Rolle von Ermessensentscheidungen in der Finanzverwaltung: Kruse, in: FS Erichsen 2004, S. 77, 82 ff. 160 Ständige Rechtsprechung, grundlegend BFH, Urteil v. 14.08.1958 – I 39/57 U, BFHE 67, S.  354, 366 ff.; s. auch GmSOGB, Beschluss v. 19.10.1971  – GmS-OGB  3/70, BFHE  105, S.  101, 113 ff.; zur AO  1977: BFH, Urteil v. 23.02.1979  – III  R  16/78, BFHE  127, S.  476, 481 f.; BFH, Urteil v. 22.04.1980  – VIII  R  149/75, BFHE  130, S.  391, 403; BFH, Urteil v. 28.10.1980 – VIII R 34/76, BFHE 132, S. 41, 45; BFH, Urteil v. 10.11.1982 – I R 142/79, BFHE  137, S.  202, 205 f.; BFH, Beschluss v. 25.06.1984  – GrS  4/82, BFHE  141, S.  405, 416 f.; BFH, Urteil v. 15.01.1986  – II  R  141/83, BFHE  145, S.  453, 455 ff.; BFH, Urteil v. 11.12.1986  – V  R  166/81, BFH/NV  1987, S.  402, 404 f.; BFH, Urteil v. 14.10.1987  – II R 120/85, BFH/NV 1989, S. 80 f.; BFH, Urteil v. 11.10.1988 – VIII R 419/83, BFHE 155, S. 298, 306; BFH, Urteil v. 12.01.1989 – IV R 87/87, BFHE 155, S. 484, 485 ff.; BFH, Urteil v. 12.01.1987 – IV R 87/87, BFHE 155, S. 487, 489 ff.; BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE  163, S.  478, 481 ff.; BFH, Beschluss v. 24.06.1992  – V  B  182/90, BFH/NV  1993, S.  307 f.; BFH, Urteil v. 26.04.1995  – XI  R  91/83, BFHE  178, S.  4, 7 ff.; BFH, Urteil v. 07.11.1996 – IV R 69/95, BFHE 182, S. 56, 58 ff.; BFH, Urteil v. 16.03.2004 – VIII R 33/03, BFHE  205, S.  270, 273 ff.; BFH, Beschluss v. 03.02.2005  – I  B  152/04, BFH/NV  2005, S. 1214 f.; BFH, Urteil v. 07.02.2007 – I R 15/06, BFHE 216, S. 541, 549 f.; BFH, Urteil v. 18.09.2007 – I R 30/06, BFHE 219, S. 184, 189 f.; BFH, Beschluss v. 26.09.2007 – V B 8/06, BFHE 219, S. 245, 248 ff.; BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BFHE 220, S. 129, 151; BFH, Urteil v. 28.04.2010 – I R 78/08, BFHE 229, S. 234, 251; BFH, Urteil v. 07.10.2010 – V  R  17/09, BFH/NV  2011, S.  865, 866 f.; BFH, Urteil v. 13.01.2011  – V  R  43/09, BFH/ NV 2011, S. 1049, 1050 f.; BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 15/09, BFHE 233, S. 206, 212; BFH, Urteil v. 27.07.2011 – I R 44/10, BFH/NV 2011, S. 2005 ff.; BFH, Urteil v. 24.01.2013 – V R 34/11, BFHE 239, S. 552, 558. 161 Seer, in: Tipke/Lang, § 21 Rn.  337; Loose, in: Tipke/Kruse, § 227  AO Rn.  53 ff., 56, Fritsch, in: Pahlke/Koenig, § 227 AO Rn.  22 ff., 25; Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn.  56 ff.; Krabbe, in: Koch/Scholtz, § 227 AO Rn. 26; Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 43 u. 107 ff.; Stöcker, in: Beermann/Gosch, § 227 AO Rn. 84 ff., 88; Hey, DStR 2004, S. 1897, 1903; Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 785 ff.; Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, 114 ff.; ablehnend v. Groll, in: HHSp, § 227 AO Rn. 202 ff., 205; Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 368; Schenke, Rechtsfindung, S. 386 f.; differenzierend zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 684 f.

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

es nachfolgend zu untersuchen gilt. Dabei ist zunächst darauf einzugehen, ob der Billigkeitsdispens allgemein – wie von der überwiegenden Auffassung behauptet – als taugliche Rechtsgrundlage in Betracht kommt (1.). Da sich die Gewährung von Vertrauensschutz bei der rückwirkenden Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften vornehmlich als ein verfassungsrechtliches Problem darstellt, ist in diesem Zusammenhang das Verhältnis des Billigkeitsdispenses zur verfassungskonformen Auslegung des jeweiligen Steuergesetzes zu vertiefen. Von diesen Grundüberlegungen ausgehend muss geklärt werden, welcher Billigkeitsdispens der Abgabenordnung im Ergebnis eine mögliche Rechtsgrundlage für die Gewährung von Vertrauensschutz darstellt. Dies erfolgt unter dem Überbegriff des verfahrensrechtlich schwierigen Feldes der sog. „Zweigleisigkeit des Verfahrens“ zwischen Steuerfestsetzung und Billigkeitsdispens (2.). 1. Generelle Eignung des Billigkeitsdispenses für die Berücksichtigung von Vertrauensschutzaspekten Sowohl der Bundesfinanzhof als auch die überwiegende Auffassung im Schrifttum bejahen die Möglichkeit, bei einer verschärfenden Rechtsauslegung und damit auch rückwirkenden Verschärfung steuerlicher Verwaltungsvorschriften im Wege des Billigkeitsdispenses Vertrauensschutz zu gewähren.162 Bemerkenswert ist daran, dass eine genaue dogmatische Konturierung trotz der jahrzehntelang bestehenden Eintracht zwischen Rechtsprechung und Schrifttum bislang nur in Ansätzen erfolgte. Insofern gilt es nachfolgend die tragenden Entscheidungsgründe aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Eignung des Billigkeitsdispenses als taugliche Rechtsgrundlage kritisch zu hinterfragen und diesen eigenständige Kriterien gegenüberzustellen. a) Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Beim Versuch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Billigkeitsdispens bei der verschärfenden Auslegung steuerlicher Verwaltungsvorschriften zu analysieren, fällt zu Beginn auf, dass in einer Vielzahl von Entscheidungen die Möglichkeit zur abweichenden Steuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen als geradezu selbstverständlich vorausgesetzt wird, ohne dass das dogmatische Fundament näher beleuchtet wird.163 Soweit der Bundesfinanzhof auf die Möglichkeit zur Gewährung von Vertrauensschutz eingeht, bezeichnet er in aller 162

s. dazu nochmals die Nachweise in Fn. 160 und Fn. 161. BFH, Urteil v. 23.02.1979  – III  R  16/78, BFHE  127, S.  476, 479; BFH, Urteil v. 22.04.1980 – VIII R 149/75, BFHE 130, S. 391, 403; BFH, Urteil v. 28.10.1980 – VIII R 34/76, BFHE 132, S. 41, 45; BFH, Urteil v. 10.11.1982 – I R 142/79, BFHE 137, S. 202, 205; BFH, Urteil v. 07.02.2007 – I R 15/06, BFHE 216, S. 541, 549 f.; dabei darf nicht verkannt werden, dass ein Billigkeitserlass teilweise aus anderen Gründen ausschied. 163

III. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Vertrauensschutz

281

Regel zunächst die Möglichkeit einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO (früher auch § 131 RAO) als das verfahrensrechtlich vorgesehene Mittel zur Berücksichtigung von Vertrauensschutzaspekten.164 Sodann erfolgt oftmals ein Verweis auf den Rechtsgedanken des Vertrauensschutzes sowie der Gleichbehandlung nach Art. 3 I GG, die eine Schlechterstellung der verfahrensrechtlich noch nicht verbeschiedenen mit den bereits veranlagten Steuer­ pflichtigen verböten.165 Paradigmatisch lassen sich dazu die Ausführungen im Grundsatzurteil des I. Senats anführen: „Es soll im wesentlichen hierdurch – im Interesse der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) und der Rechtssicherheit (Art.  20 GG)  – erreicht werden, daß ein einzelner nicht deshalb anders (schlechter) gestellt wird, weil sein Fall z.B. erst nach Bekanntwerden einer geänderten Rechtsprechung entschieden wird, während unter Umständen die große Mehrzahl der übrigen Steuerpflichtigen noch nach der bisherigen (günstigeren) Verwaltungspraxis behandelt wurde.“166

Unter diesem Gesichtspunkt würde die Änderung der Rechtsauffassung einen sachlichen Billigkeitsgrund darstellen, der eine abweichende Steuerfestsetzung rechtfertige.167 Die dogmatische Grundlage, welche den Billigkeitsbegriff konkre­ tisiere, wird dabei bis heute auf Grundsatz von Treu und Glauben gestützt.168 b) Ansätze im Schrifttum Die dogmatischen Ansätze des Schrifttums für eine Gewährung des Vertrauensschutzes bei der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften sind gespalten. Während ein Großteil der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs folgt,169 sind sowohl differenzierende170 als auch grundsätzlich ablehnende Positionen171 nachweisbar. Insbesondere die letztgenannten Ansätze verdienen vor dem Hin 164 BFH, Beschluss v. 25.06.1984  – GrS  4/82, BFHE  141, S.  405, 413; BFH, Urteil v. 15.01.1986 – II R 141/83, BFHE 145, S. 453, 455 f.; BFH, Urteil v. 07.11.1996 – IV R 69/95, BFHE 182, S. 56, 59; BFH, Beschluss v. 26.09.2007 – V B 8/06, BFHE 219, S. 245, 249; dem zustimmend Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn. 56c. 165 Grundlegend insofern nach wie vor: GmSOGB, Beschluss v. 19.10.1971 – GmS-OGB 3/70, BFHE  105, S.  101, 113 f.; aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs: BFH, Urteil v. 23.02.1979 – III R 16/78, BFHE 127, S. 476, 478; BFH, Urteil v. 12.01.1987 – IV R 87/87, BFHE 155, S. 487, 489; BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 483. 166 BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 483. 167 BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 482; sinngemäß auch BFH, Beschluss v. 26.09.2007 – V B 8/06, BFHE 219, S. 245, 249. 168 BFH, Urteil v. 14.08.1958 – I 39/57 U, BFHE 67, S. 354, 360; BFH, Urteil v. 26.04.1995 – XI R 91/83, BFHE 178, S. 4, 7; BFH, Urteil v. 07.11.1996 – IV R 69/95, BFHE 182, S. 56, 58; BFH, Urteil v. 07.10.2010 – V R 17/09, BFH/NV 2011, S. 865, 866; dem folgend Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 107; Krabbe, in: Koch/Scholtz, § 227 AO Rn. 26. 169 Vergleiche dazu nochmal die Nachweise in Fn. 161. 170 Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 684 f.; Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, S. 113 ff. 171 Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, S. 368; v. Groll, in: HHSp, § 227 AO Rn. 205; Isensee, in: FS Flume 1978, S. 129, S. 142; Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 355 ff.

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

tergrund der weitestgehend unkritischen Übernahme der BFH-Rechtsprechung einer vertieften Darstellung. In systematischer Hinsicht lässt sich das vertretene Meinungsspektrum in verfassungsrechtliche Grundsatzkritik [aa)], methoden­ gerechte [bb)] sowie nach rechtswidrigen und rechtmäßigen Verwaltungsvorschriften differenzierende Ansätze [cc)] gliedern. aa) Verfassungsrechtliche Grundsatzkritik Josef Isensee hat bereits früh auf die verfassungsrechtliche Problematik der Dispensgründe des Steuerverwaltungsrechts hingewiesen. Er hebt hervor, dass die auf die §§ 163,  227 AO gestützten Entscheidungen bei einer Änderung der Rechtslage nicht der Herstellung der Einzelfallgerechtigkeit, sondern vielmehr einer Verstetigung der Verwaltungspraxis dienen würden.172 Die Grundsatzkritik Isensees zielt darauf ab, dass sich der Billigkeitsdispens auf dem Gebiet des Steuerverfahrensrechts im Gegensatz zum Steuerschuldrecht nicht auf den atypischen Fall beschränke, sondern vielmehr allgemeine Konstellationen erfasse, die durch abstrakt-generelle Rechtssätze geregelt werden müssten.173 Isensee konstatiert: „Das Blankett des Steuererlasses bedarf der Ablösung durch tatbestandlich präzisierte und differenzierte Vorkehrungen des Vertrauensschutzes im Verwaltungsverfahren. (…) Die rechtsstaatliche Legitimation, die dem Steuerdispens als Billigkeitsregulativ des Steuerschuldrechts zukommt, erfasst nicht seine Verwendung als Ablagehalde gesetzgeberisch unbewältigter Probleme des Verwaltungsverfahrens. Die beiden Anwendungsformen des Steuererlasses haben keinen gemeinsamen dogmatischen Nenner.“174

Ähnlich kritisch sieht auch Rüdiger von Groll die Möglichkeit, auf die §§ 163, 227  AO gestützte Übergangsregelungen zu erlassen.175 In Anlehnung an Josef Isensee betrachtet er Übergangsregelungen bei der Aufgabe oder Abänderung einer langjährigen, in Verwaltungsvorschriften festgehaltenen Verwaltungspraxis als „„Reparaturversuch“ im Bereich der Gesetzesgerechtigkeit“176. Die von der Finanzverwaltung auf Grundlage der §§ 163, 227 AO erlassenen Billigkeitsmaßnahmen würden deshalb im Ergebnis gegen das Demokratieprinzip sowie den verfassungsrechtlich verankerten Gewaltenteilungsgrundsatz verstoßen.177 Im Ergebnis müssten die Voraussetzungen für einen über das Maß des § 176 AO hinausgehenden Vertrauensschutz auf ein Niveau herabgesetzt werden, dass letztlich den Anforderungen der restriktiven Treu-und-Glauben-Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gerecht werde.178 172

Isensee, in: FS Flume 1978, S. 129, S. 142. Isensee, Fn. 172. 174 Isensee, Fn. 172. 175 v. Groll, in: HHSp, § 227 AO Rn. 203 ff. 176 v. Groll, in: HHSp, § 227 AO Rn. 205. 177 v. Groll, in: HHSp, § 227 AO Rn. 206. 178 v. Groll, in: HHSp, § 227 AO Rn. 207. 173

III. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Vertrauensschutz

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bb) Methodengerechter Ansatz Eine andere, auf die Methodengerechtigkeit der Rechtsanwendung gestützte Vorgehensweise verfolgen Joachim Englisch und Beate Plum179 sowie Marc Desens.180 Beiden Ansätzen ist gemein, dass sie die Tauglichkeit des Billigkeitsdispenses für eine entsprechende Gewährung von Vertrauensschutz als subsidiär vor einer teleologischen Reduktion des steuerlichen Tatbestands aus Vertrauensschutzgründen bezeichnen. Joachim Englisch und Beate Plum gehen davon aus, dass durch Übergangsbestimmungen der Verwaltung lediglich der zeitliche Anwendungsbereich einer neuen Gesetzesauslegung konkretisiert werde.181 Die Befugnis zum Erlass von Übergangsregelungen sei der Verwaltung kraft ihres durch das Gewaltenteilungsprinzip erteilten Mandats zur Rechtskonkretisierung immanent, sodass es insofern keines Rückgriffs auf das Billigkeitsinstitut der Abgabenordnung bedürfe.182 Tendenziell ähnlich ist der von Marc Desens verfolgte, vertrauensschutzorientierte Ansatz.183 Er sieht den Rechtfertigungsgrund für die Abweichung von der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung im verfassungsrechtlich begründeten Vertrauensschutz.184 Auch hier müsse wiederum maßgeblich sein, dass der Verwaltung kraft Gewaltenteilungsprinzip das Mandat zum Erstvollzug des Gesetzes erteilt wird. Dies beinhalte die Befugnis zur Gewährung von Vertrauensschutz, ohne dass dabei ein Rückgriff auf das Billigkeitsrecht notwendig sei.185 Mithin stelle sich die Frage einer Gewährung von Vertrauensschutz nicht als Problem der richtigen Rechtsgrundlage, sondern vielmehr der richtigen, nämlich verfassungskonformen Anwendung des Steuergesetzes dar. cc) Zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften differenzierender Ansatz Der dritte, weniger grundsatzkritische, dennoch differenzierende Ansatz zur Frage der Notwendigkeit einer Rechtsgrundlage zwecks Gewährung von Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften findet sich bei Peter Selmer186 und Johanna Hey.187 Beiden Ansichten zufolge sei danach zu differenzieren, ob das ursprüngliche, in einer Verwaltungsvorschrift niedergelegte Handlungsprogramm rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Im Falle der 179

Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 367 f. Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 355 ff. 181 Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 367 f. 182 Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 368. 183 Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 355 ff. 184 Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 358. 185 Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 358 f. 186 Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, S. 113 ff. 187 Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 684 f. 180

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

Rechtmäßigkeit bedürfe es keines Dispenses in Form der §§ 163, 227 AO für die Gewährung von Vertrauensschutz; insofern werde hier lediglich der zeitliche Anwendungsbereich der geänderten Verwaltungsauffassung konkretisiert. Im Falle der Rechtswidrigkeit bedürfe es dagegen einer Heranziehung des Billigkeitsdispenses vor dem Hintergrund, dass nur die §§ 163, 227 AO in der Lage seien, die strikte Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung zu durchbrechen und insofern materieller Gerechtigkeit den Vorrang einzuräumen.188 c) Gesamtbewertung und Stellungnahme Ausgangspunkt jeglicher Überlegungen zur Tauglichkeit des Billigkeitsdispenses als potenzielle Rechtsgrundlage muss die verfassungsrechtliche Pflicht der Verwaltung zur Gewährung von Vertrauensschutz bei der rückwirkenden Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften sein. Zwar mag die Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Normierung des hier untersuchten Problemkreises rechtspolitisch wünschenswert erscheinen;189 indes stellt das steuerliche Verfahrensrecht in seiner derzeitigen Form ein ausreichendes Instrumentarium zur Verfügung, um der hier diskutierten Problematik Herr zu werden. So kann insbesondere dem Einwand Josef  Isensees, wonach der Dispens aus steuer­verfahrensrechtlichen Gründen einer gesetzlichen Grundlage entbehre,190 mit dem Einwand begegnet werden, dass es namentlich der historische Gesetzgeber der Abgabenordnung war, welcher angesichts des auf § 131 RAO basierenden Rechtszustandes eine entsprechende Möglichkeit fernab von § 176 AO in den §§ 163, 227 AO aufrecht erhalten wollte.191 Von diesen Erwägungen ausgehend stellt sich die Eignung des Billigkeitsdispenses ebenfalls nicht als Problem methodengerechter Rechtsanwendung dar. In grundsätzlicher Hinsicht ist nämlich zwischen originärer und delegierter Billigkeitskompetenz der Verwaltung zu unterscheiden.192 Wenn im Schrifttum darauf hingewiesen wird, dass in den auftretenden Vertrauensschutzkonstellationen bereits auf Tatbestandsebene von Verfassungs wegen Vertrauensschutz zu gewährleisten sei,193 wird damit im Ergebnis nichts anderes als eine verfassungskonforme Auslegung des jeweiligen Steuergesetzes angestrebt. Ein solcher Ansatz läuft jedoch Gefahr, die vom Gesetzgeber auf Ebene des steuerlichen Tatbestands vorgesehene leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung zu unterlaufen. Insofern muss strikt mit Josef  Isensee zwischen Normauslegung und Normdispens unterschie 188

Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 684; Selmer, StKongrRep 1974, S. 83, 113 ff., insb. S. 117. Rose, Stbg. 1999, S. 401, 408 ff.; Isensee, in: FS Flume 1978, S. 129, 142; v. Groll, in: HHSp, § 227 AO Rn. 203 ff. 190 Isensee, in: FS Flume 1978, S. 129, 142. 191 BT-Drucks. VI/1982, S. 155. 192 Pernice, Billigkeit und Härteklauseln, S. 546 ff. 193 Dazu nochmals Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S. 655 ff., 658; Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 367 f. 189

III. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Vertrauensschutz

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den werden.194 Für eine verfassungskonforme Auslegung des Steuergesetzes ist insoweit nur im Falle originärer Billigkeitskompetenzen der Verwaltung Raum.195 Nach richtigem, insbesondere von Werner  Flume schon früh vertretenem Verständnis bedarf es auch im Falle der Gewährung von Vertrauensschutz der Heranziehung des Billigkeitsdispenses als Rechtsgrundlage.196 Dies wird besonders daran deutlich, dass die eigentliche Rechtsanwendung gegenüber dem Steuerpflichtigen – insbesondere im Verhältnis zu den übrigen Steuerpflichtigen – rechtmäßig ist, aufgrund der überwiegenden Vertrauensschutzaspekte in seinem Fall aber zu einer Übermaßbesteuerung führt. Eine verfassungskonforme Reduktion des steuergesetzlichen Tatbestands hätte in der hiesigen Konstellation zur Konsequenz, dass das Steuergesetz seinen allgemeinen Geltungsanspruch verliert.197 Das entscheidende Argument für die generelle Eignung der §§ 163,  227 AO als Mittel zur tatbestandlichen Überleitung der hier entwickelten Vertrauensschutzdogmatik auf Steuerbescheide muss mithin in der Funktion sowie verfassungsrechtlichen, namentlich demokratischen Legitimation des Billigkeitsdispenses selbst zu suchen sein. Nach hier vertretenem Verständnis stellt der in den §§ 163,  227 AO vorgesehene Billigkeitsdispens das verfahrensrechtlich notwendige Pendant zur Herstellung eines Ausgleichs zwischen leistungsfähigkeitsgerechter Besteuerung auf Tatbestandsebene sowie Verhinderung einer Übermaßbesteuerung im Einzelfall dar.198 Diese Sichtweise ist im Ergebnis in der Lage, das durch den Billigkeitsdispens seitens des Gesetzgebers an die Exekutive erteilte Mandat zur Abweichung vom Gesetz mit Blick auf den Vorrang des Gesetzes und damit auch der §§ 163, 227 AO zu erklären. Aus diesem Blickwinkel erst wird begreiflich, in welchem Verhältnis der allgemeine Geltungsanspruch des Steuergesetzes auf Tatbestandsebene sowie der Billigkeitsdispens stehen. Richtiger Sichtweise zufolge bilden Rechts- und Billigkeitsordnung insofern eine Einheit, die in gleichsam wechselseitiger Beziehung stehen.199 Bildet die Billigkeit bei sonstigen steuerlichen Verwaltungsakten eine Schranke sachgerechter Ermessensausübung, stellt sie auf Ebene des steuergesetzlichen Tatbestands die immanente Schranke verfassungskonformer Auslegung dar, um das Steuergesetz nicht seines allgemeinen, kraft unmittelbarer demokratischer Legitimation erteilten Geltungsanspruchs zu berauben.200 194

Isensee, in: FS Flume 1978, S. 129, 136. Pernice, Billigkeit und Härteklauseln, S. 553 ff., insb. S. 557 ff. 196 Flume, StbKRep 1953/54, S. 81, 98. 197 Gerade dies ist aber das Ziel und die gleichsam immanente Grenze jeder verfassungskonformen Auslegung, vgl. nur Birk, StuW 1990, S. 300, 303. 198 Das ist insbesondere im Schrifttum soweit unstreitig, vgl. Kirchhof, in: FS Scupin 1983, S. 776, 783; Loose, in: Tipke/Kruse, § 227 AO Rn. 3 f.; Fritsch, in: Pahlke/Koenig, § 227 AO Rn.  2; Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn.  6 ff.; Krabbe, in: Koch/Scholtz, § 227 AO Rn.  19 f.; Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn.  18 u.  36 ff.; Stöcker, in: Beermann/Gosch, § 227 AO Rn. 1.1 f.; in diesem Sinne wohl auch Schenke, Rechtsfindung, S. 368 f. 199 Hartz, Auslegung, S. 45. 200 Kirchhof, in: FS Scupin 1983, S. 776, 782; Drüen, StuW 2012, S. 269, 277. 195

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

Unter Zugrundelegung dieses Ansatzes kann auch der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Ergebnis zugestimmt werden. Zwar eignet sich die Heran­ ziehung des Grundsatzes von Treu und Glauben –  wie im 4.  Kapitel dargelegt wurde201 – nicht für die Lösung der hier im Raume stehenden, freiheitsrechtlich begründeten Vertrauensschutzproblematik. Dennoch ist der dogmatische Ansatz der Übergangsgerechtigkeit im Gleichheitssatz des Art. 3 I GG zu suchen, wenn auch nicht auf dem vom Bundesfinanzhof vorgeschlagenen Wege. Bemerkenswert ist, dass der Bundesfinanzhof im Rahmen der Konkretisierung des Billigkeitsbegriffs den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG einerseits für eine tatsächliche Gleichstellung der Steuerpflichtigen in zeitlicher Hinsicht heranzieht,202 andererseits aber die Gewährung von Vertrauensschutz im Billigkeitswege unter Hinweis auf den Grundsatz „Keine Gleichheit im Unrecht“ versagt.203 Eine tatsächliche Gleichstellung ist – fernab des Sonderfalls eines strukturellen Vollzugsdefizits – weder auf Tatbestandsebene noch im Wege des Billigkeitsdispenses angesichts der klaren Wertung von Art. 3 I GG vorgesehen. Maßgeblich ist vielmehr, dass Art. 3 I GG vor dem Hintergrund einer am Leistungsfähigkeitsprinzip orientierten Besteuerung die einheitlich „richtige“ Rechtserkenntnis bei Auslegung des steuerlichen Tatbestands gegenüber allen noch zu veranlagenden Steuerpflichtigen verlangt. Sodann ist der unbestimmte Rechtsbegriff der Billigkeit verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass durch ihn in besonders gelagerten Fällen vor dem Hintergrund der Vermeidung einer im Einzelfall aus einem Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip resultierenden Übermaßbesteuerung Vertrauensschutz zu gewähren ist. Der Begriff „besonders“ darf in diesem Zusammenhang nicht in einem Sinne eingeengt werden, dass es sich stets um seltene Ausnahmefälle handeln müsste. Die hier vorgeschlagene Handhabung des Begriffs der Billigkeit steht vielmehr in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach Billigkeitsklauseln gerade zur Vermeidung einer das Übermaßverbot verletzenden Besteuerung und damit einer Verfassungswidrigkeit der Norm an sich herangezogen werden können.204 Die Notwendigkeit der hier vertretenen Sichtweise wird insbesondere durch das Wesen des Billigkeitsdispenses bestätigt. Die Unbilligkeit der Heranziehung zur Steuer ergibt sich nicht aus der – durch Art. 3 I GG und § 85 S. 1 AO ohnehin geforderten – richtigen Rechtserkenntnis, sondern vielmehr aus der Vornahme schutzwürdiger und zudem verfassungsrechtlich geschützter Dispositionen vor der verschärfenden Änderung bzw. Auslegung der Verwaltungsvorschrift: Während 201

s. oben, 4. Kapitel, I. 2. c) cc), S. 164 f., u. III. 3. a) bb), S. 204 f. Vgl. die Nachweise in Fn. 165. 203 So insbesondere in den Entscheidungen BFH, Beschluss v. 03.02.2005 – I B 152/04, BFH/ NV 2005, S. 1214 f.; BFH, Beschluss v. 26.09.2007 – V B 8/06, BFHE 219, S. 245, 250; zuletzt BFH, Urteil v. 17.04.2013 – X R 6/11, BFH/NV 2013, S. 1537, 1540. 204 Vgl. dazu BVerfG, Beschluss v. 05.04.1978 – 1 BvR 117/73, BVerfGE 48, S. 102, 114; BVerfG, Beschluss v. 13.01.1976  – 1  BvR  631/69  u.a., BVerfGE  41, S.  126, 188; kritisch v. Groll, in: HHSp, § 227 AO Rn. 286. 202

III. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Vertrauensschutz

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die allgemeine Geltung des Steuergesetzes auf Tatbestandsebene die Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Verhältnis der Steuerpflichtigen untereinander sicherstellt, beinhaltet der Billigkeitsdispens kraft seiner demokratischen Legitimation das Mandat zur Abweichung vom unbedingten Geltungsanspruch des Steuergesetzes gegenüber allen Steuerpflichtigen und zur Herstellung der durch den Vertrauensschutz geforderten Gerechtigkeit im Einzelfall. Plastisch gesprochen ist die Lastengleichheit der Besteuerung im steuerlichen Verfahrensrecht nach dem hier vorgeschlagenen Modell auf Tatbestandsebene zu verwirklichen, wohingegen durch schutzwürdiges Vertrauen bedingte Verstöße gegen das Verbot einer Übermaßbesteuerung im Einzelfall die Durchbrechung der Lastengleichheit auf Ebene des Billigkeitsdispenses rechtfertigen. Eine so verstandene Gesamtbetrachtung von Tatbestandsebene und Billigkeitsdispens führt im Ergebnis zu einer verfassungsmäßigen Besteuerung im Einzelfall durch die systemkonforme Auslegung und Handhabung des geltenden steuerlichen Verfahrensrechts. Hat man die hier vorgenommene Weichenstellung zwischen leistungsfähigkeitsgerechter Besteuerung auf Tatbestandsebene einerseits sowie der Verhinderung einer dadurch bedingten Übermaßbesteuerung im Einzelfall auf Billigkeitsebene andererseits akzeptiert, bedarf es schlussendlich keiner Differenzierung zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften. Das Vertrauensschutzprinzip unterscheidet in seiner Rechtsfolge mit Blick auf die prinzipielle Gewährung von Vertrauensschutz nicht zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften; insofern ergeben sich lediglich Unterschiede in der zeitlichen Abwicklung der geschützten „Altfälle“.205 Nach alledem bleibt festzuhalten: Der Billigkeitsdispens ist das verfassungsrechtlich durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber vorgesehene Mittel, um Vertrauensschutzaspekte bei der verschärfenden Änderung bzw. Auslegung steuerlicher Verwaltungsvorschriften zu berücksichtigen. Weder bedarf es einer ergänzenden Regelung dieser Problematik durch den Gesetzgeber noch einer vor­rangigen verfassungskonformen Auslegung des jeweiligen steuerlichen Tatbestands. 2. Einschlägige Rechtsgrundlage innerhalb des Billigkeitsrechts Anknüpfend an das vorherige Ergebnis wird im Folgenden der Frage nachgegangen, welche Rechtsgrundlage des Billigkeitsrechts der Abgabenordnung für eine Anwendung der im 4. Kapitel entwickelten Vertrauensschutzdogmatik in Betracht kommt. Verfahrensrechtlich differenziert die Abgabenordnung zwischen einer Berücksichtigung von Billigkeitsaspekten bereits innerhalb des Festsetzungs­ verfahrens in Form der abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen 205

s. dazu nochmals die Ausführungen oben, 4. Kapitel, IV. 3. b), S. 236 ff.

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

gem. § 163 AO sowie im Erhebungsverfahren in Form des Steuererlasses nach § 227 AO. Eine genaue Untersuchung der möglichen Rechtsgrundlage ist dabei sowohl vor dem Hintergrund einer effektiven Gewährleistung des Vertrauensschutzes als auch Rechtsschutzes notwendig: Die Diskussion um die taugliche Rechtsgrundlage ist vorgeprägt durch die sog. „Zweigleisigkeit des Verfahrens“,206 welche die Steuerfestsetzung und die Berücksichtigung von Billigkeitsaspekten verfahrensrechtlich in verschiedene Verwaltungsakte spaltet. Hierauf beruft sich namentlich immer wieder der Bundesfinanzhof in verschiedensten Entscheidungen, in dem er die „Härte“ der richtigen Rechtserkenntnis durch den Verweis auf ein unter Umständen in Betracht kommendes „Billigkeitsverfahren“ abzumildern versucht.207 Angesichts des verfahrensrechtlich schwierigen Umfeldes gilt es nachfolgend daher zunächst das Verhältnis der abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen i.S.d. § 163 AO zum Steuererlass gem. § 227 AO auszutarieren [a)]. Daran anschließend wird der Anwendungsbereich der potenziellen Rechtsgrundlage in verfahrensrechtlicher Hinsicht –  gleichsam vor die Klammer gezogen  – behandelt [b)]. a) Verhältnis der abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO zum Steuererlass gem. § 227 AO Das Verhältnis zwischen der abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO sowie dem Steuererlass gem. § 227 AO ist gekennzeichnet durch die Unterscheidung zwischen sachlichen und persönlichen Billigkeitsgründen.208 Während persönliche Billigkeitsgründe hauptsächlich an die subjektiven Verhältnisse des Steuerschuldners und damit im Wesentlichen an die „monetäre“ Leistungsfähigkeit anknüpfen, sind sachliche Billigkeitsgründe von den wirt 206 Zum Begriff: Seer, in: Tipke/Lang, § 21 Rn. 294 f.; v. Groll, in: HHSp, § 163 AO Rn. 145; Baum, in: Koch/Scholtz, § 163 AO Rn. 17; Cöster, in: Pahlke/Koenig, § 163 AO Rn. 53; Loose, in: Tipke/Kruse, § 163 AO Rn. 28 ff. 207 v.  Groll, in: HHSp, § 227 AO Rn.  204. Aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vgl. insbesondere den grundlegenden Beschluss des Großen  Senats zur gewerblich geprägten Personengesellschaft, BFH, Beschluss v. 25.06.1984  – GrS  4/82, BFHE  141, S.  405, 417; s. auch BFH, Urteil v. 18.02.1982  – IV  R  85/79, BFHE  135, S.  311, 316; BFH, Urteil v. 11.12.1986 – V R 166/81, BFH/NV 1987, S. 402, 403 f.; BFH, Urteil v. 11.10.1988 – VIII R 419/83, BFHE 155, S. 298, 306; BFH, Urteil v. 18.09.2007 – I R 30/06, BFHE 219, S. 184, 190; BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BFHE 220, S. 129, 151; BFH, Urteil v. 09.03.2010 – VIII R 24/08, BFHE 228, S. 499, 504 f.; BFH, Urteil v. 28.04.2010 – I R 78/08, BFHE  229, S.  234, 251; BFH, Urteil v. 19.10.2010  – X  R  41/08, BFH/NV  2011, S.  245; BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 15/09, BFHE 233, S. 206, 212; BFH, Urteil v. 07.07.2011 – V R 21/10, BFHE 234, S. 531, 540; zuletzt BFH, Urteil v. 24.01.2013 – V R 34/11, BFHE 239, S. 552, 558. 208 Zu dieser Unterscheidung statt Vieler: v. Groll, in: HHSp, § 227 AO Rn. 125 ff. sowie Seer, in: Tipke/Lang, § 21 Rn. 333 ff.

III. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Vertrauensschutz

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schaftlichen Verhältnissen des Steuerschuldners unabhängig und resultieren unmittelbar aus der unbedingten Anwendung des steuerlichen Tatbestands gegenüber dem Steuerpflichtigen.209 Die tatbestandsmäßige Besteuerung widerspricht im Falle der sachlichen Unbilligkeit mithin den übergeordneten Wertungen des Gesetzes bzw. der Verfassung; sie umfasst folglich die hier untersuchte Vertrauensschutzproblematik.210 Da die tatbestandlichen Voraussetzungen der sachlichen und persönlichen Billigkeit in den §§ 163, 227 AO nach herrschender Auffassung als identisch gelten,211 stellt sich nachfolgend die Frage, ob für den Steuerpflichtigen eine Wahlmöglichkeit zwischen § 163 AO und § 227 AO besteht, um den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Gewährung von Vertrauensschutz verfahrensrechtlich geltend zu machen. aa) Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Die Position innerhalb der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist unklar. Einige Entscheidungen nennen in Bezug auf die Vertrauensschutzproblematik die §§ 163, 227 AO als mögliche Rechtsgrundlage, ohne hierbei trennscharf zu differenzieren,212 teilweise wird sogar auf die Erlassmöglichkeit nach § 227 AO verwiesen.213 In einigen jüngeren Judikaten ist ansatzweise die Tendenz erkennbar, sachliche Billigkeitsgründe und damit auch Vertrauensschutzaspekte dem Bereich der abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen zuzuordnen.214 Eine einheitliche Linie lässt sich innerhalb des Bundesfinanzhofs jedoch nach wie vor nicht erkennen, insbesondere auch bezüglich der dogmatischen Einzelheiten. Dieser Befund ist sicherlich bis heute noch der Vorgängernorm des § 131  RAO 209

Seer, in: Tipke/Lang, § 21 Rn. 334; Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 36; Stöcker, in: Beermann/Gosch, § 227 AO Rn. 40; v. Groll, in: HHSp, § 227 AO Rn. 126. 210 Krabbe, in: Koch/Scholtz, § 227  AO Rn.  19; Stöcker, in: Beermann/Gosch, § 227  AO Rn. 76. 211 BFH, Urteil v. 26.10.1994 – X R 104/92, BFHE 176, S. 3, 7; Cöster, in: Pahlke/Koenig, § 163 AO Rn. 1; Seer, in: Tipke/Lang, § 21 Rn. 295; Loose, in: Tipke/Kruse, § 163 AO Rn. 8; Rüsken, in: Klein, § 227 AO Rn. 17; v. Groll, in: HHSp, § 163 AO Rn. 80 ff.; Baum, in: Koch/ Scholtz, § 163 AO Rn. 11. 212 Vgl. beispielsweise BFH, Urteil v. 12.01.1987  – IV  R  87/87, BFHE  155, S.  487, 489; BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BFHE 220, S. 129, 151; BFH, Urteil v. 28.04.2010 – I R 78/08, BFHE 229, S. 234, 251; BFH, Urteil v. 27.07.2011 – I R 44/10, BFH/NV 2011, S. 2005 f. 213 BFH, Urteil v. 14.10.1987 – II R 120/85, BFH/NV 1989, S. 80, 81. 214 BFH, Urteil v. 23.02.1979  – III  R  16/78, BFHE  127, S.  476, 479; BFH, Beschluss v. 25.06.1984 – GrS 4/82, BFHE 141, S. 405, 417; BFH, Urteil v. 16.03.2004 – VIII R 33/03, BFHE 205, S. 270, 273; s. auch BFH, Urteil v. 07.02.2007 – I R 15/06, BFHE 216, S. 541, 549 sowie BFH, Beschluss v. 26.09.2007 – V B 8/06, BFHE 219, S. 245, 248 jeweils mit der Besonderheit, dass dort explizit Klage auf Gewährung einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO erhoben wurde; widersprüchlich BFH, Urteil v. 10.11.1982 – I R 142/79, BFHE 137, S. 202, wo auf S. 205 § 163 AO als potenzielle Rechtsgrundlage genannt, auf S. 206 indes auf die §§ 163, 227 AO verwiesen wird.

