Vertrauen in die Wissenschaftskarriere: Eine empirische Studie zu den Qualifizierungswegen von Nachwuchswissenschaftlern [1. Aufl.] 978-3-658-27223-4;978-3-658-27224-1

Karrieren in der Wissenschaft gelten als nur schwer planbar. Manuela Tischler beleuchtet die Ressourcen und Rahmenbeding

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German Pages XIII, 342 [347] Year 2020

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Vertrauen in die Wissenschaftskarriere: Eine empirische Studie zu den Qualifizierungswegen von Nachwuchswissenschaftlern [1. Aufl.]
 978-3-658-27223-4;978-3-658-27224-1

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XIII
Einleitung (Manuela Tischler)....Pages 1-7
Forschungskontext und Forschungsperspektive (Manuela Tischler)....Pages 9-53
Theoretischer Rahmen und Forschungsstand (Manuela Tischler)....Pages 55-107
Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen (Manuela Tischler)....Pages 109-151
Fallporträts von Nachwuchswissenschaftler*innen (Manuela Tischler)....Pages 153-249
Wie Vertrauen wissenschaftliche Persönlichkeiten schafft (Manuela Tischler)....Pages 251-289
Fazit und Implikationen für die wissenschaftliche Nachwuchsausbildung (Manuela Tischler)....Pages 291-301
Back Matter ....Pages 303-342

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Wissenschaft – Hochschule – Bildung

Manuela Tischler

Vertrauen in die Wissenschaftskarriere Eine empirische Studie zu den Qualifizierungswegen von Nachwuchswissenschaftlern

Wissenschaft – Hochschule – Bildung Reihe herausgegeben von Meike Sophia Baader, Hildesheim, Deutschland Marion Kamphans, Hildesheim, Deutschland Svea Korff, Hildesheim, Deutschland Wolfgang Schröer, Hildesheim, Deutschland

National wie international sind Hochschulen und Wissenschaftssysteme in Bewegung geraten. Grund genug mit einer Buchreihe den Zusammenhang von Hochschulen als Wissenschafts- und Bildungsorganisationen mit Diskursen und Politiken sowie mit dem Erleben von Subjekten und ihren Interaktionen aus inter- und transdisziplinärer Perspektive kritisch in den Blick zu nehmen. Die Buchreihe „Wissenschaft – Hochschule – Bildung“ der HerausgeberInnen Meike Sophia Baader, Marion Kamphans, Svea Korff und Wolfgang Schröer vom Forschungscluster „Hochschule und Bildung“ der Stiftung Universität Hildesheim greift aktuelle Themen der empirischen Hochschul- und Bildungsforschung auf. In der Reihe erscheinen Monografien und Sammelbände mit Beiträgen, die auf unterschiedlichen theoretischen, empirischen und transdisziplinären Ansätzen basieren. Manuskriptangebote werden von den HerausgeberInnen der Reihe begutachtet und bei Annahme redaktionell betreut.

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/15771

Manuela Tischler

Vertrauen in die Wissenschaftskarriere Eine empirische Studie zu den Qualifizierungswegen von Nachwuchswissenschaftlern

Manuela Tischler Stabsstelle für Forschungsförderung und Wissenschaftlichen Nachwuchs Hochschule für angewandte Wissenschaften München München, Deutschland Das Buch wurde unter dem Titel ,,Karrieren unter Unsicherheit. Zur Rolle von Vertrauen auf dem wissenschaftlichen Qualifizierungsweg“ von der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln im November 2018 als Dissertation angenommen.

Wissenschaft – Hochschule – Bildung ISBN 978-3-658-27223-4 ISBN 978-3-658-27224-1  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-27224-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung...............................................................................................1 2 Forschungskontext und Forschungsperspektive .............................9 2.1 Karrierekonzepte für die Wissenschaft ...........................................10 2.1.1 Das personenorientierte Karrierekonzept von Hermanowicz ...12 2.1.2 Konzept der „Parallelkarrieren“ nach Gläser und Laudel ........13 2.1.3 Das „triadische“ Karrieremodell von Kahlert ............................14 2.1.4 Bourdieus Konzept des wissenschaftlichen Feldes .................14 2.1.5 Erweiterungsvorschläge für bestehende Karrieremodelle .......15 2.2 Statuspassagen auf dem akademischen Qualifizierungsweg ........16 2.2.1 Indikatorenmodell versus Phasenmodell .................................16 2.2.2 Die Promotionsphase ...............................................................18 2.2.3 Die Postdoc-Phase ..................................................................28 2.2.4 Wege zur Professur im Wandel ...............................................30 2.2.5 Geschlechterungleichheit im Qualifizierungsverlauf ................38 2.2.6 Akademische Qualifizierungswege außerhalb Deutschlands ..40 2.3 Charakteristika von Karrieren in der Wissenschaft .........................41 2.3.1 Risikohaftigkeit und Unplanbarkeit ...........................................41 2.3.2 Attraktivität einer Wissenschaftskarriere ..................................43 2.3.3 Langjähriger Qualifizierungsprozess in Abhängigkeit ..............44 2.4 Disziplinäre Verortung der Arbeit ....................................................46 2.4.1 Die Entstehung der Wissenschaftssoziologie ..........................46 2.4.2 Die institutionalistische Wissenschaftssoziologie .....................47 2.4.3 Die konstruktivistische Wende der Wissenschaftssoziologie ...48 2.4.4 Die Wissenschaftler*innen als Forschungsgegenstände .........49 2.4.5 Die Herstellung von Wissenschaftler*innen in der sozialen Praxis .......................................................................................52 3 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand ................................55 3.1 Konzepte Bourdieus zur Erforschung von Wissenschaftskarrieren 56 3.1.1 Bourdieus Beitrag zur Wissenschaftsforschung .......................56 3.1.2 Das wissenschaftliche Kräftefeld und seine zentralen Kapitalformen ...........................................................................57 3.1.3 Grenzen und Zugangskriterien zum wissenschaftlichen Feld ..60 3.1.4 Die Illusio im Wissenschaftsspiel .............................................61 3.1.5 Praktischer Sinn und Habitus im wissenschaftlichen Feld .......63 3.2 Die Konstruktion von wissenschaftlichen Persönlichkeiten ............67

VI

Inhaltsverzeichnis

3.2.1 Formelle und quantifizierbare Zugangskriterien zum wissenschaftlichen Feld ...........................................................70 3.2.2 Informelle, habituelle Kriterien zur Charakterisierung von wissenschaftlichen Persönlichkeiten ........................................71 3.2.3 Das Geschlecht als „magische Grenze“ für das Erreichen einer Machtposition im Wissenschaftsfeld ...............................74 3.2.4 Auf dem Weg zur wissenschaftlichen Persönlichkeit gilt: „Herkunft zählt (fast) immer“ ....................................................81 3.2.5 Geschlecht und soziale Herkunft im Wechselspiel ..................84 3.2.6 Die Rolle von Netzwerken und Fördernden auf dem Weg zur wissenschaftlichen Persönlichkeit ............................................86 3.3 Theoretische Zugänge: Vertrauen und Wissenschaftskarriere ......90 3.3.1 Die Ambivalenz von Vertrauen vor dem Hintergrund der ungleichen Machtverhältnisse im wissenschaftlichen Feld ......91 3.3.2 Die Wechselseitigkeit von Vertrauen zwischen Professor*innen und Nachwuchswissenschaftler*innen ..........96 3.3.3 Der implizite, praktische Vertrauensmodus auf dem wissenschaftlichen Karriereweg ...............................................99 3.3.4 Interpersonale und generalisierte Vertrauenserfahrungen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg ...............................102 4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen..................109 4.1 Der Forschungsstil der Grounded Theory ....................................110 4.1.1 Der iterativ-zyklische Forschungsprozess ..............................111 4.1.2 Die Arbeit mit sensibilisierenden Konzepten ..........................114 4.2 Stichprobeneingrenzung und Felderkundung ...............................115 4.2.1 Kriterien zur Stichprobeneingrenzung ....................................115 4.2.2 Felderkundung durch Gruppendiskussionen .........................124 4.2.3 Exkurs: Ergebnisse der Gruppendiskussionen mit Wissenschaftler*innen verschiedener Karrierestufen ............125 4.3 Biografische Interviews als Datenerhebungsinstrument...............135 4.3.1 Konzeption des Interviewleitfadens ........................................137 4.3.2 Theoretische Fallauswahl ......................................................140 4.4 Dateninterpretation nach dem Verfahren der Grounded Theory ..140 4.4.1 Offenes Kodieren ...................................................................141 4.4.2 Axiales Kodieren und Entwicklung eines Kodierparadigmas .143 4.4.3 Selektives Kodieren ...............................................................149 4.5 Gütekriterien gemäß der Grounded Theory .................................149 5 Fallporträts von Nachwuchswissenschaftler*innen ......................153

Inhaltsverzeichnis

5.1 Hanna: „Ich vertraue ihm, dass er an mich glaubt“ .......................153 5.1.1 Die Entscheidung für den wissenschaftlichen Karriereweg ...153 5.1.2 Vertrauenserfahrungen und förderliche Rahmenbedingungen .............................................................155 5.1.3 Von Karriereinvestitionen und der Selbstpräsentation als leistungsfähige Potenzialträgerin ...........................................158 5.1.4 Karrierevertrauen trotz Enttäuschung durch die Universität ..163 5.1.5. Ausblick .................................................................................166 5.2 Peter: „Und seitdem hänge ich an ihm sozusagen“ ......................167 5.2.1 Ein nichtlinearer Weg in die Wissenschaft .............................167 5.2.2 Vertrauenserschütternde interpersonale Erfahrungen ...........171 5.2.3 Die in Vertrauensbeziehungen liegende Bindungskraft .........176 5.2.4 Eine ambivalente, asymmetrische Vertrauensbeziehung ......180 5.2.5 Selbstpräsentation als „normaler“ Wissenschaftler ................183 5.2.6 Ausblick ..................................................................................187 5.3 Max: „Ich bin mir auch alleine genug” ...........................................188 5.3.1 Der Weg in die Wissenschaft .................................................188 5.3.2 Die Promotion in „Einsamkeit und Freiheit“ ............................190 5.3.3 Karriereinvestitionen und Erfolgserlebnisse auf dem Qualifizierungsweg .................................................................192 5.3.4 Selbstpräsentation als autonomer Wissenschaftler ...............195 5.3.5 Der erste wissenschaftliche Mentor im Karriereverlauf ..........199 5.3.6 Karriereaspirationen und Karriereplanung .............................204 5.3.7 Ausblick ..................................................................................207 5.4 Anton: „Also ich bin halt so ein Wettstreit-Typ.“ ............................208 5.4.1 Der Weg in die Wissenschaft .................................................209 5.4.2 Motivatoren, Unterstützung und Hindernisse auf dem bisherigen Qualifizierungsweg ...............................................212 5.4.3 Der patriarchale, unterstützende Doktorvater ........................216 5.4.4 Selbstpräsentation als resiliente Person, die den Wettstreit schätzt ....................................................................................219 5.4.5 Das wissenschaftliche Arbeitsethos .......................................223 5.4.6 Karriereaspirationen und zukünftige Karriereschritte .............225 5.4.7 Ausblick ..................................................................................227 5.5 Steffanie: „[Ich habe] Glück […], dass ich die Stelle bei Professor Support hab“.................................................................229 5.5.1 Vom „Hineinschlittern“ in den wissenschaftlichen Karriereweg ............................................................................229 5.5.2 Vom Glück der Unterstützung auf dem Qualifizierungsweg ...232

VII

VIII

Inhaltsverzeichnis

5.5.3 Vom Wandel der Arbeitsmoral ...............................................237 5.5.4 Anspruchshaltung, Selbstpositionierung und Erfolgskriterien für eine Wissenschaftskarriere ......................240 5.5.5 Karriereaspiration und Karriereplanung .................................244 5.5.6 Ausblick ..................................................................................248 6 Wie Vertrauen wissenschaftliche Persönlichkeiten schafft .........251 6.1 Fallübergreifende Betrachtung .....................................................252 6.1.1 Karriereaspirationen der Nachwuchswissenschaftler*innen ..253 6.1.2 Ursächliche Bedingungen und Indikatoren für die Existenz eines Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg ......256 6.1.3 Sonstige den bisherigen Qualifizierungsweg rahmende Faktoren .................................................................................264 6.1.4 Karrierestrategien der Nachwuchswissenschaftler*innen ......268 6.2 Generierung einer gegenstandsbezogenen Theorie zum Karrierevertrauen ..........................................................................275 6.2.1 Grounded Theory zum Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg ............................................................................276 6.2.2 Grenzen der generierten gegenstandsbezogenen Theorie ...288 7 Fazit und Implikationen für die wissenschaftliche Nachwuchsausbildung .....................................................................291 Literaturverzeichnis .............................................................................303 Anhang..................................................................................................329

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abgeschlossene Promotionen in Deutschland von 2000 bis 2015 ......................................................................................... 24 Abbildung 2: Abgeschlossene Promotionen in Deutschland nach Fächergruppen im Jahr 2016 ................................................... 25 Abbildung 3: Anzahl an Promovierten im internationalen Vergleich im Jahr 1999 und 2009 ................................................................. 27 Abbildung 4: Abgeschlossene Habilitationen von 2000 bis 2014.................. 31 Abbildung 5: Anzahl an Juniorprofessor*innen von 2002 bis 2014............... 34 Abbildung 6: Juniorprofessor*innen nach Fächergruppen im Jahr 2014 ...... 34 Abbildung 7: Frauenanteil im Qualifikationsverlauf ....................................... 39 Abbildung 8: Forschungsprozesses gemäß der Grounded Theory ............ 114 Abbildung 9: Kodierparadigma gemäß der Grounded Theory .................... 144 Abbildung 10: Kodierparadigma zum Phänomen „Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg“ .......................................... 145 Abbildung 11: Kernkategorien zum Phänomen „Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg“ .......................................... 253 Abbildung 12: Funktionale Zusammenhänge der Grounded Theory zum Karrierevertrauen von Nachwuchswissenschaftler*innen .... 277

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Nachwuchsgruppenleiter*innen nach Förderprogramm im Jahr 2014 ............................................................................................... 37 Tabelle 2: Frauenanteil im wissenschaftlichen Qualifizierungsverlauf ........... 38 Tabelle 3: Abgeschlossene Promotionen in Deutschland von 2000 bis 2015 ............................................................................................. 329 Tabelle 4: Abgeschlossene Promotionen in Deutschland nach Fächergruppen im Jahr 2016 ...................................................... 330 Tabelle 5: Abgeschlossene Habilitationen von 2007 bis 2016 ..................... 332 Tabelle 6: Anzahl an abgeschlossenen Habilitationen nach Fächergruppen in den Jahren 2014 und 2016 ........................................ 333 Tabelle 7: Anzahl an Juniorprofessor*innen von 2002 bis 2014 .................. 334 Tabelle 8: Nachwuchsgruppenleiter*innen nach Förderprogramm im Zeitverlauf von 2005 bis 2014 ..................................................... 335 Tabelle 9: Kriterien für die Auswahl der Fachdisziplinen ............................. 335

Abkürzungsverzeichnis BMBF

Bundesministerium für Bildung und Forschung

BuWiN

Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs

CHE

Centrum für Hochschulentwicklung

DFG

Deutsche Forschungsgemeinschaft

DZHW

Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung

ERC GEW

European Research Council (Europäischer Forschungsrat) Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft

GRK

Graduiertenkolleg

HRK

Hochschulrektorenkonferenz

iFQ

Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (Bis 2016; Jetzt Abteilung 2 "Forschungssystem und Wissenschaftsdynamik" des DZHW)

UniWiND

Universitätsverband zur Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland

WR

Wissenschaftsrat

WissZeitVG

Wissenschaftszeitvertragsgesetz

W1, W2, W3

Besoldungsgruppen für Professor*innen

1 Einleitung Wissenschaftler*innen zeichnen sich durch ihre innere Berufung, ihre Hingabe an die wissenschaftliche Arbeit, ihre Innovationsfähigkeit und ihr Vermögen, hart zu arbeiten, aus, wie Max Weber in seiner berühmten Rede „Wissenschaft als Beruf“ konstatiert (Weber [1919] 1968). Trotz der Leidenschaft, die man als Wissenschaftler*in mitbringen müsse, stellt Weber klar, dass „,Persönlichkeit‘ auf wissenschaftlichem Gebiet […] nur der [hat], der rein der Sache dient“ (Weber [1919] 1968: 485). Robert K. Merton verweist einige Jahrzehnte später darauf, dass sich wissenschaftliche Persönlichkeiten, wozu er Nobelpreisträger*innen zählt, insbesondere durch ihre ausgeprägte „Ich-Stärke“ 1 von der Masse abheben würden (Merton 1985). Forschungsarbeiten jüngeren Datums dagegen setzen die „Persönlichkeit“ der Wissenschaftler*innen nicht mehr als gegeben voraus, vielmehr postulieren sie, dass wissenschaftliche Persönlichkeiten das Produkt einer kollektiven Konstruktionsarbeit im wissenschaftlichen Feld sind (vgl. u.a. Engler 2001, Beaufaÿs 2003). Nicht die tatsächliche wissenschaftliche Leistung, sondern die Anerkennung derselben durch andere Wissenschaftler*innen in einer sozialen Praxis ist demnach die wesentliche Voraussetzung, um zur wissenschaftlichen Persönlichkeit „gemacht“ zu werden. Dieser Annahmen folgend wird in der vorliegenden Studie davon ausgegangen, dass sich Nachwuchswissenschaftler*innen durch die Akkumulation von wissenschaftlichem Kapital über mehrere Stationen auf eine „Wanderschaft“ von peripheren zu dominanten Positionen im wissenschaftlichen Feld begeben müssen. Jedoch werden die Noviz*innen nicht ausschließlich aufgrund ihrer wissenschaftlichen Leistung zu Anwärter*innen auf eine Position in ihrem fachwissenschaftlichen Feld, sondern erst dadurch, dass sie von den etablierten Akteuren als Potenzialträger*innen anerkannt werden. Die Grundlage für die Zuschreibung von Leistungsfähigkeit bilden Bewertungskriterien, die im wissenschaftlichen Feld selbst ausgehandelt werden, wobei im Aushandlungsprozess insbesondere die Professor*innen, da sie die meiste Macht im Feld besitzen, ihren Einfluss geltend machen können. In diesem Zuschreibungsprozess kommt sozialen Faktoren neben formalen Kriterien, wie z.B. einem erfolgreichen Promotionsabschluss, eine bedeutende Rolle zu. Ein Eindruck, den bereits Weber hatte und der ihn zu der Schlussfolgerung brachte, dass auf dem Weg zur Professur ein „wilder Hazard“ (Weber [1919] 1968) herrsche. Auch die Ergebnisse einschlägiger wissenschaftssozio1 „Ich-Stärke“ ist definiert als „Leistungsfähigkeit des Ichs bei der Anpassung an die soziale Wirklichkeit und bei der Verarbeitung von Belastungen“ (Spektrum 2000).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Tischler, Vertrauen in die Wissenschaftskarriere, Wissenschaft – Hochschule – Bildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27224-1_1

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1 Einleitung

logischer Studien untermauern die Einschätzung, dass für eine Karriere in der Wissenschaft auch soziale Bedingungen, wie eine gute Vernetzung in der Scientific Community, die Unterstützung durch akademische Lehrer*innen und auch die Bedeutung von habituellen Übereinstimmungen nicht außer Acht zu lassen sind (vgl. u.a. Beaufaÿs 2003, Matthies 2005). Demnach wird die Chance, eine Erfolgsposition in der Wissenschaft zu erreichen, nicht ausschließlich durch transparente Leistungskriterien determiniert. Zudem verschlechtert sich das Chancenverhältnis von Stelleninteressent*innen zu verfügbaren Stellen mit steigender Karrierestufe zunehmend. Weiterhin verlaufen Karrierewege in der Wissenschaft nur selten geradlinig und „lückenlos“, auch Phasen der Arbeitslosigkeit sind nicht selten Begleiter auf dem akademischen Qualifizierungsweg. Aufgrund dieser Eigenheiten gelten wissenschaftliche Karrieren als unsicher und nur schwer planbar. Was man daher als Nachwuchswissenschaftler*in mitbringen muss, ist die Bereitschaft, sich auf diesen langen und unsicheren Weg, den „peregrinatio academica“ (Irrgang 2002) einzulassen. Zwar wird die Unsicherheit des Karrierewegs durch die Nachwuchswissenschaftler*innen in ihrem wissenschaftlichen Alltag meist nicht bewusst reflektiert und positiv gesprochen kann von einer „naiven Zuversicht“ in den positiven Fortgang der Karriere ausgegangen werden. Nichtsdestotrotz belegen wissenschaftliche Studien, welche die Aspirant*innen direkt mit der Thematik konfrontiert haben, dass das Unsicherheitsempfinden der meisten Befragten in Bezug auf ihre zukünftigen Karriereaussichten sehr ausgeprägt ist (Höge et al. 2012). Wie die Nachwuchswissenschaftler*innen die Karriereunsicherheit bewältigen, stellt Höge et al. (2012) zufolge jedoch ein Forschungsdesiderat dar (ebd.: 170). Insbesondere auch vor der Prognose Reichertz‘, dass „[z]ukünftige Karrieren von Wissenschaftlern individueller und unsicherer ausfallen“ (Reichertz 2003: 364) werden, erscheint es daher plausibel, einen Blick auf die Ressourcen und Rahmenbedingungen zu werfen, die den Aspirant*innen dabei helfen, mit der karrierewegsspezifischen Unsicherheit umzugehen. Eben dies ist die zentrale Intention der vorliegenden Studie. Die forschungsleitende Annahme der vorliegenden Arbeit ist, dass Vertrauen für die Nachwuchswissenschaftler*innen als Ressource fungiert, um die Unsicherheit auf dem akademischen Qualifizierungsweg tolerieren zu können. Konkret ist damit das Vertrauen der Akteure in den wissenschaftlichen Karriereweg gemeint, ihr Vertrauen darin, dass sie ihr angestrebtes Karriereziel erreichen können. Weiterhin wird angenommen, dass die Nachwuchswissenschaftler*innen nur unter bestimmten Bedingungen ein Karrierevertrauen entwickeln

1 Einleitung

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können und als Folge davon ihre Karriereinvestitionen wie auch Karriereaspirationen anpassen. Ziel der Arbeit ist es, einer iterativ-zirkulären Forschungslogik folgend eine gegenstandsbezogene Theorie zum Karrierevertrauen für das wissenschaftliche Feld zu entwickeln. Die zentralen forschungsleitenden Fragen der Studie sind: § Welche Vertrauens- und bzw. oder Misstrauenserfahrungen machen Nachwuchswissenschaftler*innen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg? Wie entstehen sie und wie manifestieren sie sich? § Inwiefern führen diese Vertrauens- und bzw. oder Misstrauenserfahrungen zum Entstehen eines Vertrauens der Nachwuchsakteure in den wissenschaftlichen Karriereweg? Und welche (Kontext)Faktoren wirken darüber hinaus intervenierend auf den Vertrauensbildungsprozess? § Wie unterscheiden sich die Karrierestrategien, d.h. die karriererelevanten Investitionen und Modi der Selbstpräsentation der Nachwuchswissenschaftler*innen, in Abhängigkeit von ihren Vertrauens- bzw. Misstrauenserfahrungen sowie in Abhängigkeit von der Ausprägung ihres Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg? § Inwiefern unterscheiden sich die angestrebten Karriereziele und karrierebezogenen Anspruchshaltungen der Nachwuchswissenschaftler*innen in Abhängigkeit von ihren Vertrauens- bzw. Misstrauenserfahrungen, ihren Karrierestrategien und auch der Ausprägung ihres Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg? Hinsichtlich der methodischen wie auch disziplinären Verortung ist die Arbeit als qualitativ-empirische Forschungsarbeit angelegt, die sich am Forschungsstil der Grounded Theory nach Glaser und Strauss (1967) orientiert. Als zentraler theoretischer Rahmen fungiert Bourdieus Konzept der sozialen Felder, insbesondere des wissenschaftlichen Feldes. Die Theorie wird zudem angereichert bzw. verknüpft mit soziologischen Vertrauenstheorien, insbesondere von Martin Hartmann, Martin Endreß, wie auch Anthony Giddens. Die Studie liefert einen Beitrag zur konstruktivistischen, empirischen Wissenschaftssoziologie. Demnach folgt sie dem Verständnis, dass Forschungsgegenstände ebenso wie die forschenden Subjekte selbst nicht losgelöst von der sozialen Praxis, in die sie eingebettet sind, verstanden werden können. Die Arbeit ist weiterhin als Beitrag zur soziologischen Vertrauensforschung zu verstehen

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1 Einleitung

und verfolgt den Anspruch, Elemente soziologischer Vertrauenstheorien auf den Untersuchungsgegenstand „Wissenschaftskarrieren“ anzuwenden und dadurch einer empirischen Überprüfung zu unterziehen. Demzufolge liefert sie auch neue Erkenntnisse für die soziologische Karriereforschung. Zwar stehen klassische Ungleichheitsdimensionen, wie z.B. das Geschlecht, oder die soziale Herkunft, nicht im Zentrum der vorliegenden Studie, nichtsdestotrotz trägt die Arbeit auch zur soziologischen Ungleichheitsforschung bei. Weiterhin ist die Arbeit nicht als feldanalytische „Fachkulturstudie“ zu begreifen und verfolgt nicht dezidiert das Ziel, die fachspezifischen Unterschiede wissenschaftlicher Karrieren in den Analysefokus zu stellen. Nichtsdestotrotz stellen sowohl die disziplinäre Verortung, das Geschlecht, als auch die soziale Herkunft der Nachwuchswissenschaftler*innen wichtige Kontroll- bzw. differenzgenerierende Variablen dar und werden bei der Analyse stets mitgedacht und mitberücksichtigt, wenngleich sie auch nicht ins Zentrum der Erörterung gestellt werden. Die vorliegende Arbeit ist im Rahmen des Verbundprojektes „Vertrauen und Wissenschaftlicher Nachwuchs (VWiN): Einfluss von Vertrauen auf Karrierebedingungen, Karriereentwicklungen und Karriereverläufen von Wissenschaftlichem Nachwuchs innerhalb der Hochschule“ entstanden, das von 2013 bis 2016 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)2 gefördert wurde. Die Dissertation ist im Kölner Teilprojekt 34 verortet, dessen Forschungsschwerpunkt auf Fragen danach liegt, wie Nachwuchswissenschaftler*innen Vertrauen in ihrer Bildungs- und Berufsbiographie erleben und bewerten. Zur Datenerhebung wurde ein Mixed-Methods-Design genutzt, bestehend aus berufs- und bildungsbiographischen Interviews mit Nachwuchswissenschaftler*innen (beide Teilprojekte), leitfadengestützten Experteninterviews mit Professor*innen und Expert*innen der institutionalisierten Nachwuchsförderung (Bochumer Teilprojekt) sowie einer quantitativen, deutschlandweiten OnlineBefragung von Professor*innen (Kölner Teilprojekt). Als Datengrundlage für die vorliegende Studie fungiert ausschließlich erstgenannter Datentypus. Für die Beantwortung der Fragestellungen wurden die Disziplinen BWL, Geschichte und Physik selektiert, da diese, so die Annahme des Forschungsteams, der 2 FKZ: 16FWN002/003 im Programm „Forschung zu Karrierebedingungen und Karriereentwicklung des Wissenschaftlichen Nachwuchses“ des BMBF. 3 Die Projektleitung lag bei Professorin Dr. Julia Reuter und die operative Ausführung wurde von Dr. Oliver Berli, Manuela Tischler, Bernd Hammann, Christina Auffenberg und Dr. Anke Clasen realisiert. 4 Im Bochumer Teilprojekt, das von Professor Dr. Heiner Minssen geleitet und operativ von Dr. Caroline Richter und Christina Reul unter Mitarbeit von Lisa Severing ausgeführt wurde, standen Fragen der Gestaltung und Wirkung von Institutionen und Instrumenten der Nachwuchsförderung im Analysefokus.

1 Einleitung

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vorliegenden Forschungsliteratur zufolge (Burren 2010; Hermanowicz 1998, 2009; Knorr-Cetina 1984; Weber 1984) hinreichend Unterschiede in Bezug auf ihre Karrierekulturen erwarten ließen. Der Aufbau der Arbeit stellt sich wie folgt dar: In Kapitel 2 wird der Forschungskontext und die der Arbeit zugrundeliegende Forschungsperspektive erläutert. Zunächst werden verschiedene Ansätze vorgestellt, die sich der Frage widmen, wie man eine „wissenschaftliche Karriere“ konzeptionell fassen kann, um im daran anschließenden Unterkapitel die einzelnen Qualifizierungsphasen, von der Promotions- hin zur Postdoc-Phase, näher zu erläutern und mit zentralen statistischen Kennzahlen zu vermessen. Unterkapitel 2.2 schließt mit einer Darstellung der aktuell existierenden Wege zur Professur in Deutschland, wobei neben der Habilitation auch auf neuere Stellenkategorien, wie die Juniorprofessur und die Nachwuchsgruppenleitung, eingegangen wird. Da den Forschungskontext das deutsche Wissenschaftssystem bildet, werden darauffolgend die Besonderheiten von wissenschaftlichen Karrieren in Deutschland thematisiert wie auch zentrale Begrifflichkeiten für das Forschungsfeld geklärt. Im letzten Unterkapitel wird die Forschungstradition vorgestellt, die sich die Erforschung des Wissenschaftssystems zur Kernaufgabe gemacht hat: die Wissenschaftssoziologie, welche auch die forschungsleitende Perspektive dieser Arbeit bildet. Zunächst wird der Entwicklungs- und Ausdifferenzierungsprozess der konstruktivistischen wissenschaftssoziologischen Strömung nachgezeichnet, um darauffolgend eine perspektivische Verortung der vorliegenden Studie vorzunehmen. Im dritten Kapitel wird der theoretische Rahmen der Studie erläutert und der Forschungsstand zur Konstruktion von wissenschaftlichen Persönlichkeiten zusammengefasst. Weiterhin wird ein Vorschlag unterbreitet, wie (soziologische) Vertrauenstheorien zur Erforschung von Wissenschaftskarrieren fruchtbar gemacht werden können. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu hat sich mit den Funktionsweisen und Besonderheiten des Wissenschaftssystems eingehend beschäftigt und sein Konzept der sozialen Felder auch auf das wissenschaftliche Feld angewandt. Mit seinen wissenschaftstheoretischen wie auch methodologischen Arbeiten stellt Bourdieu eine Art „Werkzeugkasten“ zur Analyse von Wissenschaftskarrieren bereit, der im Rahmen dieser Studie gewinnbringend genutzt wird. In Unterkapitel 3.1 werden zunächst sowohl Bourdieus zentrale Werke im Bereich Wissenschaftsforschung vorgestellt als auch seine wesentlichen Konzepte erläutert. Insbesondere Bourdieus Konzept des wissenschaftlichen Feldes, der Illusio, des praktischen Sinns und des Habitus sowie sein relationaler Denkansatz sind dabei richtungsweisend. In Unterkapitel 3.2

6

1 Einleitung

wird der Forschungsstand zur konstruktivistischen, insbesondere der feldanalytischen, wissenschaftssoziologischen Karriereforschung vorgestellt. Im Rahmen dessen werden Ergebnisse aus empirischen Studien zu den Wirkungsweisen von zentralen Ungleichheitsvariablen, wie dem Geschlecht, der sozialen Herkunft sowie der Existenz von sozialen Netzwerken und Fördernden, auf dem Weg zur wissenschaftlichen Persönlichkeit diskutiert. Um den Fragestellungen der vorliegenden Studie umfassend nachgehen zu können, wird neben den Konzepten Bourdieus auch auf theoretische Zugänge zum Phänomen „Vertrauen“ zurückgegriffen, welche in Unterkapitel 3.3 dargelegt werden. Insbesondere die theoretischen Arbeiten des Vertrauensforschers Martin Hartmann und der Soziologen Martin Endreß und Anthony Giddens sind dabei richtungsweisend. Aspekte, wie die Ambivalenz von Vertrauen, die Wechselseitigkeit des Phänomens wie auch die verschiedenen Modi zu vertrauen, werden dabei thematisiert. Weiterhin werden verschiedene Bezugsebenen des Vertrauens und dementsprechend unterschiedliche Wege des Vertrauensaufbaus erörtert. Alle Beschreibungsmerkmale werden stets in Verbindung mit dem Untersuchungsgegenstand „Wissenschaftskarrieren“ gebracht und auf ihn übertragen. Das verdichtete theoretische Vorwissen wird im weiteren Forschungsprozess als sensibilisierendes Konzept (vgl. Blumer 1954) genutzt. Im vierten Kapitel werden sowohl die methodischen Grundlagen als auch das Forschungsdesign der Studie vorgestellt. Zunächst wird in Unterkapitel 4.1 der Forschungsstil der Grounded Theory nach Glaser und Strauss (1967), an dem sich die vorliegende Arbeit orientiert, präsentiert. Nachdem der Ablauf des iterativ-zyklischen Forschungsprozesses beschrieben wurde, wird in Unterkapitel 4.2 sowohl die empirische Datenbasis als auch das schrittweise Verfahren des theoretischen Samplings erläutert. In einem Exkurs werden kurz die zentralen Ergebnisse der Gruppendiskussionen mit Wissenschaftler*innen unterschiedlicher Karrierestufen vorgestellt, die zur Erkundung des Untersuchungsfeldes geführt wurden. Die Erkenntnisse daraus waren grundlegend für das Konzipieren und Führen der bildungs- und erwerbsbiografischen Interviews mit Nachwuchswissenschaftler*innen, die das zentrale Datenerhebungsinstrument der vorliegenden Studie bilden (vgl. Unterkapitel 4.3). Im Unterpunkt 4.4 wird der stufenweise, iterative Prozess der Dateninterpretation gemäß der Grounded Theory erörtert. Angefangen wird mit dem offenen Kodieren, gefolgt vom axialen Kodieren und der Entwicklung eines Kodierparadigmas bis hin zum selektiven Kodieren. Das Kapitel schließt mit einer Diskussion über zentrale Gütekriterien gemäß der Grounded Theory ab. Kapitel 5 widmet sich der interpretativ-rekonstruktiven Analyse von fünf ausgewählten Interviews mit Nachwuchswissenschaftler*innen verschiedener

1 Einleitung

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Karrierestufen und Fachdisziplinen und präsentiert die zentralen Ergebnisse in Form von Einzelfallporträts. Die selektierten Fälle stellen in Bezug auf zentrale Schlüsselkategorien der vorliegenden Studie Kontrastfälle dar. Darüber hinaus unterscheiden sich die Fälle nach personenbezogenen Merkmalen, wie dem Geschlecht, der Fachzugehörigkeit sowie der momentanen Karrierephase. In Kapitel 6 wird eine systematische Fallkontrastierung der in Kapitel 5 porträtierten Wissenschaftler*innen vorgenommen, um daran anschließend Elemente einer gegenstandsbezogenen Karrieretheorie unter vertrauensrelevanten Aspekten herauszuarbeiten. In Unterkapitel 6.1 werden dazu zunächst die fünf Fälle anhand der theoretischen Kerndimensionen miteinander in Kontrast gesetzt, um wesentliche Gemeinsamkeiten und auch Unterschiede herauszuarbeiten. Darauffolgend wird in Unterkapitel 6.2 von den Einzelfällen abstrahiert, um eine Grounded Theory zum Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg zu generieren. Kapitel 7 resümiert die zentralen Befunde der Arbeit und stellt, basierend auf den zentralen Erkenntnissen der vorliegenden Studie, Implikationen für die Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Nachwuchsausbildung in Deutschland vor.

2 Forschungskontext und Forschungsperspektive Dieses Kapitel zielt darauf ab, den Leser bzw. die Leserin mit den Besonderheiten von Karrieren in der Wissenschaft vertraut zu machen. Dazu werden zunächst unterschiedliche Konzeptualisierungsvorschläge der „wissenschaftlichen Karriere“ vorgestellt, um im Anschluss daran detailliert auf die einzelnen Statuspassagen auf dem akademischen Qualifizierungsweg einzugehen. Im Rahmen dessen werden einerseits die aus wissenschaftspolitischer Perspektive zentralen Qualifizierungsziele der jeweiligen Phase benannt; andererseits wird, um eine Einordnung der quantitativen Relevanz zu ermöglichen, sowohl die jeweilige Anzahl an Personen, die einen Qualifikationsschritt absolviert haben, als auch die Zusammensetzung der Personengruppe nach Geschlecht und Fachzugehörigkeit dargestellt. Auch die deutschlandspezifische Problematik, die die quantitative Erfassung von Personen betrifft, die sich noch im Promotionsprozess befinden, wird kurz thematisiert. Weiterhin werden im folgenden Kapitel wissenschaftspolitisch initiierte Reformen der wissenschaftlichen Nachwuchsausbildung präsentiert, die in den letzten Jahren bereits teilweise umgesetzt wurden oder sich noch im Implementierungsprozess befinden. Für die Promotionsphase nimmt dabei die Erweiterung der Wege zur Promotion um strukturierte Formate, z.B. Graduiertenschulen oder Graduiertenkollegs, einen zentralen Stellenwert ein. Für die Postdoc-Phase lässt sich vor allem die Entstehung neuer Stellenkategorien (z.B. Juniorprofessur, Nachwuchsgruppenleitung) anführen, die ebenso neue Chancen wie auch Herausforderungen für die Nachwuchswissenschaftler*innen mit sich bringen. Die wissenschaftspolitische Perspektive auf die deutschen Besonderheiten der wissenschaftlichen Nachwuchsausbildung wird im Anschluss um wesentliche Beschreibungsmerkmale und Besonderheiten von Karrieren in der Wissenschaft ergänzt, denn Karriereschritte, Erfolgskriterien und - chancen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg sind nicht identisch mit anderen Tätigkeitsfeldern. Ferner werden in diesem Kapitel gängige Begrifflichkeiten im Forschungsfeld „Wissenschaftskarrieren“ kritisch diskutiert. Kapitel 1 schließt mit einem Abriss über den Ausdifferenzierungsprozess der wissenschaftstheoretischen Perspektive, in deren Tradition sich die vorliegende Arbeit verortet. Ziel dieses Vorgehens ist es, dem Leser bzw. der Leserin zu ermöglichen nachzuvollziehen, worin die Besonderheit der Art und Weise liegt, den Forschungsgegenstand zu betrachten und zu analysieren.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Tischler, Vertrauen in die Wissenschaftskarriere, Wissenschaft – Hochschule – Bildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27224-1_2

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2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

2.1 Karrierekonzepte für die Wissenschaft „Karriere ist der Lebensmittelpunkt, höchstes Ziel und Kulmination all unserer Anstrengungen. Sie scheint der mächtigste Gott unserer Zeit“ (Blask 2003: 72). In den letzten Jahren haben sich die Arbeitsbedingungen und Anforderungen an die Wissenschaftler*innen in Deutschland deutlich verändert. So kommen Funken et al. (2015) auf Grundlage ihrer Befragung von zwanzig 30-40-jährigen Wissenschaftler*innen zu dem Befund, dass eine Tätigkeit in der Wissenschaft zunehmend als „Karrierejob“ (ebd.: 225; 228) wahrgenommen wird. Demnach stehen die Nachwuchswissenschaftler*innen „nunmehr vor dem Dilemma, ,philosophischer Kopf‘ und ,unternehmerisches Selbst‘ zugleich sein zu müssen“ (ebd.: 225). Baruch und Hall (2004) begreifen die „wissenschaftliche Karriere“ als einen Prototypus für eine „protean career“ (Baruch und Hall 2004; Hall 2004). Darunter verstehen die Autor*innen eine Karriereform, die den Entwicklungen einer stärkeren Marktorientierung der Universitäten Rechnung trägt, denn dadurch kommt es dazu, dass „traditionelle Karrieren, die sich vor allem durch einen organisationsinternen kontinuierlichen und relativ sicheren Aufstieg in ein und derselben Organisation charakterisieren lassen, abgelöst werden durch andere Karriereformen. Diese Karriereformen zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie in geringerem Maße durch die Organisation, sondern verstärkt durch das Individuum selbst gesteuert werden (müssen). […] Proteische Karrieren lassen sich deshalb auch als flexibel, selbstgesteuert, aber gleichzeitig auch wertegeleitet beschreiben“ (Höge et al. 2012: 160). Der Begriff der „wissenschaftlichen Karriere“ als solches ist jedoch nicht eindeutig definiert und damit unscharf. So werden unter diesem Sammelbegriff meist verschiedene, parallel verlaufende Karrierepfade zusammengefasst. Denn im Rahmen eines akademischen Werdegangs durchläuft man nicht nur verschiedene Positionen innerhalb derselben sowie zwischen verschiedenen Organisationen (Universitäten, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen), sondern begibt sich auch auf eine „Wanderschaft“, die einen über verschiedene soziale Positionen in einem fachwissenschaftlichen Feld führt. Im folgenden Zitat eines Wissenschaftlers, der im Rahmen einer empirischen Studie interviewt wurde, wird ersichtlich, dass eine Vielzahl von Betrachtungsmöglichkeiten und Verwendungsweisen des Begriffs der „wissenschaftlichen Karriere“ existiert.

2.1 Karrierekonzepte für die Wissenschaft

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„,[E]s gibt eine absolute Karriere, sagen wir mal so, die sich misst am wissenschaftlichen Ergebnis, das, würde ich sagen, vielleicht nicht mal verstanden wird und auch vielleicht erst in hundert Jahren erkannt wird, […]. Das, würde ich sagen, ist die absolute wissenschaftliche Karriere, dass man etwas kreativ erkennt, und das andere ist natürlich, wie soll ich sagen, die Hierarchieleiter ist die andere Karriere, wobei das eine natürlich für mich wichtiger ist als die Hierarchiekarriere‘“(Beaufaÿs 2003: 221). Oft wird der Begriff „Karriere“ mit einem stabilen „Muster von klar definierten Aufstiegspositionen“ (Hartmann 2003:159) assoziiert, wobei Stagnationsphasen ebenso wie Abwärtsbewegungen in Bezug auf die Position meist ausgeblendet werden. In der Wissenschaft ist das „Exklusionsrisiko, dass man im Prinzip auf jeder Stufe der Nachwuchsleiter auch wieder einbrechen kann, dass es nicht nur eine graduelle Differenz von oben nach unten, sondern auch von drinnen nach draußen gibt, […] [aber] prinzipiell hoch“ (Enders: 2003: 257). Daher schlägt Enders vor, in der Wissenschaft von „,gemachte[n]‘ Karrieren auszugehen, deren Muster einem Flickwerk gleichen“ (ebd.: 257), statt über „Laufbahnen“ zu sprechen. Des Weiteren oder zudem besteht Unklarheit darüber, wann wissenschaftliche Karrieren eigentlich beginnen (Kahlert 2013: 17; Berli 2016: 354). Im Gegensatz dazu herrscht aber Einigkeit darüber, wo sie im „Normalfall“ gipfeln (sollten): in der unbefristeten Professur, am besten W3 (Berli 2016: 354). Funken et al. (2015) konstatieren für das heutige wissenschaftliche Karrieresystem: „Mehr noch als früher kennt die wissenschaftliche Karriere, trotz gegenteiliger Reformbemühungen, nur einen Orientierungspunkt: die Professur. Eine unbefristete Anstellung in der Wissenschaft ist derzeit ohne den Professorentitel praktisch nicht zu bekommen“ (Funken et al. 2015: 101). Die Autor*innen sprechen in diesem Zusammenhang von einer „Zuspitzung der Monodirektionalität“ (ebd.: 101), was auch die Hochschulrektorenkonferenz (2014) und der Wissenschaftsrat (2014: 7) kritisch anmerken. Wenn man das Erreichen einer sicheren Dauerstelle als zieldefinierend ansieht, so stellt die unbefristete akademische Ratsstelle zumindest ein mögliches Karriereziel einer

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2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

wissenschaftlichen Laufbahn dar, obgleich sie von der wissenschaftlichen Gemeinschaft weniger unter dem Terminus „Karriere“ gehandelt wird und daher mit weniger Reputation und Prestige einhergeht. Deswegen empfiehlt der Wissenschaftsrat (2014) mit der „Monodirektionalität“ zu brechen und die wissenschaftliche Mitarbeiterstelle so umzugestalten, dass auch sie ein Karriereziel darstellen kann (WR 2014: 10). Um die Attraktivität der Position als Karriereziel zu steigern, muss, dem Wissenschaftsrat zufolge, die Stelle einerseits unbefristet, andererseits angemessen entlohnt sein, sowie Raum für Weiterentwicklung und Unabhängigkeit bieten (ebd.: 10)5. Weiterhin empfiehlt der Wissenschaftsrat, dass unbefristet Angestellte bevorzugt nicht den Professuren, sondern der übergeordneten Organisationseinheit unterstellt werden sollten (ebd.: 10). Aufgrund der begrifflichen Unklarheit haben sich in den letzten Jahren diverse Autor*innen mit einer theoretischen Systematisierung des Begriffs „wissenschaftliche Karriere“ auseinandergesetzt6. Im Folgenden werden einschlägige theoretische Auseinandersetzungen angeführt, die sich bezüglich der Akzentuierung unterscheiden, die sie vorschlagen, und den Blick für die unterschiedlichen Betrachtungsmöglichkeiten öffnen. 2.1.1 Das personenorientierte Karrierekonzept von Hermanowicz Zwar illustriert Hermanowicz sein Karrierekonzept anhand empirischer Daten von Physikern einer amerikanischen Universität, beansprucht aber die Anwendbarkeit seiner Karrieretheorie auf verschiedene Tätigkeitsfelder (Hermanowicz 2007: 639f.). Hermanowicz klassifiziert seinen Ansatz als „person-oriented“ (ebd.: 625ff.) und setzt sich dadurch von „variable-oriented“ Ansätzen ab7. Er unterscheidet bei seiner analytischen Betrachtung von Karrieren einerseits zwischen dem Kontext (der Arbeitsumgebung) und andererseits zwischen der Karrierephase, in der sich die Wissenschaftler*innen befinden. Bezüglich des Kontexts differenziert er zwischen drei Typen von Universitäten: zum einen den

5 Bei der wissenschaftlichen Mitarbeiterstelle differenziert der Wissenschaftsrat zwischen zwei Gruppen. Zum einen „Personal, dem vorrangig wissenschaftliche Dienstleistungen in Forschung, Lehre, Forschungsinfrastrukturbetreuung und/oder Transfer bzw. Translation obliegen, außerdem Personal mit Aufgaben vorrangig in Wissenschaftsmanagement und –administration“ (WR 2014: 52). 6 Einen guten funktionalen Überblick über Karrieretypen und Meilensteine in der Karriereentwicklung von Wissenschaftler*innen, gleichwie zentralen Faktoren, welche die Karriereentwicklung als auch Karriereentscheidungen von Nachwuchswissenschaftler*innen beeinflussen, gibt das Arbeitspapier von Woolley et al. (2016). 7 Personenorientierte Ansätze sind im Vergleich zu Variablenorientierten Ansätzen holistischer und berücksichtigen stets die kontextuelle Einbettung der Individuen mit, anstatt lediglich auf diskrete Beschreibungsmerkmale der Individuen zu fokussieren (vgl. Hermanowicz 2007).

2.1 Karrierekonzepte für die Wissenschaft

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„elites“ (Top-Forschungsuniversitäten laut NRC-Ranking8), den „pluralists“, Universitäten, die Forschung und Lehre gleichermaßen priorisieren und einen Mittelplatz im NRC-Ranking einnehmen, und den „communitarians“, Universitäten, deren Hauptfokus auf Lehre und Service liegt und die im NRC-Ranking eher schlecht abschneiden (ebd.: 629f.). Bezüglich des zweiten Kriteriums, der Karrierephase, unterscheidet Hermanowicz drei Wissenschaftler*innenkohorten: denjenigen, die sich in einer frühen Karrierephase (early career) befinden (meist in der Position als „assistant professor“); einer mittleren Phase (middle career), die fünf bis zehn Jahre dauert (meist in der Position als „associate professor“), und einer fortgeschrittenen Karrierephase (late career), meist in der Position eines „full professor“ (ebd.: 633). Um Veränderungen beim Übergang von einer zur nächsten Karrierephase zu beschreiben und Unterschiede zwischen den verschiedenen Forschungskontexten herauszuarbeiten, zieht Hermanowicz folgende sieben Merkmale heran: 1) career focus, 2) professional dreams, 3) recognition sought, 4) orientation to work, 5) work/family focus, 6) attribution of place und 7) overall satisfaction. Mittels seiner empirischen Untersuchung kann Hermanowicz aufzeigen, dass sich gewisse Merkmale im Karriereverlauf abhängig vom Forschungskontext deutlich wandeln. Demnach liegt in der „early career“, unabhängig vom Forschungskontext, der Karrierefokus auf Forschung. In der „middle“ und „late career“ bleibt der Forschungsfokus jedoch nur für die Gruppe der „elites“ erhalten (ebd.: 635f.). 2.1.2 Konzept der „Parallelkarrieren“ nach Gläser und Laudel Auch Gläser und Laudel (2008) setzen sich mit der theoretischen Konzeptualisierung von Wissenschaftskarrieren auseinander. Die Autor*innen betrachten den Karriereentwicklungsverlauf bezüglich dreier Dimensionen und nehmen an, dass man auf dem akademischen Qualifizierungsweg gewissermaßen parallel drei „Karrieren“ durchläuft, oder anders formuliert, sich in drei Dimensionen entwickelt bzw. verändert. Zum einen ist die kognitive Karriere zu nennen, welche die Erweiterung des Wissens eines Forschers bzw. einer Forscherin durch die Auseinandersetzung mit Forschungsthemen abbildet (cognitive career) (Gläser und Laudel 2008: 390). Als zweites ist die Karriere in der Scientific Community anzuführen, welche einen Wandel der Rollen, die man in der Forschergemeinschaft einnimmt, abbildet (community career) (ebd.: 390). Den Autor*innen zufolge vollziehen Wissenschaftler*innen in ihrem community-Karriereverlauf einen Wandel, beginnend vom „apprentice“ zum „colleague“, daraufhin zum „master“ und schließlich zum „elite“ (ebd.: 390). Damit nehmen Gläser und Laudel 8

NRC=United States National Research Council.

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2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

eine Differenzierung vor, die auf dem Modell von Dalton et al. (1977) basiert. Die Postdoc-Phase ist dabei als Übergang vom Lehrling (apprentice), der nur unter Anleitung forscht, hin zum unabhängigen Forscher (colleague), zu charakterisieren. Die dritte Karrieredimension betrifft die Abfolge von verschiedenen Jobpositionen der Wissenschaftler*innen auf dem Qualifizierungsweg. Demnach nehmen Wissenschaftler*innen im Verlaufe ihrer „organisational career“ verschiedene Positionen sowohl innerhalb als auch zwischen Organisationen ein (Gläser und Laudel 2008: 390). Gemäß Gläser und Laudel bedingen sich alle drei Dimensionen wechselseitig und sind miteinander verwoben. 2.1.3 Das „triadische“ Karrieremodell von Kahlert Kahlerts (2013) Karrieretheorie liegt ein „triadischer“ Karrierebegriff zugrunde. Dieser stammt aus der Literatur zur Karriereberatung von Führungskräften, den Kahlert wiederum für den Wissenschaftskontext modifiziert (Kahlert 2013: 20ff.). Wissenschaftliche Karrieren werden demnach durch drei Faktoren erster Ordnung bestimmt, die auf komplexe Weise zusammenwirken. Zu diesen Basisfaktoren zählt Kahlert zum einen die „Person“, zweitens die „Profession“ und als dritten Faktor die „Funktion“. Kahlert begreift eine bzw. einen Nachwuchswissenschaftler*in auf dem akademischen Qualifizierungsweg „als Person mit einer spezifischen Lebensgeschichte, die etwa ihr Privatleben und ihren Beruf in einer bestimmten Weise gestaltet und beispielsweise körperlich beeinträchtigt ist; als Angehörige[..][n] einer Profession, in deren Weltsicht und Handlungsprogramme sie beziehungsweise er in der Ausbildung einsozialisiert worden ist, eine spezifische fachliche Qualifikation ausprägt und mit einem bestimmten Klientel arbeitet; und schließlich als InhaberIn einer bestimmten Funktion in einer wissenschaftlichen Organisation, in der er beziehungsweise sie beruflich tätig ist, bestimmte Aufgaben erfüllt und hierfür entsprechend bezahlt wird“ (ebd.: 20). Das triadische Karrieremodell zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass es weder eine Richtung noch klar definierte Kriterien für den Laufbahnerfolg vorgibt (ebd.: 28). 2.1.4 Bourdieus Konzept des wissenschaftlichen Feldes Obwohl Bourdieu sein Konzept des wissenschaftlichen Feldes nicht als „Karrieretheorie“ tituliert, stellt es dennoch insofern ein Karrieremodell für die Wissenschaft dar, als Bourdieu Annahmen darüber trifft, wie man als

2.1 Karrierekonzepte für die Wissenschaft

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Nachwuchswissenschaftler*in im wissenschaftlichen Feld hierarchisch aufsteigen kann. Dieser Umstand bringt Enders in Bezug zu Bourdieus Werk „Homo academics‘‘vermutlicher zu folgender Schlussfolgerung: „Man lese sein Einleitungskapitel `Ein Buch, das verbrannt gehört´ einmal als grandiosen karrierepolitischen Wurf. Hier spricht ein Häretiker der eigenen Zunft, der seine wissenschaftliche Objektivierung des wissenschaftlichen Subjekts als Einsatz im Spiel des wissenschaftlichen Feldes inszeniert. Ich gehe also selbstverständlich davon aus, dass hier Akteure am Werk sind, die ihre Ressourcen – ihr kulturelles, soziales, ökonomisches und symbolisches Kapital - karrierepolitisch einbringen“ (Enders 2003: 254). Bourdieu begreift die Wissenschaft als soziales Feld, in dem der Aufstieg zu den mächtigsten Positionen im Feld über die Akkumulation der im jeweiligen Feld relevanten Kapitalform erfolgt. Die soziale Abfolge von Positionen im sozialen Raum bezeichnet Bourdieu als „Flugbahn“ (vgl. u.a. Bourdieu et al. 1997: 563). Um an dieser Stelle nicht zu viel vorwegzunehmen, sei hier auf die detaillierte Darstellung von Bourdieus Feldkonzept in Kapitel 3.1 verwiesen. Da Bourdieus Konzept der sozialen Felder, insbesondere des wissenschaftlichen Feldes, eine zentrale Grundlage für die vorliegende Studie bildet, wird es im Theoriekapitel ausführlich erläutert. 2.1.5 Erweiterungsvorschläge für bestehende Karrieremodelle Berli (2016) führt in seinem Artikel Erweiterungsvorschläge für bereits bestehende Karrieretheorien an. Dabei setzt er sich speziell mit den Fragen auseinander, „welche Elemente ein analytisches Modell wissenschaftlicher Karrieren berücksichtigen sollte und wo der Anfang von ebendiesen zu suchen ist“ (Berli 2016: 354). Berli konzentriert sich bei seinem Ergänzungsvorschlag auf drei Aspekte: zum einen die Definition des Startpunktes einer wissenschaftlichen Karriere, zweitens die Veränderung subjektiver Möglichkeitshorizonte im Studienverlauf und drittens den Einfluss von Erfolgserlebnissen auf die Verweildauer auf dem wissenschaftlichen Karriereweg (ebd.: 354). Auf der Basis der Ergebnisse einer empirischen Studie folgert Berli, dass der explizite Beginn einer wissenschaftlichen Karriere zwar meist in der Phase nach Abschluss der Promotion verortet wird, aber typischerweise eine „Vorgeschichte“ (ebd.: 355) besitzt. Berli plädiert dafür, bereits die Studien- und Promotionsphase, in denen Motivationen für den Karriereweg generiert werden, bei der Analyse von Wissenschaftskarrieren zu berücksichtigen und die „langfristige Entwicklung subjektiver

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2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

Möglichkeitshorizonte bei der Untersuchung wissenschaftlicher Karrieren mit in den Blick zu nehmen“ (ebd.: 355). Bei diesem Veränderungsprozess nehmen laut Berli insbesondere Professor*innen eine Schlüsselrolle ein und können durch Betreuung, Ermutigung und Karriereberatung für die Nachwuchswissenschaftler*innen richtungsweisend sein (ebd.: 355 ff.). Weiterhin verändern sich subjektive Möglichkeitshorizonte auch durch Erfolge bzw. die erfahrene Anerkennung durch andere Wissenschaftler*innen. Dazu zählen die positive Begutachtung von Publikationsvorhaben oder Konferenzbeiträgen wie auch eine besonders gute Bewertung von Qualifizierungsschriften (ebd.: 357 ff.). Dies bringt Berli zu der Schussfolgerung, dass durch eine „Einbeziehung dieser und verwandter Problematisierungen […] ein konzeptioneller Fortschritt auf dem Wege einer Integration der Erkenntnisse aus feld- wie auch karriereanalytischen Vorarbeiten erreichbar“ (ebd.: 361) ist. 2.2 Statuspassagen auf dem akademischen Qualifizierungsweg Der wissenschaftliche Qualifizierungsweg gliedert sich in verschiedene, aufeinanderfolgende Statuspassagen. Eine einheitliche Aufgliederung, begriffliche Benennung der einzelnen Phasen oder Charakterisierung anhand wesentlicher Beschreibungsmerkmale und Qualifizierungsziele existiert jedoch nicht. Um einen Überblick über die unterschiedlichen Betrachtungsweisen zu liefern, wird im Folgenden auf wesentliche nationale sowie internationale Modelle zur Untergliederung des akademischen Karrierewegs nach Statuspassagen eingegangen. Im Anschluss daran wird, dem Differenzierungsvorschlag der wichtigsten wissenschaftspolitischen Akteure in Deutschland folgend, näher auf die wichtigsten Qualifizierungsziele und Beschreibungsmerkmal der drei wissenschaftlichen Qualifizierungsphasen in Deutschland eingegangen. Im Rahmen dessen werden zudem sowohl wesentliche quantifizierende Maßzahlen als auch Reformen bezüglich der Organisation der wissenschaftlichen Nachwuchsausbildung vorgestellt. 2.2.1 Indikatorenmodell versus Phasenmodell Auf nationaler wie internationaler Ebene werden von wissenschaftspolitischen Akteuren Kategorisierungsvorschläge unterbreitet, mittels derer die heterogene Gruppe der Nachwuchswissenschaftler*innen in homogenere Untergruppen unterteilt werden können. Grundsätzlich sind dabei zwei Ansätze zu unterscheiden: einerseits eine Einteilung nach (Nachwuchs-)Phasen und andererseits eine Gruppenbildung anhand ausgewählter Kriterien (Konsortium BuWiN 2017: 66).

2.2 Statuspassagen auf dem akademischen Qualifizierungsweg

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Ein Beispiel für ein Gruppenmodell zur Unterteilung der Nachwuchswissenschaftler*innen bildet das Indikatorenmodell für die Berichterstattung zum wissenschaftlichen Nachwuchs (Statistisches Bundesamt 2014), das zwischen sechs Untergruppen differenziert: § Promovierenden § anderen Wissenschaftler*innen ohne Promotion in wissenschaftlicher Lehre und Forschung (bis unter 35 Jahre) § Habilitierenden § Nachwuchsgruppenleiter*innen § Juniorprofessor*innen § anderen Wissenschaftler*innen mit Promotion in wissenschaftlicher Lehre und Forschung (bis unter 45 Jahre) (Statistisches Bundesamt 2014: 14). Die Hauptkriterien zur Gruppenbildung sind in diesem Modell einerseits die Ausführung einer wissenschaftlichen Tätigkeit und andererseits das Alter der Wissenschaftler*innen9. Der Differenzierungsvorschlag der EU-Kommission stellt ein Beispiel für ein internationales Phasenmodell dar, das bei der Kategorisierung sowohl die Forschungserfahrung, den Grad der Autonomie bei der Tätigkeit als auch die mit der Qualifikationsstufe in Verbindung stehenden Reputation der Wissenschaftler*innen in der wissenschaftlichen Fachgemeinschaft berücksichtigt. Es werden vier Etappen unterschieden: § „R1 First Stage Researcher (up to the point of PhD) §

R2 Recognised Researcher (PhD holders or equivalents who are not yet fully independent)

§ R3 Established Researcher (researchers who have developed a level of independence)

9 „Die genannten Altersgrenzen von unter 35 und unter 45 Jahren orientieren sich „am Durchschnittsalter der Nachwuchskräfte beim Promotionsabschluss beziehungsweise am durchschnittlichen Eintrittsalter bei Übernahme einer Professur“ und schließen etwa 75% (3 Quartil) der Personen ein (Tab. A6, Tab. A7) Die Altersgrenze dient zur Identifizierung von Personen, die „noch in einer signifikanten Anzahl für eine wissenschaftliche Karriere rekrutiert werden können“. Sie beruht auf der international üblichen Altersgruppierung in 10- Jahres- Schritten (25–34, 35–44 etc.) und ist damit anschlussfähig an die internationale Berichterstattung“ (Konsortium BuWiN 2017: 66).

2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

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§ R4 Leading Researcher (researchers leading their research area or field)“ (European Commission 2011). Der Logik der Phasenmodelle folgend wurde in Deutschland durch zentrale wissenschaftspolitische Akteure zunächst zwischen zwei Qualifizierungsphasen differenziert: der Etappe bis zum Abschluss der Promotion und der Etappe nach Abschluss der Promotion. In der ersten Phase befinden sich laut Wissenschaftsrat (1996: 8) Personen mit Hochschulabschluss, die an einer wissenschaftlichen Weiterqualifizierung arbeiten, jedoch nicht notwendigerweise eine Promotionsabsicht verfolgen müssen, dies aber durchaus könnten. Das Ende dieser Phase wird durch den Promotionsabschluss oder durch das Erreichen des Weiterqualifizierungsziels markiert. Die zweite Qualifizierungsphase durchlaufen gemäß dem Wissenschaftsrat Promovierte, die eine wissenschaftliche Weiterqualifikation anstreben, um eine Karriere in der Wissenschaft zu machen, und vom Wissenschaftsrat als „Hochschullehrernachwuchs“ (ebd.: 8) bezeichnet werden. Weiterhin zählt der Wissenschaftsrat aber auch Personen zu dieser Gruppe, die sich noch nicht auf einen Verbleib in der Wissenschaft festgelegt haben. In seinen jüngsten Empfehlungen zur wissenschaftlichen Karriere an deutschen Universitäten nimmt der Wissenschaftsrat (2014) eine noch feinere Differenzierung vor und unterscheidet zwischen drei Karrierephasen, der Promotions- und der Postdoc-Phase, die er als „Qualifizierungsphasen“ betitelt, und einer Bewährungsphase, beispielsweise auf der Position eines bzw. einer Tenure TrackProfessor*in (WR 2014: 42). Bei dem neuen Differenzierungsvorschlag lehnt sich der Wissenschaftsrat an das Phasenmodell der EU-Kommission an, wobei die Promotionsphase als äquivalent zur R1-Phase und die Postdoc-Phase als äquivalent zur R2-Phase anzusehen ist. Die Bewährungsphase wiederum stellt ein Äquivalent zur R3-Phase dar. Ein Äquivalent zur R4-Phase taucht bei dem Gliederungsvorschlag der Nachwuchsphasen des Wissenschaftsrates nicht auf, da diese Etappe in Deutschland nicht mehr als Teil der Qualifizierungsphase betrachtet wird (Konsortium BuWiN 2017: 66). Im Folgenden wird auf eben jene drei zentralen Qualifizierungsphasen in Deutschland einschließlich deren jeweilige Qualifizierungsziele und Besonderheiten detailliiert eingegangen. 2.2.2 Die Promotionsphase Sowohl der Wissenschaftsrat als auch die Hochschulrektorenkonferenz heben als zentrales Element der Promotionsphase, die Vertiefung der selbstständigen wissenschaftlichen Arbeit an Forschungsthemen hervor, durch welche der Doktorand bzw. die Doktorandin einen originären Beitrag zum Erkenntnisfortschritt

2.2 Statuspassagen auf dem akademischen Qualifizierungsweg

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im eigenen Fach leistet (HRK 1996; HRK 2012: 2; WR 2002: 45; 48; WR 2011: 8; WR 2014: 11). Um den Doktortitel zu erhalten, muss der bzw. die Promovierende seine bzw. ihre Dissertation publizieren und damit der Öffentlichkeit zugänglich machen (WR 2011: 8). Die Schrift kann sowohl als Monografie als auch kumulativ, in Form von mehreren Publikationen in Fachzeitschriften publiziert werden, welche mit einem Rahmentext verbunden sind (WR 2011: 8). Die Monografie gilt dabei als traditionelles Format, die kumulative Dissertation dagegen als moderne Variante, die mittlerweile in immer mehr Fachdisziplinen, speziell den Naturwissenschaften, Einzug gehalten hat. Weiterhin hat der bzw. die Promovierende nach Abgabe der Promotionsschrift eine mündliche Prüfung zu absolvieren. Diese kann in Form eines Rigorosums oder durch eine Disputation erfolgen, wobei sich das Rigorosum dadurch auszeichnet, dass dabei neben dem Dissertationsthema auch das Wissen des Prüflings über das gesamte Fachgebiet geprüft wird (WR 2011: 9). Zwar steht im Promotionsprozess die vertiefte Aneignung von Fachwissen und auch Methodenkenntnissen im Vordergrund, darüber hinaus sollen allerdings auch fächerübergreifende Schlüsselkompetenzen erworben werden (WR 2002: 48). Zu diesen Kompetenzen zählen fachwissenschaftliche Vermittlungskompetenzen in Bezug auf Fachkollg*innen sowie Studierende, die Fähigkeit zur Teamarbeit (in einem interdisziplinären Forschungsumfeld), Managementfähigkeiten, Führungskompetenzen und ebenso die Fähigkeit zum Aufbau von (internationalen) Netzwerken und Kooperationen (WR 2002: 48). Neben der Vorbereitung auf eine Karriere in der Wissenschaft zielt die Promotionsphase in Deutschland auch darauf ab, „für Führungsaufgaben in der Wissenschaftsgesellschaft zu qualifizieren“ (HRK 2012: 2). Denn die deutsche Promotion soll anders als in anderen Ländern (z.B. Großbritannien) nicht nur für den universitären, sondern auch für den außeruniversitären Arbeitsmarkt qualifizieren. Den rechtlichen Rahmen bildet das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), das die Dauer der Beschäftigung auf befristeten Promotionsstellen, die zur wissenschaftlichen Weiterqualifikation dienen sollen, auf sechs Jahre begrenzt. Eine Verlängerung wird jedoch aufgrund von Erziehungszeiten gewährt. Die Promotion im Wandel Da sich die Promotionsphase in Deutschland in den letzten Jahren in einem erheblichen Wandel befindet, wird im Folgenden noch kurz auf die wichtigsten Veränderungen eingegangen. Eine der bedeutendsten Neuerungen ist sicherlich die Ergänzung der traditionellen Einzelpromotion um strukturierte Promotionsformate. Bis zum Beginn der 90er Jahre dominierte an deutschen Universitäten das Modell der traditionellen Promotion, wie es seit dem 19. Jahrhundert

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2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

existiert. Oftmals auch als Promotion in „Einsamkeit und Freiheit“ bezeichnet, wird die Dissertation weitestgehend in eigenständiger Arbeit und nur in Abstimmung mit dem Doktorvater bzw. der Doktormutter angefertigt. Bei der Individualpromotion kann jeder Professor bzw. jede Professorin selbst entscheiden, wer bei ihm bzw. ihr promoviert. Das Auswahlverfahren ist informell und relativ intransparent. Oft wird der wissenschaftliche Nachwuchs in der Form rekrutiert, dass der Doktorvater bzw. die Doktormutter studentische Hilfskräfte am Lehrstuhl oder Student*innen, die durch gute Leistungen in Seminaren aufgefallen sind, persönlich anspricht und anbietet, bei ihm bzw. ihr zu promovieren. Die Betreuung der Promotion erfolgt überwiegend nur durch den Doktorvater bzw. die Doktormutter, was sich auch in der Bezeichnung „Meister-Schüler-Verhältnis“ widerspiegelt. Auch die inhaltliche sowie überfachliche Ausbildung erfolgt nur durch die Doktoreltern. Der Besuch von promotionsbegleitenden Seminaren ist nicht vorgesehen (vgl. u.a. Berning und Falk 2006; Enders und Kottmann 2009, Hauss und Kaulisch 2009). Die „Meister-Schüler-Promotion“ ist aber in die Kritik geraten. Als Schwächen werden die intransparenten Auswahlverfahren, die lange Promotionsdauer, die im Ermessen der jeweiligen Betreuer*innen liegende oftmals unsystematische Qualifizierung der Promovierenden, die fehlende Vermittlung fächerübergreifender Kompetenzen und die starke Abhängigkeit von einem einzelnen Betreuenden erachtet (Berning und Falk 2006; Enders und Bornmann 2001; Enders 1996). Auch das Fehlen eines Doktorandenstatus, die Überlastung der Doktorand*innen mit qualifikationsfremden Tätigkeiten sowie die Isolation der Promovierenden im Promotionsprozess werden problematisiert (HRK 1996). Diese Schwachstellen werden auf das Fehlen eines Förderkonzepts für den wissenschaftlichen Nachwuchs zurückgeführt. Reformen der deutschen Promotion werden nicht nur angesichts der geschilderten Schwächen angemahnt, sondern auch mit dem Ziel einer gesteigerten internationalen Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Wissenschaftssystems. So plädieren der Wissenschaftsrat und die Hochschulrektorenkonferenz (HRK 1996; HRK 2012: 3f.; WR 1988; 2002: 46) in ihren Empfehlungen für eine Reform des deutschen Promotionswesens und eine Übernahme von Elementen der angloamerikanischen Doktorandenausbildung. Darunter verstehen sie eine stärkere Strukturierung der Ausbildungsinhalte und die Übernahme von mehr Verantwortung durch die an der Nachwuchsausbildung beteiligten Institutionen. Der Wissenschaftsrat fordert zu Beginn der 90er, dass „Doktoranden [...] in Graduiertenkollegs die Gelegenheit finden [sollen], im Rahmen eines systematisch angelegten Studienprogramms ihre Promotion vorbereiten zu können und mit ihrer

2.2 Statuspassagen auf dem akademischen Qualifizierungsweg

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Dissertation in einem umfassenden Forschungszusammenhang zu arbeiten“ (WR 1986: 65). Auftakt für den Wandel des deutschen Promotionswesens bildet die Einführung der Graduiertenkollegs durch die Fritz-Thyssen- und die Robert-Bosch-Stiftung im Jahr 1986, sowie seit 1987 auch durch die Stiftung Volkswagenwerk und durch Bund und Länder im Rahmen eines Modellversuchsprogramms (WR 1988: 5f.). Im Jahr 1990 werden die Graduiertenkollegs schließlich flächendeckend durch die Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und im Jahr 2002 konstatiert der Wissenschaftsrat: „Die DFG-Graduiertenkollegs sind [...] zu einem festen Bestandteil der Doktorandenausbildung an den Hochschulen in Deutschland geworden“ (WR 2002: 18). Ziel der Strukturierung der Doktorandenausbildung ist es, die Rahmenbedingungen für die Promovierenden zu verbessern und die Attraktivität einer Promotion in Deutschland zu steigern (vgl. Hauss und Kaulisch 2009). Der Wissenschaftsrat sieht die Einrichtung von Graduiertenkollegs als geeignetes Instrument an, um internationale Kooperationen und den länderübergreifenden Austausch von Wissenschaftler*innen verschiedener Karrierestufen zu fördern (WR 1988: 9; WR 2002: 46; 55f.). Weiterhin zielen die Reformen darauf ab, die durchschnittlichen Promotionsdauer auf drei bis vier Jahre zu reduzieren, die Betreuungssituation der Promovierenden zu verbessern und eine Vermittlung zusätzlicher, fächerübergreifender Schlüsselkompetenzen zu ermöglichen (HRK 1996; 2003; 2012; WR 1988; 2002; 2011). Um eine Verkürzung der Promotionszeit auf maximal vier Jahre zu erreichen, sieht es der Wissenschaftsrat neben der Strukturierung der Promotionsphase als notwendig an, die promotionsfremden Dienstleistungen, die Doktorand*innen zu erbringen haben, auf ein Minimum zu beschränken (WR 2002: 46f.). Um zu gewährleisten, dass trotzdem weiterhin Aufgaben in Forschung und Lehre in ausreichendem Maße abgedeckt werden, empfiehlt der Wissenschaftsrat vermehrt Postdocs einzusetzen und entfristete Mitarbeitende mit der Erfüllung von Daueraufgaben zu betrauen (WR 2002: 47). Durch die Neustrukturierung in der Graduiertenausbildung sollen zudem eine systematische Betreuung und das Arbeiten in Gruppen während wie auch nach der Promotionsphase gefördert werden. Die Betreuung soll nicht mehr nur durch einen Doktorvater bzw. eine Doktormutter erfolgen, sondern durch mehrere Betreuende bzw. ein Betreuungskomitee (HRK 1996; HRK 2003:6; 2012: 5; WR 2002: 51). Ebenso soll ein kontinuierlicher Austausch mit den Betreuenden der Doktorarbeit und zudem mit anderen Promovierenden gewährleistet werden (HRK 2003:6; 2012: 4f.). Durch den Abschluss von Betreuungsvereinbarungen zwischen Promovierenden und Betreuenden sollen

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2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

gegenseitige Rechte und Pflichten sowie Erwartungen explizit gemacht werden (HRK 2012: 5; WR 2011: 18). Weiterhin soll eine kontinuierliche Berichterstattung zum Stand der Promotion seitens der Promovierenden und eine kontinuierliche Überprüfung des Fortschritts der Arbeiten die Sicherstellung der Qualität der Promotion ermöglichen (HRK 1996; HRK 2003: 6). Eine weitere Veränderung ist die Einführung transparenter, wettbewerblicher Auswahlverfahren zur Selektion des wissenschaftlichen Nachwuchses (HRK 1996; HRK 2003: 6; 2012: 4; WR 2002: 51; WR 2011: 16). Und zu guter Letzt sollen die Promovierenden die Dissertation im Rahmen eines curricularen Studienprogramms anfertigen, was bedeutet, dass der Besuch sowohl fachspezifischer als auch fächerübergreifender Kurse den Promotionsprozess flankieren soll (HRK 1996; HRK 2012: 6; WR 1988: 13; WR 2002: 51, 54; WR 2011: 8). Obwohl der Wissenschaftsrat und die Hochschulrektorenkonferenz den Besuch eines promotionsbegleitenden Kursprogramms empfehlen, betonen sie dennoch, dass „der Schwerpunkt dieser Phase auf der selbständigen Forschungsarbeit erhalten bleiben“ (WR 2011: 11) muss und nicht als „dritte Phase des Studiums zu verstehen“ (HRK 2012: 2) ist. Die Einführung der strukturierten Promotionsprogramme bedeutet aber nicht, dass der traditionelle Weg zur Promotion nicht mehr existiert. Vielmehr zeichnet sich die deutsche Doktorandenausbildung durch die Existenz mehrerer nebeneinander bestehender Wege zur Promotion aus, was von Kreckel (2008a) auch als „geordnete Vielfalt“ bezeichnet wird. Herausforderungen bei der Quantifizierung der Nachwuchswissenschaftler*innen bis zum Promotionsabschluss Wenn man neben den zentralen Charakteristika der deutschen Promotion auch quantifizierende Aussagen zur Anzahl der Promovierenden tätigen möchte, stößt man schnell auf ein grundlegendes landesspezifisches Problem. Dies betrifft die nicht vorhandene flächendeckende statistische Erfassung der Anzahl der Doktorand*innen, denn bislang müssen sich die Promovierenden in Deutschland, insbesondere wenn sie auf traditionellem Weg promovieren, an keiner offiziellen Stelle verpflichtend registrieren, indem sie sich z.B. bei der Universität für ein Promotionsstudium einschreiben. Daher kann man keine genauen Angaben über die Anzahl der Doktorand*innen in Deutschland machen (vgl. HRK 1996). So konstatiert der Wissenschaftsrat: „Es gibt keine verlässlichen Zahlen, die Auskunft über die laufenden Promotionen geben. Von der amtlichen Statistik werden nur die erfolgreichen Abschlüsse erfasst, so dass

2.2 Statuspassagen auf dem akademischen Qualifizierungsweg

23

Promotionsdauer, Erfolgs- wie Abbruchquoten unbekannt sind“ (WR 2011: 5)10. Durch die amtliche Statistik werden lediglich die an Universitäten eingeschriebenen „Studierenden mit Abschlussziel Promotion“ erfasst, was nur knapp über die Hälfte der Promovierenden abdeckt (Konsortium BuWiN 2017: 88). Erschwerte Bedingungen für eine flächendeckende Erfassung der Promovierenden ergeben sich darüber hinaus aus dem Umstand, dass in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern eine relativ hohe Anzahl an extern Promovierenden existiert. Die einzige Möglichkeit, um Aussagen über die Anzahl der Doktorand*innen in Deutschland zu tätigen, ist die der statistischen Schätzungen und Hochrechnungen, wie sie im Jahr 2012 durch das Statistische Bundesamt unternommen wurden (Statistisches Bundesamt 2012). Die Ergebnisse der Schätzungen, die auf Daten aus dem Wintersemester 2010/11 basieren, ergeben eine Zahl von 200.400 Promovierenden. Das Schätzverfahren wurde im Nachgang jedoch aufgrund von neusten Erkenntnissen nochmals modifiziert, wodurch die geschätzte Anzahl an Promovierenden auf 182.800 Personen korrigiert wurde (Konsortium BuWiN 2017: 88). In Zukunft ist jedoch eine Verbesserung der Datenlage zu erwarten, da im Rahmen der Novellierung des Hochschulstatistikgesetzes eine kontinuierliche Vollerhebung aller an deutschen Universitäten Promovierenden umgesetzt werden soll, beginnend mit dem Berichtsjahr 2017. Obgleich Unklarheit über die genaue Anzahl an Promovierenden herrscht, kann man exakte Angaben zur Anzahl an jährlich Promovierten in Deutschland machen. Wenn man den Zeitverlauf betrachtet, fällt auf, dass die Anzahl an abgeschlossenen Promotionen von 1996 auf 1997 sprunghaft von 22.849 auf 24.174 ansteigt (vgl. Abbildung 1 und Tabelle 3 im Anhang für die exakten Zahlenwerte). In den Folgejahren erhöht sich die Anzahl an Promovierten langsam, um im Jahr 2000 ihren bisherigen Höchstwert von 25.780 abgeschlossenen Promotionen zu erreichen. Bis 2004 ist die Entwicklung dann wiederum rückläufig und zwischen 2005 und 2009 schwankt die Anzahl der Promotionsabschlüsse zwischen ca. 23.000 und 25.000. Erst ab 2010 steigt sie erneut an, diesmal auch 10 Das Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (iFQ) hat im Jahr 2012 eine Machbarkeitsstudie zur Doktorandenerfassung und Qualitätssicherung von Promotionen an deutschen Hochschulen durchgeführt. Dazu wurden einerseits die rechtlichen Rahmenbedingungen der Doktorandenerfassung analysiert, wozu auch Fragen des Datenschutzes zählen. Andererseits wurden die derzeit existierenden Promotionsordnungen analysiert, um Informationen über den Status Quo der Erfassung von Doktorand*innen an deutschen Hochschulen zu gewinnen (vgl. Hornbostel 2012).

24

2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

kontinuierlich. Im Jahr 2016 erreicht die Anzahl mit 29.303 Personen, die in diesem Jahr ihre Promotion abgeschlossen haben, ihren bisherigen Höchstwert. Hinsichtlich des Anteils an Frauen, die eine Promotion abgeschlossen haben, ist bis 2009 ein deutliches Wachstum zu verzeichnen (vgl. Abbildung 1 und Tabelle 3 im Anhang für die exakten Zahlenwerte). So steigt der Anteil von 31,2 Prozent im Jahr 1994 auf 44,1 Prozent im Jahr 2009. Dieser Wert stagniert jedoch in den Folgejahren bis 2016 bei einem Wert um die 45 Prozent. Folglich bleibt die 50-Prozent-Marke weiterhin unerreicht.

Abbildung 1: Abgeschlossene Promotionen in Deutschland von 2000 bis 2015 Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf den Daten aus Tabelle 3 im Anhang

Betrachtet man die Anzahl an abgeschlossenen Promotionen unterschieden nach Fächergruppen, zeigt sich, dass im Jahr 2016 namentlich in der Mathematik und den Naturwissenschaften mit einer Anzahl von 8.782 sowie in der Humanmedizin und den Gesundheitswissenschaften mit einer Anzahl von 7.414 besonders viele Promotionen abgeschlossen werden (vgl. Abbildung 2 und Tabelle 4 im Anhang für die exakten Zahlenwerte). Im Mittelfeld liegen die Ingenieurwissenschaften mit 4.719, die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit 4.794 abgeschlossenen Promotionen. Mit deutlichem Abstand folgen die

2.2 Statuspassagen auf dem akademischen Qualifizierungsweg

25

Geisteswissenschaften mit 2.175 und die Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften sowie die Veterinärmedizin mit 1.008 abgeschlossenen Promotionen. In den Fächergruppen Sport (105) und Kunst bzw. Kunstwissenschaften (302) werden 2016 die wenigsten Promotionen angefertigt. Insbesondere in der Kunst und Kunstwissenschaft (68,2%), den Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften sowie der Veterinärmedizin (66,9%) ist der Frauenanteil an abgeschlossenen Promotionen besonders hoch (vgl. Abbildung 2 und Tabelle 4 im Anhang für die exakten Zahlenwerte).

Abbildung 2: Abgeschlossene Promotionen in Deutschland nach Fächergruppen im Jahr 2016 Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf den Daten aus Tabelle 4 im Anhang

Da für Deutschland neben verlässlichen Daten zur Anzahl an abgeschlossenen Promotionen auch Daten zur Anzahl an Personen mit promotionsberechtigten Abschlüssen existieren, ist es zudem möglich, die Promotionsquote zu berechnen. Die Promotionsquote ist definiert als „Anteil von Promovierten an den Hochschulabsolventinnen und -absolventen, die einen promotionsberechtigenden Abschluss erworben haben“ (Konsortium BuWiN 2017: 95). Zur

26

2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

Berechnung der Promotionsquote für das Jahr 2014 hat das Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs (2017) „die Summe der abgeschlossenen Promotionen im Zeitraum 2007 bis 2014 durch die Summe der promotionsberechtigenden Abschlüsse im Zeitraum von 2003 bis 2010 geteilt“ (ebd.: 96), was über alle Fächer hinweg betrachtet eine Promotionsquote von 22 Prozent für das Jahr 2014 ergibt. Vor allem mit Blick auf die fachspezifische Promotionsquote lassen sich große Unterschiede erkennen. Zu den Fächergruppen mit einer hohen Promotionsquote zählen die Humanmedizin und die Gesundheitswissenschaften mit 63 Prozent, die Veterinärmedizin mit 52 Prozent sowie die Mathematik und Naturwissenschaften mit 40 Prozent 11 . Im Geschlechtervergleich erzielen Frauen mit einer 19-prozentigen Promotionsquote fächerübergreifend eine etwas niedrigere Quote als Männer (ebd.: 97). Betrachtet man die Entwicklung der Promotionsquote im Zeitverlauf, lässt sich bis zum Jahr 2005 ein Anstieg bis zu 28 Prozent feststellen, mit einem kontinuierlichen Regress in den Folgejahren (ebd.: 96). Um einschätzen zu können, wie Deutschland bezüglich der Anzahl an Promovierten im internationalen Vergleich abschneidet, wird zum Schluss noch die Anzahl an abgeschlossenen Promotionen in Deutschland in Relation zu der Menge an jährlich Promovierten in anderen Ländern gesetzt (vgl. Abbildung 3).

11 „Promotionen in der Medizin werden in der Regel studienbegleitend erstellt und „entsprechen nur zu einem kleineren Teil einer originären Forschungsarbeit, wie sie in anderen Fächern üblich ist´25 In den Naturwissenschaften wird die Promotion mitunter als Berufsbefähigung und Einstellungsvoraussetzung in der Industrie angesehen, insbesondere im Fach Chemie“(Konsortium BuWiN 2017: 96).

2.2 Statuspassagen auf dem akademischen Qualifizierungsweg

Abbildung 1: Abgeschlossene Promotionen in OECD-Ländern 1999 und 2009.

27

USA Deutschland Großbritannien Japan Frankreich Korea Spanien Australien Kanada Polen Portugal Türkei Mexico Schweiz Schweden Niederlande Tschechische Republik Österreich Finnland Slowakei Belgien Ungarn Irland Dänemark Norwegen Neuseeland Italien

10.000 20.000 30.000 40.000 50.000 60.000 70.000 Abgeschlossene Promotionen 1999

2009

Abbildung 3: Anzahl an Promovierten im Datum internationalen Vergleich im Jahr 1999 und Quelle: Online Education Database – OECD. der Datenziehung: 7. Oktober 2011, eigene Darstellung. 2009 Quelle: Hauss et al. (2012: 21)

An der Abbildung ist zum einen abzulesen, dass Deutschland hinsichtlich der Neben vergleichsweise hohen absoluten der Promotionen in Deutschland i Anzahl an der Promovierten nur von den USA, deren Zahl Hochschulsystem aber insgePromotionsquote hoch (Abbildung 2). Die Promotionsquote setzt die Anzahl de samt ungleich größerrelativ ist, übertroffen wird. Deutschland nimmt somit im internationalen Vergleich eine Spitzenposition ein. Weiterhin kann man erkennen, dassPersonen in d mit abgeschlossener Promotion in Relation zur Anzahl der altersgleichen dierung. Anzahl der Promotionen in den USA und auch in anderen Ländern, wie 2 Während im OECD-Durchschnitt 2008 nur 1,4 Prozent der typischen Altersg Großbritannien oder Japan, zwischen 1999 und 2009 prozentual stärker gestiePromotion ablegten, waren es in Deutschland 2,5 Prozent. Nur für die Schweiz, Sch gen ist als in Deutschland (vgl. Abbildung 3).

Portugal fallen die entsprechenden Vergleichswerte höher aus.

2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

28

2.2.3 Die Postdoc-Phase Ist die Promotion abgeschlossen, beginnt für diejenigen Personen, die weiterhin auf dem wissenschaftlichen Karrierepfad verweilen, die Postdoc-Phase. Bisher existiert keine einheitliche Definition dafür, wer zur Gruppe der „Postdocs“ zu zählen ist. Der Universitätsverband UniWiND schlägt seinerseits folgende Definition vor: „Postdocs sind promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die unterhalb der W2-Professur wissenschaftlich tätig sind und die entweder mit dem Ziel einer Weiterqualifizierung an Universitäten oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen beschäftigt sind (WissZVG §2 Abs. 1) oder die unabhängig von der Art und dem Ort ihrer Beschäftigung daran arbeiten, sich für eine Universitätsprofessur zu qualifizieren (zum Beispiel wissenschaftliche Mitarbeiter/innen mit Qualifizierungsabsicht auf Dauerstellen, wissenschaftliche Mitarbeiter/innen auf Stellen für Wissenschaftsmanagement oder Lehre, Stipendiat/innen oder externe Habilitand/innen)“ (Kauhaus 2015: 7). In seinen Empfehlungen zu den Karrierezielen und –wegen an Universitäten (2014) rückt der Wissenschaftsrat die Postdoc-Phase in den Fokus, da aus seiner Sicht „der Handlungsbedarf [...] dort am größten ist“ (WR 2014: 7). Zentrales Ziel der Postdoc-Phase ist es, die fachliche sowie methodische Weiterentwicklung, aber auch die „wissenschaftliche Leistungsfähigkeit nachzuweisen und sich
selbst zu vergewissern, welches Karriereziel erstrebenswert und erreichbar ist“ (ebd.: 11). Ein wesentliches Qualifizierungsziel der Postdoc-Phase ist die Entwicklung zur unabhängigen Forscherpersönlichkeit. Gläser und Laudel (2008) verstehen die Postdoc-Phase als den Übergang der Wissenschaftler*innen innerhalb der Scientific Community vom „apprentice“ zum „colleague“, der sich in der Entwicklung zum bzw. zur unabhängigen Forscher*in manifestiert, der bzw. die eine eigene Forschungsagenda entwickelt (Gläser und Laudel 2008: 391). Der Autonomiegewinn ist von besonderer Bedeutung in der Postdoc-Phase, da laut Wissenschaftsrat „Weisungsgebundenheit und Abhängigkeiten [...] promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dem Karriereziel Universitätsprofessur daran hindern [können], sich in ihrer wissenschaftlichen Eigenständigkeit zu entfalten, und sie somit in der wichtigsten Entwicklungsphase ihres Berufslebens erheblich einschränken“ (WR 2014: 24).

2.2 Statuspassagen auf dem akademischen Qualifizierungsweg

29

Anders als in der Promotionsphase wird man als Postdoc nicht durch einen Habilitationsvater bzw. eine Habilitationsmutter betreut und auch der Besuch von habilitationsbegleitenden Kursen ist nicht vorgesehen. Als Postdoc ist man maßgeblich selbst dafür verantwortlich, sich weiter zu qualifizieren. Der Universitätsverband UniWiND erachtet es aber als äußerst wichtig, die Postdocs in Zukunft durch geeignete Rahmenbedingungen und Unterstützungsangebote bei ihrer Qualifizierung stärker zu unterstützen (Kauhaus 2015: 6). Beispielsweise sollen den Postdocs Angebote offeriert werden, die dazu dienen, dass sie sich mit der Realität der knappen Stellen im Wissenschaftssystem auseinandersetzen, reflektieren, welche Leistungen im eigenen Fach zu erbringen sind, um die eigenen Chancen für den Zugang zu einer Professur optimal zu gestalten, und darauf aufmerksam gemacht werden, dass Mobilität in Form von Aufenthalten im Ausland und bzw. oder ein Universitätswechsel dabei eine bedeutende Rolle spielt (Bertke et al. 2015:13). Die Hochschulrektorenkonferenz unterteilt in ihrer jüngsten Empfehlung die Postdoc-Phase in zwei Etappen: eine erste Phase, die als „Qualifikationsphase“ tituliert wird. Im Anschluss daran folgt eine zweite Phase, die so genannte „Entscheidungsphase“, in der die eigenständige Arbeit an Forschungsthemen im Vordergrund steht (HRK 2015: 2). Für die Dauer der ersten Phase empfiehlt der Wissenschaftsrat eine Begrenzung auf maximal vier Jahre. Grund für diese Empfehlung ist zum einen, dass der bzw. die Postdoc im Anschluss auch noch erfolgreich seine bzw. ihre Karriere außerhalb der Wissenschaft fortsetzen kann. Daher ist es notwendig, dass in dieser Phase neben der Arbeit an der Habilitationsschrift auch Schlüsselkompetenzen gefördert werden, die in unterschiedlichen Berufskontexten zum Einsatz gebracht werden können (Kauhaus 2015: 6). Zum anderen zielt die zeitliche Begrenzung der ersten Etappe darauf ab, dass den Postdocs in der zweiten Phase durch eine Beschäftigung als Juniorprofessor*in im Tenure-Track-Modell oder als Nachwuchsgruppenleiter*in möglichst zeitnah ermöglicht wird, selbstständig und nicht mehr weisungsgebunden zu arbeiten (WR 2014: 11). Der Universitätsverband UniWiND schlägt eine noch feinere Unterteilung in drei Etappen vor: eine frühe Postdoc-Phase, eine fortgeschrittene Postdoc-Phase, die man als wissenschatfliche*r Mitarbeiter*in oder als Nachwuchsgruppenleiter*in bzw. Juniorprofessor*in durchläuft, sowie eine Berufungsphase (Kauhaus 2015: 8ff.). Die ca. zweijährigen frühe Postdoc-Phase wird als „Orientierungsphase“ betrachtet, in der sich die Postdocs entscheiden sollen, ob sie weiterhin den wissenschaftlichen Karriereweg verfolgen möchten, oder präferieren in den außeruniversitären Arbeitsmarkt zu wechseln. Weiteres Ziel der

30

2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

Orientierungsphase ist es, als Postdoc seine Kompetenzen hinsichtlich der Einwerbung von Drittmitteln fortzuentwickeln, durch eigene Publikationen und Tagungsvorträge in der Scientific Community sichtbar zu werden sowie ein stabiles Netzwerk, insbesondere zu anderen erfahrenen Wissenschaftler*innen aufzubauen, da dies u.a. Vorteile bei der Stellenbewerbung mit sich bringen kann (Bertke et al. 2015: 13f.). In der fortgeschrittenen Postdoc-Phase, auch „Profilierungsphase“ genannt, gilt es, als wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in, Nachwuchsgruppenleiter*in oder Juniorprofessor*in diejenigen Leistungen zu erbringen, die zur Berufungsfähigkeit führen. Die Entscheidung für den wissenschaftlichen Karriereweg soll zu diesem Zeitpunkt bereits gefallen sein und die Entwicklung einer Karrierestrategie zur Zielerreichung soll im Zentrum dieser Phase stehen (Kammann und Schaub 2015: 17). Im letzten Abschnitt der Postdoc-Phase, der „Berufungsphase“, sollen sich die Postdocs schließlich auf ausgeschriebene Professuren bewerben. Das Ende der Postdoc-Phase wird durch den Antritt einer Professur (W2 oder W3) oder aber die persönliche Entscheidung, keine weitere Qualifizierung für eine Professur anzustreben, markiert (Kauhaus 2015: 8ff.). 2.2.4 Wege zur Professur im Wandel Auf dem traditionellen deutschen Weg zur Professur steht die Anfertigung einer weiteren Qualifikationsschrift, der Habilitation, im Zentrum der Postdoc-Phase. Diese bildet über lange Zeit eine wesentliche Voraussetzung für die Berufbarkeit auf eine Professur (Kreckel 2008b: 45ff.; 2012:9f.). Eine klassische Habilitationsstelle ist die wissenschaftliche Mitarbeiterstelle (zuvor, bis zu ihrer Abschaffung 2005, die Assistent*innenstelle) an einem Lehrstuhl. Seit Anfang der 2000er sind jedoch alternative Wege zur Professur und dementsprechend neue Stellenkategorien in Deutschland entstanden. Bei der Juniorprofessur und der Nachwuchsgruppenleitung handelt es sich um ebensolche neu entstandenen Stellenkategorien, die mit dem Ziel eingeführt wurden, die Habilitation als Berufungsvoraussetzung auf eine W2- oder W3-Professur zu substituieren (Funken et al. 2015: 93). Habilitation Betrachtet man die quantitative Entwicklung der Habilitationsabschlüsse im Zeitverlauf, stellt man fest, dass die Anzahl an abgeschlossenen Habilitationen kontinuierlich zurückgegangen ist (vgl. Abbildung 4 und Tabelle 5 im Anhang für exakte Zahlenwerte). Die Zahl ist von 2.128 abgeschlossenen Habilitationen in 2000, auf 2.001 im Jahr 2005, auf 1.755 im Jahr 2010 und schließlich 1.581 im Jahr 2016 abgefallen. Die rückläufige Entwicklung ist u.a. auf die Emergenz von

Kunst, Kunstwissenschaft

40

Insgesamt Männlich (n = 1.174)

Weiblich (n = 453)

60 72

28 0

20

40

60

80

100 %

2.2 Statuspassagen auf dem akademischen Qualifizierungsweg

31

Quelle: Statistisches Bundesamt (2015): Personal an Hochschulen 2014 – Fachserie 11, Reihe 4.4, Wiesbaden; eigene Darstellung

alternativen Qualifizierungswegen neben der Habilitation, wie der Juniorprofessur oder der Nachwuchsgruppenleitung, zurückzuführen. Abb. B26: Abgeschlossene Habilitationen im Zeitverlauf (2000 bis 2014) 2.500 2.128 2.000

2.001 1.755

700 856

1.500

1.627

867

828

888

799

2010

2014

1.000 500 0

1.428

1.145

2000

2005

Habilitationen in Humanmedizin/Gesundheitswiss.

Habilitationen ohne Humanmedizin/Gesundheitswiss.

Quellen: Statistisches Bundesamt (diverse): Personal an Hochschulen – Fachserie Reihe 4.4, Wiesbaden; eigene Darstellung Abbildung 4: Abgeschlossene Habilitationen von 2000 11, bis 2014 Quelle: Konsortium BuWiN (2017: 110)

Der Frauenanteil an abgeschlossenen Habilitationen hat sich im Gegenzug kontinuierlich von 18 Prozent im Jahr 2000, auf 23 Prozent im Jahr 2005, auf 25 Prozent im Jahr 2010 und bereits 28 Prozent im Jahr 2014 erhöht (Konsortium BuWiN 2017: 111, Abbildung B27). Die Fächergruppe mit dem höchsten Anteil an abgeschlossenen Habilitationen bilden im Jahr 2016 die Humanmedizin und die Gesundheitswissenschaften mit 802 Habilitierten, gefolgt von den Geisteswissenschaften (218), der Mathematik und den Naturwissenschaften (211), wie auch den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (202) (vgl. Tabelle 6 im Anhang). Analog zur Promotionsquote lässt sich auch eine Habilitationsquote berechnen, welche ein Maß für den Anteil an habilitierten Personen an Promovierten darstellt. Im Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs (2017) wird zur Berechnung der Habilitationsquote die „Summe der abgeschlossenen Habilitationen im Zeitraum 2001 bis 2014 durch die Summe der abgeschlossenen Promotionen im Zeitraum von 1995 bis 2008 geteilt (Konsortium BuWiN 2017: 112). Insgesamt ergibt sich eine Habilitationsquote von acht Prozent, wobei starke Unterschiede nach Fächergruppen festzustellen sind. Die Fächergruppe mit der höchsten Habilitationsquote bilden demnach die Sprach- und Kulturwissenschaften mit 15 Prozent, gefolgt von der Fächergruppe Sport mit 12 Prozent sowie Humanmedizin und Gesundheitswissenschaften mit 11 Prozent, die aber in absoluten Häufigkeiten mit 11.796 die meisten Habilitierten im Jahr 2016

32

2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

vorzuweisen haben. Im Durchschnitt liegt die Habilitationsquote der Frauen mit fünf Prozent unter der der Männer (ebd.: 112, Tabelle B15). Im Zeitverlauf ist von 2001 bis 2014 für alle Fächergruppen, mit Ausnahme von Humanmedizin und Gesundheitswissenschaften, ein rückläufiger Trend bezüglich der Quote der abgeschlossenen Habilitationen festzustellen (ebd.: 113, Tabelle B16). Dies kann, wie bereits angeführt, in Teilen auf die Emergenz alternativer Stellenkategorien zurückgeführt werden. Juniorprofessur Zu diesen alternativen Stellenkategorien zählt auch die Juniorprofessur, die in Deutschland im Jahr 2002 eingeführt wurde und deren besonderer Vorteil darin liegt, dass die Stelleninhaber*innen relativ früh im Karriereverlauf eigenständig forschen und lehren und damit Autonomie gewinnen können. Ein weiteres hochschulpolitisches Ziel der Einführung der neuen Stellenkategorie ist es, das Erstberufungsalter auf eine Professur zu senken und den Stelleninhaber*innen bereits früher im Karriereverlauf eine dauerhafte Beschäftigungsperspektive zu bieten. Die Erreichung dieses Ziel ist jedoch fragwürdig, da der Großteil der Juniorprofessuren in Deutschland, anders als beispielsweise in den USA (vgl. Kreckel 2012: 6), mit keiner Entfristungsoption (Tenure Track) versehen ist. Bei einer vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) durchgeführten Befragung unter Juniorprofessor*innen im Jahr 2007 gaben lediglich acht Prozent der Befragten an, dass ihre Stelle (bei positiver Evaluation) eine Möglichkeit der Übernahme auf eine reguläre Professur ohne eine zusätzliche Ausschreibung beinhaltet (Federkeil und Buch 2007: 10). In der 2014 durchgeführten Befragung des CHE waren es immerhin 19,5 Prozent (Nickel et al. 2014:16). Das Ziel der Senkung des Erstberufungsalters wurde durch die Einführung der Juniorprofessur realisiert. Demnach sind Juniorprofessor*innen, wenn sie ihren ersten Ruf erhalten, im Jahr 2014 durchschnittlich „35,2 Jahre alt (arithmetisches Mittel 2014), W2- Professorinnen und - Professoren sind [dagegen] 41,4 Jahre und W3- Professorinnen und - Professoren 42,4 Jahre alt“ (Konsortium BuWiN 2017: 117). Dabei ist aber zu beachten, dass eine Juniorprofessur nicht gleichwertig mit einer W2- oder W3 Professur anzusehen ist, da sie meist nur eine befristete Anstellung bedeutet und erst nach weiteren (ca. sechs) Jahren eine Dauerstelle erreicht werden kann. Zudem werden Juniorprofessor*innen lediglich mit W1 besoldet. Nichtsdestotrotz werden Juniorprofessor*innen hinsichtlich ihrer Aufgaben wie W2 oder W3-Professor*innen behandelt. Sie müssen sich sowohl in der Lehre einbringen (jedoch in reduzierterem Umfang wie W2oder W3-Professor*innen), Selbstverwaltungsaufgaben übernehmen und auch in Gremien präsent sein. Bei der Zwischenevaluation werden darüber hinaus

2.2 Statuspassagen auf dem akademischen Qualifizierungsweg

33

auch die Forschungs- und weitere wissenschaftliche Leistungen beurteilt, woran es als Juniorprofessor*in parallel zu arbeiten gilt. Sich gleichermaßen in Lehre wie auch Forschung engagieren zu müssen, ist als besondere Herausforderung dieser Stellenkategorie zu betrachten (Vurgun 2015: 21). Reichertz folgert, dass die Einführung der Juniorprofessur gewiss mit einem Autonomiegewinn für Postdocs einhergeht. Aber „sie bringt auch sehr viel mehr Beruf und Karrierepolitik in das Leben der Wissenschaftler. […] [Denn die Freiheit geht auch mit] der Pflicht, zu lehren und zu prüfen, neben der Notwendigkeit, Drittmittel einzuwerben und entsprechende Forschung zu betreiben, neben dem Gebot, sich an der Hochschulverwaltung zu beteiligen und auch neben dem Zwang, das ,Zweite Buch‘ zu schreiben. [einher][…] Juniorprofessoren werden sich notwendigerweise zu Virtuosen in Sachen ,Karrierepolitik‘ entwickeln müssen, wollen sie erfolgreich sein“(Reichertz 2003: 363f.). Blickt man auf die quantitative Entwicklung der Anzahl an Juniorprofessor*innen in Deutschland, stellt man fest, dass sich die Zahl der Juniorprofessuren seit ihrer Einführung im Jahr 2002 von 102 auf 1.613 im Jahr 2014 beständig erhöht hat (vgl. Abbildung 5 und Tabelle 7 im Anhang für die exakten Zahlenwerte). „Die Zahl der Neuberufungen hat jüngst allerdings einen Rückgang erfahren. 2014 gab es nur 82 Neuberufungen (2010 noch 111)“ (Konsortium BuWiN 2017: 115). Bezüglich des Anteils an weiblichen Stelleninhaber*innen ist festzustellen, dass der Frauenanteil an Juniorprofessor*innen in den ersten Jahren nach Einführung der neuen Stellenkategorie zunächst relativ konstant bei Anteilen um die 30 Prozent blieb. Erst ab dem Jahr 2006 setzt ein kontinuierlicher Aufwärtstrend ein und der Anteil an weiblichen Juniorprofessor*innen steigt beständig von 31,5 Prozent im Jahr 2006 auf 40 Prozent im Jahr 2014 an (vgl. Abbildung 5 und Tabelle 7 im Anhang für die exakten Zahlenwerte).

34

2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

Abbildung 5: Anzahl an Juniorprofessor*innen von 2002 bis 2014 Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf den Daten aus Tabelle 7 im Anhang

Betrachtet man die Verteilung der Juniorprofessuren nach Fächergruppen, fällt auf, dass die neue Stellenkategorie nicht in allen Fächern gleichermaßen Verbreitung findet (vgl. Abbildung 6). Der größte Anteil an Juniorprofessor*innen konzentriert sich demnach sowohl auf die Fächergruppen Mathematik und Naturwissenschaften (27%), Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (26%) als auch Sprach- und Kulturwissenschaften (25%). Das ergibt im Vergleich zur Verteilung der abgeschlossenen Habilitationen im Jahr 2014 nach Fächergruppen ein deutlich unterschiedliches Bild (vgl. Tabelle 6 im Anhang), denn 2014 wurden 50,9 Prozent der Habilitationen in der Humanmedizin und den Gesundheitswissenschaften abgeschlossen, aber nur fünf Prozent der Juniorprofessuren fällt im 2014 auf diese Fächergruppe (vgl. Abbildung 6). Es ist anzunehmen, dass die „Fächerkonzentration der Juniorprofessur […] auf unterschiedliche Fachkulturen beziehungsweise Qualifizierungs- und Rekrutierungsmuster zurückzuführen“ (Konsortium BuWiN 2017: 115) ist.

Ergebnisse des Monitorings zum wissenschaftlichen Nachwuchs

2.2 Statuspassagen auf dem akademischen Qualifizierungsweg

Abb. B29: Juniorprofessorinnen und -professoren 2014 nach Fächergruppen (in %)¹ 3

4

8 1

35

25

1

5 in %

2

n = 1.613

27

Sprach- und Kulturwissenschaften Sport Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Mathematik, Naturwissenschaften Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften Veterinärmedizin Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften Ingenieurwissenschaften Kunst, Kunstwissenschaft Zentrale Einrichtungen

26 1Abbildung Abweichungen 100% sind rundungsbedingt. nach Fächergruppen im Jahr 2014 6:von Juniorprofessor*innen Quelle: Statistisches Bundesamt (2015): Personal an Hochschulen 2014 – Fachserie Quelle: Konsortium BuWiN, Abbildung B29 (2017: 114)11, Reihe 4.4, Wiesbaden; eigene Darstellung

Bezüglich der neuen Stellenkategorie „Juniorprofessur“ ist zu resümieren, dass

Abb. B30: Frauenanteil bei Juniorprofessorinnen undVerbreitung -professoren, gefunden Habilitierten, sie in den letzten Jahren zwar zunehmende hat, die anW2-Neuberufungen und W3-Neuberufungen 2014 (in %)

gestrebte Zielmarke von 6000 Juniorprofessuren (BMBF 2002: 5) wurde bisher % 50 jedoch noch lange nicht erreicht. Von einer Substitution der Habilitation als Regelvoraussetzung für die Berufungsfähigkeit auf eine unbefristete Professur 40 40 durch die Juniorprofessur kann daher nicht die Rede sein. Der hohe Stellenwert 34 der Habilitation als Berufungsvoraussetzung bleibt damit weiterhin unangetas30 28 28 tet, wie auch die Befunde untermauern, dass im Jahr „bis zu zwanzig Mal so 20 viele Habilitationen abgeschlossen [werden], wie neue Juniorprofessorinnen und -professoren berufen werden“ (Konsortium BuWiN 2017: 116) und dass die 10 Habilitation unter 0

„den Neuberufungen auf Professuren an Universitäten W3-Neuberufungen im Jahr 1 W2-Neuberufungen1 einen Anteil n = von 243 43% (W2) bezien = 241 hungsweise 49% (W3) aus[macht] (…). Der Anteil der Junior1 An Universitäten, Theologischen und Pädagogischen Hochschulen. In diesem Fall ohne Kunst- und Musikhochschulen. professur macht hingegen nur 14% (W2) beziehungsweise Quellen: für Habilitierte: Statistisches Bundesamt (2015): Personal an Hochschulen 2014 – Fachserie 11, Reihe 4.4, Wiesbaden; 11% (W3) aus. Weitere 2%Statistisches (W2) beziehungsweise 3% (W3) Sonderfür Juniorprofessor/inn/en, W2- und W3-Professor/inn/en: Bundesamt (2016): Personal an Hochschulen, haben eigene eineDarstellung Juniorprofessur als Vorqualifikation und sind zuauswertung, Wiesbaden; gleich habilitiert oder weisen weitere habilitationsadäquate Leistungen auf“ (ebd.: 116). Juniorprofessor/inn/en Habilitierte 2014 n = 1.613als Vorqualifikation n = 1.627 […]

Abb. B31: Juniorprofessorinnen und -professoren 2014 nach Geschlecht und„Tenure-Track Fächergruppen Als konzeptionelle Weiterentwicklung der Juniorprofessur ist die (in %)

Professur“ zu verstehen. „Sie dient der Bewährung im Professorenamt. Die Zu44 und Kulturwissenschaften 56 gewährt Unabhänordnung zurSprachGruppe der Hochschullehrerinnen und -lehrer 64 gigkeit und SelbstständigkeitSport und ermöglicht Kommunikation und Kooperation 36 65 Wirtschafts- mit und Sozialwissenschaften auf Rechts-, Augenhöhe unbefristet beschäftigten Professorinnen und Professoren“ 35 70 Naturwissenschaften (WR 2014: Mathematik, 11). Wie bei der unbefristeten W230 oder W3-Professur erfolgt die Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften

35

Veterinärmedizin

56

41

Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften Ingenieurwissenschaften

65

44

33

59 67 49

36

2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

Auswahl der Professor*innen durch ein wettbewerblich organisiertes Berufungsverfahren, die Vergütung kann sowohl W1 als auch W2 sein, man erhält Promotionsrecht sowie ein Budget, über das man selbstständig verfügen kann (ebd.: 11f.). Um „Tenure“ zu bekommen, also entfristet zu werden, muss man durch sowohl organisationsinterne als auch externe Gutachten der „Forschungs- und Lehrleistungen und ggf. Leistungen in den Bereichen Forschungsinfrastrukturbetreuung und/oder Wissens- und Technologietransfer“ (ebd.: 11f.) positiv evaluiert werden. Eines der primären Ziele der Einrichtung der Tenure-Track Professur sowie der Erhöhung der Professorenstellen insgesamt ist es, schrittweise das Verhältnis von selbstständigem zu weisungsgebundenem Personal an deutschen Hochschulen zu verbessern (ebd.: 15). Nachwuchsgruppenleitung Eine weitere Alternative zur Habilitation stellt die Position eines Nachwuchsgruppenleiters bzw. einer Nachwuchsgruppenleiterin dar, die meist an außeruniversitären Forschungseinrichtungen, aber auch an Universitäten vorzufinden ist (Beispiel sind: Frauenhofer Attract, Helmholtz-Nachwuchsgruppen, MaxPlanck-Nachwuchsgruppen, Leibniz- Nachwuchsgruppen). Die Stellen werden sowohl durch die außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Forschungsförderorganisationen als auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (Emmy-Noether-Programm), das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Volkswagenstiftung finanziert. Im Jahr 2014 gibt es insgesamt 921 Nachwuchsgruppenleiter*innen (vgl. Tabelle 1). Dabei werden die meisten Nachwuchsgruppenleiter*innen im Rahmen des Emmy-Noether-Programms der DFG gefördert. Im Jahr 2014 existieren 354 Emmy-Noether-geförderte Nachwuchsgruppenleiter*innen, von denen „81% an Universitäten und 14% an außeruniversitären Forschungseinrichtungen als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder Mitarbeiter beschäftigt (5% Sonstige)“ (Konsortium BuWiN 2017: 118) sind. Die zweitgrößte Gruppe bilden die 226 Personen, die im Rahmen von Helmholtz-Nachwuchsgruppen gefördert werden.

Bestand und soziodemografische Merkmale des wissenschaftlichen Nachwuchses

2.2 Statuspassagen auf dem akademischen Qualifizierungsweg

37

Tab. B19: Nachwuchsgruppenleiterinnen und Nachwuchsgruppenleiter 2014 Tabelle 1: Nachwuchsgruppenleiter*innen nach Förderprogramm im Jahr 2014 nach Förderprogramm (in Personen) Förderprogramm

Anzahl Personen

Emmy Noether-Programm (laufende Förderung)

354

Fraunhofer Attract

22

Helmholtz-Nachwuchsgruppen

226

Max-Planck-Nachwuchsgruppen

166

darunter Forschungsgruppen

121

darunter Otto-Hahn-Gruppen

9

darunter Minerva-Gruppen

36

Leibniz-Nachwuchsgruppen

153

Insgesamt

921

Quelle: Konsortium Tabelle B19 (2017: 119) Quellen: GWK (2015): Pakt für BuWiN, Forschung und Innovation. Monitoring-Bericht 2015. Materialien der GWK, http://www.gwk-bonn. de/fileadmin/Papers/GWK-Heft-42-PFI-Monitoring-Bericht-2015.pdf (25.08.2015), S. 103 und 118; für Emmy Noether: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): Emmy Noether-Geförderte für den Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs (BuWiN) 2017,

Im ZeitverlaufBonn; isteigene überDarstellung alle Förderprogramme hinweg eine Zunahme der geförSonderauswertung, derten Nachwuchsgruppenleiter*innen zu verzeichnen (vgl. Tabelle 8 im Anhang). VonLaufende 2005 bis 2006 ist die Anzahl der Nachwuchsgruppenleiter*innen Abb. B33: Emmy Noether-Nachwuchsgruppen 2014 nach DFG-Wissenschafts- von bereichen (in %) angestiegen, flachte dann aber stetig ab und erreicht 184 auf 538 sprunghaft 12 mit 921 Geförderten im Jahr 2014 ihren Maximalwert12. 14 Im Vergleich zur Juniorprofessur ist festzustellen, dass deutlich weniger Stellen für Nachwuchsgruppenleiter*innen existieren. So stehen im Jahr 2014 1.613 Geistes- und Sozialwissenschaften Juniorprofessor*innen (vgl. Tabelle 7 im Anhang)Naturwissenschaften einer Zahl von nur 921 Nachin % Lebenswissenschaften wuchsgruppenleiter*innen n = 354 gegenüber (vgl. Tabelle 1). Anders als JuniorprofesIngenieurwissenschaften sor*innen haben Nachwuchsgruppenleiter*innen meist keine Lehrverpflichtung 34 und können eigenständig über recht umfangreiche Forschungsmittel verfügen (Huber und 40 Böhmer 2012: 71f.). Nachwuchsgruppenleiter*innen „eröffnen sich u. a. Wege hin zu unbefristeten Positionen in der außeruniversitären Forschung oder, sofern sie sich in der Lehre qualifizieren, auch zu einer Tätigkeit als HochQuelle: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) (2016): Emmy Noether-Geförderte für den Bundesbericht Wissenschaftlicher schullehrerin -lehrer an Bonn; einer Universität“ (WR 2014: 11). Anders als bei Nachwuchs (BuWiN)bzw. 2017, Sonderauswertung, eigene Darstellung der Juniorprofessur werden bei der Zwischenevaluation von Nachwuchsgruppenleiter*innen nur die wissenschaftlichen Leistungen, insbesondere die ForAbb. B34: Laufendebegutachtet. Emmy Noether-Nachwuchsgruppen 2014 nach Geschlecht und DFGschungsleistung, Als besondere Herausforderung dieser Stellen%) Führungsaufgaben zu sehen, da man als kategorie Wissenschaftsbereichen ist die Übernahme (in von Nachwuchsgruppenleiter*in ein eigenes Forscherteam zusammenstellen und 46 Geistes- und Sozialwissenschaften 54 dieses auch leiten muss (Vurgun 2015: 21). 70

Naturwissenschaften

30

12

Aussagen zur Geschlechter- sowie Fächerverteilung der Gesamtheit der Nachwuchsgrup68 penleiter*innen sind dadurch, dass Daten über sie nicht durch die amtliche Statistik erfasst Lebenswissenschaften 32 werden, nicht bzw. nur für ausgewählte Förderprogramme möglich (vgl. Konsortium BuWiN 2017: 118f.). 82 Ingenieurwissenschaften

18 68

Insgesamt

32 0

Männlich (n = 241)

Weiblich (n = 113)

20

40

60

80

100%

Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften

29,2

31,7

34,7

40,2

41,7

42,5

Veterinärmedizin

27,7

31,7



43,4



48,0

Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften

27,8

33,4



44,8

39,1

44,4

Ingenieurwissenschaften

27,9

33,6

35,7

44,1

41,5

43,5

38Kunst, Kunstwissenschaft

29,3

Insgesamt n=

38,6 37,5 43,3Forschungsperspektive 44,8 48,3 2 Forschungskontext und

28,4

32,6

153.888

28.147

35,2 82

2.2.5 Geschlechterungleichheit im Qualifizierungsverlauf

40,9

41,4

42,4

1.627

243

241

1

Universitärer Abschluss (ohne Lehramtsprüfung): Magister, Mehr-Fächer-Master, Lizentiat, Staatsexamen/1.; Staatsprüfung, Staatsexamen (einphasige Ausbildung), Diplom (U), Diplom (U) – Dolmetscher, Diplom (U) – Übersetzer, Master an Universitäten (Abschlussprüfung vorausgesetzt); Künstlerischer Abschluss: Diplom (KH), Master an Kunsthochschulen (Abschlussprüfung vorausgesetzt); Fachhochschulabschluss: Diplom (FH), Diplom (FH) – Dolmetscher, Diplom (FH) – Übersetzer, Master an Fachhochschulen (Abschlussprüfung vorausgesetzt) 2 An Universitäten, Theologischen und Pädagogischen Hochschulen. In diesem Fall ohne Kunst- und Musikhochschulen. 3 Zahlenwert unbekannt oder geheim zu halten.

