Verschulden in der Zwangsvollstreckung [1 ed.] 9783428541744, 9783428141746

Die Zwangsvollstreckung und die Vollziehung im einstweiligen Rechtsschutz sind als formalisiertes Verfahren ausgestaltet

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Verschulden in der Zwangsvollstreckung [1 ed.]
 9783428541744, 9783428141746

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Schriften zum Prozessrecht Band 230

Verschulden in der Zwangsvollstreckung Von Ben Findeisen

Duncker & Humblot · Berlin

BEN FINDEISEN

Verschulden in der Zwangsvollstreckung

Schriften zum Prozessrecht Band 230

Verschulden in der Zwangsvollstreckung Von Ben Findeisen

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Justus-Liebig-Universität Gießen hat diese Arbeit im Jahre 2012 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 978-3-428-14174-6 (Print) ISBN 978-3-428-54174-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-84174-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Diese Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Justus-Liebig-Universität Gießen 2012 als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnten berücksichtigt werden bis einschließlich August 2013; Änderungen der Rechtslage, die sich bis zu diesem Zeitpunkt ergeben haben, wurden eingearbeitet. Ich bedanke mich bei meiner Frau, die mir zur Seite gestanden ist, einiges entbehren musste und sich duldsam um das Wichtigste gekümmert hat, um unsere Kinder. Mein Dank gilt darüber hinaus Herrn Prof. Dr. Walker, der die Arbeit möglich gemacht hat, Herrn Prof. Dr. Adolphsen für die Übernahme der Zweitkorrektur, den Kollegen am Gießener Lehrstuhl für die vielen Gespräche und Anregungen und vor allem auch Frau Anke Hunger, welche die Arbeit zur Korrektur gelesen hat. Eching (bei München), Januar 2014

Ben Findeisen

Inhaltsverzeichnis § 1 Einführung in das Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 § 2 Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 A. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 I.

Verschulden im zivilrechtlichen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

II.

Schuld (Verschulden) im strafrechtlichen Sinne, Abgrenzung zum zivilrechtlichen Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

B. Zur Rechtsnatur des Zwangsvollstreckungsrechtes – Bedeutung für das Verschuldensprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I.

Rechtsnatur, Meinungsstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Herrschende Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Abweichende Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Lehre vom „materiellen Justizrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 b) Lehre von der Doppelnatur der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . 33 c) Lehre von der Differenzierung zwischen Rechtsbehelfen und dem Zwangsvollstreckungsrecht im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

II.

Stellungnahme und eigener Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Vorschriften öffentlich-rechtlicher Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Vorschriften privatrechtlicher und gemischt-rechtlicher Art . . . . . . . . . . . 37 a) Privatrechtlicher Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 b) Privatrechtliche Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 c) Öffentlich-rechtliche Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

III. Konsequenzen für das Verschuldensprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. Bei privat- und gemischt-rechtlichen Vorschriften im Zwangsvollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Bei öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Zwangsvollstreckungsrecht . 40 a) Geltung des Verschuldensprinzips im öffentlich Recht im Allgemeinen 41 aa) Verschulden im Bereich der Eingriffsverwaltung . . . . . . . . . . . . . 41 bb) Verschulden im Bereich des formellen Verfahrensrechtes . . . . . . 41 (1) § 233 ZPO und § 582 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 (2) §§ 721 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 3 ZPO und § 794a Abs. 1 S. 2, Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

8

Inhaltsverzeichnis (3) § 765a Abs. 3 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 cc) Verschulden im öffentlich-rechtlichen Haftungsrecht . . . . . . . . . . 43 (1) Staatliches Verschulden bei Staatshaftung/Amtshaftung . . . . 43 (2) Privates Verschulden bei Haftung gegenüber dem Staat . . . . . 44 dd) Sonstiges: Verschulden im Bereich der Leistungsverwaltung . . . . 44 b) Schlussfolgerungen für die öffentlich-rechtlichen Vorschriften der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 C. Ein System von Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I.

Pflichtensystem im horizontalen Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Ansicht des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 b) Pflichtensystem nach Auslegung prozessualer Vorschriften . . . . . . . . 48 c) Ablehnende Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Zur Ansicht des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Zum Pflichtensystem nach Auslegung prozessualer Vorschriften . . . . 51 c) Zur ablehnenden Ansicht, Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

II.

Pflichtensystem im vertikalen Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Pflichten des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Pflichten der Verfahrensbeteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

III. Obliegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. Das Vollstreckungsrechtsverhältnis als Grundlage vollstreckungsrecht­ licher Obliegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Obliegenheiten und Verschulden, kein Widerspruch in sich . . . . . . . . . . . 56 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 D. Kein Widerspruch zwischen formalisiertem Verfahren und Verschuldensprinzip im Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 I.

Grundsatz: „Formalisierung der Zwangsvollstreckung“ – Begriff, Bedeutung, Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

II.

Durchbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1. Weitreichende Prüfkompetenzen der Vollstreckungsorgane, Befähigung zur Prüfung von Rechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Prüfung materiell-rechtlicher Fragen im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Vorsätzliche, unerlaubte Handlung nach § 850f Abs. 2 ZPO . . . . . . . . 61 b) Kostenverrechnung nach § 367 BGB nach Teilvollstreckung . . . . . . . 62 c) Hypothekenhaftungsverband, Prüfung der Zuständigkeit nach § 865 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

Inhaltsverzeichnis

9

d) Wesentliche Bestandteile, § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. §§ 94 f. BGB 64 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 E. Verschulden im Prozessrecht und Verschuldensmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 I.

Verschulden im Verfahrensrecht außerhalb der Zwangsvollstreckung, Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

II.

Verschulden in der Zwangsvollstreckung, Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

III. Verschuldensmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Allgemeines zum Verschuldensmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Zur Wahrheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 F. Zurechnung des Verschuldens Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 I.

Zurechnung von Drittverschulden nach §§ 51 Abs. 2, 85 Abs. 2 ZPO . . . . . 68

II.

Zurechnung von Drittverschulden nach § 278 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

III. Ergebnis/Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 § 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 A. §§ 707, 719 ZPO – Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . 72 I.

Verschulden bei der summarischen Prüfung der Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . 73

II.

Verschulden bei der Interessengewichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 B. §§ 721, 794a ZPO – Gewährung einer Räumungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 C. § 758a ZPO – Richterliche Durchsuchungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 D. § 765a ZPO – Allgemeiner Vollstreckungsschutz, Härtefallregelung . . . . . . . . . . 78 I.

Zu den Voraussetzungen einer Einstellung wegen sittenwidriger Härte . . . . 78 1. Verschulden des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 a) Pflichten/Obliegenheiten des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 aa) Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 bb) Suche nach Ersatzunterkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 cc) Mitwirkung an der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 dd) Weiterreichende Verpflichtungen bei zunehmender Verfahrensdauer 83 b) Meinungsstreit zur Auswirkung schuldhafter Pflicht-/Obliegenheitsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 aa) Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Verschulden des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

10

Inhaltsverzeichnis a) Pflichten des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 aa) Mitwirkung an der Abwicklung des titulierten Anspruchs . . . . . . 90 bb) Mitwirkungspflicht im Vorfeld der Handlungsvollstreckung nach § 887 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 b) Meinungsstreit zur Auswirkung schuldhafter Pflichtverletzungen . . . 91 aa) Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 bb) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 II.

Zur Zulässigkeit des Antrags bei der Räumungsvollstreckung, § 765a Abs. 3 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

E. § 767 ZPO – Vollstreckungsabwehrklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 I.

Verschulden bei der Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 95

II.

Verschulden bei der Präklusion nach § 767 Abs. 3 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 97

III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 F. § 771 ZPO − Drittwiderspruchsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I.

Verschulden auf materiell-rechtlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

II.

Verschulden auf verfahrensrechtlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

G. § 803 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 ZPO – Pfändungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 H. §§ 811 ff. ZPO – Sachpfändung/Vollstreckungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 I.

§ 811 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

II.

§ 811a ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

III. § 811c Abs. 1, Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 IV. § 812 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 V.

§ 813a ZPO (a. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. Zahlungsverzug und Verschulden, Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Neue Rechtslage mit Geltung ab dem 01.01.2013, § 802b Abs. 2, 3 ZPO (n. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

VI. § 813b ZPO (a. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Sachvoraussetzung für die Aussetzung der Verwertung, Verschulden . . . 117 2. Antragsfrist und schuldhaftes Säumnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 4. Neue Rechtslage mit Geltung ab dem 01.01.2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

Inhaltsverzeichnis

11

J. §§ 850 ff. ZPO – Forderungspfändung/Vollstreckungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. II.

§§ 850 ff. ZPO, Verschulden bei antragsunabhängigem Vollstreckungsschutz 121 § 850b Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Entscheidung nach Billigkeit, Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. „Pflichten“ der Beteiligten bzw. Erwerbsobliegenheit des Vollstreckungsschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Praktische Bedeutung einer Erwerbsobliegenheit i.R.d. § 850b ZPO . 123 b) Grundsätzliche Relevanz der Erwerbsobliegenheit im Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 c) Allgemeine vollstreckungsrechtliche Erwerbsobliegenheit . . . . . . . . . 124 aa) Hinüberwirken materiell-rechtlicher Erwerbsobliegenheiten in das Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 bb) Das vollstreckungsrechtliche Rechtsverhältnis als selbständige Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 4. Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

III. § 850c Abs. 4 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Entscheidung nach Billigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Keine Interessenabwägung im klassischen Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Neuberechnung der Pfändungsfreigrenze (gemäß den objektiven Umständen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Nicht erforderlich: Schuldhafte Vermögensverschiebung (an den Dritten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 c) Nichtberücksichtigung etwaiger Erwerbsobliegenheiten des Dritten . 132 3. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 IV. § 850d Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO (bevorrechtigte Vollstreckung) . . . . . . . . . . . . . . 135 2. § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO (Vollstreckung wegen überjähriger Unterhaltsrückstände) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Rechtsnatur des § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 b) Zur Frage, ob schuldhaftes Verhalten des Vollstreckungsgläubigers relevant ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 c) Verschulden des Vollstreckungsschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 aa) Verstoß gegen die Zahlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 bb) Verschulden und Verschuldensmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 V.

§ 850f ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der drei Härteklauseln des § 850f ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

12

Inhaltsverzeichnis 2. Interessenabwägung (als Grundlage für die Berücksichtigung schuldhaften Verhaltens) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 VI. § 850i Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung außerhalb vollstreckungsschutzrecht­ licher Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 A. §§ 756, 765 ZPO – Vollstreckung Zug um Zug, Annahmeverweigerung und Nichtanbieten der eigenen Leistung durch den Vollstreckungsschuldner . . . . . . . . . . . . 145 I.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

II. Annahmeverweigerung/Nichtanbieten der eigenen Leistung und Ver­ schulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Kein Verschuldenserfordernis nach den materiell-rechtlichen Grundsätzen 146 2. Keine Abweichung von den materiell-rechtlichen Grundsätzen im Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Besonderheit: Annahmeverzug im prozessualen, nicht im materiellrechtlichen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 b) Anwendbarkeit der §§ 293 ff. BGB, Verschulden trotz der prozessualen Eigenheiten nicht als zusätzliches Korrektiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3. Verschulden des Vollstreckungsschuldners und Entbehrlichkeit des tatsächlichen Angebotes (vgl. §§ 294, 295 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 III. Rechtsfolgen und verfahrensrechtliche Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . 150 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 B. § 758 Abs. 3 ZPO – Anwendung von Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I.

Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

II.

Verschuldenserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 C. § 850h ZPO – Pfändung bei Lohnschiebung und verschleiertem Arbeitsein­ kommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 I.

Verschulden, Meinungsstand und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

II.

Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

D. §§ 872 ff. ZPO – Verteilungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 I.

§ 877 ZPO – Säumnisfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

II.

§ 878 ZPO – Widerspruchsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

E. §§ 883 ff. ZPO – Herausgabevollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

Inhaltsverzeichnis

13

I.

Kein Verschuldenserfordernis bei der Herausgabevollstreckung als solcher 160

II.

§ 885 Abs. 4 ZPO – Verkauf oder Vernichtung nicht abgeforderter Sachen . . 160

F. §§ 887 ff. ZPO – Vollstreckung zur Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen 162 I.

§ 887 ZPO – Vertretbare Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Nichterfüllung als streitige Voraussetzung für die Anordnung der Ersatzvornahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Pflichtverletzung in Form der Nichterfüllung, Verschulden . . . . . . . . . . . 163 3. Verschulden bei Geltendmachung von Einwendungen im Wege der Vollstreckungsabwehrklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

II.

§ 888 ZPO – Unvertretbare Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 1. Nichterfüllung als Voraussetzung für die Anordnung von Zwangsgeld/ Zwangshaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. Pflichtverletzung in Form der Nichterfüllung, Verschulden . . . . . . . . . . . 166 3. Verschulden bei Geltendmachung von Einwendungen im Wege der Vollstreckungsabwehrklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Einwendungen vor Festsetzung der Zwangsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Einwendungen nach Festsetzung der Zwangsmittel . . . . . . . . . . . . . . 169

III. § 890 ZPO – Duldungs- und Unterlassungsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Voraussetzungen für die Anordnung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft, Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Zum Verschuldensbegriff (strafrechtlicher/zivilrechtlicher Art) . . . . . . . . 171 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 G. §§ 899 ff. ZPO (a. F.); §§ 802a ff. ZPO (n. F.) – Eidesstattliche Versicherung und Haft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 I.

§§ 899 Abs. 1, 807 ZPO (a. F.) – Eidesstattliche Versicherung bei fruchtloser Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

II.

§§ 899 Abs. 1 (a. F.), 836 ZPO – Eidesstattliche Versicherung bei Forderungsüberweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

III. §§ 899 Abs. 1 (a. F.), 883 ZPO – Eidesstattliche Versicherung bei Heraus­ gabevollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 IV. § 901 ZPO (a. F.) – Erlass eines Haftbefehls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 V.

§ 903 ZPO (a. F.) – Wiederholte eidesstattliche Versicherung . . . . . . . . . . . . 178

VI. § 906 ZPO (a. F.) – Haftaufschub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 VII. §§ 802a ff. ZPO (n. F., neue Rechtslage mit Geltung ab dem 01.01.2013) . . 181 1. §§ 802a Abs. 2 Nr. 2/Nr. 3, 802c/802l ZPO (n. F.) – Einholung von Ver­ mögensauskünften des Schuldners und von Auskünften Dritter durch den Gerichtsvollzieher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

14

Inhaltsverzeichnis a) Auskunftspflicht des Schuldners und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Auskunftspflicht Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. § 802d ZPO (n. F.) – Erneute Vermögensauskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3. § 802g ZPO (n. F.) – Erzwingungshaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4. § 802h Abs. 2 ZPO (n. F.) – Haftaufschub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 5. § 807 ZPO (n. F.) i. V. m. § 802f ZPO (n. F.) – Vermögensauskunft bei Verweigerung der Durchsuchung und bei voraussichtlicher Fruchtlosigkeit der Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 6. §§ 836/883 ZPO – Eidesstattliche Versicherung bei Forderungsüberweisung und Herausgabevollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 VIII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 H. § 788 Abs. 4 ZPO – Kostentragung nach Billigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 I.

Bedeutung der Vorschrift und Voraussetzungen, Pflichtverletzung des Vollstreckungsgläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

II.

Verschulden des Vollstreckungsgläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

III. Verschuldensmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 IV. Zurechnung fremden Verschuldens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 § 5 Verschulden im Einstweiligen Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 A. Verschulden im Arrestverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 I.

§ 916 ZPO – Arrestanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

II.

§ 917 ZPO – Arrestgrund bei dinglichem Arrest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

III. § 918 ZPO – Arrestgrund bei persönlichem Arrest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 IV. § 921 ZPO – Sicherheitsleistung bei fehlender Glaubhaftmachung und neben der Glaubhaftmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. § 921 S. 1 ZPO (bei fehlender Glaubhaftmachung) . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. § 921 S. 2 ZPO (neben der Glaubhaftmachung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 V.

§ 926 ZPO – Anordnung der Klageerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

VI. § 927 ZPO – Aufhebung wegen veränderter Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Aufhebung unabhängig vom Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Aufhebung wegen anfänglicher Umstände bei unverschuldet verspätetem Sachvortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 VII. Exkurs: Verschulden im Verfahren nach den Vorschriften der ZPO im ­Übrigen 196 1. § 227 Abs. 1 ZPO, Terminänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. § 296 Abs. 1, 2 ZPO, Zurückweisung verspäteten Vorbringens . . . . . . . . 196 3. Einlegung von Rechtsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

Inhaltsverzeichnis

15

VIII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 B. Verschulden in der Arrestvollziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 I.

§ 928 ZPO – Vollziehung des Arrests, Anwendung der Vorschriften über die Zwangsvollstreckung (§§ 704 ff. ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

II.

§ 929 Abs. 2, 3 ZPO – Vollziehungsfrist, Zustellfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 1. Säumnis bei Ablauf der Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO . . . . . . 199 a) Keine Auswirkung unverschuldeter Säumnis auf die Unzulässigkeit der Vollziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) Auswirkungen auf den erneuten Arrestantrag: Selbstwiderlegung bei Ablauf der Vollziehungsfrist, Verschuldenserfordernis, rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Säumnis bei Ablauf der Zustellfrist nach § 929 Abs. 3 ZPO . . . . . . . . . . 201

III. § 934 ZPO – Aufhebung der Arrestvollziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 C. Verschulden im Verfügungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 I.

Sicherungsverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. § 935 ZPO – Verfügungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 2. § 935 ZPO – Verfügungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3. § 938 ZPO – Inhalt der einstweiligen Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 4. § 939 ZPO – Aufhebung (der einstweiligen Verfügung) gegen Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

II.

Regelungs- und Leistungsverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. § 940 ZPO – Verfügungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. § 940a ZPO – Räumungsverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Verfügungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 b) Verfügungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 c) § 940a Abs. 2 ZPO (n. F. – MietRÄndG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

III. § 942 Abs. 3 ZPO – Aufhebung der einstweiligen Verfügung mangels Rechtfertigungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 IV. Verschulden im Verfahren nach den Vorschriften der ZPO im Übrigen . . . . 211 V.

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

D. Verschulden in der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . 212 I.

§ 936 ZPO i. V. m. § 928 ZPO – Vollziehung der einstweiligen Verfügung, Anwendung der Vorschriften über die Zwangsvollstreckung (§§ 704 ff. ZPO) 212

II.

§ 936 ZPO i. V. m. §§ 929 ff. ZPO – Vollziehung der einstweiligen Verfügung, Anwendung der Vorschriften über die Vollziehung des Arrests . . . . . . . . . . 214

16

Inhaltsverzeichnis

§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . 215 A. Rechtsmissbrauch im Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 I.

Rechtsmissbrauch im Allgemeinen, römisch-rechtlicher Ursprung, privatrechtlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 2. Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 3. Individueller und institutioneller Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

II.

Geltung im Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

III. Geltung im Zwangsvollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 IV. Fallgruppen (Tatbestände)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Widersprüchliches Verhalten („venire contra factum proprium“) . . . . . . 223 2. Unredliches Verhalten bei Rechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 3. Unredliches früheres Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 4. Rechtsausübung unter Verstoß gegen die objektive Interessenlage . . . . . 225 5. Verstoß gegen den Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 6. Zusammenfassung zu den Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 V.

Verschulden als Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 3. Verschulden als Tatbestandsmerkmal der einzelnen Fallgruppen . . . . . . . 230 a) Widersprüchliches Verhalten („venire contra factum proprium“) . . . . 230 aa) Herrschende Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 (1) Zurechenbarkeit des widersprüchlichen Verhaltens . . . . . . . . 230 (2) Kriterien: Vermeidbarkeit, Erkennbarkeit, Beherrschbarkeit . 231 bb) Stellungnahme unter Aufgliederung in die einzelnen Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (1) Vorangegangenes Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (2) Vertrauen des anderen Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 (3) Nachfolgendes, widersprüchliches Verhalten . . . . . . . . . . . . . 232 cc) Ausnahme: Widersprüchliches Verhalten ohne Vertrauenstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 b) Unredliches Verhalten bei der Rechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 c) Unredliches früheres Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 d) Rechtsausübung unter Verstoß gegen die objektive Interessenlage . . . 235 e) Verstoß gegen den Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

Inhaltsverzeichnis

17

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 I.

Rechtsmissbrauch im Bereich der Prozessvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 236 1. Rechtsschutzbedürfnis: Zwangsvollstreckung als Druckmittel und die Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Vollstreckung eines titulierten Anspruchs und Erzwingen anderwei­ tiger Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 aa) Meinungsstand und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 bb) Kein Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 b) Vollstreckung eines Haftbefehls und Zwang zur Zahlung . . . . . . . . . . 239 aa) Meinungsstand und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 bb) Kein Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 c) Verfahrensrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 2. Rechtsschutzbedürfnis: Titelmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Allgemeines und Voraussetzungen/Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 b) Verfahrensrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

II. Rechtsmissbrauch im Bereich der Allgemeinen Vollstreckungsvorausset­ zungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 1. Titel – Vereitelung der Räumungsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 c) Rechtsmissbrauch, Verschulden als Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . 247 d) Verfahrensrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 2. Titel – Vereitelung der Sachpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 c) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 d) Verfahrensrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 3. Klausel – Erschleichen einer weiteren Ausfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . 254 a) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 b) Verfahrensrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 4. Zustellung – Erschleichen der Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 a) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 b) Verfahrensrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 5. Zustellung – Zustellungsvereitelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 a) Bedeutung im Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 aa) Verfahrensrechtliche Sonderregelungen/Zustellungsrecht . . . . . . 264 bb) Nicht vom Verfahrensrecht erfasste Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

18

Inhaltsverzeichnis cc) Handhabung „offener“ Fälle nach den allgemeinen Grundsätzen (vgl. Zustellungsvereitelung im materiellen Recht) . . . . . . . . . . . 266 b) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 c) Verfahrensrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 III. Rechtsmissbrauch im Bereich der Besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen: Missbräuchliche Vorratspfändung, § 850d Abs. 3 ZPO . . . . . . . . . . . . . 271 1. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 2. Verfahrensrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 IV. Rechtsmissbrauch bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen . 273 1. Erschleichen und missbräuchliche Geltendmachung des Pfändungsvorranges, §§ 805, 872 ff. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 a) Erschleichen des Pfändungsvorranges durch missbräuchliches Erwirken einer öffentlichen Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 b) Erschleichen des Pfändungsvorranges unter Verstoß gegen ein vor­ läufiges Pfändungsverbot, objektiver Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . 274 c) Geltendmachung eines Pfändungsvorranges bei fehlerhafter Vollstreckungsmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 2. Selbständiges Herbeiführen der Voraussetzungen des gesetzlichen Pfändungsschutzes nach § 811 Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 a) Rechtsmissbrauch, Fallgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 b) Pflichtwidriges Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 c) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 d) Auswirkung und praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 3. Der Arglisteinwand bei Pfändung gläubigereigener Sachen, (§ 811 Abs. 2 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 4. Rechtsmissbrauch durch Pfändung „ins Blaue hinein“, § 829 ZPO . . . . . 281 V.

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

C. Rechtsmissbrauch im einstweiligen Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 I.

Verfolgen sachfremder Ziele, bloßes Kosteninteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 1. Fallgruppe: Objektive Interessenabwägung/unredliches, pflichtwidriges Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 2. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 3. Verfahrensrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287

II.

„Forum-Shopping“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 1. Fallgruppe und Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 2. Verfahrensrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289

III. Sonstiges (vgl. die Ausführungen zum Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

Inhaltsverzeichnis

19

§ 7 Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 A. Schadenersatz bei Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft, § 717 Abs. 2 ZPO . 292 B. Schadenersatz bei Vollstreckung aus Urkunden, § 799a ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 293 C. Haftung wegen geringerem Erlös bei Durchführung einer weiteren Versteigerung, § 817 Abs. 3 S. 2, 2. HS ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 D. Schadenersatz wegen Verletzung der Erklärungspflicht des Drittschuldners, § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 E. Schadenersatz bei Vollziehung eines Arrests/einer einstweiligen Verfügung, § 945 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 F. Schadenersatz nach § 280 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 I.

Verstoß gegen eine gesetzlich geregelte, prozessuale Rechtspflicht . . . . . . . 296 1. Auskunftspflicht nach § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 2. Pflicht zur Streitverkündung nach § 841 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 3. Sonstige Pflichten: Offenbarungspflicht nach § 807 Abs. 1 ZPO, Erklärungspflicht nach § 883 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 4. Folgen der Neuregelung in den §§ 802a ff. ZPO n. F. (neue Rechtslage mit Geltung ab dem 01.01.2013) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

II.

Verstoß gegen eine nicht ausdrücklich geregelte Rechtspflicht aus der „gesetzlichen Sonderbeziehung privatrechtlicher Art“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300

III. Kein Schadenersatz nach §§ 280 Abs. 1, 3, 286 BGB bei verspäteter Freigabe einer schuldnerfremden Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 G. Schadenersatz nach §§ 687 Abs. 2, 678 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 H. Schadenersatz nach § 823 Abs. 1 BGB wegen rechtswidrigem Betreiben der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 I.

Handeln, Eingriff/Rechtsgutverletzung, Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302

II.

Rechtswidrigkeit (pflichtwidriges Betreiben der Zwangsvollstreckung) . . . 303 1. Grundsatz: Legitimes Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 2. Kriterien für das objektiv rechts- bzw. pflichtwidrige Verhalten . . . . . . . 303

III. Verschulden und Verschuldensmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 IV. Schaden, Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 J. Schadenersatz nach § 823 Abs. 2 BGB wegen Verstoß gegen ein Schutzgesetz . . 305 I.

Schutzgesetze nach dem StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306

II.

Sonstige Schutzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306

III. Sonstige Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 1. Rechtswidriger Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

20

Inhaltsverzeichnis 2. Schuld und Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 3. Schaden, Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 K. Schadenersatz nach § 826 BGB wegen sittenwidriger, vorsätzlicher Schädigung . 308

§ 8 Rechtliche Würdigung und Systematisierung, Zusammenfassung der wesent­ lichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 A. Schuld und Verschulden im straf- und zivilrechtlichen Kontext . . . . . . . . . . . . . . 311 B. Verschulden im Zivilprozessrecht/in der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . 312 I.

Verfahrensvorschriften im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312

II.

Vorschriften, die den Vollstreckungsschutz betreffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 1. Vollstreckungsschutzrechtliche Vorschriften rein öffentlich-rechtlicher Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 2. Vollstreckungsschutzrechtliche Vorschriften gemischt-rechtlicher Art . . 313 a) Verschulden bei der Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 b) Sonstiges: Verschulden in Ausnahmefällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 c) Voraussetzung: Verstoß gegen eine Rechtspflicht oder Obliegenheit . 315 aa) Echte prozessuale Rechtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 bb) Obliegenheiten und unechte prozessuale Rechtspflichten . . . . . . . 316 cc) Materielle Rechtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 d) Verschuldensmaßstab und Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 e) Besonderheit: Keine Auswirkung schuldhaften Verhaltens bei (schwerwiegender) Gefährdung höherwertiger Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . 318

III. Kostenrecht, § 788 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 C. Verschulden im einstweiligen Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 I.

Verschulden im Erkenntnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320

II.

Verschulden in der Vollziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

D. Verschulden im Falle von Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 I.

Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 1. Titelmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 2. Vollstreckungsvereitelung: Räumungsvereitelung und Vereitelung der Sachpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 3. Erschleichen der Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 4. Zustellungsvereitelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 5. Pfändung „ins Blaue hinein“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 6. Sonderfall: Erschleichen einer weiteren Ausfertigung . . . . . . . . . . . . . . . 323

II.

Sonstiges, insbesondere zum einstweiligen Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . 324

Inhaltsverzeichnis

21

E. Verschulden im Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 I.

Ansprüche nach der ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324

II.

Ansprüche nach dem BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343

§ 1 Einführung in das Thema Die vorliegende Arbeit trägt den Titel: Verschulden in der Zwangsvollstreckung. Untersuchungsgegenstand ist das Recht der Zwangsvollstreckung nach dem 8. Buch der ZPO einschließlich des einstweiligen Rechtsschutzes. Im Wesentlichen stellt sich die Frage, ob auch hier das Verschuldensprinzip gilt, ferner, welche Funktion das Verschuldensprinzip haben könnte und welche Rechtsfolgen und Konsequenzen sich daraus ergeben müssten, sei es auf öffentlich-, zivil- oder strafrechtlicher Ebene, vornehmlich aber im Verfahren. Das Strafrecht soll nur knapp behandelt werden, während in zivilrechtlicher Hinsicht Haftungsfragen zu klären sind, soweit sich Besonderheiten für das Verschulden ergeben. Ein Schwerpunkt wird das manipulative Verhalten sein. Gibt das Verfahren selbst nicht die passende Antwort, liegt der Gedanke nicht fern, auf die Grundsätze der unzulässigen Rechtsausübung zurückzugreifen. Ob dies in Betracht kommt, wird zu klären sein. Darüber hinaus wird vornehmlich zu untersuchen sein, ob es für die Voll­streckung und im Falle von Rechtsmissbrauch auf Verschulden ankommt. Manch einer wird geneigt sein, beides von vornherein zu verneinen. Welche Brisanz teilweise in dem Thema liegt, sollen die folgenden beiden Fälle verdeut­ lichen, mit denen sich der BGH jüngst zu befassen hatte: –– Gläubiger G betreibt gegen Schuldner S die Räumungsvollstreckung. S beantragt Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO; im Falle der Zwangsräumung bestehe akute Suizidgefahr. Das Vollstreckungsgericht stellt die Zwangsvollstreckung für die Dauer von vier Monaten einstweilen ein, gibt dem S aber auf, sich fachärztlich behandeln zu lassen. Mit der sofortigen Beschwerde hat der Gläubiger keinen Erfolg. Er kündigt nach Ablauf der Einstellungsfrist an, die Zwangsvollstreckung intensiv weiter zu betreiben. S beantragt erneut Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO. Das Vollstreckungsgericht stellt die Zwangsvollstreckung wiederum ein, diesmal für die Dauer von sechs Monaten, und gibt dem S auf, die fachärztliche Behandlung fortzuführen. Mit der sofortigen Beschwerde hat G abermals keinen Erfolg. Der BGH1 weist auch die Rechts­ beschwerde zurück. Aus dem neuen Sachverständigengutachten ergebe sich, dass im Falle der Zwangsräumung nach wie vor eine Selbsttötung des S drohe. Es komme auch nicht darauf an, ob S – wie von G bestritten – an der ihm aufgetragenen fachärztlichen Behandlung ausreichend und konsequent mitgewirkt habe; denn die Behandlung könne laut dem Sachverständigen ohnehin nicht vor Ablauf eines Jahres erfolgreich sein – diese Zeit sei noch nicht vorüber. 1

BGH NJW-RR 2011, 300.

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§ 1 Einführung in das Thema

Der Fall veranschaulicht eines der dringendsten Probleme der Zwangsvollstreckung. Der Einwand des Suizids blockiert die Räumung auf unbestimmte Zeit. Zwar muss sich die Ernsthaftigkeit einer solchen Drohung in der Regel durch ein Sachverständigengutachten erweisen. Das beugt bloßen Schutzbehauptungen vor. Aber die Mitwirkung des Schuldners wird nur halbherzig verlangt. Damit hat er es in der Hand, die Zwangsvollstreckung erheblich zu verzögern, und zwar auf schuldhafte Weise. Es wird den Gläubiger wenig trösten, dass nach den Ausführungen des BGH das Vollstreckungsgericht auch bei einer im Ergebnis erfolglosen Behandlung die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung ernsthaft in Erwägung zu ziehen habe. –– Nachdem Gläubiger G einen Titel gegen die Schuldner X1 bis X3 auf Räumung der Gewerberäume im Erdgeschoss eines Hotels mühsam erstritten hat, beantragt er die Zwangsvollstreckung. Der Gerichtsvollzieher setzt den Räumungstermin fest; der Termin wird rechtzeitig angekündigt. Kurz vor Beginn der beabsichtigten Räumung meldet sich ein weiterer Beteiligter (B), der sich als Untermieter des X1 ausgibt; X1 bis X3 hätten das Objekt geräumt. Gegen ihn (den B) könne nicht vollstreckt werden, weil er im Titel nicht benannt sei. Der Gerichtsvollzieher hält am Räumungstermin fest. Auf die Erinnerung des B hin erklärt das Vollstreckungsgericht die Zwangsvollstreckung für unzulässig. Auf die sofortige Beschwerde des G hin hebt das LG die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts auf und weist die Erinnerung des B zurück. Es handle sich um einen Missbrauchsfall: B sei aus dem Nichts aufgetaucht und als potentieller Besitzer vorher nicht erkennbar gewesen. Aus den Umständen ergebe sich außerdem, dass ein ernsthaftes Nutzungsinteresse des B nicht gegeben sei. B werde von X1 nur deswegen präsentiert, um die Zwangsvollstreckung zu erschweren. Auf die Rechtsbeschwerde des B hin hebt der BGH2 den Beschluss des LG auf und verweist die Sache zurück. Es könne nach § 750 ZPO nur und ausnahmslos gegen die im Titel benannten Schuldner vollstreckt werden, selbst dann, wenn der Dritte in Zusammenwirken mit dem Schuldner lediglich die Vereitelung der Zwangsvollstreckung bezwecke. Zurück zu verweisen sei allerdings die Sache deswegen, weil zweifelhaft sei, ob B tatsächlich – wie von ihm behauptet – Alleinbesitz ausübe; für den Gerichtsvollzieher hätten sich solche Hinweise nicht ergeben. Im zu entscheidenden Fall hatte der Gläubiger also noch die Chance, sein Ziel zu erreichen und die Räumung zwangsweise durchzusetzen, sofern sich nämlich herausstellen würde, dass B als Besitzer nur vorgeschoben und ein tatsächliches Besitzverhältnis nicht gegeben war. In der Sache hat der BGH aber ein „Schlupfloch“ offengelassen für diejenigen, die sich unter Verweis auf § 750 ZPO der Vollstreckung zu Unrecht widersetzen wollen. Möchte der Gläubiger keine Zugeständnisse machen3, ist er gehalten, erneut einen Titel zu er 2

BGH NJW 2008, 3287 (Vorinstanz: LG Lübeck DGVZ 2008, 172). Dazu, dass Zugeständnisse abgerungen werden sollen: LG Lübeck DGVZ 2008, 172, 173.

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§ 1 Einführung in das Thema

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streiten. Dabei läuft er Gefahr, dass wiederum ein unbekannter Dritter präsentiert wird. Insofern ist es problematisch, den Gläubiger am Titelerfordernis auch dann festzuhalten, wenn der andere Teil versucht, ihn unter Ausnutzung des formellen Verfahrens schuldhaft, nämlich vorsätzlich und sittenwidrig zu schädigen (§ 826 BGB). Nicht nur bei der Räumungsvollstreckung, auch bei der Pfändung von Forderungen und Sachen stellt sich die Frage, ob schuldhaftes Verhalten eine Rolle spielen kann, vornehmlich dann, wenn sich der Schuldner vermeintlich zu Unrecht auf den Pfändungsschutz beruft: –– Schuldner S bezieht eine Rente wegen Invalidität. Er beruft sich auf § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO; die Rentenbezüge seien unpfändbar. Anderes pfändbares Vermögen hat er nicht. Gläubiger G wendet ein, dem S sei eine (Teil-)Beschäftigung möglich und zumutbar. Deswegen dürfe die Rente insoweit gepfändet werden, als dies noch der Billigkeit entspreche, § 850b Abs. 2 ZPO. Das LG Mannheim hat schon in den 1960er Jahren entschieden, dass die Unfallrente angesichts der Unterhaltsforderung des unehelichen Kindes der Pfändung unterliege, wenn der Schuldner einer Arbeit grundlos nicht nachgehe und lediglich ab und an Gelegenheitsarbeiten verrichte.4 Das heißt: Derjenige, der nicht ausreichend mitwirkt, verliert den Pfändungsschutz (im Rahmen des gesetzlich Zulässigen). Das zwingt dazu, auch über das Verschuldenserfordernis nachzudenken. –– Schuldner S liegt schon lange mit dem Gläubiger G im Streit. Da er dem G „keinen Cent“ gönnt, vernichtet er die noch vorhandenen Wertsachen und beruft sich auf den Pfändungsschutz nach § 811 Abs. 1 ZPO. G ist der Ansicht, S habe missbräuchlich, jedenfalls schuldhaft gehandelt. Er sei deswegen nicht schutzwürdig. Das Vollstreckungsgericht weist die Erinnerung zurück mit der Begründung, der von § 811 Abs. 1 ZPO gewährte Pfändungsschutz liege im öffentlichen Interesse; das Gesetz wolle vermeiden, dass der Sozialstaat die Lasten zu tragen habe. Hier ist zu überlegen, ob das schuldhafte Verhalten des S ein anderes Ergebnis rechtfertigt. Auch im Hinblick auf altbekannte Fragestellungen wird im Rahmen der Arbeit zu prüfen sein, ob und wie sich Verschulden auswirkt. Nur beispielhaft seien hier zwei Standardfälle genannt, die nichts an ihrer Bedeutung eingebüßt haben und nach wie vor von hoher praktischer Relevanz sind: –– G wird von Y auf Zahlung verklagt. Im Prozess wendet G ein, dass ihm gegenüber Y eine Gegenforderung in mindestens der gleichen Höhe zustehe. Den Beweis kann er dafür trotz aller Sorgfalt nicht erbringen. Der Klage des Y wird stattgegeben. Y beantragt die Zwangsvollstreckung, weil G sich angesichts der Aufrechnung weigert, auf den Titel freiwillig zu leisten. Nach seiner Ansicht sei die Hauptforderung erloschen. Weil er mittlerweile in der Lage ist, den Beweis 4

LG Mannheim MDR 1965, 144.

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§ 1 Einführung in das Thema

anzutreten, erhebt er Vollstreckungsgegenklage, § 767 ZPO. Das Gericht hält ihm entgegen, die materielle Einwendung sei präkludiert. Die Vollstreckungsgegenklage wird als unbegründet abgewiesen. Dass es richtig sein soll, die Präklusion gemäß der ständigen Rechtsprechung des BGH allein davon abhängig zu machen, ob die Aufrechnungslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung objektiv gegeben war5 (Gleiches gilt nach Ansicht des BGH für andere Gestaltungsrechte auch), erscheint bedenklich. Auch an anderer Stelle wird im Zivilverfahren die Rechtskraft bei unverschuldeter Säumnis durchbrochen (vgl. § 233 ZPO). Daher fragt sich, warum Verschulden im Rahmen von § 767 Abs. 2 ZPO keine Rolle spielen soll. –– Gläubiger G beruft sich gegenüber Schuldner Z auf ein arbeitsvertragliches Wettbewerbsverbot und erwirkt eine Unterlassungsverfügung. Weil Z sich daran hält und ernstlich verspricht, dies auch weiterhin zu tun, ergreift G keine Vollziehungsmaßnahmen. Nach Ablauf der Vollziehungsfrist (§ 929 Abs. 2 ZPO) nimmt Z eine Tätigkeit auf, mit der er in Konkurrenz zu G tritt. Weil die Vollziehung der Erstverfügung unstatthaft ist, beantragt G erneut eine Unterlassungsverfügung. Z wendet ein, ein Verfügungsgrund sei mangels Dringlichkeit nicht gegeben. Das Arbeitsgericht weist darauf hin, dass die Nichtvollziehung der Erstverfügung innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO tatsächlich die Dringlichkeit in der Regel entfallen lasse. Dies könne aber dann nicht gelten, wenn der Gläubiger keinen Anlass dafür gesehen habe, Vollziehungsmaßnahmen zu ergreifen, weil er sein Ziel erreicht und der Schuldner die vorherige Verfügung anstandslos befolgt habe.6 Ob im Falle eines Fristversäumnisses (§ 929 Abs. 2 ZPO) der Verfügungsgrund grundsätzlich entfällt und/oder das Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer erneuten einstweiligen Verfügung oder eines Arrests ausscheidet, soll an dieser Stelle offenbleiben. Zu Recht hat das Gericht eine Ausnahme gemacht und im Hinblick darauf, dass dem G kein Vorwurf zu machen war, dem Antrag auf Erlass einer Zweitverfügung stattgegeben. Damit unterscheidet es zwischen der zu vertretenden und der nicht zu vertretenden Säumnis. Die vorgenannten Fälle sollen nur beispielhaft vor Augen führen, inwiefern Verschulden im Recht der Zwangsvollstreckung zu berücksichtigen sein könnte. Im Folgenden werden zunächst die Grundsätze des Verschuldens, der Begriff, die Voraussetzungen und die Geltung im Prozess- und im Zwangsvollrecht näher behandelt (§ 2). Anschließend wird im Speziellen auf vollstreckungsschutzrechtliche Vorschriften eingegangen und die Frage erörtert, ob Verschulden jeweils erforderlich oder jedenfalls zu berücksichtigen ist (§ 3). Es folgen Ausführungen zum Verfahrensrecht im Übrigen (§ 4). Anhand ausgewählter Vorschriften allgemeiner Art (8. Buch, Abschnitt 1), ferner anhand von Vorschriften aus dem Bereich der Voll 5

Zuletzt BGH, Urt. v. 10.03.2011, Az. IX ZR 82/10, juris, Rz. 18. In Anlehnung an LAG Hamm DB 1995, 1871.

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§ 1 Einführung in das Thema

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streckung wegen Geldforderungen, der Vollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen und zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen und aus dem Bereich der eidesstattlichen Versicherung/Haft wird geprüft, ob und inwiefern sich schuldhaftes Verhalten in der Zwangsvollstreckung auswirkt. Unter demselben Aspekt wird nachher auf den einstweiligen Rechtsschutz eingegangen (§ 5). Eine wichtige Rolle spielt darüber hinaus der Rechtsmissbrauch (§ 6). Hier ist der Frage nachzugehen, ob der Rechtsmissbrauch seinerseits Verschulden voraussetzt, wenn ja, in welcher Fallgruppe, ob die Grundsätze des Rechtsmissbrauchs im Verfahrensrecht Anwendung finden und welche Fallgestaltungen denkbar sind. Schließlich wird das Haftungsrecht (§ 7) näher untersucht. Es folgen eine Gesamtbetrachtung und eine systematische Einordnung der gewonnenen Ergebnisse (§ 8). Insbesondere stellt sich die Frage, ob sich für das Verschulden in der Zwangsvollstreckung allgemeingültige Regeln aufstellen lassen.

§ 2 Verschulden A. Begriffsbestimmung I. Verschulden im zivilrechtlichen Sinne Verschulden ist eine Form des Vertretenmüssens. Zentrale Norm für das Vertretenmüssen ist § 276 BGB.1 Die Vorschrift gilt über das BGB und damit über das Recht der Schuldverhältnisse hinaus2, soweit jedenfalls keine spezielleren Grundsätze dem entgegenstehen. Unerheblich ist deswegen, dass von einem Schuldner als Bezugsperson die Rede ist.3 Zu vertreten hat die Bezugsperson nach § 276 Abs. 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit, soweit nicht ein anderes geregelt oder bestimmt ist. Durch das Begriffspaar wird der Verschuldensbegriff abschließend erfasst. Verschulden betrifft also Wissen und Wollen (Vorsatz) einerseits und das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (Fahrlässigkeit, § 276 Abs. 2 BGB) andererseits, nicht dagegen andere Formen des Vertreten­ müssens, etwa das für Risiko, Gefahr oder Zufall, wofür wiederum eigene Regeln gelten. In der einschlägigen schuldrechtlichen Literatur findet sich etwa folgende, verallgemeinerungsfähige Definition: Verschulden ist ein in objektiver Hinsicht pflichtwidriges und in subjektiver Hinsicht vorwerfbares Verhalten, welches die Zurechnungsfähigkeit des Handelnden voraussetzt.4 Es lassen sich mithin vier Merkmale unterscheiden: Anknüpfungspunkt ist zunächst das Tatgeschehen, welches in Gang gesetzt worden sein muss durch ein menschliches Verhalten. In Betracht kommen drei Handlungsformen: Tun, Dulden oder Unterlassen. Im Wege der Tathandlung muss gegen eine rechtverbindliche Verhaltensanforderung verstoßen worden sein. Eine solche ergibt sich aus (Vertrags-)Abreden, Gewohnheitsoder Richterrecht, insbesondere aber aus Gesetzen im weitesten Sinne und aus Treu und Glauben. Ob der Verstoß gegen die Verhaltensanforderung als Pflichtverletzung bezeichnet oder dem Begriff der Rechtswidrigkeit zugeordnet wird, bleibt sich – ungeachtet der dem Begriffspaar zugrunde liegenden Unterscheidung von Vertrags- und Rechtsordnung – gleich. Maßgeblich ist jedenfalls der Verstoß gegen 1

PWW/Schmidt-Kessel, § 276 Rz. 1. Vgl. etwa jurisPK-BGB/Alpmann, § 276 Rz. 6; PWW/Schmidt-Kessel, § 276 Rz. 2. 3 Der Begriff des Schuldners ist für den Fall, dass die Vorschrift in einem anderen Zusammenhang Anwendung findet, etwa im Prozessrecht, als „Platzhalter“ zu verstehen. 4 Bamberger/Roth/Unberath, § 276 Rz. 5; BeckOK-BGB/Unberath, § 276 Rz. 5; Brox/Walker, AS, § 20 Rz. 2; Hütte/Hütte, SchR AT, Rz. 537; Jauernig/Stadler, § 276 Rz. 10; Larenz, SchR I, § 20 Einl., § 20 I; Palandt/Grüneberg, § 276 Rz. 5. 2

A. Begriffsbestimmung

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eine Rechtsnorm. Subjektiv vorwerfbar ist das Verhalten, wenn es auf einer Entscheidung der Bezugsperson beruht, wenn sie also wissent- und willentlich handelt und dabei entweder die Konsequenzen im Blick hat oder zumindest in Kauf nimmt (Vorsatz) oder gegen bestimmte normative Anforderungen verstößt (Fahrlässigkeit). Was die Fahrlässigkeit betrifft, ist nach § 276 Abs. 2 BGB auf die im Verkehr erforderliche Sorgfalt abzustellen. Es gilt zum Schutz des Rechtsverkehrs, dort, wo die Rechte der Beteiligten konkurrieren5, ein objektiver, typisierender Maßstab.6 Die Zurechnungsfähigkeit bestimmt sich gem. § 276 Abs. 1 S. 2 BGB nach Maßgabe der §§ 827, 828 BGB. Auch das gilt über das BGB hinaus. Wegen des eingeschränkten Verweises findet § 829 BGB keine Anwendung, so dass eine Zurechnung bei fehlender Zurechnungsfähigkeit aus Billigkeitsgründen nicht in Betracht kommt.7 Nicht zweifelsfrei ist nach den Forschungen der letzten Jahrzehnte jedoch die Annahme, der Mensch könne sich frei entscheiden (Indeterminismus). Das ist prekär, weil das Verschuldensprinzip dogmatisch darauf aufbaut.8 Im Zivilrecht wird die Entscheidungsfreiheit im Prinzip nicht bestritten; sie gilt als inhärenter Grundsatz, etwa für die Vertragsfreiheit, aber auch im Übrigen. Insbesondere im Strafrecht wird jedoch lebhaft diskutiert. Der BGH ging bereits in einer älteren Entscheidung davon aus, dass der Mensch als Individuum „auf freie, verantwortliche, sittliche Selbstbestimmung angelegt und deshalb befähigt ist, sich für das Recht und gegen das Unrecht zu entscheiden, sein Verhalten nach den Normen des rechtlichen Sollens einzurichten und das rechtlich Verbotene zu vermeiden.“9 Zum Teil hat man sich auf die empirische Nichtbeweisbarkeit der Willensfreiheit zurückgezogen und damit dem Schuldbegriff eine grundsätzliche Absage erteilt.10 Die Ereignisse seien vielmehr determiniert, Entscheidungen also durch die Erziehung, soziale Einflüsse und die Wechselbeziehung zur Umwelt vollständig und eindeutig vorherbestimmt.11 Streng erklärt den Schuldbegriff aus Sicht der Ge 5

Das ist der Sache nach auch in der Zwangsvollstreckung der Fall. Siehe nur: MüKoBGB/Grundmann, § 276 Rz. 55 f.; Palandt/Grüneberg, § 276 Rz. 15; BeckOK-BGB/Unberath, § 276 Rz. 20; Jauernig/Stadler, § 276 Rz. 29; Larenz, SchR I, § 20 III; Brox/Walker, AS, § 20 Rz. 14. Maßgeblich ist die Sichtweise eines verständigen Dritten oder etwa die eines Berufsträgers mit durchschnittlichen Fähigkeiten. 7 Str.; wie hier z. B. Jauernig/Stadler, § 276 Rz. 12; Böhmer NJW 1967, 865; RGRK/Spickhoff, § 829 Rz. 6; Staudinger/Oechsler (2009) § 829 Rz. 18, 23; a. A.: MüKoBGB/Grundmann, § 276 Rz. 166 f. 8 Die Freiheit des Willens als Grundlage des Schuldvorwurfs – z. B. Larenz, SchR I, § 20 I; Schapp/Schur, Einführung in das bürgerliche Recht, Rz. 199. 9 BGHSt 2, 194, 200. 10 Bauer, Das Verbrechen und die Gesellschaft, 1957, insb. S. 17 ff., 168 ff.; Ellscheid/Hassemer, Strafe ohne Vorwurf, Civitas, Jahrbuch für Sozialwissenschaften 9, 1970, 27; Foth, Tatschuld und Charakter, 60. Schopenhauer-Jahrbuch für das Jahr 1979, S. 148; Kargl, Kritik des Schuldprinzips, 1982. 11 Näheres zum Begriff, zum naturwissenschaftlichen und philosophischen Hintergrund und zum gegenteiligen Ansatz (Indeterminismus) bei Brockhaus, Bd. 6 („Determinismus“) und Bd. 12 („Indeterminismus“). 6

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§ 2 Verschulden

sellschaft als „bloße Spiegelung emotionaler Bedürfnisse der Urteilenden“.12 Eine verbreitete Meinung geht dagegen nach wie vor von der menschlichen Entscheidungsfreiheit als Grundlage des Schuldprinzips aus.13 Ein deterministisches Menschenbild widerspräche vor allem dem menschlichen Selbstverständnis, mit dem es kaum vereinbar wäre, dass alles Handeln durch feste Gesetze bestimmt sein soll, ohne dass ein Entscheidungsspielraum verbleibt. Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, dass z. B. das soziale Umfeld, die individuelle Bildung, spezielle Erfahrungen etc. die Entscheidungsfindung beeinflussen. Es sind aber die deterministischen Lehren ebenso wenig voll nachweisbar wie die Lehre von der Willensfreiheit.14 Zudem wird die Willens- bzw. Entscheidungsfreiheit vom geltenden Recht vorausgesetzt. Dabei handelt es sich um eine tragfähige Prämisse; denn sie deckt sich mit den subjektiven Freiheitserfahrungen von jedermann. Es werden an den Einzelnen die gleichen Erwartungen gestellt, wie sie sich die Menschen untereinander stellen,15 nämlich auf Basis des menschlichen Selbstverständnisses.16 Auf Basis einer solchen allgemeingültigen Überzeugung ist Schuld als das Zurückbleiben hinter (rechtlichen) Verhaltensanforderungen zu verstehen.17 Maßgeblich sind mithin nicht die neurologischen Entscheidungsabläufe auf Grundlage naturwissenschaftlicher Gesetze, sondern Entscheidungsabläufe nach juristisch-soziolo­ gischen Maßstäben. Im Zivilrecht wird auf das Verschulden zurückgegriffen, um zu begründen, weswegen ein Rechtsnachteil (z. B. im Haftungsrecht der Schadenersatz) auferlegt werden darf.18 Dies geschieht auf Grundlage der subjektiven Zurechnung des Normverstoßes. Wenn hier von subjektiver Zurechnung die Rede ist, darf nicht verkannt werden, dass lediglich der Vorsatz subjektivierbar ist, weil er sich aus kognitiven und voluntativen Elementen zusammensetzt. Für die Fahrlässigkeit gilt – wie gesagt – ein objektiver Maßstab. Richtiger wäre es daher, von der Zurechnung 12

Streng, ZStW 92 (1980), 637, 656 m. w. N. Baumann/Weber/Mitsch, 2003, § 18 Rz. 42; Dreher, FS-Spendel, S. 13, 15 ff.; Griffel, GA 1989, 193; ders., MDR 1991, 109; Hirsch, ZStW 106 (1994), 746, 759 ff.; LK/Schöch, § 20 Rz. 15 ff., insb. 22 ff.; Jescheck/Weigend, StrR AT, 1996, S. 407 ff.; Kühl, StrR AT, § 10 Rz. 3 f.; Lenckner, Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit, in: Göppinger/Witter, Handbuch der forensischen Psychiatrie I, 1972, S. 3, siehe S. 18 ff., 35, 95 ff.; Renzikowski, NJW 1990, 2905, 2908; Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, Vorbem. §§ 13 ff. Rz. 110 m. w. N.; siehe auch Habermeyer, Psychiatrische Gesichtspunkte und Begutachtungsfragen der Geschäftsfähigkeit und verwandter Themenbereiche, in: Kröber/Leygraf/Dölling/Sass, Handbuch der forensischen Psychiatrie, Bd. 5, 2009, insb. S. 57 f. 14 Vgl. Lang-Hinrichsen, Schuldstrafrecht oder normatives Maßnahmenrecht, S. 19. Daher müsse man sich zwischen dem einen Menschenbild und dem anderen entscheiden (was seltsam anmutet, steht doch gerade die Entscheidungsfreiheit in Streit); ders., Schuldstrafrecht oder normatives Maßnahmenrecht, S. 20. 15 Kühl, StrR AT, § 10 Rz. 4; vgl. Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, Vrobem. §§ 13 ff. Rz. 110. 16 Siehe auch Lackner/Kühl, StGB, vor § 13 ff. Rz. 26. 17 Lackner/Kühl, StGB, vor § 13 ff. Rz. 23, 26. 18 Larenz, SchR I, § 20 Einl. 13

A. Begriffsbestimmung

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zum Subjekt zu sprechen. Die Rechtsfolge ist nicht variierbar; es gilt das Prinzip „Alles oder nichts“. Eine Einschränkung von außen erfährt dieser Grundsatz nach § 254 BGB (dann kommt es auf das Mitverschulden des Geschädigten an), nur ganz ausnahmsweise von innen, etwa nach den Regeln der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung. Deswegen wird dort auch die Fahrlässigkeit nicht objektiv, sondern individuell bestimmt.