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

geschuldet,215 der angesichts seines auf das Steuerfestsetzungs- und Erhebungsverfahren erstreckten Anwendungsbereichs eine derartige Differenzierung nicht erforderte.216 Auch muss berücksichtigt werden, dass in vielen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof stets eine konkrete Billigkeitsmaßnahme im Raume stand, ohne dass dort weiterführende Ausführungen zum Verhältnis der §§ 163, 227 AO mangels Entscheidungsrelevanz notwendig gewesen wären. bb) Bericht aus dem Schrifttum Geteilt sind ebenfalls die Auffassungen im Schrifttum. Der Großteil geht von einer Wahlmöglichkeit des Steuerpflichtigen zwischen der abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen sowie dem Steuererlass aus,217 obgleich die Tendenz innerhalb der Rechtsanwendungspraxis zu § 163 AO durchaus erkannt wird.218 Teilweise wird in rechtspolitischer Hinsicht sogar die Notwendigkeit von § 163 AO angezweifelt.219 Demgegenüber stehen differenzierte Positionen, die unter Berufung auf den Wortlaut und die systematische Stellung der verschiedenen Billigkeitsinstitute zumindest von einer „Vorrangigkeit“ von § 163  AO im Vergleich zu § 227 AO ausgehen.220 cc) Eigener Ansatz Weder der Bundesfinanzhof noch die Ansätze im Schrifttum konnten bisher einen dogmatisch zufriedenstellenden Ansatz für das Verhältnis der §§ 163, 227 AO entwickeln. Eine Lösung der hier aufgeworfenen Problematik hat sich am Wortlaut sowie Normzweck der §§ 163, 227 AO zu orientieren. Während sich § 163 S. 1 AO 215 § 131 I RAO in der Fassung des StÄndG 1961 vom 13.07.1961, BGBl. I 1961, S. 981 hatte folgenden Wortlaut: „Im Einzelfall können Steuern und sonstige Geldleistungen ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn ihre Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter der gleichen Voraussetzung können bereits entrichtete Steuern und sonstige Geldleistungen erstattet oder angerechnet werden. Die Befugnis zum Erlaß der Steuer umfaßt bei Besitzund Verkehrsteuern auch das Recht, zuzulassen, daß die Steuer niedriger festgesetzt wird oder dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer nicht berücksichtigt werden. (…).“ 216 Loose, in: Tipke/Kruse, § 163 AO Rn. 1; zur Entstehungsgeschichte v. Groll, in: HHSp, § 227 AO Rn. 12. 217 Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 1; Krabbe, in: Koch/Scholtz, § 227 AO Rn. 4; Cöster, in: Pahlke/Koenig, § 163 AO Rn. 1; Eich, KÖSDI 2012, S. 18033; Lohmeyer, DStZ 1982, S. 257 f.; Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn. 4 mit insoweit fraglichem Hinweis auf die vermeintlich bestehende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in BFH, Beschluss v. 30.08.1999  – X B 67/99, BFH/NV 2000, S. 301. 218 Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn. 1; Krabbe, in: Koch/Scholtz, § 227 AO Rn. 4 219 Prägnant v. Groll, in: HHSp, § 163 AO Rn. 24: „des Guten zu viel getan“. 220 Stadie, Steuerrecht, Rn.  304; Sauer, in: Beermann/Gosch, § 163 AO Rn.  20; Loose, in: Tipke/Kruse, § 163 AO Rn. 1.

III. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Vertrauensschutz

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im Wortlaut auf die „Erhebung“ bezieht, spricht § 227  Hs.  1 AO allgemein von „Einziehung“. Der diesbezüglich indifferente Wortlaut des § 163 S. 1 AO liefert insofern keine entscheidenden Abgrenzungskriterien. An dieser Stelle kann jedoch der Normzweck beider Vorschriften fruchtbar gemacht werden. Eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO dient dem Ziel, all die­ jenigen Gründe, welche eine Steuerfestsetzung, d.h. die verfahrensrechtliche Realisierung des steuerschuldrechtlich entstandenen Steueranspruchs i.S.d. § 38 AO unbillig erscheinen lassen, an frühestmöglicher Stelle berücksichtigen zu können.221 Vor diesem Hintergrund werden besonders die Parallelen zum Verfahren der gesonderten Feststellung nach den §§ 179 ff. AO deutlich: § 163 AO dient dem Ziel, in verfahrensrechtlich abgestufter Weise die inhaltliche Richtigkeit der Steuerfestsetzung zu gewährleisten222 und ist schlichtweg eine verfahrensrechtliche Brücke, um die Prinzipien der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und Verhinderung einer Übermaßbesteuerung in Einklang zu bringen. Für diese Sichtweise spricht zudem der Aspekt der Verfahrensökonomie: Sachliche Billigkeitsgründe in Form des Vertrauensschutzes liegen regelmäßig bereits bei Durchführung der Steuerfestsetzung vor,223 sodass die Finanzbehörde zeitgleich für das Festsetzungs- und Billigkeitsverfahren ermitteln und entscheiden kann. Unter Zugrundelegung dieses Normverständnisses wird im Ergebnis die tatbestandliche Differenzierung zwischen „Erhebung“ in § 163 S. 1 AO sowie „Einziehung“ in § 227 Hs. 1 AO klar. Die Erhebung der Steuer in § 163 S. 1 AO ist damit richtigerweise als hoheitliche Durchsetzung des entstandenen Steueranspruchs in Form des Steuerbescheids zu verstehen, wohingegen § 227 AO mit dem Begriff der „Einziehung“ angesichts seines weiten, auf die Erhebung sämtlicher Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis bezogenen Anwendungsbereichs ein grundlegend anderes Normverständnis zugrunde legt. Im Ergebnis muss der in § 163  S.  1  AO vorgesehene Billigkeitsdispens für sachliche Billigkeitsgründe und damit die Berücksichtigung von Vertrauensschutzaspekten im Verhältnis zu § 227 Hs. 1 AO als speziellere Norm angesehen werden.224 b) Einzelfragen zum Tatbestand und Anwendungsbereich von § 163 AO Mit der Feststellung, dass § 163 S. 1 AO als taugliche Rechtsgrundlage für die Gewährung von Vertrauensschutz bei der rückwirkenden Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften in Betracht kommt, sind nachfolgend verschiedene Einzelaspekte zu dessen Tatbestand und Anwendungsbereich zu vertiefen. Von Interesse ist an dieser Stelle namentlich das Verhältnis von § 163 AO zum 221

Loose, in: Tipke/Kruse, § 163 AO Rn. 1. Für das Verfahren der gesonderten Feststellung: Stadie, Steuerrecht, Rn. 545. 223 Jakob, Abgabenordnung, Rn. 273. 224 Wie hier im Ergebnis Stadie, Steuerrecht, Rn. 304 u. 314. 222

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

Verfahren der Steuerfestsetzung [aa)] sowie die Verbindung von Steuerfestsetzung und Billigkeitsdispens in § 163 S. 3 AO [bb)]. Abschließend wird auf Sonderfragen der abweichenden Festsetzung von Steuermessbeträgen [cc)] eingegangen. aa) Verhältnis von § 163 AO zum Steuerfestsetzungsverfahren Grundüberlegung des Verhältnisses von § 163 AO zum Steuerfestsetzungsverfahren muss die bereits eingangs erwähnte Vorprägung in Form der sog. „Zweigleisigkeit des Verfahrens“ sein. Verfahrensrechtlich werden danach die Steuerfestsetzung sowie eine Entscheidung über die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gem. § 163 S. 1 AO in verschiedene Verwaltungsakte geteilt.225 Dies wird auch am Wortlaut des § 163 S. 3 AO deutlich, wonach die Entscheidung über die abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen mit der Steuerfestsetzung verbunden werden kann. Eine grundlegende Klärung des Verhältnisses von Billigkeitsdispens und Steuerfestsetzung erfolgte durch den Bundesfinanzhof. Nach dessen ständiger Rechtsprechung stellt die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme gem. § 163 AO einen Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 X AO für die Steuerfestsetzung dar, welche gegebenenfalls über § 175 I 1 Nr. 1 AO umzusetzen ist.226 Obgleich diese Rechtsprechung nicht ohne Kritik geblieben ist,227 muss ihr im Ergebnis zugestimmt werden: Angesichts der hier zugrunde gelegten Funktion des § 163 AO in Form der verfahrensrechtlichen Abstufung zur Herstellung einer der Rechtsordnung entsprechenden Besteuerung einerseits sowie dem Vereinfachungszweck andererseits würde die durch § 47 AO angeordnete rechtsgestaltende Wirkung des Billig­

225 H. M., vgl. nur BFH, Urteil v. 26.10.1994 – X R 104/92, BFHE 176, S. 3, 6; BFH, Urteil v. 22.08.1990 – I R 69/89, BFHE 162, S. 263, 266; BFH, Urteil v. 18.11.1998 – X R 110/95, BFHE 187, S. 488, 491 f.; BFH, Urteil v. 21.09.2000 – IV R 54/99, BFHE 193, S. 301, 309 f.; BFH, Urteil v. 16.03.2004 – VIII R 33/03, BFHE 205, S. 270, 273; BFH, Urteil v. 09.03.2010 – VIII R 24/08, BFHE 228, S. 499, 504; BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 15/09, BFHE 233, S. 206, 212; BFH, Beschluss v. 12.07.2012 – I R 32/11, BFHE 237, S. 307, 309; Loose, in: Tipke/Kruse, § 163 AO Rn. 20; Sauer, in: Beermann/Gosch, § 163 AO Rn. 76 ff.; v. Groll, in: HHSp, § 163 AO Rn. 130; Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn. 2. 226 Ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, vgl. zuletzt BFH, Beschluss v. 12.07.2012 – I  R  32/11, BFHE  237, S.  307, 309; s. auch BFH, Beschluss v. 04.12.1987  – V  S  9/85, BStBl. II 1988, S. 702, 705; BFH, Urteil v. 21.01.1992 – VIII R 51/88, BFHE 168, S. 500; BFH, Urteil v. 21.09.2000 – IV R 54/99, BFHE 193, S. 301, 310. Der Rechtsprechung haben sich in der Literatur angeschlossen: Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn. 2; Baum, in: Koch/Scholtz, § 163 AO Rn. 19; Cöster, in: Pahlke/Koenig, § 163 AO Rn. 38; v. Groll, in: HHSp, § 163 AO Rn.  138; Sauer, in: Beermann/Gosch, § 163 AO Rn.  78; Loose, in: Tipke/Kruse, § 163 AO Rn. 21; Stadie, Steuerrecht, Rn. 312; Seer, in: Tipke/Lang, § 21 Rn. 295; Jakob, Abgabenordnung, Rn. 281. 227 Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 204 ff.

III. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Vertrauensschutz

293

keitsdispenses leerlaufen.228 Nur die einem Grundlagenbescheid entsprechende Wirkung der abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen wird der steuerschuldrechtlichen Sichtweise eines Erlöschens der Steuerschuld in § 47 AO gerecht. Unter Zugrundelegung des Normzwecks sowie der rechtsgestaltenden Funktion von § 163 AO lässt sich sodann das Verhältnis von Billigkeitsdispens und Bestandskraft des Steuerbescheids klären. Mit der überwiegenden Meinung in der Kommentarliteratur ist davon auszugehen, dass die Bestandskraft der Steuerfestsetzung eine Entscheidung nach § 163 S. 1 AO nicht ausschließt.229 Deutlich wird dies aus der Überlegung, dass die Erwägungen, welche einen Billigkeitserlass rechtfertigen, in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht die Richtigkeit der Steuerfestsetzung als solche betreffen; der Billigkeitserlass stellt in diesem Fall kein Mittel zur Bestandskraftdurchbrechung des Steuerbescheids dar.230 Vielmehr ist die niedrigere Steuerschuld im Steuerbescheid Resultat des eigenständigen Verfahrens in § 163 AO, das lediglich über den Mechanismus von Grundlagen- und Folgebescheid umgesetzt wird. Dieses Ergebnis steht in Einklang mit der gesetzgeberischen Wertung des § 351  II AO, wonach diejenigen Einwendungen, welche einen Grundlagenbescheid betreffen, nur durch Anfechtung dieses Bescheids geltend gemacht werden können. Beschränkungen in zeitlicher Hinsicht können­ allenfalls dem Gedanken der Verwirkung entnehmen zu sein, sodass der Steuerpflichtige vor diesem Hintergrund durchaus gehalten sein kann, Billigkeitsanträge zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu stellen.231 bb) Zur Bedeutung des § 163 S. 3 AO Mit der grundsätzlichen Klärung des Verhältnisses von Billigkeitsdispens und Steuerfestsetzung stellt sich nachfolgend die Frage, welche Rolle § 163 S. 3 AO in verfahrensrechtlicher Hinsicht zukommt. Klar ist zunächst, dass § 163 S. 3 AO die Zweigleisigkeit des Verfahrens im Gesetzestext zum Ausdruck bringt.232 Insofern wiederholt er Selbstverständliches und ist lediglich deklaratorischer Natur. Aus Rechtsschutzgesichtspunkten interessiert freilich, wann eine Verbindung der Billigkeitsmaßnahme mit der Steuerfestsetzung im Sinne des § 163 S. 3 AO anzunehmen ist. Entscheidend muss diesbezüglich eine Auslegung des Verwaltungs-

228

Ähnlich v. Groll, in: HHSp, § 163 AO Rn. 138. Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn. 3 u. 40; Cöster, in: Pahlke/Koenig, § 163 AO Rn. 37; Loose, in: Tipke/Kruse, § 163 AO Rn. 21; Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 200; v. Wedelstädt, in: Kühn/v. Wedelstädt, § 163 AO Rn. 2; a.A. Baum, in: Koch/Scholtz, § 163 AO Rn. 15 unter Verweis auf die insofern nicht einschlägige Rechtsprechung bei BFH, Urteil v. 21.01.1992 – VIII R 51/88, BFHE 168, S. 500, 504; unklar auch Jakob, Abgabenordnung, Rn. 281. 230 Unklar BFH, Urteil v. 21.01.1992 – VIII R 51/88, BFHE 168, S. 500, 504. 231 Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 200. 232 Ähnlich v. Groll, in: HHSp, § 163 AO Rn. 142. 229

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

akts sein, aus der sich ergibt, dass die Finanzbehörde mit entsprechendem Regelungswillen handelt.233 Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist hier sehr großzügig. Sie lässt es zugunsten des Steuerpflichtigen genügen, wenn ein ausdrücklicher Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung gestellt wurde und das Finanzamt – selbst ohne entsprechenden Hinweis – die Steuer antragsgemäß niedriger festsetzt.234 Dies ist überzeugend, denn die Rechtsprechung konkretisiert hier lediglich die für die Auslegung steuerlicher Verwaltungsakte ohnehin geltende Erklärungstheorie.235 cc) Sonderproblem: Billigkeitsdispens bei Realsteuern Ein scheinbar randständiges, mit Blick auf die praktische Bedeutung der Gewerbesteuer jedoch häufig anzutreffendes Problem wird bei der abweichenden Festsetzung von Steuermessbeträgen aus sachlichen Billigkeitsgründen aufgeworfen. § 184  II  1 AO ordnet diesbezüglich an, dass für derartige Maßnahmen nur dann Raum ist, wenn diese in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung oder einer obersten Landesfinanzbehörde zugelassen sind. Die in § 184 II AO getroffene Beschränkung ist Ausdruck der insoweit fehlenden Regelungskompetenz des Bundesgesetzgebers nach Art.  108  IV  2 GG und wird allgemein als Instrument zum Schutz der kommunalen Finanzhoheit angesehen.236 Dementsprechend kann Vertrauensschutz in Bezug auf Realsteuern grundsätzlich nur im Falle einer entsprechenden Gruppenunbilligkeit und einer hierauf basierenden Verwaltungsvorschrift ergehen.237 Sofern keine allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Vertrauensschutzproblematik erlassen wurde, muss der Steuerpflichtige gegebenenfalls die Zustimmung der betroffenen Gemeinde zur abweichenden Steuerfestsetzung nach § 163 S. 1 AO einholen.238 In diesem Fall bedarf es nämlich des Schutzes von § 184 II 1 AO zugunsten der Gemeinde nicht mehr. Schlussendlich muss berücksichtigt werden, dass die Gemeinde zum Schutz ihrer Finanzhoheit gegebenenfalls die ihr insoweit zustehenden Informationsrechte gegenüber den Landesfinanzbehörden aus § 21 III 1 FVG wahrnehmen kann.

233 BFH, Beschluss v. 12.07.2012 – I R 32/11, BFHE 237, S. 307, 309 ff.; v. Wedelstädt, in: Kühn/v. Wedelstädt, § 163 AO Rn. 27; Loose, in: Tipke/Kruse, § 163 AO Rn. 25; Cöster, in: Pahlke/Koenig, § 163 AO Rn. 42. 234 So die Entscheidung des BFH, Beschluss v. 12.07.2012 – I R 32/11, BFHE 237, S. 307, 310. 235 Dazu statt Aller: Seer, in: Tipke/Lang, § 21 Rn. 59. 236 Brandis, in: Tipke/Kruse, § 184 AO Rn. 10; Fritsch, in: Pahlke/Koenig, § 184 AO Rn. 26; Seer, FR 2010, S. 306, 310; Ratschow, in: Klein, § 184 AO Rn. 14 f. 237 Seer, FR 2010, S. 306, 310. 238 BFH, Urteil v. 08.11.1962 – IV 162/62 S, BFHE 76, S. 390 ff.; OVG Bautzen, Urteil v. 08.12.2004 – 5 B 111/03, KStZ 2005, S. 54, 59.; Fritsch, in: Pahlke/Koenig, § 184 AO Rn. 26; Ratschow, in: Klein, § 184 AO Rn. 15; insgesamt sehr str., vgl. umfassend m.w.N. Brandis, in: Tipke/Kruse, § 184 AO Rn. 10.

IV. Verfahrensrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes

295

3. Ergebnis Die in § 163 S. 1 AO vorgesehene Möglichkeit zur abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen stellt die einschlägige Rechtsgrundlage für die Gewährung von Vertrauensschutz bei der rückwirkenden Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften im Bereich der Steuerbescheide dar. Im Verhältnis zu § 227 AO ist der in § 163 S. 1 AO normierte Billigkeitsdispens spezieller. § 163  AO erfasst dabei sämtliche auftretenden Vertrauensschutzkonstellationen, wobei sich eine Differenzierung zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften erübrigt.

IV. Verfahrensrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes Mit Festlegung der einschlägigen Rechtsgrundlage für die Gewährung von Vertrauensschutz bei der rückwirkenden Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften kann endgültig der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit Vertrauensschutz verfahrensrechtlich auch durch Verwaltungsvorschriften gewährt werden kann. Die Untersuchung hat hierbei strikt zwischen der Gewährung von Vertrauensschutz durch Verwaltungsvorschriften einerseits sowie durch Einzelfallentscheidungen andererseits zu differenzieren. Dabei ist vorrangig von Interesse, wann und unter welchen Voraussetzungen die Verwaltung Vertrauensschutz in abstrakt-genereller Weise anhand von Verwaltungsvorschriften in Form sog. „Übergangsrichtlinien“ gewähren darf bzw. muss (1.). Hiervon ausgehend ist die ergänzende Möglichkeit der Gewährung von Vertrauensschutz durch Einzelfallentscheidungen zu untersuchen (2.). Schwerpunktmäßig ist dort insbesondere das schwierige und bis dato nicht endgültig geklärte Verhältnis zwischen Übergangsrichtlinien und Einzelfallentscheidungen einer tiefergehenden Betrachtung zu unterziehen. 1. Vertrauensschutz durch Verwaltungsvorschriften Eine Untersuchung der verfahrensrechtlichen Gewährleistung des Vertrauens­ schutzes hat richtigerweise bei der Gewährung von Vertrauensschutz durch Verwaltungsvorschriften in Form der sog. „Übergangsrichtlinien“ anzusetzen. Obgleich sowohl die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs239 als auch das Schrift 239

Grundlegend BFH, Urteil v. 31.10.1990  – I  R  3/86, BFHE  163, S.  478, 483 ff.; Ständige Rechtsprechung, s. nur BFH, Urteil v. 14.10.1987 – II R 120/85, BFH/NV 1989, S. 80 f.; GmSOGB, Beschluss v. 19.10.1971 – GmS-OGB 3/70, BFHE 105, S. 101, 114 f.; BFH, Beschluss v. 25.06.1984 – GrS 4/82, BFHE 141, S. 405, 417; BFH, Beschluss v. 04.07.1990 – GrS 2/88 u.a., BFHE 161, S. 290, 317; BFH, Urteil v. 07.11.1996 – IV R 69/95, BFHE 182, S. 56, 59; BFH, Beschluss v. 26.09.2007 – V B 8/06, BFHE 219, S. 245, 249; zuletzt BFH, Beschluss v. 31.01.2013 – GrS 1/10, BFHE 240, S. 162, 178.

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

tum240 die Möglichkeit zur Gewährung von Vertrauensschutz durch Verwaltungsvorschriften allgemein bejahen, sind die einzelnen Voraussetzungen für deren Ergehen nach wie vor größtenteils unklar. Aus diesem Grund bedarf es vorab einiger grundlegender Überlegungen zur Notwendigkeit von Übergangsrichtlinien  [a)], um sodann sachgerechte Erlasskriterien zu entwickeln  [b)]. Darauf aufbauend ist auf die Rechtsnatur sowie Bindungswirkung von Übergangsrichtlinien einzugehen [c)], um schlussendlich einen kurzen Überblick über die inhaltlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten zu geben [d)]. a) Grundsätzliche Überlegungen zur Notwendigkeit von Übergangsrichtlinien Jegliche zum Problemkreis der Übergangsrichtlinien zu entwickelnde Dogmatik hat sich an den grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Maßgaben für einen programmgeleiteten Gesetzesvollzug der Exekutive zu orientieren. Aus diesem Grund ist es notwendig, zunächst zwischen dem Recht sowie der Pflicht der Exekutive zum Erlass von Verwaltungsvorschriften und damit auch Übergangsrichtlinien zu differenzieren [aa)]. Mit Festlegung der insoweit bestehenden grundlegenden Unterschiede können hierauf aufbauend weitergehende dogmatische Kriterien zur Begründung einer Pflicht zum Erlass von Übergangsrichtlinien entwickelt werden [bb)]. aa) Differenzierung zwischen dem Recht und einer Pflicht der Exekutive zum Erlass von Übergangsrichtlinien Die bisherige Diskussion um den Erlass von Übergangsrichtlinien („allgemeine Anpassungsregelungen“) ist von einer allenfalls nur in Ansätzen erkennbaren Differenzierung zwischen dem Recht und der Pflicht der Exekutive zum Erlass von Verwaltungsvorschriften geprägt.241 Hierin ist auch der eigentliche Grund für die bis heute nur unscharf und vorwiegend durch Einzelfallentscheidungen konturierte 240 Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 112 ff., 43 ff.; Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn. 120; Fritsch, in: Pahlke/Koenig, § 227  AO Rn.  22 ff.; Stöcker, in: Beermann/Gosch, § 227  AO Rn.  30 ff.; Krabbe, in: Koch/Scholtz, § 227 AO Rn.  40 ff.; Selmer, StKongrRep  1974, S.  83, 114 ff.; Willibald, DStZ  1991, S.  442, 444; Burmeister, in: FS  Friauf 1996, S.  759, 785 ff.; Hey, Steuerplanungssicherheit, S.  680 ff.; Hey, DStR  2004, S.  1897, 1903; Englisch/Plum, StuW  2004, S.  342, 367 f.; Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S.  462 ff.; Tipke, StRO  I, S. 169 f.; Seer, in: Tipke/Lang, § 21 Rn. 337; offen auch Ebner, Vertrauensschutz und Kontinuitätsgewähr, S. 86 ff., 95 ff.; Fischer, DStR 2008, S. 697, 701; Fischer, in: Dt. Finanzgerichtstag 2011, S.  41, 54 f.; Desens, Bindung der Finanzverwaltung, S.  355 ff. (jeweils in Bezug auf Übergangserlasse bei Änderung der Rechtsprechung); skeptisch Trzaskalik, in: DStJG  5 (1982), S.  315, 324 ff.; v.  Groll, in: HHSp, § 227  AO Rn.  202 ff.; Loose, in: Tipke/Kruse, § 227 AO Rn. 127 f. 241 Vgl. dazu nochmals die Nachweise in den Fn. 239 u. 240.

IV. Verfahrensrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes

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Dogmatik zur Notwendigkeit behördlichen Übergangsrechts zu sehen. Insgesamt gilt es daher, die Diskussion auf die tragenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen zum Erlass von Verwaltungsvorschriften zurückzuführen, um darauf basierend den Blick auf die eigentliche, im Mittelpunkt stehende Frage nach einer Pflicht zum Erlass von Übergangsrichtlinien zu schärfen. Zunächst ist in grundsätzlicher Hinsicht zwischen dem prinzipiellen Recht der Exekutive zum Erlass von Übergangsrichtlinien einerseits sowie einer verfassungsrechtlich zu begründenden und damit potenziell subjektiv einklagbaren Pflicht der Verwaltung zum Erlass von Verwaltungsvorschriften andererseits zu differenzieren. Insoweit ist in Anbetracht der im 1.  Kapitel gefundenen Ergebnisse242 klar, dass es der Finanzverwaltung nicht verwehrt ist, aus ihrer Sicht auftretende Konstellationen schutzwürdigen Vertrauens in abstrakt-genereller Weise anhand von Verwaltungsvorschriften einer Regelung zuzuführen. Das Recht der Finanzverwaltung zum Erlass von Übergangsrichtlinien stellt sich damit in An­ lehnung an die generellen Vollzugskompetenzen als klassisches Hausgut der Exekutive dar, ohne dass es eines weitergehenden verfassungsrechtlichen Umrisses oder gar Mandats dafür bedürfte. Mit der Erkenntnis einer innenrechtlichen Befugnis der Finanzverwaltung zum Erlass von Übergangsrichtlinien ist in dogmatischer Hinsicht indes wenig gewonnen. Denn aus Sicht des Grundrechtsträgers ist primär von Interesse, wann und unter welchen Voraussetzungen er gegenüber der Verwaltung die Gewährung von Vertrauensschutz anhand abstrakt-genereller Regelungen einfordern kann. Zwar ließe sich gegen eine solche Sichtweise einwenden, dass der fehlende Erlass einer Übergangsrichtlinie nicht zwingend eine Verkürzung des Vertrauensschutzes darstellen würde – schließlich bleibt die im Rahmen des § 163 AO verankerte Pflicht zur sachgerechten Ermessensausübung im Einzelfall auch jenseits erlassener Übergangsrichtlinien bestehen.243 Der Vorteil von allgemeinen behördlichen Übergangsregelungen liegt jedoch gerade im Bereich des Steuerrechts schnell auf der Hand: Verwaltungsvorschriften sorgen in einer durch Gesetzespositivismus geprägten Vollzugsrealität der Finanzverwaltung sowohl auf Seiten der Finanzbeamten als auch Steuerpflichtigen sowie ihrer Berater244 für bereits im Vorfeld klar erkennbare Kriterien des gewährleisteten Maßes an Vertrauensschutz und damit wiederum für Steuerplanungssicherheit in ihrer prospektiven Dimension. Die entscheidende Frage ist für die verfahrensrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes durch Verwaltungsvorschriften deshalb, inwieweit dogmatisch eine Pflicht zum Erlass von Übergangsrichtlinien begründet werden kann.

242

s. dazu die Ausführungen oben, 1. Kapitel, II. 3. c), S. 60 ff. BFH, Urteil v. 12.01.1987  – IV  R  87/87, BFHE  155, S.  487, 489; BFH, Urteil v. 14.10.1987  – II  R  120/85, BFH/NV  1989, S.  80 f.; BFH, Urteil v. 31.10.1990  – I  R  3/86, BFHE 163, S. 478, 485 f.; FG Köln, Urteil v. 08.03.2001 – 15 K 8501/98, EFG 2001, S. 728, 729; Kirchhof, in: FS Scupin 1983, S. 776, 789; Loose, in: Tipke/Kruse, § 227 AO Rn. 127. 244 Statt Aller zuletzt Tipke, StRO III, S. 1431 ff., 1436 ff. 243

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

bb) Dogmatische Begründung einer Pflicht zum Erlass von Übergangsrichtlinien Das dogmatische Fundament zur Begründung einer Pflicht zum Erlass von Übergangsrichtlinien basiert auf den im 1.  Kapitel gefundenen Ergebnissen zu den Selbstprogrammierungspflichten der Verwaltung.245 Ausgangspunkt der weiteren Ausführungen ist insoweit die Feststellung, dass generelle Selbstprogrammierungspflichten der Verwaltung nur in den eng umgrenzten Konstellationen des „Verbots planlosen Vorgehens“ existieren. Die Dogmatik befindet sich insofern am Scheideweg zwischen dem allgemeinen Gleichheitssatz und Programm einer zweistufigen Ermessens-/Gesetzesanwendung:246 So ist es zunächst denkbar, dass die Verwaltung im Einzelfall, also lediglich auf der zweiten Stufe der Ermessensausübung, ein durch die Vertrauensschutzdogmatik vorgezeichnetes zutreffendes Ergebnis als Konkretisierung des Billigkeitsbegriffs in § 163 AO findet. Angesichts der hohen Unbestimmtheit des Billigkeitsbegriffs besteht dabei die Gefahr, dass in vergleichbaren Konstellationen das zutreffende Billigkeitsergebnis nicht mehr einheitlich gefunden und durchgesetzt wird. Angesichts der auf Seiten des Steuerpflichtigen auf der Hand liegenden Grundrechtsrelevanz des Vertrauensschutzes ist es der Verwaltung damit vor dem aus Art. 3 I GG abzuleitenden Gebot der Übergangsgerechtigkeit verwehrt, für die hier diskutierte Frage der Gewährung von Vertrauensschutz in vergleichbaren Sachverhalten unterschiedlich vorzugehen: Denn sobald vergleichbare Konstellationen schutzwürdigen Vertrauens auf Rechtsfolgenseite unterschiedlich behandelt werden, verlässt die Verwaltung die Pfade des allgemeinen Gleichheitssatzes und sieht sich dem wiederum vor Art. 3 I GG beachtlichen Vorwurf willkürlicher Entscheidungen ausgesetzt.247 Das hier gefundene Resultat ist ein im Steuerrecht auf dem Gebiet der – nach hiesigen Maßgaben freilich unverbindlichen – Typisierungsrichtlinien längst diskutiertes und anerkanntes Phänomen.248 Rolf Eckhoff hat dies mit aller Deutlichkeit erkannt und konstatiert, dass die Finanzverwaltung ohne den Erlass entsprechender Richtlinien „millionenfache Differenzierungsentscheidungen den Wertvorstellungen einzelner Sachbearbeiter überantworten und damit das verfassungsrechtliche Prinzip der Gleichbehandlung mißachten“249

würde. Der Nichterlass von Übergangsrichtlinien stellt im Ergebnis einen partiellen Ermessensausfall auf der ersten (abstrakten) Stufe der Ermessensausübung 245

Vgl. oben, 1. Kapitel, II. 3. c), S. 60 ff. Zu Letzterem s. nochmals grundlegend die Ausführungen im 1. Kapitel, II. 3. b), S. 49. 247 Seibert, in: FG  BVerwG 2003, S.  535, 539 ff., insb. S.  541; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 19 Rn. 33. 248 Jachmann, StuW  1994, S.  347, 349; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S.  107 ff.; wohl auch Osterloh, Gesetzesbindung, S. 511 f. 249 Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S.  110; ihm folgend Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 690 ff. 246

IV. Verfahrensrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes

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dar, wobei im allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG gleichsam Grund und Grenze der Pflicht zum Erlass von Übergangsrichtlinien zu sehen sind. So klar das Ergebnis aus dem Zusammenspiel von Gleichheitssatz und zweistufiger Ermessensausübung erscheinen mag, so unklar sind jedoch die aus ihm zu ziehenden Konsequenzen. Insofern drängt sich die Frage auf, ob und inwieweit der Bürger den Erlass einer Übergangsrichtlinie gegenüber der Verwaltung subjektiv einfordern kann. Einem subjektiv einklagbaren Anspruch auf Erlass eines behördlichen Vollzugsprogramms ließe sich nämlich das gleichsam paradoxe Ergebnis entgegenhalten, dass der Bürger gegenüber der Verwaltung innenrechtlich etwas einfordern könnte, was ihm außenrechtlich gegenüber in den häufigsten Konstellationen keine Bindungswirkung entfalten würde. Zur Lösung dieses Konflikts muss die für den Bereich des Allgemeinen Verwaltungsrechts entwickelte Doktrin herangezogen werden, wonach der Bürger bei pflichtwidrig nicht erlassenen Verwaltungsvorschriften regelmäßig einen Abwehranspruch gegenüber der ihn belastenden staatlichen Maßnahme geltend machen kann.250 Ein Abwehranspruch vor der steuerlichen Regelbelastung läuft somit im Ergebnis auf die faktische Gewährung von Vertrauensschutz hinaus, ohne qualitativ dem Erlass einer nach dem Grad der Schutzwürdigkeit differenzierenden Übergangsrichtlinie gleichzustehen. Der so vorgezeichnete Weg stellt aus Sicht des Steuerpflichtigen kein Minus gegenüber einer erlassenen Übergangsrichtlinie dar: Schließlich kann sich der Steuerpflichtige dahingehend sicher sein, dass bei pflichtwidrig nicht erlassenen Übergangsrichtlinien sein Vertrauen aufgrund des Abwehranspruchs stets geschützt wird, ohne dass es noch zu einer Prüfung der individuellen Umstände des Einzelfalls auf der zweiten Stufe der Ermessensausübung käme. Bereits aufgrund dieser Überlegungen wird die Verwaltung in Fällen einer rückwirkenden Änderung von Verwaltungsvorschriften prüfen, ob und inwieweit eine Notwendigkeit zum Erlass von Übergangsrichtlinien besteht.251 cc) Zusammenfassung Die verfahrensrechtliche Gewährung von Vertrauensschutz durch Verwaltungsvorschriften ist gekennzeichnet durch die Differenzierung zwischen einem Recht und einer innenrechtlichen Pflicht der Verwaltung zum Erlass von Übergangsrichtlinien. Während die Exekutive aufgrund ihres kraft Gewaltenteilungsprinzips erteilten Mandats zum Gesetzesvollzug jederzeit zur Aufstellung von Übergangs 250 Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 691 f.; Seibert, in: FG BVerwG 2003, S. 535, 541; vgl. dazu im Übrigen die Ausführungen oben im 1.Kapitel, II. 3. c) bb), S. 61. 251 Zutreffend Krabbe, in: Koch/Scholtz, § 227 AO Rn. 43: „Insbesondere dann, wenn (…) die Voraussetzungen für eine sachliche Unbilligkeit gegeben sind, ist es sinnvoll, Billigkeitsrichtlinien zu erlassen, vor allem bei seltenen Ausnahmetatbeständen (…).“

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

richtlinien berechtigt ist, besteht verfassungsrechtlich nur aufgrund und in den Grenzen des Art. 3 I GG eine Pflicht zu deren Erlass. Diese Voraussetzungen und Grenzen gilt es sogleich näher zu konturieren. b) Sachgerechte Kriterien für den Erlass von Übergangsrichtlinien Mit der Feststellung, dass die Verwaltung innenrechtlich zum Erlass von Übergangsrichtlinien verpflichtet sein kann, sind nachfolgend sachgerechte Kriterien zur Konkretisierung dieser vor Art. 3 I GG bestehenden Pflicht zu entwickeln. Zunächst wird dazu kurz die sich in den Schreiben des BMF konstituierende Praxis der Übergangsregelungen betrachtet [aa)]. Ergänzend dazu werden die bisher in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und im Schrifttum anerkannten Fallgruppen dargestellt [bb)]. aa) Praxis der BMF-Schreiben Die sich in den BMF-Schreiben manifestierende Praxis der Übergangsregelungen zeigt seit jeher ein uneinheitliches Bild, ohne dass sich bis heute eine klare, geschweige denn einheitliche Linie erkennen ließe.252 Versuche, die Erlasspraxis einer systematischen Betrachtung zu unterziehen, sind aufgrund der mannigfachen Erscheinungsformen und Regelungskomplexe steuerlicher Verwaltungsvorschriften und der Anzahl jährlich erscheinender Verwaltungsvorschriften erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt. Dies zeigt ein exemplarischer Blick auf die im Bundessteuerblatt 2012, Teil I enthaltenen Verwaltungsvorschriften:253 So finden sich dort einerseits BMF-Schreiben zur Anpassung der Verwaltungspraxis an eine erstmalige bzw. geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung.254 Überdies wer 252

Hey, DStR 2004, S. 1897, 1903; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 77; Ebner, Vertrauensschutz und Kontinuitätsgewähr, S. 95 (in Bezug auf Übergangsregelungen der Verwaltung bei Rechtsprechungsänderungen). 253 Das BStBl. I 2012 enthält insgesamt 157 BMF-Schreiben und koordinierte bzw. gleich lautende Erlasse der Länder. Die nachfolgende Auflistung soll darstellenden Zwecken dienen und erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. 254 BMF, Schreiben v. 21.12.2011 – IV C 6-S 2178/11/10001, 2011/0939512, BStBl. I 2012, S. 42; BMF, Schreiben v. 15.12.2011 – IV C 5-S 2353/11/10010, 2011/1015706, BStBl. I 2012, S. 56; BMF, Schreiben v. 02.01.2012 – IV D 2-S 7300/11/10002, 2011/1014846, BStBl. I 2012, S.  60; BMF, Schreiben v. 03.01.2012  – IV  D  2-S  7100-b/11/10001, 2011/1037205, BStBl. I 2012, S. 76; BMF, Schreiben v. 19.01.2012 – IV D 3-S 7117-a/10/10001, 2012/0038127, BStBl. I 2012, S. 209; BMF, Schreiben v. 03.04.2012 – IV C 2-S 2742/08/10001, 2012/0274530, BStBl.  I  2012, S.  478; BMF, Schreiben v. 02.04.2012  – IV  D  3-S  7179/07/10006, 2012/0262344, BStBl.  I  2012, S.  484; BMF, Schreiben v. 16.04.2012  – IV C 2-S 2750a/07/10006, 2012/0339638, BStBl.  I  2012, S.  529; BMF, Schreiben v. 07.06.2012  – IV  D  2-S  7300/07/10001:001, 2012/0479016, BStBl.  I  2012, S.  621; BMF, Schreiben v. 25.07.2012 – IV D 2-S 7270/12/10001, 2012/0674543, BStBl. I 2012, S. 876; BMF, Schreiben v.