Betrachtet man die Chancen, eine Erfolgsposition in der Wissenschaft zu erreichen, aus einer Geschlechterperspektive, wird ersichtlich, dass der Frauenanteil im Qualifizierungsverlauf stetig abnimmt (vgl. Tabelle 2). In der einschlägiQuellen: für Hochschulabschlüsse und Promotionen: Statistisches Bundesamt (2016): Prüfungen an Hochschulen, Sonderauswertung, Wiesbaden; für Habilitationen: gen Literatur zum Thema wird daher in diesem Zusammenhang auch oft von Statistisches Bundesamt (2015): Personal an Hochschulen – Fachserie 11, Reihe 4.4 – 2014, Wiesbaden; für Juniorprofessor/inn/en, W2- und W3-Professor/inn/en: Statistisches Bundesamt (2016): Personal an Hochschulen, Sonderauswertung, Wiesbaden; eigene Darstellung einer „leaky pipeline“ (Berryman 1983) oder „gläsernen Decke“ gesprochen. Tab. B23: Frauenanteil bei verschiedenen Gruppen des wissenschaftlichen Nachwuchses und des Potenzials für den

Tabelle wissenschaftlichen 2: Frauenanteil im wissenschaftlichen Qualifizierungsverlauf Nachwuchs 2014 nach Fächergruppen (in %) Habilitationen

W2 Neuberufungen²

W3 Neuberufungen²

56

43

44

47

36

45

50

0

38

35

25

43

35

41

40

30

21

22

25

58

60

35

25

29

15

83

79

84

56

80

0

0

Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften

60

59

52

59

40

43

0

Ingenieurwissenschaften

23

21

19

33

15

10

8

Kunst, Kunstwissenschaft

64

66

63

51

40

42

67

Hochschulabschlüsse¹

Promovierende

Promotionen

Sprach- und Kulturwissenschaften

74

61

57

Sport

46



38

Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

52

43

Mathematik, Naturwissenschaften

39

Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften

63

Veterinärmedizin

Fächergruppen

Juniorprofessor/inn/en in %

Insgesamt n=

48

44

45

40

28

34

28

153.888

196.200

28.147

1.613

1.627

243

241

1

Universitärer Abschluss (ohne Lehramtsprüfung): Magister, Mehr-Fächer-Master, Lizentiat, Staatsexamen/1.; Staatsprüfung, Staatsexamen (einphasige Ausbildung), Diplom (U), Diplom (U) – Dolmetscher, Diplom (U) – Übersetzer, Master an Universitäten (Abschlussprüfung vorausgesetzt); Künstlerischer Abschluss: Diplom (KH), Master an Kunsthochschulen (Abschlussprüfung vorausgesetzt); Fachhochschulabschluss: Diplom (FH), Diplom (FH) – Dolmetscher, Diplom (FH) – Übersetzer, Master an Fachhochschulen (Abschlussprüfung vorausgesetzt) 2 An Universitäten, Theologischen und Pädagogischen Hochschulen. In diesem Fall ohne Kunst- und Musikhochschulen. 3 Zahlenwert unbekannt oder geheim zu halten. Quellen: für Hochschulabschlüsse: Statistisches Bundesamt (2016): Prüfungen an Hochschulen, Sonderauswertung, Wiesbaden; für Promovierende: Statistisches Quelle: Konsortium BuWiN, Tabelle B23 (2017: 123) Bundesamt) (2016): Promovierende in Deutschland – Wintersemester 2014/2015, Wiesbaden; für Promotionen: Statistisches Bundesamt (2015): Prüfungen an Hochschulen 2014 – Fachserie 11, Reihe 4.2, Wiesbaden; für Habilitationen: Statistisches Bundesamt (2015): Personal an Hochschulen 2014 – Fachserie 11, Reihe 4.4, Wiesbaden; für Juniorprofessor/inn/en, W2- und W3-Professor/inn/en: Statistisches Bundesamt (2016): Personal an Hochschulen, Sonderauswertung, Wiesbaden; eigene Darstellung

So erzielen im Jahr 2014 zwar annährend ebenso viele Frauen (48%) wie Männer einen Hochschulabschluss, die Anzahl an promovierten Frauen ist jedoch 123 mit 45 Prozent bereits etwas geringer. Der größte Bruch erfolgt allerdings erst in der Statuspassage nach der Promotion. So werden im Jahr 2014 nur 28 Prozent der Habilitationen von Frauen abgeschlossen, nur 34 Prozent der neuberufenen W2-Profesor*innen sind Frauen und ebenso nur 28 Prozent der Neuberufenen auf eine W3-Professur sind weiblich (vgl. Tabelle 2). Ein etwas positiveres Bild ergibt sich für die Stellenkategorie „Juniorprofessur“. Demnach sind im Jahr 2014 40 Prozent der Inhaber*innen von Juniorprofessuren Frauen (Tabelle 7 im Anhang). Dies ist jedoch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Großteil der Juniorprofessuren ohne Entfristungsoption (Tenure) ausgestattet ist, als nur bedingt positiv anzusehen. Besonders eindrücklich zeigt sich der „Frauenschwund“ im wissenschaftlichen Qualifizierungsverlauf in der Darstellung der Geschlechterverhältnisse anhand eines Scherendiagramms (vgl. Abbildung 7). Demnach sind die Geschlechter-

2.2 Statuspassagen auf dem akademischen Qualifizierungsweg

39

anteile an Studienbeginner*innen noch relativ ausgeglichen, die Schere öffnet sich jedoch ab dem Promotionsabschluss kontinuierlich. Abbildung 2: Retrospektive Verlaufsanalyse über alle Fächer

Quelle: Berechnungen desim CEWS, 2006 Abbildung 7: Frauenanteil Qualifikationsverlauf Quelle: Lind 2007: 63

Eine zweite wenig hinterfragte Ursachenzuschreibung bezieht sich 9 auf die und Chancen der Frauen inweisen den feminisierten AngenomMatthies Zimmermann (2010) bezüglich derFächern. Chance des Erreichens men wird, dass Frauen besonders in solchen Fächern bessere einer Spitzenposition in der Wissenschaft auf „das sogenannte glassChanceiling cen auf wissenschaftliche Qualifizierung dieVoraussetzungen im Studium einen Phänomen, bei den Frauen trotz Erfüllung derhaben, formalen wie hoheneine Frauenanteil Hier wird aufgrund der größeren durch unsichtbareaufweisen. Decke von den Spitzenpositionen getrennt absind“ soluten und Anzahl der Frauen in höheren Positionen auf die Aufstiegs(Matthies Zimmermann 2010: 196) hin. Gründe zur Erklärung der zahlenwahrscheinlichkeit der einzelnen Frau geschlossen. Ebenfallsinanhand mäßigen Unterrepräsentanz von Frauen auf höheren Karrierestufen der Wisder retrospektiven Verlaufsanalyse überprüft, senschaft werden sowohl auf individuellerhaben als auchwir aufdaher struktureller Ebenewie versich Gemäß für dasneuster Studienanfängerjahr diedass Entwicklung nach Fächerortet. Erkenntnisse gilt1986 jedoch, „individuelle Motivationslagruppen Dabei wurde folgendes deutlich: gen bei der darstellt. Karriereentwicklung zwar eine Rolle spielen, dass Je aberhöher die derder WisFrauenanteil, desto geringer die Aufstiegschancen für die einzelne senschaft eigenen institutionellen Barrieren insgesamt stärker differenzkonstruFrau in einem(ebd.: Fach. DieAls Fächergruppen mit Frauenanteilen ierend wirken“ 197). besonders plausible Erklärungen fürvon denmehr Frauals 60 Prozent bei den Studienanfängern zeigen bei den Berufungen enschwund werden der „Coolingout-Effekt“, der aus geschlechterdifferenten die höchsten Verluste (35 - 40 Prozent).10 Besonders offensichtlich Anerkennungskulturen im Wissenschaftsfeld resultiert und dazu führt, dass Frauen weniger motiviert sind, das Wissenschaftler*innensein als Beruf zu wählen, sowie die Wirkmächtigkeit der Fachkultur diskutiert (vgl. u.a. Wetterer 1992, 9 Engler Geenen 1994, Allmendinger al. 2001, Matthies et al. 2001, Der1993, Begriff1999, ‚feminisiertes Fach’ wird verwendet zuretBezeichnung von Disziplinen mit einem Frauenanteil von über 60 Prozent. Problematisch ist der Begriff insofern, als neben der neutralen Bezeichnung eines hohen Frauenanteils das Attribut feminisiert auch assoziativ mit bestimmten Attributen von Weiblichkeit verbunden ist. In der Vergangenheit ging die ‚Feminisierung’ einzelner Disziplinen und Professionen häufig mit deren Statusverlust einher (vgl. z.B. Wetterer 1994). Insofern bedarf der weitgehend im Konsens verwendete Begriff der so genannten feminisierten Fächer einer kritischen Reflexion bzgl. des darin enthaltenen latent diskreditierenden Potentials.

40

2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

Leemann 2002; Beaufaÿs und Krais 2005, Heintz 2007, Matthies und Zimmermann 2010)13. 2.2.6 Akademische Qualifizierungswege außerhalb Deutschlands Stellt man bezüglich des Wegs zur Professur einen Ländervergleich an, zeigt sich, dass die Selbstständigkeit, die als wesentliches Qualifizierungsziel der Postdoc- Phase angeführt wird, in Wissenschaftssystemen außerhalb Deutschlands bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Qualifizierungsverlauf gewährt wird. In Großbritannien beispielsweise ist hier die Position des „Lecturer“ anzuführen und in den USA die des „Assistant Professor on tenure track“. Die Stellenkategorien ermöglichen den Nachwuchswissenschaftler*innen, nach Promotionsabschluss unabhängig zu forschen und bieten eine unmittelbare Entfristung der Stelle, wie beim „Lecturer“, oder eine nach transparenten Kriterien erreichbare Entfristung, wie beim „Assistant Professor on tenure track“ (WR 2014: 34f.). Anders als in Deutschland, gilt des Weiteren kein Hausberufungsverbot und es ist möglich, vom „Assistant Professor“ zum „Associate Professor“ und schließlich zum „Full Professor“ aufzusteigen bzw. vom „Lecturer“ über die Position des „Senior Lecturer“ und „Reader“ zum Professor (ebd.: 34f.) zu werden. So folgert der Wissenschaftsrat: „Insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts in der Karriere, zu dem Selbständigkeit in der Forschung und unbefristete Beschäftigung bzw. die Aussicht darauf in Form des Tenure Track ermöglicht werden, ist das deutsche Wissenschaftssystem im internationalen Vergleich wenig attraktiv“ (ebd.: 35)14. Außerdem ist Deutschland im internationalen Vergleich eines der Länder mit dem geringsten Anteil an entfristeten Wissenschaftler*innen (vgl. Kreckel 2010: 16; Enders 1996; Kreckel und Zimmermann 2014). Der Anteil von Professuren im Verhältnis zu wissenschaftlichen Mittelbaustellen hat sich in den letzten Jahren in Deutschland sogar noch verschlechtert. So liegt der entsprechende Wert im Jahr 1985 noch bei 1: 3,34, ist bis 2007 aber auf ein Verhältnis von 1: 7,67 13

Siehe hierzu auch Kapitel 3.2.3 „Allerdings sind bei diesen Systemvergleichen mehrere Unterschiede zum deutschen System zu beachten. So bedeutet eine unbefristete Beschäftigung in den USA oder Großbritannien keine Unkündbarkeit im Sinne des deutschen Arbeitsrechts, keine Beschäftigungs- und auch keine Gehaltsgarantie, etwa weil in einigen US-Einrichtungen Grundmittel nur bereitgestellt werden, sofern Dritt-mittel eingeworben worden sind. Anders als in Deutschland bislang üblich, ist unbefristete Beschäftigung in Großbritannien auch aus Drittmitteln möglich, was für die beschäftigenden Einrichtungen bei der Personalrekrutierung ein Wettbewerbsvorteil sein kann“ (WR 2014: 36).

14

2.3 Charakteristika von Karrieren in der Wissenschaft

41

abgesunken (Funken et al. 2015: 97, Abb. 2). Außerdem kommt hinzu, dass sich auch der Anteil unbefristeter Stellen neben der Professur von 2003 auf 2012 von 20,6 Prozent auf elf Prozent reduziert hat (ebd.: 96). Um die Beschäftigungsperspektive der Nachwuchwissenschaftler*innen in Deutschland zu verbessern, soll, so fordert der Wissenschaftsrat, bis 2015 eine „strukturelle Fortentwicklung des wissenschaftlichen Personalbestands einschließlich der Umwandlung vorhandener Stellen bundesweit ein schrittweiser Aufwuchs um 7.500 Professuren an Universitäten und gleichgestellten Hochschulen erreicht werden. Der Anteil an Tenure Track-Professuren soll 2025 etwa ein Fünftel aller Professuren betragen“ (WR 2014: 14). 2.3 Charakteristika von Karrieren in der Wissenschaft Als besonderes Beschreibungsmerkmal von Wissenschaftskarrieren wird häufig die Unsicherheit bzw. Risikohaftigkeit des Qualifizierungswegs angeführt, welche nachfolgend näher erläutert wird. Weiterhin soll geklärt werden, warum trotz des hohen subjektiven Risikoempfindens der Akteure, von einer hohen Attraktivität einer Beschäftigung in der Wissenschaft gesprochen werden kann. Weiterhin erfolgt im folgenden Unterkapitel eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff „wissenschaftlicher Nachwuchs“, in dem sich ein weiteres Merkmal wissenschaftlicher Karrierewege widerspiegelt. 2.3.1 Risikohaftigkeit und Unplanbarkeit Wissenschaftliche Karrieren sind „Riskante Karrieren“, wie Kahlert ihr Buch tituliert (2013), oder ein „Hasard“, wie Reuter, Berli und Tischler (2016) in ihrem Sammelband festhalten. Dass akademische Karrieren einem Glücksspiel gleichen, stellte bereits Max Weber in seiner Rede „Wissenschaft als Beruf“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts heraus (vgl. Weber 2002 [1919]). In dieser kommt Weber nach der Benennung zentraler Charakteristika und Bedingungen einer Wissenschaftskarriere zu der Schlussfolgerung: „Das akademische Leben ist also ein wilder Hazard“ (Weber 2002 [1919]: 481). Karrieren in der Wissenschaft sind unsicher und es gibt keine Erfolgsgarantie (vgl. u.a. Reuter et al. 2016, Ortlieb und Weiss 2016, Baier und Münch 2013, Kahlert 2013, Janson et al. 2006, Baruch und Hall 2004). Engler (2003) wiederum formuliert es so: „Ob […] die vielen Mühen zum Erfolg führen, ist ungewiss. So kann man zwar eine wissenschaftliche Karriere ins Auge fassen und darauf hinarbeiten; ob es aber gelingt, in die Position

42

2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

eines Professors vorzurücken, ist von vielen Faktoren abhängig und lässt sich nicht kalkulieren“ (Engler 2003: 113). Diese Charakterisierungen einer wissenschaftlichen Karriere gründen auf verschiedenen Merkmalen des Qualifizierungswegs. Zum einen lässt sich anführen, dass die Zahl der verfügbaren Positionen im Wissenschaftssystem mit steigender Karrierestufe abnimmt. Somit steigt der Wettbewerb um die verfügbaren Positionen mit jeder Qualifikationsstufe und die Erfolgswahrscheinlichkeit reduziert sich für den Einzelnen bzw. die Einzelne. In den letzten Jahren kommt erschwerend hinzu, dass die Anzahl der Promotionsstellen deutlich ausgebaut wurde. Eine Entwicklung, die einerseits auf der Zunahme von über Drittmittel finanzierten Stellen gründet, andererseits auf der Förderpraxis der Exzellenzinitiative. Problematisch daran ist, dass die Stellen für Promovierte, insbesondere die Anzahl der Dauerstellen, hingegen nicht gleichermaßen erhöht wurden (vgl. u.a. Funken et al. 2015: 223; WR 2014: 7, 25). So lässt sich eine zwölfprozentige Steigerung der Anzahl an abgeschlossenen Promotionen von 2000 bis 2012 beobachten, bei quasi gleichbleibender Anzahl an unbefristeten Professuren (WR 2014: 25)15. Weiterhin wird die geringe Planbarkeit des Karrierewegs als Risikofaktor benannt (vgl. Weber 2002 [1919]; Schmeiser 1994). Enders (2003) konstatiert diesbezüglich, dass die Wissenschaft schon jeher „Karrieremuster hervorgebracht [hat], die weniger institutionalisiert und damit auch weniger stabil sind, als dies Erwartungen an geregelte Laufbahnen nahelegen; für die sowohl das Risiko des Scheiterns größer, wie der ,Fächer‘ möglicher Verlaufsmuster breiter ist. In diesem Sinne haben Etikettierungen wie ,Bastel-Existenzen‘ oder ,Selbstunternehmer‘ für Wissenschaftskarrieren wohl immer schon ihre Berechtigung gehabt“ (Enders 2003: 256). So gilt, dass Nachwuchswissenschaftler*innen oft nur sehr kurzfristig erfahren, ob eine Weiterbeschäftigung am gleichen Arbeitsort möglich ist, was eine hohe Ambiguitätstoleranz von den betreffenden Personen abverlangt. Häufig sind Wissenschaftskarrieren „entlang einer Kette befristeter Beschäftigungs15 Laut Wissenschaftsrat (WR) standen im Jahr 2012 27.000 frisch Promovierte einer Anzahl von 24.500 Professor*innen sowie 23.000 unbefristet beschäftigte Mitarbeiter*innen gegenüber. Dies bedeutet folglich, dass es pro jährlich Promoviertem etwa eine unbefristete Professur oder Mitarbeiterstelle gibt oder anders formuliert: Die Chance, eine unbefristet Stelle zu erlangen, liegt über alle Fächer hinweg betrachtet bei weniger als 4 Prozent pro Doktorandenkohorte (WR 2014: 25).

2.3 Charakteristika von Karrieren in der Wissenschaft

43

verhältnisse“ (Enders: 2003: 257) organisiert16. Phasen der Arbeitslosigkeit, als auch eine hohe Mobilität(sbereitschaft), sind daher stete Begleiter auf dem wissenschaftlichen Karriereweg. Das Verfolgen einer Wissenschaftskarriere ist auch insofern als ein Wagnis zu verstehen, als mit steigender Verweildauer im Wissenschaftssystem und Qualifizierung für dieses Tätigkeitsfeld (formal z.B. durch Promotion und Habilitation) auch die Attraktivität der betreffenden Personen für den außeruniversitären Arbeitsmarkt abnimmt (vgl. Möller 2015: 95). Sollte es dazu kommen, dass man trotz langjähriger Investitionen in den wissenschaftlichen Karriereweg keine Dauerstelle erreicht, sind alternative Karrierewege gegebenenfalls bereits verschlossen. Hinzu kommt, dass das Alter, in welchem die meiste Unsicherheit erduldet werden muss, auch mit anderen zentralen Lebensereignissen zusammenfällt. So liegt das Alter beim Erreichen der Promotion und die anschließende Postdoc-Phase, meist zwischen 30 und 45 Jahren17. In dieser „rush-hour of life“ stehen oft auch Entscheidungen über Familiengründungen an, ebenso können bereits Pflegeaufgaben in der (Herkunfts) Familie relevant werden. Die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben stellt damit eine weitere Herausforderung dar, die von den Nachwuchswissenschaftler*innen eine enorme Belastbarkeit, Managementfähigkeit verschiedener Lebensbereiche und auch Unsicherheitstoleranz abverlangt (Kammann und Schaub 2015: 16). 2.3.2 Attraktivität einer Wissenschaftskarriere Obwohl aufgrund relevanter quantitativer Maßzahlen von einer Unsicherheit des wissenschaftlichen Karrierewegs ausgegangen werden kann, stellt sich die Frage, ob die Nachwuchswissenschaftler*innen dies auch subjektiv so empfinden. Und wenn dem so ist, gilt es zu klären, warum sie trotzdem auf dem wissenschaftlichen Karriereweg verweilen. Höge et al. (2012) kommen in ihrer empirischen Studie zu dem Schluss, dass das Unsicherheitsempfinden bezüglich der Karriereaussichten unter Nachwuchswissenschaftler*innen insgesamt sehr ausgeprägt ist (Höge et al. 2012: 168f.). Jedoch zeigen sich Unterschiede in Bezug auf die Karrierephase. Demnach ist das Gefühl der Karriereunsicherheit für Postdocs im Vergleich zu Promovierenden nochmals höher. Dies bekräftigt 16 Gleichwohl befristete Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft überwiegend als negativ bewertet werden, sei für eine ausgewogene Darstellung an dieser Stelle auch auf einige positive Aspekte, wenngleich nicht in erster Linie für die betroffenen Wissenschaftler*innen, verwiesen. So führen Woolley et al. (2016) an: „On a positive note, such mobility can provide opportunities for additional learning that can advance the cognitive career and bring new knowledge to host organisations in exchange for a permanent job“ (Woolley et al. 2016: 8f.). 17 Das Erstberufungsalter auf eine Professur liegt für beide Geschlechter im Jahr 2012 bei 41 Jahren (Statistisches Bundesamt Fachserie 11 Reihe 4.4).

44

2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

auch der Universitätsverband zur Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland (UniWiND). Insbesondere in Bezug auf die „längerfristige Finanzierung von Forschungsprojekten und entsprechende[n] Stellen für Forschende“ (Bertke et al. 2015: 11) herrscht UniWiND zufolge vor allem für Postdocs eine große Unsicherheit vor. Neben den Postdocs sind, laut Höge et al. (2012), Personen in befristeter Beschäftigung sowie Frauen „unabhängig von der Fachdisziplin, dem Qualifizierungsgrad und dem Beschäftigungsverhältnis – […] [von] eine[r] höhere[n] Karriereunsicherheit sowie stärkeren Konflikte zwischen ihren beruflichen und privaten Zielen“ (Höge et al. 2012: 168f.) betroffen. Dagegen fungiert für die Nachwuchswissenschaftler*innen eine „proteische Laufbahnorientierung“ (ebd.: 170), das heißt ein stärker ausgeprägtes Gefühl der Eigenverantwortung in Bezug auf den Karriereverlauf, als Ressource, um die Unsicherheit besser tolerieren zu können, und führt darüber hinaus zu einer positiveren Einschätzung der Karriereaussichten. Den Befunden der Untersuchung von Jaksztat et al. (2010) zufolge schätzen Nachwuchswissenschaftler*innen ihre Beschäftigungsperspektive in der Wissenschaft im Allgemeinen nicht überwiegend positiv ein. So geben nur 40 Prozent der von Jaksztat et al. befragten Nachwuchswissenschaftler*innen an Universitäten an, dass sie ihre Beschäftigungsaussichten innerhalb des Wissenschaftssystems positiv beurteilen würden (ebd.: 29). Nichtsdestotrotz entscheiden sich weiterhin viele Personen trotz der als unsicher empfundenen Beschäftigungsaussichten für den wissenschaftlichen Karriereweg. Über einen Mangel an Arbeitskräfteangebot kann sich das Wissenschaftssystem nicht beklagen. So geben 64% der von Jaksztat et al. Befragten an, in hohem, bis sehr hohem Maße anzustreben, in den nächsten zehn Jahren einer Tätigkeit in Forschung und bzw. oder Lehre an der Hochschule nachzugehen (ebd.: 22). Die Autor*innen folgern daraus, dass „trotz der bekannten Defizite von einer hohen Anziehungskraft wissenschaftlicher Tätigkeiten gesprochen werden“ (ebd.: 28) kann. Gründe für die Wahl der wissenschaftlichen Laufbahn, die dabei am häufigsten angeführt werden, sind sowohl die Möglichkeit, seinen Interessen nachgehen zu können, was als sinnstiftend wahrgenommen wird (Konsortium BuWiN 2013: 305), als auch die Selbstbestimmtheit der Arbeit (Dörre und Neis 2008a: 137). 2.3.3 Langjähriger Qualifizierungsprozess in Abhängigkeit In dem häufig verwendeten Begriff „wissenschaftlicher Nachwuchs“ spiegelt sich ein weiteres Merkmal wissenschaftlicher Karrieren wider, denn der akademische Karriereweg ist auch durch eine sehr lange Qualifizierungsphase und langjährige Abhängigkeit von akademischen „Lehrmeister*innen“ gekenn-

2.3 Charakteristika von Karrieren in der Wissenschaft

45

zeichnet (vgl. u.a. Enders 2003, Engler 2001). Zunächst gilt anzumerken, dass die Bezeichnung „wissenschaftlicher Nachwuchs“ begrifflich sowohl unscharf als auch wenig passend ist, denn alle Wissenschaftler*innen, die im Qualifizierungsprozess begriffen sind und (noch) keine Professur erreicht haben, werden unter diesem Sammelbegriff gefasst. Jedoch erscheint der Begriff aus unterschiedlichen Gründen ungeeignet (Kahlert 2013: 17). So lässt der Begriff nicht etwa auf das Alter der wissenschaftlich Beschäftigten schließen, denn der „wissenschaftlichen Nachwuchs“ in Deutschland ist nicht selten über 40 Jahre alt (Dörre und Neis 2008b: 672). Auch wirkt die Bezeichnung „Nachwuchs“ vor dem Hintergrund eigentümlich, dass es sich dabei meist um Personen handelt, die bereits hochqualifiziert sind und sich (schon mehrere Jahre) in einem regulären Beschäftigungsverhältnis befinden (Konsortium BuWiN 2017: 65). Problematisch ist der Begriff auch vor dem Hintergrund, dass sich der Fokus insbesondere im Verlauf der Promotionsphase von der Qualifizierung, was die Bezeichnung als „wissenschaftlicher Nachwuchs“ rechtfertigen würde, hin zum Gewinn an Autonomie in Lehre und Forschung verschiebt (Konsortium BuWiN 2017: 65). Trennscharf ist die Benennung auch deswegen nicht, da als kleinster gemeinsamer Nenner nicht einmal gegeben sein muss, dass sich die Personen überhaupt im wissenschaftlichen Qualifizierungsprozess befindet. Häufig werden unter dem Begriff auch diejenigen Promovierten gefasst, die nicht an einer Weiterqualifizierung arbeiten, sondern lediglich weiterhin wissenschaftlich arbeiten (z.B. in einem Forschungsprojekt), ohne das Ziel des Erreichens einer Leitungsposition in der Wissenschaft vor Augen zu haben. Der überwiegende Anteil des „wissenschaftlichen Nachwuchses“ verlässt das wissenschaftliche Beschäftigungssystem (bzw. muss es verlassen) ohnehin im Tätigkeitsverlauf und ist demnach streng genommen überhaupt kein „Nachwuchs“ für das Wissenschaftssystem (Konsortium BuWiN 2017: 65). Demzufolge wird unter diesem Begriff eine sehr heterogene Gruppe an Personen zusammengefasst. Personen, die sich hinsichtlich zentraler soziodemografischer Variablen (z.B. Alter, Familienstand), hinsichtlich ihrer Forschungs- und Lehrerfahrung, bezüglich bereits getätigter Investitionen in die eigene Karriere (z.B. Arbeitsmobilität) und ihrer Karriereziele unterscheiden. So formuliert Christina Möller treffend: „Der Begriff des Nachwuchses hat für längst erwachsene Personen eine eigentümliche Konnotation, die die langjährige Abhängigkeit von Mentorinnen und Mentoren sowie von Vorgesetzten und begrenzte Selbstständigkeit deutlich macht“ (Möller 2015: 94).

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2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

2.4 Disziplinäre Verortung der Arbeit Neben dem Forschungsgegenstand und dem Forschungskontext, die in den vorangehenden Unterkapiteln nachgezeichnet wurden, beeinflusst auch die disziplinäre Perspektive, aus der der Forschungsgegenstand analysiert wird, die Studienergebnisse. Daher zielt das folgende Unterkapitel darauf ab, nachzuzeichnen, wie sich die Subströmung der Teildisziplin „Wissenschaftssoziologie“ herausgebildet hat, in deren Forschungstradition die vorliegende Studie zu verorten ist. Eine disziplinäre Verortung erfolgt maßgeblich anhand der Forschungsperspektive, das heißt durch den im Zentrum stehenden Forschungsgegenstand sowie die Art und Weise, wie der Forschungsgegenstand betrachtet wird. Der zentrale Forschungsgegenstand der vorliegenden Arbeit, die (Nachwuchs)Wissenschaftler*innen, stehen zur Zeit der Begründung der Wissenschaftssoziologie durch Karl Mannheim zunächst nicht als Erkenntnissubjekte im analytischen Fokus. Auch die im Rahmen des disziplinären Ausdifferenzierungsprozesses hervorgehende Strömung der „konstruktivistischen Wissenschaftssoziologie“ fokussiert zunächst auf das im wissenschaftlichen Produktionsprozess erzeugte Produkt der Wissenschaftler*innen, das wissenschaftliche Wissen. Erst im Rahmen einer weiteren Aufgliederung der Fachdisziplin verschiebt sich der Fokus von der Wissensorientierung hin zur Handlungsorientierung. So steht innerhalb der konstruktivistischen, handlungsorientierten Strömung der Wissenschaftssoziologie anfangs die Herstellung von wissenschaftlichen Tatsachen durch das Forschungshandeln der Wissenschaftler*innen im Zentrum der Analysen. Erst zu einem späteren Zeitpunkt rücken die Erkenntnissubjekte selbst, die Wissenschaftler*innen und die soziale Praxis, im Rahmen der sie hervorgebracht werden, ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Eben jener disziplinäre Ausdifferenzierungsprozess wird nachfolgend im Detail nachgezeichnet. 2.4.1 Die Entstehung der Wissenschaftssoziologie Karl Mannheim hat als Begründer der Wissenschaftssoziologie die Erkenntnis getroffen, dass jegliches Wissen nur vor dem Hintergrund eines bestimmten Kontextes Gültigkeit besitzt und demzufolge „standortgebunden“ ist (Mannheim 1965 [1929]). „Danach sind nicht nur die Wissensinhalte sozial gebunden, sondern auch der Rahmen, innerhalb dessen die Kriterien zur Beurteilung dieses Wissens aufgestellt werden“ (Beaufaÿs 2003: 26). Diese Erkenntnisse führten zu Fragen danach, ob die Wissenschaft überhaupt in der Lage ist, absolute Wahrheiten zu produzieren und damit ihren Überlegenheitsanspruch gegenüber anderen Wissensformen zu legitimieren. Mannheim begründet die Möglichkeit, einen objektiven Wahrheitsanspruch verfolgen zu können, mit den

2.4 Disziplinäre Verortung der Arbeit

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außerordentlichen Fähigkeiten der Wissenschaftler*innen, die laut Mannheim eine „soziale freischwebende Intelligenz“ (Mannheim 1965 [1929]: 135) besitzen. Mannheim äußert sich allerdings nicht dazu, wie man diese besondere Art der Intelligenz erlangen und damit zum Wissenschaftler bzw. zur Wissenschaftler*in werden kann. Zudem modifiziert Mannheim seinen ersten Konzeptentwurf, in welchem er eine Standortgebundenheit allen Wissens annimmt, und trifft die Annahme, dass es bezüglich der Fähigkeit, objektive Aussagen zu treffen, eine Differenz zwischen den Fachdisziplinen gibt. Anders als die Sozialund Geisteswissenschaften besitzen demnach die Naturwissenschaften die Fähigkeit, „objektive“, kontextunabhängige Wahrheiten zu produzieren. Damit geht Mannheim davon aus, dass sich die naturwissenschaftlichen Fächer durch eine „Wahrheit-an-sich-Sphäre“ (Mannheim 1931: 251) auszeichnen. Und dies wiederum führte zu einer Herausbildung von zwei unterschiedlichen Forschungsrichtungen: einerseits der Wissenssoziologie, in deren Zentrum das „weiche Wissen“ der Sozial- und Geisteswissenschaften steht, auf die im Folgenden nicht näher eingegangen wird, andererseits der institutionalistischen Wissenschaftssoziologie (Heintz 1998: 56), welche nachfolgend skizziert wird. 2.4.2 Die institutionalistische Wissenschaftssoziologie Ein bedeutender Vertreter der institutionalistischen Strömung der Wissenschaftssoziologie ist der US-amerikanische Wissenschaftssoziologe Robert K. Merton. Sein Fokus liegt vor allem auf der internen Struktur der Wissenschaft. Ein Thema, mit dem sich Merton schwerpunktmäßig auseinandersetzt, sind die Entstehungsbedingungen der Institution Wissenschaft und die dazu notwendigen, institutionellen Imperative. Im Rahmen davon hat Merton das wissenschaftliche Ethos formuliert (Merton 1985a: 88). Dabei handelt es sich um Prinzipien und Normen der wissenschaftlichen Kommunikation, ebenjene Werte und Normen, die Wissenschaftler*innen für sich als bindend betrachten und die dazu führen sollen, dass wissenschaftliches Wissen als „objektiver“, also weniger verzerrt durch soziale und persönliche Einflüsse, als andere Wissensformen betrachtet werden kann (Heintz 1998: 58). Mertons wissenschaftliches Ethos konstituiert sich aus vier Prinzipien: Das erste Prinzip, ist das des „Universalismus“. Dies bedeutet, dass die Wahrheit unabhängig von ihrem Ursprung gültig sein und unpersönlichen Kriterien unterworfen werden soll. Personenbezogene Merkmale des Wissenschaftlers bzw. der Wissenschaftlerin, wie das Geschlecht oder die Herkunft, sollen dabei irrelevant sein. Die zweite Norm des „Kommunismus“ besagt, dass wissenschaftliche Ergebnisse dem Kollektiv gehören und der bzw. die Wissenschaftler*in nur Anspruch auf die Anerkennung seiner bzw. ihrer Leistung hat. Zudem ist es dem bzw. der Wissenschaftler*in

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2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

nicht erlaubt, Mittel zu seinem bzw. ihrem eigenen Vorteil einzusetzen, was in der Norm der „Uneigennützigkeit“ festgehalten wird. Das letzte Prinzip richtet sich auf die Organisation des Forschungsprozesses. Als Leitidee fungiert der „organisierte Skeptizismus“, der besagt, dass Wissenschaftler*innen immer nach Falsifikation, nicht nach Bestätigung der Forschungsergebnisse suchen sollen (Merton 1985a: 90). Da das wissenschaftliche Ethos von Merton Leitnormen für das Handeln, nicht aber das tatsächlich realisierte Handeln der Wissenschaftler*innen beschreibt, sagt es noch nichts über die Handlungspraxis der Wissenschaftler*innen aus. Bereits mehrfach wurden auch seitens anderer Wissenschaftler*innen Zweifel an der tatsächlichen Gültigkeit der Normen geäußert. Beispielsweise müsste dementsprechend die Norm des Universalismus zu einer Gleichbehandlung der Wissenschaftler*innen nach Kriterien wie dem Geschlecht oder der sozialen Herkunft führen. Dies wurde empirisch jedoch bereits mehrfach angezweifelt bzw. widerlegt (vgl. u.a. Lind 2007, Engler 2001, Beaufaÿs 2003, Möller 2015). Empirische Studien belegen, dass „die Wissenschaft nur bedingt nach universalistischen Prinzipien funktioniert“ (Heintz 1996: 63). Auch Merton hat durch die Formulierung des Matthäus-Prinzips, das besagt: „Wer hat, dem wird gegeben“, bereits selbst angezweifelt, dass Leitnorm und Realität immer deckungsgleich sind. Denn laut dem Matthäus-Prinzip wird Wissenschaftler*innen mit hoher Reputation oder denjenigen, die an sehr bekannten Institutionen arbeiten, Anerkennung zuteil, die über ihre tatsächlichen Leistungen hinausgeht (Merton 1985b: 155). 2.4.3 Die konstruktivistische Wende der Wissenschaftssoziologie In den 1970er Jahren hat sich aus der klassischen, institutionalistischen Wissenschaftssoziologie eine neue Richtung entwickelt, welche vor allem auf das wissenschaftliche Wissen fokussiert. Dabei handelt es sich um die „sociology of scientific knowledge“ oder, wie Heintz sie auch nennt, die „konstruktivistische Wissenschaftssoziologie“ (Heintz 1998: 57). Die Annahme der klassischen institutionalistischen Wissenschaftssoziologie, dass nur naturwissenschaftliches Wissen objektiv ist, sozial- und geisteswissenschaftliches Wissen aber von sozialen Faktoren beeinflusst wird, wird durch die konstruktivistische Strömung hinterfragt. Die zentrale Frage ist, inwiefern wissenschaftliches Wissen tatsächlich als von sozialen Faktoren frei und somit als „objektiv“ verstanden werden kann (ebd.: 69). Auch die konstruktivistische Wissenschaftssoziologie hat sich noch weiter ausdifferenziert; gemeinsamer Kern der entstandenen Linien bleibt jedoch der Fokus auf die epistemische Dimension der Wissenschaft. Zentrale Annahme ist, dass unabhängig von der Disziplin soziale Faktoren bei der Erkenntnisproduktion wirksam werden (ebd.: 71). Eine der entstandenen

2.4 Disziplinäre Verortung der Arbeit

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Strömungen, die wissensorientierte, konstruktivistische Wissenschaftssoziologie, rückt vor allem das wissenschaftliche Wissen ins Zentrum der Analysen. Für sie stellen die sozialen Faktoren vor allem Einflüsse dar, die sie außerhalb der Wissenschaft verorten. Der als „Interessenmodell“ betitelte Ansatz zählt zu den wissenschaftsexternen Faktoren beispielsweise „epochenspezifische Deutungsmuster oder auch soziale Interessen“ (ebd.: 72)18. Der zweite als „Diskursmodell“ bezeichnete Ansatz verortet das Soziale im wissenschaftlichen Kommunikationsprozess sowie bei der Aushandlung und Durchsetzung von Interpretationen (ebd.: 73)19. Die zweite Strömung der konstruktivistischen Wissenschaftssoziologie, die sich in den späten 1970er Jahren ausdifferenziert hat, stellt vor allem das Forschungshandeln der Wissenschaftler*innen in den analytischen Fokus. Diese Richtung wird als „science as pratice“ bezeichnet und wurde von Pickering (1992) unter dem Sammelbandtitel „Science as Practice and Culture“ dokumentiert. Anders als bei der wissensorientierten Strömung steht bei der „pragmatischen“ Wissenschaftssoziologie die Handlungspraxis, das Experiment, nicht das Wissen, die Theorie im Zentrum. Die sozialen Einflüsse werden im praktischen Forschungshandeln, nicht mehr im Produkt der wissenschaftlichen Tätigkeit, dem wissenschaftlichen Wissen verortet (Heintz 1998: 76 f.). Die Orte der Erkenntnisproduktion, die Laboratorien und das darin praktizierte Forschungshandeln, rücken damit in den Mittelpunkt, und damit die „lokale wissenschaftliche Praxis, nicht ,allgemeine Prinzipien von Wissenschaft‘“ (Beaufaÿs 2003: 35). Anders als beim wissensorientierten Ansatz bezieht sich der Begriff „Konstruktion“ beim handlungsorientierten Ansatz nicht auf die Ebene des Wissens, sondern auf die Herstellung von Wirklichkeit (Heintz 1998: 77 f.). Damit wird davon ausgegangen, dass ebenjene „Wirklichkeit“, die der zentrale Forschungsgegenstand der Naturwissenschaften ist, auch nicht als „objektiv“ betrachtet werden kann, sondern anzunehmen ist, dass auch sie konstruiert ist (KnorrCetina 1984). 2.4.4 Die Wissenschaftler*innen als Forschungsgegenstände Bei der handlungsorientierten Strömung der konstruktivistischen Wissenschaftssoziologie sind neben dem Forschungshandeln auch die beruflichen Werdegänge von Forscher*innen von analytischem Interesse. Vertreter*innen dieser Richtung merkten kritisch an, dass lange kaum auf das

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Zu den Vertretern dieser Strömung zählen u.a. Paul Forman, David Bloor sowie MacKenzie. Unter anderen H.M. Collins (1985), Michael Mulkay (1980), Clarke/Gerson (1990) sowie Strübing (1997) lassen sich diesem Ansatz zuordnen.

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2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

„Problem eingegangen [wurde], wie es überhaupt dazu kommt, dass bestimmte Akteure zu einem Teil des wissenschaftlichen Feldes werden, d.h. wie der Prozess verläuft, in dem aus Doktorandinnen und Doktoranden ,wissenschaftlicher Nachwuchs‘ wird und aus diesem Professoren oder Professorinnen hervorgehen“ (Beaufaÿs 2003: 18). Merton führt beispielsweise den Umstand, ob man Wissenschaftler*in wird oder nicht, auf die besonderen Charaktereigenschaften eines bzw. einer Wissenschaftler*in zurück. Damit geht er davon aus, dass die „wissenschaftliche Persönlichkeit“ eine Voraussetzung bildet. Merton nimmt an, dass Wissenschaftler*innen sich besonders durch ihre „außerordentliche Ich-Stärke“ (Merton 1985b: 166) auszeichnen, ,,womit er hauptsächlich meint, dass sie sich selbst besonders viel zutrauen und sich nicht durch Fehlschläge irritieren lassen“ (Beaufaÿs 2003: 29). Die Interviews mit Nobelpreisträgern in den USA (vgl. Merton 1985b: 164f.) haben Merton zu dem Schluss geführt, dass sowohl ihr „Gespür“ und ihr „Urteilsvermögen“ als auch der Umstand, dass sie durch ihre Kooperation mit außerordentlichen Forscher*innen lernen konnten, „das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden“ (Beaufaÿs 2003: 29), sie zu wissenschaftlichen Persönlichkeiten werden ließ, denn sie waren der „,Berührung mit schöpferischen Geistern‘ ausgesetzt“ (ebd.: 29). Beaufaÿs folgert aus den Darlegungen von Merton, dass er zwar auf den Matthäus-Effekt hinweist, aber keinen Zusammenhang „zwischen Zuschreibungsprozessen und der ,Selbstsicherheit‘ erfolgreicher Wissenschaftler“ (ebd.: 30) herstellt, was Beaufaÿs zu der Vermutung bringt, dass die „Selbstsicherheit […] bei einigen glücklichen Individuen (wie Nobelpreisträgern) offenbar angelegt [ist], […] in einer kreativen wissenschaftlichen Umgebung‘ verstärkt [wird] und [sie dadurch],ermutigt […] [werden], riskante aber wichtige Probleme aufzugreifen und die Ergebnisse ihres Forschens ins rechte Licht zu stellen‘“ (ebd.: 30). Die Grundlagen, die einen zum Wissenschaftler*insein befähigen, werden dabei immer schon vorausgesetzt. Auch Krais (2000a) analysiert die Handlungspraxis von Wissenschaftler*innen und kommt zu dem Befund, dass Wissenschaftler*innen die Trennung der geistigen von der sozialen Ebene als vollkommen selbstverständlich voraussetzen. Dabei differenzieren die Wissenschaftler*innen zwischen zwei voneinander unabhängigen Dimensionen: der Sachebene und der Sozialebene, also den sozialen Interaktionen zwischen den Wissenschaftler*innen (Krais 2000a). KnorrCetina (1984, 2002) beweist jedoch mit ihren empirischen Studien, in denen sie die Praxis der Wissenschaftler*innen untersucht, dass auch der Erkenntnisprozess Teil der sozialen Konstruktionsarbeit der Akteure ist. „Wissenschaft ist

2.4 Disziplinäre Verortung der Arbeit

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nach diesem empirisch-konstruktivistischen Verständnis keine ,rein geistige‘ oder handwerkliche Tätigkeit mehr, sondern eine Praxis, die zutiefst sozial verankert ist“ (Engler 2003: 114). Diesem Verständnis folgend, stehen nicht nur die Erkenntnisobjekte, die im wissenschaftlichen Erkenntnisprozess hervorgebracht werden, im Forschungsfokus, sondern die Wissenschaftler*innen selbst, die am Erkenntnisprozess beteiligt sind, werden zu Forschungsgegenständen. Denn „nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse werden, so die These, in sozialen Aushandlungsprozessen zu Fakten (vgl. Knorr-Cetina 1984), auch die Erkenntnissubjekte können nicht einfach vorausgesetzt werden“ (Engler 2003: 119). Knorr-Cetina geht in ihren Laborstudien insbesondere der Frage nach, wie die Forschungsgengenstände selbst durch das Handeln der Wissenschaftler*innen hergestellt werden. Sie vertritt einen empirischen Konstruktivismus, der auf eine „empirische Erschließung der unterstellten Konstruktionsprozesse“ (KnorrCetina 1989: 91) abzielt. So geht sie der Frage nach, wie Fakten konstruiert werden, und folgt der Annahme, dass „keine Möglichkeit [existiert], die Konstruktionsarbeit anderer Akteure von außen zu betrachten und selbst unverändert zu bleiben. Dieser objektivistische Anspruch ließe außer Acht, dass das eigene Forschungshandeln ebenfalls ein Akt der Konstruktion ist“ (Beaufaÿs 2003: 41). Zwar verweist Knorr-Cetina darauf, dass die Wissenschaftler*innen Teil dieses Konstruktionsprozesses sind, rückt sie aber nicht weiter in den Fokus ihrer Analysen. Auch Fleck (1999) geht davon aus, dass die wissenschaftliche Erkenntnisproduktion ein sozialer Prozess ist. Fakten werden, Fleck zufolge, im „Denkverkehr eines Wissenschaftlerkollektivs“ (Schäfer und Schnelle 1999, XXXIV) produziert. Für Fleck sind wissenschaftliche Erkenntnisse das Produkt sozialen, nicht individuellen Handelns der Wissenschaftler*innen. Damit nimmt Fleck ganz selbstverständlich eine Standortgebundenheit allen Wissens an, da ihm zufolge Erkenntnisse in der sozialen Praxis der jeweiligen fachbezogenen „Denkgemeinschaften“ (Beaufaÿs 2003: 38) entstehen. Weiterhin weist Fleck „darauf hin, wie wichtig die ,Initiationsphase‘ der Wissenschaft für das Verständnis wissenschaftlicher Praxis ist“ (ebd.: 42). Damit wirft er erstmals einen Blick auf die Rolle der Nachwuchsausbildung für die Konstitution einer Wissenschaftler*innengemeinschaft. Demnach werden in der Ausbildungsphase „Mitgliedschaft und Identität, Arbeitsweise und Problemstellung, theoretisches Rüstzeug und experimentelle Verwendung […] erworben […]. Parallel dazu geht es um den Erwerb jener praktischen Erfahrenheit, die erst die eigentliche Mitgliedschaft im Kollektiv gewährt“ (Schäfer und Schnelle 1999: XXX1V).

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2 Forschungskontext und Forschungsperspektive

2.4.5 Die Herstellung von Wissenschaftler*innen in der sozialen Praxis Fleck hat sich der Frage, wie man überhaupt zu einem bzw. einer Wissenschaftler*in wird, bereits angenähert und erste Erklärungen angeführt. Auch andere Autor*innen haben sich dieser Thematik gewidmet, welche im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen. Mialet (1999) setzt sich in ihrer Forschung damit auseinander, wie Wissenschaftler*innen zu „Genies“ emergieren. Ihren Erkenntnissen zufolge besitzen insbesondere Problemlösungsfähigkeit sowie die Fähigkeit, sich mit dem Thema zu identifizieren, besondere Relevanz auf dem Weg zum „Genie“. Erkenntnissubjekte sind Mialets Verständnis zufolge Produkte sozialer Zuschreibungsprozesse. Zum „Genie“ wird man demzufolge nicht lediglich durch seine außerordentliche Leistung, vielmehr gilt, je „,singularisierter‘ und gleichzeitig ,anschlussfähiger‘ der wissenschaftliche Akteur ist, desto größer ist seine Chance zur Innovation“ (Beaufaÿs 2003: 46). Beaufaÿs modifiziert Mialets These, sodass ihre Schlussfolgerung lautet, nicht desto größer ist die Chance des Wissenschaftlers zur Innovation, sondern „desto größer sind seine Aufstiegs- und Erfolgsmöglichkeiten, [desto größer] ist seine Chance überhaupt sichtbar zu werden“ (ebd.: 46). Auch Engler (2001) setzt in ihrer Studie, die auf Interviews mit Professor*innen verschiedener Fachdisziplin (Soziologie, Informatik, Elektrotechnik) basiert, die Erkenntnissubjekte nicht voraus, sondern widmet sich der Frage, wie wissenschaftliche Persönlichkeiten hervorgebracht werden. Als theoretischen Rahmen sowie Methodologie für ihre Studie nutzt Engler Bourdieus Konzept der sozialen Felder. Sie nimmt an, dass an der „Herstellung der ,scientists‘ sowohl diese selbst als auch ihre Kollegen in einer gemeinsamen Praxis beteiligt sind. Individuelle Leistungen bzw. das ,leistungsfähige Individuum‘ entstehen nicht unabhängig von den sozialen Konstruktionen der Akteure des Feldes“ (Engler 2001: 19f.). Engler weist darauf hin, dass man nicht davon ausgehen kann, dass ein*e Wissenschaftler*in per Geburt bereits mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet ist und dadurch sein bzw. ihr Weg zur wissenschaftlichen Persönlichkeit bereits vorbestimmt ist. Vielmehr werden, Engler zufolge, wissenschaftliche Persönlichkeiten erst durch die soziale Praxis der Akteure im wissenschaftlichen Feld hervorgebracht. Sie werden durch Zuschreibungs- und Anerkennungsprozesse konstruiert und demzufolge ist „,Persönlichkeit‘ […] keine psychologische Größe mehr, sondern eine zutiefst soziale“ (Beaufaÿs 2003: 47)20. 20 Weiterhin stellt Engler (2001) heraus, dass diese Zuschreibungsprozesse nicht geschlechtsneutral sind und Frauen aufgrund ihres Geschlechts gewisse Zuschreibungen sowie die

2.4 Disziplinäre Verortung der Arbeit

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Beaufaÿs (2003) geht in ihrer empirischen Studie der Frage nach, „wie und unter welchen sozialen Bedingungen wissenschaftliche Leistungen erbracht und Akteuren zugeschrieben werden“ (Beaufaÿs 2003: 48). Beaufaÿs legt ein Hauptaugenmerk darauf, zu klären, warum Wissenschaftlerinnen diese Leistungen seltener zugeschrieben werden als ihren männlichen Kollegen. Dazu hat Beaufaÿs die spezifische wissenschaftliche Praxis in zwei Fächern, der Biochemie und der Geschichte, untersucht. Datenbasis ihrer Studie bildet unterschiedliches qualitatives Datenmaterial, sowohl Interviews als auch teilnehmende Beobachtungen mit Nachwuchswissenschaftler*innen wie auch Professor*innen der beiden Fächer. Wie Engler verwendet auch Beaufaÿs Bourdieus Konzept der sozialen Felder als Analyserahmen für ihre Arbeit. Durch den Blick auf die Praxis der Akteure kann Beaufaÿs die meist impliziten Voraussetzungen der Entstehung von Wissenschaftler*innen herausarbeiten und zeigen, dass der Glaube, der die Nachwuchswissenschaftler*innen zu einem Teil des wissenschaftlichen Feldes werden lässt, ein „männlich dominierter Glaube“ (ebd.: 242) ist. Beaufaÿs schlussfolgert in ihrer Studie: Es „reproduziert sich mit offenbar nur wenigen Ausnahmen ein ,Wissenschaftlertypus‘ bzw. eine Wissenschaftskultur, die gerade nicht die Ziele fördert, denen der höchste Wert in diesem Feld zugesprochen wird: Originalität, Innovation und Universalität“ (ebd.: 244). Sowohl Engler als auch Beaufaÿs beziehen sich in ihren empirischen, wissenschaftssoziologischen Arbeiten auf Konzepte und methodologische Vorgehensweisen, die von Pierre Bourdieu ausgearbeitet wurden. Ebenjene bilden auch die Basis für die vorliegende Studie, weswegen im Folgenden näher auf Bourdieus zentrale Konzepte und Methoden eingegangen wird.

Anerkennung ihrer Leistung nicht bzw. nicht in gleichem Maße zuteilwerden wie männlichen Forschern (für eine detaillierte Ausführung der Erkenntnisse Englers zur Geschlechterungleichheit im wissenschaftlichen Feld s.h. Kapitel 3.2.3).

3 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand Die vorliegende Arbeit liefert einen Beitrag zur konstruktivistischen, handlungsorientierten Strömung der Wissenschaftssoziologie. Für die Analyse des empirischen Datenmaterials wird auf das Konzept der sozialen Felder nach Pierre Bourdieu zurückgegriffen. Denn die Arbeit mit den Denkwerkzeugen Bourdieus ist insbesondere vor dem Hintergrund als gewinnbringend zu betrachten, als dass sie ermöglicht, den Blick auf die Wissenschaftler*innen selbst als Akteure in ihrem Feld zu lenken. So kann der Frage nachgegangen werden, durch welche Praktiken das wissenschaftliche Feld überhaupt zu seinen Akteuren kommt. Großer Vorteil von Bourdieus Wissenschaftstheorie und Methodologie ist zudem, dass sie verschiedene Aspekte mitdenkt. Zum einen blickt Bourdieu nicht statisch auf soziale Tatsachen, sondern fokussiert auf die Relationen und Dynamiken im Feld, denn Beziehungskonstellationen befinden sich im ständigen Wandel. Andererseits legt er einen herrschaftskritischen Blick an und berücksichtigt ungleiche Machtpositionen im Feld gezielt mit. Beim Verfolgen einer wissenschaftlichen Laufbahn geht es darum, schrittweise von Randpositionen des Feldes, wie sie beispielsweise Promovierende einnehmen, ins Zentrum zu gelangen und damit zu den mächtigsten Positionen, die z.B. Lehrstuhlinhaber*innen innehaben. Dabei setzen sich Akteure unterschiedlich mächtiger Positionen in Relation zueinander und sind in gewisser Hinsicht voneinander abhängig, wenngleich auch die Statusniederen ungleich abhängiger von den Statushöheren sind als umgekehrt. Diese von Bourdieu gezielt mitgedachten, ungleichen Machtverteilungen im Feld und die daraus resultierenden Dynamiken sind für die vorliegende Arbeit als besonders fruchtbar anzusehen. Darüber hinaus geht es Bourdieu um das Wechselspiel von Handlung und Struktur. Er bleibt nicht wie andere Autor*innen, beispielsweise Knorr-Cetina (1984), bei einer „willkürlichen Trennung von Struktur und Handlung“ (Beaufaÿs 2003: 240)21. Bourdieu rückt mit seinem Praxisverständnis vor allem die Akteure und ihre „sozialen“ Eigenschaften ins Zentrum. Im Folgenden sollen Bourdieus zentrale Konzepte zur Erforschung von Wissenschaftskarrieren vorgestellt werden. Diese bilden sowohl die wissenschaftstheoretische Grundlage dieser Arbeit als auch die methodologische Fundierung. Darüber hinaus sind sie richtungsweisend für die

21 Beaufaÿs zufolge ist Knorr-Cetinas „Praxisbegriff […] ein Begriff von Praktiken, die in einen kulturellen Kontext eingebunden sind und auch aus diesem hervorgehen. Den Zusammenhang von Kontext und Akteuren, die darin agieren, lässt Knorr-Cetina indessen außer Acht. Akteure und ihre spezifische soziale Beschaffenheit stehen nicht im Zentrum ihres Interesses“ (Beaufaÿs 2003: 240).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Tischler, Vertrauen in die Wissenschaftskarriere, Wissenschaft – Hochschule – Bildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27224-1_3

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3 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand

Analyseeinstellung bei der Arbeit am empirischen Datenmaterial. Im Anschluss daran wird auf den Forschungsstand zum Thema „Wissenschaftskarrieren“ eingegangen, wobei insbesondere, aber nicht ausschließlich Befunde aus Studien vorgestellt werden, die einer konstruktivistischen Strömung der Wissenschaftssoziologie zuzuordnen sind. Im Anschluss daran werden theoretische Anschlüsse präsentiert, deren Forschungsgegenstand das im Zentrum dieser Studie stehende Phänomen ist. Die perspektivische Erweiterung um theoretische Zugänge zum Vertrauen ist als gewinnbringend für ein umfassendes Verständnis des Phänomens anzusehen. Daher intendiert die vorliegende Studie, Erkenntnisse aus der Vertrauensforschung auf das Forschungsfeld „Wissenschaftskarrieren” anzuwenden. 3.1 Konzepte Bourdieus zur Erforschung von Wissenschaftskarrieren Im folgenden Unterkapitel werden zunächst Bourdieus zentrale Werke im Bereich Wissenschaftsforschung vorgestellt, um im Anschluss daran auf Bourdieus Theorie der sozialen Felder einzugehen. Dabei werden die einzelnen Aspekte der Theorie stets zunächst allgemein und schließlich bezogen auf das wissenschaftliche Feld erläutert. Zu Beginn wird auf die Funktionsweisen und Spielregeln des wissenschaftlichen Feldes wie auch die zentrale Kapitalform im Wissenschaftsfeld eingegangen. Daran anschließend wird Bourdieus Begriff der „illusio“ bezogen auf das wissenschaftliche Feld erläutert. Abschließend steht der von Bourdieu geprägte Begriff des „Habitus“ und seine Anwendung auf das wissenschaftliche Feld im Zentrum der Theorievorstellung. 3.1.1 Bourdieus Beitrag zur Wissenschaftsforschung Pierre Bourdieus erster Beitrag zur Wissenschaftsforschung, insbesondere Wissenschaftstheorie, ist das im Jahr 1968 in Co-Autorenschaft mit Chamboredon Jean-Claude und Passeron Jean-Claude auf Französisch erschienene Werk „Le metier de sociologue“ (auf Deutsch: Soziologie als Beruf (1991)). Im Mittelpunkt des Buches steht die Analyse der Struktur sowie Funktionsweise des wissenschaftlichen Feldes (Bourdieu et al. 1991: 85ff.). Weiterhin ist das Werk als eines der zentralen wissenschaftstheoretischen Arbeiten Bourdieus anzusehen, in dem er seine grundlegenden Denkwerkzeuge (u.a. Feld, Habitus) vorstellt. 1992 wurde ein weiteres Werk Bourdieus zur Wissenschaftstheorie mit dem Titel „Résponses. Pour une anthropologie réflexive“ (auf Deutsch: Reflexive Anthropologie, 1996) veröffentlicht, das er zusammen mit Loic J.D. Wacquant verfasst hat. Die Abhandlung „Reflexive Anthropologie“ gibt einen umfassenden Überblick (einen systematischeren und detaillierteren als „Soziologie als Beruf“) über die erkenntnistheoretische Position Bourdieus. Im Jahr 1975 wurde

3.1 Konzepte Bourdieus zur Erforschung von Wissenschaftskarrieren

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Bourdieus Schrift „The specifity oft the scientific field“ publiziert, in der er postuliert, dass das wissenschaftliche Feld ein soziales Feld wie jedes andere sei, nur dass alle Merkmale, die zur Beschreibung dieses Feldes dienen, eine feldspezifische Ausprägung annehmen (vgl. Bourdieu 1975: 19). Ein weiteres Werk, in dem Bourdieu seine zentralen Denkwerkzeuge auf ein spezifisches Feld, in diesem Fall das wissenschaftliche Feld, anwendet, trägt den Titel „Homo academicus“ und erschien 1984 auf Französisch und 1988 auf Deutsch. In seinem Buch vollzieht Bourdieu eine strukturelle Analyse des wissenschaftlichen Feldes in Frankreich und seiner grundlegenden Funktionsweisen. Bourdieu fokussiert auf die Kapital- bzw. Machtverteilung im wissenschaftlichen Feld, wobei die im Zentrum seiner Analyse stehenden Akteure französische Professor*innen sind, die für Bourdieu auch als Repräsentant*innen der herrschenden Klasse Frankreichs fungieren. Die Personengruppe der Professor*innen ist deshalb so relevant, weil nur die zu einem gewissen historischen Zeitpunkt herrschenden Gruppen über die Spielregeln des Feldes bestimmen können und dadurch zu einer Reproduktion der Machtverhältnisse beitragen (Hasenjürgen 1996: 56). Ein zentraler Befund von Bourdieus Analyse des Wissenschaftsfeldes ist in diesem Zusammenhang, dass die Fachzugehörigkeit der Wissenschaftler*innen in starkem Zusammenhang mit ihren gesellschaftlichen Einflussmöglichkeiten steht. 3.1.2 Das wissenschaftliche Kräftefeld und seine zentralen Kapitalformen Nach Loic J.D. Wacquant, einem Schüler Bourdieus, ist ein Feld im Sinne Bourdieus „wie ein Magnetfeld, ein strukturiertes System von objektiven Kräften, eine relationale Konfiguration mit einem spezifischen Gewicht, das […] [sich] allen Akteuren aufzuzwingen vermag, die sich in es hineinbegeben“ (Wacquant 1996: 37). Oder mit Bourdieus Worten gesprochen, in „Feldbegriffen denken, heißt relational denken“ (Bourdieu und Wacquant 1996c: 126). Nach Bourdieu ist die soziale Wirklichkeit nicht nur durch interpersonale Beziehungen und Interaktionen zwischen Individuen geprägt, sondern durch „objektive[.] Relationen zwischen Positionen“ (ebd.: 127). Und diese Positionen existieren „,unabhängig vom Bewußtsein und Willen der Individuen‘“ (ebd.: 127) wie Bourdieu es, sich auf Marx beziehend, ausdrückt. Durch die Vernetzungen zwischen den objektiven Positionen konstituiert sich ein Feld. Inwiefern die objektiven Positionen der Akteure in Relation zu den Positionen anderer Akteure als herrschend oder abhängig zu charakterisieren sind, hängt von ihrer „aktuelle[n] und potentielle[n] Situation (situs) in der Struktur der Distribution der verschiedenen Arten von Macht (oder Kapital)“ (ebd.: 127) ab. Demnach bestimmt der Kapitalbesitz der Akteure über ihre objektive, relationale Position im Feld. Bourdieu unterscheidet zwischen drei grundlegenden

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3 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand

Kapitalsorten: dem ökonomischen, kulturellen und sozialen Kapital. Wer ökonomisches Kapital besitzt, verfügt über finanzielle Mittel und Vermögenswerte (Fröhlich und Rehbein 2009: 137). Kulturelles Kapital kann sowohl durch Bildung inkorporiert werden, aber auch in objektivierter Form als Besitz von Büchern, Kunstwerken oder anderen Kulturgütern vorliegen. Eine dritte Art des Kulturkapitals sind Bildungsabschlüsse und Titel, die durch gesellschaftliche Institutionen zugewiesen wurden, weshalb sie auch institutionalisiertes kulturelles Kapital genannt werden (ebd.: 137). Unter Sozialkapital ist die „Gesamtheit der Ressourcen aufgrund der Zugehörigkeit zu Gruppen“ (ebd.: 333) zu fassen. Demzufolge ermöglicht einem die Eingebundenheit in Beziehungsnetze, auf Ressourcen zuzugreifen, die sich nicht im eigenen Besitz befinden, jedoch im Besitz des Netzwerks sind (Bourdieu 1983: 190). Als vierte Kapitalform nennt Bourdieu das symbolische Kapital, das quasi mit den anderen drei Kapitalsorten einhergeht (Fröhlich und Rehbein 2009: 137). Er meint damit die Wahrnehmung, Anerkennung und den Status, die bzw. den man aufgrund des Besitzes an ökonomischem, kulturellem oder sozialem Kapital erfährt (ebd.: 138). Somit sind die Anerkennung und Wertschätzung des Kapitals einer Person und damit auch der Person selbst eine notwendige Bedingung dafür, dass man von symbolischem Kapital sprechen kann, zumal das symbolische Kapital erst dann seine Wirkung entfalten kann, wenn seinem Inhaber bzw. seiner Inhaber*in etwas zugeschrieben wird, ohne dass er bzw. sie es erst beweisen muss. Ihm bzw. ihr wird gewissermaßen ein „Vertrauensvorschuss“ aufgrund eines Kapitalbesitzes gewährt. Auch die im wissenschaftlichen Feld relevanteste Kapitalform, das wissenschaftliche Kapital, ist eine Art von symbolischem Kapital (ebd.: 329). Denn „[w]issenschaftliches Kapital funktioniert wie ein Kredit, der Vertrauen und Glauben in diejenigen setzt, denen es gewährt wird“ (Barlösius 2012: 127). Gemäß Bourdieu gilt bezüglich der Akkumulation von wissenschaftlichem Kapital das Matthäus-Prinzip, d.h. dass diejenigen, die bereits über eine größere Menge von wissenschaftlichem Kapital verfügen als am „kreditwürdigsten“ eingeschätzt werden und daher am leichtesten ihr Kapital weiter vermehren können (Bourdieu 1993: 218). Die Verteilung des wissenschaftlichen Kapitals bildet die Macht- und Beziehungsstruktur im wissenschaftlichen Feld ab. Diejenigen, die viel wissenschaftliches Kapital besitzen, verfügen über die meiste Macht im Feld. Damit können sie auch Macht über diejenigen ausüben, die weniger Kapital besitzen (Barlösius 2012:127). Es gilt zwischen zwei Arten von wissenschaftlichem Kapital zu unterscheiden, dem „reinen“, und dem „institutionellen“ wissenschaftlichen Kapital. Reines wissenschaftliches Kapital wird auf dem wissenschaftlichen Qualifizierungsweg generiert. Erworbene Bildungstitel und der

3.1 Konzepte Bourdieus zur Erforschung von Wissenschaftskarrieren

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wissenschaftliche ,,Output“ bilden die Grundlage zur Einschätzung des wissenschaftlichen Potenzials von Akteuren und sind, wenn es von anderen Fachkolleg*innen anerkannt wird, das symbolische wissenschaftliche Kapital der Wissenschaftler*innen (Bourdieu 2001: 70). Konkret sind unter dem reinen wissenschaftlichen Kapital „hochreputierliche Beiträge zum ,wissenschaftlichen Fortschritt’ - Publikationen, Entdeckungen oder Erfindungen [gefasst].Es besteht aus der Akkumulation von wissenschaftlichem Prestige und bildet die Voraussetzungen dafür, als guter oder sogar exzellente[*]r Wissenschaftler[*in] anerkannt zu werden“ (Barlösius 2012: 128). Das reine wissenschaftlichen Kapital ist nach Bourdieu als höherwertig anzusehen als das institutionelle wissenschaftliche Kapital (Fröhlich und Rehbein 2009: 329), denn man erhält institutionelles wissenschaftliches Kapital „klassisch durch Kooptation, und zwar in der Regel erst, nachdem man wissenschaftliche Reputation erworben hat“ (Barlösius 2012: 128), wohingegen man als Nachwuchswissenschaftler*in das reine wissenschaftliche Kapital im Qualifizierungsverlauf erarbeiten muss. Inhaber*innen von institutionellem wissenschaftlichen Kapital befinden sich in Positionen, in denen sie Macht über andere Wissenschaftler*innen im Feld ausüben können (Bourdieu 1992a: 149). Bedingt durch ihre Position, kontrollieren sie zudem die ,,Reproduktionsinstanzen der Wissenschaft“ (Barlösius 2012: 128) und können über die Zugangskriterien zum wissenschaftlichen Feld bestimmen. Jedoch muss man heutzutage (oder vielleicht schon immer), wie Fröhlich und Rehbein (2009) anmerken, als Wissenschaftler*in über mehr als nur wissenschaftliches Kapital verfügen, um eine Machtposition im wissenschaftlichen Feld zu erlangen (Fröhlich und Rehbein 2009: 333). Demnach sind auch das soziale sowie das ökonomische Kapital als bedeutende Kapitalformen im wissenschaftlichen Feld anzusehen, denn ökonomisches Kapital ist für die Durchführung der meisten Forschungsprojekte unerlässlich. In einigen Disziplinen benötigt man sogar immens teure Apparaturen, um forschen zu können, und auch Kostenstellen wie Gebäude-, Personal- und Reisemittel müssen finanziert werden. Weiterhin nimmt auch der Besitz von sozialem Kapital Einfluss auf den Erfolg von Wissenschaftskarrieren (vgl. hierzu ausführlich Kapitel 3.2.6). Um Sozialkapital zu generieren, bedarf es einer kontinuierlichen Investition der Wissenschaftler*innen in Beziehungen zu anderen Wissenschaftler*innen mit dem Ziel der „wechselseitigen Absicherung von Gegenseitigkeit“ (ebd.: 333). Diese „Beziehungsarbeit“ kann beispielsweise in Form von Zitationen, Kooperationen (bei Publikationen oder Forschungsprojekten) oder

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3 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand

den Austausch auf sowie über die gegenseitige Einladung zu Fachtagungen erfolgen. Abschließend lässt sich festhalten, dass das wissenschaftliche Feld nach Bourdieu „eine soziale Welt wie die anderen ist, in der es wie anderswo um Macht, Kapital, Kräfteverhältnisse, Kämpfe um Erhalt oder Veränderung dieser Kräfteverhältnisse, Erhaltungs- und Subversionsstrategien, Interessen usw. geht, und daß es eine Welt für sich ist, mit eigenen Gesetzen“ (Bourdieu 1998: 88), in der jedes Beschreibungsmerkmal eine feldspezifische Ausprägung annimmt, denn „jedes Feld bildet einen Nomos, das heißt ein eigenes ,Grundgesetz‘, aus , woraus sich seine Eigenart ergibt“ (Barlösius 2012: 131). Demnach geht es im wissenschaftlichen Feld, Bourdieu zufolge, speziell um „die Bestimmung von Wahrheit“ (Bourdieu 1992a: 57), welche praktisch durch die Anwendung wissenschaftlicher Methoden und Theorien umgesetzt wird. 3.1.3 Grenzen und Zugangskriterien zum wissenschaftlichen Feld Da die verfügbaren Machtpositionen im Feld ein knappes Gut sind, konkurrieren die Akteure eines Feldes um die Vorherrschaft über die jeweils relevante Kapitalsorte und Streben danach, möglichst viel relevantes Kapital zu akkumulieren. Dadurch wird ein Feld zur „Kampfarena“ und „die Analogie ist die des Schlachtfelds“ (Wacquant 1996: 38), auf dem um die „Wahrung oder Veränderung der Kräfteverhältnisse gerungen“ (Bourdieu 1985: 74) wird. Da nur die Inhaber*innen der Machtpositionen im Feld in der Lage sind, Einfluss auf die Spielregeln des Feldes zu nehmen, können sie diese auch zu ihrem Vorteil verändern. Es ist jedoch möglich, dass die Beherrschten dagegen rebellieren und protestieren (Bourdieu und Wacquant 1996c: 133). Demnach sind soziale Felder nicht statisch, sondern in ständigem Wandel begriffen. Verändert sich die Verteilung der Kapitalformen, so verändert sich auch die Struktur des Feldes und „die Dynamik in sozialen Feldern [entsteht] aus der gemeinsamen sozialen Praxis der AkteurInnen“ (Engler 2001: 148). Ein zentraler umkämpfter Bereich ist die Definitionsmacht über die Grenzen eines Feldes. Legitime Kriterien zur Abgrenzung eines Feldes oder Regelungen bezüglich des Rechts auf Zugang zu einem Feld sind ein wichtiger Gegenstand der Kämpfe (Bourdieu 1996b: 277). So gibt es nach Bourdieu in allen Feldern „Zugangssperren“ (Bourdieu und Wacquant 1996c: 131), jedoch sind diese meist nicht institutionalisiert oder in Form von rechtlichen Bestimmungen festgehalten, wie zum Beispiel in Form eines Numerus Clausus. Die Vergabe des Eintrittsrechts wird durch den „Besitz einer besonderen Konfiguration von Eigenschaften legitimiert. [...] [Diese sind] Formen von spezifischem Kapital“ (ebd.: 139).

3.1 Konzepte Bourdieus zur Erforschung von Wissenschaftskarrieren

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Im wissenschaftlichen Feld geht es darum mitzubestimmen, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit man als neu Hinzukommende*r Zugang zum Feld erhält und als wissenschaftlicher Nachwuchs anerkannt wird. Der erfolgreiche Abschluss der Promotion wird diesbezüglich meist als Minimalkriterium betrachtet. Die Zugehörigkeit eines Akteures zu einem Feld kann man auch an seiner „Fähigkeit, in diesem Feld etwas zu bewirken“ (ebd.: 110 f.), erkennen. Diese Fähigkeit besitzen Personen je nach ihrer Ausstattung mit relevanten Kapitalformen in unterschiedlichem Maße. Weiterhin gilt auch bezüglich der Zugehörigkeit das Prinzip der Relationalität. Demzufolge liegen die „Grenzen des Feldes [...] [auch] dort, wo die Feldeffekte aufhören“ (ebd.: 131). Denn es handelt sich um eine zweiseitige Wahl, bei der nicht nur die bereits Zugehörigen wählen, wen sie als Anwärter*in anerkennen. Auch die Aspirant*innen wählen, ob sie bereit sind, sich den Feldregeln zu beugen und sich diese zu eigen zu machen. Da „die Durchsetzung und Anerkennung eines bestimmten Kompetenz- oder Zugehörigkeitskriteriums […] je nach Konjunktur“ (ebd.: 130) variabel sein kann, bedarf es gemäß Bourdieu immer einer aktuellen empirischen Untersuchung des betreffenden Feldes. Der Untersuchung der Zugehörigkeitskriterien zum wissenschaftlichen Feld haben sich in den letzten Jahren bereits zahlreiche empirische Studien gewidmet. Auf die zentralen Ergebnisse ebenjener Studien wird in Kapitel 3.2 im Detail eingegangen. 3.1.4 Die Illusio im Wissenschaftsspiel Da, wie bereits angeklungen, auch die Aspirant*innen wählen müssen, ob sie Mitglied des Feldes werden möchten, ist ein Blick auf die Bedingungen lohnenswert, die bewirken, dass sie eine Spielteilnahme anstreben. Es ist davon auszugehen, dass eine „Entscheidung zur Teilhabe […] das Interesse an feldspezifischen Sinn- und Wertstiftungen“ (Fröhlich und Rehbein 2009: 129) impliziert. Bourdieu verwendet in diesem Zusammenhang anfangs den Interessensbegriff von Weber, den er später durch den Begriff „illusio“ (Bourdieu und Wacquant 1996c: 148) ersetzt. Die Illusio ist zum einen als Voraussetzung für die Teilnahme am Spiel zu verstehen, denn jedes Feld fordert eine gewisse Illusio als eine Art Zugehörigkeitskriterium (Bourdieu und Wacquant 1996c: 149) und „der Kern des Feldbegriffs besteht darin, dass dort ,etwas‘, ein Einsatz, im Spiel ist“ (Papilloud 2003: 36). Für Bourdieu ist der „praktische Glaube […] das Eintrittsgeld, das alle Felder stillschweigend nicht nur fordern, indem sie Spielverderber bestrafen und ausschließen, sondern auch, indem sie praktisch so tun, als könnte durch die Operation der Auswahl und der Ausbildung Neueingetretener (Initiationsriten, Prüfungen usw.)

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3 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand

erreicht werden, daß diese den Grundvoraussetzungen des Feldes die unbestrittene, unreflektierte, naive, eingeborene Anerkennung zollen, die die doxa als Urglaube definiert“ (Bourdieu 1987: 124f.). Somit sind „allgemein anerkannter praktischer Sinn, etablierter Glaube, anerkannte Ideen dessen, was als selbstverständlich erscheint, dessen was nicht mehr diskutiert werden muss“ (Steiner 2001:41) und worüber zudem nicht reflektiert wird, unter dem Begriff „doxa“22 zu verstehen. Doch eine gewisse Illusio wird nicht nur vorausgesetzt, um am Spiel teilzunehmen. Sie ist darüber hinaus in Teilen auch als Ergebnis der Spielteilnahme zu betrachten (Bourdieu 1999: 360), denn durch das Agieren im Feld sind die Akteure auch den Feldeffekten ausgesetzt, was wiederum dazu führt, dass bei ihnen eine gewisse Illusio aktiviert wird, die bewirkt, dass die Akteure bereit sind, in das Spiel zu investieren, die Spielregeln und das, worum es im Spiel geht (die Interessensobjekte), als wertvoll anzuerkennen und sich mit dem Spiel zu identifizieren (Bourdieu 1999: 360). Denn die „Spieler sind im Spiel befangen, sie spielen, wie brutal auch immer, nur deshalb gegeneinander, weil sie alle den Glauben (doxa) an das Spiel und den entsprechenden Einsatz, die nicht weiter zu hinterfragende Anerkennung teilen (es gibt keinen ,Vertrag‘, in dem die Spieler unterschreiben, daß sich das Spiel lohnt, daß es der Mühe wert ist; das tun sie, indem sie mitspielen), und dieses heimliche Einverständnis ist der Ursprung ihrer Konkurrenz und ihrer Konflikte“ (Bourdieu und Wacquant 1996c: 127 f.). Abhängig von der Position der Akteure im Spiel (herrschend/beherrscht, orthodox/häretisch) und abhängig von der sozialen Laufbahn, die sie zur

22 Die doxa bewirkt, dass die bestehenden Verhältnisse als natürliche Ordnung gesehen werden. Denn „im Grenzfall der vollkommenen „Koinzidenz zwischen objektiver Ordnung und subjektiven Organisationsprinzipien“ (Bourdieu 1976: 325) erscheint die Welt als selbstverständlich, ihr Willkürcharakter wird verkannt und als natürlich wahrgenommen“ (König und Berli 2012: 304). Die doxa ist „wenn sie auf bestimmten sozialen Positionen und vor allem auf den Positionen der Beherrschten realisiert wird, die radikalste Form der Zustimmung zur Welt, wie sie ist [...]. Es gibt keine umfassendere und vollständigere Bejahung der bestehenden Ordnung als jenes infrapolitische Verhältnis der doxischen Selbstverständlichkeit, aus der heraus Existenzbedingungen als natürlich angesehen werden, die für jemanden, der in anderen Verhältnissen sozialisiert wurde und sie daher nicht über die aus dieser Welt stammenden Wahrnehmungskategorien erfaßt, empörend wären“ (Bourdieu und Wacquant 1996c: 104 f.).

3.1 Konzepte Bourdieus zur Erforschung von Wissenschaftskarrieren

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entsprechenden Position geführt hat, wird bei den Akteuren eine ganz spezifische Illusio aktiviert (ebd.: 149). Bezogen auf das wissenschaftliche Feld ist es der geteilte Glaube der Mitglieder, dass dem meritokratischen Prinzip die höchste Wichtigkeit zukommt. Das heißt, dass die Akteure daran glauben, dass die wissenschaftliche Leistung als zentraler Prädiktor für den Erfolg einer wissenschaftlichen Laufbahn anzusehen ist. Um am Wissenschaftsspiel teilzunehmen, muss man also die Bereitschaft mitbringen, hart zu arbeiten und Wissenschaft als Lebensform zu praktizieren (vgl. Weber [1919] 2002). Eine detaillierte Beschreibung der Illusio des wissenschaftlichen Feldes erfolgt in Kapitel 3.2 bei der Vorstellung des Forschungsstandes zum Thema „Wissenschaftskarrieren“. 3.1.5 Praktischer Sinn und Habitus im wissenschaftlichen Feld Neben der Ausbildung einer bestimmten Illusio geht die Entscheidung für die Teilnahme am Spiel mit der ,,Übernahme des feldspezifischen Habitus“ (Fröhlich und Rehbein 2009: 129) einher. Innerhalb eines Spiels verfolgen die Akteure, geleitet von ihrem Habitus, den Bourdieu auch als „Spiel-Sinn“ (Bourdieu 1992b: 84) umschreibt, unterschiedliche Strategien. Um den Kapitalbesitz zu sichern oder zu erhöhen, kann eine Strategie einer bzw. eines Spielenden darin bestehen, die spielimmanenten Regeln einzuhalten, was zu einer Reproduktion des Spiels sowie der zu erbringenden Einsätze führt. Eine andere Strategie wäre es, die unausgesprochenen Spielregeln (in Teilen) zu seinen Gunsten zu verändern (Bourdieu und Wacquant 1996c: 129). Welche Strategie angewandt wird, wird durch die über den Kapitalbesitz bestimmte Position im Feld sowie vom Standpunkt und der daraus resultierenden Perspektive der Spieler*innen auf das Spiel bestimmt (ebd.: 132). Durch die Verwendung des Strategie-Begriffs wurde Bourdieu häufiger der Vorwurf der Annahme eines ökonomischen Determinismus von Handlungen gemacht. Dieser Schluss der Kritiker Bourdieus ist jedoch in zweifacher Hinsicht ein Irrtum. „Erster Irrtum: In den Begriff Strategie tragen sie die Vorstellungen von Intention und bewußter Zielgerichtetheit hinein und verwandeln auf diese Weise ein Handeln, das mit bestimmten Interessen kongruent ist, in ein rational aufgebautes und bewußt auf klar wahrgenommene Ziele gerichtetes Verhalten. Zweiter Irrtum: Sie verengen den historisch wandelbaren Begriff des Interesses, indem sie ihn auf eine invariante Neigung zur Verfolgung des ökonomischen oder materiellen Profits reduzieren“ (Wacquant 1996: 47).

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3 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand

Bourdieu weist mehrfach darauf hin, dass „seine Ökonomie der Praxis [...] weder intentionalistisch noch utilitaristisch“ (ebd.: 48) ist. Denn unter „Strategie“ versteht Bourdieu nicht eine geplante, absichtsvolle und zweckgebundene Zielverfolgung. Vielmehr begreift er Strategien als die „aktive Entfaltung von objektiv gerichteten ,Handlungverläufen‘, die Regelmäßigkeiten unterliegen und kohärente und sozial intelligible Konfigurationen bilden“ (ebd.: 48 f.), ohne zielgerichtet zu sein und bewusste Zwecke zu verfolgen. Denn Bourdieus Ziel ist es genau, ebenjene übliche Trennung von zielgerichtetem und normativem Handeln zu überwinden und deutlich zu machen, dass sich Akteure ausschließlich durch feldimmanente Reize aus ihrer Gleichgültigkeit lösen lassen (ebd.: 48 f.). Um zu verdeutlichen, dass es sich nicht um bewusste „Wahlakte, sondern um Entscheidungen in actu“ (Fröhlich und Rehbein 2009: 194) handelt, spricht Bourdieu auch von einem „praktischen Sinn“. Gemäß Engler, wird der praktische Sinn erst durch die Spielerfahrung der Akteure erworben und unterstreicht den Umstand, dass die Teilnehmer*innen des Spiels „agieren ohne zu überlegen, welcher Sinn denn aus dieser und jener Handlung, dieser und jener Äußerung gezogen werden könnte“ (Engler 2001: 150). Beaufaÿs umschreibt den „praktischen Sinn“ als „soziale[s] Organ, um sich in einem Feld zurechtzufinden und auch von den anderen Akteuren als zugehörig erkannt zu werden“ (Beaufaÿs 2003: 2). Fröhlich und Rehbein (2009) definieren den „sens pratique“ als ein „feldspezifisches praktisches Interesse und Gespür, einen praktischen Orientierungs- und Antizipationssinn, der ihren Spielzügen zugrunde liegt“ (Fröhlich und Rehbein 2009: 194). Erworben wird der praktische Sinn mit dem Habitus (ebd.: 195). Bourdieu begreift den Habitus als „Erzeugungsprinzip von Strategien“ (Bourdieu 1976: 165, 169), als „System dauerhafter und übertragbarer Dispositionen, der, alle vergangenen Erfahrungen integrierend, wie eine Handlungs-, Wahrnehmungs- und Denkmatrix funktioniert“ (ebd.: 165, 169). Dadurch, dass im Habitus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verbunden sind, können Akteure, geleitet von ihrem praktischen Sinn, zukünftige Situationen von ihrem momentanen Standpunkt aus absehen und ihnen mit ihrer bereits gesammelten Erfahrung begegnen (Wacquant 1996: 43). Besonders hebt Bourdieu dabei hervor, dass der Habitus keiner rationalen, sondern einer praktischen Logik folgt, „durch Praxis erworben wird und konstant auf praktische Funktionen ausgerichtet ist“ (Bourdieu und Wacquant 1996c: 154). Bourdieu zufolge würden RationalChoice-Theorien, in deren Zentrum ein rational handelnder, nutzenmaximierender, bewusste Entscheidungen treffender Akteur steht, davon ausgehen, dass der Akteur frei von sozialen wie auch ökonomischen Determinierungen ist. Dies bedeutet aber, dass ignoriert wird, dass die Akteure eine „individuelle und

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kollektive Geschichte“ (ebd.: 156) besitzen, wodurch die Herausbildung ihrer Präferenzen im „Verhältnis zu den objektiven Strukturen, von denen sie produziert werden“ (ebd.: 156), beeinflusst wird. Denn der Habitus ist Bourdieu zufolge ,,die sozialisierte Subjektivität“ (ebd.: 159) und als „Ergebnis der Verinnerlichung der äußeren Strukturen reagiert der Habitus auf die Anforderungen des Felds weithin kohärent und systematisch“ (Wacquant 1996: 39 f.). Nach Bourdieu ist der Habitus nicht unveränderlich. Gleichwohl die „erste Neigung des Habitus […] schwer zu kontrollieren“ (Bourdieu und Wacquant 1996c: 170) ist, ist es Bourdieu zufolge durch eine Reflexion der Bedingtheit der eigenen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster möglich, seine Dispositionen in Teilen zu verändern, denn dadurch, dass wir reflektieren, können wir erkennen, dass „wir selber der Situation einen Teil der Macht geben, die sie über uns hat, [wodurch wir] […] bestimmte Bedingtheiten, die durch das Verhältnis der unmittelbaren Übereinstimmung von Position und Dispositionen zum Tragen kommen, bis zu einem gewissen Punkt […] überwinden“ (ebd.: 170) können. Des Weiteren geht Bourdieu nicht von einer Determination des Verhaltens durch den Habitus aus, da der praktische Sinn einer „Logik des Unscharfen, des Ungefähren“ (Wacquant 1996: 44) folgt23. Mehr Ähnlichkeit hat Bourdieus Habitus- Begriff mit denjenigen Theorien, bei denen „der Begriff habit, […] als ein aktives, schöpferisches Verhältnis zur Welt und nicht als eine mechanisch-repetitive Gewohnheit“ (Bourdieu und Wacquant 1996c: 155) verstanden wird. Einschränkend muss man hinzufügen, dass der Habitus zwar „schöpferisch und erfinderisch [ist], aber in den Grenzen seiner Strukturen“ (Wacquant 1996: 40). Der Begriff des Habitus muss daher immer in Verbindung mit dem Feld-Begriff Bourdieus gedacht werden (ebd.: 40)24. 23 „Die Art und Weise, wie man auf eine Position kommt, ist im Habitus angelegt. Anders formuliert, die sozialen Akteure bedingen, vermittelt über sozial und historisch zustande gekommene Wahrnehmungs- und Bewertungskategorien, aktiv die Situation, die sie bedingt. Man kann sogar sagen, daß die sozialen Akteure nur in dem Maße determiniert sind, in dem sie sich selber determinieren; aber die Wahrnehmungs- und Bewertungskategorien, die der Ursprung dieser (Selbst-) Bedingtheit sind, sind selber großenteils von den ökonomischen und sozialen Bedingungen ihrer Entscheidung bedingt“ (Bourdieu und Wacquant 1996c: 170). 24 „Paradoxerweise lassen sich manche gerade durch die Tatsache, daß diese unmittelbare Übereinstimmung zwischen Habitus und Feld [...] so oft zustande kommt, dazu verleiten, die Realität des Habitus zu leugnen [...]. Immer nämlich, wenn der Habitus mit Verhältnissen konfrontiert ist, die den Verhältnissen, deren Produkt er ist, objektiv gleich oder ähnlich sind, ist er ohne jedes bewußte, absichtsvolle Streben nach Anpassung perfekt angepaßt, und man kann durchaus sagen, daß der Effekt des Habitus und der Effekt des Feldes in gewisser Weise redundant sind“ (Bourdieu und Wacquant 1996c: 162 f.).

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3 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand

Barlösius zufolge „entfaltet sich auch der wissenschaftliche Habitus in der Praxis, und zwar durch eine Vertrautheit mit den wissenschaftlichen Gepflogenheiten und Erwartungen“ (Barlösius 2012: 129). Wie der Habitus-Begriff im Allgemeinen durch Bourdieu bewusst unscharf gehalten wird, so gilt dies auch für den wissenschaftlichen Habitus, denn „der wissenschaftliche Habitus [generiert] entgegen seiner Selbstpräsentation nicht nur rationales, distanziertes und stets bewusstes Handeln […], sondern [folgt] zu einem großen Teil einem Gespür für die wissenschaftliche Praxis […], ohne eine Theorie über diese zu besitzen“ (ebd.: 130). Zu den praktischen Regeln, sich den wissenschaftlichen Habitus anzueignen, gehört u.a. „eine distanzierte Einstellung gegenüber den Forschungsgegenständen, der Gebrauch einer abstrahierenden Sprache, einer vermeintlich objektiven Sprach- und Argumentationsweise“ (Barlösius 2012: 130). Er ist allgemein als „Summe der inkorporierten Dispositionen für wissenschaftliche Tätigkeiten“ (ebd.: 126) zu definieren. Wichtig ist auch der Hinweis von Barlösius (2012), dass der Habitus sowohl nach Fachdisziplin als auch in Abhängigkeit von der Statuspassage auf dem Karriereweg eine unterschiedliche Ausprägung annimmt (ebd.: 130). Reichertz vergleicht die wissenschaftliche Nachwuchsausbildung mit „einer Aufforderung zum Gruppen – (oder Stammes-) Tanz“ (Reichertz 2003: 363) und hebt damit die Wichtigkeit der Ausbildung eines wissenschaftlichen Habitus im Qualifikationsverlauf hervor. Demzufolge „erfährt der Novize [beim Tanzen] am eigenen Körper, ob er richtig dabei ist, ob er die unterschiedlichen Figuren schon beherrscht, ob er ein Gefühl für den Rhythmus hat oder ob er schon in der Lage ist, eigene Impulse zu geben“ (ebd.: 363). Die Qualitäten eines fähigen Mentors liegen, Reichertz zufolge, in der traditionellen wissenschaftlichen Nachwuchsausbildung darin, den Novizen bzw. die Novizin regemäßig „zum Tanz“ zu bitten und dem „Lehrling“ genug Freiraum zu lassen, damit dieser neue Figuren ausprobieren kann (ebd.: 363), wohingegen ein fähiger „Lehrling“ durch „ein gutes Rhythmusgefühl und ein gutes Gespür für den Sinn des Spiels“ (ebd.: 363) zu charakterisieren ist. Bezogen auf die Beziehung zwischen Professor*in und Nachwuchswissenschaftler*in folgert Beaufaÿs, dass ein gegenseitiges „Vertrauen [darin], dass sich die wechselseitige Investition lohnt“ (Beaufaÿs 2003: 229), nur entstehen kann, wenn neben der Erfüllung gewisser Leistungsindikatoren, noch weitere Bedingungen erfüllt sind. Beaufaÿs zufolge „scheint sich […] unter den Akteuren etwas zu formieren, was sie einander vertrauen lässt oder nicht“ (ebd.: 229), was „im Dunkel der Schemata des Habitus“ (Bourdieu 1997b: 96) seinen Ursprung nimmt. Demnach bedingt sich auch das gegenseitige Erkennen der Akteure „auf einer noch vorsprachlichen Ebene [des Vertrauensaufbaus]. In der ,geronnenen Erfahrung‘ des anderen liegt die Übereinstimmung und liegt die Gewissheit,

3.2 Die Konstruktion von wissenschaftlichen Persönlichkeiten

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dass man einander vertrauen kann“ (Beaufaÿs 2003: 230) und sich die wechselseitige Investition ineinander lohnen wird. Der Habitus ist zudem das lenkende Zentrum der Akteure, das sie nach bestimmten (Macht)Positionen im wissenschaftlichen Feld streben lässt, denn er bewirkt, „dass man sich angespornt und berechtigt fühlt, Positionen zu beanspruchen oder doch das zu tun, was getan werden muss, damit man sie bekommt“ (Bourdieu 1992a: 249). 3.2 Die Konstruktion von wissenschaftlichen Persönlichkeiten Die Konzepte Bourdieus machen es möglich, der Frage danach nachzugehen, wie man von einem bzw. einer Aspirant*in zu einer wissenschaftlichen Persönlichkeit wird. Um den Prozess der Wissenschaftler*innen-Werdung zu verstehen, muss eine Betrachtung der Kriterien bzw. Zugangsvoraussetzung zum wissenschaftlichen Feld erfolgen, denn „die Durchsetzung und Anerkennung eines bestimmten Kompetenz- oder Zugehörigkeitskriteriums“ (Bourdieu und Wacquant 1996c: 130) können Bourdieu zufolge im Zeitverlauf variieren. Es ist davon auszugehen, dass entsprechende Kriterien im wissenschaftlichen Feld selbst ausgehandelt werden und gemäß feldinterner Regeln den Anwärter*innen, die in das Feld eintreten wollen, zugeschrieben werden oder verwehrt bleiben. Bei der Zuschreibung wird „ein noch nicht eingetretenes Ergebnis […] antizipiert, in dem bestimmte Verhaltensweisen als darauf hinweisen[d] gedeutet werden“ (Beaufaÿs 2003: 196). Wenn Nachwuchswissenschaftler*innen die relevanten Merkmale und Verhaltensweisen zugeschrieben werden, sind sie ihr symbolisches Kapital auf dem Weg zur wissenschaftlichen Persönlichkeit. Um zu erschließen, welche Kriterien man erfüllen muss, um als Potenzialträger*in anerkannt zu werden, muss man, so Engler, „eine wissenschaftliche Konstruktion der Realitätskonstruktion vollziehen, wie sie von den AkteurInnen vorgenommen wird“ (Engler 2001: 152). Nur so kann man offenlegen, welche Kriterien von den Wissenschaftler*innen selbst als legitim anerkannt werden, um eine wissenschaftliche Persönlichkeit zu charakterisieren. Die von der Scientific Community geteilten Glaubenssätze und Beurteilungskriterien spiegeln sich auch in der Illusio des wissenschaftlichen Feldes wider. Demnach gilt es, dem Leitsatz Webers ([1919] 2002) folgend, hart zu arbeiten und stets vollen Einsatz zu zeigen, um Erfolg zu haben. Gemäß der feldspezifischen Illusio ist die wissenschaftliche Leistung und Leistungsfähigkeit der Akteure die zentrale Voraussetzung, um als wissenschaftliche Persönlichkeit anerkannt zu werden. In den Analysen von Engler (2001) wird weiterhin deutlich, dass die von ihr interviewten Professor*innen unterschiedlichen Kriterien zur Anerkennung einer wissenschaftlichen Leistung Wichtigkeit beimessen. Gemeinsam haben die Professor*innen jedoch, dass sie

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3 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand

„alle daran glauben, dass wissenschaftliche Arbeiten bestimmten Maßstäben entsprechen müssen. Jeder und jede hat eine Vorstellung generiert, wie die Arbeit und Leistung auszusehen hat, damit er oder sie diese als wissenschaftlich anerkennt. Daraus lässt sich keine Norm ableiten, wie gute wissenschaftliche Arbeit auszusehen hat, aber die Erkenntnis gewinnen, dass bei allen ProfessorInnen eine Vorstellung davon entwickelt wurde und vorhanden ist, dass wissenschaftliche Arbeit bestimmten Kriterien zu entsprechen hat“ (Engler 2001: 444 f.). Die Anerkennung der wissenschaftlichen Arbeit ist als „Belohnung“ (Merton 1972: 130 f.) zu verstehen. „Titel, Preise, Mitgliedschaften in Akademien, hohe Zitierraten, Lob“ (Hasenjürgen 1996: 52) stellen solche Belohnungen dar. Eine wichtige Erkenntnis Englers (2001) in diesem Zusammenhang ist, dass „Anerkennung“ in diesem Zusammenhang nicht bedeutet, dass man die wissenschaftliche Arbeit anderer Forscher*innen „zur Kenntnis nimmt und als wissenschaftliche Leistung würdigt […], [stattdessen wird in] Zuschreibungsprozesse[n] […] Eigenes und Neues ebenso wie Originelles zugeschrieben und hervorgebracht“ (Engler 2001: 447). Inwiefern die wissenschaftliche Arbeit als besonders exzellent, innovativ oder außergewöhnlich beurteilt wird, hängt somit neben der erbrachten Leistung noch von weiteren Faktoren ab. Auch Krais (2000) weist darauf hin, dass in der Wissenschaft nicht nur wissenschaftliche Kriterien als Indikatoren für die Innovationsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Förderwürdigkeit Gültigkeit besitzen, um zu beurteilen, inwiefern jemand „das Zeug zu einer großen wissenschaftlichen Leistung hat, ja ob er - oder sie - dazugehört oder nicht“ (Krais 2000: 41). Krais zufolge werden gleichermaßen „soziale Signale“ (ebd.: 41) als Hinweise für das Potenzial der Person, eine wissenschaftliche Leistung zu erbringen, gedeutet. Engler (2001) merkt dazu an, dass die Einsicht, dass neben der Leistung auch andere Kriterien relevant sind, die Illusio der Wissenschaftler*innen keineswegs tangiert, denn es „zählen nur die im Kosmos der Wissenschaft generierten leistungsbezogenen Kriterien. Es ist der Glaube an das meritokratische Prinzip, das hier erkennbar wird“ (Engler 2001: 453). Demnach wird neben der wissenschaftlichen Leistung auch gewissen anderen Kriterien Wichtigkeit beigemessen, solange diese im wissenschaftlichen Feld selbst erzeugt werden können. Schon Weber (1919 [2002]) schildert in seiner Schrift „Wissenschaft als Beruf“ einen Fall, der die ausschließliche Orientierung an Leistungskriterien bei der Personalauswahl im Wissenschaftsbetrieb anzweifeln lässt. So schreibt Weber: „Persönlich habe ich […] den Grundsatz befolgt: dass ein bei mir promovierter Gelehrter sich bei einem anderen als mir und

3.2 Die Konstruktion von wissenschaftlichen Persönlichkeiten

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anderswo legitimieren und habilitieren müsse. Aber das Resultat war: einer meiner tüchtigsten Schüler anderwärts abgewiesen wurde, weil niemand ihm glaubte, dies der Grund sei“ (ebd.: 475 f.). Das von Weber angeführte Exempel unterstreicht, dass die Akteure des wissenschaftlichen Feldes neben leistungsbezogenen Kriterien Zusatzinformationen über die Aspirantin oder den Aspiranten heranziehen, um ihr bzw. sein Potenzial zu beurteilen. Dabei werden aber nur diejenigen Indikatoren als legitim von der Scientific Community anerkannt, die kongruent mit den feldinternen Glaubenssätzen sind. Die Wirkmacht gewisser anderer Faktoren wiederum wird im wissenschaftlichen Feld marginalisiert und (in Teilen) ausgeblendet. Nichtsdestotrotz belegen empirische Studien, dass einige dabei nicht eingeschlossene Merkmale auf dem Weg zur Professur stark Differenz konstruierend wirken, worauf nachfolgend näher eingegangen wird. Bezüglich der Zugangsvoraussetzungen und Bewertungskriterien kann man zwischen unterschiedlichen Merkmalstypen differenzieren, einerseits den formalen, quantifizierbaren Kriterien, andererseits den informellen bzw. schwer formalisierbaren und damit auch nicht quantifizierbare Kriterien. Aufgrund der informellen Natur letztgenannter Kriterien bieten insbesondere diese Raum für soziale Zuschreibungen, die in Zusammenhang mit meist (nahezu) unveränderlichen Personenmerkmalen, wie z.B. dem Geschlecht oder der sozialen Herkunft, gebracht werden. Neben personenbezogenen Merkmalen nehmen auch strukturelle und personelle Rahmenbedingungen Einfluss auf den Erfolg von Wissenschaftskarrieren. Demnach ist weiterhin die Existenz von Unterstützer*innen und Netzwerken als bedeutsam auf dem Weg zur wissenschaftlichen Persönlichkeit anzusehen. Um einen Überblick darüber zu gewinnen, welche Zugangskriterien im wissenschaftlichen Feld Relevanz besitzen, wie die Zuschreibungsprozesse funktionieren und inwiefern bestimmte Bedingungsfaktoren und Merkmale förderlich oder hemmend für den wissenschaftlichen Karriereweg wirken, wird im Folgenden der Forschungsstand zur „Konstruktion von wissenschaftlichen Persönlichkeiten“ 25 aus feldanalytischer, konstruktivistischer Forschungsperspektive vorgestellt26.

25 Dem konstruktivistischen Verständnis folgend wird Persönlichkeit nicht entwickelt, sondern im wissenschaftlichen Feld in sozialen Spielen zugeschrieben. 26 Für einen Überblick über Merkmale, die als notwendig erachtet werden, um im wissenschaftlichen Feld Anerkennung zu erfahren vgl. auch Franz (2018: 123ff.).

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3 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand

3.2.1 Formelle und quantifizierbare Zugangskriterien zum wissenschaftlichen Feld Um einzuschätzen zu können, ob Nachwuchswissenschaftler*innen als förderwürdige Anwärter*innen für eine Erfolgsposition im wissenschaftlichen Feld anzuerkennen sind, ziehen die bereits etablierten Akteure unterschiedliche Indikatoren heran. Demnach hängt es „zunächst vom Vertrauen [.]eines Mentors ab […] und davon, welche Leistungsfähigkeit dieser seinen Mitarbeitern zuschreibt“ (Beaufaÿs 2003: 198), ob man Vertrauenswürdigkeit zugeschrieben bekommt. Zu den formalen, quantifizierbaren Kriterien, die Grundlage dieses „Beurteilungsprozesses“ sind, zählen die Existenz sowie die Noten von Bildungsabschlüssen27 (Hochschulabschluss, Promotionsabschluss, Habilitation). Weiterhin gehören zu diesem Kriterientyp auch die wissenschaftlichen Leistungen der Akteure, die sich unter dem Oberbegriff „reines wissenschaftliches Kapital“ der Wissenschaftler*innen subsumieren lassen. Bei Stellenbesetzungsverfahren, z.B. bei Berufungen, wird wissenschaftlichem Kapital eine große Wichtigkeit beigemessen, da es als zentraler, messbarer Leistungsindikator angesehen wird. Zum „reinen“ wissenschaftlichen Kapital der Akteure zählen: ihre Publikationen und Zitationen derselben, Vorträge und „Vortragseinladungen auf wichtige Konferenzen, idealerweise als `Key Note Speaker´, oder durch bedeutsame Institute bzw. Universitäten (z. B. Harvard University)“ (Franz 2018: 132), Herausgeberschaften von Buchreihen, Tätigkeiten als Gutacher*in für Zeitschriften, wissenschaftliche Preise 28 und Auszeichnungen. Wie ein in der Studie von Beaufaÿs befragter Professor es formuliert, sind es nicht „,die genialen Ideen, […] sondern das Ergebnis, die Publikation, das ist das, was karrierefördernd ist, laufbahnfördernd ist‘ (Bio/Prof,m)“ (Beaufaÿs 2003: 192). Die aufgeführten Aktivitäten tragen auch dazu bei, dass Wissenschaftler*innen von ihrer Scientific Community wahrgenommen werden und ihre Person mit einem bestimmten Forschungsthema in Beziehung gesetzt wird. Dies kann wiederum zu weiteren Konferenzeinladungen oder auch Anfragen zu gemeinsamen Publikationsvorhaben führen. In den letzten Jahren kam es zu einer verstärkten Fokussierung auf quantifizierbare Maßzahlen, um eine meritokratischere Personalselektion nach transparenten, nachvollziehbaren und vergleichbaren Kriterien voranzutreiben 29 . Im

27 Um die Unsicherheit in Bezug auf die zukünftige Leistung, die der Kandidat bzw. die Kandidatin erbringen wird, zu reduzieren, wird die vergangene Leistung als Hinweis herangezogen. Bildungszertifikate sind ein Weg, um vergangene Leistungen zu dokumentieren. 28 Besonders renommierte Preise sind z. B. der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis oder AlfredNobel-Preis (Franz 2018: 132). 29 Für eine ausführliche Darstellung der Wissenschaftsindikatoren vgl. Hornbostel (1997).

3.2 Die Konstruktion von wissenschaftlichen Persönlichkeiten

71

Rahmen dieser Entwicklung entstanden neue Maßzahlen zur Quantifizierung der wissenschaftlichen Leistung. Dazu zählen sowohl Impact Factors von Zeitschriften (Journal Impact Factor (JIF) als auch Zitationsindizes von Publikationen (h-Index (Hirsch 2005), G-Index (Egghe 2006), E-Index (Zhang 2009)). Insbesondere Publikationen in Fachzeitschriften mit hohem Impact Factor werden in den meisten Fachdisziplinen als besonders prestigeträchtig angesehen (Franz 2018: 132). Impact Factors und Zitationsindizes intendieren nicht nur etwas über die Relevanz einer Publikation, d.h. in welchem Umfang sie von Fachkolleg*innen rezipiert wird, sondern werden häufig auch dazu verwendet, die Qualität der Veröffentlichung einzuschätzen. Dies ist jedoch als kritisch zu beurteilen, da sie lediglich Auskunft darüber geben, wie oft eine Veröffentlichung von anderen Wissenschaftler*innen innerhalb eines bestimmten Zeitraums zitiert wurde30. 3.2.2 Informelle, habituelle Kriterien zur Charakterisierung von wissenschaftlichen Persönlichkeiten Neben den formalen, quantifizierbaren Kriterien werden auch informelle Kriterien zur Einschätzung des Potenzials von Nachwuchswissenschaftler*innen herangezogen. Unter den informellen Kriterien sind habituelle Verhaltensweisen, Denkmuster und Einstellungen zu subsumieren. Denn nach Bourdieu zählt bei der Rekrutierung des wissenschaftlichen Nachwuchses nicht nur das inhaltliche und methodische Wissen, sondern die Kandidat*innen müssen darüber hinaus „ein gewisses Know-how, oder genauer, eine Kunst der praktischen Umsetzung des Wissens, und dies bei passender Gelegenheit, in der Praxis, die nicht zu trennen ist von einer umfassenden Art des Handelns, einer Lebensführung, eines Habitus“ (Bourdieu 1992a: 112). mitbringen. Einen wissenschaftlichen Habitus eignen sich die Akteure, ähnlich wie sie erst im Laufe des wissenschaftlichen Qualifizierungsprozesses wissenschaftliches Kapital akkumulieren, erst schrittweise an. Teilweise handelt es sich aber auch um Wahrnehmungs- und Bewertungsschemata bzw. Verhaltensweisen, welche die Akteure schon in früheren Lebensphasen inkorporiert 30 Außerdem ist anzunehmen, dass der Impact Factor nicht dazu geeignet ist, alle Publikationen eines Wissenschaftlers bzw. einer Wissenschaftlerin umfassend zu erfassen, da bestimmte Publikationsformate nicht oder nur unzureichend erfasst werden, wodurch die Impact Factors verzerrt werden.

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3 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand

haben. Im Laufe des wissenschaftlichen Qualifizierungswegs gilt es den fachspezifischen Habitus einzuüben, wobei insbesondere die Professor*innen und andere erfahrene Wissenschaftler*innen als Vorbilder fungieren, denn die „akademische Fachkultur repräsentieren maßgeblich die Hochschullehrenden und Dozentinnen und Dozenten“ (Friebertshäuser 2013: 261). Das fachspezifische „tacit knowledge“, das über ebenjene Mentor*innen vermittelt wird, umfasst auch „die unthematisierten Verhaltensweisen, Einstellungen bis hin zu Lebensstilen, Kleiderordnungen und fachspezifischen Traditionen“ (ebd.: 263). Es bedarf eines ganz bestimmten Habitus, um als leistungsfähiger wissenschaftlicher Nachwuchs eingeschätzt zu werden. So erwähnt ein Professor in Beaufaÿs Studie zu merken, „welcher Habitus für einen Wissenschaftler seines Faches angemessen ist und auf Leistung hinweist“ (Beaufaÿs 2003: 187), ohne dabei genauer darauf einzugehen, auf welche Art des Habitus er sich dabei bezieht, was wiederum die für den Habitus charakteristische Unschärfe unterstreicht. Die habituelle Übereinstimmung zwischen Professor*in und Nachwuchswissenschaftler*in ist aber grundlegend dafür, „dass Professoren Leistungen als solche überhaupt bei bestimmten Personen wahrnehmen können und Leistungsfähigkeit als solche interpretieren“ (ebd.: 231). Demnach werden Nachwuchswissenschaftler*innen nicht dann als Anwärter*innen betrachtet, wenn sie alle Merkmale erfüllen, die eine wissenschaftliche Persönlichkeit definiert. Stattdessen gilt: „die leistungsfähigsten Wissenschaftler [werden] immer auch von denen gesehen, die in ihnen solche Qualitäten erkennen können. […] Auch bei noch so viel Fleiß oder Einsatz würde daher ein Mitarbeiter möglicherweise dabei gar nicht gesehen, weil sein Chef an ihm nicht die habituelle Matrix erkennt, die ihn darauf hinweist“ (ebd.: 231). Die wissenschaftliche Nachwuchsrekrutierung durch die Professor*innen anhand von habituellen Ähnlichkeiten kann „weder als bewusste noch kalkulierte Handlung [begriffen werden] […], sondern als Teil ihrer spezifischen illusio“ (ebd.: 235). Inwiefern ein*e Professor*in insbesondere diejenigen fördert, bei denen er bzw. sie eine Übereinstimmung zwischen deren habituellen Dispositionen und der feldspezifischen Illusio erkennt, hängt von dessen bzw. deren eigener Illusio und Position im wissenschaftlichen Feld ab (ebd.: 236). Beaufaÿs folgert diesbezüglich, dass die Orientierung an der Illusio des Feldes bei der Personalselektion insbesondere bei denjenigen Professor*innen, „die eine randständige oder aber besonders herausgehobene Position im Feld einnehmen“ (ebd.: 236), besonders gering ausgeprägt ist. Der Habitus der

3.2 Die Konstruktion von wissenschaftlichen Persönlichkeiten

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Nachwuchswissenschaftler*innen, wie er sich auch im Modus der Selbstdarstellung zeigt, ist daher als wesentlich für die Einschätzung der Förderungswürdigkeit der Akteure anzusehen. Zu ebenjenen Selbstpräsentationspraktiken zählt die zur „Schau-Stellung” bestimmter Persönlichkeitsmerkmale, das Vertreten einer bestimmten Arbeitsmoral und Einstellung zur wissenschaftlichen Arbeit wie auch das Vertreten eines bestimmten Glaubens in Form der feldspezifischen Illusio. Persönlichkeitsmerkmale, die von den Etablierten im Feld als relevante Voraussetzung auf dem Weg zur wissenschaftlichen Persönlichkeit diskutiert werden, sind „Ausdauer und Frustrationstoleranz, ,wissenschaftlicher drive‘ sowie Begeisterung und Einsatzbereitschaft“ (ebd.: 189). Denn sowohl der langjährige Qualifizierungsprozess als auch „die damit verbundene Arbeitsbelastung, Rückschläge und Schwierigkeiten bei der Forschungstätigkeit, Konkurrenz mit Kollegen“ (ebd.: 190) erfordern ebenjene Persönlichkeitsmerkmale in besonderem Maße. Auch wird nur denjenigen Personen, die „wissenschaftlichen drive“ besitzen, die Fähigkeit zugeschrieben, neue Erkenntnisse hervorbringen zu können (ebd.: 191). Auch Belastbarkeit, Leistungs- und Einsatzwilligkeit, die sich in einer „möglichst hohen Zeitinvestition“ (ebd.: 191) der Akteure ausdrückt, sind relevante Eigenschaften, die zur Beurteilung des Potenzials eines Novizen bzw. einer Novizin herangezogen werden. Beim diskursiven Austausch ist eine „,Steh-auf-Männchen‘-Mentalität, großes Selbstbewusstsein, Extrovertiertheit und Standfestigkeit“ (ebd.: 191) erwünscht. Neben Persönlichkeitsmerkmalen werden auch eine gewisse Arbeitsmoral und die Hingabe der jungen Forscher*innen an die wissenschaftliche Arbeit von den Professor*innen als Hinweise auf ihre Passfähigkeit und Erfolgschancen gedeutet. Die signalisierte Bereitschaft der Anwärter*innen, sich die feldspezifische Illusio zu eigen zu machen und die nötigen Investitionen zu tätigen, deuten die Professor*innen als Hinweis darauf, in wie weit sie den Nachwuchswissenschaftler*innen ihr Vertrauen schenken und sie fördern sollten. Beaufaÿs weist in ihrer Untersuchung darauf hin, dass beispielsweise eine möglichst uneingeschränkte Anwesenheit am Arbeitsort als „Zeichen dafür gewertet [wird], ob der Nachwuchs als hoffnungsvoll einzustufen ist oder nicht“ (ebd.: 243). Der sich in dieser Arbeitsmoral manifestierende Glaube, dass Wissenschaft nicht nur ein Beruf, sondern eine Lebensform ist, wirkt vertrauensstiftend für die Professor*innen. Eine uneingeschränkte Hingabe der Nachwuchswissenschaftler*innen an die wissenschaftliche Tätigkeit und eine Bereitschaft, beliebig viel Zeit darin zu investieren, um ihrer „inneren Berufung“ (Weber [1919] 2002, Oevermann 2005, Mittelstraß 2006) zu folgen, dienen als Hinweise darauf, dass die

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3 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand

Nachwuchsforscher*innen bereits begonnen haben, die Illusio des wissenschaftlichen Feldes zu inkorporieren und bereit sind, sich den Feldprinzipien zu unterwerfen. Ebenjene passenden habituellen Verhaltensweisen, die richtige Arbeitsmoral wie auch gewisse Persönlichkeitsmerkmale bringen den Aspirant*innen Anerkennung durch Betreuende und Vorgesetzte ein. „In den Auseinandersetzungen des wissenschaftlichen Feldes geht es in erster Linie um die Erreichung symbolischer Macht- in Form von Anerkennung ihrer Arbeit“ (Hasenjürgen 1996: 52). Um Teil des wissenschaftlichen Feldes werden zu können, muss man demnach eine ganz bestimmte Arbeitsmoral und Persönlichkeitsmerkmale sowie einen ganz gewissen Habitus mitbringen. Die gemäß der Illusio des wissenschaftlichen Feldes erforderlichen Merkmale, Verhaltensweisen und Einstellungen, um als Anwärter*in anerkannt zu werden, werden jedoch nicht allen Nachwuchswissenschaftler*innen gleichermaßen zugeschrieben. Zentrale Ungleichheitsvariablen in diesem Kontext sind nach dem Befund einschlägiger Studien das Geschlecht und die soziale Herkunft der Akteure, was in den nachfolgenden Unterkapiteln im Detail ausgeführt wird. 3.2.3 Das Geschlecht als „magische Grenze“31 für das Erreichen einer Machtposition im Wissenschaftsfeld Ein zentrales Merkmal zur Beschreibung einer wissenschaftlichen Persönlichkeit ist ihr Geschlecht. Wie bereits in Kapitel 2.2.5 ausgeführt, sind die Chancen, eine Erfolgsposition im Wissenschaftssystem zu erreichen, nicht für beide Geschlechter gleich, sondern ungleich schlechter für Frauen. Dass Frauen von bestimmten Positionen ausgeschlossen sind, sieht Bourdieu in der symbolischen Gewalt begründet, die über sie ausgeübt wird. Bourdieu geht dabei von jener „Art gesellschaftlich erzeugter Agoraphobie [aus], die dazu führt, daß sich die Frauen selber von der öffentlichen Wirksamkeit und aus den Abläufen ausschließen, aus denen sie [...] auch real ausgeschlossen sind“ (Bourdieu und Wacquant 1996c: 105). Nur durch äußerste Anstrengung ist es Frauen demnach möglich, diesen Kreislauf zu durchbrechen, sich frei zu machen von der „doxa“, die sie ihre Ausgeschlossenheit als Normalzustand anerkennen lässt (ebd.: 105). Weiterhin liegen für Frauen bezüglich des Erreichens vieler Positionen erschwerte Bedingungen vor, da diese „maßgeschneidert sind für Männer, deren Männlichkeit durch Entgegensetzung zu den heutigen Frauen konstruiert wurde“ (Bourdieu 2005: 110 f.).