II. Schuld (Verschulden) im strafrechtlichen Sinne, Abgrenzung zum zivilrechtlichen Begriff Im Strafrecht dient das Verschuldensprinzip der Rechtfertigung einer staatlichen Strafsanktion, der täter- und tatbezogenen Zurechnung einer Strafe und der Bestimmung des Strafmaßes.19 Hat die Tat einen strafwürdigen, objektiven Unwert (obj. Tatbestand), muss der Täter dies zu verantworten haben. Zu verantworten hat er Vorsatztaten, Fahrlässigkeit nur dann, wenn es das Gesetz ausdrücklich besagt, § 15 StGB. Auf der Schuldebene kommen zwar wiederum subjektive Gesichtspunkte zum tragen; es soll aber der individuelle Gesinnungsunwert gekennzeichnet werden, mit anderen Worten: die mangelhafte Einstellung des Täters zur Rechtsordnung.20 Schließlich muss die Person schuldfähig sein. Dafür gelten von den §§ 827, 828 BGB abweichende Regeln, namentlich §§ 17, 19, 20, 21 StGB (i. Ü. § 3 S. 1 JGG). Insbesondere gelten andere Altersgrenzen. Während u. U. schon der Siebenjährige haftet (§ 828 BGB), tritt Strafmündigkeit erst mit Vollendung des 14. Lebensjahres ein (§ 19 StGB). Näher soll darauf nicht einge­gangen werden. Ein wesentlicher Unterschied von Schuld und Verschulden im straf- und im zivilrechtlichen Sinne ist nach alledem – abgesehen von der Funktion –, dass nach den strafrechtlichen Grundsätzen die Gesinnung des Täters gesondert zu berücksichtigen ist, während das Zivilrecht eine solche Kategorie nicht kennt. Sonach scheidet im Zivilrecht im Falle eines Verbotsirrtums der Vorsatz aus, wohingegen im Strafrecht der Vorsatz unberührt bleibt und mangels strafrechtlicher Gesinnung die Schuld bei Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums entfällt, § 17 S. 1 StGB21. Damit zusammenhängend ist im Strafrecht auf Ebene der Schuld die subjektive Fahrlässigkeit zu prüfen, während im Zivilrecht grundsätzlich ein objektiver Maßstab anzulegen ist. Ferner ist im Strafrecht die Schuldfähigkeit zwar ähnlich, im Detail aber abweichend von den Grundsätzen des Zivilrechts zu beurteilen. Der Verschuldensbegriff im strafrechtlichen Sinne gliedert sich also auf, und zwar in den subjektiven Tatbestand einerseits und in die Schuld andererseits; der Verschuldens­ begriff im zivilrechtlichen Sinne wird herkömmlicherweise nicht unterteilt. 19

Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, Vorbem. §§ 13 ff., Rz. 108, 111, 112. Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, Vorbem. §§ 13 ff. Rz. 120/121. 21 Anders etwa § 16 Abs. 1 S. 1 StGB. Der Tatbestandsirrtum lässt den Vorsatz entfallen. 20

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§ 2 Verschulden

B. Zur Rechtsnatur des Zwangsvollstreckungsrechtes – Bedeutung für das Verschuldensprinzip Um zu beurteilen, ob das Verschuldensprinzip – das dem Haftungsrecht entstammt – im Zwangsvollstreckungsrecht aus dogmatischer Sicht überhaupt Anwendung finden kann, ist es notwendig, die Rechtsnatur des Zwangsvollstreckungsrechtes zu untersuchen. Auf den ersten Blick scheint es sich um öffentliches Recht zu handeln; wie sich noch zeigen wird, ist die Rechtsnatur aber durchaus umstritten. Abhängig davon, ob es sich um öffentliches Recht, Privatrecht, um eine Schnittmenge aus beidem oder um ein Rechtsgebiet sui generis handelt, könnte entweder auf bewährte Strukturen zurückgegriffen werden oder das Zwangsvollstreckungsrecht wäre auf eigenen Prinzipien hin zu untersuchen.22 Es stellt sich die Frage, ob sich das Verschuldensprinzip in den dogmatischen Gesamtzusammenhang einfügt. Die Zwangsvollstreckung ist in den §§ 704 ff. ZPO geregelt. Wenngleich die Zivilprozessordnung von den materiell-rechtlichen Kodifikationen wie beispielsweise dem BGB systematisch getrennt ist, hat das allein noch keinen Erkenntniswert, denn die historische Zuordnung ist nicht verbindlich.23

I. Rechtsnatur, Meinungsstreit 1. Herrschende Meinung Auf prozessualer Ebene ist die Frage nach der Rechtsnatur des Zwangsvollstreckungsrechtes akademischer Art. Für die Praxis hat die Zuordnung nur auf haftungsrechtlicher Ebene Bedeutung, etwa wenn es um die Anwendung der §§ 280 ff. BGB geht. Darauf soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Die in der Literatur wohl h. M. ordnet das Zwangsvollstreckungsrecht dem öffentlichen Recht zu.24 Zum Teil wird betont, dass dies für das gesamte Zwangsvollstreckungsrecht gelte.25 Es sei schließlich Teil des Zivilprozessrechts26; dieses gehöre dem öffentlichen Recht an.27 22

Stamm, Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 19. Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, S. 1. 24 Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 1 Rz. 16; Lackmann, ZVR, Rz. 3; Lüke, JuS 1996, 185; Musielak/Lackmann, Vor § 704 Rz. 7, 13; StJ/Münzberg, vor § 704 Rz. 16; Zöller/Stöber, Vor § 704 Rz. 1; RGZ 82, 85, 86; vgl. Brox/Walker, ZVR, Einf. Rz. 7. 25 Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 1 Rz. 16; siehe auch schon RGZ 82, 85, 86. 26 Jauernig/Berger, ZVR, § 1 Rz. 2, 3. 27 Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 1 Rz. 16 m. w. N. und § 2 Rz. 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 1 Rz. 25; Schuschke/Walker/Schuschke, Einf. Rz. 7; vgl. ferner StJ/ Münzberg, vor § 704 Rz. 16, dort auch Fn. 51. 23

B. Zur Rechtsnatur des Zwangsvollstreckungsrechtes

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2. Abweichende Ansichten a) Lehre vom „materiellen Justizrecht“ Die Lehre vom „materiellen Justizrecht“ wurde zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts begründet.28 Im Zivilprozessrecht hat sie an Bedeutung verloren, allerdings wird z. B. das Strafrecht heute noch als materielles Justizrecht bezeichnet.29 Das Zwangsvollstreckungsrecht sollte nach der Lehre vom „materiellen Justizrecht“ nicht dem öffentlichen Recht zuzuordnen sein und auch nicht zwischen dem Privat- und dem Prozessrecht als Zwischengebiet eingeordnet werden; es wurde vielmehr davon ausgegangen, dass es sich um Privatrecht als solches handle.30 Die Lehre vom „materiellen Justizrecht“ bezieht sich ihrem Verständnis nach auf solche Rechtssätze, die an einen privatrechtlichen Tatbestand eine staatliche Verpflichtung knüpfen, namentlich eine Verpflichtung zum Eingriff in die Privatrechtslage. Sonach war man der Ansicht, dass insbesondere das 8. Buch der ZPO materielles Justizrecht enthalte, d. h. also die „materiellen Voraussetzungen und den materiellen Inhalt des Vollstreckungsrechts und der Widerspruchsrechte gegen die Zwangsvollstreckung“.31 b) Lehre von der Doppelnatur der Zwangsvollstreckung Heute wird zum Teil vertreten, dass die Zwangsvollstreckung dem Grunde nach eine Doppelnatur aufweise. Sie sei als staatliche Tätigkeit dem öffentlichen Recht zuzuordnen, gleichzeitig aber auch dem privaten Recht, weil es der Gläubiger in der Hand habe, sie in Gang zu setzen und zu beenden.32 Ferner wird gesagt, dass das materielle Recht einerseits und das Prozessrecht andererseits, einschließlich des Zwangsvollstreckungsrechtes, eine Sinneinheit bilden.33 Liegt dem Titel und dann der Vollstreckung eine privatrechtliche Streitigkeit zugrunde, ist sie nach dieser Ansicht mit dem Prozess- bzw. Verfahrensrecht der ZPO derart eng verwoben, dass das Verfahren von privatrechtlichen Grundsätzen durchdrungen wird. So sei es z. B. Anliegen des Vollstreckungsschutzes, materielle Gerechtigkeit herzustellen.34 Während aber die Einen die fraglichen Vorschriften dem Verfahrensrecht zuordnen und auf deren Doppelnatur hinweisen35, 28

Goldschmidt, Zwei Beiträge zum materiellen Ziviljustizrecht, FS H. Brunner, 1914, S. 109. Z. B. Meurer, NJW 2000, 2936. 30 So zum „materiellen Justizrecht“ allgemein: Goldschmidt, Zwei Beiträge zum materiellen Ziviljustizrecht, FS H. Brunner, 1914, S. 109, 126 f. 31 Goldschmidt, Zwei Beiträge zum materiellen Ziviljustizrecht, FS H. Brunner, 1914, S. 109, 125. 32 Viefhues/Viefhues, JuS 1997, 516; siehe bereits Bruns/Peters, ZVR, § 1 IV. 33 Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 477 ff., 481, 486. 34 Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 477 f. 35 Vgl. Zöllner AcP 190 (1990), 471, 478 m. w. N.; vgl. auch Meier, ZZP 2008, 427, 433. 29

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§ 2 Verschulden

bezeichnen sie die Anderen als „materielle Haftungsnormen“.36 Henckel etwa ordnet die Schuldnerschutzvorschriften generell dem Privatrecht zu; denn das Zwangsvollstreckungsrecht diene der Ausübung subjektiver Privatrechte, von denen der privatrechtliche Schutzbereich des Vollstreckungsschuldners abzugrenzen sei.37 Soweit also angenommen wird, dass das materielle Recht einerseits und das Prozessrecht andererseits eine Sinneinheit bilden, wird dem Privatrecht eine zentrale Bedeutung beigemessen. c) Lehre von der Differenzierung zwischen Rechtsbehelfen und dem Zwangsvollstreckungsrecht im Übrigen Auch wird vertreten, dass zu unterscheiden sei zwischen den besonderen Rechtsbehelfen und dem Zwangsvollstreckungsrecht im Übrigen; zwar sei die Zwangsvollstreckung im engeren Sinne öffentlich-rechtlich zu qualifizieren, das müsse aber nicht für die Rechtsbehelfe gelten.38 Maßgeblich komme es darauf an, dass im Verhältnis Staat zu Bürger staatliche Gewalt angewendet werde, also nach der Subjekts- bzw. Sonderrechtstheorie ein öffentlich-rechtliches Verhältnis vorliege, während für die Rechtsbeziehung zwischen Vollstreckungsschuldner und Voll­streckungsgläubiger kein Anlass bestehe, ein solches anzunehmen; hier herrsche vielmehr das Prinzip der Gleichordnung.39 Damit wird einerseits das Verhältnis zwischen Vollstreckungsschuldner und Vollstreckungsgläubiger dem Privatrecht und andererseits das Eingriffsverhältnis zwischen Staat und Vollstreckungsschuldner – wie im Übrigen auch das Antragsverhältnis zwischen Staat und Vollstreckungsgläubiger – dem öffentlichen Recht zugeordnet.40 Der BGH bezeichnet das Verhältnis zwischen Vollstreckungsschuldner und Vollstreckungsgläubiger als „gesetzliche Sonderbeziehung privatrechtlicher Art“.41 Die Vertreter dieser Ansicht fügen im dreiseitigen Vollstreckungsverhältnis privatrechtliche und öffentliche Aspekte zu einem Lösungsansatz zusammen.

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Bötticher, ZZP 85 (1972), 1, 5. Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, S. 350 ff., insb. S. 351. 38 Vgl. Stamm, Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 19 (insb. Fn. 60), S. 23, m. w. N. 39 So sinngemäß: Stamm, Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 23. 40 Gerhardt, Vollstreckungsrecht, S. 10 ff. 41 BGH NJW 2005, 1121, 1122; NJW 1985, 3080; NJW 1972, 1048, 1049; siehe auch: OLG Stuttgart NJW-RR 2008, 1204, 1205. 37

B. Zur Rechtsnatur des Zwangsvollstreckungsrechtes

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II. Stellungnahme und eigener Lösungsansatz Obwohl vieles für die h. M. und mithin dafür zu sprechen scheint, dass das Zwangsvollstreckungsrecht dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist, muss nach den einzelnen Rechtsbeziehungen im vollstreckungsrechtlichen Dreiecksverhält­ nis differenziert werden.42 Während das Antragsverhältnis zwischen Vollstreckungsgläubiger und Staat sowie das Eingriffsverhältnis zwischen Staat und Vollstreckungsschuldner (ebenenübergreifend) vertikal ausgerichtet sind, handelt es sich bei dem Verhältnis zwischen Vollstreckungsschuldner und Vollstreckungsgläubiger der Gleichordnung wegen um eine Rechtsbeziehung auf horizontaler Ebene.43 1. Vorschriften öffentlich-rechtlicher Art Zunächst einmal sind – was unstreitig sein dürfte – solche Vorschriften öffentlich-rechtlicher Art, die formelle Verfahrensabläufe oder die Verfahrensvoraus­ setzungen regeln. Dabei handelt es sich um Handlungsanweisungen an das jeweilige Vollstreckungsorgan; das Vollstreckungsrechtsverhältnis ist nicht unmittelbar betroffen, weil die Vorschriften allein keine Änderung der verfahrensrechtlichen 42 Vgl. Keip, Umfang und Grenzen eines sozialen Schuldnerschutzes in der Zwangsvollstreckung, S. 212 (unten). 43 Früher wurde eine Rechtsbeziehung nur im Verhältnis zwischen Staat und Vollstreckungsschuldner sowie im Verhältnis zwischen Staat und Vollstreckungsgläubiger angenommen (Rosen­berg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozessrechts, 9. Aufl. 1961, § 170 II 3; Messer, Die freiwillige Leistung des Schuldners in der Zwangsvollstreckung, Kap. 3 Fn. 79 [insb. S. 59]). Nach der heute ganz h. M. wird in der Zwangsvollstreckung zwischen allen Beteiligten untereinander ein Rechtsverhältnis – das sog. Vollstreckungsverhältnis – begründet (Gaul, in: Gaul/ Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 8 Rz. 1 ff., siehe insb. auch Rz. 3; Gerhardt, Vollstreckungsrecht, S. 14; Lüke, ZZP 108 (1995), 425, 434, 437 f.; vgl. BGH FPR 2004, 403; ferner zur Sonderbeziehung zwischen Schuldner und Gläubiger in der Zwangsvollstreckung: BGH NJW 2005, 1121, 1122; NJW 1985, 3080; NJW 1972, 1048, 1049; OLG Stuttgart NJW-RR 1204, 1205; OLG München, Beschl. v. 18.3.08 und 30.5.08, Az. 1 U 5567/07, juris; Schuschke/Walker/Schuschke, Einl. Rz. 13, der ein „Schuldverhältnis“ etwa im Fall der Vollstreckungsvereinbarung annimmt; Wolf/Müller, NJW 2004, 1775, 1776). Für ein Rechtsverhältnis auch auf horizontaler Ebene spricht einiges. In der Zwangsvollstreckung sind neben besonderen Vollstreckungsvereinbarungen zwischen Gläubiger und Schuldner beispielsweise auch die Tilgung (vgl. Gerhardt, Vollstreckungsrecht, S. 14) und der Schulderlass zu berücksichtigen. Nach § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO hat der Vollstreckungsschuldner dem Vollstreckungsgläubiger zur Geltendmachung eingezogener Forderungen Auskünfte zu erteilen. In den §§ 765a, 813b Abs. 1 S. 1 (a. F.), 850f ZPO und in weiteren Vorschriften wurden bzw. werden die Interessen von Vollstreckungsschuldner und Vollstreckungsgläubiger abgewogen. Auch sieht das Zwangsvollstreckungsrecht Schadenersatzansprüche zwischen den beteiligten Personen vor, z. B. in den §§ 717 Abs. 2, 842 ZPO (Vgl. Gaul, ZZP 110 (1997), 3, 26; Gerhardt, Vollstreckungsrecht, S. 15, Fn. 19). Das Verhältnis zwischen Vollstreckungsschuldner und Vollstreckungsgläubiger beschränkt sich damit nicht nur auf ein faktisches Nebeneinander, sondern es unterliegt in vielerlei Hinsicht rechtlichen Regeln.

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§ 2 Verschulden

Rechtslage bewirken. Rein öffentlich-rechtlicher Art sind daher u. a. §§ 704, 794 (Vollstreckbare Titel), 706 Abs. 2 (Auskünfte über Eintritt der Rechtskraft zwischen den Instanzgerichten), 724 Abs. 1 (Vollstreckbare Ausfertigung als Voll­ streckungsvoraussetzung), 725 (Wortlaut und Verfahren bei Erteilung einer Vollstreckungsklausel), 753 (Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers), 759 (Zuziehung von Zeugen), 762 (Protokoll über Vollstreckungshandlung, Inhalt), 764 (Zuständigkeit des Amtsgerichtes als Vollstreckungsgericht, Form der Entscheidung), 789 (Beiziehung von Behörden), 813 (Schätzung), 814 Abs. 1 (öffentliche Versteigerung und Sachwertschätzung), 814 Abs. 2, 816 (Zeit und Ort der Versteigerung), 828 (zuständiges Vollstreckungsgericht bei Forderungspfändung), 850e (Berechnung des unpfändbaren Betrages), 864, 865 (Gegenstand der Immobiliarvollstreckung und Verhältnis zur Mobiliarvollstreckung), 866 Abs. 1 (Arten der Immobiliarvollstreckung), 875 (Terminsbestimmung im Verteilungsverfahren), 899 ZPO (a. F., Zuständigkeit im Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung). Ferner sind diejenigen Vorschriften öffentlich-rechtlicher Art, die das vertikale Vollstreckungsverhältnis, namentlich das Antrags- und das Eingriffsverhältnis betreffen. Beides ist nicht immer trennscharf zu unterscheiden, was aber in Anbetracht der Zuordnung jeweils zum öffentlichen Recht unschädlich ist. Zu nennen sind hier u. a. die §§ 754, 755 (Vollstreckungsauftrag und Ermächtigung des Gerichtsvollziehers), 760 (Antrag auf Akteneinsicht und Erteilung einer Aktenabschrift), 811c Abs. 2 (Antrag auf Pfändung hochwertiger Haustiere), 844 Abs. 1 (Antrag auf anderweitige Verwertung) und 850c Abs. 4 ZPO (Antrag auf erweiterte Pfändung von Arbeitseinkommen nach Billigkeit). Das Eingriffsverhältnis wird bestimmt durch verschiedene Befugnisnormen, welche die Voraussetzungen für Grundrechtseingriffe regeln, und insbesondere durch Vorschriften des Vollstreckungsschutzes im vertikalen Rechtsverhältnis des Vollstreckungsschuldners zum Staat. In diesem Zusammenhang sind zu nennen die §§ 758 (Befugnisse des Gerichtsvollziehers), 803, 804 (Pfändung/Pfändungspfandrecht – Voraussetzungen und Wirkung), 808 ff. (Pfändung körperlicher Sachen), 811 (Pfändungsschutz bei beweglichen Sachen), 817 (Zuschlag und Ablieferung), 829 ff. (Pfändung einer Geldforderung und sonstiger Forderungen), 835 Abs. 1 und 2, 836 (Überweisung einer Geldforderung zum Nennwert und zur Einziehung), §§ 850, 850a, 850c Abs. 1, 2 (Pfändungsschutz bei Arbeitseinkommen), 867 (Zwangs­ hypothek), 883, 885 (Herausgabevollstreckung), 887, 888 (Handlungsvollstreckung), 890 (Unterlassungs- und Duldungsvollstreckung), 901 (Erlass eines Haftbefehls) und 904 ff. ZPO (Unzulässigkeit der Haft, Haftaufschub, Haftunterbrechung, Verhaftung).

B. Zur Rechtsnatur des Zwangsvollstreckungsrechtes

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2. Vorschriften privatrechtlicher und gemischt-rechtlicher Art a) Privatrechtlicher Tatbestand Zweifelhaft ist, ob die Rechtsbeziehung auf horizontaler Ebene zwischen dem Vollstreckungsgläubiger und dem Vollstreckungsschuldner dem öffentlichen Recht zugeordnet werden kann. Nur vereinzelt wird das bejaht44; das Vollstreckungsrechtsverhältnis weise (insgesamt) eine öffentlich-rechtliche Struktur auf.45 Zwar wird die Rechtsbeziehung zwischen Vollstreckungsschuldner und Vollstreckungsgläubiger inhaltlich von der Verfahrenssituation geprägt. So kann beispielsweise der Schuldner nach § 717 Abs. 2 ZPO vom Gläubiger Schadenersatz dann verlangen, wenn der Gläubiger zu Unrecht vorläufig vollstreckt hat, namentlich weil das vorläufig vollstreckbare Urteil aufgehoben oder abgeändert wurde. Ausgestaltet wird aber die Individualbeziehung zwischen Schuldner und Gläubiger auf Grundlage privater Belange. Das ist bei den Schadenersatzansprüchen ebenso der Fall wie bei privatrechtlichen Vereinbarungen und Verfügungen und überall dort, wo private Interessen abzuwägen sind. Soweit also der Staat am jeweiligen „Vorgang“ nicht beteiligt ist (z. B. bei einer Vollstreckungsvereinbarung) oder nur vermittelnd tätig wird (z. B. § 813a ZPO [a. F.]) und soweit er auch die Interessenabwägung nicht bereits vorweggenommen (wie etwa bei § 811 Abs. 1 ZPO) und allenfalls auf Grundlage privater Interessen im Einzelfall zu entscheiden hat (sei es beispielsweise in einem Antragsverfahren nach § 813b ZPO [a. F.] oder in einem Erkenntnisverfahren über den Schadenersatzanspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO), soweit ist jedenfalls der Tatbestand privatrechtlicher Art.46 b) Privatrechtliche Rechtsfolgen Zu unterscheiden ist dennoch bei der Zuordnung der Norm zum Privat- oder zum Öffentlichen Recht nach den Rechtsfolgen. Nur dort, wo sich aus dem horizontalen Vollstreckungsverhältnis aufgrund des privatrechtlichen Tatbestandes allein privatrechtliche Rechtsfolgen ergeben, ist die jeweilige Norm privatrechtlicher Natur. Das trifft auf solche Vorschriften zu, aus denen sich Schadens­ ersatzansprüche ergeben. Zu nennen sind die §§ 717 Abs. 2 (Schadenersatz bei vorläufiger Vollstreckbarkeit), 799a (Schadenersatz bei Vollstreckung aus Urkunden durch andere Gläubiger), 840 Abs. 2 S. 2 (Schadenersatz bei Nichtauskunft des Drittgläubigers) und 842 ZPO (Schadenersatz wegen verzögerter Beitreibung), ferner § 945 ZPO (Schadenersatz bei Vollziehung von Arrest und einstweiliger Verfügung).

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OLG München, Beschl. v. 18.3.08, Az. 1 U 5567/07, juris. Gaul, ZZP 110 (1997), 3, 26. 46 Vgl. Gerhardt, Vollstreckungsrecht, S. 14 f. 45

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§ 2 Verschulden

c) Öffentlich-rechtliche Rechtsfolgen Ergeben sich aber aus dem horizontalen Vollstreckungsverhältnis aufgrund des privatrechtlichen Tatbestandes öffentlich-rechtliche Rechtsfolgen, kann es sich nur um gemischt-rechtliche Normen handeln. Das trifft etwa auf Vorschriften zu, nach denen auf Grundlage einer horizontalen Interessenabwägung Vollstreckungsschutz gewährt und deswegen der öffentlich-rechtliche Vollstreckungsanspruch des Gläubigers gegen den Staat beschränkt wird (z. B. § 721 Abs. 1–3 ZPO, § 813b Abs. 1 ZPO  [a. F.]). Auch gibt es Vorschriften, die auf Tatbestandsebene sowohl privat- als auch öffentlich-rechtliche Merkmale aufweisen. Dies deshalb, weil z. T. nicht allein auf horizontaler Ebene Interessen abgewogen und damit private Belange in Ausgleich gebracht werden, wie etwa im Fall von § 813b Abs. 1 ZPO (a. F.), sondern zusätzlich wegen der drohenden Vollstreckung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im vertikalen Verhältnis vorzunehmen ist, um die betroffenen Grundrechte sowohl des Vollstreckungsschuldners als auch des Vollstreckungsgläubigers einer praktischen Konkordanz zuzuführen. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung47 im vertikalen Verhältnis ist in der Zwangsvollstreckung aber nur dann gesondert durchzuführen, wenn durch den Eingriff atypische Grundrechte betroffen sind, wenn beispielsweise durch die Räumungsvollstreckung nicht nur in Art. 13 Abs. 1 GG eingegriffen wird, sondern auch eine Verletzung an Leib und Leben droht (Obdachlosigkeit, Suizid: Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG). Dort, wo der Eingriff in das Grundrecht mit dem Zweck der Zwangsvollstreckung übereinstimmt (Art. 14 GG bei Pfändung; Art. 13 GG bei Räumung etc.), sind die Grundrechte nicht gesondert abzuwägen; es ist vielmehr davon auszugehen, dass das Zwangsvollstreckungsrecht als solches kein Schutzdefizit aufweist.48 Das gilt deswegen, weil der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Zwangsvollstreckung durch verschiedene Vorschriften einfachgesetzlich umgesetzt ist, etwa in § 803 Abs. 1 S. 2 ZPO (Verbot der Überpfändung), § 803 Abs. 2 ZPO (Verbot der zwecklosen Pfändung) und § 817a Abs. 1 ZPO (Mindestgebot bei Versteigerung)49, nur um einige Beispiele zu nennen. Zudem ist bei Anträgen stets das Rechtsschutzbedürfnis zu prüfen, was eine ähnliche Funktion hat.50 Nicht nur privatrechtliche Interessen auf horizontaler Ebene, sondern auch Grundrechte in der vertikalen Rechtsbeziehung zum Staat sind z. B. ab­ zuwägen bei § 765a Abs. 1 ZPO. Das Vollstreckungsgericht hat neben der Abwägung der Interessen von Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldner nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG bei Prüfung der Voraussetzungen des

47 Allgemein zum „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Zwangsvollstreckung“ siehe vor allem Wiesers gleichnamiges Werk von 1989. 48 Siehe Keip, Umfang und Grenzen eines sozialen Schuldnerschutzes in der Zwangsvollstreckung, S. 278. 49 Walker, GS Wolf, S. 561, 562. 50 Walker, GS Wolf, S. 561, 563.

B. Zur Rechtsnatur des Zwangsvollstreckungsrechtes

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§ 765a ZPO „die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen“.51 Ob auf Tatbestandsebene eine rein privatrechtliche Interessenabwägung vorgenommen wird oder ferner öffentlich-rechtliche Kriterien zu berücksichtigen sind, spielt im Ergebnis nicht die entscheidende Rolle. In Anbetracht der öffentlich-rechtlichen Rechtsfolgen handelt es sich jeweils um gemischt-rechtliche Vorschriften. 3. Zusammenfassung Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Rechtsnatur der Zwangsvollstreckung entsprechend dem jeweiligen Verhältnis zwischen Staat, Vollstreckungsschuldner und Vollstreckungsgläubiger zu beurteilen ist. Das Zwangsvollstreckungsrecht setzt sich zusammen aus öffentlich-, privat- und gemischt-rechtlichen Vorschriften. Auf vertikaler Ebene ist das Vollstreckungsrechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher Art, auf horizontaler Ebene handelt es sich um ein (quasi-)privatrechtliches Rechtsverhältnis. Je nachdem, welches Verhältnis die fragliche Vorschrift betrifft, handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Norm (Tatbestand und Rechtsfolgen sind öffentlich-rechtlicher Natur) oder um eine privatrechtliche Norm (Tatbestand und Rechtsfolge sind privatrechtlicher Natur). Betrifft die Vorschrift beides, die vertikale und die horizontale Ebene, ist sie gemischt-recht­licher Art ([auch-]privatrechtlicher Tatbestand, öffentlich-rechtliche Rechtsfolgen). Beachtet werden muss ferner, dass bei Einbeziehung eines Dritter in das Verfahren das horizontale Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Dritten ebenso (quasi-)privatrechtlich zu beurteilen ist, wie das horizontale Verhältnis zwischen dem Vollstreckungsschuldner und dem Vollstreckungsgläubiger.52

III. Konsequenzen für das Verschuldensprinzip 1. Bei privat- und gemischt-rechtlichen Vorschriften im Zwangsvollstreckungsrecht Soweit das Vollstreckungsverhältnis privatrechtlich oder gemischt-rechtlich zu beurteilen ist, ist es nicht ausgeschlossen, das Verschuldensprinzip systemgerecht „einzubetten“. Bei Haftungsnormen ist Verschulden zu prüfen, wenn es nicht we 51 BVerfG NJW-RR 2007, 228, 229; DGVZ 2006, 88, 89; NJW-RR 2001, 1523; NJW 1998, 295, 296; auch: BVerfG NJW 1979, 2607; siehe ferner: BGH NJW 2004, 3635, 3637; Hk-ZV/ Bendtsen, § 765a Rz. 34; Musielak/Lackmann, § 765a Rz. 5; Schuschke/Walker/Walker, § 765a Rz. 12. 52 Siehe nur BGH NJW 1972, 1048, 1049.

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§ 2 Verschulden

gen der Eigenart des Anspruchs als Tatbestandsmerkmal ausscheidet. So setzt etwa ein Schadenersatzanspruch nach § 842 ZPO Verschulden voraus, obgleich der Wortlaut nicht eindeutig darauf hinweist. Es ist anerkannt, dass der Vollstreckungsgläubiger schuldhaft die Beitreibung verzögert haben muss.53 Nicht auf Verschulden kommt es dagegen bei einem Schadenersatzanspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO an.54 Weil der Vollstreckungsgläubiger schon vor Eintritt der Rechtskraft vollstrecken darf, hat er im Gegenzug verschuldensunabhängig für Schäden einzustehen. Zwangslos fügt sich das Verschuldensprinzip ferner in die horizontale Interessenabwägung ein, bei der das Vollstreckungsorgan im Einzelfall zu entscheiden hat. So kann etwa schuldhaftes Verhalten des Vollstreckungsschuldners dazu führen, dass sich die Vollstreckungsmaßnahme unter voller Würdigung der Belange des Vollstreckungsgläubigers trotz besonderer Umstände nicht als sittenwidrige Härte für den Vollstreckungsschuldner darstellt, § 765a Abs. 1 S. 1 ZPO.55 2. Bei öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Zwangsvollstreckungsrecht Soweit das Vollstreckungsrecht allerdings öffentlich-rechtlich zu beurteilen ist, stellt sich die Frage, ob das Verschuldensprinzip systemfremd ist. Verschulden spielt im öffentlichen Recht außerhalb des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechtes nur bedingt eine Rolle. Um zu klären, ob das Verschuldensprinzip im Bereich des öffentlich-rechtlichen Vollstreckungsrechtes aus systematischen Gründen keine Anwendung finden kann, sollen kurz einige Überlegungen zur generellen Bedeutung des Verschuldens im öffentlichen Recht angestellt werden. Zu unterscheiden ist insbesondere zwischen den Eingriffsrechten, sonstigem formellen Verfahrensrecht und dem öffentlich-rechtlichen Haftungsrecht, was auch für die Zwangsvollstreckung von Bedeutung sein kann. Maßgeblich kommt es ferner bei der Leistungsverwaltung auf schuldhaftes Verhalten an. Weil es sich dabei um Sozialrecht handelt, lohnt auch hier ein kurzer Blick, weil – was naheliegt – auch der Vollstreckungsschutz vornehmlich auf dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) beruht.

53 BGH NJW 1996, 48, 49; Hk-ZPO/Kemper, § 842 Rz. 3; Hk-ZV/Bendtsen, § 842 Rz. 2; Musielak/Becker, § 842 Rz. 2; Schuschke/Walker/Schuschke, § 842 Rz. 2; ThP/Seiler, § 842 Rz. 1; Zöller/Stöber, § 842 Rz. 1. 54 Siehe u. a. BAG NZA-RR 2009, 314, 315; BAG, Urt. v. 19.03.03, Az. 10 AZR 597/01, ­juris, Rz. 29. 55 MüKoZPO/Heßler, § 765a Rz. 26, 44; vgl. ferner Musielak/Lackmann, § 765a Rz. 6; ferner unten: § 3 D. I. 1. b).

B. Zur Rechtsnatur des Zwangsvollstreckungsrechtes

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a) Geltung des Verschuldensprinzips im öffentlich Recht im Allgemeinen aa) Verschulden im Bereich der Eingriffsverwaltung Die Eingriffsverwaltung folgt eigenen Regeln. Hier gilt zum Schutz der Grundrechte der allgemeine Gesetzesvorbehalt. Ein wichtiges Beispiel für die Eingriffsverwaltung ist das Polizei- und Ordnungsrecht. Eine effektive Gefahrenabwehr schließt das Verschuldensprinzip aus. Käme es auf ein schuldhaftes Verhalten an, könnte der Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung unter Um­ständen nicht vermieden werden. Gerade das soll durch das geltende Recht gewährleistet sein. So kann im Bereich der Gefahrenabwehr nicht nur der Störer, sondern hilfsweise auch der Nichtstörer in Anspruch genommen werden (vgl. nur §§ 7, 9 HSOG). Handelt die Polizei dagegen repressiv, ist der Tatverdacht Voraussetzung für die Eingriffe in die Grundrechte des Betroffenen.56 Auch dieser Grundsatz schließt das Verschuldensprinzip aus. Für die Eingriffsverwaltung ist Verschulden kein typisches Tatbestandsmerkmal. Vielmehr kommt es dort auf einen objektiven Tatbestand und auf die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs an. Nur soweit der Eingriff auch angemessen sein muss und die Folgen des Eingriffs daher nicht außer Verhältnis zum öffentlichen Zweck stehen dürfen, die öffentlichen und privaten Interessen also abzuwägen sind, wäre vorstellbar, dass das Verschulden des Betroffenen mitberücksichtigt wird, ähnlich wie bei der Interessenabwägung auf horizontaler Ebene. Dies würde aber nur dann Sinn machen, wenn der öffentliche Zweck im Zusammenhang mit der Handlung steht, nicht aber, wenn es sich um einen objektiven, handlungsunabhängigen Zweck wie die Gefahrenabwehr oder die Ermittlung von Straftaten handelt. Ansonsten geht es allein darum, die Grundrechte zu schützen. Diese sind unabhängig vom schuld­ haften Verhalten schützenswert; eine Verwirkung kommt nur in engen Ausnahmefällen und unter den strengen Voraussetzungen des Art. 18 GG in Betracht. Wegen des Gesetzesvorbehaltes müsste sich das Verschuldenserfordernis aus der jewei­ ligen Norm ergeben, notfalls aus höherrangigem Recht. bb) Verschulden im Bereich des formellen Verfahrensrechtes Auf schuldhaftes Verhalten wird von Gesetzes wegen zum Teil auch im formellen Verfahrensrecht abgestellt. Die Vorschriften betreffen jeweils die Zulässigkeit prozessualer Anträge. Es handelt sich um öffentlich-rechtliche Vorschriften.

56 Siehe u. a.: BeckOK-StPO/Patzak, § 163 Rz. 4; KK/Griesbaum, § 163 Rz. 8; Pfeiffer, § 163 Rz. 1.

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§ 2 Verschulden

(1) § 233 ZPO und § 582 ZPO Nach § 233 ZPO gilt mit der Wiedereinsetzung die Prozesshandlung als rechtzeitig vorgenommen; das Rechtsmittel ist trotz der Fristversäumnis mangels schuldhaftem Verhalten zulässig. Auch § 582 ZPO betrifft die Zulässigkeit, in diesem Fall der Restitutionsklage. Die Restitutionsklage kann nur dann erhoben werden, wenn die Partei den Restitutionsgrund unverschuldet in einem früheren Verfahren nicht geltend gemacht hat. Ziel der §§ 233, 582 ZPO ist die Durchbrechung der Rechtskraft. Die Interessen des Rechtsschutzsuchenden gehen vor, wenn er nicht in schuldhafter Weise gegen die Obliegenheit zur rechtzeitigen Geltend­ machung dieser Interessen im Prozess verstoßen hat. (2) §§ 721 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 3 ZPO und § 794a Abs. 1 S. 2, Abs. 2 ZPO Auf § 233 ZPO verweisen ferner die §§ 721 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 3 ZPO und § 794a Abs. 1 S. 2, Abs. 2 ZPO. Die Vorschriften enthalten Regelungen zur Räumung von Wohnraum. Soll eine Räumungsfrist nachträglich gewährt oder nachträglich modifiziert werden, ist ein fristgerechter Antrag erforderlich. Die Antragsfrist schützt den Vollstreckungsgläubiger vor unnützen Aufwendungen. Wurde die Frist versäumt, gilt das zu § 233 ZPO Gesagte entsprechend. Die Interessen des Antragstellers überwiegen, wenn er nicht in schuldhafter Weise gegen die Obliegenheit zur rechtzeitigen Geltendmachung dieser Interessen verstoßen hat. Die §§ 721 Abs. 2, 3, 794a Abs. 1, 2 ZPO setzen ein Vollstreckungsrechtsverhältnis nicht voraus; die Zwangsvollstreckung muss noch nicht begonnen haben. (3) § 765a Abs. 3 ZPO Im Verfahren der Zwangsvollstreckung kann bei Räumung von Wohnraum Rechtsschutz in ähnlicher Weise erlangt werden. Soll eine Vollstreckungsmaßnahme nach § 765a Abs. 1 ZPO aufgehoben, untersagt oder einstweilig eingestellt werden, ist auch hier ein fristgerechter Antrag erforderlich. Gemäß § 765a Abs. 3 ZPO ist der Vollstreckungsschutzantrag spätestens 2 Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen. Der verfristete Antrag ist unzulässig, wenn nicht die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach Fristablauf entstanden sind oder der Vollstreckungsschuldner ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Antragstellung gehindert war. Auch hier überwiegen daher die Interessen des Vollstreckungsschuldners dann, wenn er nicht in schuldhafter Weise gegen die Obliegenheit zur rechtzeitigen Geltendmachung dieser Interessen verstoßen hat.57

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Näheres und zu den Ausnahmen siehe unter § 3 D. II.

B. Zur Rechtsnatur des Zwangsvollstreckungsrechtes

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cc) Verschulden im öffentlich-rechtlichen Haftungsrecht Fraglich ist, ob Verschulden auch eine allgemeine Voraussetzung des öffentlichrechtlichen Haftungsrechtes darstellt. (1) Staatliches Verschulden bei Staatshaftung/Amtshaftung Die originäre Staatshaftung, z. B. die Haftung wegen enteignungsgleichem Eingriff und der Folgenbeseitigungsanspruch, knüpft an die Verletzung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht des Staates im Außenverhältnis zum Bürger an, nicht – wie es bei der abgeleiteten Amtshaftung nach § 839 BGB der Fall ist – an die Verletzung einer Pflicht im Innenverhältnis (wenngleich mit Drittwirkung) zwischen Staat und Amtswalter.58 Im Bereich der originären Staatshaftung sieht das geltende Recht „Sanktionen“ vor, die regelmäßig verschuldensunabhängig sind.59 Für das Verschuldensprinzip bzw. für das Prinzip persönlicher Verantwortlichkeit sei dann, wenn sich das Rechtsverhältnis auf öffentlich-rechtlicher Ebene vollziehe, kein Raum.60 Verschulden ist deswegen nicht relevant, weil der Staat an Recht und Gesetz gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG) und demnach den rechtskonformen Zustand herzustellen hat, ohne dass es auf die Vorwerfbarkeit ankommt. Es gilt statt dem Verschuldensprinzip das Legalprinzip.61 Auch die Staatshaftung auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene (siehe Art. 340 Abs. 2 AEUV = Art. 288 Abs. 2 bzw. 215 Abs. 2 EGV a. F.) setzt Verschulden als separates Tatbestandsmerkmal nicht voraus.62 Vor allem ist der Staat nach öffentlich-rechtlichem Verständnis selbst nicht verschuldensfähig. Das Verschuldensprinzip setzt eine – zumindest als solche empfundene – Entscheidungsfreiheit voraus. Der Staat hingegen ist gebunden. Er entscheidet, wie bereits gesagt, nach normativen Vorgaben (Art. 20 Abs. 3 GG). Staatliches Verschulden ist, soweit sich das Rechtsverhältnis auf öffentlich-recht­ licher Ebene vollzieht, systemfremd. Das Verschuldensprinzip spielt nur dort eine Rolle, wo sich das Rechtsverhältnis auf zivilrechtlicher Ebene vollzieht. In bestimmten Fällen wird die Haftung auf den Staat übergeleitet oder Verschulden dem Staat zugerechnet. Ein Beispiel ist die Amtshaftung nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG. Hier muss eine drittbezogene 58

MüKoBGB/Papier, § 839 Rz. 8, 20. MüKoBGB/Papier, § 839 Rz. 23. Der praktisch kaum noch bedeutsame Aufopferungs­ anspruch beispielsweise setzt noch nicht einmal einen rechtswidrigen Eingriff bzw. eine Pflichtverletzung voraus. 60 Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht und sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, S. 207; vgl. auch schon Görres ZZP 35 (1906), 313, 339 f. 61 Vgl. auch schon Görres, ZZP 35 (1906), 313, 339 f. 62 EuGH NJW 1996, 1267, 1271; Mankowski, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, § 37 Rz. 130; Maunz/Dürig/Papier, Art. 34 Rz. 78; MüKoBGB/Papier, § 839 Rz. 100b. 59

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§ 2 Verschulden

Amtspflicht schuldhaft verletzt worden sein. Die Amtsperson trägt gegenüber dem Betroffenen die Verantwortung, so dass im deliktischen Regelungszusammenhang die Einstandspflicht gem. § 839 BGB an persönliches Verschulden gekoppelt ist.63 Die Haftung bzw. Passivlegitimation wird nach Art. 34 GG vom Amtsträger lediglich auf den Dienstherrn übergeleitet.64 Es handelt sich nicht um originäre Staatshaftung. Der Rechtsweg ist wegen der zivilrechtlichen Anspruchsstruktur zu den ordentlichen Gerichten eröffnet, § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO. Ein weiteres Beispiel dafür, dass sich ein Rechtsverhältnis auf zivilrechtlicher Ebene vollzieht, ist die Haftung des Staates aus einem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis.65 Dieses Rechtsinstitut wurde von der Rechtsprechung entwickelt, um Haftungslücken zu schließen, die u. a. dann entstehen, wenn sich der Staat privater Personen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bedient.66 Anwendbar sind insbesondere die §§ 276, 278 BGB.67 Der Staat bekommt Verschulden zugerechnet. Das Rechtsverhältnis bestimmt sich nach zivilrechtlichen Prinzipien. Ein weiteres Beispiel ist der öffentlich-rechtliche Vertrag (§§ 54 ff. VwVfG), bei dem gem. § 62 S. 2 VwVfG die Vorschriften des BGB gelten, soweit sich aus dem VwVfG nichts anderes ­ergibt. (2) Privates Verschulden bei Haftung gegenüber dem Staat Ohne dass inhaltlich darauf näher einzugehen ist, wird Verschulden auch an anderer Stelle im öffentlichen Haftungsrecht vorausgesetzt, namentlich bei der Geltendmachung von Ansprüchen gegen Privatpersonen. Nur beispielhaft seien einige Vorschriften genannt: Verschulden spielt eine Rolle bei Art. 20 Abs. 4 S. 2, 93 Abs. 3 S. 2 BayGO (Schadenersatz bzw. Regress) und bei § 28 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 3  Nr. 3 BayFwG, § 61 Abs. 2 Nr. 1, 2, 6 HBKG (jeweils Kostenersatz). dd) Sonstiges: Verschulden im Bereich der Leistungsverwaltung Die Bedeutung des Verschuldensprinzips im Sozial- bzw. Leistungsverwaltungsrecht veranschaulichen insbesondere die §§ 34, 62 SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende), §§ 159, 321, 332 SGB III (Arbeitsförderung) sowie §§ 26, 41, 92, 103, 104 SGB XII (Sozialhilfe). Inhaltlich geht es um Schadenersatz, Kostenersatz und Erstattungspflichten (§§ 34 Abs. 1, 62 SGB II, § 321 SGB III, 92 Abs. 2 S. 6, 103 Abs. 1 S. 1, 63 Auch wenn das Verschuldensprinzip, soweit der Staat einzustehen hat, hier nicht zwingend ist – vgl. MüKoBGB/Papier, § 839 Rz. 23. 64 MüKoBGB/Papier, § 839 Rz. 121. 65 BGH NVwZ 1990, 1103, 1104; NJW 1977, 197 f.; NJW 1974, 1816 f.; NJW 1970 2208, 2209; aus der Lit. u. a. Schlick/Rinne, NVwZ 1997, 1171, 1182; Windthorst, JuS 1996, 605. 66 Schlachthof, Abwasserkanalisation, Zivildienststelle. 67 BGH NJW 1977, 197, 198; NJW 1970, 2208, 2209; Windthorst, JuS 1996, 605, 609.

B. Zur Rechtsnatur des Zwangsvollstreckungsrechtes

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104 SGB XII), um den Übergang materieller Ansprüchen auf den Hoheitsträger (§ 332 Abs. 1 S. 3 SGB III) sowie um die Aufrechnungsbefugnis des Leistungsträgers gegen die leistungsberechtigte Person (§ 26 Abs. 2 SGB XII), ferner darum, dass öffentliche Leistungsansprüche ruhen (§ 159 SGB III), erlöschen (§§ 159, 161 SGB III) und in bestimmten Fällen ausgeschlossen sind (§ 41 Abs. 4 SGB XII). Dabei wird immer ein sozialwidriges, versicherungswidriges, pflichtwidriges, missbräuchliches, in jedem Fall aber schuldhaftes Verhalten vorausgesetzt.68 Der Verschuldensmaßstab umfasst in den meisten Fällen Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit; nur die §§ 62 SGB II, 321 SGB III beziehen darüber hinaus auch einfache Fahrlässigkeit ein. Verschulden stellt in diesem Zusammenhang innerhalb der Leistungsverwaltung ein funktionales Korrektiv dar. Dadurch wird vermieden, dass auch derjenige profitiert, der in vorwerfbarer Weise gegen seine Mitwirkungspflichten verstößt und gegen die Interessen der sozialen Gemeinschaft handelt. b) Schlussfolgerungen für die öffentlich-rechtlichen Vorschriften der Zwangsvollstreckung Es hat sich klar gezeigt, dass das Verschuldensprinzip dem öffentlichen Recht nicht fremd ist. Es stellt sich aber die Frage, welche verallgemeinerungsfähigen und für das Vollstreckungsrecht relevanten Rückschlüsse sich daraus ziehen ­lassen. Typisch für die Zwangsvollstreckung ist einerseits der Eingriff in private Rechtsgüter. Auch bei diesen Eingriffsverhältnissen ist das Verschulden des Adressaten ausnahmsweise und nur dann von Bedeutung, wenn es das Gesetz vorsieht und sei es, dass sich dies aus höherrangigem Recht ergibt, z. B. aus dem Grundsatz „nulla poene sine culpa“ im Hinblick auf § 890 ZPO.69 Grundsätzlich reicht jedoch ein übergeordneter objektiver Zweck, der zudem in einer entsprechenden Befug 68 Sozialwidriges, schuldhaftes Verhalten: – § 34 SGB II, siehe Eicher/Spellbrink/Link, § 34 SGB II Rz. 24, 33 f.; BeckOK-SozR/Merten, § 34 SGB II Rz. 4, 7; – § 103 Abs. 1 S. 1 SGB XII, Grube/Wahrendorf/Bieback, § 103 SGB XII Rz. 9 ff., 27 ff.; – § 104 SGB XII, Grube/Wahrendorf/Bieback, § 104 SGB XII Rz. 6; Versicherungswidriges, schuldhaftes Verhalten: – § 159 Abs. 1 SGB III; Pflichtwidriges, schuldhaftes Verhalten: – § 62 SGB II; – § 321 SGB III, BeckOK-SozR/ Bieback, § 321 SGB III; – § 92 Abs. 2 S. 6 SGB XII, vgl. Grube/Wahrendorf/Wahrendorf, § 92 SGB XII Rz. 32 (Verletzung der Versicherungspflicht); (Rechts-)Missbräuchliches, schuldhaftes Verhalten: – § 332 Abs. 1 S. 3 SGB III, vgl. BeckOK-SozR/Kaminski, § 332 SGB III Rz. 13; – § 41 Abs. 4 SGB XII, Grube/Wahrendorf/ Wahrendorf, § 41 SGB XII Rz. 45, der zwar von eine objektiv rechtsmissbräuchlichen Verhaltensweise spricht, siehe dazu aber den Wortlaut der Norm („wer … die Bedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat“), vgl. auch BeckOK-SozR/Gebhardt, § 41 SGB XII Rz. 11 f. 69 Näheres siehe unter § 4 F. III.

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§ 2 Verschulden

nisnorm verankert ist, um die Eingriffsmaßnahme zu rechtfertigen. Ein Verschulden des Betroffenen bedarf es dann zur Begründung des Eingriffs nicht. Typisch für die Zwangsvollstreckung ist andererseits der Vollstreckungsschutz. Dadurch werden die Eingriffsbefugnisse beschränkt. Auf ein Verschulden seitens des Staates kommt es nicht an. Der Staat ist ohnehin nicht verschuldens­ fähig; bezweckt wird aber ein effektiver Grundrechtsschutz, mit dem es nicht vereinbar wäre, ihn vom schuldhaften Verhalten des Staates bzw. staatlicher Organe ab­hängig zu machen. Selbst staatliche Willkür, die begrifflich auf ein subjektives Moment hinzudeuten scheint, ist nach h. M. nur an objektiven Kriterien zu messen70; denn anderenfalls kann ein effektiver Rechtsschutz nicht gewährleistet werden. Wenn der Vollstreckungsschuldner gegen den sozialen Zweck des Vollstreckungsschutzes verstößt und sich dabei schuldhaft verhält, kann das in ähnlicher Weise, wie es beim Leistungsverwaltungsrecht der Fall ist, berücksichtigt werden, wenn sich dies aus der maßgeblichen Vorschrift ergibt. Ob das Zwangsvollstreckungsrecht eine solche Regelung vorsieht, ist aber fraglich; vielmehr wird ein solches Verhalten im Bereich des öffentlich-rechtlich zu qualifizierenden Vollstreckungsschutzes im Wesentlichen über die Regeln des Rechtsmissbrauchs zu korrigieren sein (dazu siehe unten). Soweit lediglich formelle Verfahrensabläufe geregelt sind, kann das Verschulden der Verfahrensbeteiligten nur dann eine Rolle spielen, wenn es das Gesetz ausdrücklich vorsieht. Die Staats- und Amtshaftung kommt auch im Bereich der Zwangsvollstreckung in Betracht. Was das Verschulden betrifft, gilt das oben Gesagte.