IV. Verfahrensrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes

301

den Typisierungs- und Pauschalierungsrichtlinien im Hinblick auf geänderte tatsächliche Verhältnisse den jeweiligen Wertentwicklungen angepasst.255 Auch sind zahlreiche Fälle nachweisbar, in denen die Verwaltung zu einer Rechtsfrage eigenständig Stellung nimmt bzw. ihre Rechtsauffassung von sich aus ändert oder fortentwickelt.256 Schlussendlich bestehen solche Verwaltungsvorschriften, in denen 24.08.2012 – IV C 2-S 2744/07/10001:002, 2012/0598111, BStBl. I 2012, S. 904; BMF, Schreiben v. 24.09.2012 – IV D 2-S 7100/08/10004:004, 2012/0861413, BStBl. I 2012, S. 947; BMF, Schreiben v. 20.11.2012 – IV C 6-S 2137/09/10002, 2012/1045691, BStBl. I 2012, S. 1100; Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 02.11.2012 – z.B. Bay. Staatsministerium der Finanzen, 34-S 3812b-005–38 141/12, BStBl. I 2012, S. 1101; BMF, Schreiben v. 17.12.2012 – IV D 3-S 7015/12/10001, 2012/1098419, BStBl. I 2012, S. 1260. 255 Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 15.12.2011 – z.B. Bay. Staatsministerium der Finanzen, 34-S  3104–0002–43 174/11, BStBl.  I  2012, S.  48; BMF, Schreiben v. 15.12.2011 – IV C 5-S 2334/11/10005, 2011/1005760, BStBl. I 2012, S. 56; BMF, Schreiben v. 24.01.2012 – IV A 4-S 1547/0:001, 2012/0059852, BStBl. I 2012, S. 99; BMF, Schreiben v. 23.02.2012  – IV  C  5-S  2353/08/10007, 2012/0161821, BStBl.  I  2012, S.  262; Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 15.02.2012  – z.B. Niedersächsisches Finanzministerium, S  2334–4–3332, BStBl.  I  2012, S.  480; BMF, Schreiben v. 21.06.2012 – IV A 4-S 1544/09/10001–04, 2012/0529969, BStBl. I 2012, S. 626; BMF, Schreiben v. 01.10.2012  – IV  C  5-S  2353/08/10007, 2012/0899967, BStBl.  I  2012, S.  942; BMF, Schreiben v. 26.10.2012  – IV D  4-S  3104/09/10001, 2012/0980556, BStBl.  I  2012, S.  950; BMF, Schreiben v. 14.12.2012 – IV A 4-S 1547/0:001, 2012/1116775, BStBl. I 2012, S. 1247. 256 BMF, Schreiben v. 02.01.2012 – IV D 3-S 7185/09/10001, 2011/1016375, BStBl. I 2012, S. 59; BMF, Schreiben v. 17.01.2012 – IV A 3-S 0062/08/10007–12, IV C 4-S 0171/07/0038– 007, 2012/0028954, BStBl.  I  2012, S.  83; BMF, Schreiben v. 30.01.2012  – IV A  3-S  0062/ 08/10007–13, 2012/0081070, BStBl.  I  2012, S.  147; BMF, Schreiben v. 30.01.2012  – IV A 3-S 0160/11/10001, 2012/0081623, BStBl. I 2012, S. 149; BMF, Schreiben v. 26.01.2012 – IV  C  3-S  2221/09/10013:001, 2012/0061220, BStBl.  I  2012, S.  169; BMF, Schreiben v. 14.03.2012  – IV  C  3-S  2257-b/11/10003, 2012/0232233, BStBl.  I  2012, S.  311; Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 14.03.2012  – z.B. Bay. Staatsministe­ rium der Finanzen, 34-S 3806–076–7165/12, BStBl.  I  2012, S.  331; BMF, Schreiben v. 21.03.2012 – IV D 2-S 7238/11/10001, 2012/0244719, BStBl. I 2012, S. 343; BMF, Schreiben v. 29.03.2012 – IV D 3-S 7183/11/10001, 2012/0268550, BStBl. I 2012, S. 483; BMF, Schreiben v. 03.04.2012  – IV  D  2-S  7100/07/10027, 2012/0282652, BStBl.  I  2012, S.  486; BMF, Schreiben v. 16.05.2012 – IV D 4-S 2232/0–01, 2012/0205152, BStBl. I 2012, S. 595; BMF, Schreiben v. 05.06.2012 – IV C 6-S 2133-b/11/10016, 2012/0492960, BStBl. I 2012, S. 598; Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 19.06.2012 – z.B. Bay. Staatsministerium der Finanzen, 36-S 4518–001–20 630/12, BStBl. I 2012, S. 662; BMF, Schreiben v. 19.06.2012 – IV D 3-S 7170/10/10012, 2012/0542896, BStBl. I 2012, S. 682; BMF, Schreiben v. 16.07.2012 – IV A 3-S 0361/12/10001, 2012/0653652, BStBl. I 2012, S. 686; BMF, Schreiben v. 15.08.2012 – IV A 3-S 0062/08/10007–14, 2012/0739221, BStBl. I 2012, S. 850; BMF, Schreiben v. 14.08.2012 – IV C 2-S 2743/10/10001:001, 2012/0652306, BStBl. I 2012, S. 874, BMF, Schreiben v. 20.09.2012 – IV D 2-S 7203/07/10002:004, 2012/0857478, BStBl. I 2012, S. 944; BMF, Schreiben v. 09.10.2012 – IV C 1-S 2252/10/10013, 2011/0948384, BStBl. I 2012, S. 953; BMF, Schreiben v. 06.11.2012 – IV D 2-S 7124/12/10002, 2012/0952023, BStBl. I 2012, S. 1095; BMF, Schreiben v. 15.11.2012 – IV C 6-S 2177/10/10002, 2012/1038276, BStBl. I 2012, S. 1099; BMF, Schreiben v. 13.11.2012 – IV D 2-S 7100/08/10007:003, 2012/1019723, BStBl. I 2012, S. 1169; BMF, Schreiben v. 14.11.2012 – IV D 2-S 7200/08/10005, 2012/1041841, BStBl. I 2012, S. 1170; Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 23.11.2012 – z.B. Bay. Staatsministerium der Finanzen, 34-S 2334–022–38718/12, BStBl. I 2012, S. 1224; BMF, Schreiben v.

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

die Verwaltung Anpassungen der Verwaltungsvorschriften aufgrund von Änderungen der Steuergesetze vornimmt.257 Die Vielzahl an Verwaltungsvorschriften korrespondiert mit den mannigfachen Erscheinungsformen der in ihnen enthaltenen Übergangsregelungen. So sind BMF-Schreiben ohne jegliche Übergangsregelungen vorzufinden,258 oft beinhalten

27.11.2012 – IV C 3-S 2342/07/0001:126, 2012/1011899, BStBl. I 2012, S. 1226; BMF, Schreiben v. 21.11.2012 – IV D 3-S 7103-a/12/10002, 2012/1056512, BStBl. I 2012, S. 1229; BMF, Schreiben v. 30.11.2012 – IV D 3-S 7117-c/12/10001, 2012/1099195, BStBl. I 2012, S. 1230; Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 05.12.2012 – 34-S 3812a-021–45 240/12, BStBl. I 2012, S. 1250. 257 BMF, Schreiben v. 18.01.2012 – IV D 3-S 7117/11/10001, 2012/0037816, BStBl. I 2012, S. 139; BMF, Schreiben v. 24.01.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016, 2011/1032913, BStBl. I 2012, S. 171; BMF, Schreiben v. 06.02.2012 – IV D 3-S 7141/11/10003, 2012/0083517, BStBl. I 2012, S. 211; BMF, Schreiben v. 06.02.2012 – IV D 3-S 7134/12/10001, 2012/0111178, BStBl. I 2012, S. 212; BMF, Schreiben v. 14.03.2012 – IV C 4-S 2221/07/0012:012, 2012/0204082, BStBl. I 2012, S. 307; BMF, Schreiben v. 16.03.2012 – IV C 3-S 2497/10/10002, BStBl. I 2012, S. 314; BMF, Schreiben v. 28.03.2012 – IV D 3-S 7179/09/10003–04, 2012/0262442, BStBl. I 2012, S. 482; BMF, Schreiben v. 01.06.2012 – IV D 3-S 7141/11/10003–06, 2012/0464230, BStBl. I 2012, S.  619; BMF, Schreiben v. 02.07.2012  – IV  D  2-S  7287-a/09/10004:003, 2012/0449475, BStBl.  I  2012, S.  726; BMF, Schreiben v. 20.08.2012  – IV  D  3-S  7177/07/10001–02, 2012/0765888, BStBl. I 2012, S. 877; BMF, Schreiben v. 05.12.2012 – IV B 2-S 2411/10/10003, 2012/0446006, BStBl.  I  2012, S.  1248; BMF, Schreiben v. 18.12.2012  – IV  D  3-S  7117-a/ 12/10001, 2012/1143976, BStBl. I 2012, S. 1272. 258 Hinsichtlich der Anpassung an die Rechtsprechung vgl. BMF, Schreiben v. 21.12.2011 – IV C 6-S 2178/11/10001, 2011/0939512, BStBl. I 2012, S. 42; BMF, Schreiben v. 03.04.2012 – IV  C  2-S  2742/08/10001, 2012/0274530, BStBl.  I  2012, S.  478; BMF, Schreiben v. 16.04.2012 – IV C 2-S 2750-a/07/10006, 2012/0339638, BStBl. I 2012, S. 529; BMF, Schreiben v. 07.06.2012 – IV D 2-S 7300/07/10001:001, 2012/0479016, BStBl. I 2012, S. 621; BMF, Schreiben v. 25.07.2012  – IV  D  2-S  7270/12/10001, 2012/0674543, BStBl.  I  2012, S.  876; BMF, Schreiben v. 20.11.2012  – IV  C  6-S  2137/09/10002, 2012/1045691, BStBl.  I  2012, S. 1100. Zur Anpassung der Verwaltungspraxis an geänderte tatsächliche Verhältnisse s. Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 15.12.2011 – z.B. Bay. Staatsministerium der Finanzen, 34-S 3104–0002–43 174/11, BStBl. I 2012, S. 48; BMF, Schreiben v. 17.01.2012 – IV A 3-S 0062/08/10007–12, IV C 4-S 0171/07/0038–007, 2012/0028954, BStBl. I 2012, S. 83; BMF, Schreiben v. 24.01.2012 – IV A 4-S 1547/0:001, 2012/0059852, BStBl. I 2012, S. 99; BMF, Schreiben v. 21.06.2012 – IV A 4-S 1544/09/10001–04, 2012/0529969, BStBl. I 2012, S. 626; BMF, Schreiben v. 01.10.2012 – IV C 5-S 2353/08/10007, 2012/0899967, BStBl. I 2012, S. 942; BMF, Schreiben v. 14.12.2012 – IV A 4-S 1547/0:001, 2012/1116775, BStBl. I 2012, S. 1247. Zur Änderung der behördlichen Rechtsauffassung: BMF, Schreiben v. 30.01.2012  – IV  A  3-S  0062/08/10007–13, 2012/0081070, BStBl.  I  2012, S.  147; BMF, Schreiben v. 30.01.2012 – IV A 3-S 0160/11/10001, 2012/0081623, BStBl. I 2012, S. 149; Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 14.03.2012 – z.B. Bay. Staatsministerium der Finanzen, 34-S 3806–076–7165/12, BStBl. I 2012, S. 331; BMF, Schreiben v. 15.08.2012 – IV  A  3-S  0062/08/10007–14, 2012/0739221, BStBl.  I  2012, S.  850; BMF, Schreiben v. 15.11.2012 – IV C 6-S 2177/10/10002, 2012/1038276, BStBl. I 2012, S. 1099; BMF, Schreiben v. 14.11.2012 – IV D 2-S 7200/08/10005, 2012/1041841, BStBl. I 2012, S. 1170; BMF, Schreiben v. 27.11.2012 – IV C 3-S 2342/07/0001:126, 2012/1011899, BStBl. I 2012, S. 1226.

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sie jedoch allgemeine Übergangsregelungen in Form von Stichtagsregelungen.259 Großer Beliebtheit erfreuen sich in der ministeriellen Praxis auch sog. „Nichtbeanstandungsregelungen“, in denen für einen Übergangszeitraum auf Antrag des Steuerpflichtigen die alte Rechtslage beibehalten werden kann.260 Schlussendlich exis 259 Stichtagsregelungen zur Anpassung der Verwaltungspraxis an die höchstrichterliche Rechtsprechung enthalten BMF, Schreiben v. 19.01.2012 – IV D 3-S 7117-a/10/10001, 2012/ 0038127, BStBl. I 2012, S. 209; BMF, Schreiben v. 24.08.2012 – IV C 2-S 2744/07/10001:002, 2012/0598111, BStBl.  I  2012, S.  904; Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 02.11.2012 – z.B. Bay. Staatsministerium der Finanzen, 34-S 3812b-005–38 141/12, BStBl.  I  2012, S.  1101; BMF, Schreiben v. 17.12.2012  – IV  D  3-S  7015/12/10001, 2012/1098419, BStBl. I 2012, S. 1260. Auf dem Gebiet der Typisierungs- und Pauschalierungsrichtlinien sind Stichtagsregelungen nachweisbar in BMF, Schreiben v. 15.12.2011 – IV C 5-S 2334/11/10005, 2011/1005760, BStBl. I 2012, S. 56; BMF, Schreiben v. 23.02.2012 – IV C 5-S 2353/08/10007, 2012/0161821, BStBl.  I  2012, S.  262; Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 15.02.2012  – z.B. Niedersächsisches Finanzministerium, S  2334–4–3332, BStBl.  I  2012, S. 480; BMF, Schreiben v. 26.10.2012 – IV D 4-S 3104/09/10001, 2012/0980556, BStBl. I 2012, S. 950. Bei Änderung und Ergänzung der behördlichen Rechtsauffassung finden sich Stichtagsregelungen bei BMF, Schreiben v. 02.01.2012  – IV  D  3-S  7185/09/10001, 2011/1016375, BStBl. I 2012, S. 59; BMF, Schreiben v. 14.03.2012 – IV C 3-S 2257-b/11/10003, 2012/0232233, BStBl. I 2012, S. 311; BMF, Schreiben v. 16.05.2012 – IV D 4-S 2232/0–01, 2012/0205152, BStBl. I 2012, S. 595; BMF, Schreiben v. 16.07.2012 – IV A 3-S 0361/12/10001, 2012/0653652, BStBl.  I  2012, S.  686; BMF, Schreiben v. 13.11.2012  – IV  D  2-S  7100/08/10007:003, 2012/1019723, BStBl.  I  2012, S.  1169; Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 23.11.2012  – z.B.  Bay. Staatsministerium der Finanzen, 34-S  2334–022– 38718/12, BStBl. I 2012, S. 1224; BMF, Schreiben v. 30.11.2012 – IV D 3-S 7117-c/12/10001, 2012/1099195, BStBl. I 2012, S. 1230; Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 05.12.2012 – 34-S 3812a-021–45 240/12, BStBl. I 2012, S. 1250. Stichtagsregelungen sind ebenfalls aufzufinden bei Anpassungen der Verwaltungspraxis an geänderte Gesetze, oft korrespondieren sie dabei mit dem zeitlichen Anwendungsbereich der geänderten gesetzlichen Regelung, s. insgesamt dazu BMF, Schreiben v. 18.01.2012  – IV  D  3-S  7117/11/10001, 2012/0037816, BStBl.  I  2012, S.  139; BMF, Schreiben v. 24.01.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016, 2011/1032913, BStBl. I 2012, S. 171; BMF, Schreiben v. 06.02.2012 – IV D 3-S 7134/12/10001, 2012/0111178, BStBl. I 2012, S. 212; BMF, Schreiben v. 14.03.2012 – IV C 4-S 2221/07/0012:012, 2012/0204082, BStBl. I 2012, S. 307; BMF, Schreiben v. 16.03.2012 – IV C 3-S 2497/10/10002, BStBl. I 2012, S. 314; BMF, Schreiben v. 28.03.2012 – IV D 3-S 7179/09/10003–04, 2012/0262442, BStBl. I 2012, S. 482; BMF, Schreiben v. 20.08.2012 – IV D 3-S 7177/07/10001–02, 2012/0765888, BStBl. I 2012, S. 877; BMF, Schreiben v. 05.12.2012 – IV B 2-S 2411/10/10003, 2012/0446006, BStBl. I 2012, S. 1248; BMF, Schreiben v. 18.12.2012 – IV D 3-S 7117-a/12/10001, 2012/1143976, BStBl. I 2012, S. 1272. 260 Nichtbeanstandungsregelungen sind mit Ausnahme der Typisierungs- und Pauschalierungsrichtlinien auf allen anderen Arten der im BStBl. I 2012 enthalten Verwaltungsvorschriften nachweisbar; vgl. für die Anpassung der Verwaltungspraxis an geänderte Rechtsprechung BMF, Schreiben v. 02.01.2012 – IV D 2-S 7300/11/10002, 2011/1014846, BStBl. I 2012, S. 60; BMF, Schreiben v. 03.01.2012 – IV D 2-S 7100-b/11/10001, 2011/1037205, BStBl. I 2012, S. 76; BMF, Schreiben v. 02.04.2012 – IV D 3-S 7179/07/10006, 2012/0262344, BStBl. I 2012, S. 484; BMF, Schreiben v. 24.09.2012 – IV D 2-S 7100/08/10004:004, 2012/0861413, BStBl. I 2012, S. 947. Hinsichtlich der Änderung und Ergänzung der behördlichen Rechtsauffassung vgl. BMF, Schreiben v. 26.01.2012 – IV C 3-S 2221/09/10013:001, 2012/0061220, BStBl. I 2012, S. 169; BMF,

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

tieren Verwaltungsvorschriften, in denen das BMF im Hinblick auf beabsichtigte Gesetzesänderungen selbstständig Übergangsregelungen trifft,261 den zeitlichen Anwendungsbereich getroffener Übergangsregelungen verlängert262 oder aber deren Anwendungsvoraussetzungen näher konkretisiert.263 Der Streifzug durch die im Bundessteuerblatt 2012, Teil I enthaltenen Verwaltungsvorschriften veranschaulicht die nur schwere Systematisierbarkeit der getroffenen Übergangsregelungen innerhalb der verschiedenen Arten steuerlicher Verwaltungsvorschriften.264 Im Ergebnis wäre es angesichts der verschiedenen Arten steuerlicher Verwaltungsvorschriften sowie vielfältigen Übergangsvorschriften auch bei Zugrundelegung eines mehrjährigen Analyserasters kaum möglich, eine durch Systematik gekennzeichnete Verwaltungspraxis hinsichtlich der in den BMF-Schreiben getroffenen Übergangsregelungen festzustellen. Die Ursache der fehlenden Systematik muss dabei freilich in der Besonderheit des Zustandekommens der BMF-Schreiben sowie gleich lautender Erlasse der Länder einerseits sowie deren Regelungsinhalt andererseits gesehen werden. Dem Erlass von Übergangsrichtlinien gehen intensive Beratungen der entsprechenden Re­ferats- bzw. Abteilungsleiter oder im Extremfall sogar der Finanzministerkonferenz von 16 Bundesländern unter Koordination des Bundesfinanzministeriums voraus, welche durch die Notwendigkeit zur Kompromissfindung gekennzeichnet

Schreiben v. 21.03.2012 – IV D 2-S 7238/11/10001, 2012/0244719, BStBl. I 2012, S. 343; BMF, Schreiben v. 29.03.2012 – IV D 3-S 7183/11/10001, 2012/0268550, BStBl. I 2012, S. 483; BMF, Schreiben v. 03.04.2012 – IV D 2-S 7100/07/10027, 2012/0282652, BStBl. I 2012, S. 486; BMF, Schreiben v. 05.06.2012 – IV C 6-S 2133-b/11/10016, 2012/0492960, BStBl. I 2012, S. 598; BMF, Schreiben v. 19.06.2012 – IV D 3-S 7170/10/10012, 2012/0542896, BStBl. I 2012, S. 682; Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 19.06.2012 – z.B. Bay. Staatsministerium der Finanzen, 36-S 4518–001–20 630/12, BStBl. I 2012, S. 662; BMF, Schreiben v. 14.08.2012 – IV C 2-S 2743/10/10001:001, 2012/0652306, BStBl. I 2012, S. 874; BMF, Schreiben v. 20.09.2012 – IV D 2-S 7203/07/10002:004, 2012/0857478, BStBl. I 2012, S. 944; BMF, Schreiben v. 09.10.2012 – IV C 1-S 2252/10/10013, 2011/0948384, BStBl. I 2012, S. 953; BMF, Schreiben v. 06.11.2012 – IV D 2-S 7124/12/10002, 2012/0952023, BStBl. I 2012, S. 1095: BMF, Schreiben v. 21.11.2012 – IV D 3-S 7103-a/12/10002, 2012/1056512, BStBl. I 2012, S. 1229. Für die Anpassung an der Verwaltungspraxis geänderte gesetzliche Rahmen s. schlussendlich BMF, Schreiben v. 06.02.2012 – IV D 3-S 7141/11/10003, 2012/0083517, BStBl. I 2012, S. 211; BMF, Schreiben v. 01.06.2012 – IV D 3-S 7141/11/10003–06, 2012/0464230, BStBl. I 2012, S.  619; BMF, Schreiben v. 02.07.2012  – IV  D  2-S  7287-a/09/10004:003, 2012/0449475, BStBl. I 2012, S. 726 261 So in BMF, Schreiben v. 09.10.2012 – IV C 1-S 2252/10/10013, 2011/0948384, BStBl. I 2012, S. 953 Rn. 105. 262 BMF, Schreiben v. 21.03.2012 – IV D 3-S 7185/09/10001–02, 2012/0234328, BStBl. I 2012, S. 344 verlängert die in BMF, Schreiben v. 02.01.2012 – IV D 3-S 7185/09/10001, 2011/1016375, BStBl. I 2012, S. 59 enthaltene Übergangsregelung um weitere 9 Monate. 263 So präzisiert BMF, Schreiben v. 24.04.2012 – IV D 2-S 7300/11/10002, 2012/0363470, BStBl.  I  2012, S.  533 die in BMF, Schreiben v. 02.01.2012  – IV  D  2-S  7300/11/10002, 2011/1014846, BStBl.  I  2012, S.  60, 74 f. getroffenen Anwendungsvoraussetzungen für die Übergangsregelung. 264 s. dazu die Nachweise in Fn. 258–260.

IV. Verfahrensrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes

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sind.265 In Bezug auf den Regelungsinhalt gilt zudem, dass in BMF-Schreiben sowie gleich lautenden Erlassen der Länder jegliche Steuerarten und damit zusammenhängende Rechtsfragen behandelt werden. Da sich auch die abstrakt-generelle Gewährung von Vertrauensschutz durch Übergangsrichtlinien stets an den Besonderheiten des jeweiligen steuerlichen Rechtsgebiets zu orientieren hat, werden bereits aus diesem Grund ohne eine trennscharfe Differenzierung zwischen Steuerart, Erhebungsform, Existenz der bisherigen Verwaltungsdauer, Grad des geschützten Vertrauens, etc. keine verallgemeinerungsfähigen Aussagen hinsichtlich der in den Schreiben enthaltenen Regelungen zu treffen sein. Im Ergebnis mag die schwer auszumachende Systematik zum Erlass von Übergangsregelungen in Verwaltungsvorschriften rechtspolitisch beklagenswert erscheinen, angesichts der Vielzahl auftretender komplexer Regelungsbereiche ist sie aus rechtstatsächlicher Perspektive ebenso nachvollziehbar. bb) Bericht aus Rechtsprechung und Schrifttum Ausgehend von der kaum feststellbaren Systematik der sich in den BMFSchreiben konstituierenden Praxis sind nachfolgend die in Rechtsprechung und Literatur für den Erlass von Übergangsrichtlinien entwickelten Kriterien von besonderem Interesse. Bereits vorab kann dazu festgehalten werden, dass trotz der allgemeinen Forderung nach abstrakt-generellem Vertrauensschutz266 die dogmatischen Kriterien für den Erlass von Übergangsrichtlinien in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und im steuerrechtlichen Schrifttum eine bisher allenfalls schwache und in ihren Einzelheiten zudem unklare Ausprägung erfahren haben. Hiervon ausgehend wird nachfolgend daher ein kurzer Überblick über die bisher für und gegen eine Pflicht zum Erlass von Übergangsrichtlinien aufgestellten Kriterien gegeben. (1) Für den Erlass von Übergangsrichtlinien sprechende Kriterien Zunächst kann als tendenziell gesichert gelten, dass eine Pflicht der Verwaltung für die Schaffung von Übergangsrichtlinien in Fällen mit großer Breitenwirkung besteht.267 Wann und in welchen Konstellationen eine solche Breitenwir 265 Seer, in: BK, Art. 108 GG Rn. 120; Bonsels, Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte, S. 114 ff.; Schmitt, in: DStJG 31 (2008), S. 99, S. 114 ff., 116. 266 Vgl. dazu nochmals die Nachweise in Fn. 240. 267 GmSOGB, Beschluss v. 19.10.1971 – GmS-OGB 3/70, BFHE 105, S. 101, 114 f.; BFH, Urteil v. 10.11.1982 – I R 142/79, BFHE 137, S. 202, 206; BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 483; BFH, Urteil v. 14.10.1987 – II R 120/85, BFH/NV 1989, S. 80, 81; Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 116 u. 121; Fritsch, in: Pahlke/Koenig, § 227 AO Rn. 22; Willibald, DStZ 1991, S. 442, 443; Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 788.

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

kung vorliegt, ist indes ungeklärt. Bereits im Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 29.03.1971268 wurde betont, dass jedenfalls bei Betroffenheit ganzer Berufsgruppen (im Streitfall: Versicherungsgeneralagenten mit gemischter Tätigkeit) eine Breitenwirkung zu bejahen sei. Der I. Senat des Bundesfinanzhofs führt darüber hinaus im Urteil vom 10.11.1982269 beispielhaft das Rechtsgebiet der außergewöhnlichen Belastungen an.270 Im Urteil vom 31.10.1990 ergänzt der I. Senat sodann das Kriterium der Breitenwirkung für Fälle „einer lang dauernden Verwaltungsregelung von erheblicher wirtschaftlicher Tragweite“271. Weiterhin werden für das Vorliegen einer Breitenwirkung die Betroffenheit einer großen Anzahl von Steuerpflichtigen sowie die zeitliche Existenz der bisherigen Regelung angeführt.272 Über das Kriterium der Breitenwirkung hinaus ist sowohl in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als auch im Schrifttum die Tendenz erkennbar, Verwaltungsvorschriften zur Interpretation von Gesetzen mit wirtschaftslenkendem Inhalt als sachgerechten Aspekt zum Erlass von Übergangsrichtlinien anzuerkennen.273 Entscheidend sei, dass der Bürger durch den Inhalt der Verwaltungsvorschrift gezielt zur Vornahme von Dispositionen „angeregt“ werde, was die Notwendigkeit zur Schaffung abstrakt-genereller Übergangsregelungen zwecks Gewährung von Vertrauensschutz nach sich ziehe.274 Unklar bleibt dabei, ob die Interpretation von Lenkungsvorschriften als eigenständige Kategorie einzuordnen ist oder vielmehr eine Konkretisierung der Fallgruppe einer „großen Breitenwirkung“ darstellt. Ergänzend zu den vorstehend genannten Kriterien stellen Bundesfinanzhof und finanzgerichtliche Rechtsprechung zudem auf das Maß der bisherigen Vertrauensbildung ab.275 Für die Verpflichtung zum Erlass von Übergangsrichtlinien spreche 268

GmSOGB, Beschluss v. 19.10.1971 – GmS-OGB 3/70, BFHE 105, S. 101 ff. BFH, Urteil v. 10.11.1982 – I R 142/79, BFHE 137, S. 202, 206. 270 Dabei bezieht sich der I. Senat explizit auf die sog. „Aussteuer-Entscheidung“, s. BFH, Urteil v. 16.08.1967 – VI 170/65, BFHE 89, S. 447, 460. 271 BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 483; dem folgend Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 788; 272 FG Nürnberg, Urteil v. 03.11.1977 – VI 104/76, EFG 1978, S. 206, 207; FG Köln, Urteil v. 08.03.2001 – 15 K 8501/98, EFG 2001, S. 728; Willibald, DStZ 1991, S. 442, 443; Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 116. 273 BFH, Urteil v. 23.02.1979  – III  R  16/78, BFHE  127, S.  476, 479 f.; BFH, Urteil v. 31.10.1990  – I  R  3/86, BFHE  163, S.  478, 483 unter Berufung auf FG  Nürnberg, Urteil v. 03.11.1977 – VI 104/76, EFG 1978, S. 206, 207; Willibald, DStZ 1991, S. 442, 444; Burmeister, in: FS Friauf 1996, S. 759, 786 f.; Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 471 f.; ähnlich Kirchhof, DStR 1989, S. 263, 268 (in Bezug auf Rechtsprechungsänderungen). 274 Prägnant BFH, Urteil v. 23.02.1979 – III R 16/78, BFHE 127, S. 476, 479 f.: „Durch diese Bestimmungen veranlasst der Gesetzgeber die Unternehmer in besonderem Maße zu wirtschaftspolitisch erwünschten Investitionen.“; sinngemäß auch Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 471 f. 275 So explizit BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 483; FG Köln, Urteil v. 08.03.2001 – 15 K 8501/98, EFG 2001, S. 728. 269

IV. Verfahrensrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes

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unter anderem die Schutzwürdigkeit des betätigten Vertrauens. Diese unterstellt der Bundesfinanzhof in typisierender Weise, wenn „eine gesicherte, für die Meinung des Steuerpflichtigen sprechende Rechtsauffassung bestand und die Rechtslage nicht als zweifelhaft erschien.“276

Damit knüpft der Bundesfinanzhof im Ergebnis auf Rechtsfolgenseite des Vertrauensschutzes an die bereits aus dem 4. Kapitel bekannte Dogmatik zur Schutzwürdigkeit des Vertrauens mit Blick auf die „zweifelhafte Rechtslage“ an.277 (2) Gegen den Erlass von Übergangsrichtlinien sprechende Kriterien Die vorstehend gemachten Ausführungen dürfen indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ein bedeutendes, gegen den Erlass von Übergangsrichtlinien sprechendes Kriterium entwickelt hat: Es handelt sich dabei um den Problemkreis einer „zweischneidigen“ Änderung der Rechtslage.278 Danach scheide der Erlass einer allgemeinen Übergangsregelung bereits dann aus, wenn sich nicht einheitlich beurteilen lasse, ob die Änderung der Rechtslage für die betroffenen Steuerpflichtigen zu einer Verschlechterung gegenüber der bisherigen Rechtslage führe.279 Entscheidend sei insofern, ob die zu regelnden Konstellationen „einer allgemeinen Anpassungsregelung nicht oder schwer zugänglich“280 seien oder die Finanzverwaltung „vor kaum lösbare Probleme“281 gestellt werde. (3) Kritische Würdigung Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sowie deren weitestgehend unkritische Übernahme im Schrifttum sind auf einem notwendigerweise von Einzelfallkasuistik geprägtem Rechtsgebiet durch ein Bemühen um das Entwickeln einzelner, praktisch handhabbarer Kriterien gekennzeichnet. Dabei handelt es sich jedoch weitestgehend um inhaltliche Leerformeln, die kaum zu einer diesbezüglichen Konkretisierung des Billigkeitsbegriffs beitragen können. Insbesondere das 276 Zitiert nach BFH, Beschluss v. 26.09.2007  – V  B  8/06, BFHE  219, S.  245, 249; Ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteil v. 23.02.1979  – III  R  16/78, BFHE  127, S.  476, 480 ff.; BFH, Urteil v. 15.01.1986  – II  R  141/83, BFHE  145, S.  453, 456 f.; BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 483 ff.; BFH, Beschluss v. 01.10.2003 – X B 75/02, BFH/NV 2004, S. 44 f.; BFH, Beschluss v. 04.08.2010 – X B 172/09, BFH/NV 2010, S. 2053, 2054 f.; zuletzt BFH, Urteil v. 17.04.2013 – X R 6/11, BFH/NV 2013, S. 1537 Rn. 22 ff. 277 s. dazu nochmals oben, 4. Kapitel, III. 3. b) bb) (4), S. 219 u. c) bb) (2), S. 223. 278 Zum Begriff vgl. auch Fischer, in: Dt. Finanzgerichtstag 2011, S. 41, 54. 279 BFH, Urteil v. 12.01.1987  – IV  R  87/87, BFHE  155, S.  487, 491; BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 484; sinngemäß ebenfalls BFH, Urteil v. 10.11.1982 – I R 142/79, BFHE 137, S. 202, 206. 280 BFH, Urteil v. 10.11.1982 – I R 142/79, BFHE 137, S. 202, 206. 281 BFH, Urteil v. 12.01.1987 – IV R 87/87, BFHE 155, S. 487, 491.

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

Kriterium der „großen Breitenwirkung“ stellt einen beliebig austauschbaren, wertungsoffenen Rechtsbegriff dar, der die Probleme der inhaltlichen Unbestimmtheit des Billigkeitsbegriffs lediglich auf eine andere Ebene verlagert. Dies zeigen namentlich die Konkretisierungsversuche des Bundesfinanzhofs zur inhaltlichen Präzisierung des Begriffs der „großen Breitenwirkung“, wonach zwar die Behandlung von „Aussteuer“-Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung im Sinne der Billigkeit Breitenwirkung aufweisen soll, die Auslegung des Begriffs „ausschüttungsfähiger Gewinn“ bei Unterbilanzen unter dem früheren körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren dagegen unter die Kategorie „besonders gelagerte Ausnahmefälle“282 eingestuft wird. Auch das Kriterium der „kaum lösbaren Probleme“283 stellt eine unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlich-grundrechtlich fundierten Vertrauensschutzes verfassungswidrige Einschränkung dar. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass namentlich der I. Senat mit Urteil vom 30.07.1997 zweischneidig wirkende Übergangsregelungen als geradezu selbstverständlich akzeptiert hat.284 Bei Lichte besehen dürften Änderungen der Rechtslage in den meisten Fällen zweischneidig wirken, da sich angesichts der vielfältigen steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nie mit Sicherheit beurteilen lässt, ob eine dem Anschein nach ungünstige Rechtsänderung in Einzelfällen nicht doch zu einer steuerlichen Entlastung führt. Als weiterer Kritikpunkt der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Erlass von Übergangsrichtlinien muss die dogmatisch unklare Verknüpfung der Schutzwürdigkeit als tatbestandliche Voraussetzung des Vertrauensschutzprinzips einerseits sowie gleichzeitige Rechtsfolge zum Erlass von abstrakt-generellen Übergangsregelungen andererseits bezeichnet werden. So verwundert es kaum, wenn zwar auf Rechtsfolgenseite zwischen abstrakt-generellen Übergangsregelungen sowie der Notwendigkeit von ergänzendem Vertrauensschutz im Einzelfall differenziert wird, auf Tatbestandsebene aber durch das inhaltliche Anknüpfen an dieselben Kriterien für das Vorliegen schutzwürdigen Vertrauens die Unterschiede zwischen dem Erlass von Übergangsrichtlinien und der Gewährung von Vertrauensschutz im Einzelfall im Ergebnis verwischt werden.285 Vor diesem Hintergrund wird erst verständlich, dass in der Rechtsprechung nur kursorisch auf die Möglichkeit zur abstrakt-generellen Gewährung von Vertrauensschutz eingegangen wird, ohne dieses Institut dogmatisch zu beleuchten.286 Richtigerweise unterliegen die Aspekte der Schutzwürdigkeit des Vertrauens einer restriktiven Handhabung auf der Tatbestandsseite des Vertrauensschutzprin 282

BFH, Urteil v. 10.11.1982 – I R 142/79, BFHE 137, S. 202, 206. BFH, Urteil v. 12.01.1987 – IV R 87/87, BFHE 155, S. 487, 491. 284 BFH, Urteil v. 30.07.1997 – I R 7/97, BFHE 184, S. 88, 90 f. 285 Das wird besonders deutlich bei BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 486: „Insoweit gilt für den Einzelfall nichts anderes als für die oben (…) behandelte Frage des allgemeinen Vertrauens (…).“; s. auch BFH, Urteil v. 14.10.1987 – II R 120/85, BFH/NV 1989, S. 80, 91. 286 s. hierzu erneut die Nachweise in Fn. 239. 283

IV. Verfahrensrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes

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zips. Wenn und soweit eine Schutzwürdigkeit nach den hiesigen Kriterien zu bejahen ist,287 verdichtet sich die Rechtsfolge des Vertrauensschutzprinzips – jedenfalls bei den für rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften entwickelten besonderen Momenten der Schutzwürdigkeit288 – vor dem Hintergrund einer strukturell gleichmäßigen Ausgestaltung des Übergangsrechts zu einer innenrechtlich bestehenden Pflicht zum Erlass von Übergangsregelungen. Insoweit kann dem Bundesfinanzhof mit gewissen Vorbehalten gefolgt werden, wonach die für die Schutzwürdigkeit sprechenden Kriterien prinzipiell auch als sachgerechter Gesichtspunkt für den Erlass von Übergangsrichtlinien herangezogen werden können. Dies gilt umso mehr, dass die Gewährung von Vertrauensschutz durch Verwaltungsvorschriften verfahrensrechtlich als Annex im Zusammenhang mit deren Aufhebung und Änderung betrachtet werden muss.289 Eine so verstandene Dogmatik bedeutet im Gegensatz zum Bundesfinanzhof jedoch nicht, dass die Verwaltung bei Vorliegen schutzwürdigen Vertrauens regelmäßig zum Erlass einer Übergangsrichtlinie verpflichtet wäre. Ihr prinzipielles „Normsetzungsermessen“ beim Erlass von Verwaltungsvorschriften wird hiervon nicht berührt.290 So ist es beispielsweise denkbar, dass in allgemeiner Hinsicht das Änderungsinteresse der Verwaltung überwiegt, im Einzelfall jedoch die hier entwickelten Schutzwürdigkeitsindikatoren im Ergebnis die Gewährung von Vertrauensschutz erfordern. Insgesamt verbleibt der Verwaltung damit ein ausreichender, wenn auch in einer Vielzahl der auftretenden Fälle nur schmaler Korridor zum „Nichterlass“ von Übergangsrichtlinien. Gegen das hier gefundene Ergebnis wird man mit dem Bundesfinanzhof nicht einwenden können, dass dadurch in besonders gelagerten Fallkonstellationen „kaum lösbare Probleme“291 entstehen könnten. Einerseits hat es nämlich die Verwaltung und nicht die Rechtsprechung in der Hand, diese besonderen Konstellationen in vor Art. 3 I GG rechtlich zulässiger Weise von der Übergangsregelung auszunehmen;292 andererseits kann die Verwaltung in besonders gelagerten Konstellationen zudem von ihrem Abweichungsrecht im atypischen Einzelfall auf der zweiten Stufe der Ermessensbetätigung Gebrauch machen. Die Rechtsfigur einer „zweischneidigen“ Rechtsänderung stellt sich im Ergebnis damit als höchstrichterlich bestätigtes Instrument zur Verhinderung einer sachgerechten Lösung des Vertrauensschutzproblems auf Verwaltungsebene dar. 287

Vgl. dazu nochmals die Ausführungen im 4. Kapitel unter III., S. 198 ff. Zeitliche Existenz der Verwaltungsvorschrift, höchstrichterliche Bestätigung der Verwaltungsauffassung, Festhalten an der ursprünglichen Rechtsauffassung durch die Verwaltung, s. oben, 4. Kapitel, III. 3. c) bb), S. 222 ff. 289 In diese Richtung ebenfalls Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 367 f. 290 Ähnlich Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 116. 291 BFH, Urteil v. 12.01.1987 – IV R 87/87, BFHE 155, S. 487, 491. 292 Was in praktischer Hinsicht auch geschieht, s. hierzu beispielsweise BFH, Urteil v. 12.01.1989 – IV R 87/87, BFHE 155, S. 484 ff.; auf den Aspekt der Übergangsgerechtigkeit weist in diesem Zusammenhang auch Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 118 hin. 288

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

cc) Zusammenfassung Während in der Praxis der BMF-Schreiben eine einheitliche Linie zum Erlass abstrakt-genereller Übergangsregelungen nicht erkennbar ist, hat die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs durch Heranziehung der kaum aussagefähigen Kriterien einer „großen Breitenwirkung“ sowie „zweischneidigen Rechtsänderung“ keine praktisch handhabbaren Maßstäbe für den Erlass von Übergangsrichtlinien entwickeln können. Inhaltlich stehen als sachgerechte Kriterien für den Erlass von Übergangsrichtlinien grundsätzlich die im 4. Kapitel entwickelten Schutzwürdigkeitsindikatoren zur Verfügung, ohne diese gleichsam zum exklusiven Gradmesser eines richtliniengesteuerten Übergangsrechts zu erheben. c) Rechtsnatur und Bindungswirkung von Übergangsrichtlinien Mit der Festlegung sachgerechter Kriterien für den Erlass von Übergangsrichtlinien stellt sich nachfolgend die Frage, welche rechtliche Qualität die auf § 163 S. 1 AO gestützten Verwaltungsvorschriften aufweisen. Die nähere Betrachtung dieses Problemkreises ist notwendig vor dem Hintergrund, dass hieraus grundlegende Konsequenzen für die Bindungswirkung gegenüber dem Bürger sowie die gerichtliche Kontrolle der auf Übergangsrichtlinien gestützten Verwaltungs­ entscheidungen resultieren. Kaum weiterführend ist diesbezüglich die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. Dieser betont in ständiger Rechtsprechung, dass Übergangsrichtlinien von § 163 AO als Rechtsgrundlage gedeckt sein müssen.293 Sofern die Übergangsrichtlinie die in § 163 AO statuierten Billigkeitsvoraussetzungen erfülle, sei sie auch für die Gerichte verbindlich.294 Obgleich diese Formeln in den vorstehend genann 293 BFH, Urteil v. 14.08.1958  – I  39/57  U, BFHE  67, S.  354, 366 ff.; BFH, Urteil v. 06.12.1986 – IV R 174/67, BFHE 94, S. 246, 250; GmSOGB, Beschluss v. 19.10.1971 – GmSOGB  3/70, BFHE  105, S.  101, 113; BFH, Urteil v. 25.11.1980  – VII  R  17/78, BFHE  132, S. 159, 162; BFH, Urteil v. 15.01.1986 – II R 141/83, BFHE 145, S. 453, 456; BFH, Urteil v. 12.01.1989 – IV R 87/87, BFHE 155, S. 484, 486; BFH, Urteil v. 07.11.1996 – IV R 69/95, BFHE 182, S. 56, 59; bestätigt in BFH, Urteil v. 15.05.1997 – IV R 46/96, BFH/NV 1997, S. 850, 851; zuletzt BFH, Beschluss v. 31.01.2013 – GrS 1/10, BFHE 240, S. 162, 178. Die Kommentarliteratur folgt der Auffassung des Bundesfinanzhofs weitestgehend, s. Stöcker, in: Beermann/Gosch, § 227 AO Rn. 31; Loose, in: Tipke/Kruse, § 227 AO Rn. 54a u. 127 f.; v. Groll, in: HHSp, § 227 AO Rn. 202 u. 206; Fritsch, in: Pahlke/Koenig, § 227 AO Rn. 22; Krabbe, in: Koch/Scholtz, § 227 AO Rn. 42; Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn. 120. 294 Die Verbindlichkeit derartiger Richtlinien für das Gerichtsverfahren wird in ständiger Rechtsprechung betont, vgl. BFH, Urteil v. 25.11.1980 – VII R 17/78, BFHE 132, S. 159, 162; BFH, Beschluss v. 25.06.1984 – GrS 4/82, BFHE 141, S. 405, 417; BFH, Urteil v. 15.01.1986 – II R 141/83, BFHE 145, S. 453, 455 f.; BFH, Urteil v. 12.01.1989 – IV R 87/87, BFHE 155, S.  484, 486; BFH, Urteil v. 16.03.2004  – VIII  R  33/03, BFHE  205, S.  270, 273; BFH, Urteil v. 18.09.2007  – I  R  30/06, BFHE  219, S.  184, 190; BFH, Beschluss v. 15.03.2006  –

IV. Verfahrensrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes

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ten Entscheidungen geradezu gebetsmühlenartig wiederholt werden, ist das dogmatische Umfeld der Übergangsrichtlinien bis heute ungeklärt.295 Lediglich vereinzelt wird in jüngeren Entscheidungen der ermessenslenkende Charakter der Übergangsrichtlinien betont,296 ohne dass hieraus – mangels Entscheidungserheblichkeit – weitergehende Konsequenzen gezogen worden wären. Die Ursache für diesen unbefriedigenden Zustand ist allerdings schnell gefunden. Eine bereits vom Ansatz her kritikwürdige Dogmatik zu Koppelungsvorschriften, die nicht klar zwischen Unbilligkeit als unbestimmtem Rechtsbegriff auf Tatbestandsseite sowie dem in § 163 S. 1 AO auf Rechtsfolgenseite eingeräumten Ermessen differenziert, muss in ihrer Konsequenz die prinzipiellen Unterschiede zwischen Tatbestand und Rechtsfolge des Vertrauensschutzprinzips verwischen. In Anbetracht dieses dogmatischen Befundes ließe sich mit Teilen des Schrifttums die Unverbindlichkeit von Übergangsrichtlinien gegenüber dem Bürger und eine damit verbundene gerichtliche Vollkontrolle bejahen.297 Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass diese Ansätze die Rechtsgrundlage für Übergangsrichtlinien gerade nicht in § 163  AO sehen, sondern derartige Verwaltungsvorschriften ihnen zufolge lediglich den zeitlichen Anwendungsbereich einer Verwaltungsvorschrift konkretisieren. Ungeachtet der vorstehenden Diskussion bedarf die dogmatische Einordnung der Übergangsrichtlinien und ihrer Bindungswirkung sowie einer damit einhergehenden gerichtlichen Kontrolle einer strikten Orientierung an der ihnen zugrunde liegenden Rechtsgrundlage. In Anbetracht der im 2.  Kapitel gefundenen Ergebnisse298 ist dabei davon auszugehen, dass der unbestimmte Rechtsbegriff der Unbilligkeit und damit auch die Frage, ob die Verwaltung zur Gewährung von Vertrauensschutz verpflichtet ist, einer vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Auf Rechtsfolgenseite muss im Gegenzug das der Finanzbehörde in § 163 S. 1 AO eingeräumte Ermessen angemessene Berücksichtigung finden. Demzufolge können vernünftigerweise keine Zweifel daran bestehen, dass der Verwaltung in Bezug auf die Ausübung ihres Auswahlermessens zur Gewährung des Vertrauensschutzes auf Rechtsfolgenseite nach wie vor ein beträchtliches Spektrum an Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung steht. Durch ein so zugrunde gelegtes Verständnis werden VI S 2/06 (PKH), BFH/NV 2006, S. 1097, 1098; BFH, Beschluss v. 08.02.2007 – IX B 125/06, BFH/NV 2007, S. 107; BFH, Urteil v. 19.10.2010 – X R 41/08, BFH/NV 2011, S. 245, 248; BFH, Urteil v. 13.01.2011 – V R 43/09, BFH/NV 2011, S. 1049, 1050. 295 Ähnlich Hey, Steuerplanungssicherheit, S.  686: „kursorische Subsumtion der Unbilligkeitsvoraussetzungen“. 296 BFH, Urteil v. 18.09.2007  – I  R  30/06, BFHE  219, S.  184, 190; BFH, Urteil v. 13.01.2011 – V R 43/09, BFH/NV 2011, S. 1049, 1050. 297 So insbesondere Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 686 f. u. Englisch/Plum, StuW 2004, S. 342, 367 f.; ähnlich auch Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 464, der aber insoweit ein anderweitiges Grundverständnis zur Dogmatik von Koppelungsvorschriften zugrunde legt, vgl. S. 434 ff.; zur historischen Diskussion s. die Ausführungen bei Jaenke, Verwaltungsvorschriften, S. 125 ff. u. Kampe, Verwaltungsvorschriften, S. 123 ff. 298 s. oben, 2. Kapitel, III. 4. b), S. 105 ff.