31

Vgl. Engler (2001:461)

3.2 Die Konstruktion von wissenschaftlichen Persönlichkeiten

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In Bezug auf Wissenschaftskarrieren konstatiert Engler (2001) in ihrer Habilitation, dass Frauen aus den Spielen im wissenschaftlichen Feld ausgeschlossen sind, in denen sich Wissenschaftler in Beziehung zueinander setzen und worüber auch die Zuschreibung von Anerkennung erfolgt (Engler 2001: 458). Engler geht aber noch weiter, indem sie darlegt, wie der Mechanismus funktioniert, der Frauen systematisch ausschließt. Engler kommt zu dem Schluss, dass „die Zuschreibung von Neuem, Originellem, Schöpferischen [...] Männern vorbehalten [ist] und wird, wenn, dann ihnen zuteil. [...] Die schöpferische Kraft ist Männersache, und im Schöpferischen ist die Einmaligkeit begründet“ (ebd.: 460f.). Frauen sind demnach von den sozialen Spielen, in denen Leistungen zugeschrieben und anerkannt werden, ausgeschlossen. Dass ihre Leistungen nicht anerkannt werden, liegt Engler zufolge nicht an subjektbezogenen Gründen, sondern vielmehr an ihrer Unmöglichkeit zur Teilhabe am Aushandlungs- und Zuschreibungsprozess (ebd.: 460f.). Gleichermaßen bedeutet dies auch, dass Frauen sehr wohl wissenschaftliche Leistungen erbringen, diese werden ihnen jedoch aufgrund ihres Geschlechts schlichtweg nicht zuerkannt, denn im männlich dominierten wissenschaftlichen Feld hält sich hartnäckig der Glaubenssatz, dass nur bei Männern, wenn auch nicht bei allen, gewisse Fähigkeiten, wie z.B. Originalität, vorausgesetzt werden können, die zum wissenschaftlichen Arbeiten unerlässlich sind (ebd.: 460). Bezüglich des Geschlechts existiert so Engler eine „,magische Grenze‘ [...], die Frauen von solchen Zuschreibungen ausnimmt“ (ebd.: 461). Die Konstruktion von „geschlechterdifferenten Chancen“ (Kuhlmann et al. 2000: 52) finden auch Kuhlmann et al. bei ihrer Untersuchung von außerhochschulischen Forschungseinrichtungen. Ein zentraler Befund ihrer Studie ist, dass „erst im Zusammenspiel mit den individuellen Interessen und Fähigkeiten der WissenschaftlerInnen [die] [...] “vergeschlechtlichte“ Struktur [des Wissenschaftssystems] ihre mögliche Wirkungsmacht“ (ebd.: 52) entfaltet. Der Frage, wie die Ausschlussprozesse von Frauen in der Wissenschaft funktionieren, haben sich noch weitere Autor*innen gewidmet. So konstatiert Beaufaÿs (2003) diesbezüglich, dass Frauen häufiger ein größeres Misstrauen entgegengebracht wird, „ob sie den Anstrengungen und Widrigkeiten, aber auch Herausforderungen einer wissenschaftlichen Karriere überhaupt gewachsen sind“ (Beaufaÿs 2003: 7). Das Vertrauen der Professor*innen in ihren wissenschaftlichen Nachwuchs entsteht, den Ergebnissen Beaufaÿs zufolge, nicht nur durch die Einschätzung dessen Leistungsfähigkeit und Beurteilung der erbrachten Leistungen. Des Weiteren gilt, dass leistungsbezogenen Merkmale wie Originalität, Frustrationstoleranz oder auch die Einsatzbereitschaft von den

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3 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand

Professor*innen nicht generell nur Männern oder nur Frauen zugesprochen werden. Jedoch werden sie, so Beaufaÿs, in „den Zuschreibungsmustern [...] zu vergeschlechtlichten Persönlichkeitsprofilen, wodurch junge Wissenschaftler eher als leistungsfähiger Nachwuchs eigenstuft werden als junge Wissenschaftlerinnen“ (ebd.: 248). Demnach herrscht die Meinung, dass ihr „größeres Durchhaltevermögen […] Männer zum Erfolg führt“ (ebd.: 191). Frauen wird zwar zuerkannt, ebenso geniale Ideen wie Männer zu haben, jedoch wird ihnen weniger als Männern zugetraut, „diese Ideen auch umzusetzen“ (ebd.: 192). „Frauen sind daher immer potentielle Aussteigerinnen bzw. können ihr eventuell vorhandenes Potenzial nicht voll ausschöpfen“ (ebd.: 193). Frauen wird im Allgemeinen eine geringer ausgeprägte intrinsische Motivation, Leidensbereitschaft als auch Leidenschaft zur wissenschaftlichen Arbeit attestiert (Matthies und Zimmermann 2010: 198). Darüber hinaus herrscht die Vorstellung, dass sie „weniger zeitlich verfügbar“ (ebd.: 198) sind als ihre männlichen Kollegen. So wird Frauen auch generell ein Kinderwunsch unterstellt und, damit einhergehend, eine geringere zeitliche Investitionsbereitschaft in die wissenschaftliche Karriere. Beaufaÿs folgert, dass die Vorstellung im wissenschaftlichen Feld besteht, dass die notwendige „harte Arbeit […] von den Frauen […] [daher] eventuell nicht erbracht werden kann. Damit aber sind sie auch weniger geeignet als hoffnungsvolle Kandidatinnen, deren Förderung sich lohnen würde“ (Beaufaÿs 2003: 193). Schließlich werden unproduktive Phasen nur dann als legitim angesehen, wenn ihre Ursache im wissenschaftlichen Feld selbst liegt, wie z.B. aufgrund von defekten Messinstrumenten oder Konflikten in Forschungsteams (ebd.: 193ff.). Privat bedingte Ursachen für Unproduktivität, beispielsweise durch die Übernahmen von Pflegeaufgaben in der Familie, gelten als Hinweis auf eine mangelnde Einsatzbereitschaft und Begeisterung für die wissenschaftliche Tätigkeit. Auch Lind (2007) bekräftigt die Annahme, dass Nachwuchswissenschaftlerinnen insbesondere aufgrund einer potentiellen Familiengründung „längerfristig eine geringere Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit […] unterstellt“ (Lind 2007: 70) wird. Lind zufolge resultieren diese Einschätzungen teils aus eignen Erfahrungen, teils aus „unbewusst übernommene[n] Verfügbarkeitsund Leistungsmodellen“ (ebd.: 70), wie sie im wissenschaftlichen Alltag verhandelt und praktiziert werden wie sie auch in die Illusio des Wissenschaftsfeldes eingewoben sind. Die Annahme einer nicht mehr uneingeschränkten Verfügbarkeit durch eine potentielle Familiengründung, auch bei nicht bestehendem Kinderwunsch, führt dazu, dass Frauen anders als Männern oft kein Vertrauensvorschuss in ihre dauerhafte Leistungsbereitschaft gewährt wird (ebd.: 71). Stattdessen sehen sich Wissenschaftlerinnen während zentraler,

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karriererelevanter Phasen auf ihrem wissenschaftlichen Werdegang „mit einem Vertrauensdefizit in ihre Leistungsfähigkeit konfrontiert“ (ebd.: 71). In der Literatur zum Rekrutierungsverhalten in Wirtschaft sowie Academia wird weiterhin darauf hingewiesen, dass das Erkennen von Ähnlichkeiten ein bedeutender Faktor für die Personalselektion ist (vgl. Roebken: 2010; Cook, Faulconbridge und Muzio: 2012; Rivera: 2012). Bei der Mitarbeiter*innenauswahl an Hochschulen ist Hasenjürgen (1996) zufolge die Übereinstimmung der Merkmale Geschlecht wie auch der sozialen Herkunft zwischen Professor*innen und Assistent*innen von großer Bedeutung (Hasenjürgen 1996: 56). Engler (2003) zeigt in ihrer Studie auf, dass ähnliche Wahrnehmungs- und Bewertungsschemata zwischen Betreuenden und Doktorand*innen auch bei der Promotionsbetreuung den Frauen zum Nachteil gereichen. Demnach steht für männliche Promovierende eher die selbstständige Arbeit am Promotionsthema im Vordergrund und der Doktorvater bekommt lediglich eine Beratungsfunktion zugewiesen. Der Ansicht folgend: „Mentoren [sind] nicht dazu da […], andere zum Jagen zu tragen“ (Engler 2003: 123). Für Frauen ist dagegen die Haltung gegenüber dem Doktorvater: „Warten, bis da etwas kommt“ (ebd.: 123) kennzeichnend, eine Erwartungshaltung, dass der Doktorvater aktiv auf seine Promovierenden zugehen muss und proaktiv betreut. Betreuende Professor*innen dagegen erwarten von den Doktorand*innen, dass sie sich melden, wenn sie Beratungsbedarf haben und den Promotionsprozess darüber hinaus selbstständig steuern (ebd.: 124f.). Das ist eine Erwartungshaltung, die eher kompatibel mit dem Verständnis der Doktoranden als dem der Doktorandinnen ist (ebd.: 125). Beaufaÿs (2003) hat für gleichgeschlechtliche Förderbeziehungen, also Professor-Mitarbeiter und Professorin-Mitarbeiterin, jeweils bestimmte Gemeinsamkeiten, eine „gemeinsame Grundstimmung“ zwischen den Beteiligten herausgearbeitet. So lässt sich die weibliche Konstellation im Vergleich zur Männlichen durch eine „gewisse Distanz gegenüber dem akademischen Milieu, gepaart mit einer Offenheit gegenüber außeruniversitären Kreisen oder abweichenden thematischen Bezugspunkten sowie hoher Leistungsorientierung bei gleichzeitig geringer Orientierung an normativen Laufbahnmustern“ (Beaufaÿs 2003: 249) charakterisieren. Die Übereinstimmung der Wahrnehmungs- wie auch Bewertungsschemata zwischen Professor*in und Assistent*in machen es erst möglich, „dass Leistung als solche wahrgenommen wird und Geschlecht als ,Störvariable‘ in den Hintergrund tritt“ (ebd.: 249). Aufgrund der zahlenmäßigen Unterrepräsentanz von Frauen in Entscheidungspositionen im wissenschaftlichen

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3 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand

Feld gereicht das Prinzip der „homosozialen Kooptation“ bei der Personalauswahl folglich den Frauen zum Nachteil (vgl. Hasenjürgen 1996: 57; Heintz 1996: 63; Zimmermann 1996; Lind 2007: 69). Auch dadurch, dass Wissenschaftlerinnen im Vergleich zu Wissenschaftlern über weniger soziales Kapital verfügen, was sich auf allen Karrierestufen negativ bei Rekrutierungsprozessen auswirkt, kommt es gemäß Zimmermann (1996) zur Marginalisierung der Frauen an Hochschulen. Weitere Befunde zeigen, dass auch bei der Auswahl von Kooperationspartner*innen für Publikationen meist eine Selektion über Ähnlichkeiten erfolgt. Auch an dieser Stelle ergeben sich Nachteile für Frauen (vgl. Fox 1991; Long 1990). Lind (2007) sieht Förderbeziehungen schon in frühen Karrierephasen als bedeutsam „für die Erfahrung von Bestätigung und Anerkennung [an. Denn] Leistungszuschreibungen und die Sichtbarmachung von wissenschaftlicher Leistung sind zunächst an diese Förderbeziehung gebunden“ (Lind 2007: 69). Dies erklärt auch die geringere Neigung von Absolventinnen, zu promovieren, da diese anders als ihre männlichen Peers schon im Laufe ihres Studiums weniger Bestätigung durch akademische Lehrer*innen erfahren (ebd.: 68). Linds Resümee diesbezüglich ist: „Insgesamt steht außer Frage, dass Anerkennung und Bestätigung, Wertschätzung und Respekt eine zentrale Rolle für den Verbleib von Frauen in der Wissenschaft spielen. Gleichzeitig muss festgestellt werden, dass Wissenschaftlerinnen diesbezüglich noch immer viel Gegenteiliges erleben“ (ebd.: 70). Weiterhin werden auch gewisse Selbstausschlussmechanismen seitens der Frauen durch diverse Autor*innen hervorgehoben. Demzufolge sieht Hasenjürgen (1996) den Handlungsbedarf auf individueller Ebene bei den Frauen. Sie arbeitet in ihrer Studie als Erfolgsstrategie für Nachwuchswissenschaftlerinnen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg die Fähigkeit und den Willen heraus, „,altgediente‘ politische, herkunfts- und geschlechtsspezifische Bewertungsund Deutungsmuster zu transformieren und an die Anforderungen des wissenschaftlichen Feldes anzupassen“ (Hasenjürgen 1996: 268). Den Handlungsbedarf sieht Hasenjürgen damit bei den Wissenschaftlerinnen selbst, die sich ihr zufolge neue, erfolgsversprechendere (männliche) Strategien im Wissenschaftsspiel zu eigen machen sollten. Auch Lind (2007) verweist darauf, dass neben strukturellen Barrieren auch individuelle Merkmale die Karrieren von Frauen in der Hochschule hemmen können. Zu diesen individuellen Faktoren zählt Lind die weniger ausgeprägte Positionsorientierung von Frauen und ihre stärker auf Inhalte fokussierte berufliche Motivation sowie eine eher klassische,

3.2 Die Konstruktion von wissenschaftlichen Persönlichkeiten

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partnerschaftliche Rollenverteilung (Lind 2007: 75). Den für Frauen nachteiligen Geschlechterunterschied in Bezug auf Praktiken der Selbstdarstellung betont auch eine Wissenschaftlerin in Beaufaÿs Studie. Demnach würden Frauen „nicht die entsprechenden Zeichen von Kompetenz ausstrahlen, die ihre Kollegen erwarten. Gleichzeitig glaubt die Professorin, dass das Bild vom Wissenschaftler, wie es in den Köpfen der Kollegen existiert, ein auf männliche Darstellungsformen zugeschnittenes ist“ (Beaufaÿs 2003: 188). Weiterhin wird der weibliche Modus der Selbstpräsentation als weniger aggressiv und selbstbewusst umschrieben (Lind 2007: 73). Der Umstand, dass weibliche Selbstdarstellungspraktiken zu ihrem (Selbst)Ausschluss in der Wissenschaft beitragen, ist insbesondere vor dem Hintergrund der These von Funken et al. (2015) als problematisch anzusehen. Denn Funken et al. stellen bezüglich der Entwicklung des Wissenschaftssystems in Deutschland fest, dass um „die Chancen auf den eigenen Erfolg auf dem akademischen ,Quasi-Markt‘ zu wahren, [...] es [für Nachwuchswissenschaftler*innen] nicht (mehr) aus[reicht], die eigene intrinsische Motivation unter Beweis zu stellen. Vielmehr müssen die individuellen Kompetenzen und der eigene Werdegang geschickt inszeniert werden. Wichtiger als die Arbeit an den wissenschaftlichen Inhalten wird die performativ grundierte Arbeit am eigenen Humankapital“ (Funken et al. 2015: 225). Da die „magische Grenze“ (Engler 2001:461) für Frauen in der Alltagspraxis im wissenschaftlichen Feld konstruiert wird, wird das Geschlecht der Wissenschaftler*innen von den Feldzugehörigen als feldinternes Kriterium behandelt. Dadurch, dass die geschlechtsabhängig ungleichen Zuschreibungen im wissenschaftlichen Feld selbst erfolgen, wird das Merkmal Geschlecht nicht als „ein externer Einfluss von außen wahrgenommen und bewertet“ (ebd.: 461f.). Die empirische Realität, in der deutlich mehr Männer als Frauen wissenschaftliche Führungspositionen einnehmen, führt daher nicht zur Infragestellung der Gültigkeit des meritokratischen Prinzips. Die feldspezifische Illusio, dass nur leistungsbezogenen Kriterien den Erfolg auf dem Weg zur wissenschaftlichen Persönlichkeit determinieren, bleibt folglich davon unberührt (ebd.: 461f.). So folgert Engler: „[I]n dem sozialen Gefüge Wissenschaft werden Unterschiede zwischen den Geschlechtern in der sozialen Praxis durch Zuschreibungsprozesse hergestellt, die nichts über die

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wissenschaftliche Leistung von Frauen und Männern sagen, sondern etwas darüber, wie das wissenschaftliche Feld funktioniert“ (ebd.: 461f.). Gründe für die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen in der Wissenschaft sind auch Lind (2007) zufolge nicht in erster Linie bei den Frauen selbst, sondern im wissenschaftlichen Feld und dessen Funktionsweisen zu suchen. So wirken sich Lind zufolge, bestimmte strukturelle Faktoren besonders nachteilig für die Karrierechancen von Wissenschaftlerinnen aus. Dazu zählt sie die meist informelle, wenig formalisierte Personalauswahl an Hochschulen, die mangelnde Wertschätzung und Bestätigung, die Frauen auf dem Bildungs- und Berufsweg erfahren, die den Frauen zum Nachteil gereichenden Leistungszuschreibungen und negativen Annahmen in Bezug auf eine längerfristige Verfügbarkeit als Arbeitskraft sowie ihr im Vergleich zu ihren männlichen Peers geringerer beruflicher Status (Lind 2007: 75). Einen Umstand, den Lind aber auch als Chance begreift, da er das Potenzial bietet, dass die Akteure des wissenschaftlichen Feldes selbst von innen heraus eine Veränderung dieser Funktionsweisen herbeiführen können. Dazu sei aber „zunächst eine stärkere Reflexion der wissenschaftsimmanenten Faktoren [notwendig], damit konkrete Handlungsansätze wahrgenommen und umgesetzt werden können“ (ebd.: 75). Auch Beaufaÿs (2003) sieht den Handlungsbedarf vielmehr auf struktureller als auf individueller Ebene. Sie kommt in ihrer Studie zu dem Fazit, dass es nicht so ist, dass man die Defizite an den Frauen suchen muss. Sie attestiert den Frauen weder ein Fehlen der richtigen Illusio noch des Spiel-Sinns. Vielmehr konstatiert Beaufaÿs, dass sich ein „Mangel […] vielmehr in der Wissenschaft und einer ihrer wichtigsten Institutionen, der Universität, konstatieren [lässt]. Hier nämlich reproduziert sich mit offenbar nur wenigen Ausnahmen ein ,Wissenschaftlertypus‘ bzw. eine Wissenschaftskultur, die gerade nicht die Ziele fördert, denen der höchste Wert in diesem Feld zugesprochen wird: Originalität, Innovation und Universalität“ (Beaufaÿs 2003: 244).

3.2 Die Konstruktion von wissenschaftlichen Persönlichkeiten

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3.2.4 Auf dem Weg zur wissenschaftlichen Persönlichkeit gilt: „Herkunft zählt (fast) immer“32 Anders als mit dem Merkmal Geschlecht verhält es sich mit der sozialen Herkunft von wissenschaftlichen Persönlichkeiten. So werden Unterschiede, die auf das Elternhaus zurückzuführen sind, wie milieubedingte Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsmuster, von den Zugehörigen des wissenschaftlichen Feldes als feldexterne Kriterien betrachtet. Denn bei der sozialen Herkunft handelt es sich um ein Merkmal, das nicht im wissenschaftlichen Feld selbst ausgehandelt und produziert wird, sondern bereits viel früher im Lebenslauf der Akteure seinen Ursprung nimmt. Die soziale Herkunft wird daher als sozialer Einfluss von außerhalb des Feldes bewertet, der der feldspezifischen Illusio widerspricht, dass eine wissenschaftliche Persönlichkeit „frei und unabhängig von solchen Determinierungen danach strebt, wissenschaftliche Erkenntnisse zu liefern und an die eigene wissenschaftliche Leistung glaubt“ (Engler 2001: 452 f.). Denn zur Bewertung einer wissenschaftlichen Persönlichkeit werden gemäß der Illusio des wissenschaftlichen Feldes nur diejenigen leistungsbezogenen Kriterien als legitim anerkannt, die ihren Ursprung im wissenschaftlichen Feld selbst haben. Nach Engler wird ebenjene Illusio des Feldes gerade dadurch offenkundig, dass „sich ProfessorInnen nicht indifferent gegenüber sozialen Einflüssen von außerhalb der Wissenschaft verhalten“ (ebd.: 453). Obwohl die soziale Herkunft von den Wissenschaftler*innen als feldexternes Kriterium bewertet wird, stellt sie eine zentrale Ungleichheitsvariable in Bezug auf die Karrierechancen im Wissenschaftssystem dar. Hartmann (2002) vergleicht die herkunftsbedingten Chancen auf dem Weg an die Spitze in Wirtschaft, Politik, Justiz und Wissenschaft miteinander. Dabei konstatiert er für die Wissenschaft, dass aufgrund der stärker formalisierten Berufungsverfahren eine „einfache „Kooptation“ durch wenige Entscheidungsträger wie in der Wirtschaft […] ausgeschlossen“ (Hartmann 2002: 165) ist. Dieser Sachverhalt hat Hartmann zufolge auch dazu geführt, dass im Vergleich zur „klassischen Ordinarienuniversität“ eine soziale Öffnung an der Hochschule auszumachen ist (ebd.: 165). Bezüglich des Habitus schlussfolgert Hartmann, dass der „für die Wissenschaft charakteristische Habitus der „Wissensorientierung“ und „Bildungsbeflissenheit“ […] dem Nachwuchs aus der breiten Bevölkerung auf jeden Fall erheblich mehr entgegen [kommt] als der des „souveränen Machers“, wie er in den Topetagen der Wirtschaft vorherrscht“ (ebd.: 165f.). Weiterhin findet Hartmann einen Zusammenhang der Karrierechancen des Nachwuchses und 32

Vgl. Möller (2015)

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den Karriereentscheidungen der Kinder in Abhängigkeit von ihrer sozialen Herkunft. Demzufolge haben nur die bürgerlichen Kinder eine „echte Wahl“ und die „Chancen für den Nachwuchs aus der Arbeiterklasse und den breiten Mittelschichten sind [nur] immer dann überdurchschnittlich gut, wenn das Interesse der Konkurrenten aus gehobenem und Großbürgertum eher schwach ausfällt“ (ebd.:166). Hartmann folgert: „Individueller Karrierepolitik sind, zumindest soweit es Spitzenpositionen betrifft, sehr enge sozialstrukturelle Grenzen gezogen. Wer nicht im ,richtigen‘ Elternhaus aufgewachsen ist, der kann diesen „Mangel“ später durch individuelle Anstrengungen und gezielte Karriereplanung nur noch schwer wettmachen“ (ebd.: 169). Für Personen mit (groß-)bürgerlicher Herkunft bestehen sowohl aufgrund ihres Habitus, ihres Besitzes an relevanten Informationen und ihres Vermögens, aufgrund von familiärem (insbesondere finanziellem) Rückhalt riskantere Entscheidungen treffen zu können, bessere Karriereaussichten im Wissenschaftssystem als für Personen aus niedrigeren Herkunftsmilieus (ebd.: 127ff.). Möller (2015) zeigt in ihrer Dissertation auf, dass bezüglich der sozialen Herkunft der Statusgruppe „Doktorand*innen“ in Deutschland eine soziale Schließung auszumachen ist. Demnach haben Absolvent*innen aus niedrigeren Herkunftsgruppen eine geringere Chance zu promovieren als diejenigen aus gehobenen und hohen Herkunftsgruppen (Möller 2015: 43 f., vgl. außerdem Isserstedt et al. 2010, Middendorf et al. 2009). Nach dem Promotionsabschluss ändert sich jedoch das Bild und Möller (2015) konstatiert eine relative Offenheit bezüglich der herkunftsbedingten Karrierechancen. Unterschiede bestehen jedoch in Bezug auf die Kohorte und die betreffende Fachdisziplin. Beispielsweise ist zu Zeiten der Bildungsexpansion eine soziale Öffnung beim Erreichen einer Professur erkennbar, in den Folgekohorten zeichnet sich jedoch ein rückläufiger Trend ab (Möller 2015: 43 f., vgl. außerdem Jungbauer-Gans und Gross 2012, Hartmann 2002, Nagl und Hill 2010). Bei denjenigen Wissenschaftler*innen, die bereits eine Erfolgsposition erreicht haben, kann Möller bezüglich leistungsbezogener Kriterien, zu denen sie z.B. die Dauer bis zum Erreichen einer Professur zählt, keine wesentlichen Unterschiede nach sozialer Herkunft feststellen (Möller 2015: 302). Differenzen lassen sich aber in Bezug auf die (familiären) finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten ausmachen. Demnach haben Aufsteiger*innen häufiger außerhochschulische Jobs und Bafög zur Studienfinanzierung benötigt und haben weniger von institutionellen Fördermaßnahmen profitiert (ebd.: 302). Für Personen aus weniger privilegierten sozialen Schichten ist

3.2 Die Konstruktion von wissenschaftlichen Persönlichkeiten

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Möller zufolge, der Aufstieg zu höheren Positionen im Wissenschaftssystem unter spezifischen Bedingungen durchaus möglich. Möller führt an, dass bei den Aufsteiger*innen unter den Professor*innen „besondere Aufstiegsenergien [vorlagen] [...], die mit politischen Gelegenheitsstrukturen, sozialen Patenschaften, differenzierten fachkulturellen Passungsverhältnissen sowie spezifischen individuellen Dispositionen und Motivationslagen“ (ebd.: 303) in Zusammenhang stehen. Um ihren Startnachteil gegenüber bildungsnahen Milieus auszugleichen, müssen Personen aus weniger privilegierten Milieus „Anpassungsleistungen im Sinne von Habitus-Transformationen [vollziehen] [...], um die Dissonanz zwischen Herkunft und wissenschaftlichem Feld auszugleichen bzw. sich in die Scientific Community integrieren und in ihr positionieren zu können“ (ebd.: 70). In der Studie von Hänzi und Matthies (2013) stehen Personen im Zentrum, die bereits Leitungsfunktionen in Wissenschaft oder Wirtschaft innehaben. Im Rahmen ihrer Studie haben die Autor*innen je nach Herkunftsmilieu drei verschiedene Typen von Bewährungsmustern zum Weg an die Spitze herausgearbeitet. Der erste Typus entstammt dem Bildungsbürgertum und wird von Hänzi und Matthies (2013) als „Selbstentfaltungstyp“ bezeichnet. Personen dieses Typus besitzen den Autor*innen zufolge viel Selbstvertrauen und meistern Bewährungsphasen im Beruf auf spielerische Weise (ebd.: 44). Weniger intrinsisch, sondern stärker von äußeren Erfolgsmaßstäben geleitet ist der Prototyp der „Selbstentgrenzung“, dessen Bewährungsmuster sich stark an einer strategischen Anforderungserfüllung (Qualifikationserreichung wie Promotion und Habilitation, Publikationen etc.) ausrichtet. Meist stammen Personen dieses Typus aus „kleinbürgerlichen, von utilitaristisch-zweckrationalen Denkstilen geprägten Milieus, in denen zumeist die Väter, zuweilen aber auch die Mütter bereits einen sozialen Aufstieg erreicht haben“ (ebd.: 44f.), den die „Selbstentgrenzten“ durch eine noch höhere Position zu überbieten trachten. Für den dritten Typus der „Selbstbehauptung“ hingegen setzt sich das Herkunftsmilieu eher als „negativ besetzte Bezugsfolie“ (ebd.: 44f) durch, die die betreffende Person durch ihre eigene Karriere zu überwinden versucht. Die Repräsentant*innen dieses Typus stammen aus „mit Bildungsdefiziten behafteten Arbeitermilieus“ (ebd.: 44f) oder ihre Familien sind beruflich oder sozial „gescheitert“ und von Prekaritäts- und Deprivationserfahrungen geprägt. Hänzi und Matthies kommen in ihrer Studie zu dem Resümee, dass trotz der Heterogenität der Biografien und sozialen Hintergründe der Akteure festzustellen ist, dass karriereförderliche

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3 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand

Wahrnehmungs- und Handlungsschemata bereits früh im Leben kultiviert werden und nicht unabhängig von der sozialen Herkunft der Akteure sind (ebd.: 44). Damit können die Autor*innen zeigen, dass der Weg an die Spitze zwar tendenziell für alle Herkunftsmilieus möglich ist, jedoch mit unterschiedlich großen Anstrengungen verbunden ist. 3.2.5 Geschlecht und soziale Herkunft im Wechselspiel Die Kriterien Geschlecht und soziale Herkunft wirken jedoch nicht unabhängig voneinander auf die Karrierechancen im wissenschaftlichen Feld. Gewisse Kombinationen des feldinternen Kriteriums „Geschlecht“ und des feldexternen Kriteriums „soziale Herkunft“ wirken eher förderlich, andere eher nachteilig auf die Erfolgschancen in der Wissenschaft. Besondere Schwierigkeiten, dem Idealtyp einer wissenschaftlichen Persönlichkeit zu entsprechen, haben Frauen aus bildungsfernen Milieus. Der Weg zu einer unbefristeten Stelle im Wissenschaftssystem ist nach Lange-Vester und Teiwes-Kügler (2013) für Frauen aus weniger privilegierten sozialen Milieus besonders steinig (Lange-Vester und Teiwes-Kügler 2013: 193). Denn „[i]m universitären Raum, in dem über lange Zeit die männliche Oberschicht das wissenschaftliche Leben dominierte, wird ein von ,Männlichkeit’ und ,Intellektualität’ durchtränkter Habitus verlangt. Frauen und Nachkommen aus hochschulfernen Familien haben unter diesen Voraussetzungen Schwierigkeiten, sich im Wissenschaftsbereich heimisch zu fühlen und als legitime Nachfolger anerkannt zu werden“ (Leemann 2002: 205). Leemann (2002) führt die Schwierigkeit von Frauen mit bildungsferner Herkunft beim Zugang und der Integration in die wissenschaftliche Fachgemeinschaft darauf zurück, dass ebenjene Prozesse nicht nach rein leistungsbezogenen Kriterien erfolgen (Leemann 2002: 205). Vielmehr sind „extrafunktionale Qualifikationen der Wissenschaftler, wie sie im Habitus verkörpert sind, maßgebend“ (ebd.: 205). Der Untersuchung der Wechselwirkung von Geschlecht und sozialer Herkunft bei sozialen Aufstiegsprozessen und Bewährungsmustern haben sich bereits einige Studien gewidmet. Diese kommen zu dem Ergebnis, dass sich ein Bedürfnis weiblicher Studierender nach dem Erwerb von höherer Bildung und dem Gewinn von Selbstständigkeit sowie das Streben nach Selbstentfaltung als Motor für erfolgreiche Aufstiegsprozesse begreifen lassen (vgl. Schlüter 1999, ElMafaalani 2012). Eine wichtige Voraussetzung, die Bildungsaufsteigerinnen mitbringen müssen, sind Schlüter zufolge Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten

3.2 Die Konstruktion von wissenschaftlichen Persönlichkeiten

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sowie eine ausgeprägte „Ambiguitätstoleranz“ (Schlüter 1999: 333), welche es den Personen ermöglicht, die kulturellen Unterschiede zwischen dem eigenen Herkunftsmilieu und dem universitären, akademischen Umfeld auszuhalten und ggf. zu überbrücken (vgl. Möller 2015, El-Mafaalani 2012, Schmitt 2010, Truschkat 2002)“. Hasenjürgen (1996) hat in ihrer Studie insbesondere das wissenschaftliche Feld der Sozialwissenschaften untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass zwischen dem Geschlecht, der sozialen Herkunft und der Position der Akteure im wissenschaftlichen Feld Wechselwirkungen bestehen (Hasenjürgen 1996: 269 ff.). Demnach fordert die Ausbildung einer professionellen Identität eine Balance aus Nähe und Distanz zum Elternhaus, was insbesondere für Frauen aus NichtAkademiker*innen Familien eine besondere Herausforderung darstellt (ebd.: 269). Hasenjürgen zufolge bringen Frauen aus privilegierteren Herkunftsmilieus bereits beim Eintritt in das wissenschaftliche Feld mehr „Spiel-Sinn“ (ebd.: 270) mit. Daher müssen sie weniger Energie investieren, um sich passfähig zu machen, was ihnen einen Vorsprung gegenüber Frauen mit geringerer sozialer Herkunft verschafft und sich vorteilhaft auf ihre Karriereentwicklung auswirkt (ebd.: 273). Auch Möller (2015) kann in ihrer quantitativen empirischen Studie zur sozialen Herkunft von Professor*innen in NRW zeigen, dass insbesondere Frauen „häufiger passfähiges ökonomisches und kulturelles Kapital [benötigen], um sich im männlichen Feld der Wissenschaft behaupten zu können“ (Möller 2015: 247). In ihrer Studie verdeutlicht dies der Befund, dass mehr Professorinnen als Professoren aus einem höheren sozialen Herkunftsmilieu stammen (ebd.: 252). Jedoch reicht allein die Ausstattung mit ausreichendem Kulturkapital für Frauen oft nicht aus, um sich in der Wissenschaft zu behaupten, wie ein Zitat einer Professorin aus Möllers Studie verdeutlicht: „Die soziale Herkunft war ausschlaggebend. Trotz des hohen Bildungsniveaus meiner Mutter und der daraus resultierenden Selbstverständlichkeit, selbst hohe Ziele anzustreben, war es dennoch sehr schwierig, in der männerdominierten Wissenschaftswelt genügend Mut und Selbstvertrauen zu entwickeln, um eine Professur anzustreben.“ (W3-Professorin, Herkunftsgruppe hoch, Fächergruppe Sprach- und Kulturwissenschaften)“ (ebd.: 248). Demzufolge bedarf es bei Frauen, insbesondere bei jenen aus weniger privilegierten sozialen Milieus, auch außerordentlichen Mutes und großes Selbstvertrauen, um sich auf den Weg an die Spitze zu begeben.

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3 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand

Je nach sozialer Herkunft unterscheiden sich, den Ergebnissen von Lange-Vester und Teiwes-Kügler (2013) zufolge, auch die Karrierestrategien und Modi der Selbstpositionierung von Nachwuchswissenschaftlerinnen. So können die Autorinnen zeigen, dass sich Bildungsaufsteiger*innen häufiger als „Mädchen für alles“ (Lange-Vester und Teiwes-Kügler 2013: 189) erweisen und durch ein sehr hohes Engagement und das Erledigen von wenig attraktiven Zuarbeiten statt der Verfolgung eigner Interessen charakterisieren lassen. Genügsam finden sie sich mit den vorherrschenden Rahmenbedingungen zurecht und stellen ein durch Kollegialität und Kooperationsfreudigkeit geprägtes Miteinander über die strategische Optimierung ihrer Karrierechancen (ebd.: 191f.). Da wissenschaftliche Karrieren durch Leistungskonkurrenz geprägt sind und durch soziales Kapital sowie durch einen selbstbewussten Modus der Selbstrepräsentation befeuert werden, ist anzunehmen, dass sich Bildungsaufsteiger*innen nur schwer gegenüber ihren Konkurrentinnen und insbesondere gegenüber ihren Konkurrenten durchsetzen können (ebd.: 192f.). Im Gegensatz dazu sind typische Karrierestrategien von Nachwuchswissenschaftler*innen aus gehobenen Herkunftsmilieus ein frühzeitiger, strategischer Aufbau sozialer Netzwerke wie auch die Aneignung eines geschickten Modus der Selbstpräsentation, mit dem Ziel, sich aus der Masse hervorzuheben (ebd.: 189), also jene Strategien zu verfolgen, die auf dem wissenschaftlichen Karriereweg in der Regel förderlich sind. Den Autorinnen zufolge haben es insbesondere Frauen aus hochschulfernen Milieus schwer, eine unbefristete Erfolgsposition in der Wissenschaft zu erreichen (ebd.: 193). Um Erfolg zu haben, bedarf es Anpassungsleistungen in Form von „Habitus-Transformationen“ der Bildungsaufsteiger und insbesondere der Bildungsaufsteigerinnen (El-Mafaalani 2012: 272). Dies gelingt durch die Distanzierung von ihrem Herkunftsmilieu und dessen Werten sowie Normen. Darüber hinaus wirkt die Existenz von sozialen Paten aus gehobenen Bildungsmilieus förderlich (Lange-Vester und Teiweis-Kügler 2013: 121). 3.2.6 Die Rolle von Netzwerken und Fördernden auf dem Weg zur wissenschaftlichen Persönlichkeit Weiterhin ist der Glaube im wissenschaftlichen Feld vorherrschend, dass Netzwerke und Fördernde auf dem Weg zur wissenschaftlichen Persönlichkeit wichtig und hilfreich sind. Denn nicht die Leistung allein ist hinreichend, um als Anwärter*in auf eine Erfolgsposition im Wissenschaftsfeld anerkannt zu werden, sondern die Zuschreibung der Leistung durch andere, wobei ein gutes Netzwerk und mächtige Unterstützer*innen eine zentrale Rolle spielen können. So ist Beaufaÿs zufolge „die Frage, ob sich ein Nachwuchswissenschaftler im akademischen Feld bewähren wird, zunächst vom Vertrauen seines Mentors

3.2 Die Konstruktion von wissenschaftlichen Persönlichkeiten

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abhängig und davon, welche Leistungsfähigkeit dieser seinen Mitarbeitern zuschreibt“ (Beaufaÿs 2003: 198). Das Matthäus-Prinzip gilt auch hier. Wem Leistungsfähigkeit durch Betreuende und Personen aus dem eigenen Netzwerk zugeschrieben wird, derjenige bzw. diejenige erfährt auch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Wertschätzung für seine Leistung von andere Wissenschaftler*innen (vgl. Weber 2002: 475 f.). Die Wichtigkeit von sozialem Kapital auf dem wissenschaftlichen Karriereweg ist bereits an einigen Stellen angeklungen. Obwohl die Existenz von Netzwerken und Fördernden als soziales Kapital der Nachwuchswissenschaftler*innen zu verstehen ist, werden sie von den Feldzugehörigen nicht als feldexterner Einfluss bewertet. Damit wird auch die Illusio des wissenschaftlichen Feldes, die eine Vorstellung der Freiheit der Wissenschaft von sozialen Einflüssen inkludiert, nicht gestört (Engler 2001: 453). Zu dem sozialen Kapital der Nachwuchswissenschaftler*innen zählen Unterstützungspersonen wie Doktoreltern, andere erfahrene Wissenschaftler*innen oder Mentor*innen sowie die Möglichkeit zur Teilhabe an Netzwerken der Doktoreltern oder auch an Netzwerken, welche die Aspirant*innen beispielsweise im Rahmen des Besuchs von Fachtagungen selbst aufgebaut haben. Im wissenschaftlichen Feld gelten Netzwerke als karriereförderlich und es wird davon ausgegangen, dass sie dazu beitragen, die Noviz*innen besser in ihre Scientific Community einzubinden. Als feldexterner Einfluss werden sie aufgrund der Tatsache, dass sie innerhalb der wissenschaftlichen Welt ihren Ursprung finden und von den Wissenschaftler*innen auf dem Qualifizierungsweg selbst aufgebaut werden können, nicht wahrgenommen (ebd.: 453). Dadurch, dass Professor*innen in ihrer Funktion als Gatekeeper*innen entscheiden, wen sie als förderwürdig einschätzen und in das Feld einführen, werden Dörre und Neis (2008) zufolge Nachwuchswissenschaftler*innen gezwungen, „ihr eigenes wissenschaftliches Fortkommen an einen Mentor zu binden. Nur aus dem Windschatten ausgewiesener Experten heraus ist der sukzessive Aufbau eines eigenen wissenschaftlichen Namens erfolgsversprechend“ (Dörre und Neis 2008b: 674). Damit die Leistungen der Nachwuchswissenschaftler*innen anerkannt werden, müssen sie auch von ihren Mentor*innen als solche wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Dies führt die Abhängigkeit der jungen Forschr*innen vom Wohlwollen ihrer akademischen Lehrer*innen eindrücklich vor Augen und zeigt auf, dass ein „opportunes Verhalten“ (Matthies 2005: 153) gegenüber den Betreuenden notwendig ist, um die Anerkennung der eigenen Leistung zu sicherzustellen. Auch Beaufaÿs (2003) weist darauf hin, dass man, um im wissenschaftlichen Feld anerkannt zu werden, sicherlich Leistung bringen muss, diese

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3 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand

aber durch soziale Faktoren bedingt ist. Dazu zählt sie u.a. auch die finanzielle wie auch ideologische Unterstützung durch Betreuende und Mentor*innen sowie die Vorteile, die durch die Eingebundenheit in soziale Netzwerke entstehen (Beaufaÿs 2003: 246). Zudem gilt, dass eine hohe Reputation des Mentors bzw. der Mentorin im Fach den von ihm bzw. ihr Betreuten auch hilfreich sein kann. Denn Beaufaÿs zufolge färbt der „Ruhm des Mentors […] anscheinend auch auf seinen Schützling ab“ (ebd.: 181), da einem bzw. einer renommierten, bereits anerkannten Wissenschaftler*in auch zugetraut wird, bei der Auswahl seines bzw. ihres wissenschaftlichen Nachwuchses außerordentliche Potenzialträger*innen erkennen zu können. Oft kann Beaufaÿs zufolge, ein Vertrauensverhältnis auf dem wissenschaftlichen Karriereweg sogar laufbahnentscheidend sein, wie sie am Beispiel einer Postdoc aufzeigt (vgl. ebd.: 222). Weiterhin liefern Lange-Vester und Teiwes-Kügler (2013) mit ihrer Untersuchung zu den Strategien der Selbstpositionierung von Wissenschaftler*innen im wissenschaftlichen Feld Belege dafür, dass auf dem wissenschaftlichen Karriereweg der Aufbau von sozialen Netzwerken und die Pflege von Sozialkontakten schon in frühen Karrierestadien als Prädikatoren für den Laufbahnerfolg angesehen werden können (Lange-Vester und Teiwes-Kügler 2013: 187). Soziales Kapital wirkt sich demnach förderlich für den weiteren Karriereverlauf aus, ebenso wie die Fähigkeit, sich in Konkurrenzsituationen mit Peers behaupten zu können und sich als vielversprechende*r Nachwuchswissenschaftler*in zu präsentieren (ebd.: 192). Weiterhin haben bereits verschiedene empirische Studien belegt, dass soziale Netzwerke sowie Kooperationsbeziehungen im Rahmen von Berufungen auf Professuren einen förderlichen Effekt haben (Gross und Jungbauer-Gans, 2007; Gross et al.: 2008; Plümper und Schimmelfenning 2007). Ein weiterer Befund in diesem Kontext ist, dass Förder- und Mentoringbeziehungen nicht allen Nachwuchswissenschaftler*innen gleichermaßen zur Verfügung stehen. Hasenjürgen (1996) folgert diesbezüglich: „So hängt die Förderung durch die vorgesetzten ProfessorInnen mit entsprechenden Affinitäten zwischen ProfessorInnen und PromovendInnen zusammen, die einem ähnlichen sozialen Hintergrund oder gemeinsam geteilten politischen bzw. feministischen Orientierungen geschuldet sind“ (Hasenjürgen 1996: 271). Denn bezüglich des Vorhandenseins von Sozialkapital besteht in der Wissenschaft eine Geschlechterdifferenz, der zufolge Frauen seltener über informelle Netzwerke und Fördernde verfügen (vgl. Reskin 1978). Auch die

3.2 Die Konstruktion von wissenschaftlichen Persönlichkeiten

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Mentor*innensuche und die Etablierung längerfristiger Mentoringbeziehungen gestaltet sich für Frauen schwieriger als für Männer, was sicherlich nicht unwesentlich an dem mangelnden Pool weiblicher Mentorinnen auf professoraler Ebene liegt (vgl. Bochow und Joas 1987: 85; Grant und Ward 1996; O’Leary und Mitchell 1990). So schlussfolgert Beaufaÿs, dass sich „Hinweise auf den männerbündischen Charakter der Universität [finden lassen], in der Männer sich auf Kollegen und nicht auf Kolleginnen beziehen“ (Beaufaÿs 2003: 250). Der Frage, inwiefern sich gleichgeschlechtliche Mentoringbeziehungen von Mentor*innenverhältnissen zwischen Personen unterschiedlichen Geschlechts unterscheiden, gehen Schliesselberger und Strasser (1998) in ihrer Studie nach. Zentrales Ergebnis ihrer Untersuchung ist, dass Frauen generell weniger von Förderbeziehungen profitieren, egal welches Geschlecht ihr*e Mentor*in hat. Denn es gilt: Ist der betreuende Professor männlich, profitieren Assistenten von seinem Status, Assistentinnen hingegen übernehmen eine statusstützende Funktion für ihn. Sind Mentorin und Mentee beide weiblich, können Nachwuchswissenschaftlerinnen zwar am Status der Professorin teilhaben, aufgrund des meist niedrigeren Status der Professorinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen sind die Vorteile, die sich daraus für die Mentees ergeben, eher gering (Schliesselberger und Strasser 1998). In der Studie von Schultz (1990) stehen Professoren und Professorinnen im Fokus, die rückblickend ihre Fördererfahrungen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg bewertet haben. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass Professoren angeben, von ihren Betreuenden und Vorgesetzten intensiv gefördert worden zu sein und ein inniges Verhältnis mit ihnen gepflegt zu haben. Bei Professorinnen dagegen beschränkt sich die Förderung durch Statushöhere nach eigenen Angaben auf das Geben von Ratschlägen und verbalen Ermutigungen oder fehlte vollständig (Schultz 1990: 113). Bezüglich der Existenz von sozialen Netzwerken und Fördernden lassen sich neben Geschlechterunterschieden auch Unterschiede in Bezug auf die soziale Herkunft der Nachwuchswissenschaftler*innen feststellen. Nach den Befunden von Lange-Vester und Teiwes-Kügler (2013) geht eine gehobene soziale Herkunft mit einer frühzeitigen Fokussierung auf die Generierung von sozialem Kapital in Form von wissenschaftlichen Netzwerken einher (Lange-Vester und Teiwes-Kügler 2013: 188ff.). Außerdem fehlt es Nachwuchswissenschaftler*innen, die aus niedrigeren sozialen Milieus stammen, an sozialen Akademikerpat*innen, weswegen ihre Strategien meist weniger karriereorientiert sind, da es ihnen an den nötigen Informationen fehlt, was zu tun ist, um ihre Karrierechancen zu optimieren (vgl. ebd.: 188ff.). Möller (2015) untersucht in ihrer Studie die Existenz und Einschätzung der Wichtigkeit von Förderbeziehungen auf dem Karriereweg von Professor*innen. Sie kommt zu dem Befund, dass es

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3 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand

Differenzen in Bezug auf die soziale Herkunft der Geförderten sowie bezüglich der Statusgruppen, der die Fördernden angehören, gibt. Insgesamt spielen für die von Möller befragten Professor*innen vor allem die Doktoreltern eine bedeutende Rolle in ihrem Karriereverlauf. Weniger häufig werden andere Betreuungspersonen von den Befragten genannt33 (Möller 2015: 294 f.). Dies gilt insbesondere für die Gruppe der sozialen Aufsteiger*innen (ebd.: 296). Um ihre herkunftsbedingten schlechteren Karrierevoraussetzungen auszugleichen, können bei sozialen Aufsteiger*innen insbesondere „soziale Patenschaften“, in Form von Doktoreltern Berührungspunkte zum neuen, höheren Milieu (vgl. Schmeiser 1996; Schmitt 2010; Alheit und Schömer: 2009; Möller 2015) bilden und dadurch karriereförderlich für die Betreffenden wirken. Möller (2015) schlussfolgert diesbezüglich: „Die signifikant höhere Bewertung des Doktorvaters bzw. der Doktormutter bei gleichzeitig niedrigerer Bewertung des Vaters im Vergleich zu den statusbewahrenden Professorinnen und Professoren kann als Anzeichen gedeutet werden, dass bei vielen sozial Aufgestiegenen die Bindung zum Promotionsbetreuenden wichtig war, um die fremde Herkunftskultur zu überwinden und sich in der wissenschaftlichen Welt zu etablieren“ (Möller 2015: 297). 3.3 Theoretische Zugänge: Vertrauen und Wissenschaftskarriere Das Feldkonzept Bourdieus, das als zentrale theoretische Grundlage dieser Arbeit anzusehen ist, wird im folgenden Kapitel um theoretische Zugänge zum Vertrauen erweitert. Diese theoretische Ergänzung ist aus verschiedenen Gründen als fruchtbar für die vorliegende Studie anzusehen. Ein bedeutsamer Grund ist gewiss, dass sich bereits eine Reihe von Wissenschaftler*innen der Erforschung des im Mittelpunkt dieser Studie stehenden Phänomens gewidmet haben. Ihre Erkenntnisse zu nutzen und darauf aufzubauen bzw. die Erkenntnisse auf ein spezielles Untersuchungsfeld anzuwenden, erscheint sinnvoll und zielführend. Im Folgenden werden daher stets zunächst bestimmte Aspekte von Vertrauen aus einer vertrauenstheoretischen Perspektive beleuchtet, um im Anschluss daran Anwendungsvorschläge für das Forschungsfeld „Wissenschafts-

33 Hier sei angemerkt, dass die Autorin selbst darauf hinweist, dass dieses Resultat auch ein Artefakt, das aufgrund der Befragungsmethodik hervorgerufen wurde, sein könnte. Denn sie habe nur die Statusgruppe der Professor*innen als Fördernde als geschlossene Kategorie abgefragt, andere Statusgruppen konnten von den Befragten in ein offenes Antwortfeld eingetragen werden, was möglicherweise zu Verzerrungen in den Ergebnissen geführt haben könnte (vgl. Möller 2015: 294f.).

3.3 Theoretische Zugänge: Vertrauen und Wissenschaftskarriere

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karrieren“ zu liefern. Zu den Aspekten von Vertrauen, die näher betrachtet werden sollen, zählen sowohl zentrale Beschreibungsmerkmale, Modi und Bezugspunkte von Vertrauen, als auch Wege des Vertrauensaufbaus. Insbesondere die Erkenntnisse von Martin Hartmann, Martin Endreß sowie Anthony Giddens zum Vertrauen sind für die vorliegende Studie richtungsweisend. So sind Hartmanns Ausführungen zum Vertrauen sehr gut anschlussfähig an Bourdieus praxeologisches Theorieverständnis, da Hartmann Vertrauen als Praxis versteht. Endreß‘ soziologische Arbeiten zum Vertrauen sind für die vorliegende Arbeit vor dem Hintergrund als besonders fruchtbar anzusehen, da er die Vertrauensgabe und -nahme nicht als einen rein rationalen Akt versteht, wie z.B. Vertreter*innen von Rational-Choice-Theorien (z.B. Coleman, Preisendörfer). Stattdessen nimmt Endreß den fungierenden, impliziten, unbewussten Charakter des Phänomens in den Blick. Dies ermöglicht ebenfalls einen guten Anschluss an Bourdieus Handlungsverständnis, das keinesfalls von einer ausschließlich rationalen, bewussten Entscheidung der Akteure ausgeht, wie dies auch in Bourdieus zentralen Begriffen Habitus und praktischer Sinn zum Ausdruck kommt. Giddens vertrauenstheoretischer Beitrag ist insofern richtungsweisend für die Arbeit, als dass er den Blick auf die wichtige Rolle von Systemrepräsentant*innen zur Vermenschlichung des abstrakten Vertrauens in Institutionen lenkt. Da auch Professor*innen als Vertrauensintermediäre für das wissenschaftliche Feld begriffen werden können, sind Giddens Ausführungen als sehr fruchtbar anzusehen, um sich ihrer Rolle für den Vertrauensbildungsprozess bei Nachwuchswissenschaftler*innen anzunähern. Der Anspruch dieses Unterkapitels ist nicht eine umfassende soziologische Beschreibung des Phänomens „Vertrauen“ bereitzustellen. Dies haben bereits andere Autoren umfassend getan (vgl. u.a. Endreß 2002, 2012; Hartmann 2011; Coleman 1991, Luhmann 2001, Preisendörfer 1995, Sztompka 1995, 1999). Ziel ist es vielmehr, ein Verständnis für die Komplexität des Phänomens zu vermitteln und die Ausführungen als sensibilisierende Konzepte zu begreifen, um sich davon ausgehend mittels einer empirischen Untersuchung der Frage nach der Rolle von Vertrauen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg anzunähern. 3.3.1 Die Ambivalenz von Vertrauen vor dem Hintergrund der ungleichen Machtverhältnisse im wissenschaftlichen Feld Simmel umschreibt Vertrauen „als die Hypothese künftigen Verhaltens, die sicher genug ist, um praktisches Handeln darauf zu gründen. […] [Vertrauen ist ein] mittlerer Zustand zwischen Wissen und Nichtwissen“ (Simmel [1908] 1992: 346). Richter (2017) folgert, dass, wenn Vertrauen besteht, bedeutet dies ex negativo, dass keine Angst vorherrscht (Richter 2017: 38). Intuitiv erscheint es

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3 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand

zwar plausibel, dass es vorteilhaft sein kann zu vertrauen, nachfolgend soll der Frage, warum Vertrauen als förderliche Handlungsressource angesehen werden kann, jedoch detailliert nachgegangen werden. Hartmann führt diesbezüglich zunächst die im Vertrauen innewohnende „anerkennende Dimension“ (Hartmann 2011: 17) an. Wenn man Vertrauen schenkt, räumt man dem Vertrauensempfänger Handlungsspielräume ein und ermöglicht ihm bzw. ihr dadurch, selbstständig zu sein (ebd.: 17). Hartmann sieht einen engen Zusammenhang zwischen einer „Anerkennungsordnung, in der Selbstständigkeit oder Autonomie gefördert wird“ (ebd.: 34) und dem Vertrauen, da er Vertrauen als notwendige Voraussetzung für selbstständiges Handeln sieht. So sind „Anerkennungsverhältnisse“ (ebd.: 34) eine gute Basis für die Etablierung wechselseitiger Vertrauensverhältnisse, da sie „immer eine Anerkennung des anderen als vertrauenswürdig“ (ebd.: 34) beinhalten. Darüber hinaus weist Hartmann auf den positiven Effekt hin, der Anerkennung für die Generierung von Selbstvertrauen hat. Demnach besteht ein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Anerkennung, das einem durch andere gewährt wird, und dem Wachstum des Selbstvertrauens (ebd.: 34). Bezogen auf den wissenschaftlichen Karriereweg ist anzunehmen, dass Vertrauensbeziehungen für Nachwuchswissenschaftler*innen deswegen als förderlich anzusehen sind, da sie ihnen Handlungsspielräume und Selbstständigkeit ermöglichen und zudem ihr Selbstvertrauen stärken. Insbesondere in der Postdoc-Phase gilt es, aus dem „Schatten“ des Doktorvaters bzw. der Doktormutter herauszutreten und als eigenständige*r, unabhängige*r Wissenschaftler*in sichtbar zu werden (vgl. Kapitel 2.2.3). Dieser Schritt in die Selbstständigkeit wird schon in der Promotionsphase vorbereitet, die darauf abzielt, eine eigenständige wissenschaftliche Arbeit anzufertigen. Während der Promotionsphase werden die Nachwuchswissenschaftler*innen jedoch noch durch erfahrenere Wissenschaftler*innen, insbesondere die Doktoreltern, begleitet und betreut. Ein Äquivalent zum Doktorvater bzw. zur Doktormutter existiert für die Postdoc-Phase jedoch nicht. Meist ist man als Postdoc zwar nicht komplett unabhängig beschäftigt, da man bestimmten Lehrstühlen oder zumindest Fachbereichen zugeordnet ist, jedoch betreuen die weisungsbefugten Professor*innen üblicherweise nicht die Forschung der Postdocs und fühlen sich nicht in dem Maße verantwortlich für deren Fortkommen wie für ihre Promovierenden. Können Nachwuchswissenschaftler*innen bereits in frühen Karrierephasen selbstständig arbeiten und Entscheidungen treffen, ohne dass sie bei Bedarf auf die Unterstützung ihrer Betreuenden verzichten müssen, hilft ihnen das ihren eigenen Forschungsstil wie auch ihre eigenen Themen zu finden und ein Forschungsprofil zu entwickeln. Weiterhin ist anzunehmen, dass es stärkend für

3.3 Theoretische Zugänge: Vertrauen und Wissenschaftskarriere

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das Selbstvertrauen der Aspirant*innen wirkt, wenn Betreuende ihrem wissenschaftlichen Nachwuchs schon früh ermöglichen, als autonome Wissenschaftler*innen in der Scientific Community in Erscheinung zu treten (bspw. durch die Ermöglichung der selbstständigen Präsentation von Forschungsergebnissen auf Fachtagungen). Vertrauen sollte man jedoch nicht mit „alleine lassen“ verwechseln, denn es sollte den Nachwuchswissenschaftler*innen auch stets möglich sein, sich bei Fragen vertrauensvoll an ihre Betreuenden oder Vorgesetzten zu wenden. Gerade ein Vertrauensverhältnis zeichnet sich durch ein ausgewogenes Verhältnis aus Nähe und gleichermaßen einer gewissen Distanz aus, denn nach Endreß ist „Vertrauen […] beides: eine Kultur der Nähe unter Achtung der Distanz, die der Respekt der Nähe erfordert“ (Endreß 2012: 99). Die Gewährung von Vertrauen hat jedoch nicht notwendigerweise einen förderlichen Effekt für den Vertrauensgeber bzw. die Vertrauensgeberin, worin sich auch der ambivalente Charakter des Phänomens widerspiegelt. In den Freiheiten, die der Vertrauensempfänger bzw. die Vertrauensempfängerin gewinnt, liegt auch die Möglichkeit des Missbrauchs der Vertrauensgabe. So hat laut Hartmann die „Verletzbarkeit des Vertrauenden [...] hier eine ihrer Quellen“ (Hartmann 2011: 21), da der- oder diejenige, der bzw. die einen Vertrauensvorschuss gewährt, bereit ist, das Risiko eines potentiellen Vertrauensbruchs zu akzeptieren, auch wenn er bzw. sie generell davon ausgeht, dass die Vertrauensgabe wertgeschätzt und nicht missbraucht wird. Das Tolerieren des Verletzungspotenzials sieht Hartmann als notwendig an, wenn dem Vertrauensgebenden „die Selbstständigkeit des anderen am Herzen liegt“ (Hartmann 2011: 17). Wenn man vertraut, muss man das Risiko, dass die Vertrauensgabe nicht zum gewünschten Ergebnis führt, akzeptieren können und eine gewisse Ambiguitätstoleranz mitbringen. Bezogen auf Vertrauensverhältnisse auf dem wissenschaftlichen Karriereweg kann ein*e Doktorand*in in der Rolle des Vertrauensempfängers bzw. der Vertrauensempfänger*in, das ihm bzw. ihr durch die Doktoreltern entgegengebrachte Vertrauen in der Form missbrauchen, dass er bzw. sie keine gute, gewissenhaft bearbeitete Dissertation oder sogar gar keine Arbeit abliefert. Aber auch die Nachwuchswissenschaftler*innen schenken Betreuenden und Vorgesetzten ihr Vertrauen und treten ebenjenen als Vertrauensgebende gegenüber. So können die Aspirant*innen beispielsweise darauf vertrauen, von den Betreuenden nach bestem Wissen und Gewissen während ihrer Promotion betreut, bezüglich ihrer zukünftigen Karriere bestmöglich beraten und im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nicht ausgebeutet zu werden. Auch das Vertrauen der Nachwuchswissenschaftler*innen in ihre Betreuenden kann verletzt werden,

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wobei ihre Verletzbarkeit ungleich größer ist als die der betreuenden Professor*innen. Im Falle eines Vertrauensmissbrauchs steht deren zukünftige Karrierelaufbahn und darüber hinaus auch ihre zukünftige Stelle und damit die Finanzierung ihres Lebensunterhalts auf dem Spiel. Um auf den positiven Fortgang des wissenschaftlichen Werdegangs zu vertrauen, müssen Nachwuchswissenschaftler*innen eine gewisse Unsicherheitstoleranz mitbringen, da ein zentrales Charakteristikum der wissenschaftlichen Karriere ihre Unplanbarkeit ist. Das Verletzungspotenzial, das Vertrauensbeziehungen innewohnt, wird insbesondere relevant, wenn man davon ausgeht, dass Vertrauen neben seinem „intrinsischen Eigenwert[.]“ (Hartmann 2011: 17) auch als praktische Handlung zu verstehen ist, die als Mittel fungiert, um ein bestimmtes Ergebnis herbeizuführen, also im Wesentlichen „instrumentell“ (ebd.: 17) ist. Demnach sind Beziehungen niemals ausschließlich Vertrauensverhältnisse, die nur des Vertrauens wegen existieren. Nach Hartmann ist „die Einstellung des Vertrauens“ (ebd.: 14) auch in Beziehungskonstellationen, in denen es um „Macht und Einfluss, um Ansehen und Anerkennung, um Expertise oder Mitbestimmung“ (ebd.: 14) geht, wiederzufinden. Demnach müssen Vertrauensbeziehungen immer vor dem Hintergrund des Kontexts, in dem sie entstehen, betrachtet werden. Weiterhin müssen die objektiven relationalen Positionen der beteiligten Akteure zueinander berücksichtigt werden. Zwar ist es bei einem vertrauensvollen Umgang miteinander Hartmann zufolge nicht nötig, mittels des Einsatzes von Macht „Folgebereitschaft hervorzurufen [...], [denn] Vertrauen, so die Annahme, arbeitet nicht mit Angst oder Furcht, es rechnet nicht, es schüchtert nicht ein und überredet nicht hinterrücks, schon gar nicht lässt es sich mit Zwang oder Gewalt herbeiführen“ (ebd.: 12f.). Nichtsdestotrotz entstehen Vertrauensbeziehungen laut Hartmann nicht ausschließlich „in machtfreien Räumen und unter egalitären sozialen Rahmenbedingungen“ (ebd.: 12 f.), sondern etablieren sich auch in Beziehungskonstellationen mit ungleicher Machtverteilung. Auch Betreuungs- und Beschäftigungsverhältnisse auf dem wissenschaftlichen Karriereweg sind als asymmetrische Beziehungen zwischen Personen, die unterschiedlich mächtige Positionen im wissenschaftlichen Feld einnehmen, zu verstehen. Letztlich sind Betreuungsbeziehungen nie reine Vertrauensverhältnisse; sie sind gleichzeitig auch asymmetrische Machtbeziehungen, in denen

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die Verletzungsmacht wie auch Verletzbarkeiten ungleich verteilt sind. Es kann nicht von einer gleichwertigen Beziehung ausgegangen werden, bei der für alle Beteiligten gleichviel auf dem Spiel steht, denn wo Professor*innen bereits eine Machtposition im wissenschaftlichen Feld erlangt haben, kämpfen Nachwuchswissenschaftler*innen noch um die Anerkennung als Feldzugehörige. Die Anwärter*innen werden noch nicht als (gleichwertige) Spieler*innen im wissenschaftlichen Feld betrachtet und sind aufgrund ihrer „relativen Kapitalschwäche“ (Engler 1993: 46ff.; Franz 2018: 144) gegenüber bereits Etablierten deutlich verletzbarer. Selbst die beste Vertrauensbeziehung führt nicht notwendigerweise zur Anerkennung der Nachwuchswissenschaftler*innen als wissenschaftliche Persönlichkeit durch ihre Scientific Community und darüber hinaus auch nicht notwendigerweise zu einer Dauerstelle im Wissenschaftssystem. Die Unsicherheit bleibt bestehen, da die Förderenden nicht sicherstellen können, dass eine Novizin bzw. ein Novize einen Ruf auf eine Professur oder eine Entfristung der Stelle erhalten wird , obgleich er oder sie das größte Vertrauen durch ebenjene genießen mag, Demzufolge muss man als Jungforscher*in die Unsicherheit tolerieren und darauf vertrauen, dass die akademischen Lehrmeister*innen einem das „Richtige“ weitergeben, die richtigen Kontakte verschaffen, die richtigen Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, um sich gegen Mitkonkurrent*innen im Wettbewerb um entsprechende attraktive Stellen durchsetzen zu können. Weiterhin müssen Nachwuchswissenschaftler*innen darauf vertrauen, dass den Fördernden ihre Karriereentwicklung am Herzen liegt und sie bereit sind, die Unterstützung zu leisten, damit man sich als autonome*r Jungforscher*in in der Scientific Community etablieren kann. Kurz: Sie sind vom Wohlwollen und den Kompetenzen ihrer akademischen Lehrer*innen ein Stück weit abhängig und müssen darauf vertrauen, dass sie einem alles an die Hand geben, was nötig ist, damit das Wissenschaftssystem eine Professur bzw. eine andere attraktive (Dauer)Stelle, für sie bereithält. Rademacher-Bensing (2004) beschreibt das Verhältnis zwischen Professor und Doktorand folgendermaßen: „Promovend und Doktorvater stehen in einer asymmetrischen Beziehung, hierarchisch, altersmäßig und wissenschaftlich. Während der Doktorvater kraft Amtes und Alters seinen Platz im wissenschaftlichen Feld (zumindest vorläufig) gefunden hat, befindet sich der Promovend noch auf der Suche. Er benötigt den Doktorvater, um sich selbst etablieren zu können, und sei es nur als Befürworter im eigentlichen Promotionsverfahren. Der Doktorvater hat in der Regel ein Interesse an abgeschlossenen Promotionen, die wissenschaftliche Ergebnisse hervorbringen, die zu den Forschungsinteressen des Doktorvaters passen und positive Rückwirkungen auf diesen, im Sinne von

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Reputationszuwachs, Bekanntheitsgrad, Schulenbildung usf. haben“ (Rademacher-Bensing 2004: 18). 3.3.2 Die Wechselseitigkeit von Vertrauen zwischen Professor*innen und Nachwuchswissenschaftler*innen Aus vorangegangenen Überlegungen wird die Ambivalenz von Vertrauen deutlich. Nichtdestotrotz muss man davon ausgehen, dass wenn man Vertrauen schenkt, bereit ist, das im Vertrauen innewohnende Verletzungspotenzial in Kauf zu nehmen, da man in erster Linie positive Erwartungen in Bezug auf zukünftige Entwicklungen hegt. Hartmann (2011) begreift Vertrauen als „Einstellung, die uns in kooperativer Orientierung und bei gleichzeitiger Akzeptanz der durch Vertrauen entstehenden Verletzbarkeiten davon ausgehen lässt, dass ein für uns wichtiges Ereignis oder eine für uns wichtige Handlung in Übereinstimmung mit unseren Wünschen und Absichten eintritt, ohne dass wir das Eintreten oder Ausführen dieses Ereignisses oder dieser Handlung mit Gewissheit vorhersagen oder intentional herbeiführen können“ (Hartmann 2011: 56). Somit ist Vertrauen „kein Phänomen ohne Normativität“ (ebd.: 12), da mit der Vertrauensgabe Erwartungen bezüglich des Verhaltens des Vertrauensempfängers bzw. der Vertrauensempfängerin einhergehen. Und auf diesen Umstand führt Hartmann auch die Komplexität des Phänomens zurück. Simmel (1989) hat an dieser Stelle das im Vertrauen innenwohnende „implizite Versprechen“ (Simmel 1989: 214) hervorgehoben. Er stellt die Wechselseitigkeit wie auch den Zukunftsbezug des Phänomens heraus34. Demnach erwartet der bzw. die Vertrauen-Schenkende, dass das ihm bzw. ihr gegebene Versprechen in Zukunft auch eingehalten wird (Endreß 2002: 15). Auch Sztompka (1999) betont, dass der bzw. die Vertrauensempfänger*in verpflichtet ist, fürsorglich und treu mit der Vertrauensgabe umzugehen, die damit einhergehenden Aufgaben verantwortungsvoll zu erfüllen hat und das Vertrauen auch erwidern sollte (Sztompka 1999: 27 f.). Trotz der Machtasymmetrie im Vertrauensverhältnis zwischen Professor*in und Nachwuchswissenschaftler*in kann demnach von einer Wechselseitigkeit der

34 Andere zukunftsbezogene Begriffe sind Hoffnung, Glaube oder Zuversicht, wobei Zuversicht mehr Gewissheit impliziert als Hoffnung und Glaube. Reflexives Vertrauen ist mit weniger Gewissheit verbunden als Zuversicht, fungierendes Vertrauen dagegen mit größerer Gewissheit (vgl. Endreß 2002: 73f.).

3.3 Theoretische Zugänge: Vertrauen und Wissenschaftskarriere

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Vertrauensbeziehung ausgegangen werden, denn laut Reichertz (2003) sind die Aspirant*innen und die akademischen Lehrer*innen „durch unausgesprochene Absprachen einander verpflichtet […]. Die Ersten geben freiwillig und nach Gutdünken ihr Wissen an die Zweiten weiter. Die Zweiten danken durch Unterstützung und Nachfolge, was die ersten wieder dazu bewegt, wohlwollend die Karriere ,ihrer‘ Schüler zu begleiten. Auf diese Weise entsteht, ohne dass einer der Beteiligten dies ernsthaft wollte oder planen konnte, ein komplexes Netz von weit gestreuten sozialen Verflechtungen, das oft sehr langlebig und auch sehr belastungsfähig ist“ (Reichertz 2003: 362). Demnach müssen auch Professor*innen ihrem wissenschaftlichen Nachwuchs Vertrauen schenken und beispielsweise darauf vertrauen, dass sich ihre Investitionen in ihren wissenschaftlichen Nachwuchs lohnen werden und sie erfolgreich und auch in einer angemessenen Zeit ihre Promotion abschließen werden. Weiterhin müssen Professor*innen darauf vertrauen, dass ihre Promovierenden sauber wissenschaftlich arbeiten und kein wissenschaftliches Fehlverhalten praktizieren. Diesbezüglich variiert der Vertrauensbedarf jedoch nach Fachdisziplin, da fachspezifisch unterschiedliche Handlungsspielräume bestehen und Vorgehensweisen sowie Ergebnisse mehr oder weniger nachvollziehbar und eindeutig sind. So „gibt es im Falle der qualitativ verfahrenden Feldwissenschaften oft keine überprüfbare Garantie, dass die Aussagen auf wissenschaftlich akzeptierten Grundlagen beruhen und nicht auf den subjektiven Einschätzungen des Forschers. Es ist in diesem Fall vor allem die persönliche Glaubwürdigkeit des Forschers und die narrative Konsistenz seiner Darstellung, die für die Zuverlässigkeit der Resultate bürgen, mit der Folge, dass Kontroversen in Feldwissenschaften häufiger und unentscheidbarer sind als in den Laborwissenschaften oder der Mathematik“ (Heintz 2000: 224). Darüber hinaus sind Promovierende, obwohl ihre Position weitaus weniger mächtig ist als die der Professor*innen, „nicht nur abhängig von der Gunst ihrer BetreuerInnen, sondern für jene auch ,Stützen der Macht‘ (Bourdieu 1988: 139; zit. n. Hasenjürgen 1996: 57), derer sich die ,Machtträger‘ ihrerseits auch immer wieder versichern müssen“ (Hasenjürgen 1996: 57). Die Wechselseitigkeit der Beziehung wird auch an der von Franzmann (2012) geschilderten Suche nach

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einem bzw. einer Promotionsbetreuer*in bzw. der Auswahl eines bzw. einer Promovierenden deutlich. Demnach ist die gegenseitige Auswahl „nicht Gegenstand rationaler Planung, sondern hat auch eine affektive Seite. Die Novizen binden sich – zeitweise und vorübergehend- an die Person des Professors, die sie als solche fasziniert, und müssen sich folglich auch irgendwann wieder von ihr lösen. [...] Die zweite Voraussetzung ist, dass der Professor seinerseits den Studenten annehmen muss, damit es zu einem Arbeitsbündnis kommt. Es beruht auf einer reziproken Freiwilligkeit. Dies impliziert nicht nur, dass Kapazitäten (Stellen) frei sind, […] einem Studenten/Doktoranden [muss] prinzipiell [auch] zugetraut […] [werden], in ein Forschungsgebiet hineinwachsen zu können. Es drückt ein Urteil über Entwicklungspotentiale aus und beinhaltet deshalb eine professionsethische Verantwortung“ (Franzmann 2012: 555f.). Die in Kapitel 3.2 angeführten Indikatoren dienen den Professor*innen als Hinweise darauf, dass eine Vertrauensgabe gerechtfertigt ist. Auch Hartmann (2011) hebt hervor, dass dem Vertrauensempfänger nicht ohne jeglichen Grund, quasi völlig naiv, Vertrauen geschenkt wird. Denn die Vertrauensgabe „beruht wesentlich darauf, dem, dem vertraut wird, die Kompetenz zuzumuten, mit dem Vertrauen verantwortungsvoll umzugehen. [...] Vertrauen ist nicht grundlos, aber die Gründe, auf denen es beruht [...] sind ungesättigt und bedürfen erst einer Praxis, in der sie gleichsam vervollständigt oder gesättigt werden“ (Hartmann 2011: 16 f.). Dass der bzw. die Empfänger*in das Vertrauen verdient hat, gilt es somit, in einer gemeinsamen Praxis zu eruieren. Dieser Vertrauensvorschuss, den Beaufaÿs (2003) „stillschweigende[s] Einverständnis[...]“ nennt, ist die Voraussetzung dafür, dass sich eine längerfristige Beziehung in deren Rahmen Vertrauenserfahrungen gesammelt werden können, erst etablieren kann (Beaufaÿs 2003: 197). Im Rahmen des Doktorand*innen-Betreuenden-Verhältnisses kann der wissenschaftliche Nachwuchs den durch die Annahme als Promovierende*r gewährten Vertrauensvorschuss durch den Doktorvater bzw. die Doktormutter in der Praxis des Promotionsprozesses als gerechtfertigt beweisen. So ist anzunehmen, dass beispielsweise Publikationserfolge, die erfolgreiche Einwerbung oder Durchführung eines Forschungsprojektes oder der erfolgreiche Abschluss der Qualifikationsarbeit (Dissertation/Habilitation) als Vertrauensbeweise anzusehen sind. Aufgrund der „reziproke[n] Freiwilligkeit“ (Franzmann

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2012: 555) der Vertrauensbeziehung verpflichten sich auch die Betreuenden dazu, den durch die Nachwuchswissenschaftler*innen gewährten Vertrauensvorschuss als gerechtfertigt zu bestätigen. Dies kann beispielsweise durch eine beständige Unterstützung und karriereförderliche Beratung erfolgen, die sich beispielsweise in Erfolgen bei der zukünftigen Stellensuche bzw. bei Berufungen niederschlagen kann, gewissermaßen als praktischer Beweis, dass das Vertrauen des bzw. der Aspirant*in in die Beratungskompetenz des bzw. der Betreuenden gerechtfertigt ist. Auch die Ermutigung und Unterstützung bei Publikationen und Vorträgen wie auch die Ermöglichung der Teilhabe an den eigenen wissenschaftlichen Netzwerken können als Vertrauensbeweise seitens der Professor*innen gedeutet werden. Darüber hinaus kann auch das Einräumen von ausreichend Zeit zur Arbeit an der Qualifikationsschrift sowie die Übernahme von Verantwortung für den eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs bspw. durch das Bemühen um Anschlussverträge oder Folgestellen an anderen Forschungsstandorten als Anerkennung der Leistung der Nachwuchswissenschaftler*innen und somit als Beweis für einen gerechtfertigten Vertrauensvorschuss gedeutet werden. 3.3.3 Der implizite, praktische Vertrauensmodus auf dem wissenschaftlichen Karriereweg Mit einer Vertrauensgabe geht auch die Erwartung einer Vertrauenserwiderung einher. Dabei kann Endreß (2002) zufolge aber nicht von einer spezifischen, reflexiv gewonnenen Erwartung ausgegangen werden. Endreß verweist in diesem Zusammenhang auf den impliziten, fungierenden Charakter von Vertrauen (Endreß 2002: 72) und trifft damit eine Unterscheidung nach den Arten und Weisen, auf die man vertrauen kann. Endreß differenziert zwischen drei Modi des Vertrauens, dem reflexiven, dem habituellen und dem fungierenden Vertrauen. Das explizite, reflexive Vertrauen wird Endreß zufolge, in Situationen relevant, in denen ein objektives Risiko besteht, sowie bei der Unterstellung von Misstrauen als auch bei Vertrauensbrüchen (ebd.: 68). Das implizite, fungierende Vertrauen ist im Gegensatz dazu nicht auf spezifische Situationen beschränkt und ist „als [eine] alles Verhalten und Handeln stillschweigend begleitende Interaktionsressource, d.h. als die weitgehend unthematisch bleibende Hintergrundannahme sozialen Handelns“ (ebd.: 68) zu begreifen. Anders als beim reflexiven Vertrauensmodus wird beim fungierenden Modus weder „das ein- oder wechselseitige Kalkül von Sanktionspotenzialen, die ein- oder wechselseitige Abschätzung von Kosten-Nutzen Relationen sowie die ein- oder wechselseitige explizite

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Kontrolle des Verhaltens und Handelns des- oder derjenigen anderen Akteure“ (ebd.: 69) eingeschlossen. In Bezug auf den fungierenden Vertrauensmodus verweist Endreß auf seine „präreflexive Wirksamkeit“ (ebd.: 69), die aus konkreten Interaktionen resultiert und sich auf gegenseitige Erwartungen der Interaktionspartner*innen auswirkt. Demnach leitet die Akteure bei der Abschätzung der Vertrauenswürdigkeit des Interaktionspartners bzw. der Interaktionspartnerin eine pragmatische Form der Reflexivität (ebd.: 70). Unter „pragmatischer Reflexivität“ ist eine den „Vollzug des Handelns begleitende Form der Bewusstheit zu fassen, ein Präsenzbewusstsein, dessen impliziter Charakter zwar handlungswirksam, aber keineswegs als explizites Reflexionsprodukt seinerseits Reflexionsgegenstand ist“ (ebd.: 70). Aufgrund des impliziten Charakters des fungierenden Vertrauens geht Endreß davon aus, dass man oft erst dann feststellt, dass man vertraut hat, wenn es zu einer Verletzung bzw. einem Bruch des Vertrauens gekommen ist (ebd.:72). Auch Hartmann (2011) grenzt sich von einem reflexiven Vertrauensbegriff ab und rückt die „Praxis des Vertrauens“ und den impliziten Charakter des Phänomens in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Hartmann folgend, muss man den Blick auf die Praxis werfen, in der Vertrauen eine Rolle spielt, um ein umfassendes Verständnis des Phänomens zu gewährleisten. Erst in der Praxis würden die Kriterien sichtbar, die herangezogen werden müssen, um zu beurteilen, inwiefern das Vertrauen rational oder angemessen ist (Hartmann 2011: 18). Auch ohne eine Explikation der Gründe, auf denen das Vertrauen gründet, können ebenjene „eine Vertrauenspraxis implizit tragen“ (ebd.: 18). Dies ist aber nur dann möglich, wenn bereits eine oder mehrere „große Vertrauensprüfung[en]“ (ebd.: 18) absolviert wurden. Insofern dies der Fall ist, nimmt „das Vertrauen den Charakter einer zweiten Natur an und muss, in den Worten Fichtes, ,im deutlichen Bewußtseyn‘ nicht mehr auftauchen“ (ebd.: 18 f.). Somit wird Vertrauen in einer Praxis selbstverständlich. Hartmann zufolge lässt sich die Rationalität des Phänomens nicht durch „explizit durchgeführte[.], argumentativ strukturierte[.] Beweisverfahren“ (ebd.: 19) belegen. Vielmehr bemisst sich die Vertrauenswürdigkeit des Gegenübers daran, dass „berechtigte Zweifel an der Aufrichtigkeit oder Kompetenz des anderen fehlen“ (ebd.: 19). Denn obschon es Indizien geben kann, besteht keine Sicherheit darüber, dass der oder die Vertrauensnehmer*in auch unser Praxisverständnis teilt. Praxisvertrauen muss daher schon vorausgesetzt werden und „durch unser Vertrauen erst bestätigen und erneuern wir die Praxis, deren Existenz wir unterstellen müssen, um überhaupt vertrauen zu können“ (ebd.: 25). Vertrauen ist somit Voraussetzung und

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Ergebnis der Praxis. Oder wie Ernest Hemingway es formuliert: „Der beste Weg herauszufinden, ob du jemandem vertrauen kannst, ist, ihm zu vertrauen“. Hartmann und Endreß grenzen sich bei ihren Ausführungen zum Vertrauen von Coleman (1991), Preisendörfer (1995) als auch Luhmann (2001) ab, die von einer Entscheidung zwischen alternativen Handlungen und somit einem reflexiven Vertrauensbegriff ausgehen. So nimmt beispielsweise Coleman an, dass rational kalkulierende Vertrauensgeber*innen vor der Initiierung einer Vertrauensbeziehung immer unter Berücksichtigung des damit einhergehenden Risikos bewusst entscheiden, ob sie ihren Tauschpartner*innen Vertrauen schenken oder nicht (Coleman 1991: 121). Abschließend sei nochmals darauf hingewiesen, dass auch Hartmann Vertrauen nicht als „arationales Phänomen“ (Hartmann 2011: 10) betrachtet. Jedoch grenzt er sich von der von Rational-ChoiceTheorien angenommenen bewusst reflexiven Art der Rationalität klar ab. Hartmann intendiert mit „dem Konzept der zweiten Natur [...] deutlich zu machen, dass selbst eingespielte und damit scheinbar ganz natürliche Praktiken Ergebnis oftmals langwieriger kultureller Bearbeitung sind und damit, wenn man so reden will, Komplexität in sich aufgehoben haben. Wenn Vertrauen also tatsächlich Komplexität reduziert, dann nicht in unvermittelter Weise, sondern stets nur als fragiles Ergebnis soziokultureller Interaktionsprozesse, die zu einer Praxis geronnen sind, an der sich zu orientieren unter gegebenen Bedingungen rational sein kann“ (ebd.: 11). Hartmann weist damit, anders als Luhmann, der die komplexitätsreduzierende Kraft von Vertrauen in den Mittelpunkt rückt (Luhmann [1968] 2000), gerade auf die besondere Komplexität hin, die Vertrauen innewohnt. In Bezug auf den wissenschaftlichen Karriereweg ist anzunehmen, dass der vorherrschende Vertrauensmodus der implizite, fungierend Modus ist, der einer praktischen Reflexivität folgt. Demnach wird die Existenz von Vertrauen (meist) nur dann bewusst reflektiert, wenn es verletzt wird oder eine gezielte Konfrontation mit Misstrauensunterstellungen erfolgt. Vertrauen wird in der vorliegenden Studie als praktische Ressource der Nachwuchswissenschaftler*innen im Umgang mit den Unsicherheiten eines wissenschaftlichen Karrierewegs verstanden. So ist anzunehmen, dass Vertrauen, insofern es auf dem wissenschaftlichen Qualifizierungsweg noch nicht verletzt oder enttäuscht wurde, implizit bleibt und nicht bewusst durch die Nachwuchswissenschaftler*innen thematisiert wird.

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3.3.4 Interpersonale und generalisierte Vertrauenserfahrungen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg Bisher wurden zentrale Charakteristika wie auch Modi des Vertrauens thematisiert. In den folgenden Ausführungen stehen wiederum die Bezugsebenen bzw. Adressat*innen des Vertrauens sowie die Wege des Vertrauensaufbaus im Zentrum. Für Hartmann ist Vertrauen eine „relationale, praktisch-rationale Einstellung“ (Hartmann 2011: 56), und wenn Vertrauen relational ist, gilt zu klären, worauf es sich beziehen kann. Simmel (1989) unterscheidet diesbezüglich das „persönliche Vertrauen“ und das „generalisierte Vertrauen“ (Simmel 1989: 669). In modernen Gesellschaften entsteht laut Simmel Vertrauen nicht nur durch die direkte Interaktion von Personen, sondern es existieren Simmel zufolge auch soziale Beziehungen, bei denen die Interaktion durch symbolische Zeichen (z.B. Geld) erfolgt. Somit wird das Vertrauen nicht direkt in eine andere Person gesetzt, sondern es herrscht ein versachlichtes, rein zweckgerichtetes Vertrauen in die Verbindlichkeit symbolischer Zeichen vor (Endreß 2002:13 f.). Diese Art von „generalisiertem Vertrauen“ lässt sich Simmel zufolge auch als Ausdruck „des Vertrauens in die staatlich-gesellschaftliche Organisation und Ordnung“ (Simmel 1989: 216) deuten. Weiterhin grenzt Simmel professionelle, also geschäftliche Interaktionen, von den rein über symbolische Zeichen vermittelten Zweckbeziehungen ab. Damit unterscheidet er zwischen drei Arten von Vertrauen: einem persönlichen Vertrauen bei Interaktionen auf Mikroebene, einem professionellen Vertrauen bei Interaktionen auf Mesoebene und einem durch Symbole vermittelten Vertrauen auf Makrobene (Endreß 2002: 14). Auch Endreß (2002) nimmt einer Unterscheidung nach den Bezugsebenen von Vertrauen vor. Er differenziert zwischen dem „funktional diffusen persönlichen Vertrauen[.] im Rahmen dichter Sozialbeziehungen“ (Endreß 2002: 67) auf Mikroebene, dem „funktional spezifischen Vertrauen[.] in professionelle[.], organisatorisch vermittelte[.] Interaktionen, das auf die Kompetenzen einer Person setzt“ (ebd.: 67), auf Mesoebene und dem „funktional weitgehend entbundenen Vertrauen[.], [...] [einem] institutionellen oder Systemvertrauen[.] hinsichtlich der Erfüllung genereller Erwartungen“ (ebd.: 67) auf Makroebene. Giddens sieht auf dem Weg zur Moderne einen „gestiegenen Bedarf an Vertrauen“ (Endreß 2002: 43) und hebt insbesondere die Wichtigkeit von zwischenmenschlichen Beziehungen in diesem Kontext hervor, denn nach Giddens gilt, „Vertrauensbeziehungen sind grundlegend für die mit der Moderne einhergehende raumzeitliche Abstandsvergrößerung“ (Giddens 1995: 87). In modernen Gesellschaften ist daher neben dem interpersonalen, persönlichen Vertrauen („gesichtsabhängige Verpflichtungen“ (ebd.: 80, 88)) das Vertrauen in Expertensysteme oder symbolische Zeichen („gesichtsunabhängige Verpflichtungen“

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(ebd.: 80, 88)) von besonderer Bedeutung. Sztompka (1995, 1999) differenziert sogar zwischen sieben Bezugsobjekten des Vertrauens. Dadurch wird Endreß zufolge der unspezifische, amorphe Charakter des Phänomens besonders erkennbar (Endreß 2002:44). Sztompka spricht von „allgemeinem Vertrauen“, wenn sich das Vertrauen auf eine soziale Ordnung bezieht, und von „institutionellem Vertrauen“, wenn es sich auf die Institutionen einer Gesellschaft bezieht. Um „technologisches Vertrauen“ handelt es sich, wenn das Vertrauen in Expertensysteme gesetzt wird, und um „Organisationsvertrauen“, wenn das Bezugsobjekt eine bestimmte Organisation ist. „Kommerzielles Vertrauen“ wird in Produkte gesetzt und „Positions“- bzw. „Rollen-Vertrauen“ in Angehörige spezifischer Berufsgruppen. Zuletzt nennt Sztompka das „persönliche Vertrauen“, das in einzelne Personen gesetzt wird (Sztompka 1995: 257 f.; 1999: 41 ff.). Auch in Bezug auf Wissenschaftskarrieren kann man zwischen verschiedenen Bezugsebenen des Vertrauens unterscheiden. Einerseits können intersubjektive, „persönliche“ Vertrauensbeziehungen zwischen Wissenschaftler*innen gleicher wie auch verschiedener Karrierestufen bestehen. Eine Art „funktional spezifisches“ (Endreß 2002), oder auch „Positionsvertrauen“ (Sztompka 1995; 1999) setzen Nachwuchswissenschaftler*innen in Betreuende und Vorgesetzte und deren professionelle Kompetenzen. So müssen sie darauf vertrauen, dass die Professor*innen in ihrer Rolle als wissenschaftliche Nachwuchsausbildende kompetent handeln. Andererseits ist von einem generalisierten Vertrauen in das wissenschaftliche Feld, seine Funktionsweisen (oder auch „Spielregeln“) und seine Selbststeuerungsinstrumente auszugehen. Das „Peer Review […] [ist als] Kernelement in der Selbststeuerung von Wissenschaft [anzusehen]. Peer Review bedeutet, dass eine Begutachtung von wissenschaftlichen Leistungen und Akteuren in geregelten Verfahren von Fachkollegen vorgenommen wird. Betroffen sind Forschungsanträge, Manuskripte und Kandidaturen für Stellen und Preise, auch (wenngleich seltener) die Universitätslehre“ (Neidhardt 2010: 280)35.

35 „Mit Peer Review geht es um den Versuch, Qualitätskontrollen in der Wissenschaft professionell und konstruktiv zu gestalten. Zwei Funktionen von Peer Review spielen dabei eine Rolle: Es geht einerseits um Selektionsfunktionen, nämlich um die Auswahl von Personen, Projekten und Texten für den Zuschlag knapper symbolischer und materieller Ressourcen. […] Neben die Selektionsfunktionen von Peer Review treten […] auch Konstruktionsfunktionen. Die Peers greifen als Gutachter sowohl prohibitiv als auch produktiv in den Wissenschaftsprozess ein, um die von ihnen wahrgenommenen Fachstandards durchzusetzen“ (Neidhardt 2010: 281f.).

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Durch den Kontakt mit den Selbststeuerungsinstrumenten des wissenschaftlichen Feldes können positive, vertrauensstärkende Vertrauenserfahrungen ebenso wie negative, vertrauenserodierende Erfahrungen gesammelt werden. Die im Peer-Review erfolgte Annahme oder Ablehnung eines eingereichten Artikels bei einer Fachzeitschrift kann eine derartige Positiv- bzw. Negativerfahrung für die Nachwuchswissenschaftler*innen darstellen. Da das wissenschaftliche Feld bezüglich der Stellenvergabe nicht als vollkommen autonom anzusehen ist, da der Umfang der verfügbaren Stellen durch die jeweilige Hochschulpolitik begrenzt wird, sind auch das universitäre Beschäftigungssystem und seine Qualitätssicherungsinstrumente als Bezugskontexte, in denen generalisierte Vertrauens- oder Misstrauenserfahrungen gesammelt werden können, zu betrachten. Die Verlängerung von Arbeitsverträgen oder positive Ergebnisse bei institutionellen Lehrevaluationen sind daher auch zu generalisierten Vertrauenserfahrungen zu rechnen. Der Frage, wie der Vertrauensaufbau bei den Akteuren konkret vonstattengeht, widmet sich der folgende Abschnitt. Demnach sind je nach Bezugsebene bzw. Adressat*in des Vertrauens unterschiedliche Wege des Vertrauensaufbaus zu unterscheiden. Sich auf Zucker (1986) beziehend, unterscheidet Endreß zwischen einem Vertrauensaufbau, den er als „process-based“ bezeichnet, womit er meint, dass er durch eine geteilte Interaktionsgeschichte der Akteure vermittelt wird. Als Beispiel führt Endreß „das unmittelbar bekannte oder über Dritte mitgeteilte soziale Kapital bzw. die Reputation anderer Personen“ (Endreß 2002: 67) an. Eine weitere Grundlage des Vertrauensaufbaus kann „charateristic-based“ sein. Das heißt, dass personenbezogene Faktoren, wie die familiäre oder ethnische Herkunft der Akteure, herangezogen werden, um die Vertrauenswürdigkeit der Vertrauenspartner*innen einzuschätzen (ebd.: 67). Die dritte Variante des Aufbaus von Vertrauen basiert Endreß zufolge auf der institutionellen Einbettung der Personen („institutional-based“). Bildungszertifikate, „gewährte Kredite, subkulturelle Mitgliedschaften oder professionelle Zugehörigkeiten“ (ebd.: 67f.) sind hierfür beispielhafte Indikatoren. Giddens (1995) wiederum differenziert zwischen zwei Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Vertrauen entstehen kann. Demnach kann sich zwischen Akteuren, die sich bereits lange kennen und miteinander regelmäßig interagieren, eine Vertrauensbeziehung entwickeln. Ein Vertrauensaufbau erfolgt dann dadurch, dass in dem Vertrauensverhältnis bereits mehrfach gegenseitige Vertrauensbeweise erbracht wurden (Giddens 1995: 83). Die zweite Option, wie Vertrauen entstehen kann, ist laut Giddens über den Kontakt mit Repräsentant*innen von abstrakten Institutionen bzw. Expert*innen, die für diese arbeiten. Die Vertrauens-

3.3 Theoretische Zugänge: Vertrauen und Wissenschaftskarriere

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würdigkeit, die über die Begegnung mit „abstrakten Systemen” hergestellt wird, umschreibt Giddens auch als „gesichtsunabhängige Verpflichtungen“ (ebd.: 80, 88). Hartmann zufolge „vertrauen [wir] diesen Dingen und Systemen auf anonymisierte Weise, das heißt, ohne Bezug auf Personen, mit denen uns Interaktionsgeschichten verbinden“ (Hartmann 2011: 283). Vertrauen ist nach Giddens dann überhaupt erst erforderlich, wenn die einem vorliegenden Informationen unvollständig sind, was eine gewisse Unsicherheit mit sich bringt (Giddens 1995: 48). Um die Unsicherheit zu reduzieren und tolerierbar zu machen, bedarf es „sog. Vertrauensintermediäre, d.h. institutionalisierte[r] Vertrauensrahmungen bzw. –muster“ (Endreß 2002: 43). Hartmann (2011) stellt, sich auf Giddens (1995: 107) beziehend, heraus, dass „Vertrauensintermediäre“ die Fähigkeit besitzen, „das abstrakte Vertrauen zu ,vermenschlichen‘, indem ,Zugangspunkte‘ geschaffen werden, an denen ,gesichtsabhängige und gesichtsunabhängige Bindungen miteinander in Berührung kommen‘“ (Hartmann 2011: 284). Die Existenz von authentischen „personale[n] ,Zugangspunkte[n]‘ […], in denen die sie strukturierenden Werte anschaulich und fassbar repräsentiert sind“ (ebd.: 286), sieht Hartmann als hilfreich für die Glaubwürdigkeit derartiger Institutionen an. Damit innerhalb eines Promotionsbetreuungsverhältnisses Vertrauen entstehen kann, werden sowohl von den Professor*innen als auch von den Nachwuchswissenschaftler*innen gewisse Indikatoren herangezogen, um die Vertrauenswürdigkeit des Gegenübers einzuschätzen. Dabei stellt die bereits geteilte Interaktionsgeschichte mit dem Kandidaten bzw. der Kandidatin für die Professor*innen einen Indikator dar. Sei es, dass der bzw. die Kandidat*in vor Beginn der Dissertation bereits seine bzw. ihre Abschlussarbeit am Lehrstuhl des bzw. der Betreuenden geschrieben oder als studentische*r Mitarbeiter*in für sie bzw. ihn gearbeitet hat. Für viele Promotionsbetreuungsverhältnisse gilt jedoch, dass sich Promotionsbetreuer*in und Promovierende*r vorher noch nicht persönlich kannten. In diesen Fällen müssen die Professor*innen auf andere Indikatoren zurückgreifen. Eine Möglichkeit ist, dass sich Professor*innen von Empfehlungen durch Kolleg*innen, dem sozialen Kapital des Kandidaten bzw. der Kandidatin, bei der Doktorand*innen- bzw. Mitarbeiter*innenauswahl leiten lassen. Auch Personenmerkmale, wie das Geschlecht, oder habituelle Merkmale (und Gemeinsamkeiten) können von den Professor*innen als Indikatoren zur Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit des Anwärters bzw. der Anwärterin herangezogen werden. Nicht zuletzt werden Bildungszertifikate und Noten sowie vorzuweisende einschlägige Arbeitserfahrungen (z.B. als studentische Hilfskraft an einem Lehrstuhl oder in einem Forschungsprojekt) als Hinweis auf die Vertrauenswürdigkeit und zu erwartende Leistungsfähigkeit des betreffenden

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Kandidaten bzw. der Kandidatin herangezogen und bilden Grundlagen für den Vertrauensaufbau (vgl. dazu auch Kapitel 3.2). Auch die Nachwuchswissenschaftler*innen ziehen bestimmte Indikatoren heran, um die Vertrauenswürdigkeit des bzw. der Betreuenden bzw. des bzw. der Vorgesetzten einzuschätzen. Eine geteilte Interaktionsgeschichte mit dem Professor bzw. der Professorin spielt auch für die Aspirant*innen eine bedeutende Rolle. Die Teilnahme an Seminaren oder Vorlesungen des bzw. der Professor*in, die Betreuung von Seminar- oder Abschlussarbeiten wie auch ein Arbeitsverhältnis als studentische*r oder wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in mit der bzw. dem Betreffenden Professor*in können Grundlagen für den Vertrauensaufbau sein. Weiterhin kann das Gewähren von Vertrauen auch auf dem Ruf des bzw. der Betreuenden basieren, der den bzw. die betreffende Professor*in bei anderen Studierenden oder Wissenschaftler*innen hat. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass die Anwärter*innen, damit sie gewillt sind, den unsicheren wissenschaftlichen Karriereweg weiter zu verfolgen, auch den Professor*innen in ihrer Rolle als „Vertrauensintermediäre“ für das wissenschaftliche Feld ihr Vertrauen schenken müssen. Letztendlich besitzen Professor*innen eine Mittlerfunktion, da sie für die Nachwuchswissenschaftler*innen als „Zugangspunkte“ zum Wissenschaftsfeld und dessen Vertrauenswürdigkeit anzusehen sind. Durch die Erfahrungen, die die Noviz*innen in Interaktion mit den Vertrauensintermediären sammeln, werden ihre Karriereaspirationen und Verweilabsichten auf dem wissenschaftlichen Karriereweg beeinflusst. Schlussendlich wählen nicht nur die „Gatekeeper*innen“ des Wissenschaftsfeldes, wen sie in das Feld aufnehmen wollen, sondern auch die Aspirant*innen wählen, ob sie Teil des wissenschaftlichen Feldes werden möchten. Die Vertrauenswürdigkeit der bereits etablierten Akteure im Feld, die über diese und auch andere Indizien vermittelte Vertrauenswürdigkeit des wissenschaftlichen Feldes sowie eine Karriere in diesem, dienen ihnen als Hinweise für ihre Entscheidung. Was Hartmann bei seinen Ausführungen zum Vertrauen nicht tut, ist, seine Vertrauenstheorie durch eine empirische Untersuchung mit konkreten Beispielen zur Entstehung und Anwendung von Vertrauenspraktiken zu bereichern. So schreibt er selbst: „Was folglich fehlt, sind Annahmen über die psychologischen, sozialen, kulturellen und politischen Voraussetzungen des Vertrauens. Die Praktiken, die ich beschreibe, setzte ich als gegeben voraus, aber ich erläutere kaum, wie sie entstehen oder welche Bedingungen für ihr Entstehen günstig sind. Zum Teil erklärt sich meine diesbezügliche Zurückhaltung daraus, dass es schwer ist, die Faktoren, die für das Entstehen eines

3.3 Theoretische Zugänge: Vertrauen und Wissenschaftskarriere

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Phänomens verantwortlich sind, ohne Rückgriff auf empirische Studien in Anschlag zu bringen. Ein solcher Rückgriff aber überfordert meine Kompetenzen“ (Hartmann 2011: 32 f.). Ebenjene konkreten Erscheinungsweisen von Vertrauen, spezifische vertrauensrelevante Situationen sowie Modi und Wege des Vertrauensaufbaus werden mittels der vorliegenden empirischen Studie für das Forschungsfeld „Wissenschaftskarrieren“ erschlossen. Dabei dienen die vorgestellten theoretischen Zugänge zum Vertrauen ebenso wie Bourdieus Theorie der sozialen Felder und seine zentralen Konzepte (Illusio, Habitus, praktischer Sinn) als sensibilisierende Konzepte für die empirische Arbeit am Datenmaterial. Im folgenden Kapitel werden die methodischen Grundlagen sowie das Forschungsdesign der empirischen Studie vorgestellt.

4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen Bourdieus wissenschaftstheoretischer Position folgend, wird im Rahmen dieser Arbeit wissenschaftliches Verstehen als „soziale Praxis“ verstanden. Demnach ist das „Verstehen“ auch in der Wissenschaft ein sozialer Prozess und erfolgt „im Kontext gesellschaftlicher Machtverhältnisse“ (Beaufaÿs 2003: 62). Einen grundlegenden Unterschied zwischen dem Alltagsverstehen (Konstruktionen 1. Ordnung) und dem wissenschaftlichen Verstehen (Konstruktionen 2. Ordnung), wie Soeffner (1999) und Hitzler (1993) annehmen, lehnt Bourdieu ab und kritisiert, dass diese Unterscheidung nur dazu führe, „ein Machtgefälle zwischen ,Alltagsmenschen‘ und Wissenschaftlern zu erzeugen“ (Beaufaÿs 2003: 62). Bourdieu proklamiert daher, dass ein „doppelter Bruch“ (Bourdieu 1998: 83) notwendig sei, um zu verstehen. Bei dieser Art und Weise zu verstehen, sind Ferne und Nähe miteinander kombiniert (Gebauer 1994). Einerseits ist ein Bruch mit den Alltagspräkonstruktionen und andererseits mit den eigenen Präkonstruktionen als Forscher*in und wissenschaftliche*r Beobachter*in notwendig (Bourdieu 2013: 23). Um mit dem Standpunkt als Wissenschaftler*in zu brechen, muss man Bourdieu zufolge die „Objektivierung objektivieren“ (Bourdieu 1997a: 56), denn auch als Forscher*in ist man Teil der sozialen Welt, die man erforscht und „steht nicht ,über‘“ (Beaufaÿs 2003: 64) ihr. Engler folgend, zeichnet sich ein*e Wissenschaftler*in dadurch aus, dass er bzw. sie fähig ist, sich des eigenen Standpunktes und der eigenen Involviertheit bewusst zu werden. Und dies würde ihn bzw. sie in die Lage versetzen, seinen bzw. ihren Standpunkt zu kontrollieren. Als Soziologe bzw. Soziologin sollte man Engler zufolge seine „Erkenntnismittel nutzen, um die Konstruktionsarbeit des Objektes nachzuvollziehen“ (Engler 2001: 131). Damit fordert die dem Verständnis Bourdieus folgend von den Forschenden eine selbstreflexive Haltung gegenüber der eigenen sozialen Eingebundenheit ein. In meiner Arbeit folge ich Bourdieus Dualismen negierendem Theorieverständnis und verstehe seine Konzepte als Werkzeuge, um das soziale Geschehen im wissenschaftlichen Feld verstehend nachzuvollziehen. Eine Erklärung der sozialen Welt der Wissenschaft von einem theoretischen, angeblich „objektiven“ Standpunkt aus zu liefern, beabsichtige ich somit nicht. Eine selbstreflexive Grundhaltung als Forscherin ist im Rahmen dieser Studie vor dem Hintergrund unabdingbar, dass es im Forschungsprozess zu diversen identifikatorischen Momenten mit den beforschten Subjekten wie auch dem Forschungsgegenstand „Wissenschaftskarrieren“ kam. Denn wenn man als Doktorandin wissenschaftliche Karrierewege erforscht, ist die eigene Eingebundenheit und Nähe © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Tischler, Vertrauen in die Wissenschaftskarriere, Wissenschaft – Hochschule – Bildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27224-1_4

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4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen

zum Forschungsgegenstand aufgrund der Tatsache, dass man selbst Teil des wissenschaftlichen Feldes ist und sich auf dem wissenschaftlichen Karriereweg befindet, nur schwer zu negieren. Daher war die Wahl eines Forschungsstils, der die Selbstreflexion als Forscherin gezielt mitberücksichtigt und einen dabei unterstützt, eigene Vorannahmen explizit zu machen, von besonderer Wichtigkeit. Bourdieu selbst unterbreitet dazu kein konkretes methodisches Vorgehen, mit Hilfe dessen dieser Anspruch realisiert werden kann. Deswegen wird auf den Forschungsstil der Grounded Theory zurückgegriffen, der sich sehr gut dazu eignet, „die Praxis der Akteure aus ihrer eigenen Logik heraus zu analysieren“ (Beaufaÿs 2003: 65) und durch ihre systematischen Verfahrensvorschläge sowie Strategien der Qualitätssicherung im Forschungsprozess auch die eigene Position als Forscher*in gezielt mit zu reflektieren. Im Folgenden wird zunächst der Forschungsstil der Grounded Theory, der im Rahmen dieser Studie Anwendung fand, detailliert erläutert. Im Anschluss daran werden die Kriterien vorgestellt, die zur Stichprobeneingrenzung für die empirischen Erhebungen herangezogen wurden. Das erste Datenerhebungsinstrument, das im Studienverlauf zum Einsatz kam, waren Gruppendiskussionen mit Wissenschaftler*innen verschiedener Karrierestufen der drei selektierten Fachdisziplinen (BWL, Geschichte, Physik). Es diente dem Foscher*innenteam dazu, ein grundlegendes Verständnis für fachspezifische Karrierekulturen zu entwickeln. Die zentralen Ergebnisse der Gruppendiskussionen werden in einem kurzen Exkurs präsentiert, um dem Leser bzw. der Leserin der Arbeit ebenso ein Gefühl für die unterschiedlichen Karrierekulturen zu vermitteln. Nachfolgend wird das zentrale Erhebungsverfahren, bildungs- und erwerbsbiografische Interviews mit Nachwuchswissenschaftler*innen verschiedener Karrierestufen der drei ausgewählten Fachdisziplinen, vorgestellt. Neben der Leitfadenkonstruktion wird auch auf die theoretische Fallauswahl der Interviewpartner*innen eingegangen. Schließlich wird der schrittweise, zirkuläre Prozess der Dateninterpretation und Theoriegenerierung im Sinne des Forschungsstils der Grounded Theory nachgezeichnet, beginnend beim offenen Kodieren, gefolgt vom axialen Kodieren und der Entwicklung eines Kodierparadigmas, das als Heuristik für die empirische Arbeit fungiert, und schließlich dem selektiven Kodieren und der Entwicklung einer gegenstandsbezogenen Theorie. Das Kapitel schließt mit einer Diskussion der Gütekriterien, die im Rahmen von qualitativen Studien wie auch der vorliegenden Arbeit forschungsleitend sind. 4.1 Der Forschungsstil der Grounded Theory Die vorliegende Arbeit ist eine qualitative Studie, die sich am Forschungsstil der Grounded Theory orientiert. Dabei handelt es sich um eine Methode zur

4.1 Der Forschungsstil der Grounded Theory

111

„empirisch fundierte[n] Theoriebildung“ (Alheit 1999:1), die von den Soziologen Anselm Strauss und Barney Glaser begründet (Glaser und Strauss 1967) und stetig fortentwickelt wurde (u.a. Strauss und Corbin: 1996). Insbesondere Strauss greift Ideen auf, die vom amerikanischen Pragmatismus geprägt sind36. Diesem Verständnis folgend, sind Theorien über die Welt und die Realität an sich in einem ständigen Konstruktionsprozess begriffen. Sie werden nicht als stabile, unveränderliche Voraussetzungen verstanden, sondern sind gewissermaßen kontinuierlich „in the making“ (Strübing 2014: 38). Ziel der Begründer der Grounded Theory ist es nicht, aus Großtheorien abgeleitete Hypothesen zu überprüfen, sondern stattdessen durch eine „intensive Auseinandersetzung mit der Empirie“ (Alheit 1999:2) neue Theorien mittlerer Reichweite zu generieren. So kann als eines der bedeutendsten Merkmale der Grounded Theory „die ausdrückliche Repräsentation von Datenanalyse und Theoriebildung als praktische, interaktiv zu bewältigende und zu organisierende Tätigkeit“ (Strübing 2014: 10) hervorgehoben werden. Weiterhin geht Strauss davon aus, dass Forschungsgegenstände und Foscher*innen sich im Forschungsprozess gegenseitig verändern, womit auch das Ergebnis der Arbeit, die generierte Theorie „immer auch ein subjektiv geprägtes Produkt“ (Strübing 2014: 12) ist. Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, Annahmen darüber zu treffen, welche Rolle dem Forschenden bei der Analyse des empirischen Materials zukommt, was nachfolgend erfolgen soll. Daran anschließend wird auf die zentralen Datenerhebungsverfahren der vorliegenden Studie, Gruppendiskussionen wie auch bildungs- und erwerbsbiografische Interviews, eingegangen. Abschließend werden die einzelnen Schritte, die im Rahmen des wissenschaftlichen Verstehensund Theoriebildungsprozesses nach dem Verfahren der Grounded Theory zum Einsatz kamen, näher erläutert. 4.1.1 Der iterativ-zyklische Forschungsprozess Ein grundlegendes Charakteristikum des Forschungsstils der Grounded Theory ist, dass der Forschungsprozess nicht linear gedacht wird, sondern zirkulär. Denn anders als bei einem linearen Vorgehen, bei dem Hypothesenformulierung, Datenerhebung und -auswertung sowie die Hypothesenprüfung schrittweise aufeinanderfolgen, verlaufen beim zirkulären Forschungsprozess die Datenerhebung und -auswertung wie auch die Theoriegenerierung parallel und beeinflussen sich gegenseitig, oder wie Dausien (1996) es formuliert, es erfolgt „eine spiralförmige Hin- und Herbewegung zwischen theoretisch angeleiteter

36 Zu bedeutenden Vertretern des amerikanischen Pragmatismus zählen Dewey (2002 [1938]), Mead (1934), als auch Peirce (1991).

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4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen

Empirie und empirisch gewonnener Theorie“ (Dausien 1996: 93). Die Vertreter*innen der Grounded Theory lehnen folglich ein rein deduktives Verfahren der Hypothesenprüfung ab, denn den handlungstheoretischen Hintergrund der Grounded Theory nach Anselm Strauss 37 bildet das Handlungskonzept des Pragmatismus. Demnach haben wir zu Beginn des Forschungsprozesses, so die Annahme, „eine vorsichtige Ahnung davon, was uns erwarten könnte, aber wir wollen ja „Entdeckungen“ machen und müssen deshalb offen sein für alles, was uns begegnet“ (Alheit 1999: 6). Jedoch treten wir als Forscher*innen nicht gänzlich ohne Vorannahmen an ein Untersuchungsfeld heran. Auch als Wissenschaftler*innen bringen wir Alltagserfahrungen, „Vor-Urteile“ (ebd.: 6) mit, welche dazu führen, dass die Forschungssituation (meist unbewusst) mit bekannten Situationen verglichen wird, um sie zu verstehen (ebd.: 6f.). So setzt „jeder Versuch zu ,erkennen’ was ,der Fall ist’, immer schon jenes umfangreiche Klassifikationssystem [...] [voraus], das tief in unserer Sprache verankert ist und auf das wir nicht erst beim Benennen von Phänomenen, sondern schon bei deren wahrnehmungspraktischer Auswahl und Abgrenzung unweigerlich zurückgreifen“ (Strübing 2014: 57). Auch Bourdieu weist darauf hin, dass man seiner Auffassung nach als Forscher*in nicht frei von Hypothesen und Denkwerkzeugen an die empirische Realität herantritt (Bourdieu 2013: 22). Reine Induktion, ohne Rückgriff auf jegliches Vorwissen ist somit nach dieser erkenntnistheoretischen Haltung nicht möglich. So ist das logische Schlussverfahren, auf dem die Grounded Theory basiert, weder das der Induktion noch die Deduktion, sondern das Verfahren der Abduktion (Kelle 1994: 143ff.). Alheit umschreibt das Verfahren auch als „geplante Flexibilität“ (Alheit 1999: 7). Damit meint er, dass man, auch wenn es sich um ein neues Forschungsfeld handelt, sinnvollerweise bestimmte theoretische Vorannahmen hat. Nichtsdestotrotz sollte man im Forschungsverlauf flexibel und offen bleiben und gegebenenfalls bestimmte Vorannahmen auch modifizieren. Denn die beforschten Subjekte können sich wider die Erwartungen

37 Im Jahr 1990 kam es zu einem Bruch zwischen den beiden Begründern der Grounded Theory. So warf Glaser Strauss vor, dass er in seinem jüngst veröffentlichten Buch „Basics of qualitative Research“ die Grounded Theory falsch und einseitig auslege. Hauptvorwurf war, dass Strauss die Daten in ein implizit, schon vorgefertigtes theoretisches Schema einsortiere und eine wahre Emergenz der Theorie aus den Daten so nicht mehr möglich sei. Die größten Unterschiede zwischen Strauss und Glaser sind wohl, dass Strauss auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung des Vorwissens im Forschungsprozess verweist und nicht von einem induktiven Schließen, sondern vom Schlussverfahren der Abduktion ausgeht (Strübing 2014: 65 ff.). Diesem Verständnis von Strauss wird auch in der vorliegenden Studie gefolgt.