IV. Zusammenfassung Soweit das Zwangsvollstreckungsrecht (quasi-)privatrechtlicher Natur ist, fügt sich das Verschuldensprinzip ein. Es findet grundsätzlich Anwendung, wenn private Belange auf horizontaler Ebene zum Ausgleich gebracht werden. Das betrifft im Wesentlichen Schadenersatzansprüche. Auf Verschulden kommt es ausnahmsweise dann nicht an, wenn das Gesetz oder die Eigenart des Anspruchs dem entgegen steht. Bei gemischt-rechtlichen Vorschriften gilt für das Verschuldensprinzip, was die Interessenabwägung betrifft, nichts anderes. Soweit das Zwangsvollstreckungsrecht öffentlich-rechtlicher Natur ist, spielt das Verschulden der Verfahrensbeteiligten nur dann eine Rolle, wenn sich dies ausdrücklich aus dem Gesetz oder anderenfalls aus höherrangigem Recht ergibt. Ver-

70 St.Rspr. des BVerfG: siehe u. a. BVerfG FamRZ 2010, 25; BVerfG Beschl. v. 17.12.08, 1 BvR 992/08, juris; Beschl. v. 15.12.08, 1 BvR 69/08, juris; NJW 2006, 2248, 2249; NJW 2005, 3345, 3346; NJW 2005, 2138, 2139; NJW 1991, 1285; NJW 1982, 983.

C. Ein System von Pflichten

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schulden des Staates bzw. seiner Organe ist nur in haftungsrechtlicher Hinsicht von Belang und auch nur dann, wenn sich der Haftungsanspruch eines Privaten gegen den Staat auf zivilrechtlicher Ebene vollzieht. Der Staat ist als Institution nicht verschuldensfähig.

C. Ein System von Pflichten Wie bereits dargestellt, bestehen im Zwangsvollstreckungsrecht verschiedene Rechtsverhältnisse. Das besagt allerdings noch nichts über die inhaltliche Ausgestaltung. Wird mit dem Begriff des Rechtsverhältnisses lediglich eine rechtlich geregelte Beziehung zwischen Personen und Sachen bzw. zwischen Personen untereinander gekennzeichnet71, ist der Begriff sehr weit gefasst. Knüpft das Verschulden an eine Pflichtverletzung an, ist Voraussetzung, dass es Pflichten im fraglichen Rechtsverhältnis gibt. Ob im Vollstreckungsrechtsverhältnis ein solches Pflichtensystem existiert, ist streitig. Schließlich stellt sich die Frage, ob neben etwaigen Pflichten auch Obliegenheiten zu berücksichtigen sind.

I. Pflichtensystem im horizontalen Verhältnis Die Frage, ob ein Pflichtensystem existiert, stellt sich der Sache nach hauptsächlich im Zusammenhang mit vertragsähnlichen Haftungsansprüche zwischen Gläubiger und Schuldner72 bzw. zwischen Gläubiger und Dritten.73 Dass dann vornehmlich aus haftungsrechtlicher Sicht argumentiert wird, soll hier nicht stören. Denn welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen eine vollstreckungsrechtliche Rechtspflicht hat, seien sie nun materiell-rechtlicher oder prozessualer Art, ist eine Frage, die sich unabhängig vom Rechtsgrund stellt, der ein und derselbe ist. Die haftungsrechtlichen Konsequenzen sind daher nur als ein Anwendungsbeispiel zu verstehen. Vielmehr ist hier von Interesse, ob das Vollstreckungsrecht überhaupt Rechtspflichten kennt; anderenfalls fehlt es am Anknüpfungspunkt für das Verschulden.

71

BGH NJW 2001, 3789; NJW 2000, 2663, 2664; NJW 1957, 21, 22; RGZ 144 (1934), 54, 56; BLAH, § 256 Rz. 5; Musielak/Foerster, § 256 Rz. 2; Zöller/Greger, § 256 Rz. 3. 72 U. a. BGH NJW 1985, 3080. 73 U. a. BGH NJW 1972, 1048.

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1. Meinungsstand a) Ansicht des BGH Der BGH, der von einer „gesetzlichen Sonderbeziehung privatrechtlicher Art“ spricht74, hat dieses Konstrukt entwickelt, um hieraus Schadensersatzansprüche wegen positiver Forderungsverletzung herleiten zu können (heute § 280 Abs. 1 BGB). Grundlage dafür sind Sorgfaltspflichten im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner bzw. zwischen Gläubiger und Dritten, die sich aus der besagten gesetzlichen Sonderbeziehung ergeben. Auch Teile der Literatur gehen von einem solchen Pflichtensystem aus.75 b) Pflichtensystem nach Auslegung prozessualer Vorschriften Andererseits wird vertreten, dass eine „gesetzliche Sonderbeziehung privatrecht­ licher Art“ nicht existiert, sich aber im Vollstreckungsrechtsverhältnis sogenannte prozessuale Pflichten durch Auslegung ergeben, ergänzt durch den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).76 So dürfe z. B. der Gläubiger solche Vollstreckungsmaßnahmen nicht veranlassen, die für ihn keinen Vorteil brächten; er habe das Vollstreckungsgericht zu informieren, wenn der Schuldner erfüllt.77 Ferner könne man prozessuale Pflichten auch durch Vereinbarung begründen.78 c) Ablehnende Ansicht Nach der Gegenansicht sei ein allgemeines Pflichtensystem generell abzulehnen; das Verfahren der Zwangsvollstreckung kenne keine Mitwirkungspflichten der Beteiligten.79 Würde sich der Gläubiger treu- bzw. pflichtwidrig verhalten, bliebe das ohne Konsequenzen; denn die Vollstreckungsorgane hätten ein solches Verhalten nicht von Amts wegen zu berücksichtigen.80 Andere bejahen ein Schuldverhältnis bzw. ein besonderes Pflichtensystem nur dann, wenn der Gläubiger über den gesetzlichen Rahmen hinaus Verpflichtungen übernimmt.81 Das stimmt mit o.g. Ansicht insoweit überein, als sich prozessuale Pflichten jedenfalls aus Ab­ reden ergeben sollen. 74

BGH NJW 2005, 1121, 1122; NJW 1985, 3080; NJW 1972, 1048, 1049. Musielak/Lackmann, Vor § 704 Rz. 9; Zöller/Stöber, Vor § 704 Rz. 12a. 76 Lüke, ZZP 108 (1995), 427, 453. 77 Offen gelassen von BGH NJW 1985, 3080, 3081. 78 Lüke, ZZP 108 (1995), 427, 453. 79 Gaul, ZZP 110 (1997), 3, 26 f.; vgl. ferner Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 8 Rz. 22, 23. 80 Gaul, ZZP 110 (1997), 3, 27. 81 Schuschke/Walker/Schuschke, Einf. Rz. 13. 75

C. Ein System von Pflichten

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2. Stellungnahme Der Meinungsstand wird vorbestimmt durch die Einordnung des Vollstreckungsrechtsverhältnisses in das Rechtssystem. Diejenigen, die eine rein öffentlich-rechtliche Struktur annehmen, halten ein Pflichtensystem für damit nicht vereinbar.82 Dem ist die zum Teil privatrechtliche und gemischt-rechtliche Natur der vollstreckungsrechtlichen Vorschriften entgegen zu halten.83 Die Ansicht kommt zudem in Konflikt unter anderem mit § 138 Abs. 1 ZPO und mit § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO. Die Wahrheitspflicht, die nicht nur gegenüber dem Gericht, sondern auch gegenüber den anderen Verfahrensbeteiligten besteht, und die Auskunftspflicht werden zu „sekundären“ Pflichten herabgestuft84, ohne dass damit im Sinne der Ansicht viel gewonnen wäre. Denn um Pflichten handelt es sich unstreitig, unabhängig davon, wann sie entstehen und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben. Auch kann die Begründung nicht überzeugen, dass Pflichten deswegen nicht bestehen können, weil ein Verstoß, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen wäre, im Zweifel folgenlos bliebe. Auch im materiellen Zivilrecht müssen Ansprüche geltend gemacht, notfalls eingeklagt werden. Insoweit stellt die antragsweise Geltendmachung eines Pflichtenverstoßes im Vollstreckungsverhältnis (z. B. § 765a ZPO) nichts Außergewöhnliches dar. a) Zur Ansicht des BGH Wenn der BGH annimmt, dass dem Vollstreckungsgläubiger besondere Sorgfaltspflichten aufzuerlegen seien, weil bei dem Vollstreckungseingriff auf eine abschließende sachliche Prüfung verzichtet und der Vollstreckungsschuldner bzw. Dritte auf einen entsprechenden vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelf verwiesen werde85, überzeugt das Argument jedenfalls insoweit, als das Vollstreckungsorgan mangels eines geeigneten Verfahrens nur eingeschränkt die Möglichkeit zur Feststellung und rechtlichen Würdigung der dafür maßgeblichen Tatsachen hat oder ohnehin lediglich formalisierte Vermutungstatbestände86 prüfen darf. Anderenfalls wäre der Vollstreckungsschuldner aufgrund des aus Gründen der Effektivität formalisierten Verfahrens schutzlos gestellt. Zwar wird dem BGH vorgeworfen, er habe die Figur der „gesetzlichen Sonderbeziehung privatrechtlicher Art“ nur geschaffen, um § 278 BGB anwenden zu können.87 Aber auch die Kritiker erkennen eine besonders enge Beziehung zwischen Titelgläubiger und Titelschuld-

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Gaul, ZZP 110 (1997), 3, 26. Siehe unter § 2 B. II. 84 Gaul, ZZP 110 (1997), 3, 27. 85 BGH NJW 1972, 1048, 1049 f. 86 Dazu siehe oben zum formalisierten Verfahren, außerdem Stamm, Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 54 f., 57 f. 87 Lüke, ZZP 108 (1995), 427, 452. 83

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ner, aufbauend auf den im Titel festgestellten Gläubigerrechten, an.88 Zwar wird auch behauptet, die enge Beziehung begründe keine Pflichtenbindung, sondern unterstreiche allein die dem Vollstreckungsgläubiger im Vollstreckungsverfahren zukommende „Vormachtstellung“.89 Damit würden aber sämtliche vermögensrechtliche Interessen ausgeblendet. Der Gläubiger hätte zum einseitigen Nachteil des Schuldners bzw. des Dritten die Möglichkeit, sich von Haftungsrisiken zu befreien, indem er sich im Vollstreckungsverfahren Dritter bedient, zumal eine Haftung nach § 831 BGB nur bedingt in Betracht kommt.90 Die Argumentation des BGH lässt allerdings nur Ansprüche gegen den Vollstreckungsgläubiger zu. Besondere Sorgfaltspflichten des Vollstreckungsschuldners wären damit nicht zu begründen. So wird die „gesetzliche Sonderbeziehung privatrechtlicher Art“ auch regelmäßig im Hinblick auf Schadenersatzpflichten des Gläubigers erwogen.91 Dagegen spielen besondere Sorgfaltspflichten des Schuldners keine Rolle. Auch wenn der Gläubiger das formalisierte Verfahren beherrscht, ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Schuldner dessen Interessen verletzt. Die Beteiligten sind in gleichem Maße schutzwürdig. Zudem spricht auch das Prinzip der prozessualen Waffengleichheit92 dafür, verfahrensrechtliche Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten nicht nur des Gläubigers, sondern eines jeden Verfahrensbeteiligten anzunehmen. Zwar soll das Prinzip der Waffengleichheit die „Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung der Parteien (Beteiligten) vor dem Richter“93 gewährleisten. Sie wirkt also vornehmlich im vertikalen Prozessund auch im vertikalen Vollstreckungsrechtsverhältnis. Es müssen jedoch ebenso auf horizontaler Ebene gegenseitige Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten gelten; anderenfalls wäre die verfahrensrechtliche Chancengleichheit94 nicht sichergestellt. Wenn nicht schon die personelle Einschränkung der Sorgfaltspflichten gegen die Auffassung des BGH spricht, weil die Rechtsprechung eine derartige Beschränkung nicht im Sinn haben mag, dann aber zumindest der Umstand, dass damit verfahrensrechtliche Rechtspflichten nicht in jedem Fall plausibel begründet werden können. Problematisch ist in diesem Zusammenhang nämlich der Zeitpunkt, in dem das Pflichtenverhältnis entsteht. Sofern der BGH davon ausgeht, 88

Lüke, ZZP 108 (1995), 427, 453. Gaul, ZZP 110 (1997), 3, 27 f. 90 Vgl. BGH NJW 1972, 1048, 1049. 91 BGH NJW 1985, 3080; NJW 1972, 1048, 1049; vgl. ferner BGH NJW 1979, 1351, 1353; OLG Stuttgart NJW-RR 2008, 1204, 1205. 92 Siehe dazu allgemein: Kwaschik, Die Parteivernehmung und der Grundsatz der Waffengleichheit im Zivilprozess, S. 58 ff.; ferner: Walker, Der einstweilige Rechtsschutz im Zivil­ prozess und im arbeitsgerichtlichen Verfahren, Rz. 420. 93 BVerfG NJW-RR 2001, 1006; NJW-RR 1991, 1134; NJW 1979, 1925, 1927; vgl. ferner mit Hinweis auf den allgemeinen Gleichheitssatz: BVerfG NJW 1985, 3005, 3006; NJW 1980, 1737. 94 Zur verfahrensrechtlichen Chancengleichheit: Walker, Rz. 420. 89

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dass es auf den Vollstreckungseingriff ankommt95, ist damit nicht zu erklären, warum der Gläubiger nicht schon im Zeitpunkt des Vollstreckungsantrages verpflichtet sein soll, dem Vollstreckungsgericht Mitteilung darüber zu machen, dass der Schuldner bereits erfüllt hat. Zwar realisiert sich der Schaden erst mit dem hoheitlichen Eingriff, gleichwohl ist die konkrete Schadensgefahr bereits von Anfang an gegeben. Zudem hat es der Gläubiger gar nicht in der Hand, zu welchem Zeitpunkt etwa der Gerichtsvollzieher körperliche Sachen durch Inbesitznahme nach § 808 Abs. 1 ZPO pfändet und damit dem Schuldner die Nutzungsmöglichkeit entzieht. Würde die Mitteilungspflicht erst durch den Vollstreckungseingriff begründet, ginge sie hier ins Leere. b) Zum Pflichtensystem nach Auslegung prozessualer Vorschriften Viel weitreichender als die Ansicht des BGH ist die Auffassung, die aus dem Vollstreckungsverhältnis sog. „prozessuale Pflichten“ herleitet. Damit wird ein offenes, allgemeines, personell nicht beschränktes Pflichtensystem konstruiert. Diese Ansicht ist auf Kritik gestoßen.96 Sie lässt sich aber ebenso wie die Lehre von der „culpa in procedendo“ auf den verfahrensrechtlichen Kontakt zurückführen. Zum Prozessverhältnis wurde vertreten, dass bedingt durch den prozessualen Sonderkontakt Verhaltenspflichten der Parteien entstehen.97 Soweit dem entgegen gehalten wird, dass vorprozessuale Bindungen der Parteien bei Vertragsschluss im Rechtsstreit u. U. zwar fortwirken können, dass damit prozessuale Sonderpflichten aber dann nicht erklärbar seien, wenn eine grundlose Klage erhoben wird und damit ein Rückgriff auf das materielle Recht ausscheide,98 geht diese Kritik am maßgeblichen Argument vorbei. Es kommt nämlich nicht auf die materielle Rechtslage, sondern allein auf das prozessuale Gefüge, d. h. auf den interaktiven Kontakt an.99 Nicht anders ist es im Vollstreckungsrechtsverhältnis auch. Dabei ist das Prozessrechtsverhältnis (im engeren Sinne) zwar nicht identisch mit dem Vollstreckungsrechtsverhältnis, denn beide folgen selbständigen Verfahrensregeln; ein Vollstreckungsrechtsverhältnis kann auch ohne Prozessrechtsverhältnis begründet werden, wenn etwa die Zwangsvollstreckung auf Grundlage einer vollstreckbaren Urkunde betrieben wird.100 Der interaktive Kontakt ist aber auch im Vollstreckungsrechtsverhältnis gegeben. Dabei kommt es weniger darauf an, dass Gläubiger, Schuldner bzw. Dritte in ein kontradiktorisches Verfahren eintreten, sondern vielmehr darauf, dass die jeweiligen Interessen berücksichtigt werden. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang der Güterschutz. Werden die Interessen des Einen geschützt bzw. durchgesetzt, bedeutet das gleichzeitig einen Eingriff in 95

BGH NJW 1985, 3080, 3081; NJW 1972, 1048, 1049. Gaul, ZZP 110 (1997), 3, 27 ff. 97 Berges, NJW 1965, 1505, 1508 f. 98 Gaul, ZZP 110 (1997), 3, 23. 99 Berges, NJW 1965, 1503, 1509. 100 Gaul, ZZP 110 (1997), 3, 26. 96

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die Interessen des Anderen. Der interaktive Kontakt vollzieht sich damit auf güterrechtlicher Ebene. Deswegen ist der Begriff des interaktiven Kontakts ungenau. Selbst auf Ebene des Erkenntnisverfahrens wird nicht immer in ein streitiges, wechselseitiges Verfahren eingetreten, so etwa im Säumnisverfahren (§ 330 ff. ZPO) und ggf. im Mahnverfahren (§§ 688 ff. ZPO). Trotzdem sind Pflichten zu berücksichtigen, beispielsweise die Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO oder die Pflicht zur „redlichen Prozessführung“.101 Wird also in der Zwangsvollstreckung der Schuldner vor der Forderungspfändung nach § 834 ZPO nicht angehört, schließt das ein Pflichtenverhältnis nicht schon deswegen aus, weil die Beteiligten nicht interagieren. Es macht zwar einen Unterschied, ob das Gesetz die Nichtbeteiligung vorsieht, oder ob die Nichtbeteiligung auf einem eigenverantwortlichen Verhalten der Partei beruht. In beiden Fällen wird aber das prozessuale bzw. verfahrensrechtliche Gefüge102 nicht aufgelöst; denn das Verfahren schafft immer – und zwar für alle Beteiligten – rechtliche Konsequenzen. Treffender dürfte daher der Begriff des güterrechtlichen bzw. verfahrensrechtlichen Kontakts sein. Dabei darf nicht verkannt werden, dass der verfahrensrechtliche Kontakt als abstrakter Begriff nur die Grundlage für ein Pflichtensystem bildet. Welche Pflichten es gibt, wann sie entstehen und wen sie treffen, muss sich aus den Vorschriften der Verfahrensordnung und den dort geltenden Grundsätzen ergeben. c) Zur ablehnenden Ansicht, Zusammenfassung Nach den vorstehenden Ausführungen ist die Ansicht abzulehnen, die ein Pflichtensystem generell verneint. Es ist der Meinung zu folgen, welche die prozessualen Pflichten aus dem Vollstreckungsrechtsverhältnis herleitet, soweit sich dies nach Auslegung und dem Grundsatz von Treu und Glauben ergibt. Ein Verstoß dagegen kann materiell-rechtliche oder prozessuale Rechtsfolgen haben.

II. Pflichtensystem im vertikalen Verhältnis Bislang ging es um Pflichten auf horizontaler Ebene, nämlich um solche im Verhältnis der Verfahrensbeteiligten untereinander. Fraglich ist, ob auch im vertikalen Verhältnis zwischen Vollstreckungsschuldner bzw. -gläubiger und dem Staat ein solches Pflichtensystem existiert.

101

Zum Gebot „redlicher Prozessführung“ gem. § 242 BGB vgl. BGH NJW 2007, 3280, 3280 m. w. N.; Dölle, Pflicht zur redlichen Prozessführung?, FS Riese 1964, S. 279, 286 ff.; Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, S. 13. 102 Zum Begriff des „Gefüges“ Berges, NJW 1965, 1505, insb. 1508.

C. Ein System von Pflichten

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1. Pflichten des Staates Der Staat hat gegenüber dem Bürger eine besondere Pflichtenstellung. Die Verpflichtung beruht nicht auf dem konkreten Vollstreckungsverhältnis bzw. dem prozessualen, güterrechtlichen Kontakt zu den Beteiligten, sondern auf der verfassungsmäßigen Ordnung sowie einfachgesetzlichen Normen. Der Staat ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden. Die Verfassung entfaltet gegenüber der Exekutive und Judikative mittelbar Bindungswirkung über den Vorrang des Gesetzes.103 Der Staat hat Eingriffe nach Maßgabe der Grundrechte zu unterlassen und andererseits Eingriffe nach Maßgabe geschützter Leistungsinteressen durchzuführen, also den Vollstreckungsanspruch zu erfüllen. Damit sind sowohl das Antrags- als auch das Eingriffsverhältnis bezeichnet. Dieses „übergeordnete“ Pflichtenprogramm korrespondiert nicht mit dem Verschuldensprinzip; vielmehr trägt der Staat wegen des Legalprinzips Verantwortung, ohne dass es auf einen schuldhaften Pflichtverstoß ankommt. Da der Staat als juristische Person nur durch seine Organe bzw. durch Amtswalter (oder Beliehene) handeln kann, sind auch die Amtspflichten zu bedenken. Amtspflichten sind persönliche Pflichten des Amtsträgers in Bezug auf dessen Amtsführung.104 So darf der Amtsträger nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen tätig werden105, wenn nicht abweichend davon eine verbindliche Weisung ergeht.106 Amtspflichten können sich aus dem Gemeinschaftsrecht, der Verfassung, dem Gesetz, ferner aus Dienst- und Verwaltungsvorschriften ergeben.107 Für den Gerichtsvollzieher ist vor allem die GVGA relevant. Ob es sich bei den Amtspflichten allein um Innenrecht im Verhältnis zum Staat handelt oder ob die Amtspflichten immer identisch und inhaltsgleich mit den öffentlich-rechtlichen Pflichten des Staates im Außenverhältnis zum Bürger sind, ist streitig.108 Dass es sich dem Grunde nach um Innenrecht handelt, folgt unter anderem daraus, dass ein Verstoß gegen Verfahrensnormen wie die §§ 750, 758, 759, 811, 850c ZPO nicht zur Unwirksamkeit der Pfändung führt, sondern lediglich zu deren Anfechtbarkeit.109 Wird im Innenverhältnis gegen eine Amtspflicht verstoßen, kann der Betroffene im Außenverhältnis Rechtsfolgen zu seinen Gunsten nur dann herleiten, wenn eine Rechtsnorm dies zulässt (z. B. § 766 ZPO, ferner § 839 BGB). Beruft sich der Betroffene auf das amtspflichtwidrige Verhalten nicht, bleibt das Außenverhältnis davon unberührt. Nur dann, wenn der Verstoß gegen Verfahrensvorschriften deshalb 103

Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 VI Rz. 18. BeckOK-BGB/Reinert, § 839 Rz. 35; Maunz/Dürig/Papier, Art. 34 Rz. 156; MüKoBGB/ Papier, § 839 Rz. 191; Palandt/Sprau, § 839, Rz. 31. 105 BGH NJW 1986, 2952, 2953. 106 Dann liegt kein objektiv amtspflichtwidriges Verhalten vor, auch wenn es sich um eine rechtswidrige Maßnahme handelt: BGH NVwZ-RR 2009, 363; NJW 1977, 713; NJW 1959, 1629 f.; MüKoBGB/Papier, § 839 Rz. 10; Schlick, NJW 2009, 3487, 3488. 107 BeckOK-BGB/Reinert, § 839 Rz. 35. 108 Zum Streit MüKoBGB/Papier, § 839 Rz. 191 f. 109 Schuschke/Walker/Walker, Vor §§ 803, 804 ZPO Rz. 6. 104

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zur Unwirksamkeit der Maßnahme selbst führt, weil es sich um einen groben, of­fenkundigen Fehler handelt, etwa weil ein sachlich unzuständiges Vollstreckungsorgan tätig wurde110, ist das Außenverhältnis ausnahmsweise unmittelbar betroffen. Dies hat jedoch verfassungsrechtliche Gründe, so dass es einer einfachgesetzlichen Norm nicht bedarf. Der Betroffene kann nicht auf den Rechtsweg verwiesen werden, wenn sich das Verfahren von vornherein als grob fehlerhaft darstellt – anderenfalls liefe Art. 20 Abs. 3 GG ins Leere. Gleichwohl handelt es sich generell bei Amtspflichten nicht um Rechtspflichten, die unmittelbar im vertikalen Verhältnis den Verfahrensbeteiligten gegenüber gelten; Amtspflichten binden vielmehr den Amtsträger gegenüber dem Staat, was nur mittelbare Wirkung für die Verfahrensbeteiligten haben kann. 2. Pflichten der Verfahrensbeteiligten Pflichten der Verfahrensbeteiligten im vertikalen Verhältnis zum Staat gibt es nur wenige. Das mag daher rühren, dass die Interessen des Vollstreckungsgläubigers zwangsweise durchgesetzt werden, was eine Mitwirkung (zumindest) des Vollstreckungsschuldners nicht erforderlich macht. Solche Rechtspflichten gegenüber dem Staat sind der Zwangsvollstreckung dennoch nicht fremd. Das gilt insbesondere für das Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung. Ob es sich bei den Auskunftspflichten nach §§ 807 Abs. 1, 836 Abs. 3 S. 2, 883 Abs. 2 ZPO um echte Pflichten gegenüber dem Gerichtsvollzieher handelt, erscheint zwar fraglich, weil die Pflichten nur auf Antrag des Gläubigers begründet werden. Jedoch ist nach § 802c Abs. 1 ZPO (n. F.)111 der Vollstreckungsschuldner dem Gerichtsvollzieher allein auf dessen Verlangen zur Vermögensauskunft verpflichtet112; dabei handelt es sich um selbständige Auskunftspflichten. Außerhalb des Verfahrens zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung sind weitere Rechtspflichten im vertikalen Verhältnis von Belang. So gilt etwa § 138 Abs. 1 ZPO im gesamten Verfahrensrecht und damit auch in der Zwangsvollstreckung; die Wahrheitspflicht bindet die Verfahrensbeteiligten auch im Verhältnis zum Staat, nicht lediglich untereinander. Mit § 138 Abs. 1 ZPO und den Auskunftspflichten (vgl. §§ 807 Abs. 1, 836 Abs. 3 S. 2, 883 Abs. 2 ZPO, ferner § 802c Abs. 1 ZPO [n. F.]) sind einige Rechtspflichten der Verfahrensbeteiligten gegenüber dem Staat genannt. Ihnen ist gemein, dass sie nicht aus dem Vollstreckungsrechtsverhältnis hergeleitet werden, sondern auf einer konkreten, gesetzlichen Regelung beruhen. Auch der allgemeine Eingriffsvorbehalt spricht dafür, dass sich die Rechtspflicht aus dem Gesetz ergeben muss; denn die Rechtspflicht steht einem Eingriff in die Grundrechte (insb. Art. 2 Abs. 1 GG) gleich. Die Erkenntnis, dass die Rechtspflicht im vertikalen Verhältnis zum Staat sich aus dem Gesetz ergeben muss, steht 110

Schuschke/Walker/Walker, Vor §§ 803, 804 ZPO Rz. 5 m. w. N., ferner Rz. 4. § 802c ZPO (n. F.) gilt mWv 1.1.2013 (G v. 29.7.2009 [BGBl. I S. 2258]). 112 BT-Drs. 16/10069. 111

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auch mit dem Befund im Einklang, dass das Verschulden der Verfahrensbeteiligten im Verhältnis zum Staat ebenfalls nur dann berücksichtigt werden kann, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist.

III. Obliegenheiten 1. Das Vollstreckungsrechtsverhältnis als Grundlage vollstreckungsrechtlicher Obliegenheiten Ferner kennt das Zwangsvollstreckungsrecht nicht nur prozessuale/vollstreckungsrechtliche Rechtspflichten, sondern auch Obliegenheiten.113 Weil Obliegenheiten vornehmlich dem Eigeninteresse dienen, braucht nicht zwischen den Rechtsverhältnissen zu anderen Rechtsträgern, d. h. zwischen der horizontalen und der vertikalen Ebene unterschieden zu werden, sondern lediglich nach dem Subjekt. Da der Staat mit der zwangsweisen Durchsetzung privater Ansprüche keine Eigeninteressen verfolgt, sind vollstreckungsrechtliche Obliegenheiten des Staates und der Vollstreckungsorgane praktisch ausgeschlossen. Anders ist es dagegen bei den Verfahrensbeteiligten. So obliegt es z. B. dem Vollstreckungsschuldner, den Schutzantrag in Räumungssachen nach § 765a Abs. 1 ZPO spätestens 2 Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, wenn er Gründe, die bis dahin entstanden sind, noch geltend machen will; versäumt der Vollstreckungsschuldner die Frist, ist der Schutzantrag grundsätzlich unzulässig (§ 765a Abs. 3 ZPO). Es obliegt dem Vollstreckungsschuldner ferner, zum angekündigten Vollstreckungstermin in seiner Wohnung anwesend zu sein; gemäß der Rechtslage bis zum 31.12.2012 drohte anderenfalls die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung, § 807 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 ZPO (a. F.). Dem Dritten obliegt es beispielsweise, ein ihm am Gegenstand der Zwangsvollstreckung zustehendes, die Veräußerung hinderndes Recht geltend zu machen, § 771 ZPO. Dem Vollstreckungsgläubiger oblag etwa der unverzügliche Widerspruch gegen einen Verwertungsaufschub nach § 813a Abs. 1 ZPO (a. F., siehe Abs. 2 der Vorschrift). Obliegenheiten ergeben sich also oft schon aus dem Gesetz selbst. Sie können aber gleichsam aus dem Vollstre 113 Ausführungen zur Rechtsnatur sind entbehrlich. Im Wesentlichen herrscht Einigkeit: Die Obliegenheit ist nicht einklagbar (Brox/Walker, AS, § 2 Rz. 16; Esser/Schmidt, SchR I/1, § 6 VI [S. 113]; MüKoBGB/Ernst, Einl. v. § 241 Rz. 14; Staudinger/Olzen [2009], § 241 Rz. 127 [129]) oder in anderer Weise erzwingbar. Aus ihr erwachsen keine Ansprüche zugunsten Dritter, also auch keine Schadenersatzansprüche für den Fall, dass der Belastete dagegen verstößt (BeckOK-BGB/Sutschet, § 241 Rz. 25; Brox/Walker, AS, § 2 Rz. 16; Erman/Westermann, Einl. § 241 Rz. 22; Hk-BGB/Schulze, Vor §§ 241–853 Rz. 23; Looschelders, SchR AT, Rz. 26; MüKoBGB/Ernst, Einl. v. § 241 Rz. 14; Palandt/Grüneberg, Einl. v. § 241 Rz. 13; Soergel/Teichmann, Vor § 241 Rz. 7; Staudinger/Huber, Eckpfeiler, D. Der Inhalt des Schuldverhältnisses Rz. 7 (I. 1. d); van Els, FPR 2005, 348, 349). Der Vorwurf der Rechtswidrigkeit entfällt (BeckOK-BGB/Sutschet, § 241 Rz. 25; Looschelders, SchR AT, Rz. 26; MüKoBGB/Kramer, Bd. 2, 5. Aufl. 2007, Einl. v. § 241 Rz. 50).

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ckungsrechtsverhältnis folgen. Dem Grundsatz nach gilt das zu den Rechtspflichten Gesagte (zum verfahrensrechtlichen Kontakt, siehe oben). 2. Obliegenheiten und Verschulden, kein Widerspruch in sich Ob das Verschuldenserfordernis zum Wesen der Obliegenheit passt, ist umstritten.114 Eine unmittelbare Anwendung des § 276 BGB scheidet aus, weil die Vorschrift ein rechtswidriges bzw. pflichtwidriges Verhalten voraussetzt.115 Wer gegen eine Obliegenheit verstößt, handelt indes rechtmäßig. Es kommt nach allgemeiner Auffassung nur die analoge Anwendung der §§ 241 ff. BGB in Betracht.116 Das setzt aber eine Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus; vor allem Letzteres sei wegen der Rechtsnatur der Obliegenheit problematisch.117 Jedoch weisen die oben genannten, gesetzlich geregelten Obliegenheiten einen Bezug zu § 276 BGB auf, weil Verschulden erforderlich ist. Die Eigenheiten der Obliegenheit schließen daher nicht per se das Verschuldensprinzip aus. Zudem ist die Interessenlage wenigstens insoweit vergleichbar, als es darum geht, eine negative Rechtsfolge zu rechtfertigen. Es ist auch schwer zu begründen, weshalb der Betroffene grundsätzlich in eigener Angelegenheit für Zufall bzw. rein objektive Kausalverläufe eintreten soll, während er einem Dritten gegenüber nur nach § 276 BGB verantwortlich ist. Die eigenen Interessen sind ebenso schutzwürdig, wie fremde Interessen. Das heißt, dass ein Rechtsnachteil dem Belasteten grundsätzlich nicht unter erleichterten Bedingungen aufzuerlegen ist. Zumindest aber in den Fällen, in denen der andere Teil – wenn auch nur mittelbar – von der Befolgung der Obliegenheit profitiert, wenn er insoweit also ein eigenes Interesse daran hat (wie an der Befolgung einer Rechtspflicht auch), wird eine „vergleichbare Interessenlage“ anzunehmen sein. Deshalb ist ein obliegenheitswidriges Verhalten im Ergebnis zumeist auch nach den Kriterien zu beurteilen, wie sie für pflichtwidriges Handeln gelten; § 276 BGB ist insoweit anwendbar.118 Außerdem nimmt Hähnchen an, dass das Verschuldenserfordernis für alle Obliegenheiten gelte, die sich aus § 242 BGB ergeben; wer schuldlos handle, könne nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen.119 Wenngleich das, was sie sagt, nicht allgemein zu überzeugen vermag, weil jedenfalls auch derjenige sich treuwidrig verhält, der z. B. ein Recht entgegen dem objektiven Normzweck geltend macht – auf ein schuldhaftes Verhalten kommt es zum Schutz der Rechtsord 114

Näheres dazu bei Hähnchen, Obliegenheiten und Nebenpflichten, S. 105 (m. w. N. in Fn. 346). 115 Vgl. Staudinger/Olzen (2009), § 241 Rz. 132. 116 BeckOK-BGB/Sutschet, § 241 Rz. 26; MüKoBGB/Kramer, Bd. 2, 5. Aufl. 2007, Einl. v. § 241 Rz. 52 m. w. N.; Staudinger/Olzen (2009), § 241 Rz. 132; vgl. Soergel/Teichmann, Vor § 241 Rz. 8 („entsprechende Anwendung“). 117 Staudinger/Olzen (2009), § 241 Rz. 132. 118 Esser/Schmidt, SchR I/1,§ 6 VI (S. 114). 119 Hähnchen, Obliegenheiten und Nebenpflichten, insb. S. 107.

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nung nicht an –, überzeugt die Begründung jedoch im Ansatz. Denn daraus folgt, dass negative Rechtsfolgen dem Belasteten grundsätzlich nur dann auferlegt werden können, wenn ihm der Verstoß gegen die Obliegenheit auf Grundlage subjektiver Kriterien zurechenbar ist und sich aus der Gesetzeslage oder sonstigen Rechtsgrundsätzen im Einzelfall nicht ein anderes ergibt. Dieser Grundsatz gilt allgemein. Verschulden ist nur dann nicht erforderlich, wenn die Obliegenheitsverletzung keinen unmittelbaren Rechtsnachteil für den Belasteten zur Folge hat, sondern zu einer Risikoverlagerung führt und zwar insoweit, als das Risiko eines Dritten auf den Belasteten übergeht und der Rechtsnachteil erst dann eintritt, wenn das Risiko in einen Schaden umschlägt. Sofern es der Dritte nicht in der Hand hat, ob der Belastete die Obliegenheit erfüllt, soll der Dritte von dem Risiko auch dann befreit sein, wenn lediglich ein objektiver Verstoß festzustellen ist. Das Verschuldenserfordernis würde der besonderen Interessenlage nicht gerecht. Die Risikoneuverteilung erfolgt verschuldensunabhängig. Ein Beispiel ist der Gläubigerverzug nach § 293 BGB. Dem Gläubiger obliegt es, die ihm angebotene Leistung des Schuldners anzunehmen.120 Verstößt er dagegen, ergeben sich die Rechtsfolgen aus § 300 BGB. Ein Verschulden ist nicht erforderlich.121 Auch wenn der Gläubiger unverschuldet in Annahmeverzug gerät, wird der Schuldner von der Sachgefahr frei (§ 300 Abs. 2 BGB) und die Haftung zu seinen Gunsten erleichtert (§ 300 Abs. 1 BGB). Ist der Gläubiger zur Abnahme vertraglich bzw. gesetzlich verpflichtet (u. a. nach § 433 Abs. 2 BGB), löst das zwar die besonderen Rechtsfolgen des Schuldnerverzuges nur im Falle von Verschulden aus (§ 286 Abs. 4 BGB). Das gilt aber nicht für die Rechtsfolgen des Gläubigerverzuges, der davon getrennt zu beurteilen ist; denn anderenfalls wäre der „verpflichtete“ Gläubiger ohne Grund privilegiert.

IV. Zusammenfassung Es existieren zum einen prozessuale/vollstreckungsrechtliche Pflichten auf horizontaler Ebene, die aus dem Vollstreckungsverhältnis hergeleitet werden; zum Teil sind sie in der ZPO ausdrücklich geregelt. Es gibt zum anderen prozessuale/ 120 BeckOK-BGB/Unberath, § 293 Rz. 11; Jauernig/Stadler, § 293 Rz. 2; MüKoBGB/Ernst, § 293 Rz. 18. 121 So bereits ausdrücklich in den Motiven zum BGB (Entwurf I § 254, II § 249), siehe bei Mugdan, Materialien zum BGB (Nachdruck 2005), Bd. 2, S. XI und 38; im Übrigen: BGH NJW-RR 2011, 21, 22; NJW-RR 1994, 1469, 1470; NJW-RR 1988, 1265, 1266; NJW 1957, 989, 990; BeckOK-BGB/Unberath, § 293 Rz. 11; Brox/Walker, AS, § 26 Rz. 8; Erman/Hager, § 293 Rz. 7; Jauernig/Stadler, § 293 Rz. 4; Medicus/Lorenz/Lorenz, SchR I, Rz. 513; MüKoBGB/Ernst, § 293 Rz. 18; Palandt/Grüneberg, § 293 Rz. 10; Richardi, JuS 1984, 825, 833; Soergel/Wiedemann, § 293 Rz. 11; Staudinger/Löwisch/Feldmann (2009), Vorbemerkung zu §§ 293–304 Rz. 1; § 293 Rz. 1, 17; Weise/Hänsel, NJW-Spezial 2010, 589 (Anm. zu BGH MDR 2010, 1210); kritisch: Looschelders, Schuldrecht AT, Rz. 757, der im Einzelfall eine Korrektur über § 242 BGB für angemessen hält.

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vollstreckungsrechtliche Pflichten auf vertikaler Ebene. Dabei ist im Außenverhältnis der Staat selbst den Verfahrensbeteiligten gegenüber nach öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten verpflichtet; er ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden. Amtspflichten gelten im Innenverhältnis, den Verfahrensbeteiligten gegenüber jedoch nur mittelbar. Die Verfahrensbeteiligten ihrerseits sind dem Staat gegenüber nur insoweit verpflichtet, als sich dies aus dem Gesetz ausdrücklich ergibt. Ferner kennt das Zwangsvollstreckungsrecht verschiedene Obliegenheiten der Verfahrensbeteiligten. Prinzipiell kann Verschulden überall eine Rolle spielen. Lediglich dort, wo der Staat den Verfahrensbeteiligten gegenüber verpflichtet ist, wird das Verschuldensprinzip vom Legalprinzip verdrängt.

D. Kein Widerspruch zwischen formalisiertem Verfahren und Verschuldensprinzip im Prozessrecht Gegen die Anwendung des Verschuldensprinzips im Bereich der Zwangsvollstreckung könnte das formalisierte Verfahren sprechen. Es stellt sich die Frage, ob deswegen nur Tatsachen überprüft werden dürfen und eine rechtliche Würdigung des Sachverhaltes (schon von vornherein) ausscheidet. Eine rechtliche Würdigung wäre nämlich notwendig, wenn beurteilt werden müsste, ob eine Rechtspflicht oder eine Obliegenheit schuldhaft verletzt wurde. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob das Vollstreckungsorgan die verfahrensrechtliche Kompetenz dazu hat.

I. Grundsatz: „Formalisierung der Zwangsvollstreckung“ – Begriff, Bedeutung, Zweck Mit „Formalisierung der Zwangsvollstreckung“ wird eine eingeschränkte Prüfkompetenz der Vollstreckungsorgane umschrieben; ihnen wird die Befugnis zur Prüfung materiell-rechtlicher Fragen abgesprochen.122 Das gilt sowohl im Hinblick auf den vollstreckbaren Anspruch, als auch im Hinblick auf die Durchführung der Zwangsvollstreckung selbst. Was den Anspruch betrifft, folgt die eingeschränkte Prüfkompetenz nicht schon aus dem Prinzip der Rechtskraft; denn auch im Falle vorläufig vollstreckbarer Titel, bei denen die Rechtskraft noch nicht eingetreten ist, ist das Verfahren formalisiert. Vielmehr ist die Zwangsvollstreckung von dem Verfahren, nach dem der Titel erlangt werden kann (z. B. Erkenntnis-/Mahnverfahren, vgl. §§ 704, 794 Abs. 1 ZPO), organisatorisch getrennt, um eine optimale Durchsetzung der verbrieften Ansprüche und dabei gleichzeitig ausreichend

122 Geißler, NJW 1985, 1865; MüKoZPO/Rauscher, Einl. Rz. 386 f.; vgl. auch Musielak/ Lackmann, Vor § 704 Rz. 14.

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Rechtssicherheit zu gewährleisten.123 Deswegen können materiell-rechtliche Einwendungen, die den Anspruch betreffen, im Wege der Klage nach § 767 ZPO auch nur vor dem Prozessgericht, nicht dagegen im Vollstreckungsverfahren selbst geltend gemacht werden. Was die Einleitung und die Durchführung der Zwangsvollstreckung betrifft, sind aus denselben Gründen auch dort nur solche Umstände zu prüfen, die per se ohne weiteres feststellbar sind.124 Das Vollstreckungsorgan darf mit der Zwangsvollstreckung nur dann beginnen, wenn die allgemeinen und besonderen formellen Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen. Stamm unterscheidet bei der Formalisierung drei Stufen: die erste Stufe erfasse die freiwillige Einigung zwischen den Betroffenen, die zweite Stufe die gerichtliche Entscheidung und die dritte Stufe formalisierte Vermutungstatbestände.125 Das Konzept erklärt sich freilich nicht von selbst. Die Formalisierung auf der ersten Stufe beschreibt Stamm wie folgt: Weil es jedermann frei stehe, über Rechtsgüter zu verfügen, bestehe auch in der Zwangsvollstreckung kein staatliches Interesse an einer Überprüfung materiell-rechtlicher Fragen, sofern die Betroffenen diese Fragen einheitlich bewerten.126 Das Vollstreckungsorgan habe sich daher z. B. dann an die Erklärungen zu halten, wenn beispielsweise der Vollstreckungsschuldner die Berechtigung an einem Vollstreckungsobjekt einräumt, oder der Vollstreckungsgläubiger die Erfüllung der Vollstreckungsforderung zugesteht.127 Das Paradebeispiel für die zweite Stufe sei, so Stamm, der Titel (als Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung); mit ihm liege eine verbindliche Entscheidung über den zu vollstreckenden Anspruch vor.128 Die zweite Stufe gelte nur subsidiär, weil die Beteiligten nach wie vor vom Titel abweichende Erklärungen abgeben könnten.129 Schließlich seien auf dritter Stufe die formalisierten Vermutungstatbestände zu beachten; es handle sich um vereinfachte Gesetzesregelungen, zu deren Überprüfung auch das Vollstreckungsorgan imstande sei.130 Davon möchte Stamm z. B. § 808 Abs. 1 ZPO erfasst wissen131, wonach es bei der Sachpfändung nicht auf die wahre Eigentumslage, sondern auf den Gewahrsam ankommt; die Überprüfung der materiell-rechtlichen Rechtsfrage sei in das Rechtsbehelfsverfahren verlagert132 (§ 771 ZPO). Die von Stamm vorgenommene Einordnung überzeugt bedingt. Weil die Zwangsvollstreckung einen Titel voraussetzt und eine einfache Vereinbarung der Beteiligten nicht genügt, fragt sich, warum die Vereinbarung der ersten Stufe zu 123

MüKoZPO/Rauscher, Einl. Rz. 386; Zöller/Stöber, Vor § 704 Rz. 22. Lackmann, ZVR, Rz. 6. 125 Stamm, Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 51 ff. 126 Stamm, Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 52. 127 Stamm, Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 53. 128 Stamm, Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 53. 129 Stamm, Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 54. 130 Stamm, Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 54. 131 Stamm, Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 57. 132 Stamm, Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 54. 124

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geordnet wird. Zwar muss ein Titel nicht zwingend aus einer gerichtlichen Entscheidung hervorgehen (§ 704 ZPO); so kann eine Vereinbarung etwa dann genügen, wenn ein gerichtlicher Vergleich geschlossen oder eine vollstreckbare Urkunde vor einem deutschen Gericht oder einem deutschen Notar errichtet wird (§ 794 Abs. 1 Nr. 1, 5 ZPO), doch muss auch hier ein Verfahren eingehalten werden, das letztendlich die Zwangsvollstreckung aus dem Titel legitimiert. Plausibler dürfte es sein, auf der ersten Stufe die Formalität des Titels, auf einer zweiten Stufe die Formalität bestimmter vollstreckungsrechtlich relevanter Erklärungen (prozessualer Art, siehe oben) und auf der dritten Stufe die Formalität des Verfahrens bei der Behandlung von Zweifelsfragen anzunehmen, was sich im besonderen System der Rechtsbehelfe äußert. In der Sache legt Stamm aber überzeugend dar, in welchem Zusammenhang und weshalb das Vollstreckungsorgan regelmäßig nur formelle, einfach festzustellende Voraussetzungen zu prüfen hat.

II. Durchbrechung Die „Formalisierung der Zwangsvollstreckung“ ist kein apodiktischer Grundsatz. Er erfährt im Verfahren an der einen und anderen Stelle eine Durchbrechung. 1. Weitreichende Prüfkompetenzen der Vollstreckungsorgane, Befähigung zur Prüfung von Rechtsfragen Dass das Vollstreckungsorgan nicht nur leicht feststellbare Tatsachen zu prüfen, sondern gegebenenfalls den Sachverhalt auch rechtliche zu würdigen hat, ergibt sich aus der ZPO selbst. So hat etwa das Vollstreckungsgericht über Anträge nach § 765a Abs. 1 S. 1 ZPO zu entscheiden und im Rahmen dessen zu prüfen, ob unter Berücksichtigung der Belange des Vollstreckungsgläubigers wegen besonderer Umstände eine sittenwidrige Härte vorliegt. Die Entscheidung ist auch nicht dem Richter vorbehalten; zuständig ist der Rechtspfleger, § 20 Nr. 17 RPflG. Ferner hat der Gerichtsvollzieher gemäß § 756 Abs. 1 ZPO bei einer Vollstreckung Zug um Zug dem Vollstreckungsschuldner die Leistung in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise anzubieten, sofern nicht nachgewiesen wird, dass dieser bereits befriedigt wurde oder sich längst schon in Annahmeverzug befindet. Auch hier ist der Sachverhalt vom Vollstreckungsorgan rechtlich zu würdigen. 2. Prüfung materiell-rechtlicher Fragen im Übrigen Von Fall zu Fall ist umstritten, ob das Vollstreckungsorgan materiell-rechtliche Fragen zu beurteilen hat.

D. Kein Widerspruch zwischen Verfahren und Verschuldensprinzip 

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a) Vorsätzliche, unerlaubte Handlung nach § 850f Abs. 2 ZPO § 850f Abs. 2 ZPO setzt voraus, dass die Zwangsvollstreckung wegen einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung betrieben wird; eine solche Forderung berechtigt zur privilegierten Pfändung. Nach einer Ansicht dürfe das Vollstreckungsgericht (der Rechtspfleger, § 20 Nr. 17 RpflG) selbst die vorsätzliche, unerlaubte Handlung prüfen, sofern der Titel keinen Hinweis auf den Charakter der Forderung enthalte.133 Nach anderer Ansicht habe das Vollstreckungsgericht eine solche Prüfkompetenz nicht. Der Titelgläubiger müsse vielmehr Feststellungsklage beim zuständigen Prozessgericht erheben, wenn im Titel keine oder nur eine vertragliche Anspruchsgrundlage genannt sei.134 Der BGH gibt im Hinblick darauf zu bedenken, dass das Vollstreckungsverfahren nicht kontradiktorisch ausgestaltet sei und deswegen eine geringere Richtigkeitsgewähr biete.135 Zudem würden die Grenzen zwischen Vollstreckungsverfahren und Erkenntnisverfahren verwischt.136 Die zweitgenannte Ansicht vermag nicht zu überzeugen. Bei § 850f Abs. 2 ZPO handelt es sich um eine Vorschrift, die den Vollstreckungsschutz modifiziert. Ob eine privilegierte Pfändung in Betracht kommt, hat das Vollstreckungsorgan selbständig zu prüfen. Es hat die Voraussetzungen dafür festzustellen; dass es anders wäre, geht aus dem Gesetz nicht hervor. Wenngleich der Rechtsausschuss (bei Einführung des § 850f Abs. 2 ZPO) der Ansicht war, dass sich das Vorliegen einer Forderung aus unerlaubter Handlung aus dem Titel ergeben müsse und das Vollstreckungsgericht eine materielle Prüfung des Titels nicht vornehmen könne137, fand doch ein solcher Gedanke in der Gesetzesfassung keinen Ausdruck, ebenso wenig, dass der Gläubiger im Zweifel auf einen weiteren Prozess, namentlich die Feststellungsklage zu verweisen wäre.138 Obwohl der Rechtspfleger selbst keine Beweise erheben kann139, ist er in der Lage, die ihm vorgelegten Beweise zu würdigen.140 Der Titel wird auch nicht in unzulässiger Weise ergänzt.141 Das Vollstreckungsgericht prüft lediglich, ob der dem Titel zugrunde liegende Sachverhalt dergestalt gewürdigt werden kann, dass sich ein Anspruch aus vorsätzlich unerlaubter Handlung daraus ergibt. Inhaltlich wird der Tenor nicht modifiziert. Ein Feststellungsurteil hat im Übrigen dieselbe Wirkung; beide Ent 133

OLG Celle JurBüro 1998, 272; LG Bonn, Rpfleger 1994, 264 f; LG Baden-Baden JurBüro 1995, 385 f.; Stöber, Forderungspfändung, Rz. 1193a; zur Feststellung des Vorsatzes: BLAH, § 850f Rz. 11. 134 BGH NJW 2005, 1663; NJW 2003, 515, 516; OLG Stuttgart MDR 2000, 1098; Dörndorfer, in: Dierck/Morvilius/Vollkommer. Kap. 5 Rz. 317; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850f Rz. 11; Brox/Walker, ZVR Rz. 579; Musielak/Becker, § 850f Rz. 10; vgl. MüKoZPO/Smid, § 850f Rz. 18 ff. 135 BGH NJW 2005, 1663; NJW 1990, 834, 835. 136 BGH NJW 2005, 1663. 137 BT-Drs. III/768, S. 2 – siehe bei BGH NJW 2003, 515, 516. 138 Siehe Stöber, Forderungspfändung, Rz. 1193a (siehe insb. 14. Aufl., Rz. 1193a). 139 OLG Zweibrücken JurBüro 2000, 267, 268. 140 Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rz. 1193a. 141 So aber OLG Stuttgart, MDR 2000, 1098.