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im Ergebnis die freiheitsrechtlich verbürgten Vertrauensschutzinteressen des Bürgers sowie die an einer Praktikabilität des Übergangsrechts orientierten Interessen der Verwaltung ausgewogen in Einklang gebracht. Einerseits steht insofern fest, dass den Vertrauensschutzinteressen des Bürgers in jedem Fall Rechnung zu tragen ist, andererseits kann die Verwaltung im Wege sachgerechter Ermessensausübung gleich gelagerte Fallgruppen zusammenfassen und diese einer am Gesichtspunkt der Praktikabilität orientierten Übergangsregelung zuführen. Im Ergebnis weisen die auf Basis des § 163  S.  1 AO ergangenen Übergangsrichtlinien einen zweischneidigen Charakter auf: Sie sind mit Blick auf den unbestimmten Rechtsbegriff der Billigkeit lediglich norminterpretierende Verwaltungsvorschriften, die einer gerichtlichen Vollkontrolle unterliegen, im Übrigen stellen sie ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dar, die den hierzu entwickelten allgemeinen Pfaden folgen. Starre Lösungen zwischen kursorischer Überprüfung der Billigkeitsvoraussetzungen oder einer gerichtlichen Vollkontrolle werden mithin weder den Rechtsschutzinteressen des Steuerpflichtigen noch dem Vollzugsinteresse der Verwaltung gerecht. d) Inhaltliche Ausgestaltungsmöglichkeiten von Übergangsrichtlinien Die Festlegung eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Auswahlermessens auf der Rechtsfolgenseite des Vertrauensschutzes wirft die Frage nach der inhaltlichen Ausgestaltung von Übergangsrichtlinien auf, die abschließend näher untersucht wird. Den Schwerpunkt der Ausführungen bilden dabei die der Verwaltung aufgrund des Ermessens eingeräumten Gestaltungsfreiheiten und deren rechtliche Grenzen. aa) Grundsatz: Gestaltungsfreiheit der Verwaltung Ausgangspunkt einer inhaltlichen Ausgestaltung von Übergangsregelungen durch die Verwaltung ist die Feststellung, dass Übergangsrichtlinien das in § 163 S. 1 AO eingeräumte Einzelfallermessen steuern.299 Mithin steht der Verwaltung zur Gewährung von Vertrauensschutz anhand von Übergangsrichtlinien inhaltlich dasselbe Arsenal an Überleitungstechniken wie bei Einzelfallentscheidungen zur Verfügung. Die qualitativen Möglichkeiten zur Gewährung von Vertrauensschutz sind dabei prinzipiell unbegrenzt.300 So können – wie die Ausführungen zur Praxis der BMF-Schreiben gezeigt haben – beispielsweise Übergangsregelungen in Form von 299

Loose, in: Tipke/Kruse, § 227  AO Rn.  127; v.  Groll, in: HHSp, § 227  AO Rn.  202 f.; Krabbe, in: Koch/Scholtz, § 227 AO Rn. 44; Stöcker, in: Beermann/Gosch, § 227 AO Rn. 28 ff. 300 Ähnlich Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 685, die insofern auf die Überleitungsmethoden bei Gesetzen verweist.

IV. Verfahrensrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes

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Stichtagsregelungen einen gangbaren Weg darstellen, auch sind Nichtbeanstandungsregelungen oder aber gänzlich andere Formen zur Gewährung von Vertrauensschutz denkbar.301 Im Gegensatz zur Gewährung von Vertrauensschutz durch Einzelfallentscheidungen weisen die Wirkungen einer Übergangsrichtlinie indes eine Besonderheit auf: Während der Verwaltung bei der Gewährung von Vertrauensschutz anhand von Einzelfallentscheidungen hinsichtlich der Auswahl der Übergangsregelung im Einzelfall ein gerichtlich auf den Bereich der Vertretbarkeitskontrolle beschränkter Ermessensspielraum zusteht, kann die Verwaltung bei abstrakt-generellen Übergangsregelungen gleich gelagerte Fallgruppen zusammenfassen. Die Rechtswirkungen einer so gehandhabten Übergangsrichtlinie kommen im Ergebnis einer materiellen Typisierung von Übergangsregelungen sehr nahe (wobei gleichzeitig zuzugeben ist, dass jeder Ermessensausübung durch Verwaltungsvorschriften zwingendermaßen ein Element der Typisierung inne ist). Unter Zugrundelegung eines solchen Verständnisses kommt der Verwaltung sowohl hinsichtlich der Auswahl als auch der inhaltlichen Ausgestaltung des zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereichs ein gerichtlich nur in den Grenzen des § 102  S.  1  FGO überprüfbarer Ermessensspielraum zu. Innerhalb dieses Ermessensspielraums kann die Verwaltung im Hinblick auf einen praktikablen Vollzug des Übergangsrechts gleich gelagerte Fallgruppen einer abschließenden Regelung zuführen und in Bezug auf die Rechtsfolge damit typisierende Regelungen treffen. Der Vorteil einer solchen auf Seite des Rechtsfolgeermessens vorgenommenen Typisierung besteht zudem darin, dass sich die im Außenverhältnis verbindlichen Wirkungen derartiger Übergangsrichtlinien – im Gegensatz zu den üblichen Typi­ sierungs- und Pauschalierungsrichtlinien – aufgrund des in § 163 S. 1 AO eingeräumten Rechtsfolgeermessens auf eine gesetzliche Grundlage stützen lassen. Im Ergebnis kommt der von der Verwaltung vorgenommenen Typisierung damit auch eine gerichtlich beachtliche Bindungswirkung zu.302 bb) Übergangsgerechtigkeit als rechtliche Grenze der Gestaltungsfreiheit Die Anerkennung eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessens­ spielraums auf Seiten der Behörde muss eine umso kritischere Betrachtung der rechtlichen Grenzen, die der Verwaltung bei der Ausgestaltung von Übergangsricht 301 Zu den Überleitungsmethoden bei Gesetzen umfassend Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 407 ff. 302 Ähnlich BFH, Urteil v. 25.11.1980 – VII R 17/78, BFHE 132, S. 159, 164: „Dennoch hat der BdF seinen Ermessensspielraum nicht überschritten, wenn er sich für eine pauschale Re­ gelung entschied und die Umstände des Einzelfalles nicht berücksichtigte. Er konnte davon ausgehen, daß nur eine solche Regelung mit einem zumutbaren Verwaltungsaufwand zu verwirklichen war.“; dem folgend Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 121.

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

linien gezogen werden, nach sich ziehen. Diese Grenzen sind – fernab der durch die Ermessensfehlerlehre überlieferten Kategorien von Ermessensfehlern – namentlich in der Rechtsfolge des Vertrauensschutzprinzips selbst zu sehen. Entscheidender Aspekt ist hierbei wiederum der bereits im 4. Kapitel bemühte Gedanke der Übergangsgerechtigkeit.303 Danach hat die Verwaltung in der Übergangsrichtlinie die überwiegende Zahl auftretender Vertrauensschutzkonstellationen vor dem Hintergrund des Art. 3 I GG einheitlich zu regeln. Dies bedeutet insbesondere, dass die im 4. Kapitel entwickelten Rechtsfolgen304 für die vom zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich der Übergangsrichtlinie betroffenen Steuerpflichtigen gleichmäßig zur Anwendung kommen müssen und keine regelungsbedürftigen Konstel­ lationen schutzwürdigen Vertrauens willkürlich von deren Anwendungsbereich ausgenommen werden.305 Besonderes Interesse hat mit Blick auf die Typisierungswirkung dabei dem zeitlichen Anwendungsbereich von Übergangsrichtlinien zu gelten. Diese müssen einen sachgerechten zeitlichen Anknüpfungspunkt wählen und hinsichtlich ihrer zeitlichen Dimension die überwiegende Zahl schutzwürdiger Dispositionen in den Anwendungsbereich einbeziehen. Wenn und soweit diese vor Art. 3 I GG notwendigen Kriterien erfüllt sind, ist im Ergebnis von einer zulässigen materiellen Typi­ sierung der Übergangsrichtlinie auszugehen, die angesichts von § 102 S. 1 FGO auch für die Gerichte verbindlich ist. Die vorstehenden Ausführungen dürfen freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Hürden für eine gerichtlich verbindliche Typisierung auf Seiten der Verwaltung hoch anzusetzen sind. Beispiel:306 Nach früherer Rechtslage konnten Garten- und Landschaftsbaubetriebe in Berlin (West) bei Anschaffung abnutzbarer Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens eine erhöhte Investitionszulage nach § 19 I 3 Nr. 1 Buchst. a BerlinFG i.H.v. 25 v.H. statt – wie regulär nach § 19 I 1 BerlinFG i.H.v. 10 v.H. – beantragen. Die erhöhte Förderung für diesen Gewerbezweig beruhte auf einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 01.12.1970307 sowie einer Verwaltungsanweisung der Oberfinanzdirektion Berlin aus dem Jahr 1971308, wonach Garten- und Landschaftsbaubetriebe dem verarbeitenden und dadurch erhöht förderungsfähigen Gewerbe zuzurechnen waren. Unter Berufung auf die Urteile des Bundesfinanzhofs vom 14.01.1975309 verfügt der Senator für Finanzen in Berlin durch Erlass

303

Dazu nochmals oben, 4. Kapitel, IV. 3. a) aa), S. 233. s. oben, 4. Kapitel, IV. 3. a) bb), S. 233 ff. 305 Dazu überblicksartig: Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 117. 306 Nach BFH, Urteil v. 23.02.1979 – III R 16/78, BFHE 127, S. 476 ff., Sachverhalt abgewandelt und stark vereinfacht. 307 BFH, Urteil v. 01.12.1970 – VI R 386/69, BFHE 100, S. 573 ff. 308 OFD Berlin, Rundverfügung v. 29.03.1971 – St 221 – S 1977 – 6/70, StuZBl Bln 1971, S. 321, 324. 309 BFH, Urteil v. 14.01.1975  – VIII  R  148/71, BFHE  115, S.  86 ff. u.  BFH, Urteil v. 14.01.1975 – VIII R 11/73, BFHE 115, S. 167 ff. – beide Entscheidungen bestätigten die für den Bereich der Investitionszulage verbindliche Zuordnung von Betrieben zu einzelnen Wirtschaftszweigen durch das vom Statistischen Bundesamt aufgestellte „Systematische Verzeichnis der Wirtschaftszweige“. 304

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vom 12.04.1976,310 dass Garten- und Landschaftsbaubetriebe für nach dem 31.12.1975 angeschaffte Wirtschaftsgüter nicht mehr dem verarbeitenden Gewerbe zuzurechnen seien und insoweit nur noch die Grundförderung i.H.v. 10 v.H. gewährt werden könne. Durch Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10.12.1976 wurde diese Rechtauffassung bestätigt. Gärtner G hat am 01.03.1976, also noch vor Ergehen des Erlasses, mit Blick auf die frühere Rechtslage, der auch die Senatsverwaltung für Finanzen in Berlin folgte, einen neuen Transporter angeschafft und begehrt unter Berufung auf Vertrauensschutz die erhöhte Förderung nach § 19 I 3 Nr. 1 Buchst. a BerlinFG i.H.v. 25 v.H. Der Bundesfinanzhof hat der Klage stattgegeben und den im Erlass vom 12.04.1976 gewährten Vertrauensschutz als nicht ausreichend betrachtet.311 Das inhaltliche Anknüpfen der Übergangsregelung an den Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung sei nicht sachgerecht, da das Vertrauen zum Zeitpunkt der Vornahme der Investitionsentscheidung entstehe und nicht erst bei Lieferung oder Fertigstellung des Wirtschaftsguts.312

Das vorstehende Beispiel verdeutlicht die Problematik um den zeitlichen Anwendungsbereich und eine damit verbundene Typisierungswirkung der Übergangsrichtlinie. So mag die Wahl des Stichtags für die Verbescheidung der Anträge auf Gewährung von Investitionszulage nach alter bzw. neuer Rechtslage zum 31.12. grundsätzlich ein sachgerechtes Kriterium darstellen. Indes wurden – gerade mit Blick auf die von der Rechtsauffassung der Verwaltung ausgehende Anreizwirkung – die von den Garten- und Landschaftsbaubetrieben bis zur Veröffentlichung des Erlasses vom 12.04.1976 getätigten Investitionen im Nachhinein entwertet. Der Anwendungsbereich der Übergangsrichtlinie war damit in Bezug auf ihren zeitlichen Anknüpfungspunkt zu eng gefasst. Der hieraus resultierende Verstoß gegen Art. 3 I GG hat zugleich zur Folge, dass die potenzielle Typisierungswirkung der Übergangsrichtlinie nicht eintreten konnte. cc) Zusammenfassung Der Finanzverwaltung kommt bei der inhaltlichen Ausgestaltung von Übergangsrichtlinien aufgrund des in § 163 S. 1 AO eingeräumten Rechtsfolgeermessens eine weite Gestaltungsfreiheit zu, die von ihren Wirkungen her einer materiellen Typisierung gleichsteht. Die Verwaltung kann damit gleich gelagerte Konstellationen schutzwürdigen Vertrauens zusammenfassen und einer gemeinsamen, zugleich abschließenden Übergangsregelung zuführen. Entscheidende Grenze der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit ist dabei der in Art. 3 I GG zu verankernde Aspekt der Übergangsgerechtigkeit, der hohe Anforderungen an eine auch gerichtlich verbindliche Typisierung stellt.

310

Berliner Senator für Finanzen, Erlass v. 12.04.1976 – III B 3 – S 1977 – 9/75, StuZBl Bln 1976, S. 763. 311 BFH, Urteil v. 23.02.1979 – III R 16/78, BFHE 127, S. 476, 481 f. 312 BFH, Urteil v. 23.02.1979 – III R 16/78, BFHE 127, S. 476, 481.

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5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

e) Zwischenergebnis Übergangsrichtlinien stellen ein taugliches und in einer Vielzahl von Fällen zudem notwendiges Instrument zur schonenden Überleitung der alten zur neuen Rechtslage dar. Vor dem Hintergrund eines strukturell gleichmäßigen Vollzugssicherungsauftrags des Übergangsrechts verdichtet sich das Recht der Exekutive zum Erlass von Übergangsrichtlinien in einer Vielzahl der Fälle zu einer entsprechenden Pflicht. Hinsichtlich der in ihnen enthaltenen Rechtsfolgen sind Übergangsrichtlinien in die überlieferte Kategorie der Ermessensrichtlinien einzuordnen; dies indes mit der Besonderheit, dass das Entschließungsermessen zur Gewährung von Vertrauensschutz angesichts der tatbestandlichen Bejahung einer Unbilligkeit auf null reduziert ist. In Bezug auf das Auswahlermessen ist der Verwaltung eine weitreichende inhaltliche Gestaltungsfreiheit zuzugestehen, die indes für eine gegenüber dem Bürger und Gericht gleichermaßen wirkende Verbindlichkeit den hohen Anforderungen des in Art 3 I GG zu verankernden Gedankens der Übergangsgerechtigkeit genügen muss. 2. Vertrauensschutz durch Einzelfallentscheidungen Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass eine Vielzahl der auftretenden Vertrauensschutzkonstellationen mit unter Umständen rechtlich gestaltender Wirkung durch Übergangsrichtlinien geregelt werden kann. Demnach ist für den folgenden Abschnitt von Interesse, in welchen Fällen ein Anwendungsbereich für die Gewährung von ergänzendem bzw. den Wertungen der Richtlinie abweichendem Vertrauensschutz durch Einzelfallentscheidungen verbleibt. Obgleich sowohl der Bundesfinanzhof313 als auch das Schrifttum314 ganz allgemein fernab des durch Übergangsrichtlinien gewährleisteten Vertrauensschutzes die Notwendigkeit zur Gewährung von Vertrauensschutz im Einzelfall betonen, bewegt sich die hierzu entwickelte Dogmatik auf unsicherem Terrain: So sind die Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Einzelfallentscheidungen bislang allenfalls in Ansätzen durchdrungen. Zusammengefasst gilt es daher, das komplexe Zusammenspiel von Übergangsrichtlinien und Einzelfallentscheidungen in die hier entwickelte Dogmatik einzufügen und näher zu durchleuchten. In grundsätzlicher Hinsicht muss dabei strikt danach differenziert werden, ob eine Übergangsrichtlinie erlassen wurde oder nicht. 313

Die Möglichkeit zur ergänzenden Gewährung von Vertrauensschutz wird insbesondere im Beschluss des Großen Senats zur Vererblichkeit des Verlustabzugs betont, vgl. BFH, Beschluss v. 17.12.2007  – GrS  2/04, BFHE  220, S.  129, 151; BFH, Urteil v. 31.10.1990  – I  R  3/86, BFHE 163, S. 478, 485 f.; BFH, Urteil v. 14.10.1987 – II R 120/85, BFH/NV 1989, S. 80, 81; BFH, Urteil v. 12.01.1987 – IV R 87/87, BFHE 155, S. 487, 491. 314 Loose, in: Tipke/Kruse, § 227  AO Rn.  127; Stöcker, in: Beermann/Gosch, § 227  AO Rn. 88; Krabbe, in: Koch/Scholtz, § 227 AO Rn. 46; wohl auch Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn.  120; Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn.  116 f.; Fritsch, in: Pahlke/Koenig, § 227 AO Rn. 22; Willibald, DStZ 1991, S. 442, 445.

IV. Verfahrensrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes

317

a) Keine Übergangsrichtlinie erlassen Als verhältnismäßig klar handhabbar stellen sich zunächst diejenigen Fälle dar, in denen die Verwaltung keine Übergangsrichtlinie erlassen hat. Entscheidendes Differenzierungskriterium für die rechtliche Einordnung der Einzelfallentscheidung ist in diesem Fall die Frage, ob für die Verwaltung eine Pflicht zum Erlass einer Übergangsrichtlinie bestanden hat. Sofern eine derartige Pflicht verneint werden kann, muss die Verwaltung jedenfalls im Einzelfall prüfen, ob und inwieweit schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten des Steuerpflichtigen bestand und gegebenenfalls Vertrauensschutz zu gewähren ist.315 Die Rechtsfolgen des Vertrauensschutzprinzips gleichen bei einer solchen Einzelfallentscheidung dabei hinsichtlich der Ausgestaltungsmöglichkeiten auf Seiten der Verwaltung denen, die auch bei abstrakt-generellen Übergangsregelungen getroffen werden können.316 Differenzierter zu beurteilen ist dagegen diejenige Konstellation, in der die Verwaltung zum Erlass einer Übergangsrichtlinie verpflichtet war. Hier ist strikt an das oben gefundene Ergebnis anzuknüpfen, wonach der Nichterlass einer Übergangsrichtlinie einem Ermessensausfall auf der ersten Stufe der Ermessensausübung gleichkommt und dem Steuerpflichtigen insofern ein Abwehranspruch gegenüber der belastenden steuerlichen Maßnahme zusteht.317 Angesichts des Ermessensausfalls stellt sich die Frage nach einer ergänzenden Gewährung von Vertrauensschutz durch Einzelfallentscheidungen in diesem Fall nicht, da die behördliche Entscheidung in diesem Fall ohnehin aufzuheben ist, ohne dass es noch auf die individuellen Umstände des Einzelfalles ankäme. b) Übergangsrichtlinie erlassen Sofern die Verwaltung von ihrem Recht zum Erlass von Übergangsrichtlinien Gebrauch gemacht hat, stellt sich aus Sicht des Steuerpflichtigen die Frage, inwiefern zusätzlich ein durch Einzelfallentscheidung über die Übergangsrichtlinie hinausgehender Vertrauensschutz verlangt werden kann. Eng verbunden ist hiermit der Problemkreis, ob und inwieweit die Verwaltung bei erlassenen Übergangsrichtlinien zu einer vom dort niedergelegten Handlungsprogramm abweichenden Entscheidung berechtigt ist. Die nicht nur theoretisch bestehende Relevanz der hier aufgeworfenen Problematik wird besonders deutlich angesichts der zahlreichen instanzgerichtlichen sowie höchstrichterlichen Entscheidungen um die Anwendung und Abweichung von Übergangsrichtlinien:318 Ob Nutzungsänderung 315 Wie hier BFH, Urteil v. 14.10.1987 – II R 120/85, BFH/NV 1989, S. 80, 81; BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 485 f.; Fritsch, in: Pahlke/Koenig, § 227 AO Rn. 25; Stöcker, in: Beermann/Gosch, § 227 AO Rn. 85. 316 Ähnlich auch BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478, 486. 317 s. oben, IV. 1. a) bb), S. 298 f. 318 Die nachfolgend aufgeführten Fälle sind exemplarisch und ließen sich beliebig ergänzen.

318

5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

bei land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken und die damit einhergehende ertragsteuerliche Behandlung der früheren Entnahmefiktion,319 die umsatzsteuerliche Behandlung von Umsätzen aus der Pflege von Rennpferden (sog. „Pferdepension“),320 Nachhaltigkeit der Tätigkeit im gewerblichen Grundstückshandel bei sog. „Ein-Objekt-Fällen“321 oder die Nichtberücksichtigung der Wohnungsbauförderung (sozialer Wohnungsbau) im Rahmen eines Zwischenmietverhältnisses beim Bauherrenmodell322 – selbst wenn Übergangsrichtlinien erlassen wurden, ist deren Anwendung im Einzelfall oder aber die darüber hinausgehende Gewährung von Vertrauensschutz regelmäßig streitig. aa) Grundsatz: Kein Abweichungsrecht im Einzelfall bei wirksam typisierender Übergangsrichtlinie Entscheidende Anhaltspunkte für eine Beantwortung der obigen Fragestellung liefern die Wirksamkeit und der Umfang der auf Rechtsfolgenseite vorgenom­ menen Typisierung des Übergangsrechts. Wenn und soweit die inhaltliche Ausgestaltung der Übergangsrichtlinie den Anforderungen des Art. 3 I GG standhält, verbleibt jenseits der vorgenommenen Typisierung grundsätzlich kein Spielraum für die Berücksichtigung ergänzender Vertrauensschutzaspekte.323 Dies lässt sich insbesondere aus der Überlegung ableiten, dass die Verwaltung angesichts der

319 Streitig war dort insbesondere die Frage, ob das Grundstück bei einer Nutzungsänderung kraft Fiktion aus dem Betriebsvermögen als entnommen galt. In diesem Fall war es bei späterer Veräußerung nicht mehr dem Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zuzuordnen und konnte – außerhalb des Anwendungsbereich von § 23 EStG – steuerfrei veräußert werden, vgl. dazu die Übergangsregelung bei BMF, Schreiben v. 15.03.1979  – IV B 2-S 2135–2/79, BStBl. I 1979, S. 162, ergänzt durch BMF, Schreiben v. 28.07.1983 – IV  B  2-S  2135–6/83, BStBl.  I  1983, S.  383 sowie aufgehoben durch BMF, Schreiben v. 20.03.1998  – IV  B 2-S  2135–4/98, BStBl.  I  1998, S.  356 mit Wirkung zum Ablauf des 31.12.1998. Die Übergangsregelung war u.a. Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen des FG München, Urteil v. 25.04.1996 – 8 K 4090/93, EFG 1996, S. 962 (Revision im Verfahren BFH, Urteil v. 15.05.1997 – IV R 46/96, BFH/NV 1997, S. 850 ff.); Niedersächsisches FG, Urteil v. 28.02.2007 – 2 K 710/04, EFG 2008, S. 49 ff., rkr.; FG Münster, Urteil v. 02.04.2012 – 4 K 4247/10 AO, EFG 2012, S. 1467 ff., rkr.; FG Hamburg, Urteil v. 27.01.2012 – 2 K 4/12, juris, rkr. 320 Im Fokus der Entscheidungen stand die Auslegung von BMF, Schreiben v. 09.08.2004 – IV B 7-S 7233–29/04 u.a., BStBl. I 2004, S. 851 und die damit verbundene Frage, welcher Personenkreis von der Übergangsregelung erfasst ist. s. hierzu die Entscheidungen des FG Düsseldorf, Urteil v. 16.03.2007 – 1 K 3489/05 U, EFG 2007, S. 1650 ff. sowie FG Köln, Urteil v. 22.01.2008 – 6 K 4264/04, EFG 2008, S. 1772 ff. 321 Vgl. BFH, Urteil v. 19.10.2010  – X  R  41/08, BFH/NV  2011, S.  245 ff.; hier stand der sachliche Anwendungsbereich der Übergangsregelung des BMF, Schreiben v. 26.03.2004  – IV A 6 -S 2240- 46/04, BStBl. I 2004, S. 434 Tz. 36 ebd. zur Diskussion. 322 BFH, Beschluss v. 24.06.1992 – V B 182/90, BFH/NV 1993, S. 307 f. 323 Wie hier BFH, Urteil v. 25.11.1980 – VII R 17/78, BFHE 132, S. 159, 164; Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 121.

IV. Verfahrensrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes

319

Prak­tikabilität und Vollziehbarkeit des Übergangsrechts eine abschließende Lösung treffen können muss. Eine über die Richtlinie hinausgehende Berücksichtigung von Vertrauensschutzaspekten würde damit dem Zweck der Richtlinie entgegenstehen. Der bei erlassenen Übergangsrichtlinien verbleibende Spielraum zur abweichenden Gewährung von Vertrauensschutz im Einzelfall wird nach alledem durch das Programm der zweistufigen Ermessensausübung vorgezeichnet. Danach ist klar, dass für die Gewährung von über die Übergangsrichtlinie hinausgehendem oder gegebenenfalls abweichendem Vertrauensschutz nur dann und nur insoweit Raum ist, als es entweder atypische Umstände des Einzelfalls rechtfertigen, die Richtlinie (partiell) nicht anzuwenden oder es sich um einen nicht von der Richtlinie erfassten Fall handelt. Die hier vorgenommene Unterscheidung ist durch die Tatsache bedingt, dass es sich bei atypischen Einzelfällen um grundsätzlich auf abstrakt-genereller Ebene von der Richtlinie umfasste Konstellationen handelt, wohingegen nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie umfasste Fälle einer erstmaligen, vollumfänglichen Ermessensausübung durch die Verwaltung zuzuführen sind. bb) Abweichungsrecht im atypischen Einzelfall Von dieser Differenzierung ausgehend stellt sich das Abweichungsrecht der Behörde im atypischen Einzelfall als Möglichkeit zur Gewährung von Vertrauensschutz in besonders gelagerten Fallgestaltungen dar. Das Abweichungsrecht im Einzelfall umfasst demnach Konstellationen, die dem Sinn und Zweck der durch den Richtliniengeber vorgenommenen Typisierung widersprechen.324 Dies lässt sich ausschließlich anhand einer Auslegung der jeweiligen Übergangsrichtlinie klären, wobei hier die im 1.  Kapitel dargelegten Anforderungen an die –  nun wiederum prospektive  – Auslegung von Verwaltungsvorschriften zu berücksichtigen sind.325 Wenn und soweit ein Abweichungsrecht im Einzelfall besteht, ist der Behörde ein nur dahingehender Ermessensspielraum eröffnet, die besonderen Gründe, welche ein Abweichen von der Übergangsrichtlinie rechtfertigen, in eine ergänzende –  möglicherweise auch zum Nachteil des Steuerpflichtigen ausfallende  – Ermessensausübung einzustellen; im Übrigen bleibt die in der Richtlinie vorgegebene abstrakt-generelle Ermessensausübung auch für den zu entscheidenden atypischen Einzelfall hinsichtlich seiner „typischen“ Elemente unberührt.326

324

Allgemein dazu Wallerath, AVwR, § 4 Rn.  43; Möstl, in: Erichsen/Ehlers, AVwR, § 19 Rn. 33; umfassend Wolff, in: Sodan/Ziekow, § 114 VwGO Rn. 93 ff. 325 s. oben, 1. Kapitel, II. 3. a), S. 57. 326 Vgl. auch Wolff, in: Sodan/Ziekow, § 114 VwGO Rn. 96.

320

5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

cc) Nicht von der Übergangsrichtlinie umfasste Fälle Die nicht von der Übergangsrichtlinie erfassten Fälle folgen im Vergleich zum Abweichungsrecht im atypischen Einzelfall anderen Pfaden. Zunächst bedarf es bei ihnen einer genauen Auslegung der Übergangsrichtlinie, um zu ermitteln, für welche Fälle nach dem Willen des Vorschriftengebers eine Typisierung eintreten und die Übergangsrichtlinie eine abschließende Wirkung entfalten soll.327 Stellt sich die einzuordnende Konstellation danach als nicht von der Richtlinie umfasst dar, entfällt die erste Stufe der Ermessensausübung. Die Behörde ist insofern verpflichtet, auf der zweiten Stufe der Ermessensausübung eine vollumfängliche Prüfung sämtlicher, für und gegen die Gewährung von Vertrauensschutz im Einzelfall sprechenden Gründe vorzunehmen. Beispiel:328 Nach früherer Verwaltungsauffassung galt die parzellenweise Verpachtung land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen als zwangsweise Aufgabe des land- und forstwirtschaftlichen (Teil-)Betriebes.329 Mit Urteil vom 15.10.1987330 entschied der Bundesfinanzhof, dass die parzellenweise Verpachtung derartiger Flächen keine zwangsweise Betriebsaufgabe zur Folge habe. Dies führte zu der paradoxen Situation, dass bereits als aufgegeben geltende Betriebe nach wie vor existent waren mit der Folge, dass (u.U. bereits steuerpflichtig) in das Privatvermögen überführte Grundstücke rückwirkend steuerverstrickt wurden. Demzufolge wies die Oberfinanzdirektion Münster die nachgeordneten Behörden durch Verfügung vom 07.01.1991331 an, dass es bei einer parzellenweisen Verpachtung vor Veröffentlichung der o.g. Entscheidung im Bundessteuerblatt II am 15.04.1988 „grundsätzlich bei der Betriebsaufgabe verbleiben“332 solle. Landwirt L betreibt sowohl einen landwirtschaftlichen Betrieb von 20 ha Fläche sowie einen forstwirtschaftlichen Betrieb von 50 ha Fläche. Mit Wirkung zum 01.01.1988 – also noch vor Veröffentlichung des o. g. Urteils  – hat L die gesamten landwirtschaftlich genutzten Flächen verschiedentlich verpachtet. Im Jahr 2005 veräußert L eine 2 ha große Fläche. Das Finanzamt setzt nach Abzug des Buchwerts einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn von 10.000 € an. L beruft sich auf die vertrauensschützende Übergangsregelung der Oberfinanzdirektion  Münster, wonach der landwirtschaftliche Betrieb seit 1988 als aufgegeben gelte. Hierauf lehnt das Finanzamt die Anwendung der Übergangsregelung ab, da von der Übergangsregelung nur die Aufgabe des gesamten land- und forstwirtschaftlichen Betriebs umfasst sei und nicht die parzellenweise Verpachtung eines Teilbetriebs. Das Finanzgericht Münster hat der Klage des L durch Urteil vom 02.04.2012 stattgegeben.333

327

Wolff, in: Sodan/Ziekow, § 114 VwGO Rn. 93. In Anlehnung an FG  Münster, Urteil v. 02.04.2012  – 4  K  4247/10 AO, EFG  2012, S. 1467 ff.; Sachverhalt stark vereinfacht und abgewandelt. 329 Niedersächsischer Minister der Finanzen, Erlaß v. 17.12.1965  – S  2140  – 96  – 31  1, BStBl. II 1966, S. 34 f. 330 BFH, Urteil v. 15.10.1987 – IV R 66/86, BFHE 152, S. 62 ff. 331 OFD Münster, Verfügung v. 07.01.1991 – S 2230–17-St 12, DB 1991, S. 523. 332 OFD Münster, Fn. 331. 333 FG Münster, Urteil v. 02.04.2012 – 4 K 4247/10 AO, EFG 2012, S. 1467 ff. 328

V. Ergebnis

321

Das vorstehende Beispiel verdeutlicht die Notwendigkeit einer wertenden Auslegung von Übergangsregelungen. Im Streitfall lagen nämlich zwei wirtschaftlich voneinander selbstständige Teilbetriebe vor, die sehr wohl einer isolierten, zwangsweisen Betriebsaufgabe zugänglich sind, sodass für jeden Teilbetrieb unter Anwendung der in der Richtlinie statuierten Grundsätze Vertrauensschutz zu gewähren war.334 Demzufolge war die Auslegung der Übergangsrichtlinie durch das Finanzamt, dass die landwirtschaftlich genutzten Flächen „geduldetes Betriebsvermögen des weiterhin fortgeführten Gesamtbetriebs“335 seien, angesichts der gem. § 14  S.  1  EStG auch für land- und forstwirtschaftliche Betriebe geltenden Grundsätze einer Teilbetriebsveräußerung fehlerhaft. c) Zusammenfassung Die Gewährung von Vertrauensschutz durch Übergangsrichtlinien sowie Einzelfallentscheidungen ist durch eine Wechselwirkung beider Vorgehensmöglichkeiten geprägt. Im Falle rechtsverbindlich typisierender Übergangsrichtlinien bestehen fernab des in der Richtlinie auf Rechtsfolgenseite vorgesehenen Vertrauensschutzes nur wenige Abweichungsmöglichkeiten, wobei die Anforderungen an eine rechtsverbindliche Typisierung hoch anzusetzen sind. Die Abweichungsmöglichkeiten zur Durchbrechung der typisierenden Wirkung sind dabei durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass die Eröffnung zusätzlicher Ermessensspielräume auch eine für den Steuerpflichtigen nachteilige Wirkung aufweisen kann. Im Ergebnis ist das Anwendungsfeld der Gewährung von Vertrauensschutz durch Einzelfallentscheidungen auf rechtmäßigerweise nicht erlassene Übergangsrichtlinien, ein Abweichungsrecht von ergangen Übergangsrichtlinien in atypischen Einzelfällen sowie die vollumfängliche Beurteilung von Sachverhalten, die nicht von der Richtlinie umfasst sind, beschränkt.