4.1 Der Forschungsstil der Grounded Theory

113

des Wissenschaftlers bzw. der Wissenschaftlerin anderes verhalten und einen „praktischen Zweifel“ beim bzw. bei der Forschenden auslösen und eine Reflexion über die Vorannahmen initiieren (Strübing 2014: 41; Peirce 1991). Damit setzt ein iterativer Prozess der praktischen Problemlösung ein, den Dewey als „inquiry“ (Dewey 2002: 132 ff.) bezeichnet. Problemlösen ist nach „pragmatistischer“ Auffassung ein kreativer Vorgang oder, wie Peirce es ausdrückt, das Vermögen etwas „zusammenzubringen, [was] wir uns vorher nicht hätten träumen lassen“ (Peirce [1903] 1991: 404). Demnach gründen neue Erkenntnisse nicht ausschließlich auf der Erfahrung der Forschenden, vielmehr werden sie durch spontane Ideen, durch „abduktive Blitze“ (Peirce [1903] 1991: 404; Strübing 2014: 54) hervorgebracht. Strübing zufolge ist es ohne dieses kreative Momentum im Forschungsprozess gar nicht möglich, zu neuen Erkenntnissen zu gelangen und sich von alten Vorannahmen loszusagen (Strübing 2014: 57). Jedoch führt das Verfahren der Abduktion nur dann zu „systematisch kontrollierte[m] neue[n] Wissen“ (ebd.: 58), wenn es auch anschlussfähig an bestehende Wissensbestände ist. Weiterhin ist der Forschungsprozess gemäß der Grounded Theory iterativ-zirkulär organisiert. Dies bedeutet, dass er notwendigerweise nicht nur einmal durchlaufen wird, sondern Datenerhebung, Dateninterpretation, Hypothesenüberprüfung und Reflexion sich abwechseln und auch wechselseitig beeinflussen (ebd.: 44). Der Logik der Grounded Theory folgend, werden im Laufe des Forschungsprozesses, basierend auf der Empirie, Abstraktionen formuliert. Diese Abstraktionen haben zum Ziel, die betrachteten „Fälle theoretisch zu repräsentieren“ (Hermanns 1992: 114). Die im Forschungsverlauf gewonnen Kategorien sind einerseits Schritte auf dem Weg zur Theoriegenerierung und andererseits werden die Kategorien während des Abstraktionsprozesses gleichzeitig einer beständigen Überprüfung unterzogen. Für das forscherische Vorgehen folgt daraus die Notwendigkeit des Aufbruchs einer linearen Forschungslogik. So werden „Theorieentwürfe [...] immer wieder nach Überprüfung an der empirischen Realität korrigiert, erweitert, verworfen“ (Hermanns 1992: 114). Die schematische Darstellung des Forschungsprozesses der Grounded Theory von Alheit (1999) verdeutlicht die iterativ-zyklische Forschungslogik sehr anschaulich (s.h. Abbildung 8).

einen "genialen Geistesblitz" sozusagen ad hoc, sondern um jenen .splralförmigen" Lern- und Prüfungsprozess, den bereits das Handlungskonzept der frühen Pragmatisten auszeichnet. Dieser Prozess soll nun abschließend noch einmal

114

schematisch dargestellt werden:

4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen Kodierprozess

"sensibilisierendes Konzept" • • •

Erfahrung Kontextwissen heuristische Konzepte

offenes Kodieren Felderkundung

Methodenwahl axiales Kodieren

+-If---

selektives Kodieren

Abbildung 8: Ablauf des Forschungsprozesses gemäß der Grounded Theory Quelle: Allheit 1999: 17

4.1.2 Die Arbeit mit sensibilisierenden Konzepten Literatur

Alheit, Peter, 1994, Das narrative Interview. Einführung Zu Beginn des [1984] Forschungsprozesses sollEineman sich (Reprint), gemäß(Voksenpaedader Grounded Thegogisk Teoriudvikling. Arbeidstekster, nr.11), Roskilde (Erstabdruck 1984) ory mitAlheit, „theoretischer Sensibilität“ (Strauss und Glaser 1967: 46f.; Strauss und Peter/Haack, Hanna/Hofschen, Heinz-Gerd/Meyer-Braun, Renate, Gebrochene Modernisierung - Der langsame Wandel proletarischer Milieus. Eine empirische VergJeichsstudie Corbin 1996; Alheit 1999: 9) dem Forschungsfeld annähern. So raten Glaser ost- und westdeutscher Arbeitermilieus in den 1950er Jahren, 2 Bde., Bremen: Donat Alheit, Peter, et al., 1993, Lebensstil als Statuspassage? Zur biographischen Relevanz "hedound Strauss (1998) dem Forschenden, nistischer" Orientierungen. In: Sonderforschungsbereich 186: Statuspassagen und Risikolagen im Lebensverlauf. Institutionelle Steuerung und individuelle Handlungsstrategien. Finanzierungsantrag für die dritte Forschungsphase 1994-1996, Bremen: Sfb 186, 191ff Alheit, Peter, et aL, 1994, Die Kehrseite der .Erlebnisqesellschaft". Eine explorative Studie, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage des Bandes 1 der Werkstattberichte des IBL, Bremen: Universität Bremen Bergmann, Joachim, 1981, Ethnomethodologische Konversationsanalyse. In: P. Sehröder und H. Steger (Hg.), Dialogforschung. Jahrbuch 1980 des Instituts für deutsche Sprache, Düsseldorf, 9ff Bergmann, Joachim, 1991, Konversationsanalyse. In: Uwe Flick et al. (Hg.), Handbuch Qualitative Sozialforschung, Weinheim: Psychologie Verlags Union, 213ff

„theoretisch sensibel [zu] sein, so daß er eine aus den Daten hervorgehende Theorie konzeptualisieren und formalisieren kann. Hat man erst einmal mit der Arbeit begonnen, entwickelt sich die theoretische Sensibilität kontinuierlich fort. Sie verfeinert sich immer weiter, solange der Soziologe in theoretischen Termini auf? seine Kenntnisse reflektiert und möglichst viele verschiedene Theorien daraufhin befragt, wie sie mit ihrem Material verfahren und (wie sie) konzipiert sind, welche Positionen sie beziehen und welche Art von Modell sie gebrauchen“ (Glaser und Strauss 1998: 54). 17

Die theoretischen Vorkenntnisse, die man als Wissenschaftler*in mitbringt, dienen als Heuristiken, die man an den Untersuchungsgegenstand in Form von theoriegenerierenden Fragen heranträgt (Hermanns 1992: 115). Bei dem Vorwissen kann es sich um „expliziertes Wissen, das bestimmte Lebenserfahrungen, gezielt erhobenes Kontextwissen über das Feld und auch geeignete Theoriebezüge enthält“ (Alheit 1999: 9), handeln. Die Annahme ist, dass man als Forscher*in durch die bewusste Ausformulierung des bereits bestehenden

4.2 Stichprobeneingrenzung und Felderkundung

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Vorwissens in die Lage versetzt wird, dieses auch bewusst zu reflektieren und gegebenenfalls zu modifizieren. So soll man Strübing zufolge als Forschende*r das „Vorwissen „kreativ und phantasievoll“ nutzen, aber gleichzeitig den systematischen Bezug zu den Daten im Blick [...] behalten“ (Strübing 2014: 59). 4.2 Stichprobeneingrenzung und Felderkundung Unter Rückgriff auf das theoretische Vorwissen des Forscherteams wurde in der vorliegenden Studie die erste Datenerhebung geplant. Da Datenerhebungsverfahren gewählt wurden, die der qualitativen Sozialforschung zuzuordnen sind, erfolgte die Stichprobenbildung durch ein theoretisches Sampling (Glaser und Strauss 1998: 53f.), bei dem das Hauptkriterium zur Fallauswahl die Forschungsfrage der Studie bildete. Ziel des theoretischen Samplings ist es nicht, eine für die interessierende Grundgesamtheit statistisch repräsentative Stichprobe zu gewinnen, sondern konzeptuelle Repräsentativität (Strübing 2014: 31f.) zu erlangen. Demnach soll die „Stichprobe ein Abbild der theoretisch relevanten Kategorien darstellen. [...] Die Stichprobe ist dann eine angemessene Abbildung der Realität, wenn kein Fall mehr zu finden ist, der nicht durch die bisher gebildeten theoretischen Konzepte angemessen repräsentiert wäre“ (Hermanns 1992: 116). Die erste Stichprobeneingrenzung der empirischen Untersuchung erfolgte anhand theoretischer Kriterien, im Forschungsverlauf zielte das Sampling darauf ab, eine möglichst gute konzeptuelle Repräsentativität der Stichproben zu erlangen. Auf die angelegten Kriterien zur Stichprobenbildung wird nachfolgend ausführlich eingegangen. Weiterhin wird das erste zum Einsatz gekommene Datenerhebungsverfahren, die Gruppendiskussionen mit Nachwuchswissenschaftler*innen, vorgestellt und im Anschluss daran werden wesentliche Erkenntnisse daraus präsentiert. 4.2.1 Kriterien zur Stichprobeneingrenzung In der vorliegenden Studie geht es darum, Faktoren zu ermitteln, welche die Karrierewege von Nachwuchswissenschaftler*innen maßgeblich beeinflussen. Dem aktuellen Forschungsstand nach ist es evident, dass sich Bedingungsfaktoren je nach fachspezifischer Karrierekultur wie auch nach der Karrierephase, in der man sich befindet, unterscheiden (vgl. Liebau und Huber 1985; Portele 1985; Bornmann und Enders 2002; Beaufaÿs 2003; Rademacher-Bensing 2004; Friebertshäuser 2013; Möller 2015). Demnach gibt es zwischen

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4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen

verschiedenen Fachdisziplinen nicht nur Differenzen in Bezug auf die fachlichen Inhalte, sondern auch bezüglich des wissenschaftlichen Alltags, den Arbeitsbedingungen und der Karrierekultur. Andere „Voraussetzungen bringen andere Lebensformen und damit andere Wissenschaftler hervor“ (Beaufaÿs 2003: 98), wie schon Beaufaÿs formuliert. Auch sie untersucht in ihrer Dissertation Wissenschaftler*innen aus zwei verschiedenen Fachkulturen, einerseits aus den Geisteswissenschaften und andererseits aus den Naturwissenschaften. Exemplarisch für Erstere stehen bei ihr die Geschichtswissenschaft und für Zweitere die Biochemie. Ziel ihrer Analyse ist kein systematischer Vergleich der beiden Fächer, sondern herauszuarbeiten, wie sich die alltägliche wissenschaftliche Praxis der beiden Fächer unterscheidet. Für eine fachspezifische Betrachtung spricht auch die von Möller (2015) angeführte Beobachtung, dass „Disziplinen [...] im komplexen Feld der Universität als kleine Mikrokosmen [wirken] und [...] unterschiedliche Produktions- und Rekrutierungstraditionen aufweisen“ (Möller 2015: 142 f.). Weiterhin bilden sich Friebertshäuser (2013) zufolge je nach Disziplin unterschiedliche Habitus aus, die durch einen „heimlichen Lehrplan“ (Friebertshäuser 2013: 263) bestimmt werden, welcher „die unthematisierten Verhaltensweisen, Einstellungen bis hin zu Lebensstilen, Kleiderordnungen und fachspezifischen Traditionen“ (ebd.: 263) beinhalten kann. Auch Rademacher-Bensing (2004) wählt für ihre Studie „Wissenschaftlerbilder“ eine nach Fächern differenzierte Betrachtungsweise. Sie untersucht die Hochschul- und Fachsozialisation von Promovierenden in den Fachdisziplinen Physik, Erziehungswissenschaften und Rechtswissenschaften. Zur Fachauswahl zieht sie acht Kriterien heran: 1) ob die Promotionsphase als bewusst gewählte Weiterqualifizierung verstanden wird, 2) ob das Fach ein etabliertes oder ein eher jüngeres ist, 3) es eher höhere oder geringere Autonomie besitzt, 4) es als eher hartes oder weiches Fach zu klassifizieren ist, 5) wie der Ausbildungskanon gestaltet ist, 6) wie stark der Kodifizierungsgrad ist und 7) wie die Berufs- und Arbeitsmarktchancen zu beurteilen sind. Zudem versucht sie die unterschiedlichen Denktraditionen der Geistes- und Sozialwissenschaften im Vergleich zu den Naturwissenschaften abzubilden (Rademacher-Bensing 2004: 30 f.). Die Fachzugehörigkeit als Kriterium zur Stichprobenbildung Aufgrund der Forschungsbefunde zur Existenz von fachspezifischen Unterschieden wurde in der vorliegenden Studie die Heterogenität in Bezug auf die Fachkulturen bei der Stichprobenbildung berücksichtigt. Bezüglich der zu untersuchenden Fächer fiel die Wahl auf ein Fach der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, die Betriebswirtschaftslehre, eines der Geisteswissenschaften, die Geschichtswissenschaft, sowie eines der Naturwissenschaften, die Physik. Ziel

4.2 Stichprobeneingrenzung und Felderkundung

117

des Forscher*innenteams war es, Fächer zu selektieren, die sich bezüglich ihrer Karrierekultur hinreichend unterscheiden. Die Auswahl basiert auf den zur Fachkultur existierenden Forschungsarbeiten (Bourdieu 1992a; Beaufaÿs 2003; Rademacher-Bensing 2004; Burren 2010; Hermanowicz 1998, 2009; Knorr-Cetina 1984; Weber 1984). Zur Auswahl der drei Fachdisziplinen wurden zehn Kriterien herangezogen, auf die im Folgenden detailliert eingegangen wird. Die ersten drei Kriterien sind eher allgemeiner Natur, die weiteren Kriterien zielen darauf ab, die Karrierekultur der Fächer zu charakterisieren. 1) Verortung der Disziplin im Feld der Macht Mit Bourdieus Konzept der sozialen Felder ist es möglich, verschiedene Subfelder innerhalb des wissenschaftlichen Feldes miteinander zu vergleichen. Die einzelnen Fachdisziplinen bilden solche Subfelder, die Bourdieu in einem Machtfeld verortet und in Relation zueinander setzt (Bourdieu 1992a: 114f.). Bourdieu folgend, stehen in diesem Machtfeld die gesellschaftlich dominanten Disziplinen hierarchisch oben und haben den meisten weltlichen Einfluss (ebd.: 107). Die Wirtschafts-, die Rechtswissenschaften sowie die Medizin zählen hierzu, wobei die Wirtschaftswissenschaften über die meiste ökonomische Macht verfügen. Zu den wissenschaftlich dominanten Disziplinen, die sich am kulturellen Pol des Machtfelds verorten lassen und deren weltlicher Einfluss gering ist, zählen Bourdieu zufolge die naturwissenschaftlichen Fächer wie die Physik oder die Chemie (ebd.: 121f.). Zwischen den beiden Polen sind die geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachdisziplinen gelagert, zu denen Fächer wie die Geschichtswissenschaft, Philosophie oder die Sozialwissenschaften zählen. Die Fachauswahl im Rahmen der vorliegenden Studie intendiert ein Fach aus jedem, der von Bourdieu beschriebenen Pole, zu berücksichtigen. 2) Weiches versus hartes Fach Weiterhin wurde darauf geachtet, dass sowohl ein „weiches“ als auch ein „hartes“ Fach in die Stichprobe aufgenommen wurde. Eine höhere Aufgabensicherheit geht nach Rademacher-Bensing (2004) mit einer Klassifikation als „härteres“ Fach einher (Rademacher-Bensing 2004: 34). Huber (2010) zufolge ist ein weiteres Kriterium zur Klassifikation der Fächer „das Ausmaß […], in dem sich wissenschaftliche Aussagen auf messbare, quantifizierbare Daten stützen“ (Huber 2010: 71). Die meisten geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer, wie die Geschichte oder die Germanistik, sind demzufolge als „weiche-reine“ Fächer zu klassifizieren, wobei die Rechtswissenschaft oder die Pädagogik als „weiche-angewandte” Fächer betrachtet werden können (ebd.: 71). Die Physik repräsentiert in der vorliegenden Untersuchung die „harten“ Fächer, die BWL

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4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen

die „weichen-angewandten“ Fächer und die Geschichtswissenschaft, die „weichen-reinen“ Fächer. 3) Junges versus traditionsreiches Fach Als letztes allgemeines Klassifikationskriterium wird berücksichtigt, inwiefern es sich bei den Fächern um eher „jüngere, oder „traditionsreichere“ Disziplinen handelt. Demzufolge kann die Geschichtswissenschaft als „besonders traditionsreiche, etablierte Disziplin“ (Beaufaÿs 2003: 71) beschrieben werden, auch wenn die Geschichte als Wissenschaft noch deutlich jünger ist. Die Etablierung als eigenständige Disziplin erfolgte erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts mit der Gründung des ersten historischen Instituts in Göttingen im Jahr 1766 (Beaufaÿs 2003: 90). Auch die Physik ist ein Exempel für ein sehr traditionsreiches Fach mit langer Geschichte (Rademacher-Bensing 2004: 32). Schon im 16. Jahrhundert begann sich die Physik durch die Entwicklung der ersten mathematisch-experimentellen Forschungsmethoden als eigenständige Naturwissenschaft zu etablieren 38 . Die Betriebswirtschaft dagegen stellt eine relativ junge Disziplin dar, die sich erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts als wissenschaftliche Disziplin mit akademischem Ausbildungsgang an Hochschulen formierte (Burren 2010: 56f.). Ab 1900 kam es im deutschsprachigen Raum dann zur Einrichtung von handelswissenschaftlichen Hochschulen, die sich am Vorbild der technischen Hochschulen orientierten. Bezeichnend für das Fach ist zudem, dass es bis in die Gegenwart aufgrund seiner Doppelorientierung sowohl auf die Wissenschaft als auch auf die Praxis Legitimitätskämpfe führen muss, um als eigenständige wissenschaftliche Fachdisziplin anerkannt zu werden (ebd.: 219f.). 4) Soziale Organisationsform Der Arbeitsalltag und die Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftler*innen unterscheidet sich je nach Disziplin deutlich. So arbeiten Geisteswissenschaftler*innen eher alleine, treten seltener mit Gleichgesinnten in Kontakt und müssen sich dazu meist sogar gezielt verabreden, da ihre Arbeitskultur den Kontakt nicht fokussiert bzw. notwendig macht. Sie sind dadurch bedingt egozentrischer und gehören eher dem Wissenschaftlertypus des „Einzelkämpfers“ an (Beaufaÿs 2003: 96ff.). Die Geschichtswissenschaft repräsentiert in der vorliegenden Studie diese Art der sozialen Organisation des wissenschaftlichen Arbeitsalltags. Insbesondere die Archivarbeit und die damit einhergehende Mobilitätsbereitschaft, welche in der Geschichtswissenschaft üblich ist, macht die Alleinarbeit oft notwendig. Dagegen forschen viele Naturwissenschaftler*innen, 38

Vgl. dazu auch Stichweh (1984).

4.2 Stichprobeneingrenzung und Felderkundung

119

vor allem diejenigen, die empirisch und experimentell arbeiten, in der Regel in der Gruppe. Das Arbeitsklima ist dabei meist kooperationsfreudig und kommunikativ (ebd.: 98). Die Arbeitsgruppe ist der zentrale Bezugspunkt der alltäglichen wissenschaftlichen Arbeit und die Identifikation mit der Gruppe ist meist sehr hoch. Beaufaÿs (2003) konstatiert bei den von ihr untersuchten Arbeitsgruppen der Biochemie, ein „Wir-Gefühl [...], das sich auch in der Abgrenzung zu anderen Arbeitsgruppen [...] äußern kann. Die Struktur einer Arbeitsgruppe kann familienähnliche Formen annehmen. Man fühlt sich gegenseitig verpflichtet und Loyalität ist ein hoher Wert. Spannungen innerhalb von Gruppen werden als sehr negativ und störend erlebt, die Atmosphäre ist für die meisten Befragten sehr wichtig für ihre alltägliche Arbeit. Die informelle Struktur, die von außen schwer durchschaubar ist, wird mit einem gewissen Stolz gepflegt, denn nur wer sich irgendwann im Beziehungs- und Zuständigkeitsdschungel zurechtfindet, gehört so richtig dazu [...] Ein unkommunikativer Mitarbeiter etwa, der sich auf sich selbst zurückzieht und eigenbrötlerisch seiner Arbeit nachgeht, hat in einer biochemischen Forschungsgruppe keine Chance“ (ebd.: 119). Was für die Biochemie zutrifft, gilt Großteils auch für die Physik, insbesondere die Experimentalphysik. Schon während des Studiums müssen Physiker*innen in einem Team zusammenzuarbeiten, da sonst die Studien-Stoffmengen kaum zu bewältigen sind, denn das Physikstudium gilt als sehr arbeitsintensiv (Rademacher-Bensing 2004: 106 f.). Die Physik ist in der vorliegenden Arbeit ein Beispiel für Fächer, deren Arbeitsweise als gruppenförmig zu charakterisieren ist. Bezüglich der BWL haben wir angenommen, dass sowohl die Alleinarbeit, als auch die Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftler*innen sowie Kooperationspartner*innen aus der Wirtschaft den wissenschaftlichen Alltag bestimmt. Damit nimmt die BWL eine Mittelposition hinsichtlich ihrer sozialen Organisationsform zwischen der Geschichtswissenschaft und der Physik ein. 5) Publikationskultur Die in den verschiedenen Fachkulturen vorherrschende soziale Organisationsform spiegelt sich teilweise auch in ihrer Publikationskultur wider. Insbesondere bei der üblichen Anzahl an Autoren, welche an einer Publikation beteiligt sind, gibt es je nach Disziplin deutliche Unterschiede. Auch die anerkanntesten Publikationsformate variieren je nach Fachdisziplin. Von der Publikationspraxis, insbesondere der Publikationssprache, kann zudem auf die Internationalität der

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4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen

Scientific Community, auf die man sich im Fach bevorzugt bezieht, geschlossen werden. Die Physik ist diesbezüglich als ein Fach einzustufen, das sehr international ausgerichtet ist. Das bedeutet, dass weltweit Forscher*innen an denselben bzw. ähnlichen Themen arbeiten und aktuellste Ergebnisse auf internationalen Fachtagungen ausgetauscht und in internationalen Zeitschriften publiziert werden. Wissenschaftssprache der Physik ist aufgrund dessen (fast) ausschließlich Englisch (Rademacher-Bensing 2004: 114f.). Als besonders anerkennenswert gelten Aufsätze in internationalen Fachzeitschriften mit hohem Impact Factor, die meist von mehreren Autor*innen gemeinsam in Co-Autorenschaft verfasst werden. Auch die Anfertigung der Dissertation erfolgt fast ausschließlich kumulativ, in Form von mehreren Zeitschriftenaufsätzen. In der Geschichtswissenschaft dagegen zählen in Alleinautorenschaft verfasste Monografien zu den anerkanntesten Publikationsformaten. Insbesondere beim Verfassen von Qualifikationsschriften wie der Dissertation und der Habilitation sind sie das eindeutig präferierte Format. Zudem existiert keine länderübergreifend einheitliche Wissenschaftssprache, da die gewählte Publikationssprache meist stark von den regionalen und thematischen Schwerpunkten der Wissenschaftler*innen abhängt und oft auch von den verwendeten Literaturquellen. Die BWL nimmt bezüglich ihrer Publikationskultur eine Zwischenposition ein. Es wird sowohl in Allein- als auch in Co-Autorenschaft publiziert, meist in englischer oder deutscher Sprache. Artikel in nationalen wie auch internationalen Fachzeitschriften mit Peer-Review-Auswahlverfahren gelten als besonders erstrebenswert. Beim Schreiben der Dissertation ist die Monografie, insbesondere wenn man eine Karriere in der Wissenschaft anstrebt, noch durchaus verbreitet, wenngleich auch die kumulative Dissertation jüngst vermehrt Einzug gehalten hat. 6) Promotionsintensität Ein Kriterium, das weiterhin Berücksichtigung bei der Fachauswahl fand, ist die Promotionsintensität. Sie ist definiert als „Anzahl der Promotionen in Relation zu den zur Promotion berechtigenden Hochschulabschlüssen in den jeweils vier vorangegangenen Jahren“ (Hauss et al. 2012: 23). Dieser Indikator wurde herangezogen, um die Fächer danach zu differenzieren, inwiefern die Promotion eher als bewusste Weiterqualifikation oder mehr als Regelabschluss bzw. für den Arbeitsmarkteintritt notwendige Voraussetzung angesehen werden kann (Rademacher-Bensing 2004: 31). Diesbezüglich lassen sich bei den selektierten Fächern starke Unterschiede ausmachen. So ist in der Physik mit 67% im Jahr 2010 die Promotionsintensität relativ hoch, in der Geschichte mit etwa 20%

4.2 Stichprobeneingrenzung und Felderkundung

121

eher niedrig und in der BWL39 mit unter 10% als niedrig einzustufen (Hauss et al. 2012: 26, Abb. 5). 7) Frauenanteil an Promotionen Um abzubilden, inwiefern die selektierten Fächer eher männlich oder weiblich dominiert sind, wurde der Anteil an Frauen an Promotionsabschlüssen als Kriterium gewählt. Anhand zentraler statistischer Maßzahlen wird deutlich, dass fächerübergreifend der Frauenanteil im akademischen Karriereverlauf mit steigender Qualifikationsstufe sinkt. Aus einschlägigen Studien (u.a. Lind 2007) ist bekannt, dass dies auf die geschlechterdifferenten Erfolgschancen auf dem wissenschaftlichen Qualifizierungsweg zurückzuführen ist. Mit der Physik wurde ein Fach in die Stichprobe aufgenommen, das sich durch einen sehr geringen Frauenanteil an Promotionen von etwa 20% im Jahr 2009 auszeichnet. Mit einem Anteil von circa 30% wird auch in der BWL40 die Promotion von Frauen deutlich seltener als von Männern abgeschlossen. Das ausgewählte Fach mit dem höchsten Anteil an weiblichen Promotionen bildet mit etwa 45% die Geschichtswissenschaft (Hauss et al. 2012: 68, Abb. 15). 8) Traditionelle vs. strukturierte Doktorandenausbildung Um den Wandel der wissenschaftlichen Nachwuchsausbildung in Deutschland abzubilden, der maßgeblich durch die Einführung der Graduiertenkollegs durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Jahr 1990 angestoßen wurde, wurde die Verbreitung der strukturierten Promotion im Vergleich zur traditionellen Individualpromotion als Indikator herangezogen. Aufgrund der Einführung von strukturierten Promotionsformaten bei gleichzeitiger Co-Existenz der Individualpromotion kann in Deutschland von einer „geordnete Vielfalt“ (Kreckel 2008a: 4) an nebeneinander existierenden Wegen zur Promotion gesprochen werden. Wie stark die strukturierten Promotionsformen bereits Einzug in die wissenschaftliche Nachwuchsausbildung genommen haben, wurde als weiteres Kriterium zur Fachauswahl herangezogen. Die Physik stellt das Fach im Sample dar, bei dem die strukturierte Promotion mit fast 50% im Jahr 2005 bereits am weitesten verbreitet ist, gefolgt von der BWL41 mit circa 46% und der Geschichte

39 Hinweis: Der angegebene Wert bezieht sich auf die Wirtschaftswissenschaften insgesamt, da für die BWL kein gesonderter Wert in der Tabelle ausgewiesen wird. 40 Hinweis: Der angegebene Wert bezieht sich auf die Wirtschaftswissenschaften insgesamt, da für die BWL kein gesonderter Wert in der Tabelle ausgewiesen wird. 41 Hinweis: Der angegebene Wert bezieht sich auf die Wirtschaftswissenschaften insgesamt, da für die BWL kein gesonderter Wert in der Tabelle ausgewiesen wird.

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4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen

mit einem Anteil von nur etwa 36% an Personen, die im Rahmen strukturierter Programme promovieren (Berning und Falk 2005: 55, Tab. 242). 9) Durchschnittsalter bei Erstberufung auf eine Professur Ein Indikator, der die Dauer des wissenschaftlichen Karrierewegs bis zur Professur abbildet, ist das Durchschnittsalter bei Erstberufung auf eine Professur. Wohingegen der erste Ruf auf eine Professur in der BWL im Jahr 2014 in relativ jungem Alter mit durchschnittlich 39,7 Jahren erfolgt, gefolgt von einem Durchschnittsalter von 39,9 Jahren in der Physik, erhält man in der Geschichtswissenschaft durchschnittlich erst drei Jahre später, mit 43,1 Jahren, den ersten Ruf (Destatis 2014: 185ff., Tab. 12). 10) Chancen auf dem außeruniversitären Arbeitsmarkt Ein letztes Kriterium, das zur Selektion der Fächer herangezogen wurde, ist, inwiefern neben der wissenschaftlichen Karriere noch alternative, außerwissenschaftliche Karriereweg offenstehen. Die Nachwuchsausbildung in der „hybriden Disziplin“ (Burren 2010) BWL zielt nicht nur darauf ab, die betreffenden Personen für die Wissenschaft, sondern gleichsam für den außeruniversitären Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Dies wiederum eröffnet Hochschulbsolvent*innen wie auch Promovierten der Betriebswirtschaftslehre sehr gute Chancen auf dem außeruniversitären Arbeitsmarkt. Gerade bei der Besetzung von Führungspositionen in Unternehmen haben promovierte BWLer*innen sehr gute Erfolgschancen. Auch für Physiker*innen bestehen nach der Promotion gute Beschäftigungschancen auf dem außeruniversitären Arbeitsmarkt. So sind Stellen in der Industrie im Bereich Forschung und Entwicklung attraktive berufliche Alternativen für Physiker*innen. Jedoch wird empfohlen, die Wissenschaft nach dem Hochschulabschluss zu verlassen, falls eine Tätigkeit in der Industrie als Karriereziel angestrebt wird (Rademacher-Bensing 2004: 121). Für die Geschichtswissenschaft gilt: „Die Promotion ist die Voraussetzung für eine wissenschaftliche Laufbahn an der Universität. Für andere Bereiche hingegen wird sie nicht als wichtiger Abschluss eingeschätzt“ (Beaufaÿs 2003: 91). Wenn man sich für eine Promotion in der Geschichte entscheidet, gibt es daher nur wenige attraktive alternative Karrierepfade außerhalb der Universität, da die Chancen auf dem außeruniversitären Arbeitsmarkt für promovierte*r Historiker*in als eher schlecht einzuschätzen sind. In Tabelle 9 im Anhang sind die in der vor-

42 Hinweis: In der Tabelle werden lediglich die aggregierten Fächergruppen Naturwissenschaften, Geistes- und Kulturwissenschaften sowie Wirtschaftswissenschaften ausgewiesen und dienen daher nur als grobe Richtwerte;

4.2 Stichprobeneingrenzung und Felderkundung

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liegenden Studie verwendeten Kriterien zur Fachauswahl nochmals im Überblick dargestellt. Karrierephase als Auswahlkriterium Neben der Fachkultur nimmt auch die Karrierephase und demzufolge die Position, die man im wissenschaftlichen Feld einnimmt, Einfluss auf die Erfahrungen, Karrierestrategien und Modi der Selbstpräsentation der Akteure. Schließlich bringen verschiedene Statuspassagen unterschiedliche berufliche Anforderungen und Herausforderungen mit sich (vgl. Kapitel 2.2). Weiterhin ist anzunehmen, dass je nach Verweildauer auf dem akademischen Qualifizierungsweg die Regeln und Glaubenssätze des wissenschaftlichen Feldes schon mehr oder noch nicht so sehr inkorporiert wurden. Während Promovierende noch keinen formellen Bildungsschluss erworben haben, der eine Voraussetzung darstellt, um als Anwärter*innen auf eine Position im Wissenschaftsfeld anerkannt zu werden, haben Postdocs bereits das erste formale „Initiationsritual“ in der Scientific Community in Form des erfolgreichen Durchlaufens des Promotionsverfahrens, durchlebt. Doktorand*innen sind im Vergleich zu Postdocs, deren zentrales Qualifikationsziel der Gewinn von wissenschaftlicher Unabhängigkeit ist, als deutlich abhängiger von Betreuenden, insbesondere von ihren Doktoreltern, anzusehen. Bezüglich der Verortung im wissenschaftlichen Feld unterscheiden sich Promovierende von Postdocs und Professor*innen durch ihre „relative Kapitalschwäche“ (Engler 1993: 46ff.; Franz 2018: 144), d.h. ihrem geringen Besitz an im wissenschaftlichen Feld relevanten Kapital (insbesondere wissenschaftlichem Kapital), was auf ihre geringere Verweildauer auf dem wissenschaftlichen Qualifizierungsweg zurückzuführen ist. Bezüglich ihrer Ausstattung an wissenschaftlichem Kapital sind Professor*innen als mächtigste Akteure im Wissenschaftsfeld zu charakterisieren 43 . Bezüglich der Samplezusammenstellung wurde darauf geachtet, Personen auszuwählen, die sich bezüglich der Karrierephase, in der sie sich befinden, ausreichend unterscheiden. Von Promotionsanfänger*innen über frisch Promovierte hin zu Habilitierten und Juniorprofessor*innen sind alle Qualifikationsstufen im Sample vertreten. Da auch angenommen wurde, dass der Aufbau eines Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg (das im Zentrum der vorliegenden Studie stehende Phänomen) einige Zeit in Anspruch nimmt, bilden Nachwuchswissenschaftler*innen, die in ihrer Karriere bereits weiter fortgeschritten sind, den Hauptkorpus des Samples. Theoretisch interessante Kontrastfälle sind jedoch einige Promovierende und frisch 43 Diese wurden jedoch nicht als Interviewpartner*innen für die vorliegende Studie rekrutiert, da sie nicht (mehr) der relevanten Zielgruppe, den Nachwuchswissenschaftler*innen, die sich noch im akademischen Qualifizierungsprozess befinden, angehören.

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4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen

Promovierte, die noch nicht so lange auf dem wissenschaftlichen Karriereweg verweilt haben. 4.2.2 Felderkundung durch Gruppendiskussionen Nach der Stichprobeneingrenzung erfolgte die erste Datenerhebung mittels fachspezifischen Gruppendiskussionen. Ziel des Vorgehens war es, eine erste Erprobung der theoretischen Vorannahmen an der empirischen Realität vorzunehmen und diese soweit notwendig zu modifizieren. Zunächst ging es darum, ein Gespür für Kontextmerkmale wie fachkulturelle Besonderheiten und Karrierekulturen und auch Interaktionsordnungen zu entwickeln, bevor sich einzelnen Akteuren bzw. Akteursgruppen zugewendet wurde (Alheit 1999: 10). Die explorativen Gruppendiskussionen wurden mit Nachwuchswissenschaftler*innen verschiedener Karrierestufen der selektierten Fachdisziplinen durchgeführt. Die einzelnen Gruppen bestanden aus Diskussionsteilnehmer*innen, die sich auf verschiedenen Karrierestufen befanden, von Promovierenden und Postdocs bis hin zu Juniorprofessor*innen. Der Leitfaden44 für die Gruppendiskussionen basiert auf den Erkenntnissen einschlägiger Studien aus dem Forschungsfeld „Wissenschaftskarrieren“. Insgesamt wurden drei Gruppendiskussionen, eine pro ausgewählter Fachdisziplin, realisiert. Es wurde darauf geachtet, dass es sich bei den Gruppen, um bereits bestehende Forschergruppen bzw. Lehrstuhlteams handelt, da man dadurch „davon ausgehen [kann], dass sie durch existenzielle Gemeinsamkeiten zusammengehalten werden [...]. In der Empirie schlägt sich dies in der Lebendigkeit und Selbstläufigkeit der Diskussion nieder“ (Przyborski und Wohlrab-Sahr 2014: 95). Die Gruppendiskussionen wurden auch mit dem Ziel durchgeführt, die zur Fachauswahl angenommenen fachkulturellen Unterschiede zu validieren. Dies erschien dem Forschungsteam vor allem deswegen wichtig, da die Fächerauswahl zwar auf den Erkenntnissen bisheriger empirischer Studien und Statistiken basierte, Fachkulturen und Karrierekriterien sich aber im ständigen Wandel befinden. Andererseits war ein forschungspraktischer Grund ausschlaggebend für die Wahl des zweistufigen Vorgehens zur Datenerhebung. Mittels der Führung von Gruppendiskussionen sollte den Interviewer*innen, alle akademisch ausgebildete Sozialwissenschaftler*innen, ermöglicht werden, sich mit den Karrierekulturen der selektierten Fachdisziplinen sowie deren fachspezifischem Vokabular vertraut zu machen und ein grundlegendes Verständnis des fachspezifischen wissenschaftlichen Alltags zu entwickeln. Dadurch sollte erreicht werden, dass die Interviewer*innen in den darauffolgenden narrativen Einzelinterviews Formulierungen und 44

Der Leitfaden, welcher den Gruppendiskussionen zugrunde lag, ist im Anhang zu finden.

4.2 Stichprobeneingrenzung und Felderkundung

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Akzentuieren der Interviewten angemessen verstehen und darauf eingehen bzw. relevante Nachfragen stellen können. Den Diskussionsteilnehmer*innen wurde zu Beginn der Gruppendiskussion zunächst die Möglichkeit gegeben, sich frei zu den Arbeitsbedingungen und Karrierekriterien in Ihrem Fach zu äußern und ihre persönlichen Erfahrungen einzubringen. Daran anschließend wurden immanente Nachfragen zu den von den Diskutant*innen bereits angeschnittenen Themen gestellt. In einem darauffolgenden exmanenten Nachfragenteil wurden die Diskussionsteilnehmer*innen aufgefordert, Stellung zu zwei Themenbereichen zu beziehen, zum einen zum Themenfeld „wissenschaftliche Karrieren“, zum anderen zum Themenfeld „Vertrauen und Wissenschaft“. Im Nachgang der Gruppendiskussionen wurden der Interviewleitfaden und insbesondere mögliche problematische Fragen in der Forschergruppe diskutiert und als Grundlage zur Entwicklung des Interviewleitfadens für die narrativen bildungs- und erwerbsbiografischen Einzelinterviews genutzt. 4.2.3 Exkurs: Ergebnisse der Gruppendiskussionen mit Wissenschaftler*innen verschiedener Karrierestufen Die nachfolgende Darstellung der Ergebnisse der Gruppendiskussionen beansprucht keine umfassende Gültigkeit für die jeweilige Fachdisziplin als Ganzes. Bestimmte von den Diskutant*innen aufgeführte Merkmale gelten sicherlich nur oder vor allem in ihrem jeweiligen individuellen Fall. Andere Kriterien wiederum mögen aus der Sicht anderer Wissenschaftler*innen des entsprechenden Faches auch von großer Wichtigkeit sein, wurden aber vielleicht von den Diskutant*innen nicht erwähnt. Nichtsdestotrotz kann man durch die Ergebniszusammenschau dem Anspruch gerecht werden, dem Leser bzw. der Leserin ein gewisses Verständnis zur im jeweiligen Fach vorherrschenden Karrierekultur und Arbeitsorganisation zu ermöglichen sowie ein Gespür für fachspezifische Unterschiede zu entwickeln. Die Fach- und Karrierekultur der Geschichtswissenschaft Die Teilnehmer*innen der Gruppendiskussion im Fach Geschichte sind Mitglieder eines Lehrstuhls, der sich aus einer Promovierenden (Kürzel: GD_A), die eine wissenschaftliche Mitarbeiterstelle am Lehrstuhl innehat, einer Habilitandin (Kürzel: GD_B), die ebenfalls eine wissenschaftliche Mitarbeiterstelle innehat, einem fast fertigen Promovenden (Kürzel: GD_C), der ebenfalls über eine wissenschaftliche Mitarbeiterstelle finanziert ist, und einem Juniorprofessor (Kürzel: GD_D), der eine Stelle ohne „Tenure-Track“ innehat, zusammensetzt. Um geschichtswissenschaftlich arbeiten zu können, sei es meist notwendig, sich in Archive zu begeben, da sich dort die relevanten Quellen und

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4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen

Forschungsgegenstände befänden. Bestimmte Quellen seien nur ortsabhängig verfügbar, was je nach Forschungsthema eine erhöhte Mobilitätsanforderung wie auch nicht unerhebliche Kosten (bspw. für Fahrt und Unterkunft) mit sich bringen könne (GD_C: 199-204; GD_A: 268). Außerdem würden die Öffnungszeiten und die personale Unterbesetzung der Archive Restriktionen an die Arbeitszeit setzen. Teilweise müsse man zudem aufwendige und langwierige Prozeduren durchlaufen, um überhaupt Zugang zu den Archiven und den darin befindlichen Quellen zu bekommen (GD_C: 1281-1290; GD_A: 1350-1363). Durch die zunehmende Digitalisierung der Schriften werde die Zugänglichkeit zwar verbessert, eine umfassende Umsetzung liege jedoch noch in ferner Zukunft. Die Digitalisierung führe aber auch zu neuen Problemen. Durch den Verlust des ortgebundenen Zugangs bekomme man auch nicht mehr so einfach mit, welche anderen Forscher*innen sich eventuell zeitgleich mit demselben Material beschäftigen würden, was vorher durch die Einsicht der Nutzungsakten möglich gewesen sei (GD_D: 1313-1322). Weiterhin würden die digitalisierten Quelle hinsichtlich ihrer Übersichtlichkeit und Qualität oft nicht den Ansprüchen eines bzw. einer Historiker*in entsprechen, da sie meist nicht von Fachkundigen umgesetzt würden (GD_A: 1378-1388). Die Modernisierung bringt in diesem Fall sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich. Jedoch gebe es nicht nur hinsichtlich des praktischen Nutzens negative Effekte, da die Archive für die meisten Historiker*innen auch hoch emotional aufgeladene Orte seien und einen zentralen Teil ihrer Fachidentität bilden würden. Geschichtswissenschaftler*innen umschreiben sich selbst als „Entdecker*innen“. Entdecken meint für sie anders als für viele Naturwissenschaftler*innen aber nicht, etwas komplett Neues herauszufinden. Vielmehr würden durch den längeren Aufenthalt in den Untiefen der Archive verborgende Schätze und verschollenes Wissen geborgen. Dies seien die Begebenheiten, an denen Geschichtswissenschaftler*innen „magische Momente“ erleben würden (GD_D: 1292-1295; 1433-1435; 1450-1452; 1464-1465). Ein anderer Antriebsfaktor des Historikers bzw. der Historikerin sei der Wunsch, „Geschichte schreiben“ zu wollen (GD_A: 1421; 1429; 1435-1437) und die „große Geschichte“ an die jungen Studierenden zu vermitteln (GD_A: 1444). Auch ein gewisses „Sendungsbewusstsein“ wird empfunden, dass man das, was man tut, schon deswegen tun müsse, weil es sonst niemand anderes tun würde, was aus Sicht der Historiker*innen einen großen Verlust für die Menschheit bedeuten würde (GD_C: 1452-1456). Auch das Teilen der gefundenen Erkenntnisse mit einer breiten Öffentlichkeit sei ein klarerer Anspruch, den viele Historiker*innen an sich selbst stellen würden (GD: 1572-1579; 1591-1597; 1602-1611; 1640-1649).

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Wenn man Geschichtswissenschaftler*innen in Typen gruppieren wolle, müsse man hinsichtlich ihrer fachlichen Spezialisierung drei Dimensionen berücksichtigen: erstens die Epoche, mit der sie sich beschäftigen würden, zweitens ihren geografischen Fokus und drittens ihren methodischen Zugriff auf das Thema (GD_D: 1705-1706; 1726-1728). Auch der Fokus auf unterschiedliche gesellschaftliche Teilbereiche könne als Differenzierungskriterium betrachtet werden (GD_A: 1736-1737). Bei der inhaltlichen Ausrichtung seien zwei Strategien von besonderer Wichtigkeit für eine*n Historiker*in, die zwar konträr seien, aber dennoch gleichzeitig verfolgt werden sollten. Einerseits die Spezialisierung auf einen Themenbereich, der noch untererforscht ist, andererseits der Aufbau eines breiten Wissensbestandes in unterschiedlichen Teilbereichen, da Lehrstuhldenominationen meist weiter gefasst würden und man sich somit für möglichst viele Stellenausschreibungen passend machen könne (GD_A: 493-499). Schon durch die zentrale Wichtigkeit der Archivarbeit sei der Arbeitsalltag der Geschichtswissenschaftler*innen in großen Teilen durch Einzelarbeit wie auch eine geringe Abhängigkeit von anderen Wissenschaftler*innen gekennzeichnet. Inhaltlicher Austausch zwischen Kolleg*innen finde im Arbeitsalltag eher selten statt, was neben der singulären Arbeitsweise auch der starken thematischen Spezialisierung geschuldet sei. Dennoch sei es durchaus üblich, vor der Einreichung einer Veröffentlichung den Text von einem Kollegen oder einer Kollegin gegenlesen zu lassen. Dieses Vorgehen würde auch nur in seltensten Fällen zur Vertrauensfrage, denn das Risiko eines Ideenklaus sei zu vernachlässigen, da die Themengebiete, in denen man arbeite, so grundverschieden und speziell seien, dass man kaum in direkter Konkurrenz zueinander stehe (GD: 18881906). Trotz der insgesamt eher singulären Arbeitsweise würden Netzwerke einen hohen Stellenwert in der Geschichtswissenschaft einnehmen (GD_A: 522; 533539). Deswegen sei es auch von nicht unerheblicher Wichtigkeit, dass die bereits Etablierten den wissenschaftlichen Nachwuchs an ihren Netzwerken teilhaben ließen, denn ihre Reputation strahle auch auf ihre „Noviz*innen“ ab (GD_C: 610-614; 624-628; 895-897). Der Besuch von Fachtagungen sei daher nicht nur zur Steigerung der eignen Sichtbarkeit von großer Bedeutung, sondern auch, um neue Kontakte zu knüpfen und bestehende zu pflegen (GD_A: 540548). Auch Stellen für Nachwuchswissenschaftler*innen würden meist auf informellem Weg über Kontakte zu anderen Professor*innen vermittelt und nicht über offizielle, kompetitive Ausschreibungen (GD_A: 245-247; 669-673; 684686; 696-699). Eine Ausnahme würden die seit einigen Jahren existierenden wissenschaftlichen Großprojekte, wie Sonderforschungsbereiche, bei denen

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die Stellenbesetzung durch offizielle, kompetitive Verfahren erfolgt, bilden (GD_C: 716-719). Die Finanzierung eines Großteils der Mittelbaustellen erfolge über Stipendien oder Haushaltsmittel, wobei Stipendien für Promovierende noch in größerem Ausmaß existieren würden als für Habilitierende. Die Stipendienvergabe erfolge kompetitiv und die Promotionsnote sei dabei ein zentrales Kriterium (GD_A: 4959). Die Phase nach der Promotion wird als „bottle neck“ beschrieben, in der nochmals eine verstärkte Selektion stattfinde (GD_C: 168-171). Die verfügbaren Stellen seien meist nur Teilzeitstellen und daher finanziell nur bedingt attraktiv (GD_C: 175-178; 194-196; 208-209). Auch in der Geschichte hat die Juniorprofessur als neue Stellenkategorie Einzug gehalten, sie wird aber durchaus kritisch eingeschätzt. So würden Juniorprofessuren oft geschaffen, wenn es darum gehe, Geld einzusparen, da diese nur in den seltensten Fällen mit einer Entfristungsoption versehen würden. Positiv werde an der Stellenkategorie sowohl die größere Autonomie, die man als Juniorprofessor*in habe, sowie das Berufsprestige in der Öffentlichkeit bewertet (GD_D: 1160-1164). Andere neue Formate, wie Nachwuchsgruppen, gebe es in der Geschichte quasi nicht (GD_D: 1201). Auch hinsichtlich der Publikationskultur habe es in der Geschichtswissenschaft in den letzten Jahren einige Veränderungen gegeben. Die am meisten bedienten Publikationsformate seien immer noch Beiträge in Sammel- und Tagungsbänden. Um in Sammelbänden publizieren zu können, sei es ebenfalls wichtig, ein gutes Netzwerk zu haben (GD_C: 757-759). Jedoch hätten auch Aufsätze in renommierten Fachzeitschriften an Bedeutung gewonnen (GD_A: 334-336). Bei der Publikation von Qualifikationsarbeiten, herrsche aber weiterhin eine starke Orientierung an traditionellen Formaten vor (GD_A: 470-472). So sei in der Geschichtswissenschaft weder die kumulative Dissertation noch die kumulative Habilitation schon sehr verbreitet oder anerkannt (GD_A: 476-478). Die Monografie stelle immer noch das „Königsformat“ dar wie auch das Buch im Allgemeinen als beliebtestes Format im Fach angesehen werde (GD_C: 14941501). Auch der Publikationsoutput gewinne stetig an Bedeutung für die Karrierechancen im Fach (GD: 301-354). Neben deutschsprachigen Publikationen werde bei Berufungsverfahren zunehmend auch auf die Existenz von internationalen Beiträgen geachtet (GD_A: 344-349). Ob man aber überhaupt internationale Publikationsformate bespielen könne, hänge wiederum stark von der gewählten Spezialisierung ab (GD_C: 380-384). Für eine Karriere in der Geschichtswissenschaft sei darüber hinaus die vorzuweisende Lehrerfahrung von großer Relevanz, da sie eine wichtige Voraussetzung für die Berufbarkeit auf eine

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Professur sei (GD_A: 507-513), ebenso wie wissenschaftliche Preise (GD_A: 356; 505-506). In jüngster Zeit gewinne aber auch die erfolgreiche Einwerbung von Drittmitteln an Bedeutung (GD_A: 499-505). Das Sammeln von Arbeitserfahrung außerhalb der Wissenschaft, wie beispielsweise im Museum, sei nicht per se schädlich für die Karrierechancen. Lediglich ein zu langes Verweilen außerhalb des Wissenschaftssystems, das heißt mehr als zwei Jahre, sei nicht ratsam, da die Gefahr bestehe, den Anschluss an aktuelle Diskurse zu verlieren (GD: 1092-1106). Ein typisches Kennzeichen der Geschichtswissenschaft seien auch die im Vergleich zu anderen Disziplinen anderen Zeithorizonte. Alles dauere gerade im Vergleich zu naturwissenschaftlichen Fächern deutlich länger. Das betreffe auch die Anfertigung von Publikationen (GD_A: 413-415), wozu auch das Schreiben der Habilitation zähle, was im Minimalfall sechs Jahre in Anspruch nehme (GD_A: 88). Die Praxis, mehrere Aufsätze in wenigen Monaten zu verfassen, sei in der Geschichtswissenschaft undenkbar und werde als wenig sinnvoll erachtet (GD: 1494-1506). Die Fach- und Karrierekultur der (Experimental-)Physik Die Teilnehmer*innen der Gruppendiskussion im Fach (Experimental-)Physik waren eine promovierte Physikerin (Kürzel: GD_A), die eine akademische Ratsstelle auf Zeit innehat, und ein promovierter Physiker (Kürzel: GD_B), der auch eine akademische Ratsstelle auf Zeit innehat, aber im Moment eine Professur vertritt. Ein typisches Kennzeichen der physikalischen Arbeitsweise sei die hohe Geräteabhängigkeit der Forschungstätigkeit (GD_B: 301, 2377-2382). Nicht nur in der Experimentalphysik finde ein wesentlicher Teil der Forschung „am Gerät“ statt. Da die verfügbaren Maschinen für spezifische Messungen jedoch rar seien, was Großteils an deren Kostbarkeit liege, seien auch die Messzeiten an der Maschine ein knappes Gut, um das man sich als Forscher*in bewerben müsse. An dieser Stelle wird eine weitere Besonderheit physikalischer Forschungspraxis ersichtlich: die hohe Review-Dichte (GD_B: 1448-1453). Promovierende müssen sich formal um Messzeiten am Gerät bewerben und seien dabei dem Urteil von Gutachter*innen ausgesetzt. Ist das Proposal nicht gut genug, müsse man gegebenenfalls sehr lange auf einen Messzeitraum warten oder bekomme auch überhaupt keinen zugewiesen. Dies könne gleichbedeutend mit einer extremen Verzögerung der Arbeiten an der Qualifikationsschrift, mit dem Scheitern einer Forschungsidee oder sogar des ganzen Promotionsvorhabens sein. Weiterhin werde der wissenschaftliche Nachwuchs auch bei der Einreichung von

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Drittmittelanträgen wie auch von Konferenz- oder Zeitschriftenbeiträgen mit Begutachtungen konfrontiert. Publikationsformate, die für eine wissenschaftliche Karriere als besonders wichtig eingeschätzt würden, seien Beiträge in internationalen Peer-Reviewed-Journals mit einem hohen Impact Factor (GD: 554-571). Deutschsprachige Publikationen im Buchformat, wie ein Beitrag in einem Hand- oder Lehrbuch, würden nur eine untergeordnete Rolle spielen und würden, wenn überhaupt, nur von den bereits etablierten Wissenschaftler*innen verfasst (GD_A: 1644-1675). Die spezifische Publikationskultur der Physik zeige sich schon bei den Qualifikationsarbeiten, die meist, oder fast ausschließlich kumulativ in Form von Artikeln angefertigt würden. Handelt es sich nicht um Qualifikationsarbeiten, werde ein Artikel nur selten in Alleinautorenschaft verfasst. Meist würden Artikel in CoAutorenschaft geschrieben, wobei die Reihenfolge der genannten Autor*innen auch Auskunft über deren Beitrag zum Paper wiedergebe. Der bzw. die erst genannte Autor*in habe die Arbeit maßbeglich durchgeführt, der bzw. die zuletzt Genannte sei der bzw. die Ideengeber*in gewesen und alle Autor*innen, die dazwischen genannt würden, seien unterstützend tätig gewesen (GD: 537-552). Auch das Einreichdatum sei ein bedeutendes Merkmal der Publikation. Wenn nämlich mehrere Arbeitsgruppen am gleichen Thema arbeiten, werde derjenigen die Reputation zuteil, die die Ergebnisse als Erste publiziere (GD_B: 14301437). Die Art der Publikation lasse auch auf den Forschungsprozess schließen, der zu diesem Forschungsoutput geführt habe. So sei die wichtigste Organisationseinheit in der Physik die Arbeitsgruppe und ein gruppenförmiger Arbeitsstil stelle die Norm dar. Es herrsche eine hohe Interaktionsdichte, denn man sehe sich fast täglich und durch die arbeitsteilige Organisation würden gegenseitige Interdependenzen entstehen (GD_B: 1349-1355; 1877-1883). Über den regelmäßigen Kontakt würde man zudem ständig direktes wie auch indirektes Feedback in Bezug auf seine Arbeit bekommen (GD_B: 1337-1340). Die intensive Zusammenarbeit in der Arbeitsgruppe führe auch dazu, dass ein „Wir-Gefühl“ entstehe, und die Arbeitsgemeinschaft könne auch familienähnliche Züge annehmen. Informelle Selbst- und Fremdbewertungen würden dadurch begünstigt. Es herrsche eine Anwesenheitskultur vor und Arbeitszeiten würden stark durch den Forschungsgegenstand wie auch die zugewiesenen Messzeiten bestimmt. Dies führe nicht selten dazu, dass Arbeits- und Privatsphäre miteinander verschmelzen würden. Zwischen Werktagen und den Wochenenden bestehe kaum ein Unterschied, denn die „Sache“ diktiere den Zeitrhythmus. Die wissenschaftliche Arbeit werde somit zur Lebensform und bestimme maßgeblich den Lebensrhythmus und fordere eine ständige zeitliche wie auch räumliche

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Verfügbarkeit, was sich auch in den oft weltweiten Mobilitätszwängen ausdrücke. So seien Auslandsaufenthalte, um Messungen an besonders raren Apparaten durchzuführen, durchaus üblich und auch das Verbringen der PostdocPhase im Ausland, am besten in der USA (GD_A: 166), sei eine implizite Normalitätsannahme. Wie es keine formal festgeschriebenen Arbeitszeiten gebe, so gebe es auch kaum formale Regularien, an denen sich die Nachwuchsausbildung orientiere. Formale Feedbackmechanismen, oder Betreuungsvereinbarungen wie auch Karrieregespräche seien unüblich im Fach. Feedback bekomme man als Doktorand*in vor allem in informellen Gesprächen und auch nicht notwendigerweise durch den Doktorvater oder die Doktormutter (GD_B: 1906-1945). Regelmäßige Einzelgespräche mit dem Doktorvater seien zum einen wegen der meist großen Anzahl an zu betreuenden Promovierenden nicht leistbar wie auch obsolet, da die Leistung und der Fortschritt der Arbeit meist schon an den Apparaten sichtbar werde (GD_B: 1958-1969). Wichtige Ansprechpartner*innen seien oft andere, bereits promovierte Wissenschaftler*innen der Arbeitsgruppe und auch das indirekte Feedback zur eignen Arbeit über Peer-Review-Verfahren sei von großer Wichtigkeit. Während in der Promotionsphase die Vergemeinschaftung durch die nahe Zusammenarbeit in der Arbeitsgruppe bedeutsam sei, sei die besondere Herausforderung in der Postdoc-Phase, an Eigenständigkeit und Unabhängigkeit zu gewinnen und als individuelle*r Wissenschaftler*in sichtbar zu werden. Um in der Postdoc-Phase mehr Autonomie zu gewinnen, empfehle es sich, eine eigene Nachwuchsgruppe aufzubauen (GD_A: 264). Die Leitung einer solchen Gruppe werde auch in Berufungsverfahren als Äquivalent zur Habilitation akzeptiert (GD_B: 282). Die Juniorprofessur sei dagegen bisher noch nicht sehr hoch im Fach angesehen und werde wegen ihrer meist finanziellen Unterausstattung und oft nicht vorhandenen „Tenure-Option“ als weniger attraktiv und weniger geeignet angesehen, um sich berufungsfähig zu machen (GD_B: 301313). Ebenso spiele die Lehrerfahrung nur eine untergeordnete Rolle für die Berufbarkeit auf eine Professur. Ein Weg, um als Nachwuchswissenschaftler*in seine bzw. ihre Sichtbarkeit zu erhöhen, sei durch die Präsentation von Forschungsergebnissen auf Fachtagungen (GD: 1512-1525). Tagungen würden unter anderem zum Netzwerken dienen (GD_A: 1553), als Testlauf für potentielle Publikationen (GD_B: 15601568) wie auch als Übungsmanege für Berufungsvorträge. Da die Physik eine sehr schnelllebige Wissenschaft sei und es immer darum gehe, die neusten Ergebnisse zu präsentieren, bevor dies eine andere Arbeitsgruppe tue, sei die Aktualität der Beiträge von besonders großer Wichtigkeit (GD_B: 1406-1410).

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4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen

Auch sollen keine Ideen präsentiert werden, sondern vielmehr schon fast publikationsreife Ergebnisse (GD_B: 1398-1401). Sowohl bei Publikationen als auch bei der Ergebnispräsentation werde die hohe Kompetitivität im Fach offenkundig, da es darum gehe, als Erster etwas herauszufinden. Oft würden verschiedene Arbeitsgruppen am gleichen Thema arbeiten und nur die Gruppe, die das Ergebnis als erste öffentlich mache, könne das Thema für sich besetzen. Worin man zwangsläufig Zeit investieren müsse, sei die Sicherung der Finanzierung. Oft würden zu besetzende Stellen über Kontakte vergeben werden und Personal würde zwischen Arbeitsgruppen ausgetauscht werden (GD_B: 192200; 2225-2240). Die meisten Stellen in der Physik unterhalb der Professur würden über eingeworbene Drittmittel finanziert werden. Lange Vertragslaufzeiten, die über ein Jahr hinausgingen, seien zumindest in der Promotionsphase die Seltenheit, in der Postdoc-Phase seien sie jedoch häufiger anzutreffen (GD: 2388-2421; 2432-2450). Eine längere Beschäftigungsperspektive gebe es kaum und die Unsicherheit werde als Normalität bagatellisiert, denn man verlasse sich darauf, dass es schon irgendwie weitergehen werde und neue Drittmittel eingeworben werden (GD_B: 2269-2274; 2423-2428). Der Finanzierung würde keine große Bedeutung beigemessen. Dies könne daran liegen, dass sich die Gruppe derjenigen Physiker*innen, die sich für eine wissenschaftliche Laufbahn entschieden hätten, diesbezüglich bereits selbst selektiert habe. Diejenigen, für die eine gute Entlohnung ihrer Arbeit von besonderer Wichtigkeit sei, würden in die Industrie gehen, denn als Physiker*in habe man auch in der Industrie gute Berufschancen (GD_A: 147). Vertrauen spiele in der Experimentalphysik auch bei der Nutzung der Labore und Apparaturen eine Rolle, denn man müsse darauf vertrauen, dass, wenn man dem wissenschaftlichen Nachwuchs gestatte, diese selbstständig zu nutzen, auch etwas dabei herauskomme und die wertvolle Zeit, die ihnen an der Maschine zur Verfügung gestellt werde, keine Fehlinvestition gewesen sei (GD: 1064-1069). Andererseits müsse der wissenschaftliche Nachwuchs auch darauf vertrauen können, dass die Betreuenden so vorausschauend seien sicherzustellen, dass ihre Nachwuchswissenschaftler*innen ihre Qualifikationsarbeit erfolgreich abschließen können, wenn sie sie ein risikoreiches Forschungsvorhaben durchführen lassen (GD: 1071-1086). Eine andere Form von Vertrauen brauche man als Experimentalphysiker in seine Experimente bzw. den Ausgang derselben. Da der Ausgang höchst ungewiss sei und das Experiment auch scheitern könne, müsse man darauf vertrauen, dass am Ende ein (publizierbares) sinnvolles Ergebnis herauskomme (GD: 1094-1103; 1122-1123, 18111833).

4.2 Stichprobeneingrenzung und Felderkundung

133

Die Fach- und Karrierekultur der Betriebswirtschaftslehre Die Teilnehmer der Gruppendiskussion im Fach Betriebswirtschaftslehre waren ein Juniorprofessor (Kürzel: GD_A), ein Postdoc (Kürzel: GD_B), der eine wissenschaftliche Mitarbeiterstelle innehat, und ein Doktorand (Kürzel: GD_C), der erst vor kurzem seine Promotion begonnen hat und ebenfalls über eine wissenschaftliche Mitarbeiterstelle am Lehrstuhl finanziert wird. Im Fach werde ein lockerer Umgang miteinander gepflegt, das Klima sei durchaus kompetitiv, aber man gönne sich gegenseitig auch den Erfolg. Die einzelnen Spezialisierungsbereiche seien in Deutschland nicht sehr groß, weshalb man sich als im gleichen Themengebiet Forschende*r auch immer wieder begegne und es sich daher am besten mit niemandem richtig verscherzen sollte. Diesbezüglich herrsche eine ambivalente Situation vor, denn man sei gleichzeitig Kooperationspartner*in in Forschungsprojekten und Konkurrent*in um dieselben Positionen (GD: 788-836). Das Hauptbewertungskriterium im Wettbewerb um diese Positionen sei ganz klar der Publikationsoutput, den man vorzuweisen habe. Wichtigstes Publikationsformat der Betriebswirtschaftslehre würden Artikel in internationalen Fachzeitschriften mit hohem Impact Factor darstellen. Karriererelevant sei nicht allein die Quantität der Publikationen, sondern vor allem die Qualität derselben (GD_A: 146-147). Ein Maß für die Qualität würden beispielweise die Impact Factors der Zeitschriften darstellen. Bücher seien allein aufgrund ihres geringen Impact Factors schon weniger attraktive Formate (GD_A: 143-144). Das gewählte Publikationsformat für Qualifikationsarbeiten, insbesondere für die Dissertation, habe eine gewisse Signalwirkung, denn es gelte, wer kumulativ promoviere, strebe eine wissenschaftliche Karriere an. Das Verfassen einer Monografie signalisiere dagegen meist, dass man plane, die wissenschaftliche Karrierelaufbahn nach der Promotion zu verlassen (GD_B: 156-159; GD_A: 169173). Die Publikationskultur habe sich aber erst in den letzten Jahren in diese Richtung bewegt, früher sei auch die Monografie ein durchaus übliches Format gewesen, auch wenn man eine Wissenschaftskarriere angestrebt habe (GD_B: 187-189). Auch sei es ratsam, bereits während der Promotionszeit an seiner Publikationsliste zu arbeiten, denn je früher man anfange, desto besser sei dies für die späteren Karrierechancen (GD_C: 199-202). Die Publikationen seien das zentrale Erfolgskriterium für eine zukünftige Karriere in der Wissenschaft und hätten den Einfluss von Netzwerken und die Signalwirkung des Namens des Doktorvaters eindeutig abgelöst (GD: 219-245; 284-289). Lediglich die Universität, an der der Doktortitel erworben werde, habe gegebenenfalls noch Einfluss auf die Karrierechancen, nicht aber die Namen der Betreuenden (GD: 254-260). Dem Wandel des Wissenschaftssystems und seiner Bewertungs- und

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4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen

Qualitätssicherungsverfahren würden große Zustimmung und Vertrauen durch die Betriebswirt*innen entgegengebracht. Die Bewertungskriterien in Berufungsverfahren würden als meritokratischer und daher fairer erlebt, und auch die Zunahme von Evaluationen werde positiv gesehen (GD_B: 296-311; 660695). Neben den Publikationen sei auch die Lehrerfahrung von Relevanz für die Berufbarkeit, jedoch in deutlich geringerem Ausmaß als die Publikationsliste (GD_A: 635-638). Für promovierte Betriebswirtschaftler*innen gebe es gerade in Deutschland auch sehr gute Karriereoptionen außerhalb der Wissenschaft (GD_B: 52-61; GD_A: 84-92). Durch die im Fach üblichen Praxiskooperationen mit Unternehmen werde der Wechsel in die Wirtschaft noch erleichtert (GD_C: 109-114; GD_C: 720-721; 746-748; 754-776). Die Entscheidung für oder gegen eine wissenschaftliche Karriere werde daher meist erst nach der Promotion gefällt (GD_B: 78-82). Jedoch sei anzuraten, dass wenn man in die Wirtschaft gehen wolle, nicht zu lange damit zu warten, da man ab einem gewissen Alter und bei gleichzeitig nicht vorhandener Praxiserfahrung unattraktiv für diese werde (GD_C: 130-132; 407-412). Auch die Selbstständigkeit sei für viele Betriebswirt*innen eine mögliche Alternative oder zumindest für diejenigen, die nicht zu risikoavers seien (GD: 1237-1302). Für diejenigen, die sich für den wissenschaftlichen Karriereweg entschieden hätten, erscheine ein Wechsel in die Wirtschaft unattraktiv (GD: 323-386). Weiterhin gelte ein Wechsel von der Wissenschaft auf den außerwissenschaftlichen Arbeitsmarkt und wieder zurück als eher unüblich im Fach. Neben der Universitätsprofessur, die bei der Entscheidung für eine Wissenschaftskarriere klar die erste Wahl darstelle, seien eine Fachhochschulprofessur sowie eine Professur an einer privaten Hochschule ebenso durchaus attraktive Karriereziele und würden keinesfalls per se als schlechter bewertet. Wer jedoch forschen und nicht vor allem lehren wolle, sehe eindeutig die Universitätsprofessur als attraktivste Option an (GD: 412-420; 1387-1410). Auch eine internationale wissenschaftliche Karriere, also Professuren in Ländern außerhalb Deutschlands, würden als durchaus attraktiv eingeschätzt (GD: 426-434; 1329-1336). Vertrauen sei ein wichtiges Thema in der Betriebswirtschaftslehre, wenn es um das Teilen von Forschungsideen sowie die Nutzung und Weitergabe von Forschungsdaten in Kooperationsprojekten gehe (GD_B: 972-1004). Dabei werde auch gern das „Tit-for-Tat- Prinzip“ angewandt, auch hinsichtlich des Arbeitsaufwandes, den man in ein Projekt investiere. Man erbringe einen Teil der Arbeit und warte dann erst ab, bis auch der Kooperationspartner*innen wieder einen Teil der Arbeit erbracht hätten, bevor man seine Arbeiten fortsetze (GD_B: 1017-1022). Wenn es um auftretende Schwierigkeiten bei der Durchführung der

4.3 Biografische Interviews als Datenerhebungsinstrument

135

eigenen Forschung gehe oder auch bei Problemen mit dem Vorgesetzten, tausche man sich recht offen mit den Kolleg*innen aus und vertraue darauf, von diesen nicht in die „Pfanne gehauen zu werden“. Bei karrierestrategischen Fragen bespreche man sich vor allem mit statusgleichen, aber auch mit erfahreneren Wissenschaftler*innen (GD: 1130-1194). Der Umgang miteinander sei offen, locker und vertrauensvoll. 4.3 Biografische Interviews als Datenerhebungsinstrument Zentrales Datenerhebungsverfahren der vorliegenden Studie ist das narrative biografische Interview. Das narrative Verfahren bietet die Möglichkeit, konkrete Erfahrungen und Einschätzungen zum Verlauf der bisherigen Bildungs- und Erwerbsbiografie der Interviewten zu erlangen (Schütze 1983). Dabei wird den Nachwuchswissenschaftler*innen ermöglicht, frei zu erzählen und selbst ihre Relevanzen zu setzen (Hermanns 1981). Somit bietet sich die Chance, Auskunft über die „retrospektivische Beurteilung und Einschätzung von Statusübergängen und anderen relevanten Geschehnissen“ (Hirzinger 1991: 12) zu erhalten. Schlüter (2013) fasst den Vorteil des biografischen Erhebungsverfahrens folgendermaßen zusammen: „Der Vorteil mit Biographien statt mit andersgearteten Texten zu arbeiten, ist der, dass sie rationale und emotionale Elemente enthalten, sie enthalten reflektierte und nicht reflektierte Ausdrucksweisen, sie enthalten Erfahrungsaufschichtungen, die die biographische Wahrnehmungs- und Verarbeitungsmechanismen erkennbar zeigen. Sie enthalten Aussagen über soziale Mikro- und Makrostrukturen, die, durch den Filter der Biographie gerastert, viel mehr sind, als nur Beschreibungen sozialisierter Habitusformen. Sie sind auch Beschreibungen über den individuellen Umgang mit sozialen als äußerlich wahrgenommenen Strukturen“ (Schlüter 2013: 293 f.). Auch der Umstand, dass Bourdieus Feldtheorie den zentralen theoretischen Rahmen dieser Arbeit bildet, legt ein narratives biografisches Verfahren zur Datenerhebung nahe. Bourdieu zufolge wird der Habitus durch die soziale Laufbahn der Akteure in einem Feld geprägt und der jeweilige Lebenslauf der Akteure, der sie zu einer bestimmten Position im Feld führt („(herrschend/beherrscht, orthodox/häretisch)“ (Bourdieu und Wacquant 1996c: 149)), bewirkt auch, dass sich bei den Akteuren ein bestimmtes „Interesse an feldspezifischen Sinn- und Wertstiftungen“ (Fröhlich und Rehbein 2009: 129) ausbildet. Durch das Führen von bildungs- und berufsbiographischen Interviews wird es möglich,

136

4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen

retrospektiv den sozialen Lebenslauf der Nachwuchswissenschaftler*innen im wissenschaftlichen Feld von Beginn an bis hin zu der Position, die die Akteure zum Interviewzeitpunkt innehaben, nachzuvollziehen. Dies ist von besonderer Wichtigkeit, da Bourdieu (1996) zufolge die „sozialen Akteure […] das Produkt der Geschichte [sind], der Geschichte des ganzen sozialen Feldes und der im Laufe eines bestimmten Lebenswegs in einem bestimmten Unterfeld akkumulierten Erfahrung. [...] Die Art und Weise, wie man auf eine Position kommt, ist im Habitus angelegt. Anders formuliert, die sozialen Akteure bedingen, vermittelt über sozial und historisch zustande gekommene Wahrnehmungs- und Bewertungskategorien, aktiv die Situation, die sie bedingt“ (Bourdieu und Wacquant 1996c: 170). Begreift man Verstehen als soziale Praxis, ist es laut Engler (2001), auch wenn man bildungs- und erwerbsbiografische Interviews als Datenbasis heranzieht, nicht möglich auf die „Innenwelt von Subjekten, [...] auch nicht bei der Interpretation von berufsbiographischen Erzählungen Bezug […] [zu nehmen]. [...] [Denn] für die Denkweise Bourdieus [ist] zentral, dass sie sich auf eine in Gegenständen, Handlungen und Äußerungen von AkteurInnen erfassbare und erfahrbare Welt bezieht. Und diese soziale Welt ist es, die für Bourdieu den Gegenstand der Soziologie bildet“ (Engler 2001: 119f.). So nimmt Bourdieu an, dass die Erzählung der eigenen Biografie „einem gesellschaftlichen Muster folgt. [Die Biographieträger*innen] [...] folgen einem Muster der biographischen Darstellungsweise [...]. [S]ogar die (Selbst-)Darstellungsform, die sich als autonom gibt, [folgt] einem vergesellschafteten Imperativ“ (Schlüter 2013: 279). An Bourdieus Aufsatz „Die biographische Illusion“, in dem er sich ebendieser Thematik ausführlich widmet, wurde starke Kritik geübt. Laut Schlüter (2013) würde Engler „die heftige Abwehr [...] auf das dominante Verständnis [zurückführen], dass BiographieforscherInnen sich und andere Menschen nicht allein als vergesellschaftete und damit im allgemeinen Verständnis von Sozialisation als sozial gleiche und angepasste Individuen betrachten möchten, sondern auch als einzigartige mit Eigensinn ausgestattete Subjekte wertschätzen“ (Schlüter 2013: 279). Bourdieu ging es aber nicht darum einen sozialen Determinismus zu proklamieren, sondern herauszustellen, dass Individuen stets in soziale Kontexte eingebettet sind, und daher muss man, um ihr

4.3 Biografische Interviews als Datenerhebungsinstrument

137

Handeln, ihre Denk- und Wahrnehmungsmuster immer vor dem Hintergrund ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten, (Sub)Felder verstehen. Denn „[d]as Individuum ist im Verständnis Bourdieus wie die Gesellschaft eine soziale Existenzform“ (ebd.: 279 f.). Bourdieus „soziale Praxeologie“ vereint somit einen strukturalistischen mit einem konstruktivistischen Ansatz“ (Wacquant 1996: 29). Wacquant zufolge ist daher Bourdieus Ansatz zum einen von „common-sense-Vorstellungen [befreit], um die objektiven Strukturen (den Raum der Positionen) zu konstruieren […]. Als zweites bezieht [er] [...] dann die unmittelbare Erfahrung der Akteure wieder ein, um so die Wahrnehmungs- und Bewertungskategorien (Dispositionen) explizit zu machen, die ihr Handeln und ihre Vorstellungen (die von ihnen bezogenen Positionen) von innen heraus strukturieren“ (ebd.: 29). Und dies bringt Schlüter zu der Schlussfolgerung: Wenn „Biographien als soziale Dokumente von Bildungsprozessen gelesen werden […], sollte man - so meine Hypothese - mit Bourdieus Werkzeugen biographisch arbeiten können“ (Schlüter 2013: 281). Um Informationen über die sozialen Laufbahnen der Akteure zu bekommen, sind standardisierte Fragebögen sowie die Methode der (nicht-)teilnehmenden Beobachtung nur als begrenzt förderlich anzusehen, da sie anders als Interviews nicht die Möglichkeit bieten, einerseits komplexe Verläufe, auch solche, die bereits in der Vergangenheit liegen, sowie Prozesse, die äußerlich nicht sichtbar und somit nicht beobachtbar sind, zu erfassen (Schütze 1987: 15f.). Weiterhin ermöglicht das biografische Interview, nicht nur das reflexive Wissen der Akteure zu erfassen, sondern über die Thematisierung ihrer Handlungspraxis auch ihr praktische Wissen erfahrbar zu machen. Trotz der vielen Vorteile besitzt das narrative Interview auch Grenzen. Diese liegen darin, dass alltägliche Routinen, die von den Interviewten meist als nicht erzählenswert angesehen werden, von ihnen auch im Interview nicht thematisiert werden (Brüsemeister 2008: 104 f.). Weiterhin wird bei den Interviewpartner*innen eine gewisse Erzählkompetenz vorausgesetzt, was bei der Zielgruppe der vorliegenden Studie, den Nachwuchswissenschaftler*innen, als gegeben angenommen werden kann. 4.3.1 Konzeption des Interviewleitfadens Der Interviewleitfaden wie auch die Interviewsituation wurden gemäß den Verfahrensvorschlägen zum narrativen Interview gestaltet. Da es sich um eine

138

4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen

„offene Interviewmethode“ (Brüsemeister 2008: 105) handelt, wurden die Fragen vorab nicht genau festgelegt und werden auch nicht linear „abgearbeitet“. Das narrative Interview gliedert sich im Wesentlichen in drei Teile (Schütze 1983: 285f.; Brüsemeister 2008: 105). Eine „Aufwärmphase“, die durch einen erzählgenerierenden Stimulus eingeleitet wird. In dieser Phase besteht die Rolle des bzw. der Interviewenden darin, „den Informanten/die Informantin zu bewegen, [...] eine zusammenhängende Geschichte aller relevanten Ereignisse von Anfang bis Ende zu erzählen“ (Hermanns 1992: 119). Die erzählgenerierende Frage lautete in der vorliegenden Studie folgendermaßen: „Vielen Dank, dass Sie sich zu diesem Interview bereit erklärt haben. Wie Sie sicher schon wissen, möchten wir in unserer Untersuchung Daten zur Laufbahn von Nachwuchswissenschaftler*innen zusammentragen. Dabei interessieren wir uns für die Besonderheiten der wissenschaftlichen Laufbahn in Ihrem Fach und Ihre ganz persönlichen Erfahrungen damit. D.h. mich interessiert vor allem, wie Ihre eigene wissenschaftliche Karriere bisher verlaufen ist, was für Erfahrungen Sie auf bisherigen Arbeitsstellen und Qualifizierungsphasen gemacht haben und was Ihre bildungs- und erwerbsbiographischen Entscheidungen dabei beeinflusst hat. Könnten Sie bitte möglichst ausführlich Ihren bisherigen wissenschaftlichen Werdegang und Ihre derzeitigen Aufgaben beschreiben? Wie kam es zu der Berufswahl Wissenschaft? Gab es eine Entscheidung dazu? Wussten Sie von Anfang an, wo Ihr Weg hinführen sollte? Wie hat damals Ihr privates Umfeld auf die Entscheidung reagiert? Was ist das Spannende an Ihrem Fach? Was begeistert Sie persönlich an den Themen, die Sie bearbeiten?“ Durch den Stimulus wird eine Stegreiferzählung des Erlebens seitens des Interviewten initiiert, wobei der bzw. die Interviewer*in der autobiografischen Erzählung folgt, indem er bzw. sie aufmerksam und aktiv zuhört. Unterbrechungen seitens des Interviewers bzw. der Interviewerin erfolgen dabei (im Idealfall) nicht (Hermanns 1992: 120). Bei der Formulierung des Erzählstimulus wurde darauf geachtet, dass die Interviewpartner*innen frei den Beginn der biografischen Erzählung und damit den Zeitpunkt, an dem er, bzw. sie selbst den Anfang der eigenen wissenschaftlichen Laufbahn verortet, wählen kann. Nach Hermanns sind Stegreiferzählungen „spontane Erzählungen, die nicht durch Vorbereitung oder durch `standardisierte´ Versionen einer dauernd erzählten

4.3 Biografische Interviews als Datenerhebungsinstrument

139

Geschichte vorgeprägt oder vorgeplant sind, sondern aufgrund eines besonderen Anlasses aus dem Stand heraus erzählt werden“ (Hermanns 1992: 119f.). Jedoch sei an dieser Stelle angemerkt, dass die vom Projektteam interviewten Nachwuchswissenschaftler*innen durchaus den Eindruck erweckt haben, dass sie darin geübt sind, ihren CV vorzutragen. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass der wissenschaftliche Werdegang auch im beruflichen Alltag, insbesondere bei Statusübergängen, relevant wird und sowohl bei Bewerbungen um Anschlussstellen als auch bei der Beantragung von Drittmitteln dargestellt werden muss. Eine weiterer Grund für die Professionalität der Darstellung des eigenen Lebenslaufs könnte, wenn man Hardering (2011) folgt, auch auf eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung zurückzuführen sein, denn der Autorin zufolge ist es zu einem ,,Wandel des Biographiemusters“ (Hardering 2011: 175) gekommen, der sich unter anderem, in einem „intensivierten Darstellungszwang“ (Hardering 2011: 175) ausdrückt, was dazu geführt hat, dass „Arbeit […] zu einem wichtigen Biographiegenerator avanciert“ (Hardering 2011: 175) ist. Nachdem die Interviewpartner*innen ihre Stegreiferzählung zum Abschluss gebracht haben, folgte ein immanenter Nachfragenteil, in dem von den Interviewten bereits selbst angesprochene Themenbereiche durch den bzw. die Interviewer*in nochmals aufgegriffen wurden und eine detailliertere Ausführung erbeten wurde. Zuletzt wurden die exmanenten Nachfragen gestellt. Diese haben sich auf Themenbereiche bezogen, die im bisherigen Interviewverlauf noch nicht adressiert wurden, aber von Forschungsinteresse sind. Die exmanenten Fragen wurden flexibel eingesetzt, in Abhängigkeit davon, was der bzw. die Interviewpartner*in vorher bereits von selbst aufgegriffen hat, und werden daher nicht immer vollständig abgefragt. Zu den angesprochenen Themen zählen in der vorliegenden Studie u.a. die Einschätzung des eigenen Karriereverlaufs unter Berücksichtigung von Fachspezifika sowie vertrauensrelevanten Situationen, die Bedeutung von Betreuungspersonen und Mentor*innen, die Einschätzung der allgemeinen Karrierechancen und Arbeitsbedingungen im Fach wie auch an der Hochschule im Allgemeinen, die Karrierepläne und -ziele der Nachwuchswissenschaftler*innen sowie die Bewertung von Nachwuchsfördermaßnahmen45.

45

Der Interviewleitfaden, der der vorliegenden Studie zugrunde liegt, ist im Anhang zu finden.

140

4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen

4.3.2 Theoretische Fallauswahl Ziel der theoretischen Fallauswahl ist es, solche Fälle zu selektieren, von denen anzunehmen ist, dass ihre „Handlungsmuster und die theoretischen Bausteine, die man aus ihnen entwickelt, breit genug streuen, so dass sich das untersuchte Phänomen ausreichend erklären lässt“ (Brüsemeister 2008: 173). Zu den vorab festgelegten Stichprobenkriterien zählen sowohl die fachliche Zugehörigkeit als auch die Statuspassage der Nachwuchswissenschaftler*innen (vgl. Kapitel 4.2.1). Weiterhin wird aufgrund der Evidenz geschlechterdifferenter Karrierechancen und Zuschreibungen im wissenschaftlichen Feld (vgl. Kapitel 3.2.3) darauf geachtet, dass sowohl Männer wie auch Frauen im Sample vertreten sind. Im Forschungsprozess wird die „Entscheidung, welcher Fall als Nächstes zu untersuchen ist, […] von vorher ausgewerteten Interviews abhängig gemacht“ (Brüsemeister 2008: 173f.). Durch die Methode des „permanenten Vergleichs“ (Glaser 1965) wird das Sample sowohl um maximal als auch minimal kontrastive Fälle erweitert (Strauss und Corbin 1996: 63ff.; Alheit 1999: 12 ff.). Erst wenn eine „theoretische Sättigung“ (Strauss 1998: 69) erreicht wird, d.h. dass alle wesentlichen Informationen über das Forschungsfeld zusammengetragen wurden und durch die weitere Datenerhebung „keine neuen Eigenschaften der Kategorie mehr [entdeckt werden konnten] und [es] auch zu keiner relevanten Verfeinerung des Wissens um diese Kategorie mehr“ (Strübing 2014: 32) gekommen ist, wird die Datenerhebung abgeschlossen. Insgesamt wurden im Kölner Teilprojekt 20 bildungs- und erwerbsbiographische narrative Interviews mit Nachwuchswissenschaftler*innen verschiedener Qualifizierungsstufen durchgeführt. Davon wurden sechs mit Nachwuchswissenschaftler*innen der Betriebswirtschaftslehre und jeweils sieben mit Geschichtswissenschaftler*innen und Physiker*innen realisiert. 14 Wissenschaftler*innen waren männlich und 6 weiblich. Die Interviews wurden im Zeitraum von März 2014 bis Januar 2015 durchgeführt. Es waren fünf verschiedene Interviewer*innen im Einsatz, verschiedenen Geschlechts und verschiedener Karrierestufen. Die Interviews wurden an unterschiedlichen Orten geführt, im Büro der Interviewpartner*innen, dem Büro der Interviewer*innen oder aber im Café, und dauerten zwischen ein- und zweieinhalb Stunden. 4.4 Dateninterpretation nach dem Verfahren der Grounded Theory Ziel der Studie ist es, eine gegenstandsverankerte Karrieretheorie unter vertrauensrelevanten Aspekten für das wissenschaftliche Feld zu entwickeln. Die folgenden Forschungsfragen waren dabei handlungsleitend:

4.4 Dateninterpretation nach dem Verfahren der Grounded Theory

141

§ Welche Vertrauens- und bzw. oder Misstrauenserfahrungen machen Nachwuchswissenschaftler*innen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg? Wie entstehen sie und wie manifestieren sie sich? § Inwiefern führen diese Vertrauens- und bzw. oder Misstrauenserfahrungen zum Entstehen eines Vertrauens der Nachwuchsakteure in den wissenschaftlichen Karriereweg? Und welche (Kontext)Faktoren wirken darüber hinaus intervenierend auf den Vertrauensbildungsprozess? § Wie unterscheiden sich die Karrierestrategien, d.h. die karriererelevanten Investitionen und Modi der Selbstpräsentation der Nachwuchswissenschaftler*innen in Abhängigkeit von ihren Vertrauens- bzw. Misstrauenserfahrungen wie auch in Abhängigkeit von der Ausprägung ihres Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg? § Inwiefern unterscheiden sich die angestrebten Karriereziele und karrierebezogenen Anspruchshaltungen der Nachwuchswissenschaftler*innen in Abhängigkeit von ihren Vertrauens- bzw. Misstrauenserfahrungen, ihren Karrierestrategien wie auch der Ausprägung ihres Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg? Zur Beantwortung der forschungsleitenden Fragen wurde sich an den Verfahrensvorschlägen zur Datenauswertung gemäß der Grounded Theory orientiert. Der Forschungslogik der Grounded Theory zufolge beginnt die Auswertung der Daten nicht erst, wenn der Datenerhebungsprozess vollständig abgeschlossen ist. Dabei kommt die „Methode der expliziten ad hoc Kodierung des Datenmaterials [zum Einsatz], bei der das Kategorienschema schrittweise (erst) aufgebaut wird“ (Kelle 1994: 294). Die Kategorien entstehen erst durch den Kodiervorgang selbst, bei dem der Forscher bzw. die Forscherin theoretisch sensibilisiert die Daten mit Codes versieht (Alheit 1999: 14f.). Folglich sind die Kategorien noch nicht vorab in Form eines Kategorienschemas festgelegt, sondern entstehen erst im Laufe des iterativ-zyklischen Forschungsprozesses. Die einzelnen Phasen bzw. Kodierschritte, die zur Generierung der gegenstandsbezogenen Karrieretheorie durchlaufen wurden, werden nachfolgend im Detail vorgestellt 4.4.1 Offenes Kodieren Die Datenauswertung erfolgt gemäß den Verfahrensvorschlägen der Grounded Theory in drei Stufen. Zu Beginn des dreistufigen Vorgehens steht das offene

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4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen

Kodieren. Ziel dieses Kodierschritts ist ein Aufbrechen der Daten. Durch den Rückgriff auf das „explizierte[...] Kontextwissen[...] („sensibilisierendes Konzept“)“ (Alheit 1999: 15) der Forscher*innen werden erste vorsichtige Interpretationsvorschläge formuliert. Jegliches Vorwissen, sowohl Theoretisches als auch Praktisches, wird dabei nicht als „bindende Verlaufsprognose, sondern als Quelle der Inspiration für ein angemessenes Verständnis vorliegender Daten“ (Strübing 2014: 61) verstanden. Durch das offene Kodieren sollen einerseits explizite wie auch implizite Vorannahmen der Forscherin bzw. des Forschers ergründet werden und andererseits durch das offene Kodieren des erhobenen Datenmaterials irritiert werden (Strauss und Corbin 1996: 44). Dieser Kodierschritt wird auch als „Dimensionalisieren“ bezeichnet, worunter Strauss und Corbin das „Aufbrechen einer Eigenschaft in ihre Dimensionen [verstehen, wobei Dimensionen laut Strauss und Corbin] Anordnungen von Eigenschaften auf einem Kontinuum“ (Strauss und Corbin 1996: 43) sind. Der Prozess des offenen Kodierens wurde in der vorliegenden Studie folgendermaßen umgesetzt. Das Kölner Forschungsteam des VWiN Forschungsverbundes, im Rahmen dessen die vorliegende Dissertation angefertigt wurde46, hatte zum Ziel, das „Erleben von Vertrauen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg“ zu ergründen. Nach Führung der ersten Interviews und einer offenen Kodierung derselben konnten keine Hinweise darauf gewonnen werden, dass es ein allgemeines, intersubjektives Erleben (einer bestimmten Art) von Vertrauen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg gibt. Vielmehr wurde deutlich, dass sich die Erscheinungsweisen wie auch Bezugsebenen von Vertrauen intersubjektiv stark unterscheiden. Auffällig war, dass die Interviewpartner*innen meist insbesondere von interpersonalen Vertrauens- wie auch Misstrauenserfahrungen berichtet haben. Daher erfolgte vor dem Führen weiterer Interviews eine erste Fokussierung auf den Typus des zwischenmenschlichen Vertrauens, die im Interviewverlauf verstärkt adressiert wurden. Da durch die Interviewpartner*innen häufig schwerpunktmäßig die Beziehung zwischen ihnen und ihren Doktoreltern als Erfahrungskontext für Vertrauen wie auch Misstrauen thematisiert wurde, erfolgte zunächst eine weitere Fokussierung auf das Doktorand*innen-Betreuungsverhältnis. Die weitere Datenerhebung und offene Kodierung der Daten führte jedoch zu der Erkenntnis, dass zwar in einigen Interviews Vertrauensbeziehungen wie auch vertrauenserschütternde Erfahrungen vor allem im Rahmen des Promovierenden-Betreuenden Verhältnisses thematisiert wurden. In anderen Interviews war die Beziehung zu den Doktoreltern aber nur von geringer Relevanz und bzw. oder anderen Mentor*innen auf dem 46

Für genauere Informationen zum VWiN Projekt s.h. Kapitel 1.

4.4 Dateninterpretation nach dem Verfahren der Grounded Theory

143

Karriereweg wurde von den Interviewpartner*innen größere Bedeutung zugewiesen. Die weiteren Interviews, wurden dann mit dem Ziel geführt, den Blick auf den Forschungsgegenstand nochmals zu weiten. Demnach wurden möglichst alle intersubjektiven Beziehungen der Interviewpartner*innen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg, sowohl die Beziehung zu Vorgesetzen, Kolleg*innen, anderen Promovierenden oder Habilitierenden als auch sonstigen Mentor*innen und ebenso privaten Vertrauenspersonen, adressiert. Darüber hinaus wurden auch Erfahrungsräume für generalisierte Vertrauens- wie auch Misstrauenserfahrungen näher ergründet, da einige der Interviewpartner*innen auch diese besondere Relevanz zugewiesen haben. 4.4.2 Axiales Kodieren und Entwicklung eines Kodierparadigmas Den zweiten Kodierschritt gemäß den Verfahrensvorschlägen der Grounded Theory bildet das axiale Kodieren. Das Vorgehen zielt darauf ab, eine Gruppierung der Fälle, die zuvor anhand bestimmter relevanter Kategorien beschrieben wurden, „um eine theoretische Achse herum“ (Alheit 1999: 15) vorzunehmen und dadurch ein „phänomenbezogene[s] Zusammenhangsmodell“ (Strübing 2014: 16) zu erarbeiten. Beim axialen Kodieren kommt ebenfalls die Methode des permanenten Vergleichs zum Einsatz, wobei sich der Vergleich auf die empirischen Daten selbst, d.h. die relevanten Kategorien, nicht auf die einzelnen Fälle bezieht. Die Selektion bestimmter Interviewpassagen, wird dabei durch „die zuvor am Material erarbeiteten tentativen Zusammenhangshypothesen“ (Strübing 2014: 30) gesteuert, mit dem Ziel, ebenjene am empirischen Material zu überprüfen. Um das axiale Kodieren systematisch vollziehen zu können, raten Strauss und Corbin an, ein „Kodierparadigma“ zu erstellen (Strauss und Corbin 1996: 78 ff.). Das Kodierparadigma bildet Brüsemeister (2008) zufolge eine Art „Heuristik“ zur Analyse der empirischen Daten, denn „man benötigt auf der einen Seite theoretische Hypothesen, um etwas in Daten zu erkennen [...], aber auf der anderen Seite können diese Theorien Daten auch verfremden. Die Heuristik [...] erlaubt, schon bestimmte Fragen an Daten zu stellen, ohne jedoch Antworten einzugrenzen, die von den Daten ausgehen“ (Brüsemeister 2008: 181). Abbildung 9 zeigt, wie ein derartiges Kodierparadigma aussehen kann.

144

2.5 Kodierparadigma

4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen

25

Was trägt zum Zustandekommen des Phänomens bei?

Welches sind die generellen (kulturellen, technischen, geographischen, etc.) Vorbedingugen für Strategien

Welches sind die Ausprägungen für die aktuelle Fragestellung? Bedingungen für weiteres Handeln?

Phänomen (was wurde im Material als konzeptuell relevant ausgewählt?

Handlungen und Interak onen

Wie gehen die Akteure mit dem Phänomen um?

Worin resul eren die auf das Phänomen bezogenen Handlungen/ Straegien?

Abb. 2.3 Kodierparadigma nach Strauss Abbildung 9: Kodierparadigma gemäß der Grounded Theory Quelle: Strübing 2014: 25

Fragen, die jede Journalistin in ihrem Bericht stellen (und beantworten) sollte: Wer? Was Abbildung als „Phänomen“ bezeichnet meint „von uns begriffWas?inWo? Wann?9Wie? Warum? Zugleich sind diewird, Fragen des ein Kodierparadigmas im gefasstesWesentlichen nurinsofern die systematische Formulierung all jener mit denen lich und theoretisiertes-Vorkommnis in Fragen, den Daten, dessen wir im Alltag den SinnAnalyseschritt von Ereignissenaufzuarbeiten zu erschließengilt“ versuchen, indem wir25). nachDie Kontext es in diesem (Strübing 2014: Zusammenhängen suchen – auch hier zum zeigt sich, wie stark diePhänomens Grounded Theory an „ursächlichen Bedingungen“ tragen Entstehen des bei. Unter Alltagsheuristiken anknüpft und deren Bedeutung für wissenschaftliches Handeln „Kontext“ ist „die spezifische Reihe von Eigenschaften, die zu einem Phänomen unter Beweis stellt. und Corbin 1996: 75), zu fassen. Der Kontext ist auf den gehören“ (Strauss Das Kodierparadigma Strauss & Corbin; vgl. Fn17) ein Vorkonkreten Fall bezogen, ist er (zumindest bezieht sichseit auf situationsspezifische Phänomeneischlag zur Anleitung und Systematisierung gerade des axialen Kodierens, bei demdie genschaften. Dahingegen sind unter den „intervenierenden Bedingungen” ,um die Achse‘ einer Kategorie bzw. eines Konzeptes herum kodiert werden soll. „strukturellen Bedingungen [zu fassen, die auf die Handlungs- und interaktionaDieses Konzept ist die theoretische Fassung dessen, was im Kodierparadigma len Strategien einwirken], die sich auf ein bestimmtes Phänomen beziehen.alsSie „Phänomen“ bezeichnet Ein von uns begrifflich – und insofern erleichtern oder hemmenwird: die verwendeten Strategiengefasstes innerhalb eines spezifitheoretisiertes – Vorkommnis in den Daten, dessen Kontext es in diesem Analyseschen Kontexts“ (Strauss und Corbin 1996: 75) und sind als Vorbedingungen schritt aufzuarbeiten gilt. Mitunter entsteht gerade bei Neulingen in der Arbeit mit für Strategien zu verstehen. Mit „Strategie“ ist das „Handeln und Verhalten in dem Kodierparadigma einige Unsicherheit über die Reichweite der anzustrebenSituationen“ (Brüsemeister 2008: 164) gemeint und beschreibt, wie die Akteure den konzeptuellen Einbindung des jeweiligen Phänomens – und dementsprechend mit dem Phänomen umgehen. Eine bestimmte Strategie führt zu einer bestimmüber die Frage, was als Phänomen gelten kann. Hier ist gerade im Unterschied zum ten „Konsequenz“ und ist als deren Resultat zu betrachten. Das Kodierparaselektiven Kodieren wichtig, dass das axiale Kodieren sich explizit einzelnen empidigma muss jedoch stets vor dem Hintergrund der leitenden Forschungsfragen rischen Vorkommnissen sowie deren Variationen und Abstraktionen zuwendet. Es einer Studie und dem spezifischen Erkenntnisinteresse angepasst werden.

4.4 Dateninterpretation nach dem Verfahren der Grounded Theory

145

In der folgenden Abbildung 10 ist das für die vorliegende Studie entwickelte Kodierparadigma dargestellt.

PHÄNOMENEIGENSCHAFTEN Vertrauensindikatoren

URSÄCHLICHE BEDINGUNGEN Vertrauens- und Misstrauenserfahrungen

PHÄNOMEN

STRATEGIEN

Vertraueninden wissenschaftlichen Karriereweg

Karriereinvestitionen undModusder Selbstpräsentation

INTERVENIERENDE BEDINGUNGEN

KONSEQUENZEN

Sonstige Rahmenfaktoren

Karrierezieldefinition

Abbildung 10: Kodierparadigma zum Phänomen „Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg“ Quelle: Eigene Darstellung

In der vorliegenden Studie ist das konzeptuell relevante Phänomen das Vertrauen der Nachwuchswissenschaftler*innen in den wissenschaftlichen Karriereweg. Ziel ist es zu ergründen, welche Rolle das Vertrauen der Akteure in den Karriereweg, für ihr Verweilen in der Wissenschaft spielt. Es wird angenommen, dass die Vertrauens- und bzw. oder Misstrauenserfahrungen auf ihrem bisherigen Karriereweg wichtige ursächliche Bedingungen für das Entstehen eines Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg sind. Der Differenzierung einschlägiger Vertrauenstheorien folgend (vgl. Simmel 1989, Giddens 1995, Endreß 2002), wird davon ausgegangen, dass Nachwuchswissenschaftler*innen sowohl in Interaktion mit anderen Akteuren auf dem akademischen Qualifizierungsweg Vertrauen und bzw. oder Misstrauen erfahren können (interpersonales Vertrauen). Darüber hinaus können die Jungforscher*innen generalisierte vertrauensbildende bzw. -erodierende Erlebnisse in Interaktion mit ihrem wissenschaftlichen Bezugsfeld und dessen Selbststeuerungsinstrumenten wie auch in Interaktion mit dem universitären Beschäftigungssystem sammeln, die in den Interviews als Positiv- oder auch Negativerlebnisse umschrieben werden. Auf die Existenz von interpersonalen vertrauensbildenden bzw. -erschütternden

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4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen

Erfahrungen wird, den Vorschlägen von Hartmann und Sztompka folgend, neben der direkten Benennung derselben als solche durch die Interviewpartner*innen, durch die Beschreibung des Verhältnisses anhand seiner Dauer, der Wechselseitigkeit der Vertrauensbeweise wie auch der Machtverteilung in der Beziehung erfasst (vgl. Hartmann 2011, Sztompka 1999). Dieses Vorgehen ist notwendig, da, wie bereits Endreß (2012) konstatiert, das Problem besteht, dass „Vertrauensverhältnisse zumeist so nah [sind], dass sie sich einer (wissenschaftlichen) distanzierten Analyse zu entziehen scheinen“ (Endreß 2012: 83). Zu generalisierten Vertrauens- bzw. Misstrauenserfahrungen auf dem akademischen Qualifizierungsweg werden auf der positiven Seite Publikationserfolge, die erfolgreiche Einwerbung von Drittmitteln, positive Rückmeldungen bspw. in Form von Lehrevaluationen oder auch der Erfolg bei Stipendieneinwerbungen oder Stellenbewerbungen gezählt, wohingegen beispielsweise die Ablehnung von Publikations- oder Tagungseinreichungen, Misserfolge bei Stellenbewerbungen oder Stipendienanträgen, das unerwartete Verwehren von Weiterbeschäftigungsoptionen sowie schlechte Noten bei institutionellen Lehrevaluationen als generalisierte Misstrauenserfahrungen gefasst werden. Basierend auf der theoretischen Differenzierung zwischen verschiedenen Modi des Vertrauens wird angenommen, dass das Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg eher einem praktischen, impliziten Modus folgt und sich einer bewussten Reflexion durch die Akteure entzieht (vgl. Endreß 2002, Hartmann 2011). Auch beim offenen Kodieren der Interviews konnten erste Hinweise darauf gefunden werde, welche die Richtigkeit der theoretischen Annahme untermauern47. Für die weitere Datenauswertung wird durch die Definition von Kontextmerkmalen, d.h. von Indikatoren, die Hinweise auf das Wirken von Vertrauen geben, versucht, das schwer zu erfassende Phänomen analysierbar zu machen. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Existenz eines Vertrauens

47 Der fungierende implizite Modus des Phänomens wie auch seine begriffliche Unschärfe führte vermutlich dazu, dass in den Interviews, welche dieser Studie zugrunde liegen, häufig auf die direkte Frage nach der Rolle von Vertrauen auf dem bisherigen wissenschaftlichen Karriereweg. der Akteure zunächst eine Sprechpause seitens der Interviewpartner*innen folgte. Eine andere verbreitete Reaktion auf die Frage hin war das Kontern mit einer Gegenfrage, in der der bzw. die Interviewer*in aufgefordert wurde, nochmals zu konkretisieren, was mit „Vertrauen“ denn „genau“ gemeint sei, obwohl das Forscher*innenteam die offene Formulierung bewusst gewählt hatte. Aufgrund der Irritation der Interviewpartner*innen liegt der Schluss nahe, dass anders als in der Wirtschaft die Vertrauensrhetorik in der Wissenschaft noch nicht etabliert ist bzw. bewusst nicht etabliert wird. Wenn die Interviewpartner*innen über Vertrauen explizit gesprochen haben, dann meist über das interpersonale Vertrauen zu Vorgesetzten, Doktoreltern oder Kooperationspartner*innen sowie das Vertrauen in die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit von Kolleg*innen (d.h. dass kein wissenschaftliches Fehlverhalten praktiziert wird, z.B. in Form von Datenfälschung etc.). Meist blieb Vertrauen in den Erzählungen der Nachwuchswissenschaftler*innen aber implizit und im präreflexiven Modus.

4.4 Dateninterpretation nach dem Verfahren der Grounded Theory

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in den wissenschaftlichen Karriereweg einerseits in den Erzählungen der Nachwuchswissenschaftler*innen zum Umgang mit Phasen der Karriereunsicherheit auf ihrem bisherigen Karriereweg, wie beispielsweise bei Statuspassagenübergängen, zeigt. Auch wenn die Nachwuchswissenschaftler*innen zahlreiche interpersonale wie auch generalisierte Vertrauenserfahrungen schildern, welche als wesentliche Ursache für das Entstehen eines Karrierewegsvertrauens betrachtet werden, wird angenommen, dass sich bei den Akteuren ein Vertrauen in den Karriereweg ausbilden konnte. Eine positive Einschätzung der Chancen, in Zukunft sein angestrebtes Karriereziel in der Wissenschaft erreichen zu können, wird ebenfalls als Hinweis auf die Existenz eines Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg betrachtet. Bezüglich der „intervenierenden Bedingungen“ wird davon ausgegangen, dass sie einen interaktionalen Effekt mit den Vertrauens- bzw. Misstrauenserfahrungen eingehen und somit ebenfalls Einfluss auf die Ausprägung des Karrierewegsvertrauen der Nachwuchswissenschaftler*innen nehmen. In der vorliegenden Studie werden zu den intervenierenden Kontextfaktoren die Kontinuität bzw. Brüchigkeit (z.B. in Bezug auf Arbeitsverträge oder Tätigkeitsfelder) ihrer Bildungs- und Erwerbsbiographie, die realisierte Bildungs- und bzw. oder Arbeitsmobilität wie auch das Erleben von Krisen und Herausforderungen (und ggf. Meistern derselben) auf dem bisherigen Qualifizierungsweg gezählt48. Darüber hinaus wird angenommen, dass die Partizipation an institutionellen Fördermaßnahmen, die Existenz von Unterstützungsnetzwerken wie auch die Eingebundenheit der Akteure an ihrem Arbeitsplatz und in die Scientific Community49 (vgl. Berweger 2008) intervenierend wirken bezüglich des Entstehens eines Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg. Dagegen kann eine hohe Arbeitsbelastung durch promotionsfremde Tätigkeiten oder aber ein negatives Arbeitsklima als hinderlich für die Entwicklung eines Karrierewegsvertrauens betrachtet werden. In der vorliegenden Studie wird unter „Strategie“ nicht die bewusste, absichtsvolle Verfolgung von Interessen gefasst. In Anlehnung an den Strategiebegriff von Bourdieu werden auch nicht intentionale, einer praktischen Logik folgende 48 Einige der hier genannten Merkmale führt auch Kahlert (2013) in ihrem triadischen Karrieremodell als Faktoren „zweiter Ordnung“, welche eine*n Nachwuchswissenschaftler*in als Person, die bzw. der einer Profession angehört und eine bestimmte Funktion innehat, beschreiben (Kahlert 2013: 22). Zu ebenjenen Faktoren zählt Kahlert z.B. das Erleben von Krisen, Brüchen oder die aktuelle Statuspassage, in der sich die Person befindet (vgl. Kahlert 2013: 25). 49 Berweger (2008) kommt auf Basis einer Längsschnittstudie von Doktorand*innen der Geisteswissenschaften, die sich auf dem Übergang in die Postdoc Phase befinden, dass es einen starken Zusammenhang zwischen der Eingebundenheit in die Scientific Community und den Absichten der Befragten, ihre wissenschaftliche Karriere fortzusetzen, gibt.

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4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen

Handlungen als Strategien der Akteure verstanden 50. Es wird angenommen, dass die Karrierestrategien der Akteure durch die Ausprägung ihres Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg beeinflusst werden. Zu den „Strategien“ werden einerseits die unterschiedlichen Karriereinvestitionen der Nachwuchswissenschaftler*innen gerechnet. Andererseits wird darunter auch der Modus der Selbstpräsentation der Akteure subsumiert. Sowohl die Investitionen als auch die Arten der Selbstdarstellung werden durch den Habitus der Akteure bestimmt, denn Bourdieu begreift den Habitus als „Erzeugungsprinzip von Strategien (Bourdieu 1976: 165, 169), als „System dauerhafter und übertragbarer Dispositionen, der, alle vergangenen Erfahrungen integrierend, wie eine Handlungs-, Wahrnehmungs- und Denkmatrix funktioniert“ (Bourdieu 1976: 165, 169). Zu den Karriereinvestitionen wird das Verfassen von Publikationen, die Präsentation auf Fachtagungen und der Aufbau von Netzwerken gezählt. Weiterhin sind der Erwerb von Lehrerfahrung, das Sammeln von Erfahrung in der akademischen Selbstverwaltung, der Erfüllung von Studierenden-Serviceaufgaben (z.B. Studienberatung) wie auch in der Betreuung und Prüfung von Studierenden und Promovierenden als Karriereinvestitionen zu deuten. Zudem werden die Beteiligung an universitären Gremien sowie das Bemühen um die Einwerbung von Drittmitteln zu den Karriereinvestitionen der Nachwuchswissenschaftler*innen gezählt. Andererseits wird auch der Modus der Selbstpräsentation der Akteure, den sie im Laufe ihres sozialen Werdegangs im Feld ausgebildet haben, als Strategie gefasst. Zu den Praktiken der Selbstdarstellung zählen sowohl das Hervorheben gewisser Persönlichkeitsmerkmale als auch der Verweis auf bestimmte Fähigkeiten oder eine bestimmte Arbeitsmoral. Weiterhin kann durch die Art und Weise der Selbstpräsentation eine gewisse Bereitschaft signalisiert werden, sich den feldinternen Spielregeln und Glaubenssätzen unterwerfen zu wollen (oder auch nicht). Ebenso beanspruchen die Nachwuchswissenschaftler*innen im Rahmen ihrer Selbstdarstellung gewisse „Belohnungen“51 für ihre Leistung, wie z.B. bestimmte Freiheiten, die zur Verfügung-Stellung von Ressourcen, einen wertschätzenden Umgang, die Protektion durch Vorgesetzte, eine adäquate Bezahlung, oder das Offerieren von Beschäftigungsperspektiven. Aber sie können sich auch mit dem Glauben präsentieren, dass sie nicht in der Position sind, Ansprüche zu stellen.

50 Nach Bourdieu meint der „Begriff der Strategie […] nicht die absichtliche und planvolle Verfolgung von bewussten Zwecken, sondern die aktive Entfaltung von objektiv gerichteten ,Handlungverläufen‘, die Regelmäßigkeiten unterliegen und kohärente und sozial intelligible Konfigurationen bilden, obwohl sie keiner bewussten Regel folgen und keine vorausgeplanten Ziele ansteuern, wie sie beim Strategen vorausgesetzt sind“ (Wacquant 1996: 48 f.). 51 Die Definition von „Belohnungen“ erfolgte in Anlehnung an Kahlert (2013: 25).

4.5 Gütekriterien gemäß der Grounded Theory

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Die Verfolgung gewisser Karrierestrategien wie auch die Ausprägung des Vertrauens der Akteure in den wissenschaftlichen Karriereweg beeinflussen wiederum die Karriereaspirationen der Akteure, die in der vorliegenden Arbeit als Konsequenzen definiert werden. Konsequenzen sind dies insofern, als bereits getätigte Investitionen und entsprechende Modifikationen des Selbstbildes und die Ausbildung eines Vertrauens in den Karriereweg, gewisse Karrierepfade mehr und andere weniger in den Vorstellungsraum rücken lassen. Karriereziele können sowohl sehr konkret sein, wie z.B. das Erreichen einer W3-Professur. Sie können aber auch durchaus diffuser sein, wie beispielsweise, wenn die Akteure den Wunsch nach einem „egal-wie“-gearteten Verweilen in der Wissenschaft (z.B. auf immer neuen, befristeten Projektstellen) äußern oder sich womöglich noch gar nicht auf ein Ziel festgelegt haben und sich noch mehrere Optionen offenhalten wollen. Das Kodierparadigma (vgl. Abbildung 10) fungiert als Heuristik für die Arbeit am empirischen Datenmaterial und unterstützt den axialen Kodierprozess, dessen Ergebnis in Form von Einzelfallporträts der Nachwuchswissenschaftler*innen in Kapitel 5 vorgestellt wird. 4.4.3 Selektives Kodieren Beim dritten Kodierschritt, dem selektiven Kodieren, geht es schließlich um die Entdeckung der „Kernkategorien“, die wesentlich für das interessierende Phänomen sind und mit denen alle zuvor herausgearbeiteten Kategorien in Bezug gesetzt werden können (Strauss 1991: 63; Strauss und Corbin 1996: 94, Alheit 1999: 16). Diese „Kernkategorien“ bilden den Ausgangspunkt zur Ausformulierung der gegenstandsbezogenen Theorie. Sowohl Glaser (1978: 61) als auch Strauss und Corbin (1996: 99) empfehlen die Anzahl der Kernkategorien möglichst stark zu beschränken, denn auf „eine präzise gestellte Untersuchungsfrage wird meist ein einziges zentrales Konzept die wesentliche Antwort liefern können“ (Strübing 2014: 19). Das theoretische Sampling zielt in diesem Kodierschritt darauf ab, noch existierende theoretische Lücken zu schließen sowie die entstehende Theorie erneut zu überprüfen. Neben einer weiteren Datenerhebung steht insbesondere die Analyse von bereits vorliegenden Daten unter Berücksichtigung ergänzender Aspekte im Zentrum (Strübing 2014: 30). 4.5 Gütekriterien gemäß der Grounded Theory Die klassischen Gütekriterien Reliabilität, Repräsentativität sowie Validität sind, wenn man qualitativ unter Anwendung des Forschungsstils der Grounded Theory forscht, nur begrenzt aussagekräftig. Das zur Prüfung der Reliabilität der Aussagen herangezogene Kriterium der Wiederholbarkeit der Untersuchung ist

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4 Methodische Grundlagen und empirisches Vorgehen

nicht nutzbar, da es bei qualitativen Studien kaum möglich ist, gleiche Ausgangsbedingungen herzustellen wie bei vorherigen Untersuchungen (Strübing 2014: 81 f.). Beim Forschungsstil der Grounded Theory geht es um „eine nur vorläufige Bestätigung der ohnehin als prozesshaft verstandenen Theorie“ (ebd.: 82). Demzufolge wird gar keine Verifikation der Theorie angestrebt, die von Popper ohnehin vollkommen ausgeschlossen wird (Popper 1994: 14). Weiterhin liegen dem Kriterium der „Repräsentativität“ in qualitativen und quantitativen Studien unterschiedliche Definitionen zugrunde. So wird in quantitativen Studien von einer „statistischen“ Repräsentativität ausgegangen, wohingegen in qualitativen Studien eine „konzeptuelle“ Repräsentativität angestrebt wird, die durch ein theoretisches Sampling zu erreichen ist. Weiterhin ist das Kriterium der Validität zu nennen, das die interne Widerspruchsfreiheit von Theorien sowie die angemessene Abbildung der Wirklichkeit durch die Theorien gewährleisten soll. Die Wahrung dieses Kriteriums wird bei der Grounded Theory durch den schrittweise erfolgenden Kodierprozess sowie den insgesamt iterativ organisierten Forschungsprozess realisiert. Die Begründer der Grounded Theory selbst schlagen einige Verfahrensweisen vor, um die Qualität des Forschungsprozesses sicherzustellen. Die Einhaltung der Kriterien wird den Autoren zufolge nicht erst im Nachgang des Forschungsprozesses geprüft, sondern die Kriterien dienen als forschungsleitende Strategien (Strübing 2014: 85). Maßstab zur Beurteilung der Qualität einer Theorie ist ihr Anspruch. Dieser ist im Falle der Grounded Theory die „Erarbeitung einer Theorie, die soziale Prozesse erklären und insofern mit Einschränkungen [...] auch vorhersagen kann“ (ebd.: 85). Ein Ziel, das im Rahmen des Forschungsprozesses durch die Entwicklung einer „konzeptuell dichten und solide in den Daten gründenden gegenstandsbezogenen Theorie“ (ebd.: 85) umgesetzt wird. Zudem beanspruchen die Gründer des Forschungsstils, dass die generierte Theorie von praktischer Relevanz sein soll, oder wie Strauss und Glaser es formulieren: Die „Praxis bringt also in gewisser Weise den Text und die Validierung der Theorie“ (Glaser und Strauss 1998: 248). Zu den Verfahren zur Qualitätssicherung zählen sowohl die Methode des permanenten Vergleichs, die Anwendung von generativen Fragen, das theoretische Sampling sowie das Forschen und Interpretieren in Teams (Strübing 2014: 86ff.). Demnach ist es forschungspraktisch ratsam, die Kodierung und Theoriegenerierung im Rahmen von Forschergruppen vorzunehmen, um „möglichst unterschiedliche Interpretationen zu erhalten, um die Sachverhalte aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und damit auch konkurrierende “Codes“ für einen empirischen Sachverhalt zu bekommen“ (Hermanns 1992: 115). Dies wurde in der vorliegenden Studie dadurch realisiert, dass Passagen aus dem Interviewmaterial wie auch erste

4.5 Gütekriterien gemäß der Grounded Theory

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Interpretationsvorschläge im Rahmen von Interpretationssitzungen im VWiNProjektteam, Interpretationsgruppen auf Summerschools wie auch bei Klausurtagungen mit einschlägigen Expert*innen aus dem Themenfeld diskutiert wurden. Ein weiterer forschungspraktischer Ratschlag der Begründer der Grounded Theory ist das Schreiben von theoretischen Memos von Beginn des Forschungsprozesses an (Glaser und Strauss 1998: 113f.; Strauss 1991: 151 ff.; Strauss und Corbin 1996: 169 ff.). Ziel dieses Vorgehens ist es, beständig (Zwischen)Ergebnisse festzuhalten und Entscheidungen, die im Forschungsverlauf getroffen werden, zu dokumentieren und somit den Prozess der Theoriebildung zu fördern (Strübing 2014: 33 ff.).52 Weiterhin haben Glaser und Strauss zwei Sets à sieben Kriterien ausformuliert, um einerseits den Forschungsprozess zu evaluieren (Strübing 2014: 89; Strauss und Corbin 1996: 217) und andererseits die empirische Verankerung der Theorie zu beurteilen (Strübing 2014: 90; Strauss und Corbin 1996: 218ff.).

52 Durch die Kodierung der Interviews mit Hilfe der Software Maxqda war das Verfassen von theoretischen Memos gut zu realisieren. Das Führen eines separaten Forschungstagebuchs war darüber hinaus förderlich für den Forschungsprozess.

5 Fallporträts von Nachwuchswissenschaftler*innen 5.1 Hanna: „Ich vertraue ihm, dass er an mich glaubt“53 Hanna ist Habilitandin der BWL und hat zum Interviewzeitpunkt eine akademische Ratsstelle auf Zeit an einer Universität in einer Großstadt in Deutschland inne. Das circa 1,5-stündige Interview mit Hanna wurde in den Wintersemesterferien im Jahr 2014 in ihrem Einzelbüro am Institut des Fachbereichs geführt. Zum Interviewzeitpunkt steht Hanna gerade kurz vor der Fertigstellung ihrer Habilitation und plant, den wissenschaftlichen Karriereweg weiterzuverfolgen. Sie hat einen Ehemann, der selbstständig tätig ist und zwei Kinder (Grundschulund Kindergartenalter). 5.1.1 Die Entscheidung für den wissenschaftlichen Karriereweg Hannas Karriereverlauf ist bisher sehr linear und kontinuierlich verlaufen. Sie ist seit Abschluss des Studiums bis zum Interviewzeitpunkt an derselben Universität geblieben. Ihr Vorgesetzter und Habilitationsbetreuer Professor Trust, der auch ihr Doktorvater ist, hat sie über den ganzen Weg hinweg – bisher elf Jahre – begleitet. Für Hanna „hat sich immer das eine ins andere ergeben“ (H.: 47) und dass sie auch zukünftig an der Universität arbeiten wolle, sei ihr immer schon klar gewesen. Als sie nach Studienabschluss das Angebot von Professor Trust bekommen habe, bei ihm am Lehrstuhl anzufangen, habe sie nicht lange gezögert, trotz gleichzeitig alternativer Optionen: „Ja ich habe die Entscheidung wirklich bewusst getroffen, insofern als dass ich zwar andere Angebote hatte, eben ganz klassisch in die Wirtschaft zu gehen“ (H.: 112). Hanna ist zu diesem Zeitpunkt mit der für sie günstigen Situation konfrontiert, wählen zu können. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass auch in der Wirtschaft ihre Person gefragt ist und ihr attraktive alternative Karrierewege offenstehen. Nach der Promotion fragt sich Hanna erneut, ob sie vielleicht doch ihren Plan B verfolgen und die Wissenschaft verlassen sollte. Aber auch in dieser Phase ermutigt sie ihr Vorgesetzter zu bleiben: „Ich hatte einen Plan B im Hinterkopf. Es ist allerdings wirklich dadurch, dass sehr früh mein Chef wieder gesagt hat, bleiben Sie doch, und ich kurz in mich rein gehorcht habe und gesagt habe, ja, ich will eigentlich bleiben, es ist meins“ (H.: 471f.). Anders als beim letzten Übergang, so fügt Hanna hinzu, habe sie diesmal aber kein Alternativangebot, beispielsweise von einem Unternehmen, gehabt. Dies habe daran gelegen, dass Professor Trust ihr rechtzeitig, bevor sie sich überhaupt auf andere Stellen bewerben habe 53

(H.: 991)

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Tischler, Vertrauen in die Wissenschaftskarriere, Wissenschaft – Hochschule – Bildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27224-1_5

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5 Fallporträts von Nachwuchswissenschaftler*innen

können, ein für sie attraktives Angebot gemacht habe, so dass sie ihren Plan B gar nicht weiter durchdacht habe. An dieser Stelle entscheidet sich Hanna nicht nur dafür, den wissenschaftlichen Karriereweg weiter zu verfolgen, sondern legt sich auch auf ein Karriereziel fest. Hanna stellt klar: „Ich würde gerne eine Professur haben. Ich würde gerne meinen eigenen Lehrstuhl haben, ich würde gerne meine Doktoranden haben, ich würde gerne meine Habilitanden haben, ich möchte eine Professur“ (H.:782f.). Dennoch sei sie sich auch darüber bewusst, dass es unsicher ist, ob sie dieses Ziel auch tatsächlich erreichen wird. An zwei wichtigen Stellen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg, beim Übergang vom Studium zur Promotion und beim Übergang von der Promotion in die Postdoc-Phase, signalisiert Professor Trust Hanna deutlich: Er möchte, dass Hanna bleibt und den wissenschaftlichen Karriereweg weiterverfolgt. Diese klare Ansage scheint ihr zu helfen, über die Unsicherheiten, die Fragen und Zweifel in Bezug auf ihre berufliche Zukunft, die ihr durch den Kopf gehen, hinwegzukommen und die Entscheidung zu treffen, auf dem akademischen Qualifizierungsweg zu verweilen. Warum Hanna zu dem Schluss kommt, dass die wissenschaftliche Karriere „ihres“ ist, begründet sie folgendermaßen: „[U]nd ich glaube daran und ich mag diese Institution Universität und es ist so ein bisschen auch so ein ideologisches Ding, dass ich sage ja, das ist meins“ (H.: 480f.). Aus diesen Formulierungen ist zu erkennen, dass Hanna den Glauben „an den Sinn und den Wert der Aktivitäten im Feld (Bourdieu 2001: 19ff.)“, die Illusio des wissenschaftlichen Feldes bereits verinnerlicht hat bzw. dies glaubhaft darzustellen vermag. Durch die Illusio kommt zum Ausdruck, dass Hanna den „Nutzen [des Spiels] anerkennt und den von ihm geforderten Einsatz leisten möchte“ (Fröhlich und Rehbein 2009: 129). Dies wird auch an ihrer dargestellten Arbeitsmoral erkenntlich. Denn Hanna begreift die Wissenschaft nicht als Beruf, sondern als Lebensform, die auch das Wochenende nicht ausspart: „[D]as sind die Samstage, die man hier sitzt, das sind die Sonntage, die man dann nochmal sitzt, weil das Paper fertig werden muss und man das Paper auch fertig kriegen will [...] Da muss man schon eine gewisse Leidenschaft für mitbringen.“ (H.: 572f.). Als zentrales Merkmal wissenschaftlicher Tätigkeit wird von Hanna im Interviewverlauf immer wieder Leidenschaft akzentuiert, die Bereitschaft, sich der Wissenschaft hinzugeben: „Man muss schon ein bisschen […] brennen dafür, dass man das macht, ansonsten macht das keinen Sinn.“ (H.: 570f.). In ihrer Begeisterung drückt sich das aus, was Bourdieu als die notwendige Identifikation mit dem Spiel, den Glauben an das Spiel betrachtet (Bourdieu 1999: 360). Denn ohne dieses „Brennen“ dafür, so folgert Hanna, mache es keinen Sinn, in der Wissenschaft zu verweilen und nach einer Erfolgsposition darin zu streben.