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scheidungen sind nicht selbständig vollstreckbar, sondern erlauben allein die privilegierte Pfändung. Dass eine entsprechende Beurteilung durch das Vollstreckungsgericht weitreichendere Folgen hätte als das Feststellungsurteil, der Leistungstitel also in unzulässiger Weise ergänzt würde, ist nicht ersichtlich. Dass das Gesetz dem Vollstreckungsgericht die Sachkompetenz abspricht, ist ebenfalls nicht ersichtlich; aus dem Wortlaut des § 850f Abs. 2 ZPO geht nicht hervor, dass die Forderung gerichtlich verifiziert sein muss (siehe auch oben schon). Freilich handelt es sich hier um ein Beispiel, welches die These, dass auch Vollstreckungsorgane materielle Rechtsfragen zu prüfen haben, in Anbetracht der hier vertretenen Mindermeinung nur bedingt stützt. b) Kostenverrechnung nach § 367 BGB nach Teilvollstreckung Ein weiterer, streitiger Fall ist die Kostenverrechnung der Gläubiger nach § 367 BGB bei der Teilvollstreckungen. Nach § 367 Abs. 1 BGB werden Teilleistungen, die nicht zur Deckung der Gesamtforderung ausreichen, zunächst auf die Kosten, dann auf Zinsen und schließlich auf die Hauptforderung angerechnet. Beruft sich der Vollstreckungsgläubiger darauf, dass frühere Vollstreckungskosten von der Teilleistung abzuziehen seien – so z. B. die Kosten des Rechtsanwaltes, der während der Vollstreckung eine Stundungsvereinbarung mit dem Titelschuldner trifft – wird der Gläubiger bei insoweit geringerer Tilgung der Hauptforderung das Vollstreckungsorgan mit der Beitreibung einer im gleichen Maße höheren Restforderung beauftragen.142 Zum Teil wird vertreten, dass das Vollstreckungsorgan nicht zu prüfen habe, ob die Voraussetzungen des § 788 ZPO erfüllt sind. Ob es sich um notwendige Kosten im Sinne von § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO handelt, die gem. § 376 Abs. 1 BGB von der Teilleistung abzuziehen sind, bevor der restliche Teilbetrag auf die Hauptforderung angerechnet wird, sei ggf. mit einer Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) zu klären.143 Hierfür spricht, dass es um die Erfüllungswirkung geht, also um Einwendungen, die den Anspruch betreffen. Nach anderer Ansicht habe das Vollstreckungsorgan die Voraussetzungen des § 788 ZPO zu prüfen, denn der Schuldner sei nicht einer Zwangsmaßnahme auszusetzen, wenn sie den verfahrensrechtlichen Vorgaben nicht entspreche.144 Dem ist zu folgen; denn auch wenn der Gläubiger eine Verrechnung nach § 367 Abs. 1 BGB vornimmt, hat das keinen Einfluss auf die Erstattungsfähigkeit der Kosten.145 Wenn das Vollstreckungsorgan grundsätzlich nach Maßgabe des § 788 ZPO die Erstattungsfähigkeit zu prüfen und die Kosten dementsprechend zu vollstrecken hat, ändert sich 142

Vgl. den Beispielsfall bei Johannsen, DGVZ 1990, 51. LG Essen DGVZ 1992, 172; LG Oldenburg DGVZ 1980, 88, 89 m. w. N.; Stöber, Forderungspfändung, Rz. 464; vgl. außerdem OLG Brandenburg JurBüro 2007, 548 f. 144 Vgl. u. a. AG Nienburg DGVZ 2003, 95; Johannsen, DGVZ 1990, 51, 54; Noack, DGVZ 1976, 149, 152. 145 Johannsen, DGVZ 1990, 51, 54. 143

D. Kein Widerspruch zwischen Verfahren und Verschuldensprinzip 

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daran auch dann nichts, wenn der Gläubiger nach § 367 Abs. 1 BGB verrechnet. Anderenfalls könnte der Gläubiger durch „eigenmächtiges“ Handeln eine weitergehende Vollstreckung gegen den Schuldner erzwingen und diesen damit entgegen § 788 ZPO in Zugzwang setzen.146 Der Schuldner soll gem. dieser Vorschrift vor der Vollstreckung nicht notwendiger Kosten geschützt werden und nicht gezwungen sein, seinerseits Rechtsbehelfen (§ 767 ZPO) einzulegen. Nach alledem hat das zuständige Vollstreckungsorgan bei Beitreibung der Restforderung deren Höhen abhängig davon zu bestimmen, inwieweit die Kosten der bisherigen Zwangsvollstreckung entspr. § 788 ZPO in Ansatz zu bringen sind. Begehrt der Titelgläubiger die Vollstreckung eines höheren Restbetrags, weil er von der vorherigen Teilleistung auch solche Kosten abgezogen hat, die nicht notwendig waren, ist die Durchführung der Vollstreckung insoweit abzulehnen. Das Vollstreckungsorgan hat in diesem Zusammenhang nicht nur formelles Recht (vgl. § 788 ZPO) zu prüfen.147 Es muss sich vielmehr damit befassen, inwieweit die Hauptforderung erloschen ist abhängig vom Umfang der Tilgung nach Verrechnung gem. § 367 Abs. 1 BGB. Es hat mithin materiell-rechtliche Fragen zu klären. c) Hypothekenhaftungsverband, Prüfung der Zuständigkeit nach § 865 ZPO Es gibt aber nicht nur streitige, sondern auch eindeutige Fälle, in denen das Vollstreckungsorgan sich mit materiellem Recht zu befassen hat. So sind etwa im Rahmen des § 865 ZPO komplizierte materielle Rechtsfragen zu beantworten.148 Die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen umfasst nach § 865 Abs. 1 ZPO auch Gegenstände, die dem Hypothekenhaftungsverband angehören (§§ 1120, 1123 ff. BGB); gemäß § 865 Abs. 2 ZPO können diese Gegenstände, soweit sie Zubehör sind, nicht (isoliert) gepfändet werden und im Übrigen nur dann, solange keine Beschlagnahme im Wege der Immobiliarvollstreckung erfolgt ist. Der Gerichtsvollzieher hat bei der Vollstreckung in bewegliche Sachen demnach zu prüfen, ob die Sache, auf die er zugreifen will, dem Hypothekenhaftungsverband angehört (das betrifft neben dem Zubehör v. a. Erzeugnisse/Früchte, §§ 1120, 99 Abs. 1 BGB) und insbesondere, ob es sich um Zubehör nach § 97 BGB handelt. Er darf die Sachpfändung nach §§ 808 ff. ZPO dann durchführen, wenn es sich nicht um Zubehör handelt und, sofern die Sache dem Hypothekenhaftungsverband angehört, die Beschlagnahme im Wege der Immobiliarvollstreckung noch nicht erfolgt ist. Bewegliche Sachen, die nicht dem Hypothekenhaftungsverband angehören, sind durchweg nach Maßgabe der §§ 808 ff. ZPO pfändbar. Das Vollstreckungsgericht hat bei der Forderungsvollstreckung (§§ 828 ff. ZPO) u. a. zu prüfen, ob es sich um Miet- und Pachtforderungen für das Grundstück handelt (§§ 1223–1225 BGB). Diese gehören zum Hypothekenhaftungsverband und kön 146

Vgl. Johannsen, DGVZ 1990, 51, 54. So aber Noack, DGVZ 1976, 149, 152; Ähnlich auch AG Coesfeld DGVZ 2003, 29, 30. 148 Stamm, Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechtes, S. 60. 147

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§ 2 Verschulden

nen nur gepfändet werden, wenn noch keine Beschlagnahme erfolgt ist; solche Forderungen sind aber nur im Rahmen der Zwangsverwaltung von der Beschlagnahme umfasst (§§ 148 Abs. 1 S. 1, 21 Abs. 2 ZVG).149 d) Wesentliche Bestandteile, § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. §§ 94 f. BGB Der Gerichtsvollzieher hat außerdem im Rahmen des § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu prüfen, ob ein (wesentlicher) Bestandteil nach § 94 BGB bzw. ein Scheinbestandteil nach § 95 BGB vorliegt. Wohneinrichtungen (Wohnlauben u. a.), deren der Schuldner oder seine Familie zur ständigen Unterkunft bedarf, sind nach § 811 Abs. 1 Nr. 1 HS 2 ZPO nur dann unpfändbar, wenn sie der Vollstreckung in das bewegliche Vermögen unterliegen und nicht gem. § 865 Abs. 1 ZPO i. V. m. §§ 1147, 1120, 94 BGB der Immobiliarvollstreckung.150 Letzteres ist aber der Fall, wenn es sich bei den Wohneinrichtungen um Bestandteile des Grundstücks handelt (nicht so u. a. bei Wohnwagen151). Unterliegen die Wohneinrichtungen der Immobiliarvollstreckung, kann das Grundbuchamt auf Antrag eine Sicherungshypothek eintragen (§ 867 Abs. 1 S. 1, § 1 GBO) bzw. das Vollstreckungsgericht die Zwangsvollstreckung oder Zwangsverwaltung anordnen (§§ 1, 16, 146 Abs. 1 ZVG).

III. Ergebnis Es hat sich gezeigt, dass das Vollstreckungsrecht die strikte Trennung von formellem Recht einerseits und materiellem Recht andererseits nur grundsätzlich vorsieht.152 Die strikte Dichotomie kann nicht durchgehalten werden, da materielles Recht und Prozessrecht vielfach miteinander verwoben sind.153 Schon vor Längerem stellte der BGH fest, dass materiell-rechtliche Fragen der Entscheidung durch Vollstreckungsgerichte zugänglich seien, wenn dies für die Art und Weise oder auch für den Umfang der Zwangsvollstreckung notwendig ist.154 Für den Gerichtsvollzieher kann – nach seinen Möglichkeiten – nichts anderes gelten. Das ist vor allem auch sachgerecht, denn die organisatorische Trennung von Erkenntnisverfahren und Zwangsvollstreckung hat keinen Selbstzweck. Es geht vielmehr um die Berücksichtigung der Belange einzelner Verfahrensbeteiligter. Systematische Gründe zwingen also nicht dazu, dass Verschuldensprinzip in der Zwangsvoll­ streckung von vornherein zu negieren.

149

Hk-ZV/Noethen, § 865 Rz. 14. Schuscke/Walker/Walker, § 811 Rz. 21; vgl. Musielak//Becker, § 811 Rz. 12. 151 Schuscke/Walker/Walker, § 811 Rz. 21. 152 Krüger, NJW 1990, 1208; vgl. Hoffmann, NJW 1973, 1111, 1112. 153 Hager, KTS 1991, 1, 12. 154 BGH NJW 1962, 109, 110; der Sache nach auch Werner, DGVZ 1986, 49, 52. 150

E. Verschulden im Prozessrecht und Verschuldensmaßstab

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E. Verschulden im Prozessrecht und Verschuldensmaßstab In einigen Fällen sieht das Zivilprozessrecht ausdrücklich Verschulden auf Tatbestandsebene vor. Fraglich ist, ob der Verschuldensmaßstab von vornherein, soweit Verschulden in der Zwangsvollstreckung in Betracht kommt, auf eine bestimmte Schuldform beschränkt ist. Ob und inwieweit prozessuale Besonderheiten zu berücksichtigen sind, ist zu klären. Dazu soll ein Blick auf einige verfahrensrechtliche Normen, insbesondere auf den dort geltenden Verschuldensmaßstab geworfen werden. Auch von Interesse sind dabei Vorschriften außerhalb des Zwangsvollstreckungsrechtes, weil gerade fraglich ist, ob allgemeine prozessuale Grundsätze gelten.

I. Verschulden im Verfahrensrecht außerhalb der Zwangsvollstreckung, Beispiele Dass im Prozessrecht Verschulden relevant ist bei Anwendung der §§ 233, 582 ZPO, wurde bereits erwähnt.155 Die Wiedereinsetzung nach § 233 ZPO setzt voraus, dass eine Partei ohne Verschulden gehindert war, eine der in § 233 ZPO genannten Fristen einzuhalten.156 Sowohl vorsätzliches als auch fahrlässiges Handeln schließt die Wiedereinsetzung aus; selbst leichtes prozessuales Verschulden genügt.157 Nach § 582 ZPO kommt eine Restitutionsklage nur dann in Betracht, wenn die betroffene Partei im früheren Verfahren, insbesondere bei Einlegung von Rechtsmitteln unverschuldet außerstande war, die Restitutionsgründe geltend zu machen. Das ist zu verneinen bei Kenntnis und fahrlässiger Unkenntnis der Restitutionsgründe.158 Verschulden umfasst Vorsatz und Fahrlässigkeit.

II. Verschulden in der Zwangsvollstreckung, Beispiele Auch § 765a Abs. 3 ZPO wurde im Zusammenhang mit dem Verschuldensprinzip oben bereits genannt.159 Der Schutzantrag in Räumungssachen nach § 765a Abs. 1 ZPO ist trotz Verfristung nach Abs. 3 zulässig, wenn der Vollstreckungsschuldner ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Antragstellung gehindert 155

§ 2 B. III. 2. a) bb) (1). Die Wiedereinsetzung wurde bewusst an das fehlende Verschulden geknüpft, um sie zu erleichtern, nachdem noch gem. § 233 ZPO a. F. Wiedereinsetzung nur bei unabwendbarem Zufall in Betracht kam. BT-Drs. 7/5250, S. 7; StJ/Roth, § 233 Rz. 21; vgl. BGH FamRZ 1992, 794. 157 MüKoZPO/Gehrlein, § 233 Rz. 21; Musielak/Grandel, § 233 Rz. 3; BLAH, § 233 Rz. 13; StJ/Roth, § 233 Rz. 21; BGH NJW 1990, 1239, 1240. 158 Musielak/Musielak, § 582 Rz. 3; Zöller/Greger, § 582 Rz. 4, 5. 159 § 2 B. III. 2. a) bb) (3). 156

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war, d. h., wenn ein Grund vorliegt, nach dem die Wiedereinsetzung gemäß § 233 ZPO in Betracht käme.160 Es gilt der gleiche Verschuldensmaßstab. Der Vollstreckungsschuldner hatte nach § 807 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (a. F.) seine Vermögensverhältnisse offenzulegen, wenn er wiederholt nicht angetroffen wurde und deswegen der Vollstreckungsversuch ins Leere ging, es sei denn, er konnte die Abwesenheit genügend entschuldigen. Ein Verschulden in diesem Sinne traf ihn nicht im Falle von unabwendbaren Ereignissen.161 Es umfasste daher sowohl vorsätzliches als auch fahrlässiges Handeln. Ein Haftbefehl kann gegen den Vollstreckungsschuldner nach § 802g ZPO (n. F., siehe § 901 ZPO [a. F.]) erlassen werden, wenn er im Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht erscheint. Erforderlich ist schuldhaftes Verhalten; es gelten die Grundsätze des § 337 ZPO162, damit auch der Verschuldensmaßstab nach § 233 ZPO.163

III. Verschuldensmaßstab 1. Allgemeines zum Verschuldensmaßstab Soweit die Verfahrensordnung Verschulden voraussetzt, geht es hierbei weitestgehend um „Verspätungsrecht“. Was den Verschuldensmaßstab betrifft, gelten im Wesentlichen keine verfahrensrechtlichen Besonderheiten. Anknüpfungspunkt ist in der Regel § 233 ZPO. Nach ganz h. M. findet § 276 BGB zur näheren Bestimmung des Verschuldensbegriffes des § 233 ZPO entsprechend Anwendung164; mit Verschulden ist demnach Vorsatz und Fahrlässigkeit gemeint.165 Vorsatz umfasst Absicht, einfachen sowie bedingten Vorsatz. Fahrlässigkeit setzt ein sorgfaltswidriges Verhalten voraus (vgl. § 276 Abs. 2 BGB); es ist ein objektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen.166 Zu beachten ist die allgemeine prozessuale Sorgfalt.167

160

Musielak/Lackmann, § 765a Rz. 20. U. a. Hk-ZV/Sternal, 1. Aufl. 2010, § 807 Rz. 12. 162 Vgl. Hk-ZPO/Rathmann, § 802g Rz. 4; MüKoZPO/Eickmann, § 901 Rz. 7; Musielak/Voit, § 802g Rz. 2. 163 MüKoZPO/Prütting, § 337 Rz. 4. 164 OLG Rostock NJOZ 2005, 3697, 3699; LAG RhlPf, Urt. v. 22.08.2007, Az. 7 Sa 365/07, juris, insb. OS 2 und Rz. 48; Hk-ZPO/Saenger, § 233 Rz. 11; Roth, NJW 2008, 785, 788; ThP/ Hüßtege, § 233 Rz. 12, 13; Zöller/Greger, § 233 Rz. 12; vgl. ferner BLAH, § 233 Rz. 13. 165 BLAH, § 233 Rz. 13; Hk-ZPO/Saenger, § 233 Rz. 11; Roth, NJW 2008, 785, 788; ThP/ Hüßtege, § 233 Rz. 12, 13. 166 OLG Rostock NJOZ 2005, 3697, 3699; LAG RhlPf, Urt. v. 22.08.2007, Az. 7 Sa 365/07, juris, insb. OS 2 und Rz. 48; Hk-ZPO/Saenger, § 233 Rz. 12; Zöller/Greger, § 233 Rz. 12; a. A. (individualisierend) Musielak/Grandel, § 233 Rz. 4. 167 Siehe dazu Musielak/Grandel, § 233 Rz. 4, der aber im Übrigen den Grad der Sorgfalt individuell anpassen will. 161

E. Verschulden im Prozessrecht und Verschuldensmaßstab

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Maßgeblich ist, wie sich ein ordentlicher Verfahrensbeteiligter unter den gegeben Umständen verhalten würde.168 Der Verschuldensmaßstab ist also nicht von vornherein wegen prozessualer Besonderheiten beschränkt. Das gilt ungeachtet der Unterscheidung von Rechtspflichten einerseits und Obliegenheiten andererseits. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 277 BGB. Danach hat zwar derjenige, der nur für die eigen­übliche Sorgfalt einzustehen hat, zumindest grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Insoweit ist eine Modifikation des Verschuldensmaßstabes bei Obliegenheiten, die gerade dem Schutz der Eigeninteressen dienen, zu erwägen. Erstens findet sich aber im Prozessrecht keine Vorschrift, nach welcher der Handelnde im Hinblick auf seine Obliegenheiten allein für die eigenverantwortliche Sorgfalt einzutreten hat (vgl. §§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, 357 Abs. 1 S. 1, 690, 708, 1359, 1664 Abs. 1, 2131 BGB; § 4 LPartG).169 Auch sind die Prozessbeteiligten, für die sich der Vorteil des Handelnden (Wiedereinsetzung u. a.) als Nachteil darstellt, im Falle einfacher Fahrlässigkeit in gleichem Maße schutzwürdig. Zweitens zeigt sich insbesondere an § 233 ZPO, dass im Falle prozessualer Obliegenheiten170 der Verschuldensmaßstab nicht modifiziert sein muss. § 276 BGB findet Anwendung. Drittens geht aus § 277 BGB ohnehin keine generelle Beschränkung des Vertreten­müssens auf grobe Fahrlässigkeit hervor. Ließe etwa der Handelnde in eigenen Angelegenheiten außergewöhnliche Sorgfalt walten, dann würde der Standard des § 276 Abs. 2 BGB gelten.171 2. Zur Wahrheitspflicht Eine Besonderheit gilt bei der Wahrheitspflicht. Gemäß der ganz h. M. ist die Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO als Pflicht zur „subjektiven Wahr­ haftigkeit“ auszulegen; verboten sind wissentliche Falschaussagen (die bewusste Lüge).172 Deshalb ist der Verschuldensmaßstab bei Verstößen gegen die Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO modifiziert. Der Sache nach kommt nur ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Wahrheitspflicht in Betracht. Der modifizierte Verschuldensmaßstab bei der Wahrheitspflicht ergibt sich auch aus dem prozessualen „Recht auf Irrtum“.173 Von einem solchen Recht ist grund 168 BVerfG NJW 1995, 1416, 1417; OLG Rostock NJOZ 2005, 3697, 3699; LAG RhlPf, Urt. v. 22.08.2007, Az. 7 Sa 365/07, juris, insb. OS 2 und Rz. 48; Hk-ZPO/Saenger, § 233 Rz. 12; Zöller/Greger, § 233 Rz. 12. 169 Palandt/Grüneberg, § 277 Rz. 2. 170 Hier zur rechtzeitigen Geltendmachung der Rechte. 171 Palandt/Grüneberg, § 277 Rz. 3. 172 MüKoZPO/Wagner, § 138 Rz. 2, 3; Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 65 Rz. 63; StJ/Leipold, § 138 Rz. 4; Witte, GRUR 1960, 419; Zöller/Greger, § 138 Rz. 2; siehe auch Lange, NJW 1990, 3233, 3234. 173 BVerfG NJW 1987, 1929 f.; BGH NJW 2004, 446, 447; NJW 2003, 1934, 1935; NJW 1985, 1959, 1961 mit Verweis auf BGH NJW 1979, 1351 (dort insbesondere 1352 f.); Lange, WuB IV A. – § 826 BGB – 1.03; MüKoBGB/Wagner, § 823 Rz. 605/§ 826 Rz. 191; Staudinger/

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§ 2 Verschulden

sätzlich deshalb auszugehen, weil es demjenigen erlaubt sein muss, ein staatliches, gesetzlich eingerichtetes und geregeltes Verfahren einzuleiten bzw. zu betreiben, der bei sorgfaltsgemäßem Verhalten Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Begehrens haben müsste; anderenfalls wäre der Rechtsweg bzw. das Verfahren in Anbetracht des hohen Haftungsrisikos in unzumutbarer Weise beschränkt.174 Nur wer das Verfahren vorsätzlich einleitet oder betreibt (auch bedingter Vorsatz genügt, nach e.A. sogar leichtfertiges Handeln175) haftet nach den deliktsrechtlichen Vorschriften auf Schadenersatz. Eben deshalb kann auf haftungsrechtlichem Wege von vornherein nur nach § 826 BGB die Rechtskraft durchbrochen werden; denn die Vorschrift setzt vorsätzliches Handeln voraus.

F. Zurechnung des Verschuldens Dritter Fraglich ist, ob von vornherein die Verantwortlichkeit für Drittverschulden nach verfahrensrechtlichen Maßstäben eingeschränkt ist.

I. Zurechnung von Drittverschulden nach §§ 51 Abs. 2, 85 Abs. 2 ZPO Nach § 51 Abs. 2 ZPO steht das Verschulden des gesetzlichen Vertreters der Partei gleich. Nach § 85 Abs. 2 ZPO wird der Partei das Verschulden des Prozessvertreters zugerechnet; darüber hinaus auch das Verschulden eines Nichtanwalts, dem es die Partei überlassen hat, einen Rechtsanwalt zu bevollmächtigen.176 Die Vorschriften gelten in jeder Verfahrensart177 im Rahmen der Prozessführung.178 Dass der Anwendungsbereich nur das kontradiktorische Erkenntnisverfahren und nicht die Zwangsvollstreckung umfasst, dafür spricht zwar der Wortlaut. Während in den §§ 51 Abs. 2, 85 Abs. 2 ZPO von „Parteien“ die Rede ist, spricht das GeOechsler (2009), § 826 Rz. 545, 547; kritisch: Hk-ZV/Haertlein, Schwerpunktbeiträge/9. Haftung wegen unberechtigter Zwangsvollstreckung – Rz. 10, 11. 174 So bereits BGH NJW 1979, 1351, 1352; ferner BGH NJW 2003, 1934, 1935. 175 MüKoBGB/Wagner, § 823 Rz. 605, 608, der Leichtfertigkeit offenbar im Sinne grober Fahrlässigkeit versteht; siehe aber die Rechtsprechung zu § 826 BGB, nämlich BGH VersR 2011, 750, 752 (Rz. 39); NJW 2008, 2245, 2249 u. a., ferner aus der Lit. NK-BGB/Katzenmeier, § 826 Rz. 7; BeckOK-BGB/Spindler, § 826 Rz. 10, die jeweils ein leichtfertiges Verhalten, anders ausgedrückt: das bewusste Sich-Verschließen vor Erkenntnis, zum bedingten Vorsatz hin verrücken, bedingten Vorsatz jedenfalls dann annehmen, wenn nur der Handelnde die Leichtfertigkeit erkennt (oder erkannt haben muss). 176 BGH NJW-RR 2001, 427, 428; NJW-RR 1995,825 m. w. N. 177 BGH NJW-RR 1993, 130 f. (für § 52 Abs. 2 ZPO); BLAH, § 51 Rz. 26 (vgl. auch § 85 Rz. 10 f.); Hk-ZPO/Bendtsen, § 51 Rz. 27, § 85 Rz. 11 f.; MüKoZPO/Touissant, § 85 Rz. 17 (klarer noch MüKoZPO/v. Mettenheim, Bd. 1, 3. Aufl. 2008, § 85 Rz. 11); Musielak/Weth, § 51 Rz. 13, § 85 Rz. 9; ThP/Hüßtege, § 51 Rz. 18, § 85 Rz. 7. 178 Zöller/Vollkommer, § 51 Rz. 19.

F. Zurechnung des Verschuldens Dritter

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setz in der Zwangsvollstreckung von Beteiligten (§§ 794 Abs. 2, 827 Abs. 1 und 2, 850b Abs. 3, 850e Nr. 4 S. 2, 854 Abs. 2, 872, 873, 875 Abs. 1, 876 S. 2, 3, 878 Abs. 1 S. 1, 879 Abs. 2 ZPO). Jedoch haben die §§ 51 Abs. 2, 85 Abs. 2 ZPO zum Zweck, dass „das Prozessrisiko nicht zulasten des Gegners einer (der) … vertretenen Partei“ verschoben wird.179 Dabei handelt es sich um einen allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatz. Auch das Vollstreckungsrisiko soll nicht zum Vorteil eines im Verfahren vertretenen Beteiligten auf einen anderen Beteiligten abgewälzt werden können. Anderenfalls könnte etwa derjenige, der sich in Sachen des Räumungsschutzes nach § 765a ZPO vertreten lässt und dessen Prozessvertreter die 2-Wochen-Frist des § 765a Abs. 3 ZPO versäumt, sich gem. § 765a Abs. 3 ZPO nach wie vor auf eine sittenwidrige Härte berufen, soweit ihn selbst kein Verschulden trifft. Das Vollstreckungsrisiko hätte in diesem Fall der Vollstreckungsgläubiger zu tragen. Das ist grundsätzlich nicht gewollt180; denn das Gesetz macht die Zulässigkeit des Schutzantrages von der Einhaltung der Frist abhängig181; dabei gelten die Grundsätze des § 233 ZPO entsprechend182 (wo die §§ 51 Abs. 2, 85 Abs. 2 ZPO unstreitig Anwendung finden). Zumal die §§ 52 Abs. 2, 85 Abs. 2 ZPO überall dort gelten, wo es in der ZPO auf Verschulden der Partei bzw. des Beteiligten ankommt,183 ist nicht ersichtlich, warum es in der Zwangsvollstreckung, soweit Verschulden von Belang ist, anders sein sollte. Schließlich sind die §§ 51 und 85 ZPO Teil des 1. Buches der Zivilprozessordnung; es handelt sich um allgemeine Verfahrensvorschriften. Die allgemeine Geltung wird durch die Entstehungsgeschichte untermauert. Ursprünglich war die Zurechnung des Vertreterverschuldens in § 232 Abs. 2 ZPO a. F. geregelt; bei schuldhaftem Verhalten des Vertreters schied die Wiedereinsetzung aus. Die Vorschrift wurde eingeführt, weil in einigen Prozessordnungen vor Inkrafttreten der ZPO die Nachlässigkeit des Vertreters einen „Restitutionsgrund“ darstellte, was häufig zu Missbrauch führte.184 Man gelangte zur Überzeugung, dass das Handeln des Vertreters als solches der Partei gelte und Vertreter und Partei eine solidarische Ein 179

Zu § 51 Abs. 2 ZPO siehe BGH NJW-RR 1993, 130, 131; Zöller/Vollkommer, § 51 Rz. 18; ThP/Hüßtege, § 51 Rz. 18; zu § 85 ZPO siehe BGH NJW 1976, 1216, 1217; Hk-ZPO/Bendtsen, § 85 Rz. 1. 180 Nur in Ausnahmefällen wird Vollstreckungsschutz in Räumungssachen nach § 765a ZPO trotz verfristetem Antrag gewährt, ohne dass die Voraussetzungen des Abs. 3 erfüllt sind (Säumnis ohne Verschulden, nachträglich eintretende Umstände), nämlich dann, wenn schwerwiegende Grundrechtseingriffe drohen (Gesundheitsgefährdung u. a.). In diesem Fall geht es aber genaugenommen nicht darum, dass fremdes Verschulden nicht zugerechnet werden darf. Auf Verschulden kommt es vielmehr aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht an; dazu: HkZPO/Kindl, § 765a Rz. 10; Hk-ZV/Bendtsen, § 765a Rz. 66; Münzberg, FS Lüke 1997, 525, 541, Musielak/Lackmann, § 765a Rz. 20; StJ/Münzberg, § 765a Rz. 25. 181 Zur Vermeidung nutzloser Aufwendungen im Hinblick auf den Räumungstermin: Schuschke/ Walker/Walker, § 765a Rz. 30. 182 Vgl. Musielak/Lackmann, § 765a Rz. 20. 183 StJ/Bork, § 85 Rz. 9. 184 Hahn/Mugdan (1898), S. 245 zu § 203 Abs. 2 Entwurf/§ 210 Abs. 2 d. Civilprozess­ ordnung v. 30. Jan. 1877.

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§ 2 Verschulden

heit bilden.185 Diesen Grundsatz sah man bei Änderung der ZPO Mitte der 70er Jahre des 20. Jhd. in § 232 Abs. 2 ZPO a. F. als unvollkommen geregelt an, so dass § 85 Abs. 2 ZPO und § 51 Abs. 2 ZPO geschaffen wurden.186 Neben der Tendenz zur Verallgemeinerung sind zudem keine Gründe ersichtlich, weshalb die Handlungseinheit zwischen Vertreter und Vertretenem bei Übergang ins Zwangsvollstreckungsverfahren anders als im vorangegangenen Rechtsstreit zu beurteilen sein sollte. Missbrauch muss auch im Bereich der Zwangsvollstreckung vermieden werden.

II. Zurechnung von Drittverschulden nach § 278 BGB Da die §§ 51, 85 ZPO die Prozessführung (formellen Verfahrensabläufe) betreffen, ergeben sich daraus auch allein verfahrensrechtliche Konsequenzen, so dass die Absätze 2 dort keine Anwendung finden, wo das schuldhafte Verhalten materiell-rechtliche Wirkung entfaltet.187 Zu Recht weist Hartmann188 darauf hin, dass jedenfalls ein Prozessrechtsverhältnis vorliegen muss, was etwa dann nicht der Fall ist, wenn die materielle Ausschluss-Frist nach § 4 KSchG (vgl. § 7 KSchG) versäumt wird.189 Weil die §§ 51, 85 ZPO nur die Prozessführung betreffen und daher zum Einen das Verschulden keine materiell-rechtlichen Rechtsfolgen begründet und die Vorschriften zum Anderen ohnehin nur auf vertikaler Ebene gelten (etwa dann, wenn Anträge gestellt werden [z. B. nach § 233 ZPO]), finden sie keine Anwendung, soweit es sich zwar um Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechtes, jedoch nach der hier vertretenen Ansicht um solche (quasi-)privat-rechtlicher Art handelt. Für diese – wie etwa für § 842 ZPO – ist auf § 278 BGB abzustellen.190 Das horizontale Vollstreckungsverhältnis stellt als „gesetzliche Sonderbeziehung privatrechtlicher Art“ ein Schuldverhältnis im Sinne des § 278 BGB dar, aus dem sich prozessuale/vollstreckungsrechtliche Pflichten ergeben. § 278 BGB findet, soweit auf Tatbestandsebene Verschulden im horizontalen Vollstreckungsverhältnis maßgeblich ist, generell Anwendung, mithin auch bei Vorschriften gemischtrechtlicher Art. 

185

Hahn/Mugdan (1898), S. 245 zu § 203 Abs. 2 Entwurf/§ 210 Abs. 2 d. Civilprozessordnung v. 30. Jan. 1877. 186 BT-Drs. 7/5250, S. 6 (Vereinfachungsnovelle). 187 Str., wie hier: Hk-ZPO/Bendtsen, § 85 Rz. 13; Musielak/Weth, § 85 Rz. 10, vgl. auch BLAH, § 85 Rz. 10; a. A.: MüKoZPO/Touissant, § 85 Rz. 17. 188 BLAH, § 85 Rz. 10. 189 Str., vgl. u. a. MüKoZPO/Touissant, § 85 Rz. 17 m. w. N.; mit ausführlichen Nachweisen aus Rspr. und Lit. zudem MüKoZPO/v. Mettenheim, Bd. 1, 3. Aufl. 2008, § 85 Rz. 14. 190 Siehe z. B. Hk-ZPO/Kemper, § 842 Rz. 3; ThP/Seiler, § 842 Rz. 1.

F. Zurechnung des Verschuldens Dritter

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III. Ergebnis/Ausnahmen Das Verschulden Dritter wird grundsätzlich nach Maßgabe der §§ 51 Abs. 2, 85 Abs. 2 ZPO oder des § 278 BGB zugerechnet. Bei juristischen Personen gilt § 31 BGB. Ausschließlich auf persönliches Verschulden kommt es dagegen in begründeten Ausnahmefällen an. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein Ordnungsmittel nach § 890 ZPO verhängt werden soll191; denn § 890 ZPO hat einen auchstrafrechtsähnlichen Charakter, so dass insoweit angesichts des dort geltenden Verschuldensbegriffs (gemischter Art) die strafrechtlichen Grundsätze gelten.192 Ferner kann z. B. ein Haftbefehl nach § 802g ZPO (n. F., § 901 ZPO [a. F.]) nur erlassen werden, wenn der Vollstreckungsschuldner ohne eigenes Verschulden daran gehindert war, zum Termin zwecks Abgabe der Vermögensauskunft bzw. der eidesstattlichen Versicherung zu erscheinen193; denn die Pflicht zum Erscheinen trifft den Vollstreckungsschuldner, wie auch die Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft bzw. der eidesstattlichen Versicherung, in Person.194

191 BVerfG NJW 1967, 195, 196; (vgl. auch BVerfG NJW-RR 2007, 860, 861); BGH NJW 1992, 749, 750; OLG Thüringen InVo 2002, 68 f. (keine Anwendbarkeit des § 85 Abs. 2 ZPO); OLG Schleswig, Beschl. v. 28.09.2000, Az. 6 W 22/00, juris, (keine Anwendbarkeit des § 278 BGB, siehe Rz. 3); MüKoZPO/Gruber, § 890 Rz. 21 f.; Zöller/Stöber, § 890 Rz. 5. 192 Statt vieler: BVerfG NJW 1967, 195, 196; dazu auch unter § 4 F. III. 2. 193 „ohne eigenes Verschulden“: LG Koblenz DGVZ 2009, 113, 114; DGVZ 2008, 105; mit der weniger aussagekräftigen Formulierung „ohne sein Verschulden“: BVerfG NJW 1978, 2023, 2024; KG OLGZ 1993, 358, 359; OLG Hamm MDR 1975, 939 (OS); LG NürnbergFürth DGVZ 2006, 74; LG Wuppertal DGVZ 2006, 113, 114; MüKoZPO/Eickmann, § 901 Rz. 7; Musielak/Voit, § 802g Rz. 2; Zöller/Stöber, § 901 Rz. 4. 194 Vgl. § 802f Abs. 3, 4 S. 1 ZPO und § 900 Abs. 1 S. 2, 3 ZPO a. F. (der Vollstreckungsschuldner ist persönlich zu laden); siehe auch ThP/Seiler, § 802c Rz. 7, 31 (zudem ThP/Seiler, 33. Aufl. 2012, § 900 Rz. 3); ferner: Hk-ZPO/Rathmann, § 802c Rz. 7, 23 und § 802f Rz. 7 (zudem Hk-ZPO/Rathmann, 4. Aufl. 2011, § 900 Rz. 6); Zöller/Stöber, § 900 Rz. 8. Nur dann, wenn der Vollstreckungsschuldner prozessunfähig ist, hat der gesetzliche Vertreter die eidesstattliche Versicherung an dessen Stelle abzugeben (dazu u. a. Schuschke/Walker/Schuschke, § 900 Rz. 16). Dann hat aber der gesetzliche Vertreter seinerseits persönlich zu erscheinen und der Haftbefehl kann nur dann erlassen werden, wenn er aus eigenem Verschulden dem Termin fernbleibt.

§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz Fraglich ist, ob und wie sich im Vollstreckungsschutz ein Verschulden des Schuldners, ggf. auch des Gläubigers auswirkt. Dazu soll ein Blick auf die entsprechenden Vorschriften (in der gesetzlichen Reihenfolge) geworfen werden.

A. §§ 707, 719 ZPO – Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung § 707 ZPO betrifft die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bei Antrag auf Wiedereinsetzung (§ 233 ZPO) oder Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 578 ff. ZPO), bei Gehörsrüge (§ 321a ZPO) oder Fortsetzung des Rechtsstreits nach Verkündung des Vorbehaltsurteils (§§ 302 Abs. 4 S. 2, 600 Abs. 2 ZPO). § 719 ZPO, der in Abs. 1 S. 1 auf § 707 ZPO verweist, betrifft die einstweilige Einstellung bei Einlegung von Rechtsmitteln und Einspruch. Zuständig ist jeweils das mit der Hauptsache befasste (Instanz-)Gericht.1 Dieses entscheidet über die einstweilige Einstellung auf Antrag. Voraussetzung für die Einstellung sowohl nach § 707 ZPO als auch nach § 719 ZPO (wegen des Verweises) ist eine Interessen­ abwägung zugunsten des Schuldners. Dabei sind die Erfolgsaussichten der (Sonder-)Rechtsbehelfe bzw. Rechtsmittel zu prüfen2, darüber hinaus die wirtschaft­ lichen Auswirkungen einer Einstellung.3

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Vgl. nur MüKoZPO/Götz, § 707 Rz. 7; Musielak/Lackmann, § 707 Rz. 4; Zöller/Herget, § 707 Rz. 6; siehe im Übrigen den Wortlaut des § 719 ZPO. 2 Zu § 707 ZPO: BLAH, § 707 Rz. 5, 6; MüKoZPO/Götz, § 707 Rz. 12; Musielak/Lackmann, § 707 Rz. 6, 7; Schuschke/Walker/Schuschke, § 707 Rz. 8; Stackmann, JuS 2006, 980, 981; StJ/Münzberg, § 707 Rz. 6; Zöller/Herget, § 707 Rz. 9, § 719 Rz. 5; Zu den Rechtsmitteln − § 719 ZPO: BGH NJW-RR 2002, 1090; KG NJW-RR 2008, 1021, 1022; OLG Rostock NJOZ 2006, 2053; KG NJOZ 2002, 194, 195; OLG Saarbrücken MDR 1997, 1157; OLG Bamberg NJW-RR 1989, 576; OLG Köln NJW-RR 1987, 189; OLG Frankfurt NJW 1976, 2137, 2138; siehe auch LAG Frankfurt NZA 1992, 427, 428. 3 MüKoZPO/Götz, § 707 Rz. 13; Musielak/Lackmann, § 707 Rz. 7; Schuschke/Walker/ Schuschke, § 707 Rz. 8; Zöller/Herget, § 707 Rz. 10; OLG Rostock NJOZ 2006, 2053; OLG Köln NJW-RR 1987, 189, 190; ausdrücklich: OLG Frankfurt NJW 1976, 2137, 2138.

A. §§ 707, 719 ZPO – Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung 

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I. Verschulden bei der summarischen Prüfung der Rechtsbehelfe Verschulden kann eine Rolle spielen bei der summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten. Für die (Sonder-)Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel kommt es häufig darauf an, dass das Verfahren nicht schuldhaft verzögert wurde: So erfordert beispielsweise die Wiedereinsetzung nach § 233 ZPO, dass die Partei unverschuldet an der Fristwahrung gehindert war. Die Wiederaufnahme durch Restitutionsklage nach § 580 ZPO ist gem. § 582 ZPO nur dann zulässig, wenn die Partei unverschuldet außerstande war, den Restitutionsgrund im früheren Verfahren geltend zu machen. Das gilt sinngemäß auch für die Wiederaufnahme durch Nichtigkeitsklage (§ 579 ZPO). Diese kommt gem. § 579 Abs. 2 ZPO nur in Betracht, wenn die Partei den Nichtigkeitsgrund nicht schon früher geltend machen konnte, sie an der Verzögerung kein Verschulden trifft.4 Die Berufung hat aufgrund eines „neuen“ Angriffs- bzw. Verteidigungsmittels Aussicht auf Erfolg, wenn dieses nach § 531 Abs. 2 ZPO zugelassen wird. Für die Zulassung darf die Partei gem. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht schuldhaft versäumt haben, das Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel im früheren Verfahren geltend zu machen. Dabei gilt der Maßstab des § 276 BGB; einfache Fahrlässigkeit genügt.5 Damit sind verschiedene prozessuale Obliegenheiten desselben Typs benannt6, die bei schuldhafter Verletzung dazu führen, dass der (Sonder-)Rechtsbehelf bzw. das Rechtsmittel bereits aus verfahrensrechtlicher Sicht keine Aussicht auf Erfolg haben kann. Auch eine Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt deshalb nicht in Betracht. Auf diese Weise wird die Durchführung der Zwangsvollstreckung vom allgemeinen Verfahrensrecht beeinflusst. Dadurch, dass es maßgeblich auf die Erfolgsaussichten ankommt, wird dem nicht allzu seltenen Fall Rechnung getragen, dass böswillige und zahlungsun­ willige Schuldner die Einstellung allein der Verfahrensverzögerung wegen beantragen.7

II. Verschulden bei der Interessengewichtung Fraglich ist, ob Verschulden für die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 707, 719 ZPO auch bei der Interessengewichtung eine Rolle spielt, nämlich bei Abwägung der wirtschaftlichen Auswirkungen. Nicht ausgeschlossen ist, dass der Schuldner die wirtschaftlichen Konsequenzen der Zwangsvollstreckung wenigstens „mitverursacht“ hat, ebenso, wie der Gläubiger die wirtschaftlichen Kon­ sequenzen der Einstellung „mitverursacht“ haben kann. 4

MüKoZPO/Braun, § 579 Rz. 6; Zöller/Greger, § 579 Rz. 11. BT-Drs. 14/4722, S. 102. 6 Es handelt sich jeweils um typisches Verspätungsrecht. 7 Zur böswilligen Verzögerung: Schneider, MDR 1973, 356, 357; StJ/Münzberg, § 707 Rz. 8. 5

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

Das könnte z. B. der Fall sein, wenn Gläubiger oder Schuldner verschwenderisch leben und deshalb dem einen oder anderen ein Liquiditätsengpass droht, je nachdem, ob eingestellt wird oder nicht. Das würde voraussetzen, dass die jeweilige Person verpflichtet ist, sparsam mit den eigenen Vermögenswerten umzu­ gehen. Den Gläubiger kann eine solche Pflicht von vornherein nicht treffen. Er darf vielmehr darauf vertrauen, neue Vermögenswerte mit Hilfe des Titels zu realisieren. Er ist hinsichtlich seiner eigenen finanziellen Solidität dem Schuldner gegenüber nicht verantwortlich und daher auch nicht gebunden. Es könnte sich allenfalls um eine Obliegenheit des Gläubigers handeln. Aber auch das würde zu weit gehen; aus § 242 BGB kann nicht die Regel hergeleitet werden, dass der Gläubiger nur dann vollstrecken darf, wenn er selbst sparsam und bescheiden lebt. Allenfalls in den Grenzen des Rechtsmissbrauchs kann es dem Gläubiger verwehrt sein, sich auf die wirtschaftlichen Folgen der einstweiligen Einstellung zu berufen, etwa dann, wenn er vorsätzlich die eigene Vermögenslosigkeit herbeigeführt hat. Das zeigt aber schon, das solche Fälle praktisch kaum relevant sind. Beim Schuldner ist die Situation eine andere. Er muss damit rechnen, aufgrund des Titels in Anspruch genommen zu werden. Ob er deshalb gläubigerfreundlich und zur Sicherung seiner eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse sorgsam mit seinem Vermögen umgehen muss, ist fraglich.8 Eine allgemeine Mitwirkungspflicht dahingehend, an der Vollstreckung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zugunsten des Vollstreckungsgläubigers mitzuwirken, gibt es nicht.9 Anderenfalls wäre die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit des Schuldners, der möglicherweise auch Ansprüche anderer Gläubiger zu bedienen hat, in nicht gerechtfertigter Weise eingeschränkt. Der Schuldner darf aber zweckgebundene Mittel nicht zweckwidrig verwenden, frei zur Verfügung stehende Mittel nicht ohne Grund verschwenden oder es unterlassen, andere Einnahmequellen auszuschöpfen.10 Insoweit kann dem Schuldner auch ein der Verschuldung angemessener Lebensstil abverlangt werden.11 Es spricht also einiges dafür, dass er sich bei einem schuldhaften Verstoß gegen diese prozessuale Rechtspflicht nicht auf die wirtschaft­ lichen Folgen der Zwangsvollstreckung berufen darf. Das alles kann aber dahinstehen, wenn im Rahmen der Interessengewichtung die wirtschaftlichen Folgen der Zwangsvollstreckung für den Schuldner ohnehin irrelevant sind. Die Rechtsprechung stellt darauf ab, dass typische Folgen der Zwangsvollstreckung nicht zu berücksichtigen sind, weil anderenfalls die Einstellung nach § 707 ZPO ent­ gegen der gesetzlichen Konzeption immer geboten wäre.12 Dass die Zwangsvollstreckung die Vermögenslage beeinträchtigt, ist der Sache eigen. Der Schuldner 8 So Grund, NJW 1956, 126, 128; Kleybolte, NJW 1954, 1097 spricht von einer sittlichen Pflicht zur Erfüllung der Schuld. 9 Siehe § 3 D. I. 1. a) cc). 10 Siehe § 3 D. I. 1. a) cc) m. w. N. 11 Siehe § 3 D. I. 1. a) cc) m. w. N. 12 OLG Köln NJW-RR 1987, 189.

A. §§ 707, 719 ZPO – Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung 

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wird durch §§ 765a, 811 ff., 850 ff. ZPO ausreichend geschützt. Die Beeinträchtigung der Liquidität des Schuldners ist insbesondere im Hinblick auf die vollstreckungsschutzrechtlichen Vorschriften kein ausreichender Grund, der bei der Abwägung der wirtschaftlichen Folgen zu berücksichtigen wäre.13 Damit ist etwaiges Verschulden insoweit ohne Belang. Denkbar ist allerdings, dass bei vorläufiger Vollstreckung die wirtschaftliche Existenz des Schuldners gefährdet ist, was unter Berücksichtigung aller Umstände zu einer Interessenabwägung zugunsten des Schuldners führen kann.14 Ob die „Mitverursachung“ der wirtschaftlichen Notlage eine Rolle spielt, wurde – soweit ersichtlich – in Literatur und Rechtsprechung noch nicht erörtert. Ergibt sich jedoch aus der Mitwirkungspflicht des Schuldners auch bei restriktiver Auslegung, dass er die ihm zur Verfügung stehende Mittel nicht zweckwidrig einsetzen und auch nicht ohne Grund verschwenden darf und dass er es nicht unterlassen darf, Einnahmequellen in zumutbarer Weise auszuschöpfen, ist es nur folgerichtig, aus einem schuldhaften Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht Konsequenzen zu ziehen und die drohende Existenzgefährdung in einem solchen Fall im Rahmen der Interessengewichtung gerade nicht zu berücksichtigen. Daraus ergibt sich aber, dass die „Mitverursachung“ der wirtschaftlichen Notlage nur in krassen Ausnahmefällen dazu führt, dass die Zwangsvollstreckung nicht eingestellt werden kann, zumal ein Jeder in seinen wirtschaftlichen Entscheidungen grundsätzlich frei und eine solche Entscheidung (insbesondere im gewerblichen Bereich) in der Regel nicht judizierbar ist. Praktisch kann ein Pflichtverstoß im Sinne des verschwenderischen Umgangs mit den eigenen zur Verfügung stehenden Mitteln nur dann angenommen werden, wenn er schon evident ist. Für das Verschulden reicht jedoch jede Form von Fahrlässigkeit. Auch selbstverschuldet sind die Nachteile dann, wenn der Schuldner es unterlässt, anderweitige zumutbare Schutzanträge zu stellen. Hat der Schuldner im Berufungsverfahren namentlich den Schutzantrag nach § 712 ZPO nicht gestellt, scheidet die Einstellung nach § 719 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz aus.15 Das alles soll gleichwohl nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Rahmen der wirtschaftlichen Interessenabwägung häufig rein objektive Belange abzuwägen sind. Ist etwa dem Gläubiger die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung gestattet, scheidet die Einstellung nach §§ 707, 719 Abs. 1 ZPO grundsätzlich aus, sofern dem Schuldner bei Vollstreckung materielle Nachteile drohen, deren Ausgleich gewährleistet ist.16 Dagegen kommt die Einstellung in Betracht, wenn die Sicherungssumme zu gering festgesetzt wurde.17 Für etwaiges Verschulden einer Partei bzw. des Schuldners ist dann kein Raum. 13

MüKoZPO/Götz, § 707 Rz. 13, m. N. KG NJW-RR 2008, 1021, 1022. 15 BGH NJW 2012, 1292. 16 MüKoZPO/Götz, § 707 Rz. 13. 17 MüKoZPO/Götz, § 707 Rz. 13. 14

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

III. Zusammenfassung Bei der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 707, 719 ZPO ist Verschulden ggf. im Rahmen der Erfolgsaussichten der (Sonder-)Rechtsbehelfe und Rechtsmittel zu prüfen. Wurde das Verfahren verzögert und wurden Fristen versäumt, sind solche Verstöße gegen prozessuale Obliegenheiten innerhalb der Zulässigkeit zu würdigen und nur unter der Voraussetzung unschädlich, dass den Vollstreckungsschuldner kein Verschulden trifft. Im Rahmen der Begründetheit ist Verschulden für die Interessenabwägung relevant. Zu berücksichtigen sind allerdings nur atypische Umstände. Drohen dem Vollstreckungsschuldner schwere Nachteile, ist etwa seine wirtschaftliche Existenz gefährdet, kann die Interessenabwägung nur dann zu seinen Gunsten ausgehen, wenn er dies nicht selbst zu vertreten hat.

B. §§ 721, 794a ZPO – Gewährung einer Räumungsfrist Nach § 721 Abs. 1 S. 1 ZPO kann bei Räumung von Wohnraum das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen dem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewähren. Erforderlich, aber ausreichend ist eine Interessenabwägung.18 Zuständig ist das Prozessgericht; die Entscheidung wird im Urteil getroffen.19 Eine Interessenabwägung ist auch in den übrigen Fällen des Räumungsschutzes nach § 721 ZPO durchzuführen, namentlich dann, wenn nach Urteilserlass erstmalig eine Räumungsfrist gewährt wird (Abs. 2) oder die Frist nachträglich verlängert oder verkürzt werden soll (Abs. 3). So kann nach § 721 Abs. 2 S. 1, 2 ZPO, sofern auf künftige Räumung erkannt wurde, bis zu 2 Wochen vor dem Tag, an dem zu räumen ist (vgl. § 259 ZPO), auf Antrag eine angemessene Räumungsfrist gewährt werden. Wurde eine Räumungsfrist angeordnet, kann sie nach § 721 Abs. 3 S. 1 ZPO bis 2 Wochen vor Ablauf auf Antrag verlängert oder verkürzt werden; auch dies muss angemessen sein. Es entscheidet jeweils das Gericht erster oder zweiter Instanz, § 721 Abs. 4 S. 1 ZPO. Werden die Fristen versäumt, findet § 233 ZPO entsprechend Anwendung, § 721 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO; allein die unverschuldete Säumnis rechtfertigt eine „Wiedereinsetzung“. Im Rahmen der Interessenabwägung ist das Verschulden der Parteien zu berücksichtigen.20 Der Verschuldensbegriff wird nicht immer ausdrücklich genannt. 18 ThP/Seiler, 721 Rz. 12; vgl. ferner LG Heilbronn Rpfleger 92, 528 und: BayObLG ZMR 1984, 23, 24; OLG Hamm NJW-RR 1995, 526, 527; BLAH, 721, 12 ff.; Zöller/Stöber, 721, 6; Schmidt-Futterer, NJW 1968, 143, 144; Burkhardt, NJW 1968, 687. 19 LG Rostock NJW-RR 2001, 442, 443. 20 ThP/Seiler, § 721 Rz. 12; StJ/Münzberg, § 721 Rz. 11; vgl. Schuschke/Walker/Schuschke, § 721 Rz. 12.