V. Ergebnis Der einfachgesetzlich gewährleistete Vertrauensschutz im Bereich der Steuerbescheide weist zahlreiche Schutzlücken auf, deren Schließung durch die Anwendung der im 4. Kapitel entwickelten Vertrauensschutzdogmatik möglich und verfassungsrechtlich geboten ist. Normzweck und Systematik der abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen rechtfertigen es dabei, § 163  S.  1  AO als einschlägige Rechtsgrundlage für die Anwendung des Vertrauensschutzprinzips gegenüber der rückwirkenden Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften anzusehen. Vorbehaltlich eines legislativen Zugriffs ist da 334 Dazu im Einzelnen: FG  Münster, Urteil v. 02.04.2012  – 4  K  4247/10 AO, EFG  2012, S. 1467, 1469. 335 FG Münster, Fn. 334.

322

5. Kap.: Einfachrechtliche Gewährleistung des Vertrauensschutzes 

bei ausschließlich die Verwaltung zur Gewährung von Vertrauensschutz zuständig; die Rolle der Rechtsprechung beschränkt sich auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle der vertrauensschutzgewährenden Entscheidung. In verfahrensrechtlicher Hinsicht verdichtet sich die Rechtsfolge des Vertrauensschutzprinzips oftmals zu einer innenrechtlichen Pflicht der Verwaltung, Übergangsrichtlinien zu erlassen. Inhaltlich können Übergangsrichtlinien dabei aufgrund ihrer sowohl gegenüber dem Bürger als auch Gericht bestehenden Verbindlichkeit einen wichtigen Beitrag zur Praktikabilität des Übergangsrechts leisten. Im Einzelnen ist das Verhältnis von Übergangsrichtlinien und Einzelfallentscheidungen durch ein diffiziles Zusammenspiel gekennzeichnet, was im Einzelnen eine sorgsame Differenzierung erfordert. Im Ergebnis ist es damit gelungen, die zweite Dimension des Untersuchungsgegenstandes einer abschließenden Klärung zuzuführen: Die Abgabenordnung und die Dogmatik des Allgemeinen Verwaltungsrechts geben das nötige verfahrensrechtliche Rüstzeug an die Hand, um Vertrauensschutz im Falle einer rückwirkenden Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften durch Verwaltungsvorschriften zu gewährleisten.

6. Kapitel

Prozessuale Durchsetzung des Anspruchs auf Gewährung von Vertrauensschutz I. Grundsätzliche Überlegungen Die Darlegung der verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen für die Gewährung von Vertrauensschutz in Verwaltungsvorschriften des Steuerrechts macht es abschließend erforderlich, auf prozessuale Aspekte der Durchsetzung eines Anspruchs auf Gewährung von Vertrauensschutz einzugehen. Da einige grundsätzliche Fragen hinsichtlich des Rechtsschutzes bereits an anderen Stellen dieser Untersuchung angesprochen wurden, konzentrieren sich die Ausführungen dieses Kapitels vornehmlich auf ergänzende Gesichtspunkte. Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich durch Art.  19  IV  GG gewährleisteten Garantie effektiven Rechtsschutzes stehen in diesem Kapitel vorrangig Fragen der gerichtlichen Durchsetzung und Kontrolle des Anspruchs auf Gewährung von Vertrauensschutz im Mittelpunkt: Im Falle einer ablehnenden Einspruchsentscheidung wird der Bürger regelmäßig gehalten sein, Rechtsschutz vor den Finanzgerichten als Kontrollinstanz zu suchen. In diesem Zusammenhang sei betont, dass sich potenzielle Überlegungen zu einer abstrakten Kontrollmöglichkeit erlassener Übergangsrichtlinien mangels Existenz eines finanzgerichtlichen Normenkontrollverfahrens – unabhängig von der strittigen Frage einer diesbezüglichen Rechtsnormeigenschaft von Verwaltungsvorschriften1 – erübrigen.2 Auch eine isolierte Feststellungsklage auf Erlass bzw. Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Übergangsrichtlinie scheitert regelmäßig an der Subsidiarität i.S.d. § 41 II 1 FGO aufgrund der effek­tiveren Möglichkeit einer Verpflichtungsklage auf Dispensgewährung.3 Insgesamt bedarf es inhaltlich deshalb in Anknüpfung an die zu den Übergangsrichtlinien im 5.  Kapitel gefundenen Ergebnisse sowie angesichts des aufgrund von § 102 S. 1 FGO nur eingeschränkten Prüfungsumfangs zunächst einer tiefer 1

Vgl. zum Streitstand mit umfangreichen Nachweisen aus der Rspr. Gerhardt/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, § 47 VwGO Rn. 25 f. 2 Seer, in: Tipke/Kruse, § 40 FGO Rn. 6; v. Groll, in: Gräber, § 40 FGO Rn. 36; aber bestr. vgl. Steinhauff, in: HHSp, § 41 FGO Rn. 80 ff. 3 Wie hier in Bezug auf Rechtsnormen Seer, in: Tipke/Kruse, § 41 FGO Rn. 4a; allgemein auch v.  Beckerath, in: Beermann/Gosch, § 41  FGO Rn.  13; anders ist insoweit die Rechtslage im Sozialrecht, wo für Verwaltungsvorschriften mit unmittelbar berufsregelnder Tendenz die Zulässigkeit der Feststellungsklage bejaht wurde, vgl. BSG, Urteil v. 28.06.2000  – B 6 KA 26/99 R, BSGE 86, S. 223, 224 ff.

324

6. Kap.: Prozessuale Durchsetzung des Anspruchs auf Vertrauensschutz

gehenden Analyse der gerichtlichen Kontrolldichte finanzbehördlicher Entscheidungen über die Gewährung von Vertrauensschutz (II.). In Ergänzung dazu werden prozessuale Aspekte der Zweigleisigkeit des Verfahrens vertieft (III.).

II. Gerichtliche Kontrolle des finanzbehördlichen Billigkeitsdispenses Die Kernproblematik der Gewährung von Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften entfaltet sich in ihrer vollen Dimension erst bei einer gerichtlichen Nachprüfung der ablehnenden finanzbehördlichen Entscheidung. Aufgrund der verfahrenstechnischen Einkleidung der Vertrauensschutzentscheidung in das Billigkeitskorsett des § 163 S. 1 AO unterliegt der abgelehnte Dispens nach § 102 S. 1 FGO einer grundsätzlich auf das Maß von Ermessensfehlern reduzierten gerichtlichen Kontrolldichte. Insofern besteht aus Sicht des Bürgers die Gefahr, dass sich die Behörde auf einen gerichtlich nicht überprüfbaren Ermessensspielraum beruft, der im Ergebnis die positive Verbescheidung verhindert. Vor diesem Hintergrund gilt es die der Finanzbehörde verbleibenden und einer gerichtlichen Kontrolle entzogenen Spielräume genauer zu durchleuchten. Dabei wird zunächst kurz auf den allgemein in § 102 S. 1 FGO enthaltenen gerichtlichen Prüfungsumfang des finanzbehördlichen Dispenses eingegangen  (1.), um davon ausgehend in Anlehnung an die im 5. Kapitel entwickelte Dogmatik zwischen der gerichtlichen Überprüfung einer Einzelfallentscheidung bei erlassenen (2.) sowie nicht erlassenen Übergangsrichtlinien (3.) zu differenzieren. 1. Durch § 102 S. 1 FGO gewährleisteter Prüfungsumfang Ausgangspunkt weitergehender Überlegungen zur gerichtlichen Kontrolldichte finanzbehördlicher Entscheidungen über die Gewährung von Vertrauensschutz muss der allgemein durch § 102 S. 1 FGO gewährleistete Prüfungsumfang sein. Diesbezüglich betont der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung unter Berufung auf seine „Beachtlichkeitsformel“4, dass auf § 163  S.  1 AO gestützte Verwaltungsvorschriften auch für die Gerichte „beachtlich“ seien, wenn sie von § 163 S. 1 AO als Rechtsgrundlage gedeckt sind.5 Ohne Not entfernt sich der Bun 4

Vgl. dazu bereits die Ausführungen oben im 2. Kapitel, III. 4. b) aa), S. 106 f. BFH, Urteil v. 25.11.1980  – VII  R  17/78, BFHE  132, S.  159, 162; BFH, Beschluss v. 25.06.1984  – GrS  4/82, BFHE  141, S.  405, 417; BFH, Urteil v. 15.01.1986  – II  R  141/83, BFHE 145, S. 453, 455 f.; BFH, Urteil v. 12.01.1989 – IV R 87/87, BFHE 155, S. 484, 486; BFH, Urteil v. 16.03.2004 – VIII R 33/03, BFHE 205, S. 270, 273; BFH, Urteil v. 18.09.2007 – I R 30/06, BFHE 219, S. 184, 190; BFH, Beschluss v. 15.03.2006 – VI S 2/06 (PKH), BFH/ NV  2006, S.  1097, 1098; BFH, Beschluss v. 08.02.2007  – IX  B  125/06, BFH/NV  2007, S. 107; BFH, Urteil v. 19.10.2010 – X R 41/08, BFH/NV 2011, S. 245, 248; BFH, Urteil v. 13.01.2011 – V R 43/09, BFH/NV 2011, S. 1049, 1050. 5

II. Gerichtliche Kontrolle des finanzbehördlichen Billigkeitsdispenses

325

desfinanzhof damit von der allgemein zu Koppelungsvorschriften ergangenen Dogmatik und belässt die Voraussetzungen für eine gerichtliche Übeprüfung des behördlichen Übergangsrechts insofern im Dunkeln. In Anlehnung an die bisher im Rahmen dieser Untersuchung gefundenen Ergebnisse bedarf es in Abkehr von der inhaltsleeren „Beachtlichkeitsformel“ einer Rückbesinnung auf die allgemein zu Koppelungsvorschriften und § 102 S. 1 FGO ergangenen Grundsätze: Danach kann das Finanzgericht jedenfalls das Vorliegen der Voraussetzungen einer sachlichen Unbilligkeit und damit die grundsätzliche Frage (das „Ob“) einer Gewährung von Vertrauensschutz vollumfänglich überprüfen.6 In Bezug auf die in § 163 S. 1 AO vorgesehene Rechtsfolge verbleibt es bei der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit der getroffenen Entscheidung im Rahmen von § 102 S. 1 FGO. Die dabei durch § 102 S. 1 FGO nur vermeintlich eingeschränkte Überprüfbarkeit des Dispenses darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass die verfassungsrechtlich vorgeprägte Auslegung des Billigkeitsbegriffs zu einer weitestgehenden Beschränkung der Entscheidungsfreiräume der Verwaltung führt:7 So kann das Finanzgericht sowohl den in der behördlichen Entscheidung gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt als auch die gewählte Überleitungsmethode auf ihre grundsätzliche sachliche Geeignetheit sowie das durch sie gewährleistete Maß an Vertrauensschutz überprüfen und im Falle ihrer prinzipiellen Ungeeignetheit verwerfen. Dogmatisch gesehen stellt sich die gerichtliche Überprüfung des gewährten Maßes an Vertrauensschutz damit in den meisten Fällen als eine Kontrolle auf behördliche Ermessensunterschreitungen dar.8 Die sogleich erfolgende Festlegung der wesentlichen Faktoren des gerichtlich gewährleisteten Prüfungsumfangs zieht eine weitergehende Ausdifferenzierung der zuvor dargelegten Maßstäbe anhand erlassener und nicht erlassener Übergangsrichtlinien nach sich. Im Ergebnis hängt die erfolgreiche Durchsetzung des Individualrechtsschutzes insoweit von dem durch die Übergangsrichtlinie gewährleistetem Maß an Vertrauensschutz ab. 2. Prüfungsumfang bei erlassenen Übergangsrichtlinien Der gerichtliche Prüfungsumfang bei erlassenen Übergangsrichtlinien folgt vom Grundsatz her den allgemeinen Grundsätzen des § 102 S. 1 FGO. Danach hat das Gericht das „Ob“, den Zeitpunkt sowie die Überleitungsmethode der finanzbehördlichen Entscheidung über die Gewährung von Vertrauensschutz zu überprüfen. Besonderheiten ergeben sich dabei durch das Programm der zweistufigen Ermessensausübung [a)] sowie die damit verbundenen Folgewirkungen einer 6

s. dazu nochmals die Ausführungen im 5. Kapitel, IV. 1. c), S. 321, sowie allgemein zu Koppelungsvorschriften im 2. Kapitel, III. 4. b) aa), S. 106 f. 7 Ähnlich v. Groll, in: Gräber, § 102 FGO Rn. 10. 8 Dazu Wolff, in: Sodan/Ziekow, § 114 VwGO Rn. 187 f.

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6. Kap.: Prozessuale Durchsetzung des Anspruchs auf Vertrauensschutz

potenziellen Typisierungswirkung der Übergangsrichtlinie [b)], das Recht der Verwaltung zur Abweichung von dieser Richtlinie im atypischen Einzelfall [c)] sowie die nicht von der Übergangsrichtlinie umfassten Fallgruppen [d)]. a) Das Programm zweistufiger Ermessensausübung als Maßstab und Richtschnur gerichtlicher Überprüfung von Übergangsrichtlinien Maßstab und Richtschnur der gerichtlichen Überprüfung von auf Übergangsrichtlinien gestützten Verwaltungsentscheidungen ist das bereits im 1. Kapitel dargelegte Programm der zweistufigen Ermessensausübung. Die gerichtliche Kontrolle wendet die allgemeinen Maßstäbe zunächst auf die Übergangsrichtlinie als Form abstrakt-genereller Ermessensausübung (1. Stufe) an. Entspricht die Übergangsrichtlinie den grundsätzlichen Anforderungen an die Gewährung von Vertrauensschutz, sind die für eine sachgerechte Ermessensausübung im Einzelfall noch maßgeblichen weiteren Aspekte (2. Stufe) anhand desselben Vorgehens zu überprüfen.9 Entsprechen beide Stufen den Anforderungen einer sachgerechten Ermessensausübung im Sinne des § 102 S. 1 FGO, haben auch die Finanzgerichte die behördliche Entscheidung im Ergebnis hinzunehmen. b) „Typisierende“ Übergangsrichtlinien Bei Übergangsrichtlinien besteht die Besonderheit, dass die abstrakt-generelle Ermessensausübung in rechtsverbindlicher Weise gleich gelagerte Fallgruppen schutzwürdigen Vertrauens zusammenfassen kann. Insoweit kommt es aufgrund der vorverlagerten rechtsverbindlichen „typisierenden“ Abwägung grundsätzlich nicht mehr zu einer vollumfänglichen Ermessensausübung auf der zweiten Stufe, sodass sich die gerichtliche Kontrolle zwangsläufig auf eine – vor dem Hintergrund des Art. 19 IV GG restriktive – Überprüfung der in der Übergangsrichtlinie enthaltenen Ermessensausübung beschränkt.10 Kommt das Gericht bei dieser Prüfung zu dem Ergebnis, dass die dort niedergelegte Ermessensausübung den Vorgaben von § 102 S. 1 FGO nicht standhält, ist die ablehnende oder nur teilweise stattgebende Dispensentscheidung aufzuheben und mangels Spruchreife an die Finanzbehörde zurückzuweisen.11 Die Unwirksamkeit der Richtlinie hat insofern einen Ermessensfehlgebrauch auf der ersten Stufe der Ermessensbetätigung zur Konsequenz, der mangels Ermessensausübung auf der 9

Wolff, in: Sodan/Ziekow, § 114 VwGO Rn. 110. Fritsch, in: Pahlke/Koenig, § 227 AO Rn. 57 unter Berufung auf Loose, in: Tipke/Kruse, § 227 AO Rn. 127; ähnlich auch Krabbe, in: Koch/Scholtz, § 227 AO Rn. 71; v. Groll, in: HHSp, § 227 AO Rn. 27. 11 Statt Vieler s. nur Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 210. 10

II. Gerichtliche Kontrolle des finanzbehördlichen Billigkeitsdispenses

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zweiten Stufe die Fehlerhaftigkeit der gesamten Dispensentscheidung nach sich zieht.12 Anderes gilt nur dann, wenn die Finanzbehörde die Übergangsrichtlinie selbst für rechtswidrig hält, diese (weisungswidrig) nicht anwendet und im Einzelfall bereits eine vollumfängliche, sachlich zutreffende Ermessensausübung vorgenommen hat. c) Abweichungsrecht im atypischen Einzelfall Lediglich leichte Modifikationen ergeben sich durch das Abweichungsrecht der Behörde im atypischen Einzelfall, das jeder Ermessensausübung als Aspekt der Einzelfallgerechtigkeit immanent ist. Hier beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle vorrangig auf die atypischen Umstände, die ein Abweichen von der Richtlinie rechtfertigen können. Überdies hat das Gericht regelmäßig zu überprüfen, ob die Behörde im konkreten Einzelfall das Vorliegen von atypischen Umständen in Erwägung gezogen hat; der pauschale behördliche Verweis auf die abweichenden Bestimmungen in einer Übergangsrichtlinie kommt insofern einem partiellen Ermessensausfall gleich.13 Im Übrigen verbleibt es bei einer vorrangigen Rechtmäßigkeitsprüfung der Übergangsrichtlinie selbst; sollte diese ohnehin rechts­ widrig sein, kommt es im Ergebnis nicht zu einer tiefergehenden Prüfung der­ atypischen Umstände des Einzelfalls.14 d) Nicht von der Übergangsrichtlinie umfasste Fälle Anderen Pfaden folgt dagegen die gerichtliche Kontrolle der nicht von der Übergangsrichtlinie umfassten Fälle. Hier muss in Anlehnung an den insofern nicht eröffneten Anwendungsbereich der Übergangsrichtlinie eine vollumfängliche Einzelfallprüfung stattfinden, ohne dass es noch auf die Rechtmäßigkeit der Übergangsrichtlinie im Einzelnen ankäme. Stützt sich die Verwaltung in Verkennung des Anwendungsbereichs der Übergangsrichtlinie ausschließlich auf deren Inhalt, liegt ein partieller Ermessensausfall auf der zweiten Stufe der Ermessensausübung vor, welcher von dem in § 102 S. 1 FGO normierten Prüfungsumfang enthalten ist.15

12

Ähnlich wie hier Wolff, in: Sodan/Ziekow, § 114 VwGO Rn.  109; Möstl, in: Erichsen/­ Ehlers, AVwR, § 19 Rn. 33; anders wohl Rennert, in: Eyermann/Fröhler, § 114 VwGO Rn. 28. 13 So Kirchhof, in: FS Scupin 1983, S. 776, 789, der von einer „Rechtspflicht zur individualisierenden Billigkeit“ spricht. 14 Vgl. dazu nochmals die Nachweise in Fn. 12. 15 Wolff, in: Sodan/Ziekow, § 114 VwGO Rn. 109.

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6. Kap.: Prozessuale Durchsetzung des Anspruchs auf Vertrauensschutz

3. Prüfungsumfang bei nicht erlassenen Übergangsrichtlinien Der gerichtliche Prüfungsumfang bei nicht erlassenen Übergangsrichtlinien wird maßgeblich durch die innenrechtlich bestehende Pflicht zum Erlass von Verwaltungsvorschriften determiniert. Bei pflichtwidrig nicht erlassenen Verwaltungsvorschriften macht der Steuerpflichtige gegenüber der Finanzverwaltung insofern einen Abwehranspruch geltend.16 Dieser Abwehranspruch ist in dogmatischer Hinsicht in die Fallgruppe eines (wenigstens partiellen) Ermessensausfalls auf erster Stufe einzuordnen,17 der unstreitig vom Prüfprogramm des § 102 S. 1 FGO umfasst wird. Bestand für die Verwaltung dagegen keine Pflicht zum Erlass von Übergangsrichtlinien, orientiert sich der gerichtliche Prüfungsumfang bezogen auf den Einzelfall an den bereits oben dargelegten Kriterien. Im Ergebnis unterliegen die für den Steuerpflichtigen relevanten Vertrauensschutzfragen damit auch bei nicht erlassenen Übergangsrichtlinien einer effektiven gerichtlichen Kontrolle. 4. Zusammenfassung Der gerichtliche Prüfungsumfang bei vertrauensschutzgewährenden oder -versagenden Entscheidungen ist sowohl bei erlassenen als auch nicht erlassenen Übergangsrichtlinien trotz des grundsätzlich durch § 102 S. 1 FGO eingeschränkten Prüfungsumfangs einer weitestgehenden inhaltlichen Vollkontrolle angenähert.18 Lediglich hinsichtlich einzelner abstrakter sowie individueller Elemente der Gewährung des Vertrauensschutzes, namentlich den Überleitungsmethoden sowie dem zeitlichen Anknüpfungspunkt einer Übergangsrichtlinie, verbleibt ein schmaler und von Bürger und Gericht gleichermaßen hinzunehmender Korridor an Entscheidungsfreiheiten der Verwaltung. Zusammengefasst überprüft das Finanz­gericht das zu von Verfassungs wegen zu gewährleistende Schutzniveau des Vertrauensschutzes daher vollumfänglich, in Einzelheiten eingeschränkt dagegen die hierzu von der Finanzbehörde gewählte Methode.

III. Prozessuale Aspekte der Zweigleisigkeit des Verfahrens Ein weiterer zentraler Aspekt der prozessualen Durchsetzung des Anspruchs auf Gewährung von Vertrauensschutz liegt in der Zweigleisigkeit des Verfahrens. Danach stellen die Steuerfestsetzung und Entscheidung über eine abweichende 16

Vgl. dazu nochmals oben, 5. Kapitel, IV. 2. a), S. 317. Ähnlich Rennert, in: Eyermann/Fröhler, § 114 VwGO Rn. 29. 18 v. Groll, in: Gräber, § 102 FGO Rn. 10. 17

III. Prozessuale Aspekte der Zweigleisigkeit des Verfahrens

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Steuer­festsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 S. 1 AO verfahrensrechtlich getrennte Verwaltungsakte dar, deren Rechtmäßigkeit prozessual in verschiedenen Verfahren zu klären ist. Davon ausgehend ließe sich in Anlehnung an die Ausführungen zum Billigkeitsdispens im 5. Kapitel erwägen, die Gewährung von Vertrauensschutz regelmäßig durch ein Vorgehen gegen die ablehnende Entscheidung eines Antrags auf abweichende Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen nach § 163 S. 1 AO durchzusetzen, womit sich weitere Überlegungen zum Rechtsschutz angesichts dieses vermeintlich eindeutigen Ergebnisses erübrigen würden. Ein flüchtiger Blick auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zeigt jedoch, dass die prozessuale Realität aufgrund des komplexen Rechtsfindungsprozesses eine andere ist: Ob Einkünfteerzielungsabsicht bei Verlustzuweisungsgesellschaften,19 Aktivierungspflicht von sog. „weichen Kosten“20 bei Windkraftfonds,21 ertragsteuerliche Behandlung von Pensionszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer,22 Anwendung der 1 %-Regelung im Vertrauen auf laut BMF-Schreiben nicht erforderliche Fahrtenbücher23 oder die umsatzsteuerliche Behandlung der Abholung und Entsorgung von Speiseabfällen im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs24 – immer wieder stellt sich in der Rechtspraxis teilweise erst Jahre später im Revi­sionsverfahren heraus, dass angesichts einer anderen oder geänderten höchstrichterlichen Rechtsauffassung potenziell vertrauensschützende Billigkeitsmaßnahmen in Betracht zu ziehen sind. Prozessual ist das hier skizzierte Szenario für den vertrauensschutzsuchenden Bürger freilich misslich. Einerseits wird sich ihm die Frage stellen, ob er im Verfahren gegen die Steuerfestsetzung mit der Konsequenz einer Kostentragungspflicht aus § 135 I FGO unterliegt, andererseits wird das Problem aufgeworfen, ob die Bestandskraft der Steuerfestsetzung einer Entscheidung über den Billigkeitsantrag nach § 163 S. 1 AO entgegensteht. Zusammengefasst gilt es daher hinsichtlich der prozessualen Aspekte der Zweigleisigkeit des Verfahrens nachfolgende Fallgruppen gedanklich auseinanderzuhalten und einer systematischen Betrachtung zu unterziehen. Zunächst besteht die Möglichkeit, prozessual ausschließlich einen Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gem. § 163 S. 1 AO zu verfolgen (1.). Weiterhin sind Verfahren denkbar, in denen der Steuerpflichtige ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung angreift und nach Erfolglosigkeit des Verfahrens gegen die Steuerfestsetzung einen Antrag nach § 163 S. 1 AO stellt (2.). Schlussendlich bietet sich eine Verfahrensweise dergestalt an, gleichzeitig gegen die Steuerfestsetzung vorzugehen sowie (hilfsweise) einen Billigkeitsantrag im Wege des sog. Parallelverfahrens zu verfolgen (3.).

19

BFH, Urteil v. 12.12.1995 – VIII R 59/92, BFHE 179, S. 335, 341 f. Zum Begriff Loritz/Wagner, NZG 2013, S. 367, 368 f. 21 BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 15/09, BFHE 233, S. 206, 212. 22 BFH, Urteil v. 28.04.2010 – I R 78/08, BFHE 229, S. 234, 251. 23 BFH, Urteil v. 09.03.2010 – VIII R 24/08, BFHE 228, S. 499, 504 f. 24 BFH, Urteil v. 24.01.2013 – V R 34/11, BFHE 239, S. 552, 558. 20

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6. Kap.: Prozessuale Durchsetzung des Anspruchs auf Vertrauensschutz

1. Isolierter Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gem. § 163 S. 1 AO Die prozessuale Durchsetzung eines Antrags auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 S. 1 AO folgt den allgemein überlieferten Pfaden. Hiernach ist gegen die ablehnende Entscheidung des Finanzamts zunächst der Einspruch nach § 347 I 1 Nr. 1 AO als statthafter Rechtsbehelf gegeben und im Falle der Erfolglosigkeit des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens sodann Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gem. § 40 I Alt. 2 FGO zu erheben.25 In prozessualer Hinsicht ist dabei problematisch, ob die Bestandskraft der Steuerfestsetzung einer positiven Verbescheidung des Antrags auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen entgegensteht. Virulent wird diese Frage namentlich in solchen Fällen, in denen der Steuerpflichtige die Steuerfestsetzung nicht angegriffen hat und im Nachhinein einen Billigkeitsdispens wegen schutzwürdiger Dispositionen begehrt. Beispiel:26 Grundstückseigentümer E erstreitet in einem Amtshaftungsprozess gegen die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1980 eine Entschädigung von 250.000 € wegen eines enteignungsgleichen Eingriffs und erhält aufgrund der fünfjährigen Verfahrensdauer Prozesszinsen i.H.v. insgesamt 50.000 € zugesprochen. Das Finanzamt setzt die Prozesszinsen als steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 I Nr. 7 EStG unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29.09.1981 an. E ficht die Steuerfestsetzung nicht an. Vielmehr begehrt er unter Berufung auf die frühere Rechtsauffassung des Reichsfinanzhofs27, die bis zum Ergehen des BFH-Urteils als überwiegende Auffassung zu bezeichnen war,28 einen Teil der zugesprochenen Zinsen als Schadensersatz zu betrachten und insofern im Vertrauen auf die frühere Rechtslage gem. § 163 S. 1 AO steuerfrei zu stellen. Unter Berufung auf die mittlerweile bestandskräftige Steuerfestsetzung lehnt das Finanzamt den Antrag des E ab.

Das vorstehende Beispiel führt die verfahrensrechtlich komplexe Verflechtung von Steuerfestsetzung und Billigkeitsdispens nach § 163 S. 1 AO deutlich vor Augen. Danach besteht die Gefahr, dass das Finanzamt einem isoliert gestellten Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung gem. § 163 S. 1 AO entgegnet, dass die Einwendungen, welche die sachliche Unbilligkeit begründen, bereits im Verfahren gegen die Steuerfestsetzung hätten vorgetragen werden müssen und die Bestandskraft der Steuerfestsetzung insofern einer Entscheidung nach § 163 S. 1 AO entgegenstehe. Diese Sichtweise mag zugegebenermaßen vor dem Hintergrund der 25

H. M., vgl. BFH, Urteil v. 26.10.1994 – X R 104/92, BFHE 176, S. 3, 9; BFH, Urteil v. 18.09.2007 – I R 30/06, BFHE 219, S. 184, 190; v. Groll, in: HHSp, § 163 AO Rn. 147; Loose, in: Tipke/Kruse, § 163 AO Rn. 27 u. 30; Sauer, in: Beermann/Gosch, § 163 AO Rn. 81 ff. jeweils m.w.N. 26 In Anlehnung an BFH, Urteil v. 21.01.1992 – VIII R 51/88, BFHE 168, S. 500 ff., Sachverhalt abgewandelt und vereinfacht. 27 RFH, Urteil v. 23.03.1933 – VI A 368/33, RStBl. 1933, S. 590. 28 Vgl. dazu die Nachweise in der Entscheidung BFH, Urteil v. 21.01.1992 – VIII R 51/88, BFHE 168, S. 500.

III. Prozessuale Aspekte der Zweigleisigkeit des Verfahrens

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Selbstständigkeit beider Verfahren überraschen, denn angesichts der verfahrensrechtlichen Behandlung des Billigkeitsdispenses als Grundlagenbescheid kann die Bestandskraft der Steuerfestsetzung einer Entscheidung nach § 163 S. 1 AO jedenfalls aufgrund der Ablaufhemmung in § 171 X 1 AO per se nie entgegenstehen.29 Eine solche Sichtweise greift jedoch in rechtstatsächlicher Hinsicht zu kurz. Wie die einleitenden Ausführungen gezeigt haben, kristallisieren sich die sachlichen Billigkeitsgründe angesichts des komplexen Rechtsfindungsprozesses oftmals erst in einem Rechtsbehelfs- und sich gegebenenfalls anschließendem gerichtlichen Verfahren gegen die Steuerfestsetzung heraus. Unter Zugrundelegung dieses Gedankengangs wird deutlich, dass der Steuerpflichtige in der Rechts­praxis regelmäßig zunächst die zutreffende Auslegung des Gesetzes in einem Verfahren gegen die Steuerfestsetzung klären lassen muss, ehe sich tatsächlich die Notwendigkeit einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen ergibt. Im vorstehenden Beispiel war für den Steuerpflichtigen diesbezüglich von Vorteil, dass sich die Rechtsprechung noch vor Durchführung der Veranlagung zu seinen Lasten geändert hatte und die Rechtsfrage insofern als geklärt galt; insofern bedurfte es auch keines weiteren Verfahrens zur Klärung der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung, da nur noch die Steuerfreistellung der Zinsen aus Vertrauensschutzgründen im Raume stand. Zusammengefasst steht der prozessual isolierten Verfolgung eines Antrags auf abweichende Festsetzung der Steuer nach § 163  S.  1 AO die Bestandskraft der Steuerfestsetzung regelmäßig nicht entgegen.30 In praktischer Hinsicht wird ein prozessual isoliertes Vorgehen gegen die Ablehnung eines Billigkeitsdispenses gem. § 163 S. 1 AO jedoch nur dann Erfolg haben, wenn die Änderung der Rechtslage vor der Stellung des Antrags eingetreten ist. Anderenfalls besteht aus rechts­ tatsächlicher Perspektive die Gefahr, dass sich der Steuerpflichtige dem finanz­ behördlichen Vorwurf ausgesetzt sieht, Einwendungen geltend zu machen, welche die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung betreffen und in einem Verfahren gegen die Steuerfestsetzung hätten geklärt werden müssen.31 2. Isolierte Anfechtung der Steuerfestsetzung Strukturell ähnlich gelagerte Fragestellungen ergeben sich in Ergänzung zu den vorstehenden Ausführungen bei solchen Verfahren, in denen der Steuerpflichtige zunächst lediglich isoliert die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung angreift und sich nach Erfolglosigkeit des Verfahrens die Notwendigkeit zur Gewährung 29 BFH, Urteil v. 21.01.1992  – VIII  R  51/88, BFHE  168, S.  500, 504 f.; BFH, Urteil v. 21.09.2000  – IV  R  54/99, BFHE  193, S.  301, 310; BFH, Urteil v. 08.08.2001  – I  R  25/00, BFHE 196, S. 485, 478 f.; BFH, Urteil v. 08.08.2001 – I R 25/00, BFHE 196, S. 485, 273. 30 v. Groll, in: HHSp, § 163 AO Rn. 136 ff.; Loose, in: Tipke/Kruse, § 163 AO Rn. 21; Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn. 3 u. 125; unzutreffend insofern Baum, in: Koch/Scholtz, § 163 AO Rn. 15. 31 Ähnlich Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn. 5 u. 126.

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6. Kap.: Prozessuale Durchsetzung des Anspruchs auf Vertrauensschutz

von Vertrauensschutz im Wege des § 163  S.  1  AO ergibt. In diesen Konstellationen ist es erforderlich, sich die aus der Zweigleisigkeit des Verfahrens resultierenden Konsequenzen für den Rechtsschutz vor Augen zu halten: Die Behandlung des Billigkeitsdispenses als Grundlagenbescheid hat aus Rechtsschutzgesichtspunkten zur Konsequenz, dass all diejenigen Gründe, welche zu einer sachlichen Unbilligkeit führen, regelmäßig nur durch ein prozessuales Vorgehen gegen die Entscheidung nach § 163 S. 1 AO verfolgt werden können, vgl. § 351 II AO sowie § 42 FGO.32 Insofern ist es sowohl dem Bürger als auch Gericht verwehrt, im Verfahren gegen die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung Billigkeitsaspekte geltend zu machen bzw. zu berücksichtigen, die diesbezüglich zu einer niedrigeren Steuer führen.33 Von den vorstehenden Erwägungen ausgehend ist klar, dass sich in der hier diskutierten Konstellation (im Gegensatz zur isolierten Verfolgung eines Antrags nach § 163 S. 1 AO) prinzipiell34 keine zeitlichen Grenzen aus der Bestandskraft der Steuerfestsetzung für die Stellung eines Antrags auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen ergeben. Insofern können die Gründe, die zur sachlichen Unbilligkeit führen, nicht durch Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts und damit durch Anfechtung der Steuerfestsetzung beseitigt werden. Vielmehr zeigt gerade das Resultat des Verfahrens gegen die Steuerfestsetzung, dass es zur Behebung des durch die geläuterte Rechtserkenntnis entstandenen verfassungswidrigen Zustands einer gesonderten Entscheidung bedarf, welche die Bestandskraft und auch Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids als solche nicht berührt.35 Das so gefundene Ergebnis stellt prozessrechtlich das Spiegelbild der rechtsgestaltenden Wirkung des Billigkeitsdispenses dar: Während die Steuer gem. § 38 AO kraft Gesetzes entsteht, wirkt der Dispens nach § 47 AO konstitutiv auf die Steuer ein.36 Es bedarf folglich keines Schutzes der lediglich feststellenden Wirkung des Steuerbescheides über das Rechtsinstitut der Bestandskraft. Nach alledem sperrt ein zunächst isoliertes Vorgehen gegen die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung den Weg zu einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 S. 1 AO verfahrensrechtlich nicht. Abschließend darf in praktischer Hinsicht nicht verkannt werden, dass dem Steuerpflichtigen mit einem

32 Loose, in: Tipke/Kruse, § 163 AO Rn. 28 unter Berufung auf BFH, Urteil v. 01.10.1997 – X R 149/94, BFHE 184, S. 412, 417 f. 33 H. M., vgl. nur BFH, Urteil v. 12.12.1995 – VIII R 59/92, BFHE 179, S. 335, 340; BFH, Urteil v. 16.03.2004  – VIII  R  33/03, BFHE  205, S.  270, 273; BFH, Urteil v. 14.04.2011  – IV  R  15/09, BFHE  233, S.  206, 212; ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH, Urteil v. 24.01.2013 – V R 34/11, BFHE 239, S. 552, 558; aus dem Schrifttum sinngemäß Loose, in: Tipke/Kruse, § 163 AO Rn. 21; v. Wedelstädt, in: Kühn/v. Wedelstädt, § 163 AO Rn. 23 f. 34 Ausgenommen ist auch hier wiederum der Rechtsgedanke der Verwirkung, vgl. dazu nochmals oben 5. Kapitel, III. 2. b) aa), S. 292 f. 35 In diese Richtung auch v. Groll, in: HHSp, § 163 AO Rn. 131 f. 36 v. Groll, in: HHSp, § 163 AO Rn. 133; ähnlich wohl auch v. Wedelstädt, in: Kühn/v. Wedelstädt, § 163 AO Rn. 29; Loose, in: Tipke/Kruse, § 163 AO Rn. 26.

III. Prozessuale Aspekte der Zweigleisigkeit des Verfahrens

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isolierten Vorgehen gegen die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung wenig geholfen ist: Da die Steuerfestsetzung aufgrund der nunmehr richtigen bzw. geläuterten Rechtserkenntnis isoliert betrachtet rechtmäßig ist, werden dem Steuerpflichtigen aufgrund von § 135 I FGO regelmäßig die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens auferlegt werden.37 Insofern gilt es, diese prozessrechtlich missliche Lage durch das rechtzeitige Einleiten eines – sogleich zu betrachtenden – Parallelverfahrens zu verhindern. 3. Parallelverfahren Die prozessual wohl am schwierigsten zu beurteilenden Fragestellungen wirft die im Rahmen dieser Untersuchung als Parallelverfahren bezeichnete Vorgehensweise auf, bei der durch den Steuerpflichtigen sowohl die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung angegriffen als auch ein Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen verfolgt werden. Der Begriff des Parallelverfahrens ist im hier gebrauchten Sinne weit zu verstehen, wonach unter ihn nicht nur die gleichzeitige Einlegung zweier Rechtsbehelfe gegen die Steuerfestsetzung einerseits sowie den ablehnenden Dispens andererseits gefasst wird, sondern vielmehr auch Konstellationen dergestalt von ihm umfasst sein sollen, in denen während des Verfahrens gegen die Steuerfestsetzung ein Antrag auf abweichende Steuerfest­ setzung aus Billigkeitsgründen gestellt wird. Parallelverfahren werfen namentlich zwei Problemfelder auf, die im Rahmen dieser Untersuchung zu vertiefen sind: Es handelt sich dabei einerseits um die Ermittlung des Rechtsschutzbegehrens des Steuerpflichtigen [a)] sowie andererseits um die Problematik der Aussetzung des Verfahrens nach § 363 AO/§ 74 FGO [b)], gerade auch mit Blick auf die Kostenfolge des finanzgerichtlichen Verfahrens. a) Ermittlung des Rechtsschutzbegehrens Die korrekte Ermittlung des Rechtsschutzbegehrens des Steuerpflichtigen bereitet bei Parallelverfahren in praktischer Hinsicht regelmäßig große Schwierigkeiten. Dies gilt namentlich in den Fällen einer äußeren Verbindung der Entscheidung über den Billigkeitsdispens mit der Steuerfestsetzung nach § 163 S. 3 AO.38 Die bereits im 5.  Kapitel angesprochene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, die keine allzu hohen Anforderungen an das Vorliegen einer Verknüpfung von Steuerfestsetzung und Billigkeitsdispens stellt,39 verdient insbesondere aus 37 Brandt, in: Beermann/Gosch, § 135 FGO Rn. 61; Schwarz, in: HHSp, § 135 FGO Rn. 21; Ratschow, in: Klein, § 135 FGO Rn. 5; Brandis, in: Tipke/Kruse, § 135 FGO Rn. 10. 38 In diese Richtung ebenfalls v. Groll, in: HHSp, § 163 AO Rn. 146: „besondere Sorgfalt hinsichtlich der inhaltlichen Trennung“. 39 Dazu nochmals BFH, Beschluss v. 12.07.2012 – I R 32/11, BFHE 237, S. 307, 308 f.