5.1 Hanna: „Ich vertraue ihm, dass er an mich glaubt“

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5.1.2 Vertrauenserfahrungen und förderliche Rahmenbedingungen Hanna hat bei ihrer Entscheidung für den wissenschaftlichen Karriereweg von ihrer Familie stets Unterstützung und Ermutigung erfahren. „[M]ein privates Umfeld hat das eigentlich sehr, sehr unterstützt, also ich glaube, meine Eltern hätten auch die andere Entscheidung sehr unterstützt, aber die fanden das schon sehr, sehr attraktiv. Also haben sie mich da sehr drin bestätigt, das auch zu machen.“ (H.: 146f.). Sowohl ihre Eltern als auch ihr Ehemann würden an sie glauben, und zwar unabhängig davon, für welchen Karriereweg sie sich entscheiden würde. Sie erwecken den Eindruck, dass sie Hanna großes Vertrauen entgegenbringen und darauf vertrauen, dass sie die richtigen Entscheidungen trifft und weiß, was gut für sie ist. Eine weitere wichtige und langjährige Bezugsperson für Hanna, ihr Ehemann, mit dem sie schon viele Jahre liiert ist, habe sie ebenfalls bei ihrer Berufswahl nicht eingeschränkt, sondern ihr das Gefühl vermittelt, sie auf jedem Weg zu unterstützen. In Hannas Leben existieren mehrere stabile Vertrauensbeziehungen, die wesentlich dazu beitragen, dass sie den Weg gehen kann, den sie geht. Dabei handelt es sich aber nicht nur um private Vertrauensbeziehungen. Seit Beginn der Promotionsphase befördern auch wechselseitige Vertrauensbeweise zwischen ihr und ihrem Vorgesetzten Hannas Verweilen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg. So bietet Professor Trust faire, langfristige Arbeitsverträge, denn Hanna habe ihren Ausführungen zufolge, zu Beginn der Promotion einen 6-Jahresvertrag für eine volle Mitarbeiterstelle bekommen. Sie beschreibt dies als übliche Praktik von Professor Trust: „[M]ein Chef [achtet] wirklich darauf, dass realistische Arbeitsverhältnisse geschaffen werden. [...] Also ich habe immer die Situation gehabt, dass ich ausreichend Zeit hatte vom Horizont her meine Qualifikationsstufe zu durchlaufen.“ (H.: 806f.). Hieran wird die Asynchronizität von Vertrauensgabe und -nahme sehr deutlich. Hanna startet mit einem Vertrauensvorschuss ihres Vorgesetzten in Form der langen Vertragslaufzeit trotz der spärlichen Informationslage, die ihr Vorgesetzter zu ihrer Person und Arbeitsweise zu diesem Zeitpunkt laut Hanna gehabt habe. Er erbringt folglich eine riskante Vorleistung, denn, so führt Hanna an: „[E]r kannte mich ja dann ein bisschen, kannte mich im wissenschaftlichen Arbeiten nicht wirklich, nur mit dem, was ich dann eben so gemacht hatte, und hat mir schon das Vertrauen entgegengebracht.“ (H.: 198f.). Dieser Vertrauensvorschuss seitens ihres Vorgesetzten, ist eine wichtige Voraussetzung für Hanna, um überhaupt in der Wissenschaft zu verweilen. So stellt sie fest: „[I]ch bin nie von einem halben Jahr zum nächsten halben Jahr, zur Jahrbefristung gehüpft. [...] Wenn ich das erfahren hätte, hätte ich nach der Promotion gesagt, vergesst es Leute, darauf lasse ich mich nicht ein, hätte ich auf keinen Fall gemacht“ (H.: 811f.).

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5 Fallporträts von Nachwuchswissenschaftler*innen

Ein weiteres zentrales Beschreibungsmerkmal der Vertrauensbeziehung zwischen Hanna und ihrem Vorgesetzten ist ihre Wechselseitigkeit. Schließlich sei Hanna mit dem Vertrauensvorschuss von Professor Trust auch vertrauensvoll umgegangen und betont: „[I]ch habe die Zeit nicht ausgenutzt, bin schneller fertig geworden.“ (H.: 187). Sie enttäuscht das Vertrauen ihres Vorgesetzten nicht und stellt ihre Vertrauenswürdigkeit unter Beweis, indem sie noch vor Ende der Vertragslaufzeit die Promotion abschließt. Doch auch Hanna erbringt eine riskante Vorleistung, indem sie sich auf die Promotion und damit zunächst auf den wissenschaftlichen Karriereweg einlässt. Hanna umschreibt die Situation folgendermaßen: „Wenn man so eine Promotion startet […], weiß man noch nicht so richtig, was auf einen zukommt, [...] ich habe so ein bisschen wirklich darauf, darauf vertraut eigentlich, wenn man das so sagen kann, dass, ja, dass ich das mitkriege und darin ausgebildet werde, was ich brauche, um dann diese Stelle zu erfüllen und meine Promotion zu beenden“ (H.: 214f.). Zu Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere weiß Hanna noch nicht, mit welchen Aufgaben und Pflichten die Promotionsstelle verbunden ist. Rückblickend schildert sie, dass sie diese Unklarheiten ausgehalten und darauf vertraut habe, dass sie im Laufe der Zeit die notwendigen Kompetenzen vermittelt bekomme, um einerseits die Tätigkeiten als wissenschaftliche Mitarbeiterin erfüllen zu können und andererseits auch bei ihrer eigenen Weiterqualifikation erfolgreich zu sein. Weiterhin konkretisiert Hanna, wem und worin genau sie dabei vertraut habe. Vertrauen habe sie Professor Trust, ihrem Vorgesetzten und Betreuenden entgegengebracht: „Und ich habe ihm auch ein Stück weit vertraut, dass er mich an die Hand nimmt und mir die Dinge beibringt, die ich brauche, um diesen wissenschaftlichen Teil eben auch erfüllen zu können“ (H.: 200f.). An dieser sehr an eine Vater-Tochter-Beziehung anmutenden Formulierung wird der Wunsch oder die Erwartung Hannas ersichtlich, durch ihren Doktorvater angeleitet zu werden. Sie spielt darauf an, dass sie sich zwar von der Lehre im Rahmen ihres Studiums schon ein Bild habe machen können, nicht aber von der Forschungsseite, dem wissenschaftlichen Anteil ihres Aufgabenbereichs. Um eine Karriere in der Wissenschaft machen zu können, brauche man aber beides, das sei ihr schon früh bewusst gewesen. Hanna befindet sich noch in einer unsicheren Lage, denn sie weiß noch nicht mit Sicherheit, ob sie eine Professur erreichen wird. Die wechselseitige Vertrauensbeziehung, die sie und Professor Trust verbindet, dient ihr dabei als Stütze auf dem unsicheren Weg und lässt sie in den wissenschaftlichen Karriereweg vertrauen.

5.1 Hanna: „Ich vertraue ihm, dass er an mich glaubt“

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Direkt auf wichtige Vertrauenserfahrungen oder Vertrauensbeziehungen auf ihrem bisherigen Karriereweg angesprochen, überlegt Hanna kurz, bevor sie antwortet. „Ich bin […] da ja Ökonomin in dem Sinne. Also Vertrauen hat für mich was ganz Wichtiges, im Prinzip vertraue ich meinem Mann und mir selber, wie gesagt ich bin ja Ökonomin“ (H.: 987f.). Bevor Hanna darauf eingeht, wem sie vertraut, ruft Hanna zunächst ihre Fachidentität an und stellt klar, dass sie ja „Ökonomin“ sei, wenn es um Vertrauen geht. Und für sie als „Ökonomin“, so führt sie aus, sei Vertrauen zwar etwas sehr Essentielles, das sie aber nur in wenigen Ausnahmefällen gewähre, nämlich nur dann, wenn Vertrauen schon fast zur Gewissheit wird, wenn sie nahezu alle „Kontextvariablen“ kennt, umfassende Informationen über die Person besitzt. Dies treffe jedoch nur in Bezug auf sie selbst und bezüglich ihres Mannes zu. Da sie sich in Bezug auf Vertrauensfragen klar als Ökonomin präsentiert, sich im wirtschaftswissenschaftlichen Feld verortet, lohnt ein Blick auf die in diesem Feld vorherrschende Auffassung von Vertrauen. Die in der Ökonomie vorherrschende Definition von Vertrauen basiert auf einem Rational-Choice-Ansatz, der von rationalen Akteuren ausgeht, die in einer sozialen Tauschbeziehung zueinanderstehen (Endreß 2002: 34). Interaktionen werden als Handeln unter Risiko gefasst, da der Vertrauensgeber aufgrund der zeitlichen Asynchronizität von Vertrauensgabe und -nahme eine riskante Vorleistung erbringen muss. Je länger die Dauer einer Beziehung jedoch ist, desto geringer wird dieses Risiko eingeschätzt, da man umfangreichere Informationen über die Vertrauenswürdigkeit des Gegenübers sammeln konnte (ebd.: 35). Ein rationaler Akteur gewährt nach Coleman (1991) dann Vertrauen, wenn „das Verhältnis der Wahrscheinlichkeit, daß der [Vertrauensnehmer] das Vertrauen rechtfertigt [Gewinnchance], zu der Wahrscheinlichkeit, daß er es nicht tut [Verlustchance], größer ist als das Verhältnis des möglichen Verlustes zum möglichen Gewinn“ (Endreß 2002: 37), oder anders ausgedrückt, wenn „der erwartete Gewinn im Fall, daß das Vertrauen gehalten wird, größer ist als der erwartete Verlust im Fall eines Vertrauensbruchs“ (Preisendörfer 1995: 267). Um diese Wahrscheinlichkeit einschätzen zu können, bemüht sich Preisendörfer zufolge, ein rationaler Akteur darum, Informationen zu sammeln, die ihm eine Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit der anderen Person ermöglichen (ebd.: 268). Man kann also sagen, dass Hannas Auffassung von Vertrauen auf einem eher rationalen, reflexiven Vertrauensbegriff basiert. Doch wenn Hanna einen aus ihrer Sicht weniger „harten“ Vertrauensbegriff anwenden würde, sagen wir einen „impliziteren“, bei dem es nicht darum geht, das mit der Vertrauensgabe einhergehende Risiko bewusst und unter Bezugnahme auf alle verfügbaren Informationen zu reflektieren, würde sie auch sagen, dass sie Professor Trust vertraue. So räumt sie ein: „Ein Stück weit Vertrauen […], wenn ich

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das ein bisschen weicher fasse, ist auf jeden Fall in meinen Habilvater. Ich vertraue ihm, dass er an mich glaubt in dem Sinne, dass er mich fördert, und das macht er auch und er vertraut auch auf mich“ (H.: 990f.). Wenn sie eine weichere Vertrauensdefinition verwendet, geht dies für Hanna mit einer Einschränkung des Geltungsbereichs einher, denn sie konkretisiert im nächsten Schritt, in welcher Hinsicht sie ihrem Habilitationsbetreuer ihr Vertrauen schenkt. Sie schenkt ihm nicht unspezifisches Vertrauen, sondern vertraut auf etwas ganz Bestimmtes, nämlich, dass er an sie glaube und sein Vertrauen unter Beweis stellt indem er sie fördere. Scheinbar gibt es für Hanna gute Indizien dafür, dass Professor Trust ihr Vertrauen entgegenbringt. Dazu ist der Umstand zu rechnen, dass ihr Vorgesetzter sie in der Vergangenheit bereits immerfort gefördert und betreut hat, wie Hanna an einem Beispiel verdeutlicht. Denn obgleich Professor Trust, der selbst noch in der Forschung aktiv ist, sich im Forschungsfreisemester befunden habe, sei er beständig darum bemüht gewesen, sie in ihrem Promotionsprozess zu unterstützen und ihre Chancen auf eine Erfolgsposition in der Wissenschaft zu optimieren. So kommentiert Hanna: „Da habe ich das Glück gehabt, dass mein Chef damals eben das sehr schnell erkannt hat, selber auch im Forschungsfreisemester war und in Amerika ganz viel von dem mitkriegen konnte, was ich dann brauchte für meine Dissertation“ (H.: 318f.). Wahrgenommene Veränderungen im fachlichen Forschungsumfeld gibt Professor Trust ihrer Darstellung zufolge umgehend an Hanna weiter. Darüber hinaus stellt Hanna heraus, dass ihr Vorgesetzter ihr bereits in einer frühen Karrierephase ermöglicht habe, eigene Kontakte auf Konferenzen zu knüpfen und im Diskurs mit anderen Forscher*innen über veränderte Ansprüche im Fach zu reflektieren. So habe Professor Trust sie „schnell mitgenommen auf Konferenzen, damit ich mich im Austausch mit anderen eben an so ein verändertes Niveau anpassen konnte“ (H.: 321f.). Diese Darstellung von Hanna erweckt den Eindruck, dass Professor Trust ihr dadurch auch die Möglichkeit eröffnet hat, ein Stück weit Unabhängigkeit zu gewinnen, in ihrer Scientific Community als autonome Forscherin in Erscheinung zu treten und eigene Netzwerke aufzubauen. 5.1.3 Von Karriereinvestitionen und der Selbstpräsentation als leistungsfähige Potenzialträgerin Hanna merkt aber auch beständig an, dass auch sie ihren Teil zum Aufbau des wechselseitigen Vertrauensverhältnisses zwischen ihr und ihrem Betreuer beigetragen habe. „Ich habe die Orientierungspunkte gekriegt durch meinen Doktorvater, der mich dann mit reingenommen hat. Ich glaube […],

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ich habe sehr viel dann selber in die Hand genommen und selber daran gearbeitet, habe es dann auch wirklich geschafft eine Dissertation zu schreiben, die […] von ihren Ansprüchen her auch wirklich so war, dass ich einen Teil davon auch international publizieren konnte“ (H.: 336f.). Professor Trust fungiert für Hanna als Repräsentant für ihr fachwissenschaftliches Feld, als „Vertrauensintermediär“ (Giddens 1995; Endreß 2002), aber auch als Gatekeeper, der ihr die Tür öffnet, ihr einen Vertrauensvorschuss gewährt. Darum ist Hanna bemüht zu zeigen, dass sie sein Vertrauen auch verdient hat, indem sie hart arbeitet und Leistung bringt, die zentrale Währung im wissenschaftlichen Feld generiert, denn sie publiziert und akkumuliert damit eigenes wissenschaftliches Kapital. Und „[w]issenschaftliches Kapital funktioniert wie ein Kredit, der Vertrauen und Glauben in diejenigen setzt, denen es gewährt wird“ (Barlösius 2012: 127). Hanna publiziert zudem nicht irgendwie, sie hebt hervor, dass sie Artikel in internationalen Fachmedien veröffentlicht hat, und zeigt so, dass sie auf internationalem Niveau mithalten kann und damit ihren fachwissenschaftlichen Anforderungen gerecht wird. Durch ihre Eingebundenheit in die Scientific Community habe Hanna ihren Ausführungen zufolge, auch ein Gefühl dafür entwickeln können, in was sie selbst noch investieren müsse, was sie noch brauche, um Erfolg auf dem wissenschaftlichen Karriereweg zu haben. „[J]a also habe ich schon Glück gehabt oder einfach, vielleicht ein Gespür dafür gehabt, dann festzustellen, was ich selber mir dann noch beibringen muss“ (H.: 351f.). Der Publikationserfolg kommt nicht von ungefähr. Hanna hat daran gearbeitet und ein Gespür dafür entwickelt, was es neben dem, was ihr Doktorvater ihr vermittelt hat, noch bedarf, um die eigene Chancen auf eine Erfolgsposition in der Wissenschaft optimal zu gestalten. Und dieses „Gespür“ ist in Hannas Habitus inkorporiert. Ebenjenen Habitus betrachtet Barlösius (2012) als das lenkende Zentrum für das Streben der Akteure nach (Macht)Positionen im wissenschaftlichen Feld, denn er „vermittelt somit einen Sinn für die legitimen Ambitionen“ (Barlösius 2012: 130). Bourdieu zufolge führt der Habitus dazu, dass sich Akteure eines Feldes „angespornt und berechtigt fühl[en], Positionen zu beanspruchen oder doch das zu tun, was getan werden muss, damit […] sie sie bekomm[en]“ (Bourdieu 1992a: 249). Hanna erweckt nicht den Anschein, dass es ihr an Zutrauen in die eigenen wissenschaftlichen Fähigkeiten mangelt, was Wissenschaftlerinnen häufig in ihrer Selbstdarstellung attestiert wird (Wetterer 1988: 284). Hanna betont sogar

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selbst die hohe Wichtigkeit von Selbstvertrauen für die wissenschaftliche Laufbahn und folgert resolut: „[W]enn man das nicht hat, dann [...] braucht man nicht wissenschaftlich zu arbeiten. Also das Vertrauen in einen selber, in seine eigenen Fähigkeiten, in seine eigenen Ergebnisse, in seinen eigenen Irrsinn, wie ich sage, sich mit Themen zu beschäftigen, wo vielleicht andere erst mal sagen, so, was soll das denn jetzt. Also ich glaube, dass, wenn man dieses Selbstvertrauen nicht hat, […] ist man hier nicht an der richtigen Stelle“ (H.: 1032f.). Selbstvertrauen müsse man als jemand, der bzw. die in der Wissenschaft arbeiten möchte, mitbringen, daran lässt Hanna keinen Zweifel. Personen ohne Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, die nicht bereit sind, ein Wagnis einzugehen, beispielsweise bei der Themenwahl, attestiert sie eine mangelnde Passfähigkeit für das Arbeitsfeld Wissenschaft. Anhand eines Beispiels zeigt Hanna auf, dass das Selbstvertrauen auch in einen selbstbewussten Modus der Selbstdarstellung umgesetzt werden muss. Demnach müsse man Hanna zufolge als Nachwuchswissenschaftler*in auf Fachtagungen „ganz, ganz selbstbewusst auftreten können, man muss diese Rolle spielen können“ (H.: 1045f.). Sie verweist darauf, dass, auch wenn man vielleicht insgeheim an sich zweifele, dies bei der Selbstpräsentation vor Fachkolleg*innen keine Rolle spielen dürfe. Man müsse auf der wissenschaftlichen Bühne in die Rolle der von sich selbst überzeugten wissenschaftlichen Persönlichkeit schlüpfen und dieser Darstellungsmodus kommt nicht von ungefähr. Es ist der wissenschaftliche Habitus der schon während der Fachsozialisation im Studium eingeübt wird (Barlösius 2012: 130), wie auch Hanna aus ihrer eignen Erfahrung zu berichten weiß: „[E]s geht bei unseren Studenten schon los, dass wir denen schon auch beibringen, bei der Präsentation ihrer Hausarbeiten, bei den ganzen Sachen schon auch sehr selbstbewusst damit umzugehen“ (H.: 1048f.). Und „auf der Fähigkeit den wissenschaftlichen Habitus bei anderen zu erkennen und selbst zu praktizieren, gründet das spezifische symbolische Kapital der Wissenschaft“ (Barlösius 2012: 130). Genau dieses Selbstbewusstsein gilt es, während des akademischen Qualifizierungsverlaufs aufzubauen. Eine Auffassung, die Hanna auch mit anderen Wissenschaftler*innen, wie der Professorin der Geschichtswissenschaft, teilt, die Beaufaÿs (2003) im Rahmen ihrer Studie interviewt hat. So betont diese: ,,,Es gehört sicherlich auch ein Stück Selbstbewusstsein dazu, aber eins, mit dem man nicht geboren wird, sondern das man sich erwirbt‘“ (Beaufaÿs 2003: 210). Bezüglich der Selbstsicherheit, die Erstsemester besitzen,

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konstatiert Hanna nicht für alle Studierenden gleiche Ausgangsbedingungen. Insbesondere bei einer Gruppe von Studierenden müsse sie, ihren Ausführungen zufolge, stets ermutigend eingreifen und zwar bei den Studentinnen. „[W]eil ich finde immer faszinierend, [...] dass manchmal Frauen damit ganz anders umgehen, mit dem Selbstbewusstsein, als Männer [...] ich finde es ein ganz faszinierendes Phänomen, dass ich manchmal meine Studenten dabei ertappe, dass die extrem selbstbewusst bestimmte Fakten behaupten, obwohl die keine Ahnung vom Thema haben oder es vielleicht gar nicht wirklich genau wissen, und meine Studentinnen manchmal eher dazu neigen, sehr unsicher zu sein und [...]wenig selbstbewusst mit solchen Sachen umzugehen“ (H.: 1056f.). Anders als männlichen Studierenden, die ein nach Hannas Ansicht ungerechtfertigt großes Selbstbewusstsein ausgeprägt hätten, attestiert Hanna den weiblichen Studierenden ein mangelndes Selbstbewusstsein, so dass sie diese gezielt anspornen müsse. In ihrer Alltagsbeobachtung reproduziert Hanna die in der Wissenschaft verbreitete Zuschreibung von geschlechtsspezifisch unterschiedlich vorteilhaften Eigenschaften für eine wissenschaftliche Karriere, Eigenschaften, die bei Frauen defizitär ausgeprägt seien, und bei Männern sogar „zu viel“ vorhanden seien. Doch ohne den Besitz dieser Fähigkeiten, in diesem Fall einem selbstbewussten Präsentieren der eigenen Person, entspricht man nicht dem Idealtypus der wissenschaftlichen Persönlichkeit. In Bezug auf ihre eigene Person präsentiert sich Hanna als untypische Frau, denn einen Mangel an Selbstbewusstsein, schreibt sie sich selbst nicht zu. Von den Studentinnen, die sie in ihrer Position als wissenschaftliche Mitarbeiterin ermutigen muss, grenzt sie sich klar ab. Sie inszeniert sich als Person, die sich bezüglich ihrer Karriereentwicklung nicht auf den Zufall verlässt, sondern ihrem Glück auf die Sprünge hilft, denn, so stellt Hanna heraus, über ihre Karriere habe sie bisher stets selbst bestimmt: „[D]as ist meine eigene Leistung. Ich muss die Paper schreiben, ich muss die Paper publiziert kriegen. Da kann der Habilvater vielleicht nochmal mit aufs Ticket und ein bisschen mitschreiben, aber das ist meins, ist ganz alleine meins“ (H.: 555f.). In ihrer Selbstdarstellung legt Hanna besonders wert darauf zu betonen, dass es primär auf ihre eigene Leistung zurückzuführen ist, ihre eigene Karriereinvestition, welche ihr Karrierechancen und Sichtbarkeit in der Scientific Community zuteilwerden lassen. Zwar erwähnt sie auch, dass sie stets auch

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ausreichend Rückhalt durch ihren Vorgesetzten, der ihr stets vertraut habe, bekommen habe, im Fokus steht jedoch klar die Darstellung ihrer Person als leistungsfähige, autonome und erfolgreiche Wissenschaftlerin. Auch an anderen Stellen zeichnet Hanna ein Bild von sich als untypische Frau, als Wissenschaftlerin, auf die klassisch weibliche Zuschreibungen nicht passen und angewendet werden können. Sie akzentuiert primär ihre Rolle als wissenschaftliche Persönlichkeit, nicht ihre Rolle als Frau. Das Frau-Sein dient ihr bei ihrer Selbstpräsentation eher als Gegenfolie zu ihrem Selbstentwurf, so auch in Situationen, in denen es um Vereinbarkeitsfragen (einem Themenbereich, der oft als weiblich verhandelt wird) von Beruf und Familie geht. So räumt Hanna ein, dass Professor Trust ihr nicht nur stets unterstützend bei karrieretechnischen Fragen zur Seite gestanden, sondern auch ihre familiäre Situation berücksichtigt habe und ihr schon mehrfach entgegengekommen sei. Sie berichtet davon, dass sie nach Abschluss ihrer Promotion ihr Kind bekommen hätten und „was damals sehr schön war, war, dass Professor Trust oder diese Konstellation der Stelle, mir die Möglichkeit gegeben hat, […] halbtags zu arbeiten“ (H.: 603f.). Die zeitweise Reduktion des Stellenumfangs zum Zeitpunkt der Familiengründung und die Möglichkeit der Telearbeit, sieht Hanna als sehr vorteilhaft an, wenngleich Hanna an dieser Stelle unmittelbar klar macht, dass sie diese Option zwar sehr schätze, nichtsdestotrotz wenig genutzt habe. „Das habe ich dann auch erst mal in Anspruch genommen, konnte natürlich sehr flexibel dann auch […] mal von zuhause aus arbeiten, wenn solche Sachen sind. Das ist ein Vorteil, den ich immer noch sehr schätze, den ich zum Glück wenig nutzen muss, den ich aber schätze“ (H.: 605f.). Auch Elternzeit habe Hanna bei der Geburt ihres ersten Kindes nicht genommen, da sie die Möglichkeit gehabt habe, auf familieninterne Unterstützung bei der Kinderbetreuung zurückzugreifen. Bei der Geburt ihres zweiten Kindes habe sie aber ein Jahr Elternzeit in Anspruch genommen und habe dies, ihrer Erzählung nach, auch gerne getan. Jedoch habe sie das in karrieretechnischer Hinsicht auch „Zeit gekostet“ (H.: 1113) und habe ihre wissenschaftliche Weiterqualifikation verzögert, die sie, wie sie anmerkt, ohne Familiengründung schon abgeschlossen hätte. Zur Zeit der Familiengründung eröffnet Professor Trust Hanna Handlungsspielräume in Form von flexiblen Arbeitszeiten und erweckt nicht den Anschein, dass er daran zweifelt, dass sie ihre Karriere im Auge behalte. Und Hanna enttäuscht sein Vertrauen nicht, stellt wiederum ihre Vertrauenswürdigkeit unter Beweis,

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indem sie sein Angebot nicht in vollem Umfang ausnutzt, sondern nur „wenig“ Gebrauch davon macht. Sie scheint Professor Trust keine Indizien dafür zu liefern, dass sie sich nicht voll und ganz der Wissenschaft verschrieben hat. So erschüttert auch die Familiengründung von Hanna das Vertrauen von Professor Trust in Hanna nicht, das Vertrauen darin, dass sie weiter ambitioniert die Wissenschaftskarriere verfolgen wird und die dafür nötige Arbeitsmoral mitbringt. Hannas Selbstdarstellung lässt insgesamt nur wenig Zweifel an ihrer Karriereambition. So stellt sie klar: „[I]ch arbeite sehr gerne, ich bin überhaupt keine Hausfrau, ich könnte mir nicht vorstellen, dann einfach zu sagen, ich bleibe jetzt mal drei Jahre zuhause, das ist überhaupt nicht meins“ (H.: 656f.). Der alternative Lebensweg, den sie als Kontrastfolie aufmacht, ist eine klassische Hausfrauenrolle, mit der sie sich in keiner Weise identifizieren könne, denn sie arbeite sehr gerne und auch viel. Ihr Mann verdiene auch sehr gut und wäre in der Lage, den Lebensunterhalt für die ganze Familie sicherzustellen. Für Hanna stehe daher auch nicht die finanzielle Absicherung der Familie auf dem Spiel, sondern ihre berufliche Identität als „Working Mum“ (H.: 1079). Hanna macht den Eindruck eine ambitionierte Frau zu sein, sowohl bezüglich ihres Berufs als auch in Bezug auf ihre Familie, und ein erfolgreiches Verbinden von Berufs- und Familienleben ist ihr persönlicher Anspruch. Doch klar sei ihr auch, dass Familieninteressen in gewissen Teilen den beruflichen Interessen untergeordnet werden müssten, wenn man sich für den wissenschaftlichen Karriereweg entscheide. So zum Beispiel bei der Wahl des Arbeitsortes. Denn für den folgenden Karriereschritt Richtung Professur müsste Hanna (aufgrund des Hausberufungsverbots) sehr wahrscheinlich mobil werden. Dies sei auch der Grund, warum ihr Mann selbstständig tätig geblieben sei. Ebenso sei klar, dass weder der in naher Zukunft geplante Hausbau noch die Schulpflicht der Kinder ein Hinderungsgrund für Hanna sein werden, den wissenschaftlichen Karriereweg weiterzuverfolgen. So resümiert sie sachlich: „Es bestimmt schon unser Leben“ (H.: 639). Damit macht Hanna nochmals ganz klar, dass Wissenschaft für sie nicht nur ein Beruf, sondern eine Lebensform ist. 5.1.4 Karrierevertrauen trotz Enttäuschung durch die Universität In Bezug auf das Wissenschaftssystem müsse Hanna überhaupt nicht darüber nachdenken, ob sie Vertrauen in es setzt, denn, so stellt sie klar: „Dem muss ich ein Stück weit vertrauen, das ist die Grundfeste dessen, worauf ich baue [...] Das ist ein Ur-Vertrauen was ich mitbringen muss“ (H.: 999f.). Es ist etwas, das sie, wie sie ausführt, aus ihrer derzeitigen Position heraus gar nicht mehr zu hinterfragen braucht, eine Art habituelles Vertrauen gewissermaßen, wie Endreß und Rampp (2013) es nennen würden. Eine Art von Vertrauen, das sich als

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„präreflexives, pragmatisch wirksames Vertrauensfundament der Routinegrundlagen alltäglichen Handelns und Interagierens“ (Endreß und Rampp 2013: 154) beschreiben lässt. Auch an der Transparenz und Fairness fachinterner Qualitätssicherungsinstrumente, insbesondere bei Entscheidungen bezüglich Stellenbesetzungen, zweifle sie nicht. So führt sie aus: „[B]ei uns Ökonomen, wir sind absolut kriteriengesteuert, da werden ganz klare transparente Entscheidungen getroffen. Es muss auch so sein, das wird auch, glaube ich, schon wirklich so gemacht, dass nachher Netzwerke auch ein bisschen helfen […] nachher, wenn die Gutachten geschrieben werden, wenn es um Listenplätze geht [...] es ist schon ein sehr fairer Prozess der da […] stattfindet“ (H.: 674f.). Vor allem die Verwendung des Publikationsoutputs zur Leistungsbewertung würde Hanna zufolge ihren Glauben an das meritokratische und damit faire Besetzungsprinzip in ihrem Fach stärken. Bezüglich der Unterstützung und Anerkennung sowie des ihr entgegengebrachten Vertrauens, das sie auf ihrem bisherigen Karriereverlauf erfahren und perspektivisch zu erwarten hat, differenziert Hanna jedoch klar zwischen ihrem Vorgesetzten und der Fakultät. Die Beziehung zu Professor Trust in seiner Rolle als Vertrauensintermediär für das wissenschaftliche Feld scheint für sie umso wichtiger, als dass sie ihrer Erzählung nach wenig Unterstützung durch die Fakultät erfahren habe. Insbesondere in einer Zeit, in der sich die Doktorandenausbildung in ihrem Fach spürbar verändern würde, etwa dadurch, dass alte monografische Publikationsformate von Qualifikationsarbeiten durch neue Kumulative ergänzt bzw. ersetzt würden. So merkt Hanna kritisch an: „[W]as bei mir schwierig war, war eigentlich die Sache, dass ich von der Fakultät eigentlich damals sehr wenig Unterstützung gekriegt habe, mich zu qualifizieren auf das, was ich machen muss [...] Doktorandenstudium damals gab es bei uns überhaupt nicht, das heißt, ich habe null Ausbildung gekriegt von der Fakultät“ (H.: 300f.). Auch in Bezug auf die Beschäftigungsperspektive an der Universität hat Hanna nichts Positives über die Fakultät zu berichten. Bisher habe Professor Trust zwar immer dafür gesorgt, dass sie faire, langfristige Verträge bekommen habe, jedoch liege es nun nicht mehr in seiner Macht, ihr eine längerfristige

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Perspektive zu bieten und ihre Stelle zu entfristen. Dies könne nur ihr Arbeitgeber, die Universität, tun, was aber nicht geschehe, wie Hanna beanstandet: „Im Moment empfinde ich diese, diese Befristung schon als […] belastend, […] Ich bin genervt davon, muss ich ganz klar sagen, weil ich es auch […] ein Stück weit, als Nicht-Wertschätzung und -Anerkennung […] meiner Leistung empfinde, weil die Fakultät mir eigentlich ganz klar signalisiert, sieh zu, dass du fertig wirst, oder aber du musst raus hier. […] Und […] [nicht] sagen […], du machst eigentlich einen tollen Job hier, überleg doch mal, ob du nicht bleiben möchtest, wir bieten dir das an“ (H.: 818f.). Für Hanna scheint ganz klar zu sein: Sie muss nach Vertragsende die Universität verlassen, egal wie viel Leistung sie bringt und sich im universitären Alltag engagiert. Dies empfindet sie als empfindlichen Vertrauensbruch und als fehlende Anerkennung seitens der Fakultät, da diese ihr keinen Entscheidungsspielraum lasse, denn Vertrauen ist Anerkennung (Reuter 2014), und diese Anerkennung beansprucht Hanna zum jetzigen Zeitpunkt ihrer wissenschaftlichen Karriere. Hannas zentraler Bezugskontext ist jedoch nicht das universitäre Beschäftigungssystem, sondern ihr fachwissenschaftliches Feld. Dieses dient ihr als Bezugskontext für ihre Karriereaspirationen und -entscheidungen. Wäre es nämlich das universitäre Beschäftigungssystem, so wäre zu vermuten, dass sie das Vertrauen in eine Wissenschaftskarriere bereits verloren hätte und Exit-Optionen erwägen würde. Doch ihr Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg mit dem Karriereziel Professur ist keineswegs gestört. Dies führt Hanna auf die konstante Unterstützung ihres Vorgesetzten zurück, der für sie als Vertrauensintermediär für das wissenschaftliche Feld fungiert. So fasst sie zusammen: „Er hat mir auf der einen Seite die Freiheit gelassen, wirklich das Thema zu finden, die Theorie zu finden, die Methode zu finden, die mir liegt, mich aber darin begleitet, das wirklich auch gut auszuführen. Also ich habe da unglaublich Glück gehabt eigentlich, dass er [sich] gleichzeitig […] schon gut auskannte in dem Bereich oder sich auch darauf eingelassen hat, sich selber da einzuarbeiten und mich da auch wirklich zu begleiten. Das war mein großes Glück letztendlich und ich glaube, wenn ich die Konstellation so nicht gehabt hätte, hätte ich auch nicht weitergemacht“ (H.: 417).

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Hanna hebt hervor, dass Professor Trust ihr einerseits den nötigen Freiraum in der Findungsphase gegeben und sie andererseits bei der Umsetzung ihrer Forschungsfragen begleitet habe. Das Beispiel macht die Relationalität von Vertrauen deutlich, die Endreß als richtiges Maß aus Nähe und Distanz definiert. Endreß zufolge müssen „Kooperationen wie Vertrauensverhältnisse eine sehr spezifische Balance halten, um als solche zu ‚funktionieren‘. Diese Balance ist eine des kontinuierlichen Spannungsausgleichs zwischen Nähe und Distanz. Vertrauen ist beides: eine Kultur der Nähe unter Achtung der Distanz, die der Respekt der Nähe erfordert“ (Endreß 2012: 99). Professor Trust, nicht die Fakultät ist die zentrale Referenz für Hannas Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg und die Einschätzung ihrer Chancen auf eine Erfolgsposition in der Wissenschaft. 5.1.5. Ausblick Ob sie eine Empfehlung für den wissenschaftlichen Karriereweg gegenüber Promotionsinteressierten aussprechen würde, hänge Hanna zufolge davon ab, wie sich ihre eigene Stellensituation in näherer Zukunft entwickeln würde. So folgert sie: „Vielleicht sage ich in einem Jahr oder in zwei Jahren, wenn ich dann meine eigene Professur habe und sich das so ein bisschen gesetzt hat […] dann, ja, gehe den Weg, es lohnt sich, es ist nervig und es ist auch mal hoffnungslos, vielleicht zwischendrin, aber es lohnt sich. Hoffentlich ist das dann so“ (H.:886f.). Inwiefern sie den wissenschaftlichen Karriereweg und das Anstreben einer Professur anderen empfehlen würde, macht Hanna davon abhängig, ob sie selbst die Erfahrung sammeln wird, erfolgreich bei der Erreichung ihres Karriereziels zu sein. So schließt sie das Interview mit folgender Selbsteinschätzung bezüglich ihres Vertrauens in eine Karriere in der Wissenschaft, mit dem Karriereziel Professur, ab: Hanna: Vielleicht ist mein Vertrauen in Wissenschaftskarrieren in zwei Jahren (1178f.) Interviewer*in: Ein anderes? (1181)

5.2 Peter: „Und seitdem hänge ich an ihm sozusagen“

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Hanna: Ein anderes, weil ich vielleicht doch irgendwo eine Stelle gekriegt habe, ja. (1183) Etwa ein Jahr nach dem Interview wird Hanna auf eine Professur berufen und hat seitdem einen BWL-Lehrstuhl inne54. Sie hat ihr angestrebtes Karriereziel erreicht. Wie es nun wohl um ihr Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg bestellt ist? Eine Frage, die an dieser Stelle offen bleiben muss. 5.2 Peter: „Und seitdem hänge ich an ihm sozusagen“55 Peter, zum Interviewzeitpunkt 43 Jahre alt, ist promovierter Physiker und arbeitet an einer Universität in einer Großstadt in Westdeutschland. Er hat eine Partnerin, die er, seinen Aussagen zufolge, erst kennengelernt habe, als er schon „im System drin“ (P.: 1169) gewesen sei und zwei Kinder. Er wünscht sich, auch in Zukunft in der Wissenschaft zu arbeiten, strebt aber keine Professur an. Das Interview, das in den Sommersemesterferien 2014 stattfand und eineinhalb Stunden dauerte, wurde auf Peters Wunsch nicht in seinem eigenen Büro, sondern in dem der Interviewerin geführt, denn Peter signalisierte ein Interesse daran, sehen zu wollen, „wo Soziolog*innen so arbeiten“ würden. 5.2.1 Ein nichtlinearer Weg in die Wissenschaft Auf die Aufforderung hin, seinen wissenschaftlichen Werdegang zu erzählen, beginnt Peter chronologisch beim Beginn seines Studiums. Zum Zeitpunkt des Studienbeginns habe er, wie er berichtet, noch nicht vorgehabt eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen. Die Zeit bis zum Abschluss des Vordiploms sei für ihn ein „bisschen was hart“ (P.: 64) gewesen. Vor dem Hintergrund der hohen Anzahl von über 30 Prozent an Studienabbrecher*innen in der Physik verwundert diese Aussage nicht (vgl. Sode und Tolciu 2011). Nichtsdestotrotz schließt Peter sein Vordiplom in nur vier Semestern erfolgreich ab. Nach dem Vordiplom habe er dann aber zunächst ein Jahr im [europäischen Ausland A] verbracht, da er „schon bisschen die Nase voll gehabt [habe] vom Studieren“ (P.: 69f.). Nach der harten Zeit während des Vordiploms sucht Peter zunächst eine räumliche Distanz zum Studienort. Er erzählt keine geradlinige Bildungsbiographie, sondern präsentiert sich als Person, der neben der fachlichen Qualifizierung, auch die persönliche Weiterentwicklung und das Lernen von fächerübergreifenden Kompetenzen wichtig sind. Sieben Jahre nach Studienbeginn schließt Peter sein Physikstudium in Deutschland ab. Vor dem Hintergrund 54 55

Diese Information wurde durch eine Internetrecherche gewonnen. (P.: 296)

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5 Fallporträts von Nachwuchswissenschaftler*innen

einer Regelstudienzeit von fünf Jahren schätze er dies als „relativ verspätet“ (P.: 97f.) ein. Diese Verzögerung habe aber Peters Ausführungen zufolge „nichts ausgemacht“ (P.: 101), weil es quasi keiner seiner Peers geschafft habe, in der Regelzeit zu studieren. Aus seiner Sicht sei dies auch kaum möglich, nur wenn man sowohl „Glück […] und super Intelligenz“ (P.: 97) mitbringen würde. Denjenigen Physik-Studierenden, die ihr Studium in Regelstudienzeit absolvieren, schreibt Peter eine außerordentliche Intelligenz zu und die Existenz des nötigen Quäntchens Glück müsse ebenso gegeben sein. An diesem biografischen Übergang verspürt Peter erneut den Wunsch, aus dem Gewohnten auszubrechen. Diesmal wechselt er aber nicht den Ort, sondern stattdessen den Arbeitsinhalt. Anstatt in einem typischen Tätigkeitsbereich für einen Physiker zu arbeiten, wird er Vertriebsangestellter in einem Unternehmen. Nach nur drei Monaten wird ihm jedoch gekündigt, was Peter auf die Tatsache zurückführt, dass er wohl nicht „deren Typ“ (P.:165) gewesen sei. Aus Peters Perspektive sei der Kündigungsgrund auf eine zwischenmenschliche NichtPassung zurückzuführen. Retrospektiv betrachtet empfinde er die Kündigung jedoch als glückliche Fügung, denn, wenn er in der Firma geblieben wäre und dort eine Betriebskarriere angestrebt hätte, wäre ihm eine deutlich interessantere Tätigkeit als Wissenschaftler entgangen. Nach seiner Entlassung kehrt Peter Deutschland erneut den Rücken, um im außereuropäischen [Land X] einen über Bekannte vermittelten Job anzutreten. In der Ingenieursabteilung einer Geräte produzierenden Firma arbeitet Peter erneut nicht als Physiker, sondern quasi fachfremd als Ingenieur. Diese Arbeitserfahrung hebt Peter durchaus positiv hervor, denn das Schöne daran sei gewesen, dass er die „Physik einsetzen“ (P.:177) habe können, denn typischerweise nutzen Ingenieure physikalische Erkenntnisse, entwickeln daraus konkrete Produkte und betreiben bestenfalls Anwendungsforschung. Die Entdeckung der neuen Erkenntnisse, die Grundlagenforschung, liegt jedoch bei den Physikern. So unterliegen anwendungs- und grundlagenorientierte Forschung verschiedenen, inkommensurablen Paradigmen (vgl. Plaum et al. 2009). Die Abteilung, in der Peter gearbeitet habe, sei „super low-tech“ (P.: 179) gewesen, habe also auf die Anwendung kostspieliger und komplizierter Technik verzichtet. Diese berufliche Passage nimmt Peter als Bruch wahr, sowohl in Bezug auf das Land als auch in Bezug auf die Arbeitsinhalte. Vom „Hightech-Land“ (P.:183) Deutschland und der Arbeit in der Experimentalphysikgruppe zum weniger weit entwickelten [Land X] in einer Firma, in der kein besonderes „Hightech-Können“ (P.:187) verlangt gewesen sei. Zwar habe die Tätigkeit in der „lowtech“- Firma keine besondere fachliche Herausforderung für Peter dargestellt, dennoch weist er darauf hin, dass er Neues gelernt habe, da er auch zeitweise in der Werkstatt gearbeitet

5.2 Peter: „Und seitdem hänge ich an ihm sozusagen“

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habe. Diese „praktischen“ Erfahrungen würden ihm in seinem heutigen Job zugute kommen, denn als Experimentalphysiker würden sie ihre Geräte selbst in der hauseigenen Werkstatt anfertigen. Davon profitiere man enorm, „wenn man weiß, wie die Leute [in der Werkstatt] arbeiten, […]. Dann ist es, glaube ich, unheimlich gut, […] also auch menschlich wieder, weil da weiß man, wie die Jungs ticken [...]. Ich habe ja immer einen guten Draht zu denen.“ (P.: 193f.). Man kann nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass man als Experimentalphysiker ein Verständnis für den Bau von Instrumenten und die in der Werkstatt vorherrschende Arbeitsweise hat, zumal in der Experimentalphysik eine Arbeitsteilung vorherrscht, die der von Franzmann (2012) in seiner Studie interviewte Astrophysiker ebenfalls thematisiert. Demnach kann man zwischen drei Typen von Physikern unterscheiden, dem Beobachter, dem Theoretiker und dem Instrumentenbauer. Alle drei Typen arbeiten symbiotisch zusammen, wobei der Instrumentenbauer zwar an der Forschung beteiligt ist und den aktuellsten Stand der Forschung kennen muss, um die technischen Instrumente fortentwickeln zu können, selbst aber nicht forscht (Franzmann 2012: 515, oder wie Franzmann es ausdrückt: „Die Instrumentenbauer haben sich darauf spezialisiert, die technischen Instrumente, mit denen die Forscher die Möglichkeiten der menschlichen Sinne erweitern, fortzuentwickeln. Sie sind in erster Linie Forscher, die eine ingenieuriale Begabung für die experimentelle Apparatur entwickeln. Es sind also nicht von Haus aus Erfinder, die sich in die Astronomie hineinbewegt haben, sondern astronomische Physiker, die technische Problemlösungen nutzen, um den Spielraum ihrer Wissenschaft zu vergrößern. [...] Die Instrumentenbauer sind eine eigenständige Quelle der Innovation und des wissenschaftlichen Fortschritts“ (Franzmann 2004: 515). Zu welchem Typ sich Peter selbst zuordnen würde, wissen wir nicht. Seine bisherige Erwerbsbiographie aber deutet auf den Typ des Instrumentenbauers hin. Abschließend resümiert Peter, dass die einjährige Tätigkeit in der außereuropäischen Firma für ihn ein „Praktikum in Ingenieurskunst [...], nicht [in] Physik (P.: 197) gewesen sei. Peter zeigt sich demütig (Praktikum) und wertschätzend (Ingenieurskunst) gegenüber der ingenieurialen Tätigkeit. Gleichzeitig grenzt er sich von den Ingenieuren ab und betont, dass er sich wieder „zurück in die Physik gesehnt“ (P.: 198) habe. Auch wenn Peter die ingenieuriale Tätigkeit

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anerkennt und wertschätzt, scheint er sich dennoch nicht vollkommen damit identifizieren zu können, denn der Instrumentenbau alleine mache für ihn nicht die Physik aus. Knapp zwei Jahre nach Studienabschluss und dem Sammeln von Arbeitserfahrung in zwei unterschiedlichen Firmen zieht es Peter zurück an die Universität. Er hegt den Wunsch eine Promotion in der Physik zu beginnen. Damals, direkt nach Studienabschluss, habe er sich, wie er erzählt, nicht vorstellen können, in derselben Arbeitsgruppe, in der er sein Diplom abgeschlossen hatte, seine Promotion anzuschließen. Dies sei aber, wie Peter anführt, eine durchaus übliche Praktik im Fach. Als Gründe, warum viele weitermachen würden, nennt Peter einerseits, dass manche eine Promotionsstelle vom Professor bzw. der Professorin angeboten bekämen, und andererseits, „weil sie [...] Spaß in der Gruppe haben“ (P.: 118). Letzteres habe zumindest für Peter nicht zugetroffen, denn er habe sich unter den Physikern nicht immer zugehörig gefühlt. „Ich musste, ja, ich wollte einfach wieder raus. Ich wollte wieder raus, weil ich muss sagen, wenn Sie schon gerade bei den Physikern nachfragen, Physik ist unheimlich interessant, aber ist manchmal, je nachdem, in was für einer Gruppe man dann [...], wie soll ich es durch die Blume sagen, Physiker können ja auch ziemliche komische Kauze sein. [...] Das ist eine spezielle Gruppe [...], wo ich mich nicht hundertprozentig wohlgefühlt habe“ (P.: 119f.). Warum er die Gruppe verlassen musste, führt Peter nicht weiter aus. Darüber kann man nur spekulieren; womöglich hat er keine Promotionsstelle angeboten bekommen. Als Begründung dafür, die Promotion nicht in der Arbeitsgruppe angeschlossen zu haben, führt Peter selbst sein Gefühl des Unbehagens in der Gruppe an. Dieses Gefühl führt er darauf zurück, dass Physiker auf liebenswerte Weise sonderbare, eigenbrötlerische Gestalten sein können. Mit diesen „komischen Kauzen“ (P.:122) habe Peter sich nicht vorstellen können, weiterhin zusammenzuarbeiten. An dieser Stelle übt Peter nur vorsichtig Kritik („wie soll ich es durch die Blume sagen“ P.:121f.) und rückversichert sich nochmals der Anonymität des Interviews. Diese Vorsicht ist vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass er bereits begonnen hat, die Illusio des wissenschaftlichen Feldes zu inkorporieren, und weiß, dass im Feld nur das Üben von Kritik an der Sache als Argument legitim ist, nicht die Kritik an der Person. Peters Aussage bezieht sich aber ganz klar auf die Persönlichkeit der Physiker, nicht auf ihre wissenschaftliche Arbeit. Sein Gefühl der Nichtzugehörigkeit zur Arbeitsgruppe am

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Studienort führt er auf bestimmte Eigenschaften der Gruppe zurück. So sei diese „out“, „viel konservativer“, „traditioneller“, „nicht so locker wie [aktueller Arbeitsort]“ und „sehr, sehr steif“ (P.: 136f.) gewesen. Wohingegen sich das Adjektiv „out“ klar auf die inhaltliche Dimension, die Forschungsthemen, bezieht, können sich die Adjektive „konservativer“ und „traditioneller“ sowohl auf die Forschungsmethoden als auch auf die Forscher*innen selbst beziehen. Die Merkmale „nicht so locker“ und „sehr, sehr steif“ wiederum sind ganz klar personenbezogene Eigenschaften. Sein Gefühl der Nicht-Passung verdeutlicht Peter mittels eines Bildnisses: Wie zwei gleich geladenen Teilchen sich abstoßen, hätten sich die Arbeitsgruppe an seinem Studienort und er gegenseitig abgestoßen. Weiterhin weist Peter darauf hin, er könne sich vorstellen, dass er direkt nach dem Studium seine Promotion angeschlossen hätte, wenn das Klima in der Arbeitsgruppe damals so gewesen wäre wie in seiner heutigen Gruppe. Zwei Jahre nach Studienabschluss und fachfremdem Arbeiten in der Wirtschaft ergreift Peter schließlich die Initiative, um seinen Wunsch zu verwirklichen, wieder in die Physik und auch in die Wissenschaft zurückzukehren. Dazu habe er ein Stellengesuch für eine Promotionsstelle in einer Physiker-Zeitschrift aufgegeben, denn anders als bei anderen, so Peter, verhalte es sich bei ihm in Bezug auf seine Karriere „ein bisschen komisch“ (P.: 208). Wenn andere von Karriere sprächen, würden sie „unheimlich zielstrebig“ (P.: 209f.) handeln und strategisch nach einer passenden Stelle suchen. Dagegen lasse sich Peter von den „Wellen des Schicksals irgendwie so treiben“ (P.: 211). Diese Schicksalsgläubigkeit Peters weist auf seinen Glauben an eine Form von Determinismus, eine Vorbestimmtheit in Bezug auf die Zukunft, hin. Schließlich trifft sein Stellengesuch auf Resonanz: ein deutscher Wissenschaftler, der im [außereuropäischen Land Y] tätig ist, kontaktiert ihn und bietet ihm eine Promotionsstelle an. Der mobilitätsbereite Peter nimmt das Stellenangebot im [außereuropäischen Land Y] an und beginnt zwei Jahre nach Studienabschluss und nach zwei Zwischenstationen in der Wirtschaft an seiner Promotion zu arbeiten. 5.2.2 Vertrauenserschütternde interpersonale Erfahrungen Die auf ihrem Karriereweg prägendste zwischenmenschliche Beziehung, ist für viele Wissenschaftler*innen die zu ihren Doktoreltern. Je nach der Qualität des Betreuungsverhältnisses kann die Phase der Doktorarbeit zum Positiv-, wie auch zum Negativerlebnis werden und sich auf zukünftige Karriereaspirationen auswirken. Für Peter sei die Wahl seines Doktorvaters lediglich eine formale Anforderung im Rahmen des Promotionsverfahrens gewesen, die zu erfüllen gewesen sei. Die eigentliche Betreuung der Promotion habe ohnehin ein

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erfahrener, deutscher Wissenschaftler vor Ort übernommen, der aber selbst keine Professur innehatte. Schnell steht der pragmatische Entschluss fest: Peter braucht einen Doktorvater mit Promotionsrecht und sein Betreuer vor Ort (im [außereuropäischen Land Y]), kennt einen Professor in Deutschland, der Promotionsrecht besitzt. Vermittelt durch den deutschen Wissenschaftler gelangt Peter zu seinem Doktorvater. Somit sei die Wahl seines Doktorvaters für Peter „reiner Zufall“ (P.: 421) gewesen, denn er habe diesen „damals menschlich nicht einschätzen“ (P.: 395) können, da er ihn nicht persönlich gekannt habe. Ohne vorab mehr Informationen zur Person des Doktorvaters einzuholen, habe sich Peter in seine Promotion einfach „rein gestürzt“ (P.: 396). Peter wird von seinem Doktorvater „irgendwie fernbetreut“ (P.: 251), denn sein Lebens- und Arbeitsmittelpunkt liegt in den ersten zweieinhalb Jahren seiner Promotion im [außereuropäischen Land Y]. Diese Passage seines Werdegangs sei Peter zufolge durch viel Forschung und wenig Lehre gekennzeichnet gewesen. Peter findet, dass es eine angenehme Zeit gewesen sei, und fügt hinzu, dass er es auch genossen habe, das Land und seine Kultur kennenzulernen. Doch nach zweieinhalb Jahren im Ausland habe Peter den Wunsch verspürt, die Endphase seiner Doktorarbeit in Deutschland zu verbringen. Er kehrt zurück nach Deutschland, an den Lehrstuhl seines Doktorvaters und schließt eineinhalb Jahre später nach einer Promotionsdauer von vier Jahren seine Dissertation ab. Insgesamt weist Peter seinem Doktorvater keine große Bedeutung für seinen akademischen Werdegang zu. Dies liege laut Peter aber nicht daran, dass er ihn als Wissenschaftler nicht schätzen würde. Peter beschreibt seinen Doktorvater als einen „typische[n] Wissenschaftler, der wirklich, [...] alles genau hinterfragt und auch alles hundertprozentig machen wollte und auch die Wissenschaft sehr weit gebracht hat in diesem Feld“ (P.: 921f.). Er entspricht für Peter dem Bild eines „typischen“ Wissenschaftlers. Warum Peter ihm für seinen Werdegang nur eine geringe Bedeutung zuschreibt, führt er auf eine „rein menschliche Sache“ (P.: 919) zurück, denn er sei nicht wirklich gut mit ihm ausgekommen. Dies sei auch der Grund, warum Peter sich nach Abschluss der Doktorarbeit, als er nicht mehr abhängig von ihm gewesen ist, darum bemüht habe, sich außerhalb seines Einflussbereichs zu bewegen. Aufgrund seines menschlichen Defizits habe sein Doktorvater, Peter zufolge, keine Vorbildfunktion für ihn, obwohl er ihm nicht abspreche, ein guter Wissenschaftler zu sein. Peter differenziert hier klar zwischen seinem Doktorvater als „Mensch“ und seinem Doktorvater als „Wissenschaftler“. Dies sind für ihn zwei getrennte Bewertungssphären. Diese Differenzierung taucht auch in einem Interview mit einem Professor der Informatik auf, das Engler (2001) im Rahmen ihrer Studie geführt hat. Engler folgert daraus, dass

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„die Konstruktion der wissenschaftlichen Persönlichkeit [...] eine Einteilung in einen öffentlichen Teil, der am Bekanntheitsgrad des Professors orientiert ist, und eine persönliche Einschätzung, die aus der Nähe gewonnen wird, [enthält]. Die Berühmtheit des Professors existiert abgespalten neben dem im persönlichen Umgang gewonnenen Eindruck“ (Engler 2001: 330). Gemäß Peter müsse ein idealer Doktorvater Potenzial in beiden Sphären besitzen. So betont er: „[D]ie Hälfte sind Hard Skills und die andere, sind Soft Skills. Also das eine, [er] muss natürlich ein guter Physiker sein und zweitens muss er […] menschlich etwas einfühlsam sein und auf den Menschen zugehen können. Iich glaube, das ist auch ganz wichtig, also dass man dann irgendwie nicht zu hart auftritt und die Leute entsprechend leiten kann. Also auch ein gewisses menschliches Potenzial hat“ (P.: 1544f.). Wie nach seinem Studienabschluss, als er seine Arbeitsgruppe aus zwischenmenschlichen Gründen verlässt, möchte sich Peter ebenfalls aus personenbezogenen Gründen nicht längerfristig an seinen Doktorvater binden, denn diesem fehle, laut Peter, das gewisse „menschliche Potenzial“, obgleich er ein exzellenter Wissenschaftler sei. Peter präsentiert sich nicht als strategisch agierenden Nachwuchswissenschaftler, dessen primäres Ziel es ist, seine Chancen auf eine Erfolgsposition in der Wissenschaft zu optimieren. Eine derartige Strategie hätte so aussehen können, dass er sich eine gewisse Zeitspanne an den wissenschaftlich herausragenden Doktorvater bindet, sein menschliches Defizit zeitweilig toleriert, in der Hoffnung, dass etwas von dessen wissenschaftlicher Reputation auf ihn „abstrahlt“, und ihn dann ohnehin zu verlassen, um sich anschließend auf eine Professur zu bewerben. Peter würde so quasi von dessen wissenschaftlichem Kapital profitieren. Denn wie auch Beaufaÿs anmerkt gilt, dass eine hohe Reputation des Mentors bzw. der Mentorin im Fach den von ihm bzw. ihr Betreuten auch hilfreich sein kann, da der „Ruhm des Mentors […] anscheinend auch auf seinen Schützling ab[färbt]“ (Beaufaÿs 2003: 181). Doch da Peter seinem Vorgesetzten große Mängel im zwischenmenschlichen Umgang attestiert, will er sich unter keinen Umständen längerfristig an diesen binden. Auch wenn Softskills nach Peters Ansicht für das Erreichen einer Professur untergeordnete Wichtigkeit besitzen, so können sie dennoch für Mitarbeitende wie Peter ausschlaggebend sein, die Arbeitsstelle und somit den Vorgesetzten zu wechseln. Und Peter habe seinen Ausführungen zufolge ausreichend schlechte

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Erfahrungen mit seinem Doktorvater gesammelt. Dazu würden Treffen zählen, die sehr regelmäßig stattgefunden hätten, in Peters Augen „zu oft“ (P.: 965). Regelmäßige Treffen werden in der einschlägigen Literatur zur Promotionsbetreuung zwar oft als Hinweis auf eine gelungene Betreuung thematisiert und von Akteuren der Wissenschaftspolitik angeraten (HRK 2003:6; 2012: 4f.). Peter aber verbindet die häufigen, langen Treffen, die er selbst während der Promotion erfahren hat, nicht mit etwas Positivem, sondern habe diese als „fürchterlich“ empfunden. Die bloße Quantität der Treffen sagt folglich nichts über die Betreuungsqualität aus. Es geht um die Ausgestaltung der Zusammenkünfte, denn von Betreuung kann in Peters Fall wohl eher nicht gesprochen werden. Stattdessen sei bei den frequenten Treffen mit dem Doktorvater den Mitarbeiter*innen vorgehalten worden, was sie „nicht gemacht oder nicht richtig gemacht“ (P.: 967f.) hätten. Bildlich gesprochen, habe man bei derartigen Zusammenkünften „als Doktorand [...] den Gummiknüppel über den Kopf bekommen […] und das war […] das Schlimme“ (P.: 966f.). Die Treffen dienten, der Schilderung Peters nach zu urteilen, vor allem der Kontrolle der adäquaten Erfüllung der Aufgaben, nicht der Begleitung der Dissertation. Die Kritik wurde aber nicht in Form einer Diskussion von Sachargumenten geübt, sondern sei immer auch eine Kritik an der Person gewesen. Das Betreuungsverhältnis war folglich nicht durch Vertrauen und einem Gewähren von Handlungsspielräumen geprägt, sondern durch Kontrolle und ein Klima der Angst. Das Betreuungsverhältnis Peters war demnach keine Vertrauensbeziehung, sondern ein asymmetrisches Machtverhältnis. Statt der Verantwortung gerecht zu werden, die Peter seinem Doktorvater zuschreibt, habe dieser seine mächtigere Position ausgenutzt, seine Macht missbraucht und Druckmittel angewendet. So habe der Doktorvater „Daumenschrauben“ (P.: 1076) in Form von Drohungen über die Beendigung des Betreuungsverhältnisses eingesetzt, um „Leute beliebig ausquetschen“ (P.: 990) zu können. Insbesondere vor folgendem Hintergrund ist dies als besonders problematisch anzusehen. Denn in Deutschland spielt, wie Beaufaÿs darlegt, der Vorgesetzte „sogar gleich mehrere Rollen: die des Prüfers, des Arbeitgebers, des Betreuers und die des Multiplikators. Als ‚Prüfer‘ hat er eine klare Selektionsfunktion, als ‚Arbeitgeber‘ sichert er seine Mitarbeiter in ihrer finanziellen und sozialen Existenz, als ‚Multiplikator‘ sorgt er für ihre Wahrnehmung in der Fachöffentlichkeit und als ‚Betreuer‘ oder ‚Mentor‘ setzt er methodische Standards und bestimmt unter Umständen die thematische Strategie seiner Schützlinge. Damit ist er in allen Stadien des akademischen Anerkennungsspiels für den Nachwuchs von Bedeutung“ (Beaufaÿs 2003: 184f.).

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Aufgrund dieser Besonderheit wird die traditionelle deutsche Promotion auch oft als Abhängigkeitsverhältnis kritisiert (vgl. Berning und Falk 2006: 3; Enders und Bornmann 2001; Enders 1996). Der Schilderung Peters folgend, hat sein Doktorvater seine Machtposition missbraucht, seine Promovierenden ausgebeutet, scheinbar wohlwissend, dass er am längeren Hebel sitzt und die Nichtumsetzung seiner Forderungen durch eine Nichtverleihung des Doktortitels sanktionieren kann. Kein vertrauensvolles Verhältnis, denn Vertrauen „arbeitet nicht mit Angst oder Furcht“ (Hartmann 2011: 12). Dass sein Doktorvater nicht nur bei bloßen Drohungen bleibt, illustriert Peter an einem besonders tragischen Fall. Ein Doktorand, der bereits drei Jahre bei seinem Doktorvater promoviert habe, sei von diesem unvermittelt „rausgeschmissen“ (P.: 1002) worden und die vertragliche Kündigung sei auch mit einem Rückzug der Promotions-Betreuungszusage einhergegangen. Zwar räumt Peter ein, dass es schon passieren könne, dass ein Betreuungsverhältnis nicht funktioniere, wichtig sei aus seiner Sicht dann aber, dass man das „auf einer menschlichen Basis löst. Man hat auch eine menschliche Verantwortung, dass man sagt, okay, das ist eine Person, die ich betreuen muss, und wenn irgendwas schiefläuft, muss ich auch gucken, dass ich den aus der Sache da rauskriege“ (P.: 1011f.). Seine Erwartungshaltung an ein Doktorad*innen-Betreuer*innen-Verhältnis macht Peter hier ganz explizit. So erwarte er nicht (nur) eine inhaltlich-fachliche Betreuung, sondern betont insbesondere die menschliche Verantwortung, die man als Doktoreltern gegenüber seinen Promovierenden tragen würde. Dies sei von besonderer Wichtigkeit in Krisenzeiten, wenn nicht alles nach Plan laufe. Weiterhin erwarte Peter, dass sich der Doktorvater, wenn eine Fortsetzung der Betreuung und bzw. oder Beschäftigung durch ihn nicht möglich sei, darum bemühen solle, eine „Übergangslösung“ (P.: 1014) für den Promovierenden zu finden, ihn nicht perspektivlos und auf sich alleine gestellt zu lassen, sondern ihn beispielsweise „an eine andere Gruppe weiter[zu]leiten“ (P.: 1014). Auch der von Franzmann (2012) interviewte Astrophysiker spricht die „professionsethische Verantwortung des Projektleiters direkt an. Er ist selber in der Position, Themen ausloten und Arbeitsbündnisse anbieten zu können. Er sieht zwei Formen der Verantwortung: Einmal gegenüber der Person des Doktoranden und einmal gegenüber der Entwicklung der Forschung selbst. Ein Betreuer muss bedenken, dass die Wahl eines Doktorthemas für den fachlichen und persönlichen Lebensweg des

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Doktoranden folgenreich ist [...]. Der Professor hat eine gewisse Macht über Menschen und Schicksale und darf sie deshalb nicht gedankenlos einsetzen“ (Franzmann 2004: 557). Da Peter den Großteil seiner Promotionszeit weit entfernt im [außereuropäischen Ausland Y] verbracht habe, seien ihm „glücklicherweise“ derart schlimme persönliche Erfahrungen mit seinem Doktorvater erspart geblieben. Alles in allem könne er sich, wie er resümiert, an keine konkrete negative Situation, die er persönlich mit seinem Doktorvater erlebt habe, erinnern. Für ihn würde aber feststehen, dass er „kein gutes Gefühl“ (P.: 1034) beim Umgang mit ihm gehabt habe und „gesundheitliche Probleme“ (P.: 1035), die „langsam psychosomatisch“ (P.: 1035) geworden seien, konkret beispielsweise „aus dem heiteren Himmel (kommende) Magenkrämpfe“ (P.: 1036) durch den Kontakt mit seinem Doktorvater davongetragen habe. Der menschlich schwierige Doktorvater habe zudem bewirkt, dass die „Gruppenatmosphäre“ (P.: 1086) gelitten und sich Peter einfach nicht mehr wohl gefühlt habe. Ohne einen konkreten Auslöser sei für Peter klar gewesen, dass ihm der Umgang mit seinem Doktorvater weder psychisch noch physisch guttue und dies keine Grundlage sei, unter der er seine Zusammenarbeit mit diesem fortsetzen habe wollen. Auch wenn der Rest der Arbeitsgruppe aus netten Leuten bestanden habe, reichte eine wirklich unangenehme Person, der Doktorvater, aus, dass Peter nicht in der Gruppe verweilen wollte. 5.2.3 Die in Vertrauensbeziehungen liegende Bindungskraft Aufgrund der bisherigen Schilderungen liegt die Vermutung nahe, dass Peter erneut die Arbeitsgruppe verlassen und so möglicherweise erneut der Wissenschaft den Rücken kehren könnte. Jedoch sind die letzten eineinhalb Jahre seiner Promotionszeit am deutschen Lehrstuhl nicht nur vom schwierigen Umgang mit seinem Doktorvater geprägt gewesen, sondern auch durch eine „schicksalhafte“ Begegnung mit einer weiteren Person, einem gewissen Herrn Grundstein. Am Lehrstuhl seines Doktorvaters lernt Peter, wie er berichtet, nämlich auch Herrn Grundstein, einen Postdoc, kennen, der seinerzeit kurz vor der Fertigstellung seiner Habilitation steht. Welche weitreichenden Folgen der Entschluss, seine Dissertation in Deutschland abzuschließen, für seinen weiteren Karriereverlauf gehabt habe, fasst Peter selbst folgendermaßen zusammen: „[Ü]ber diese Entscheidung bin ich im Prinzip nach [aktueller Arbeitsort] gekommen, weil [...] über diesen Doktorvater gab es einen der habilitiert hat und [...] der hat mich immer

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mitgenommen. Und der ist jetzt mittlerweile Professor in [aktueller Arbeitsort] und deshalb bin jetzt hier“ (P.: 253f.). Peter sammelt am Lehrstuhl seines Doktorvaters nicht nur negative Erfahrungen, sondern trifft dort auch die Schlüsselperson seiner bisherigen Erwerbsbiographie. Das Treffen mit Herrn Grundstein habe den „den ersten Stein dazu gelegt, […] den Grundstein“ (P.: 261) für seinen weiteren beruflichen Werdegang und bestimme seinen Karriereweg bis hin zum Tag des Interviews, einem bisherigen Zeitraum von über zehn Jahren. Die beruflichen Entscheidungen von Herrn Grundstein determinieren seither auch Peters Berufsentscheidungen, denn er sei von diesem „immer mitgenommen“ (P.: 257) worden. Gewissermaßen beschreiten die beiden Physiker seither den wissenschaftlichen Karriereweg gemeinsam, denn Peter hat Herrn Grundstein bis zum Erreichen seiner Professur am aktuellen Arbeitsort begleitet. Peters Verweilen in der Wissenschaft nach seinem Promotionsabschluss ist nicht primär auf seine Begeisterung für die Physik, seinen erwachenden Ehrgeiz, eine Machtposition im wissenschaftlichen Feld erreichen zu wollen, oder auf seinen Wunsch, wissenschaftliche Unabhängigkeit zu gewinnen, zurückzuführen. Vielmehr resultiert seine Verweilentscheidung aus seinem Bedürfnis, die berufliche enge Zusammenarbeit mit Herrn Grundstein weiter fortzuführen. Die Entstehung und Entwicklung dieser „Schicksalsgemeinschaft“ wird im Folgenden noch detaillierter betrachtet. Als die beiden Nachwuchswissenschaftler aufeinander trafen, war Herr Grundstein Habilitand und damit bereits eine Qualifikationsstufe weiter als Peter, der sich in der Endphase seiner Promotion befand. Weder auf die Abgabe seiner Dissertation noch seine mündliche Promotionsprüfung geht Peter im Interview weiter ein, sondern stellt Herrn Grundstein in das Zentrum seiner Erzählung. Dieser habe sich als „aufstrebender Wissenschaftler“ (P.: 292) nach Abschluss seiner Habilitation auf Stellen an anderen Universitäten bewerben müssen, um seinen wissenschaftlichen Karriereweg hin zu den mächtigeren Positionen im fachwissenschaftlichen Feld weiterzuverfolgen. Für Peter ist ganz klar, „wenn man habilitiert ist, muss man gucken, dass [...] man irgendwo anders [...] eine Stelle kriegt“ (P.: 293), denn aufgrund des in Deutschland existierenden Hausberufungsverbotes würde dies der Normalbiographie eines Wissenschaftlers mit Berufsziel Professur entsprechen. Herr Grundstein folgt dieser Normalbiographie, habe sich Peters Ausführungen zufolge außerhalb beworben und eine Professur im [europäischen Ausland B] angeboten bekommen. Unmittelbar nach seiner Stellenzusage habe Herr Grundstein Peter „sofort gefragt“ (P.: 295), ob er ihn begleiten wolle. Herr Grundstein

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signalisiert Peters Darstellung zufolge klar, dass er großes Interesse an einer Fortsetzung ihrer beruflichen Zusammenarbeit hat. Peter erhält somit die Möglichkeit, einerseits weit weg von seinem Doktorvater zu gelangen und andererseits ohne aktive Stellensuche eine Anschlussstelle zu bekommen. Den Fortgang der Dinge kommentiert Peter folgendermaßen: „[U]nd seitdem hänge ich an ihm sozusagen“ (P.: 296). Die Formulierung „an jemandem hängen“ kann einerseits bedeuten, dass die Person emotional bedeutsam für einen ist. Man kann aber auch eine Art „Anhängsel“ sein, also immer dabei, aber nicht als Individuum sichtbar, ein bedeutungsloses Gefolge. Um welche Art von Beziehung es sich bei Peter und Herrn Grundstein handelt, sei im Folgenden genauer beleuchtet. Was feststeht ist, dass Peter an dieser Stelle zum ersten Mal in seinem beruflichen Werdegang eine längerfristige Bindung eingeht, von der wir wissen, dass sie bis heute andauert. Das Muster des „Abhauens“, des „Mal- Raus- Müssens“ versiegt mit der schicksalhaften Begegnung mit Herrn Grundstein. Aus Diskontinuität wird Kontinuität, Kontinuität in Bezug auf die Person, mit der Peter zusammenarbeitet. Herr Grundstein ist die Schlüsselperson in Peters wissenschaftlicher Erwerbsbiografie, denn so folgert Peter, „wenn es diese Person nicht gäbe, wäre ich garantiert nicht in der Wissenschaft. Es geht soweit, […] ich wäre schon längst rausgegangen [...], wenn es diese Person nicht gegeben hätte, die mich mit Begeisterung bei der Wissenschaft gehalten hat“ (P.: 876f.). Denn im „Normalfall“, so nimmt Peter an, gilt, „wenn man einen Doktor gemacht hat und danach noch ein paar Postdocs angehängt hat, dann ist irgendwann Schluss“ (P.: 784). Sein Verweilen in der Wissenschaft führt Peter eindeutig auf die Person Herrn Grundsteins und dessen Bemühen um ihn zurück. Laut Peter habe Herr Grundstein ihn davor „bewahrt“ (P.: 787) abzuspringen und ihm geholfen, die karrierewegsinhärente Unsicherheit auszuhalten, den „Popo still“ (P.: 788) zu halten und darauf zu vertrauen, dass sie gemeinsam eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für Peter finden werden. Herr Grundstein, der sich nicht wie einer der für Peter prototypischen „kauzigen“ Physiker verhält, habe ihn durch seine Begeisterung für die Wissenschaft und seine Ermutigung, die Unsicherheit eine Weile zu tolerieren, vom Verlassen des wissenschaftlichen Karrierewegs abgehalten. Die übliche Anstellungspraktik in der Postdoc-Phase in der Physik, bei der man nach zwei Jahren den Forschungsstandort und gegebenenfalls auch den Beschäftigungsbereich wechselt, empfindet Peter als „hart“ (P.: 1132), denn für eine Weiterbeschäftigung des Postdocs nach Ablaufen

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dieser Frist würde, Peter zufolge, der Vorgesetze im Normalfall keine Verantwortung übernehmen und man könne „das Weite suchen“ (P.: 786). Wie wir bereits aus der Erzählung Peters wissen, ist ihm von besonderer Wichtigkeit, dass man als Nachwuchswissenschaftler*in darauf vertrauen kann, dass der Vorgesetzte diese „menschliche“ Verantwortung übernimmt. Seinem Doktorvater konnte er diesbezüglich nicht vertrauen und er habe stets fürchten müssen, dass dieser ihn irgendwann „rauswirft“. Herr Grundstein dagegen verhält sich anders und wird damit zur zentralen Bindestelle zwischen Peter und dem wissenschaftlichen Beschäftigungssystem. Wegen Herrn Grundsteins menschlichen Qualitäten ist Peter bereit, sich an diesen zu binden und auf eine Fortsetzung seines Werdegangs in der Wissenschaft zu vertrauen. Nichtsdestotrotz räumt Peter ein, dass er des Öfteren schon darüber nachgedacht habe, die Wissenschaft zu verlassen, denn ihm sei das mit einem wissenschaftlichen Karriereweg verbundene Risiko durchaus bewusst. So reflektiert Peter, dass Dauerstellen im Wissenschaftssystem für „normalsterbliche Wissenschaftler wie für mich, also für wissenschaftliche Mitarbeiter“ (P.: 769), sehr rar seien. Eine Kontrastfolie zu den „Normalwissenschaftler*innen“ bilden für Peter die außerordentlichen Professor*innen, zu denen er sich selbst perspektivisch nicht zählt. Eine Entfristung der Stelle, sei Peter zufolge, in der Wissenschaft die „Ausnahmesituation“, mit der man nicht rechnen könne. In nur einem Fall würde Peter empfehlen, in der Wissenschaft zu verbleiben, nämlich dann, wenn man „so intelligent [ist], dass man mit 100% sagen kann, dass man eine Professorenstelle will“ (P.E: 1510). Von hundert Personen, die anfangen zu promovieren, treffe dies, seiner Ansicht nach, aber nur auf eine Person zu, und nur außergewöhnliche Umstände hätten dazu geführt, dass er bisher in der Wissenschaft habe verweilen können. Zwar habe ihm die wissenschaftliche Tätigkeit immer schon Spaß gemacht, aber erst „das gute Verhältnis zu meinem jetzigen Chef, dass ich, wir durch Drittmittel immer noch eine, meine Stelle bezahlen konnten“ (P.: 772), hätte es ihm ermöglicht, auch weiterhin seinen Interessen nachgehen zu können. Auch als Herr Grundstein erneut den Arbeitsort wechselt, da er einen Ruf in Deutschland bekommt, heißt es wieder: „Willst du mitkommen? [Da] habe ich gesagt, ja, ich komme mit, und dann, seitdem bin ich halt hier in [aktueller Arbeitsort]“ (P.: 329). Das Muster wiederholt sich: Herr Grundstein trifft die Entscheidung, den Ruf in Deutschland anzunehmen, und Peter bekommt abermals das Angebot von ihm, mit ihm zusammen nach Deutschland zu gehen, an einen Ort, der geographisch gesehen, nicht weit entfernt von Peters Studienort liegt. Peter nimmt das Angebot an und arbeitet seither am aktuellen Arbeitsort.

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Inwiefern das Angebot auch unmittelbar mit einer Stelle für Peter verbunden war, erfahren wir nicht. Zwischen Peter und Herrn Grundstein besteht inzwischen ein mehrjähriges, wechselseitiges Verhältnis des Gebens und Nehmens. Herr Grundstein gibt Peter die Möglichkeit, ihn an einen anderen Arbeitsort zu begleiten, und Peter nimmt wiederholt das Angebot an. Er zeigt sich mobilitätsbereit und stellt Herrn Grundstein seine Arbeitskraft als Mitarbeiter zur Verfügung. Peter zufolge sei die Zusammenarbeit mit seinem Vorgesetzten auch immer noch „sehr gut und fruchtbar“ (P.: 331). 5.2.4 Eine ambivalente, asymmetrische Vertrauensbeziehung Das über mehrere Jahre andauernde Arbeitsverhältnis mit Herrn Grundstein würde Peter auch als „Vertrauensbeziehung“ bezeichnen (P.: 856)56, eine zwischenmenschliche Beziehung, die auch „weit ins Private hinein [geht], auch mit Kindern und so“ (P.: 861). Das Verhältnis zwischen ihm und seinem Vorgesetzten sei für Peter keine bloße „Arbeitsbeziehung“, sondern auch eine freundschaftliche. Es ist damit eine Beziehung, die nicht nur zwischen den beiden existiert, sondern die ganze Familie, inklusive Kindern, mit einschließt. Privates und Berufliches verschmilzt an dieser Stelle miteinander, eine klare Trennung gibt es nicht. Wie die Freundschaftsbeziehung genauer gestaltet ist, erfahren wir nicht weiter. Was jedoch klar ist, ist, dass die Arbeitsbeziehung zwischen Peter und Herrn Grundstein eine hierarchische ist, in der Herr Grundstein die mächtigere Position einnimmt, womöglich eine Situation, die der von Maria, einer von Lange-Vester und Teiwes-Kügler (2013) porträtierten Nachwuchswissenschaftlerin, ähnelt: „Maria ist mit den Spielregeln des akademischen Feldes nicht vertraut genug, sie geht davon aus, dass sie ein freundschaftliches und offenes Verhältnis zu ihrem Vorgesetzten hat und verkennt damit die Beziehungsstruktur. Bei aller Freundlichkeit handelt es sich um ein hierarchisch strukturiertes Verhältnis“ (Lange-Vester und Teiwes-Kügler 2013: 10). Die objektiven Relationen der Positionen im Wissenschaftsfeld und die subjektive Wahrnehmung der Beziehung können demzufolge durchaus divergieren. Ein Umstand, der dazu beiträgt, die Machtasymmetrie in Beziehungen zu verschleiern. So basiert die berufliche Zusammenarbeit zwischen Peter und Herrn Grundstein von Anfang an auf einem hierarchisch ungleichen Verhältnis, da 56 Auf die Frage der Interviewerin ,,würden Sie denn diese Beziehung als eine Vertrauensbeziehung bezeichnen?“ antwortet Peter: „ja, ja, ja, ja!“

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Peter seinen Ausführungen zufolge, ein „kleiner Doktorand [...] [gewesen sei] und er [(Herr Grundstein)] war schon habilitiert langsam und daher, also Kollegen in dem Sinne ja, aber er war halt [...] der kleine Chef“ (P.: 314f.). In den Naturwissenschaften, beispielsweise auch in den biochemischen Arbeitsgruppen, die Beaufaÿs (2003) im Rahmen ihrer Studie beobachtet und interviewt hat, bezeichnet auch ein Doktorand den Privatdozenten, an dessen Thema er mitarbeitet, als „kleinen Chef“ (Beaufaÿs 2003: 115). Der „große Chef“ dagegen ist der Leiter der gesamten Arbeitsgruppe, der Professor. Dies liegt daran, dass der Privatdozent sich innerhalb dem Oberthema der Arbeitsgruppe nochmals ein eigenes Spezialgebiet erschlossen hat, das er beforscht und wofür er, und nicht der Leiter der gesamten Arbeitsgruppe, Experte ist (Beaufaÿs 2003: 115). Auch Peter sieht Herrn Grundstein von Beginn ihrer Zusammenarbeit an als den „kleinen Chef“ an. Schon beim ersten Aufeinandertreffen wurde die relationale, positionale Beziehung zwischen den beiden festgelegt. Eine Hierarchie, die von Peter nicht negativ wahrgenommen wird. Denn trotz der Machtasymmetrie, sei die Zusammenarbeit der beiden Physiker stets sehr fruchtbar gewesen oder, wie Peter es umschreibt: „Wir haben schön zusammengearbeitet [...], also im Prinzip in einer Zweiermannschaft. Ja gut, nein, das war noch ein größeres Labor, da waren noch andere Leute dabei, aber wir hatten eine Maschine und [...] [da] habe ich dran geforscht und er war sozusagen der Chef“ (P.: 321f.). Von einer Mannschaft spricht man im Sport, wenn es um einen Wettkampf von (mindestens) zwei Teams geht, in der Seefahrt, wenn man von der Besatzung eines Schiffs spricht. Umgangssprachlich ist damit auch ein Arbeitsteam gemeint. Mit dem Begriff „Mannschaft“ geht in allen Fällen die Bedeutung einher, dass man anstrebt, zusammen ein Ziel zu erreichen und sich gegenüber den Konkurrent*innen zu behaupten. Den Kern der „Mannschaft“ in seiner jetzigen Arbeitsgruppe bildet für Peter die Zweierbeziehung mit Herrn Grundstein, obwohl er erwähnt, dass zur Arbeitsgruppe auch noch weitere Personen gehören würden. Zwischen ihm und seinem Vorgesetzten gebe es eine klare Arbeitsteilung, die darin bestehe, dass Peter die Experimente an der Maschine durchführt, und Herr Grundstein die Rolle des „Chefs“ eingenommen habe. Damit bringt Peter vermutlich zum Ausdruck, dass Herr Grundstein der Weisungsbefugte war und die Verantwortung für das Gelingen des Experiments trug, das Experiment aber nicht selbst ausführte. Es ist anzunehmen, dass das, was Schliesselberger und Strasser (1998) vor allem Assistentinnen in Mentoringbeziehungen zu Professoren attestieren, auch auf die Beziehung zwischen Peter

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und Herrn Grundstein zutrifft. Aus seiner Erzählung liegt der Schluss nahe, dass Peter für Herrn Grundstein eine statusstützende Kraft ist und hinsichtlich seiner Karriereentwicklung wenig selbst vom Status von Herrn Grundstein profitiert, wie meist in männlichen same-gender Mentoringbeziehungen (vgl. Schliesselberger und Strasser 1998). Vergleicht man Peters akademischen Qualifizierungsverlauf mit einem typischen wissenschaftlichen Werdegang in der Physik mit dem Karriereziel Professur, der von einem von Franzmann (2012) interviewten Astrophysiker skizziert wird, erkennt man einen deutlichen Unterschied. So schreibt Franzmann: „Am Anfang steht der Doktorand. Er übernimmt Aufgaben, die sich aus einem Projekt ergeben, welches sein Betreuer leitet. Die Fragestellung ist noch nicht selbst entwickelt, der Grad der Vorgaben ist relativ hoch, doch innerhalb der gestellten Aufgabe gibt es hohe Freiheitsgrade. Der Postdoc hat eine nächste Stufe erreicht. Diese Phase dauert einige Jahre und ist von wechselnden Zugehörigkeiten geprägt. Der Postdoc löst sich aus seiner Herkunftsgruppe, ist relativ selbstständig, schließt sich nacheinander verschiedenen Projektgruppen an, mit denen er aber nur eine lockere Partnerschaft unterhält. […] Im Kern geht er […] seinen eigenen Fragestellungen weiter nach. Der Grad der Selbstbestimmung ist in dieser Phase so hoch wie in keiner anderen. Aber der Postdoc muss auch flexibel und mobil sein. [...] Der Postdoc genießt eine Forscherexistenz, die frei von Lehre und administrativen Pflichten ist. Das ändert sich, sobald diese Phase vorbei ist. Deshalb muss der Postdoc in dieser Phase seine Karriere zimmern. Am Ende der Phase muss etwas Vorzeigbares vorliegen. […] Wer sich hier verzettelt oder nachlässt, wird nicht weiterkommen. Gelingt es ihm aber, rückt er automatisch in die Position eines Gruppenleiters auf, der die Verantwortung für ein Forschungsprojekt übernimmt“ (Franzmann 2012: 518). Der Unterschied des eben skizzierten prototypischen wissenschaftlichen Karriereverlaufs in der Physik zum bisherigen Werdegang Peters liegt vor allem darin, welche Ziele in der Postdoc-Phase angestrebt werden. Denn anders als im idealtypischen Verlauf ist Peters Schilderungen nicht zu entnehmen, dass für ihn die Entwicklung zur unabhängigen Forscherpersönlichkeit je im Zentrum seiner bisherigen Tätigkeit als Postdoc stand, umso mehr als die Aufrechterhaltung der Zusammenarbeit mit Herrn Grundstein stets oberste Priorität für Peter hatte. Peter versteht sich als Teammitglied von Herrn Grundsteins Mannschaft, nicht als eigenständiger Wissenschaftler, dessen Ziel es ist Autonomie zu gewinnen

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und ein eigenes Forschungsprofil auszubilden. Er präsentiert sich nicht als nach Autonomie strebender Postdoc, sondern als Mitglied, als „Anhängsel“ von Herrn Grundstein. Dieser wiederum scheint, wenn man Peters Erzählung folgt, das Wissenschaftsfeld als „Kampffeld“ zu verstehen, indem er versucht, möglichst viel relevantes Kapital zu akkumulieren, um im Wettbewerb mit anderen Anwärter*innen auf Machtpositionen reüssieren zu können. Peter ist durch seine statusstützende Funktion und seine mangelnden Eigeninteressen auf eine höhere Position für Herrn Grundstein sicherlich eine wertvolle Ressource im Kampf um die raren Machtpositionen, die er nicht verlieren möchte, was sich auch darin zeigt, dass Herr Grundstein stets darum bemüht war, Peter immer „mit zu holen“. Der „Gemeinschaftssinn“ ist auch für die von Lange-Vester und TeiwesKügler (2013: 109) interviewte Doktorandin der Naturwissenschaften primär handlungsleitend. Wenn das fachwissenschaftliche Bezugsfeld aber „konkurrenzorientierte Handlungsmuster erzwingt und [...] diejenigen, die sich diese Muster nicht zu eigen machen (können), unter Umständen scheitern“ (LangeVester und Teiwes-Kügler 2013: 110), ist es möglich, dass eine derartige Handlungsorientierung nicht erfolgsbringend ist und nicht zum Erreichen des Karriereziels führt. Das Scheitern Peters an einem gewissen Punkt in seiner Erwerbsbiographie ist daher nicht auszuschließen, da er sich durch die Wahl der Abhängigkeit anstelle des Strebens nach Autonomie darauf einlässt, dass andere, in seinem Fall Herr Grundstein, wesentlich über seine zukünftigen Erwerbschancen mitbestimmen können. Es ist Peter auch durchaus bewusst, dass die Wahl der Abhängigkeit bzw. die Ablehnung der Inkorporierung der Rolle als „Einzelkämpfer“ nicht der üblichen Praxis im wissenschaftlichen Feld entspricht. Auf der einen Seite seien seiner Ansicht nach er und sein Vorgesetzter „eigentlich ein gutes Team“ (P.: 299), doch würde dieses Verständnis als Team, „manchmal in der Wissenschaft ungern gesehen“ (P.: 300). Denn Wer ganz nach oben im Wissenschaftsfeld will, der entscheidet sich letztendlich für einen Weg, den er alleine gehen muss. Es sei denn, man findet jemanden, der einen begleiten möchte, selbst nicht ganz nach oben strebt und einen auf diesem Weg unterstützt. 5.2.5 Selbstpräsentation als „normaler“ Wissenschaftler Peter präsentiert sich als Person, für die die Arbeit in einem guten Team größere Wichtigkeit besitzt, als selbst eine Machtposition im Wissenschaftsfeld zu erreichen. Sein Karriereziel ist folglich auch nicht das Erreichen einer bestimmten Position, wie beispielsweise einer Professur, sondern das Erreichen einer Position, welche ihm eine dauerhafte Zusammenarbeit mit Herrn Grundstein gewährleistet. Damit signalisiert Peter nicht die Bereitschaft, sich gänzlich den

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5 Fallporträts von Nachwuchswissenschaftler*innen

„Spielregeln“ des wissenschaftlichen Feldes und der Illusio des Feldes zu beugen. Er berichtet weder von der Akkumulation von wissenschaftlichem Kapital noch präsentiert er sich als leistungsfähiger Potenzialträger, der für sich eine Machtposition im wissenschaftlichen Feld beansprucht, denn, so bemerkt Peter, es gehe ihm nicht darum, „Karriere“ zu machen, sondern „darum […], wo verdiene ich mein Geld in der Zukunft“ (P.: 758f.). Und das Wort „Karriere“ würde Peter zufolge, bei ihnen ohnehin niemand „so richtig in den Mund“ (P.: 734f.) nehmen. Über Karriere und karrierestrategisches Handeln werde also, Peter zufolge, in seinem Forschungsumfeld nicht gesprochen. Reichertz proklamiert jedoch, dass das „Berufsfeld ,Wissenschaft‘ […] trotz aller lauten Dementis ein soziales Feld darstellt, in dem die ,Rangunterschiede‘ in Bezug auf Ansehen und Einkommen bei aller scheinbaren Gleichheit enorm sind. Kurzum, man kann in der Wissenschaft durchaus Karriere machen“ (Reichertz 2003: 360). Peter würde jedoch statt von „Karriere“ eher davon sprechen, dass man sich Gedanken darüber macht, wie man „irgendwie in so einem System überleben kann“ (P.: 739f.). In einem Feld, in dem laut Peter die beiden einzigen legitimen Optionen nur seien, Professor*in zu werden oder das Feld zu verlassen und in andere Tätigkeitsfelder zu wechseln. Eine bewusste Auseinandersetzung mit alternativen Karrierewegen hat für Peter aber nie stattgefunden, das habe ihn nie „so interessiert“ (P.: 753f.) wie er kommnetiert. Zwar räumt er ein, auch über Alternativpläne grob nachgedacht zu haben, wie beispielsweise Physiklehrer zu werden oder in die Industrie zu gehen, aber näher habe er sich damit nie beschäftigt bzw. nicht damit beschäftigen müssen, da er seit Promotionsabschluss immer in der Situation gewesen sei, dass er eine Weiterbeschäftigungsoption durch Herrn Grundstein angeboten bekommen habe. Doch als „Karriere“ würde Peter seinen Werdegang nicht bezeichnen, denn ihm sei bewusst, dass eine wissenschaftliche Karriere zu machen, ein „ganz schmaler Weg“ (P.: 760) sei, den nur die wenigsten beschreiten könnten. Herr Grundstein ist diesen schmalen Pfad gegangen, hat die Hürden auf dem Weg gemeistert und eine Karriere in der Wissenschaft gemacht. Er ist einer der wenigen, die Peter zufolge das mitbrächten, was man für eine Karriere in der Wissenschaft brauche. An erster Stelle sei in diesem Kontext, gemäß Peter, „Intelligenz [zu nennen], […] also die Profs, [...] das sind keine dummen Leute, die können [...] dreimal schneller denken und sprechen als wir, als Normalvolk“ (P.: 631f.). Zunächst einmal definiert Peter, von wem er spricht, wenn er von Karrieristen in der Wissenschaft spricht, nämlich den Professor*innen. Die

5.2 Peter: „Und seitdem hänge ich an ihm sozusagen“

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Vergleichsfolie bildet für ihn das „Normalvolk“, zu dem er auch sich selbst zählt. Im Vergleich zum „Normalvolk“ schreibt er Professor*innen eine außerordentliche Intelligenz zu, die laut Peter die „Grundvoraussetzung“ (P.: 641) für eine Wissenschaftskarriere sei. Intelligenz allein reiche aber nicht aus, denn es gebe viele intelligente Menschen, die sich aber nicht für die Physik interessieren würden. Daher sei es weiterhin wichtig, dass man ein gewisses „Fiebern für die Wissenschaft“ (P.: 641) mitbringe. Peter zufolge sind damit Intelligenz, Hingabe, Begeisterung, Neugierde und ein Verständnis von Wissenschaft, nicht als Beruf, sondern als „Berufung“, die nötigen Voraussetzungen, um zur wissenschaftlichen Persönlichkeit werden zu können. Man brauche eine „Willi-will’s-wissen“Mentalität. Diese Referenz Peters auf die auf Sachthemen konzentrierte Kindersendung deutet zudem an, dass man diese Begeisterung auch früh entwickeln müsse, schon als Kind. Auch die Beschreibung Peters, man müsse „ein Tüftler, Bastler von Kindesbeinen an [sein], der [...] schon [...] in der Kindheit [...] mit der Märklin-Eisenbahn gespielt hat, weil bei uns geht es [...] um viel Entwicklung, Bauen von Sachen“ (P.: 1442f.), unterstreicht diese Voraussetzung nochmals. Dies bedeutet wiederum, dass das Elternhaus bereits die Grundlagen legen muss, damit man diesen „Forscherdrang“ überhaupt erst entwickeln kann. Die Entwicklung dieser Neugierde, dieser Begeisterung erscheint jedoch an gewisse Voraussetzungen geknüpft zu sein. Dies reflektiert Peter jedoch nicht weiter und kommentiert: „Die wollen das einfach.“ (P.: 647). Ein Musterbeispiel einer wissenschaftlichen Persönlichkeit stellt für Peter ganz klar Herr Grundstein dar. Die Außerordentlichkeit seines Vorgesetzten unterstreicht Peter nochmals dadurch, dass er betont, dass dieser „nicht nur ein guter Wissenschaftler [sei], sondern auch, ja also keine Person, auch eine Persönlichkeit“ (P.: 889f.), eine Persönlichkeit, die durch ihre Eigenschaften aus der Masse hervorsticht. Durch ebenjene Zuschreibungen, wie Peter sie vornimmt, kommt es erst zur Entstehung von wissenschaftlichen Persönlichkeiten, denn „Persönlichkeit‘ ist keine psychologische Größe […], sondern eine zutiefst soziale“ (Beaufaÿs 2003: 47). Was Herrn Grundstein so „besonders“ mache, sei, laut Peter, zum einen seine „gewisse Art mit Leuten umzugehen“ (P.: 890), seine Sozialkompetenz und zum anderen seine „Begeisterung für die Wissenschaft“ (P.: 890), und es ist nicht irgendeine Art von Begeisterung, sie sei „mönchsartig“ (P.: 891). Allein die Hingabe an die wissenschaftliche Arbeit zählt, physische und psychische Bedürfnisse werden dabei zur Nebensache, auf die man (zeitweise) verzichten kann (Beaufaÿs 2003: 128). Peter zieht noch einen weiteren Vergleich zwischen der Religion bzw. einem Mann Gottes und einem Wissenschaftler heran. So habe der Mönch vor 500 Jahren im Kloster das Spirituelle gesucht, wohingegen heutzutage Wissenschaftler*innen in der Physik

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5 Fallporträts von Nachwuchswissenschaftler*innen

nach Wundern oder Geheimnissen suchen würden. Es gehe, Peter zufolge, in der Physik darum, Wunder zu „entdecken“. Dass man als Wissenschaftler*in durch seine Person an der Produktion der Erkenntnisse beteiligt ist, bleibt bei dieser Betrachtungsweise unberücksichtigt (vgl. Knorr-Cetina 1984). Die Beschreibung Peters gleicht sehr der Schilderung vieler Wissenschaftler*innen, wenn Sie eine typische wissenschaftliche Persönlichkeit beschreiben. Ungewöhnlich jedoch ist, dass Peter bei der Charakterisierung seines Vorgesetzen an erster Stelle nicht etwa seine außerordentlichen Denkleistungen anführt, sondern zuerst sein Geschick im Umgang mit anderen Menschen hervorhebt. An erster Stelle ist Professor Grundstein für Peter ein bewundernswerter Mensch und erst an zweiter Stelle ein herausragender Physiker. Herrn Grundstein gehe es bei der wissenschaftlichen Zusammenarbeit nicht nur um die Sache, wie Peter anmerkt, sondern auch um die Person. Da seien „nicht nur Hard Skills […] gefragt, sondern da wird immer nachgefragt, wie geht es dir […], da hat man viel mehr Verständnis füreinander“ (P.: 379). Sein Vorgesetzter sei für Peter auch ein Vorbild, jedoch „ein nie erreichbares Vorbild“ (P.: 905). Unerreichbar sei es für Peter, da er nicht alles könne, „was der kann. […] [I]st zwar ein Vorbild, aber ich werde es nie so gut schaffen wie er. Also intelligenzmäßig, [...] muss man zugeben“ (P.: 909). Damit Peter beanspruchen könnte, wie sein Vorgesetzter zu einer wissenschaftlichen Persönlichkeit zu werden, müsste er mehr Intelligenz mitbringen, so seine Ansicht. Denn Intelligenz steht bei Peter an erster Stelle, wenn es um die Befähigung zu einer Wissenschaftskarriere mit dem Karriereziel Professur geht. Die Aussage wirkt wie ein Bekenntnis. An dieser Stelle relativiert Peter nicht, auch wenn er dies im Interviewverlauf häufig tut. Peter beansprucht wohl nicht nur deswegen keine Professur, weil ihm diese Position mit zu viel Stress und einer zu hohen Arbeitsbelastung einherginge, wie er auch anführt, sondern gewiss auch in Teilen deswegen, weil er sich nicht berechtigt fühlt, diese zu beanspruchen, da er sich einen Mangel an Intelligenz attestiert und somit eine derartige Position nicht ausfüllen könnte. Auch wenn er hinsichtlich seiner Intelligenz nicht mit seinem Chef mithalten könne, so bringe er eine große Begeisterung für die Wissenschaft mit. Vor allem habe Peter an seinem Beruf stets die Möglichkeit „beflügelt“ (P.: 1469), als „Erster“ etwas beobachten zu können, und dies löse in ihm ein „tolles Gefühl“ (P.: 1483) aus. „Also diese Faszination, dass man eigentlich der Natur […] irgendwie auf die Finger gucken kann und dass man […] im Prinzip immer der Erste ist, […] der Erste der das […] jetzt nachmessen kann […] mit seinen speziellen Geräten“ (P.: 1478). Originalität als Antriebsfaktor für die Tätigkeit als Physiker nennt auch der von Franzmann (2012: 503) interviewte Privatdozent der Astrophysik. Ein Motiv, das Peter folglich auch mit anderen Kolleg*innen im Fach teilt.

5.2 Peter: „Und seitdem hänge ich an ihm sozusagen“

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5.2.6 Ausblick Seine Begeisterung für die wissenschaftliche Tätigkeit ist für Peter, neben Herrn Grundstein, ein Motivator, weiterhin in der Wissenschaft tätig zu bleiben, obgleich er keine Professur anstrebt. Peter zufolge bestehe auch eine realistische Option, dass er auch zukünftig in der Wissenschaft tätig sei und mit Professor Grundstein zusammenarbeiten könne, denn er habe „eventuell die Möglichkeit, dass die Stelle entfristet wird, wenn ich Glück habe“ (P.: 773f.). Peter äußert nicht, dass er es nicht als mangelnde Wertschätzung und unkorrektes Verhalten der Universität empfindet, dass ihm die Stelle nicht selbstverständlich in Aussicht gestellt wird. Er zeigt sich unterwürfig, dankbar und begreift die Entfristungsoption eher als Schicksalsfügung denn als Universitätspolitik. Er beansprucht als Gegenleistung für seine Leistungen in Forschung und Lehre keine höhere Position in der Hochschulhierarchie. Vielmehr sieht Peter diese Option als einen Glücksfall an, der nur wenigen Aspirant*innen tatsächlich zuteilwird. Daher fühle sich Peter auch „wie so ein Überlebender von so einem Schiffsunglück. Ich frage mich dann manchmal, warum ich, weil [...] ich kenne andere Leute, die das nicht kriegen“ (P.: 836f.). Um die Außergewöhnlichkeit der Situation, in der er sich befindet, nochmals zu unterstreichen, wählt Peter einen drastischen bildlichen Vergleich. Die Wahrscheinlichkeit, dauerhaft im Wissenschaftssystem zu verweilen, vergleicht er mit dem Überleben eines Schiffsunglücks. Über Tod und Leben bzw. Weiterbeschäftigung und Verlassen des Systems entscheidet Peter zufolge in großem Maße der Zufall. Die eigenen Einflussmöglichkeiten sieht er als sehr begrenzt an. Die Gründe, warum er genau einer der „Glücklichen“ ist, der bisher im System verweilen „darf“, , seien ihm unklar. Weder führt Peter an dieser Stelle seine besonderen Fähigkeiten, seine Leistung, seine Persönlichkeit noch die ihm zuteil-gewordene Unterstützung auf dem bisherigen Karriereweg an. Er führt die „glückliche Situation“, in der er sich befindet, nicht auf sein eigenes Handeln, seine Strategien zurück, sondern attribuiert die Gründe dafür extern. Sollte seine Stelle tatsächlich entfristet werden, würde Peter seine Zukunft in der Position als wissenschaftlicher Mitarbeiter am aktuellen Arbeitsort sehen, der „noch schöne Forschung“ (P.:1231) macht und an der „Lehre aktiv teilnimmt“ (P.:1232). Das Bild von seiner beruflichen Zukunft, das Peter hier skizziert, klingt nicht nach einem beneidenswerten Jackpot-Gewinn, obwohl seiner Darstellung zufolge doch nur so wenige in den „Genuss“ (P.:840) kämen, eine der raren Dauerstellen im Wissenschaftssystem zu ergattern. Nichtsdestotrotz ist man auf einer Dauerstelle, die keine Professur ist, weiterhin weisungsgebunden und kann nicht unabhängig Entscheidungen treffen. Auch das Prestige der Stelle ist deutlich geringer, denn nur wer eine Professur erhält, so der Glaube

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5 Fallporträts von Nachwuchswissenschaftler*innen

im wissenschaftlichen Feld, hat es „wirklich“ geschafft, wird als vollwertige*r Spieler*in im Wissenschaftsspiel anerkannt und kann selbst Macht ausüben. Alle Positionen unterhalb der Professur haben Anwartschaftsstatus. Wenn man sich mit einer derartigen Position dauerhaft zufriedengibt, wird dies häufig gleichbedeutend mit einer Kapitulation, einer Niederlage gesetzt. So wird Peter womöglich sein individuelles Karriereziel erreichen und die Unsicherheit bezüglich seiner zukünftigen Beschäftigung wird womöglich ein Ende nehmen. Die Anerkennung durch seine Fachkolleg*innen, zumindest die durch Wissenschaftler*innen, die höhere Positionen bekleiden bzw. anstreben, wird vermutlich jedoch ausbleiben. Zwei Jahre nach dem Interview mit Peter ist er immer noch am gleichen Lehrstuhl als „Scientific Staff“ tätig57. Man könnte vermuten, dass seine Stelle tatsächlich entfristet wurde. Vielleicht gab es aber auch wieder nur eine Verlängerung mit einem befristeten Arbeitsvertrag. Dies wird aus der Bezeichnung der Stellenkategorie leider nicht ersichtlich. Fest steht jedoch, dass Peter noch immer in der Wissenschaft tätig ist und weiterhin am Lehrstuhl von Herrn Grundstein arbeitet. 5.3 Max: „Ich bin mir auch alleine genug”5859 Das Interview mit Max fand an einer Universität im Westen Deutschlands statt und dauerte knapp eineinhalb Stunden. Insgesamt besteht das Interview zum Großteil aus narrativen Passagen und in die flüssige Narration fügen sich nur wenige Nachfragen des Interviewers ein. Anzumerken ist darüber hinaus, dass Max sich selbst zur Teilnahme an der Studie bereiterklärt hat und Kontakt mit dem Forschungsteam über einen „Mach-Mit“-Button auf der Projekthomepage aufgenommen hat. Er ist kein klassischer Betriebswirt, sondern Postdoc der Wirtschaftsinformatik, einer hybriden Disziplin, die sich zwischen Anwendungsforschung und Grundlagenforschung, zwischen Informatik und Wirtschaftswissenschaften bewegt. 5.3.1 Der Weg in die Wissenschaft Auf die Aufforderung hin, von seinem bisherigen wissenschaftlichen Werdegang zu erzählen, beginnt Max seine Erzählung bei seiner Studienentscheidung. Vorgeprägt durch seine Eltern, die beide „im Bereich Wirtschaft“ (M.: 21f.)

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Diese Information basiert auf Internetrecherchen. (M.: 294) 59 Das Transkript zum Interview mit Max ist im Materialband zur vorliegenden Arbeit zu finden. 58

5.3 Max: „Ich bin mir auch alleine genug”

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berufstätig seien, habe er sich zunächst nicht für Wirtschaft interessiert. Stattdessen habe er schon immer ein großes Interesse für „die technische Seite“ (M.: 19) gehabt. Ein reines Informatikstudium wäre ihm aber, seinen Ausführungen zufolge, zu „trocken“ (M.: 24) gewesen, da ihm der Anwendungsbezug gefehlt hätte. Ein Schlüsselmoment für seine Studienentscheidung sei der Vortrag eines Wirtschaftsinformatikers bei der Woche der Berufsorientierung in seiner Schule gewesen, der ihn überzeugt habe und wodurch die Entscheidung für das Studienfach für ihn gefallen sei. Der Studienort ist auch schnell gefunden, ein Ort der einerseits nicht weit entfernt von seinem Heimatort liege, andererseits im CHE-Hochschulranking „ordentlich gerankt“ (M.: 31f.) gewesen sei. Seine Wahl sei schließlich auf eine laut CHE-Ranking gute, aber nicht eine der besten Universitäten gefallen. Retrospektiv bezeichnet Max seine Entscheidung als eine „relativ wenig reflektierte“ (M.: 34f.), womit er darauf anspielt, dass er zu Studienbeginn, eigentlich kein großes Interesse für Wirtschaftsfragen mitgebracht habe. Im Studium habe er seinen Schilderungen zufolge auch ein Interesse für „die wirtschaftliche Seite“ (M.: 30f.) entwickelt. Seine Studienfachwahl scheint damit kongruent mit seinen Interessen, Technik und Wirtschaft, zu sein. Im Interviewverlauf thematisiert Max sein Studium kaum, umso detaillierter aber berichtet er von seiner studienbegleitenden Erwerbstätigkeit. So habe er schon im Sommer vor Studienbeginn angefangen, in einem Start-Up zu arbeiten. Er sei zusammen mit dem Unternehmen „gewachsen“ (M.: 41), habe zunächst einfache Seiten programmiert und schließlich immer komplexere und sei vom Softwareentwickler zum „stellvertretender Projektleiter“ (M.: 44) aufgestiegen. Der Nebenjob im Start-Up sei für Max nicht in erster Linie eine Möglichkeit gewesen, sein Studium zu finanzieren, sondern habe ihm ermöglicht, das Gelernte aus dem „Hörsaal dann direkt mit einer Anwendung zu verknüpfen“ (M.: 47f.). Die Vorlesungsinhalte bleiben damit für Max nicht nur Theorie, sondern er macht damit auch die Erfahrung, dass das Gelernte auch praktisch verwertbar ist. So folgert Max: „Deswegen wusste ich, ich bin hier total auf der richtigen Schiene“ (M.: 48f.). Der gegebene Anwendungsbezug im Studienfach Wirtschaftsinformatik habe ihn davon überzeugt, dass er das richtige Studienfachwahl gewählt habe. Neben der außeruniversitären Tätigkeit berichtet Max auch davon, als Tutor in dem Fachgebiet gearbeitet zu haben, auf das er sich später auch in seiner Promotion spezialisieren wird. Das Jobangebot sei Max von einem Dozenten unterbreitet worden, was Max auf seine außerordentliche Leistung in der Klausur der Veranstaltung zurückführe. Das habe ihn seiner Einschätzung zufolge sichtbar für den Dozenten werden lassen. Durch die Tutorentätigkeit sei es ihm möglich gewesen, bereits im Studium erste Lehrerfahrung zu sammeln, was ihm

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5 Fallporträts von Nachwuchswissenschaftler*innen

auch „ziemlich viel Spaß gemacht“ (M.: 55f.) habe. Max erzählt darüber hinaus davon, dass er sich selbst noch auf einen weiteren Tutorenjob beworben habe, welcher es ihm ermöglicht habe, auch in größeren Gruppen Lehrerfahrung zu sammeln. Bereits initiiert in den Lehrbetrieb und in seiner Leistungsfähigkeit bestätigt, ergreift Max selbst die Initiative und hat Erfolg damit, denn er habe die Stelle als Tutor auch bekommen und ihm Rahmen davon „im vollen kleinen Audimax ein Tutorium gehalten“ (M.: 59), was ihm „unglaublich viel Spaß gemacht“ (M.: 60f.) habe. Max präsentiert sich selbstbewusst, denn er habe schon als Studierender nicht davor zurückgescheut, in großen Veranstaltungen zu lehren. Der Dozent, für den Max das Tutorium zu seiner Veranstaltung gehalten habe, habe ihn außerdem in seine Arbeitsgruppe aufgenommen, zu der, laut Max, nur ein limitierter Kreis an Auserwählten Zugang erhalte. Dieses Team von etwa fünfzehn Studierenden seien die „Jünger“ (M.: 62) des Dozenten gewesen, die über das normale Lehrangebot hinaus noch eine spezielle Förderung in Form von Planspielen erhalten hätten. Seiner Diplomarbeit weist Max erzählerisch nur geringen Stellenwert zu, diese habe er dann „mal eben geschrieben mit einem Industriepartner“ (M.: 65), den besagter Dozent „angeschleppt“ (M.: 66) habe. Der Dozent eröffnet ihm die Möglichkeit, in Kooperation mit einem Partner aus der Industrie seine Abschlussarbeit zu verfassen, und Max ergreift sie und setzt sie kurzerhand in die Tat um. Wohl zufrieden mit der bisherigen Arbeit von Max habe ebenjener Dozent Max zu Studienende auch offeriert, am Lehrstuhl als wissenschaftlicher Mitarbeiter anzufangen. Da ihm der eine Teil der Lehrstuhltätigkeit, die Lehre, die er bisher kennengelernt habe, Spaß bereitet habe, habe Max das Jobangebot des Dozenten angenommen und nach Studienabschluss begonnen am Lehrstuhl zu arbeiten. 5.3.2 Die Promotion in „Einsamkeit und Freiheit“ Durch seinen Antritt der Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter sei der Lehrstuhlinhaber Professor Handsoff sowohl zu Max‘ Vorgesetzten als auch zu seinem Doktorvater geworden, da dieser von ihm erwartet habe zu promovieren. Max habe von ihm aber von Anfang an die klare Ansage bekommen: „Sie steuern ihren Promotionsprozess eigenständig“ (M.: 76f.), und Max berichtet auch, dass sein Vorgesetzter „sehr, sehr hands off“ (M.: 135) bezüglich der Betreuung seiner Promotion gewesen sei. Dies habe laut Max unter anderem daran gelegen, dass sein Promotionsthema nicht dem Spezialisierungsbereich seines Doktorvaters entsprochen habe. Auch bezüglich der Lehrveranstaltungen, die Max habe halten müssen, habe er nicht auf den Rat und die Unterstützung durch Professor Handsoff zählen können, da auch diese inhaltlich nicht zu dessen Spezialgebiet gehört hätten. So wird aus Max‘ Erzählung deutlich, dass er

5.3 Max: „Ich bin mir auch alleine genug”

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bereits früh im Qualifizierungsverlauf sehr autonom arbeiten musste und nicht auf die Unterstützung durch seinen Vorgesetzten zählen konnte. Die „handsoff“-Mentalität seines Professors habe aber nicht nur an dessen fehlendem fachlichen Bezug zu Max‘ Promotionsthema gelegen, denn auch andere Kolleg*innen, die „im engeren fachlichen Bezug“ (M.: 86f.) zu ihm gewesen seien, hätten laut Max keinen wesentlich engeren Austausch mit dem Lehrstuhlinhaber gehabt. Doch Max beklagt sich nicht über die geringe Betreuungsintensität, denn er habe, wie er anführt, auch kein Bedürfnis nach einer intensiveren Betreuung gehabt. So resümiert er: „Das war […] im Humboldt’schen Sinne Wissenschaft als Freiheit, jetzt das machen zu müssen, was man will, ohne jetzt irgendwie feste Meilensteine oder einen klar strukturierten Promotionsprozess“ (M.: 88f.). Es scheint so, dass Max trotz seiner Mitarbeiterstelle am Lehrstuhl „in Einsamkeit und Freiheit“ promoviert, denn seine Freiheit im Promotionsprozess sei weder durch einen abgesprochenen Zeitplan mit seinem Doktorvater noch durch inhaltliche Absprachen eingeschränkt worden. So erwähnt Max nur, dass er einmal ein Exposé an seinen Betreuer geschickt habe, das dann von diesem abgesegnet worden sei. „Das nächste Gespräch war über den Titel kurz vor Abgabe und dann habe ich abgegeben, weil ich da halt keinen substantiellen Input hätte erwarten können“ (M.: 668f.). Max‘ Erzählung vermittelt den Eindruck, dass seine Erwartungen an den Promotionsprozess mit denen seines Vorgesetzten übereingestimmt haben. Und Max betont, dass es eine Promotionsform gewesen sei, die zu ihm gepasst habe. Dennoch reflektiert er, dass das, was für ihn ein Erfolgsmodell darstelle, nicht für jeden Promovierenden zutreffen müsse, denn andere Promovierende, die mehr Unterstützung, mehr Input, mehr Strukturierung brauchen würden, seien „dann nach sechs Jahren halt mit sehr wenig da“ (M.: 92) gestanden. Max präsentiert sich als Nachwuchswissenschaftler, der schon früh eigenständig gearbeitet hat und keine Strukturierung von außen benötigt habe, denn er sei „nicht so Feedback-abhängig“ (M.: 672), um sich sicher zu sein, dass seine Arbeit gut sei. Das Bedürfnis, die Richtigkeit und Qualität seines Vorgehens durch seinen Vorgesetzten absichern zu lassen, habe Max nicht. Auch habe er nicht die Notwendigkeit gesehen, sich vor Abgabe der Dissertation mit seinem Doktorvater auszutauschen, um sicherzugehen, dass seine Dissertation auch von seinem Doktorvater als promotionswürdig angesehen werde. Eine schlechte Bewertung habe Max an keiner Stelle gefürchtet, denn es gehe rein um die Sache, um reine Logik und wenn er „Sachen gut begründe, dann gehe [er] davon aus, das ist schon irgendwie eingängig, auch wenn man es nicht unbedingt teilt, aber man kann sagen, okay, er hat zumindest das Ganze gut begründet“ (M.: 673f.). Intersubjektive Nachvollziehbarkeit führt Max als

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wichtigstes Bewertungskriterium für eine wissenschaftliche Arbeit an, auch wenn er einräumt, dass es noch eine weitere Bewertungsebene gebe, die durch die Einstellungen und Präferenzen der bewertenden Forscher*innen beeinflusst werde. Dabei gehe es, Max zufolge, aber nicht um Logik, sondern um Geschmäcker und Werturteile. Obschon nicht alle Wissenschaftler*innen seine Ansichten teilen würden, gehe Max davon aus, dass ein sauberes wissenschaftliches Vorgehen und Argumentieren von anderen Akteuren im Feld sowie auch seinem Doktorvater anerkannt würden. Während Max‘ Vorgesetzter bezüglich der Promotionsbetreuung und seiner Involviertheit in Lehrstuhl-Serviceaufgaben eine „hands-off“-Mentalität pflege, sei er Max zufolge, im zwischenmenschlichen Umgang dennoch „ganz kumpelig“ (M.: 681) und stets „sehr freundschaftlich auf Augenhöhe“ (M.: 660) gewesen, obwohl er auch von seinen Mitarbeitenden gesiezt werde. Zwar sei Professor Handsoff selten am Lehrstuhl anwesend gewesen, bei zufälligen Begegnungen auf dem Universitätsflur, sei er, so Max, aber sehr integrativ gewesen und habe einen proaktiv in nicht-dienstbezogene Unterhaltungen mit einbezogen. Die Zuwendung durch seinen Vorgesetzten auf einer außerberuflichen Ebene kommentiert Max folgendermaßen: „Dann war irgendwie der Nachmittag um“ (M.: 678f.). Max‘ Vorgesetzter erweckt den Anschein, dass er an einer freundschaftlichen Atmosphäre am Lehrstuhl interessiert gewesen war, denn Max berichtet auch davon, dass er seine Mitarbeiter*innen zu Geburtstagsfeiern und Videoabenden eingeladen habe. Derartige Einladungen habe Max aber aus „Zeit- oder anderen Termingründen“ (M.: 681) meist nicht wahrgenommen. Max wiederum erweckt den Eindruck, dass er keinen besonderen Wert auf den privaten Kontakt zu seinem Doktorvater gelegt habe, oder zumindest scheinen ihm andere Termine oder Aktivitäten wichtiger gewesen zu sein. Die Rolle, die Max seinem Vorgesetzten zuweist, ist klar die eines Arbeitgebers. An darüberhinausgehenden Rollenbeziehungen, wie der Rolle als Betreuer, Ratgeber, oder als Freund, scheint Max, wenn man seinen Ausführungen folgt, nicht interessiert gewesen zu sein. Er präsentiert sich als Person, die sich nicht persönlich abhängig von ihrem Vorgesetzten und Doktorvater fühlt und nicht das Bedürfnis verspürt, in dessen Gunst zu stehen. 5.3.3 Karriereinvestitionen und Erfolgserlebnisse auf dem Qualifizierungsweg Während der ersten zwei Jahre seiner Promotion habe sich Max durch drei verschiedene Stellen finanziert, zum einen durch eine halbe Haushaltsstelle am Lehrstuhl, die Aufgaben in Lehre und Studienberatung inkludiert habe. Darüber hinaus habe er sich um alle Verwaltungsangelegenheiten gekümmert, die am Lehrstuhl angefallen seien. Unter anderem habe er auch den Projekt-

5.3 Max: „Ich bin mir auch alleine genug”

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mitarbeiter*innen eines großen Forschungsprojektes, das am Lehrstuhl angegliedert gewesen sei, den „Rücken” (M.: 328) freigehalten. Gewissermaßen als „stille Reserve“ (M.: 327) hätten die Lehrstuhlmitarbeiter*innen alle projektbezogenen administrativen Aufgaben erledigt, damit die Projektmitarbeiter*innen „in Ruhe forschen konnten“ (M.: 330f.). Auch seine aktuelle Stelle bei Professor Neu umfasse laut Max vor allem Aufgaben in Lehre und Administration. Zunächst weist Max darauf hin, dass ihn insbesondere die Verwaltungsaufgaben wissenschaftlich nicht weiterbringen würden. Schon im nächsten Satz revidiert er seine Aussage jedoch wieder und lenkt ein, dass sogar diese ihn insofern weiterbrächten, als dass er dadurch bei Bewerbungen „umfangreiche Erfahrung in allen Facetten der akademischen Selbstverwaltung“ (M.: 936f.) vorweisen könne. Bei der Auswahl für ein Vorstellungsgespräch würde das aus Max‘ Perspektive zwar „keinen wirklichen Unterschied“ (M.: 937) machen, doch wenn er diese Hürde bereits überwunden habe, werde seine Serviceerfahrung womöglich vorteilhaft für ihn sein, weil sie Signalwirkung auf zukünftige Kolleg*innen habe. Damit referiert Max auf die geteilte Meinung fast aller Wissenschaftler*innen, dass Verwaltungsaufgaben, das notwendige Übel seien, das man zu erfüllen habe. Daher nimmt Max an, dass er als attraktiver potentieller Kollege wahrgenommen werden könnte, da er durch seine umfangreiche Serviceerfahrung bereits bewiesen habe, dass er auch unliebsame Aufgaben übernehmen könne und seine Kolleg*innen annehmen könnten, diese Art von Aufgaben auf ihn „abladen“ (M.: 939) zu können. Ein Aspekt, der für den Fall Gültigkeit besitzen mag, wenn bei der Stellenbesetzung keine Forscherpersönlichkeit gesucht wird. Die Einwerbung von Drittmitteln sei, Max zufolge, auf seiner aktuellen Stelle von geringerer Priorität, da er „gerade überproportional viel Service machen [müsse], ist […] halt sehr gut zu erwägen, was steckt man dann in Anträge“ (M.:362f.). Max priorisiere das Schreiben von Drittmittelanträgen nicht, da er am Lehrstuhl durch Daueraufgaben mehr als ausgelastet sei. Weiterhin sei seine Finanzierung bereits durch Haushaltsstellen gesichert, und sein „Überleben“ (M.: 365 im Wissenschaftssystem würde nicht davon abhängen. Damit verweist Max darauf, dass die Finanzierung seiner Stelle auch ohne die zusätzliche Einwerbung von Drittmitteln gesichert sei. Vielleicht nicht notwendig, aber womöglich wären Drittmittel hilfreich, da sie sich sowohl vorteilhaft für seinen Lebenslauf auswirken als auch mit mehr Zeit zum Forschen für ihn einhergehen könnten. Denn wäre seine Stelle über Drittmittel finanziert, müsste Max vermutlich weder in großem Umfang Lehrstuhl-Verwaltungsaufgaben übernehmen noch lehren. Doch wir wissen bereits, dass genau dies die Tätigkeiten sind, die Max besonders Spaß bereiten. Daher ist anzunehmen, dass sein Anreiz, diese Tätigkeiten zu minimieren, nur gering ist.