C. § 758a ZPO – Richterliche Durchsuchungsanordnung

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Es werden jedoch Verhaltensanforderungen diskutiert, bei denen sich ein Verstoß zulasten der einen oder anderen Partei auswirkt. Der Schuldner habe sich nach Urteilserlass21 – nach anderer Auffassung ab Rechtskraft22 oder ab dem Zeitpunkt, zu dem er von einer wirksamen Kündigung des Mietverhältnisses ausgehen musste23 – zu bemühen, eine angemessene Ersatzwohnung zu finden.24 Der Gläubiger habe darauf zu achten, dass er die Wohnung nicht verfrüht und vorbehaltlos weitervermietet, wenn er mit Gewährung einer Räumungsfrist oder einer Verlängerung der Räumungsfrist rechnen musste; denn anderenfalls könne er sich auf das von ihm selbst geschaffene Räumungsinteresse nicht berufen.25 Dabei handelt es sich um prozessuale/vollstreckungsrechtliche Obliegenheiten, die mittelbar der zwangsweisen Durchsetzung des Räumungsinteresses dienen. Sie ergeben sich aus dem Vollstreckungsrechtsverhältnis i. V. m. § 242 BGB. Der Schuldner habe ferner die Wohnung des Gläubigers in ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten26, das Entgelt zu zahlen und sonstige bestehende Pflichten zu erfüllen.27 Dabei handelt es sich um materielle Leistungs- und Nebenpflichten, die sich aus dem Wohnraummietverhältnis ergeben. Sie betreffen unmittelbar den Inhalt der Vertragsabrede. Wird gegen die Obliegenheiten und Pflichten schuldhaft verstoßen, führt dass ggf. zu einer Interessenabwägung zugunsten des jeweils anderen Teils. Das Ergebnis der Interessenabwägung ist vom Einzelfall abhängig. So können beispielsweise der schuldhafte Pflichtverstoß gegen, andere Gesichtspunkte für die jeweilige Partei sprechen (für den Schuldner z. B. soziale Aspekte/Mieterschutz). Oder es sind andere, noch schwerwiegendere Umstände zulasten des Gegners zu berücksichtigen. Das Verschulden des Vollstreckungsschuldners hat daher nicht zwingend zur Folge, dass ihm eine Räumungsfrist verwehrt wird, wie umgekehrt ein schuldhaftes Verhalten des Gläubigers nicht zwingend dazu führt, dass dem Vollstreckungsschuldner eine Frist nach § 721, 794a ZPO eingeräumt wird.

C. § 758a ZPO – Richterliche Durchsuchungsanordnung Nach § 758a Abs. 1 S. 1 ZPO darf der Gerichtsvollzieher die Wohnung des Vollstreckungsschuldners ohne dessen Einwilligung grundsätzlich nur aufgrund einer richterlichen Anordnung durchsuchen, sofern die Einholung der Anordnung den Erfolg der Durchsuchung nicht gefährden würde (§ 758a Abs. 1 S. 2 ZPO). Der 21

Schuschke/Walker/Schuschke, § 721 Rz. 12. LG Wuppertal WuM 1996, 429 f.; LG Essen, WuM 1992, 202. 23 LG Regensburg WuM 1991, 359, 360 – dann, wenn er von der Rechtmäßigkeit der Kündigung und von der Erfolglosigkeit der Verteidigung ausgehen muss, i. d. R. mit Zugang des Titels; LG Hamburg, WuM 1988, 316; StJ/Münzberg, § 721 Rz. 11, dort auch Fn. 57. 24 BayObLG, MDR 1975, 492. 25 LG Kassel, WuM 1989, 443 f.; StJ/Münzberg, § 721 Rz. 11; vgl. dazu LG Mannheim, MDR 1966, 511, 512. 26 Schuschke/Walker/Schuschke, § 721 Rz. 12. 27 Siehe dazu mit Nachweisen StJ/Münzberg, § 721 Rz. 11. 22

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

Richter hat die Grundrechte des Vollstreckungsgläubigers (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG; Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG) und des Vollstreckungsschuldners (Art. 13 Abs. 1 GG) abzuwägen.28 Dabei handelt es sich nicht um eine „offene“ Interessenabwägung in dem Sinne, dass schuldhafte Pflichtverletzungen zu berücksichtigen wären. Vielmehr wird die praktische Konkordanz nach den Regeln der Verhältnismäßigkeit hergestellt. Der Eingriff, namentlich die Anordnung der Durchsuchung muss geeignet, erforderlich und angemessen sein. Angemessen ist der Eingriff dann, wenn der Zweck der Anordnung, d. h. die Durchsetzung der Interessen des Vollstreckungsgläubigers, in einem vernünftigen Verhältnis steht zu den sich für den Vollstreckungsschuldner daraus ergebenden Folgen. Angemessen ist der Eingriff beispielsweise dann nicht mehr, wenn der Vollstreckungsschuldner erkrankt ist und deswegen die Durchsuchung eine unbillige Härte bedeuten würde29 oder wenn aufgrund einer vorangegangenen erfolglosen Vollstreckung offenkundig ist, dass auch der erneute Vollstreckungsversuch erfolglos bleiben wird.30 Es kommt auf die objektiven Umstände an. Während im Wege einer bloßen Güterabwägung die Grundrechte ins Verhältnis zu setzen sind, mithin ein angemessener Ausgleich in Anbetracht der verschiedenen vertikalen Rechtsbeziehungen zum Staat gewährleistet sein soll, spielt die horizontale Rechtsbeziehung zwischen dem Vollstreckungsgläubiger und dem Vollstreckungsschuldner hier keine Rolle. Deswegen werden etwaige Pflichtverletzungen in diesem Verhältnis bei der Abwägung der Grundrechte nicht berücksichtigt. Es kommt z. B. nicht darauf an, ob der Vollstreckungsschuldner schon einmal Vermögen verschoben oder einzelne Gegenstände dem Zugriff des Gläubigers entzogen hat oder ob er sich im Übrigen beharrlich verweigert. Damit ist auch etwaiges Verschulden nicht relevant.

D. § 765a ZPO – Allgemeiner Vollstreckungsschutz, Härtefallregelung I. Zu den Voraussetzungen einer Einstellung wegen sittenwidriger Härte Nach § 765a Abs. 1 S. 1 ZPO kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Vollstreckungsschuldners eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Vollstreckungsgläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Auf Tatbestandsebene erforderlich sind demnach atypische Umstände, mit denen eine sittenwidrige Härte verbunden ist, wobei die Belange des Voll 28

Walker, GS Manfred Wolf, S. 561, 563 f., 567 ff. Brox/Walker, ZVR, Rz. 329; Musielak/Lackmann, § 758a Rz. 13; vgl. ferner Hk-ZPO/ Kindl, § 758a Rz. 4. 30 Musielak/Lackmann, § 758a Rz. 13. 29

D. § 765a ZPO – Allgemeiner Vollstreckungsschutz, Härtefallregelung 

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streckungsgläubigers nicht überwiegen dürfen (aber auch, wenn die Schuldner­ interessen nur geringfügig überwiegen, genügt dies nicht).31 Atypische Umstände liegen vor, wenn die Vollstreckungsmaßnahme ungewöhnliche Folgen hätte, die auch mit spezielleren Rechtsbehelfen nicht abzuwenden wären.32 Eine sittenwidrige Härte ist dann zu bejahen, wenn die Folgen nicht lediglich unbillig sind, sondern wenn die Gesetzesanwendung unter Berücksichtigung der Wertentscheidungen des Grundgesetzes und der Grundrechte des Vollstreckungsschuldners33 zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde.34 Zu berücksichtigen sind ferner die „Schutzbedürfnisse“35 des Vollstreckungsgläubigers. Die Sittenwidrigkeit, welche die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 765a ZPO gebietet, scheidet aus, wenn gemäß der Interessenabwägung die schutzwürdigen Belange des Vollstreckungsgläubigers überwiegen. 1. Verschulden des Schuldners Inwiefern sich Verschulden des Vollstreckungsschuldners auswirkt, ist umstritten. Verschulden kann von Belang sein für die Frage, ob ein Härtefall vorliegt und ebenso für die Interessenabwägung36, nach der die Sittenwidrigkeit zu beur­teilen ist. a) Pflichten/Obliegenheiten des Schuldners Zunächst drängt sich aber die Vorfrage auf, welche Pflichten und Obliegenheiten den Vollstreckungsschuldner treffen. Zum Teil ist die Rede davon, dass der Schuldner im Rahmen des Zumutbaren zum Erfolg der Zwangsvollstreckung beizutragen habe.37 Welche Handlungen zumutbar sind, sei durch das Vollstreckungsgericht festzustellen.38 Dabei geht es wohlgemerkt nicht darum, dass der Vollstreckungsschuldner – materiell-rechtlich 31 Musielak/Lackmann, § 765a Rz. 4 f., 9; Schuschke/Walker/Walker, § 765a Rz. 10 ff.; Zöller/Stöber, § 765a Rz. 5 f; vgl. auch § 113 Abs. 2 GVGA. 32 Brox/Walker, ZVR, Rz. 1479 ff. 33 BVerfG NJW-RR 2007, 228, 229; DGVZ 2006, 88, 89; NJW-RR 2001, 1523; NJW 1998, 295, 296; NJW 1979, 2607; BGH NJW-RR 2010, 157, 158; NJW 2004, 3635, 3637; Hk-ZV/ Bendtsen, § 765a Rz. 34; Musielak/Lackmann, § 765a Rz. 5; Schuschke/Walker/Walker, § 765a Rz. 12. 34 BGH Beschl. v. 18.11.10, Az. I ZB 85/10, juris, Rz. 7; NJW 2010, 1002; NJW 2005, 681, 682; NJW 1965, 2107,2108; Brox/Walker, ZVR, Rz. 1482; Hk-ZV/Bendtsen, § 765a Rz. 33; MüKoZPO/Heßler, § 765a Rz. 26; Musielak/Lackmann, § 765a Rz. 5. 35 BGH Beschl. v. 18.11.10, Az. I ZB 85/10, juris, Rz. 7; Brox/Walker, ZVR, Rz. 1483; Schuschke/Walker/Walker, § 765a Rz. 23. 36 MüKoZPO/Heßler, § 765a Rz. 26, 44; Musielak/Lackmann, § 765a ZPO Rz. 6, 10. 37 BGH NJW 2005, 1859, 1861. 38 BVerfG NZM 2005, 657, 659.

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

betrachtet – ohnehin zur Erfüllung verpflichtet ist, also zur Durchsetzung der Interessen des Gläubigers beitragen soll; vielmehr soll sich der Schuldner interessengerecht verhalten, um Vergünstigungen im Vollstreckungsverfahren in Anspruch nehmen zu dürfen, hier den Vollstreckungsschutz auf Antrag. aa) Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung39 So könne vom Schuldner jedes zumutbare Bemühen verlangt werden, das eigene Gesundheitsrisiko zu verringern oder die als ernsthaft und erheblich erkannte Suizidgefahr zu minimieren (bzw. auszuschließen).40 Der Vollstreckungsschuldner hat sich also in ärztliche Behandlung zu begeben, sofern nicht triftige Gründe dagegen sprechen. Dabei hat er sich je nach Krankheitsbild therapieren zu lassen; davon hängen Art und Dauer der Behandlung ab. Es handelt sich um eine prozessuale/vollstreckungsrechtliche Obliegenheit, die sich aus dem Voll­ streckungsrechtverhältnis i. V. m. § 242 BGB ergibt. An deren Einhaltung hat auch der Vollstreckungsgläubiger ein (mittelbares) Interesse. Sie besteht unabhängig davon, ob das Gericht eine entsprechende Auflage erteilt. Dass der Schuldner die Gefahr, insbesondere die Suizidgefahr nur vorschiebt, um durch unlautere Methoden Vollstreckungsschutz zu erwirken, ist freilich zu befürchten. Dies hat aber nur untergeordnete Bedeutung für § 765a ZPO. Verstößt der Schuldner gegen die Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO), kann das im Verfahren nur dann berücksichtigt werden, wenn das Gericht die Falschauskunft erkennt. Anderenfalls kommt nur eine nachträgliche Korrektur außerhalb des Verfahrens in Betracht (Schadenersatz). Die unterinstanzliche Rechtsprechung wirkte bisher möglichen Falschdarstellungen entgegen durch restriktive Anforderungen an den Nachweis.41 So wurde die Vorlage eines ärztlichen Attestes verlangt, aus dem sich ergibt, „aufgrund welcher Umstände welche gesundheits- und/oder lebensbedrohlichen Konsequenzen mit welchem Grad der Wahrscheinlichkeit für den Schuldner im Falle einer Zwangsräumung zu befürchten sind“.42 Der BGH stellte jüngst jedoch klar, dass der Schuldner nicht verpflichtet ist, das Gericht schon durch seinen Vortrag oder ein vorgelegtes Attest von der Suizidgefahr zu überzeugen.43 Allerdings habe das Gericht in aller Regel auf den Antrag des Schuldners hin ein (amts-

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Vgl. den ersten Fall in der Einführung. BVerfG NZM 2005, 657, 659; NJW 2004, 49, 50; BVerfG NJW 1992, 1155; BGH NJW-RR 2010, 1649, 1650; NJW 2008, 586, 587; BGH NJW 2006, 505, 506; LG Verden DGVZ 2007, 14, 15; LG Mönchengladbach Rpfleger 2006, 332 f.; Walker/Gruß, NJW 1996, 352, 355. 41 OLG Köln MDR 1990, 257; LG Darmstadt Rpfleger 1991, 117. 42 AG Hamburg, Beschl. v. 21.11.05, Az. 46 M 115/05, juris; vgl. auch AG Bensheim DGVZ 2004, 76. 43 BGH NJW-RR 2011, 1000, 1001; NJW-RR 2011, 419. 40

D. § 765a ZPO – Allgemeiner Vollstreckungsschutz, Härtefallregelung 

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ärztliches) Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben44, zumal bei der Prüfung der Voraussetzungen eine sorgfältige Sachaufklärung geboten sei.45 bb) Suche nach Ersatzunterkunft Weiterhin habe sich der Schuldner für den Fall der Räumungsvollstreckung rechtzeitig um eine Ersatzunterkunft zu kümmern.46 Passivität des Schuldners könne kein Grund sein, dem Gläubiger die Durchsetzung seines Räumungs­ anspruchs zu verwehren.47 Auch hier handelt es sich um eine prozessuale/vollstreckungsrechtliche Obliegenheit, die aus dem Vollstreckungsrechtverhältnis i. V. m. § 242 BGB resultiert. Im Übrigen gilt das oben Gesagte. Die „Ersatzraumbeschaffungspflicht“ ist aber auch auf materiell-rechtlicher Ebene verankert (siehe § 574 BGB). Der Mieter kann bei Vorliegen eines Härtefalles nach § 574 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB die Fortsetzung des Wohnraummietverhältnisses verlangen; ein Härtefall scheide aber bei Verstoß gegen die Ersatzraumbeschaffungspflicht (vgl. § 574 Abs. 2 BGB) aus.48 Auch wenn die Konsequenzen der Zwangsvollstreckung andere und gravierender sind, weil nicht nur eine materiellrechtliche Bewertung stattfindet, sondern der Schuldner vor Tatsachen gestellt wird, heißt das nicht, dass die Ersatzraumbeschaffungspflicht in der Zwangsvollstreckung wegen der weitergehenden Konsequenzen und den Grundrechten des Vollstreckungsschuldners von geringerer Bedeutung oder gänzlich belanglos wäre. Sie gilt vielmehr erst recht auch hier, weil dem Schuldner über den verfahrensrechtlichen Umweg nicht ohne weiteres eine Rechtsposition gesichert werden darf, die ihm materiell-rechtlich nicht zusteht. Sie ist dann aber (auch) prozessrechtlicher Natur. Schon früher wurde angenommen, dass den Schuldner nach rechtskräftiger Verurteilung die Pflicht treffe, alles ihm Zumutbare zur Erlangung einer Ersatzunterkunft zu tun.49 Selbst in den Zeiten erheblicher Wohnungsnot (in den Jahren nach dem II. Weltkrieg), als deswegen der Schuldner noch durch besondere Vorschriften geschützt war (§§ 30, 31 WBewG50), war der Vollstreckungsschutz zu versagen, 44 Vgl. BGH NJW-RR 2011, 1000, 1001; NJW-RR 2011, 423 f.; NJW-RR 2011, 419 – das Gericht habe aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) einem entsprechenden Beweisantrag nachzugehen. 45 BVerfG NJW 1994, 1719 f.; BGH NJW-RR 2011, 423; OLG Brandenburg Rpfleger 2000, 406, 407. 46 LG Wuppertal DGVZ 1995, 41; LG Heilbronn, DGVZ 1993, 140 [dort unter II. 2. (4)]; AG Hamburg Beschl. v. 21.11.05, Az. 46 M 115/05, juris; Walker/Gruß, NJW 1996, 352, 355 m. w. N. 47 Geißler, DGVZ 1996, 161, 165. 48 Schmidt-Futterer/Blank, § 574 Rz. 30. 49 Schmidt-Futterer, NJW 1961, 295. 50 Hier war die Vollstreckung einzustellen, bis eine angemessene oder ausreichende Unterbringung gesichert war. Siehe Breithaupt, NJW 1953, 1001, 1002.

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wenn gegen die Ersatzraumbeschaffungspflicht verstoßen wurde51; das galt neben dem vollstreckungsschutzrechtlichen Verfahren nach §§ 30, 31 WBewG auch für § 765a ZPO.52 Nichts anderes kann nach Abbau der besonderen Schutzvorschriften für die heutige Zeit gelten; denn die Situation hat sich – auch bei der vereinzelt angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt – deutlich verbessert. cc) Mitwirkung an der Vollstreckung Auch wird teilweise vom Vollstreckungsschuldner verlangt, dass er mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln an der Vollstreckung mitwirke.53 Damit sind insbesondere finanzielle Mittel gemeint. Es könne beispielsweise nicht hingenommen werden, dass der Schuldner vom Sozialamt Wohnkosten erstattet bekommt, das Geld aber anderweitig verbraucht, ohne es an den Gläubiger abzuführen.54 Eine allgemeine Pflicht, das Vermögen für den Vollstreckungsgläubiger zugriffsbereit zu halten bzw. mit den zur Verfügung stehenden Mitteln an der Zwangsvollstreckung mitzuwirken, erscheint bei näherem Hinsehen jedoch fraglich. Das Verfahren selbst ist geeignet, die Ansprüche durchzusetzen, ohne dass es auf eine Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners ankommt. Wohngeld ist jedenfalls dann pfändbar, wenn solche Ansprüche vollstreckt werden sollen, die Gegenstand der §§ 9, 10 WohnGG sind (§ 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I). Das betrifft Kosten, in Anbetracht derer die Leistung gewährt wird, namentlich Mietkosten und Wohnungslasten. Gläubiger solcher Ansprüche sind durch die Wirkung der Pfändung, d. h. durch das Arrestatorium und das Inhibitorium (§ 829 Abs. 1 S. 1, 2 ZPO) ausreichend geschützt. Wenn der Vollstreckungsgläubiger nicht darauf angewiesen ist, dass der Vollstreckungsschuldner mitwirkt, braucht dies auch sinnvollerweise nicht verlangt zu werden. Das spricht gegen die o. g. Pflicht. Eine Funktion kann die Mitwirkungspflicht nur dann haben, wenn es auf das Verhalten des Schuldners nachträglich zu reagieren gilt. Hatte der Schuldner ausreichende Mittel zur Verfügung, um den Gläubiger zu befriedigen, hat er sie aber anderweitig verbraucht und geht der Gläubiger deswegen leer aus, erscheint der Schuldner nicht schutzwürdig. Eine sittenwidrige Härte nach § 765a ZPO scheidet deswegen aus. Die Argumentation gleicht der zur Ersatzraumbeschaffungspflicht:

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Schmidt-Futterer, NJW 1961, 295, 298; in der Rückschau: Bloedhorn, DGVZ 1976, 104, 107. 52 Schmidt-Futterer, NJW 1961, 295, 298. 53 LG Hamburg (Beschl. v. 14.1.02, 328 T 98/01) ZMR 2002, 472 f.; Siehe außerdem LG Hamburg (Beschl. v. 12.8.03, 328 T 47/03) in den Gründen bei BVerfG NJW 2004, 49 (Ver­ fahrensgang bei juris) – Das BVerfG hat zwar im konkreten Fall wegen fehlerhafter Interessenabwägung aufgehoben und zurückverwiesen, die Pflicht des Schuldners, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln an der Vollstreckung mitzuwirken, aber nicht (ausdrücklich) abgelehnt. 54 LG Hamburg ZMR 2002, 472 f.

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der Schuldner soll es nicht in der Hand haben, den Gläubiger nach Belieben hinzuhalten und gleichzeitig die Voraussetzungen für den Vollstreckungsschutz zu schaffen. Dennoch ist die Pflicht des Schuldners, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln an der Vollstreckung mitzuwirken, zu unbestimmt formuliert. Für den Fall, dass es mehrere Gläubiger gibt und der Schuldner nur einzelne befriedigt, kann man ihm (außerhalb eines Insolvenzverfahrens) nicht vorwerfen, dass er möglicherweise die „dringendsten“ Schulden vorrangig befriedigt (evtl. Grundversorgung, Strom, Wasser, etc.), auf andere Forderungen mangels ausreichender Mittel hingegen zunächst nicht zahlt. Es kommt vielmehr darauf an, dass der Schuldner entweder über zweckgebundene Mittel zweckwidrig verfügt, dass er frei zur Verfügung stehende Mittel ohne besonderen Grund verschwendet55 oder aber es unterlässt, (auf zumutbare Weise) weitere Einnahmequellen auszuschöpfen.56 Ähnlich ist es wohl auch zu verstehen, wenn früher von einer Pflicht zu einem der Verschuldung angemessenen Lebensstil die Rede war.57 Maßstab sollte offenbar ein Lebensstil sein, der mit den Mitteln im Rahmen der Pfändungsfreigrenze finanzierbar erschien. Die Pflicht, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln an der Voll­streckung mitzuwirken, ist daher eng auszulegen. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Anfechtungstatbestände nach dem AnfG. Es handelt sich um eine prozessuale/vollstreckungsrechtliche Pflicht. Eine weitere Mitwirkungspflicht besteht darin, auf den suizidgefährdeten nahen Angehörigen, dessentwegen der Vollstreckungsschutz dem Schuldner nach § 765a ZPO zu gewähren ist58, im Rahmen des Zumutbaren dergestalt einzuwirken, dass er (der Angehörige) zum Ausschluss der Gefahr für Leib und Leben fachliche Hilfe in Anspruch nimmt.59 dd) Weiterreichende Verpflichtungen bei zunehmender Verfahrensdauer Es wird zu beachten sein, dass mit zunehmender Verfahrensdauer an die Mitwirkung des Schuldners höhere Anforderungen zu stellen sind.60

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KG MDR 1960, 234 (Leitsatz 3), MüKoZPO/Heßler 765a, 44. OLG Nürnberg Rpfleger 1958, 319; MüKoZPO/Heßler 765a, 44; vgl. ferner für den Fall, dass eine Forderung aus unerlaubter Handlung vollstreckt werden soll: BLAH, § 765a Rz. 12. 57 Grund, NJW 1956, 126, 128. 58 BGH NJW 2005, 1859, 1860. 59 BGH NJW 2005, 1859, 1860; Schmid, WM 2010, 2108, 2109. 60 LG Itzehoe NZI 2001, 100. 56

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b) Meinungsstreit zur Auswirkung schuldhafter Pflicht-/Obliegenheitsverletzungen Es stellt sich nunmehr die Frage, welche Rechtsfolgen sich aus einer schuldhaften Verletzung der eben genannten prozessualen Pflichten und Obliegenheiten er­geben. Auch bei den Obliegenheiten kann nur ein schuldhafter Verstoß rechtliche Konsequenzen rechtfertigen; denn die Obliegenheit, sich um eine Er­ satz­unterkunft zu bemühen und die Obliegenheit, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, liegt nicht nur im Eigeninteresse des Vollstreckungsschuldners, sondern auch im (mittelbaren) Interesse des Vollstreckungsgläubigers, der auf eine zügige Vollstreckung hofft. Insoweit sind die Obliegenheiten einer echten Rechtspflicht vergleichbar. Wie sich schuldhaftes Verhalten des Vollstreckungsschuldners i. R. d. § 765a ZPO auswirkt, ist umstritten. aa) Ansichten in der Literatur –– Es wird vertreten, dass ein Härtefall ausscheidet, wenn der Schuldner die Situation bewusst herbeiführt, „um die Vollstreckung zu vereiteln“.61 In allen anderen Fällen, in denen der Schuldner die Umstände in vorwerfbarer Weise herbeiführt, sei ein Härtefall nicht grundsätzlich ausgeschlossen.62 Es wird folglich zwischen Absicht einerseits und bedingtem Vorsatz und Fahrlässigkeit andererseits unterschieden. Während der Vollstreckungsschutz bei Absicht mangels eines besonderen Härtefalls immer zu versagen wäre, müsste im Fall sonstigen Verschuldens auf Ebene der Interessenabwägung je nach Einzelfall entschieden werden.63 –– Nach einer anderen Ansicht sei das Verschulden des Schuldners in jedem Fall ein Kriterium der Interessenabwägung; denn „absolute“ Gründe für den Ausschluss des Härtefalls und damit des Vollstreckungsschutzes könne man nicht benennen.64 Hiernach wäre die Entscheidung unabhängig vom Grad des Verschuldens im Einzelfall offen, je nachdem ob in Anbetracht des schuldhaften Verhaltens des Vollstreckungsschuldners bei Berücksichtigung der Belange des Vollstreckungsgläubigers das eine oder andere Interesse überwiegt. –– Schließlich wird zum Teil darauf verwiesen, dass eine sittenwidrige Härte zwar grundsätzlich ausscheide, wenn der Vollstreckungsschuldner nicht schutzwürdig sei, namentlich deshalb, weil er die fraglichen Umstände selbst verursacht und (mit-)verschuldet hat, beispielsweise wenn er durch eigenes Verschulden 61

MüKoZPO/Heßler, § 765a Rz. 26; Musielak/Lackmann, § 765a ZPO Rz. 6. MüKoZPO/Heßler, § 765a Rz. 26. 63 MüKoZPO/Heßler, § 765a Rz. 44; Musielak/Lackmann, § 765a ZPO Rz. 10. 64 StJ/Münzberg, § 765a ZPO Rz. 6; vgl. ferner Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 43 Rz. 13; Schuschke/Walker/Walker, 765a Rz. 21; Walker/Gruß, NJW 1996, 352, 355. 62

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räumungspflichtig oder zahlungsunfähig wurde.65 Gleichwohl dürfe dies in besonderen Situationen (so etwa bei der Taschenpfändung am Kranken- oder Sterbebett) nicht zulasten des Schuldners gehen.66 Die sittenwidrige Härte sei nämlich im Lichte der Wertentscheidungen des Grundgesetzes und im Lichte der Grundrechte des Vollstreckungsschuldners auszulegen.67 Nach dieser Ansicht wäre eine sittenwidrige Härte bei Verschulden des Schuldners grundsätzlich abzulehnen, es sei denn, es läge eine Ausnahmesituation vor und gewichtige Gründe sprächen für die Gewährung des Vollstreckungsschutzes. –– Vereinzelt wird die Ansicht vertreten, dass Verschulden keine Rolle spiele.68 Es dürfe nicht nach der „Unredlichkeit“ des Schuldners gefragt werden, vielmehr sei entscheidend, dass die zum Schutz des Schuldners gezogene Grenze – basierend auf dem Sozialstaatspostulat des Grundgesetzes – nicht überschritten wird.69 Die Vollstreckungsmaßnahme müsse „objektiv zu einem sittenwidrigen Ergebnis führen“, was Verschulden als subjektives Kriterium ausschließe.70 Soweit die verschiedenen Meinungen zwar unterschiedliche Ansätze haben, aber Verschulden für maßgeblich halten, gleichen sie sich jedenfalls dahingehend, als es regelmäßig auf eine Einzelfallentscheidung hinausläuft. Das gilt selbst für die erstgenannte Ansicht; denn in den wenigsten Fällen wird nachweisbar sein, dass der Schuldner zielgerichtet den Härtefall zum eigenen Nachteil herbeigeführt hat, um die Zwangsvollstreckung zu vereiteln. Eine pauschale Antwort darauf, ob schuldhaftes Verhalten des Schuldners den Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO ausschließt, lässt sich demnach nicht geben. Denn entweder sind auf Ebene der Interessenabwägung auch sonstige Umstände zu berücksichtigen, die ggf. für eine Entscheidung zugunsten des Vollstreckungsschuldners sprechen (Meinung 1/2). Oder es sind die besonderen Ausnahmen, die nach Maßgabe des verfassungsrechtlichen Wertesystems trotz schuldhaftem Verhalten eine Interessenabwägung zugunsten des Vollstreckungsschuldners bedingen (Meinung 3). In den meisten Fällen werden die verschiedenen Ansichten gleichwohl zum selben Ergebnis gelangen. Gegen die Meinung, nach der Verschulden ohne Belang sei, spricht schon die gemäß § 765a Abs. 1 S. 1 ZPO vorgesehene Interessenabwägung. Maßgeblich ist das Interessengefüge auf horizontaler Ebene und damit die Schutzwürdigkeit der Beteiligten im Verhältnis untereinander. Schuldhaftes Verhalten des Vollstre 65

Sinngemäß Zöller/Stöber, § 765a ZPO Rz. 7. Zöller/Stöber, § 765a ZPO Rz. 7. 67 Zöller/Stöber, § 765a Rz. 5 mit Verweis auf BVerfG NJW 1979, 2607; NJW 1994, 1272. 68 Behr, KJ 1980, 156, 161 f.; Lackmann, ZVR, Rz. 478; vgl. auch Hippler, in: Dierck/Morvilius/Vollkommer, Kap. 6 Rz. 86 wonach es auf Verschulden nicht ankomme (wobei aber nicht eindeutig daraus hervorgeht, ob er es im Rahmen der Interessenabwägung für berücksichtigungsfähig hält). 69 Behr, KJ 1980, 156, 161 f. 70 Lackmann, ZVR, Rz. 478. 66

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ckungsschuldners beeinflusst aber das Interessengefüge. Soweit im Übrigen die Rede davon ist, dass die Sachlage objektiv zu beurteilen sei, wird auch dadurch das Verschulden als Kriterium nicht ausgeschlossen. Denn Objektivität meint, dass es auf moralische Erwägungen und Einwände nicht ankommt.71 Anderenfalls würde eine Unschärfe im Vollstreckungsschutz nach der Generalklausel drohen. Verschulden ist als Rechtsbegriff stattdessen klar umrissen und deshalb auch subsumtionsfähig. bb) Rechtsprechung Die Rechtsprechung nimmt nur vereinzelt Stellung dazu, ob und auf welche Weise sich Verschulden des Vollstreckungsschuldners im Rahmen von § 765a ZPO auswirkt. Das OLG Frankfurt will Verschulden grundsätzlich bei der Interessen­ abwägung berücksichtigen.72 Das LG Kiel hingegen meint, es komme (jedenfalls) in Räumungssachen nicht darauf an, „ob der Räumungsschuldner schuldhaft in ­ uizid Räumungsnot geraten“ sei.73 Nach Ansicht des BGH müsse ein drohender S auch dann bei der Abwägung widerstreitender Interessen berücksichtigt werden, wenn es sich um einen „Bilanzselbstmord“ handle, der auf dem freien Willen beruhe.74 Steuerbares oder anders ausgedrückt: schuldhaftes Verhalten schließe demnach den Vollstreckungsschutz nicht von vornherein aus. Ob sich aber die vorsätzliche Selbstgefährdung in der Interessenabwägung zugunsten des Vollstreckungsgläubigers auswirkt, geht aus der Entscheidung nicht hervor. Ein klares Bild ergibt sich daraus nicht. In einer Vielzahl von Entscheidungen hat sich allerdings (vor allem nach dem auch die Rechtsbeschwerde zum BGH möglich wurde)75 ein mehr oder weniger deutliches Muster herauskristallisiert, nach dem die Rechtsprechung im Falle eines Antrages auf Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO vorgeht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen wurden oben bereits erörtert. Zur Interessenabwägung stellt die Rechtsprechung folgende Überlegung an: Grundsätzlich kommt die (einstweilige) Einstellung nach § 765a ZPO nicht ohne weiteres in Betracht, auch dann nicht, wenn eine Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit besteht.76 Erforderlich ist stets, dass die Interessen des Vollstreckungsschuldners mit denen des Vollstreckungsgläubigers ab­gewogen

71 BLAH, § 765a Rz. 12; Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 43 Rz. 13; vgl. auch OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 81; FG Köln Urt. v. 20.1.05, Az. 3 K 6182/03, juris; a. A.: LG Kaiserslautern, Rpfleger 2006, 582; LG Kaiserslautern, Beschl. v. 24.6.05, Az. 1 T 332/04, juris. 72 Vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 81. 73 LG Kiel NJW 1992, 1174. 74 BGH NJW-RR 2011, 423. 75 Gesetz zur Reform des Zivilprozesses v. 27.7.2001, BGBl. I S.1887. 76 BGH NJW 2008, 1000; NJW 2008, 586; NJW 2007, 3719, 3720; NJW 2006, 505, 506; NJW 2005, 1859, 1860; vgl. BGH NJW-RR 2011, 419.

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werden.77 Während sich der Vollstreckungsschuldner auf Art. 2 Abs. 2 GG berufen kann, sind zugunsten des Gläubigers Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentum) und Art. 19 Abs. 4 GG (wirksamer Rechtschutz) zu berücksichtigen. Überwiegen die Interessen des Vollstreckungsschuldners, wird in der Regel einstweilen einzustellen sein, immer jedoch bei angedrohtem Suizid, weil zumindest das Gutachten einzuholen ist; eine Einstellung auf Dauer kommt nur in eng begrenzten (absoluten) Ausnahmefällen in Betracht.78 Sofern die Interessen des Vollstreckungsschuldners nicht (erheblich) überwiegen, ist die Einstellung zu versagen. Die Interessen des Vollstreckungsschuldners überwiegen insbesondere dann nicht erheblich, wenn zwar Gefahr für Leben und Gesundheit besteht, der Vollstreckungsschuldner aber nicht bereits alles Zumutbare unternommen hat, um die Gefahr auszuschließen, und der Gefahr auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung begegnet werden kann.79 Kommt eine ambulante Betreuung nicht in Betracht, erforderlich ist neben der Therapierbarkeit regelmäßig die Mitwirkung des Schuldners, sind behördliche Maßnahmen zu erwägen.80 In der Konsequenz bedeutet dies, dass eine einstweilige Einstellung nach § 765a ZPO jedenfalls dann notwendig ist, wenn trotz der Gefahr für Leben und Gesundheit der Voll­streckungsschuldner die Mitwirkung im Vollstreckungsverfahren verweigert. Er bekommt eine Toleranzfrist eingeräumt.81 Deren Dauer hängt von der erforder­ lichen Maßnahme ab. Die Gefahrbeseitigung soll sichergestellt werden durch Auflagen82 und (soweit notwendig) durch Mitteilung und Hinweis an die zuständige Behörde.83 Auch sind flankierende Maßnahmen zu erwägen, die ein Tätigwerden des Vormundschaftsgerichtes oder der fachlich zuständigen Behörde zwecks Abwendung der Suizidgefahr ermöglichen.84

77 BGH NJW-RR 2011, 423; NJW-RR 2011, 300; NJW-RR 2010, 1649, 1650; NJW 2008, 1742, 1743; NJW 2008, 1000; NJW 2008, 586; NJW 2007, 3719, 3720; NJW 2006, 505, 506. 78 BVerfG NJW 1998, 295, 296; NJW 1992, 1155; OLG Oldenburg MDR 2002, 664; LG Kaiserslautern, Beschl. v. 11.5.05, Az. 1 T 115/05, juris. 79 BGH NJW 2008, 1000; NJW 2008, 586; NJW 2007, 3719, 3720; NJW 2006, 505, 506; NJW 2005, 1859, 1860. 80 BGH NJW 2007, 3719, 3721. 81 Dieser Rechtsgedanke wohnte auch dem § 807 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (a. F.) inne; innerhalb der dort geregelten zweiwöchigen Toleranzfrist soll der Vollstreckungsschuldner die Mög­ lichkeit haben, die Zwangsvollstreckung (Abnahme der eidesstattlichen Versicherung) zu vermeiden. 82 BVerfG NZM 2005, 657; 659; BGH DGVZ 2010, 149; u. U. für beide Parteien, OLG Thüringen NJW-RR 2000, 1251, 1252; siehe dazu auch Schmid, WM 2010, 2108, 2109. 83 BGH NJW 2007, 3719, 3721. 84 BGH NJW-RR 2010, 1649; vgl. auch BGH Beschl. v. 9.6.11, Az. V ZB 319/10, juris, insb. Rz. 15, 16; siehe dazu auch Kaiser, NJW 2011, 2412, 2413.

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cc) Stellungnahme Die Herangehensweise der Rechtsprechung überzeugt. Auch wenn aus den jeweiligen Entscheidungen nicht mit letzter Sicherheit klar hervorgeht, dass existenzielle Grundrechte selbst dann Schutzmaßnahmen zugunsten des Vollstreckungsschuldners erzwingen, wenn er schuldhaft gehandelt hat, so ist vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund ein anderes Ergebnis kaum haltbar.85 Dass die Interessen des Schuldners im Fall von Art. 2 Abs. 2 GG nicht (erheblich) überwiegen, wird zwar recht selten vorkommen. Gleichwohl ist nicht ausgeschlossen, dass beispielsweise die Existenz des Gläubigers auf dem Spiel steht oder andere schwerwiegende Folgen vom Gläubiger gegen eine einstweilige Einstellung eingewandt werden, es also zu einer „Pattsituation“ kommt. Dennoch geht der Schuldnerschutz vor, weil es unzulässig ist, dass der Staat aktiv wird und dabei durch eigene Maßnahmen schwere, irreversible Schäden herbeiführt. Das gilt trotz des staatlichen Vollstreckungsmonopols und des Umstandes, dass der Vollstreckungsanspruch praktisch leerläuft; denn der Schutz der Grundrechte gebietet es, den Eingriff zugunsten des Schuldners zu unterlassen und vorzugsweise den Gläubiger selbst dem Schutz des Sozialstaates zu unterstellen (Existenzsicherung etc.). Die Gefährdung von Leib und Leben erfordert zudem eine entsprechende Eingriffsgrundlage; eine solche enthält das Zwangsvollstreckungsrecht nicht. Der Vollstreckungsgläubiger hat letztendlich das Vollstreckungsrisiko zu tragen. Zwar dürfen ihm i. R. d. § 765a ZPO grundsätzlich keine sozialen Aufgaben aufgebürdet werden. Doch es entspricht einer sachgerechten Interessenabwägung, wenn in besonderen Ausnahmefällen ein vorübergehender Aufschub gewährt wird, bis die Behörden die sozialen Aufgaben übernehmen können bzw. der Schuldner seiner Mitwirkungspflicht nachkommt. Das bedeutet zum einen, dass das Verschulden des Schuldners zu seinen Lasten geht, wenn nicht grundlegende verfassungsrechtlich geschützte Belange für ihn sprechen. Es dürfen also nicht Leib, Leben und Gesundheit sowie die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen sein.86 Es spricht zum anderen nichts dagegen, Verschulden bei der Frage zu thematisieren, ob eine sittenwidrige Härte vorliegt, das Verschulden mithin als Kriterium der Interessenabwägung zu betrachten. Es stellt sich für die Sittenwidrigkeit schließlich die Frage, ob die Vollstreckungsmaßnahme für den Schuldner zu einem untragbaren Ergebnis führen würde. „Tragbar“ müssen für den Schuldner zunächst einmal solche Umstände sein, die auf schuldhaftem Handeln beruhen. Denn anderenfalls könnte der Schuldner unter Verstoß gegen die Rechtsordnung den Vollstreckungsschutz selbst herbeiführen. Zudem wäre ein solches Ergebnis dem Gläubiger unabhängig von der Interessen­ abwägung im Übrigen nicht vermittelbar; denn seine Interessen haben grundsätzlich Vorrang (Titelschutz). Die Regel, dass Verschulden eine sittenwidrige Härte 85

Vgl. Fischer, WuM 2004, 257, 260 – kein Raum für eine ergebnisoffene Güterabwägung. Vgl. Schmid, WM 2010, 2108, 2109.

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ausschließt, wird dann aber durch den wiederum vorrangigen Schutz existenzieller Grundrechte relativiert. Nach der Praxis zu urteilen, scheint sich das vermeint­liche Regel-Ausnahme-Prinzip sogar umzukehren. Denn in vielen Fällen geht es um Suizid, Gesundheitsgefährdung und Obdachlosigkeit. Der Aspekt des Verschuldens tritt dabei immer in den Hintergrund; Vollstreckungsschutz wird gewährt. Weiterhin ist nach den Grundsätzen der Rechtsprechung bei existenziellen Grundrechten die Zwangsvollstreckung zwar einzustellen, regelmäßig aber nur vorübergehend, wenngleich es sich um mehrere Monate handeln kann. Eine dauerhafte Einstellung scheidet insbesondere dann aus, wenn der Schuldner die Umstände, die den sittenwidrigen Härtefall begründen, selbst schuldhaft verursacht hat. Neben der vorübergehenden Einstellung gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum einen kann das Gericht Auflagen erteilen, zum anderen behördliche Maßnahmen anregen. Das führt dazu, dass immer dann, wenn Selbsthilfe möglich und ein Mitwirken des Vollstreckungsschuldners nicht ausgeschlossen erscheint, in einem ersten Schritt die Zwangsvollstreckung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zunächst unter Erteilung von Auflagen einstweilen eingestellt wird. Die Obliegenheiten folgen aber nicht aus der Auflage, für die es in der ZPO auch keine dem § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG vergleichbare Rechtsgrundlage gibt, sondern aus dem Vollstreckungsrechtsverhältnis i. V. m. § 242 BGB.87 Die Auflage hat nur deklaratorischen Charakter. Wird dagegen schuldhaft verstoßen, können in einem zweiten Schritt behördliche Maßnahmen erwogen werden, wobei zur Anregung dieser Maßnahmen erneut einstweilen einzustellen ist. Die behördlichen Maßnahmen sind bereits innerhalb der ersten Toleranzfrist anzuregen, wenn von vornherein ein Mitwirken des Vollstreckungsschuldners nicht zu erwarten ist; in diesem Fall ist das zweistufige Verfahren dem Vollstreckungsgläubiger nicht zumutbar. Freilich handhabt der BGH solche Fälle zugunsten des Schuldners großzügig und ist kaum einmal bereit, auch Konsequenzen aus dessen Verhalten zu ziehen (vgl. den ersten Fall in der Einführung). Scheiden behördliche Maßnahmen von vornherein aus, hat eine zweite vorübergehende Einstellung zu unterbleiben; lehnt die Behörde die fragliche Maßnahme ab, so hat eine weitere Einstellung ebenfalls zu unterbleiben.88 In beiden Fällen können dem Vollstreckungsgläubiger keine weitergehenden Lasten aufgebürdet werden, als sie der Staat als originärer Sozial­träger übernimmt. Nur dann, wenn der Schuldner unverschuldet gegen Auflagen verstößt, kommt gegebenenfalls eine zweite Einstellung ebenfalls unter Auflagen in Betracht.

87 Es handelt sich daher auch nicht um Auflagen außerhalb des Gesetzes („preater legem“), so aber Schmid, WM 2010, 2108, 2109. 88 Das Vollstreckungsgericht hat aber flankierende Maßnahmen zu treffen, etwa solche, die es ermöglichen, dass das Vormundschaftgerichtes zwecks Abwendung der Suizidgefahr rechtzeitig tätig wird, BGH NJW-RR 2010, 1649.

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

2. Verschulden des Gläubigers Auch das Verschulden des Gläubigers ist zu berücksichtigen, wenngleich solche Fälle in der Praxis selten eine Rolle spielen. In der Regel wird nämlich der Gläubiger um die ungestörte Durchsetzung seiner Forderungen bemüht sein. a) Pflichten des Gläubigers Auch hier ist zu klären, welche Pflichten den Vollstreckungsgläubiger i. R. d. Zwangsvollstreckung treffen. aa) Mitwirkung an der Abwicklung des titulierten Anspruchs Vom Vollstreckungsgläubiger wird u. a. verlangt, dass er an der Abwicklung des titulierten Anspruches mitwirkt.89 So habe er bei der ihm angebotenen Befriedigung durch kreditfinanzierte Geldmittel die Löschungsbewilligung für das (gepfändete) Grundpfandrecht zu erteilen und sodann auf weitere Vollstreckungsmaßnahmen zu verzichten.90 Der Gläubiger dürfe ferner im Falle einer Räumungsvollstreckung die Bemühungen des Schuldners um eine Ersatzunterkunft nicht gefährden oder vereiteln.91 Ähnlich wie der Arbeitgeber nach rechtmäßiger Kündigung die Aufnahme eines neuen Arbeitsplatzes nicht unbillig erschweren dürfe, z. B. durch Mitteilung an den neuen Arbeitgeber bzw. durch Gestaltung des Zeugnisses, dürfe auch der Gläubiger dem Räumungsschuldner „keine vermeidbaren Hindernisse in den Weg legen“.92 Richtig ist, dass den Vollstreckungsgläubiger eine allgemeine prozessuale/vollstreckungsrechtliche Mitwirkungspflicht trifft. Auch sie ergibt sich aus § 242 BGB i. V. m. dem Vollstreckungsrechtsverhältnis. Bei den genannten Fällen handelt es sich um Ausformungen der allgemeinen Mitwirkungspflicht. Die allgemeine Mitwirkungspflicht ist aber im Zusammenhang mit § 765a ZPO restriktiv auszulegen. So hat der Gläubiger zwar nach § 842 ZPO die ihm zur Einziehung überwiesene Forderung zügig und ohne schuldhaftes Zögern beizutreiben (vgl. §§ 121 Abs. 1 S. 1, 276 BGB).93 Diese Pflicht wirkt sich aber im Voll­streckungsverfahren nicht unmittelbar aus, auch nicht i.R.d. § 765a ZPO. § 842 ZPO gewährt nämlich weder dem Schuldner noch dem Drittschuldner eine vollstreckungsrechtliche Einwendung.94 Gemäß der Vorschrift hat der Schuldner 89

OLG Koblenz Rpfleger 1985, 499, 500 und Anm. von Alisch, Rpfleger 1986, 62; Musielak/Lackmann, § 765a Rz. 10. 90 OLG Koblenz Rpfleger 1985, 499, 500. 91 OLG Köln NJW-RR 1995, 1039 f. 92 OLG Köln NJW-RR 1995, 1039, 1040. 93 BLAH, § 842 ZPO Rz. 1. 94 MüKoZPO/Smid, § 842 Rz. 4; StJ/Brehm, § 842 Rz. 1.

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nach Rechtsverlust gegenüber dem Drittschuldner einen Schadenersatzanspruch gegen den Gläubiger. Ähnliches gilt übrigens für § 841 ZPO. Die Vorschrift regelt zwar eine Pflicht, genaugenommen im Klage-, nicht im Vollstreckungsverfahren. Verkündet aber der Gläubiger entgegen § 841 ZPO dem Schuldner den Streit nicht, wenn er den Drittschuldner verklagt, kommt allenfalls ein Schadenersatzanspruch des Schuldners gegen den Gläubiger in Betracht.95 bb) Mitwirkungspflicht im Vorfeld der Handlungsvollstreckung nach § 887 ZPO Ferner wird vertreten, der Gläubiger habe unter Umständen eine Mitwirkungspflicht im Vorfeld der Handlungsvollstreckung nach § 887 ZPO; so habe er ggf. Pläne zu erstellen, Vorarbeiten durchführen zu lassen und Genehmigungen einzuholen.96 Aber auch diese Pflicht wirkt sich bei § 765a ZPO nicht aus. Es ist nämlich bei besagten Einwendungen bereits der Antrag nach § 887 ZPO zurückzuweisen. Erforderlich wäre nämlich, dass der Schuldner seine Verpflichtung nicht erfüllt, was voraussetzt, dass er die Möglichkeit dazu hat. Mangels Mitwirkung des Vollstreckungsgläubigers scheidet eine solche Möglichkeit aus. Ergeht der Ermächtigungsbeschluss nach § 887 Abs. 1 ZPO, obgleich der Gläubiger gegen seine Mitwirkungspflicht verstoßen hat, kommt die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO in Betracht.97 b) Meinungsstreit zur Auswirkung schuldhafter Pflichtverletzungen aa) Ansichten in der Literatur Soweit die Verschuldensproblematik überhaupt diskutiert wird, vertritt die Literatur zum Teil, dass das Verschulden des Gläubigers bei § 765a ZPO im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen sei.98 Zum Teil wird dagegen behauptet, Verschulden des Gläubigers spiele gar keine Rolle99 bzw. dass es neben den Fällen böswilliger und schikanöser Rechtsausübung auf ein verwerfliches, subjektiv unzulässiges Verhalten des Gläubigers nicht ankomme.100

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BLAH, § 841 Rz. 3; MüKoZPO/Smid, § 841 Rz. 5. StJ/Brehm, § 887 Rz. 22; Pastor, in: Werner/Pastor, Bauprozess, Rz. 3229 ff. 97 Musielak/Lackmann, § 887 Rz. 21; im Zweifel bei Unmöglichkeit § 767 ZPO: BLAH, § 887 Rz. 16; MüKoZPO/Gruber, § 887 Rz. 41. 98 Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 43 Rz. 13; Musielak/Lackmann, § 765a Rz. 6, 10; StJ/Münzberg, § 765a Rz. 6. 99 Lackmann, ZVR, Rz. 478; vgl. auch Hippler, in: Dierck/Morvilius/Vollkommer, Kap. 6 Rz. 86. 100 Behr, KJ 1980, 156, 162. 96

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

bb) Rechtsprechung Die Rechtsprechung hat sich selten mit Fällen des Gläubigerverschuldens zu befassen. In der Regel wird auch nur von einem zweckwidrigen, für den Voll­ streckungsschuldner nachteiligen Verhalten gesprochen. Ohne dass die Rechtsprechung die subjektive Komponente aufgreift, wird die sittenwidrige Härte aus den ganz besonderen Umständen hergeleitet.101 Teilweise ist die Rede davon, dass aufgrund des Verhaltens des Vollstreckungsgläubigers die Interessenabwägung dazu führe, dass die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung untragbar erscheine.102 Das deutet darauf hin, dass auch dem schuldhaften Verhalten des Vollstreckungsgläubigers Bedeutung beigemessen wird. Zudem spricht die Rechtsprechung selbst von „Mitwirkungspflichten“ des Gläubigers103; ein Verstoß dagegen muss auf Grundlage subjektiver Kriterien zugerechnet werden. cc) Stellungnahme Der Literaturmeinung, nach der das Verschulden des Vollstreckungsgläubigers ohne Belang sei, kann aus den bereits o. g. Gründen nicht gefolgt werden. Zumindest das Interessengefüge wird auch durch ein schuldhaftes Verhalten des Voll­ streckungsgläubigers beeinflusst, weshalb es zwingend zu berücksichtigen ist. Geht man mit der weiteren Literaturmeinung aber davon aus, dass Verschulden des Vollstreckungsgläubigers als ein Gesichtspunkt unter vielen in die Interessen­abwägung einfließt, führt das allein noch nicht zu einem sachgerechten Ergebnis. Ergeben sich nämlich aus der Vollstreckungsmaßnahme isoliert betrachtet keine atypischen Folgen, scheidet eine (einstweilige) Einstellung nach § 765a Abs. 1 S. 1 ZPO bereits von vornherein aus. Weil es nicht zu einer Interessenabwägung kommt, bleibt das Verschulden des Vollstreckungsgläubigers in diesem Fall gänzlich unberücksichtigt. Ein solches Ergebnis ist aber mit dem Sinn und Zweck des § 765a ZPO nicht vereinbar; denn diese Vorschrift garantiert einen Mindestschutz, der nicht mehr gewährleistet wäre, wenn der Vollstreckungsgläubiger es in der Hand hätte, die Interessen des Vollstreckungsschuldners in nicht unerheblichem Maße zu beeinträchtigen. Vielmehr begründet eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vollstreckungsgläubigers einen Härtefall, der auch auf besonderen Umständen beruht. Das gilt jedoch nur dann, wenn es sich um eine Pflicht handelt, bei der ein Verstoß dagegen nicht bereits von anderen Rechtsnormen erfasst wird. Zum Beispiel kommt im Falle der schuldhaft zögerlichen Beitreibung nur ein Schadenersatzanspruch des Schuldners nach § 842 ZPO in Betracht. Kümmert sich der Gläubiger, der einen Titel auf Vornahme einer vertretbaren Handlung erwirkt hat, nicht um die Durchführung bestimmter Vorarbeiten oder holt er etwaige Genehmigungen nicht ein, ist der Antrag 101

OLG Koblenz, Rpfleger 1985, 499, 500. OLG Köln NJW-RR 1995, 1039, 1040. 103 OLG Koblenz, Rpfleger 1985, 499, 500. 102

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des Gläubigers nach § 887 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Ein auf besonderen Umständen beruhender Härtefall i. S. v. § 765a Abs. 1 ZPO liegt dagegen vor, wenn der Räumungsgläubiger durch schuldhaftes Verhalten die Bemühungen des Schuldners, eine neue Wohnung zu finden, vereitelt, weil er potentielle neue Vermieter anspricht und den Schuldner zielgerichtet „anschwärzt“. Liegt ein auf besonderen Umständen beruhender Härtefall vor und ist damit die erste Hürde genommen, kann das Verschulden des Vollstreckungsgläubigers auf der zweiten Ebene bei der Abwägung ins Verhältnis zu seinen ebenso schutzwürdigen Eigeninteressen gesetzt werden. Trifft auch den Vollstreckungsschuldner ein Verschulden, sind i. R. d. Interessenabwägung die jeweiligen Verschuldensanteile zu vergleichen. Weil die Interessen des Vollstreckungsgläubigers aufgrund des titulierten Anspruchs grundsätzlich überwiegen, ist der Vollstreckungsschutz bei ungefähr gleichwertigen Verschuldensanteilen oder bei einem nur geringfügigen Überwiegen des Gläubigerverschuldens zu versagen (und auch dann, wenn das Verschulden des Vollstreckungsschuldners überwiegt). Die Rechtsprechung, die ohnehin den Verschuldensbegriff bei § 765a ZPO nur selten gebraucht, auch angesichts des Verhaltens des Schuldners, hat das Verschulden des Gläubigers der Prüfungsstruktur des § 765a ZPO dogmatisch nicht ein­ deutig zugeordnet. Es sprechen nach alledem aber auch keine besonderen Gründe gegen obenstehende Lösung. Entscheidend wird an dieser Stelle sein, dass die Rechtsprechung die Anforderungen an das Verhalten des Gläubigers künftig konkretisiert. Denn die Aussage, der Gläubiger werde als Herr des Vollstreckungsverfahrens nicht von jeder Rücksicht dem Schuldner gegenüber frei104, ist zu unbestimmt. 3. Zusammenfassung Das Verschulden des Vollstreckungsgläubigers begründet immer einen Härtefall, fließt sodann aber in die Interessenabwägung ein. Das Verschulden des Vollstreckungsschuldners fließt ebenfalls in die Interessenabwägung ein. Im Rahmen der Interessenabwägung ist die schuldhafte Pflichtverletzung nur ein Kriterium neben anderen. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Grundrechte des Vollstreckungsgläubigers und des Vollstreckungsschuldners. Aufgrund der offenen Interessenabwägung sind die rechtlichen Konsequenzen schuldhaften Verhaltens nicht verallgemeinerungsfähig, sondern einzelfallabhängig. Durch das Verschulden wird der Verstoß gegen prozessuale/vollstreckungsrechtliche Pflichten (und Obliegenheiten) dem Handelnden zugerechnet. Sowohl den Vollstreckungsschuldner als auch den Vollstreckungsgläubiger treffen verschieden Mitwirkungspflichten. 104

Alisch, Rpflger 1986, 62.