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6. Kap.: Prozessuale Durchsetzung des Anspruchs auf Vertrauensschutz

Rechtsschutzgesichtspunkten besondere Beachtung. Sofern der Steuerpflichtige nämlich bereits im Laufe des Veranlagungsverfahrens Billigkeitsgesichtspunkte geltend macht, können unter Umständen zwei verschiedene Verwaltungsakte vorliegen, gegen die der Steuerpflichtige mit dem Einspruch und einem sich gegebenenfalls anschließenden Klageverfahren vorzugehen hat.40 Beispiel:41 Der Reitsportverein R beherbergt und pflegt aufgrund separat abgeschlossener „Pferde-Einstellungsverträge“ in großem Umfang Rennpferde. Die hierdurch erzielten Umsätze unterwirft er im Jahr 2004 unter Berufung auf die Verfügung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 02.06.200342 dem ermäßigten Umsatzsteuersatz nach § 12  II  Nr.  3  UStG. Das Finanzamt hält die Verfügung im Hinblick auf ein vor dem Bundesfinanzhof anhängiges Verfahren als nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.43 Es beabsichtigt daher, im Zuge der Umsatzsteuerveranlagung 2004 sämtliche aus der Pferdepension erzielten Umsätze dem Regelsteuersatz des § 12 I UStG zu unterwerfen und hört R diesbezüglich an. R teilt die gemeinschaftsrechtlichen Zweifel des Finanzamts nicht; hilfsweise beruft er sich jedoch auf Vertrauensschutz. Das Finanzamt unterwirft sodann wie beabsichtigt sämtliche Umsätze dem Regelsteuersatz. R legt Einspruch ein und begehrt, den ermäßigten Steuer­ satz im Kalenderjahr 2004 anzuwenden. Mit Blick auf das nach wie vor anhängige Verfahren vor dem Bundesfinanzhof wird der Einspruch des R als unbegründet zurückgewiesen, die Frage nach Vertrauensschutz stelle sich angesichts der Unionsrechtswidrigkeit der OFDVerfügung nicht.

Das vorstehende Beispiel verdeutlicht die Problematik um die korrekte Ermittlung des Rechtsschutzbegehrens. Im Beispielsfall stellt sich aus Sicht der Beteiligten die Frage, gegen welche Entscheidung der Steuerpflichtige tatsächlich vorgegangen ist und insofern den Eintritt der Bestandskraft verhindert hat. Richtigerweise ist das Rechtsschutzbegehren im Falle einer äußeren Verbindung von Steuerfestsetzung und Billigkeitsdispens nach § 163 S. 3 AO durch Auslegung zu ermitteln.44 Im Lichte des Art. 19 IV GG muss der Antrag dabei allerdings so ausgelegt werden, dass den Rechtsschutzinteressen des Bürgers umfassend Rechnung getragen wird.45 Das hat in Fällen, in denen sowohl die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung als auch Ablehnung des Dispenses im Raume stehen, zur Kon 40 Cöster, in: Pahlke/Koenig, § 163 AO Rn. 53; ähnlich auch Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn. 142. 41 In Anlehnung an FG Köln, Urteil v. 22.01.2008 – 6 K 4264/04, EFG 2008, S. 1772 ff., Sachverhalt stark abgewandelt. 42 OFD Hannover, Verfügung v. 02.06.2003 – S 7233 – 9 – StH 433, S 7233 – 6 – StO 354, UR 2004, S. 44 ff. 43 Tatsächlich entschieden durch BFH, Urteil v. 22.01.2004  – V  R  41/02, BFHE  204, S. 371 ff. 44 BFH, Urteil v. 10.10.2001  – XI  R  52/00, BFHE  196, S.  572, 574; BFH, Urteil v. 07.12.2005  – I  R  123/04, BFH/NV  2006, S.  1097, 1098; BFH, Beschluss v. 12.07.2012  – I R 32/11, BFHE 237, S. 307, 308 f.; dem folgend Loose, in: Tipke/Kruse, § 163 AO Rn. 28; Forchhammer, in: Leopold/Madle/Rader, § 163 AO Rn. 36; Cöster, in: Pahlke/Koenig, § 163 AO Rn. 53. 45 Explizit BFH, Urteil v. 10.10.2001 – XI R 52/00, BFHE 196, S. 572, 574; Kopp/Schenke, § 88 VwGO Rn. 3; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 19 GG Rn. 58.

III. Prozessuale Aspekte der Zweigleisigkeit des Verfahrens

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sequenz, dass im Zweifel ein Vorgehen gegen beide Entscheidungen anzunehmen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige –  wie im Beispielsfall – bereits im Rahmen des Veranlagungsverfahrens wenigstens hilfsweise Vertrauensschutzaspekte vorträgt und damit sein Begehren auf die Herbeiführung einer Entscheidung nach § 163 S. 1 AO konkludent zum Ausdruck bringt. Nicht zuzustimmen ist insoweit der teilweise den Anforderungen des Art.  19  IV  GG nicht vollumfänglich gerecht werdenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, die das Vorliegen eines Parallelverfahrens nur dann anzunehmen scheint, wenn der Steuerpflichtige explizit einen Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gem. § 163  S.  1  AO gestellt hat.46 Hier muss berücksichtigt­ werden, dass der Billigkeitsdispens nach § 163 S. 1 AO gegebenenfalls auch von Amts wegen zu gewähren ist und eine explizite Stellung eines Antrags gerade nicht von § 163 S. 1 AO für die Gewährung des Vertrauensschutzes vorausgesetzt wird.47 Lässt sich durch Auslegung des Steuerbescheids ermitteln, dass die Finanzbehörde wenigstens konkludent eine Entscheidung über den Billigkeitsdispens vorgenommen hat, ist aus Rechtsschutzgesichtspunkten zumindest bei solchen Verfahren, in denen die Rechtsfrage sowohl die Steuerfestsetzung als auch einen potenziellen Billigkeitsdispens betrifft, regelmäßig vom Vorliegen eines Parallelverfahrens auszugehen. Diese Feststellung ist von besonderer Bedeutung für den Erlass einer Einspruchsentscheidung nach § 367 I AO und ein sich gegebenenfalls anschließendes Klageverfahren. Hier wirkt die äußere Verbindung von Steuerfestsetzung und Dispens auch im Rahmen der Einspruchsentscheidung fort.48 Im Falle einer Klage­ erhebung liegen sodann zwei verschiedene Streitgegenstände vor, die im Wege einer objektiven Klagehäufung gem. § 43 FGO verbunden sind.49 Das Rechtsschutzbegehren des Steuerpflichtigen ist im Falle eines konkludent gewährten bzw. abgelehnten Billigkeitsdispenses angesichts von Art.  19  IV  GG daher im Regelfall zugunsten eines Parallelverfahrens auszulegen, wenn sowohl die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung als auch der Billigkeitsdispens das Rechtsschutzinteresse betreffen. Eines explizit gestellten Antrags auf abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 S. 1 AO bedarf es dafür nicht.

46 So insbesondere in der Entscheidung BFH, Urteil v. 21.09.2000  – IV  R  54/99, BFHE 193, S. 301, 310; in diese Richtung wohl auch BFH, Urteil v. 07.12.2005 – I R 123/04, BFH/NV 2006, S. 1097, 1098; BFH, Beschluss v. 12.07.2012 – I R 32/11, BFHE 237, S. 307, 308 f. 47 Frotscher, in: Schwarz, § 163 AO Rn. 199; Baum, in: Koch/Scholtz, § 163 AO Rn. 15; Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn. 3. 48 Cöster, in: Pahlke/Koenig, § 163 AO Rn. 53; Loose, in: Tipke/Kruse, § 163 AO Rn. 29; v. Groll, in: HHSp, § 163 AO Rn. 146. 49 BFH, Urteil v. 21.09.2000  – IV  R  54/99, BFHE  193, S.  301, 310; BFH, Beschluss v. 12.07.2012 – I R 32/11, BFHE 237, S. 307, 309; v. Groll, in: HHSp, § 163 AO Rn. 146.

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6. Kap.: Prozessuale Durchsetzung des Anspruchs auf Vertrauensschutz

b) Aussetzung des Verfahrens/der Verhandlung, § 363 AO/§ 74 FGO aa) Ausgangsproblematik Die soeben skizzierten Unklarheiten hinsichtlich des Rechtsschutzbegehrens setzen sich bei der verfahrensmäßigen Bewältigung des Parallelverfahrens fort. Umstritten und bis heute nicht eindeutig beantwortet ist diesbezüglich die Frage, ob bei der Durchführung eines Parallelverfahrens die Verhandlung über die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung bis zur Entscheidung über das Verfahren des Billigkeitsdispenses gem. § 363 AO bzw. § 74 FGO auszusetzen ist. Das hier dargelegte Problem stellt sich sowohl bei einem anfänglichen Vorgehen gegen die Steuerfestsetzung und den Billigkeitsdispens als auch einer ursprünglich isolierten Anfechtung der Steuerfestsetzung und einem im Nachhinein gestellten Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 S. 1 AO. Bei der Durchführung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens ist diese Frage zumeist von nur untergeordneter praktischer Relevanz, da die Einspruchsentscheidung –  wie aufgezeigt  – bei entsprechenden Anhaltspunkten im Veranlagungsverfahren regelmäßig Steuerfestsetzung und Dispens gem. § 163 S. 3 AO verbindet. Besonderes Interesse hat vor dem Hintergrund der prozessualen Konsequenzen im Anfechtungsverfahren gegen die Steuerfestsetzung damit der gerichtlichen Aussetzung der Verhandlung gem. § 74 FGO zu gelten: Stellt sich im Laufe des gerichtlichen Verfahrens heraus, dass Vertrauensschutzaspekte zum Tragen kommen, die im Billigkeitsverfahren zu berücksichtigen sind, kann der Kläger bei einer Aussetzung der Verhandlung das Verfahren gegen die Steuer­ festsetzung im Falle eines erfolgreichen Billigkeitsdispenses für (teilweise) erledigt erklären. bb) Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur Die Diskussion um eine Notwendigkeit der Aussetzung nach § 74 FGO ist uneinheitlich und lässt eine klare Linie nur schwer erkennen. In einigen jüngeren Entscheidungen verschiedener Senate des Bundesfinanzhofs ist die Tendenz ersichtlich, den auch im Rahmen der Ermessensausübung von § 74 FGO zu berücksichtigenden Gedanken der Prozessökonomie in den Vordergrund zu rücken und das Verfahren gegen die Steuerfestsetzung in Abhängigkeit vom Fortschritt der Entscheidung über den Billigkeitsdispens auszusetzen.50 Mitunter wird auch danach differenziert, ob sich die Einwendungen des Klägers auf Rechtsfragen be 50 Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass in keinem (!) der nachfolgenden Verfahren eine Aussetzung stattgefunden hätte, vgl. BFH, Urteil v. 14.07.1991  – V  R  91/85, BFH/NV  1995, S.  836, 840; BFH, Beschluss v. 31.07.1997  – IX  B  13/97, BFH/NV  1998, S. 201 f.; BFH, Beschluss v. 18.09.2002 – XI B 126/01, BFH/NV 2003, S. 189 f.; BFH, Urteil v. 20.09.2007 – IV R 32/06, BFH/NV 2008, S. 569, 571 f.; BFH, Urteil v. 11.05.2010 –

III. Prozessuale Aspekte der Zweigleisigkeit des Verfahrens

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ziehen, die das Anfechtungsverfahren gegen die Steuerfestsetzung betreffen.51 Besonders restriktiv handhabt namentlich der IV.  Senat des Bundesfinanzhofs das Problem um eine Ausssetzung nach § 74 FGO, wenn ein Billigkeitsdispens erstmals im Revisionsverfahren beantragt wird: In diesen Fällen „würde sich die Erledigung des anhängigen Revisionsverfahrens (…) erheblich verzögern“52, weswegen eine Aussetzung nicht zweckmäßig sei. Großzügiger ist dagegen die finanzgerichtliche Rechtsprechung. Sie betont die Funktion des Billigkeitsdispenses als Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung und leitet hieraus die für § 74 FGO notwendige Vorgreiflichkeit des Rechtsverhältnisses ab; insofern bestehe für das Finanzgericht die Pflicht, das Verfahren über die Steuerfestsetzung bis zur Entscheidung über den Billigkeitsdispens auszusetzen.53 Im Schrifttum wird ebenfalls die Funktion des Billigkeitsdispenses als Grundlagenbescheid hervorgehoben und die Möglichkeit zur Aussetzung betont; eine Rechtspflicht zur Aussetzung wird dagegen überwiegend abgelehnt.54 cc) Eigener Ansatz Der sich im bisherigen Diskussionsspektrum herauskristallisierenden Tendenz, wonach eine Aussetzung zwar möglich, aber in aller Regel nicht zweckmäßig sei, kann nur in Ansätzen gefolgt werden. Richtig ist zunächst, sich für die Beurteilung der Frage, ob eine Aussetzung vorzunehmen ist, das Verhältnis von Steuerfestsetzung und Billigkeitsdispens erneut vor Augen zu halten und die hieraus resultierenden prozessualen Konsequenzen genauer zu betrachten. (1) Keine Aussetzungspflicht aufgrund der Einstufung des Billigkeitsdispenses als Grundlagenbescheid Danach mag die Einstufung des Billigkeitsdispenses als Grundlagenbescheid vordergründig betrachtet zur allgemeinen Aussetzungsdogmatik des Bundesfinanzhofs im Rahmen der gesonderten Feststellung passen, wonach bei einem fehlenIX R 26/09, BFH/NV 2010, S. 2067, 2069; zuletzt BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 15/09, BFHE 233, S. 206, 212 f.; in diese Richtung auch BFH, Beschluss v. 21.09.1994 – IV B 95/93, BFH/NV 1995, S. 325 f.; BFH, Beschluss v. 04.12.1987 – V S 9/85, BStBl. II 1988, S. 702, 705. 51 BFH, Beschluss v. 25.02.1998 – V B 120/97, BFH/NV 1998, S. 1253 f.; BFH, Urteil v. 12.08.2004 – V R 18/02, BFHE 207, S. 381, 393. 52 BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 15/09, BFHE 233, S. 206, 213. 53 FG  Baden-Württemberg, Beschluss v. 21.06.1989  – II  K  195/88, EFG  1989, S.  615; FG Baden-Württemberg, Urteil v. 06.10.2005 – 8 K 394/01, juris, Rn. 126 ff.; FG München, Urteil v. 25.07.2000 – 7 K 2440/97, EFG 2000, S. 1191, 1192 f. 54 Bartone, in: Kühn/v. Wedelstädt, § 74 FGO Rn. 3a f.; Brandis, in: Tipke/Kruse, § 74 FGO Rn. 10; Koch, in: Gräber, § 74 FGO Rn. 12; Loose, in: Tipke/Kruse, § 163 AO Rn. 30; Forchhammer, in: Leopold/Madle/Rader, § 163 AO Rn. 39; Sauer, in: Beermann/Gosch, § 163 AO Rn. 93; Thürmer, in: HHSp, § 74 FGO Rn. 58 f.; tendenziell offener Rüsken, in: Klein, § 163 AO Rn. 138a.

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6. Kap.: Prozessuale Durchsetzung des Anspruchs auf Vertrauensschutz

den Grundlagenbescheid angesichts dessen Vorgreiflichkeit für das Verfahren des Folgebescheids regelmäßig auszusetzen sei.55 Bei einer teleologisch-wertenden Betrachtung ist das Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid, wie es durch die in § 182 I 1 AO angeordnete Bindungswirkung zum Ausdruck kommt, nicht auf die hiesige Konstellation übertragbar: Während dem Finanzamt, das für den Erlass des Folgebescheids zuständig ist, im Falle einer durchzuführenden gesonderten (und gegebenenfalls einheitlichen) Feststellung rechtliche Wertungen zu der im Grundlagenbescheid zu treffenden Feststellung über § 182 I 1 AO versperrt sind,56 erfordert der Billigkeitsdispens in der hier untersuchten Konstellation gerade eine Zusammenschau von Steuerfestsetzung und der durch die Dispensentscheidung zu beseitigenden Unbilligkeit. Das Dispensverfahren ist insofern mehr als ein technisches Instrument zur Verwirklichung von Sachnähe, Verfahrenseffizienz sowie Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen. Vielmehr stellt die Behandlung der Dispensentscheidung als Grundlagenbescheid einen verfahrenstechnischen Hebel dar, um der konstitutiv-rechtsgestaltenden Wirkung des Dispenses gem. § 47 AO zur Geltung zu verhelfen.57 Unter Zugrundelegung dieses Gedankengangs wird deutlich, dass die Entscheidung über den Billigkeitsdispens gerade bei Parallelverfahren nicht zwingend eine Vorgreiflichkeit im Sinne einer Aussetzungsmöglichkeit begründet.58 Die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung als solcher hängt nämlich – wie bereits aufgezeigt wurde59 – nicht von einem Billigkeitsdispens ab, sondern ergibt sich unmittelbar aus der geltenden Rechtslage, die der Steuerfestsetzung zugrunde zu legen ist. Aus prozessökonomischen Gründen ist es daher eher geboten, das Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung schnellstmöglich – unter besonderer Beachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör – zur Entscheidungsreife zu bringen, um eine Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen einer sachlichen Unbilligkeit im Verfahren nach § 163 S. 1 AO zu ermöglichen; dessen Ausgang hängt nämlich von der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung ab. Umgekehrt stellt sich die Frage der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung vielmehr als vorgreiflich i.S.d. § 363 I AO/§ 74 FGO für ein sich anschließendes Billigkeitsverfahren dar, sodass die Entscheidung über den Billigkeitsdispens gegebenenfalls bis zur Beendigung des Verfahrens gegen die Steuerfestsetzung auszusetzen ist. Eine Aussetzung des Verfahrens gegen die Steuerfestsetzung aufgrund der Funktion des Billigkeitsdispenses als Grundlagenbescheid begründet nach alledem keine Vorgreiflichkeit; auch aus prozessökonomischen Gründen ist sie abzulehnen. 55 Vgl. dazu beispielsweise BFH, Urteil v. 08.03.1994  – IX  R  37/90, BFH/NV  1994, S.  868, 869; BFH, Urteil v. 14.02.2008  – IV  R  44/05, BFH/NV  2008, S.  1156 f.; BFH, Urteil v. 09.09.2010 – IV R 31/08, BFH/NV 2011, S. 413, 414; s. auch Brandis, in: Tipke/Kruse, § 74 FGO Rn. 12; Koch, in: Gräber, § 74 FGO Rn. 12. 56 Dazu instruktiv BFH, Urteil v. 25.06.1991 – IX R 57/88, BFHE 164, S. 202 ff. 57 Dazu bereits oben, 5. Kapitel, III. 2. b) aa), S. 292 f. 58 Wie hier v. Groll, in: HHSp, § 163 AO Rn. 147. 59 Dazu oben, 5. Kapitel, III. 1. c), S. 284 ff.

III. Prozessuale Aspekte der Zweigleisigkeit des Verfahrens

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(2) Aber: Aussetzungspflicht aufgrund drohenden Verstoßes gegen Art. 19 IV GG Besonderes Augenmerk hat bei der Beantwortung der Frage nach einer Aussetzung des Verfahrens jedoch der in Art. 19 IV GG verankerten Garantie effektiven Rechtsschutzes zu gelten. Sofern das Gericht zu einer geläuterten Rechtsauffassung gelangt und feststellt, dass die im Steuerbescheid festgesetzte Steuerschuld dem geltenden Recht entspricht, wird es die Klage des Steuerpflichtigen als unbegründet zurückweisen. In diesem Fall trägt der Steuerpflichtige als unterlegene Partei gem. § 135 I FGO die Kosten des gerichtlichen Verfahrens. Das ist verfassungsrechtlich vor Art.  19  IV  GG problematisch: Einerseits steht dem Steuerpflichtigen zwar ein Anspruch auf Gewährung von Vertrauensschutz zu, andererseits werden ihm für dessen Durchsetzung jedoch die Kosten eines Rechtsstreits gegen die Steuerfestsetzung auferlegt, in dem sich die Vertrauensschutzproblematik erst offenbart. Würde Vertrauensschutz verfahrensrechtlich unmittelbar im Verfahren gegen die Steuerfestsetzung gewährt, hätte dies eine Kostentragungspflicht der Finanzbehörde als unterlegene Partei gem. § 135  I  FGO zur Konsequenz. Da es § 135 I FGO allerdings auch im Falle einer sich verschärfenden Rechtslage anzuwenden gilt,60 ist der Steuerpflichtige gehalten, die Erledigung des Rechtsstreits zu erklären, um eine Sachentscheidung durch das Gericht zu verhindern: Zwar hilft dem Kläger § 138 II 1 FGO in dieser Situation nicht weiter, da die Vorschrift nur Änderungen betrifft, die in der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Steuerbescheids begründet sind und die Steuerfestsetzung nach hiesiger Doktrin isoliert betrachtet rechtmäßig ist.61 Allerdings entspricht es nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur dem billigen Ermessen i.S.d. § 138 I FGO, der Finanzbehörde die Kosten des Verfahrens gegen die Steuerfestsetzung aufzuerlegen.62 Maßgebliche Überlegung ist hierfür insbesondere, dass für die sich abzeichnende Änderung des Steuerbescheids rechtliche Gründe entscheidend sind,63 welche die Finanzbehörde bereits im Vorfeld hätte berücksichtigen können bzw. müssen. Um in dieser Situation einen Verstoß gegen Art. 19 IV GG zu verhindern, muss dem Kläger prozessual eine Erledigungserklärung ermöglicht werden. Dazu be 60

Vgl. die Nachweise in Fn. 37. BFH, Beschluss v. 30.07.1986 – V R 181/83, BFH/NV 1986, S. 761 f.; BFH, Beschluss v. 11.10.2007 – V R 45/05, BFH/NV 2008, S. 235; BFH, Beschluss v. 17.12.2002 – I R 43/02, BFH/NV 2003, S. 785; BFH, Beschluss v. 20.05.2005 – VIII R 103/03, BFH/NV 2005, S. 1830, 1831; Brandt, in: Beermann/Gosch, § 138 FGO Rn. 266; Schwarz, in: HHSp, § 138 FGO Rn. 2; Ratschow, in: Gräber, § 138 FGO Rn. 53. 62 H. M., vgl. BFH, Beschluss v.17.12.2002 – I R 43/02, BFH/NV 2003, S. 785 f.; BFH, Beschluss v. 01.04.2004 – VIII R 55/03, BFH/NV 2004, S. 1392; BFH, Beschluss v. 20.05.2005 – VIII  R  103/03, BFH/NV  2005, S.  1830, 1831; BFH, Beschluss v. 11.10.2007  – V  R  45/05, BFH/NV  2008, S.  235; Schwarz, in: HHSp, § 138  FGO Rn.  162; Ratschow, in: Gräber, § 138 FGO Rn. 53; Brandt, in: Beermann/Gosch, § 138 FGO Rn. 272. 63 Vgl. dazu nochmals die Nachweise in Fn. 62. 61

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6. Kap.: Prozessuale Durchsetzung des Anspruchs auf Vertrauensschutz

darf es regelmäßig einer Aussetzung des Verfahrens i.S.d. § 74 FGO. Zwar steht die Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Allerdings verdichtet sich das Aussetzungsermessen des Gerichts angesichts des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs des Bürgers auf Gewährung von Vertrauensschutz zu einer Aussetzungspflicht; die Vorschrift des § 74  FGO ist insofern verfassungskonform auszulegen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht hat das Gericht insoweit dem Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nach Art.  103  I  GG Rechnung zu tragen, indem es jedenfalls bei einer sich abzeichnenden verschärfenden und vertrauensschutzauslösenden Rechtslage dem Kläger ­ ostenfolge des Gelegenheit gibt, prozessuale Maßnahmen zu ergreifen, um der K § 135 I FGO zu entgehen. In dogmatischer Hinsicht strahlt das Vertrauensschutzprinzip insofern aufgrund der materiellen Verschränkung von Steuerfestsetzung und Billigkeit auf das Prozessrecht ein, wonach die erfolgreiche Durchsetzung des subjektiven Anspruchs auf Vertrauensschutz auch prozessual gewährleistet werden muss.64 Anderenfalls würde dem Bürger ein verfassungswidriges Sonderopfer auferlegt werden, wenn er die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen hätte, der die grundrechtlich geschützten Vertrauensbetätigungen aufgrund einer Änderung der untergesetzlichen Rechtslage erstmalig zum Vorschein bringt.65 Nach alledem hat das Finanzgericht in denjenigen Fällen, in denen sich die Vertrauensschutzproblematik erst während des Klageverfahrens zeigt, das Verfahren auf Antrag des Klägers auszusetzen, sofern der Ausgang des Billigkeits­ verfahrens nicht von vornherein aussichtslos erscheint. Namentlich der vom IV. Senat des Bundesfinanzhofs vorgetragene Einwand einer drohenden Verzögerung des Revisionsverfahrens66 greift dabei nicht durch. So kann dem IV.  Senat mit seiner eigenen Rechtsprechung entgegnet werden, dass das Revisionsgericht nach einer Entscheidung über die streitige, vertrauensschutzauslösende Rechtsfrage das Verfahren gem. § 126 III 1 Nr. 2 FGO an das Finanzgericht zurückverweisen kann, welches seinerseits sodann eine Aussetzung gem. § 74 FGO bis zur endgültigen Entscheidung über den Billigkeitsdispens vorzunehmen hat.67 Eine so gehandhabte Aussetzung des Verfahrens führt im Ergebnis zu einer effektiven und zugleich prozessökonomischen Durchsetzung des Anspruchs auf Gewährung von Vertrauensschutz, ohne gleichsam jedes Verfahren durch eine Aussetzung zu verzögern.

64

Wobei strittige das Verhältnis zwischen den Einzelgrundrechten und Art. 19 IV GG inso­weit dahinstehen kann, vgl. dazu insbesondere Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19 GG VI Rn. 23; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 364. 65 Zur strukturell ähnlich gelagerten Problematik bei verfassungswidrigen Gesetzen s. BFH, Beschluss v. 18.08.2005 – VI R 123/94, BFHE 210, S. 214 ff.; Brandis, in: Tipke/Kruse, § 138 FGO Rn. 71 u. 74; Schwarz, in: HHSp, § 138 FGO Rn. 137. 66 BFH, Fn. 52. 67 BFH, Urteil v. 06.02.2014 – IV R 41/10, BFH/NV 2014, S. 847, 851.

IV. Ergebnis

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c) Zusammenfassung Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass sich die im Rahmen von Parallelverfahren auftretenden Problemstellungen durch eine verfassungs­ konforme Auslegung und Anwendung des Prozessrechts lösen lassen. Dies gilt sowohl für die korrekte Ermittlung des Rechtsschutzbegehrens als auch die Notwendigkeit einer Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO. Insgesamt stellt sich die Vorgehensweise eines Parallelverfahrens gerade bei schwierigen und umstrit­ tenen Rechtsfragen, die subsidiär auch die Vertrauensschutzproblematik beinhalten, als ein prozessual gangbarer und vor dem Hintergrund des Art.  19  IV  GG zudem effektiver Weg zur Durchsetzung des Anspruchs auf Gewährung von Vertrauensschutz dar.

IV. Ergebnis Steht fest, dass dem Bürger ein Anspruch auf Gewährung von Vertrauensschutz anlässlich der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften zusteht, gewährleistet das geltende Prozessrecht der FGO dessen effektive Durchsetzung. In Abkehr von der „Beachtlichkeitsformel“ des Bundesfinanzhofs war es dabei möglich, dogmatisch fundierte und praktisch handhabbare Kriterien für die Überprüfung finanzbehördlicher, auf Übergangsrichtlinien gestützter Billigkeitsentscheidungen nach § 163  S.  1  AO aufzuzeigen. Aus der Zweigleisigkeit des Verfahrens resultierende Bestandskraftdurchbrechungen stehen einer Durchsetzung des Anspruchs auf Gewährung von Vertrauensschutz hierbei nicht entgegen. In praktischer Hinsicht empfiehlt sich dabei ein prozessuales Vorgehen im Wege des Parallelverfahrens, da dort gegebenenfalls von Verfassungs wegen eine Aussetzung des Verfahrens gegen die Steuerfestsetzung zu erfolgen hat, um die subjektiv-rechtliche Durchsetzung des grundrechtlich geschützten Vertrauens zu ermöglichen.

7. Kapitel

Zusammenfassung der Problemstellung und der Ergebnisse Die Gewährung von Vertrauensschutz bei der mit den Elementen einer Rückwirkung behafteten Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften stellt ein aus praktischer Sicht gegenwärtiges und in theoretischer Hinsicht bisher lediglich in Ansätzen durchdrungenes Problem steuerlicher Rechtsanwendung dar. Während die nachkonstitutionelle staats- und verwaltungsrechtliche Diskussion der Vertrauensschutzproblematik unter Verweis auf den Grundsatz „Keine Gleichheit im Unrecht“ jeglichen Boden entzogen hat, wurde die Thematik auf dem Gebiet des Steuerrechts bereits früh erkannt und versucht, diese vertrauensschützenden Lösungsansätzen zuzuführen. Dabei ist es bis heute nicht bzw. allen­falls ansatzweise gelungen, die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Bindungs- und Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften mit denen des Vertrauensschutzprinzips zu verknüpfen und die hieraus resultierenden verfassungs- und einfachgesetzlichen Konsequenzen in dogmatisch konsequenter Weise zu durchleuchten und miteinander zu verbinden. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, diese auf dem Rechtsgebiet des Allgemeinen Verwaltungsrechts sowie des Steuerrechts bestehende Lücke durch Fortentwicklung der bisher hierzu ergangenen Dogmatik zu schließen. Die Untersuchung hat dabei zu folgenden Ergebnissen geführt: 1. a) Dreh- und Angelpunkt einer Vertrauensschutzdogmatik zur Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Bindungs- und Außenwirkung exekutiven Innenrechts gegenüber dem Bürger. Das geltende Verfassungsrecht lässt aufgrund eines fehlenden Normsetzungsrechts der Exekutive eine unmittelbare Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften nicht zu. Es verbleibt bei einem derivativen, über Art. 3 I GG herzuleitenden Anspruch des Bürgers auf Einhaltung der Verwaltungsvorschrift. b)  Hiervon ausgehend bedarf es einer strikten Differenzierung zwischen den verschiedenartigen Bindungsebenen des allgemeinen Gleichheitssatzes sowie des Vertrauensschutzprinzips: Während Art. 3 I GG eine prospektive, auf die Realisierung zukünftiger Ansprüche gerichtete Dimension aufweist, nimmt das Vertrauensschutzprinzip einen retrospektiven Blickwinkel ein und beinhaltet die zeitlich befristete Abwicklung von „Altfällen“. Von dieser Differenzierung ausgehend wird klar, dass die bisherige, auf dem Gebiet des Allgemeinen Verwaltungsrechts entwickelte Dogmatik an einer entsprechend trennscharfen Differenzierung krankt. Das Vertrauensschutzprinzip kann daher richtigerweise für die Begründung mittelbarer Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften nicht herangezogen werden.

7. Kap.: Zusammenfassung der Problemstellung und der Ergebnisse

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c) Nach alledem kann der Bürger in prospektiver Dimension nur eine mittelbare Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften über den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG einfordern. Dies hat unmittelbare Konsequenzen für die weitergehende dogmatische Handhabung der Verwaltungsvorschrift im Außenverhältnis: So sind Verwaltungsvorschriften im Rahmen des Art. 3 I GG innenrechtlich auszulegen. Aufgrund des strikt innenrechtlichen Charakters sind zudem eine allgemeine Veröffentlichungspflicht sowie ein subjektiver Anspruch auf den Erlass von Verwaltungsvorschriften abzulehnen. d)  Typologisch lassen sich Verwaltungsvorschriften im Allgemeinen Verwaltungsrecht in Organisations- und Dienstvorschriften, norminterpretierende, ermessenslenkende sowie normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften untergliedern, wobei eine mittelbare Bindungs- und Außenwirkung gegenüber dem Bürger nur in den Fällen einer gesetzgeberischen Ermächtigung wie den Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen angenommen werden kann. Die Kategorie normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften ist in Abkehr von der überwiegenden Auffassung als norminterpretierende Verwaltungsvorschrift mit Beurteilungsspielraum einzuordnen und folgt dem Modell mittelbarer Außenwirkung. 2. Die Typologie steuerlicher Verwaltungsvorschriften lehnt sich eng an die aus dem Allgemeinen Verwaltungsrecht überlieferten Erscheinungsformen an, wobei Typisierungsrichtlinien und Nichtanwendungserlasse als steuerrechtliche Spezifika hervortreten. Hinsichtlich ihrer Bindungs- und Außenwirkung lassen sich steuerliche Verwaltungsvorschriften widerspruchslos in die allgemeinen verfassungsdogmatischen Vorgaben einordnen, sodass es auch auf dem Gebiet des Steuerrechts bei einer mittelbaren Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften über den allgemeinen Gleichheitssatz des Art.  3  I  GG verbleibt. Mangels normativer Ermächtigung ist eine Bindungs- und Außenwirkung typisierender Verwaltungsvorschriften abzulehnen; insbesondere rechtfertigen die vermeintlichen Besonderheiten des Steuerrechts als „Massenfallrecht“ in Abkehr von der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur keine hiervon abweichende Beurteilung. 3.  Eine weitergehende Konturierung der zu Verwaltungsvorschriften zu entwickelnden Vertrauensschutzdogmatik bedarf einer sorgfältigen Analyse der verfassungsrechtlichen Wirkkraft sowie Reichweite des Vertrauensschutzprinzips. In Anlehnung an die jüngere verfassungsgerichtliche Rechtsprechung ist dabei an der überlieferten Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich prinzipiell unzulässigen Zugriffs auf vollständig abgeschlossene Sachverhalte (echte Rückwirkung) festzuhalten. Die neue Rückwirkungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts ist –  trotz gewisser Kritikpunkte  – in der Lage, einen nach dem abgeschlossenen Grad der Sachverhaltsverwirklichung differenzierenden Schutz des Bürgers gegenüber unechten Rückwirkungen zu entfalten. Im Ergebnis kann die verfassungsgerichtlich entwickelte Vertrauensschutzdogmatik in grundsätzlicher Hinsicht (mit ge-

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7. Kap.: Zusammenfassung der Problemstellung und der Ergebnisse

wissen Modifikationen auf Ebene der Schutzwürdigkeit) für die Anwendung des Vertrauensschutzprinzips auf die rückwirkende Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften übernommen werden, ohne dass es zusätzlich der verfassungsrechtlichen Etablierung eines besonderen, dispositionsbezogenen Rückwirkungsbegriffs bedürfte. 4. Die Verknüpfung des Vertrauensschutzprinzips mit der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften hat erneut Geltungsgrund und Wirkkraft mittelbarer Außenwirkung über den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG sowie des Vertrauensschutzprinzips auseinanderzuhalten. a) In Anlehnung an diese Differenzierung konnte nachgewiesen werden, dass aufgrund der in den Innenbereich durchschlagenden Grundrechtsbindung der Verwaltung auch die faktischen Wirkungen staatlichen Handelns ungeachtet ihrer außenrechtlichen Qualifikation vertrauenserzeugend wirken können. Im Ergebnis kommt der in Bezug auf den Vertrauenstatbestand teilweise vorgenommenen Differenzierung zwischen rechtswidrigen und rechtmäßigen Verwaltungsvorschriften mit Blick auf die vertrauensbegründenden Wirkungen einer Verwaltungsvorschrift daher keine Bedeutung zu. Der im Einzelnen gegenüber dem Bürger durch die Verwaltungsvorschrift erzeugte Vertrauenstatbestand erhält genauere Konturen durch das in der Verwaltungsvorschrift niedergelegte Handlungsprogramm, wobei hier zwischen den rechtlichen und prozedural-faktischen Spielräumen der Verwaltung beim Erlass einer Verwaltungsvorschrift als vertrauensbegründendem Kriterium zu unterscheiden ist. In Fortführung der vorstehenden Gedanken beurteilt sich die Existenz des Vertrauenstatbestands einer Verwaltungsvorschrift, namentlich dessen Entstehen und Entfallen, anhand der allgemeinen Publikation sowie individuellen Kenntnisnahme durch verschiedenartige Faktoren einer verlässlichen, auf Selbstprogrammierung hindeutenden Verwaltungspraxis. b) Von der generellen Tauglichkeit einer Verwaltungsvorschrift als Vertrauenstatbestand ausgehend ist es gerechtfertigt, die zu Gesetzen ergangene Rückwirkungsdogmatik auf die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften zu übertragen. Hierfür sprechen sowohl – in Bezug auf die Anwendbarkeit des Vertrauensschutzprinzips – die abstrakt-generelle Geltungskraft von Außen- wie Innenrechtssätzen als auch die geringen Unterschiede in der Wirkung einer vergangenheitsbezogenen Änderung zwischen Gesetzen und Verwaltungsvorschriften, insbesondere vor dem Hintergrund des oft anzutreffenden hohen Abstraktionsgrads steuerlicher Normen und der damit einhergehenden Unbestimmtheit des steuergesetzlichen Tatbestands. c)  Mit Übertragung der zu Gesetzen ergangenen Rückwirkungsdogmatik auf Verwaltungsvorschriften ist die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorgenommene Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung beizubehalten. Für die Bestimmung, welche Form der Rückwirkung vorliegt, ist bei direkten Steuern regelmäßig auf den Veranlagungszeitraum als Abschnitt zur Konkretisierung der steuerlichen Leistungsfähigkeit abzustellen. Lediglich auf

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dem Gebiet der Umsatzsteuer ist die Anwendung eines umsatzbezogenen Rückwirkungsbegriffs angezeigt, da diese als Verbrauchsteuer zur Abwälzung auf den Endverbraucher angelegt ist. Für die weitere Bestimmung der Schutzwürdigkeit betätigten Vertrauens erlaubt das Programm zweistufiger Gesetzesanwendung sowohl eine abstrakt-generelle als auch konkret-individuelle Maßstabsbildung, was insbesondere für den Fall der Gewährung von Vertrauensschutz durch Verwaltungsvorschriften für eine Rationalisierung des Abwägungsvorgangs sorgt. d) Der für die Entwicklung einzelner Schutzwürdigkeitsindikatoren betätigten Vertrauens existierende Rahmen wird umrissen durch die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften einerseits sowie die grundrechtlich, namentlich freiheitsrechtlich begründete Wirkkraft des Vertrauensschutzprinzips gegenüber dem Bürger andererseits. Ausgehend davon kann die Gewährung von Vertrauensschutz gegenüber der Aufhebung und Änderung einer Verwaltungsvorschrift ohne das Hinzutreten zusätzlicher Schutzwürdigkeitsindikatoren prinzipiell nicht weiterreichen als diejenige rechtliche oder faktische Bindungswirkung, welche der Bürger im Vorfeld hätte beanspruchen können. Die Komplexität des verfassungsrechtlich vorgesehenen Rechtsfindungsprozesses kann es dabei erschweren, trennscharf zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften zu differenzieren: Nicht selten schlägt die Rechtmäßigkeit eines exekutiven Handlungsprogramms im Falle geläuterter Rechtserkenntnis ex tunc in dessen Rechtswidrigkeit um. e)  Angesichts der rechtlichen Bindungswirkungen, die rechtmäßige Verwaltungsvorschriften gegenüber dem Bürger im Vorfeld erzeugen können, muss hinsichtlich der Entwicklung einzelner Schutzwürdigkeitsindikatoren trotz des komplexen Rechtsfindungsprozesses zwischen rechtmäßigen sowie rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften differenziert werden. Hierbei konnte die Untersuchung aufzeigen, dass sich die einzelnen, für eine Schutzwürdigkeit des betätigten Vertrauens sprechenden Faktoren – mit Ausnahme der im Falle rechtmäßiger Verwaltungsvorschriften ausgelösten rechtlichen Bindungswirkung  – gerade mit Blick auf die zeitliche Existenz sowie höchstrichterliche Bestätigung des in der Verwaltungsvorschrift niedergelegten Vollzugsprogramms sowohl bei rechtmäßigen als auch rechtswidrigen Verwaltungsvorschriften strukturell ähneln. f) Die Rechtsfolge schutzwürdigen Vertrauens besteht in dem prinzipiellen Verbot, einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt rechtlich neu zu bewerten. Insofern ist auch für Verwaltungsvorschriften wiederum strikt an die Differenzierung zwischen echter und unechter Rückwirkung anzuknüpfen. In Fällen echter Rückwirkung verbietet das Vertrauensschutzprinzip einen nachträglichen Steuerzugriff auf den bereits abgeschlossenen Sachverhalt. Im Gegensatz zu Konstellationen echter Rückwirkung besteht im Falle der unechten Rückwirkung regelmäßig keine Notwendigkeit zur vollständigen Steuerfreistellung des gesamten Sachverhalts. Vielmehr rechtfertigt das Vertrauensschutzprinzip lediglich eine temporäre Aufrechterhaltung des früheren Rechtszustands und fordert eine Über-