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Insgesamt legt Max bei der Schilderung seines Werdegangs besonderen Wert darauf, sein großes Engagement in Lehre und Service herauszustellen. Seinen Publikationsaktivitäten weist er beim Erzählen einen deutlich geringeren Stellenwert zu. Aber die Publikationen sind wissenschaftliches Kapital und damit die wichtigste Währung im wissenschaftlichen Feld beim Kampf um die Machtpositionen (vgl. Barlösius 2012:127). Weiterhin berichtet Max davon, dass er zu Promotionsbeginn neben der Lehrstuhlstelle eine halbe Stelle als stellvertretender Projektleiter in ebenjenem Start-Up innegehabt habe, in dem er schon während des Studiums gearbeitet habe. Als dritten Job führt Max noch seine Tätigkeit als Übersetzer für Fachbücher an. Max präsentiert sich als sehr belastbare Person, die parallel zur Promotion noch in drei anderen Jobs gearbeitet hat. Auch wenn sich Max an keiner Stelle über das hohe Arbeitspensum beklagt, sei dabei etwas auf der Strecke geblieben, wie Max an einem gewissen Punkt in seinem Werdegang feststellt: „Mit drei halben Jobs komme ich nicht so recht weiter in allen drei Bereichen“ (M.: 98f). Nach zwei Jahren habe er schließlich sowohl den Job als Übersetzer als auch den Job im Start-Up aufgegeben, um sich stärker auf seine Tätigkeit an der Universität und seine Dissertation zu konzentrieren. Ein Tätigkeitsbereich, der bis zu diesem Zeitpunkt insbesondere zu kurz gekommen sei, sei laut Max die Forschung gewesen, schlichtweg aus dem Grund, dass „das halt die Sache war, die jetzt nicht [...] Pflicht war“ (M.: 103). Bezüglich seiner Forschungs- und Promotionsaktivitäten habe er schließlich niemandem gegenüber Rechenschaft abliefern müssen, da sein Vorgesetzter ihm diesbezüglich komplett freie Hand gelassen und weder den Fortschritt seiner Dissertation noch seinen Publikationsoutput überprüft habe. Doch Max hat seinen Ausführungen zufolge an einem gewissen Punkt selbst erkannt, dass es an der Zeit war, seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, insbesondere seiner Forschung, mehr Zeit zu widmen. Er verändert seine Prioritäten und bringt Opfer, entledigt sich der zwei außeruniversitären Jobs und verzichtet damit auf zusätzliches Einkommen. Und dann habe bei ihm auch die Forschung „Fahrt auf[genommen]“ (M.: 105), denn mit der Neu-Priorisierung seiner Tätigkeiten seien schließlich die ersten Publikationserfolge einhergegangen. Unter einem „Publikationserfolg“ fasst Max die Akzeptanz von Proposals, die er auf Fachtagungen eingereicht habe. Bei den Einreichungen habe es sich um die „erweiterte Essenz“ (M.: 217) von Hausarbeiten gehandelt, die Studierende im Rahmen seiner Masterveranstaltung angefertigt hätten. Bei dieser Gelegenheit erkennt Max: „[I]rgendwie kann ich auch […] aus nicht so hundertprozentig perfekten Vorlagen immer noch was zaubern“ (M.: 221f.). Er habe die im Rahmen seines Seminars verfassten sehr guten Seminararbeiten dazu benutzt, um „wissenschaftlich [...] was draus“ (M.: 237f.) zu

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machen. Max schafft Synergieeffekte, verknüpft Lehre und Forschung, erweitert seinen Ausführungen zufolge das noch nicht perfekte Rohmaterial der Studierenden, nutzt es für seine eigene Karriere und hat Erfolg damit. Davon würden laut Max alle Beteiligten profitieren: Die Studierenden hätten beim Verfassen der Arbeit etwas gelernt, die Welt habe etwas von den Erkenntnissen und er selbst habe auch noch etwas davon. Eine „win, win, win, win, win“ (M.: 242) Situation. Die Annahme ebenjener Konferenzbeiträge verbucht Max als positives, motivierendes Erlebnis, denn die Rückmeldung zu seinen Einreichungen seien meist auch „ganz gut“ (M.: 467f.) und seine Beiträge würden im „Zweifelsfall auch angenommen“ (M.: 714). Nichtsdestotrotz erzählt Max im Interview weder von seinen Tagungsteilnahmen noch der Präsentation seiner Ergebnisse. Ein weiterer Motivator auf seinem bisherigen Karriereweg seien seine sehr guten Ergebnisse bei institutionellen Lehrevaluationen. Darüber hinaus erfahre Max Bestätigung durch die Tatsache, dass Studierende wiederholt Veranstaltungen bei ihm besuchen und ihm auch ihr Interesse daran signalisieren würden, ihre Abschlussarbeiten bei ihm zu verfassen. Negativerfahrungen habe Max auf seinem bisherigen wissenschaftlichen Karriereweg noch nicht gesammelt. So sei er bisher „noch nie wirklich auf die Schnauze gefallen“ (M.: 845f.) und alles was er angepackt habe, habe sich auch positiv für ihn entwickelt. 5.3.4 Selbstpräsentation als autonomer Wissenschaftler Max erhält seiner Erzählung zufolge kaum Betreuung während der Promotion. Jedoch betreut er selbst schon früh andere Promovierende und berichtet davon, dass er bereits während der Promotionsphase seinen ersten „Mikrolehrstuhl im Lehrstuhl“ (M.: 117) geleitet habe. Ein Mitglied seines „Mikrolehrstuhls“ sei ein ehemaliger Teilnehmer seiner Lehrveranstaltung gewesen, den er „groß gezogen“ (M.: 108) habe. Eine Formulierung, die an eine Vater-Sohn-Beziehung erinnert, ein Verhältnis, das einem aus einer anderen hierarchischen Beziehung im Hochschulkontext, dem „Meister-Schüler-Verhältnis“ zwischen Doktorvater und Doktorand bekannt vorkommt. Max‘ besagter „Zögling“ habe im Anschluss an sein Studium auch am Lehrstuhl von Max‘ Doktorvater begonnen zu promovieren, jedoch nicht zu einem Thema, das dem Lehrstuhlinhaber inhaltlich nahe gewesen sei, sondern er sei von Max „auf die Spur gesetzt“ (M.:112) worden und würde ein Thema bearbeiten, das in Max‘ Spezialisierungsbereich falle. Weiterhin sei Max auch eine wissenschaftliche Hilfskraft zugeordnet gewesen, die mit einer halben Stelle für ihn gearbeitet habe. Max‘ Erzählung vermittelt den Eindruck, dass er sich bereits relativ früh im wissenschaftlichen Qualifizierungsverlauf sowohl in der Betreuung als auch Führung von Statusniederen geübt habe. Seine eigene „wissenschaftliche Eignung“, beispielweise durch den

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erfolgreichen Abschluss der Promotion, hat er zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht formal unter Beweis gestellt. Er habe sein Themengebiet, seinen „Mikrolehrstuhl“, laut seinen Erzählungen, quasi selbstständig geleitet und habe auch eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs betreut. Max präsentiert sich als Person, die gerne (Führungs-)Verantwortung für andere übernimmt und dies als keine große Herausforderung empfindet. Ein Bedürfnis nach einem Team, mit dem er auf Augenhöhe hätte zusammenarbeiten können, äußert Max im Interviewverlauf nicht und hebt vielmehr hervor, dass er sich auch „alleine genug“ (M.: 294) sei. Nichtsdestotrotz habe er sich regelmäßig ausgetauscht, sowohl mit den Mitgliedern seines „Mikrolehrstuhls“ (M.: 296) als auch mit Studierenden. Die Master-Studierenden seien dann quasi „Forschungsassistenten [gewesen], die […] nicht in Geld bezahlt werden, sondern mit einer, wenn es am Ende sehr gut ist, dann auch einer sehr guten Note für ihre Abschlussarbeit“ (M.: 298f.). Als egalitäre Austauschbeziehung kann man dieses Verhältnis jedoch nicht bezeichnen, da Max klar die mächtigere Position in der hierarchischen Beziehung eingenommen hat. Max versteht es, ihre Arbeitskraft für sich gewinnbringend zu nutzen, und stellt heraus, dass er wisse, was diese von ihm erwarten würden und dies sei eine sehr gute Note. Er wiederum würde Assistent*innen brauchen, die ihn bei seiner Forschung unterstützen würden. Was Max als Kooperationsbeziehung darstellt, ist ein asymmetrisches Machtverhältnis. Eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe konnte Max nicht einüben oder zumindest berichtet er nicht davon. Aus dem Einflussbereich von statushöheren Wissenschaftler*innen scheint er sich möglichst fernzuhalten. Dadurch kann er zwar nicht von ihrer Reputation und ihren Netzwerken profitieren, lässt sich aber auch nicht von ihnen ausbeuten. Max präsentiert sich mit einem Verständnis davon, welche Personen noch weiter vom Zentrum der Macht entfernt sind als er selbst, und erweckt den Eindruck zu wissen, dass er über sie selbst Macht besitzt. Obwohl Max seinen Ausführungen zufolge durch seinen Doktorvater kaum Input in Bezug auf seine Promotion bekommen hat, benennt er andere Kontexte, in denen er Anstöße für „Entwicklungsprozess“ (M.: 197) erhalten habe, wie bei der Disputation seines Vorgängers, bei der dieser „ziemlich geröstet“ (M.: 180) worden sei. Nicht den gleichen Fehler wie sein Vorgänger zu machen, sei für Max ein Motivator für die Anfertigung seiner eigenen Dissertation gewesen. Max habe sich vorgenommen: „Das will ich besser machen als er“ (M.: 198), auch wenn dies bedeuten würde, eine eigene Methodik entwickeln zu müssen. Demotiviert habe ihn das Erlebnis nicht. Ein anderer Kontext, in dem Max Feedback zu seinem Dissertationsthema erhalten habe, seien Doktorandenworkshops gewesen. Insgesamt beurteilt Max das Feedback, das er in diesem

5.3 Max: „Ich bin mir auch alleine genug”

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Kontext erhalten habe, als „brauchbar, hilfreich“ (M.: 722). Die Rückmeldung zu seinem Dissertationsthema, die Max am eindrücklichsten in Erinnerung geblieben sei, war: „This is too much blue sky research. Find another topic.“ (M.: 202f.). Sein Forschungsvorhaben sei, in anderen Worten gefasst, sehr risikoreich, da der unmittelbare Anwendungsbezug fehle und das Ergebnis seiner Forschung unklar sei, nichts konkret Verwertbares, wie Kritiker von „blue sky“Forschungsvorhaben sagen würden, oder das Potenzial zu einem wissenschaftlichen Durchbruch, wie Befürworter es nennen würden. Von wem der Kommentar geäußert wurde, dem bzw. der Workshopleiter*in oder einem bzw. einer Teilnehmenden, erfahren wir nicht. Diese Rückmeldung habe aber Max zufolge nicht dazu geführt, dass er sich verunsichert oder entmutigt gefühlt habe. Er habe nicht an seinem Thema gezweifelt, habe aber den Kommentar insofern berücksichtigt, als er beschlossen habe: „Dann muss ich es einfach nur noch besser darstellen, warum ich das jetzt machen will“ (M.: 204f.). An seiner Themenwahl zweifelt Max folglich nicht, eher scheint er das Problem darin zu sehen, dass andere aufgrund seiner Darstellung noch nicht richtig nachvollziehen könnten, was der Nutzen seiner Forschungsarbeit sei, was er darauf zurückführt, dass er sein Thema noch nicht optimal präsentiert habe. Max entwirft sich als Vorausdenker, dessen Ideen nicht jeder nachvollziehen könne, der nicht ausreichend innovativ denken könne. Max macht den Eindruck, von sich und seiner Idee überzeugt gewesen zu sein, und betont auch nochmals: Das „hat bisher noch keiner [...] wirklich mal zu Ende gedacht und ich werde der Erste sein, der es ist“ (M.: 214). Als Erster etwas entdecken zu wollen, eine Motivation, die er mit vielen anderen Wissenschaftler*innen teilt. Max stellt auch heraus, dass er „vom Typ her jemand [sei], den es nicht wirklich interessiert, so was die Welt denkt, wenn ich von dem überzeugt bin, was ich mache und am Ende sehe, das wird rauskommen, auch wenn es vielleicht von außen jetzt noch nicht zu sehen ist“ (M.: 206f.). Max erweckt den Eindruck, dass er auf seine Fähigkeiten und seine Gabe zur Innovation vertraut und sich nicht von den Rückmeldungen anderer irritieren lässt. Er habe weiter an seiner eigenen Methodik gearbeitet und seinen Horizont durch die Lektüre „durchaus anspruchsvolle[r] Texte“ (M.: 210) erweitert, mit dem Ziel, am Ende sagen zu können: „Das ist was Neues.“ (M.: 213). Max erzählt, dass er es präferiere, sein Wissen durch das selbstständige Textstudium, nicht durch den Austausch mit anderen Wissenschaftler*innen zu erweitern. So habe Max auch mit dem Zweitgutachter seiner Dissertation, dessen Spezialisierungsbereich mit seinem Promotionsthema übergestimmt hätte, keinen persönlichen Austausch. Er habe „nicht dezidiert“ (M.: 705) mit ihm gesprochen, aber habe an seinen Veranstaltungen für Doktorand*innen partizipiert. Die Forschungsarbeiten des Zweitgutachters seien aber

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sehr relevant für seine Dissertation gewesen und Max führt auch an, dass er sich in seiner Qualifikationsarbeit häufig darauf bezogen habe. Den persönlichen Austausch habe er nur zu einem Zeitpunkt gesucht, nämlich im letzten Jahr seiner Promotion, als der Professor schon gewusst habe, „dass er [...] Zweitgutachter wird“ (M.: 711) habe er im Doktorandenkolloquium des Professors präsentiert. Welche Rückmeldung er zu seiner Präsentation bekommen hat, erwähnt Max nicht weiter. Insgesamt klingt in seiner Erzählung an, dass er fast ausschließlich allein an seiner Promotion gearbeitet und sich nur punktuell mit anderen Wissenschaftler*innen ausgetauscht hat. Im letzten Dissertationsjahr habe er, wie er anführt, erneut Teile aus seiner Dissertation zur Diskussion gestellt. In welchem Rahmen der Austausch stattgefunden hat, erfahren wir aber nicht. Jedoch kommentiert Max, dass die Diskussionen „zum Teil ein bisschen kontrovers“ (M.: 224f.) gewesen seien, was ihn aber auch weitergebracht habe. Denn „[w]enn alle nur sagen, oh toll, dann hat man davon ja auch nichts“ (M.: 725f.). Max präsentiert sich mit der Erwartung, dass ein Diskurs ihm „neue Perspektiven“ (M.: 728) aufgezeigt solle und er wolle dadurch auch eruieren können, wie „anschlussfähig“ (M.: 729) seine Arbeit sei. Bei dieser Gelegenheit habe Max schließlich feststellen können, dass sein Thema „Resonanz“ (M.: 226) finde. Und dies habe ihn zu der Schlussfolgerung geführt, dass seine Arbeit “irgendwann“ (M.: 226), wenn auch nicht unmittelbar, „doch anschlussfähig“ (M.: 226) sei. Eine nicht ausschließliche Orientierung an der Verwertbarkeit der Ergebnisse, bewerte Max auch als Qualitätsmerkmal seiner Arbeit, denn als Wissenschaftler*in gehe es Max zufolge darum, neue Wege zu beschreiten, ein Wagnis einzugehen. Denn das sei es, was Forschung im Kern ausmache. Ein weiterer Kontext, den Max für sich als „Austauschforum“ (M.: 953) in Bezug auf seine Dissertation genutzt habe, seien Weiterbildungsangebote der Universität gewesen, insbesondere im Bereich Didaktik und Karriereplanung. An derartigen Veranstaltungen habe er teilgenommen, um zu sehen „wie machen es denn andere Leute, [und] [...] was kann man da noch voneinander lernen“ (M.: 953f.). Max präsentiert sich mit einem Wissen darüber, was er braucht und nimmt an den Veranstaltungen proaktiv teil. Er folge seinen Aussagen zufolge dem Motto „Handle stets so, dass sich deine Optionen erhöhen“ (M.: 961f.). Durch die Teilnahme an Weiterbildungen, so Max‘ Annahme, könnten sich Möglichkeiten für ihn ergeben. Max stellt auch einen Vergleich des Fortbildungsbesuchs mit der Partizipation an Fachtagungen an, deren primäres Ziel es meist nicht sei, fachlichen Input in Form von „tolle[n] Vorträge[n]“ (M.: 960) zu bekommen oder Wissen weiterzugeben. Oft stehe vielmehr das Networking im Vordergrund. Max präsentiert sich mit einem Verständnis dafür, dass es in der

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Wissenschaft nicht nur um Fachinhalte geht, sondern auch um den Aufbau von Netzwerken, um die Generierung von Sozialkapital. Statt jedoch auf Fachtagungen seine Netzwerke zu erweitern, berichtet Max von Weiterbildungsveranstaltungen, die er besucht habe. Und bei diesem Veranstaltungstypus geht es nicht in erster Linie darum, sich als Forscher*in zu präsentieren, vielmehr geht es darum, überfachliche Fähigkeiten zu fortzuentwickeln. Damit stellen die Veranstaltungen gewiss keinen klassischen Kontext dar, in dem die Größe der wissenschaftlichen Persönlichkeit ausgehandelt wird. Ähnlich wie beim Studienabschluss räumt Max auch dem Abschluss seiner Promotion erzählerisch keine große Wichtigkeit ein. Für viele Nachwuchswissenschaftler*innen ist die Erlangung des Doktortitels jedoch ein Schlüsselmoment in ihrer wissenschaftlichen Laufbahn, ein „Initiationsritual“ (vgl. Bourdieu 1987: 124f.) in die Scientific Community. Ein Symbol für die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Wissenschaftler*innen, eine Voraussetzung, um überhaupt als Anwärter*in um eine Position im Wissenschaftsfeld anerkannt zu werden. Für Max scheint es lediglich ein formaler Qualifizierungsschritt gewesen zu sein und er erwähnt nur, nach sechs Jahren sei er „halt irgendwann fertig mit der Dissertation“ gewesen (M.: 117f.). Faktisch habe er, wie er betont, auch nur dreieinhalb Jahre promoviert, da er zu Promotionsbeginn wegen seiner drei parallelen Jobs nur sehr wenig Zeit in die Dissertation habe investieren können. Und damit präsentiert er sich mit einem Verständnis davon, dass die Dauer, die man in einer Statuspassage verweilt, kein unwichtiges Kriterium bei der Einschätzung des Potenzials eines Aspiranten bzw. einer Aspirantin ist. 5.3.5 Der erste wissenschaftliche Mentor im Karriereverlauf Max scheint bewusst zu sein, dass er für Personen, die ihm eine Anschlussstelle verschaffen können, sichtbar werden muss, um nach Promotionsabschluss weiter das tun zu können, was ihm Spaß macht, und zwar zu lehren, Studierende zu beraten und wissenschaftlichen Nachwuchs zu betreuen. Insbesondere sei das deshalb wichtig gewesen, da er seiner Erzählung zufolge, nicht darauf habe hoffen können, bei seinem bisherigen Vorgesetzten weiter zu arbeiten, da sein Promotionsabschluss mit dessen Emeritierung zusammengefallen sei. Auch sei zu erwarten gewesen, dass, wenn der Lehrstuhl neu besetzt werde, der Spezialisierungsbereich von Max nicht Teil der Lehrstuhldenomination sein würde. Daher hat sich Max neu orientieren und mögliche nächste Karriereschritte eruieren müssen. Er führt an, dass er zwar erwägt habe, sich international zu orientieren und auf Tenure-Track-Stellen im Ausland zu bewerben, jedoch sei er seiner Einschätzung nach, zu diesem Zeitpunkt aufgrund seines „track-records“

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(M.: 129f.) seiner Publikationsliste noch nicht international „wettbewerbsfähig“ (M.: 130) gewesen. Schließlich habe sich Max nach Abschluss seiner Promotion gar nicht in der Ferne nach alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten umsehen müssen, denn durch eine glückliche Fügung, sei ein neuer Professor an seine Universität berufen worden, der genau in seinem Themenbereich tätig gewesen sei. Diese Entwicklung begreift Max als Chance für sich. Kurzerhand habe er sich proaktiv bei dem Neuberufenen als „Ansprechpartner in allem, was im Bereich Bachelor passiert“ (M.: 133) vorgestellt. Statt sich als bedürftiger Stellensuchender zu präsentieren, stellt sich Max als Kollege vor, der etwas zu offerieren hat. Und was Max anbietet, ist etwas, wovon er weiß, dass man es als „Neuer“ an der Uni, der zudem noch von einer privaten Hochschule kommt, gut gebrauchen könne. Dabei handele es sich Kenntnisse der hiesigen Strukturen und Prozesse. Trotz des Umstands, dass sie beide im gleichen Themenbereich forschen, habe sich Max nicht als Forscher mit ähnlich gearteten Forschungsinteressen bei dem Neuberufenen vorgestellt, sondern als Studiengangsbeauftragter. Zwar habe „formal“, Max‘ bisheriger Vorgesetzter diese Funktion innegehabt, doch faktisch würde Max sich um alle Fragen den Studiengang betreffend kümmern. Max vermittelt den Eindruck, dass er Formalia keine große Bedeutung beimisst. Er präsentiert sich als zuvorkommender Unterstützer des Neuberufenen, der sich gedacht habe: „Gib ihm doch da mal ein bisschen Support“ (M.: 138). Seine Formulierung erweckt den Eindruck, dass Max selbstlos seine Hilfe anbietet und den neuen Professor beim Eingewöhnen in die neue Umgebung unterstützen möchte. Der „Willkommensbesuch“ von Max habe auch prompt dazu geführt, dass Professor Neu ihm „mehr oder weniger spontan“ (M.: 139) angeboten habe, bei ihm zu habilitieren. Worüber die beiden bei diesem ersten durch Max initiierten Kennenlernen genau gesprochen haben, erfahren wir nicht weiter, nur, dass Max seine Hilfe anbietet und daraufhin Professor Neu ihm auch etwas anbietet, und zwar eine Weiterqualifizierungsmöglichkeit inklusive Finanzierung an der Universität. Statt das Angebot des Professors unmittelbar anzunehmen, habe Max nochmals überlegt, da er noch ein, zwei andere Optionen gehabt hätte, die sich dann aber doch „zerschlagen“ (M.: 608) hätten. Als weitere Option habe Max auch die Bewerbung auf die hiesige ausgeschriebene Juniorprofessur in Betracht gezogen, was er jedoch verworfen habe, da genau zu diesem Zeitpunkt, sein aktueller Vorgesetzter (Professor Neu) für den Themenbereich neu berufen worden sei. Ziel seiner Bewerbung sei es laut Max gewesen „dass wir eben sagen, jetzt haben wir noch das Themengebiet [Max Spezialisierungsbereich] auch mal hier zentral abgedeckt“ (M.: 611f.). Wie seine Chancen gewesen wären, die Professur zu bekommen, könne Max aber

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nicht einschätzen. Man kann jedoch vermuten, dass Max nicht erwogen hätte sich zu bewerben, wenn er sich gar keine Chancen ausgemalt hätte. Letztendlich hat Max das Angebot von Professor Neu angenommen. Seither arbeitet er bei Professor Neu und seine Erfahrung in der Zusammenarbeit mit ihm, unterscheide sich, seinen Aussagen zufolge, deutlich von der mit seinem früheren Vorgesetzten und Doktorvater60. Sein aktueller Vorgesetzter und Habilitationsbetreuer sei im persönlichen Umgang „sehr nüchtern“ (M.: 687) und sachlich und würde sehr stark auf die Trennung von Beruflichem und Privatem achten. Außer dass er eine kleine Tochter habe, wüssten seine Mitarbeiter*innen, laut Max, auch nichts Privates von ihm. Aber man würde sich gegenseitig duzen. Auf der sprachlichen Ebene wird demzufolge die Distanz reduziert, weshalb Max den Umgang mit ihm auch nicht als „unangenehm distanziert“ (M.: 689) wahrnimmt. Die Arbeitsbeziehung zu Professor Neu sei „effektiv enger“ (M.: 691, als mit seinem Doktorvater, denn sein aktueller Vorgesetzter sei nicht nur häufiger im Büro anwesend, sondern sei laut Max sinnvollerweise auch mehr in die Projekte vor Ort eingebunden. Max führt verschiedene Gründe an, warum er mit seiner aktuellen Stelle zufrieden sei: einerseits, da er nun „mal jemanden hat, der weiter ist“ (M.: 143) als er selbst, sowohl in „inhaltlich-fachlicher“ (M.: 143f.) Hinsicht als auch in Bezug auf die Karrierephase. Damit spielt Max darauf an, dass er bei seiner letzten Stelle aufgrund der inhaltlichen Ferne und seltenen Anwesenheit seines Doktorvaters als Inhaber seines „Mikrolehrstuhls“ oft der Statushöchste gewesen sei, der auch in fachlicher Hinsicht am weitesten gewesen sei. Die aktuelle Stelle habe Max zufolge dazu beigetragen, dass er sowohl in inhaltlicher als auch karrieretechnischer Hinsicht nochmals auf ein „deutlich höheres Niveau“ (M.: 145) gelangt sei und einen „Riesensprung“ (M.: 147) gemacht habe. Max bewertet die Tatsache, dass er mit seinem aktuellen Vorgesetzten jemanden gefunden hat, der ihm aufgrund seiner Erfahrungen sowohl bei der inhaltlichen Weiterentwicklung als auch in Bezug auf seine Karriereentwicklung Hilfestellungen bieten könne, als positiv. Auch ein von Beaufaÿs (2003) im Rahmen ihrer Studie interviewter Professor der Geschichtswissenschaft weist darauf hin, dass er eine ,,gute Beratung durch ältere Mentoren […] für unerlässlich [halte], er selbst betrachtet dies als seine Verpflichtung gegenüber seinen Mitarbeitern. […] Ohne eine solche Beratung und Unterstützung durch ,wohl-wollende Lehrer und Freunde‘ sieht er seinen Nachwuchs nicht für eine wissenschaftliche Karriere

60 Als „Doktorvater“ bezeichnete Max seinen früheren Vorgesetzten im Interviewverlauf selbst nie.

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gewappnet. Als ,Solitär‘ erreiche man in der Wissenschaft nichts“ (Beaufaÿs 2003: 201). Seine Dissertationszeit in „Einsamkeit und Freiheit“ wolle Max deswegen aber nicht abwerten, denn auch in dieser Phase habe er wichtige Kompetenzen erworben, wie „selbstgesteuert“ (M.: 147) zu lernen. Dies sei zwar „vielleicht ineffizient“ (M.: 149) gewesen, aber „doch sehr effektiv“ (M.: 149). So habe er vielleicht selbst mehr Energie investieren müssen, um seine Dissertation anzufertigen, sei aber trotzdem erfolgreich gewesen und habe sein Ziel erreicht. Zusammenfassend folgert Max, sei sein bisheriger beruflicher Werdegang nahezu ideal verlaufen, „hätte ich mir besser kaum [aus]malen können“ (M.: 151). So habe er während der Promotionsphase einen großen Handlungsspielraum bedingt durch den kaum präsenten Doktorvater erfahren und seine Postdoc-Phase sei von dem stärker involvierten und beratenden Professor geprägt gewesen. Gewissermaßen eine Umkehr der klassischen Abfolge einer wissenschaftlichen Karriere, die auf abhängigeren Positionen beginnt, um im weiteren Verlauf, meist ab der Promotion an Autonomie zu gewinnen. Obwohl Max die Hinweise seines aktuellen Vorgesetzten als hilfreich für seine Weiterentwicklung bewerte, teile er seine Karriere-Philosophie nicht gänzlich, zumal Professor Neu anders sozialisiert worden sei als er selbst, „sehr stark eben am Mainstream orientiert [und] auch vom Typ her relativ pragmatisch. Wenn irgendwas veröffentlichungsfähig ist, ist es gut“ (M.: 526f.). Der neuberufene Professor sei karriereorientiert und ein wichtiges Ziel seiner Forschung sei, diese auch zu publizieren und somit sein wissenschaftliches Kapital zu mehren. Max grenzt sich klar von seinem Vorgesetzten ab und präsentiert sich als „Idealist“ (M.: 528), der „auch inhaltlich substantiell Gutes machen“ (M.: 529) wolle und dem es nicht in erster Linie darum gehe, seine Publikationsliste schnell zu verlängern. Max vertrete schließlich die Einstellung, dass man, wenn man eine wissenschaftliche Karriere machen möchte, zwar auf Faktoren wie „Veröffentlichungen und so weiter achten [sollte], aber eben das nicht zum Selbstzweck werden zu lassen, so dass man halt auch intrinsisch motiviert ist, was Tolles zu machen“ (M.: 790f.). Max zufolge solle man bei seiner wissenschaftlichen Arbeit zwar auch berücksichtigen, dass man bei der nächsten „Karrierestation eine gute Story habe im Vorstellungsgespräch bzw. [...] im CV “ (M.: 814f.). Jedoch dürfe man „die intrinsische Seite nicht vergessen“ (M.: 821) und einfach „irgendwelche Rezepte“ (M.: 821) abarbeiten, um seine Karrierechancen zu optimieren, ohne dabei auf seine Interessen zu achten. Man solle Max zufolge „einen ganz guten Hybriden“ (M.: 823) anstreben zwischen dem, was einen interessiere, und dem, was anschlussfähig und karriereförderlich sei. Max präsentiert

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sich selbst als Wissenschaftler, der sich weder ausschließlich von karrierestrategischen Überlegungen leiten lasse, noch völlig weltfern und idealistisch seine Karriere beschreite. Idealistisch ist er jedoch insofern, als er dem Inhalt und dem Neuigkeitsgrad seiner Forschung oberste Priorität einräumt. Denn es gehe Max nicht darum „Mainstream“-Forschung zu machen, sondern außerordentliche, herausragende Spitzenforschung zu betreiben, und diese benötige eben Zeit. Den Austausch mit Professor Neu bewerte Max daher zeitweilig als „ein bisschen schwierig“ (M.: 532) und teilweise ignoriere er dessen Anmerkungen, denn Kommentare wie „Das ist so nicht Mainstream, das ist risikoreich“ (M.: 534) seien Max egal. Statt sich durch derartige Anmerkungen seines Professors verunsichern zu lassen und sein Forschungsvorhaben zu modifizieren, erweckt Max den Eindruck, dass er sich in dem, was er tut, sogar noch bestätigt fühlt, denn er führt an, dass er sich durch diese Ratschläge motiviert gefühlt habe, noch „ein bisschen besser [zu] begründen, warum ich es so mache und nicht Mainstream“ (M.: 536f.). Max scheint nicht viel auf die Einschätzung anderer in Bezug auf seine Forschungsvorhaben zu geben, unabhängig vom Status des Beraters. Anders als Professor Neu hat Max noch keine Machtposition im wissenschaftlichen Feld erreicht und muss sich noch beweisen, beweisen, dass er die wissenschaftliche Illusio teilt. Denn nur, wer sich ganz der Sache hingegeben hat, erhält Eintritt zum Feld, da jedes Feld eine gewisse Illusio als eine Art Zugehörigkeitskriterium fordert (Bourdieu und Wacquant 1996c: 149) und ein strategisches Handeln, „eine Reflexion der eigenen bisherigen, gegenwärtigen und zukünftigen Laufbahn – nicht eines Forschungsgegenstands – und damit die aktive Steuerung der eigenen Berufsbiographie sind nach dem konservativen akademischen Ethos nachrangig, nicht sagbar und in Abwehr unternehmerischer (Selbst-)Steuerung auch nicht anerkannt“ (Richter 2016: 63). Sein Vorgesetzter wiederum muss nicht mehr beweisen, dass er die wissenschaftliche Illusio uneingeschränkt teilt, da er schon eine Erfolgsposition im wissenschaftlichen Feld innehat. Denn wo Professor Neu bereits in der obersten „Liga“ spielt, spielt Max noch in der „Nachwuchs-Liga“, und auf diesen Umstand sind vermutlich auch die unterschiedlichen Handlungsmaximen der beiden Wissenschaftler zurückzuführen. Trotz seines divergierenden Handlungsansatzes lasse ihm sein Vorgesetzter, so Max, aber „völlige Freiheit“ (M.: 531f.), in dem, was er tue. Und obwohl Max nicht die gleiche Philosophie bezüglich seiner Forschung verfolge wie Professor

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Neu, so schätze er dennoch, dass dieser seine „Führungsverantwortung“ (M.: 628) ihm gegenüber ernst nehme und ihm karriererelevante Hinweise gebe. Um Max‘ Karrierechancen zu begünstigen, stelle Professor Neu an ihn die Erwartung, in gut gerankten Fachzeitschriften zu publizieren („B-Journals“ (M.: 925)), und er erwarte von ihm, dass er dabei mitwirke, einen „Innovationskreis ans Fliegen“ (M.: 926) zu bringen. Auch würde sein Vorgesetzter der Erzählung Max‘ zufolge versuchen, ihm die Möglichkeit zu eröffnen, an einem EU-Projekt zu partizipieren, nicht um aktiv darin mitzuarbeiten, aber um die „entsprechende[n] Kontakte knüpfen“ (M.: 927) zu können. Diese „Zielerwartungen“, die Professor Neu an ihn stelle, würden Max zufolge sowohl ihn selbst als auch Professor Neu weiterbringen. Aufgrund dessen empfinde Max die Erwartungen nicht als „unvernünftig, Zeitverschwendung“ (M.: 931), sondern als hilfreich für seine zukünftige Karriere. Und obgleich Max die Meinung vertritt, dass ein karrierestrategisches Handeln gegenüber der intrinsischen Motivation für die wissenschaftliche Tätigkeit nicht die Überhand gewinnen dürfe, müsse man vor dem Hintergrund der „Merkwürdigkeit des deutschen Hochschulsystems, dass man weiß, nach spätestens sechs Jahren ist Feierabend“ (M.: 631f.), auch in gewissem Umfang bei seinen Handlungen die Auswirkungen auf seine Karrierechancen berücksichtigen. Denn sonst müsse man „im schlimmsten Fall Spargelstechen gehen“ (M.: 632f.), ein „Alles-oder-nichts Spiel“, das Max als „schräg“ (M.:633) empfinde und daher auch nicht weiter unterstützen wolle, indem er seine zukünftige Karriere im deutschen Wissenschaftssystem plane. Und so resümiert Max, dass er mit seinem Habilitationsbetreuer auch seinen „erste[n] richtige[n] Mentor“ (M.: 742) in seinem bisherigen akademischen Qualifizierungsverlauf gefunden habe. 5.3.6 Karriereaspirationen und Karriereplanung Max bemühe sich, seinen Aussagen zufolge, erst seit relativ kurzem aktiv um seine „nächsten Karriereschritte“ (M.: 614). Noch während der Promotion habe er sich zwar bereits einmal um eine Postdoc-Stelle im Ausland beworben, für mehr als ein „Vorabgespräch auf einer Konferenz“ (M.: 618) habe es aber nicht gereicht. Dennoch sei diese Erfahrung Max zufolge insofern hilfreich für ihn gewesen, als er dadurch angefangen habe zu verstehen, worauf es „international“ ankäme, also welche Kriterien er erfüllen müsse, um Chancen auf dem internationalen wissenschaftlichen Arbeitsmarkt zu haben. Und das Entscheidende, das er dabei gelernt habe, sei, dass es auf die „duale Perspektive“ (M.: 620) ankomme. Darunter versteht Max einerseits, „spannende Forschung“ (M.: 621) zu machen, aber auch die praktische Verwertbarkeit der Ergebnisse nicht aus dem Blick zu verlieren. Und diese „Dualperspektive“, die von Wichtigkeit für

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seine zukünftigen Karrierechancen sei, habe er „im Prinzip erst so richtig hier“ (M.: 622f.), an seinem aktuellen Arbeitsplatz, bei Professor Neu gelernt. Für die diesjährige Bewerbungsrunde verspreche sich Max daher auch deutlich bessere Chancen, auch deswegen, weil er mittlerweile mehr Fachwissen akkumuliert sowie mehr erreicht habe. Ob es sich bei dem Erreichten um wissenschaftliche Meriten, wie Publikationen oder Auszeichnungen, handelt oder etwas anderes, erwähnt Max in seiner Erzählung nicht. Aktuell bewerbe sich Max neben der Arbeit an seiner Habilitation schon „laufend auch raus“ (M.: 573), denn seine zukünftige Berufsperspektive sehe Max zwar in der Wissenschaft, jedoch nicht in Deutschland. Eine Professur der Wirtschaftsinformatik in Deutschland schließe er deswegen für sich aus, da er seiner Ansicht zufolge die Anforderungen dafür nicht erfüllen könne, denn er sei kein „Zehnkämpfer“ (M.: 155), der man aber laut eines „Gurus“ (M.: 154) aus seinem Fach sein müsse, wenn man hierzulande Wirtschaftsinformatikprofessor*in werden wolle. Insbesondere vor dem Hintergrund des Pfadwechsels, den die deutsche Wirtschaftsinformatik jüngst erlebe, der eine Abkehr von einer starken Praxisorientierung hin zu einer stärkeren Orientierung an wissenschaftlichen Standards bedeute, müssten diejenigen, die Erfolg haben wollen, „sehr viel, sehr gut können“ (M.: 155). Max sei aber „nicht wirklich Zehnkämpfer, mir reichen fünf oder sechs“ (M.: 155f.) Disziplinen. Max konstatiert eine fehlende Passung zwischen den Anforderungen der Stelle eines Wirtschaftsinformatikprofessors in Deutschland und seinen Kompetenzen bzw. seinen Vorstellungen darüber, wie eine für ihn attraktive Stelle auszusehen hätte. Aber Max betont auch, dass er sich sicher sei, dass es „irgendwo auf der Welt [...] sicherlich eine Uni geben [werde], die mich irgendwann mal gerne hätte“ (M.: 886f.). Sein konkretes Karriereziel sei eine „internationale Tenure-TrackStelle“ (M.: 157), die sowohl Lehre als auch Forschung in einem ausgewogenen Verhältnis beinhalte und auch die Option der Entfristung biete. Denn „[o]hne Tenure-Track brauche ich nicht, weil ohne Tenure-Track habe ich hier auch“ (M.: 634f.). Eine ideale Stelle würde sich für Max dadurch auszeichnen, dass sie ihm gleichermaßen die Möglichkeit zu lehren als auch zu forschen eröffnen würde. Max zufolge würde ihm beides gleichermaßen Spaß machen und er sei zudem in beidem „relativ gut“ (M.: 158). Statt alternative Tätigkeiten außerhalb der Wissenschaft zu erwäge, oder sich möglichst passfähig für das deutsche System zu machen, sucht Max, wie es scheint, lieber nach einem System, das bezüglich der Anforderungen, die es an Wissenschaftler*innen stellt, zu seinen Fähigkeiten und Vorstellungen passt. Max zufolge biete ihm das deutsche Wissenschaftssystem zu wenig, dass er eine Karriere darin erwägen würde. Er präsentiert sich selbstbewusst und mit einem Wissen darüber, was er kann und

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was er zu bieten hat. Länder, von denen er annimmt, dass dort, was er anzubieten hat, gesucht und geschätzt würde, seien „westliche englischsprachige Länder“ (M.: 1080). Wichtig sei Max, dass es sich nicht um Länder handeln würde, die durch eine Kultur mit sehr großer „power distance“ (M.: 1076) geprägt seien, denn ein Umgang auf Augenhöhe, unabhängig von der formalen Position der Wissenschaftler*innen sei Max von großer Wichtigkeit und bei seiner aktuellen Stelle sei dies auch gegeben. Den Umstand, dass er „sogar“ am Professorium der Wirtschaftsinformatiker*innen beiwohnen dürfe, in der Funktion eines „Moderator[s], Protokollführer[s]“ (M.: 1077), schätze er sehr. Auch wenn er aus seiner Sicht zwar kein gleichwertiger Gesprächspartner in der Sitzung sei, könne er zumindest schon einmal passiv teilhaben und sitze „zumindest formal [...] am selben Tisch“ (M.: 1078). Max erweckt den Eindruck, dass er zufrieden damit ist, dass er beim Professorium zumindest anwesend sein darf und so wichtige Informationen mitbekommen kann, wenngleich er auch nicht mitentscheiden kann. Ein konkretes potentielles Zielland wäre für Max die USA, die über ein sehr ausdifferenziertes Hochschulsystem verfügen würde. Dort gebe es, Max zufolge, sowohl „deutlich [...] mehr Stellen“ (M.: 879) als auch eine stärkere Ausdifferenzierung der Universitäten. Demzufolge gebe es verschiedene Karrierewege, von eher forschungslastigen bis hin zu eher lehrlastigen Laufbahnen. Und dabei gelte, wie Max anmerkt, die Regel, je geringer die Reputation der Universität, desto höher sei der „Teachingload“ (M.: 884) und desto geringer sei die Zeit für Forschung. Dadurch könne sich, laut Max, jede*r nach seinen bzw. ihren persönlichen Präferenzen positionieren und die für ihn bzw. sie passende Stelle finden. Konkret erachte Max amerikanische gute „Mittelklasseunis“, „nicht [...] die Top-Forschungsunis (M.: 262), als attraktive Arbeitgeber für sich. Max ziele auf „Mittelklasseunis“ ab, denn er wolle nicht hauptsächlich forschen, sondern auch in größerem Umfang lehren, was in den „Top-Forschungsunis“ nicht gegeben sei. Max erzählt nicht davon, dass ebenjene „Top-Forschungsunis“ aufgrund ihres elitären Status und den damit einhergehenden erschwerten Zugangsbedingungen unattraktiv bzw. unerreichbar seien, sondern wegen des für ihn unattraktiven Aufgabenprofils. Damit grenzt Max sich von denjenigen Wissenschaftler*innen ab, deren eindeutige Präferenz das Forschen ist und die die Lehre als das „notwendiges Übel“ ansehen. Die Lehrleistung sei Max‘ Ansicht nach auch kein wichtiges Kriterium für die Berufbarkeit in Deutschland, was Max auch in seinem Wunsch, eine wissenschaftliche Karriere außerhalb Deutschlands anzustreben, bestätige und ihn zu der Folgerung bringe : „Deutschland, muss es nicht sein“ (M.: 280), denn Max würde laut seiner Erzählung sehr gerne in größerem Umfang lehren und sei auch sehr gut darin, was sich darin zeige, dass er bereits eine „Nominierung für einen Hochschul-

5.3 Max: „Ich bin mir auch alleine genug”

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preis Innovation in der Lehrpraxis“ (M.: 282) erhalten habe. Zudem habe er sich in diesem Tätigkeitsbereich auch schon umfassend weitergebildet und das Bundesland-Hochschullehrer-Zertifikat erworben. Lehrleistungen seien aber aus seiner Sicht in Deutschland zu wenig wertgeschätzt und anerkannt. Sein Lehrengagement sieht Max neben einem „regelmäßigen track record61“ (M.: 267), einem Nachweis seiner Erfolgs- und Erfahrungsgeschichte in Form von Publikationen, als Erfolgsfaktor für seine zukünftige Karriere an. Max präsentiert sich so, als ob er schon damals „ohne es zu wissen“ (M.: 643) den „Sinn für das Spiel“ gehabt und quasi „intuitiv“ richtig investiert hätte, um seine zukünftigen Karrierechancen zu verbessern. Laut Fröhlich und Rehbein (2009) ist es der „praktische Sinn“, der gemäß Bourdieu ein „feldspezifisches praktisches Interesse und Gespür [darstellt], einen praktischen Orientierungs- und Antizipationssinn, der ihren Spielzügen zugrunde liegt“ (Fröhlich und Rehbein 2009: 194), die Voraussetzung, um sich im jeweiligen Feld zurechtfinden zu können. 5.3.7 Ausblick Max bisherige Karriere ist seiner Schilderung zufolge „sehr emergent“ (M.: 590) verlaufen. So sei Max bisher nie zu dem Punkt gekommen, an dem es nicht mehr weiter gegangen sei und er habe daher bisher auch keine alternativen Karrierewege erwägen müssen. Alternative Tätigkeitsfelder außerhalb der Wissenschaft seien für Max auch nicht so interessant, denn ihm zufolge fände er die Freiheit, die er in seinem Job habe, in keinem anderen Job. Außerdem gebe es nichts, „was mir keinen Spaß macht“ (M.: 833) an der wissenschaftlichen Tätigkeit, eine Arbeit, die für Max eine Lebensform darstellt, „mit der ich abends einschlafe und morgens aufstehe und wo ich unter der Dusche drüber nachdenke“ (M.: 988f.). Und so folgert Max: „Das ist halt der Grund, für mich zu sagen, das ist auf jeden Fall das und entweder klappt es, oder nicht“ (M.: 866f.). Denn Wissenschaftler zu sein, sei Max zufolge sein präferierter Beruf und deshalb nehme er das Risiko des Scheiterns auf dem wissenschaftlichen Karriereweg in Kauf, obwohl er einen Misserfolg als unwahrscheinlich ansehen würde, da er „spannende Dinge“ (M.: 855) mache, die auch von anderen als gut bewertet würden. Auch wenn es im für Max unwahrscheinlichen Fall zu diesem Szenario kommen sollte, präsentiert er sich gelassen, denn er sei weder „doof“ (M.: 868) noch sei der Arbeitsmarkt übersättigt an Fachkräften, da würde sich schon „irgendwas“ (M.: 868) finden. Und er merkt zudem an, dass er 61 Was in der Gründerszene die Referenzliste der erfolgreich getätigten Investitionen darstellt, deren Länge auch Rückschlüsse auf den Erfahrungsschatz der Person zulässt, ist in der Wissenschaft die Publikationsliste, der „track-record“. Es gilt: Umso länger die Liste, desto erfahrener der Wissenschaftler.

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„jetzt nicht ganz hart [fallen würde] und ich bin nur für mich verantwortlich. Wenn ich jetzt Familie hätte oder ein sehr dünnes Polster auf dem Konto, hätte ich es mir vielleicht überlegt. So im Moment, wenn ich falle, fall nur ich und das relativ weich“ (M.: 835f.). Seine familiären und finanziellen Rahmenbedingungen hätten es ihm folglich möglich gemacht, dass er sich auf den wissenschaftlichen Karriereweg habe einlassen können. Max vermittelt den Anschein, dass er optimistisch und selbstbewusst in seine berufliche Zukunft blickt, auch vor dem bestehenden „Restrisiko“ eines Scheiterns seines „Plan A‘“, dem Erreichen einer Tenure-TrackStelle im Ausland. Einer Internetrecherche zufolge ist Max seit Mitte 2016 als Gast-Wissenschaftler und „Senior Lecturer” an einer Universität im englischsprachigen Ausland tätig. Ob es sich dabei um eine längerfristige Anstellung handelt, ist aus den Informationen auf der Homepage nicht eindeutig ersichtlich. Da Max als „Visiting Researcher” bezeichnet wird, ist aber stark davon auszugehen, dass es sich lediglich um eine zeitlich befristete Anstellung handelt. Daher ist zu vermuten, dass er bisher seine angestrebte Position, eine Tenure-Track-Stelle im Ausland, noch nicht erreicht hat. Den Schritt aus dem deutschen Wissenschaftssystem hinaus, hat er jedoch bereits getan. 5.4 Anton: „Also ich bin halt so ein Wettstreit-Typ.“6263 Anton ist zum Interviewzeitpunkt 29 Jahre alt und hat vor wenigen Tagen sein Promotionsverfahren erfolgreich abgeschlossen. Er kommt aus einer großen Familie, hat drei Brüder und befindet sich in einer festen Partnerschaft mit einer Doktorandin aus dem gleichen Fachgebiet. Bezüglich seines Berufsziels sei er noch relativ offen, könne sich gut eine Professur vorstellen, aber auch eine Tätigkeit in der Wirtschaft wäre interessant für ihn. Das zweistündige Interview fand Ende des Jahres 2014 auf Antons Wunsch hin, in einer „lockeren Atmosphäre“, in einem Café statt.

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(A.: 451) Das Transkript zum Interview mit Anton ist im Materialband zur vorliegenden Arbeit zu finden.

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5.4 Anton: „Also ich bin halt so ein Wettstreit-Typ.“

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5.4.1 Der Weg in die Wissenschaft Auf die Aufforderung hin, seinen wissenschaftlichen Karriereweg zu schildern, beginnt Anton bei seinem Studienbeginn. Wie es zur Entscheidung für ein Studium kam, thematisiert er nicht weiter. Nach dem erfolgreichen Abschluss des sechs Semester dauernden Physik-Vordiploms habe er sich entschlossen, einen einjährigen Auslandsaufenthalt zu absolvieren. Seinen Ausführungen zufolge habe er zwar „ganz gut studiert, aber nicht sehr gut“ (A.: 56f.) und habe sich auch nicht „wirklich vernünftig [...] in sein Thema einarbeiten“ (A.: 65) können. Diesen Umstand führt Anton maßgeblich auf seine Mitgliedschaft in einer Studentenverbindung sowie seine Nebentätigkeit in einem Sportverein zurück. Schließlich habe er gedacht, dass es gut für seinen Studienfortschritt wäre, den Studienort zeitweise zu verlassen. Bevor Anton entscheidet, ins Ausland zu gehen, habe er den Rat einer Vertrauensperson aus seinem privaten Umfeld, einem „älter[en] und lebenserfahrener[en]“ (A.: 2177) Mitglied aus seiner Studentenverbindung eingeholt. Diese Konsultation habe dazu geführt, dass er den Entschluss gefasst habe, nicht nur ein Auslandssemester zu absolvieren, sondern im Rahmen eines Austauschprogramms seinen Masterabschluss in [außereuropäisches, englischsprachiges Land] zu erwerben. Nachdem die Entscheidung getroffen gewesen sei, habe sich Anton nach einer passenden Arbeitsgruppe im Zielland umgesehen. Schließlich habe er sich einer Arbeitsgruppe der Experimentalphysik angeschlossen, die ein Themengebiet erforsche, für das es, laut Anton, bereits einen Nobelpreis gegeben habe. Das Thema an sich sei jedoch nicht der Hauptgrund gewesen, warum sich Anton für diese Arbeitsgruppe entschieden habe. Vielmehr sei „ein zwischenmenschlicher Grund“ (A.: 102) ausschlaggebend für ihn gewesen, weil er „die Leute einfach cool“ (A.: 102) gefunden habe. Der junge Professor Strom und auch seine Arbeitsgruppe seien Anton zufolge, „so motiviert [...] von dem Thema“ (A.: 485f.) gewesen. Antons Erzählung nach habe ebenjener Professor zu diesem Zeitpunkt auch „komplett unter Strom“ (A.: 503) gestanden, denn auch er habe damals noch keine Dauerstelle im Wissenschaftssystem innegehabt. Sein Verweilen in der Wissenschaft habe vom Erfolg seiner Experimente abgehangen und um die Risikohaftigkeit der Situation nochmals zu unterstreichen, fügt Anton noch hinzu: „Wenn man Pech hat, kommt nichts raus und dann ist der Zug abgefahren“ (A.: 502f.). Der junge, dynamische und risikofreudige Professor habe es geschafft, Anton für die Quantenphysik zu begeistern, obwohl er ursprünglich geplant habe, seine Masterarbeit in einem anderen Themengebiet zu schreiben. Seine Entscheidung für die Arbeitsgruppe von Professor Strom sei aufgrund einer

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„Kombination aus spannender Wissenschaft, dann auch Leuten, die da einfach voll dahinterstehen und das vernünftig machen [gefallen]. [...] [N]icht dieser klassische Nerd-Charakter, [...] der ist wissenschaftlich sehr gut, aber der ist niemand, mit dem man gerne zusammenarbeitet, weil er asozial ist“ (A.: 532f.). Denn nicht nur das Thema müsse für Anton stimmen, damit er sich auf eine Zusammenarbeit einlasse, auch die Wissenschaftler*innen, die am Thema arbeiteten, müssten ihn auf zwischenmenschlicher Ebene überzeugen. Nach Beendigung seiner Masterarbeit sei Anton aber trotz der Bitte des Arbeitsgruppenleiters zu bleiben zurück nach Deutschland gegangen, da er seiner damaligen Freundin versprochen habe, nach seinem Studienabschluss zurückzukehren. Der Kontakt zu Professor Strom bestehe aber laut Anton weiterhin und ihr Verhältnis sei immer noch „sehr gut“ (A.: 646). Auf wissenschaftlicher Ebene würden sie aus thematischen Gründen jedoch nicht mehr zusammenarbeiten. Trotzdem sehe man sich hin und wieder auf Fachtagungen, da man sich weiterhin in der gleichen Scientific Community bewege, und unterhalte sich dann auch gerne miteinander. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland habe Anton beschlossen, unmittelbar seine Promotion zu beginnen, das „Diplom quasi [zu] überspringen“ (A.: 115), auch wenn dies bedeutet habe, dass er sein Auslands-BAföG, das er zur Finanzierung seines Auslandaufenthaltes im [außereuropäisches, englischsprachiges Land] erhalten habe, komplett zurückzahlen habe müssen, denn ohne Diplomabschluss würde Anton, wie er berichtet, laut BAföG-Amt als „Studienabbrecher“ gelten. Die finanziellen Einbußen hätten ihn aber nicht davon abgehalten, an seiner Promotionsentscheidung festzuhalten. Sonst hätte er „quasi ein Jahr verloren“ (A.: 127), da er aus wissenschaftlicher Sicht mit dem Master bereits promotionsberechtigt gewesen sei. Anton tätigt eine längerfristige Karriereinvestition, er wirkt risikofreudig und scheint optimistisch in die Zukunft zu blicken. Um seinen Entschluss in die Tat umzusetzen, habe er sich an seinem ehemaligen Studienort in der Arbeitsgruppe von Professor Oldschool initiativ auf eine Promotionsstelle beworben und habe diese auch angeboten bekommen. Finanziert habe er seine Promotion über ein selbst eingeworbenes Stipendium einer Stiftung sowie ein Stipendium der lokalen Graduiertenschule. Alternative Arbeitsgruppen habe Anton gar nicht in Betracht gezogen, denn, so folgert er: „[I]ch bin allgemein, glaube ich, recht fix im Entscheidungen treffen“ (A.: 571). Die Fähigkeit, frühzeitig Karriereentscheidungen zu treffen und ein Karriereziel festzulegen, wird in der einschlägigen Literatur zum Forschungsfeld

5.4 Anton: „Also ich bin halt so ein Wettstreit-Typ.“

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Wissenschaftskarrieren eher Männern attestiert. Demnach würden Frauen ihr Karriereziel häufig erst sehr spät festlegen, ihre Karriere weniger systematisch planen und weniger bzw. erst viel später karriererelevante Investitionen, wie das Einüben gewisser Selbstdarstellungspraktiken, tätigen (vgl. Lind 2007: 73). Dieser Sachverhalt wirkt sich laut der Forschungsbefunde nachteilig auf die Karrierechancen von Frauen in der Wissenschaft aus. Eine Fähigkeit, an der es Anton nicht zu mangeln scheint. Für die Promotion in der Arbeitsgruppe von Professor Oldschool habe sich Anton nicht nur aufgrund ihrer geografischen Lage am ehemaligen Studienort und Wohnort seiner damaligen Partnerin entschieden, sondern auch deswegen, weil er die Thematik, mit der sich die Gruppe befassen würde, höchstspannend gefunden habe. Die Gruppe arbeitet nämlich nicht an irgendeinem Thema, sondern an einem, für das jüngst ein Nobelpreis verliehen worden sei, wie Anton nebenbei erwähnt. Schon zum zweiten Mal in seinem bisherigen Karriereverlauf scheinen Anton Themen anzuziehen, die bereits mit dem Nobelpreis gekürt wurden, einem Preis, der nur denjenigen Wissenschaftler*innen zuteilwird, die der Menschheit den größten Nutzen erbracht haben, und der sowohl der bekannteste als auch bedeutendste aller wissenschaftlichen Preise ist. Als weiteren positiven Faktor, der die Entscheidung für die Arbeitsgruppe von Professor Oldschool befördert habe, führt Anton die menschlichen Qualitäten der Arbeitsgruppe an. Zwar seien die Forscher*innen nicht ganz so motiviert und sprühend vor Energie gewesen, wie diejenigen, in der Arbeitsgruppe von Professor Strom, nichtsdestotrotz hätten ihm die Mitglieder sehr zugesagt. Anton vermittelt den Eindruck, dass für ihn bei Karriereentscheidungen stets zwei Aspekte als Pull-Faktoren wirken würden: einerseits wissenschaftlich spannende (nobelpreisgekürte) Themen als auch andererseits die menschlichen Qualitäten der Arbeitsgruppe. Nach fünf Jahren hat Anton seine Promotion schließlich abgeschlossen. Obwohl er anmerkt, dass seine Promotion etwas länger gedauert habe, als es optimal wäre, würde er seinen Promotionsabschluss dennoch als Erfolg verbuchen, denn es „kam eine gute Publikation raus“ (A.: 153). Dass Anton dies als Erfolg betrachtet, erscheint vor dem Hintergrund plausibel, dass die wichtigste Kapitalform im wissenschaftlichen Feld das rein wissenschaftliche Kapital ist, das eindeutige Signalwirkungen für die Mitglieder seiner Scientific Community besitzt. Denn „[w]issenschaftliches Kapital funktioniert wie ein Kredit, der Vertrauen und Glauben in diejenigen setzt, denen es gewährt wird“ (Barlösius 2012: 127).

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5.4.2 Motivatoren, Unterstützung und Hindernisse auf dem bisherigen Qualifizierungsweg Antons Bildungsweg sei, seinen Ausführungen zufolge, bis zu seiner Promotionsentscheidung sehr emergent verlaufen und „alles [sei] ziemlich klar“ (A.: 1284) für ihn gewesen. Die Weichen für den späteren Selbstläufer habe aber zu Beginn seiner Bildungskarriere sein Vater gestellt. Denn er sei derjenige gewesen, der Anton motiviert habe, das Gymnasium zu besuchen, was Anton eigentlich nicht gewollt habe. Seine Familie sei „was das betrifft [...] unterstützend auf jeden Fall [...]ohne Zweifel wäre ich ohne meinen Vater nie auf [...] das Gymnasium gegangen und […] wenn man nicht auf das Gymnasium kommt […], dann ist Sense“ (A.: 2226). Anton verweist an dieser Stelle auf die deutsche Besonderheit, dass der spätere Bildungsweg wie auch die damit einhergehenden Lebenschancen durch die dreigliedrige Schulstruktur im deutschen Bildungssystem bereits sehr früh festgelegt werden64. Anton macht den Eindruck, dass er sich durchaus bewusst darüber ist, dass seine Chancen auf höhere Bildung ungleich schlechter gewesen wären, hätte er nicht das Gymnasium besucht. Im weiteren Bildungsverlauf hätten seine Eltern ihn zwar nicht aktiv unterstützt, aber ihm „immer komplett freie Hand gelassen in allen Entscheidungen“ (A.: 2187). Seine Eltern hätten, Anton zufolge, zwar keine konkreten Unterstützungsangebote gemacht, ihm aber ein gutes Gefühl vermittelt und Wertschätzung für seine Leistung entgegengebracht und er bringt dies folgendermaßen auf den Punkt: „Meine Eltern […], die sind sehr stolz auf mich.“ (A.: 2187). Der Übergang von der Schule ins Studium sei für Anton zunächst ein Schock gewesen, denn er sei „einfach sehr gut [gewesen] in der Schule und da hat das alle super funktioniert und dann kommt mein Studium und dann versteht man erst mal gar nichts in der Vorlesung“ (A.: 431). Auf seine Herkunft aus einem Nicht-Akademiker*innen Elternhaus führt Anton sein Empfinden der Situation nicht zurück, vielmehr grenzt er sich von denjenigen ab, die auch einen weniger privilegierten sozialen Hintergrund haben und sich dadurch an der Universität zunächst nicht heimisch fühlen: „Da scheint es so ein paar zu geben […], also Kinder aus der sozialen Unterschicht oder wie man das nennen möchte [...]. Ich habe halt da oft gelesen, dass viele sich da fremd fühlen an

64 Zwar ist es heutzutage in Deutschland möglich, den Gymnasialabschluss auch noch über den „zweiten Bildungsweg“ zu erlangen, dies ist aber mit einem Zeitverlust verbunden. Weiterhin ist es möglich, dass ein Abitur, das über den zweiten Bildungsweg erworben wurde, von potentiellen Arbeitgebern auch nicht als gleichwertig gegenüber einem Regel-Gymnasialabschluss anerkannt wird.

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der Uni […]. Also ich hatte irgendwie für mich jetzt nie das Gefühl [...]. Ich fand das eigentlich ganz normal“ (A.: 2209f.). Auch wenn er sich an der Hochschule nicht fremd gefühlt habe, hätten ihm Freunde, die sich gegenseitig motivieren und unterstützen, an der Universität ebenso gefehlt wie auch nach seinem zur zehnten Klasse erfolgten Schulwechsel. Denn auch damals habe er seiner Erzählung zufolge zunächst keine Freunde gehabt und sich zum „Zeitvertreib“ Fachbücher in Philosophie, Physik und Mathematik aus der Bibliothek ausgeliehen. Durch das viele Lesen habe Anton, wie er annimmt, auch seine Deutschnote verbessern können und sei „allgemein sehr gut am Ende“ (A.: 960) der Schulzeit gewesen. Antons Darstellung vermittelt den Eindruck, dass er, wenn es die Umstände erfordern, auch die Fähigkeit besitzt, proaktiv zu handeln und sich selbst zu motivieren. Im weiteren Schulverlauf habe er dann aber sehr gute Freundschaften geschlossen und sei Mitglied einer vierköpfigen Jungengruppe geworden, einer Gruppe, in der sie sich „immer so gegenseitig gepuscht“ (A.: 438) hätten. Denn um sich zu guten Schulleistungen zu motivieren, hätten sie beispielsweise vereinbart, dass „derjenige, der halt die beste Note hat, der gibt für die anderen ein Bier aus. [...] das war einfach super, [...] das war […] eine Win-win-Situation. [...] [M]ir hat das wirklich viel Spaß gemacht“ (A.: 442f.). Mit diesen Jungen habe Anton Freunde gefunden, die wie er den positiven Wettstreit geschätzt und sich dadurch gegenseitig zu Bestleistungen motiviert hätten. Dagegen hätten Anton, wie er erzählt, diese „Sparringpartner“ im Studium wie auch in der jetzigen Arbeitsgruppe zunächst gefehlt. So habe es anfangs in seiner jetzigen Arbeitsgruppe kein Mitglied gegeben, das „vom Wesen her“ so gut zu ihm gepasst habe wie die Jungen aus seiner Schulclique. „Ich hatte […] einen Doktoranden, der war eher ruhig, mit dem habe ich mich auch sehr gut verstanden […]. Wir [konnten] auch gut diskutieren, aber der war jetzt nicht dieser Typ, der [...] so Wettstreitspielchen mitgemacht hat. Und [...] jetzt gibt es ‘nen Postdoc seit kurzem und mit dem klappt das ganz gut […]. Der ist halt auch so ein bisschen verrückt […] und da kann man dann solche Sachen machen“ (A.: 456f.). Positive Wettstreitspiele empfindet Anton seiner Darstellung zufolge als sehr motivierend und mit ebenjenem Postdoc habe er schließlich auch in seiner aktuellen Arbeitsgruppe einen „Sparringpartner“ gefunden. Um welche Wetten und Spiele es sich dabei genau handelt, wird an späterer Stelle noch weiter ausgeführt. Anton lässt bei seiner Erzählung auf alle Fälle keinen Zweifel daran, dass

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für ihn die Existenz von Peers, mit denen er sich austauschen und messen kann, von großer Wichtigkeit ist. Denn er sei nicht „der Typ, der […] nur ganz alleine vor dem Experiment stehen [will]. Das finde ich auch schön, wenn ich so eine Eigenverantwortlichkeit habe, aber ich will dann auch mit jemandem reden und ich will dann halt auch, dass der andere sich […] für das Thema [interessiert]. Also Wissenschaft für mich alleine, [...] davon halte ich nichts, das macht mir keinen Spaß“ (A.: 467f.). Für Anton ist der Spaß an der Arbeit sehr bedeutsam und Freude bereite ihm vor allem die Arbeit in einem Team, vor allem in einem, in dem man sich austauschen könne und gemeinsam ein Ziel verfolge. Nichtsdestotrotz berichtet Anton auch von Phasen, in denen er auf sich alleine gestellt gewesen sei, die er aber auch erfolgreich überbrückt und dabei sein Ziel nicht aus den Augen verloren habe. Diese Phasen haben sich, wenn man Antons Erzählung folgt, in seinem bisherigen Karriereverlauf stets abgewechselt: Nach dem Schulwechsel ist er zunächst auf sich alleine gestellt, gegen Ende der Schulzeit ist er dann Mitglied der Jungen-Clique. Zu Beginn des Studiums sei er wieder alleine gewesen, nach seinem Vordiplom wieder Teil einer motivierten Arbeitsgruppe im [außereuropäisches Land]. Zu Beginn der Promotion sei er dann wieder eher alleine gewesen und gegen Ende der Promotion habe Anton auch wieder einen „Sparringpartner“ in seiner Arbeitsgruppe gefunden. Motivation und Unterstützung hat er jedoch nicht nur durch die Mitglieder seiner Arbeitsgruppe erfahren. Ebenso hebt er stets die Wichtigkeit seines privaten Umfeldes beim Beschreiten seines bisherigen Karrierewegs hervor. So hätten ihn zu Studienzeiten vor allem seine Bundesbrüder aus der Studentenverbindung unterstützt. Er habe, wie er berichtet sie sowohl bei Karrierefragen konsultiert, als auch finanziellen Rückhalt durch sie erfahren. Darüber hinaus habe Anton von strukturellen Fördermaßnahmen profitiert. So habe er an Poster-Präsentationen und Vorträgen partizipiert, die durch das strukturierte Promotionsprogramm seiner Hochschule organisiert worden seien. Weiterhin habe er im Rahmen des strukturierten Promotionsstudiums auch regelmäßig Berichte zum Stand seiner Promotion verfassen müssen, was „immer gut [gewesen sei,] um dann selbst zu sehen, wo steht man gerade“ (A.: 1371f.). Außerdem habe Anton die Förderung durch seine stipendiengebende Stiftung als sehr hilfreich empfunden, da diese ihm sowohl ein reichhaltiges promotionsbegleitendes Programm (Sprachkurse, Sommerakademien) als auch ausreichend finanzielle Mittel bereitgestellt habe.

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Anton erzählt von unterschiedlichen Personen und strukturierten Maßnahmen, von denen er in seinem bisherigen Bildungsverlauf Unterstützung erfahren hat. Dennoch habe er auf seinem bisherigen Werdegang auch Hindernisse bewältigen müssen, die aber nicht in seinem Lern- und Arbeitskontext ihren Ursprung genommen hätten. Denn in wissenschaftlicher Hinsicht habe er, wie er anführt, bisher keine Probleme gehabt, vielmehr sei „das größte Problem [...] eher so ‘n finanzielles“ (A.: 874f.) gewesen. So habe sich Anton sein Studium zum Großteil selbst über BAföG und Nebenjobs finanzieren müssen, da er aufgrund seines problematischen familiären Hintergrundes nie auf die finanzielle Unterstützung durch seine Eltern bauen habe können. Vielmehr müsse er zusätzlich mit durch Mitglieder seiner Familie verursachten finanziellen Problemen, umgehen und beispielsweise Schulden abbezahlen. Seine familiäre Herkunft beschreibt Anton als „‘ne ganz andere Welt“ (A.: 1006). Sein Vater besitze zwar einen Realschulabschluss; seine Mutter umschreibt er dagegen als nicht sehr gebildet. Bis zum heutigen Tag seien seine Mutter und sein psychisch kranker Vater allerdings arbeitslos. Auch Antons drei Brüder würden unter der familiären Situation leiden und Anton habe stets versucht, sie auch über das Finanzielle hinaus zu unterstützen, anders als er hätten sie den sozialen Aufstieg aber nicht geschafft und im Härtefall sei Anton der Einzige, der sich um die Altersabsicherung der ganzen Familie kümmern könne und auch müsse. So resümiert Anton auf Hindernisse auf seinem bisherigen Bildungsweg angesprochen: Die familiäre Situation sei „das Einzige, was […] von der Lage her schwierig war, das war halt auch emotional einfach schwierig“ (A.: 922). Doch er habe auch eine Umgangsstrategie mit seiner familiären Situation entwickelt und sei „ziemlich gut darin, die Sachen wegzuschieben [...]. Wenn die Probleme akut werden, dann gehe ich sie an und versuche sie zu lösen, ansonsten belasten sie mich so gut wie nicht.“ (A.: 1049f.). Auch habe er diese Probleme nicht seine bildungs- und berufsbiographischen Entscheidungen beeinflussen lassen und sei stets dem Motto gefolgt: „Ich mache erst mal das, was ich für mich als gut empfinde, und [...] wenn das gut funktioniert bei mir und ich den anderen helfen kann, dann helfe ich ihnen und wenn das nicht funktioniert, dann muss ich mich erst mal um mich selbst kümmern“ (A.: 1064f.). In der Wissenschaft gilt dieses Prinzip gleichermaßen: Wenn man Erfolg haben möchte, muss man sich zunächst um sein eigenes Fortkommen kümmern. Denn bei einer Karriere in der Wissenschaft geht es nicht in erster Linie darum, ein guter Teamplayer zu sein, sondern ein exzellenter Einzelkämpfer, zumal der

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Weg zu den Erfolgspositionen im wissenschaftlichen Feld zumindest ab einem gewissen Zeitpunkt (Postdoc-Phase) ein einsamer ist. Dann werden Peers, ehemalige Kooperationspartner*innen und bzw. oder Kolleg*innen zu Konkurrent*innen, die sich im Wettbewerb um die wenigen höheren Positionen im wissenschaftlichen Feld miteinander messen müssen. Anton sei bisher gut mit seiner Einstellung gefahren und sehe seinen familiären Hintergrund auch nicht als Nachteil, sondern vielmehr als Stärke an. Er gehe mit seinem familiären Hintergrund auch sehr offen um, denn „je offener man ist, desto weniger angreifbar wird man“ (A.: 1247). Dieser selbstbewusste Umgang sei auch darauf zurückzuführen, dass er bei seinem Nebenjob im Sportverein „gut Selbstbewusstsein [habe] tanken“ (A.: 1267) können. Die das Selbstbewusstsein stärkenden Erfahrungen bei seinen sportlichen Aktivitäten würden ihm aus seiner Perspektive nun auch im Beruf helfen, selbstbewusst aufzutreten. Sport und Beruf stellt Anton als Sphären dar, die stark miteinander zusammenhängen und sich auch gegenseitig beeinflussen. Ein Freund mit ähnlichem sozialen Hintergrund habe zudem zu ihm gesagt, dass, wenn man als Bildungsaufsteiger den Bildungsweg meistern würde und „wissenschaftlich gut ist, [...] da hat man so einen Erfahrungsfundus, den andere Leute halt nicht haben, und [man] ist extrem belastbar. Und dann ist es eher ein Vorteil, als ein Nachteil“ (A.: 1093f.). Was Anton als Vorteil für sich begreift, ist nach dem geteilten Glauben im wissenschaftlichen Feld ein irrelevantes Kriterium, um die Größe der wissenschaftlichen Persönlichkeit zu bestimmen, da es nicht im wissenschaftlichen Feld selbst hergestellt wurde. Demnach wird eine wissenschaftliche Persönlichkeit dadurch charakterisiert, dass sie „frei und unabhängig von solchen Determinierungen danach strebt, wissenschaftliche Erkenntnisse zu liefern, und an die eigene wissenschaftliche Leistung glaubt“ (Engler 2001: 452 f.). Mit der sozialen Herkunft einhergehende habituelle Verhaltensweisen bringen aber, wie einschlägige Forschungsbefunde zeigen (vgl. u.a. Hartmann 2003, Hänzi und Matthies 2013, Möller 2015), ungleiche Chancen auf eine Erfolgsposition im wissenschaftlichen Feld mit sich. 5.4.3 Der patriarchale, unterstützende Doktorvater Als besonders prägende Beziehung im wissenschaftlichen Karriereverlauf wird oft das Promovierenden-Betreuer*innen-Verhältnis thematisiert, das den Karriereverlauf der Nachwuchswissenschaftler*innen sowohl positiv als auch negativ beeinflussen kann. Im Fall von Anton sei es so gewesen, dass er sich mit seinem Doktorvater „extrem gut“ (A.: 651) verstanden habe. Nichtsdestotrotz sei seine Beziehung zu seinem Professor nicht durch eine intensive inhaltliche Unterstützung geprägt gewesen. Anton habe beim Forschen und bei seiner

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Doktorarbeit immer nach seinem eignen Ermessen agieren können und viel Freiraum durch seinen Vorgesetzten erfahren. Dies habe ihm zufolge aber auch bedeutet, dass er in Bezug auf seine Dissertation meist auf sich selbst gestellt gewesen sei. So habe er sich sowohl die theoretischen Grundlagen als auch die Bedienung der Apparaturen zur Durchführung seiner Experimente selbst aneignen müssen. Zudem sei sein Doktorvater auch „kein Künstler der Motivation“ (A.: 701) gewesen. Das Vorgehen seines Doktorvaters beschreibt Anton folgendermaßen: Er habe „die Leute ins kalte Wasser“ (A.: 307) geworfen. „Und das geht oft gut und manchmal nicht und bei mir ging es ganz gut, glaube ich.“ (A.: 308f.). Diese Einschätzung Antons ist auch vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass er seine Promotion bereits erfolgreich abgeschlossen hat. Es ist anzunehmen, dass ihm dabei auch seine Fähigkeit, eigeninitiativ und selbstständig zu arbeiten, die er seinen Aussagen zufolge bereits mehrfach in seiner Bildungsbiografie bewiesen habe, hilfreich gewesen ist. Sein Doktorvater sei, so Anton, auch niemand, der sich aktiv in die Forschung mit einbringe, was Anton aber nicht negativ bewerte. Denn wie er aus anderen Arbeitsgruppen wisse, führe dies oft nur dazu, dass Anforderungen seitens der Professor*innen gestellt würden, die an der experimentellen Realität vorbeigingen. Sein Doktorvater jedoch höre diesbezüglich „auf seine Leute, und lässt uns freie Hand. Das […] ist wirklich perfekt.“ (A.: 797f.). Bezüglich des Führungsstils seines Vorgesetzten merkt Anton an, dass dieser „sehr charismatisch und auch durchsetzungsstark“ (A.: 291f.) sei, was sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringen würde. So sei er zwar offen für gute Ideen, „aber am Ende trifft er ganz klar die Entscheidung“ (A.: 293f.). Vorschläge der Mitarbeitenden würden zwar angehört, aber nicht notwendigerweise umgesetzt werden. So habe es „schon ein paar Mal die Situation [gegeben], wo ich versucht hab’, irgendwas einzubringen und zu ändern in der Gruppe, aber er hat dann halt am Ende doch anders entschieden“ (A.: 294f.). Ein Beispiel sei, als er angeregt habe, die Mitarbeitenden mit einzubeziehen, wenn neue Wissenschaftler*innen in die Arbeitsgruppe aufgenommen würden. Darauf habe sich der Doktorvater aber nicht eingelassen. Dies sei aber aus Antons Perspektive enorm wichtig, denn man stehe in der Experimentalphysik „von früh bis spät im Labor […]. Und dann ist es ein Problem, wenn man Leute hat, mit denen man nicht gut klar kommt“ (A.: 375f.). Da Professor Oldschool laut Anton nicht aktiv an der Forschung beteiligt sei, scheine es plausibel, dass diejenigen Personen, die mit den zur Gruppe neu Hinzukommenden direkt zusammenarbeiten müssten, auch ein Mitentscheidungsrecht bei der Personalauswahl hätten. Doch diesbezüglich nehme Professor Neu aus Antons Sicht die Rolle des „Übervater[s] der Gruppe“ ein und pflege einen patriarchalen Führungsstil. Dies bringe

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sowohl positive als auch negative Aspekte mit sich. Zu den schlechten Seiten rechne Anton den Umstand, dass sein Doktorvater „Entscheidungen eher auch alleine trifft, […] im Prinzip auch [...] gegen den Widerstand der Gruppe, aber das gut und diplomatisch macht” (A.: 655f.). Das sei eine Erfahrung, die Anton auch vor Augen geführt habe, dass man nur in der Position als Professor nicht weisungsgebunden sei und zumindest in Bezug auf seine Forschung und Mitarbeiter*innen letztendlich die alleinige Entscheidungsmacht besitze. Die patriachale Art des Doktorvaters sei aber nicht nur nachteilig für die Mitglieder der Arbeitsgruppe, sondern bringe auch große Vorteile mit sich. Denn der Doktorvater sei auch ein Professor, der sich „stark für die Leute einsetzt“ (A.: 659). Anton zufolge nutze Professor Oldschool seine Machtposition nicht nur dazu, seine eigenen Interessen durchzusetzen, sondern auch, um die Arbeitsbedingungen und Karrierechancen seiner Arbeitsgruppenmitglieder zu verbessern. So sei der Doktorvater in vielen Gremien aktiv, was sich insofern positiv für die Arbeitsgruppe auswirke, als die Gruppe dadurch Forschungsgelder bekomme. Denn „Netzwerke spielen eine wichtige Rolle überall, auch in der Wissenschaft“ (A.: 779), auch bei der Vergabe von Forschungsmitteln, wie Anton betont. Zudem würde sein Doktorvater auch die Unterstützung bei karriererelevanten Aktivitäten offerieren und sich ebenso um die zukünftige finanzielle Absicherung seiner Mitarbeitenden bemühen. Demnach sei er seinen Mitarbeiter*innen auch bei der Stellensuche behilflich und achte darauf, „dass man unterkommt sowohl in der Wirtschaft als auch in der Wissenschaft. Also, er kümmert sich um seine Leute, was nicht selbstverständlich ist. Es gibt auch viele Gegenbeispiele in der Wissenschaft“ (A.: 661f.). Die Erzählung Antons erweckt den Eindruck, dass Professor Oldschool „mit dem Vertrauen [das seine Mitarbeitenden in ihn setzen] verantwortungsvoll umzugehen“ (Hartmann 2011: 16 f.) weiß und neben der Rolle des „Arbeitgebers [und] des Betreuers […] [auch] die des Multiplikators“ (Beaufaÿs 2003: 184f.) für seine Mitarbeitenden einzunehmen scheint. Auch bei der Bewerbung auf Stipendien sei Professor Oldschool sehr unterstützend, was Anton zufolge, enorm wichtig sei. Denn man brauche, um erfolgreich zu sein, Unterstützer*innen, die bereits Erfahrung mit der Beantragung von Stipendien gesammelt hätten und wüssten, worauf es ankomme. So benötige man Anton zufolge nicht nur eine gute Idee, auch die Antragsrhetorik müsse stimmen. Der Erfolg bei Stipendieneinwerbungen sei für Anton eine „Glücksfrage“ (A.: 1322) und er habe Glück gehabt, das Glück, dass sein Doktorvater ihn fördere und sich „was das betrifft sehr, sehr gut um seine Leute [kümmere]. Und [...] in unserer Gruppe hatten wir […] fünf Leute, die [...] in der [Name renommierte Stiftung] waren. Das ist extrem viel, also

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für das Promotionsstipendium. Die sind auch alle sehr gut, die Leute, die haben alle exzellente Noten, aber trotzdem ist es halt so, dass, wenn so ‘ne Verbindung einfach da ist, so ‘ne Expertise, dann ist die Wahrscheinlichkeit auch höher [...], dass man genommen wird“ (A.: 1325f.). Anton stellt sich mit dem Glauben dar, dass Leistung zwar wichtig, aber keine hinreichende Voraussetzung sei, um Erfolg zu haben. Anton zufolge brauche man darüber hinaus erfahrene Mentor*innen und Unterstützer*innen, die die Spielregeln des Feldes bereits verstanden hätten. Erst wenn man dieses zusätzliche Kapital in Form von Erfahrungswissen besitze, würden sich Anton zufolge die Erfolgschancen, im konkreten Fall bei Stipendieneinwerbungen, erhöhen. Auch ein*e Interviewpartner*in in der Studie von Richter (2016) definiert „das gute Verhältnis zum Betreuer/Chef (und die positiven Folgen) [als Glück, wobei] dieses Glück […] in einer ‚kleineren‘, konkreteren, auf persönliche Förderung von Mentorinnen oder Mentoren bezogene Spielart des allgemeineren Konzepts „zur richtigen Zeit am richtigen Ort Sein“ verwendet“ (Richter 2016: 62) wird. 5.4.4 Selbstpräsentation als resiliente Person, die den Wettstreit schätzt Die Promotionsphase habe laut Anton viel Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen von ihm abverlangt, denn sie sei bis zum Schluss von nicht funktionierenden Experimenten geprägt gewesen. Fünf Jahre habe Anton an seiner Doktorarbeit gearbeitet, aber erst „in den letzten zwei Monaten [...] [habe er] die ganzen Ergebnisse meiner Doktorarbeit gemessen, so Tag und Nacht durchgemessen und dann kollabiert. Am 23. Dezember hat es funktioniert“ (A.: 704f.). Doch sein Doktorvater habe trotzdem nie Druck auf ihn ausgeübt oder Zwischenergebnisse eingefordert, sondern habe Anton stets autonom agieren lassen. Die Erzählung Antons vermittelt den Eindruck, dass sein Doktorvater darauf vertraut hat, dass er letztlich reüssieren wird, trotz des Risikos, dass es „auch nicht klappen [könne], wenn man Pech hat“ (A.: 712f.), wie Anton anmerkt. Sowohl Professor Oldschool als auch Antons Vertrauen in den erfolgreichen Ausgang des Experiments habe sich schließlich auch als berechtigt bestätigt, denn binnen zwei Monaten habe Anton schließlich alle Messungen durchgeführt und damit das Rohmaterial, die Daten für seine Doktorarbeit,

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produziert. Doch, „dass die Ergebnisse unter Druck entstehen“ (A.: 708f.), sei laut Anton in der Physik durchaus üblich. Auch die Phase des Zusammenschreibens der Ergebnisse seiner Doktorarbeit sei durch großen Druck geprägt gewesen, denn sie sei zum Wettlauf mit Wissenschaftler*innen aus einer konkurrierenden Arbeitsgruppe geworden, die am gleichen Thema geforscht hätten. Dies habe Antons Doktorvater auf einer Fachkonferenz in Erfahrung gebracht und daraufhin Anton aufgefordert, seine Ergebnisse unmittelbar zu publizieren. Denn „dann geht es darum, wer schneller [...]publiziert“ (A.: 722), da nur derjenige bzw. diejenige, der bzw. die als Erste*r die neuen Erkenntnisse veröffentliche, Anerkennung für seine bzw. ihre Leistung durch die Scientific Community erfahre. Dieser Ratschlag seines Doktorvaters deutet darauf hin, dass er weiß, dass Anton vor allem wissenschaftliches Kapital benötigt, nicht nur einen formalen Qualifikationsabschluss, wenn er eine Karriere in der Wissenschaft machen möchte. Die Erzählung Antons legt den Schluss nahe, dass der Doktorvater Anton als Anwärter auf eine Position im Feld wahrnimmt, der den Herausforderungen einer Karriere in der Wissenschaft gewachsen ist. Anton attestiert seinem Doktorvater auch, „ein ganz gutes Gefühl [...] dafür [...], ob man Leute unter Druck setzen kann, ob die das aushalten oder nicht, und bei mir war es genau richtig“ (A.: 748f.). Anton enttäuscht die Erwartung seines Doktorvaters nicht, denn trotz des hohen Drucks und der Notwendigkeit, auch „die Nächte durch[zu]arbeite[n]“ (A.: 729), habe Anton es geschafft, die Frist einzuhalten. Der Arbeitseinsatz Antons führt zum Erfolg, denn es sei ihm gelungen, den Artikel vor der anderen Arbeitsgruppe bei einer einschlägigen Fachzeitschrift einzureichen. Danach habe er unmittelbar weiter an der Finalisierung seiner Doktorarbeit gearbeitet, denn er habe mit seinem Doktorvater vereinbart gehabt, zwei Wochen später abzugeben. Er kommentiert dies folgendermaßen: „[D]as war hart kalkuliert und [...] dann habe ich […] einfach die zwei Nächte vorher durchgearbeitet, ohne zu schlafen“ (A.: 733f.). Sogar menschlichen Grundbedürfnissen, wie zu schlafen, habe Anton seiner Darstellung zufolge zum Ende seiner Promotion hin weniger Priorität beigemessen als seiner wissenschaftlichen Arbeit. Die anstrengende Schlussphase ist für Anton jedoch nicht als Negativerlebnis in Erinnerung geblieben, sondern er stellt sie als Erfolgserlebnis dar, bei dem er über sich selbst hinausgewachsen sein. Die letzten Minuten seiner Arbeit an der Dissertation fasst er folgendermaßen zusammen: „[D]as war echt cool. Da war halt nur ein so ein kleiner Fehler in der Arbeit drin, wo in der Herleitung von der Theorie irgendwas nicht gepasst hat. Das ist [...] einem Postdoc aufgefallen, [...]. Dann saß ich also um drei Uhr nachts [...] da und […] [hab]

5.4 Anton: „Also ich bin halt so ein Wettstreit-Typ.“

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irgendwann immer so weiter drauf gestarrt quasi und überlegt und dann so um sieben Uhr ging das so richtig ,tsching‘ und dann war alles klar. Und dann konnte ich es hinschreiben, [...] dann habe ich das Ding ausgedruckt, gebunden und um zwölf Uhr auf den Gongschlag abgegeben“ (A.: 738f.). Anton sei es durch den „Geistesblitz“, der ihn in letzter Minute ereilt hat, gelungen, noch den letzten kleinen Fehler in seiner Arbeit auszumerzen. Ein Finale, wie in einem Action-Thriller, in dem viel mehr auf dem Spiel steht als nur der erfolgreiche Bildungsabschluss. Auf dem Spiel steht vielmehr Antons Anwartschaft auf eine Position im wissenschaftlichen Feld. Anton kann nicht nur gut mit Druck umgehen, wie aus der Schilderung der Endphase seiner Doktorarbeit deutlich wird, sondern präsentiert sich auch als Person, die den Wettstreit mit anderen schätzt. So erzählt er davon, dass er auch in seiner Freizeit Wettbewerbssituationen nicht aus dem Weg gehe, da er sie als motivierend empfinde. Als Beispiel führt Anton die Wette an, die er während der Promotion mit dem bereits erwähntem Postdoc und „Sparringpartner“ aus seiner Arbeitsgruppe geschlossen habe. Anton zufolge gebe ebenjener Postdoc „auch gerne an [und], ich gebe auch gerne an“ (A.: 2097). Laut Anton sind damit zwei Männer aufeinandergetroffen, die sich gerne auch außerhalb der Arbeit miteinander messen würden. Vorab hätten sie einen Wetteinsatz vereinbart und dann habe Anton „halt ‘n halbes Jahr [für einen Marathon] trainiert, ziemlich hart, habe auch zehn Kilo abgenommen [...] und dann hab’ ich es geschafft am Ende, die Wette halt gewonnen“ (A.: 2117f.). Wenn es darum gehe, in einem Wettstreit zu reüssieren, sei Anton bereit Opfer zu bringen, für gewisse Zeit auf „Spaßaktivität[en]“ (A.: 2122) wie rauchen oder Alkohol trinken zu verzichten und seinem Körper einiges abzuverlangen. Anton habe diszipliniert an seinem Erfolg gearbeitet, denn er habe „fünf Mal die Woche” (A.: 2122f.) trainiert und Spaß dabei gehabt. Im Zentrum des Wettspiels habe auch nicht der Einsatz gestanden, vielmehr sei das Spiel „an der ,Ehre‘ in Anführungszeichen aufgezogen“ (A.: 2143f.) gewesen. Beim Wettstreit um die Ehre mit dem statushöheren Postdoc sei es Anton gelungen zu reüssieren und es ist zu vermuten, dass Anton dadurch von seinem „Sparringpartner“ Anerkennung erfahren hat. Bisher hat Anton noch von keiner Situation berichtet, sei sie auch noch so herausfordernd gewesen, in der er gescheitert sei bzw. die er für sich als Misserfolg verbucht habe. Die positive Konkurrenz mit anderen (Jungen) habe Anton auch schon zu Schulzeiten motiviert, Bestleistungen zu bringen. So habe ihm der „Wettstreit-Spirit“ in der Jungen Clique geholfen, Probleme bei seinen Hausaufgaben „in Mathe oder in Chemie oder Physik […] zu lösen, weil man halt wusste, die anderen

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lösen es auch“ (A.: 446f.). Dabei sei es Anton auch nicht „in erster Linie um das Problem [gegangen], sondern eher darum, dass man halt was gemeinsam macht, so einen Wettstreit hatte. Also ich bin halt so ein Wettstreit-Typ“ (A.: 451). Anton berichtet davon, dass er sich schon zu Schulzeiten gerne mit seinen Peers in Konkurrenz gesetzt habe, um sich zu motivieren. Dabei sei er aber auch immer auf Fairness bedacht gewesen, denn er habe den anderen nicht „niederknüppeln“ (A.: 452) wollen und honoriere gute Leistungen von anderen auch mit Anerkennung. Anton präsentiert sich als Person, für die Wettbewerbssituationen nicht etwas sind, dem er sich stellen müsse. Vielmehr stellt er sie als seine präferierte Art dar, sich zur Arbeit zu motivieren, denn er sei „nicht derjenige der nach Hause kommt und […] den ganzen Abend noch über Probleme grübelt, außer es ist halt wirklich großer Druck oder ich finde es super spannend oder ich habe ‘ne competition, […] wenn ich halt weiß es gibt ‘nen anderen der auch noch darüber nachdenkt und der halt schneller ist, dann setze ich mich auch hin und sitze bis drei Uhr nachts da und überlege mir was“ (A.: 2063f.). In „Einsamkeit“ zu forschen und Probleme zu lösen, ist für Anton nur in zwei Situationen eine Option: einerseits, wenn sehr großer Druck von außen gegeben sei (wie zum Beispiel in der Endphase seiner Doktorarbeit); andererseits, wenn er das, woran er gerade arbeite, höchst spannend finde. Anton vermittelt den Eindruck, dass wissenschaftlich zu arbeiten für ihn eine soziale Aktivität ist, ein Spiel, in dem man sich mit anderen Spieler*innen in Beziehung setzt. Obwohl Anton gerne mit anderen Wissenschaftler*innen konkurriere, entwirft er sich nicht als Einzelkämpfer. Ihm zufolge sei er nicht „der Typ, der dann sagt, ich will jetzt nur ganz alleine vor dem Experiment stehen“ (A.: 467f.). Vielmehr sei Anton sehr gern Teil einer Forschergruppe, einer Mannschaft. Für Anton gelte im Sport wie im Beruf: „Wenn das Team gut ist, dann puscht es mich immens, aber wenn es nicht gut läuft, dann habe ich da auch keine Motivation, mich dafür aufzuopfern“ (A.: 2159f.). Und so sehr Anton den Wettstreit mit anderen auch schätze, „möchte [er trotzdem] auf keinen Fall in ‘ner Gruppe arbeiten, wo der Professor sagt, jeder muss zusehen, dass er viele Erstautorenpublikationen hat und muss sich mit Ellenbogen innerhalb der Gruppe durchsetzen“ (A.: 2381). Denn ein durch diese Art von „negativer“ Konkurrenz geprägtes Arbeitsklima sei weder gut für das Wohlbefinden der Gruppenmitglieder noch sei es „wissenschaftlich […] gut, weil […] die Leute sich dann gegenseitig in die Experimente reingrätschen“ (A.: 2385f.) würden. Daher folgert Anton: „[I]ch finde es cool, Konkurrenz zu haben zu ‘nem anderen Team und gegen die

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anzutreten, quasi mit der eigenen Mannschaft, aber wenn man innerhalb der eigenen Mannschaft kämpft, dann [...] geht das nicht aus“ (A.: 2387f.). Anton präsentiert sich mit einer klaren Vorstellung davon, wie das soziale Miteinander in der Wissenschaft aussehen sollte. So seien diejenigen Wissenschaftler*innen, die sich „absolut asozial verhalten […] und nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind“ (A.: 1118), für ihn nicht tolerierbar. Aus Antons Perspektive sei nämlich „erfolgreiche Wissenschaft auch immer die, die auch erfolgreich miteinander funktioniert“ (A.: 1120f.). 5.4.5 Das wissenschaftliche Arbeitsethos Dass Anton schon auf dem Weg ist, die Illusio des wissenschaftlichen Feldes zu inkorporieren, zeigt sich an verschiedenen Stellen, beispielsweise, als er die unterschiedliche Arbeitsmoral von zwei Studierenden, die er betreut hat, beschreibt und bewertet. So erzählt Anton davon, dass die eine Studentin zwar sehr gut, aber nicht wirklich motiviert gewesen und „halt dann irgendwie nur ‘nen halben Tag“ (A.: 349) ins Labor gekommen sei. Eine dauerhafte physische Anwesenheit ist jedoch eine wichtige symbolische Handlung, um sein wissenschaftliches Engagement, seine Hingabe zur Wissenschaft zu demonstrieren (vgl. Beaufaÿs 2003: 243). Im Gegensatz zu ebenjener Studentin sei ein anderer Student „sehr involviert im Experiment [gewesen] und hat viele Sachen selbst gemacht und sich da alleine durchgebissen“ (A.: 350f.). Genau diese Arbeitsmoral und Eigenschaften seien aus Antons Sicht enorm wichtig für einen Wissenschaftler, „dass man sich durchbeißt ganz einfach. [...] Das ist […] die wichtigste Sache“ (A.: 1105f.). Das sei ihm zufolge, die Investition, die man als wissenschaftlicher Nachwuchs tätigen müsse. Eine möglichst uneingeschränkte Anwesenheit am Lehrstuhl sowie Durchhaltevermögen zu beweisen, ziehe Anton als Indikatoren heran, um einzuschätzen, wie viel Potenzial zur wissenschaftlichen Arbeit die Studierenden mitbrächten. Ein guter Forscher sei für Anton darüber hinaus jemand, der „einen Eigenantrieb [hat], […] sich seine eigenen Themen [sucht,] […] die ihm Spaß machen“ (A.: 1671f.). Vom neuen BAMA-System zeigt sich Anton daher auch nur bedingt begeistert. Er sei eher „auf dieser Alexander-von-Humboldt-Seite [...], wo man sagt, man bildet so einen gesamtheitlichen Forscher […], es geht um Menschenbildung auch“ (A.: 1675f.). Letztlich brauche die Forscherpersönlichkeit auch Raum, um sich entwickeln zu können, was durch eine zu starke Strukturierung beeinträchtigt werde. Zwar spiele Anton zufolge, um Erfolg in der Wissenschaft zu haben, auch Talent eine Rolle, aber nicht die zentrale. Denn das Talent „kommt von alleine, […] wenn man sich da reinbeißt. Man wird einfach besser in Sachen, die man gerne macht“ (A.: 1113f.). Der Bildungsaufsteiger Anton präsentiert sich nicht mit dem

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Glauben an eine angeborene Begabung. Aus seiner Sicht gehe es darum, sich intensiv mit der Materie auseinanderzusetzen, hart zu arbeiten und nur dadurch werde man besser, in dem was man tue. Dass verschiedenen Personengruppen jedoch von unterschiedlichen Ausgangslagen starten und daher unterschiedlich hohe Investitionen tätigen müssen, um zum gleichen Ergebnis zu gelangen, thematisiert Anton nicht. Er präsentiert sich mit dem Glauben daran, dass man durch seine eigene Leistung Einfluss auf seine zukünftigen Karrierechancen nehmen kann. Gemäß der Illusio des wissenschaftlichen Feldes ist die wissenschaftliche Leistung auch der wichtigste Prädikator für den Erfolg eines Wissenschaftlers bzw. einer Wissenschaftlerin. Die wissenschaftliche Leistung in Form von qualitativ hochwertigen Publikationen sei aber Anton zufolge kein hinreichender Erfolgsgarant. So weist er auch dem Forschungsumfeld und dem Sozialkapital, das man im akademischen Qualifizierungsverlauf akkumuliere, große Wichtigkeit zu. Denn ohne Unterstützer*innen wie seinem Doktorvater habe man deutlich schlechtere Chancen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg. An eine „objektive“ Wissenschaft, die unbeeinflusst von sozialen Faktoren ist, glaube Anton nicht. Dies stelle für ihn ein nicht erreichbares Ideal dar, denn „man arbeitet im Team zusammen, am Ende soll das natürlich gefiltert werden und man publiziert nur die reine Wissenschaft, was auch immer das genau bedeuten soll. Aber das klappt natürlich nicht 100%ig“ (A.: 1717f.). Auch in Bezug auf die Doktorarbeit gehe Anton nicht von einer personenunabhängigen, rein sachbezogenen Leistungsbewertung aus. Demnach sei die Beurteilung der Arbeit Anton zufolge auch stets vom zwischenmenschlichen Verhältnis der daran beteiligten Personen beeinflusst. Und es gebe „diesen Bias in beide Richtungen. Wenn man ein gutes Verhältnis hat, wie ich bei meinem Doktorvater, ist die Tendenz eher zu einer besseren Note, wenn man ein schlechtes Verhältnis hat, eher zu einer schlechteren. Man sollte da im Idealfall Leute von außen holen“ (A.: 1596f.). Auch wenn dieser soziale Einfluss in seinem Fall ihm zum Vorteil gereicht habe, plädiert Anton für eine Trennung von Betreuung und Bewertung der Doktorarbeit, wie es beispielsweise auch im angloamerikanischen Wissenschaftssystem praktiziert werde. Die wissenschaftliche Illusio beeinflusst nicht nur Antons Arbeitsalltag und Arbeitsmoral. Auch in seinem Privatleben berichtet Anton davon, dass er sich zunehmend mit Personen umgebe, welche seine Arbeitsmoral teilen und seine Lebensform nicht in Frage stellen würden. Nachdem er aus dem Ausland

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zurückkehrt sei und zu promovieren begonnen habe, habe er sich nach einiger Zeit von seiner ersten Freundin getrennt und sei in eine Wohngemeinschaft mit Gleichgesinnten gezogen. Seine WG sei „eher wissenschaftlich geprägt [gewesen]. […] [Eine] normale Umgebung [...] für so ’n Wissenschaftler“ (A.: 2239f.), eine Wohnsituation, in der es für alle „ganz normal“ (A.: 2245) gewesen sei, bis „spät in die Nacht“ (A.: 2244) zu arbeiten. Anton erweckt den Eindruck, dass er Wissenschaft zunehmend als Lebensform praktiziert, die auch das Privatleben nicht ausspart und nähert sich damit stetig dem Idealtypus des Wissenschaftlers nach Weber an (vgl. Weber [1919] 1968). So führt Anton rückblickend auch das Scheitern seiner ersten Beziehung darauf zurück, dass seine damalige Freundin seine Arbeitsmoral nicht geteilt habe und auch ein inhaltlicher Austausch über Arbeitsinhalte kaum möglich gewesen sei. Eine übereinstimmende Arbeitsmoral sehe er auch als Grundlage für seine Liebesbeziehung an und bei seiner Exfreundin sei „die Basis absolut nicht vorhanden“ (A.: 2323) gewesen. Anders sei dies bei seiner derzeitigen Freundin, die er als Masterstudentin in seiner Arbeitsgruppe kennengelernt habe. Seit zwei Jahren würden sie nun eine gut funktionierende Fernbeziehung führen, da sie bereits an Antons zukünftigen Arbeitsort gegangen sei, um dort zu promovieren. Kennzeichnend für ihre Beziehung sei, dass sie auch sehr viel über die Wissenschaft reden würden. „Also ich erzähl ihr viel von meinen Experimenten, sie erzählt mir sehr, sehr viel von ihren Experimenten“ (A.: 2302f.). Anton lässt bei seiner Erzählung keinen Zweifel daran, dass er sein Leben der Wissenschaft verschrieben hat. Nun bleibt nur noch die Frage offen, ob diese auch in Zukunft eine Arbeitsstelle für ihn bereithalten wird. 5.4.6 Karriereaspirationen und zukünftige Karriereschritte Der frisch promovierte Anton sei seiner Ansicht nach nun an einem „Scheideweg“ (A.: 160) angekommen und müsse wählen, ob er weiterhin den akademischen Karriereweg verfolgen wolle. Dazu habe sich Anton bewusst mit den Risiken und Chancen einer wissenschaftlichen Karriere auseinandergesetzt und sich auch mit diversen Professoren ausgetauscht. Diese hätten ihm geraten, dass man die Professur als Karriereziel dann anstreben könne, wenn man bei den „zwanzig besten Prozenten dabei ist. Dann kann man es versuchen, aber auch dann ist es noch ein Glückspunkt“ (A.: 166f.). Diese Hinweise der Professoren scheinen Anton nicht vom Verweilen in der Wissenschaft abgeschreckt zu haben, denn er habe daraufhin beschlossen: „Okay ich mach’ den Postdoc, [...] wenn ich ‘ne Stelle finde, die mir wirklich hundertprozentig gefällt“ (A.: 169f.). Anton lässt sich zwar auf den riskanten Weg ein, würde aber zunächst „zweigleisig“ fahren, insofern er darauf achte, sich den alternativen Karriereweg in

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der Wirtschaft weiterhin offen zu halten. Denn bei der Entscheidung für eine Postdoc-Stelle berücksichtige er, ob diese so beschaffen sei, dass er damit auch noch außerhalb der Wissenschaft gute Karrierechancen hätte. Nachdem sich Anton proaktiv verschiedene potentielle Labore angeschaut habe, habe er durch Zufall eine adäquate Postdoc-Stelle an einer Eliteuniversität im [deutschsprachigen Ausland A] gefunden. Daraufhin habe er eine Initiativbewerbung, der er ein Empfehlungsschreiben von seinen bisherigen Betreuenden beigelegt habe verfasst. Auch Professor Strom, bei dem er seine Masterarbeit geschrieben habe, habe ihm ein Referenzschreiben verfasst. Anton kommentiert dies folgendermaßen: „[D]ie Verbindungen sind dann oft schon auch auf der zwischenmenschlichen Ebene eng, also nicht nur wissenschaftliche, [...] es geht Hand in Hand, dass man sich dann auch persönlich gut versteht“ (A.: 648f.). Diese Formulierung wirft eine Frage auf, nämlich die, ob Anton womöglich annimmt, dass der Professor ihm das Referenzschreiben vor allem deswegen geschrieben hat, weil er sich gut mit ihm verstanden hat oder weil sein Betreuer auch an seine wissenschaftliche Kompetenz glaubt. Es ist anzunehmen, dass wohl beides der Fall gewesen ist. Offen bleibt aber, ob er dies auch getan hätte, wenn Ersteres nicht gegeben gewesen wäre. Neben den guten Empfehlungsschreiben habe Anton auch der Umstand geholfen, die Postdoc-Stelle zu bekommen, dass sein Fachwissen und seine Expertise dem Bedarf der Arbeitsgruppe entsprächen, denn er solle in die zukünftige Elektrotechnikerarbeitsgruppe seine fachliche Expertise als Experimentalphysiker einbringen. Eine Stelle verknüpft Anton jedoch nicht gleichzeitig mit dem Erhalt einer Finanzierung, vielmehr plane er sich diese in Form eines Stipendiums wieder selbst einzuwerben. Anton sei auch recht optimistisch bezüglich der Einschätzung seiner Erfolgschancen, da er in seiner bisherigen Bildungsbiografie bereits drei Stipendien erfolgreich eingeworben habe und seiner Ansicht nach gelte diesbezüglich „das Prinzip, dass der Teufel auf den größten Haufen scheißt [...], also wenn man vorher schon viele Stipendien hatte, dann kriegt man halt danach wieder relativ leicht neue“ (A.: 1807f.). An dieser Stelle verweist Anton auf das von Merton (1985a) als Matthäus-Prinzip beschriebene Kausalitätsprinzip: „Wer hat, dem wird gegeben“. Anton erweckt den Eindruckt, dass er bestärkt durch seine bisherigen Erfolge bei der Stipendieneinwerbung darauf vertraue, auch diesmal erfolgreich zu sein, auch wenn die „Erfolgsquote von einem Viertel“ (A.: 242) nicht besonders hoch sei. Doch Anton wolle auf jeden Fall das Stipendium haben, denn es sei prestigeträchtig. „Also, wenn man das bekommt, dann kann man das in den Lebenslauf schreiben und das kommt immer gut an“ (A.: 247). Der Grund, warum Anton das Stipendium unbedingt haben wolle, ist nicht etwa die Sicherstellung seines Lebensunterhalts, sondern weil er zu

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wissen scheint, dass es symbolisches Kapital ist, welches anderen Wissenschaftler*innen signalisiert, dass er ein vielversprechender, aufstrebender Wissenschaftler ist und sich die Investitionen der Förderenden in ihn sehr wahrscheinlich lohnen werden, da er das Potenzial besitzt zu einer wissenschaftlichen Persönlichkeit zu werden. Doch auch wenn die Einwerbung des Stipendiums nicht erfolgreich sein sollte, werde Anton die Stelle antreten und müsse sich nicht um seine Finanzierung sorgen, denn sein zukünftiger Vorgesetzter habe ihm versichert, sie würden „trotzdem irgendwas finden“ (A.: 235). Mit Antritt der neuen Stelle wird Anton nicht nur die Fachdisziplin wechseln, sondern auch hinsichtlich der personenbezogenen Zusammensetzung sei die neue Arbeitsgruppe ein deutlicher Kontrast zu seiner bisherigen Gruppe. Im Gegensatz zu seinem Doktorvater sei sein neuer Vorgesetzter, der erst in den Dreißigern sei, wie auch seine Arbeitsgruppe sehr jung, „dynamisch, cool“ (A.: 195), was Anton als vorteilhaft ansehe. Seine jetzige Gruppe sei dagegen „schon etabliert, ja [da] ist ein älterer Professor und da waren die Strukturen schon ein bisschen fester“ (A.: 197). Bei jüngeren Professoren sei es laut Anton „erfahrungsgemäß so, dass die dann eher offen sind für neuere Sachen in der Struktur“ (A.: 297f.). Diese Verschlossenheit gegenüber Neuerungen, wie die Möglichkeit der Partizipation an Entscheidungsprozessen, hatte Anton als zentralen Kritikpunkt am Führungsstil seines Doktorvaters angeführt. Ein weiterer Vorteil seines zukünftigen Vorgesetzten sei, dass er gute Verbindungen zu renommierten Unternehmen habe. Daraus ergebe sich laut Anton der Vorteil, dass man, „wenn man nach dem Postdoc nicht weiter machen will [...], man immer noch relativ einfach in die Industrie wechseln“ (A.: 206f.) könne. Letztendlich seien die Hauptkriterien für Antons Entscheidung, die Postdoc-Position anzunehmen, gewesen, dass er das Forschungsthema spannend gefunden habe und ihm die Mitglieder der Gruppe sympathisch gewesen seien. Doch, so merkt er noch an, „wenn [Name Partnerin] nicht meine Freundin wär’, hätte ich mich nicht in [zukünftiger Arbeitsort] beworben wahrscheinlich“ (A.: 2296f.). Obwohl für Anton die Forschungsthemen sowie die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe von Wichtigkeit sind, hebt er immer auch die Bedeutung von privaten Gründen für seine Wahl des Arbeitsortes hervor, denn auch die Wahl seines Promotionsortes sei durch den Umstand, dass seine damalige Freundin dort gelebt habe, mit beeinflusst. 5.4.7 Ausblick Anton vermittelt den Eindruck, dass er bei seinen bisherigen Karriereentscheidungen stets darauf geachtet habe, sein Berufs- und Privatleben miteinander

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zu vereinbaren. Ob ihm dies auch in Zukunft gelingen wird, wenn es vielleicht darum geht, eine Professur zu bekommen, wird sich erst noch zeigen. Bezüglich seiner längerfristigen Karrierepläne sei es Anton insbesondere wichtig einer Tätigkeit nachgehen zu können, die ihm Spaß mache. Dies könne sowohl bei einer Tätigkeit in der Wissenschaft als auch in der Wirtschaft der Fall sein. Zunächst werde er aber abwarten und „wenn ich jetzt sehe, dass die wissenschaftliche Karriere [...] sehr gut weiterläuft, also, dass ich [viel] publizieren kann […], wenn das funktioniert und ich halt Chancen hätte auf ‘ne Professur, würde ich das wahrscheinlich versuchen“ (A.: 1988f.). Anton äußert an dieser Stelle klar die Präferenz, die wissenschaftliche Karriere bis zu ihrem Gipfel zu beschreiten und eine Professur anzustreben. Dennoch merkt er auch an, dass er alternative Karrierepfade nicht kategorisch für sich ausschließe und die Entscheidung für oder gegen die wissenschaftliche Karrierelaufbahn im Moment noch nicht endgültig treffen wolle. Denn nach Anton gelte, „solange man unter 30 ist [...], kann man machen, was man will, und dann irgendwann so 35 scheint so die magische Grenze derzeit zu sein für die Wirtschaft“ (A.: 1880f.). Eine finale Entscheidung für einen Karriereweg könne man, Anton zufolge, bis zum 35. Lebensjahr hinauszögern. Bis dahin „muss es dann geklappt haben in der Wissenschaft oder man muss in dem Unternehmen untergekommen sein. Wenn man erst mal 40 ist und immer noch Postdoc irgendwo in der Wissenschaft, dann hat man was falsch gemacht“ (A.: 1884f.). In zwei Jahren, wenn er 30 Jahre alt sei, wolle Anton dann sehen, was [er] geschafft [habe] in den zwei Jahren. „Und wenn da halt nicht viel passiert ist, dann wechsele ich in die Industrie und wenn viel passiert ist, dann werde ich weiter machen“ (A.: 1995f.). Anton sieht die nächsten zwei Jahre als entscheidend an, um einschätzen zu können, ob der wissenschaftliche Karriereweg für ihn mit Erfolg gekrönt sein könnte. Doch auch wenn er nach den zwei Jahren zu dem Schluss kommen sollte, dass sein Plan A nicht realisierbar sei, folgert er: „Auch in der Industrie bin ich mir ziemlich sicher [...], dass ich da zufrieden wäre, wenn ich eine gute Firma finde“ (A.: 1999f.). Denn eine Tätigkeit im Management oder in der Beratung könne ihm seiner Einschätzung nach durchaus gefallen, wie er bereits aus seiner Arbeitserfahrung in einer studentischen Unternehmensberatung wisse. Hindernisse bei einem Wechsel in die Wirtschaft scheint Anton nicht zu sehen. Diese selbstsichere Haltung ist aber gewiss auch auf seine Feststellung zurückzuführen, dass man, wenn man von einer Eliteuniversität wie seiner zukünftigen Arbeitsstätte komme, es „quasi religiös [sei] wie damit umgegangen wird. Also in [deutschsprachigem Ausland X] habe ich halt mitbekommen, […] die Unternehmen [...], […] nehmen […] einen sofort […].