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

Im Falle schuldhaften Verhaltens des Vollstreckungsschuldners kann niemals das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nach § 765a ZPO entfallen, weil immer eine Interessenabwägung auf Ebene der Begründetheit vorzunehmen ist. Der Antrag könnte demnach allenfalls als unbegründet, nicht aber als unzulässig zurückgewiesen werden.

II. Zur Zulässigkeit des Antrags bei der Räumungsvollstreckung, § 765a Abs. 3 ZPO Gemäß § 765a Abs. 3 ZPO ist in Räumungssachen der Schutzantrag nach Abs. 1 der Vorschrift spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war. Nur im Falle schuldhafter Säumnis ist der Antrag unzulässig. Schuldhaft handelt auch derjenige, der zwar bettlägerig ist, sich aber nicht – soweit möglich – der Hilfe eines Angehörigen bzw. eines Rechtsanwaltes bedient.105 § 765a Abs. 3 ZPO ist regelungstechnisch vergleichbar mit dem § 233 ZPO. Soweit die Zulässigkeit des Antrags und damit der Vollstreckungsschutz von einem Verstoß gegen die Obliegenheit zur rechtzeitigen Geltendmachung der schutzwürdigen Interessen und von schuldhaftem Verhalten abhängig ist, wollen Teile der Literatur den Anwendungsbereich der Norm zu Recht einschränken. Unabhängig von einer schuldhaften oder nicht schuldhaften Säumnis ist der Schutzantrag demnach immer dann zulässig, wenn die Verletzung wichtiger Grundrechte droht, z. B. im Falle einer schweren gesundheitlichen Beeinträchtigung.106 Dies ist auch konsequent unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH, wenngleich es sich um Rechtsprechung zu anderen Themenkreisen handelt. Der BGH hat entschieden, dass der Vollstreckungsschuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens trotz des Umstandes, dass die Antragsbefugnisse auf den Verwalter übergegangen sind, selbst einen Schutzantrag nach § 765a ZPO stellen kann, wenn Gefahr für Leib und Leben (Suizidgefahr) besteht.107 Aus demselben Grund soll ein Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a Abs. 1 ZPO in der Zwangsversteigerung entgegen den §§ 100, 83 Nr. 6 ZVG auch noch nach Erteilung des Zuschlags möglich sein und zur Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses und zur einstweiligen Einstellung des Verfahrens führen können.108 Die verfassungsrechtlichen Erwägungen, die der BGH jeweils anstellt, machen es ebenfalls erforderlich, vom Fristerfordernis nach § 765a Abs. 3 ZPO abzuweichen.109 105

OLG Köln, NJW-RR 2001, 226. Hk-ZV/Bendtsen, § 765a Rz. 66; Münzberg, FS Lüke, S. 525, 541; Musielak/Lackmann, § 765a Rz. 20; Schmid, WM 2010, 2108, 2110. 107 BGH NJW 2009, 1283, 1284. 108 BGH NJW 2006, 505, siehe dazu Walker, JZ 2011, 453, 456. 109 Dazu schon Münzberg, FS Lücke, S. 525, 541. 106

E. § 767 ZPO – Vollstreckungsabwehrklage

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E. § 767 ZPO – Vollstreckungsabwehrklage Einwendungen, die den im Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, können im Wege der Klage beim Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend gemacht werden. Verschulden kann auf materiell-rechtlicher Ebene eine Rolle spielen, etwa dann, wenn die Einrede nach § 275 Abs. 2 BGB erhoben wird. Nach § 275 Abs. 2 S. 2 BGB ist bei Geltendmachung des Leistungshindernisses (grob unverhältnismäßiger Aufwand) zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat. Es soll aber nicht näher auf das materielle Recht eingegangen werden. Vielmehr soll das Verschuldenserfordernis im Hinblick auf die Präklusionsvorschriften (§ 767 Abs. 2, 3 ZPO) einmal näher beleuchtet werden. Das hängt unmittelbar mit der Frage zusammen, ob es für die Präklusion auf die Kenntnis des Vollstreckungsschuldners (oder auf das Kennenmüssen der Einwendung) ankommt.

I. Verschulden bei der Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO110 Gemäß § 767 Abs. 2 ZPO sind nach allgemeiner Ansicht solche Einwendungen ausgeschlossen, die bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung hätten geltend gemacht werden können, und zwar unabhängig davon, ob dies dem Schuldner möglich war oder nicht, unabhängig also von der Kenntnis.111 Dem ist zum Schutz der Rechtskraft beizupflichten. Das bedeutet aber, dass es auf eine schuldhafte Säumnis des Vollstreckungsschuldners nicht ankommt. Anders verhält es sich mit Einwendungen, die sich im Zusammenhang mit Gestaltungsrechten ergeben. Zwar kommt es nach der Rechtsprechung bei Gestaltungsrechten allein auf die objektive Ausübungsbefugnis an, nicht darauf, ob das Gestaltungsrecht ausgeübt wurde oder ob es mangels Kenntnis noch nicht ausgeübt werden konnte.112 Verschulden ist nach dieser – nur vereinzelt von der Literatur113 geteilten – Ansicht nicht relevant. Jedoch treten die Rechtsfolgen erst mit Ausübung des Gestaltungsrechtes ein, so dass vorher eine Einwendung i. S. v. § 767 Abs. 1, 2 ZPO noch gar nicht vorliegt.114 Warum eine Klage nach § 767 ZPO Erfolg haben soll, wenn der titulierte Anspruch durch Erfüllung nachträglich erlischt (§ 362 BGB; auch diese Möglichkeit kann der Vollstreckungsschuldner schon vorher gehabt ha 110

Vgl. den fünften Fall in Einführung. U. a. BAG NJW 1980, 141, 143; BGH WuM 2010, 631; NJW 1994, 2769, 2770; NJW 1973, 1328; BLAH, § 767 Rz. 52; Brox/Walker, ZVR, Rz. 1342; Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 40 Rz. 54 f.; MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann, § 767 Rz. 77; Musielak/ Lackmann, § 767 Rz. 33; Schuschke/Walker/Raebel, § 767 Rz. 32, siehe auch Rz. 43; StJ/Münzberg, § 767 Rz. 30, Zöller/Herget, § 767 Rz. 14; vgl. zudem BGH NJW-RR 2012, 304 f. 112 U. a. BGH NJW 2005, 2926, 2927; vgl. auch Zöller/Herget, § 767 Rz. 14 m. w. N. 113 Beck, NJW 2006, 336, 337 f. 114 U. a. Brox/Walker, ZVR, Rz. (1345), 1346; Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 40 Rz. 62; StJ/Münzberg, § 767 Rz. 32. 111

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

ben), nicht aber dann, wenn statt der Leistung die Aufrechnung erklärt (§ 387 BGB, Erfüllungssurrogat) und dadurch der Vollstreckungsgläubiger befriedigt wird, erschließt sich nicht.115 Weder in dem einen, noch in dem anderen Fall drohen unhaltbare Zustände; von Aushöhlung der Rechtskraft kann nicht die Rede sein. Nicht überzeugen kann aber eine Lösung, die im Hinblick auf die Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO allein auf die Ausübung des Gestaltungsrechtes abstellt116; denn dann hätte es der Vollstreckungsschuldner in der Hand, in Zusammenhang mit der Klage nach § 767 ZPO über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung selbst zu „entscheiden“ und den Vollstreckungsgläubiger, der zunächst einmal Vorschuss zu leisten hat, unnötig in die Kosten zu treiben. Weil es überdies dem Grundsatz der effektiven Zwangsvollstreckung widerspräche, wenn der Vollstreckungsschuldner die Möglichkeit hätte, mit der Ausübung des Gestaltungsrechtes beliebig lange abzuwarten, ist der Ansicht zu folgen, nach welcher der Vollstreckungsschuldner die erste sich bietende Möglichkeit zur Ausübung des Gestaltungsrechtes nutzen muss. Zu Recht wird in diesem Zusammenhang auf die allgemeine Prozessförderungspflicht hingewiesen.117 Zum Teil werden auch die §§ 296, 529 ff. ZPO für anwendbar gehalten118; für die Aufrechnung gelte § 533 ZPO.119 Richtigerweise ist aber, ohne dass auf das Berufungsrecht abzustellen ist (auch § 296 ZPO findet mangels Fristsetzung keine Anwendung), § 767 Abs. 2 ZPO ergänzend auszulegen. Einwendungen sind nur dann präkludiert, wenn gegen die Prozessförderungspflicht schuldhaft verstoßen wird. Die Prozessförderungspflicht folgt im Erkenntnisverfahren aus dem Prozessrechtsverhältnis, nachfolgend (was die Zwangsvollstreckung betrifft) aus dem Vollstreckungsrechtsverhältnis. Genaugenommen handelt es sich nicht um eine Pflicht im engeren Sinne, sondern um eine Obliegenheit des Schuldners. Dass nur der schuldhafte Verstoß zum Ausschluss der Rechte führt, sieht das Verspätungsrecht auch sonst vor (vgl. u. a. §§ 233, 296 Abs. 1 ZPO). Für die Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO kommt es mithin darauf an, ob die die Obliegenheit zur rechtzeitigen Geltendmachung eigener Rechte seitens des Vollstreckungsschuldners schuldhaft verletzt wurde, ob er also beispielsweise in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Aufrechnungslage (bzw. der Gegenforderung) noch längere Zeit zugewartet hat120, um sich etwa das Gestaltungsrecht für die Zeit nach dem Prozess aufzubewahren oder zulasten des Vollstreckungsgläubigers weitere Kosten zu provozieren (zu Letzterem vgl. auch § 226 BGB). Hat der 115

Anders: Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 40 Rz. 70. So aber früher noch: Lent, DR 1942, 868 ff.; Rosenberg, ZVR (9. Aufl. 1961), § 183 III 2a; Bruns/Peters, ZVR (3. Aufl. 1987), § 15 I 3; Baumann/Brehm, ZVR, § 13 III 2 c α (S. 217). 117 Baur/Stürner/Bruns, ZVR, 45.14; Jauernig/Berger, ZVR, § 12 Rz. 14; siehe auch Brox/ Walker, ZVR, Rz. 1345 mit Hinweis auf einige Vertreter der h. M. (dazu m. w. N.) und mit Hinweis auf die §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1, 340 Abs. 3, 697 Abs. 3, 296 Abs. 2, 531 Abs. 2 ZPO. 118 StJ/Münzberg, § 767 Rz. 35. 119 Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 40 Rz. 71 f.; Jauernig/Berger, ZVR, § 12 Rz. 14. 120 Vgl. OLG Stuttgart, NJW 1955, 1562, dass über eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zu entscheiden hatte und auf die Kenntnis vom Anfechtungsgrund abstellte. 116

E. § 767 ZPO – Vollstreckungsabwehrklage

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Vollstreckungsschuldner die Prozessförderungspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt, ist die Vollstreckungsabwehrklage als unbegründet abzuweisen. Weil der Vollstreckungsschuldner (Kläger) die Einwendungen darzulegen und zu beweisen hat und auch die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass keine Präklusion eingetreten ist, hat er sich selbst zu entlasten und darzutun, dass etwa die Aufrechnungslage erst nach dem Prozess eingetreten ist oder dass er jedenfalls ohne schuldhaftes Zögern die Aufrechnung erklärt hat.121

II. Verschulden bei der Präklusion nach § 767 Abs. 3 ZPO Nach § 767 Abs. 3 ZPO ist der Vollstreckungsschuldner im Falle einer erneuten Vollstreckungsgegenklage mit solchen Einwendungen präkludiert, die er bereits im Rahmen einer früheren Vollstreckungsgegenklage hätte geltend machen können (sog. Bündelungsgebot). Streitig ist, ob die rein objektive Möglichkeit der Geltendmachung im früheren Prozess genügt oder die Präklusion ein schuldhaftes Verhalten des Vollstreckungsschuldners voraussetzt. Nach Ansicht des BGH komme es darauf an, wann die Einwendung entstanden sei, und zwar unabhängig davon, ob das Vorbringen schuldhaft versäumt wurde oder nicht122; dies lasse sich aus § 767 Abs. 2 ZPO herleiten.123 Auch Teile der Literatur halten jedwede Einwendung, mithin auch schuldlos versäumte Einwendungen im erneuten Prozess für ausgeschlossen.124 Dagegen spricht sich die h. M. in der Literatur für das Verschuldenserfordernis aus; der Vollstreckungsschuldner dürfe sich im Verfahren nach § 767 ZPO auf schuldlos versäumte Einwendungen stützen und sei nur im Falle von Verschulden präkludiert.125 Auszugehen ist zunächst vom Zweck der Vorschrift. Durch das Bündelungs­ gebot soll vermieden werden, dass der Vollstreckungsschuldner das Zwangsvollstreckungsverfahren (missbräuchlich) verschleppt.126 Der Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens knüpft hier aber weniger an einen Verstoß gegen die Obliegenheit zur rechtzeitigen Geltendmachung aller Einwendungen im ersten Prozess127 an, sondern vielmehr an den Verstoß gegen die allgemeine Prozessförderungspflicht (§ 242 BGB i. V. m. dem Vollstreckungsrechtsverhältnis) dergestalt, 121

Vgl. Becker, AcP 188 (1988), 24, 49. BGH NJW-RR 1987, 59; NJW 1973, 1328. 123 BGH NJW 1973, 1328. 124 BLAH, § 767 Rz. 58; Geißler, NJW 1985, 1865, 1868; Schuschke/Walker/Raebel, § 767 Rz. 43. 125 Brox/Walker, ZVR, Rz. 1357; Burgard, ZZP 106 (1993), 23, 44 f; Gaul, in: Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard, ZVR, § 40 Rz. 116; Hk-ZPO/Kindl, § 767 Rz. 24; MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann, § 767 Rz. 87; Musielak/Lackmann, § 767 Rz. 42; StJ/Münzberg, § 767 Rz. 52; siehe auch schon Zeuner, ZZP 74 (1961), 190, 192 m. w. N. 126 Burgard, ZZP 106 (1993), 23, 44; Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 40 Rz. 116. 127 BGH NJW 1990, 2280, 2281. 122

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

dass durch eine nachträgliche Geltendmachung das Verfahren in unzumutbarer Weise verzögert wird; die Pflichtverletzung bedarf der Zurechnung, so dass Vorsatz oder wenigstens Fahrlässigkeit erforderlich sind.128 Gegen die Nichtberücksichtigung von Verschulden129 werden teilweise verfassungsrechtliche Bedenken geäußert, insbesondere im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG.130 Zum Teil wird auch darauf hingewiesen, dass eine Präklusion nach rein objektiven Kriterien nicht dem Willen des historischen Gesetzgebers entspreche.131 Dass es für die Präklusion nach § 767 Abs. 3 ZPO auf schuldhaftes Handeln ankommt, dafür spricht jedenfalls der Wortlaut der Norm. Es werden nur solche Einwendungen erfasst, die der Vollstreckungsschuldner „geltend zu machen imstande war“.132 Der Einwand, dass „Imstandesein“ auch objektiv verstanden werden könne133, überzeugt nicht. Wenn mit der ganz h. M. davon auszugehen ist, dass es für die Frage, ob der Vollstreckungsschuldner zur Geltendmachung der Einwendungen imstande war, nicht – worauf der Wortlaut hindeutet – auf den Zeitpunkt der Klageerhebung, sondern auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt134, muss davon ausgegangen werden, dass der Vollstreckungsschuldner im Laufe des Prozesses Einwendungen nachschieben darf.135 Darf er dies im ersten Prozess, so erklärt sich nicht, weshalb ihm dies im zweiten Prozess verwehrt sein soll. Rechtskraft tritt nämlich bei einem klageabweisenden Urteil nach § 767 ZPO nur insoweit ein, als in Anbetracht der konkret vorgetragenen Einwendungen die Zwangsvollstreckung für zulässig erachtet wird. Ist aber das Nachschieben von Einwendungen grundsätzlich erlaubt, kann korrigierend nur auf Grundlage eines zusätzlichen Kriteriums eingegriffen werden; daraus resultiert das Verschuldenserfordernis.136 Dies deckt sich schließlich mit dem Zweck der Vorschrift; so wäre selbst im ersten Prozess die nachträgliche Geltendmachung der Einwendung ausgeschlossen, wenn der Vollstreckungsschuldner den Prozess schuldhaft verschleppt.

128

Vgl. Burgard, ZZP 106 (1993), 23, 44. Siehe u. a. Geißler, NJW 1985, 1865, 1868; Zöller/Herget, § 767 Rz. 22. 130 Burgard, ZZP 106 (1993), 23, 42; Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 40 Rz. 116. 131 MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann, § 767 Rz. 87; Otto, Die Präklusion, S. 73. 132 Brox/Walker, ZVR, Rz. 1357. 133 Schuschke/Walker/Raebel, § 767 Rz. 43. 134 BGH NJW 1991, 2280, 2281; BLAH, § 767 Rz. 57; Brox/Walker, ZVR, Rz. 1354; Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 40 Rz. 114; Geißler, NJW 1985, 1865, 1868; Lackmann, ZVR, Rz. 525; ThP/Seiler, § 767 Rz. 23; auch schon: RGZ 55 (1904), 101, 104 f.; Gilles, ZZP 83 (1970), 61, 109; vgl. außerdem Zöller/Herget,§ 767 Rz. 22. 135 Entweder nach der e.A., die – in Anbetracht des zweigliedrigen Streitgegenstands­ begriffs – von einer Klageerweiterung ausgeht, aus Gründen der Sachdienlichkeit (§ 263 ZPO; namentlich zur Vermeidung der Präklusion, so z. B. Geißler, NJW 1985, 1865, 1868 f.), oder nach der a. A. deshalb, weil lediglich die Klagebegründung ausgewechselt wird (dies im Hinblick auf den globalen Streitgegenstandsbegriff). Näher dazu: Brox/Walker, ZVR, Rz. 1355 f. 136 Vgl. MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann, § 767 Rz. 86 f. 129

F. § 771 ZPO − Drittwiderspruchsklage

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III. Zusammenfassung Die Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO setzt nach der hier vertreten Ansicht eine schuldhafte Verzögerung des Verfahrens voraus, soweit dies jedenfalls die Geltend­ machung von Einwendungen aufgrund nachträglich ausgeübter Gestaltungsrechte betrifft. Dass diese zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung schon ausgeübt werden konnten, genügt nicht. Ähnliches gilt für die Präklusion nach § 767 Abs. 3 ZPO; nur der schuldhafte Verstoß gegen das Bündelungsgebot rechtfertigt für den Fall, dass erneut Vollstreckungsabwehrklage erhoben wird, den Ausschluss der Einwendungen.

F. § 771 ZPO − Drittwiderspruchsklage Ein Dritter hat den Widerspruch gegen die Zwangsvollstreckung im Wege der Klage nach § 771 ZPO geltend zu machen, soweit er ein die Veräußerung hinderndes Recht am Gegenstand der Zwangsvollstreckung behauptet. Zuständig ist je nach Streitwert (§§ 23, 71 GVG) das Amts- oder Landgericht, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung erfolgt. Richtiger Klagegegner ist der Vollstreckungsgläubiger.137

I. Verschulden auf materiell-rechtlicher Ebene Verschulden kann auf der materiell-rechtlichen Ebene eine Rolle spielen, etwa dann, wenn der Vollstreckungsgläubiger dem Dritten gegenüber die Einrede nach § 9 AnfG i. V. m. § 3 Abs. 1 AnfG erhebt. Hat nämlich der Dritte das bessere Recht, das infolge einer Rechtshandlung des Vollstreckungsschuldners an den Dritten übertragen und damit dem Vollstreckungszugriff entzogen wurde, in anfechtbarer Weise erlangt, kann er mit der Drittwiderspruchsklage nicht durchdringen. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 AnfG ist die Rechtshandlung anfechtbar, wenn der Vollstreckungsschuldner den Vorsatz hatte, seinen Vollstreckungsgläubiger zu benachteiligen und wenn der Dritte davon wusste. Die Pflicht des Vollstreckungsschuldners, vollstreckbares Vermögen nicht dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen, ergibt sich i.R.d. Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsrechtsverhältnis i. V. m. § 242 BGB (vgl. auch § 850h ZPO), bevor die Zwangsvollstreckung begonnen hat ggf. aus dem Prozessrechtsverhältnis bzw. aus dem materiellen Rechtsverhältnis und § 242 BGB. Inhalt und Umfang der Pflicht bestimmen sich nach dem AnfG. Während der Vollstreckungsschuldner im Falle einer Anfechtung nach § 3 Abs. 1 AnfG vorsätzlich gehandelt haben muss, ist ein Vorsatz des Dritten da 137

MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann, § 771 Rz. 53; Hk-ZV/Handke, § 771 Rz. 39; Musielak/ Lackmann, § 771 Rz. 34.

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

hingehend, den Vollstreckungsgläubiger zu benachteiligen, nicht erforderlich.138 Die Kenntnis von der vorsätzlichen Benachteiligung des Vollstreckungsgläubigers wird zudem vermutet, sofern der Dritte wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Vollstreckungsschuldners drohte und die Handlung den Vollstreckungsgläubiger benachteiligte, § 3 Abs. 1 S. 2 AnfG. Weil es hier auf subjektive Umstände ankommt, ist eine Tendenz zum Verschulden nicht zu leugnen. Allerdings fehlt es an einer Rechtspflicht des Dritten, soweit nämlich im Zeitpunkt der Rechtshandlung zwischen ihm und dem Vollstreckungsgläubiger kein Rechtsverhältnis existierte. Aus diesem Grund kann von dem Dritten auch nicht verlangt werden, dass er von vornherein auf eine Klage nach § 771 ZPO verzichtet, zumal der Erfolg der Klage davon abhängt, ob der Vollstreckungsgläubiger die Einrede nach § 9 AnfG erhebt. Erhebt der Vollstreckungsgläubiger die Einrede etwa mangels Kenntnis von den Umständen nicht, bleibt ihm später lediglich die Möglichkeit, Schadenersatzansprüche gegen den Vollstreckungsschuldner und u. U. gegen den Dritten nach §§ 823, 826 BGB geltend zu machen. Erhebt der Vollstreckungsgläubiger die Einrede jedoch und dringt er damit durch, wird die Drittwiderspruchsklage als un­ begründet abgewiesen.

II. Verschulden auf verfahrensrechtlicher Ebene Das Verschulden könnte ferner auf verfahrensrechtlicher Ebene von Belang sein, nämlich dann, wenn der Dritte durch das späte Einlegen der Drittwiderspruchsklage das Vollstreckungsverfahren verzögert. Die vorsätzliche oder fahrlässige Säumnis hat jedoch in Bezug auf die Pfändung schuldnerfremder Sachen keine Genehmigungsfunktion. Wird die Drittwiderspruchsklage schuldhaft nicht erhoben, liegt allein darin keine Genehmigung i. S. v. § 185 Abs. 2 S. 1 BGB.139 Der Dritte könnte sein Klagerecht lediglich verwirken, was neben dem Zeit­ moment auch ein Umstandsmoment voraussetzt. Daran wird es häufig fehlen. Zudem könnte das Rechtsschutzbedürfnis wegen rechtsmissbräuchlichem Verhalten ausscheiden, was dann anzunehmen sein wird, wenn der Dritte mit Schädigungsabsicht handelt, etwa indem er hohe Kostenvorschüsse seitens des Vollstreckungsgläubigers provoziert, um dann Drittwiderspruchsklage einzulegen, § 226 BGB.

G. § 803 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 ZPO – Pfändungsverbote § 803 ZPO schränkt in Abs. 1 S. 2 und in Abs. 2 die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen ein. Es handelt sich um Pfändungsverbote.

138

Hk-ZV/Haertlein, § 3 AnfG Rz. 18. BGH, Urt. v. 2.7.92 – IX ZR 274/91; a. A. Schmidt, ZZP 87 (1974), 316, 322.

139

G. § 803 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 ZPO – Pfändungsverbote

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Nach § 803 Abs. 1 S. 2 ZPO darf die Pfändung nicht weiter ausgedehnt werden, als es zur Befriedigung des Gläubigers und zur Deckung der Kosten der Zwangsvollstreckung erforderlich ist (Verbot der Überpfändung). Der Vollstreckungsanspruch reicht nur soweit, wie es der Titel i. V. m. § 788 ZPO rechtfertigt. Ob eine Überpfändung zu besorgen ist, ergibt sich aus dem Vergleich des voraussichtlichen Erlöses, der nicht selten deutlich geringer sein wird als der Schätzwert (§ 813 ZPO), mit dem zu vollstreckenden Gesamtbetrag nebst Zinsen und Kosten.140 Bei der Überpfändung handelt es sich um einen gesetzlich geregelten Fall der unzulässigen Rechtsausübung, der auf einer vom Gesetzgeber vorweggenommenen objektiven Interessenabwägung beruht. Das Interesse des Schuldners geht vor, wenn die konkrete Pfändungsmaßnahme im Einzelfall nicht erforderlich ist, weil durch einen weniger schwerwiegenden Eingriff dem Vollstreckungsinteresse des Gläubigers ebenfalls gedient wäre. Verschulden wird auf Tatbestandsebene nicht vorausgesetzt. Nach § 803 Abs. 2 ZPO hat die Pfändung zu unterbleiben, wenn sich von der Verwertung der zu pfändenden Gegenstände ein Überschuss über die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht erwarten lässt (Verbot der zwecklosen Pfändung). Dadurch soll der Schuldner vor dem Verlust eines Vermögensgegenstandes geschützt werden, bei dessen Verwertung eine Befriedigung des Gläubigers nicht zu erwarten ist141; zudem bleiben dem Gläubiger unnötige Kosten erspart.142 Auch hier ist der zu erwartende Erlös zu schätzen und mit den Kosten zu vergleichen. Es handelt sich ebenfalls um einen gesetzlich geregelten Fall der unzulässigen Rechtsausübung, dem der Gedanke zugrunde liegt, dass ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers fehlt, wenn ein Überschuss über die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht erzielt wird. Auch hier wird Verschulden (unstreitig) nicht vorausgesetzt. Verschulden spielt erst auf materiell-rechtlicher Ebene eine Rolle. § 803 Abs. 1 S. 2 ZPO ist ein Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB.143 Das Gleiche gilt für § 803 Abs. 2 ZPO.144

140

StJ/Münzberg, § 803 Rz. 25; Brox/Walker, ZVR, Rz. 346 ff.; vgl. Schuschke/Walker/Walker, § 803 Rz. 2. 141 BGH NJW 2002, 3178, 3179; Brehm, DGVZ 1985, 65; Brox/Walker, ZVR, Rz. 355; Hk-ZPO/Kemper, § 803 Rz. 15; Schuschke/Walker/Walker, § 803 Rz. 5; Stürner, ZZP 99 (1986), 291, 318 f.; Zöller/Stöber, § 803 Rz. 9; siehe ferner MüKoZPO/Gruber, § 803 Rz. 69. 142 BGH NJW 2002, 3178, 3179; Schuschke/Walker/Walker, § 803 Rz. 5; StJ/Münzberg, § 803 Rz. 34; Zöller/Stöber, § 803 Rz. 9. 143 BGH NJW 1985, 1155, 1157; RGZ Bd. 143 (1934), 118, 123; BLAH, § 803 Rz. 11; ­MüKoZPO/Gruber, § 803 Rz. 67; Musielak/Voit/Becker, § 803 Rz. 16; Schuschke/Walker/Walker, § 803 Rz. 3; Zöller/Stöber, § 803 Rz. 5. 144 Musielak/Voit/Becker, § 803 Rz. 16.

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

H. §§ 811 ff. ZPO – Sachpfändung/Vollstreckungsschutz I. § 811 ZPO Bei der Vollstreckung in bewegliche Sachen sind nach § 811 Abs. 1 ZPO bestimmte Sachen der Pfändung nicht unterworfen. Ein Verstoß gegen das gesetz­ liche Pfändungsverbot führt aber nicht zur Nichtigkeit der Pfändung; die Maßnahme ist anfechtbar (§ 766 ZPO).145 Fraglich ist, ob Verschulden auf Tatbestandsebene eine Rolle spielt. Unabhängig von der Frage, ob Rechtsmissbrauch im Einzelfall schuldhaftes Verhalten voraussetzt oder nicht, soll es hier darum gehen, ob die Norm Tatbestandsmerkmale enthält, die es ermöglichen, Verschulden zu berücksichtigen. Zunächst ist festzustellen, dass an keiner Stelle des § 811 Abs. 1 ZPO Verschulden als tatbestandliche Voraussetzung genannt wird. Es kommt dem Wortlaut nach nicht darauf an, ob der Vollstreckungsschuldner schuldlos in Not geraten ist, dass er also die Umstände nicht zu vertreten hat, die den Pfändungsschutz begründen. Die Verschuldensfrage wird dementsprechend gar nicht gestellt, weder von der Literatur noch von der Rechtsprechung. Zwar deutet die Terminologie, auf den ersten Blick in Anlehnung an die Verschuldensformen des § 276 Abs. 1 BGB, vereinzelt darauf hin. So wird auf die Gefahr einer Manipulation durch vorsätzliches Herbeiführen der Voraussetzungen des § 811 ZPO hingewiesen.146 Außerdem könne derjenige, der den Gläubiger vorsätzlich schädigt, indem er auf den Pfändungsschutz verzichtete um sich später im gerichtlichen Verfahren doch darauf zu berufen, den Schutz des Gesetzes nicht in Anspruch nehmen.147 Damit werden aber einzelne Formen des Rechtsmissbrauchs gekennzeichnet. Wer vorsätzlich handelt, verhält sich unredlich; in diesem Zusammenhang wird nicht näher beschrieben, welche Rechtspflicht verletzt sein soll. Die Korrektur erfolgt nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, aber außerhalb des Normtatbestandes. Das soll an dieser Stelle nicht interessieren. Auf den Rechtsmissbrauch wird später noch einzugehen sein. Regelmäßig kann aber Verschulden bereits auf Tatbestandsebene bei einer Interessenabwägung berücksichtigt werden (siehe z. B. § 765a ZPO). Auf den ers 145 Ganz h. M., in der Ausgestaltung aber unterschiedlich: e.A. (Verstrickung/Pfändungspfandrecht wirksam): BLAH, § 811 Rz. 4 und Übers § 803 Rz. 6, 8; Gerhardt, Vollstreckungsrecht, S. 83; Schuschke/Walker/Walker, § 811 Rz. 12 (siehe dazu auch Brox/Walker, ZVR, Rz. 305); StJ/Münzberg, § 811 Rz. 22; ThP/Seiler, § 811 Rz. 6 und § 804 Rz. 5; Zöller/Stöber, § 811 Rz. 38 und § 804 Rz. 3; vgl. ferner FG Köln, EFG 1991, 301; a. A. (wirksame Verstrickung, aber kein Pfändungspfandrecht, gleichwohl Pfändung nur anfechtbar): MüKo/Gruber, § 811 Rz. 22; Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 52 Rz. 16; Musielak/ Becker, § 811 Rz. 33 und § 804 Rz. 5; nicht eindeutig: Hilzinger, in: Dierck/Morvilius/Vollkommer, Kap. 3 Rz. 336 und Rz. 157, 159. 146 MüKoZPO/Gruber, § 811 Rz. 19; vgl. ferner Schuschke/Walker/Walker, § 811 Rz. 10. 147 BayObLG NJW 1950, 697, 699; vgl. ferner OLG Frankfurt NJW 1953, 1835, 1836; ThP/ Seiler, § 811 Rz. 5.

H. §§ 811 ff. ZPO – Sachpfändung/Vollstreckungsschutz

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ten Blick sieht § 811 Abs. 1 ZPO eine solche Interessenabwägung nicht vor. Die Vorschrift enthält keine Abwägungsklausel. Ob und in welcher Form eine Interessenabwägung dennoch stattzufinden hat, ist jedoch streitig. Die Rechtsprechung nimmt eine Interessenabwägung auf horizontaler Ebene vor. Sie legt die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 811 Abs. 1 ZPO aus und klärt die Fragen, was z. B. eine „angemessene, bescheidene Lebens- und Haushaltsführung“ ist (§ 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), welche Gegenstände „zur Fortsetzung … (der) Erwerbstätigkeit“ erforderlich (§ 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) oder welche Hilfsmittel notwendig sind (§ 811 Abs. 1 Nr. 12 ZPO), auf Grundlage einer Abwägung der beidseitigen Interessen von Gläubiger und Schuldner.148 Der Lösungsansatz der Rechtsprechung ist nicht ohne Kritik geblieben. Nach abweichender Ansicht habe zwar die Auslegung der Rechtsbegriffe auf Grundlage einer Interessenabwägung zu erfolgen; es seien aber die öffentlichen Interessen mit denen des Gläubigers ins Verhältnis zu setzen.149 Die Literatur befasst sich mit der Problematik der Interessenabwägung kaum. Die unbestimmten Rechtsbegriffe werden auf die Notwendigkeit zurückgeführt, die Pfändungsverbote mit dem ständigen gesellschaftlichen Wandel fortentwickeln zu müssen.150 Im Einzelfall wird auf die persönlichen Lebensumstände des Schuldners oder dessen Familie, soweit auch diese vom Schutzbereich erfasst ist, abgestellt. Es komme z. B. auf das Alter, den Gesundheitszustand, die berufliche Stellung, den Familienstand und die Zahl der Familienangehörigen an.151 Die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe habe sich am SGB II und XII zu orientieren (früher BSHG).152 Vereinzelt wird darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen konkretisiert habe.153 Die gesetzgeberische Entscheidung dürfe nicht durch eine freie Abwägung überspielt oder ersetzt werden; Umstände, die der Gesetzgeber nicht berücksichtigt habe, dürfe man nicht in die Auslegung einfließen lassen.154 Dem ist zuzustimmen. Eine offene Interessenabwägung auf horizontaler Ebene im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner kommt nicht in Betracht. Sie scheidet auch dort aus, wo unbestimmte Rechtsbegriffe der Auslegung bedürfen. Für die Auslegung ist auf den Sinn und Zweck der Norm abzustellen.155 § 811 ZPO 148

BGH NJW-RR 2004, 789, 790; OLG Köln NJW-RR 1986, 488; OLG Frankfurt NJW 1970, 152, 153; vgl. ferner LG Cottbus NJOZ 2004, 309, 310. 149 Sauer, KTS 2004, 417, 418. 150 Brox/Walker, ZVR Rz. 278; Lackmann, ZVR Rz. 134; Schilken, in: Gaul/Schilken/­BeckerEberhard, ZVR, § 52 Rz. 23; Schuschke/Walker/Walker, § 811 Rz. 2; vgl. BLAH, § 811 Rz. 2; Musielak/Becker, § 811 Rz. 1. 151 MüKoZPO/Gruber, § 811 Rz. 8; Schuschke/Walker/Walker, § 811 Rz. 18. 152 Zu SGB XII: MüKo/Gruber, § 811 Rz. 6; Zöller/Stöber, § 811 Rz. 3; Noch zum BSHG als Auslegungshilfe: Schneider/Becher, DGVZ 1980, 177, 179; aber auch die Rspr., z. B. BGH NJW-RR 2004, 789, 790. 153 MüKoZPO/Gruber, § 811 Rz. 5. 154 MüKoZPO/Gruber, § 811 Rz. 5. 155 Der Wortlaut selbst ist für die Auslegung wenig ergiebig. Die historische Methode scheitert an den sich stetig ändernden Lebensumständen.

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

dient (weitestgehend) dem Schutz öffentlich-rechtlicher Interessen.156 Der Zweck der Vorschrift liegt im Wesentlichen darin, den Staat vor sozialrechtlichen Einstandspflichten zu bewahren.157 Zudem sollen in der Zwangsvollstreckung die gesamtvolkswirtschaftlichen Auswirkungen berücksichtigt werden.158 Ferner liegt der Schutz des Vollstreckungsschuldners im öffentlichen Interesse: die Pfändungsverbote konkretisieren das verfassungsrechtliche Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG) und gewährleisten die Grundrechte aus Art. 1 und Art. 2 GG.159 In Anbetracht dessen hat der Gesetzgeber durch die einzelnen Pfändungsverbote des § 811 Abs. 1 ZPO das Grundrecht des Gläubigers aus Art. 14 GG und den Justizgewährungsanspruch beschränkt, und zwar auch für einige wenige Fälle, in denen es um den Schutz individueller Interessen geht (namentlich § 811 Abs. 1 Nr. 10, 11, 13 ZPO)160, weil auch hier der Grundrechtsschutz, insb. der Schutz der Religionsausübungsfreiheit nach Art. 4 Abs. 2 GG und der Menschenwürde nach Art. 1 GG, jedenfalls aber die Abwehr staatlicher Eingriffe bezweckt ist. Die Entscheidung darüber hat der Gesetzgeber vorweggenommen; sie bleibt nicht dem Normanwender bzw. dem Vollstreckungsorgan vorbehalten. Hat das Vollstreckungsorgan ausnahmsweise einen eigenen „Entscheidungsspielraum“, soweit es um die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe geht, können über die oben genannten Gründe hinaus keine weiteren Aspekte, etwa schuldhaftes Verhalten in die Auslegung einfließen. Vielmehr hat das Vollstreckungsorgan dieselben Maßstäbe anzulegen, wie es der Gesetzgeber getan hat. Zudem folgt aus dem Umstand, dass § 811 Abs. 1 ZPO den Schutz öffentlicher Interessen (auch fiskalischer Art) und der Grundrechte des Vollstreckungsschuldners – unter Berücksichtigung auch der Grundrechte des Vollstreckungsgläubigers – bezweckt, dass gerade solche Umstände eine maßgebliche Rolle spielen, die sich nicht aus dem horizontalen Rechtsverhältnis zwischen Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldner ergeben. Eine offene Interessenabwägung auf dieser Ebene ist also auch aus systematischen Gründen ausgeschlossen. Es werden lediglich die Grundrechte unter Berücksichtigung des Normzwecks einer praktischen Konkordanz zugeführt. Das geschieht nach anderen Regeln, nicht nach denen einer offenen Interessen­ abwägung. Maßgeblich ist für die praktische Konkordanz die Verhältnismäßigkeit des Eingriffes. Sofern insoweit überhaupt von einer „Abwägung“ der Grundrechte gesprochen werden kann, findet diese Abwägung in wesentlich engeren Grenzen statt, als es bei einer offenen Interessenabwägung der Fall ist.

156

OLG Bremen MDR 1952, 237; Brock, DGVZ 1997, 33, 36 ff.; Noack, DGVZ 1969, 113, 114; Ochs, NJW 1959, 180, 181; Schuschke/Walker/Walker, § 811 Rz. 1; teilweise auch Schutz privater Interessen (§ 811 Abs. 1 Nr. 10, 11, 13 ZPO), so jedenfalls Bartels, Rpfleger 2008, 397, 402; Brox/Walker, ZVR, Rz. 302. 157 BGH NJW-RR 2004, 789, 790; siehe auch Beetz, VuR 2011, 276, 277. 158 Vgl. Werner, DGVZ 1986, 49, 55. 159 BGH NJW-RR 2004, 789, 790; vgl. BFH NJW 1990, 1871; MüKoZPO/Gruber, § 811 Rz. 2 m. w. N. 160 Bartels, Rpfleger 2008, 397, 402; Brox/Walker, ZVR, Rz. 302.

H. §§ 811 ff. ZPO – Sachpfändung/Vollstreckungsschutz

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Zwar wird gesagt, es drohe unter Vernachlässigung der Interessen des Gläubigers eine politisierende Wertung, die dem Zwangsvollstreckungsverfahren, das seinerseits als Parteiverfahren ausgestaltet sei, nicht anstehe.161 Es handelt sich aber nur insoweit um ein Parteiverfahren, als die Beteiligten prozessual interagieren. Es handelt sich nicht um ein Parteiverfahren, wenn der Staat Zwangsmaßnahmen trifft, an deren Ausführung wegen des staatlichen Gewaltmonopols Privatleute („Parteien“) nicht beteiligt sind, also dann nicht, wenn der Gerichtsvollzieher die Sachpfändung durchführt oder nach § 811 Abs. 1 ZPO unterlässt. Dass die sozialen Lasten nicht auf den Gläubiger abgewälzt werden dürfen, trägt als rechtliches Argument nur im Fall einer offenen Interessenabwägung (z. B. § 765a Abs. 1 S. 1 ZPO), nicht aber dann, wenn sich der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der sozialen Aufgaben des Staates für eine entgegenstehende Regelung entschieden hat. Dies ist ihm grundsätzlich erlaubt. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen jedenfalls nicht. Werden unbestimmte Rechtsbegriffe entsprechend diesem Konzept ausgelegt, kann eine unsachgemäße, politisierende Wertung nicht unterstellt werden. Zur Bestimmung dessen, was z. B. eine „angemessene, bescheidene Lebensund Haushaltsführung“ ist (§ 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), kommt es nach alledem zum einen darauf an, wieweit im Zweifel die sozialrechtlichen Ansprüche des Schuldners reichen würden (vgl. SGB II, XII), die der Staat vermeiden will. Daraus ergibt sich, dass vergleichbare Gegenstände bei dem einen Schuldner pfändbar sein können162, bei dem anderen nicht; denn der Bedarf und die Bedürftigkeit sind individuell zu beurteilen. Zum anderen kommt es auf die Grundrechte des Schuldners aus Art. 1 und 2 GG an. Das Schutzgefüge wird ergänzt durch das Sozialstaatsprinzip. Keine besondere Berücksichtigung erfahren dagegen die Belange des Gläubigers im Einzelfall, da sie zurücktreten in Anbetracht des Minimalschutzes, der dem Schuldner nicht versagt werden kann, den der Staat aber mit § 811 Abs. 1 ZPO auch gewährleisten will. Dieses Ergebnis deckt sich in der Sache mit dem der Rechtsprechung. Obgleich die Rechtsprechung ausdrücklich eine Interessenabwägung (auf horizontaler Ebene) vollzieht, wird im Einzelfall zur Beurteilung der Pfändbarkeit auf die individuellen Belange des Schuldners abgestellt, etwa darauf, dass er „außergewöhnlich gehbehindert“ ist163 oder dass er nach Pfändung des Fernsehers keine Möglichkeit mehr hat, an rundfunkgebundenen Informationsund Unterhaltungsmöglichkeiten teilzuhaben.164 Dagegen wird lediglich pauschal auf die Gläubigerinteressen bzw. Art. 14 Abs. 1 GG verwiesen. Es findet keine offene Interessenabwägung im eigentlichen Sinne statt; es wird lediglich geprüft, ob die Situation des Vollstreckungsschuldners es gebietet, § 811 ZPO anzuwenden und damit die Gläubigerinteressen zu beschränken (praktische Konkordanz). 161

Gottschalk, DGVZ 1988, 35, 36. Keip, Umfang und Grenzen eines sozialen Schuldnerschutzes in der ­Zwangsvollstreckung, S. 19. 163 BGH NJW-RR 2004, 789, 790. 164 OLG Frankfurt, NJW 1970, 152 f. 162

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

Weil eine Interessenabwägung nicht stattfindet, fehlt eine Grundlage für die Berücksichtigung schuldhaften Verhaltens. Es wird lediglich unter rein öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten die Schutzwürdigkeit des Schuldners erörtert, was die Berücksichtigung von Verschulden ausschließt. Mithin kommt bei § 811 Abs. 1 ZPO allein eine Korrektur über das Prinzip rechtsmissbräuchlichen Verhaltens in Frage. Schuldhafte Pflichtverletzungen, die im Ausnahmefall zum Rechtsmissbrauch führen, spielen im hier aufgezeigten Zusammenhang (auf tatbestand­ licher Eben des § 811 Abs. 1 ZPO) keine Rolle (zum Rechtsmissbrauch siehe später, § 6 B. IV. 2.).

II. § 811a ZPO Nach § 811a Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 2 ZPO lässt das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers in den Fällen des § 811 Abs. 1 Nr. 1, 5 und 6 ZPO die Austauschpfändung zu, wenn dies nach den Umständen des Einzelfalles angemessen erscheint. Die Interessen von Vollstreckungsgläubiger und -schuldner sind gegeneinander abzuwägen.165 Obwohl damit schuldhaftes Verhalten grundsätzlich berücksichtigt werden könnte, wird dies im Zusammenhang mit der Austauschpfändung nicht thematisiert. Praktisch ist die Bedeutung gering. Denkbar ist ein Verstoß des Vollstreckungsgläubigers gegen die Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO. So hat er wahrheitsgemäß anzugeben, ob ihm andere pfändbare Vermögensgegenstände bekannt sind166, weil die Austauschpfändung – sofern dies der Fall ist – in der Regel unangemessen erscheint167 und daher zu unterbleiben hat. Freilich wird der Vollstreckungsgläubiger zumeist andere pfändbare Sachen angeben, um eine Austauschpfändung unter Zurverfügungstellung eines Ersatzstückes zu vermeiden. Es sind aber doch Fälle denkbar, in denen der Vollstreckungsgläubiger entweder den Vollstreckungsschuldner in besonderem Maße zu schädigen beabsichtigt, indem er die Vollstreckung in einen bestimmten Gegenstand betreibt (worauf er keinen Anspruch hat), oder in denen er die Vollstreckung in einen bestimmten Gegenstand betreibt, um diesen beim Pfandverkauf selbst günstig zu erwerben. Verstößt der Gläubiger gegen die Wahrheitspflicht gemäß § 138 Abs. 1 ZPO (nach den allgemeinen Ausführungen ist nur der vorsätz­ liche Verstoß relevant, § 2 E. III. 2.), kann sich eine Konsequenz noch im Verfahren nach § 811a ZPO aber nur dann ergeben, wenn das Vollstreckungsgericht die Unwahrheit feststellt. Erkennt es die Unwahrheit, ggf. nachdem der Vollstreckungs-

165

MüKoZPO/Gruber, § 811a Rz. 7. Vgl. Schuschke/Walker/Walker, § 811a Rz. 10. 167 Schuschke/Walker/Walker, § 811a Rz. 10. 166

H. §§ 811 ff. ZPO – Sachpfändung/Vollstreckungsschutz

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schuldner sofortige Beschwerde eingelegt hat168, wird der Antrag unabhängig von der Pflichtverletzung zurückgewiesen und ggf. der Beschluss aufgehoben, weil die Voraussetzungen von § 811a Abs. 2 S. 2 ZPO objektiv nicht vorliegen. Auf die schuldhafte Pflichtverletzung kommt es in diesem Zusammenhang und für den Fortgang des Vollstreckungsverfahrens nicht an. Erkennt das Gericht die Unwahrheit nicht, auch nachdem der Schuldner angehört wurde169, lässt es die Austauschpfändung zu. Der Pflichtverstoß wirkt sich innerhalb des Vollstreckungsverfahrens dann nicht mehr aus. Der Schuldner kann zwar Klage nach § 826 BGB erheben und ggf. Schadenersatz nach §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB geltend machen. Die Korrektur erfolgt aber auf materiell-rechtlicher Ebene außerhalb der Zwangsvollstreckung (zum Schadenersatz siehe später, § 7).