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leitung von der alten zur neuen Rechtslage. Mithin ist hier allenfalls eine zeitlich begrenzte Aufrechterhaltung des bisherigen Rechtszustands gerechtfertigt. g) Mit dem Erfordernis einer temporären Aufrechterhaltung des früheren Rechtszustands geht die Notwendigkeit zur Schaffung von Übergangsregelungen einher. Dabei ist innerhalb der Übergangsregelung zwischen dem zeitlichen Anknüpfungspunkt sowie deren zeitlicher Dimension zu unterscheiden. Während sich der zeitliche Anknüpfungspunkt im Interesse einer freiheitsschonenden Überleitung von der alten zur neuen Rechtslage stets an der Vertrauensbetätigung als maßgeblichem Zeitpunkt zu orientieren hat, besteht für die Bestimmung der zeitlichen Dimension einer Übergangsregelung ein breites Spektrum an Differenzierungskriterien. Die Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung sowie insbesondere die vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen der neueren Vertrauensschutzdogmatik zur unechten Rückwirkung entwickelten Fallgruppen liefern hierbei erste Indizien für die Überleitungsdauer, wohingegen das Prinzip der Abschnittsbesteuerung in einer Vielzahl auftretender Konstellationen – mit Ausnahme der periodenübergreifenden Konkretisierung steuerlicher Leistungsfähigkeit – eine zeitliche Zäsur zieht. Im Interesse der Praktikabilität kann es mit Blick auf das Prinzip der Abschnittsbesteuerung geboten sein, Stichtagsregelungen zu erlassen. Diese wiederum müssen sich selbst an dem aus Art.  3  I  GG abzuleitenden Gebot der Übergangsgerechtigkeit messen lassen, wobei die Verwaltung im Vergleich zum demokratisch unmittelbar legitimierten Gesetzgeber hier deutlich strengeren Bindungen unterliegt. h)  Im Ergebnis ist es gelungen, die in der bisherigen Diskussion vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der Anwendung des Vertrauensschutzprinzips bei der Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften auszuräumen. Vielmehr konnten dogmatisch handhabbare und verfassungsrechtlich haltbare Kriterien entwickelt werden, die in der Lage sind, betätigtes Vertrauen des Bürgers im Falle einer durch die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsvorschriften herbeigeführten Änderung der Rechtslage zu schützen und freiheits­ schonend in das geltende Recht zu überführen. 5. Das konkrete Anwendungsfeld der abstrakt entwickelten Vertrauensschutzdogmatik gegenüber der Aufhebung und Änderung steuerlicher Verwaltungsvorschriften wird maßgeblich durch das verfahrensrechtliche Umfeld der Abgaben­ordnung umrissen. Als Richtschnur gilt dabei sowohl für den Bereich der Steuerbescheide als auch sonstigen steuerlichen Verwaltungsakte, dass die hier dargestellte Vertrauensschutzdogmatik nur dann und insoweit Einzug erhalten kann, als das jeweilige Gesetz der Verwaltung Spielräume im Falle gesetzlich nicht endgültig determinierter Entscheidungen belässt. a) In einfachgesetzlicher Hinsicht ist der Vertrauensschutz auf dem Gebiet der Steuerbescheide nur schwach ausgeprägt und im Wesentlichen auf den Schutz der materiellen Bestandskraft beschränkt. Dies hat insbesondere eine Untersuchung des durch § 176 AO gewährleisteten Vertrauensschutzes ergeben. Dabei konnte nach-

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gewiesen werden, dass eine Vielzahl der auftretenden Vertrauensschutzkonstellationen bereits durch § 176 I 1 Nr. 3 AO abgewickelt wird, wodurch für § 176 II AO ein nur schmaler Anwendungskorridor verbleibt. Weiterhin konnte die Analyse der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu § 176 AO aufzeigen, dass eine trennscharfe Differenzierung zwischen § 176 I 1 Nr. 3 AO sowie § 176 II AO in der Praxis angesichts der tatbestandlichen Einschränkung einer Anwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung durch die Finanzbehörde kaum möglich ist und auch vom Bundesfinanzhof selbst nicht konsequent durchgehalten wird. b)  Die überwiegende Ausgestaltung der sonstigen steuerlichen Verwaltungsakte als Ermessensentscheidungen ermöglicht der Verwaltung bereits auf Tatbestandsebene eine Berücksichtigung von Vertrauensschutzaspekten. Im Gegensatz zu Steuerbescheiden ergibt sich für den Bereich der sonstigen steuerlichen Verwaltungsakte insbesondere auf dem Gebiet der Haftungsbescheide ein breites Anwendungsfeld für die hier entwickelte Vertrauensschutzdogmatik ohne die Notwendigkeit einer Heranziehung zusätzlicher Rechtsgrundlagen. c) In kompetenzieller Hinsicht ist es der Verwaltung jenseits der gesetzlich geregelten Konstellationen schutzwürdigen Vertrauens im Grenzbereich zu anderen Staatsgewalten nicht verwehrt, die aus der Aufhebung oder Änderung einer Verwaltungsvorschrift resultierenden Vertrauensschutzfragen eigenständig zu regeln. Ausnahmen bestehen allenfalls in den Grenzen der Wesentlichkeitstheorie gegenüber dem Gesetzgeber; ein sich mit der hier untersuchten Problematik eventuell überschneidender Vertrauensschutz in höchstrichterliche Präjudizien berührt die originäre Zuständigkeit der Verwaltung für den Erlass und die Aufhebung von Verwaltungsvorschriften dagegen nicht. d)  Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung erfordert gegenüber allen Steuerpflichtigen die einheitlich richtige Rechtserkenntnis. Aus diesem Grund bestehen weder verfassungsrechtliche noch rechtsmethodische Bedenken an der prinzipiellen Eignung des Billigkeitsdispenses für die Berücksichtigung von Vertrauensschutzaspekten im Bereich der Steuerbescheide. Insbesondere verbleibt im Falle der richtigen Rechtserkenntnis kein Raum für eine verfassungskonforme Reduktion des steuerlichen Tatbestands. Innerhalb des Billigkeitsrechts ist für die hier diskutierte Konstellation die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gem. § 163  S.  1  AO als einschlägige und im Verhältnis zu § 227 AO speziellere Rechtsgrundlage anzusehen. Bis zur Grenze der Rechtsverwirkung verhindert die rechtstechnische Ausgestaltung der abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 S. 1 AO als Grundlagenbescheid den Eintritt der Bestandskraft und sorgt verfahrensmäßig daher für eine umfassende Berücksichtigungsmöglichkeit der Vertrauensschutzinteressen des Bürgers. e) Verfahrensrechtlich kann die Gewährung von Vertrauensschutz wahlweise sowohl durch Verwaltungsvorschriften in Form sog. Übergangsrichtlinien als auch Einzelfallentscheidungen erfolgen. Vor dem Hintergrund der aus Art. 3 I GG abzuleitenden Übergangsgerechtigkeit wird die Verwaltung in einer Vielzahl auftre-

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tender Konstellationen schutzwürdigen Vertrauens innenrechtlich gehalten sein, Übergangsrichtlinien zu erlassen. Als wichtiger Anhaltspunkt zum Erlass von Übergangsrichtlinien dient dabei eine Kumulation der vorher entwickelten Schutzwürdigkeitsindikatoren, ohne diese gleichsam zum entscheidenden Gradmesser zu erheben. Inhaltlich genießt die Verwaltung bei der Ausgestaltung von Übergangsrichtlinien in den Grenzen des Art. 3 I GG eine – wenn auch enge – Gestaltungsfreiheit, in der sie auf Rechtsfolgenseite des Ermessens zahlreiche Konstellationen schutzwürdigen Vertrauens in „typisierender“ Weise einer abschließenden Regelung zuführen kann. Jenseits der erlassenen und nicht erlassenen Übergangsrichtlinien verbleibt dem Bürger je nach Konstellation ein weitergehender Anspruch auf Gewährung von Vertrauensschutz im Einzelfall. 6. a) Die gerichtliche Nachprüfung des finanzbehördlichen Dispenses über die Gewährung von Vertrauensschutz entspricht trotz des durch § 102 S. 1 FGO prinzipiell eingeschränkten Prüfungsumfangs inhaltlich nahezu einer gerichtlichen Vollkontrolle. Lediglich bei erlassenen Übergangsrichtlinien verbleibt im Rahmen der von Bürger und Gericht hinzunehmenden Ermessensausübung ein auf den Aspekt der Vertretbarkeit beschränkter Restbereich behördlicher Entscheidungsfreiheiten. b)  Hinsichtlich der Zweigleisigkeit des Verfahrens muss zwischen dem prozessualen Vorgehen gegen die Steuerfestsetzung und den Billigkeitsdispens differenziert werden. Praktische Schwierigkeiten wirft dabei das prozessual parallele Vorgehen sowohl gegen die Steuerfestsetzung als auch den beantragten Billigkeitsdispens auf, da sich im Vorfeld oftmals keine Notwendigkeit zur Berücksichtigung von Vertrauensschutzaspekten zeigt. Hier ist es verfassungsrechtlich geboten, das Verfahren gegen die Steuerfestsetzung aufgrund der drohenden Kostenfolge aus § 135  I  FGO auszusetzen, um dem grundrechtlich verbürgten Anspruch des Bürgers auf Gewährung von Vertrauensschutz im Ergebnis auch prozessual zum Durchbruch zu verhelfen.

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Rechtsprechungsverzeichnis

BVerfG, Beschluss v. 12.06.1979 – 1 BvL 19/76, BVerfGE 52, S. 1. BVerfG, Beschluss v. 20.12.1979 – 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, S. 30. BVerfG, Beschluss v. 16.01.1980 – 1 BvR 127/78 u.a., BVerfGE 53, S. 115. BVerfG, Urteil v. 16.06.1981 – 1 BvL 89/78, BVerfGE 57, S. 295. BVerfG, Beschluss v. 20.10.1981 – 1 BvR 640/80, BVerfGE 58, S. 257. BVerfG, Beschluss v. 20.04.1982 – 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, S. 253. BVerfG, Beschluss v. 08.07.1982 – 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, S. 82. BVerfG, Urteil v. 03.11.1982 – 1 BvR 210/79, BVerfGE 62, S. 169. BVerfG, Beschluss v. 12.01.1983 – 2 BvL 23/81, BVerfGE 63, S. 1. BVerfG, Beschluss v. 31.10.1984 – 1 BvR 35/82, BVerfGE 68, S. 193. BVerfG, Urteil v. 18.12.1984 – 2 BvE 13/83, BVerfGE 68, S. 1. BVerfG, Beschluss v. 26.02.1985 – 2 BvR 1145/83, BVerfGE 69, S. 161. BVerfG, Beschluss v. 14.05.1986 – 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, S. 200. BVerfG, Beschluss v. 12.06.1986 – 2 BvL 5/80 u.a., BVerfGE 72, S. 302. BVerfG, Beschluss v. 23.10.1986 – 2 BvL 7/84, BVerfGE 73, S. 388. BVerfG, Beschluss v. 14.01.1987 – 1 BvR 1052/79, BVerfGE 74, S. 129. BVerfG, Beschluss v. 05.05.1987 – 1 BvR 724/81 u.a., BVerfGE 75, S. 246. BVerfG, Beschluss v. 12.05.1987 – 2 BvR 1226/83 u.a., BVerfGE 76, S. 1. BVerfG, Beschluss v. 31.05.1988 – 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, S. 214. BVerfG, Beschluss v. 31.05.1988 – 1 BvL 22/85, BVerfGE 78, S. 232. BVerfG, Beschluss v. 23.11.1988 – 2 BvR 1619/83, BVerfGE 79, S. 127. BVerfG, Beschluss v. 21.06.1989 – 1 BvR 32/87, BVerfGE 80, S. 257. BVerfG, Urteil v. 05.07.1989 – 1 BvL 11/87 u.a., BVerfGE 80, S. 297. BVerfG, Beschluss v. 29.11.1989 – 1 BvR 1402/87 u.a., BVerfGE 81, S. 108. BVerfG, Beschluss v. 27.11.1990 – 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, S. 130. BVerfG, Beschluss v. 17.04.1991 – 1 BvR 419/81 u.a., BVerfGE 84, S. 34. BVerfG, Beschluss v. 17.04.1991 – 1 BvR 1529/84 u.a., BVerfGE 84, S. 59. BVerfG, Beschluss v. 26.06.1991 – 1 BvR 779/85, BVerfGE 84a, S. 212. BVerfG, Beschluss v. 26.06.1991 – 1 BvR 779/85, BVerfGE 84b, S. 212. BVerfG, Urteil v. 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239. BVerfG, Beschluss v. 22.10.1991 – 1 BvR 393/85, BVerfGE 85, S. 36. BVerfG, Beschluss v. 25.03.1992 – 1 BvR 1430/88, BVerfGE 85, S. 386.

Rechtsprechungsverzeichnis BVerfG, Urteil v. 07.07.1992 – 1 BvL 51/86 u.a., BVerfGE 87, S. 1. BVerfG, Beschluss v. 16.12.1992 – 1 BvR 167/87, BVerfGE 88, S. 40. BVerfG, Beschluss v. 26.01.1993 – 1 BvL 38/92 u.a., BVerfGE 88, S. 87. BVerfG, Beschluss v. 25.05.1993 – 1 BvR 1509/91, BVerfGE 88, S. 384. BVerfG, Kammerbeschluss v. 28.06.1993 – 1 BvR 390/89, StuW 1994, S. 354. BVerfG, Urteil v. 12.07.1994 – 2 BvE 3/92 u.a., BVerfGE 90, S. 286. BVerfG, Beschluss v. 31.05.1995 – 1 BvR 1379/94 u.a., BVerfGE 93, S. 97. BVerfG, Beschluss v. 22.06.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121. BVerfG, Beschluss v. 17.07.1996 – 2 BvF 2/93, BVerfGE 95, S. 1. BVerfG, Beschluss v. 15.10.1996 – 1 BvL 44/92, BVerfGE 95, S. 64. BVerfG, Urteil v. 08.04.1997 – 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, S. 267. BVerfG, Beschluss v. 10.04.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, S. 1. BVerfG, Beschluss v. 03.12.1997 – 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, S. 67. BVerfG, Urteil v. 16.12.1997 – 2 BvR 1991/95 u.a., BVerfGE 98, S. 106. BVerfG, Beschluss v. 24.03.1998 – 1 BvL 6/92, BVerfGE 97, S. 378. BVerfG, Urteil v. 07.05.1998 – 2 BvR 1876/91 u.a., BVerfGE 98, S. 83. BVerfG, Urteil v. 14.07.1998 – 1 BvR 1640/97, BVerfGE 98, S. 218. BVerfG, Beschluss v. 29.09.1998 – 2 BvL 64/93, BVerfGE 99, S. 69. BVerfG, Beschluss v. 30.09.1998 – 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, S. 88. BVerfG, Urteil v. 27.10.1998 – 1 BvR 2306/96 u.a., BVerfGE 98, S. 265. BVerfG, Beschluss v. 02.03.1999 – 2 BvF 1/94, BVerfGE 100, S. 249. BVerfG, Urteil v. 12.05.1999 – 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, S. 239. BVerfG, Urteil v. 06.07.1999 – 2 BvF 3/90, BVerfGE 101, S. 1. BVerfG, Urteil v. 07.12.1999 – 2 BvR 1533/94, BVerfGE 101, S. 275. BVerfG, Urteil v. 20.02.2001 – 2 BvR 1444/00, BVerfGE 103, S. 142. BVerfG, Beschluss v. 24.5.2001 – 1 BvL 4/96, BVerfGE 103, S. 392. BVerfG, Beschluss v. 05.02.2002 – 2 BvR 305/93, BVerfGE 105, S. 17. BVerfG, Urteil v. 19.02.2002 – 2 BvG 2/00, BVerfGE 104, S. 249. BVerfG, Urteil v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, S. 73. BVerfG, Beschluss v. 29.05.2002 – 2 BvR 723/99, NVwZ 2002, S. 1368. BVerfG, Beschluss v. 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, S. 133. BVerfG, Urteil v. 09.03.2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, S. 94.

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Rechtsprechungsverzeichnis

BVerfG, Beschluss v. 20.04.2004 – 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, S. 274. BVerfG, Beschluss v. 13.09.2005 – 2 BvF 2/03, BVerfGE 114, S. 196. BVerfG, Beschluss v. 18.01.2006 – 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, S. 97. BVerfG, Urteil v. 31.05.2006 – 2 BvR 1673/04 u.a., BVerfGE 116, S. 69. BVerfG, Beschluss v. 13.06.2006 – 1 BvR 1160/03, BVerfGE 116, S. 135. BVerfG, Beschluss v. 13.06.2006 – 1 BvL 9/00, BVerfGE 116, S. 96. BVerfG, Beschluss v. 21.06.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164. BVerfG, Beschluss v. 07.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1. BVerfG, Beschluss v. 27.02.2007 – 1 BvL 10/00, BVerfGE 117, S. 272. BVerfG, Beschluss v. 14.06.2007 – 2 BvR 1447/05 u.a., BVerfGE 118, S. 212. BVerfG, Beschluss v. 15.01.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, S. 1. BVerfG, Kammerbeschluss v. 15.10.2008 – 1 BvR 1138/06, HFR 2009, S. 187. BVerfG, Beschluss v. 11.11.2008 – 1 BvL 3/05 u.a., BVerfGE 122, S. 151. BVerfG, Urteil v. 09.12.2008 – 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, S. 210. BVerfG, Beschluss v. 15.01.2009 – 2 BvR 2044/07, BVerfGE 122, S. 248. BVerfG, Beschluss v. 18.02.2009 – 1 BvR 3076/08, BVerfGE 122, S. 374. BVerfG, Beschluss v. 12.05.2009 – 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, S. 111. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 03.09.2009 – 1 BvR 2539/07, NVwZ 2010, S. 902. BVerfG, Beschluss v. 16.09.2009 – 2 BvR 852/07, BVerfGE 124, S. 235. BVerfG, Beschluss v. 08.12.2009 – 2 BvR 758/07, BVerfGE 125, S. 104. BVerfG, Beschluss v. 08.06.2010 – 1 BvR 2011/07 u.a., BVerfGE 126, S. 112. BVerfG, Beschluss v. 06.07.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, S. 268. BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, S. 1. BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, S. 31. BVerfG, Beschluss v. 07.07.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, S. 61. BVerfG, Beschluss v. 21.07.2010 – 1 BvL 11/06 u.a., BVerfGE 126, S. 369. BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, S. 224. BVerfG, Beschluss v. 12.10.2010 – 2 BvL 59/06, BVerfGE 127, S. 335. BVerfG, Beschluss v. 31.05.2011 – 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, S. 1. BVerfG, Beschluss v. 02.05.2012 – 2 BvL 5/10, BVerfGE 131, S. 20. BVerfG, Beschluss v. 04.05.2012 – 1 BvR 367/12, BVerfGE 131, S. 20. BVerfG, Beschluss v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, S. 302.

Rechtsprechungsverzeichnis BVerfG, Beschluss v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, DStR 2014, S. 520. BVerfG, Beschluss v. 01.04.2014 – 2 BvL 2/09, juris. EuGH, Urteil v. 03.10.2006 – C-475/03, Slg. 2006, S. I-9373. NWVerfGH, Urteil v. 09.02.1999 – VerfGH 11–98, NJW 1999, S. 1243. GmSOGB, Beschluss v. 19.10.1971 – GmS-OGB 3/70, BFHE 105, S. 101. BFH, Urteil v. 31.10.1957 – VI U 1/54, BFHE 66, S. 8. BFH, Urteil v. 14.08.1958 – I 39/57 U, BFHE 67, S. 354. BFH, Urteil v. 17.12.1959 – V 251/58 U, BFHE 70, S. 267. BFH, Urteil v. 08.11.1962 – IV 162/62 S, BFHE 76, S. 390. BFH, Urteil v. 30.08.1963 – VI 71/62 U, BStBl. III 1963, S. 582. BFH, Urteil v. 30.08.1963 – VI 71/62 U, BFHE 77, S. 713. BFH, Urteil v. 17.12.1965 – VI 297/65 U, BFHE 84, S. 574. BFH, Urteil v. 21.07.1967 – VI 290/65, BFHE 90, S. 10. BFH, Urteil v. 16.08.1967 – VI 170/65, BFHE 89, S. 447. BFH, Urteil v. 23.02.1968 – VI R 260/67, BFHE 91, S. 535. BFH, Urteil v. 13.06.1969 – III R 132/67, BFHE 96, S. 365. BFH, Urteil v. 08.08.1969 – III R 9/66, BFHE 96, S. 486. BFH, Urteil v. 16.02.1970 – VI R 325/67, BFHE 98, S. 353. BFH, Urteil v. 01.12.1970 – VI R 386/69, BFHE 100, S. 573. BFH, Urteil v. 20.12.1971 – VI R 257/70, BFHE 104, S. 217. BFH, Urteil v. 25.08.1972 – III R 33/71, BFHE 107, S. 303. BFH, Urteil v. 21.12.1972 – IV R 53/72, BFHE 107, S. 564. BFH, Beschluss v. 19.01.1973 – VI B 99/72, BFHE 108, S. 37. BFH, Urteil v. 24.08.1973 – VI R 189/71, BFHE 110, S. 344. BFH, Urteil v. 14.01.1975 – VIII R 11/73, BFHE 115, S. 167. BFH, Urteil v. 14.01.1975 – VIII R 148/71, BFHE 115, S. 86. BFH, Urteil v. 07.02.1975 – VI R 133/72, BFHE 115, S. 313. BFH, Urteil v. 27.02.1975 – V R 139/70, BFHE 114, S. 556. BFH, Urteil v. 27.10.1978 – VI R 8/76, BFHE 126, S. 217.

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Rechtsprechungsverzeichnis

BFH, Urteil v. 23.02.1979 – VI R 74/76, BFHE 127, S. 205. BFH, Urteil v. 23.02.1979 – III R 16/78, BFHE 127, S. 476. BFH, Urteil v. 20.11.1979 – VI R 112/79, BFHE 129, S. 158. BFH, Urteil v. 20.03.1980 – VI R 11/76, BFHE 130, S. 307. BFH, Urteil v. 22.04.1980 – VIII R 149/75, BFHE 130, S. 391. BFH, Urteil v. 28.10.1980 – VIII R 34/76, BFHE 132, S. 41. BFH, Urteil v. 25.11.1980 – VII R 17/78, BFHE 132, S. 159. BFH, Urteil v. 26.06.1981 – III R 3/79, BFHE 133, S. 437. BFH, Urteil v. 18.02.1982 – IV R 85/79, BFHE 135, S. 311. BFH, Urteil v. 30.03.1982 – VI R 162/78, BFHE 136, S. 79. BFH, Urteil v. 30.07.1982 – VI R 257/80, BFHE 136, S. 399. BFH, Vorlagebeschluss v. 03.11.1982 – I R 3/79, BFHE 137, S. 275. BFH, Urteil v. 10.11.1982 – I R 142/79, BFHE 137, S. 202. BFH, Urteil v. 09.12.1983 – VI R 196/81, BFHE 140, S. 230. BFH, Urteil v. 04.04.1984 – I R 269/81, BFHE 140, S. 509. BFH, Beschluss v. 25.06.1984 – GrS 4/82, BFHE 141, S. 405. BFH, Urteil v. 25.04.1985 – IV R 64/83, BFHE 143, S. 500. BFH, Urteil v. 25.10.1985 – VI R 130/82, BFHE 144, S. 569. BFH, Urteil v. 25.10.1985 – VI R 15/81, BFHE 145, S. 181. BFH, Urteil v. 13.11.1985 – II R 208/82, BFHE 145, S. 487. BFH, Urteil v. 15.01.1986 – II R 141/83, BFHE 145, S. 453. BFH, Urteil v. 18.03.1986 – VII R 55/83, BFHE 146, S. 294. BFH, Beschluss v. 28.05.1986 – I B 22/86, BFHE 146, S. 508. BFH, Beschluss v. 30.07.1986 – V R 181/83, BFH/NV 1986, S. 761. BFH, Urteil v. 08.08.1986 – VI R 195/82, BFHE 147, S. 247. BFH, Urteil v. 06.12.1986 – IV R 174/67, BFHE 94, S. 246. BFH, Urteil v. 11.12.1986 – V R 166/81, BFH/NV 1987, S. 402. BFH, Urteil v. 12.01.1987 – IV R 87/87, BFHE 155, S. 487. BFH, Urteil v. 26.02.1987 – IV R 109/86, BFHE 149, S. 101. BFH, Urteil v. 31.03.1987 – IX R 111/86, BFHE 150, S. 7. BFH, Urteil v. 22.07.1987 – I R 224/83, BFHE 150, S. 546. BFH, Urteil v. 28.09.1987 – VIII R 154/86, BFHE 151, S. 107.

Rechtsprechungsverzeichnis BFH, Urteil v. 28.09.1987 – VIII R 163/84, BFHE 154, S. 375. BFH, Urteil v. 14.10.1987 – II R 120/85, BFH/NV 1989, S. 80. BFH, Urteil v. 15.10.1987 – IV R 66/86, BFHE 152, S. 62. BFH, Beschluss v. 23.11.1987 – GrS 1/86, BFHE 151, S. 495. BFH, Beschluss v. 30.11.1987 – VIII B 3/87, BFHE 151, S. 354. BFH, Beschluss v. 04.12.1987 – V S 9/85, BStBl. II 1988, S. 702. BFH, Urteil v. 10.02.1988 – VIII R 159/88, BFHE 153, S. 188. BFH, Urteil v. 09.03.1988 – I R 262/83, BFHE 153, S. 38. BFH, Urteil v. 11.10.1988 – VIII R 419/83, BFHE 155, S. 298. BFH, Urteil v. 10.11.1988 – IV R 63/86, BFHE 155, S. 109. BFH, Urteil v. 30.11.1988 – II R 237/83, BFHE 155, S. 140. BFH, Urteil v. 07.12.1988 – X R 15/87, BFHE 155, S. 353. BFH, Urteil v. 12.01.1989 – IV R 87/87, BFHE 155, S. 484. BFH, Urteil v. 08.03.1989 – X R 116/87, BFHE 156, S. 59. BFH, Urteil v. 15.05.1990 – VII R 7/88, BFHE 161, S. 395. BFH, Beschluss v. 04.07.1990 – GrS 2/88 u.a., BFHE 161, S. 290. BFH, Urteil v. 31.07.1990 – I R 62/86, BFHE 161, S. 570. BFH, Urteil v. 22.08.1990 – I R 69/89, BFHE 162, S. 263. BFH, Urteil v. 31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, S. 478. BFH, Urteil v. 15.11.1990 – IV R 20/89, BFH/NV 1991, S. 731. BFH, Urteil v. 29.11.1990 – IV R 131/89, BFHE 168, S. 25. BFH, Urteil v. 11.01.1991 – III R 60/89, BFHE 163, S. 286. BFH, Urteil v. 19.03.1991 – IX R 247/87, BFH/NV 1991, S. 744. BFH, Urteil v. 23.04.1991 – VIII R 61/87, BFHE 164, S. 422. BFH, Urteil v. 25.06.1991 – IX R 57/88, BFHE 164, S. 202. BFH, Urteil v. 14.07.1991 – V R 91/85, BFH/NV 1995, S. 836. BFH, Urteil v. 18.07.1991 – V R 86/87, BFHE 165, S. 116. BFH, Urteil v. 26.07.1991 – VI R 114/88, BFHE 165, S. 374. BFH, Urteil v. 26.07.1991 – VI R 82/89, BFHE 165, S. 378. BFH, Urteil v. 15.11.1991 – III R 30/88, BStBl. II 1991, S. 179. BFH, Urteil v. 21.01.1992 – VIII R 51/88, BFHE 168, S. 500. BFH, Beschluss v. 24.06.1992 – V B 182/90, BFH/NV 1993, S. 307.

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Rechtsprechungsverzeichnis

BFH, Urteil v. 28.10.1992 – X R 117/89, BFHE 170, S. 11. BFH, Urteil v. 21.04.1993 – X R 112/91, BFHE 171, S. 15. BFH, Urteil v. 26.01.1994 – VI R 118/89, BFHE 173, S. 174. BFH, Urteil v. 23.02.1994 – X R 123/92, BFHE 174, S. 73. BFH, Urteil v. 08.03.1994 – IX R 37/90, BFH/NV 1994, S. 868. BFH, Beschluss v. 21.09.1994 – IV B 95/93, BFH/NV 1995, S. 325. BFH, Urteil v. 26.10.1994 – X R 104/92, BFHE 176, S. 3. BFH, Urteil v. 08.02.1995 – I R 127/93, BFHE 177, S. 332. BFH, Urteil v. 26.04.1995 – XI R 91/83, BFHE 178, S. 4. BFH, Beschluss v. 03.07.1995 – GrS 1/93, BFHE 178, S. 86. BFH, Urteil v. 12.12.1995 – VIII R 59/92, BFHE 179, S. 335. BFH, Urteil v. 24.01.1996 – X R 225/93, BFHE 180, S. 51. BFH, Urteil v. 18.04.1996 – V R 55/95, BFHE 180, S. 516. BFH, Urteil v. 23.04.1996 – IX R 5/94, BFHE 180, S. 374. BFH, Beschluss v. 02.07.1996 – V B 21/96, BFH/NV 1997, S. 163. BFH, Urteil v. 01.08.1996 – VIII R 12/94, BStBl. II 1997, S. 272. BFH, Urteil v. 07.11.1996 – IV R 69/95, BFHE 182, S. 56. BFH, Urteil v. 15.05.1997 – IV R 46/96, BFH/NV 1997, S. 850. BFH, Urteil v. 11.06.1997 – X R 242/93, BFHE 183, S. 427. BFH, Urteil v. 16.07.1997 – XI R 32/96, BFHE 184, S. 193. BFH, Urteil v. 30.07.1997 – I R 7/97, BFHE 184, S. 88. BFH, Beschluss v. 31.07.1997 – IX B 13/97, BFH/NV 1998, S. 201. BFH, Urteil v. 20.08.1997 – X R 58/93, BFH/NV 1998, S. 314. BFH, Urteil v. 30.09.1997 – IX R 39/94, BFH/NV 1997, S. 446. BFH, Urteil v. 01.10.1997 – X R 149/94, BFHE 184, S. 412. BFH, Urteil v. 30.10.1997 – IV R 76/96, BFH/NV 1998, S. 578. BFH, Urteil v. 19.11.1997 – X R 78/94, BFHE 184, S. 522. BFH, Beschluss v. 25.02.1998 – V B 120/97, BFH/NV 1998, S. 1253. BFH, Beschluss v. 08.07.1998 – I B 111/97, BFHE 186, S. 313. BFH, Urteil v. 24.09.1998 – IV R 65/96, BFHE 187, S. 193. BFH, Beschluss v. 04.11.1998 – IV B 146/97, BFH/NV 1999, S. 589. BFH, Urteil v. 18.11.1998 – X R 110/95, BFHE 187, S. 488.

Rechtsprechungsverzeichnis BFH, Urteil v. 08.12.1998 – IX R 49/95, BFHE 187, S. 512. BFH, Vorlagebeschluss v. 16.12.1998 – I R 50/95, BFHE 187, S. 305. BFH, Urteil v. 24.03.1999 – I R 114/97, BFHE 188, S. 315. BFH, Urteil v. 14.04.1999 – XI R 30/96, BFHE 188, S. 286. BFH, Vorlagebeschluss v. 29.04.1999 – IV R 40/97, BFHE 188, S. 374. BFH, Urteil v. 05.05.1999 – XI R 1/97, BFHE 189, S. 57. BFH, Urteil v. 22.07.1999 – V R 51/98, BFHE 189, S. 211. BFH, Beschluss v. 30.08.1999 – X B 67/99, BFH/NV 2000, S. 301. BFH, Urteil v. 09.12.1999 – III R 74/97, BFHE 191, S. 125. BFH, Urteil v. 16.12.1999 – IX R 86/00, BFHE 199, S. 1. BFH, Vorlagebeschluss v. 29.03.2000 – I R 76/99, BFHE 191, S. 353. BFH, Urteil v. 12.04.2000 – XI R 35/99, BFHE 192, S. 419. BFH, Urteil v. 23.05.2000 – VIII R 11/99, BFHE 192, S. 474. BFH, Beschluss v. 24.08.2000 – IV ER -S- 1/00, juris. BFH, Urteil v. 05.09.2000 – IX R 33/97, BFHE 192, S. 559. BFH, Beschluss v. 06.09.2000 – XI ER -S- 3/00, juris. BFH, Urteil v. 21.09.2000 – IV R 54/99, BFHE 193, S. 301. BFH, Beschluss v. 24.10.2000 – VIII ER -S- 1/00, BFH/NV 2001, S. 162. BFH, Urteil v. 21.11.2000 – IX R 2/96, BFHE 193, S. 460. BFH, Urteil v. 20.12.2000 – I R 50/95, BFHE 194, S. 185. BFH, Urteil v. 08.03.2001 – V R 61/97, BFHE 194, S. 517. BFH, Urteil v. 08.05.2001 – IX R 10/96, BFHE 195, S. 310. BFH, Urteil v. 16.05.2001 – I R 76/99, BFHE 195, S. 328. BFH, Urteil v. 29.05.2001 – VIII R 19/00, BFHE 195, S. 23. BFH, Beschluss v. 28.06.2001 – IV R 40/97, BB 2001, S. 2051. BFH, Urteil v. 08.08.2001 – I R 25/00, BFHE 196, S. 485. BFH, Urteil v. 10.10.2001 – XI R 52/00, BFHE 196, S. 572. BFH, Urteil v. 14.11.2001 – X R 39/98, BFHE 197, S. 179. BFH, Beschluss v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BFHE 197, S. 240. BFH, Urteil v. 11.04.2002 – V R 26/01, BFHE 198, S. 238. BFH, Urteil v. 25.05.2002 – VII R 29/02, BFHE 205, S. 539. BFH, Beschluss v. 18.07.2002 – V B 112/01, BFHE 199, S. 77.

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Rechtsprechungsverzeichnis

BFH, Beschluss v. 18.09.2002 – XI B 126/01, BFH/NV 2003, S. 189. BFH, Urteil v. 18.09.2002 – X R 28/00, BFHE 200, S. 304. BFH, Beschluss v. 17.12.2002 – I R 43/02, BFH/NV 2003, S. 785. BFH, Beschluss v. 06.02.2003 – X B 153/01, BFH/NV 2003, S. 621. BFH, Urteil v. 20.02.2003 – III R 10/01, BFHE 201, S. 515. BFH, Urteil v. 09.04.2003 – X R 38/00, BFH/NV 2003, S. 1035. BFH, Beschluss v. 20.06.2003 – XI S 21/02, BFH/NV 2003, S. 1555. BFH, Beschluss v. 01.10.2003 – X B 75/02, BFH/NV 2004, S. 44. BFH, Urteil v. 23.10.2003 – V R 24/00, BFHE 203, S. 523. BFH, Urteil v. 23.10.2003 – V R 48/01, BFHE 203, S. 531. BFH, Urteil v. 27.11.2003 – V R 52/02, BFH/NV 2004, S. 605. BFH, Vorlagebeschluss v. 16.12.2003 – IX R 46/02, BFHE 204, S. 228. BFH, Urteil v. 22.01.2004 – V R 41/02, BFHE 204, S. 371. BFH, Urteil v. 16.03.2004 – VIII R 33/03, BFHE 205, S. 270. BFH, Beschluss v. 01.04.2004 – VIII R 55/03, BFH/NV 2004, S. 1392. BFH, Vorlagebeschluss v. 28.07.2004 – XI R 54/99, BFHE 207, S. 404. BFH, Urteil v. 12.08.2004 – V R 18/02, BFHE 207, S. 381. BFH, Beschluss v. 02.11.2004 – XI B 142/03, BFH/NV 2005, S. 489. BFH, Urteil v. 13.01.2005 – V R 35/03, BFHE 208, S. 398. BFH, Beschluss v. 03.02.2005 – I B 152/04, BFH/NV 2005, S. 1214. BFH, Beschluss v. 10.02.2005 – IX B 182/03, BFH/NV 2005, S. 1058. BFH, Beschluss v. 21.04.2005 – III B 40/04, BFH/NV 2005, S. 1480. BFH, Urteil v. 12.05.2005 – V R 54/02, BFHE 209, S. 171. BFH, Beschluss v. 20.05.2005 – VIII R 103/03, BFH/NV 2005, S. 1830. BFH, Urteil v. 29.06.2005 – X R 31/04, BFH/NV 2005, S. 1749. BFH, Beschluss v. 18.08.2005 – VI R 123/94, BFHE 210, S. 214. BFH, Urteil v. 24.11.2005 – V R 37/04, BFHE 211, S. 411. BFH, Urteil v. 07.12.2005 – I R 123/04, BFH/NV 2006, S. 1097. BFH, Urteil v. 14.03.2006 – I R 1/04, BFHE 213, S. 38. BFH, Beschluss v. 15.03.2006 – VI S 2/06 (PKH), BFH/NV 2006, S. 1097. BFH, Urteil v. 25.04.2006 – VIII R 74/03, BFHE 213, S. 358. BFH, Beschluss v. 12.07.2006 – IV B 9/05, BFH/NV 2006, S. 2028.

Rechtsprechungsverzeichnis BFH, Urteil v. 02.08.2006 – XI R 57/04, BFH/NV 2007, S. 858. BFH, Vorlagebeschluss v. 02.08.2006 – XI R 34/02, BFHE 214, S. 386. BFH, Vorlagebeschluss v. 06.09.2006 – XI R 26/04, BFHE 214, S. 230. BFH, Urteil v. 07.02.2007 – I R 15/06, BFHE 216, S. 541. BFH, Beschluss v. 08.02.2007 – IX B 125/06, BFH/NV 2007, S. 107. BFH, Urteil v. 14.02.2007 – XI R 30/05, BFHE 216, S. 559. BFH, Beschluss v. 07.03.2007 – I R 98/05, BFHE 217, S. 430. BFH, Beschluss v. 11.05.2007 – IV B 28/06, juris. BFH, Beschluss v. 06.06.2007 – V B 64/06, BFH/NV 2007, S. 1802. BFH, Urteil v. 27.06.2007 – II R 39/05, BFHE 217, S. 248. BFH, Urteil v. 18.09.2007 – I R 30/06, BFHE 219, S. 184. BFH, Urteil v. 20.09.2007 – IV R 32/06, BFH/NV 2008, S. 569. BFH, Beschluss v. 26.09.2007 – V B 8/06, BFHE 219, S. 245. BFH, Beschluss v. 11.10.2007 – V R 45/05, BFH/NV 2008, S. 235. BFH, Urteil v. 11.10.2007 – V R 27/05, BFHE 219, S. 266. BFH, Beschluss v. 07.12.2007 – XI B 61/07, BFH/NV 2008, S. 592. BFH, Beschluss v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BFHE 220, S. 129. BFH, Urteil v. 14.02.2008 – IV R 44/05, BFH/NV 2008, S. 1156. BFH, Urteil v. 02.04.2008 – II R 59/06, BFHE 225, S. 482. BFH, Urteil v. 08.04.2008 – VIII R 73/05, BFHE 221, S. 238. BFH, Urteil v. 14.05.2008 – XI R 70/07, BFHE 221, S. 517. BFH, Urteil v. 04.06.2008 – X R 47/07, BFH/NV 2008, S. 1801. BFH, Urteil v. 10.06.2008 – VIII R 79/05, BFHE 222, S. 320. BFH, Beschluss v. 12.08.2008 – X S 35/08, BFH/NV 2008, S. 2030. BFH, Urteil v. 28.10.2008 – IX R 16/08, BFH/NV 2008, S. 899. BFH, Beschluss v. 04.02.2009 – VI B 142/08, BFH/NV 2009, S. 716. BFH, Urteil v. 19.03.2009 – V R 48/07, BFHE 225, S. 215. BFH, Urteil v. 14.05.2009 – IV R 27/06, BFHE 225, S. 187. BFH, Urteil v. 14.07.2009 – VIII R 10/07, BFH/NV 2009, S. 1815. BFH, Urteil v. 27.01.2010 – IX R 31/09, BFHE 229, S. 90. BFH, Urteil v. 04.02.2010 – II R 1/09, BFH/NV 2010, S. 1244. BFH, Urteil v. 09.03.2010 – VIII R 24/08, BFHE 228, S. 499.