5.5 Steffanie: „[Ich habe] Glück, dass ich die Stelle bei Professor Support […] hab“

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[D]ie Qualifikation [sei] gar nicht so wichtig […], sondern es zählt einfach nur der Name“ (A.: 1965f.). Mit dem Antritt der Postdoc-Stelle an der Eliteuniversität scheint sich Anton nicht nur sehr gute Chancen in der Wissenschaft, sondern ebenso exzellente Chancen auf dem außeruniversitären Arbeitsmarkt zu eröffnen. Erst in zwei Jahren gelte es für ihn, sich für eine der Optionen zu entscheiden. Knapp drei Jahre nach dem Interview arbeitet Anton Internetrecherchen zufolge immer noch auf der Postdoc-Stelle an der Eliteuniversität im deutschsprachigen Ausland. Seine selbstgesetzte Frist von zwei Jahren, bis zu der er entschieden haben wollte, ob er den wissenschaftlichen Karriereweg weiterverfolgt oder in die Industrie wechselt, ist bereits verstrichen. Daher ist zu vermuten, dass Anton gewillt ist, eine Professur anzustreben und seinen Plan A zu verfolgen. 5.5 Steffanie: „[Ich habe] Glück, dass ich die Stelle bei Professor Support […] hab“65 Steffanie ist Habilitandin der Geschichtswissenschaft an einer Universität in einer Großstadt in Deutschland. Das circa einstündige Interview mit ihr wurde während des laufenden Sommersemesters 2014 in ihrem Einzelbüro am Institut des Fachbereichs geführt. Zum Interviewzeitpunkt ist Steffanie gerade beim Verfassen ihrer Habilitationsschrift und plant den wissenschaftlichen Karriereweg weiterzuverfolgen. Sie hat einen Ehemann, der auf einer befristeten Stelle im Wissenschaftsmanagement tätig ist, und zwei Kinder. 5.5.1 Vom „Hineinschlittern“ in den wissenschaftlichen Karriereweg Auf die Aufforderung hin, von ihrem bisherigen Karriereweg zu erzählen, weist Steffanie, bevor sie ihren Qualifizierungsverlauf kapituliert, darauf hin: „Das ist gar nicht so viel, muss ich zu meiner Schande gestehen“ (S.: 21). Nach einem sechsjährigen Studium der Geschichtswissenschaft habe sie ihren Magisterabschluss gemacht und im Folgejahr an der gleichen Universität angefangen zu promovieren. Die ersten zwei Jahre der Promotion sei sie über ein Graduiertenstipendium der Universität finanziert gewesen. Mit Ablauf des Stipendiums habe sie direkt im Anschluss eine halbe Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl ihres jetzigen Vorgesetzten in einer benachbarten Stadt angetreten. Vier Jahre nach Promotionsbeginn schließt Steffanie ihre Promotion ab und ist 65

(S.: 377f.)

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ihren Aussagen zufolge seither dabei, sich an der Universität, an der sie zum Interviewzeitpunkt bisher acht Jahre gearbeitet hat, zu habilitieren. Ein Grund, warum ihre Habilitation aber bisher „noch nicht so weit fortschritten [ist], [...] wie man sich das vielleicht wünschen würde“ (S.: 37f.) sei, dass sie während der letzten sechs Jahre, auch zweimal für jeweils ein Jahr in Elternzeit gewesen sei. Ihren Eingangskommentar bezüglich ihres bisherigen Karrierewegs spezifiziert Steffanie nun nochmals und resümiert, es seien bisher eben nicht „so viele Stationen gewesen“ (S.: 33), weshalb sie auch nicht so viel erzählen könne. Damit präsentiert Steffanie, einen bisher sehr kontinuierlich und bruchlos verlaufenden Werdegang. Nun soll nochmal ein detaillierter Blick auf die einzelnen Karriereschritte Steffanies geworfen werden. Dass sie promovieren wolle, sei ihr „relativ schnell“ (S.: 53) klar gewesen, und dadurch, dass sie schon nach Ende des Grundstudiums angefangen habe, als studentische Hilfskraft zu arbeiten, sei dies auch zu einer konkreten Möglichkeit avanciert. Denn durch ihre Tätigkeit, sei sie „von vornherein schon sehr eng […] angebunden [gewesen], auch an die Uni und an das Institut und an die Bibliothek und an die Dozenten“ (S.: 57f.), was die Promotion zu einer relativ gut vorstellbaren Option für sie habe werden lassen. Ihr Doktorvater, bei dem sie während des Studiums als studentische Hilfskraft gearbeitet habe, habe ihr, schon bevor sie ihre Magisterarbeit geschrieben habe, angeboten, bei ihm zu promovieren. Schon bevor sie ihr Potenzial, wissenschaftlich zu arbeiten, beispielsweise in Form des Verfassens einer exzellenten Abschlussarbeit unter Beweis gestellt hat, signalisiert ihr zukünftiger Doktorvater ihr, dass er ihr zutraut zu promovieren. Und es ist anzunehmen, dass ihr Doktorvater ihr nicht vollkommen grundlos diesen Vertrauensvorschuss gewährt hat, denn eine Vertrauensgabe „beruht wesentlich darauf, dem, dem vertraut wird, die Kompetenz zuzumuten, mit dem Vertrauen verantwortungsvoll umzugehen. [...] Vertrauen ist nicht grundlos“ (Hartmann 2011: 16 f.), aber dass der Empfänger bzw. die Empfängerin das Vertrauen verdient hat, gilt es erst in einer gemeinsamen sozialen Praxis zu ergründen. Auf den Vertrauensvorschuss hin, der ihr gewährt wurde, habe sie „natürlich ja gesagt, zumal es damals auch vergleichsweise aussichtsreich aussah, dass man ein Stipendium bekommen würde für die Promotion bzw. dass ich alternativ auch so eine halbe WHK-Stelle oder so was hätte machen können wahrscheinlich“ (S.: 60f.), und somit habe kein Problem der Finanzierung bestanden. Ihre Promotionsentscheidung sei auch von ihren Eltern, die sehr stolz auf sie gewesen seien,

5.5 Steffanie: „[Ich habe] Glück, dass ich die Stelle bei Professor Support […] hab“

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unterstützt worden. Ebenso habe sie ihr Mann, den Steffanie während des Studiums kennengelernt hat, stets unterstützt, obwohl er für sich selbst bewusst entschieden habe, nicht zu promovieren, da er sich nicht diese „Quälerei“ (S.: 964) habe antun wollen, sich ständig selbst motivieren zu müssen. Daher finde er es auch „beeindruckend“ (S.: 965), dass Steffanie sich mit dem Entschluss für eine Habilitation dieser Situation noch ein weiteres Mal aussetze. Von ihrem privaten Umfeld erhält Steffanie demnach große Anerkennung für ihren Entschluss, den wissenschaftlichen Karriereweg zu verfolgen. Wie dieser Werdegang bisher genau verlaufen ist, sei im Folgenden näher betrachtet. In den ersten zwei Jahren als Promotionsstipendiatin habe Steffanie im Rahmen eines Seminars der Universität für Doktorand*innen die Möglichkeit bekommen, regelmäßig etwas aus ihrer Promotion vorzustellen und sich mit anderen Peers auszutauschen. Diese Form der Einbindung habe sie „eigentlich als ausreichend empfunden“ (S.: 230), nichtsdestotrotz habe sie sich entschlossen, zudem freiwillig Lehrveranstaltungen anzubieten, um noch stärker in den Universitätsalltag eingebunden zu sein. Nach Ablauf des Stipendiums habe sie dann unmittelbar die wissenschaftliche Mitarbeiter*innenstelle bei ihrem jetzigen Vorgesetzten, Professor Support, angetreten. Mit dem Erfolg bei der Stellenbewerbung habe Steffanie aber nicht gerechnet gehabt, da ihre Bewerbung eher ein Zufallsprodukt gewesen sei. Ob sie noch andere Möglichkeiten der Weiterfinanzierung ihrer Promotion gehabt hätte oder ob ihr Doktorvater sie zu der Bewerbung auf die Stelle ermutigt hat, erfahren wir an dieser Stelle nicht. Die Zufallsfügung entpuppt sich schließlich als Traumstelle, denn „der [Vorname, Name aktueller Vorgesetzter] und ich, wir verstehen uns sehr gut und das hat von vorne herein eben gut gepasst“ (S.: 66f.). Zudem sei es ein „unglaublicher Glücksfall“ (S.: 985), dass sie eine Stelle bekommen habe, die so nah an ihrem bisherigen Promotionsort liege. Denn das sei „eigentlich nicht üblich, sondern die meisten Leute müssen ja viel, viel weiter fahren und können dann auch gar nicht mehr fahren, sondern müssen umziehen“ (S.: 987). Dies würde oft zu „Pendelpartnerschaften [führen] und das kann auf Dauer schon […] belastend sein“ (S.: 990). Ein dreifacher „Glücksfall“ gewissermaßen, das Glück eine unmittelbare Anschlussfinanzierung erhalten zu haben, das Glück, mit Professor Support einen so unterstützenden Vorgesetzten gefunden zu haben, wie auch das Glück, so nah eine Anschlussstelle gefunden zu haben. Statt die wissenschaftliche Laufbahn als eine bewusste Karriereaspiration darzustellen, schildert sie ihren Karriereverlauf eher als Zufallsfügung. Dies mag auch auf den Umstand zurückzuführen sein, dass Richter (2016) zufolge „[v]on Glück zu sprechen […], [im wissenschaftlichen Feld] legitimer und anerkannter [ist], als über Kalkül zu berichten. Denn

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Strategie, eine Reflexion der eigenen bisherigen, gegenwärtigen und zukünftigen Laufbahn – nicht eines Forschungsgegenstands – und damit die aktive Steuerung der eigenen Berufsbiographie sind nach dem konservativen akademischen Ethos nachrangig, nicht sagbar und in Abwehr unternehmerischer (Selbst-)Steuerung auch nicht anerkannt“ (Richter 2016: 63). So sei Steffanie, ihren Ausführungen zufolge, durch glückliche Umstände, „da“ so „[reinge]schlittert“ (S.: 67), statt eine „bewusste Entscheidung“ (S.: 76) für eine wissenschaftliche Laufbahn zu treffen. Denn während ihres Studiums, sei es noch Steffanies Wunsch gewesen, später einmal im Museum zu arbeiten, weshalb sie auch entsprechende Praktika absolviert habe. Doch seitdem sie ihre Stelle am aktuellen Arbeitsort angetreten habe, „geht es alles so in diese Richtung und das mache ich jetzt auch“ (S.: 79). Mit dem Antritt der Stelle bei Professor Support gerät Steffanie auf den wissenschaftlichen Karrierepfad, dem sie seither stetig weiter folgt. Und Steffanie äußert auch den Wunsch, diesem auch in Zukunft weiter folgen zu wollen. 5.5.2 Vom Glück der Unterstützung auf dem Qualifizierungsweg Die prägendsten Personen auf ihrem bisherigen Karriereweg seien Steffanie zufolge ihr Doktorvater, Professor Meister, und ihr aktueller Vorgesetzter, Professor Support, gewesen, die sie beide duzt. Trotz ihres Stellenwechsels an die nahgelegene Universität während ihrer Promotion habe sie ihr Doktorvater weiterhin betreut. Aber insbesondere ihr neuer Vorgesetzter sei „eine sehr einflussreiche Person für meine Arbeit gewesen, weil er […] sich sehr viel Mühe […] gemacht hat mit mir und auch immer noch macht und mir sehr viel wertvolle Hilfestellungen auch in meiner wissenschaftlichen Arbeit gibt“ (S.: 45f.). Mit Antritt der neuen Stelle trifft Steffanie auf Professor Support, der zur Schlüsselperson ihrer bisherigen wissenschaftlichen Erwerbsbiografie avanciert. Doch bevor Steffanies Beziehung zu Professor Support näher charakterisiert wird, soll zunächst ihr Verhältnis zu ihrem Doktorvater detaillierter betrachtet werden. Die Betreuung durch ebenjenen sei Steffanie zufolge immer „ein bisschen erratisch“ (S.: 284) gewesen, wie man „fairerweise“ (S.: 285) sagen müsse. So hätte es „ganz, ganz lange Phasen, wo es ihn eigentlich gar nicht so interessiert hat, was man gemacht hat, [gegeben] und dann kam er dann aber irgendwie plötzlich auf einen zu und sagte, [...] du hast mir doch [...] eigentlich gesagt, dass du schon ein

5.5 Steffanie: „[Ich habe] Glück, dass ich die Stelle bei Professor Support […] hab“

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Kapitel fertig hast, das möchte ich nächste Woche sehen“ (S.: 285f.). Derartige unvorhersehbaren Aufforderungen hätten Steffanie zunächst „immer so in Panik versetzt“ (S.: 292). Da der Doktorvater die Anordnung aber häufig in der nächsten Woche schon wieder vergessen habe, seien sie im Endeffekt gar nicht „so schlimm“ (S.: 293) gewesen. Wie ein unterstützendes Feedbackangebot wirken diese Aufforderungen des Doktorvaters nicht. Vielmehr erwecken sie den Eindruck von angedrohten Kontrollterminen, die jedoch nicht realisiert werden, aber dennoch ein Spannungsgefühl in Steffanie aufbauen. Und von einem Vertrauensverhältnis kann demnach nicht die Rede sein, denn Vertrauen „arbeitet nicht mit Angst oder Furcht“ (Hartmann 2011: 12f.). Nichtsdestotrotz sei, laut Steffanie, die Beziehung zu ihrem Doktorvater alles in allem ein „sehr entspanntes Verhältnis“ (S.: 373) gewesen und Steffanie würde sie sogar als ein „väterliches Verhältnis“ (S.: 364) beschreiben. So habe sich ihr Doktorvater „sehr väterlich nicht nur um mich, sondern wir waren immer eine Gruppe von Doktoranden, um uns alle [...] so ein bisschen väterlich bemüht“ (S.: 366f.). Beispielhaft dafür sei die Situation, als Steffanie bei ihrem Doktorvater zu Hause zusammen mit dessen Frau am Küchentisch gesessen und bei einem „Weinchen“ (S.: 369) gemeinsam mit ihnen das Thema für ihre Doktorarbeit festgelegt habe. Insbesondere die Ehefrau des Doktorvaters, die auch im gleichen fachlichen Spezialisierungsbereich tätig sei, habe sich bei der Themenwahl stark eingebracht. Weiterhin hebt Steffanie positiv hervor, dass ihr Doktorvater sich „auch [darum] gekümmert hat, dass meine Bewerbung [auf ein Promotionsstipendium der Universität] erfolgreich war“ (S.: 297). Steffanie nimmt an, dass sich ihr Doktorvater als Vorsitzender der stipendienvergebenden Kommission als ihr Fürsprecher eingesetzt und sie dadurch das Stipendium bekommen habe. Demnach führt sie den Stipendienerhalt nicht primär auf ihre eigene Leistung, sondern auf die Protektion und Fürsprache durch ihren Doktorvater zurück. Professor Meister hat sich Steffanies Darstellung zufolge darum bemüht, dass sie zu Beginn ihrer Promotion zunächst finanziell abgesichert ist. Nichtsdestotrotz hätte sie sich von ihrem Doktorvater, in Bezug auf die Betreuung ihrer Doktorarbeit, „schon noch ein bisschen mehr an Rückmeldung [...] gewünscht“ (S.: 419f.). Denn sein Feedback zu den von ihr verfassten wissenschaftlichen Texten habe sich meist auf einige wenige Kommentare und die Korrektur von Orthographie-Fehlern beschränkt. Die weniger intensive Betreuung seitens ihres Doktorvaters führt Steffanie auf dessen Erwartungshaltung gegenüber seinen Doktorand*innen zurück. So würde dieser ihrer Ansicht nach erwarten, dass

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„wenn er jemanden dazu auswählt zu promovieren, dass die Person dann [...] selbständig genug sein muss, den eigenen wissenschaftlichen Weg auch irgendwie zu beschreiten, und dass er diese Selbständigkeit gerne auch sehen möchte. Also dass man [...] [ihn] nicht permanent [...] mit irgendwas belästigt“ (S.: 421f.). Ihr Doktorvater scheint Steffanie den Eindruck vermittelt zu haben, dass ihn zu viele Nachfragen bezüglich ihrer Promotion, „belästigen“ würden und seinen Vorstellungen eines Großteils autonom gesteuerten Promotionsprozesses zuwider liefen. Denn mit der „Auserwählung“ Steffanies zu seiner Doktorandin habe er ihr Steffanies Vermutungen zufolge wohl zugetraut, dass sie ihre Promotion in großen Teilen selbstständig anfertigt. Diesen Vertrauensvorschuss möchte er nun auch in ihrem Handeln als gerechtfertigt bestätigt bekommen. Denn in einem Vertrauensverhältnis gilt es, das richtige Verhältnis aus Nähe und Distanz zu wahren, da „Vertrauen beides ist: eine Kultur der Nähe unter Achtung der Distanz“ (Endreß 2012: 99). Explizit gemacht hat der Doktorvater diese Erwartung jedoch scheinbar nicht. Weder berichtet Steffanie vom Abschluss einer standardisierten Betreuungsvereinbarung, die gegenseitige Erwartungen und Pflichten offenlegt, noch auf andere Weise. Notwendig sei dies laut Steffanie aufgrund der sehr ähnlichen Vorstellungen, die sie und ihr Doktorvater bezüglich „was er sozusagen als mein Doktorvater zu leisten hat und was ich als Doktorandin […] zu machen habe“ (S.: 444f.), nicht gewesen. Wie wir jedoch erfahren haben, scheinen die gegenseitigen Erwartungen, zumindest die, die Steffanie an ihren Vorgesetzten gestellt hat, nicht vollkommen identisch mit dessen Vorstellungen gewesen zu sein. Denn sonst würde Steffanie nicht den Wunsch äußern, dass sie gerne ein häufigeres und ausführlicheres Feedback zu ihrer Doktorarbeit von ihrem Doktorvater bekommen hätte. Anstatt sich zu wünschen, dass gegenseitige Pflichten und Erwartungen formal, beispielsweise in Form von Betreuungsvereinbarungen festgehalten werden, appelliert Steffanie daran, dass man gewisse Erwartungen informell belassen solle, denn es gehöre „ja auch dazu, dass man Vertrauen zu dem eigenen Chef hat, dass der einen nicht gegen die Wand laufen lässt“ (S.: 448). Sie präsentiert sich mit dem Glauben daran, dass ohne das Vertrauen, dass der Vorgesetzte ein Interesse daran hat, dass sein wissenschaftlicher Nachwuchs erfolgreich bei seiner wissenschaftlichen Weiterqualifizierung ist, ein Betreuungsverhältnis gar nicht funktionieren würde. Eine stärkere Formalisierung der Betreuung erachtet Steffanie daher als nicht sinnvoll. Insgesamt, so resümiert sie, habe sie „sehr viel Glück“ (S.: 377) mit ihrem Doktorvater gehabt.

5.5 Steffanie: „[Ich habe] Glück, dass ich die Stelle bei Professor Support […] hab“

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„[N]och viel mehr Glück“ (S.: 378) hätte jedoch dazu geführt, dass sie die Stelle bei Professor Support, ihrem aktuellen Vorgesetzten und Habilitationsbetreuer, bekommen habe. Und diese Erzählung von einem „Glück, gefördert zu werden“, entdeckt auch Richter (2016) in ihren Interviews mit wissenschaftlichen Nachwuchskräften und schlussfolgert: „,Glück‘ wird hier also in einer ‚kleineren‘, konkreteren, auf persönliche Förderung von Mentorinnen oder Mentoren bezogene Spielart des allgemeineren Konzepts „zur richtigen Zeit am richtigen Ort Sein“ verwendet“ (Richter 2016: 62). Weiterhin schließt Richter, dass „[d]er Verweis auf Glück […] offenbar als Ersatz für Verweise auf strategisches Vorgehen [fungiert], aber auch für eine verlässliche Förderung und Planung der Karriere innerhalb der Strukturen der Organisation. Es ist zu vermuten, dass Aspirantinnen und Aspiranten dieses Wissenschaftsethos deshalb vorrangig bedienen, weil es angesichts der erheblichen Bedeutung etablierter habitueller Spielregeln der Professorenschaft für ihre Chance auf Anerkennung und somit auf eine Berufung zentral relevant ist“ (Richter 2016: 63). Das Verhältnis zu Professor Support beschreibt Steffanie als vertrauensvoll. Er sei, in Bezug auf ihre wissenschaftliche Arbeit, sehr ehrlich zu ihr und sie würde auch über die Arbeitsbeziehung hinaus „ein freundschaftliches Verhältnis“ (S.: 385) verbinden. Alles in allem sei es ein „sehr, sehr, sehr gutes Verhältnis“ (S.: 379). Mit dem Gewinn von Professor Support als Zweitgutachter für ihre Dissertation habe sie noch einen „Adoptiv-Doktorvater“ (S.: 319) hinzu gewonnen. Daher würde sie ihren Arbeitsortwechsel retrospektiv als rundum positiv bewerten, vor allem, da sich ihr neuer Vorgesetzter „noch mehr Mühe“ (S.: 46) bei der Betreuung ihrer Dissertation gemacht und „die Hauptlast [...] an Arbeit“ (S.: 356) getragen habe. So habe sie bei ihm „in regelmäßigen Abständen Sachen eingereicht [...], die er dann […] umfassender kommentiert hat [...] und mit mir diskutiert hat und das war viel hilfreicher“ (S.: 306). Professor Support habe zwar nicht alle Teile ihrer Dissertation vor Abgabe gelesen, „aber schon wesentliche Teile und hat mir [...] sehr viel Rückmeldung [...] dazu gegeben“ (S.: 308f.). Sie habe von ihm deutlich mehr Feedback bekommen, als sie es von ihrem Doktorvater gewohnt gewesen sei. Zwar habe sie zunächst lernen müssen, mit der Kritik ihres Zweitbetreuers umzugehen, jedoch könne man, nach Ansicht von Steffanie, auch „nicht wachsen“ (S.: 312), wenn man keine Rückmeldungen zur eignen wissenschaftlichen Arbeit bekomme. Und der Wechsel des Arbeitsortes hätte es ihr erst möglich gemacht „eine andere Art von Feedback“ (S.: 313f.) kennenzulernen, was sich positiv auf ihre Dissertation ausgewirkt habe.

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Insgesamt sei die Co-Betreuung durch Professor Meister und Professor Support „vollkommen konfliktfrei“ (S.: 348) verlaufen und ihr Doktorvater sei, nach Einschätzung von Steffanie, sogar „ganz froh [gewesen], dass da noch jemand anders war, der mehr liest, weil ich relativ viel geschrieben habe und er sich da auch immer darüber beschwert hat“ (S.: 354f.). Statt nur einen Doktorvater zu haben, ist Steffanie in der für sie vorteilhaften Situation, durch zwei Professoren betreut zu werden und kann damit auch zwei verschiedene Betreuungs- und Führungsstile kennenlernen. Beide Betreuer sind, ihrer Erzählung zufolge, ihr gegenüber wohlgesonnen, stellen jedoch unterschiedliche Erwartungen an sie und offerieren unterschiedliche Formen der Unterstützung. Demnach seien auch beide Betreuer Vorbilder für Steffanie, aber „beide auf unterschiedliche Weise“ (S.: 417). Anders als bei ihrem Doktorvater könne sie sich über Professor Support „gar nicht beschweren“ (S.: 428). Neben den Unterstützungsleistungen, die Professor Support für sie erbringe, sei auch die Arbeitsatmosphäre an ihrem aktuellen Arbeitsort eine, bei der sie „nicht über Gebühr belastet“ (S.: 394) werde. Weder werde durch ihren Vorgesetzten viel Arbeit auf sie „abgewälzt“ (S.: 396) noch müsse sie „sehr viel […] wissenschaftliche […] Leistung[en]“ (S.: 396) erbringen, „die dann unter dem Namen ihres Chefs veröffentlicht“ (S.: 397) würden. Ein Arbeitsverhältnis, das nicht den Anschein erweckt, ein Ausbeutungsverhältnis zu sein, sondern vielmehr durch Fairness und gegenseitige Unterstützung geprägt ist. Schließlich habe Steffanie auch immer „sehr viel gutes Feedback“ (S.: 429) nicht nur von Professor Support, sondern auch von anderen Kolleg*innen am Institut bekommen. Denn auch die anderen Professor*innen an ihrem aktuellen Arbeitsort, seien „immer bereit, Texte zu lesen und zu helfen“ (S.: 430). Die stete Existenz eines „sehr unterstützende[n] Umfeld[s]“ (S.: 129) habe Steffanie zufolge auch maßgeblich dazu beigetragen, dass sie auf ihrem Karriereweg bisher auf keine Hindernisse gestoßen sei. In Bezug auf ihr Umfeld hebt sie insbesondere hervor, dass auch „die Tatsache, dass ich eine Frau bin, was ja häufig ein Problem ist in der Wissenschaft, eigentlich nie eine Rolle gespielt hat“ (S.: 130f.). Steffanie präsentiert sich mit einem Bewusstsein gegenüber den geschlechtsspezifischen Zuschreibungen, die im wissenschaftlichen Feld den Frauen meist zum Nachteil gereichen. Vor allem ihren jetzigen Arbeitsort hebt sie dabei positiv hervor. Die Atmosphäre sei sehr „entspannend“ (S.: 134) und es gäbe auch ausreichend weibliche Rollenvorbilder, die einem bewusst machen würden, dass es möglich sei, auch als Frau mit Kindern, Karriere in der Wissenschaft zu machen und eine Professur zu erreichen. Ein Umstand, den Steffanie als „extrem motivierend“ (S.: 138) umschreibt.

5.5 Steffanie: „[Ich habe] Glück, dass ich die Stelle bei Professor Support […] hab“

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5.5.3 Vom Wandel der Arbeitsmoral Neben den zahlreichen Rollenvorbildern an ihrem aktuellen Arbeitsort hebt Steffanie die Existenz von mehreren Frauenförderprogrammen, von denen sie „persönlich auch profitiert habe“ (S.: 140), positiv hervor. So habe sie im Rahmen eines Förderprogramms eine zweijährige Unterstützung zur Kinderbetreuung bekommen. Weiterhin habe sie eine studentische Hilfskraft finanziert bekommen, die Zuarbeiten für sie erledigen habe können und „diese schrecklich zeitfressenden Arbeiten“ (S.: 149) gemacht habe. Insbesondere habe dazu die Literaturbeschaffung gezählt und einfach „alles, was wenn man eben zwei kleine Kinder hat einfach [...] ein bisschen auf der Strecke“ (S.: 150f.) bliebe. Was jedoch keinesfalls auf der Strecke bleiben dürfe, sei Steffanie zufolge, „das Wichtigste, nämlich das Nachdenken und Arbeiten“ (S.: 153). Die geistige Arbeit als Kern der wissenschaftlichen Tätigkeit dürfe, auch wenn man anderen Verpflichtungen wie der Kindererziehung nachzugehen hat, nicht vernachlässigt werden. Denn die Fähigkeit, neue Erkenntnisse mittels geistiger Versenkung zu generieren, stellt ein zentrales Charakteristikum einer wissenschaftlichen Persönlichkeit dar. Nur denjenigen Personen, die wissenschaftlichen „drive“ besitzen, wird die Fähigkeit zugeschrieben, neue Erkenntnisse hervorbringen zu können (Beaufaÿs 2003: 191). Die Leistungsbereitschaft und Belastbarkeit, die sich in einer „möglichst hohen Zeitinvestition“ (Beaufaÿs 2003: 191) der Akteure ausdrückt, werden im wissenschaftlichen Feld als relevante Eigenschaften, die zur Beurteilung des Potenzials eines Nachwuchswissenschaftlers bzw. einer Nachwuchswissenschaftlerin herangezogen werden, verhandelt. Der Umstand, dass Steffanie die Tatsache, dass sie Beruf und Familie miteinander vereinbaren muss, nicht als Anlass nimmt, um ihre besondere Belastbarkeit herauszustellen, sondern sich demütig präsentiert und resümiert, dass sie „in einer sehr komfortablen Position gewesen [sei] in den letzten Jahren“ (S.: 154), verweist auf ihr Verständnis der impliziten Spielregeln im wissenschaftlichen Feld, und diese besagen, dass zur Beschreibung einer wissenschaftlichen Persönlichkeit die Ausgestaltung des Privatlebens keine Rolle spielen darf. Nur in dem Ausnahmefall, wenn die Beschreibung des Privatlebens dazu genutzt wird, um darzustellen, dass man das Wissenschaftlersein als Lebensform begreift, die auch das Privatleben nicht ausspart (vgl. Weber [1919] 2002). Doch Steffanie negiert nicht, dass ihr Privatleben ihre wissenschaftliche Tätigkeit (negativ) beeinflussen würde, und erkennt an, dass sie ohne die Unterstützung, die sie durch die Förderprogramme erfahren habe, in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt gewesen wäre und gewisse Arbeiten liegen geblieben wären. Denn die mit der Familiengründung einhergehenden Verpflichtungen hätten zwangsweise auch zur Veränderung ihres Zeitbudgets für die wissenschaftliche Arbeit und auch

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ihrer Arbeitsmoral geführt. Demnach sei seither ihr „Zeitkontingent beschränkter“ (S.: 156) und anders als in der Zeit, in der sie und ihr Mann noch keine Kinder gehabt hätten, wolle sie jetzt nicht mehr wie früher auch am Wochenende arbeiten. Das gehe nicht mehr oder „es ginge natürlich schon noch, man könnte das schon noch organisieren, aber ich möchte es eigentlich nicht mehr. Also ich möchte […] am Wochenende dann auch die Zeit für die Kinder haben, weil ich unter der Woche […] auch nicht immer einfach da bin“ (S.: 160f.). Ihrer Erzählung zufolge möchte Steffanie nicht nur ihrer Rolle als Wissenschaftlerin gerecht werden, sondern auch ihrer Rolle als Mutter. Daher sei sie nicht mehr gewillt, den Großteil ihres Freizeitkontingents in ihre wissenschaftliche Arbeit zu investieren, sondern wolle auch ausreichend Zeit mit ihren Kindern verbringen. Diese Prioritätenverschiebung wird von Professor*innen unabhängig davon, ob dies wirklich der Fall ist, auch häufig auf private Gründe seitens der Nachwuchswissenschaftler*innen zurückgeführt. So schildert auch Beaufaÿs in ihrer Studie einen Fall, bei dem ein Professor einer Doktorandin, der er das Potenzial zur wissenschaftlichen Persönlichkeit zu werden, abspricht, als diese einen Mann kennenlernt und aus seiner Sicht ihre Prioritäten verschiebt, da sie ,,nicht mehr so lange im Labor erscheint, sie nutzt ihre Möglichkeit zu publizieren nicht in dem Maße, in dem es offenbar üblich ist. Sie verringert also ihre Zeitinvestition und vernachlässigt ein wichtiges Karrieremoment, die Publikation. […] Diese anderen Prioritäten, so die Einschätzung, passen nicht mit einer Karriere in der Wissenschaft zusammen“ (Beaufaÿs 2003: 194). Aufgrund ihrer „Prioritätenverschiebung“ wäre Steffanie in ihrer heutigen Situation wohl auch nicht mehr gewillt, freiwillige und zudem unentgeltliche Mehrarbeit zu leisten. Zu Beginn ihrer Promotion, während sie Stipendiatin gewesen sei, habe sie aber auf freiwilliger Basis unentgeltlich Seminare angeboten. Zwar habe sie sich gewünscht, dass diese vergütet gewesen wären, nichtsdestotrotz sei dies keine notwendige Bedingung für Steffanie gewesen, um zu lehren. Dies führt sie darauf zurück, dass sie nicht zu der Art von Leuten gehöre, „die sich wirklich gerne auch tagein tagaus in ihr Büro einschließen und unter ihren Büchern [...] begraben, um dann [...] ihre eigenen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu machen […]. Also ich mache das sehr gerne und ich forsche auch gerne und ich schreibe auch gerne Aufsätze [...], aber ich brauche auch noch

5.5 Steffanie: „[Ich habe] Glück, dass ich die Stelle bei Professor Support […] hab“

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was anderes und einfach auch noch Kontakt zu Menschen“ (S.: 189f.). Aus Steffanies Erzählung wird deutlich, dass sie beide Kerntätigkeiten des Wissenschaftler*innenberufs schätzt: Forschung und Lehre. Die singuläre wissenschaftliche Arbeitsweise in der Geschichtswissenschaft, die auch oft in Archiven stattfindet, bedingt jedoch, dass man im wissenschaftlichen Alltag, anders als in den Naturwissenschaften, in denen man oft in Arbeitsgruppen zusammen forscht, nur wenig Kontakt zu anderen Wissenschaftler*innen hat. Zu lehren, würde für Steffanie daher auch bedeuten, eine Möglichkeit zu haben, in Kontakt mit anderen zu treten, ein Umstand, den sie ihren Angaben zufolge, sehr schätze. Zudem sei das Lehren auch eine willkommene „Ablenkung“ (S.: 189) zur Versenkung in Büchern und der einsamen Produktion wissenschaftlicher Erkenntnisse für sie. Lehrverpflichtungen würden auch bei ihrer jetzigen Stelle bestehen. Zwar sei die Lehre ein „ganz guter Ausgleich“ (S.: 205), gleichwohl „Seminare vorzubereiten [...] viel, viel mehr Arbeit [ist] als ich als Studentin irgendwie dachte und ich mache auch noch Betreuung [...] [des] Erasmus-Programms hier [...]“ (S.: 199f.). Daher sei es für Steffanie „schwierig, dann immer auch noch genug Zeit für die eigene wissenschaftliche Arbeit zu bekommen“ (S.: 203f.). Ausreichend Zeit für die wissenschaftliche Arbeit, für das „Nachdenken“ (S.: 234) zu haben, sei, wie wir bereits erfahren haben, laut Steffanie das Wichtigste, denn dies stelle für sie den Kern der Tätigkeit eines Wissenschaftlers bzw. einer Wissenschaftlerin dar. Auch ein Grund, weshalb Steffanie die promotionsbegleitenden Veranstaltungen, die im Rahmen von strukturierten Promotionsformaten besucht werden müssten, nicht durchwegs positiv bewerten würde. Denn die Zeit, die man in den Kursbesuch investieren müsse, hätte man nicht, um seine Dissertation zu schreiben. Steffanie sei während ihrer Promotionsphase aber in der „sehr komfortablen Position [gewesen], diese Zeit zu haben“ (S.: 236), hätte aber auch stets die Option gehabt, freiwillig Lehrveranstaltungen anzubieten und so stärker im Universitätsalltag eingebunden zu sein, was sie, wie wir wissen, auch genutzt hat. Aber Steffanie zufolge würde man, auch wenn die promotionsbegleitenden Rahmenbedingungen ideal wären, man ausreichend Zeit zur Verfügung hätte, gut eingebunden wäre und „einen sehr fürsorglichen Doktorvater“ (S.: 858) hätte, benötige man unbedingt eine Fähigkeit, damit man erfolgreich seine Promotion abschließen könne. Und bei dieser Fähigkeit würde es sich laut Steffanie, um das Vermögen, sich selbst zu motivieren, handeln. Denn die Doktorarbeit sei etwas, das man primär „aus sich selbst heraus stemmen“ (S.: 858f.) müsse. Nur

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wenn man Durchhaltevermögen und eine hohe Eigenmotivation mitbrächte, sei man in der Lage die „extrem viele[n] Durststrecken“ (S.: 862) im Promotionsprozess zu bewältigen und „geistige[.] Hindernisse“ (S.: 865) zu überwinden, wie beispielsweise wenn „tolle Ideen die man irgendwann hatte [...], sich dann häufig genug als doch nicht so tragfähig, wie man das dachte“ (S.: 862f.), erweisen würden. So würde Steffanie zwar vielen Universitätsabsolvent*innen zutrauen, dass sie „intellektuell“ (S.: 867) schon in der Lage wären, eine Promotion zu schreiben, ihnen aber genau ebenjene Fähigkeit zur Selbstmotivation und das nötige Durchhaltevermögen fehlen würden. Daher sei es auch gut, wenn diese nicht anfangen würden zu promovieren, da ihre Erfolgsaussichten, Steffanie zufolge, nur gering wären. Und Steffanie weiß wovon sie spricht, denn zu Beginn ihrer Promotion sei sie mit der Situation konfrontiert gewesen, dass sie in erster Linie aus Eigenantrieb an ihrer Promotion arbeiten habe müssen, denn ihr Doktorvater habe, wie wir wissen, von ihr erwartet, dass sie großteils selbstgesteuert ihre Promotion vorantreibt. Wäre sie nicht in der Lage gewesen, sich selbst zu motivieren, hätte Steffanie vielleicht schon nach den ersten beiden Jahren ihre Promotion abgebrochen und hätte so gar nicht die Gelegenheit gehabt, eine andere Form von Unterstützung, wie sie sie durch Professor Support erfahren hat, zu erleben. Doch Durchhaltevermögen und ausreichend Eigenantrieb seien keine hinreichenden Voraussetzungen. Weiterhin müsse man „Selbstvertrauen [haben], um daran zu glauben, dass man das kann“ (S.: 859f.), dass man die Kompetenzen besitzt, eine Doktorarbeit anzufertigen und darauf vertrauen könne, dass man den wissenschaftlichen Karriereweg mit Erfolg beschreiten kann. 5.5.4 Anspruchshaltung, Selbstpositionierung und Erfolgskriterien für eine Wissenschaftskarriere Die Anforderungen, die seitens ihres Arbeitgebers, der Universität, an sie gestellt werden, bewertet Steffanie durchwegs positiv und zeigt sich verständnisvoll gegenüber den institutionellen Qualitätssicherungsmaßnahmen. Demnach deutet Steffanie Lehrevaluationen nicht als Misstrauen seitens ihres Arbeitgebers in ihre Fähigkeiten als Dozentin. Vielmehr sieht sie diese als ein berechtigtes Qualitätssicherungsinstrument an, das aus ihrer Sicht sicherstellen solle, dass die Studierenden auch „anständige Lehre bekommen“ (S.: 1011). So erachtet sie Lehrevaluationen weniger als „Überprüfung, die mich als Person treffen soll“ (S.: 1013f.), denn als eine institutionenweite Strategie zur Sicherung der Lehrqualität. Zudem sehe sich Steffanie in der Rolle derjenigen, die erst einmal beweisen müsse, dass sie „das Vertrauen [, das ihr Arbeitgeber in sie setzt] irgendwie verdiene“ (S.: 1026f.). Und dieses Vertrauen müsse sich erst

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etablieren, was über Lehrevaluationen geschehen könne. Aus diesem Grund seien die Lehrevaluationen „kein Problem, sondern im Gegenteil, ich finde es eigentlich gut, dass wir evaluiert werden“ (S.: 1029). Die Maßnahmen deutet Steffanie mehr als Verantwortungsübernahme seitens der Hochschulleitung gegenüber den Studierenden denn als Misstrauensunterstellung gegenüber den Lehrenden. Ein weiterer Grund, warum sie sich nicht über die Lehrevaluationen beklagen müsse, sei, dass sie dabei „auch immer ganz gut“ (S.: 1033) abschneide. Damit beweise Steffanie ihrem Arbeitgeber, dass sie das Vertrauen, das er in sie setzt, nicht enttäusche. Und mehr noch, sie könne dadurch auch zeigen, dass sie im Vergleich mit anderen Kolleg*innen gut abschneide. Darüber hinaus, habe Steffanie auch ein Eigeninteresse an der Evaluierung ihrer Lehre, denn sie sei gewillt sich zu verbessern, und sehe Evaluationen als geeignetes Feedbackinstrument an. So lasse sie sich neben den institutionell angeordneten Evaluationen auch nach jedem Seminar freiwillig von ihren Studierenden evaluieren. Denn sie teile die Ansicht, „ich kann ja als Dozentin selber [...] nur besser werden, wenn ich weiß, was ich falsch mache, und was ich falsche mache, weiß ich nur, wenn mir das jemand sagt, und da sind ja die Studierenden einfach die ersten Ansprechpartner, weil die erleben mich ja […] im Seminar“ (S.: 1018f.). Sie erachte es zudem als „fair“ (S.: 1023), wenn die Studierenden, deren Arbeiten sie bewerten, auch ihre Eignung als Dozentin bewerten dürften. Steffanie präsentiert sich als Wissenschaftlerin, der es um Fairness geht. Demnach dürfen auch Statusniedrigere sie bewerten und sie ist der Meinung, auch von ihren Rückmeldungen lernen zu können. Lehrevaluationen sieht Steffanie als durchwegs positiv an. Dagegen sei „das mit den Vertragsdauern, [...] tatsächlich ein Problem. Also ich finde es schwierig, dass wir, [...] häufig nur so kurzfristige Verträge haben und noch viel schwieriger eigentlich, dass man manchmal bis zum Schluss nicht weiß, ob es weiter geht oder nicht“ (S.: 1043f.). Die Unsicherheit und Unplanbarkeit eines wissenschaftlichen Karrierewegs sieht Steffanie ihrer Erzählung zufolge als problematisch an. Insbesondere jene Stellen, über die die Professor*innen nicht direkt verfügen könnten, wie Lehrbeauftragten-Stellen, erachte sie, bezüglich der Planbarkeit als besonders problematisch. Denn es sei unklar, „ob die Gelder überhaupt noch da sind und selbst wenn hier alle sagen, ja, mach weiter, man eben nicht weiß, ob man es finanzieren kann. Und das ist schon belastend“ (S.: 1058f.). Die Tatsache, dass die Stellenverlängerung in diesen Fällen aus Steffanies

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Sicht in erster Linie davon abhinge, ob die Universität noch über Gelder verfügen würde, mit denen die Stelle weiterbezahlt werden könne, empfinde sie als belastend. Die Leistung, die man auf diesen Stellen erbringen würde, würde so überhaupt nicht gewürdigt werden. In erster Linie spreche Steffanie an dieser Stelle aber für ihre Kollegen und Kolleginnen. Denn glücklicherweise sei die Vertragssituation bei ihr „gar nicht so schlimm, weil ich sozusagen eine reguläre Stelle habe, die einfach immer da ist, also über die der [Vorname, Name des aktuellen Vorgesetzten] einfach immer verfügen kann“ (S.: 293f.). Den Umstand, dass es nur von ihrem Vorgesetzten abhänge, ob ihre Stelle verlängert wird, erachtet Steffanie als vorteilhaft. So sei das Gespräch über eine Vertragsverlängerung bisher immer nur ein „kurzer Aushandlungsprozess“ (S.: 1048) zwischen ihr und Professor Support gewesen, ein Prozess, dessen Ergebnis bisher stets eine Vertragsverlängerung und Steffanies weiteres Verweilen auf der Stelle gewesen sei. Zwar empfände Steffanie es als schön, wenn ihre Stelle eine Dauerstelle wäre, nichtsdestotrotz könne sie nachvollziehen, dass die Universität nicht unbedingt ein Interesse daran habe, möglichst viele Stellen zu verstetigen. Denn sie könne sich vorstellen, dass es dann „mit der Qualitätskontrolle vielleicht nicht immer so perfekt läuft. Weil vielfach Leute, die dann eben in Dauerstellen wechseln, zumindest in früheren Generationen, dann eben bestimmte Aspekte ihrer Tätigkeit vielleicht vernachlässigt haben und die bekommt man dann nicht mehr weg“ (S.: 1065f.). Um welche Aspekte der Tätigkeit es sich dabei handeln würde, führt Steffanie nicht weiter aus. Dass auch andere Methoden denkbar wären, seine Mitarbeitenden dazu zu motivieren, ihre Tätigkeit angemessen auszuführen, wie die Etablierung eines Anreizsystems oder aber einer Wertschätzungskultur, zieht Steffanie zumindest im Rahmen des Interviews, nicht in Erwägung. Die nicht dauerhafte Bindung der Personen an den Arbeitgeber scheint für sie die plausibelste Möglichkeit zu sein, wenngleich dies für sie „als Arbeitnehmerin [...] schlecht [sei] und [sie sich] wünschen [würde], dass es mehr Dauerstellen geben würde“ (S.: 1070f.). Dabei könne es sich auch gerne um Tenure-TrackStellen handeln, also Stellen, die erst bei einer positiven Evaluation der Stelleninhaberin bzw. des Stelleninhabers eine Entfristung vorsehen würden. So dass man „wenn man sich bewährt, wenn die Evaluationen gut sind, also wenn die Studierenden mit einem zufrieden sind, wenn die Kollegen mit einem zufrieden sind, wenn der Chef mit einem

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zufrieden ist, […] dass man einfach dann die Möglichkeit hätte, auch verstetigt zu werden. Das fände ich schön“ (S.: 1073f.). Damit wünscht sich Steffanie nicht eine Anerkennung, die jeder Grundlage entbehrt. Vielmehr sieht sie die Belohnung in Form einer Entfristung der Stelle durch die Universität nur dann als berechtigt an, wenn man sich auch bewiesen hätte und die erbrachten Leistungen auch durch Studierende, Kolleg*innen und Vorgesetzte bestätigt würden. Nämlich dann „wenn man […] über viele Jahre zeigt, dass man das, was man machen soll, gut macht, dass man dann auch bleiben darf“ (S.: 1096f.). Statt das Nicht-Gewähren von Entfristungen als Misstrauen zu deuten, formuliert Steffanie lediglich den vorsichtigen Wunsch der Anerkennung ihrer stetig erbrachten, guten Leistungen durch ihren Arbeitgeber in Form von Stellen mit Entfristungsoptionen. Steffanie präsentiert sich verständnisvoll, genügsam und es wird deutlich, dass sie sich klar in der Position derjenigen sieht, die das in sie gesetzte Vertrauen als berechtigt beweisen müsse und nicht in der Position sei, Forderungen zu stellen. Statt die Forschungsaktivitäten und die Mehrung ihres wissenschaftlichen Kapitals, die ihr auf dem Weg zur wissenschaftlichen Persönlichkeit primär bessere Erfolgschancen bereiten würden, klar zu priorisieren, stellt sich Steffanie als Person dar, die alle Tätigkeitsfelder ihrer Arbeit möglichst gut erfüllen möchte. Und ihr sei durchaus bewusst, dass die „Publikationsliste […] auf jeden Fall auch wichtig [ist], […] und je mehr, desto besser und je mehr in diesen tollen Peer Review“ (S.: 615f.) desto vorteilhafter sei es. Denn es komme nicht nur darauf an, dass man publiziere, sondern auch darauf, dass die Schriften von anderen Wissenschaftler*innen im Fachbereich anerkannt würden. Und die Annahme im Peer Review Begutachtungsprozess durch Fachkollegiaten ist eine derartige Form der Anerkennung. Die Publikation von Büchern sei in der Geschichtswissenschaft noch durchaus wichtig und so würde es laut Steffanie „im Fach auch gern gesehen“ (S.: 653), wenn man neben der Dissertation noch ein „zweites Buch auch vorlegen“ (S.: 653f.) könne, beispielsweise die Habilitation. Die „Einstiegsdroge“ (S.: 630) in der Geschichtswissenschaft, seien Rezensionen, und „dann sollte[.] [man] […] anfangen, Aufsätze zu schreiben. Und dann […] gibt es […] bestimmte Zeitschriften, in die sollte man dann irgendwann auch mal reinkommen, also die sind eben besonders angesehen oder das ist eben auch besonders schwierig, eben was zu publizieren“ (S.: 632f.).

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Neben dem wissenschaftlichen Kapital sei laut Steffanie auch das Sozialkapital, das man besitze, förderlich für den Karriereweg. Demnach solle man „im Idealfall einfach auch Leute an unterschiedlichen Orten kennen, die Herausgeber von unterschiedlichen Zeitschriften kennen“ (S.: 641f.). Und Bourdieu (1983) zufolge ermöglicht das soziale Kapital, das sich in der Eingebundenheit der Akteure in Beziehungsnetze ausdrückt, den Akteuren auf Ressourcen zuzugreifen, die sich nicht in ihrem eigenen Besitz befinden, jedoch im Besitz des Netzwerks sind (Bourdieu 1983: 190). Allgemeine Erfolgskriterien seien, laut Steffanie, zudem, „schnell […] alles jeweils erreichen, schnell studieren, schnell promovieren, schnell habilitieren, sehr gute Noten haben, dann Fremdsprachenkenntnisse sind auf jeden Fall ein Teil, Auslandserfahrung […] ist sicherlich auch ganz wichtig“ (S.: 612f.). Auch Preise und Auszeichnungen würden „wenn das im Lebenslauf steht, macht sich das bestimmt auch ganz gut, […]. Wobei man da schon so ein bisschen auch sagen muss, dass diese Preise, dass das auch so ein bisschen so ein sich selbst bestätigendes System ist. Also sobald man einmal einen Preis bekommen hat, ist dann sozusagen nochmal einen Preis zu bekommen, glaube ich, dann gar nicht mehr so schwierig“ (S.: 707f.). So konstatiert Steffanie, dass bezüglich der Verleihung von wissenschaftlichen Preisen, das Matthäus-Prinzip gelte. Denn „wenn die anderen an die Person geglaubt haben, dann können wir auch an sie glauben und dann können wir ihr dann oder ihm dann auch diesen Preis verleihen, so nach dem Motto“ (S.: 716). Und in diesem Fall wird Merton zufolge Wissenschaftler*innen mit hoher Reputation oder denjenigen, die an sehr bekannten Institutionen arbeiten, Anerkennung zuteil, die über ihre tatsächlichen Leistungen hinausgeht (Merton 1985b: 155). 5.5.5 Karriereaspiration und Karriereplanung Erst nach der Promotion müsse man sich, Steffanie zufolge, damit auseinandersetzen „ob man wirklich in die Wissenschaft möchte oder nicht“ (S.: 839). Für sie sei das Verfassen einer Dissertation nicht gleichzusetzen mit einer Entscheidung für den wissenschaftlichen Karriereweg. Demnach sei die Promotionszeit quasi eine Testphase, um herauszufinden „ob man mit dieser Art wissenschaftlichen Arbeitens wirklich umgehen kann, ob man sich das zutraut, jetzt noch ein Buch zu schreiben“ (S.: 840f.). Lehrveranstaltungen zu halten, erachte Steffanie in dieser Phase als sehr wichtig, damit man herausfinden könne, ob man diese Tätigkeit „wirklich gerne macht und ob man sich vorstellen kann, das

5.5 Steffanie: „[Ich habe] Glück, dass ich die Stelle bei Professor Support […] hab“

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für den Rest seines Lebens zu machen“ (S.: 844f.). Man solle jedoch nicht nur prüfen, ob einem das Tätigkeitsprofil eines Hochschullehrers bzw. einer Hochschullehrerin zusage und einem der damit einhergehende Arbeitsstil liege. Zudem müsse man diese Phase nutzen, um sich die Frage zu beantworten, „ob man auch mit dieser Arbeitswelt Universität“ (S.: 842) längerfristig zurechtkomme. Ob man sich darauf einlassen wolle, nochmal „fünf Jahre […], oder zehn Jahre zu investieren und danach dann […], möglicherweise keine feste Stelle zu bekommen“ (S.: 849f.). Bevor man sich auf das „Alles-oder-NichtsSpiel“ einlasse, gelte es laut Steffanie zu prüfen, ob man bereit sei, die nötigen Investitionen zu tätigen und mit einer Jobunsicherheit bis ins fortgeschrittene Lebensalter zurechtzukomme. Diese Entscheidung habe Steffanie bereits für sich getroffen, denn sie habe schon begonnen, an ihrem zweiten Buch zu arbeiten und würde gerne auch nach Abschluss der Habilitation den wissenschaftlichen Karriereweg weiterverfolgen. So sei ihr Plan, „spätestens Anfang übernächsten Jahres […] die Habilitation“ (S.: 84) einzureichen und dann zu sehen, „was möglich ist“ (S.: 86). Denn die Promotions- wie auch Habilitationsphase seien Steffanie zufolge sehr „familienkompatibel“ (S.: 88), da man „mehr Freiheit als […] in irgendeinem anderen Job“ (S.: 91f.) habe. Danach komme aber erst einmal eine „Phase, wo es eben nicht so richtig familienkompatibel ist, und da weiß ich noch nicht, wie lange ich das dann wirklich durchhalten werde“ (S.: 93f.). Obwohl Steffanie gerne versuchen würde, nach der Habilitation „diesen wissenschaftlichen Weg weiterzugehen“ (S.: 96), wisse sie nicht, wie lange sie es schaffen werde, ihr Ziel zu verfolgen, denn sie habe zwei Kinder und einen Ehemann, die sie bei dieser Entscheidung auch mitberücksichtigen müsse. Steffanie präsentiert sich mit dem Wissen, dass eine wissenschaftliche Karriere gewisse Investitionen fordere. Dazu zählt auch eine möglichst uneingeschränkte zeitliche, wie räumliche Verfügbarkeit. Steffanie zeigt sich auch gewillt zu versuchen, zumindest für einen gewissen Zeitraum, dieser Erwartung gerecht zu werden. Ob sie jedoch bereit sei, das „Spiel“ so lange mitzuspielen, bis sie eine Professur erreicht habe, könne sie zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantworten, zumal ihr Ehemann bisher auch keine Dauerstelle innehabe und daher ebenso wenig das Familieneinkommen sicherstellen könne. Ohne je direkt auszusprechen, auf welches Karriereziel Steffanie sich bei ihren Ausführungen bezieht, ist es ganz klar, dass es eine Professur ist, die ihr präferiertes Karriereziel darstellen würde. So formuliert sie: „[N]achdem ich jetzt so viele Jahre da rein investiert habe, wäre es auch irgendwie schade, wenn man das dann nicht nutzen würde. Also […], das wäre sicherlich meine erste Wahl an Karriereoptionen“ (S.: 105f.). Ihre Entscheidung, auf dem wissenschaftlichen

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5 Fallporträts von Nachwuchswissenschaftler*innen

Karriereweg zu verweilen und weiterhin zu versuchen, eine Professur zu erreichen, begründet Steffanie maßgeblich damit, dass sie bisher schon so viele Jahre karrierewegsspezifische Investitionen getätigt habe. Die bereits erfolgten Investitionen hätten bei ihr auch „schon den Ehrgeiz“ (S.: 902) geweckt, ihr angefangenes Projekt, die Habilitation, zu beenden. Nichtsdestotrotz blicke sie in Bezug auf ihre Karriereaussichten wenig optimistisch in die Zukunft und bewerte ihre Chancen auf eine Professur als „höchstens mittelmäßig“ (S.: 748). Zwar könne man sich bis zum Abschluss der Habilitation mit „Stipendien und Lehraufträgen, mit Stellenvertretung und so weiter durchhangeln“ (S.: 743f.). Danach komme aber ein „krasser Bruch“ (S.: 745), da für Habilitierte kaum Stellen existieren würden. Diese Wahrnehmung Steffanies untermauern auch einschlägige statistische Maßzahlen und Stellungnahmen von wichtigen wissenschaftspolitischen Akteuren. Weiterhin nimmt Steffanie an, dass in ihrem fachlichen Spezialisierungsbereich die Anzahl der bestehenden Professuren in Zukunft wohl gekürzt würden. Erschwerend komme laut Steffanie hinzu, dass die Anzahl der Bewerber*innen auf die ohnehin schon wenigen Stellen in den letzten Jahren aufgrund der Zunahme an Qualifizierungsstellen im Rahmen von Drittmittelprojekten und Graduiertenkollegs immer weiter angestiegen sei. Demzufolge hätte sich nicht nur die Anzahl der Promovierenden, sondern auch die Anzahl der Habilitierten vervielfacht. So bestünde Steffanies Einschätzung nach höchstens eine „Fifty-Fifty-Chance“ (S.: 757) auf das Erreichen einer Professur. Anders als viele Kolleg*innen habe sie, wie sie zu ihrer „Schande gestehen“ (S.: 758) müsse, sich noch nicht ausgerechnet, wie genau die zukünftige Stellensituation in Bezug auf die für sie potentiell in Frage kommenden Professuren aussehe, also wie viele Professor*innen zum Zeitpunkt ihres Habilitationsabschlusses pensioniert würden und damit gegebenenfalls Chancen für sie auf eine der frei werdenden Professuren bestünden. Ein derart strategisches Agieren, wie es viele ihrer Peers an den Tag legen würden, lehnt Steffanie klar ab, denn „das ist mir zu viel, muss ich ganz ehrlich gestehen“ (S.: 781). Steffanie stellt sich als Wissenschaftlerin dar, die ihr Verweilen in der Wissenschaft nicht von rational kalkulierten Überlegungen und Berechnungen abhängig macht. Dies scheint vor dem Hintergrund plausibel, dass „[v]on Glück zu sprechen […], [im wissenschaftlichen Feld] legitimer und anerkannter [ist], als über Kalkül zu berichten“ (Richter 2016: 63). Auch alternative Karrierepläne habe Steffanie bisher nicht erwogen und antwortet auf die Frage danach nur: „Nein, das wäre schön“ (S.: 925). Denn obwohl sie keine Alternativpläne habe, empfinde sie es als gut, welche zu haben. Bis zum Ende des Grundstudiums habe sie sich auch noch die Option, einmal als Lehrerin arbeiten zu können, offengehalten und ihr Fach auf Lehramt studiert.

5.5 Steffanie: „[Ich habe] Glück, dass ich die Stelle bei Professor Support […] hab“

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Zeitweilen habe sie auch erwogen, das Lehramt-Studium noch zu beenden. Was sie aber davon abgehalten habe, sei die Erkenntnis gewesen, dass sie keine Lehrerin, wie ihre Mutter, werden wolle. Da ihre Mutter diesen Beruf ausgeübt habe, denke sie auch einen guten Einblick in den Berufsalltag gewonnen zu haben und sei dadurch zur Schlussfolgerung gekommen: „Es ist jetzt nichts, was ich wirklich gerne machen möchte und dann muss ich mich jetzt auch nicht dazu quälen, jetzt noch dieses Studium abzuschließen“ (S.: 935f.). Steffanie setzt alles auf eine Karte. Doch das Risiko eines wissenschaftlichen Karrierewegs sei ihr durchaus bewusst. Obwohl sie sich auch erst jetzt, zum Ende der Habilitation hin, ernsthaft mit dem Fall auseinandersetze, dass der wissenschaftliche Karriereweg gegebenenfalls nicht im erwünschten Ziel, der Professur, gipfeln könne und eine andere Weiterbeschäftigung in der Wissenschaft eventuell nicht möglich sei. Und so formuliert sie: „Also ich glaube, je weiter ich komme, desto mehr ist mir dieses Risiko bewusst und desto mehr Kollegen lernt man ja auch kennen, die entweder erfolgreich oder eben nicht erfolgreich waren, und desto mehr muss man sich natürlich schon auch fragen, was ist [...], wenn man es nicht schafft“ (S.: 885f.). Denn selbst, wenn man Bestleistungen erbringen würde, wäre einem, laut Steffanie, noch keine Professur garantiert, da es „einfach nicht ausreichend Stellen“ (S.: 891) gebe. Steffanie präsentiert sich an dieser Stelle nicht mit dem Glauben daran, dass diejenigen, die die beste Leistung erbringen, auch sicher eine Professur erreichen werden. Vielmehr klingt in dieser Formulierung ihrerseits die Vermutung an, dass es auf dem Weg zur Professur nicht nur um die Qualität der erbrachten Leitung geht, sondern auch andere Faktoren darauf Einfluss nehmen würden. Ein Aspekt, der Steffanies Risikowahrnehmung in Bezug auf ihre zukünftigen Beschäftigungsmöglichkeiten zunehmend bestärke, sei der Umstand, dass ihr Mann ebenso nur mit befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt sei. So könne sie im Fall des Scheiterns ihres Plans A`, dem Erreichen einer Professur, nicht darauf setzen, dass ihr Mann die Familie dauerhaft finanziell absichern könne. Für den Fall, dass sie keine Professur erreichen sollte, sei auch die Weiterbeschäftigung auf ihrer aktuellen Stelle keine dauerhafte Option. Denn „selbst wenn der [Vorname, Name aktueller Vorgesetzter] mich für immer als Assistentin haben wollte, aber man hat ja eben Befristungen, mit denen man auch leben muss“ (S.: 898f.). Aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen seien auch ihrem aktuellen Vorgesetzten auch für den Fall, dass er sie gerne als Mitarbeiterin

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5 Fallporträts von Nachwuchswissenschaftler*innen

behalten wolle, die Hände gebunden und er könne ihr keinen weiteren Arbeitsvertrag anbieten. Für ihre finanzielle Absicherung könne ihr Vorgesetzter folglich ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr sorgen. Daher muss er, wenn er sich verantwortungsvoll verhält, rechtzeitig dafür Sorge tragen, dass Steffanie alle Fähigkeiten und alles Wissen erlernt, das nötig ist, damit das Wissenschaftssystem eine Stelle an einem anderen Ort für sie bereithalten wird, im Optimalfall, dass sie berufungsfähig ist und sich im Wettbewerb um die ausgeschriebenen Professuren durchsetzen kann. 5.5.6 Ausblick Steffanies ideales Szenario für ihre berufliche Zukunft wäre, dass sie lange bevor ihre Stelle bei Professor Support ausliefe, ihre Habilitation abschließen würde. Vor dem Hintergrund der vertraglichen Verlängerungsoptionen aufgrund von Erziehungszeiten könne sie auch „noch viele Jahre hier beschäftigt werden“ (S.: 906). Statt zwölf Jahre könne Steffanie, ihrer Schilderung zufolge, insgesamt sogar 18 Jahre auf Zeitverträgen arbeiten. Dann hätte sie auch „noch ein bisschen Zeit, um mir auf meinem Vertrag Gedanken zu machen, was ich alternativ machen möchte“ (S.: 918f.). Trotz der Weiterbeschäftigungsoption, die laut Steffanie für sie auch nach Abschluss der Habilitation bestünde, sei es jedoch „tatsächlich schon so, dass je näher ich diesem Ende komme, desto mehr [wird] mir bewusst […], dass ich mir auch Alternativen überlegen muss“ (S.: 920f.). Das immer näher rückende Ende ihrer Habilitationszeit zwingt Steffanie zu einer bewussten Reflexion ihrer Karriereaussichten und der Konfrontation mit der Tatsache, dass sie nicht sicher sein könne, dauerhaft im Wissenschaftssystem tätig zu bleiben. Eine Auseinandersetzung, der sie, wenn man ihrer Erzählung folgt, scheinbar bisher ausweichen konnte, da sie sich aufgrund ihrer bruchlosen Erwerbsbiografie nie mit der Situation konfrontiert sah, dass sie den wissenschaftlichen Karriereweg eventuell verlassen muss. Wir erfahren auch nicht, inwiefern ihre akademischen Berater ihr im Qualifizierungsverlauf schon einmal signalisiert haben, dass sie sich für den (hoffentlich nicht eintretenden) Fall des (von außen herbeigeführten) Exits aus der Wissenschaft auch Alternativen überlegen sollte. Womöglich haben ihre Berater dies auch nicht als notwendig angesehen, da sie in Steffanies Fähigkeiten und ihren Karriereerfolg vertrauen. Ob Alternativpläne von Nöten gewesen wären, wird sich jedoch erst in den nächsten Jahren zeigen. Mitte 2018 ist Steffanie einer Internetrecherche zufolge immer noch auf ihrer Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Professor Support beschäftigt. Eine weitere Monografie, ihre Habilitation, ist in ihrer dort einsehbaren

5.5 Steffanie: „[Ich habe] Glück, dass ich die Stelle bei Professor Support […] hab“

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Publikationsliste bisher nicht verzeichnet. Demzufolge konnte oder wollte sie ihren Plan, ihre Habilitation spätestens Anfang 2016 einzureichen, wohl nicht in die Tat umsetzen. Woran dies lag und wie weit ihre Habilitation bereits fortgeschritten ist, als auch, ob Steffanie sich mittlerweile alternative Karrierepläne überlegt hat oder ob ihre Stelle vielleicht auch entfristet wurde, muss an dieser Stelle leider offenbleiben.

6 Wie Vertrauen wissenschaftliche Persönlichkeiten schafft Im ersten Teil dieses Kapitels (6.1) wird die Intention verfolgt, die in Kapitel 5 porträtierten Nachwuchswissenschaftler*innen in Bezug auf die Kernkategorien des im Zentrum stehenden Phänomens „Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg“ systematisch miteinander zu vergleichen. Das Vorgehen zielt darauf ab, wesentliche Differenzen und Gemeinsamkeiten hinsichtlich der vertrauensgenerierenden bzw. -erodierende Erfahrungen auf dem bisherigen akademischen Werdegang der Akteure und die daraus resultierenden unterschiedlichen Ausprägungen ihres Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg ins Blickfeld zu rücken. Weiterhin soll durch die Kontrastierung der Fälle herausgearbeitet werden, wie sich die Karrierestrategien und Karriereaspirationen der Akteure in Abhängigkeit von ihren Vertrauens- bzw. Misstrauenserfahrungen sowie von der Ausprägung ihres Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg unterscheiden. „Karrierevertrauen“ bzw. „Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg“ definiert sich in der vorliegenden Arbeit als das Vertrauen der Nachwuchswissenschaftler*innen darin, dass der eingeschlagene Karriereweg unter Anwendung bestimmter Karrierestrategien zum Erreichen des angestrebten Karriereziels führt. Es geht nicht darum, eine Typologie von Karriereoder Vertrauenstypen zu entwerfen. Denn derartige „Klassifikationen sagen viel über diejenigen aus, die die Klassifikation vornehmen, aber wenig über das, was klassifiziert wurde“ (Engler 2001: 444, Fußnote 1). Vielmehr sollen die Besonderheiten der einzelnen Akteure herausgearbeitet werden, der Kontext, der ihr Handeln rahmt, ihr fachwissenschaftliches Feld, in das sie eingebettet sind und die damit einhergehenden speziellen Bedingungen, unter denen sie ihre Strategien verfolgen. Die Abstraktion vom Einzelfall soll jedoch nicht ausbleiben, setzt jedoch an einer anderen Stelle an. So verfolgt der zweite Teil des Kapitels (6.2) das Ziel, ein Karrieremodell für das wissenschaftliche Feld unter besonderer Berücksichtigung von vertrauensrelevanten Aspekten abzuleiten und zentrale funktionale Zusammenhänge aufzuzeigen.66 Denn trotz der Heterogenität der Rahmenbedingungen, Karriereverläufe, persönlicher Hintergründe und Erfahrungen werden auch Gemeinsamkeiten offenkundig. Mittels der Identifikation von Schlüsselerlebnissen, sensibler Phasen und Schlüsselpersonen wird es ermöglicht, den Blick so zu justieren,

66 Das vorgestellte Modell beansprucht nicht, alle Determinanten für das Karrierehandeln von Nachwuchswissenschaftler*innen umfassend abzubilden. Der Anspruch der vorliegenden Studie ist vielmehr bisherige Karrieretheorien für das wissenschaftliche Feld zu generieren, um diejenigen Aspekte zu erweitern, die mit dem Phänomen Vertrauen in Verbindung stehen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Tischler, Vertrauen in die Wissenschaftskarriere, Wissenschaft – Hochschule – Bildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27224-1_6

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6 Wie Vertrauen wissenschaftliche Persönlichkeiten schafft

dass Anhaltspunkte über die Rolle von Vertrauen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg gesammelt werden können. Weiterhin wird dargestellt, in welchem funktionalen Zusammenhang das Karrierevertrauen der Nachwuchswissenschaftler*innen mit ihren Karriereinvestitionen sowie ihren Karriereaspirationen steht. 6.1 Fallübergreifende Betrachtung Im Folgenden werden die in Kapitel 5 einzeln porträtierten Fälle bezüglich der Schlüsselkategorien des zu generierenden Modells miteinander kontrastiert. Dabei werden sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten der Nachwuchswissenschaftler*innen hinsichtlich der Ausprägung der Kernkategorien herausgearbeitet. Eine ausführliche Herleitung der Kernkategorien ist in Kapitel 4.4.2 erfolgt, daher wird an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen. Im Folgenden werden zunächst die angestrebten Karriereziele der Nachwuchswissenschaftler*innen miteinander verglichen. Denn das Vertrauen der Akteure in den Karriereweg kann immer nur vor dem Hintergrund des von ihnen definierten Karriereziels verstanden werden, da es sich dabei um das Vertrauen darin handelt, dass der verfolgte Karriereweg im gewünschten Karriereziel gipfeln wird. Darauf aufbauend werden die ursächlichen Bedingungen, worunter die Vertrauens- und Misstrauenserfahrungen der Jungforscher*innen auf ihrem bisherigen akademischen Qualifizierungsweg gefasst werden sowie die Indikatoren, welche Hinweise auf die Ausprägung ihres Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg geben, fallkontrastiv vorgestellt. Daran anschließend werden neben den vertrauensgenerierenden bzw. -erodierenden Erfahrungen der Nachwuchswissenschaftler*innen weitere, bezüglich der Ausprägung ihres Karrierevertrauens intervenierend wirkende Rahmenbedingungen in das Blickfeld gerückt, um sowohl Differenzen als auch Ähnlichkeiten zwischen den Fällen zu identifizieren. Abschließend werden unterschiedliche Karrierestrategien der Akteure, ihre Karriereinvestitionen sowie Modi der Selbstpräsentation im Fallvergleich gegenübergestellt. Die nachfolgende Abbildung 11 dient dem Überblick über die Schlüsselkategorien und bildet darüber hinaus erste tentative Zusammenhangshypothesen ab, die handlungsleitend für die Fallkontrastierung waren.

6.1 Fallübergreifende Betrachtung

253

Vertrauensindikatoren

Vertrauensund Misstrauenserfahrungen

Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg

Karrierestrategien

Sonstige Bedingungsfaktoren

Karriereaspiration

Abbildung 11: Kernkategorien zum Phänomen „Vertrauen in den wissen-schaftlichen Karriereweg“ Quelle: Eigene Darstellung

6.1.1 Karriereaspirationen der Nachwuchswissenschaftler*innen Die erste Kernkategorie, die nachfolgend im Fallvergleich thematisiert wird, ist das angestrebte Karriereziel der Nachwuchswissenschaftler*innen, denn die Kenntnis worin, also in welche zukünftige Entwicklung ihrer Karriere, die Akteure vertrauen, ist die Voraussetzung dafür, die Ausprägung ihres Vertrauens in den Karriereweg verstehen und einordnen zu können. Die Fallkontrastierung soll den Blick für die Heterogenität der Karriereziele sowie ihre Konkretheit bzw. Diffusität in Abhängigkeit von relevanten situativen Merkmalen, wie bspw. der aktuellen Karrierephase der Akteure, öffnen. Hanna Die Habilitandin Hanna definiert das Erreichen einer Professur als ihr angestrebtes Karriereziel. Zum Interviewzeitpunkt steht sie, ihren Aussagen zufolge, kurz davor, ihr Ziel zu realisieren. So plane sie, sich unmittelbar nach dem Abschluss ihres Habilitationsverfahrens auf ausgeschriebene Professuren zu bewerben. Bisher, so führt sie aus, habe sie zu keinem Zeitpunkt ernsthaft erwogen, den wissenschaftlichen Karriereweg zu verlassen und habe sich auch nicht mit alternativen Karriereoptionen auseinandergesetzt. Vor dem Hintergrund ihrer beständig erbrachten Leistungen zweifle sie auch nicht daran, dass sie ihr

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6 Wie Vertrauen wissenschaftliche Persönlichkeiten schafft

Ziel realisieren könne. Somit präsentiert sie sich als optimistisch in ihre berufliche Zukunft blickende Wissenschaftlerin. Steffanie Hinsichtlich ihres präferierten Karriereziels gleichen sich Steffanie und Hanna, sie unterscheiden sich jedoch in ihrer Art, es zu äußern. Denn im Unterschied zu Hanna, artikuliert Steffanie ihr Karriereziel nie direkt und beansprucht die Professur nicht, wie etwa Hanna, als legitime, ihren Leistungen entsprechende Position. Dass die Professur „trotz“ ihres Geschlechts in Steffanies Möglichkeitsraum gerückt ist, liege ihrer Einschätzung nach ohnehin vor allem an der „glücklichen“ Situation, in der sie sich befinde. Letztere macht sie u. a. an der Tatsache fest, dass an ihrem Institut ausreichend weibliche professorale Rollenvorbilder vorhanden seien. Eine weitere Gemeinsamkeit von Hanna und Steffanie ist der bisher sehr lückenlose Verlauf ihres Karrierewegs. Zwar berichtet Steffanie davon, dass sie schon immer habe promovieren wollen, ihr anschließendes Verweilen auf dem akademischen Qualifizierungspfad sei aber vielmehr eine Fügung des Zufalls denn eine bewusste Karriereentscheidung gewesen. So führt Steffanie ihr „Hineinschlittern“ in den wissenschaftlichen Karrierepfad vor allem auf das Treffen auf ihren Promotionszweitbetreuer und aktuellen Vorgesetzten zurück. Obwohl ihre „Initiation“ in die Wissenschaftler*innenlaufbahn keine bewusste Entscheidung gewesen sei, habe Steffanie ebenso wie Hanna bisher keine alternativen Karrierepläne entworfen. Im Kontrast zu Hanna schätzt Steffanie die Realisierungschancen ihres „Plans A“ jedoch deutlich weniger optimistisch ein. So äußert Steffanie, dass sie höchstens mit einer „50-50“-Chance bezüglich des Erreichens einer Professur rechne. Das Risiko des „Scheiterns“ sei Steffanie aber erst vor Kurzem bewusst geworden. Anton Anton, der erst vor kurzem seine Promotion in der Experimentalphysik abgeschlossen hat, teilt sein Wunsch-Karriereziel mit Hanna und Steffanie, obschon er sich noch in einer früheren Karrierephase als die beiden Wissenschaftlerinnen befindet. Wo bei Hanna und Steffanie die Postdoc-Phase bereits sehr vorangeschritten ist, startet sie bei Anton gerade erst. Dies sei auch der Grund, wie Anton kommentiert, dass er sich momentan (noch) nicht ausschließlich auf ein Karriereziel festlegen wolle, denn aktuell fehle es ihm noch an verlässlichen Hinweisen, um seine Erfolgschancen realistisch einschätzen zu können. Daher sei es Antons Plan, in etwa zwei Jahren, vor dem Hintergrund seines bis dahin vorzuweisenden Publikationsoutputs, einzuschätzen, ob er die Professur als präferiertes Karriereziel für sich festsetzen wolle. Seine wissenschaftliche

6.1 Fallübergreifende Betrachtung

255

Leistung, insbesondere seine erzielten Erfolge bei Publikationen, führt Anton als zentrale Prädiktoren für seine Chancen auf eine Professur an, wenngleich er darüber hinaus auch die Wichtigkeit von Unterstützer*innen anerkenne. Diese Erwägungen hätten, so Anton, zu seinem Entschluss geführt, derzeit noch „zweigleisig“ zu fahren und bei seinen Karriereentscheidungen stets darauf zu achten, dass er sich alternative Karrierepfade, bspw. in die Industrie, nicht verschließe. Seine anstehende Postdoc-Stelle, die er an einer renommierten Universität antreten werde, erfülle diese Anforderung, denn sein zukünftiger Vorgesetzter verfüge über sehr gute Kontakte in die Industrie. Peter Im Vergleich zu Hanna, Steffanie oder Anton ist das Karriereziel Peters, dem Postdoc der Experimentalphysik, weitaus diffuser. Klar wird aus seiner Erzählung lediglich, dass er keine Professur anstrebt. Peter charakterisiert sein Wunsch-Karriereziel als (Forschungs-)Stelle, die so beschaffen sein sollte, dass sie ihm die Möglichkeit bieten würde, dauerhaft mit seinem langjährigen Vorgesetzten zusammenzuarbeiten. Die exakte Stellendeklaration oder ein bestimmtes Tätigkeitsprofil spezifiziert Peter im Zuge seiner Ausführungen nicht weiter. Anders als Hanna stellt Peter seine bisherigen Leistungen nicht heraus, um seinen Anspruch auf eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in der Wissenschaft zu legitimieren. Vielmehr bringt er seine Hoffnung zum Ausdruck, dass sein Vorgesetzter sich, wie schon früher, darum bemüht, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für ihn aufzutun und es mit etwas Glück auch zu einer Entfristung seiner Stelle kommen könnte. Wie Hanna und Steffanie, berichtet Peter nicht davon, bisher ernsthaft erwogen zu haben, den wissenschaftlichen Karriereweg zu verlassen. Zwar habe er sich aufgrund seiner Verantwortung als Familienvater bereits einige Male mit alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten auseinandergesetzt - so sei eine Tätigkeit als Physik-Lehrer durchaus eine Option für ihn, für den Fall, dass er seinen „Plan A“ nicht realisieren könne - , jedoch sei er durch die Konfrontation mit der Thematik auch zu dem Schluss gekommen, dass ihm einige Pfade, bspw. in die Industrie, aufgrund seines fortgeschrittenen Alters und seiner Familiensituation wohl mittlerweile nicht mehr offenstehen würden. Max Das Karriereziel von Max, dem Postdoktoranden der Wirtschaftsinformatik, ist wie das von Peter, eher diffus. Genau wie Peter strebt auch Max keine Professur an. Als Grund führt Max an, dass er die Vielzahl der dafür nötigen fachlichen Anforderungen, insbesondere im Bereich Publikationen, nicht erfüllen könne.

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6 Wie Vertrauen wissenschaftliche Persönlichkeiten schafft

Stattdessen hebt er hervor, dass eine unbefristete Stelle an einer ausländischen Universität mit einem umfangreicheren Lehrdeputat seinem Wunsch-Karriereziel entspreche. Als Hauptgrund dafür, dass er seine wissenschaftliche Karriere nicht in Deutschland fortsetzen wolle, nennt Max, dass ihm das deutsche System nicht das „Passende“ zu bieten habe. So weist Max darauf hin, dass die Karrierewege und die entsprechenden Tätigkeitsprofile in Deutschland nicht ausreichend ausdifferenziert seien. Folglich gebe es laut Max kaum Stellen, die sowohl mit seinen Wünschen als auch seinen Fähigkeiten kongruent seien, was er als seinen primären Anspruch an sein Karriereziel ausweist. Max identifiziert seine klare Tätigkeitspräferenz im Bereich Lehre, Studienberatung und Studienorganisation. Die Wissenschaft zu verlassen, habe Max bisher nicht erwogen, da seine Karriere sehr „emergent“ verlaufen sei und er sich keinen attraktiveren Job vorstellen könne. Bezüglich der Realisierbarkeit seines präferierten Karriereziels nimmt Max eine optimistische Haltung ein und äußert, sich nahezu „sicher“ zu sein, dass irgendein Wissenschaftssystem in Zukunft eine seinen Wünschen entsprechende Stelle für ihn bereithalten werde. 6.1.2 Ursächliche Bedingungen und Indikatoren für die Existenz eines Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg Im folgenden Abschnitt steht die Kernkategorie „ursächliche Bedingungen“ im Zentrum des Fallvergleichs. Unter „ursächliche Bedingungen“ werden diejenigen interpersonalen wie auch generalisierten Vertrauens- und Misstrauenserfahrungen der Nachwuchswissenschaftler*innen gefasst, die Einfluss auf die Ausprägung ihres Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg nehmen. Zu den interpersonalen vertrauensbildenden bzw. -erodierenden Erfahrungen zählen die Erlebnisse der Nachwuchswissenschaftler*innen mit Akteuren unterschiedlicher Karrierestufen im wissenschaftlichen Feld wie auch private Vertrauensverhältnisse. Zu den generalisierten Vertrauens- bzw. vertrauensirritierenden Erlebnissen werden Positiv- sowie Negativerlebnisse der Nachwuchswissenschaftler*innen gerechnet, die sie in Interaktion mit ihrem fachwissenschaftlichen Bezugsfeld oder dem universitären Beschäftigungssystem sammeln. Darunter fällt zum Beispiel die Annahme oder Ablehnung von Publikationen im Peer-Review-Begutachtungsprozess oder auch der Erfolg bzw. Misserfolg bei Stellenbewerbungen. Weiterhin wird im Rahmen der Fallkontrastierung auf die unterschiedlichen Indikatoren, die Hinweise auf die Existenz eines Karrierevertrauens geben, Bezug genommen. Zu diesen Indikatoren zählen unter anderem das Gewähren von Handlungsspielräumen durch Betreuende und Vorgesetzte oder auch die Ermöglichung von Beschäftigungsperspektiven. Für eine detaillierte Ausführung zu den Aspekten, welche unter den jeweiligen Kernkategorien

6.1 Fallübergreifende Betrachtung

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subsumiert werden, vgl. Kapitel 4.2.2. Ziel der folgenden Fallkontrastierung ist es, die Differenzen und Ähnlichkeiten zwischen den Fällen sowohl in Hinblick auf die Vertrauens- und bzw. oder Misstrauenserfahrungen sowie in Bezug auf den Prozess der Vertrauensbildung herauszuarbeiten. Hanna Durch die in großen Teilen positiven Vertrauenserfahrungen, die Hannas bisherigen Werdegang geprägt haben, konnte sich bei ihr ein solides Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg ausbilden. Schon nach Abschluss der Promotion ist Hannas Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg deutlich ausgeprägt, so dass sie, als ihr Vorgesetzter ihr eine Postdoc- Stelle offeriert, nur kurz in sich „hineinhören“ habe müssen, um ihre Verweilentscheidung zu treffen. Hanna bekräftigt, dass insbesondere in Phasen der Unsicherheit, beim Übergang von einer zur nächsten Statuspassage, ihr Betreuer sie stets ermutigte habe, den akademischen Qualifizierungsweg weiterzuverfolgen. So habe er ihr vertragliche Sicherheit bis zu dem Zeitpunkt geboten, zu dem sie sich lösen müsse, um die nächsten Karriereschritte anzugehen. Damit fungiert er für sie als Vertrauensintermediär für das wissenschaftliche Feld und trägt dazu bei, dass die Professur zu ihrem Wunsch-Karriereziel wird. Hanna und ihren Vorgesetzten verbindet eine besondere Vertrauensbeziehung, die sich Hannas Ausführungen zufolge, insbesondere durch ihre Wechselseitigkeit sowie durch eine angemessene Mischung aus Autonomie und Unterstützung auszeichnet. Hanna berichtet davon, dass sowohl sie selbst als auch ihr Vorgesetzter in ihrem Interaktionsverlauf beständig beziehungsstärkende Vertrauensbeweise erbracht hätten. Sie stellt heraus, dass sie bisher alle Statuspassagen zügig und erfolgreich durchlaufen und kontinuierlich in ihre Karriere investiert habe, sowohl zeitlich als auch durch die Generierung von wissenschaftlichem Kapital. Ihr Doktorvater habe, laut Hanna, stets für ihre vertragliche Absicherung gesorgt, ihr schon früh Selbstständigkeit ermöglicht und sie kontinuierlich mit karriererelevanten Informationen versorgt. Hanna bekräftigt auch, dass sie sich auf seine Kompetenzen als Karriereberater verlassen könne, und führt an, dass sie darauf vertraue, dass ihr akademischer Lehrer ihr alles vermitteln könne, was sie benötige, um ihr Karriereziel erreichen zu können. Damit ist das Vertrauen in ihren Betreuer nicht diffus, sondern sehr konkret: Eine Vertrauensbeziehung, die als Katalysator fungiert, um Hannas Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg kontinuierlich zu stärken. Darüber hinaus erzählt Hanna auch von Publikationserfolgen sowie von sehr guten Ergebnissen bei institutionellen Lehrevaluationen, die als vertrauensstärkende Wegbereiter auf ihrem bisherigen Qualifizierungsweg fungiert hätten. Als einzigen vertrauensstörenden

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6 Wie Vertrauen wissenschaftliche Persönlichkeiten schafft

Faktor auf ihrem bisherigen Werdegang nennt Hanna das Verhalten ihres Arbeitgebers, der Universität. Das (Vertrauens-)Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber umschreibt Hanna als „sehr einseitig“. Demnach würde sie zwar beständig Vertrauensbeweise erbringen, beispielsweise durch ihr Engagement in Forschung und Lehre, die Vertrauensbeweise, die sie von ihrem Arbeitgeber erwarte, blieben jedoch aus. So bemängelt Hanna, dass ihr die Universität weder eine Beschäftigungsperspektive noch eine adäquate Förderung biete, um ihr Karriereziel erreichen zu können. Folglich sei ihr Vertrauen in die Institution Universität erschüttert worden. Ihr Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg wird davon aber allem Anschein nach nur marginal tangiert, denn Hanna präsentiert sich mit dem Verständnis, dass sie sich als Wissenschaftlerin mit Ambitionen auf eine Professur ohnehin ab einem gewissen Zeitpunkt von den organisationalen Strukturen (und ebenso liebgewonnen „Lehrmeister*innen“) wird lösen müssen, um eine Machtposition in ihrem fachwissenschaftlichen Feld zu erreichen, wobei es sich um ein Feld handelt, das sich institutionenübergreifend und (oft auch) länderübergreifend konstituiert. Max Bezüglich der Vertrauenserfahrungen auf seinem bisherigen Qualifizierungsweg stellt Max einen Kontrastfall zu Hanna dar. Zwar berichtet er, ähnlich wie Hanna, schon während der Promotionsphase viel Handlungsspielraum durch seinen Vorgesetzten erfahren zu haben, anders als bei Hanna sei sein Betreuungsverhältnis aber nicht durch ein optimales Verhältnis aus Nähe und Distanz sowie aus Unterstützung und Selbstständigkeit gekennzeichnet gewesen. Denn die Autonomie, die er während seiner Promotionsphase erfahren habe, sei, wie Max erzählt, vielmehr ein Resultat der häufigen Abwesenheit seines Doktorvaters gewesen, was er als Vertrauensbeweis deutet. Diese Situation bewertet Max aber nicht durchgängig negativ. Die seltene Anwesenheit seines Doktorvaters am Lehrstuhl habe schließlich auch dazu geführt, dass er kaum Vorgaben durch ihn erhalten habe. Dies habe ihm, seinen Ausführungen zufolge, die Möglichkeit gegeben, sowohl die Inhalte seiner Lehrstuhltätigkeit wie auch den Fortschritt seiner Dissertation maßgeblich selbst zu steuern. Über einen Mangel an Leitfiguren und Unterstützung auf seinem bisherigen Karriereweg beklagt Max sich nicht. Vielmehr wird aus seiner Erzählung offenkundig, dass er es durchaus geschätzt habe, bereits früh viel Verantwortung zu tragen und selbstständig Entscheidungen treffen zu können. Max berichtet davon, dass er, bedingt durch die Abwesenheit seines Vorgesetzten, schon früh in eine quasi professorale Rolle habe schlüpfen können und schon während der Promotion seinen ersten „Mikrolehrstuhl“ geleitet habe. Rückblickend betrachtet Max die geringe

6.1 Fallübergreifende Betrachtung

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Involviertheit und seltene Präsenz seines Vorgesetzten nicht als negativ, sondern vielmehr als eine Erfahrung, die sein Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg bestärkt habe. Max erweckt den Anschein, dass diese Erfahrung ihn in seinem Glauben bestärkt habe, in der Lage zu sein, die mit der Leitung eines Lehrstuhls einhergehenden Aufgaben erfüllen zu können. Erst zu Beginn der Postdoc-Phase, so berichtet Max, sei er mit seinem neuen Vorgesetzten auf den „ersten richtigen Mentor“ in seinem bisherigen akademischen Qualifizierungsverlauf getroffen. Als Vertrauensperson adressiert Max in seiner Erzählung ebenjenen Professor jedoch nicht und schreibt ihm auch bezüglich seines Karrierevertrauens keine stärkende Funktion zu. Trotz der kaum vorhandenen interpersonalen Vertrauenserfahrungen mit Doktoreltern oder Vorgesetzten weist Max bereits ein solides Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg auf und präsentiert sich mit der Überzeugung, dass er sein Karriereziel erreichen könne. Der Vertrauensaufbau wurde in seinem Fall vor allem durch verschiedene Erfolgserlebnisse befördert. Einerseits führt Max die Akzeptanz von Tagungsbeiträgen als Positiverlebnisse an. Andererseits würde er es als Erfolg für sich verbuchen, dass es ihm quasi selbstständig gelungen sei, einen Lehrstuhl zu leiten. Eine vertrauensgenerierende Funktion schreibt er darüber hinaus dem positiven Feedback durch Studierende in Seminaren sowie bei institutionellen Lehrevaluationen zu. Auch die Tatsache, dass ein Student bei ihm habe promovieren wollen und er maßgeblich seine Dissertation betreut habe, obwohl er selbst noch nicht promoviert gewesen sei, umschreibt Max als sehr positive Erfahrung. Max hebt zudem sein Gespür für sich auftuende Chancen und seine Fähigkeit des proaktiven Handelns hervor, welche es ihm ermöglicht hätten, die Beschäftigungsunsicherheit nach Abschluss seiner Promotion zu überbrücken und sich eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in der Wissenschaft zu sichern. Damit erfährt Max, dass die Kenntnisse und Kompetenzen die er vorweisen kann, und zwar umfassende Erfahrung im Bereich Lehre, Studierendenservice sowie Lehrstuhlmanagement, attraktiv für andere (statushöhere) Wissenschaftler*innen seien und ihm Stellenangebote eröffnen könnten. Dies wiederum stärkt sein Vertrauen darin, dass er sein Karriereziel in der Wissenschaft erreichen kann. Peter Ähnlich wie bei Hanna spielt auch bei Peter insbesondere die Erfahrung mit einer Person auf seinem bisherigen Werdegang eine herausragende Rolle für das Entstehen seines Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg. Dabei handelt es sich um seinen langjährigen Vorgesetzten, einen ehemaligen Mitarbeiter seines Doktorvaters, den er bereits an mehrere universitäre Standorte als

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Assistent begleitet hat. Wie Hanna berichtet auch Peter von wechselseitigen Vertrauensbeweisen zwischen ihm und seinem Vorgesetzten. Jedoch unterscheidet sich die Art und Weise, wie Vertrauen signalisiert wird, im Fall von Hanna und Peter deutlich. So deutet Peter das wiederholte Angebot seines Vorgesetzten, ihn bei seinem Stellenwechsel zu begleiten, als Vertrauensbeweis. Im Gegensatz zu Hanna adressiert Peter seinen Vorgesetzten nicht in seiner Rolle als Vertrauensintermediär für das wissenschaftliche Feld oder als Karriereberater, sondern primär in seiner Rolle als Führungskraft, der eine „menschliche Verantwortung“ für seine Mitarbeitenden trägt. Aus Peters Erzählung wird ersichtlich, dass er in erster Linie Vertrauen in dessen persönliche Fähigkeiten und nicht in seine professionellen Kompetenzen in seiner Funktion als akademischer Lehrer setzt. So berichtet Peter, anders als Hanna, auch nicht davon, dass er darauf vertraue, dass sein Professor ihn dabei unterstütze, sich berufungsfähig zu machen. Denn Peter schildert, dass sein Ziel gar nicht darin bestehe, eine Position anzustreben, die ihn unabhängig von seinem Vorgesetzten machen und ihm ermöglichen würde, sich von ihm zu lösen. Vielmehr merkt er an, dass er darauf vertraue, dass sein Vorgesetzter ihn weiterhin als seinen Assistenten an sich binden möchte. Vor dem Hintergrund, dass Peter davon berichtet, dass ihn sein Professor in ihrem Beziehungsverlauf schon mehrfach aufgefordert habe, in Phasen der Beschäftigungsunsicherheit darauf zu vertrauen, dass sie eine Weiterbeschäftigungsoption für ihn finden werden, erscheint das Vertrauen Peters durchaus auf überzeugenden Indizien zu beruhen. Peters Karrierevertrauen unterscheidet sich daher durchaus von den anderen Fällen im Sample, denn sein Vertrauen in den Karriereweg ist nahezu deckungsgleich zu seinem Vertrauen in die Verantwortungsübernahme durch seinen Professor in Bezug auf seine Weiterbeschäftigung zu betrachten. Oder anders formuliert: Die Erzählung Peters erweckt nicht den Anschein, dass er darauf vertrauen würde, auch ohne das Bemühen seines Vorgesetzten weiterhin in der Wissenschaft tätig bleiben zu können. Nichtsdestotrotz führt er auch an, dass sein Chef sich zwar für die Verlängerung bzw. Entfristung seiner Stelle einsetzen könnte, aber eigenständig darüber entscheiden könne er nicht. Ein gewisses Risiko des Scheiterns besteht für Peter daher trotz der langjährigen Vertrauensbeziehung, die ihn mit seinem Professor verbindet. Neben seiner Vertrauenserfahrung mit seinem aktuellen Vorgesetzten berichtet Peter auch von einer starken vertrauenserodierenden Erfahrung auf seinem akademischen Werdegang, die er mit der Person seines Doktorvaters in Verbindung bringt. Eine Erfahrung, die ihn gelehrt habe, dass es leicht zu einem abrupten Ende der Arbeitsbeziehung kommen könne, wenn es dem Vorgesetzten an „menschlichen Qualitäten“ mangle. Als Beispiel nennt Peter in diesem Zusammenhang

6.1 Fallübergreifende Betrachtung

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die unvermittelte Kündigung, die sein Doktorvater gegenüber einem anderen Doktoranden ausgesprochen habe. Die Erzählung Peters legt nahe, dass die negativen Erfahrungen mit seinem Doktorvater auch dazu geführt hätten, dass er bei der Wahl seines Arbeitsplatzes insbesondere das „menschliche Potenzial“ des Vorgesetzten prüfe, bevor er sich an ihn binde. Von generalisierten Vertrauenserfahrungen und Erfolgserlebnissen auf seinem bisherigen wissenschaftlichen Qualifizierungsweg berichtet Peter im Interviewverlauf nicht. Anton Anton erzählt von mehreren interpersonalen und generalisierten Vertrauenserfahrungen auf seinem bisherigen Qualifizierungsweg. Als bedeutendes Erfolgserlebnis führt Anton den Umstand an, dass es ihm gelungen sei, die Ergebnisse seiner Doktorarbeit knapp vor einer konkurrierenden Arbeitsgruppe, die am gleichen Thema gearbeitet habe, zu publizieren. Damit habe er nicht nur erfolgreich seine Dissertation abgeschlossen, sondern gleichzeitig einen wichtigen Publikationserfolg erzielt. In dieser entscheidenden Situation habe ihn sein Doktorvater aktiv unterstützt, denn er habe ihn sowohl auf die Konkurrenzgruppe hingewiesen und ihn darüber hinaus dazu motiviert, sein Paper schneller als die Kontrahent*innen einzureichen, bevor er seine Doktorarbeit finalisiere. Der Doktorvater sei, laut Anton, zu karrierestrategisch wichtigen Zeitpunkten präsent gewesen, obgleich er ihn im Promotionsverlauf nicht sehr engmaschig betreut habe, ihm dadurch aber viel Handlungsspielraum gewährt habe. Anton stellt seinen Doktorvater als Betreuer dar, der insbesondere seine Rolle als Karriereberater sehr ernst genommen habe. Anton berichtet auch davon, dass sein Professor ihn bei der Einwerbung von Stipendien sowie bei der Bewerbung auf zukünftige Stellen unterstützt und ihm bereitwillig Empfehlungsschreiben für potentielle Arbeitgeber aufgesetzt habe. diese würden Anton in ein sehr positives Licht rücken, was er aus den Reaktionen der Empfänger*innen der Schreiben schließe. Die Vertrauensbeziehung, die Anton und seinen Doktorvater verbindet, entfaltet insbesondere in Phasen der Karriereunsicherheit, beim Übergang zur nächsten Statuspassage und in Situationen, die von besonders großem Druck geprägt sind, bspw. in der Endphase seiner Doktorarbeit, ihre förderliche Wirkung und bestärkt Antons Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg. Empfehlungsschreiben habe Anton, wie er anmerkt, auch von seinem Masterarbeitsbetreuer aus den USA erhalten, der ihm auch angeboten habe, nach seinem Studienabschluss seine Promotion in seiner Arbeitsgruppe fortzusetzen. Ein Angebot, das Anton aus privaten Gründen ausgeschlagen, aber sein Vertrauen in sein wissenschaftliches Potenzial bestärkt habe. Neben Publikationserfolgen berichtet Anton auch von mehreren erfolgreichen Stipendien-

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einwerbungen, ein Umstand, der ihn darauf vertrauen lasse, dass es ihm auch in der Postdoc-Phase gelingen werde, ein Stipendium zur Finanzierung seiner Stelle zu organisieren. Dies sei auch seine präferierte Art, sich zu finanzieren, da vorzuweisende Erfolge bei Stipendienbewerbungen seiner Ansicht nach, eine positive Signalwirkung auf andere ausüben würden, da Stipendien „prestigeträchtig“ seien. Abhängig sei er jedoch nicht davon, da sein zukünftiger Vorgesetzter ihm auch zugesichert habe, dass er sich um eine Alternativfinanzierung für ihn kümmern würde, falls sein Stipendienantrag abgelehnt würde, ein Umstand, der es Anton leicht zu machen scheint, darauf zu vertrauen, dass sein zukünftiger wissenschaftlicher Karriereweg nicht an Finanzierungsproblemen scheitern wird. Anton berichtet auch davon, dass er aufgrund des Umstands, dass er sich bezüglich seiner finanziellen Absicherung noch nie auf seine Familie habe verlassen können, Erfahrungen im Umgang mit Phasen der finanziellen Unsicherheit habe. Diese Erfahrung habe auch dazu geführt, dass er zur Sicherung seines Lebensunterhalts auf sich selbst vertrauen müsse oder dass er sich selbst ein Netzwerk aufbauen müsse, das ihm finanziellen und emotionalen Rückhalt bieten könne. Mit dem Eintritt in eine Studentenverbindung habe er ein derartiges Unterstützungsnetzwerk gefunden. Trotz der teils finanziell herausfordernden Situationen, mit denen er bereits konfrontiert gewesen sei, habe sich letztendlich alles zum Positiven gewendet. Insgesamt verfügt Anton über einen breiten Fundus an vertrauensbildenden Erfahrungen, durch die sein Vertrauen in die positive Entwicklung seiner Karriere trotz der Risikohaftigkeit und Unplanbarkeit des akademischen Qualifizierungswegs bestärkt wurde. Steffanie Steffanie konnte auf ihrem bisherigen akademischen Werdegang vor allem interpersonale Vertrauenserfahrungen sammeln. Von generalisierten Vertrauenserlebnissen berichtet sie nur am Rande, wie beispielsweise als sie von den positiven Rückmeldungen erzählt, die sie im Rahmen von institutionalisierten Lehrevaluationen bekommen habe. Wie Hanna, verweist auch Steffanie darauf, dass sie bisher nicht mit Episoden der (vertraglichen) Unsicherheit konfrontiert gewesen sei, denn sie habe direkt im Anschluss an ihr Studium das Promotionsangebot ihres Betreuers der Abschlussarbeit angenommen und habe während ihrer Promotion, nach Auslaufen ihrer Stipendienfinanzierung, nahtlos die Stelle bei ihrem heutigen Vorgesetzten angetreten. Damit verweist Steffanie indirekt auf den unerwarteten Erfolg bei ihrer Stellenbewerbung. Durch den Wechsel der Arbeitsstelle sei sie auf die wichtigste Vertrauensperson auf ihrem bisherigen akademischen Qualifizierungsweg getroffen. Denn ihr neuer Vorgesetzter habe sie sowohl während ihrer Promotion als auch danach kontinuierlich

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gefördert und alle bisherigen bilateralen Gespräche über Vertragsverlängerungen seien unproblematisch verlaufen, was sie als eindeutigen Beweis seines Wohlwollens und Vertrauens in sie deutet. Im Kontrast zu Hanna oder Anton verweist Steffanie bei der Charakterisierung ihrer Vertrauensbeziehung zu ihrem Professor nicht auf wechselseitige Vertrauensbeweise, sondern führt lediglich aus, welche Indizien sie für das Vertrauen ihres Vorgesetzten in sie haben würde. An dieser Stelle führt Steffanie auch an, dass ihr Professor es ihr ermöglicht habe, aufgrund eines flexiblen Arbeitszeitarrangements ihre Familiengründung mit ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit zu vereinbaren. Darüber hinaus vertritt Steffanie die Meinung, dass Vertrauen nur dann entstehen könne, wenn „gewisse Dinge“, die sie nicht näher expliziert, „im Ungewissen“ bleiben würden. Eine schriftliche Fixierung von Betreuungsvereinbarungen schätze sie in diesem Zusammenhang als kontraproduktiv ein. Auch ohne die Existenz einer schriftlichen Vereinbarung sei Steffanie zufolge die Co-Betreuung ihrer Promotion durch ihren Doktorvater und ihren neuen Vorgesetzten, den sie als „Adoptiv-Doktorvater“ bezeichnet, sehr konstruktiv gewesen, obwohl sich die Betreuungspraktiken der beiden Professoren deutlich unterschieden hätten. Demnach habe ihr „väterlicher“ Doktorvater von ihr erwartet, den Promotionsprozess großteils autonom zu steuern, und ihr viele Freiheiten gewährt. Im Gegensatz dazu habe ihr neuer Vorgesetzter, mit dem sie einen „freundschaftlichen“ Umgang pflege, ihr kontinuierlich Feedback zu ihrer Arbeit zukommen lassen, was ihr mehr Sicherheit gegeben habe und mehr ihren Erwartungen an ein Promotionsbetreuungsverhältnis entsprochen habe. Steffanies Erzählung zufolge nimmt ihr aktueller Vorgesetzter für sie die Rolle eines akademischen Lehrers und Vertrauensintermediärs für ihr fachwissenschaftliches Feld ein, durch den sie lerne, wie wissenschaftliche Arbeiten auszusehen habe. Jedoch vertraue sie nicht nur auf die Hinweise ihres Vorgesetzten, um ihre wissenschaftlichen Arbeiten zu verbessern. So führt sie auch an, dass sie sich regelmäßig von anderen statushöheren Wissenschaftler*innen am Institut Feedback zu ihren Textentwürfen einholen. Steffanies Ausführungen vermitteln den Eindruck, dass sie an ihrem aktuellen Arbeitsort sehr gut eingebunden ist und von einem breiten Unterstützungsnetzwerk profitieren kann. Nichtsdestotrotz lässt ihre Erzählung nicht darauf schließen, dass ihr Vertrauen in den Erfolg ihrer wissenschaftlichen Karriere und das Erreichen ihres Karriereziels sehr ausgeprägt ist. So erwähnt sie, dass sie das Risiko des Karrierewegs bisher vor allem deswegen habe tolerieren können, da sie es in großen Teilen verdrängt habe. Erst jüngst konfrontiere sie sich bewusst damit, was sie nicht sehr positiv in Bezug auf ihre Karrierechancen stimmen.