III. § 811c Abs. 1, Abs. 2 ZPO Nach § 811c Abs. 1 ZPO sind solche Tiere von der Pfändung ausgeschlossen, die im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehalten werden. Auf Antrag des Gläubigers lässt das Vollstreckungsgericht gemäß § 811c Abs. 2 ZPO die Pfändung zu, sofern das Tier einen hohen Wert hat und unter Berücksichtigung der Belange des Tierschutzes und der berechtigten Interessen des Vollstreckungsschuldners die Unpfändbarkeit eine Härte für den Vollstreckungsgläubiger bedeuten würde. Das Pfändungsverbot selbst knüpft lediglich an objektive Kriterien an. Auf Tatbestandsebene kann Verschulden deshalb nicht berücksichtigt werden. Verschulden könnte aber eine Rolle spielen für den Antrag nach Abs. 2; denn dort werden die Interessen der Beteiligten zueinander ins Verhältnis gesetzt und abgewogen. Vorstellbar ist beispielsweise, dass der Vollstreckungsschuldner verschwenderisch lebt170 und der Vollstreckungsgläubiger gem. § 811c Abs. 1 ZPO auf den einzigen Vermögenswert, namentlich das teure Haustier, nicht zugreifen kann. Ob bei einer schuldhaften Pflichtverletzung immer auch die Interessen des anderen Teils überwiegen und ob das Verschulden die Interessenabwägung maßgeblich beeinflusst, erscheint fraglich; denn es sind nicht nur die Eigeninteressen der Beteiligten, sondern immer auch die Belange des Tierschutzes zu berücksichtigen. Abzustellen ist zunächst auf den Zweck der Vorschrift. § 811c Abs. 2 ZPO erlaubt es, Ausnahmen vom Pfändungsverbot nach Abs. 1 zuzulassen. Zu dieser Regelung sah sich der Gesetzgeber vor folgendem Hintergrund veranlasst: Das Pfändungsverbot des § 811c Abs. 1 ZPO wurde (durch Gesetz vom 20.08.1990 mit 168 §§ 11 Abs. 1 RPflG, 793 ZPO – siehe dazu: BLAH, § 811a Rz. 11/§ 793 Rz. 11; Hk-ZV/ Kindl, § 811a Rz. 13; MüKoZPO/Gruber, § 811a Rz. 15; Schuschke/Walker/Walker, § 811a Rz. 18; ThP/Seiler, § 811a Rz. 8; Zöller/Stöber, § 811a Rz. 15. 169 Zur Notwendigkeit rechtlichen Gehörs: Schuschke/Walker/Walker, § 811a Rz. 8. 170 Vgl. oben § 3 A. II. und D. I. 1. a) cc).

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Wirkung vom 01.09.1990171) eingeführt, um im Vollstreckungsrecht einen „ethisch fundierte[n] Tierschutz“, wie er auch im BGB angelegt ist, zu gewährleisten.172 Geschützt wird die enge Beziehung zwischen Schuldner und Tier.173 Zum Teil wird zwar unterstellt und gleichsam kritisiert, es gehe allein um die Gefühle des Schuldners.174 Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass der Tierschutz im öffentlichen Interesse liegt (siehe auch Art. 20a GG175) und mit Einführung des § 811c ZPO gemäß der Gesetzesbegründung gerade „die Eigenständigkeit des Tierschutzgedankens“ auch in der Zwangsvollstreckung hervorgehoben werden sollte.176 Da im Gegensatz zu § 811 Nr. 14 ZPO (a. F.), demgemäß Tiere bis zu einem Wert von 500,– EUR unpfändbar waren, auch wertvolle, „handelsgängige“ Tiere vom Pfändungsverbot nach § 811c Abs. 1 ZPO erfasst sind177, befürchtete der Gesetzgeber, dass der Schuldner pfändbare Vermögenswerte dem Zugriff des Gläubigers entziehen würde, indem er Zuchtpferde, Rassehunde oder sonstige seltene Tierarten erwerbe, zu denen er keine emotionale Bindung aufbaue.178 Zur sachgerechten Lösung solcher Fälle wurde § 811c Abs. 2 ZPO eingefügt. Die darin enthaltene Härteklausel (Unpfändbarkeit als Härte für den Gläubiger) sollte missbräuchlichem Handeln des Schuldners entgegenwirken.179 Es handelt sich also um einen gesetzlich geregelten Fall des Rechtsmissbrauchs, der einen Rückgriff auf § 242 BGB und die dazu entwickelten Fallgruppen entbehrlich macht. Zu Recht wird allerdings bezweifelt, dass missbräuchliches Handeln im An­ wendungsbereich des § 811c ZPO in der Praxis eine große Rolle spielt. So wird die Gefahr gering eingeschätzt, dass der Schuldner pfändbare Vermögenswerte dem Zugriff des Gläubigers unter Ausnutzung des § 811c Abs. 1 ZPO entzieht.180 Ob z. B. ein Koi (Farbkarpfen) als gute Geldanlage taugt, erscheint in Anbetracht der hohen Unterhaltungskosten fraglich. Zum Teil wird darauf hingewiesen, dass der Schuldner häufig durch die aufwendige Haltung teurer Exoten in finanzielle Not gerate; auch das sei mit der Rechtsordnung nicht vereinbar, weil das teure Hobby nicht zulasten des Gläubigers gehen dürfe.181 Dabei wird jedoch übersehen, dass nur dann eine Ausnahme vom Pfändungsverbot gemacht werden kann, wenn Belange des Tierschutzes dem nicht entgegenstehen und die übrigen Voraussetzungen 171

BGBl. I (1990), 1762 f. Vgl. BT-Drs. 11/5463, S. 5. 173 BT-Drs. 11/5463, S. 7. 174 Münzberg, ZRP 1990, 215, 216; vgl. auch Schmidt, JZ 1989, 790, 791 a. E. 175 In der Fassung des Art. 1 des Gesetzes vom 26.07.2002 mit Wirkung vom 01.08.2002; BGBl. I (2002), S. 2862. 176 BT-Drs. 11/5463, S. 6. 177 Schuschke/Walker/Walker, § 811c Rz. 1; Zur Wertgrenze des § 811 Nr. 14 ZPO a. F. siehe u. a. Lorz, MDR 1990, 1057, 1060 f.; MüKo/Gruber, § 811c Rz. 6. 178 BT-Drs. 11/5463, S. 7. 179 BT-Drs. 11/7369, S. 8; Lorz, MDR 1990, 1057, 1061; siehe dazu auch Mühe, NJW 1990, 2238, 2240. 180 Lorz, MDR 1990, 1057, 1061. 181 Dietz, DGVZ 2001, 81, 83. 172

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des § 811c Abs. 2 ZPO vorliegen. Maßgeblich kommt es nämlich, auch unter Beachtung des Normzwecks von § 811c Abs. 1 ZPO, auf die Konsequenzen für das Tier an. Entscheidend ist nicht allein, dass der Vollstreckungsschuldner sein Vermögen dem Zugriff entzieht, indem er die Voraussetzungen des § 811c Abs. 1 ZPO selbst schafft, sondern auch, dass es an einer emotionalen Bindung zum Tier fehlt, so die Überlegungen des Gesetzgebers. Wenn es an einer emotionalen Bindung fehlt, ein Näheverhältnis zwischen Mensch und Tier folglich nicht existiert, kann davon ausgegangen werden, dass auch das Tier nicht leidet, wenn es dem Vollstreckungsschuldner entzogen wird. Gibt es eine emotionale Bindung und damit ein Näheverhältnis, verdient insbesondere das Tier den Schutz, daneben auch der Vollstreckungsschuldner. Der Tierschutz soll zwar nicht übertrieben werden, ist aber ernst zu nehmen.182 Spezielle Schutznormen – wie etwa die §§ 2, 3, 11b, 12 TierSchG – schließen die Pfändung des Tieres in jedem Fall aus, weil sie absolute Ge- und Verbote statuieren. Wirtschaftliche Interessen des Gläubigers rechtfertigen einen Verstoß gegen diese Ge- und Verbote nicht. Das Tier kann ferner auch dann nicht gepfändet werden, wenn es bei Herausnehmen aus der gewohnten Umgebung voraussichtlich Schaden nehmen würde.183 Nach alledem mag der Vollstreckungsschuldner die prozessuale Rechtspflicht, pfändbares Vermögen dem Vollstreckungszugriff nicht zu entziehen, schuldhaft verletzen. Die Rechtspflicht lässt sich aus dem Vollstreckungsrechtsverhältnis i. V. m. § 242 BGB herleiten. Die schuldhafte Pflichtverletzung führt aber nur in besonderen Ausnahmefällen dazu, dass ein Härtefall für den Gläubiger vorliegt und die Schuldnerinteressen verdrängt werden, nämlich dann, wenn auch keinerlei Belange des Tierschutzes der Pfändung im Interesse des Vollstreckungsgläubigers entgegenstehen.

IV. § 812 ZPO § 812 ZPO schränkt die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in körperliche Sachen ein. Auch hier handelt es sich um ein Pfändungsverbot. Nach § 812 ZPO sollen Gegenstände, die zum gewöhnlichen Hausrat gehören und im Haushalt des Schuldners gebraucht werden, nicht gepfändet werden, wenn ohne weiteres ersichtlich ist, dass durch ihre Verwertung nur ein Erlös erzielt werden würde, der zu dem Wert außer allem Verhältnis steht. Trotz des Wortlautes („sollen“) handelt es sich um eine zwingende Vorschrift; nach ganz h. M. darf nicht gepfändet werden, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.184 Ver­glichen wird 182

BLAH, § 811c Rz. 4; Schuschke/Walker/Walker, § 811c Rz. 2. MüKoZPO/Gruber, § 811c Rz. 7; vgl. Schuschke/Walker/Walker, § 811c Rz. 2. 184 BLAH, § 812 Rz. 1; Brock, DGVZ 1997, 65, 68; Brox/Walker, ZVR, Rz. 279; Hk-ZPO/ Kemper, § 812 Rz. 2; MüKoZPO/Gruber, § 812 Rz. 8; Musielak/Becker, § 812 Rz. 2; Schuschke/ Walker/Walker, § 812 Rz. 1; ThP/Seiler, § 812 Rz. 1; Zöller/Stöber, § 812 Rz. 1; vgl. auch StJ/ Münzberg, § 812 Rz. 4. 183

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der zu erwartende Erlös mit dem Gebrauchswert der Sache.185 Wiederum handelt es sich um einen gesetzlich geregelten Fall der unzulässigen Rechtsausübung. Das Pfändungsverbot nach § 812 ZPO beruht auf einer Abwägung des Vollstreckungsinteresses des Gläubigers mit dem Interesse des Schuldners am Gebrauch der Sache; das Interesse des Gläubigers tritt zurück, wenn das Interesse des Schuldners erheblich überwiegt. Das ist der Fall, wenn die Vollstreckungsmaßnahme für den Gläubiger einen verhältnismäßig geringen Nutzen hätte, dem Schuldner aber über Gebühr schaden würde. Dass der Vollstreckungsschutz antragsunabhängig gewährt wird und der Gerichtsvollzieher die Interessenabwägung auf horizontaler Ebene vorzunehmen hat, ist im Vergleich zu den sonstigen gesetzlichen Pfändungsverboten ungewöhnlich; die Interessenabwägung im Einzelfall ist dem Gerichtsvollzieher aber zumutbar, zumal es darauf ankommt, ob die Unverhältnismäßigkeit der Pfändung ohne weiteres ersichtlich ist. Auch kommt es auf Tatbestandsebene auf Verschulden nicht notwendigerweise an. Zwar handelt es sich, weil der zu erwartende Erlös zu dem Gebrauchswert nicht außer Verhältnis stehen darf, um einen wertungsoffenen Abwägungstatbestand, so dass auch ein schuldhaftes Verhalten prinzipiell in die Abwägung einfließen könnte (anders als bei § 803 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 ZPO, wo lediglich Rechengrößen verglichen werden). Denkbar wäre z. B., dass der Schuldner eine Sache – bei Erhalt des Gebrauchswertes – beschädigt hat, um den zu erwartenden Erlös auf ein Minimum zu begrenzen. Dann wäre er nicht schutzwürdig. Soweit ersichtlich, stand aber ein solcher Fall noch nie zur Entscheidung an. Praktisch ist ein schuldhaftes Verhalten für das Pfändungsverbot nach § 812 ZPO nicht von Bedeutung.

V. § 813a ZPO (a. F.) Nach § 813a Abs. 1 S. 1, 1. HS ZPO (a. F.)186 konnte der Gerichtsvollzieher die Verwertung von Pfandsachen aufschieben, sofern sich der Schuldner verpflichtete, innerhalb eines Jahres den Betrag zu zahlen, der erforderlich war, um den Gläubiger zu befriedigen und die Kosten der Zwangsvollstreckung zu decken. Voraus­ setzung war, dass der Gläubiger einverstanden war; das Einverständnis wurde, soweit der Gläubiger nicht ausdrücklich etwas anderes erklärt hatte, unterstellt.187 Hatte der Gläubiger dem Verwertungsaufschub nicht vorher ausdrücklich zugestimmt, konnte er gemäß § 813a Abs. 2 S. 1, 2 ZPO widersprechen. War der Gläubiger einverstanden, endete der Verwertungsaufschub nach § 813a Abs. 2 S. 4 ZPO, „wenn der Schuldner mit einer Zahlung ganz oder teilweise in Verzug“ kam. 185 OVG Saarlouis NVwZ-RR 2006, 756, 757 (zu § 45 Abs. 5 SaarlVwVG i. V. m. § 812 ZPO); LG Hannover DGVZ 1990, 60; Brock, DGVZ 1997, 65, 68; Pardey, DGVZ 1987, 111, 112; StJ/Münzberg, § 812 Rz. 3; vgl. auch Schuschke/Walker/Walker, § 812 Rz. 1. 186 Die Vorschrift galt bis zum 31.12.2012 (Näheres siehe unter § 3 H. V. 3.). 187 Helwich, DGVZ 2000, 105, 108; MüKo/Gruber, § 813a Rz. 4.; Münzberg, FS Lüke, 525, 547 (insb. Fn. 98); Schilken, DGVZ 1998, 145, 149; vgl. Schuschke/Walker/Walker, § 813a Rz. 4.

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1. Zahlungsverzug und Verschulden, Meinungsstand Verschulden wurde hier im Zusammenhang mit dem Verzug diskutiert. Bei Anwendung von § 286 Abs. 4 BGB wäre Verzug ausgeschieden, wenn die Ratenzahlung infolge eines vom Schuldner nicht zu vertretenden Umstandes unterblieben wäre. Es war aber streitig, ob die materiell-rechtlichen Vorschriften (§§ 284 ff. BGB) Anwendung finden konnten, ob es also auf Verschulden ankam. Nach einer Ansicht kam es allein auf die objektive Verzögerung an; Verschulden war danach nicht erforderlich.188 Die materiellen Vorschriften waren dem­ gemäß nicht anzuwenden. Eine andere Ansicht setzte den Schuldnerverzug voraus.189 Wenngleich in diesem Zusammenhang häufig das Verschuldenserfordernis nicht ausdrücklich genannt wurde, so schienen die Vertreter dieser Ansicht selbstverständlich die materiellen Vorschriften in Bezug nehmen zu wollen.190 Der Verwertungsaufschub wurde nach dieser Ansicht nur dann beendet, wenn der Schuldner den Zahlungsausfall gem. § 276 Abs. 1 BGB zu vertreten hatte. Goebel ließ eine objektive Verzögerung allein nicht genügen, wollte aber das Vertretenmüssen aus vollstreckungsrechtlicher Sicht näher bestimmen.191 Es sollte danach nicht auf die materiell-rechtlichen Maßstäbe ankommen, sondern vielmehr auf spezifisch vollstreckungsrechtliche Gesichtspunkte. Demgemäß war der Verwertungsaufschub dann nicht beendet, wenn der Gläubiger statt dem Schuldner – entsprechend den Kriterien des § 813b ZPO (a. F.) – das Risiko tragen musste, der Schuldner also den Zahlungsverzug in diesem Sinne nicht zu vertreten hatte. Wer das Risiko zu tragen hatte, sollte sich aus „einer wohlabgewogenen Austarierung der Interessen“ ergeben.192 2. Stellungnahme Die Gesetzesbegründung war nicht eindeutig. Zwar wurde in den Materialien Verzug mit „verspäteter Zahlung“ gleichgesetzt.193 Dass es aber allein auf die objektiven Umstände ankommen sollte, folgte daraus nicht ohne weiteres. Schließlich wäre eine andere Formulierung möglich gewesen, wenn der Gesetzgeber den Begriff „Verzug“ im untechnischen Sinne hätte verwenden wollen. Die Vertreter der 188 Hornung, Rpfleger 1998, 381, 396; MüKoZPO/Gruber, § 813a Rz. 18; Münzberg, FS Lüke, 525, 548; Schilken, DGVZ 1998, 145, 151 f.; Zöller/Stöber, § 813a Rz. 11; vgl. Wieczorek/Schütze/Lüke, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, § 813a Rz. 32. 189 Baur/Stürner/Bruns, ZVR, 29.1; Hk-ZPO/Kemper, 4. Aufl. 2011, § 813a Rz. 17; ThP/Seiler, 33. Aufl. 2012, § 813a Rz. 11. 190 Harnacke, DGVZ 1999, 81, 86; zum Teil wurde ausdrücklich auf § 286 BGB verwiesen → BLAH, 70. Aufl. 2012, § 813a Rz. 23. 191 Goebel, Rpfleger 1995, 189, 195 f. 192 Goebel, Rpfleger, 1995, 189, 196. 193 BT-Drs. 13/341, S. 29; In § 141 Nr. 9 S. 3 GVGA ist die Rede davon, dass ein „Teilbetrag nicht oder nicht vollständig gezahlt“ wird.

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

Ansicht, nach der es allein auf die objektive Verzögerung ankam, argumentierten damit, dass der Schuldner längst in Verzug geraten war, wenn das Vollstreckungsverfahren durchgeführt und ein Verwertungsaufschub nach § 813a ZPO (a. F.) gewährt wurde.194 Auf ein Verschulden konnte es nicht ankommen, da für die Beendung des Verwertungsaufschubs nach § 813a Abs. 2 S. 4 ZPO (a. F.) – nach alledem – ein objektiver Zahlungsausfall genügte. Eine Pflichtverletzung durch den Schuldner war dementsprechend nicht erforderlich.195 Vertreter dieser Ansicht gestanden an einem Punkt – nämlich bei einem Titel auf Leistung Zug-um-Zug – ein, dass ihre Argumentation nicht vollständig schlüssig war.196 So konnte es vorkommen, dass der Schuldner bei Verurteilung „Zug-umZug“ im Fall der Vollstreckung nach § 756 ZPO die Gegenleistung des Gläubigers etwa wegen Mangelhaftigkeit zu Recht zurückwies. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB) schließt generell den Schuldnerverzug aus. Da dem Gerichtsvollzieher nach h. M. nur ein beschränktes Prüfungsrecht zusteht197, konnte die Vollstreckung nach § 756 Abs. 2 ZPO zunächst beginnen, wenn der Schuldner auf das wörtliche Angebot des Gerichtsvollziehers hin erklärte, die (Gegen-) Leistung nicht annehmen zu wollen.198 Wurde mit Willen des Gläubigers dem Schuldner ein Verwertungsaufschub nach § 813a ZPO (a. F.) gewährt und verweigerte der Schuldner die Zahlung, weil er sich weiterhin auf die Mangelhaftigkeit der ihm angebotenen (Gegen-)Leistung berief, wurde der Zahlungsaufschub gemäß § 813a Abs. 2 S. 4 ZPO (a. F.) beendet und die Zwangsvollstreckung durchgeführt. Dass vollstreckt wurde, ohne dass sich der Vollstreckungsschuldner in Verzug nach § 286 BGB befand, wurde jedoch in Kauf genommen. Auch Goebel sagte, dass es Sache des Vollstreckungsschuldners gewesen sei, sich mittels vollstreckungsrechtlicher Rechtsbehelfe zur Wehr zu setzen.199 Die eben beschriebene Fallkonstellation hatte allerdings wenig praktische Relevanz. Kaum ein Gläubiger dürfte sich mit einem Verwertungsaufschub nach § 813a ZPO (a. F.) einverstanden erklärt haben, wenn der Vollstreckungsschuldner die angebotene (Gegen-)Leistung von vornherein wegen angeblicher Mangelhaftigkeit ausschlug und zur Leistung nicht bereit war. Es war auch nicht wahrscheinlich, dass der Schuldner die Annahme der (Gegen-)Leistung zunächst aus sonstigen Motiven verweigerte und der Gläubiger durch das Druckmittel der Sachpfändung Hoffnung auf eine Ratentilgung haben durfte, der Schuldner aber während des Verwertungsaufschubs den Mangel erkannte und nunmehr die Leistung subjektiv zu Recht verweigerte, indem er die Einrede des nicht erfüllten Vertrages erhob. Die beschriebene Fallkonstellation erweckte zwar den Eindruck, 194 Hornung, Rpfleger 1998, 381, 396; MüKoZPO/Gruber, § 813a Rz. 18; Münzberg, FS Lüke, 525, 548; Schilken, DGVZ 1998, 145, 151. 195 Musielak/Voit/Becker, 9. Aufl. 2012, 813a Rz. 4. 196 Schilken, DGVZ 1998, 145, 151; Münzberg, FS Lüke, 525, 548. 197 U. a. BGH DGVZ, 2005, 154 m. w. N. 198 Ausführlich hierzu: Goebel, Rpfleger 1995, 189, 196 f. 199 Goebel, Rpfleger 1995, 189, 197.

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dass im Zweifel nicht sachgerechte Ergebnisse drohten. Auf den ersten Blick sprach auch der Grundsatz der effektiven Verfahrensführung dagegen, den Vollstreckungsschuldner auf sonstige Rechtsbehelfe zu verweisen. Jedoch war es auch sonst immer so, dass materiell-rechtliche Einwendungen (auch § 320 BGB) nicht im Vollstreckungsverfahren geltend gemacht werden konnten, sondern dass eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO zu erheben war (was nach wievor so ist). Die Problematik stellte sich bei § 813a Abs. 2 S. 4 ZPO (a. F.) nicht anders dar, als es bei Einwendungen im Zusammenhang mit der Zug-um-Zug-Vollstreckung nach § 756 ZPO noch heute der Fall ist.200 Eine Erinnerung nach § 766 ZPO scheidet aus; es steht die Unwirksamkeit der Vollstreckung bedingt durch eine nicht sachgerechte Zug-um-Zug-Abwicklung in Streit, nicht lediglich die Wirksamkeit einer einzelnen Maßnahme. Durch die Möglichkeit, die Vollstreckungsabwehrklage zu erheben, sind die Interessen des Schuldners ausreichend geschützt. Aus alledem folgte aber nicht, dass unter Verzug im Sinne von § 813a Abs. 2 S. 4 ZPO (a. F.) lediglich eine objektive Verzögerung zu verstehen war, sondern vielmehr und allein, dass es sich nicht um Verzug im materiell-rechtlichen Sinne handelte. Es kam eben nicht darauf an, dass die materielle Leistungspflicht verletzt wurde und trotz Eintritt der Fälligkeit die Leistung aus vom Schuldner zu vertretenden Umständen unterblieb (§ 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 BGB). Der Begriff „Verzug“ war hier tatsächlich im prozessualen Sinne zu verstehen und dementsprechend auch auszulegen. Dies beruhte auf dem zugrunde liegenden Verwertungsaufschub und der daraus resultierenden Pflicht des Vollstreckungsschuldners zur Ratenzahlung; denn hierbei handelte es sich um eine prozessuale Pflicht, die von der materiellen Leistungspflicht zu unterscheiden war. Die materielle Leistungspflicht blieb unberührt. Das folgte aus dem Umstand, dass es sich bei dem Verwertungsaufschub nach dem Willen des Gesetzgebers nicht um eine Stundung handeln sollte und daher, was den materiell-rechtlichen Anspruch betraf, weder Fälligkeit noch Verzug ausgeschlossen waren.201 Weil der Gerichtsvollzieher den Verwertungsaufschub und die Bedingungen für die Ratenzahlung anzuordnen hatte, handelte es sich nicht um eine echte Vollstreckungsabrede zwischen Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldner202, sondern – wie bereits Münzberg sagte – um eine öffentlich-rechtliche Konstruktion, bei der Anordnungen

200 Zu den Rechtsbehelfen des Schuldners bei § 756 ZPO → h. M. § 767 ZPO, Vollstreckungsabwehrklage: BGH, DGVZ 05, 154 f.; LG Köln, DGVZ 06, 136; OLG Stuttgart DGVZ 1991, 8 f.; LG Hamburg, DGVZ 1984, 10; LG Rottweil, DGVZ 1990, 171 f.; LG Karlsruhe, DGVZ 1998, 27; Musielak/Lackmann, 756 Rz. 4; Schuschke/Walker/Walker, 756 Rz. 18; ThP/Seiler, 756 Rz. 8; a. A. § 766 ZPO, Erinnerung: KG OLGZ, 1994, 306, 308; LG Neuruppin, NJW-RR 2004, 854; MüKoZPO/Heßler, 756 Rz. 29, 59; Schilken, DGVZ 1998, 154, 151; differenzierend: Becker-Eberhard, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 16 Rz. 49; StJ/Münzberg, 756 Rz. 22. 201 BT-Drs. 13/341, S. 27. 202 BT-Drs. 13/341, S. 27.

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

von Amts wegen und Abreden mit vertraglichem Charakter vermengt wurden.203 Andere sprachen von einer „um ihre privatautonome Bindungswirkung kupierte Vollstreckungsvereinbarung“.204 Deutlich wurde jedenfalls, dass es sich um eine prozessuale Rechtsgrundlage handelte, aus der selbständige prozessuale Pflichten des Vollstreckungsschuldners resultierten. Hielt der Vollstreckungsschuldner sich daran, stand dies zwar einer Erfüllungshandlung (§ 362 BGB) gleich; verstieß er aber dagegen, ergaben sich daraus vollstreckungsrechtliche Konsequenzen, nämlich dass der Verwertungsaufschub beendet wurde, die gepfändete Sache verwertet werden durfte und ferner, falls die Voraussetzungen vorlagen, die eideesstattliche Versicherung (§ 807 ZPO [a. F.]) abgenommen werden konnte. Nicht geklärt war gleichwohl, ob fehlendes Verschulden einen Verzug im prozessualen Sinne (§ 813a Abs. 2 S. 4 ZPO [a. F.]) ausschloss. Gegen die analoge Anwendung des § 286 Abs. 4 BGB sprach, dass die Durchsetzung der Gläubigerinteressen durch das Verschuldenserfordernis weiter erschwert wurde; die Gläubigerinteressen gingen (und gehen) aufgrund des vollstreckbaren Titels vor. Auch sollte die Regelung des § 813a ZPO (a. F.) nicht nur dem Vollstreckungsschuldner, sondern gerade dem Vollstreckungsgläubiger zugutekommen; denn in Anbetracht der drohenden Verwertung wurde die Bereitschaft des Schuldners gesteigert, die Schuldsumme wenigstens in Raten abzutragen.205 Im Falle des unverschuldeten Zahlungsausfalles hätte der Gläubiger untätig die Jahresfrist abwarten müssen206; erst dann endete der Verwertungsaufschub durch Zeitablauf. Dass der Vollstreckungsgläubiger das Risiko einer vom Vollstreckungsschuldner nicht zu vertretenden Zahlungsverzögerung zu tragen hatte, war nach der hier vertretenen Ansicht aber deswegen gerechtfertigt, weil – auch wenn es sich nicht um eine echte Vollstreckungsvereinbarung handelte – der Anordnung nach § 813a Abs. 1 ZPO (a. F.) ein Konsens zugrunde lag. Erforderlich war nämlich, dass der Vollstreckungsschuldner sich zur (Raten-)Zahlung bereiterklärte und dass der Vollstreckungsgläubiger dem Verwertungsaufschub unter Berücksichtigung der Zahlungsbedingungen nicht widersprach (§ 813a Abs. 2 S. 1–3 ZPO [a. F.]). Der Vollstreckungsgläubiger hatte deshalb auf der verfahrensrechtlichen Ebene das Ausfall- und Insolvenzrisiko in der gleichen Weise zu tragen, wie es auf der materiell-rechtlichen Ebene beim Vertragsschluss der Fall war. Wollte er dies vermeiden, musste er die Zahlung in Teilbeträgen entweder von vornherein ausschließen oder nach § 813a Abs. 2 S. 2 ZPO (a. F.) widersprechen. In Anbetracht dessen, dass die Entscheidung beim Vollstreckungsgläubiger lag, schien es nach der hier vertretenen Ansicht gerechtfertigt, § 286 Abs. 4 BGB analog anzuwenden. Verzug im Sinne von § 813a Abs. 2 S. 4 ZPO (a. F.) schied folglich dann aus, wenn die Zahlung aufgrund eines Umstandes unterblieb, den der Vollstreckungsschuldner nicht zu vertreten hatte. Auch § 276 BGB war entsprechend anwendbar. 203

Münzberg, FS G. Lüke, S. 525, 547. Goebel, Rpfleger 1995, 189, 191. 205 BT-Drs. 13/341, S. 26 f. 206 In analoger Anwendung des § 813b Abs. 4 ZPO (a. F.) – Goebel, Rpfleger 1995, 189, 196. 204

H. §§ 811 ff. ZPO – Sachpfändung/Vollstreckungsschutz

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Schließlich war der Ansicht Goebels nicht zu folgen, soweit er das Vertretenmüssen spezifisch vollstreckungsrechtlich interpretierte und zu der Überzeugung gelangte, es sei anhand einer Interessenabwägung gemäß den Kriterien des § 813b ZPO (a. F.) zu beurteilen gewesen (siehe oben). § 813a Abs. 1 S. 1  ZPO (a. F.) sah keine Interessenabwägung vor. Das galt auch für die Beendung des Verwertungsaufschubs nach § 813a Abs. 2 S. 4 ZPO (a. F.). Zwar handelte es sich bei dem Begriff „Verzug“, wie eben dargelegt wurde, um einen auslegungsbedürftigen Rechtsbegriff. Daraus ergab sich aber nicht, dass auch nicht-schuldnerbezogene Aspekte (wie die Interessen des Gläubigers) in die Auslegung mit einzubeziehen waren.207 Tatsächlich galt es, die Risiken vollstreckungsspezifisch zuzuordnen. Die Risikoverteilung ergab sich jedoch allein aus dem Konsens, welcher der Anordnung nach § 813a Abs. 1 ZPO (a. F.) zugrunde lag, nicht aus einer uneindeu­ tigen Gesamtbetrachtung der Umstände. 3. Neue Rechtslage mit Geltung ab dem 01.01.2013208, § 802b Abs. 2, 3 ZPO (n. F.) § 813a ZPO (a. F.) wurde mit Wirkung vom 01.01.2013 aufgehoben.209 An dessen Stelle trat § 802b ZPO (n. F.). § 802b Abs. 1 ZPO (n. F.) fasst die gütlichen Erledigungsformen der bisherigen §§ 806b, 813a, 900 Abs. 3 ZPO zusammen.210 Der Gerichtsvollzieher soll nach dem Wortlaut in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung bedacht sein.211 Nach § 802b Abs. 2 S. 1 ZPO (n. F.) kann der Gerichtsvollzieher, sofern der Gläubiger eine Zahlungsvereinbarung nicht ausgeschlossen hat, dem Schuldner eine Zahlungsfrist einräumen oder eine Tilgung durch Teilleistungen (Ratenzahlungen) gestatten, wenn der Schuldner glaubhaft darlegt, die nach Höhe und Zeitpunkt festzusetzenden Zahlungen erbringen zu können. Die Tilgungsfrist soll bis zu zwölf Monate betragen, § 802b Abs. 2 S. 3 ZPO (n. F.). Im Einzelfall kann auch eine längere Frist vereinbart werden.212 Während es sich bei dem Verwertungsaufschub nach § 813a ZPO (a. F.) nach dem Willen des Gesetzgebers nicht um eine Stundung handeln sollte213, war man sich hinsichtlich des § 802b Abs. 2 ZPO (n. F.) zunächst uneinig. Ursprünglich war ausdrücklich von Stundung214 und Stundungsbewilligung215 die Rede und es sollte 207

So aber Goebel, Rpfleger 1995, 189, 196. Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung v. 29.07.2009 mit Wirkung zum 01.01.2013, BGBl. I 2009 (Nr. 48), S. 2258, 2259 f. 209 Art. 1 Nr. 11 des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung v. 29.07.2009 mit Wirkung zum 01.01.2013, BGBl. I 2009 (Nr. 48), S. 2258, 2262. 210 BT-Drs. 16/10069, 24. 211 Ausführlich zur gütlichen Erledigung der Zwangsvollstreckung als Leitprinzip und zur neuen Rechtslage: Hergenröder, DGVZ 2012, 105 ff. (Teil 1; siehe zudem Teil 2, 129 ff.). 212 BT-Drs. 16/13432, S. 43; Goebel, FoVo 2012, 141, 143. 213 BT-Drs. 13/341, S. 27. 214 BT-Drs. 16/10069, S. 6. 215 BT-Drs. 16/10069, S. 24. 208

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zwischen der materiell-rechtlichen Stundungsbewilligung (Einräumung einer Zahlungsfrist, Ratenzahlung) und den verfahrensrechtlichen Folgen unterschieden werden.216 Jedoch wurde auf Empfehlung des Rechtsausschusses statt dem Begriff „Stundung“ der Begriff „Zahlungsvereinbarung“ in § 802b Abs. 2 S. 1 ZPO (n. F.) aufgenommen, weil es keine materiell-rechtlichen Auswirkungen geben sollte.217 Ebenso wie im Falle eines Verwertungsaufschubes nach § 813a ZPO (a. F.) bleiben Fälligkeit und Verzug der materiell-rechtlichen Forderung unberührt.218 Folglich sieht auch die neue Rechtslage eine selbständige prozessuale Verpflichtung des Schuldners vor, die nicht mit dem materiell-rechtlichen Anspruch identisch ist. Soweit ein Zahlungsplan festgesetzt wird, ist die Vollstreckung insgesamt aufgeschoben, nicht lediglich die Verwertung einer bereits gepfändeten Sache, § 802b Abs. 2 S. 2 ZPO (n. F.).219 Der Vollstreckungsaufschub wird, sofern der Gläubiger dem Zahlungsplan nicht ohnehin widerspricht (§ 802b Abs. 3 S. 2 ZPO n. F.), durch Ablauf der Zahlungsfrist oder dann beendet, wenn der Schuldner mit einer festgesetzten Zahlung ganz oder teilweise länger als zwei Wochen in Rückstand gerät, ohne dass es auf Verzug ankommt, § 802b Abs. 3 S. 3 ZPO (n. F.). Der Gesetzgeber will mit der Neuregelung für den Fall der Beendigung des Vollstreckungsaufschubs wegen Zahlungsverzögerungen gerade nicht auf den Schuldnerverzug und die dafür geltenden Vorschriften abstellen.220 Stattdessen möchte er im Interesse einer klaren und leicht überprüfbaren Rechtslage allein den schlichten Zahlungsrückstand genügen lassen und auf das Verschuldenserfordernis verzichten.221 Nach der neuen Rechtslage ist § 286 Abs. 4 BGB mithin nicht (analog) anwendbar. Mit der Neuregelung verstößt der Gesetzgeber auch nicht gegen höherrangige Rechtsgrundsätze. Es spricht nichts dagegen, das Risiko zufälliger Zahlungsverzögerungen nunmehr dem Vollstreckungsschuldner aufzubürden, auch wenn die prozessuale Zahlungspflicht auf einem Konsens beruht und der Gläubiger sich freiwillig auf den Zahlungsplan eingelassen hat. Wegen des vollstreckbaren Titels, auf den sich der Vollstreckungsgläubiger stützt, und im Interesse einer zügigen Vollstreckung ist es gerechtfertigt, das Ausfall-/Insolvenzrisiko dem Vollstreckungsschuldner zu übertragen. Bevor der Vollstreckungsgläubiger dem Vollstreckungsaufschub zustimmt, wird er aber im eigenen Interesse vollstreckbare Vermögensgegenstände pfänden lassen, um sie für eine spätere Verwertung zu sichern. Es bietet sich also an, Zahlungsverein­ barungen von vornherein nur für den Fall zuzulassen, dass vollstreckbares Vermögen in Beschlag genommen wird. 216

BT-Drs. 16/10069, S. 24. BT-Drs. 16/13432, S. 42, 43. 218 Siehe BT-Drs. 16/13432, S. 43. 219 Nach der neuen Rechtslage wird dennoch Druck ausgeübt und die Bereitschaft des Vollstreckungsschuldners zur gütlichen Erledigung gesteigert, weil er sich schon zu Beginn der Zwangsvollstreckung Auskunftsansprüchen des Gerichtsvollziehers (§ 802c ZPO [n. F.]) ausgesetzt sieht und die Auskünfte auch eidesstattlich zu versichern hat. 220 BT-Drs. 16/10069, S. 25. 221 BT-Drs. 16/10069, S. 25. 217

H. §§ 811 ff. ZPO – Sachpfändung/Vollstreckungsschutz

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VI. § 813b ZPO (a. F.) Nach § 813b Abs. 1 S. 1 ZPO (a. F.)222 konnte das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Schuldners die Verwertung gepfändeter Sachen unter Anordnung von Zahlungsfristen zeitweilig aussetzen, wenn dies nach der Persönlichkeit und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners sowie nach der Art der Schuld angemessen erschien und nicht überwiegende Belange des Gläubigers entgegenstanden. Nach § 813b Abs. 2 S. 1, 2 ZPO (a. F.) war der Antrag ohne sachliche Prüfung zurückzuweisen, sofern das Vollstreckungsgericht zu der Überzeugung gelangte, dass der Schuldner den Antrag mit Verschleppungsabsicht oder wegen grober Nachlässigkeit nicht binnen 2 Wochen ab Pfändung bzw. ab Beendung des Verwertungsaufschubes nach § 813a ZPO gestellt hatte. 1. Sachvoraussetzung für die Aussetzung der Verwertung, Verschulden Die Vorschrift setzte in sachlicher Hinsicht eine Interessenabwägung auf horizontaler Ebene im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner voraus. Schuldhaftes Verhalten, sowohl des Gläubigers als auch des Schuldners, konnte daher grundsätzlich berücksichtigt werden. Anzuknüpfen war an die Tatbestandsmerkmale. Den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners waren unter Berücksichtigung der Art der Schuld die (überwiegenden) Belange des Gläubigers gegenüberzustellen. Der Schuldner musste also schutzwürdig sein. Nicht schutzwürdig war der Schuldner, wenn er das Verfahren verzögerte223 oder sich in sonstiger Weise unredlich bzw. unzuverlässig verhielt (Persönlichkeit des Schuldners).224 Es musste darüber hinaus mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass der Schuldner die Ratenzahlungen leisten konnte.225 Es genügte nicht, wenn er lediglich unpfändbares Einkommen bezog (wirtschaftliche Verhältnisse).226 Auch die Art der Schuld durfte dem Verwertungsaufschub nicht entgegenstehen. Das war u. a. der Fall, wenn der Gläubiger laufende Unterhaltsansprüche vollstreckte.227 222

Die Vorschrift galt bis zum 31.12.2012 (Näheres siehe unter § 3 H. VI. 4.). Brox/Walker, ZVR, Rz. 394f; Hk-ZPO/Kemper, 4. Aufl. 2011, § 813b Rz. 5; Schuschke/ Walker/Walker, § 813b Rz. 9. 224 StJ/Münzberg, 813b Rz. 4 – z. B. Betrug, Rechtshandlungen, die nach § 3 AnfG anfechtbar sind; Hk-ZPO/Kemper, 4. Aufl. 2011, § 813b Rz. 5 – u. a. Verstecken pfändbarer Gegenstände; i. Ü. siehe Musielak/Voit/Becker, 9. Aufl. 2012, § 813b Rz. 2; ferner BLAH, 70. Aufl. 2012, 813b Rz. 4. 225 Hk-ZPO/Kemper, 4. Aufl. 2011, § 813b Rz. 5; MüKoZPO/Gruber, § 813b Rz. 5; Musie­ lak/Voit/Becker, 9. Aufl. 2012, § 813b Rz. 2; Schuschke/Walker/Walker, § 813b Rz. 10; ThP/ Seiler, 33. Aufl. 2012, § 813b Rz. 3; Zöller/Stöber, § 813b Rz. 7. 226 Schuschke/Walker/Walker, § 813b Rz. 10. 227 Hk-ZPO/Kemper, 4. Aufl. 2011, § 813b Rz. 6; MüKoZPO/Gruber, § 813b Rz. 6; Musie­ lak/Voit/Becker, § 813b Rz. 2; Schuschke/Walker/Walker, § 813b Rz. 11; ThP/Seiler, 33. Aufl. 2012, § 813b Rz. 3; Zöller/Stöber, § 813b Rz. 8. 223

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

Unabhängig von den rein objektiven Kriterien war der Schuldner (aufgrund der persönlichen Verhältnisse) nach einer Ansicht dann nicht schutzwürdig, wenn er in vorwerfbarer Weise nicht leistet, etwa weil er sich „durch schlechte Wirtschaftsführung in einen Vermögensverfall gebracht“ hatte.228 Der Ansicht konnte jedenfalls insoweit gefolgt werden, als derjenige die Aussetzung der Verwertung nicht verlangen konnte, der schuldhaft gegen die vollstreckungsrechtliche Erwerbsobliegenheit229 verstieß bzw. die Pflicht verletzt, das Vermögen sachgerecht einzusetzen bzw. nicht zu verschwenden (vgl. oben). Verschulden war nach der hier vertretenen Ansicht auch hinsichtlich der Obliegenheitsverletzung erforderlich, weil der Vollstreckungsgläubiger an der Befolgung der Erwerbsobliegenheit in eben derselben Weise ein eigenes Interesse hatte, wie an der Befolgung echter Rechtspflichten, so dass – was die Voraussetzungen betraf – kein Unterschied zu machen war. War der Schuldner nicht schutzwürdig, konnte die Aussetzung der Verwertung nicht angeordnet werden. Etwas anderes galt allenfalls dann, wenn der Schuldner zwar wegen der persönlichen Verhältnisse nicht schutzwürdig erschien – weil etwa Vermögensbestandteile, wenn auch in anfechtbarer Weise, verschoben worden waren – die Ratenzahlung aber aus wirtschaftlichen Gründen geboten war und der Gläubiger selbst kein schutzwürdiges Interesse an der unverzüglichen Verwertung hatte. Das war insbesondere dann der Fall, wenn der Vollstreckungsgläubiger seinerseits seine Mitwirkungspflicht schuldhaft verletzte, sobald der Vollstreckungsschuldner die Leistung zu erbringen versuchte. Beispielsweise durfte dies anzunehmen sein, wenn der Vollstreckungsgläubiger die ihm angebotene Leistung grundlos verweigerte und die Bankverbindung nicht mitteilte. Schuldhaftes Verhalten des Gläubigers wurde im Zusammenhang mit § 813b Abs. 1 S. 1 ZPO (a. F.) von Literatur und Rechtsprechung nicht thematisiert. Die praktische Bedeutung war gering. Überhaupt hatte § 813b ZPO (a. F.) wegen der „Schwerfälligkeit der Regelung“ keine große Bedeutung erlangt.230 Die Vorschrift hatte gleichwohl ihre Berechtigung, weil es nicht auf ein Einverständnis des Gläubigers ankam.231 2. Antragsfrist und schuldhaftes Säumnis Stellte der Schuldner den Antrag nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist gemäß § 813b Abs. 2 S. 1, 2 ZPO (a. F.), wurde der Antrag ohne sachliche Prüfung zurückgewiesen, sofern nach Überzeugung des Gerichtes das Fristversäumnis auf Verschleppungsabsicht bzw. grober Nachlässigkeit des Schuldners beruhte.232 Mit Verschleppungsabsicht wurde der direkte Vorsatz bezeichnet, der darauf ab 228

BLAH, 70. Aufl. 2012, § 813b Rz. 4. Siehe § 3 J. II. 2. 230 Zu § 813a ZPO a. F. (vgl. § 813b ZPO n. F.) – BT-Drs. 13/341, S. 26; Holch, DGVZ 1990, 133. 231 BT-Drs. 13/341, S. 29 f. 232 Siehe Hk-ZPO/Kemper, 4. Aufl., § 813b Rz. 12.



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H. §§ 811 ff. ZPO – Sachpfändung/Vollstreckungsschutz

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zielte, das Verfahren hinauszuzögern.233 Von grober Nachlässigkeit war auszugehen, wenn der Schuldner auf den Gegner keine Rücksicht nahm und jedwede Sorgfalt außer Acht ließ.234 Der Schuldner hatte die Obliegenheit, innerhalb von 2 Wochen den Antrag nach § 813b Abs. 1 S. 1 ZPO (a. F.) zu stellen (zum Fristbeginn siehe § 813b Abs. 2 S. 2 ZPO [a. F.]). Er sollte es nicht in der Hand haben, die Verwertung zu verzögern. Verletzte der Schuldner seine Obliegenheit vorsätzlich oder grob fahrlässig, wurde der Antrag ohne Sachprüfung zurückgewiesen. Grobe Nachlässigkeit i. S. d. § 813b Abs. 2 S. 1 ZPO (a. F.) war mit grober Fahrlässigkeit gleichzusetzen. Da grobe Fahrlässigkeit genügte, musste im Umkehrschluss auch jede Form von Vorsatz genügen. Es kam nicht auf Absicht im engeren Sinne an. Die Vorschrift setzte mithin qualifiziertes Verschulden voraus. § 233 ZPO war nicht anwendbar. Zudem war die 2-Wochen-Frist des § 813b Abs. 2 S. 1 ZPO keine Notfrist.235 3. Zusammenfassung Schuldhaftes Verhalten fand im Rahmen der Interessenabwägung nach § 813b Abs. 1 ZPO (a. F.) Berücksichtigung, und zwar schuldhaftes Verhalten sowohl des Vollstreckungsschuldners als auch des Vollstreckungsgläubigers. Der Ausgang der Interessenabwägung war jedoch typischerweise einzelfallabhängig. Deshalb musste z. B. eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vollstreckungsschuldners nicht zwingend zur Folge haben, dass der Antrag nach § 813b Abs. 1 ZPO (a. F.) zurückgewiesen wurde. Ebenso musste eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vollstreckungsgläubigers nicht zur Folge haben, dass dem Antrag immer stattzugeben war. Maßgeblich kam es nämlich auch auf die objektiven Umstände an, z. B. auf die Art der Schuld und darauf, dass der Schuldner in der Lage war, die künftigen Raten zu zahlen. Dagegen wurde eine qualifiziert-schuldhafte Säumnis bei der Antragsfrist nach § 813b Abs. 2 ZPO (a. F.) vorausgesetzt, wenn das Vollstreckungsgericht den Antrag des Schuldners ohne Sachprüfung nach § 813b Abs. 2 S. 1 ZPO (a. F.) zurückweisen wollte.

233

Zöller/Stöber, § 813b Rz. 12. Zöller/Stöber, § 813b Rz. 12; vgl. ferner Musielak/Voit/Becker, 9. Aufl. 2012, § 813b Rz. 5. 235 Musielak/Voit/Becker, 9. Aufl. 2012, § 813b Rz. 5; Schuschke/Walker/Walker, § 813b Rz. 6. 234

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

4. Neue Rechtslage mit Geltung ab dem 01.01.2013236 Mit Wirkung zum 01.01.2013 wurde § 813b ZPO (a. F.) aufgehoben. Während § 813a ZPO (a. F.) durch § 802b ZPO (n. F.) ersetzt wurde237, hielt der Gesetzgeber die Möglichkeit eines gerichtlichen Verwertungsaufschubs ohne Zustimmung des Gläubigers für entbehrlich.238 Die praktische Bedeutung der Regelung war ohnehin gering (siehe bereits oben). Darüber hinaus werden die Rechte des Schuldners in der Zwangsvollstreckung durch die Möglichkeit eines Vollstreckungsaufschubs nach § 802b ZPO (n. F.) sowie durch die §§ 765a, 766 ZPO in ausreichendem Maße geschützt.239

VII. Zusammenfassung Der Pfändungsschutz nach § 811 ZPO wird verschuldensunabhängig gewährt. Der Schutz der Grundrechte und des öffentlichen Interesses, auch der sozialen Belange, geht vor. Bei der Austauschpfändung nach § 811a ZPO spielt Ver­schulden auf der Ebene der Interessenabwägung praktisch keine Rolle. Für die Pfändung von Haustieren nach § 811c Abs. 2 ZPO kommt es auf schuldhaftes Verhalten ebenfalls in der Regel nicht an. Allenfalls dann, wenn ausnahmsweise keine Belange des Tierschutzes entgegenstehen, spricht allein das schuldhafte Handeln des Vollstreckungsschuldners für eine Interessenabwägung zugunsten des Gläubigers. Auch für das Pfändungsverbot nach § 812 ZPO ist Verschulden praktisch nicht relevant. Der Verwertungsaufschub nach § 813a ZPO (a. F.) endete, wenn der Schuldner mit den Ratenzahlungen teilweise in Verzug kam, § 813a Abs. 2 S. 4 ZPO (a. F.). Verzug setzte nach der hier vertreten Ansicht bei analoger Anwendung des § 286 Abs. 4 BGB Verschulden voraus. Anders verhält es sich mit § 802b Abs. 3 S. 3 ZPO (n. F.), der die vorgenannte Regelung zum 01.01.2013 ersetzt hat; danach kommt es lediglich auf einen objektiven Zahlungsrückstand an. Die Aussetzung der Verwertung nach § 813b Abs. 1 ZPO (a. F.) setzte eine Interessenabwägung voraus; Verschulden konnte hier berücksichtigt werden. Verschulden war zudem maßgeblich nach § 813b Abs. 2 ZPO (a. F.); im Falle grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Verschleppung war der Antrag nach § 813b Abs. 1 ZPO (a. F.) ohne Sachprüfung zurückzuweisen. Eine dem § 813b ZPO (a. F.) vergleichbare Reglung gibt es seit dem 01.01.2013 nicht mehr.

236 Art. 1 Nr. 11 des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung v. 29.07.2009 mit Wirkung zum 01.01.2013, BGBl. I 2009 (Nr. 48), S. 2258, 2262. 237 Art. 1 Nr. 11 des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung v. 29.07.2009 mit Wirkung zum 01.01.2013, BGBl. I 2009 (Nr. 48), S. 2258, 2259 f. 238 BT-Drs. 16/10069, S. 34. 239 BT-Drs. 16/10069, S. 34.

J. §§ 850 ff. ZPO – Forderungspfändung/Vollstreckungsschutz

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J. §§ 850 ff. ZPO – Forderungspfändung/Vollstreckungsschutz Nach § 850 Abs. 1 ZPO ist Arbeitseinkommen, das in Geld zahlbar ist, nur insoweit pfändbar, als sich dies aus den §§ 850a bis 850i ZPO ergibt. Ein Verstoß gegen die Pfändungsbeschränkungen der §§ 850 ff. ZPO hat nicht die Nichtigkeit der Pfändung zur Folge; der Pfändungsbeschluss kann angefochten werden.240 § 850 Abs. 2 ZPO enthält eine beispielhafte Liste von verschiedenen Einkunftsarten und kennzeichnet damit den Begriff des Arbeitseinkommens näher. Im Allgemeinen handelt es sich bei Arbeitseinkommen um Einkommen aus Dienst- und Arbeitsverhältnissen.241 Auch erfasst sind Vergütungen aus selbständigen Dienstverhältnissen.242 Nach § 850 Abs. 3 ZPO sind bestimmte Bezüge dem Arbeitseinkommen gleichgestellt, namentlich Karenzentschädigungen und Versicherungsrenten. § 850 Abs. 4 ZPO bestimmt den Umfang der Pfändung; erfasst sind alle Vergütungen in Geld, die dem Schuldner aus der Arbeits- oder Dienstleistung zustehen, ohne Rücksicht auf ihre Benennung oder Berechnungsart. Bei fortlaufenden Bezügen erstreckt sich die Pfändung auch auf künftig fällig werdende Beträge (§ 832 ZPO), auch auf solche Entgeltforderungen, die erst zukünftig entstehen.243

I. §§ 850 ff.  ZPO, Verschulden bei antragsunabhängigem Vollstreckungsschutz Es kommt im Rahmen des gesetzlichen Pfändungsschutzes nach §§ 850 ff. ZPO auf Tatbestandsebene in der Regel nicht auf Verschulden an, sofern jedenfalls ein Antrag des Vollstreckungsschuldners nicht vorausgesetzt wird. Das gilt etwa für § 850 Abs. 1 i. V. m. §§ 850a, 850c Abs. 1 und 2, 850d Abs. 1 S. 1–3, 850k Abs. 1 sowie §§ 851, 851a Abs. 2, 851c, 851d und 852 ZPO. Der Grund liegt darin, dass der Vollstreckungsschutz nach den benannten Vorschriften von Amts wegen gewährt wird und insbesondere etwaige Behauptungen des Vollstreckungsgläubigers dahingehend, der Vollstreckungsschuldner habe sich in irgendeiner Weise schuldhaft verhalten, nicht in die Beurteilung bzw. in die Auslegung ausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffen einfließen dürfen. Denn der Schuldner, der gemäß § 834 ZPO nicht angehört werden darf, kann sich nicht dagegen zur Wehr setzen. Zudem dürfen, wie auch bei § 811 ZPO, zur Auslegung ausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe nur solche Kriterien herangezogen werden, anhand derer der Gesetzgeber die Entscheidung über den Pfändungsschutz selbst bereits getroffen hat. Maßgeblich sind 240 H. M.: BLAH, Einf §§ 850–852 Rz. 8; MüKo/Smid, § 850 Rz. 17; a. A.: vgl. StJ/Brehm, § 829 Rz. 111/§ 850 Rz. 18; kein Pfändungspfandrecht, aber wirksame Verstrickung: Schuschke/ Walker/Kessal-Wulf, § 850 Rz. 7. 241 Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850 Rz. 9. 242 Hk-ZPO/Kemper, § 850 Rz. 14; für den Freiberufler: Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850 Rz. 9. 243 Hk-ZV/Meller-Hannich, § 850 Rz. 17.