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Rechtsprechungsverzeichnis

BFH, Urteil v. 18.03.2010 – IV R 23/07, BFHE 228, S. 526. BFH, Urteil v. 15.04.2010 – VI R 20/08, BFHE 229, S. 203. BFH, Urteil v. 22.04.2010 – VI R 40/08, BFHE 229, S. 57. BFH, Urteil v. 28.04.2010 – I R 78/08, BFHE 229, S. 234. BFH, Urteil v. 11.05.2010 – IX R 26/09, BFH/NV 2010, S. 2067. BFH, Beschluss v. 04.08.2010 – X B 172/09, BFH/NV 2010, S. 2053. BFH, Urteil v. 09.09.2010 – IV R 31/08, BFH/NV 2011, S. 413. BFH, Beschluss v. 24.09.2010 – IV B 34/10, BFH/NV 2011, S. 241. BFH, Urteil v. 07.10.2010 – V R 17/09, BFH/NV 2011, S. 865. BFH, Urteil v. 19.10.2010 – X R 41/08, BFH/NV 2011, S. 245. BFH, Vorlagebeschluss v. 07.12.2010 – IX R 70/07, BFHE 232, S. 121. BFH, Urteil v. 09.12.2010 – I R 49/09, BFHE 232, S. 145. BFH, Urteil v. 13.01.2011 – V R 43/09, BFH/NV 2011, S. 1049. BFH, Beschluss v. 15.03.2011 – VI B 145/10, BFH/NV 2011, S. 983. BFH v. 23.03.2011 – X R 44/09, BFHE 233, S. 297. BFH, Urteil v. 30.03.2011 – I R 61/10, BFHE 232, S. 406. BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 15/09, BFHE 233, S. 206. BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 46/09, BFHE 233, S. 214. BFH, Urteil v. 14.04.2011 – IV R 8/10, BFHE 233, S. 226. BFH, Beschluss v. 15.06.2011 – IX B 148/10, BFH/NV 2011, S. 1516. BFH, Urteil v. 07.07.2011 – V R 21/10, BFHE 234, S. 531. BFH, Urteil v. 27.07.2011 – I R 44/10, BFH/NV 2011, S. 2005. BFH, Urteil v. 08.09.2011 – II R 47/09, BFH/NV 2012, S. 67. BFH, Urteil v. 26.10.2011 – VII R 50/10, BFH/NV 2012, S. 552. BFH, Beschluss v. 11.01.2012 – V B 88/11, BFH/NV 2012, S. 714. BFH, Urteil v. 22.02.2012 – X R 14/10, BFHE 236, S. 464. BFH, Beschluss v. 28.02.2012 – VIII R 2/08, BFH/NV 2012, S. 1135. BFH, Urteil v. 29.02.2012 – IX R 11/11, BFHE 237, S. 9. BFH, Beschluss v. 02.04.2012 – III B 189/10, BFH/NV 2010, S. 1101. BFH, Beschluss v. 12.07.2012 – I R 32/11, BFHE 237, S. 307. BFH, Urteil v. 21.08.2012 – VIII R 11/11, BFHE 239, S. 195. BFH, Urteil v. 12.12.2012 – VI R 79/10, BFHE 240, S. 44.

Rechtsprechungsverzeichnis BFH, Urteil v. 24.01.2013 – V R 34/11, BFHE 239, S. 552. BFH, Beschluss v. 31.01.2013 – GrS 1/10, BFHE 240, S. 162. BFH, Beschluss v. 03.04.2013 – V B 125/12, BFHE 240, S. 447. BFH, Urteil v. 17.04.2013 – X R 6/11, BFH/NV 2013, S. 1537. BFH, Urteil v. 06.02.2014 – IV R 41/10, BFH/NV 2014, S. 847. RFH, Urteil v. 23.03.1933 – VI A 368/33, RStBl. 1933, S. 590. RFH, Urteil v. 04.07.1940 – IV 17/38, RStBl. 1940, S. 673. RFH, Urteil v. 13.11.1940 – VI 381/40, RStBl. 1940, S. 1042. RFH, Urteil v. 12.01.1943 – I 103/42, RStBl. 1943, S. 196. RFH, Urteil v. 11.02.1943 – IV 68/42, RStBl. 1943, S. 235. RFH, Urteil v. 28.06.1944 – VI 328/43, RStBl. 1945, S. 27. FG Baden-Württemberg, Beschluss v. 21.06.1989 – II K 195/88, EFG 1989, S. 615. FG Baden-Württemberg, Urteil v. 29.10.1992 – 6 K 179/88, EFG 1993, S. 337. FG Baden-Württemberg, Urteil v. 06.10.2005 – 8 K 394/01, juris. FG Baden-Württemberg, Urteil v. 17.12.2009 – 3 K 49/09, EFG 2011, S. 1402. FG Düsseldorf, Urteil v. 02.07.1987 – VIII 75/83 AO, EFG 1987, S. 489. FG Düsseldorf, Urteil v. 19.07.2000 – 7 K 237/97 AO, EFG 2000, S. 1410. FG Düsseldorf, Urteil v. 16.03.2007 – 1 K 3489/05 U, EFG 2007, S. 1650. FG Hamburg, Urteil v. 27.01.2012 – 2 K 4/12, juris. FG Köln, Urteil v. 08.03.2001 – 15 K 8501/98, EFG 2001, S. 728. FG Köln, Urteil v. 22.01.2008 – 6 K 4264/04, EFG 2008, S. 1772. FG Köln, Urteil v. 09.09.2010 – 10 K 4059/07, EFG 2011, S. 329. FG München, Urteil v. 15.09.1992 – 12 K 2754/91, EFG 1992, S. 302. FG München, Urteil v. 25.04.1996 – 8 K 4090/93, EFG 1996, S. 962. FG München, Urteil v. 25.07.2000 – 7 K 2440/97, EFG 2000, S. 1191. FG Münster, Urteil v. 02.04.2012 – 4 K 4247/10 AO, EFG 2012, S. 1467. FG Nürnberg, Urteil v. 03.11.1977 – VI 104/76, EFG 1978, S. 206. FG Thüringen, Urteil v. 08.09.2005 – II 723/03, EFG 2007, S. 741. Niedersächsisches FG, Urteil v. 28.02.2007 – 2 K 710/04, EFG 2008, S. 49. Hessisches FG, Urteil v. 01.09.2010 – 10 K 381/08, EFG 2011, S. 443.

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Rechtsprechungsverzeichnis

BGH, Urteil v. 23.03.1959 – III ZR 207/57, BGHZ 30, S. 19. BGH, Urteil v. 06.11.1961 – III ZR 143/60, BGHZ 36, S. 144. BGH, Urteil v. 29.04.1963 – III ZR 6/62, NJW 1963, S. 1453. BGH, Beschluss v. 24.11.1988 – III ZR 86/88, NVwZ 1989, S. 287. BGH, Urteil v. 23.11.1995 – IX ZR 225/94, DStR 1996, S. 781. BGH, Urteil v. 28.09.2000 – IX ZR 6/99, NJW 2001, S. 146. BGH, Urteil v. 09.12.2004 – III ZR 263/04, BGHZ 161, S. 305. BGH, Urteil v. 20.10.2005 – IX ZR 127/04, DStRE 2006, S. 126. BGH, Urteil v. 04.11.2010 – III ZR 32/10, BGHZ 187, S. 286. OLG München, Urteil v. 22.01.1997 – 7 U 4544–96, NJW-RR 1999, S. 557. BVerwG, Urteil v. 24.04.1959 – VIII C 104.58, BVerwGE 8, S. 272. BVerwG, Urteil v. 25.06.1964 – VIII C 23.63, BVerwGE 19, S. 48. BVerwG, Urteil v. 13.05.1965 – II C 146.92, BVerwGE 21, S. 127. BVerwG, Urteil v. 26.04.1968 – VI C 113.67, BVerwGE 29, S. 310. BVerwG, Urteil v. 22.01.1969 – VI C 52.65, BVerwGE 31, S. 212. BVerwG, Urteil v. 25.02.1969 – I C 65.67, BVerwGE 31, S. 301. BVerwG, Urteil v. 10.12.1969 – VIII C 104.69, BVerwGE 34, S. 278. BVerwG, Urteil v. 17.04.1970 – VII C 60.68, BVerwGE 35, S. 159. BVerwG, Urteil v. 28.10.1970 – VI C 48.68, BVerwGE 36, S. 192. BVerwG, Urteil v. 26.11.1970 – VIII C 41.68, BVerwGE 36, S. 313. BVerwG, Urteil v. 26.11.1970 – VIII C 104.68, BVerwGE 36, S. 323. BVerwG, Urteil v. 29.04.1971 – II C 20.69, DÖV 1971, S. 748. BVerwG, Urteil v. 16.12.1971 – I C 31.68, BVerwGE 39, S. 197. BVerwG, Beschluss v. 20.03.1973 – I WB 217.72, BVerwGE 46, S. 89. BVerwG, Urteil v. 19.06.1974 – VIII C 89.73, BVerwGE, S. 197. BVerwG, Urteil v. 24.03.1977 – II C 14.75, BVerwGE 52, S. 193. BVerwG, Beschluss v. 18.11.1977 – VI CB 63.76, Buchholz 232, § 23 BBG Nr. 25. BVerwG, Urteil v. 17.02.1978 – I C 102.76, BVerwGE 55, S. 250. BVerwG, Urteil v. 01.03.1978 – VIII C 99.76, BVerwGE 55, S. 280. BVerwG, Urteil v. 26.04.1979 – 3 C 111.79, BVerwGE 58, S. 45. BVerwG, Beschluss v. 01.06.1979 – 6 B 33.79, NJW 1980, S. 75.

Rechtsprechungsverzeichnis BVerwG, Urteil v. 04.07.1979 – 8 C 3.79, BVerwGE 58, S. 181. BVerwG, Urteil v. 22.05.1980 – 2 C 30.78, BVerwGE 60, S. 144. BVerwG, Urteil v. 26.06.1980 – 2 C 8.78, BVerwGE 60, S. 245. BVerwG, Urteil v. 16.09.1980 – 1 C 52.75, BVerwGE 65, S. 15. BVerwG, Urteil v. 07.05.1981 – 2 C 5.79, DVBl. 1982, S. 195. BVerwG, Urteil v. 09.06.1983 – 2 C 34.80, BVerwGE 67, S. 222. BVerwG, Urteil v. 18.09.1984 – 1 A 4.83, BVerwGE 70, S. 127. BVerwG, Urteil v. 14.03.1985 – 5 C 145.83, BVerwGE 71, S. 139. BVerwG, Urteil v. 07.11.1985 – 5 C 29.82, BVerwGE 72, S. 195. BVerwG, Urteil v. 19.12.1985 – 7 C 65.82, BVerwGE 72, S. 300. BVerwG, Urteil v. 03.03.1987 – 1 C 16.86, BVerwGE 77, S. 75. BVerwG, Urteil v. 20.05.1987 – 7 C 83.84, BVerwGE 77, S. 268. BVerwG, Urteil v. 26.06.1987 – 8 C 6.85, BVerwGE 77, S. 352. BVerwG, Beschluss v. 15.09.1987 – 7 N 1.87, NVwZ 1988, S. 1119. BVerwG, Beschluss v. 15.02.1988 – 7 B 219.87, NVwZ 1988, S. 824. BVerwG, Urteil v. 18.03.1988 – 8 C 115.86, NVwZ 1988, S. 938. BVerwG, Urteil v. 15.02.1989 – 6 A 2.87, BVerwGE 81, S. 258. BVerwG, Urteil v. 25.01.1990 – 2 C 45.87, BVerwGE 84, S. 287. BVerwG, Urteil v. 10.11.1992 – 10 C 2.91, BVerwGE 91, S. 159. BVerwG, Urteil v. 26.11.1992 – 7 C 20.92, BVerwGE 91, S. 211. BVerwG, Urteil v. 26.02.1993 – 8 C 20.92, BVerwGE 92, S. 153. BVerwG, Beschluss v. 25.11.1993 – 5 N 1.92, BVerwGE 94, S. 335. BVerwG, Beschluss v. 10.01.1995 – 7 B 112.95, NVwZ 1995, S. 994. BVerwG, Beschluss v. 24.01.1995 – 1 WB 68.94, BVerwGE 103, S. 200. BVerwG, Urteil v. 02.03.1995 – 2 C 17.94, ZBR 1995, S. 238. BVerwG, Urteil v. 17.01.1996 – 11 C 5.95, NJW 1996, S. 1766. BVerwG, Urteil v. 26.01.1996 – 8 C 19.94, BVerwGE 100, S. 262. BVerwG, Beschluss v. 21.03.1996 – 7 B 165.95, juris. BVerwG, Urteil v. 08.04.1997 – 3 C 6.95, BVerwGE 104, S. 220. BVerwG, Urteil v. 28.10.1998 – 8 C 16.96, BVerwGE 107, S. 338. BVerwG, Urteil v. 20.12.1999 – 7 C 15.98, BVerwGE 110, S. 216. BVerwG, Urteil v. 21.06.2001 – 7 C 21.00, BVerwGE 114, S. 342.

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Rechtsprechungsverzeichnis

BVerwG, Beschluss v. 25.09.2002 – 1 WB 27.02, BVerwGE 117, S. 81. BVerwG, Urteil v. 21.08.2003 – 3 C 49.02, BVerwGE 118, S. 379. BVerwG, Urteil v. 17.06.2004 – 2 C 50.02, BVerwGE 121, S. 103. BVerwG, Urteil v. 25.11.2004 – 5 CN 1.03, BVerwGE 122, S. 264. BVerwG, Beschluss v. 10.01.2006 – 6 P 10.04, NVwZ-RR 2006, S. 325. BVerwG, Urteil v. 02.03.2006 – 2 C 3.05, BVerwGE 125, S. 85. BVerwG, Urteil v. 11.05.2006 – 5 C 10.05, BVerwGE 126, S. 33. BVerwG, Urteil v. 16.05.2007 – 3 C 8.06, BVerwGE 129, S. 27. BVerwG, Urteil v. 02.04.2008 – 6 C 15.07, BVerwGE 131, S. 41. BVerwG, Urteil v. 29.10.2009 – 7 C 22.08, NVwZ 2010, S. 321. BVerwG, Beschluss v. 28.09.2010 – 1 WB 41.09, BVerwGE 138, S. 40. BVerwG, Urteil v. 26.05.2011 – 2 C 8.10, NVwZ-RR 2011, S. 824. BVerwG, Urteil v. 03.11.2011 – 7 C 3.11, BVerwGE 141, S. 122. BVerwG, Urteil v. 15.11.2011 – 1 C 21.10, BVerwGE 141, S. 151. BVerwG, Urteil v. 23.11.2011 – 6 C 11.10, NVwZ 2012, S. 1047. BVerwG, Urteil v. 25.04.2012 – 8 C 18.11, BVerwGE 143, S. 50. BVerwG, Urteil v. 10.07.2012 – 7 A 11.11, BVerwGE 143, S. 249. BVerwG, Urteil v. 12.09.2013 – 5 C 33.12, NVwZ 2014, S. 305. BSG, Urteil v. 28.06.2000 – B 6 KA 26/99 R, BSGE 86, S. 223. OVG Berlin, Urteil v. 25.04.1975 – II B 86.75, JZ 1976, S. 402. OVG Berlin, Urteil v. 16.12.2004 – OVG 5 B 4.04, JZ 2005, S. 672. OVG Bautzen, Urteil v. 08.12.2004 – 5 B 111/03, KStZ 2005, S. 54. OVG Münster, Urteil v. 30.01.1976 – IV A 986/74, BB 1976, S. 1534. OVG Münster, Urteil v. 23.08.2011 – 8 A 2247/10, NWVBl. 2012, S. 117. VGH Mannheim, Beschluss v. 15.08.1972 – IV 1036/70, ESVGH 23, S. 90.

Verwaltungsvorschriftenverzeichnis BMF, Einkommensteuer-Richtlinien für das Kalenderjahr 1975 (EStR  1975) v. 14.04.1976, BStBl. I 1976, Sondernr. 2/1976. BMF, Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) v. 31.01.2014, BStBl. I 2014, S. 290. BMF, Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung (BpO  2000) v. 15.03.2000, BStBl. I 2000, S. 358. BMF, Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Steuerabzug vom Arbeitslohn (Lohnsteuer-Richtlinien 2001, LStR 2001) v. 11.10.2001, BStBl. I 2001, Sondernr. 1/2001, zuletzt geändert durch Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Lohnsteuer-Richtlinien 2004 (Lohnsteuer-Änderungsrichtlinien 2005 – LStÄR 2005) v. 21.10.2004, BStBl. I 2004, S. 965. BMF, Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Lohnsteuer-Richtlinien 2008 (Lohnsteuer-Änderungsrichtlinien 2011 – LstÄR 2011) v. 23.11.2010, BStBl. I 2010, S. 1325. BMF, Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Anwendung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts (Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011 – ErbStR 2011) v. 19.12.2011, BStBl. 2011, Sondernr. 1/2011. BMF, Schreiben v. 23.02.1978 – IV B 2 – S 2190 – 4/78, BB 1978, S. 434. BMF, Schreiben v. 15.03.1979 – IV B 2-S 2135–2/79, BStBl. I 1979, S. 162. BMF, Schreiben v. 28.07.1983 – IV B 2-S 2135–6/83, BStBl. I 1983, S. 383. BMF, Schreiben v. 31.08.1990 – IV B 3 – S 2253 a – 49/90, BStBl. I 1990, S. 366. BMF, Schreiben v. 16.09.1992 – IV A 7 – S 1551 – 103/92, BStBl. I 1992, S. 570. BMF, Schreiben v. 03.12.1992  – IV  A  7  – S  1551  – 122/92/IV  B  6  – S 2353  – 89/92, BStBl. I 1992, S. 734. BMF, Schreiben v. 20.03.1998 – IV B 2-S 2135–4/98, BStBl. I 1998, S. 356. BMF, Schreiben v. 14.05.1999 – IV C 6 – S 2742 – 9/99, BStBl. I 1999, S. 512. BMF, Schreiben v. 15.12.2000 – IV D 2 – S 1551 – 188/00, BStBl. I 2000, S. 1532. BMF, Schreiben v. 15.12.2000 – IV D 2-S 1551–188/00, B/2–2–337/2000-S 1551 A, S 1551– 88/00, BStBl. I 2000, S. 1532. BMF, Schreiben v. 23.02.2001 – IV A 6 – S 2241 – 8/01, BStBl. I 2001, S. 175. BMF, Schreiben v. 24.10.2001 – IV C 3-S 2253 a-15/01, BStBl. I 2001, S. 780. BMF, Schreiben v. 26.07.2002 – IV A 5 – S 2225 – 2/02, BStBl. I 2002, S. 667. BMF, Schreiben v. 29.11.2002 – IV C 3 – S 2253a – 95/02, BStBl. I 2002, S. 1388.

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Verwaltungsvorschriftenverzeichnis

BMF, Schreiben v. 05.08.2003 – IV A 6 – S 2241 – 81/03, BStBl. I 2003, S. 406. BMF, Schreiben v. 22.10.2003 – IV C 3 – S 2253 a – 48/03, BStBl. I 2003, S. 546. BMF, Schreiben v. 26.03.2004 – IV A 6 -S 2240- 46/04, BStBl. I 2004, S. 434. BMF, Schreiben v. 09.08.2004 – IV B 7-S 7233–29/04 u.a., BStBl. I 2004, S. 851. BMF, Schreiben v. 22.08.2005 – IV B 2 – S 2144 – 41/05, BStBl. I 2005, S. 845. BMF, Schreiben v. 11.07.2006 – IV B 2 – S 2144 – 53/06, BStBl. I 2006, S. 447. BMF, Schreiben v. 20.03.2007 – IV A 5 – S 7243/07/0002, BStBl. I 2007, S. 307. BMF, Schreiben v. 24.07.2008 – IV C 4 – S 2225/07/0006, BStBl. I 2008, S. 809. BMF, Schreiben v. 30.07.2008 – IV A 3 – S 223/07/10002 –, BStBl. I 2008, S. 831. BMF, Schreiben v. 09.12.2008 – IV B 9-S 7160-a/08/10001, UR 2009, S. 502. BMF, Schreiben v. 01.10.2010 – IV D 3 – S 7015/10/10002, BStBl. I 2010, S. 846. BMF, Schreiben v. 08.12.2010 – IV A 4-S 1547/0:001, 2010/0984804, BStBl. I 2010, S. 1344. BMF, Schreiben v. 11.11.2011 – IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, S. 1314. BMF, Schreiben v. 15.12.2011 – IV C 5-S 2334/11/10005, 2011/1005760, BStBl. I 2012, S. 56. BMF, Schreiben v. 21.12.2011 – IV C 6-S 2178/11/10001, 2011/0939512, BStBl. I 2012, S. 42. BMF, Schreiben v. 02.01.2012 – IV D 2-S 7300/11/10002, 2011/1014846, BStBl. I 2012, S. 60. BMF, Schreiben v. 02.01.2012 – IV D 3-S 7185/09/10001, 2011/1016375, BStBl. I 2012, S. 59. BMF, Schreiben v. 03.01.2012 – IV D 2-S 7100-b/11/10001, 2011/1037205, BStBl. I 2012, S. 76. BMF, Schreiben v. 17.01.2012 – IV A 3-S 0062/08/10007–12, IV C 4-S 0171/07/0038–007, 2012/0028954, BStBl. I 2012, S. 83. BMF, Schreiben v. 18.01.2012 – IV D 3-S 7117/11/10001, 2012/0037816, BStBl. I 2012, S. 139. BMF, Schreiben v. 19.01.2012  – IV  D  3-S  7117-a/10/10001, 2012/0038127, BStBl.  I  2012, S. 209. BMF, Schreiben v. 24.01.2012 – IV A 4-S 1547/0:001, 2012/0059852, BStBl. I 2012, S. 99. BMF, Schreiben v. 24.01.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016, 2011/1032913, BStBl. I 2012, S. 171. BMF, Schreiben v. 26.01.2012 – IV C 3-S 2221/09/10013:001, 2012/0061220, BStBl. I 2012, S. 169. BMF, Schreiben v. 30.01.2012 – IV A 3-S 0062/08/10007–13, 2012/0081070, BStBl. I 2012, S. 147. BMF, Schreiben v. 30.01.2012 – IV A 3-S 0160/11/10001, 2012/0081623, BStBl. I 2012, S. 149. BMF, Schreiben v. 06.02.2012 – IV D 3-S 7141/11/10003, 2012/0083517, BStBl. I 2012, S. 211. BMF, Schreiben v. 06.02.2012 – IV D 3-S 7134/12/10001, 2012/0111178, BStBl. I 2012, S. 212. BMF, Schreiben v. 23.02.2012 – IV C 5-S 2353/08/10007, 2012/0161821, BStBl. I 2012, S. 262. BMF, Schreiben v. 14.03.2012 – IV C 3-S 2257-b/11/10003, 2012/0232233, BStBl. I 2012, S. 311.

Verwaltungsvorschriftenverzeichnis

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BMF, Schreiben v. 14.03.2012 – IV C 4-S 2221/07/0012:012, 2012/0204082, BStBl. I 2012, S. 307. BMF, Schreiben v. 16.03.2012 – IV C 3-S 2497/10/10002, BStBl. I 2012, S. 314. BMF, Schreiben v. 21.03.2012 – IV D 2-S 7238/11/10001, 2012/0244719, BStBl. I 2012, S. 343. BMF, Schreiben v. 21.03.2012 – IV D 3-S 7185/09/10001–02, 2012/0234328, BStBl. I 2012, S. 344. BMF, Schreiben v. 28.03.2012 – IV D 3-S 7179/09/10003–04, 2012/0262442, BStBl. I 2012, S. 482. BMF, Schreiben v. 29.03.2012 – IV D 3-S 7183/11/10001, 2012/0268550, BStBl. I 2012, S. 483. BMF, Schreiben v. 02.04.2012 – IV D 3-S 7179/07/10006, 2012/0262344, BStBl. I 2012, S. 484. BMF, Schreiben v. 03.04.2012 – IV D 2-S 7100/07/10027, 2012/0282652, BStBl. I 2012, S. 486. BMF, Schreiben v. 03.04.2012 – IV C 2-S 2742/08/10001, 2012/0274530, BStBl. I 2012, S. 478. BMF, Schreiben v. 16.04.2012 – IV C 2-S 2750-a/07/10006, 2012/0339638, BStBl. I 2012, S. 529. BMF, Schreiben v. 24.04.2012 – IV D 2-S 7300/11/10002, 2012/0363470, BStBl. I 2012, S. 533. BMF, Schreiben v. 16.05.2012 – IV D 4-S 2232/0–01, 2012/0205152, BStBl. I 2012, S. 595. BMF, Schreiben v. 01.06.2012 – IV D 3-S 7141/11/10003–06, 2012/0464230, BStBl. I 2012, S. 619. BMF, Schreiben v. 05.06.2012  – IV  C  6-S  2133-b/11/10016, 2012/0492960, BStBl.  I  2012, S. 598. BMF, Schreiben v. 07.06.2012 – IV D 2-S 7300/07/10001:001, 2012/0479016, BStBl. I 2012, S. 621. BMF, Schreiben v. 19.06.2012 – IV D 3-S 7170/10/10012, 2012/0542896, BStBl. I 2012, S. 682. BMF, Schreiben v. 21.06.2012 – IV A 4-S 1544/09/10001–04, 2012/0529969, BStBl. I 2012, S. 626. BMF, Schreiben v. 02.07.2012 – IV D 2-S 7287-a/09/10004:003, 2012/0449475, BStBl. I 2012, S. 726. BMF, Schreiben v. 16.07.2012 – IV A 3-S 0361/12/10001, 2012/0653652, BStBl. I 2012, S. 686. BMF, Schreiben v. 25.07.2012 – IV D 2-S 7270/12/10001, 2012/0674543, BStBl. I 2012, S. 876. BMF, Schreiben v. 14.08.2012 – IV C 2-S 2743/10/10001:001, 2012/0652306, BStBl. I 2012, S. 874. BMF, Schreiben v. 15.08.2012 – IV A 3-S 0062/08/10007–14, 2012/0739221, BStBl. I 2012, S. 850. BMF, Schreiben v. 20.08.2012 – IV D 3-S 7177/07/10001–02, 2012/0765888, BStBl. I 2012, S. 877.

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BMF, Schreiben v. 24.08.2012 – IV C 2-S 2744/07/10001:002, 2012/0598111, BStBl. I 2012, S. 904. BMF, Schreiben v. 20.09.2012 – IV D 2-S 7203/07/10002:004, 2012/0857478, BStBl. I 2012, S. 944. BMF, Schreiben v. 24.09.2012 – IV D 2-S 7100/08/10004:004, 2012/0861413, BStBl. I 2012, S. 947. BMF, Schreiben v. 01.10.2012 – IV C 5-S 2353/08/10007, 2012/0899967, BStBl. I 2012, S. 942. BMF, Schreiben v. 09.10.2012 – IV C 1-S 2252/10/10013, 2011/0948384, BStBl. I 2012, S. 953. BMF, Schreiben v. 26.10.2012 – IV D 4-S 3104/09/10001, 2012/0980556, BStBl. I 2012, S. 950. BMF, Schreiben v. 06.11.2012  – IV  D  2-S  7124/12/10002, 2012/0952023, BStBl.  I  2012, S. 1095. BMF, Schreiben v. 13.11.2012 – IV D 2-S 7100/08/10007:003, 2012/1019723, BStBl. I 2012, S. 1169. BMF, Schreiben v. 14.11.2012  – IV  D  2-S 7200/08/10005, 2012/1041841, BStBl.  I  2012, S. 1170. BMF, Schreiben v. 15.11.2012  – IV  C  6-S  2177/10/10002, 2012/1038276, BStBl.  I  2012, S. 1099. BMF, Schreiben v. 20.11.2012  – IV  C  6-S  2137/09/10002, 2012/1045691, BStBl.  I  2012, S. 1100. BMF, Schreiben v. 21.11.2012  – IV  D  3-S  7103-a/12/10002, 2012/1056512, BStBl.  I  2012, S. 1229. BMF, Schreiben v. 27.11.2012 – IV C 3-S 2342/07/0001:126, 2012/1011899, BStBl. I 2012, S. 1226. BMF, Schreiben v. 30.11.2012  – IV  D  3-S  7117-c/12/10001, 2012/1099195, BStBl.  I  2012, S. 1230. BMF, Schreiben v. 05.12.2012  – IV B  2-S  2411/10/10003, 2012/0446006, BStBl.  I  2012, S. 1248. BMF, Schreiben v. 14.12.2012 – IV A 4-S 1547/0:001, 2012/1116775, BStBl. I 2012a, S. 1247. BMF, Schreiben v. 14.12.2012 – IV A 4-S 1547/0:001, 2012/1116775, BStBl. I 2012b, S. 1247. BMF, Schreiben v. 14.12.2012 – IV C 2 – S 2742/10/10001, BStBl. I 2013, S. 58. BMF, Schreiben v. 17.12.2012  – IV  D  3-S  7015/12/10001, 2012/1098419, BStBl.  I  2012, S. 1260. BMF, Schreiben v. 18.12.2012  – IV  D  3-S  7117-a/12/10001, 2012/1143976, BStBl.  I  2012, S. 1272. BMF, Schreiben v. 16.12.2013 – IV A 4-S 1547/13/10001–01, 2013/1137127, BStBl. I 2013, S. 1608. BMF, Schreiben v. 28.10.2014, – IV D 2-S 7243/07/10002–02, 2014/0935834, BStBl. I 2014, S. 1439.

Verwaltungsvorschriftenverzeichnis

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RdF, Schreiben v. 10.06.1940 – S 1105 – 9 III R, RStBl. 1940, S. 756. Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 16.11.2010 – z.B. Bay. Staatsministerium der Finanzen, 35-O 2120–002–42971/10, BStBl. I 2010, S. 1315. Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 15.12.2011 – z.B. Bay. Staatsministerium der Finanzen, 34-S 3104–0002–43 174/11, BStBl. I 2012, S. 48. Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 15.02.2012 – z.B. Niedersächsisches Finanzministerium, S 2334–4–3332, BStBl. I 2012, S. 480. Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 14.03.2012 – z.B. Bay. Staatsministerium der Finanzen, 34-S 3806–076–7165/12, BStBl. I 2012, S. 331. Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 19.06.2012 – z.B. Bay. Staatsministerium der Finanzen, 36-S 4518–001–20 630/12, BStBl. I 2012, S. 662. Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 02.11.2012 – z.B. Bay. Staatsministerium der Finanzen, 34-S 3812b-005–38 141/12, BStBl. I 2012, S. 1101. Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 23.11.2012 – z.B. Bay. Staatsministerium der Finanzen, 34-S 2334–022–38718/12, BStBl. I 2012, S. 1224. Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse v. 05.12.2012 – 34-S 3812a-021– 45 240/12, BStBl. I 2012, S. 1250. Berliner Senator für Finanzen, Erlass v. 12.04.1976 – III B 3 – S 1977 – 9/75, StuZBl Bln 1976, S. 763. Niedersächsischer Minister der Finanzen, Erlaß v. 17.12.1965  – S  2140  – 96  – 31  1, BStBl. II 1966, S. 34. OFD Berlin, Rundverfügung v. 29.03.1971 – St 221 – S 1977 – 6/70, StuZBl Bln 1971, S. 321. OFD  Hannover, Verfügung v. 02.06.2003  – S  7233  – 9  – StH  433, S  7233  – 6  – StO  354, UR 2004, S. 44. OFD München, Verfügung v. 21.12.1994 – S 2240 – 21/2 St 41, DB 1995, S. 118. OFD Münster, Verfügung v. 07.01.1991 – S 2230–17-St 12, DB 1991, S. 523.

Sachverzeichnis Abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen siehe Billigkeits­dispens AfA-Tabelle –– Bindungswirkung 95 –– Vertrauensschutz  212, 213, 219, 234 Amtshaftung –– als Rechtsfolge des Vertrauensschutzprinzips 228 –– Fehlinterpretation des Gesetzes  112 Änderungsinteresse –– der Verwaltung  210, 221, 235, 309 –– des Gesetzgebers  128, 137, 154 Anpassungsregelung siehe Übergangsrichtlinie Auskunft, verbindliche  26, 214, 226 Aussetzung des Verfahrens  336 Bauherrenerlass  23, 318 Beachtlichkeitsformel  107, 109, 324 Bestandsinteresse des Bürgers –– Gesetze  126, 131, 138, 145 –– Verwaltungsvorschriften  216, 222 Bestimmtheitsgrundsatz und Verwaltungsvorschriften  60, 89, 197 Beurteilungsspielraum –– gerichtliche Überprüfung  70 –– Konkretisierung von Typusbegriffen  90 –– Nichtanwendungserlass 116 –– normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift 75 –– Voraussetzungen 69 Billigkeitsdispens –– generelle Eignung für die Gewährung von Vertrauensschutz  280 –– Grundlagenbescheid für Steuerfestsetzung 292 –– Rechtsgrundlage 287 –– Rechtsschutzbegehren 333 –– verfassungskonforme Auslegung  284, 286

Billigkeitsrichtlinien  siehe Übergangsrichtlinien BMF-Schreiben –– Bund-Länder-Vereinbarung 81 –– Konkurrenzverhältnis zu Landesfinanzbehörden 179 –– Nichtanwendungserlass 109 –– Praxis der Übergangsregelungen  300 –– verfassungsrechtliche Zulässigkeit  80 Ermächtigungslehre, normative  69 Ermessen –– ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift  71, 104 –– fehlerhafte Ausübung  71, 324 Erstinterpretationsrecht –– prolongiertes 182 –– prozeduraler Spielraum  180 Faktisches Verwaltungshandeln –– als Vertrauenstatbestand  161 –– Erstinterpretationsspielraum 181 –– normähnliche Wirkungen  195 –– Normsetzung durch  204 Folgerichtigkeitsprinzip  135, 151, 232 Gesetzesanwendung 161 –– Modell der zweistufigen  50, 105, 177, 298 Gesetzesvorbehalt –– Außenrechtsetzung 45 –– demokratisch-rechtsstaatlicher 37 –– institutioneller 65 Gesicherte Rechtsauffassung –– Übergangsrichtlinien 307 –– Vertrauensschutz 208 Kontinuitätsgebot  120, 146 Koppelungsvorschriften 105 –– gerichtliche Überprüfung  106, 325 –– Übergangsrichtlinien 311

Sachverzeichnis Leistungsfähigkeitsprinzip 134 –– Billigkeitsdispens 286 –– Prinzip der Abschnittsbesteuerung  237 –– Übergangsregelungen 239 –– Umsatzsteuer 200 Nichtanwendungserlass  109, 226 –– § 176 I 1 Nr. 3 AO  262 –– Begriff 109 –– Bindungswirkung 115 –– Zulässigkeit 110 Parallelverfahren 333 Prinzip der Abschnittsbesteuerung –– objektives Nettoprinzip  236 –– periodenübergreifende Konkretisierung der Leistungsfähigkeit  237 –– Stichtagsregelung 239 –– Übergangsregelung 236 –– verfassungsrechtliche Maßgaben  128, 199, 236 Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive  36, 156 Rechtsfindungsprozess –– höchstrichterliche Rechtsprechung  183, 206, 222 –– Kompetenz zur Gewährung von Vertrauensschutz 270 –– Mandat der Exekutive zur außenwirk­ samen Rechtskonkretisierung  164 –– Rechtsstaatsprinzip 209 –– Zweigleisigkeit des Verfahrens  329 Rechtslage –– unklare  175, 260, 268 –– zweifelhafte  225, 307 –– zweischneidige Änderung  307 Rechtsverordnung –– Rechtssatzvorbehalt 39 –– Verhältnis zu Verwaltungsvorschriften  170 Rückwirkung, Gesetze –– echte  125, 130, 164, 173 –– unechte  126, 131 Rückwirkung, Verwaltungsvorschriften –– echte  199, 233 –– Übertragbarkeit der zu Gesetzen ergangenen Rückwirkungsdogmatik  193 –– unechte 233

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Schiffsfonds  213, 234 Steuerrechtsverhältnis –– Veröffentlichung von Verwaltungs­ vorschriften 190 –– vertrauenserzeugende Wirkung  164, 168 Stichtagsregelung  siehe Übergangsregelung Treu und Glauben –– Herleitung des Vertrauensschutzprinzips  122 –– Rechtsprechung des BFH  165, 205 –– sachliche Unbilligkeit  281 Typusbegriff 88 –– Beurteilungsspielraum 90 –– verfassungsrechtliche Zulässigkeit  89 –– Vertrauensschutz bei der Auslegung  224 Übergangsgerechtigkeit  231, 233, 286, 298, 313 –– und Übergangsrichtlinien  314 Übergangsregelung 228 –– als Rechtsfolge des Vertrauensschutzprinzips 228 –– Prinzip der Abschnittsbesteuerung  236 –– Stichtagsregelung 238 –– zeitliche Dimension  231 –– zeitlicher Anknüpfungspunkt  230 Übergangsrichtlinie –– Erlasskriterien 300 –– Erlasspflicht 298 –– gerichtliche Kontrolle  325 –– Rechtsnatur und Bindungswirkung  310 Umsatzsteuer 199 –– Leistungsfähigkeitsprinzip 200 Vertrauenstatbestand –– Entstehen und Entfallen  184 –– faktisches Verwaltungshandeln  161 –– rechtmäßige Verwaltungsvorschriften  168 –– rechtswidrige Verwaltungsvorschriften  171 Verwaltungspraxis –– antizipierte 50 –– Auslegung von Verwaltungsvorschriften  58 –– Entstehen des Vertrauenstatbestands  189

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Sachverzeichnis

–– Kenntnis des Vertrauenstatbestands  167, 177, 185 –– rechtmäßiges Vollzugsprogramm  49 Verwaltungsvorschrift –– Anspruch auf Erlass  60, 317, 328 –– Auslegung  57, 177, 319 –– ermessenslenkende  71, 104, 212 –– gesetzesvertretende 73 –– höchstrichterlich bestätigte  26, 206, 207, 211, 223 –– mittelbare Außenwirkung  47, 71, 74 –– norminterpretierende  66, 87, 211, 312 –– normkonkretisierende  73, 100 –– typisierende 91

–– –– –– ––

unmittelbare Außenwirkung  47, 90, 100 unveröffentlichte  188, 190 veröffentlichte  60, 185 Veröffentlichungspflicht  58, 114, 188

Wesentlichkeitstheorie  37, 43 –– organisationsrechtlicher Gesetzes­ vorbehalt 65 –– Übergangsrichtlinien 272 Zuständigkeit der Verwaltung zur Gewährung von Vertrauensschutz  270, 277 Zweigleisigkeit des Verfahrens  292, 293 –– prozessuale Aspekte  328