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6.1.3 Sonstige den bisherigen Qualifizierungsweg rahmende Faktoren Neben den interpersonalen und generalisierten vertrauensfördernden bzw. erodierenden Erfahrungen, nehmen noch weitere Faktoren Einfluss auf die Entstehung von Vertrauen der Akteure in den wissenschaftlichen Karriereweg. Zu diesen Rahmenbedingungen werden in der vorliegenden Studie sowohl die erlebte Kontinuität bzw. Brüchigkeit (z. B. in Bezug auf Arbeitsverträge oder Tätigkeitsfelder) des bisherigen Werdegangs, die Konfrontation mit Herausforderungen und der Umgang mit ebenjenen wie auch die bisherige Verweildauer auf dem akademischen Qualifizierungsweg im Allgemeinen sowie speziell in bestimmten Statuspassagen gezählt. Zudem werden die Existenz von Unterstützungsnetzwerken, die Eingebundenheit der Akteure in ihrem Arbeitsplatz und in ihre Scientific Community sowie die Partizipation an institutionellen Fördermaßnahmen als Bedingungsfaktoren, die den bisherigen Qualifizierungsverlauf der Nachwuchswissenschaftler*innen geprägt haben, verstanden. Anhand ebenjener Faktoren wird nachfolgend die Kontrastierung der selektierten Fälle vorgenommen. Hanna In der bisherigen wissenschaftlichen Karrierelaufbahn von Hanna sind weder Brüche, noch Phasen der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen und zum Interviewzeitpunkt stehe sie, ihren Aussagen zufolge, kurz vor dem Abschluss ihrer Habilitation. Da sie seit Promotionsbeginn bei ihrem aktuellen Vorgesetzten beschäftigt sei, sei sie bisher weder mit Phasen der vertraglichen Unsicherheit noch mit größeren Hindernissen konfrontiert worden. So sei sie sehr gut am Lehrstuhl eingebunden und habe sich durch die regelmäßige Teilnahme an Fachtagungen auch gut mit den Mitgliedern ihrer Scientific Community vernetzen können. Auch ihre Familiengründung charakterisiert Hanna nicht als größere Herausforderung, da ihr Vorgesetzter ihr stets die Möglichkeit eingeräumt habe, ihre Arbeitszeiten flexibel zu gestalten. Das erste Kind habe sie in ihrer Promotionsphase bekommen und unmittelbar nach dem Mutterschutz wieder begonnen zu arbeiten, was unter anderem dadurch möglich gewesen sei, dass ihre Familie sie bei der Kinderbetreuung unterstützt habe. Beim zweiten Kind, das sie in der Postdoc-Phase bekommen habe, sei sie für ein Jahr in Elternzeit gegangen. Hanna betont, dass auch ihre Familiengründung nicht zu Verzögerungen in ihrem Qualifikationsverlauf geführt habe und sie jede Statuspassage sowohl zügig als auch erfolgreich ohne Vertragslaufzeiten auszureizen durchlaufen habe. Ihrem privaten Umfeld, das durch langjährige, stabile Vertrauensbeziehungen geprägt sei, komme dabei eine bedeutende Rolle zu, denn sowohl ihre Eltern als auch ihr langjähriger Lebenspartner hätten sie bei jeder

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Karriereentscheidung unterstützt und sie ermutigt, den wissenschaftlichen Karriereweg weiterzugehen. Die insgesamt sehr förderlichen Rahmenbedingungen haben dazu beigetragen, dass sich bei Hanna ein solides Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg ausbilden konnte. Anton Anders als Hanna, die ihre Postdoc-Phase fast abgeschlossen hat, hat Anton zum Interviewzeitpunkt gerade erst seine Promotion erfolgreich beendet, und stehe, seinen Aussagen zufolge, kurz davor, seine erste Postdoc-Stelle an einer renommierten Universität im deutschsprachigen Ausland anzutreten. Anton berichtet davon, dass er seine Promotion direkt nach seinem Studium begonnen habe. Sein bisheriger Qualifizierungsweg sei zwar „bruchlos“ verlaufen, aber durch Mobilität und die Konfrontation mit Hindernissen gekennzeichnet gewesen. So führt Anton aus, dass er in der schulischen Oberstufe die Schule gewechselt habe und sich daraufhin ein neues soziales Umfeld habe aufbauen müssen. Nach Abschluss seines Vordiploms sei er auf seinen Wunsch hin erneut mobil geworden und habe einen Aufenthalt in den USA absolviert, um dort seinen Masterabschluss zu machen. Der Auslandsaufenthalt wird in Antons Darstellung zum Schauplatz für die zentrale Herausforderung seines Werdegangs. Zudem manifestiert er die Existenz seines sozialen Umfelds, das ihm beim Umgang mit Problemen unterstützt. So berichtet Anton zwar weder von inhaltlichen noch sozialen Problemen auf seinem bisherigen akademischen Qualifizierungsweg, jedoch betont er, dass seine finanzielle Lage, bedingt durch seinen weniger privilegierten familiären Hintergrund stets problematisch gewesen sei. Aufgrund von Nebenjobs und günstigen Wohnmöglichkeiten im Haus einer Studentenverbindung sei er aber bisher immer gut zurechtgekommen. Jedoch sei er am Ende seines Auslandsaufenthaltes, den er maßgeblich durch Auslands-BAföG habe finanzieren wollen, im Studium vor eine schwierige Entscheidung gestellt worden, denn ihm sei verkündet worden, dass er sein Auslands-BAföG vollständig zurückzahlen müsse, wenn er nicht zusätzlich sein Diplom in Deutschland abschließen, sondern stattdessen unmittelbar seine Promotion beginnen würde. In dieser Situation habe Anton, wie er erzählt, nicht auf die finanzielle Unterstützung seiner Familie bauen können. Darüber hinaus habe er sich u. a. finanziell um seine drei Brüder kümmern müssen. Doch in derartigen (finanziellen) Krisensituationen habe er, ebenso wie bei Karriereentscheidungen, stets Rückhalt durch seine Bundesbrüder aus der Studentenverbindung erfahren, die ihm sowohl zinsfreie Kredite gewährt als auch in jeder Lebenslage beraten hätten. Darüber hinaus berichtet Anton davon, dass ihn die strukturellen Fördermaßnahmen seiner stipendiengebenden Stiftung, wie beispielsweise ein

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Sprachkurs, wie auch ein Vernetzungstreffen mit anderen Stipendiat*innen, sehr motiviert hätten und ihm eine Austauschplattform mit anderen Gleichgesinnten geboten hätten. Auch seine derzeitige feste Partnerin bringe, laut Anton, viel Verständnis für seinen Arbeitsalltag mit. Darüber hinaus könne er sich vorteilhafterweise über seine Arbeitsinhalte mit ihr austauschen, da sie Promovendin im gleichen Fachgebiet an seinem zukünftigen Arbeitsort sei. Sowohl das Meistern von Herausforderungen als auch die Existenz eines stabilen, breit gefächerten Unterstützungsnetzwerks, das sich Anton im Laufe seiner Bildungsbiographie selbst aufgebaut hat, hat sich förderlich auf den Aufbau seines Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg ausgewirkt und ihn darin bestärkt, den akademischen Qualifizierungsweg weiterzuverfolgen. Max Max bisheriger Werdegang ist ähnlich wie der von Hanna, durch Kontinuität in Bezug auf seinen Arbeitsort geprägt, nicht aber in Bezug auf seinen Vorgesetzten, denn Max‘ Promotionsabschluss sei, seinen Ausführungen zufolge, zeitlich mit der Emeritierung seines Doktorvaters und der Auflösung dessen Lehrstuhls zusammengefallen. Aufgrund dessen habe er sich nach Abschluss seiner Promotion proaktiv bei einem neu berufenen Professor, der eine Professur in seinem fachlichen Spezialisierungsbereich angetreten hat, vorgestellt und daraufhin unmittelbar eine Postdoc-Stelle angeboten bekommen. Max‘ kontinuierliche Beschäftigung ist maßgeblich auf sein proaktives Engagement zurückzuführen und ist anders als in Hannas Fall nicht auf das Bemühen um Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten durch seinen Vorgesetzten ermöglicht worden. Neben der mangelhaften Einbindung am Lehrstuhl durch seinen kaum präsenten Doktorvater berichtet Max auch nicht von anderen Berührungspunkten zu seiner Scientific Community, wie beispielsweisen dem Besuch von einschlägigen Fachtagungen. Kontexte, in denen er während seiner Promotionsphase mit anderen Wissenschaftler*innen und Lehrenden punktuell in Kontakt getreten sei, seien Doktorandenseminare gewesen, auf denen er Feedback zu seiner Dissertation erhalten habe, sowie Didaktik-Fortbildungen, bei denen er sich mit Peers aus anderen Fachbereichen ausgetauscht habe. Eine Gemeinsamkeit, die er mit Anton teilt, ist die Existenz von karrierehinderlichen Faktoren auf seinem bisherigen akademischen Werdegang, von denen auch Max zu berichten weiß. So führt Max retrospektiv den Umstand, dass er zu Beginn seiner Promotion nur langsam vorangekommen sei, auf die zwei außeruniversitären Jobs zurück, die er zeitgleich ausgeübt habe. Erst nachdem er die beiden Jobs aufgegeben habe, habe seine Dissertation „an Fahrt aufgenommen“. Von Unterstützungspersonen aus seinem privaten Umfeld oder der

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Existenz einer festen Partnerschaft erzählt Max im Interviewverlauf nicht. Durch seine Eigeninitiative und Verantwortungsübernahme für sich und seine Karriere kann Max ein starkes Gefühl der Selbstwirksamkeit entwickeln, das wiederum sein Vertrauen darin, dass er sein angestrebtes Karriereziel erreichen kann, bestärkt. Peter Peter hat, wie auch Max, Arbeitserfahrungen außerhalb der Universität gesammelt, jedoch nicht zeitgleich zu seiner Promotion, denn anders als bei den anderen porträtierten Wissenschaftler*innen ist Peters Karriereweg bisher weniger kontinuierlich verlaufen. So erzählt Peter davon, dass er nach dem Studienabschluss zunächst einige Zeit in zwei Unternehmen gearbeitet habe. Erst danach habe es ihn, seiner Erzählung zufolge, wieder zurück in die Wissenschaft gezogen, was er schließlich auch realisiert habe. Peters bisherige Bildungs- und Erwerbsbiografie ist durch eine hohe Mobilitätsbereitschaft gekennzeichnet. So berichtet Peter davon, dass er nach dem Abschluss seines Vordiploms ein Auslandssemester in einem europäischen Land absolviert habe. Für seine zweite Stelle in der Wirtschaft sei er ins außereuropäische Ausland gegangen und auch für seine Promotion habe er seinen Lebensmittelpunkt in ein anderes außereuropäisches Land verlegt und sei erst im Jahr vor seinem Promotionsabschluss nach Deutschland zurückgekehrt. Auch in seiner Postdoc-Phase berichtet Max von drei Arbeitsortwechseln über Ländergrenzen hinweg, um seinen Vorgesetzten zu dessen neuen Arbeitsstätten als Assistent zu begleiten. Inwiefern er beim Wechsel der Arbeitsorte auch kontinuierlich vertraglich abgesichert gewesen ist, thematisiert Peter im Interview nicht. Darüber hinaus sind in Peters Erzählung auch keine Hinweise über seine Eingebundenheit in seine Scientific Community zu finden. Auch von Netzwerken und der Partizipation an institutionellen Fördermaßnahmen berichtet Peter nicht. Zwar erzählt Peter davon, dass er eine Ehefrau und zwei Kinder hat, weist ihnen aber keine unterstützende Funktion in Bezug auf seine Karriere zu. Peter konnte in seiner bisherigen Erwerbsbiografie die Erfahrung sammeln, dass wenn er mobilitätsbereit ist, sich stets weitere Beschäftigungsperspektiven für ihn auftun. Es ist anzunehmen, dass diese Erfahrungen Peter auch dabei geholfen haben, sein allgemeines Zukunftsvertrauen in den positiven Fortgang seiner Karriere zu stärken. Steffanie Steffanie berichtet von einem ähnlich lückenlos und stringent verlaufenden Karriereweg wie Hanna. Jedoch sei sie, anders als Hanna, nicht seit Beginn ihrer Promotion am gleichen Lehrstuhl beschäftigt gewesen. Auch sie habe direkt im

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Anschluss an ihr Studium auf das Angebot ihres Doktorvaters hin begonnen, bei ihm zu promovieren. Die ersten beiden Promotionsjahre sei sie, wie sie erzählt, über ein Stipendium finanziert worden und als ihre Finanzierung im Auslaufen begriffen gewesen sei, habe sie sich auf eine Mitarbeiterstelle bei einem Professor an einem nah gelegenen Arbeitsort beworben. Wider ihre Erwartung habe sie die Stelle bekommen. Steffanies Aussagen zufolge sei sie auf ihrem bisherigen Qualifizierungsweg nicht mit Hindernissen konfrontiert gewesen, was sie insbesondere auf die stete Existenz eines sehr unterstützenden Umfelds zurückführt. Neben der guten Einbindung am Lehrstuhl ihres aktuellen Vorgesetzten werde sie auch von anderen Professor*innen am Institut in verschiedenen Belangen sehr gut unterstützt. Demnach würden andere statushöhere Wissenschaftler*innen sowohl ihre Publikationsentwürfe Korrektur lesen wie auch als positive Rollenmodelle fungieren. Weiterhin berichtet Steffanie auch davon, von institutionellen Unterstützungsangeboten profitiert zu haben, die insbesondere in der Phase ihrer Familiengründung sehr hilfreich gewesen seien. Demzufolge hätte sie durch die Finanzierung einer wissenschaftlichen Hilfskraftstelle, die zeitaufwendiges Zuarbeiten für sie erledigt habe, trotz ihrer familiären Verpflichtungen weiterhin ihrer wissenschaftlichen Arbeit nachgehen können. Auch ihr Partner unterstütze sie bei Karriereentscheidungen stets und ermutige sie, den wissenschaftlichen Karriereweg weiterzuverfolgen. Damit berichtet Steffanie von Rahmenbedingungen, die einen positiven Einfluss auf ihren Vertrauensbildungsprozess genommen haben. Faktoren, die ihr Vertrauen erschüttert hätten, erwähnt sie nicht. 6.1.4 Karrierestrategien der Nachwuchswissenschaftler*innen Das (entstehende) Vertrauen der Nachwuchswissenschaftler*innen in den wissenschaftlichen Karriereweg führt, so die Annahme der vorliegenden Studie, zu einer gewissen Bereitschaft, in ihre Karriere zu investieren. Das Gespür dafür, welche Investitionen es zu tätigen gilt, um ihre Karriereziele zu erreichen, entwickeln die Nachwuchswissenschaftler*innen während ihres wissenschaftlichen Qualifizierungsverlaufs. Als „Karriereinvestitionen“ werden das Verfassen von Publikationen, die Präsentation auf Fachtagungen, der Aufbau von Netzwerken, die Einwerbung von Drittmitteln, das Sammeln von Erfahrungen in Lehre und akademischer Selbstverwaltung, das Engagement in universitären Gremien, die Erfüllung von Studierenden-Serviceaufgaben, als auch die Betreuung von Studierenden und Promovierenden betrachtet. Geleitet von ihrem Habitus, der durch ihre sozialen Laufbahnen durch verschiedene Subfelder, hier insbesondere das wissenschaftliche Feld, geprägt und von Bourdieu als „Erzeugungsprinzip von Strategien“ (Bourdieu1976: 165, 169) definiert wird, entwickeln die

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Akteure, so die Annahme, gewisse Modi sich selbst zu präsentieren. Zu den Selbstdarstellungspraktiken zählen sowohl das Hervorheben gewisser Persönlichkeitsmerkmale, der Verweis auf bestimmte Fähigkeiten oder eine bestimmte Arbeitsmoral und das Signalisieren einer gewissen Bereitschaft, sich den feldinternen Spielregeln und Glaubenssätzen zu unterwerfen (oder auch nicht). Damit einher geht auch ein Gefühl der Akteure dafür, welche Belohnungen sie für ihre Investitionen beanspruchen können. Zu diesen Belohnungen können beispielsweise das Gewähren von bestimmten Freiheiten, ein wertschätzender Umgang, die Verfügung über bestimmte Ressourcen, die Protektion durch Vorgesetzte, die Ermöglichung von Beschäftigungsperspektiven sowie eine adäquate Bezahlung zählen. Ebenso ist es möglich, dass sich die Akteure nicht in der Position sehen, Ansprüche stellen zu können, und dies auch so äußern. Hanna Hanna präsentiert sich mit einem Gespür dafür, worin sie investieren muss, um ihr Karriereziel, die Professur, erreichen zu können. Ihr unterstützendes berufliches und privates Umfeld erweist sich für Hanna als Katalysator bei der zielgerichteten Verfolgung ihrer Karrierestrategien. So berichtet sie davon, dass es ihr gelungen sei, sogar in internationalen Fachzeitschriften Artikel zu platzieren. Weiterhin erwähnt sie, dass sie bereits in einer frühen Karrierephase autonom an einschlägigen Fachtagungen partizipiert und sich bei derartigen Gelegenheiten auch mit anderen Wissenschaftler*innen ihrer Scientific Community vernetzt habe. Neben der Akkumulation von wissenschaftlichem Kapital führt Hanna zudem an, dass sie seit Promotionsbeginn regelmäßig Lehrveranstaltungen durchgeführt und Erfahrung bei der Betreuung von Studierenden gesammelt habe. Hanna vermag glaubwürdig darzustellen, dass sie die Bereitschaft mitbringt, sich der Illusio, den Glaubenssätzen des wissenschaftlichen Feldes, zu unterwerfen und entsprechende Investitionen zu tätigen. So weist sie darauf hin, dass Wissenschaftlerinsein für sie kein Beruf, sondern eine Berufung sei. Sie vertritt die Ansicht, dass man, um Erfolg zu haben, Wissenschaft als Lebensform praktizieren müsse, weshalb es für Hanna selbstverständlich sei, auch am Wochenende zu arbeiten. Zudem sei die wissenschaftliche Tätigkeit, Hannas Ausführungen zufolge, keine nüchterne und sachliche Arbeit, sondern eine, die man mit Leidenschaft und Begeisterung betreiben müsse. Weiterhin glaubt sie fest daran, dass ihre erbrachte Leistung der wichtigste Erfolgsfaktor auf ihrem Karriereweg sei. Die karriereförderliche Wirkung von sozialen Faktoren negiert Hanna nicht, jedoch würde sie beispielsweise die Unterstützung durch ihren Doktorvater nur als zweitrangig für ihren Erfolg ansehen. Als Hanna von ihrer Familiengründung erzählt, legt sie besonderen Wert darauf, sich nicht in erster

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Linie als Frau und Mutter zu präsentieren, sondern als aufstrebende Wissenschaftlerin, die trotz der Familiengründung ihr Karriereziel nicht aus den Augen verloren hat. So betont Hanna, dass sie trotzdem jede Statuspassage zügig sowie erfolgreich durchlaufen habe und berichtet nicht davon, dass ihre Mutterrolle, ihr Zeitbudget für ihre wissenschaftliche Arbeit eingeschränkt oder ihre Prioritäten verändert habe. Hannas Modus der Selbstpräsentation wirkt selbstbewusst und fordernd und sie bekräftigt, dass sie das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten als essentiell für das erfolgreiche Beschreiten des wissenschaftlichen Karrierewegs ansehe. Hanna präsentiert sich als legitime Anwärterin auf eine Erfolgsposition im wissenschaftlichen Feld. Aus ihrer Erzählung wird deutlich, dass sie eine klare Vorstellung davon hat, wie sie von anderen Wissenschaftler*innen und von ihrem Arbeitgeber behandelt werden möchte. So beansprucht Hanna nicht nur von ihrem Vorgesetzten, sondern auch von der Universität als Arbeitgeber, Anerkennung für ihre Leistungen zu erfahren. Den Umstand, dass die Universität ihr weder eine (dauerhafte) Beschäftigungsperspektive offeriere noch adäquate Unterstützungsangebote zur Verfügung stelle, um ihr angestrebtes Karriereziel realisieren zu können, bemängelt Hanna klar und weist darauf hin, dass sie ein derartiges Verhalten als mangelnde Wertschätzung empfindet. Und dies habe Hanna zufolge auch dazu geführt, dass sie ihrem Arbeitgeber kein Vertrauen schenke. Anton Gleichwohl Antons Postdoc-Phase gerade erst begonnen hat, berichtet er bereits von einigen Investitionen in den wissenschaftlichen Karriereweg. So erzählt er von der Publikation der Ergebnisse seiner Doktorarbeit in einer renommierten Fachzeitschrift und berichtet auch von der Teilnahme an Fachtagungen. Darüber hinaus erwähnt Anton sein Engagement am Lehrstuhl seines Doktorvaters, wo er Übungen für Studierende abgehalten und auch Experimente der Studierenden betreut habe. Anton präsentiert sich als Person, die, wenn die wissenschaftliche Erkenntnisproduktion es erfordere, bereit sei, ihre ganze Energie uneingeschränkt in die wissenschaftliche Arbeit zu investieren. Anton lässt bei seiner Erzählung keinen Zweifel daran, dass er Wissenschaft als Lebensform begreift, und berichtet auch von Phasen, in denen er zeitweise sogar auf menschliche Grundbedürfnisse, wie Schlaf, verzichtet habe, um erfolgreich zu sein, wie z.B. in der Endphase seiner Doktorarbeit. Den Umstand, dass er in seinem wissenschaftlichen Alltag des Öfteren auch mit Konkurrenzsituationen konfrontiert gewesen sei, beispielsweise wenn zwei Arbeitsgruppen am gleichen Thema forschen würden und es darum gehe, wer die Ergebnisse als Erster publiziert, nutzt Anton, um seine präferierte Art zu arbeiten vorzustellen. So

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führt Anton an, dass er auch unter großem Druck Erkenntnisse produzieren könne und sich durch positive Konkurrenzsituationen sogar zusätzlich motiviert fühle, sein Bestes zu geben, um zu reüssieren. Bei der Publikation der Ergebnisse seiner Doktorarbeit sei ihm dies gelungen. In der Wissenschaft und auf dem Sportplatz sei Anton die Einhaltung von Spielregeln und Fairness im Wettstreit von besonderer Wichtigkeit. Er präsentiert sich mit einem Verständnis von seiner Arbeitsgruppe als „Team“. Und für Anton gilt: Konkurrenz zu anderen Teams ist gut und motivierend, Konkurrenz im eigenen Team wertet er hingegen nicht als förderlich für das Arbeitsklima und für den wissenschaftlichen Output. Nichtsdestotrotz weist Anton darauf hin, dass er in Phasen, in denen er auf sich allein gestellt habe arbeiten müssen, sein Ziel nicht aus den Augen verloren habe und produktiv gewesen sei. Anton präsentiert sich als belastbare und durchsetzungsfähige Person, die den positiven Wettstreit mit anderen schätzt. Zudem sei er sehr „frustrationstolerant“, was er an dem Umstand festmacht, dass er erst in den letzten zwei Monaten vor Abgabe seiner Doktorarbeit seine Daten habe messen können. Weiterhin erzählt Anton davon, dass er aufgrund seines problematischen familiären Hintergrunds auch dazu gezwungen gewesen sei, Strategien im Umgang mit Belastungssituationen zu entwickeln, und daher darum bemüht gewesen sei, proaktiv das Beste aus einer gegebenen Situation zu machen. So würde er zunächst immer sein eigenes Fortkommen priorisieren, denn nur, wenn er zurechtkomme, so seine Einstellung, könne er auch anderen, wie z.B. seinen Geschwistern, helfen. Von dieser Fähigkeit profitiere er auch beruflich. Weiterhin wird aus Antons Selbstpräsentation ersichtlich, dass er die Spielregeln des wissenschaftlichen Feldes verstanden hat und zu wissen scheint, welche Investitionen karriereförderlich sind. So präsentiert er sich mit einem Verständnis dafür, dass ein zügiges Durchlaufen von Statuspassagen eine positive Signalwirkung auf statushöhere Wissenschaftler*innen hat. Dieses Wissen habe ihm bei seiner Entscheidung geholfen, unmittelbar nach seiner Rückkehr aus den USA seine Promotion zu beginnen, trotz finanzieller Einbußen resultierend aus seinen Rückzahlungen des Auslands-BAföGs. Antons Gespür für karriereförderliche Investitionen spiegelt sich auch in seiner Begründung für die Wahl der Arbeitsgruppen wider. So erwähnt er jeweils beiläufig, dass für die Themen, an denen die Arbeitsgruppen forschen würden, bereits Nobelpreise verliehen worden seien. Auch der positiven Signalwirkung von erfolgreichen Stipendieneinwerbungen sei er sich durchaus bewusst. Daher sei er auch gewillt, für die Finanzierung seiner Postdoc-Stelle ein weiteres Stipendium einzuwerben, das dann das vierte auf seinem bisherigen Qualifizierungsverlauf sei. Anton präsentiert sich mit dem Glauben daran, dass seine wissenschaftliche Leistung zentraler Prädiktor für seine Chancen auf eine Professur

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sei. Und wenn es ihm gelinge, in den folgenden zwei Jahren genug zu leisten und Publikationserfolge zu erzielen, werde er auch eine Professur als Lohn für seinen Einsatz beanspruchen. Neben seiner Leistung erkenne Anton aber auch die Wichtigkeit von Unterstützer*innen für den Karriereerfolg an. Von seinem zukünftigen Arbeitsgruppenleiter erwarte Anton, dass er ihn durch seine Expertise und durch seine Kontakte bei seinen zukünftigen Karriereschritten unterstützten werde und ihm die Möglichkeit biete, in einem motivierenden Arbeitsumfeld zu forschen. Eine Belohnung für seine Leistung durch seinen Arbeitgeber, der Universität, beansprucht er, anders als Hanna, nicht. Max In Bezug auf seine Karriereinvestitionen hebt Max insbesondere seine umfangreiche Lehrerfahrung und seine Erfahrung mit dem Lehrstuhlmanagement hervor, denn er habe schließlich schon seinen eigenen „Mikrolehrstuhl“ geleitet. Darüber hinaus berichtet Max von seiner Erfahrung im Bereich Studierendenservice, die sowohl eine allgemeine Studienberatung als auch inhaltliche Betreuung von Studierenden und Promovierenden umfasst. Zudem erwähnt er sein Engagement in universitären Gremien und berichtet vom Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen im Bereich Didaktik sowie dem Erwerb eines Hochschullehrerzertifikats. Weiterhin habe Max bereits erste Publikationserfolge in Form von Tagungsbeiträgen erzielt, die er basierend auf sehr guten Seminararbeiten von Masterstudierenden erstellt habe. Bei seiner Selbstpräsentation hebt Max insbesondere seine Fähigkeit des proaktiven Handelns, des innovativen Denkens sowie sein Gespür für den Nutzen, den er für andere Wissenschaftler*innen hat, hervor. So habe er sich nach seiner Promotion und dem Auslaufen seines Arbeitsvertrags eigeninitiativ bei einem neu berufenen Professor an seiner Uni vorgestellt und ihm seine Unterstützung beim Studiengangs-Management angeboten. Daraufhin habe er unmittelbar von ebenjenem Professor ein Gegenangebot in Form einer Mitarbeiterstelle erhalten. Die Beschreibung der Beziehung zu diesem Professor dient Max dazu, seinen Anspruch in Bezug auf seine wissenschaftliche Arbeit deutlich zu machen. Ein strategisches Vorgehen sowohl beim Publizieren als auch bei der Vernetzung mit anderen Wissenschaftler*innen lehne er klar ab. Publikationsstrategien, die seine Erfolge bei Artikeleinreichungen optimieren, aber weniger durch ein inhaltliches Interesse geleitet seien, seien mit seinem erkenntnisgeleiteten Anspruch an seine wissenschaftliche Arbeit nicht kompatibel. Darüber hinaus sei er dazu bereit, riskante Forschungsvorhaben durchzuführen, was er mit seiner Dissertation bewiesen habe. So habe ihm sein Interesse für risikoreiche Forschungsvorhaben bei Doktorandenseminaren bereits das Feedback eingebracht, dass er zu viel

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„blue sky“67 Forschung mache. Diese Rückmeldungen hätten Max jedoch nicht verunsichert, sondern darin bestärkt, dass er weiter an der Darstellung seiner Themen arbeiten müsse, damit ihn auch „normale“ Wissenschaftler*innen nachvollziehen könnten. Denn er vertrete die Auffassung, dass die Durchsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen allein von ihrer logischen Nachvollziehbarkeit abhänge und nicht von den Vorlieben anderer Wissenschaftler*innen. Dem sozialen Miteinander in der Wissenschaft weist Max in seiner Erzählung eine untergeordnete Rolle zu. Daher entziehe er sich auch meist Situationen, in denen das Zwischenmenschliche im Vordergrund stünde, wie bei den privaten Feiern, zu denen sein Doktorvater regelmäßig eingeladen habe. Zudem führt Max nicht an, dass er die Existenz sozialer Netzwerke als wichtigen Karrierefaktor begreift. Max präsentiert sich als unabhängiger Wissenschaftler, der Spitzenforschung machen möchte. Seine Karriereinvestitionen tätigt er jedoch vor allem in den Bereichen Lehre und Administration, was kongruent mit seinem angestrebten Karriereziel ist, einer Dauerstelle, die vor allem Lehre beinhalten soll. Er beansprucht nicht, als exzellenter Forscher von anderen Wissenschaftler*innen im Feld anerkannt zu werden, vielmehr sei die Forschung ein Selbstzweck für ihn, bei der er seinen Erkenntnisdrang ausleben könne. Jedoch beansprucht Max für seine berufliche Zukunft eine Stelle als Hochschullehrender. Er sei davon überzeugt, dass es Universitäten (im Ausland) gebe, die seine Fähigkeiten und Leistungen zu schätzen wüssten und ihn daher längerfristig an sich würden binden wollen. Max präsentiert sich als selbstsicherer Wissenschaftler mit einem optimistischen Blick in seine berufliche Zukunft. Peter Peter zeichnet sich durch eine sehr hohe Mobilitätsbereitschaft aus, denn er wurde in seiner bisherigen Bildungs- und Erwerbsbiografie bereits mehrfach mobil und das sogar über Landesgrenzen hinweg. Seine Mobilität ist Peters zentrale Investition in seine Karriere. Er habe bereits mehrfach bei Stellenwechseln seines Vorgesetzten das Angebot bekommen, weiter für ihn als Assistent zu arbeiten. Und da eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit seinem Vorgesetzten auch in Peters Interesse gelegen habe, sei er ihm mittlerweile dreimal zu einem neuen Arbeitsort gefolgt. Im Kontrast zu Max hebt Peter nicht in besonderem Maße seine Autonomie hervor, sondern präsentiert sich als Mitglied einer „Zweiermannschaft“, die aus ihm und seinem Vorgesetzten bestehe. Peter stellt seine hohe Mobilität aber nicht als zentrale Investition in seine Karriere 67 Als „blue-sky research“ wird definiert: „Research that is not directed towards any immediate or definite commercial goal, but may have applications in the future“ (Oxford Living Dictionaries 1950).

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6 Wie Vertrauen wissenschaftliche Persönlichkeiten schafft

dar, sondern präsentiert sich demütig gegenüber dem Umstand, dass sein Vorgesetzter ihn stets zu den neuen Arbeitsorten mitgenommen hat. Peter fühle sich wie ein „glücklicher Überlebender eines Schiffsunglücks“ und betrachte es als großes Glück, dass er als „normaler“ Wissenschaftler, der „keine außerordentliche Intelligenz“ mitbringe, schon so lange in der Wissenschaft verweilen könne. Bei seiner Selbstdarstellung als „Durchschnittswissenschaftler“ vergleicht sich Peter mit seinem Vorgesetzten, dem er „außerordentliche Intelligenz“ und die Fähigkeit, „dreimal schneller“ als ein „normaler“ Mensch zu denken, zuschreibt. Da es ihm an den notwendigen Eigenschaften, wie ausreichender Intelligenz als auch an Stressresistenz mangele, beanspruche er keine Professur für sich. Weiterhin äußert Peter nicht, dass er es, wie beispielsweise Hanna, als mangelnde Wertschätzung der Universität empfinde, dass ihm keine Dauerstelle als Gratifikation für seine Leistung in Aussicht gestellt werde. Vielmehr stimme es ihn hoffnungsvoll, dass es durch eine glückliche Fügung und die Fürsprache seines Vorgesetzten zu einer Entfristung seiner Stelle kommen könnte. Die einzige Erwartung, die Peter an seinen Vorgesetzten stelle, sei, dass er „menschliche Verantwortung“ für ihn übernehme und sich um eine dauerhafte Beschäftigungsoption für ihn bemühe. Und da sein Vorgesetzter diese „menschlichen Qualitäten“ besitze, sei es Peters Wunsch, längerfristig mit ihm zusammenzuarbeiten. Steffanie Eine der ersten Karriereinvestitionen in ihren Qualifizierungsverlauf, von denen Steffanie berichtet, seien ihre freiwillig unentgeltlich angebotenen Lehrveranstaltungen gewesen. Diese Investition habe sie, ihren Ausführungen zufolge, deswegen getätigt, da sie zu Beginn ihrer Promotionszeit über ein Stipendium finanziert gewesen sei und stärker in den universitären Alltag eingebunden sein wollte. Auch während ihrer Postdoc-Phase habe sie im Rahmen ihrer Tätigkeit als Lehrstuhlmitarbeiterin regelmäßig Lehrveranstaltungen angeboten, Studierende betreut und sich um das Erasmus-Programm gekümmert. Im Rahmen der Recherchen für ihre Dissertation habe sie auch diverse Forschungsreisen unternommen und Archive in verschiedenen Ländern aufgesucht. In Bezug auf ihre Selbstpräsentation erweckt Steffanie den Eindruck, dass sie ein Wissen um geschlechtsspezifische Zuschreibungen im wissenschaftlichen Feld besitzen würde, welche sich meist nachteilig auf die Karrierechancen von Frauen auswirken würden. Für sie persönlich habe sich, wie sie anführt, ihr „Frausein“ bisher jedoch nie nachteilig ausgewirkt. Da die zentralen Betreuungspersonen in ihrem bisherigen Qualifizierungsverlauf beide Männer (gewesen) seien, führt Steffanie den Umstand, dass an ihrem Institut auch ausreichend weibliche

6.2 Generierung einer gegenstandsbezogenen Theorie zum Karrierevertrauen

275

Rollenvorbilder vorhanden seien, als wichtig dafür an, dass die Professur, „trotz“ ihres Geschlechts erst in ihren Vorstellungsraum gerückt sei. Eine Position, die Steffanie vor dem Hintergrund ihrer erbrachten Leistungen, anders als Hanna, nicht selbstverständlich beansprucht. Denn anders als Hanna, die bei ihrer Selbstdarstellung vor allem ihre wissenschaftlichen Leistungen in den Vordergrund rückt und nur am Rande ihre Familiengründung erwähnt, thematisiert Steffanie ihr Geschlecht und damit einhergehende familiäre Verpflichtungen bei ihrer Selbstdarstellung deutlich stärker. So differenziert Steffanie bei der Erzählung ihres Werdegangs und ihrer getätigten Investitionen klar zwischen der Zeit, bevor sie Mutter geworden ist und der Zeit danach. Anstatt bei der Schilderung ihrer Familiengründungsphase ihre hohe Belastungsfähigkeit herauszustellen, berichtet Steffanie davon, dass ihr Zeitbudget für ihre wissenschaftliche Tätigkeit wie auch ihre Leistungsbereitschaft durch die Kinder eingeschränkt worden seien. Denn mit den Kindern hätten sich, Steffanies Erzählung zufolge, auch ihre Prioritäten verändert und ihre Bereitschaft, auch an den Wochenenden zu arbeiten, sei seither sehr eingeschränkt. Aufgrund dessen sei auch ihre Habilitation noch nicht so weit fortgeschritten wie es „wünschenswert“ wäre. Und Steffanie macht auch deutlich, dass ihr bewusst sei, dass sie damit nicht (mehr) der im wissenschaftlichen Feld geforderten Arbeitsmoral entspreche, die besagt, dass Wissenschaft als Lebensform zu betreiben sei. Anders als Hanna beansprucht Steffanie nicht selbstverständlich vor dem Hintergrund ihrer erbrachten Leistungen eine Erfolgsposition in der Wissenschaft und erweckt den Eindruck, dass ihr ein derartiger Anspruch vor dem Hintergrund ihrer veränderten Investitionsbereitschaft nicht legitim erscheint. Vielmehr stellt Steffanie heraus, dass sie denkt, beweisen zu müssen, dass sie das Vertrauen ihres Arbeitgebers, der Universität, verdient hat, und vertritt die Meinung, dass sie nicht in der Position sei, Forderungen zu stellen wie etwa Hanna. Statt zu fordern, äußert Steffanie demütig den Wunsch, auch in Zukunft in der Wissenschaft tätig bleiben zu wollen. Eine Position, auf der sie weiterhin das tun könne, was sie gerne tut, sei für sie eine ausreichende Belohnung für ihr bisheriges Engagement. 6.2 Generierung einer gegenstandsbezogenen Theorie zum Karrierevertrauen Im Folgenden wird zunächst auf die Kernkategorien der entwickelten gegenstandsbezogenen Theorie und auf die wesentlichen funktionalen Modellzusammenhänge eingegangen. Die vorliegende Studie präsentiert Indikatoren, um das unscharfe und meist nur praktisch implizit wirksame Phänomen, nämlich das Vertrauen der Nachwuchswissenschaftler*innen in den wissenschaftlichen Karriereweg, empirisch erfassen zu können. Ein weiteres Ziel der Arbeit ist es,

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diejenigen Faktoren, die das Entstehen von Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg bedingen, in das Blickfeld zu rücken. Interpersonalen und generalisierten Vertrauens- sowie Misstrauenserfahrungen wird in der vorliegenden gegenstandsbezogenen Theorie eine besonders wichtige Rolle für den Vertrauensbildungsprozess zugewiesen. Darüber hinaus werden weitere Faktoren präsentiert, die den bisherigen akademischen Qualifizierungsweg der Akteure rahmen und die die Vertrauensentwicklung sowohl befördern als auch behindern können. Weiterhin soll durch das vorliegende Karrieremodell verdeutlicht werden, wie die Ausprägung des Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg bei den Nachwuchswissenschaftler*innen ihre Karrierestrategien und ihre Verweilabsichten auf dem wissenschaftlichen Karrierepfad beeinflussen kann. Eine Besonderheit in diesem Zusammenhang stellt der Anspruch der Arbeit dar, nicht nur das bewusst rationale, karrierestrategische Handeln der Akteure abzubilden, sondern gleichermaßen das Verhalten der Akteure zu berücksichtigen, das aus ihrer Position in einem sozialen Gefüge resultiert. Mich auf die Feldtheorie Bourdieus beziehend, intendiere ich die Karrierestrategien und Karriereaspirationen der Nachwuchsakteure vor dem Hintergrund ihrer sozialen Laufbahn im wissenschaftlichen Feld zu verstehen, denn obwohl die Anwärter*innen auf eine Position im wissenschaftlichen Feld von den Inhaber*innen von Erfolgspositionen noch nicht als gleichwertige Mitspieler*innen anerkannt werden, sind sie im Laufe ihres akademischen Werdegangs den Feldeffekten bereits in gewissem Umfang ausgesetzt. Dies wiederum trägt dazu bei, dass sie eine gewisse Bereitschaft und Gespür für die relevanten Investitionen in ihre Karriere entwickeln. Geleitet von ihrem wissenschaftlichen Habitus neigen die Akteure zu gewissen Formen der Selbstpräsentation und stellen, berührt von der Illusio des wissenschaftlichen Feldes, bestimmte Ansprüche an ihre wissenschaftliche Arbeit und die Organisation ihres Arbeitsalltags. Die vorliegende Grounded Theory zum Karrierevertrauen von Nachwuchswissenschaftler*innen intendiert somit, gezielt jene Einflüsse auf die Karrierestrategien und auf die Entwicklung von Karriereaspirationen der Noviz*innen zu erfassen, die jenseits eines bewusst strategischen Agierens einzuordnen sind. Damit rückt die Arbeit in besonderer Weise die Komplexität von Gründen bzw. Ursachen in den Fokus, die das Verweilen der Nachwuchswissenschaftler*innen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg beeinflussen, und liefert Erklärungsansätze, die über den bisherigen Forschungsstand hinausgehen. 6.2.1 Grounded Theory zum Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg Zunächst wird die entwickelte Theorie in Abbildung 12 in Form eines Funktionsmodells grafisch dargestellt, um im Anschluss daran die Kernkategorien und

6.2 Generierung einer gegenstandsbezogenen Theorie zum Karrierevertrauen

277

zentralen Zusammenhänge des Modells ausführlich zu erläutern. Die einzelnen Zusammenhänge werden der besseren Nachvollziehbarkeit wegen mit Nummern versehen, auf die in der nachfolgenden Erläuterung des Modells Bezug genommen wird.

5

Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg

4

2

Sonstige Bedingungsfaktoren

Vertrauensund Misstrauenserfahrungen

Karrierestrategien

6

8

7

9

1

3

Karriereaspiration

Legende zur Abbildung Zentrale Zusammenhänge der Grounded Theory zum Karrierevertrauen Weitere Zusammenhänge der Grounded Theory zum Karrierevertrauen

Abbildung 12: Funktionale Zusammenhänge der Grounded Theory zum Karrierevertrauen von Nachwuchswissenschaftler*innen Quelle: Eigene Darstellung

Das Phänomen „Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg“ Da ein zentrales Merkmal des wissenschaftlichen Karrierewegs seine Risikohaftigkeit ist, bedarf es für die Nachwuchswissenschaftler*innen einer Ressource, die ihnen dabei hilft, die Ungewissheit zu tolerieren und handlungsfähig zu bleiben. Bei ebenjener Ressource handelt es sich um Vertrauen, das als „Einstellung, die uns in kooperativer Orientierung und bei gleichzeitiger Akzeptanz der durch Vertrauen entstehenden Verletzbarkeiten davon ausgehen lässt, dass ein für uns wichtiges Ereignis oder eine für uns wichtige Handlung in Übereinstimmung mit unseren Wünschen und Absichten eintritt, ohne dass wir das Eintreten oder Ausführen dieses Ereignisses oder dieser Handlung mit Gewissheit vorhersagen oder intentional herbeiführen können“ (Hartmann 2011: 56).

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6 Wie Vertrauen wissenschaftliche Persönlichkeiten schafft

In der vorliegenden Arbeit handelt es sich konkret um das Vertrauen der Nachwuchsakteure in den wissenschaftlichen Karriereweg, ihr Vertrauen darin, dass sie ihr angestrebtes Karriereziel unter Anwendung bestimmter Karrierestrategien trotz der Risikohaftigkeit und begrenzten Planbarkeit einer Karriere in der Wissenschaft erreichen können. Das Karrierevertrauen ist als eine Art Zukunftsvertrauen68 in den positiven Ausgang der Ereignisse zu fassen und ist daher immer nur in Zusammenhang mit dem jeweiligen angestrebten Karriereziel der Akteure zu verstehen (Zusammenhang 1 im Modell). Demzufolge ist das Vertrauen in den Karriereweg umso konkreter, je klarer die Akteure bereits ein Karriereziel für sich festgelegt haben. Da es sich gewissermaßen um eine positive „Erwartung unter der Bedingung von Unsicherheit“ (Nuissl 2002: 89) handelt, kann, worauf Endreß richtigerweise hinweist, im Falle einer klassischen Beamtenlaufbahn, anders als bei einer Wissenschaftler*innenlaufbahn eigentlich nicht von „Vertrauen“ gesprochen werden (Endreß 2002: 74). Denn bei einer Beamtenkarriere ist der schrittweise Aufstieg so stark institutionalisiert, dass er im Normalfall mit Sicherheit vorhergesagt werden kann. Das Karrierevertrauen der Nachwuchswissenschaftler*innen tritt meist nur im impliziten, fungierenden Modus in Erscheinung: Allein in Situationen, die als besonders unsicher einzuschätzen sind (Giddens 1995: 48), beispielsweise bei Statusübergängen, beim Auslaufen von Arbeitsverträgen oder im Falle von Vertrauensbrüchen bzw. massiven vertrauenserschütternden Erfahrungen (Endreß 2002: 72), wird es bewusst durch die Nachwuchswissenschaftler*innen reflektiert. Darüber hinaus fungiert es vielmehr als eine das „Verhalten und Handeln stillschweigend begleitende Interaktionsressource“ (ebd.: 68) für die Nachwuchsakteure, mit der sie mit einer „pragmatischen Reflexivität” (ebd.: 70) umgehen. Insbesondere diese Eigenart von Vertrauen macht es notwendig, seine Existenz maßgeblich anhand von anderen Indikatoren, die in enger Verbindung mit dem Phänomen stehen bzw. durch dieses erst hervorgerufen werden, aus den Erzählungen der Nachwuchswissenschaftler*innen zu rekonstruieren. In Bezug auf das Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg kann der Umstand, dass die Nachwuchswissenschaftler*innen keine konkreten Exit-Gedanken aus der Wissenschaft äußern und von keinen alternativen Karriereplänen berichten, als Hinweis darauf gewertet werden, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten, ihr präferiertes Karriereziel realisieren zu können, wenngleich sie es nicht mit Sicherheit wissen.

68 Nach Krampen und Hank (2004) ist als „Zukunftsvertrauen“ ein „positiver Aspekt der seelischen Gesundheit und personaler Ressourcen komplementär zur Hoffnungslosigkeit“ (Krampen und Hank 2004: 676) zu verstehen.

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Vertrauensbildende und vertrauenserodierende Erfahrungen Vertrauenserfahrungen auf dem akademischen Qualifizierungsweg tragen in besonderem Maße zur Entstehung eines Karrierevertrauens bei (Zusammenhang 2 im Modell). Bezüglich der vertrauensbildenden- und bzw. oder erodierenden Erfahrungen gilt es, zwischen zwei Entstehungskontexten zu differenzieren. Einerseits kann durch die Existenz von interpersonalen Vertrauensbeziehungen zwischen Wissenschaftler*innen gleicher oder unterschiedlicher Karrierestufe und zwischen den Nachwuchswissenschaftler*innen und Personen aus ihrem privaten Umfeld das Vertrauen in den Karriereweg bestärkt werden. Andererseits spielen generalisierte Vertrauenserfahrungen, die durch die Interaktion der Nachwuchswissenschaftler*innen mit ihren zentralen wissenschaftlichen bzw. universitären Bezugskontexten und deren Selbststeuerungsinstrumenten bzw. Qualitätssicherungsinstrumenten generiert werden, eine wichtige Rolle beim Aufbau eines Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg. Zwischenmenschliche Vertrauensbeziehungen sind als „Anerkennungsverhältnisse“ (Hartmann 2011: 34) zu verstehen, die sich anhand von verschiedenen Merkmalen und vertrauensbildenden Praktiken charakterisieren lassen. Die „anerkennende Dimension“ (ebd.: 17) des Vertrauens der Betreuenden in ihren wissenschaftlichen Nachwuchs zeigt sich beispielsweise im Handlungsspielraum, den sie ihren Noviz*innen gewähren. Erfahren Promovierende bereits früh im Qualifizierungsverlauf Autonomie und erhalten damit die Möglichkeit, sich als eigenständige*r Wissenschaftler*in zu präsentieren, wird ihr Selbstvertrauen in ihre Kompetenzen und Fähigkeiten gestärkt (ebd.: 34). Wird Doktorand*innen bspw. die Möglichkeit eingeräumt, selbstständig eine Lehrveranstaltung zu planen und durchzuführen oder mit einem eigenen Beitrag an einer Fachtagung zu partizipieren und sind sie dabei erfolgreich, wird sowohl ihr Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten gestärkt als auch ihr Vertrauen darin, die Anforderungen, um Erfolg in der Wissenschaft zu haben, erfüllen zu können. Der ideale Handlungsspielraum ist durch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Nähe und Distanz gekennzeichnet: Bei der Gewährung von Autonomie muss die Möglichkeit eingeräumt werden, Rückfragen stellen zu können. Denn „Vertrauen […] ist beides: eine Kultur der Nähe unter Achtung der Distanz, die der Respekt der Nähe erfordert“ (Endreß 2012: 99). Weiterhin können das Gewähren von Vertragsverlängerungen und die Ermöglichung von flexiblen Arbeitsarrangements, beispielsweise in der Phase der Familiengründung, als Vertrauensbeweise gedeutet werden. Neben einer positiven, förderlichen Dimension von interpersonalem Vertrauen gibt es auch eine negative, potenziell schädliche Dimension, denn mit dem

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Gewähren eines Vertrauensvorschusses geht auch das Risiko des Vertrauensmissbrauchs einher. Damit sich eine Vertrauensbeziehung überhaupt erst etablieren kann, bedarf es einer Toleranz des damit einhergehenden Verletzungspotenzials durch beide Vertrauenspartner*innen (Hartmann 2011: 17). Demnach müssen Nachwuchswissenschaftler*innen, um ein Vertrauen in Betreuende und Fördernde aufzubauen, auch eine gewisse Ambiguitätstoleranz mitbringen. Die Verletzbarkeiten der Vertrauenspartner*innen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg sind jedoch ungleich, denn die meisten karriererelevanten Vertrauensbeziehungen der Nachwuchswissenschaftler*innen zeichnen sich dadurch aus, dass sie zu statusmächtigeren Akteuren im wissenschaftlichen Feld unterhalten werden und damit asymmetrische Beziehungen sind. Aufgrund dessen ist die Verletzungsmacht, die Professor*innen gegenüber ihrem wissenschaftlichen Nachwuchs besitzen, deutlich größer. Sollte sich das Vertrauen der Noviz*innen in ihre akademischen Lehrer*innen als nicht gerechtfertigt erweisen, beispielsweise wenn Professor*innen ihre Promovierenden durch die Einbindung in Lehrstuhlaufgaben zu sehr auslasten, statt ihnen ausreichend Zeit für ihre wissenschaftliche Weiterqualifikation einzuräumen, oder sie nicht bzw. „falsch“ bezüglich ihrer Karrierestrategien beraten, steht womöglich ihr Qualifikations- und Karriereerfolg auf dem Spiel. Dagegen steht bei den Professor*innen im Falle dessen, dass ihr Vertrauen in ihren wissenschaftlichen Nachwuchs enttäuscht wird und es beispielsweise zu einem Promotionsabbruch kommt, höchstens ihre Reputation als erfolgreiche*r Nachwuchsausbilder*in auf dem Spiel. Die Betrachtung der relationalen Positionen der Vertrauenspartner*innen im wissenschaftlichen Feld ist daher bedeutsam, um eine Vertrauensbeziehung näher charakterisieren zu können. Ein weiterer wichtiger Aspekt zur detaillierten Beschreibung einer Vertrauensbeziehung ist die Konkretheit oder Diffusität des gegenseitigen Vertrauens und damit die Frage, „worin“ gegenseitig vertraut wird. So kann es sich um ein eher diffuses, generelles Vertrauen in das Wohlwollen des Vertrauenspartners bzw. der Vertrauenspartnerin handeln oder aber um das Vertrauen in eine spezifische Kompetenz oder Verhaltensweise der Person. Beispielsweise können Nachwuchswissenschaftler*innen darin vertrauen, dass ihre Betreuenden die Kompetenz besitzen, ihnen zu vermitteln, welche Investitionen sie tätigen müssen, um ihr präferiertes Karriereziel erreichen und sich gegen Mitkonkurrent*innen durchsetzen zu können, wohingegen Professor*innen beispielsweise darin vertrauen können, dass ihr*e Promovierende*r „sauber“ wissenschaftlich arbeitet und die Promotion zügig sowie erfolgreich abschließt.

6.2 Generierung einer gegenstandsbezogenen Theorie zum Karrierevertrauen

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Gleichwohl Vertrauen nicht „grundlos“ (Hartmann 2011: 16) gewährt wird, gilt es in einer gemeinsamen sozialen Praxis zu beweisen, dass der bzw. die Vertrauensempfänger*in das Vertrauen auch verdient hat. Denn „die Gründe, auf denen […] [das Vertrauen] beruht [...] sind ungesättigt und bedürfen erst einer Praxis, in der sie gleichsam vervollständigt oder gesättigt werden“ (ebd.: 16 f.). Daher ist auch bei der Initiation einer Vertrauensbeziehung zunächst ein „stillschweigenden Einverständnis“ (Beaufaÿs 2003: 198) der beteiligten Parteien, ein gegenseitiger Vertrauensvorschuss nötig, um einen über einen längeren Zeitraum erfolgenden Vertrauensbau erst möglich zu machen. Im Rahmen des Doktorand*innen-Betreuenden Verhältnisses kann die Betreuungszusage als Vertrauensvorschuss seitens der Betreuenden gedeutet werden. Für die Doktorand*innen gilt es daraufhin in der Praxis des Promotionsprozesses den initial gewährten Vertrauensvorschuss als gerechtfertigt zu beweisen. Publikationserfolge, die erfolgreiche Durchführung eines Forschungsprojektes oder auch der erfolgreiche Abschluss der Qualifikationsarbeit (Dissertation oder Habilitation) sind in diesem Kontext als Vertrauensbeweise seitens der Nachwuchswissenschaftler*innen anzusehen. Aufgrund der „reziproke[n] Freiwilligkeit“ (Franzmann 2012: 555) der Vertrauensbeziehung verpflichten sich auch die Betreuenden dazu, den durch die Nachwuchswissenschaftler*innen gewährten Vertrauensvorschuss als gerechtfertigt zu bestätigen, insofern sie vertrauensvoll agieren. So können die akademischen Lehrer*innen beweisen, dass das „Positionsvertrauen“ (Sztompka 1995; 1999) der Nachwuchswissenschaftler*innen in ihre professionellen Kompetenzen gerechtfertigt ist. Dies kann bspw. dadurch geschehen, dass sie gewissenhaft den Qualifikationsprozess ihrer Noviz*innen betreuen, ihnen beispielsweise in Form von Feedbackangeboten zur Qualifikationsschrift Unterstützung offerieren, sie an ihren sozialen Netzwerken teilhaben lassen und sie in Bezug auf ihre Karriere beraten. Auch das Zeitbudget, das den Nachwuchswissenschaftler*innen durch ihre Vorgesetzten zur Arbeit an der eigenen Weiterqualifikation zur Verfügung gestellt wird, sowie das Bemühen um Anschlussverträge können Vertrauensbeweise darstellen. Erst durch das Erbringen von gegenseitigen Vertrauensbeweisen kann bei den beteiligten Akteuren ein „Vertrauen [darin entstehen], dass sich die wechselseitige Investition lohnt“ (Beaufaÿs 2003: 229). In diesem Zusammenhang kommt auch dem gegenseitigen Erkennen der Akteure „auf einer noch vorsprachlichen Ebene“ (ebd.: 230) eine besondere Bedeutung zu. Demnach deuten beispielsweise Professor*innen einen bestimmten Habitus als Hinweis auf die Vertrauenswürdigkeit der Nachwuchsakteure und ihr Potenzial, eine wissenschaftliche Persönlichkeit zu werden. So weist Beaufaÿs darauf hin, dass die habituelle Übereinstimmung zwischen Professor*in und Nachwuchswissenschaftler*in grund-

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legend dafür sei, „dass Professoren Leistungen als solche überhaupt bei bestimmten Personen wahrnehmen können und Leistungsfähigkeit als solche interpretieren“ (ebd.: 231). Den Vertrauens- und Misstrauenserfahrungen, die Nachwuchswissenschaftler*innen mit Professor*innen sammeln, kommt für das Entstehen eines Karrierevertrauens deswegen eine besonders bedeutende Rolle zu, da Professor*innen gleich mehrere Rollen für die Feldanwärter*innen einnehmen. Denn die Erfahrungen, die sie mit ihnen sammeln, stellen für die Nachwuchsakteure auch Hinweise auf die Vertrauenswürdigkeit des wissenschaftlichen Feldes und einer Karriere darin dar, denn Professor*innen sind auch „Zugangspunkte“ zur Scientific Community für die Jungforscher*innen. Sie nehmen die Rolle von Vertrauensintermediären für das wissenschaftliche Feld ein und helfen den Nachwuchswissenschaftler*innen „das abstrakte Vertrauen zu ,vermenschlichen‘“ (Hartmann 2011: 284). Dadurch besitzen Professor*innen eine Mittlerrolle beim Aufbau eines Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg. Die Rolle eines Vertrauensintermediärs bringt jedoch auch eine gewisse Verantwortung mit sich. Denn das Vertrauen der Nachwuchswissenschaftler*innen in ihre Betreuenden „beruht wesentlich darauf, […] [dass sie ihnen] die Kompetenz […] [zumuten], mit dem Vertrauen verantwortungsvoll umzugehen“ (Hartmann 2011: 16 f.). Denn eine vertrauenserschütternde Erfahrung der Nachwuchswissenschaftler*innen mit einem bzw. einer Vorgesetzten oder Betreuenden kann auch dazu führen, dass die Aspirant*innen nicht nur die Zusammenarbeit mit dem bzw. der betreffenden Professor*in beenden wollen, sondern dadurch auch das Vertrauen in das wissenschaftliche Karrieresystem verlieren und entschließen, den akademischen Karrierepfad zu verlassen (Zusammenhang 3 im Modell). Obwohl die zwischenmenschlichen Beziehungen wirkmächtig sind, muss man, wenn man den Aufbau eines Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg untersuchen möchte, auch einen differenzierten Blick auf die Existenz von generalisierten Vertrauens- bzw. Misstrauenserfahrungen auf dem bisherigen akademischen Werdegang der Nachwuchsakteure werfen. Denn, obwohl Professor*innen in ihrer Rolle als Vertrauensintermediäre ein Bindeglied zwischen den Feldanwärter*innen und dem Wissenschaftsfeld darstellen, wird das Vertrauen der Anwärter*innen auf eine Position im Wissenschaftsfeld auch durch den direkten Kontakt mit zentralen Selbststeuerungsinstrumenten des wissenschaftlichen Feldes, dem universitären Beschäftigungssystem und den Qualitätssicherungsinstrumenten der Institution Universität beeinflusst. Dabei ist das „Peer Review […] [als] Kernelement in der Selbststeuerung von Wissenschaft“

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283

(Neidhardt 2010: 280) anzusehen. Generalisierte Vertrauens- oder Misstrauenserfahrungen können durch Rückmeldungen gesammelt werden, die Nachwuchswissenschaftler*innen bei der im Peer-Review erfolgenden Begutachtung, beispielsweise von eingereichten Artikeln in Fachzeitschriften oder bei der Beantragung von Drittmitteln für Forschungsprojekte erleben. Auch die Bewertung von Qualifikationsschriften ist als vertrauensgenerierendes bzw. -erodierendes Momentum zu begreifen (Berli 2016: 358). Darüber hinaus bilden positive und motivierende Erlebnisse vertrauensstärkende Erfahrungen. Diese Erlebnisse können bspw. die erfolgreiche Bewerbung auf eine Stelle sein, das Hervorgehen als „Sieger*in“ im Wettbewerb mit anderen (Nachwuchs-)Wissenschaftler*innen oder die Auszeichnung mit einem wissenschaftlichen Preis. Weiterhin können Positiv- sowie Negativerlebnisse durch die Rückmeldung im Rahmen von Qualitätssicherungsverfahren der Universität, beispielsweise durch institutionalisierte Lehrevaluationen, generiert werden. Gewisse Erfahrungen wirken stark positiv oder negativ auf die Nachwuchswissenschaftler*innen, wie beispielsweise die Vertrauenserschütterung durch eine unerwartet schlechte Bewertung der Dissertation, sodass es zu einem irreversiblen Erodieren von Vertrauen kommen kann und das angestrebte Karriereziel unmittelbar modifiziert wird (Zusammenhang 3 im Modell). Eine vertrauenserschütternde Erfahrung muss aber nicht notwendigerweise zu einer Erosion des Karrierevertrauens führen, insofern noch ausreichend andere vertrauensstärkende Erfahrungen existieren, die die Negativerfahrung kompensieren können. Vertrauensstärkende Erfahrungen können dagegen dazu führen, dass, insofern noch Unklarheit in Bezug auf das angestrebte Karriereziel bestanden hat, dieses schließlich festgelegt wird und der Entschluss getroffen wird, alles dafür zu tun, um es erreichen zu können. Sonstige Bedingungsfaktoren Ebenjene interpersonalen und generalisierten Vertrauens- bzw. Misstrauenserfahrungen der Jungforscher*innen sind die wesentlichen Ursachen für das Entstehen von Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg. Nichtsdestotrotz wirken darüber hinaus auch andere Bedingungen intervenierend auf die Ausprägung ihres Karrierevertrauens, die den akademischen Qualifizierungsweg der Nachwuchswissenschaftler*innen rahmen (Zusammenhang 4 im Modell). Denn erst eine bestimmte Ausgestaltung der strukturellen und personellen Rahmenfaktoren ermöglicht es, Erfahrungsräume für das Generieren von Vertrauens- sowie Misstrauenserfahrungen zu schaffen.

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Zu den intervenierenden Bedingungen zählen zum einen personenbezogene Merkmalen, die ihren Ursprung in der sozialen Laufbahn der Akteure im Wissenschaftsfeld nehmen. So wirkt die Ausgestaltung und der bisherige Verlauf der Bildungs- und Berufsbiographie intervenierend auf die Ausprägung des Karrierevertrauens der Nachwuchsakteure. Dazu gehören die erlebte Stetigkeit bzw. Brüchigkeit des bisherigen Karriereverlaufs, beispielsweise in Bezug auf Arbeitsverträge oder auch Tätigkeitsfelder (z. B. Wissenschaft, Wirtschaft) sowie das Erleben von Hindernissen und ggf. deren Überwindung. Auch die aktuelle Statuspassage der Nachwuchswissenschaftler*innen nimmt Einfluss auf die Ausprägung ihres Karrierevertrauens, denn die jeweilige Karrierephase, geht mit differenten Einschätzungen in Bezug auf zukünftige Karrierechancen im wissenschaftlichen Feld einher. So werden laut den Befunden von Jaksztat et al. (2010) beispielsweise die Karriereaussichten von Promovierten schlechter eingeschätzt als von Promovierenden (Jaksztat et al. 2010: 30)69. Eine schlechtere oder bessere Einschätzung der Erfolgschancen geht auch mit einer andersartigen Ausprägung des Vertrauens der Nachwuchsakteure in den akademischen Karriereweg einher. Als förderliche Rahmenfaktoren auf dem akademischen Qualifizierungsweg sind die Existenz von Unterstützungsnetzwerken sowie unterstützende Angebote der strukturierten Nachwuchsförderung zu nennen: Dazu zählen SoftskillSeminare, unterschiedliche Karriereberatungsformate, Mentorings und Einzelcoachings. Diese können insofern unterstützend auf den Aufbau eines Karrierevertrauens wirken, als dass sie den Nachwuchswissenschaftler*innen sowohl karriererelevante Informationen zur Verfügung stellen als auch Hilfestellungen beim Entscheidungsprozess geben und ihnen darüber hinaus bei ihrer Qualifizierung für den universitären und den außerwissenschaftlichen Arbeitsmarkt behilflich sind. Auch Peer-Veranstaltungen, beispielsweise Doktorandenkolloquien, Summerschools oder universitäre Weiterbildungsveranstaltungen, beispielsweise im Bereich Didaktik, stellen für die Nachwuchswissenschaftler*innen Erfahrungs- und Anerkennungsräume dar, in denen sie Rückmeldungen zu ihren Kompetenzen und Fähigkeiten erhalten. Dadurch können sie besser beurteilen, worin sie gegebenenfalls noch investieren müssen. Sie erhalten damit aber auch die Option, eine realistischere Einschätzung darüber zu gewinnen, was sie bereits gut können und über welches relevante „Kapital“ sie bereits verfügen. Neben der Unterstützung durch direkte Vorgesetzte und Betreuende

69 Die Autor*innen folgern zudem, dass sich in den Befunden gegebenenfalls „wider[spiegelt], dass nach dem Abschluss der Promotion verstärkt ein Reflektionsprozess einsetzt, an dessen Ende Ernüchterung über die eingeschränkten Karriereperspektiven im Wissenschaftssystem zurückbleibt“(Jaksztat et al. 2010:30).

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befördert zudem eine gute Einbindung der Nachwuchsforscher*innen am Institut, am Lehrstuhl oder in ihrer Scientific Community die Ausbildung von Karrierevertrauen. Dadurch wird die informelle Weitergabe relevanter Informationen und ein regelmäßiger fachlicher Austausch ermöglicht, wodurch sich für die Aspirant*innen einerseits Karrierechancen ergeben können, beispielsweise dadurch, dass sie einen informellen Hinweis auf freiwerdende Stellen bekommen. Andererseits wird dadurch ihr wissenschaftlicher Habitus geprägt und sie können ein Gefühl für die impliziten „Spielregeln“ im wissenschaftlichen Feld erlangen. Demnach kann eine gute Eingebundenheit am Institut, auch eine mangelhafte Betreuung durch den bzw. die direkte*n Vorgesetzte*n kompensieren. Gleichwie förderliche Rahmenfaktoren den Aufbau des Vertrauens der Nachwuchswissenschaftler*innen in den wissenschaftlichen Karriereweg unterstützen, können hinderliche Rahmenbedingungen zur Erosion eines Karrierevertrauens führen. Wenn der bisherige berufliche Werdegang durch eine unstetige, prekäre Beschäftigung und Phasen der Arbeitslosigkeit geprägt ist, kann dies negative Effekte auf den Vertrauensbildungsprozess haben. Weitere Faktoren, die negative Effekte auslösen können, sind mitunter eine fehlende Eingebundenheit am Lehrstuhl oder Institut durch den Ausschluss von relevanten Sitzungen, fehlende kollegiale Kooperationen bspw. in Form gemeinsamer Forschungsprojekte oder gemeinsam durchgeführter Lehrveranstaltungen. Auch das generelle Arbeitsklima am Arbeitsort, also inwiefern ein Klima der Konkurrenz oder aber der Unterstützung herrscht, ob eine Abwesenheitskultur gepflegt wird, so dass man keinen regelmäßigen informellen Austausch mit Kolleg*innen außerhalb von terminlich vereinbarten Treffen hat, kann Einfluss darauf nehmen, ob sich bei den Nachwuchsakteuren ein Karrierevertrauen ausbilden kann. Insbesondere in den Laborwissenschaften spielt die „menschliche Passung“ der Mitglieder der Arbeitsgruppe eine bedeutende Rolle, da man im wissenschaftlichen Arbeitsalltag viel Zeit gemeinsam im Labor verbringt und oft die eigene Forschung auch von der wissenschaftlichen Tätigkeit der anderen Arbeitsgruppenmitglieder abhängt, da man gemeinsam gewisse Apparaturen nutzt und bzw. oder arbeitsteilig an einem Forschungsthema arbeitet. Karrierestrategien der Nachwuchswissenschaftler*innen Die Beschaffenheit des Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg geht mit der Verfolgung gewisser Karrierestrategien, d. h. bestimmter Karriereinvestitionen und einem gewissen Modus der Selbstpräsentation einher (Zusammenhang 5 im Modell). Als „Erzeugungsprinzip von Strategien“ (Bourdieu 1976:165,

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169) bringt der Habitus der Akteure bestimmte Modi der Selbstpräsentation hervor und nimmt weiterhin Einfluss auf die Investitionsbereitschaft der Akteure. In der Art und Weise, wie sich die Akteure selbst darstellen, wird zudem deutlich, inwiefern sie die Illusio des wissenschaftlichen Feldes teilen. Weiterhin spiegelt sich in ihrem Modus der Selbstpräsentation wider, inwiefern sie schon ein Gespür, einen „praktischen Sinn“ für das „Spiel“, entwickelt haben, der ihnen dabei hilft, sich im Wissenschaftsfeld „zurechtzufinden und auch von den anderen Akteuren als zugehörig erkannt zu werden“ (Beaufaÿs 2003: 2). Die Involviertheit der Akteure sowie ihr Verständnis der feldspezifischen Spielregeln wird in den Glaubenssätzen, welche die Nachwuchswissenschaftler*innen vertreten und als handlungsleitend anerkennen, deutlich. Denn die Illusio ist das „Gegenteil der Ataraxie: Sie bedeutet, daß man involviert ist, im Spiel befangen und gefangen. Ein Interesse haben heißt, einem bestimmten sozialen Spiel zugestehen, daß, was in ihm geschieht, einen Sinn hat, und daß das, was bei ihm auf dem Spiel steht, wichtig und erstrebenswert ist“ (Bourdieu und Wacquant 1996c: 148). So zählen, gemäß der Illusio des wissenschaftlichen Feldes, nur leistungsbezogene Kriterien, die im wissenschaftlichen Feld selbst erzeugt wurden, um zu bewerten, inwiefern jemand das Potenzial zur wissenschaftlichen Persönlichkeit in sich trägt. „Es ist der Glaube an das meritokratische Prinzip, das hier erkennbar wird“ (Engler 2001: 453). Neben der wissenschaftlichen Leistung wird auch die Existenz von Unterstützer*innen und Netzwerken als legitime Kriterien anerkannt, da es möglich ist, sie im Laufe einer sozialen Laufbahn im Wissenschaftsfeld aufzubauen. Auch das Geschlecht gilt nicht als externes Kriterium, da die „magische Grenze“ (Engler 2001:461) für Frauen durch die geschlechtsabhängig ungleichen Zuschreibungen auch in der Alltagspraxis im wissenschaftlichen Feld konstruiert wird. Der sozialen Herkunft der Akteure wird gemäß der Illusio des wissenschaftlichen Feldes keine Wichtigkeit auf dem Weg zu den Erfolgspositionen im Wissenschaftsfeld zuerkannt, da es sich dabei um ein externes Kriterium handelt, das nicht im wissenschaftlichen Feld selbst generiert wurde (Engler 2001: 452 f.). Inwieweit die Nachwuchswissenschaftler*innen bereits im „Spiel“ involviert sind und inwiefern sie schon ein Gespür für die impliziten Spielregeln im wissenschaftlichen Feld entwickelt haben, zeigt sich an ihrer signalisierten Bereitschaft, sich den feldinternen Glaubenssätzen zu unterwerfen und die notwendigen Investitionen zu tätigen.

6.2 Generierung einer gegenstandsbezogenen Theorie zum Karrierevertrauen

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Nicht nur der Modus der Selbstpräsentation, sondern auch Investitionsbereitschaft sowie die getätigten Investitionen der Akteure variieren je nach Ausprägung ihres Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg. Demnach kann eine Investitionsstrategie der Nachwuchswissenschaftler*innen sein, sich darum zu bemühen, ihre Einsätze in Einklang mit der Illusio ihres fachwissenschaftlichen Feldes zu bringen. Dies bedeutet möglichst viel wissenschaftliches Kapital zu akkumulieren, sich der geforderten Arbeitsmoral zu unterwerfen und Wissenschaft als Lebensform zu betreiben (Weber 2002 [1919]). Voraussetzung dafür ist, dass die Akteure ein Gespür dafür besitzen, was die notwendigen Investitionen sind, um Anerkennung zu erfahren und Vertrauenswürdigkeit zugeschrieben zu bekommen. Die bereits getätigten Investitionen wiederum stärken das Vertrauen der Nachwuchswissenschaftler*innen in den eingeschlagenen Karriereweg (Zusammenhang 6 im Modell). Eine Investitionsstrategie muss auch vor dem Selbstbild der Akteure und der Ausprägung ihres Selbstvertrauens in ihre Fähigkeiten und Kompetenzen, die sich in ihrem Selbstpräsentationsmodus widerspiegeln, verstanden werden. So kann es sein, dass aus der Selbstdarstellung der Nachwuchswissenschaftler*innen zwar ersichtlich wird, dass sie die Illusio ihres fachwissenschaftlichen Feldes teilen, sie sich aber nicht zutrauen, die gemäß der Illusio geforderten Einsätze (z. B. wissenschaftliche Leistungen, wissenschaftliche Arbeitsmoral) realisieren zu können (z. B. aufgrund eines (selbst)zugeschriebenen Mangels an Intelligenz oder eines mangelnden Zeitbudgets). Dieses Selbstbild ist durch die bisherige soziale Laufbahn der Akteure im wissenschaftlichen Feld und das erlebte Vertrauen oder Misstrauen geprägt worden (Zusammenhang 7 im Modell), denn das „spezifische Interesse, das mit der Teilnahme am Spiel impliziert ist, [differenziert sich] […] je nach dem Lebenslauf, der jeden Teilnehmer auf diese Position geführt hat“ (Bourdieu und Wacquant 1996c: 149). Die Karrierestrategien und Karriereaspirationen der Nachwuchswissenschaftler*innen müssen daher immer vor dem Hintergrund ihrer bisherigen Erfahrungen auf ihrem akademischen Qualifizierungsweg verstanden werden. Da das Selbstbild und der Habitus der Akteure durch die alltäglich soziale Praxis im wissenschaftlichen Feld geprägt werden, spiegeln sich darin auch die Zuschreibungen, mit denen die Akteure aufgrund von personenbezogenen Merkmalen konfrontiert wurden, wie z. B. ihr Geschlecht, ihre soziale oder kulturelle Herkunft oder ihr Familienstand, wider. Die Erfahrungen, die Akteure auf ihrer sozialen Laufbahn sammeln, differieren teilweise sehr deutlich je nach Ausprägung bestimmter Merkmale des persönlichen Hintergrunds. So wurde beispielsweise bereits mehrfach in einschlägigen Studien darauf hingewiesen, dass unabhängig von ihrer tatsächlich erbrachten wissenschaftlichen Leistung, Wissenschaftler*innen eher

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6 Wie Vertrauen wissenschaftliche Persönlichkeiten schafft

Anerkennung für ihre Leistung erfahren, wenn es sich um Männer handelt (vgl. u. a. Engler 2001, Beaufaÿs 2003). Darin sind gewiss in Teilen auch die Ursachen für Selbstausschlussmechanismen in der Wissenschaft zu suchen, denn „die sozialen Akteure bedingen, vermittelt über sozial und historisch zustande gekommene Wahrnehmungs- und Bewertungskategorien, aktiv die Situation, die sie bedingt“ (Bourdieu und Wacquant 1996c: 170). So bewirkt der Habitus, der durch die alltägliche soziale wissenschaftliche Praxis geprägt wird, bei den Akteuren, dass sie „sich angespornt und berechtigt fühl[en], Positionen zu beanspruchen oder doch das zu tun, was getan werden muss, damit […] sie sie bekomm[en]“ (Bourdieu 1992b: 249). Wenn Nachwuchswissenschaftler*innen sich aufgrund von gewissen Merkmalen ihres persönlichen Hintergrunds beständig als nicht zugehörig behandelt fühlen und keine angemessene Wertschätzung für ihre wissenschaftliche Arbeit erfahren, ist anzunehmen, dass dies negative Folgen für ihr Selbstvertrauen haben kann. Darüber hinaus kann ihr Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg negativ beeinflusst werden. Jedoch ist es auch möglich, dass die Nachwuchsakteure zu einem gewissen Zeitpunkt feststellen bzw. sich eingestehen, dass ihre Präferenzen und beruflichen Vorstellungen mit den entsprechend der Illusio des wissenschaftlichen Feldes geforderten Investitionen nicht kohärent sind. Dies kann dazu führen, dass die Nachwuchswissenschaftler*innen nicht bzw. nicht länger bereit sind, ebenjene Investitionen zu tätigen. Dementsprechend kann es dazu kommen, dass Investitionsstrategien angepasst werden, beispielweise kann das Sammeln von Lehrerfahrung gegenüber der Generierung von wissenschaftlichem Kapital priorisiert werden oder aber der Fokus kann sich auf den Besuch von Seminaren verschieben, in denen Schlüsselkompetenzen vermitteln werden, die insbesondere auch für den außeruniversitären Arbeitsmarkt relevant sind. Die Feststellung der „Nicht-Passung“ von eigenen Fähigkeiten oder Präferenzen kann demzufolge mit einer Modifikation des angestrebten Karriereziels einhergehen (Zusammenhang 8 im Modell). Weiterhin geht eine Konkretisierung des Karriereziels mit der Möglichkeit einher, gezieltere Karriereinvestitionen zu tätigen (Zusammenhang 9 im Modell). 6.2.2 Grenzen der generierten gegenstandsbezogenen Theorie Die im Rahmen dieser Studie generierte Grounded Theory ist eine Theorie mittlerer, d. h. beschränkter, Reichweite (Alheit 1999: 2). Sie wurde gegenstandsbezogen am Forschungsgegenstand „Wissenschaftskarrieren“ entwickelt. Aufgrund der Spezifität von Karrieren in der Wissenschaft ist nicht von einer direkten Übertragbarkeit auf andere Berufsfelder auszugehen. Die vorliegende Studie basiert auf Daten, die sich dadurch auszeichnen, dass sie durch einmalige

6.2 Generierung einer gegenstandsbezogenen Theorie zum Karrierevertrauen

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bildungs- und erwerbsbiografische Interviews mit Nachwuchswissenschaftler*innen aus drei Fachdisziplinen generiert wurden, die zum Interviewzeitpunkt in der Wissenschaft tätig waren. Dadurch ergeben sich gewisse Grenzen für die Aussagekraft und Übertragbarkeit der Ergebnisse. Verlaufsaussagen über die Entwicklung des Karrierevertrauens, des angestrebten Karriereziels und ggf. dessen Realisierung sind daher nicht möglich. Die vorliegende Studie kann diesbezüglich vor allem tentative Hinweise, die im Rahmen von späteren Internetrecherchen gewonnen wurden, liefern. Aussagen darüber, ob und wie sich die Vertrauens- bzw. Misstrauenserfahrungen während des wissenschaftlichen Qualifizierungsverlaufs zwischen denjenigen, die dauerhaft in der Wissenschaft verweilen und beispielsweise später eine Professur erreichen, und denjenigen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt das Wissenschaftssystem verlassen (müssen), unterscheiden, können nicht getroffen werden Obwohl bezüglich ihres wissenschaftlichen Alltags und ihrer Karrierekultur sehr unterschiedliche Fachdisziplinen, nämlich die BWL, die Geschichtswissenschaft und die Physik ausgewählt wurden, ist eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf alle Fächer mit Vorsicht zu realisieren. Dieser Sachverhalt tangiert die Aussagekraft der Ergebnisse jedoch nur am Rande, da fachkulturelle Differenzen, obgleich sie nicht völlig zu negieren sind, zur Beantwortung der zentralen Forschungsfragen nur von untergeordneter Relevanz waren. So ist die Wirkmacht einzelner Faktoren sicherlich auch abhängig von der jeweiligen Fachkultur, was in der vorliegenden Studie jedoch nicht ausführlicher thematisiert wurde und daher an dieser Stelle ein Forschungsdesiderat bleibt. Eine vorherige Überprüfung der Existenz ähnlicher Voraussetzungen in Bezug auf die Karrierekultur und die Arbeitsorganisation ist daher vor der Übertragung der Ergebnisse auf andere Fächer und Tätigkeitsfelder anzuraten. Aussagen zum sozialen Hintergrund der Interviewpartner*innen und dem Zusammenhang mit ihrem Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg und ihren Karrierestrategien sind nur sehr eingeschränkt möglich. Dies liegt an dem Umstand, dass die geführten bildungs- und erwerbsbiografischen Interviews erst zu dem Zeitpunkt im Leben der Nachwuchswissenschaftler*innen ansetzen, den sie selbst als Beginn ihres wissenschaftlichen Karrierewegs definiert haben. Obwohl dieser oft schon in der Studienphase seinen Ursprung nimmt (vgl. Berli 2016), rekurrieren die Interviewpartner*innen in ihren Erzählungen nicht immer auf ihren sozialen Hintergrund, weswegen nicht systematisch für alle Interviewpartner*innen Informationen zu ihrer sozialen Herkunft erhoben werden konnten.

7 Fazit und Implikationen für die wissenschaftliche Nachwuchsausbildung Karrieren in der Wissenschaft sind ein „Hazard“. Darunter versteht Max Weber ein „Glücksspiel, bei dem ohne Rücksicht auf andere oder sich selbst alles riskiert wird“ (Weber 2002 [1919]: 477, Fußnote 2). In diesem Spiel setzen sich die teilnehmenden Akteure in Konkurrenz zueinander und „spielen, wie brutal auch immer, nur deshalb gegeneinander, weil sie alle den Glauben (doxa) an das Spiel und den entsprechenden Einsatz, die nicht weiter zu hinterfragende Anerkennung teilen“ (Bourdieu und Wacquant 1996c: 127 f.). Um am Wissenschaftsspiel teilzunehmen, bedarf es zu Beginn eines „stillschweigenden Einverständnisses“ (Beaufaÿs 2003: 198) der Aspirant*innen, sich auf die „lange, unsichere Wanderschaft, die über mehrere Stationen durch das gesamte Feld“ (Baier und Münch 2013: 149) führt, einzulassen. Die Unsicherheit und geringe Planungssicherheit wissenschaftlicher Karrierewege ist auf unterschiedliche Faktoren zurückzuführen. Einerseits auf den Umstand, dass mit steigender Karrierestufe immer weniger verfügbare Positionen im Feld vorhanden sind und die Anzahl der Anwärter*innen über die verfügbaren Stellen deutlich hinausgeht (vgl. Kapitel 2). Zudem kann die Chance, eine der raren Stellen zu erhalten, nicht ausschließlich aufgrund von vermeintlich „objektiven“ Kriterien vorhergesagt werden, sondern wird vielmehr durch die sozialen „Strukturen des Feldes diktiert“ (Baier und Münch 2013: 149). Demnach ist auch die wissenschaftliche Leistung der Akteure kein objektives Kriterium, sondern „ist abhängig von der (formalen) Position der Akteure, vom Zugang zu Ressourcen und Arbeitsmitteln [und] von der Unterstützung durch Mentoren und Netzwerke“ (Beaufaÿs 2003: 246). Schon die Leistung an sich ist an Voraussetzungen geknüpft und muss darüber hinaus erst noch durch andere Fachkolleg*innen anerkannt werden, um als solche evident zu werden. Wie Nachwuchswissenschaftler*innen die Karriereunsicherheit bewältigen, ist aber Höge et al. (2012: 170) zufolge ein Forschungsdesiderat. Ausgehend von dieser Gemengelage hat sich die vorliegende Studie der Frage danach gewidmet, welche Ressource den Nachwuchswissenschaftler*innen dabei hilft, mit der Unsicherheit auf dem wissenschaftlichen Karriereweg umzugehen. Die zentrale These der Studie ist, dass das Vertrauen der Nachwuchsakteure in den wissenschaftlichen Karriereweg sowie ihr Vertrauen darin, dass sie ihr angestrebtes Karriereziel realisieren können, hilft, die Ungewissheit zu tolerieren und sie auf dem akademischen Qualifizierungsweg verweilen lässt. Ziel war es anhand einer empirischen Untersuchung zu ergründen, wie © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Tischler, Vertrauen in die Wissenschaftskarriere, Wissenschaft – Hochschule – Bildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27224-1_7

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7 Fazit und Implikationen für die wissenschaftliche Nachwuchsausbildung

Vertrauen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg in Erscheinung tritt und welche Vertrauens- und bzw. oder Misstrauenserfahrungen als auch sonstige Bedingungsfaktoren dazu führen, dass bei den Aspirant*innen ein Karrierevertrauen entstehen kann. Neben einer Überprüfung der ursächlichen Bedingungen für den Vertrauensbildungsprozess wurde sich der Frage danach gewidmet, welche karrierebezogenen Handlungsstrategien aus dem entstehenden Karrierevertrauen resultieren. „Strategie“ wurde dabei, dem Verständnis Bourdieus folgend, nicht ausschließlich als „die absichtliche und planvolle Verfolgung von bewussten Zwecken“ (Wacquant 1996: 48 f.) verstanden, sondern auch das unbewusste, ungeplante habituelle Verhalten wurde darunter subsumiert. Schließlich wurde auch gefragt, inwiefern vertrauensrelevante Erlebnisse auf dem akademischen Qualifizierungsweg und das Entstehen eines Karrierevertrauens die Karriereaspirationen und Verweilabsichten der Noviz*innen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg bedingen. Die These von Minssen (2016), dass Zuversicht statt Vertrauen bewirkt, dass sich die Nachwuchswissenschaftler*innen auf den „peregrinatio academica“ (Irrgang 2002) einlassen und auf ihm verweilen, kann die vorliegende Arbeit anhand der zugrundeliegenden empirischen Daten nicht bestätigen, denn in jedem Interview wurde die Risikohaftigkeit des wissenschaftlichen Qualifizierungswegs angesprochen, obwohl Vertrauen nur selten in den biografischen Interviews explizit thematisiert wurde. Laut Gilbert (2010) verwandelt sich eine unsichere Situation in eine Vertrauenssituation, „wenn ein Akteur die Situation auch als riskant wahrnimmt und sich dadurch einer Möglichkeit der Vermeidung bewusst wird“ (Gilbert 2010: 177). Demnach ist sehr wohl davon auszugehen, dass sich die Nachwuchswissenschaftler*innen der Erfolgsunsicherheit bewusst sind, sie aber dieses Risiko zumeist in ihrem Alltag verdrängen, sodass eher eine andere These von Minssen (2016) bestätigt werden kann, und zwar die, dass die „intrinsische Motivation [der Nachwuchswissenschaftler*innen] die Risikoreflektion in den Hintergrund drängt“ (Minssen 2016: 282). Gemäß den Befunden der vorliegenden Arbeit ist anzunehmen, dass die Entstehung eines Vertrauens in den wissenschaftlichen Qualifizierungsweg durch ein komplexes Ursachengeflecht bedingt ist, wobei personenbezogenen Einflüssen eine Schlüsselrolle zukommt. Demnach können interpersonale Vertrauenserfahrungen auf dem Qualifizierungsweg der Nachwuchswissenschaftler*innen als Katalysatoren für die Entwicklung eines Karrierevertrauens betrachtet werden. Vertrauens- und Misstrauenserfahrungen akkumulieren sich im Qualifizierungsverlauf und beeinflussen maßgeblich nicht nur den Vertrauensaufbau, sondern nehmen darüber hinaus auch Einfluss auf die Karrierestrategien und Karriereaspirationen der Akteure, wie sich in den Fallporträts der Nachwuchswissen-

7 Fazit und Implikationen für die wissenschaftliche Nachwuchsausbildung

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schaftler*innen zeigt (vgl. Kapitel 4). Neben dem persönlichen Kontakt zu Vertrauenspersonen im wissenschaftlichen Feld spielen auch generalisierte Vertrauenserfahrungen, wie Publikationserfolge oder erfolgreiche Stellenbewerbungen, eine bedeutende Rolle für die Vertrauensbildung. Darüber hinaus wirken noch weitere strukturelle als auch personenbezogene Faktoren, wie die Existenz von Netzwerken oder professionellen Unterstützungsangeboten, intervenierend auf den Vertrauensbildungsprozess. Erst die Berücksichtigung des komplexen Zusammenspiels aus interpersonalen und strukturellen Faktoren trägt gewinnbringend dazu bei, die Verweilabsichten und -entscheidungen der Jungforscher*innen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg nachzuvollziehen. Die vorliegende Arbeit leistet insbesondere einen Beitrag zum Verständnis des Vertrauensbildungsprozesses und weist auf die Bedeutung von interpersonalen wie auch generalisierten Vertrauenserfahrungen für das Entstehen eines Vertrauens in den wissenschaftlichen Karriereweg hin. Biografische Interviews haben sich als geeignetes Instrument zur Datenerhebung erwiesen, da, wie sich gezeigt hat, Vertrauen auf dem wissenschaftlichen Karriereweg meist in einem impliziten, praktischen Modus wirksam wird und nur selten direkt durch die Interviewpartner*innen thematisiert wurde. Demnach hat sich die direkte Erfassung der Existenz von Vertrauenserfahrungen wie auch die Ausprägung des Karrierevertrauens als schwierig erwiesen. Nichtsdestotrotz sind ausreichend Hinweise im Datenmaterial dafür zu finden, dass sie für die Verweilabsichten der Nachwuchswissenschaftler*innen auf dem akademischen Qualifizierungsweg eine bedeutende Rolle spielen. Vertrauen besser empirisch zu erfassen, ist daher ein Anspruch an zukünftige Forschungsarbeiten, die sich der Frage der Rolle von Vertrauen auf dem (wissenschaftlichen) Karriereweg widmen. Auch wäre es ein spannendes Unterfangen für zukünftige Forschungen diejenigen Personen, die einstmals wissenschaftlicher Nachwuchs waren, aber im Laufe der Postdoc-Phase die Wissenschaft verlassen haben, zu befragen, um sich der Frage danach zu nähern, welche Faktoren, die mit Vertrauen in Zusammenhang stehen, zum Exit aus dem Wissenschaftssystem führen. Weiterer Forschungsbedarf besteht auch in Bezug auf die Frage der Übertragbarkeit der vorliegenden Erkenntnisse auf andere Tätigkeitsfelder. So bedarf es einer empirischen Überprüfung, um zu klären, ob in anderen Tätigkeitsfeldern sowie in Bezug auf andere Beschäftigungsformen (z.B. selbstständige Tätigkeit, Entrepreneurs) eine ähnliche Unsicherheit herrscht und inwiefern auch dort Vertrauen als Ressource zur Toleranz der Risikohaftigkeit des Karrierewegs verstanden werden kann. Denn es ist unklar, ob die Karriereunsicherheit in anderen Sektoren ähnlich, noch stärker oder auch

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schwächer ausgeprägt ist als in der Wissenschaft. Eine These, wie die von Minssen: „Wissenschaftskarrieren [haben] im Vergleich zu Karrieren in anderen Branchen ein deutlich höheres Scheiternsrisiko“ (Minssen 2016: 268), gilt es daher erst noch empirisch zu überprüfen. Schlussendlich stellt sich nun die Frage, wie der Einfluss von Vertrauen auf wissenschaftliche Karrierewege von einem wissenschaftspolitischen bzw. hochschulpolitischen Standpunkt aus zu beurteilen ist. Die Empfehlungen zum Umgang mit dem Vertrauen der Nachwuchswissenschaftler*innen wie auch mögliche Implikationen für die wissenschaftliche Nachwuchsausbildung sind vor dem Hintergrund der Ambivalenz von Vertrauen zu betrachten. So muss an dieser Stelle kritisch gefragt werden, ob das Karrierevertrauen der Aspirant*innen tatsächlich als ausschließlich förderliche Ressource für die Nachwuchswissenschaftler*innen anzusehen ist. So mag Vertrauen dazu dienlich sein, das Risikoempfinden zu reduzieren, um in Phasen der Unsicherheit handlungsfähig zu bleiben. Nichtsdestotrotz bleibt die Unwägbarkeit eine zentrale strukturelle Komponente akademischer Karrieren. Daher könnte man an diesem Punkt auch fragen, ob das Vertrauen der Anwärter*innen nicht schlichtweg dazu beiträgt, die gegebenen Mächteverhältnisse zu reproduzieren und zu stabilisieren. Denn gäbe es den Hazard auf dem wissenschaftlichen Karriereweg nicht in diesem Ausmaß, oder wie Weber es formuliert: „Ich kenne kaum eine Laufbahn auf Erden, wo er eine so große Rolle spielt“ (2002 [1919]: 477), wäre ein Vertrauen der Nachwuchswissenschaftler*innen in den Karriereweg gar nicht von Nöten. An die Stelle von Vertrauen würde Gewissheit oder zumindest Zuversicht treten können. Wenn man Vertrauen in diesem Kontext eine ausschließlich positive Funktion zuschreibt, geraten die ungleichen Mächteverhältnisse von wissenschaftlichem Nachwuchs und Professor*innen aus dem Blick. Zudem darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass Vertrauensbeziehungen auf dem akademischen Qualifizierungsweg, die zwischen Nachwuchswissenschaftler*innen und Professor*innen bestehen, obwohl sie unterstützend auf das Entstehen eines Karrierevertrauens bei den Aspirant*innen wirken, keinesfalls als machtfreie Beziehungen zu begreifen sind (Hartmann 2011: 12 f.). So ist ein Vertrauensverhältnis in diesem Kontext trotz seiner positiven Konnotation auch immer ein Abhängigkeitsverhältnis, bei dem die Verletzungsmacht und Verletzlichkeiten der involvierten Vertrauenspartner*innen ungleich sind. Insbesondere der Umstand, auf den Beaufaÿs hinweist, nämlich dass die „Akteure […] diese Machtverhältnisse […] nicht wahr[nehmen], weil sie als quasi natürliche Ordnung unsichtbar bleiben“ (Beaufaÿs 2003: 241), erfordert einen besonders kritisch-reflektierten und sensiblen Umgang mit der Thematik.

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Die aktuelle Nachwuchspolitik begegnet den aufgeführten Missständen in der deutschen wissenschaftlichen Nachwuchsausbildung auch bereits mit unterschiedlichen Maßnahmen. Diese zielen darauf ab die lange Phase der Unsicherheit und Abhängigkeit zu reduzieren und die Beschäftigungsperspektiven der Nachwuchswissenschaftler*innen zu verbessern, indem neue Stellenkategorien geschaffen wurden. Dazu zählen die Juniorprofessur, die Tenure-TrackProfessur sowie die Nachwuchsgruppenleitung, welche den Aspirant*innen bereits in früheren Karrierephasen mehr Unabhängigkeit ermöglichen sollen und teilweise auch eine dauerhafte Beschäftigungsoption in Aussicht stellen. In Bezug auf die Juniorprofessur ist aber kritisch anzumerken, dass einerseits die angestrebte Anzahl von 6000 Stellen (BMBF 2002: 5) bisher noch längst nicht erreicht ist (vgl. Abbildung 5) und andererseits auch nur etwa ein Fünftel der Juniorprofessuren mit Entfristungsoption ausgestattet sind (Nickel et al. 2014:16). Zudem gehen die „Freiheiten“, die man als Juniorprofessor*in erhält, auch mit einer Vielzahl an zusätzlichen Pflichten und Herausforderungen einher, wie zu forschen, zu lehren, zu prüfen und nebenbei noch Drittmittel zu akquirieren, in relevanten Gremien präsent zu sein und zur Sicherheit noch ein „zweites“ Buch zu schreiben, da die Juniorprofessur, zumindest inoffiziell, noch nicht in allen Fachdisziplinen als Substitut der Habilitation anerkannt wird. Dies bringt Reichertz zu dem Resümee: „Juniorprofessoren werden sich notwendigerweise zu Virtuosen in Sachen ,Karrierepolitik‘ entwickeln müssen, wollen sie erfolgreich sein“ (Reichertz 2003: 363f.). Weiterhin mangelt es immer noch an Dauerstellen für Daueraufgaben neben der Professur und fairen Verträgen mit einer längerfristigen Vertragslaufzeit im deutschen Wissenschaftssystem, sodass die Forderungen der GEW, die bereits vor fast zehn Jahren mit dem „Templiner Manifest“ (GEW 2010) eine Kampagne zur Reform der Personalstruktur und Berufswege in Hochschule und Forschung gestartet hat, immer noch aktuell sind. Damit sich andere Stellenkategorien neben der Professur aber überhaupt erst als attraktive Karriereziele etablieren können, bedarf es zudem eines Bruchs mit dem Glauben, dass die (W3-)Professur das einzige legitime Karriereziel darstellt und alle anderen Positionen gewissermaßen als „Scheitern“ zu verstehen sind. Ein weiteres wichtiges Anliegen der GEW-Kampagne ist auch, wissenschaftliche Karrierewege in Bezug auf zentrale Ungleichheitsmerkmale, wie dem Geschlecht oder der sozialen Herkunft der Wissenschaftler*innen, chancengerechter zu gestalten. Vor dem Hintergrund relevanter Statistiken (vgl. Kapitel 2.2) und Forschungsbefunde (vgl. Kapitel 3.2) kann auch dieses Ziel als noch im Realisierungsprozess begriffen werden, von einer „Zielerreichung“ kann bisher keinesfalls gesprochen werden.

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Neben den strukturellen Veränderungen zur Verbesserung der Karrierebedingungen von Nachwuchswissenschaftler*innen zielen auch die Unterstützungsund Beratungsangebote, die heutzutage den wissenschaftlichen Nachwuchskräften von verschiedenen Akteuren der (strukturierten) wissenschaftlichen Nachwuchsförderung (z.B. Graduiertenschulen, Graduiertenakademien, Personalentwicklungsabteilungen der Universitäten, Stiftungen) offeriert werden, darauf ab, die Arbeitsbedingungen wie auch Karrierechancen von Promovierenden und Postdoktoranden zu verbessern. Dazu zählen Fortbildungsangebote in relevanten Kompetenzen für den wissenschaftlichen Karriereweg (z.B. Kurse zum „academic writing“, zur Konferenzpräsentation, aber auch Disputationstrainings) wie auch ein breites Spektrum an Angeboten zur Weiterqualifizierung in Schlüsselkompetenzen, die nicht nur auf dem universitären Arbeitsmarkt bedeutsam sind. Dazu gehören z.B. Sprachkurse, Kurse zum Umgang mit Stress wie auch Stimmtraining, um nur einige Beispiele zu nennen. Weiterhin existieren verschiedene Formate im Bereich Karriereberatung, wie beispielsweise Einzelcoaching, Mentoringprogramme 70 und auch Veranstaltungen zur Karriereplanung. Dadurch wird den Nachwuchswissenschaftler*innen Unterstützung bei der Planung ihrer zukünftigen Karriereschritte angeboten und ebenso können dadurch nicht-karrierezielförderliche „Fehlinvestitionen“ wie auch orientierungslose Phasen im Qualifizierungsprozess minimiert werden, die zu einer Verzögerung des Karrierefortschritts führen können. Kritisch ist jedoch anzumerken, dass durch die professionelle Nachwuchsförderung, aber auch die Strukturierung der Doktorandenausbildung insgesamt den Nachwuchswissenschaftler*innen auch in gewisser Weise suggeriert wird, dass durch die Teilnahme an Veranstaltungen und durch das Tätigen der angeratenen Investitionen sie ihre Karrierechancen in der Wissenschaft deutlich verbessern können. Vor dem Hintergrund der Eigenlogik des wissenschaftlichen Feldes, d.h. der Selbststeuerung der Nachwuchsrekrutierung anhand feldintern ausgehandelter Kriterien, sind diese Maßnahmen für die Anwärter*innen auf Erfolgspositionen im wissenschaftlichen Feld nur in begrenztem Maße als förderlich einzuschätzen, denn rein regulative Maßnahmen, wie die Strukturierung der Nachwuchsausbildung, werden nicht ausreichen, um den wissenschaftlichen Nachwuchs in ihr jeweiliges fachwissenschaftliches Bezugsfeld einzubinden. Es bedarf auch des Engagements der „Gatekeeper*innen“ des wissenschaftlichen Feldes, der Professor*innen, die im Optimalfall als „Kooperations70 Im letzten Jahr ist auch ein Handbuch erschienen, das praktische Hinweise zur Umsetzung von Mentoringmaßnahmen in der Wissenschaft für unterschiedliche Zielgruppen bietet (vgl. Petersen et al. 2017).

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partner*innen“ der institutionellen Nachwuchsförderung agieren sollten. Denn in ihrer Rolle als Karriereberater für den wissenschaftlichen Nachwuchs können sie ihre Noviz*innen dabei unterstützen, basierend auf einer bewussten und realistischen Abwägung von persönlichen Präferenzen, Fähigkeiten wie auch Erfolgschancen und notwendigen Investitionen, zu entscheiden, ob sie das Risiko in Kauf nehmen wollen, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die angestrebte Erfolgsposition nicht zu erreichen. Im Optimalfall sollten die Nachwuchsakteure auch alternative Karrieremöglichkeiten für sich eruieren und ihre Investitionen so gestalten, dass sie, wenn sie ihren „Plan A1“ nicht realisieren können, auch (annähernd) alles dafür mitbringen, ihren „Plan A2“ in die Tat umsetzen zu können. Auch Höge et al. 2012 weisen darauf hin, „wie wichtig es für Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen ist, auch immer Exit-Strategien bzw. Exit-Optionen im Blick zu behalten, indem man sich auch Kompetenzen gezielt aneignet, die die Arbeitsmarktchancen auch außerhalb des Wirtschaftswissenschaftsbetriebs erhalten oder erhöhen“ (Höge et al. 2012: 170). Neben der Unterstützung ihrer Noviz*innen bedarf es zudem einer Reflexion der eignen Rekrutierungs- und Förderpraxis. Solange der Glaube im wissenschaftlichen Feld ungebrochen bleibt, dass zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit nur die im wissenschaftlichen Feld selbst ausgehandelten Kriterien Gültigkeit besitzen dürfen, und die soziale Bedingtheit der Sichtbarwerdung einer wissenschaftlichen Leistung negiert wird, bleibt das wissenschaftliche Feld ein sich selbst reproduzierendes, die bestehenden Machtverhältnisse zementierendes System. Demnach ist die These der vorliegenden Studie, dass eine Veränderung der Bewertungskriterien zur Rekrutierung des wissenschaftlichen Nachwuchses nur durch die Akteure in Machtpositionen im wissenschaftlichen Feld selbst angestoßen werden kann. Dies erfordert eine Bereitschaft der Inhaber*innen von Führungspositionen im Wissenschaftsfeld, ihre wissenschaftliche Illusio, anhand der sie die Förderungswürdigkeit ihres wissenschaftlichen Nachwuchses (großteils praktisch und unbewusst) festmachen, zu hinterfragen und gegebenenfalls damit zu brechen. Denn mit dem Erreichen einer Erfolgsposition nimmt nicht nur die lange Phase der Unsicherheit ein Ende, sondern der Rollenwandel hin zum bzw. zur Nachwuchsausbilder*in, zur Führungskraft und zum Vertrauensintermediär für das Wissenschaftsfeld bringt auch eine gewisse Verantwortung mit sich. Als Professor*in stellt man schließlich sowohl durch seine Person wie auch in seiner bzw. „ihrer professionellen Rolle, […] [einen] wichtige[n] Referenzpunkt[.] für Nachwuchswissenschaftler*innen […] [und] ihr Vertrauen in das Wissenschaftssystem und ihre Verweilabsichten darin dar“ (Tischler 2016:

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309). Gerade aufgrund der hohen Unsicherheit auf dem wissenschaftlichen Karriereweg werden Betreuungspersonen umso mehr zu wichtigen Ankerpunkten oder „Strohhalmen", an die sich der wissenschaftliche Nachwuchs „klammern“ möchte. Doch Professor*innen sind (bisher) in Berufungsverfahren nicht aufgrund der Tatsache erfolgreich, dass „sie gute Führungskräfte sind, sondern weil sie gute ForscherInnen sind, aber solange Professur und Führungsverantwortung weitgehend verzahnt sind, ist dieser Verantwortung als Teil des ProfessorInnenjobs gerecht zu werden“ (Baier 2005: 312f.). Vor diesem Hintergrund ist es essentiell, dass insbesondere auch den neuberufenen Professor*innen Angebote zur Verfügung gestellt werden, die sie beim Meistern ihres „Rollenwechsels“ begleiten und unterstützen. Darüber hinaus ist anzuraten, dass auch den bereits etablierten Professor*innen Angebote im Bereich Führungsund Betreuungskompetenzentwicklung offeriert werden sowie eine Incentivierung zur Teilnahme erfolgt. Obwohl diese Personengruppe bereits über Praxiserfahrung in der Führung und Betreuung von Mitarbeitenden und Nachwuchswissenschaftler*innen verfügen mag, bedeutet dies nicht, dass sich ihre Kompetenzen bereits auf einem wünschenswerten Niveau befinden. Professionelle Personalentwicklungsmaßnahmen, wie sie in der Wirtschaft für Führungskräfte bereits seit Langem selbstverständlich sind, können dabei unterstützen, das eigene Potenzial noch weiter zu entfalten. So definieren Schmidt und Richter (2008) es als gelungenes Führungshandeln, wenn Professor*innen „,ihren´ Nachwuchs ausdrücklich ermuntern, bestimmte Entscheidungen selber zu treffen und, gleich wie diese Entscheidung ausfällt, den Rückhalt versichern; Promotionsbetreuer, die Promovierende ermutigen, erstmals (und alleine) zu einer Tagung zu fahren und die eigene Arbeit zu präsentieren. [Und] wer als Promovierender solche „Sternstunden“ des Führungshandelns miterlebt, geht mit einem guten Gefühl, mit einer größeren Sicherheit und mehr Vertrauen aus der Situation heraus und erlebt mit, wie sich das positive Führungshandeln auf bessere Arbeitsergebnisse sowie auf Fortschritte in der eigenen Entwicklung auswirkt“ (Schmidt und Richter 2008: 53). Die Erforschung von effektivem Führungshandeln und die Weiterentwicklung u.a. der Führungskompetenzen des wissenschaftlichen Personals an Hochschulen ist auch den Wissenschaftler*innen am „Center for Leadership and People Management“71, einer Forschungs-, Trainings- und Beratungseinrichtung 71 Für nähere Informationen zum „Center for Leadership an People Management“ s.h. www.peoplemanagement.uni-muenchen.de/index.html

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an der Ludwig-Maximilians-Universität München, ein wichtiges Anliegen. Das Forschungszentrum verfolgt den Anspruch, Forschung und Praxis miteinander zu verbinden, und offeriert den Wissenschaftler*innen der LMU wissenschaftlich fundierte Personalentwicklungsmaßnahmen in den Bereichen Selbst-, Führungs- und Lehrkompetenzen72. Auch die Nutzung von Erkenntnissen der Vertrauensforschung ist für den Bereich Personalentwicklung von Wissenschaftler*innen, insbesondere im Bereich Führungskräfteentwicklung (Stichwort: trust-based leadership (Schmiedel 2017), als besonders fruchtbar anzusehen. In Nachbarländern gibt es zudem bereits mehrere professionelle Anbieter, die sich auf die Karriereentwicklung von wissenschaftlichem Personal spezialisiert haben. In England widmet sich beispielsweise das VITAE Programm73 dieser Thematik, das darauf abzielt, durch die Mitarbeit an der Entwicklung und Implementierung von effektiven Maßnahmen im Bereich Personalentwicklung von Wissenschaftler*innen zum Aufbau von Humankapital beizutragen. Weitere Programmziele sind, die Anzahl der Maßnahmen im Bereich Personalentwicklung, insbesondere Karriereentwicklung von Wissenschaftler*innen, auszubauen und Belege für die Wichtigkeit von professionellen Karriereentwicklungsmaßnahmen für Wissenschaftler*innen bereitzustellen. Maßnahmen in diesem Bereich fortzuentwickeln, erscheint insbesondere vor dem Hintergrund erstrebenswert, dass durch ein verantwortungsvolles Führungshandeln, eine gewissenhafte fachliche Betreuung, wie auch eine bewusste Karriereberatung des eigenen wissenschaftlichen Nachwuchses man auch als einzelne*r Professor*in dazu beitragen kann, dass die Karrierewege von jungen Menschen zu Erfolgsgeschichten und nicht zu „tragischen Schicksalen“ werden. Oder wie mein Interviewpartner Peter es formuliert: „[Ich fühle mich] wie so ein [glücklicher] Überlebender von so einem Schiffsunglück“ (P.: 836f.). Das Ziel zu erreichen, dass mehr Nachwuchswissenschaftler*innen, wenn sie retrospektiv auf ihren akademischen Qualifizierungsverlauf blicken, von „„Sternstunden“ des Führungshandelns“ (Schmidt und Richter 2008: 53) berichten und nicht davon erzählen, wie ihr*e Promotionsbetreuer*in ihnen die „Daumenschrauben“ (P.: 1076) angelegt hätten, stellt eine Motivation dar, die Entwicklung der Führungskompetenzen von Professor*innen noch weiter zu forcieren und auch zu incentivieren.

72 Für einen Überblick über diverse Instrumente zur Führungskräfteentwicklung in der Wissenschaft siehe auch Elvers (2006), Schmidt und Richter (2008) und Schmid et al. (2017). 73 Das VITAE Programm ist Teil des Careers Research and Advisory Centre (CRAC) Ltd. Für nähere Informationen zum VITAE Programm s.h. https://www.vitae.ac.uk

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Auch der Befund der vorliegenden Studie, dass die Promotionsphase in Bezug auf die Ausbildung von Karriereaspirationen bei den Nachwuchswissenschaftler*innen als die prägendste Phase anzusehen ist, motiviert die Handlungsempfehlung eines Ausbaus der Betreuungskompetenzen der Professor*innen zusätzlich, nicht zuletzt deswegen, weil in ebenjener Phase auch die relevantesten Investitionen zu tätigen sind. In dieser Statuspassage wird das Selbstbild als Wissenschaftler*in wesentlich geprägt, und die Grundlagen für die Ausbildung einer ganz bestimmten Illusio wie auch eines ganz bestimmten Habitus werden gelegt. Wenn in dieser Phase Vertrauenspersonen und Vorbilder fehlen oder als Negativbeispiele fungieren, kann das Vertrauen in den wissenschaftlichen Karriereweg grundlegend erschüttert werden. Dies kann dazu führen, dass nicht das relevante Kapital für die entsprechenden Karriereziele akkumuliert wird oder es nicht zum Einüben des „passenden“ Habitus kommen kann, was jedoch, wie bereits gezeigt (vgl. Kapitel 3.2), eine wichtige Voraussetzung für den wissenschaftlichen Laufbahnerfolg ist. Um für beide involvierten Parteien die Promotionsbetreuung optimal zu gestalten, ist zu Beginn des Betreuungsverhältnisses ein gegenseitiger Erwartungsabgleich anzuraten, denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Erwartungen von Betreuenden und Promovierenden identisch sind (vgl. Engler 2003). Darin sind wesentliche Ursachen für Verzögerungen, Negativerfahrungen und gegebenenfalls auch einen vorzeitigen Abbruch des Qualifizierungsprozesses zu sehen. Formalisierte Betreuungsvereinbarungen, wie sie mittlerweile bei einem Großteil der strukturierten Promotionsformate Anwendung finden, können hierbei als Leitfaden zur Gesprächsführung dienen. Jedoch sollte die Unterzeichnung einer schriftlichen Vereinbarung zu Promotionsbeginn auch durch regelmäßige „Follow-Up“ Gespräche ergänzt werden, um die Erwartungen auch aktualisieren zu können, denn sowohl veränderte Rahmenbedingungen (z.B. die Finanzierungsform, Betreuungssituation), veränderte persönliche Lebenslagen (z.B. Krankheit, Familiengründung) wie auch verschiedene Bearbeitungsphasen der Dissertation (Orientierungsphase-Finalisierungsphase) bringen durchaus verschiedene Bedürfnisse der Promovierenden mit sich74. Der Einsatz von innovativen Instrumenten, wie die in England bereits seit mehreren Jahren etablierten 74 Praktische Strategien zur Verbesserung der Doktorandenausbildung präsentieren McAlpine und Amundsen (2011)74 in ihrem Buch „Doctoral Education: Research-Based Strategies for Doctoral Students, Supervisors and Administrators“, das auf den Ergebnissen ihrer Forschungen zur wissenschaftlichen Nachwuchsausbildung in England basiert. Zu den Strategien, welche die Autorinnen anführen, zählen Wege zur Verbesserung der Betreuungskompetenzen von Professor*innen, Hinweise zum effektiven Aufbau von Netzwerken während der Promotionsphase für wissenschaftliche Nachwuchskräfte wie auch zum Geben von Feedback, sowie der Umgang mit Feedback für beide involvierten Parteien. Zur Karriereentwicklung von Wissenschaftler*innen s.h. auch McAlpine und Amundsen (2016).

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strukturierten Feedbackgespräche, die ähnlich wie Mitarbeitergespräche aufgebaut sind und den Promotionsverlauf flankieren, ist in diesem Kontext gewiss lohnenswert. Der Ausbau von professionellen Angeboten im Bereich Personalentwicklung von Wissenschaftler*innen trägt gewiss dazu bei, die wissenschaftliche Nachwuchsausbildung in Deutschland zu verbessern. Jedoch darf in diesem Kontext die Rolle der Professor*innen nicht außer Acht gelassen werden. Denn insbesondere die Professor*innen können durch ihr eigenes Engagement und durch die Glaubenssätze, die sie vertreten und an ihren wissenschaftlichen Nachwuchs weitergeben, dazu beitragen, dass sich die Funktionsweisen des wissenschaftlichen Feldes und die wissenschaftliche Illusio Stück für Stück wandeln hin zu einer chancengerechteren und vorurteilsfreieren Vorstellung von dem Idealtypus einer Wissenschaftlerin oder eines Wissenschaftlers. Vertrauensverhältnisse besitzen an dieser Stelle eine zentrale Bedeutung und mit dem Vertrauen der Noviz*innen sollte von den akademischen Lehrer*innen verantwortungsvoll und wertschätzend umgegangen werden, denn kein Geschenk ist kostbarer als Vertrauen.

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Anhang

Tabellen- und Abbildungsanhang Tabelle 3: Abgeschlossene Promotionen in Deutschland von 2000 bis 2015

Jahr

Anzahl an abgeschlossenen Promotionen

Davon von Frauen abgeschlossen (Anteil in %)

1994

22.404

6.989 (31,2%)

1995

22.387

7.049 (31,5%)

1996

22.849

7.104 (31,1%)

1997

24.174

7.770 (32,1%)

1998

24.890

8.228 (33,1%)

1999

24.545

8.186 (33,3%)

2000

25.780

8.852 (34,3%)

2001

24.796

8.752 (35,3%)

2002

23.838

8.672 (36,4%)

2003

23.043

8.724 (37,9%)

2004

23.138

9.030 (39,0%)

2005

25.952

10.272 (39,6%)

2006

24.287

9.927 (40,9%)

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Tischler, Vertrauen in die Wissenschaftskarriere, Wissenschaft – Hochschule – Bildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27224-1

Anhang

330

2007

23.843

10.068 (42,2%)

2008

25.190

10.558 (41,9%)

2009

25.084

11.067 (44,1%)

2010

25.629

11.301 (44,1%)

2011

26.981

12.105 (44,9%)

2012

26.807

12.179 (45,4%)

2013

27.707

12.256 (44,2%)

2014

28.147

12.798 (45,5%)

2015

29.218

13.052 (44,7%)

2016

29.303

13.248 (45,2%)

Quelle: Eigene Darstellung unter Verwendung der Zahlen aus: Statistisches Bundesamt (2017a). Tabelle 4: Abgeschlossene Promotionen in Deutschland nach Fächergruppen im Jahr 2016

Fächergruppe

Anzahl an abgeschlossenen Promotionen

Anzahl an Frauen (Anteil in %)

Geisteswissenschaften

2.175

1.129 (51,9%)

Anhang

331

Sport

105

49 (46,7%)

Rechts-. Wirtschaftsund Sozialwissenschaften

4.794

2.207 (46,0%)

Mathematik, Naturwissenschaften

8.782

3.738 (42,6%)

Humanmedizin, Gesundheitswissenschaften

7.414

4.411 (59,5%)

Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften, Veterinärmedizin

1.008

674 (66,9%)

Ingenieurwissenschaften

4.719

833 (17,6%)

Anhang

332

Kunst, Kunstwissenschaft

302

206 (68,2%)

Insgesamt

29.303

13.248 (45,2%)

Quelle: Eigene Darstellung unter Verwendung der Zahlen aus: Statistisches Bundesamt (2017a). Tabelle 5: Abgeschlossene Habilitationen von 2007 bis 2016

Jahr 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

Anzahl 1.881 1.800 1.820 1.755 1.563 1.646 1.567 1.627 1.627 1.581

Quelle: Statistisches Bundesamt (2017b); Eigene Darstellung

Anhang

333

Tabelle 6: Anzahl an abgeschlossenen Habilitationen nach Fächergruppen in den Jahren 2014 und 2016

Fächergruppe

Anzahl an abgeschlossenen Habilitationen (Anteil an Gesamt)

2014

2016

Geisteswissenschaften

261 (16,0%)

218 (13,8%)

Sport

11 (0,7%)

8 (0,5%)

Rechts-. Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

143 (8,8%)

202 (12,8%)

Mathematik, Naturwissenschaften

276 (17,0%)

211 (13,4%)

Humanmedizin, Gesundheitswissenschaften

828 (50,9%)

802 (50,7%)

Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften, Veterinärmedizin

35 (2,1%)

41 (2,6%)

Ingenieurwissenschaften

53 (3,3%)

84 (5,3%)

Kunst, Kunstwissenschaft

20 (1,2%)

15 (0,9%)

Gesamt

1.627

1.581

Quelle: Statistisches Bundesamt (2017b); Eigene Darstellung

Anhang

334

Tabelle 7: Anzahl an Juniorprofessor*innen von 2002 bis 2014

Jahr

Insgesamt

2002

102

2003

282

2004

411

2005

617

2006

782

2007

802

2008

897

2009

994

2010

1.236

2011

1.332

2012

1.439

2013

1.597

2014

1.613

Davon Frauen (in %) 33 (32,3%) 88 (31,2%) 127 (30,9%) 179 (29,0%) 246 (31,5%) 269 (33,5%) 319 (35,6%) 368 (37,0%) 467 (37,8%) 514 (38,6%) 547 (38,0%) 637 (39,9%) 645 (40,0%)

Quelle: Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs, Tabelle B17 (2017: 115); Eigene Darstellung

sind daher nur eingeschränkt aussagekräftig. Die Entwicklung der Nachwuchsgruppen im Zeitverlauf zeigt eine deutliche Zunahme Zahl der Nachwuchsgruppen steigt im seit 2005. Die Anzahl der Nachwuchsgruppen an den außeruniversitären ForschungseinZeitverlauf deutlich an richtungen hat sich mehr als verdreifacht (von 184 auf 567),71 wobei die Entwicklung in den vergangenen Jahren stagniert Auch die Zahl der Emmy Noether- Geförderten hat einen Anhang Anstieg erfahren von 297 geförderten Personen im Jahr 2006 auf 354 im Jahr 2014 (Tab. B20).

335

Tabelle 8: Nachwuchsgruppenleiter*innen nach im Förderprogramm im Zeitverlauf von Tab. B20: Nachwuchsgruppenleiterinnen und Nachwuchsgruppenleiter Zeitverlauf (2005 bis 2014) Förderprogramm (in Personen) 2005 bisnach 2014 AUF

Nachwuchsgruppe

2008

2009

2010

2011

2012

2013





9

21

25

23

28

28

28

22

 

89

132

133

116

159

156

166

236

232

226

Forschungsgruppen

55

60

77

98

103

122

120

127

116

121

Otto-Hahn-Gruppen



4

7

10

13

8

10

11

8

9



















36

FhG

Attract

HGF MPG 

Minerva-Gruppen WGL

 

DFG

Emmy Noether

Insgesamt

2005

2006

2007

2014

40

45

41

57

100

97

102

109

146

153



297

335

336

346

357

351

359

343

354

184

538

602

638

746

763

777

870

873

921

Quellen: Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) (2015): Pakt für Forschung und Innovation. Monitoring-Bericht 2015. Materialien der GWK, http://www.gwkQuelle: Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs, Tabelle B20 bonn.de/fileadmin/Papers/GWK-Heft-42-PFI-Monitoring-Bericht-2015.pdf (25.08.2015), S. 103 und 118; für Emmy Noether: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): (2017: 120) für den Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs (BuWiN) 2017, Sonderauswertung, Bonn; eigene Darstellung Emmy Noether-Geförderte

70 Berndt, S./Rathmann, A. (2015): Karrierewege im Vergleich – aus Sicht aktueller Postdocs. In: Burkhardt, A./Nickel, S. (Hg.): Die Juniorprofessur. Neue und alte Qualifizierungswege im Vergleich, Baden-Baden, S. 116

Tabelle 9: Kriterien für die Auswahl der Fachdisziplinen 71 Einschränkungen in der Aussagekraft der Daten ergeben sich jedoch dadurch, dass in der Vergangenheit nicht alle Programme ausgewiesen wurden (bspw. Minerva-Gruppen der MPG erst seit 2014).

Kriterium

Physik

Geschichte

BWL

Verortung im Machtfeld der Disziplinen

Kultureller Pol

Zwischen kulturellem und ökonomischem Pol

Ökonomischer Pol

Hartes vs. Weiches Fach

Hartes Fach

Weiches Fach

Weiches Fach

TraditionsreiTraditionsreiches vs. Junges ches Fach Fach

Eher traditionsreiches Fach

Junges Fach

Soziale Organisationsform

Einzelarbeit; Meister-SchülerVerhältnis zwischen Professor*in und Nachwuchswissenschaftler*in

gemischt

120

Arbeitsgruppen, zusammengesetzt aus Wissenschaftler*innen verschiedener Karrierestufen

Anhang

336

Publikationskultur

Anerkanntestes P.format: Artikel in Zeitschriften (impact factor) in Co-Autorenschaft;

Anerkanntestes P.format: Monografie in Alleinautorenschaft;

Anerkanntestes P.format: Artikel in Zeitschriften (impact factor) in Alleinund Co-Autorenschaft;

P.sprache: Englisch;

P.sprache: P.sprache: Deutsch bzw. ab- Englisch, aber hängig von der auch Deutsch; Fokusregion;

Dissertation: (fast) nur kummulativ

Dissertation: (fast) nur monografisch

Dissertation: monografisch und kummulativ

Promotions-intensität

Hoch

Eher niedrig

Niedrig

Frauenanteil an Promotionen

Niedrig

Eher hoch

Eher niedrig

Strukturierte Doktorandenausbildung

Stark verbreitet Wenig verbreitet

Eher verbreitet

Durchschnittsal- Eher jung ter bei Erstberufung

Eher alt

Jung

Chancen auf dem

Eher schlecht

Sehr gut

Gut

Anhang

außeruniversitären Arbeitsmarkt Quelle: Eigene Darstellung

337

338

Anhang

Leitfadenanhang Leitfaden für die Gruppendiskussionen Vorstellungsrunde/Aufwärmphase

Bevor wir mit der Diskussion beginnen, würden wir Sie bitten sich kurz vorzustellen. [Name], könnten Sie bitte beginnen und dann machen wir reihum einige kurze Bemerkungen zu unserer Person, Beschäftigungsstatus, Arbeitsschwerpunkten und -interessen. [Abhängig von der Gruppenzusammensetzung]

Diskussionsanreiz Gegenwärtig sind die Arbeitsbedingungen und Karriereverläufe des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland Gegenstand von vermehrtem Interesse. In den vergangenen Jahren wurde eine ganze Reihe von Untersuchungen durchgeführt, die solch unterschiedliche Themen wie geschlechterspezifische Karrierechancen, veränderte Karrierekulturen oder auch Internationalisierung der Wissenschaft zum Gegenstand hatten. Vor dem Hintergrund der eben genannten Entwicklungen interessieren wir uns für Ihre persönlichen Einschätzungen, Erwartungen und Erfahrungen im Hinblick auf die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses in Ihrem Fach: Wie würden Sie die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen und Karrierechancen – auch im Hinblick auf Ihre persönlichen Erfahrungen – für den wissenschaftlichen Nachwuchs im [Fach] einschätzen?

Immanente Nachfragen Exmanente Nachfragen Themenfeld a: Wissenschaftliche Karriere - Was bedeutet es, eine wissenschaftliche Karriere in der [Fach] anzustreben? Wenn man in Ihrem Fach etwas werden will, was ist dann wichtig? [Studienort, Mobilität, Doktorvater, Mentoren, Netzwerke]

Anhang

339

- Befristete Verträge, schlechte Bezahlung, unsichere Perspektiven: was hilft, um damit umzugehen und die Karriere im Blick zu behalten? - Befristete Verträge, schlechte Bezahlung, unsichere Perspektiven: warum tun Sie sich das überhaupt an? - Wie erleben/beurteilen Sie die Hochschule als Arbeitgeber? Wie bewerten Sie das deutsche System und die Chancen für Nachwuchswissenschaftler*nnen hier? - Was war für Sie ausschlaggeben eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen? - Was hat Ihre Karriere bisher bestimmt? - An welchen Qualitätskriterien werden wissenschaftliche Leistungen in Ihrem Fach gemessen? - Welche Bedeutung hat ein Plan B für Sie? - Wie würden Sie das Verhältnis von Konkurrenz und Zusammenarbeit in Ihrem Fach beschreiben? Themenfeld b: Vertrauen und Wissenschaft - Inwiefern spielt Vertrauen in der wissenschaftlichen Karriere eine Rolle? Wie äußert sich dies? Bitte geben Sie Beispiele zu konkreten Situationen/Erfahrungen. - Welche Rolle spielt Vertrauen in persönlichen Betreuungsverhältnissen in Ihrem Fach? Denken Sie beispielsweise an Ihre Promotionszeit. - Wo sehen Sie Probleme hinsichtlich der Standards und Verfahren guter wissenschaftlicher Praxis? - Was erwarten Sie als Nachwuchswissenschaftler*innen von der Hochschule? Inwiefern werden diese Erwartungen erfüllt? - Welche Rolle spielt das Selbstvertrauen für eine wissenschaftliche Karriere in Ihrem Fach? - Welchen Personen würden Sie sich am ehesten anvertrauen, wenn es um persönliche Entscheidungen bezüglich der Karriere geht? - Präsenzpflicht, Lehrevaluation, Leistungskontrolle: würden Sie sagen Hochschulen vertrauen ihren Beschäftigten heute nicht mehr? - War das Thema „Vertrauen“ jemals Gegenstand von Gesprächen mit Kolleg*nnen oder anderen Nachwuchswissenschaftler*innen? Wenn ja, inwiefern? - Welche Rahmenbedingungen in Hochschulen wirken aus Ihrer Sicht auf die Ausprägung von Vertrauen in Ihren Arbeitgeber ein?

340

Anhang

- Der vertrauensvolle Umgang steht in fast jedem Unternehmensleitbild. Was verstehen Sie als Nachwuchswissenschaftler*innen im Unternehmen „Hochschule“ darunter? Welche Erwartungen verknüpfen Sie damit? Leitfaden für die Bildungs- und erwerbsbiografischen Interviews Gesprächseinstieg/Aufwärmphase Vielen Dank, dass Sie sich zu diesem Interview bereit erklärt haben. Wie Sie sicher schon wissen, möchten wir in unserer Untersuchung Daten zur Laufbahn von Nachwuchswissenschaftler*innen zusammentragen. Dabei interessieren wir uns für die Besonderheiten der wissenschaftlichen Laufbahn in ihrem Fach und ihre ganz persönlichen Erfahrungen damit. D.h. mich interessiert vor allem, wie ihre eigene wissenschaftliche Karriere bisher verlaufen ist, was für Erfahrungen Sie auf bisherigen Arbeitsstellen und Qualifizierungsphasen gemacht haben und was ihre bildungs- und erwerbsbiographischen Entscheidungen dabei beeinflusst hat.

Erzählgenerierende Stimuli Könnten Sie bitte möglichst ausführlich Ihren bisherigen wissenschaftlichen Werdegang und Ihre derzeitigen Aufgaben beschreiben? Wie kam es zu der Berufswahl Wissenschaft? Gab es eine Entscheidung dazu? Wussten Sie von Anfang an, wo Ihr Weg hinführen sollte? Wie hat damals Ihr privates Umfeld auf die Entscheidung reagiert? Was ist das Spannende an Ihrem Fach? Was begeistert Sie persönlich an den Themen, die Sie bearbeiten? Immanente Nachfragen Exmanente Nachfragen Themenfeld a: (Eigene) Laufbahn im Fach und Einschätzung - Wie haben Sie die einzelnen Stationen Ihrer Karriere bisher erlebt? Wo liegen die Schwierigkeiten in der Phase der Doktorarbeit/Habilitation? - Wenn man in Ihrem Fach etwas werden will, was ist dann wichtig? (Studienort, -dauer, Netzwerke, Mobilitätsbereitschaft usw.). - Wie klar sind Ihnen diese fachspezifischen Kriterien gewesen? - Welche Erfahrungen haben Sie selbst bisher damit gemacht?

Anhang

-

341

Gab es jemanden, an den Sie sich für solche Fragen hätten vertrauensvoll wenden können? An welchen Qualitätskriterien werden wissenschaftliche Leistungen in ihrem Fach gemessen?

- Was hat Ihre eigene wissenschaftliche Karriere bisher am meisten bestimmt? - Welche Eigenschaften/Attribute braucht man ihrer Meinung nach als Person für eine solche Karriere? Spielt Selbstvertrauen eine besondere Rolle? Wenn ja inwiefern? - Mit welchen Attributen würden Sie sich selbst beschreiben? - Welche Bedeutung haben Doktoreltern und Mentor*nnen? Wofür sind Sie wichtig und warum? - Wie war das bei Ihnen? Wie sind Sie an ihren Doktorvater/mutter gekommen? - In welcher Hinsicht waren/war sie/er für Sie wichtig? - Würden Sie sagen, dass das Betreuungsverhältnis ein besonderes Vertrauensverhältnis ist? Wenn ja, inwiefern? Welche Faktoren machen es Ihrer Ansicht nach zu einem Vertrauensverhältnis? Welche Erfahrungen haben Sie selbst damit gemacht? Wurde Ihr Vertrauen auch schon einmal enttäuscht? - Haben Sie von Fördermaßnahmen, z.B. Stipendien o.ä. profitiert? - Welchen Stellenwert haben diese in Ihrem Fach? - Wie schätzen Sie solche Maßnahmen ein? - Welche Relevanz haben Preise und Auszeichnungen in Ihrem Fach? - Wie haben persönliche Lebensumstände, z.B. Partnerschaft/Elternschaft o.ä. auf Ihre bisherige Karriere Einfluss genommen? Themenfeld b: Bedingungen für Karriere im Fach - Wie schätzen Sie die Arbeitsbedingungen und Karrierechancen für Nachwuchswissenschaftler*innen in Ihrem Fach ein? - Haben Sie sich damals Gedanken darüber gemacht, welche Risiken mit einer wissenschaftlichen Karriere verbunden sein können? - Was hat Sie dennoch darauf vertrauen lassen, dass es die richtige Entscheidung war, eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen? - Was stärkt und was schwächt das Vertrauen in eine wissenschaftliche Karriere?

342

Anhang

- Befristete Verträge, schlechte Bezahlung, unsichere Perspektiven: was hilft um damit umzugehen und die Karriere im Blick zu behalten? - Befristete Verträge, schlechte Bezahlung, unsichere Perspektiven: warum tun Sie sich das überhaupt an? - Gab es etwas, was Sie sich damals gewünscht hätten und heute anders machen würden? - Hatten oder haben Sie einen Plan B? Welchen Stellenwert hat(te) dieser? - Präsenzpflicht, Lehrevaluation, Leistungskontrolle: würden Sie sagen Hochschulen vertrauen ihren Beschäftigten heute nicht mehr? - Der vertrauensvolle Umgang steht in fast jedem Unternehmensleitbild. Was verstehen Sie als Nachwuchswissenschaftler*nnen im Unternehmen Hochschule darunter? Welche Erwartungen verknüpfen Sie damit? Themenfeld c: Perspektiven und Planung - Was würden Sie einem/r jungen Kolleg*in empfehlen, der jetzt vor der zentralen Entscheidung steht, eine wissenschaftliche Karriere im Fach einzuschlagen? - Wie würden Sie selbst die Person unterstützen bzw. wie helfen Sie bereits Studierenden beim Einstieg? - Was unternimmt Ihre Hochschule bisher für die Karriereförderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und inwiefern profitieren Sie davon? - Wieviel Vertrauen haben Sie in diese Form/einzelne Instrumente der Karriereförderung? - Was müsste die Hochschule Ihrer Ansicht nach sinnvollerweise tun, damit Ihr Vertrauen gestärkt würde? - Sind Ihnen Beispiele für gute Karriereförderung aus anderen Arbeitszusammenhängen/Ländern bekannt? - Welche Vorstellungen und Ansprüche an Ihre weitere Karriere haben Sie? Wie sollte sie idealerweise weitergehen? - Wovon ist Ihre eigene berufliche Planung für die Zukunft abhängig? - Welche außerwissenschaftlichen Interessen haben Sie? Abschluss Gibt es etwas, da Sie dem, was Sie bereits gesagt haben, hinzufügen möchten, oder gibt es eine Frage, die ich Ihrer Meinung nach unbedingt hätte stellen sollen? Vielen Dank!