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

die Grundrechte der Beteiligten, sozialrechtliche Aspekte und öffentliche Interessen. Deshalb darf beispielsweise bei § 851a Abs. 2 ZPO, wenn es darum geht, ob die Einkünfte aus dem landwirtschaftlichen Betrieb unentbehrlich sind, keine offene Interessenabwägung vorgenommen und auf diesem Wege ein schuldhaftes Verhalten des Vollstreckungsschuldners berücksichtigt werden.244 Pfändungsschutz, der antragsunabhängig gewährt wird, darf daher aus systematischen Gründen nur anhand objektiver Kriterien bewertet werden.

II. § 850b Abs. 2 ZPO245 Nach § 850b ZPO sind bestimmte Bezüge des Vollstreckungsschuldners bedingt pfändbar. Für welche Bezüge das gilt, ergibt sich aus § 850b Abs. 1 ZPO. Sie können gemäß § 850b Abs. 2 ZPO nach den Vorschriften für Arbeitseinkommen dann gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird und wenn nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, die Pfändung der Billigkeit entspricht. Die Pfändung ist subsidiär und unterliegt einer Billigkeitsentscheidung des Vollstreckungsgerichts, d. h. dem Rechtspfleger (§ 20 Nr. 17 RPflG), der über den Pfändungsantrag des Gläubigers nach §§ 828, 829 ZPO zu befinden hat. Der Gläubiger hat die Pfändung der in § 850b Abs. 1 ZPO genannten Bezüge unter Darlegung der Voraussetzungen gesondert zu beantragen.246 Verfassungsrechtliche Bedenken247 sind vereinzelt geblieben. Die nur bedingte Pfändbarkeit ist im Verhältnis zur Pfändbarkeit von sonstigem Einkommen (vgl. § 850c ZPO) aus sozialen Gründen gerechtfertigt. 1. Entscheidung nach Billigkeit, Interessenabwägung Der Begriff der „Billigkeit“ lässt als offenes Tatbestandsmerkmal die Berücksichtigung sonstiger Belange im Einzelfall zu. Das spricht für eine Interessenabwägung im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner248; Verschulden wäre demnach – wie alle Umstände des Einzelfalles – grundsätzlich zu berücksichtigen. 244 Vgl. auch Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 851a Rz. 3, wonach keine Abwägung mit den Belangen des Gläubigers stattzufinden hat, sondern es allein auf die objektive Unentbehrlichkeit ankomme. 245 Vgl. den dritten Fall in der Einführung. 246 Brox/Walker, ZVR, Rz. 560a; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850b Rz. 4. 247 Foerste, NJW 2006, 2945, 2947 für § 850 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO. 248 BGH NJW-RR 2007, 1510, 1511; NJW 2004, 2450, 2452; Balthasar, FamRZ 2005, 85, 86; BLAH § 850b Rz. 16 ff., insb. 17; Brox/Walker, ZVR, Rz. 560; Dörndorfer, in: Dierck/ Morvilius/Vollkommer, Kap. 5 Rz. 260; MüKoZPO/Smid, § 850b Rz. 16 mit Verweis auf § 850i ZPO; Musielak/Becker, § 850b Rz. 11; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850b Rz. 3; Zöller/ Stöber, § 850b Rz. 12.

J. §§ 850 ff. ZPO – Forderungspfändung/Vollstreckungsschutz

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2. „Pflichten“ der Beteiligten bzw. Erwerbsobliegenheit des Vollstreckungsschuldners Erforderlich wäre aber, dass im Falle einer Forderungsvollstreckung den Gläubiger und/oder Schuldner im horizontalen Vollstreckungsverhältnis besondere Pflichten treffen. Das wird weder von der Rechtsprechung noch von der Literatur im Zusammenhang mit § 850b ZPO besonders thematisiert. Verschulden wird nicht erörtert. Es wurde jedoch behauptet, dass die Unfallrente wegen der Unterhaltsforderung eines Kindes nach § 850b Abs. 2 ZPO dann pfändbar sei, „wenn der Vater grundlos einer ständigen Arbeit nicht nachgeht und lediglich unkontrollierbare Gelegenheitsarbeiten verrichtet.“249 Ob daraus eine vollstreckungsrechtlich relevante Pflicht bzw. Obliegenheit hergeleitet werden kann, nach §§ 850 Abs. 1, 850c ZPO vollstreckbare Einkünfte zu erzielen, erscheint zunächst fraglich. a) Praktische Bedeutung einer Erwerbsobliegenheit i.R.d. § 850b ZPO Zwar wird es nicht oft vorkommen, dass der Schuldner, der seinerseits eine Rente nach § 850b Abs. 1 ZPO bezieht, überhaupt erwerbsfähig ist. So betrifft § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO wiederkehrende Geldleistungen, die im Falle von Invalidität gezahlt werden.250 Jedoch muss im Einzelfall geprüft werden, ob es dem Betroffenen möglich ist und ob ihm zugemutet werden kann, einer (Teil-)Beschäftigung nachzugehen.251 Gleiches muss grundsätzlich für die übrigen in § 850b Abs. 1 ZPO genannten Rentenbezüge gelten. b) Grundsätzliche Relevanz der Erwerbsobliegenheit im Vollstreckungsrecht Fraglich erscheint auch, ob sich ein Verstoß gegen eine Erwerbsobliegenheit im Vollstreckungsrecht überhaupt auswirkt. Zwar wird im materiellen Unterhaltsrecht bei Berechnung der Ansprüche fiktives Einkommen berücksichtigt. Übt aber der Schuldner eine ihm zumutbare Nebenerwerbstätigkeit nicht aus, führt das nicht dazu, dass im Fall der Vollstreckung wegen Unterhaltsansprüchen in Arbeitseinkommen nach § 850d ZPO der „Freibetrag“ im Interesse des Gläubigers zu kürzen wäre.252 Auch wenn sich der Anspruch des Gläubigers rechnerisch erhöht, bleibt das reale Einkommen des Schuldners gleich. Die Pfändungsfreigrenze des § 850d Abs. 1 ZPO ist daher im Vollstreckungsverfahren unabhängig von Erwerbsobliegenheiten zu prüfen.253 Nicht anders ist es im Falle der bedingten Pfän 249

LG Mannheim MDR 1965, 144. Zöller/Stöber, § 850b Rz. 2. 251 LG Mannheim MDR 1965, 144. 252 LG Hanau JurBüro 2004, 619; Hess.LSG Urt. v. 21.06.00, Az.: L 6 AL 259/00, Rz. 45, ­juris. 253 Hess.LSG Urt. v. 21.06.00, Az.: L 6 AL 259/00, Rz. 45, juris. 250

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dung nach § 850b ZPO; denn gem. Abs. 2 können die Bezüge nur „nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften gepfändet werden“. Der Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit bleibt insoweit ohne Konsequenzen, als der öffent­liche Zweck, namentlich der Schutz des Existenzminimums, einer weitergehenden Vollstreckung entgegen steht. Das heißt jedoch nicht, dass dem Verstoß gegen eine unterhaltsrechtliche Obliegenheit im Vollstreckungsverfahren keinerlei Bedeutung beizumessen ist. Soweit der öffentliche Zweck nicht entgegen steht, ist die Vollstreckung zulässig. Ein Verstoß gegen die unterhaltsrechtliche Obliegenheit führt dazu, dass die in § 850b Abs. 1 ZPO genannten Bezüge ausnahmsweise pfändbar sind, sofern es der Billigkeit im Sinne des Abs. 2 entspricht. Erst in einem weiteren Schritt sind die „Freibeträge“ zu prüfen. Dementsprechend durfte im oben genannten Fall auch in die Unfallrente des unterhaltspflichtigen Vaters vollstreckt werden. c) Allgemeine vollstreckungsrechtliche Erwerbsobliegenheit aa) Hinüberwirken materiell-rechtlicher Erwerbsobliegenheiten in das Vollstreckungsrecht Die Erwerbsobliegenheit stellt sich nach den bisherigen Erkenntnissen als eine unterhaltsrechtliche Besonderheit dar254; Grundlage ist das familiäre Näheverhältnis. Eine allgemeine, vollstreckungsrechtlich relevante Pflicht bzw. Obliegenheit, nach §§ 850 Abs. 1, 850c ZPO vollstreckbare Einkünfte zu erzielen, ergibt sich daraus nicht. Denn während für die unterhaltsrechtliche Erwerbsobliegenheit eine materielle Rechtsgrundlage gegeben ist255, die auf der zwangsvollstreckungsrechtlichen Ebene fortwirkt, scheidet eine solche fortwirkende Rechtsgrundlage bei anderen Ansprüchen gerade aus. Es mag beispielsweise im Eigeninteresse des Käufers liegen, Einkommen zu erzielen, um den Kaufpreis zu zahlen und es mag im Eigeninteresse des Schädigers liegen, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, um den Schaden zu ersetzen (§§ 249 Abs. 2, 250, 251 BGB). Eine rechtlich relevante Obliegenheit trifft den Schuldner auf materieller Ebene aber nicht, auch nicht auf Grundlage von § 242 BGB; denn an einen Verstoß gegen die Obliegenheit können keine Rechtsfolgen geknüpft werden, weil die Höhe des Anspruchs nicht von der Leistungsfähigkeit des Schuldners abhängt. Im Schuldrecht gilt unabhängig von den tatsächlichen Umständen der Grundsatz: Geld hat man zu haben! Die Erwerbspflicht im Eigeninteresse ist ohne Belang. Eine materiell-rechtliche Obliegenheit, die nicht existiert, kann auch nicht ins Vollstreckungsrecht hinüberwirken. 254 Hess.LSG Urt. v. 21.06.00, Az.: L 6 AL 259/00, Rz. 45, juris. An dieser Stelle sei aber auch schon auf die Ausführungen von Ahrens, in: ZInsO 2010, 2357, 2362 verwiesen; aus § 850i Abs. 1 S. 2 ZPO ergebe sich eine (verfahrensrelevante) Erwerbsobliegenheit. 255 Zu § 1603 (Abs. 1) BGB – Palandt/Brudermüller, § 1603 Rz. 22 ff.; zu § 1361 BGB – ­Palandt/Brudermüller, § 1361 Rz. 43.

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bb) Das vollstreckungsrechtliche Rechtsverhältnis als selbständige Rechtsgrundlage Gleichwohl ist damit nicht ausgeschlossen, dass den Schuldner auf zwangsvollstreckungsrechtlicher Ebene eine selbständige Erwerbsobliegenheit trifft. Rechtlich relevant ist eine etwaige Erwerbsobliegenheit nach obenstehenden Ausführungen im Vollstreckungsrecht immer dann, wenn die Pfändung nach „Billigkeitskriterien“ zu beurteilen ist. Denn der Verstoß gegen die Obliegenheit ist im Rahmen der Abwägung zulasten des Schuldners zu berücksichtigen. Für eine allgemeine vollstreckungsrechtliche Erwerbsobliegenheit spricht der Gleichbehandlungsgrundsatz. Es erscheint nicht gerechtfertigt, wenn bei Unterhaltsansprüchen die Rentenbezüge des § 850b Abs. 1 ZPO der Pfändung grundsätzlich unterliegen können, bei sonstigen Ansprüchen eine Vollstreckung in diese Bezüge aber ausscheidet. Die Art der zu vollstreckenden Ansprüche rechtfertigt nach der Konzeption des Vollstreckungsrechts unterschiedliche Pfändungsfreigrenzen (§§ 850c Abs. 1, 2, 850d Abs. 1 ZPO), nicht aber ohne weiteres die unterschiedliche Handhabung beim Zugriff auf ein und denselben Vollstreckungsgegenstand. Grundlage für die allgemeine vollstreckungsrechtliche Erwerbsobliegenheit ist das besondere Näheverhältnis, welches durch das horizontale Vollstreckungsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner begründet wird. Für eine Erwerbsobliegenheit spricht auch, dass § 850b ZPO den gesetzlichen Vollstreckungsschutz nicht um jeden Preis gewährt und deshalb besondere Umstände zu berücksichtigen sind. Das erlaubt, dem Schuldner den Vollstreckungsschutz zu entziehen, wenn er mittelbar zum Nachteil des Gläubigers ein Eigeninteresse verletzt. Für die Erwerbsobliegenheit des Schuldners im Zwangsvollstreckungsrecht spricht ein weiteres Argument. Die Pfändungsbeschränkungen nach §§ 850 ff. ZPO beruhen auf sozialpolitischen Erwägungen zum Schutz des Schuldners im öffentlichen Interesse. Die Normen haben einen sozialrechtlichen Einschlag. Ein Blick in das SGB macht deutlich, dass das Sozialrecht im engeren Sinne Erwerbsobliegenheiten kennt, zumindest auf materiell-rechtlicher Ebene. Machen beispielsweise Arbeitssuchende gegenüber dem Staat einen Anspruch auf Grundsicherung geltend (z. B. ALG II), müssen sie sich in erster Linie auf eine zumutbare Arbeit verweisen lassen. Voraussetzung ist nämlich, dass die Person hilfebedürftig ist. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB II a. F. sollte derjenige hilfebedürftig sein, der seinen Lebensunterhalt nicht durch Aufnahme zumutbarer Arbeit selbst sichern konnte. Mit der Neufassung des § 9 Abs. 1 SGB II ist keine Änderung der materiellen Rechtslage bezweckt; nach wie vor gilt der Grundatz, dass der Hilfebedürftige etwa durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit für sich selbst zu sorgen hat (§ 2 SGB II).256 256 BeckOK-SozR/Fahlbusch, § 9 SGB II Rz. 1; jedoch weist Mecke darauf hin, dass die Hilfebedürftigkeit als solche nicht durch das Verstreichenlassen einer Möglichkeit zur Arbeitsaufnahme entfalle; denn nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II i. V. m. § 31a SGB II sei der Leistungsanspruch zwar stufenweise abzusenken, er bleibe aber erhalten, Eicher/Spellbrink/Mecke, § 9 Rz. 19.

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Denn es gilt das Nachrangprinzip.257 Aus alledem folgt eine allgemeine Erwerbsobliegenheit arbeitsfähiger Personen. Dafür sprechen auch die Sondervorschriften, nach denen Arbeitslosengeld II abgesenkt wird oder der Anspruch auf Arbeitslosengeld I für die Dauer einer Sperrzeit ruht. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld II wird nach §§ 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 31a SGB II abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Rechtsfolgenbelehrung weigert, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen bzw. fortzuführen. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld I ruht, wenn der Arbeitslose seine Arbeit aufgibt oder eine neue Arbeit trotz Rechtsfolgenbelehrung ablehnt, § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 SGB III. Die speziellen Normtatbestände sehen konkrete Rechtsfolgen vor; Regelungsgrundlage ist die allgemeine sozialrechtliche Erwerbsobliegenheit. Es ist freilich nicht unproblematisch, demgemäß auch in der Zwangsvollstreckung eine Erwerbsobliegenheit (arbeitsfähiger Personen) anzunehmen. Die Situation bei Inanspruchnahme sozialrechtlicher Leistungen unterscheidet sich ganz erheblich von der Zwangsvollstreckung: während bei sozialrechtlichen Leistungen Mittel zufließen, geht es in der Zwangsvollstreckung darum, dass dem Betroffenen Vermögen entzogen wird. Auch beschreiben sozialrechtliche Ansprüche das horizontale Verhältnis zwischen Bürger und Staat; bei der Frage, ob in der Zwangsvollstreckung die Pfändung der Billigkeit entspricht, geht es um die horizontale Wechselbeziehung und die Interessenlage zwischen Gläubiger und Schuldner. Soweit aber der Staat unter bestimmten Umständen Sozialleistungen verweigern kann, kann auch vom Gläubiger nicht verlangt werden, dass er zugunsten des Schuldners aus sozialen Gründen auf die Durchsetzung seines Titels verzichtet. Lässt das Gesetz über offene Tatbestände, z. B. durch den Begriff der Billigkeit, eine Abwägung im Einzelfall zu, ist ohnehin besonders darauf zu achten, dass nicht die Aufgaben der Allgemeinheit auf den Gläubiger abgewälzt werden (siehe oben). Das heißt, dass der Gläubiger erst recht nicht dort mit seinen Interessen zurückstehen muss, wo auch die öffentliche Hand nicht verpflichtet wäre. Dieser Wertungsaspekt führt dazu, dass die Person, die ihre eigene Erwerbsobliegenheit verletzt, nicht nur Sozialleistungen, sondern auch den Pfändungsschutz nicht geltend machen kann. Auf die stufenweise Absenkung entsprechend § 31a SGB II kann es bei der Inanspruchnahme von Sozialleistungen ankommen258, nicht aber beim Pfändungsschutz. Denn inwieweit auch die bedingte Pfändung zulässig ist, ergibt sich aus den Vorschriften der ZPO zur Pfändung von Arbeitseinkommen, § 850b Abs. 2, 850c ZPO ff. Die Erwerbsobliegenheit gilt nur für arbeitsfähige Personen. Für die vollstreckungsrechtliche Erwerbsobliegenheit spricht schließlich § 850i Abs. 1 S. 2 ZPO.259 Nach § 850i Abs. 1 S. 1 ZPO hat bei Pfändung nicht wiederkeh-

257 BeckOK-SozR/Fahlbusch, § 9 SGB II Rz. 2; Gagel/Striebinger, § 9 SGB II Rz. 17 ff.; ­Eicher/Spellbrink/Mecke, SGB II, § 9 Rz. 19. 258 Eicher/Spellbrink/Mecke, SGB II, § 9 Rz. 19. 259 Siehe auch Ahrens, ZInsO 2010, 2357, 2362, der in § 850i Abs. 1 S. 2 ZPO eine Erwerbsobliegenheit geregelt sieht.

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rend zahlbarer Vergütungen das Vollstreckungsgericht dem Schuldner auf Antrag das zu belassen, was ihm schätzungsweise verbliebe, wenn es sich um laufenden Arbeits- oder Dienstlohn handeln würde. Bei der Entscheidung hat das Vollstreckungsgericht „die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners, insbesondere seine sonstigen Verdienstmöglichkeiten frei zu würdigen“ (§ 850i Abs. 1 S. 2 ZPO). Nach dem Wortlaut kommt es darauf an, was der Schuldner entsprechend seinen persönlichen Möglichkeiten an Einkommen zu erzielen im Stande ist. Damit werden Erwerbsobliegenheiten umschrieben. Eine solche trifft den Schuldner nicht nur dann, wenn wiederkehrend zahlbare Vergütungen gepfändet werden; denn der Vollstreckungsgegenstand ist kein taugliches Differenzierungskriterium. Die vollstreckungsrechtliche Erwerbsobliegenheit gilt vielmehr umfassend. Das Argument, die Berücksichtigung bloßer Verdienstmöglichkeiten führe zu einer Haftung des Schuldners mit seiner Arbeitskraft260, geht fehl. Die Zwangsvollstreckung kann nur in das vorhandene Vermögen erfolgen, nicht in das potentielle Einkommen. Der Schuldner kann sich lediglich nicht mehr auf besondere Vergünstigungen berufen; das Existenzminimum ist ihm aus verfassungsrechtlichen Gründen (Sozialschutz) in jedem Fall zu belassen. Die Obliegenheit entfällt auch dann nicht, wenn im Einzelfall Grund zur Annahme besteht, dass das von dem Schuldner zu erzielende Einkommen unter der maßgeblichen Pfändungsfreigrenze liegen würde und die Erwerbstätigkeit aus Sicht des Gläubigers zwecklos erschiene, weil nicht vollstreckt werden könnte (z. B. „Minijob“). Umgekehrt kann auch nicht gesagt werden, dass sich erst unter Hinzurechnung der Bezüge ein pfändbarer Betrag und daraus die Erwerbsobliegenheit ergäbe. Zwar sind die Bezüge des § 850b Abs. 1 ZPO bei der Bestimmung des pfändbaren Betrages/Einkommens nur dann mitzurechnen, wenn das Gericht durch Beschluss eine Entscheidung nach § 850b Abs. 2 ZPO überhaupt erst trifft.261 Aber allein aus dem Umstand, dass das Gericht die Sachlage prüft, kann sich die Erwerbsobliegenheit nicht ergeben, auch nicht erst aus dem Beschluss selbst; denn die Frage, ob und inwieweit Einkommen zu erzielen gewesen wäre, würde von einer nachträglichen Beurteilung abhängen. Die Möglichkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, ist jedoch Voraussetzung, nicht Folge des Beschlusses. Die Erwerbsobliegenheit an sich wird nach alledem von der Höhe des Einkommens nicht berührt. Sie besteht unabhängig davon, wie eine Prüfung nach § 850b ZPO ausgehen würde. Dass je nach Art der zu vollstreckenden Forderung die Pfändungsfreigrenze variiert, würde zudem dazu führen, dass die vollstreckungsrechtliche Erwerbsobliegenheit zu relativieren wäre. Das würde bei einer notwendigen Beurteilung der Rechtslage ex-ante zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen. Der Vollstreckungsschuldner könnte nicht feststellen, ob er einer Erwerbstätigkeit nachgehen muss oder nicht.

260

StJ/Brehm, § 850i Rz. 9. Musielak/Becker, § 850e Rz. 2.

261

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

Ist die allgemeine Erwerbsobliegenheit anzuerkennen, kann der Umstand, dass der Vollstreckungsschuldner sie verletzt, im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt werden. 3. Verschulden Nach den Ausführungen unter § 2 C. III. 2. (siehe oben) darf dem Vollstreckungsschuldner nur dann der Rechtsvorteil entzogen werden (hier der Vollstreckungsschutz nach § 850b Abs. 1 ZPO), wenn die Erwerbsobliegenheit schuldhaft verletzt wurde. Zudem hat auch der Gläubiger ein Interesse daran, dass der Schuldner eine Erwerbstätigkeit ausübt, weil er mit alsbaldiger Befriedigung rechnen darf. Insoweit steht die Obliegenheit einer Rechtspflicht gleich, so dass auch dies dafür spricht, dass sich nur der schuldhafte Verstoß auswirkt. Für das Verschuldens­erfordernis spricht zudem, dass auch für die Verletzung sozialrechtlicher Obliegenheiten Verschulden verlangt wird, §§ 159 SGB III, 31 SGB II.262 Denn derjenige, dem ein schuldhaftes Verhalten nicht vorgeworfen werden kann, ist weiterhin schutzwürdig; das gilt bei sozialrechtlichen Ansprüchen gegenüber dem Staat, aber ebenso in der Zwangsvollstreckung im Verhältnis zum Vollstreckungsgläubiger. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte kommt Verschulden bei der vollstreckungsrechtlichen Erwerbsobliegenheit sowohl in Form von Vorsatz als auch in Form von Fahrlässigkeit in Betracht. Soweit bei § 31 SGB II diskutiert wird, ob die konkret formulierten Tatbestände nur eine vorsätzliche Begehung zulassen263, kann dies dahinstehen. Die allgemeine Erwerbsobliegenheit ist eine von konkreten Normtatbeständen abstrahierte, ungeschriebene „Pflicht“. Widersprüche dem Wortsinn nach ergeben sich in Bezug auf die fahrlässige Begehung nicht, zumal in der Zwangsvollstreckung eine Belehrung nicht vorgesehen ist, die bei einem Verstoß wohl (immer) für Vorsatz spräche. Beide Schuldformen sind in Anbetracht der vollstreckungsrechtlichen Erwerbsobliegenheit denkbar. Vorsätzlich handelt derjenige, der eine zumutbare Erwerbstätigkeit wissent- und willentlich nicht antritt bzw. ausschlägt, fahrlässig der, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, sich nicht hinreichend um eine Arbeitsstelle bemüht, nicht genügend Bewerbungen verschickt etc.

262

§ 144 SGB III a. F.: BSG NZS 2007, 268, 271; § 31 Abs. 1 SGB II: BeckOK-SozR/Bur­ kiczak, § 31 SGB II Rz. 3 ff.; Berlit/Conradis/Sartorius/Berlit, Kap. 23 Rz. 27; vgl. auch Gagel/ Lauterbach, § 31 SGB II Rz. 18. 263 BeckOK-SozR/Burkiczak, § 31 SGB II Rz. 3 ff.

J. §§ 850 ff. ZPO – Forderungspfändung/Vollstreckungsschutz

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4. Zusammenfassung und Ergebnis Zusammenfassend ist festzustellen, dass schuldhaftes Verhalten in die Ab­ wägung der Interessen von Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldner nach § 850b Abs. 2 ZPO einfließt. Den (arbeitsfähigen) Vollstreckungsschuldner trifft eine vollstreckungsrechtliche Erwerbsobliegenheit. Verletzt er diese vorsätzlich oder fahrlässig, sind die Rentenbezüge des § 850b Abs. 1 ZPO im Rahmen der Freigrenzen pfändbar. Etwas anderes gilt dann, wenn die Interessenabwägung nach § 850b Abs. 2 ZPO trotz schuldhafter Verletzung der Erwerbsobliegenheit zugunsten des Schuldners ausgeht. Voraussetzung ist, dass besondere Umstände für den Vollstreckungsschuldner sprechen, welche die schuldhafte Verletzung der Erwerbsobliegenheit aufwiegen oder nach denen die schuldhafte Verletzung der Erwerbsobliegenheit ausnahmsweise unerheblich erscheint. Letzteres ist dann der Fall, wenn eine dem Vollstreckungsschuldner zumutbare Arbeit nur ein solches Einkommen erwarten ließe, das nicht über die Pfändungsfreigrenze hinausgeht (vgl. oben). Denn dann wäre dem Vollstreckungsgläubiger der Zugriff auf das Vermögen verwehrt. Unterliegt das potentielle Einkommen nicht der Vollstreckung, bleibt es dem Vollstreckungsschuldner – auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten – unbenommen, auf die Ausübung der Erwerbstätigkeit zu verzichten. Der Verzicht kann sich vollstreckungsrechtlich nicht zugunsten des Gläubigers und damit zum Nachteil des Schuldners auswirken, weil die Belange des Gläubigers nicht berührt werden. Die Interessenabwägung nach § 850b Abs. 2 ZPO geht in diesem Fall zugunsten des Schuldners aus. In allen anderen Fällen, nämlich dann, wenn das zu erzielende Einkommen einen pfändbaren Betrag hätte erwarten lassen, geht das Interesse des Gläubigers praktisch immer vor. Prinzipiell ist es denkbar, dass Umstände, die gegen den Vollstreckungsgläubiger sprechen, die schuldhafte Verletzung der Erwerbsobliegenheit aufwiegen. Ein solcher Fall dürfte gleichwohl kaum in Betracht kommen. Wenn beispielsweise grundsätzlich zulasten des Gläubigers berücksichtigt werden muss, dass er einen verhältnismäßig geringen Nutzen aus der Vollstreckung zieht, dem Schuldner aber ein erheblicher Schaden entsteht264, so genügt das nicht. Denn der arbeitsfähige Vollstreckungsschuldner hätte es bei Ausübung der Erwerbstätigkeit in der Hand, „verwertbares“ Vermögen zu erwirtschaften und damit die (bedingte) Pfändung der Rentenbezüge abzuwenden. Wenn weiterhin zulasten des Gläubigers zu berücksichtigen sei, dass die fraglichen Bezüge des Schuldners gerade ausreichen, solche außerordentlichen Bedürfnisse zu befriedigen, derentwegen sie gewährt werden (Lebenshaltungskosten bei Körperverletzung)265, wird auch dadurch die schuldhafte Verletzung der Er­werbs­ ob­liegenheit nicht aufgewogen. Dieser Umstand genügt schon als solcher nicht, die Pfändung unbillig erscheinen zu lassen, da ausreichender Schutz auf der zweiten 264 Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850b Rz. 3 mit Beispiel und Verweis auf LG Mainz VersR 1972, 142. 265 Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850b Rz. 3.

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Stufe, nämlich bei Überprüfung der Pfändungsfreigrenzen gewährt wird. Im Zweifel kann der Vollstreckungsschuldner einen Antrag nach § 850f Abs. 1 ZPO stellen. Nach alledem zeigt sich, dass bei schuldhafter Verletzung der Erwerbsobliegenheit die Interessenabwägung in der Regel zulasten des Schuldners ausgeht. Die in § 850b Abs. 1 ZPO genannten Rentenbezüge unterliegen auf gerichtlichen Beschluss hin der Pfändung, sofern das zu erzielende Einkommen einen pfändbaren Betrag hätte erwarten lassen. Zu achten ist darauf, dass zwar der Vollstreckungsgläubiger für die Billigkeit der Pfändung die Darlegungs- und Beweislast trägt (bzgl. der fruchtlosen/aussichtslosen Vollstreckung genügt Glaubhaftmachung266), hier aber keine übertriebenen Anforderungen zu stellen sind; denn er hat kaum oder keinen Einblick in den persönlichen Lebensbereich des Vollstreckungsschuldners.267 Es muss ausreichen, wenn der Vollstreckungsgläubiger vorträgt, dass der Vollstreckungsschuldner keine Erwerbstätigkeit ausübe. Demgegenüber hat sich der Vollstreckungsschuldner mit qualifiziertem Vortrag zu entlasten; es gelten die allgemeinen Grundsätze zum Beweis negativer Tatsachen.268

III. § 850c Abs. 4 ZPO Nach § 850c Abs. 4 ZPO entscheidet das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers darüber, ob eine Person, die aufgrund gesetzlicher Verpflichtung vom Schuldner Unterhaltleistungen erhält und dabei eigene Einkünfte erzielt, bei Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitskommens unberücksichtigt bleibt. Bleibt die Person bei der Berechnung (ganz oder teilweise) außen vor, erhöht sich der pfändbare Teil des Arbeitseinkommens, vgl. § 850c Abs. 1, 2 ZPO. Das Gericht entscheidet gem. § 850c Abs. 4 ZPO nach billigem Ermessen. 1. Entscheidung nach Billigkeit Der Begriff „Billigkeit“ lässt auch hier wieder als offenes Tatbestandsmerkmal die Berücksichtigung besonderer Belange im Einzelfall zu. Ob deswegen schuldhaftes Verhalten des Vollstreckungsgläubigers, des Vollstreckungsschuldners oder eines Dritten eine Rolle spielt, erscheint zweifelhaft.

266

StJ/Brehm, § 850b Rz. 28. BGH NJW 2004, 2450, 2452; OLG München NJW-RR 1988, 894 f.; BLAH, § 850b Rz. 19 (Stichwort: Überspannung); Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850b Rz. 4; Zöller/Stöber, § 850b Rz. 13, 15 (substantiierter Tatsachenvortrag nötig, gleichwohl keine überspannten Anforderungen). 268 Siehe nur Hk-ZPO/Saenger, § 286 Rz. 92 f. 267

J. §§ 850 ff. ZPO – Forderungspfändung/Vollstreckungsschutz

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2. Keine Interessenabwägung im klassischen Sinn Eine echte Interessenabwägung, auf deren Grundlage schuldhaftes Verhalten zu berücksichtigen wäre, findet nicht statt. Das unpfändbare Arbeitseinkommen ist vom Gericht nach objektiven Kriterien zu bestimmen. a) Neuberechnung der Pfändungsfreigrenze (gemäß den objektiven Umständen) Nach § 850c Abs. 4 ZPO wird auf Antrag des Gläubigers die Berechnungsgrundlage für den unpfändbaren Teil des Arbeitseinkommens (siehe § 850c Abs. 1  S. 2, Abs. 2 S. 1 ZPO) nach „billigem Ermessen“ modifiziert. In welchem Umfang nach diesen Grundsätzen das Arbeitseinkommen des Schuldners der Zwangsvollstreckung pfändbar ist, hängt davon ab, ob der Schuldner einem Dritten Unterhalt gewährt obgleich er von der Unterhaltspflicht befreit ist. Für die Frage, inwieweit der Schuldner von seiner Unterhaltspflicht befreit ist269, weil der Dritte über eigenes Einkommen verfügt, kommt es auf den individuellen Bedarf des Dritten und die Höhe seiner Einkünfte an.270 Je nach Einzelfall ist daher zu bestimmen, ob und in welchem Umfang der pfändbare Betrag entgegen § 850c Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 ZPO zugunsten des Gläubigers abzuändern ist. Auch wenn sich für die Absenkung der Pfändungsfreigrenzen gem. § 850c Abs. 4 ZPO nach einigen Stimmen in der Literatur starre Sätze und abstrakte Formeln nicht aufstellen lassen271 und – so der BGH – sich eine schematisierende Betrachtungsweise verbietet272, spricht das nicht für eine „offene“ Interessenabwägung. Denn es geht um die „Neuberechnung“ der Pfändungsfreigrenzen unter Beachtung der wirtschaftlichen Belange insbesondere des unterhaltsberechtigten Dritten273, also um die objektiven Umstände. Dabei werden nach wie vor bestimmte Berechnungsgrößen zugrunde gelegt (z. B. § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO, sozialgesetzliche Regelungen zur Existenzsicherung u.s.w.), um hiernach den Bedarf des Dritten im Einzelfall feststellen zu können.274 Wichtig ist, dass für den Einzelfall die jeweils richtige Berechnungsgröße in Ansatz gebracht wird. Das Vollstreckungsgericht entscheidet lediglich dann ermessensfehlerhaft, wenn es auf verschiedene Fallgestaltungen unterschiedslos dieselbe Berechnungsformel anwendet.275 Auf die Einzelheiten braucht 269

Zur Freistellung siehe Zöller/Stöber, § 850c Rz. 15. BT-Drs. 8/693 S. 49; StJ/Brehm, § 850c Rz. 32; Zöller/Stöber, § 850c Rz. 15. 271 Zöller/Stöber, § 850c Rz. 15a; vgl. ferner Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850c Rz. 10.  272 BGH NJW-RR 2006, 568 f.; NJW-RR 2005, 1239, 1240; NJW-RR 2005, 795, 797; siehe auch LG Kassel, Beschl. v. 23.02.07, Az. 3 T 106/07, juris, dort insb. Rz. 15; kritisch Schmidt, Rpfleger 2005, 203 f. 273 Vgl. dazu BGH NJW-RR 2006, 568 f.; NJW-RR 2005, 1239, 1240; NJW-RR 2005, 795, 797. 274 Vgl. BGH NJW-RR 2006, 568, 569; NJW-RR 2005, 1239, 1240. 275 Ahrens, NJW-Spezial 2007, 613; vgl. dazu BGH NJW-RR 2005, 1239, 1240. 270

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

nicht weiter eingegangen zu werden. Die „Neuberechnung“ der Pfändungsfreigrenze geschieht weitgehend wertneutral; besondere Wertungsgesichtspunkte wie etwa das Verschulden sind nicht maßgeblich. Bei Feststellung der objektiven Beträge kommt es auf eine schuldhafte Pflicht- oder Obliegenheitsverletzung nicht an. b) Nicht erforderlich: Schuldhafte Vermögensverschiebung (an den Dritten) Da jedoch die wirtschaftlichen Belange des Vollstreckungsgläubigers, des Vollstreckungsschuldners und des unterhaltsberechtigten Dritten abzuwägen sind276, könnte die Berücksichtigung des Dritten bei der Berechnung des pfändungsfreien Betrages dann und gerade deshalb unbillig sein, wenn und weil der Vollstreckungsschuldner schuldhaft Vermögen verschwendet, indem er an den Dritten Unterhalt leistet, der eigene Einkünfte erzielt. Auf eine solche schuldhafte Pflichtverletzung kommt es nach § 850c Abs. 4 ZPO allerdings nicht an. Zum einen stellt die Vorschrift lediglich auf die objektiven Umstände ab, nämlich darauf, dass der Vollstreckungsschuldner Unterhalt leistet und der Dritte eigene Einkünfte erzielt. Nicht erforderlich ist, dass der Vollstreckungsschuldner in Kenntnis oder in fahrlässiger Unkenntnis die Leistung erbringt. Auch weil der Vollstreckungsschuldner am Verfahren nach § 850c Abs. 4 ZPO nicht zu beteiligen ist (siehe § 834 ZPO), kann Verschulden kein maßgebliches Kriterium darstellen. Ein inneres, subjektives Tatbestandsmerkmal kann nicht verlässlich beurteilt werden, ohne dass dem Betroffenen rechtliches Gehör gewährt wird. Zum anderen würde das Verschuldenserfordernis die Vollstreckung erschweren. Damit wäre eine effektive Zwangsvollstreckung nicht gewährleistet und der Vollstreckungsgläubiger müsste das Risiko unverschuldeter Vermögensverschiebungen tragen. Das erscheint nicht sachgerecht. Erlangt der Vollstreckungsschuldner Kenntnis von den Umständen, kann er die Unterhaltsleistung einstellen. Einer Anpassung des Beschlusses nach § 850c Abs. 4 ZPO bedarf es nicht, weil er objektiv richtig ist. Den geleisteten Unterhalt kann der Vollstreckungsschuldner ggf. nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückverlangen. Damit wird seinen Interessen ausreichend Rechnung getragen. c) Nichtberücksichtigung etwaiger Erwerbsobliegenheiten des Dritten Fraglich ist, ob im Rahmen des § 850c Abs. 4 ZPO fiktives Einkommen des Dritten und insoweit ein schuldhaftes Verhalten zu berücksichtigen ist. Den Dritten trifft jedenfalls keine vollstreckungsrechtliche Erwerbsobliegenheit. Es fehlt an der Rechtsgrundlage, namentlich an einem Vollstreckungsverhältnis unter Ein­ 276

BGH NJW-RR 2005, 1239, 1240.

J. §§ 850 ff. ZPO – Forderungspfändung/Vollstreckungsschutz

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beziehung des Dritten; denn der Dritte ist nicht Beteiligter des Vollstreckungs­ verfahrens. Verletzt der Dritte seine unterhaltsrechtliche Erwerbsobliegenheit, ist das für § 850c Abs. 4 ZPO nicht relevant. Es könnte sich zwar wegen § 850c Abs. 4 ZPO um eine Erwerbsobliegenheit mit Schutzwirkung zugunsten des Vollstreckungsgläubiger handeln, die im Vollstreckungsverfahren fortwirkt, die daher zumindest insoweit prozessualen Charakter hat. Auch könnte, wenn sich die Unterhaltspflicht reduzieren würde, sofern der Dritte Einkünfte zu erzielen imstande wäre, eine relative Anpassung der Pauschbeträge in Betracht kommen, weil § 850c Abs. 4 ZPO die teilweise Berücksichtigung des Unterhaltsberechtigten zulässt.277 Jedoch werden weder von der Rechtsprechung noch von der Literatur fiktive Einkünfte im Zusammenhang mit § 850c Abs. 4 ZPO thematisiert. Das Vollstreckungsgericht (der Rechtspfleger, § 20 Nr. 17 RpflG) müsste nämlich beurteilen, inwieweit eine Erwerbstätigkeit zumutbar wäre und welche Einkünfte sich daraus ergeben könnten. Das kann nicht verlangt werden. Der Rechtspfleger muss sich mit schwierigen Fragen des Unterhaltsrechtes nicht auseinandersetzen.278 Er hat sich zudem an die Fakten zu halten und nicht die Tatsachengrundlagen durch fiktive Annahmen zu erweitern. Er hat nach § 850c Abs. 4 ZPO lediglich zu prüfen, ob der Vollstreckungsschuldner aufgrund einer gesetzlichen Unterhaltspflicht (z. B. §§ 1361, 1570 ff., 1601, 1615l/n BGB) an eine der in § 850 Abs. 1 S. 2 ZPO genannten Personen tatsächlich Unterhalt leistet, ob der Leistungsempfänger tatsächlich eigene Einkünfte erzielt und ob die (teilweise) Nichtberücksichtigung des Unterhaltsberechtigten bei der Berechnung des pfändungsfreien Betrages nach § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO der Billigkeit entspricht. Bei der Billigkeitsprüfung hat der Rechtspfleger die Höhe der Einkünfte und den Lebensbedarf des Dritten zu vergleichen (siehe bereits oben). Schon das ist nicht einfach. Trotzdem sind keine überspannten Anforderungen zu stellen, weil das Vollstreckungsverfahren praktikabel sein soll.279 Dass fiktive Einkünfte des Dritten im Rahmen des § 850c Abs. 4 ZPO keine Rolle spielen, dafür spricht im Übrigen auch der Wortlaut. Dort heißt es: „Hat … [der Unterhaltsberechtige] eigene Einkünfte“. Nach alledem ist die Erwerbsobliegenheit des Dritten im Rahmen des § 850c Abs. 4 ZPO deshalb nicht zu berücksichtigen, weil der Rechtspfleger daraus eine Rechengröße herleiten müsste, deren genaue Bestimmung dem Richter im Erkenntnisverfahren (Unterhaltsprozess) vorbehalten ist. Mithin kommt es auch auf eine schuldhafte Verletzung der Erwerbsobliegenheit seitens des Dritten in diesem Zusammenhang nicht an.

277

Siehe Wortlaut, ferner BT-Drs. 8/693, S. 49 und (u. a.) LG Konstanz JurBüro 2003, 326; LG Stuttgart JurBüro 2001, 659. 278 Ahrens, NJW-Spezial 2007, 613; Zöller/Stöber, § 850c Rz. 15a, 6. 279 BT-Drs. 8/693, S. 49.

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

3. Sonstiges Etwaige materiell-rechtliche Pflichten des Dritten gegenüber dem Schuldner sind für die Vollstreckung im Verhältnis Gläubiger zu Schuldner ohne Bedeutung. Dass in anderer Weise für § 850c Abs. 4 ZPO Pflichten aus dem Vollstreckungsverhältnis maßgeblich sind, ist nicht ersichtlich. 4. Ergebnis Schuldhaftes Verhalten ist kein nach § 850c Abs.4 ZPO zu berücksichtigendes Kriterium.

IV. § 850d Abs. 1 ZPO Nach § 850d Abs. 1 S. 1–3 ZPO ist wegen Unterhaltsansprüchen ungeachtet der in § 850c ZPO bezeichneten Beschränkungen auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers die privilegierte Pfändung von Arbeitseinkommen gestattet; nur der „notwendige Unterhalt“ ist dem Schuldner zu belassen und das, was der Schuldner zur Befriedigung vor- oder gleichrangiger Berechtigter bedarf. Nach § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO gilt dies insoweit nicht für Rückstände, die länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses fällig geworden sind, soweit nach Lage der Dinge nicht anzunehmen ist, dass der Schuldner sich seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat. § 850d Abs. 1 ZPO stellt die Vollstreckung wegen solcher Unterhaltsansprüche sicher, zu deren Befriedigung das Gesetz dem Vollstreckungsschuldner Arbeitseinkommen in bestimmter Höhe belässt (§ 850c Abs. 1 S. 2 ZPO). Der Pfändungsschutz nach § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO wird nämlich im Interesse des Unterhalts­ berechtigten gewährt, so dass die Beschränkung der Zwangsvollstreckung insoweit nicht dem Unterhaltsberechtigten gegenüber gelten kann. Die privilegierte Pfändung darf wegen fälliger und künftiger Unterhaltsansprüche, ferner aber auch wegen rückständiger Unterhaltsansprüche erfolgen. Bei überjährigen Unterhaltsansprüchen kann sich der Vollstreckungsgläubiger (Unterhaltsberechtigte) auf die privilegierte Pfändung nur dann berufen, wenn sich der Vollstreckungsschuldner der Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat. Dies deutet auf qualifiziertes Verschulden hin. Darauf wird noch einzugehen sein.

J. §§ 850 ff. ZPO – Forderungspfändung/Vollstreckungsschutz

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1. § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO (bevorrechtigte Vollstreckung) Unabhängig von dem Fall, dass überjährige Ansprüche vollstreckt werden, könnte Verschulden bereits für die Feststellung des notwendigen Unterhalts des Vollstreckungsschuldners (nach § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO), namentlich für die Auslegung dieses Rechtsbegriffes eine Rolle spielen. Was im Sinne des Gesetzes notwendig ist, bedarf der Auslegung. Das Gesetz stellt nicht auf den Grundfreibetrag des § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO ab. Es kann auch nicht der materiell-rechtliche Selbstbehalt (nach der Tabelle) entscheidend sein, weil neben der Durchsetzung laufender und künftiger Unterhaltsansprüche kein Raum wäre für die Vollstreckung von Rückständen (was aber das Gesetz vorsieht, vgl. § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO).280 Stattdessen kommt es darauf an, was dem Vollstreckungsschuldner als laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27 ff. SGB XII zu gewähren wäre.281 Berücksichtigungsfähig sind insbesondere die Heiz- und Mietkosten, Versicherungskosten sowie Kosten für Lebensmittel, Kleidung, Körperpflege und Hausrat.282 Umstritten ist jedoch – und hier könnte schuldhaftes Verhalten eine Rolle spielen –, ob die sich daraus ergebenden Beträge in bestimmten Ausnahmefällen unterschritten werden dürfen, und sei es nur kurzfristig. Ein solches Unterschreiten sei nach einer Ansicht etwa dann gerechtfertigt, wenn der Vollstreckungsschuldner sein laufendes Einkommen durch die Wahl einer ihm ungünstigen Steuerklasse erheblich gemindert283 oder in Erwartung der Unterhaltsvollstreckung einen erheblichen Teil seines Arbeitseinkommens abgetreten habe.284 Einerseits scheint es sich um Fälle des Rechtsmissbrauches zu handeln. Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung scheint der Vollstreckungsschuldner deswegen nicht schutzwürdig, weil er schuldhaft vollstreckbares Vermögen verschwendet. Andererseits muss dem Vollstreckungsschuldner als notwendiger Bedarf zumindest das ver­bleiben, was er für ein menschenwürdiges Dasein benötigt; eben das sollen auch die §§ 27 ff. SGB XII sicherstellen.285 Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen, namentlich wegen Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) und wegen Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip) können die sich aus den §§ 27 ff. SGB XII ergebenden Beträge nicht unterschritten werden.286 Ob die Abtretung wegen § 400 BGB bereits nichtig287 oder ob der Vollstreckungsgläubiger zur Anfechtung (nach dem AnfG) berechtigt ist288, 280

Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850d Rz. 7. Hk-ZV/Meller-Hannich, § 850d Rz. 15; Musielak/Becker, § 850d Rz. 5; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850d Rz. 7; noch zu den Vorschriften des BSHG: BGH NJW-RR 2004, 506; NJW 2003, 2918. 282 U. a. Hk-ZPO/Kemper, § 850d Rz. 11; Hk-ZV/Meller-Hannich, § 850d Rz. 15; Schuschke/ Walker/Kessal-Wulf, § 850d Rz. 7. 283 OLG Zweibrücken NJW-RR 1989, 517; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850d Rz. 7. 284 LG Saarbrücken Rpfleger 1986, 23; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850d Rz. 7. 285 Vgl. Hk-ZV/Meller-Hannich, § 850d Rz. 15. 286 Vgl. auch StJ/Brehm, § 850d Rz. 21. 287 Lorenschat, Rpfleger 1986, 309; vgl. auch MüKoBGB/Roth, § 400 Rz. 4; Staudinger/ Busche (2012), § 400 Rz. 3, 4. 288 StJ/Brehm, § 850d Rz. 21. 281

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

soll hier dahinstehen. Eine schuldhafte Pflichtverletzung ist für die Auslegung des notwendigen Lebensbedarfs jedenfalls nicht maßgeblich. Es kommt allein auf die objektiven Umstände an. Diese hat der Vollstreckungsgläubiger in seinem Antrag darzulegen (was sich schwierig gestalten kann, soweit es beispielsweise um die Höhe der Heiz- und Mietkosten oder darum geht, wem der Vollstreckungsschuldner weiterhin zum Unterhalt verpflichtet ist). 2. § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO (Vollstreckung wegen überjähriger Unterhaltsrückstände) In § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO ist die Vollstreckung von Unterhaltsrückständen geregelt. Eine privilegierte Vollstreckung scheidet – wie bereits gesagt – aus, wenn die Rückstände älter als ein Jahr sind, es sei denn, der Vollstreckungsschuldner hat sich absichtlich der Zahlungspflicht entzogen. a) Rechtsnatur des § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO regelt (zunächst einmal) die Verwirkung des privilegierten Vollstreckungsanspruches, den der Unterhaltsgläubiger aufgrund des Titels gegen den Staat nach § 850d Abs. 1 ZPO hat. Bei der Verwirkung handelt es sich um eine besondere Fallgruppe des widersprüchlichen Verhaltens, mithin um eine besondere Form von Rechtsmissbrauch.289 Der BGH hat für eine vergleichbare Norm des materiellen Rechts, nämlich für § 1585b Abs. 3 BGB darauf hingewiesen, dass es beim Einfordern von Unterhaltsansprüchen nach mehr als einem Jahr dem Wesen nach um eine Verwirkung im Sinne der „illoyal verspäteten Geltendmachung“ gehe.290 Für § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO folgt daraus, dass der Vollstreckungsgläubiger den privilegierten Vollstreckungsanspruch verwirkt und sich damit selbst rechtsmissbräuchlich verhält, wenn er nicht innerhalb eines Jahres den Erlass des Pfändungsbeschlusses beantragt. Darin erschöpft sich aber der Regelungsgehalt des § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO nicht. Weil der Rechtsmissbrauch aufgrund des widersprüchlichen Verhaltens im Regelfall – und auch vorliegend – voraussetzt, dass der andere Teil (hier der Vollstreckungsschuldner) darauf vertrauen durfte, dass der Gläubiger seinen privilegierten Vollstreckungsanspruch nicht mehr durchsetzen werde, ist auch eine Reglung dafür getroffen worden, wann es an einem schutzwürdigen Vertrauen fehlt, nämlich dann, wenn der Vollstreckungsschuldner sich absichtlich der Zahlungspflicht entzogen hat/entzieht. Um nämlich dem Schuldner den Anreiz zu nehmen, durch das Auflaufenlassen der Ansprüche den Fortfall

289 Siehe nur Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 BGB Rz. 302; Näheres zum Rechtsmissbrauch, insbesondere zu den Fallgruppen siehe unter § 6 A IV. 290 BGH NJW 1989, 526, 528.

J. §§ 850 ff. ZPO – Forderungspfändung/Vollstreckungsschutz

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der verschärften Haftung auf verfahrensrechtlichem Wege zu provozieren, gilt das Pfändungsprivileg in solchen Fällen fort.291 Die Besonderheit an § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO ist nach alledem, dass zwei Fälle rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gesetzlich geregelt und miteinander verwoben sind, namentlich die Verwirkung der privilegierten Vollstreckung durch den Gläubiger einerseits und ein vom Normgeber missbilligtes Verhalten des Schuldners andererseits, das den Rechtsmissbrauch des Gläubigers wiederum aufhebt bzw. ausschließt. b) Zur Frage, ob schuldhaftes Verhalten des Vollstreckungsgläubigers relevant ist Grundsätzlich verwirkt der Gläubiger den privilegierten Vollstreckungsanspruch bei überjährigen Unterhaltsansprüchen, und zwar unabhängig davon, ob er mit dem Antrag auf Pfändung die Jahresfrist schuldhaft versäumt hat. Das Gesetz differenziert nicht danach, ob das Vertrauen des Vollstreckungsschuldners schuldhaft oder schuldlos verletzt wird, und sieht auch (mangels Notfrist) bei unverschuldeter Säumnis keine Wiedereinsetzung vor (§ 233 ZPO). Dies stellt insoweit eine Besonderheit dar, als das Verspätungsrecht in der ZPO im Übrigen für die unverschuldete Säumnis regelmäßig Korrekturmöglichkeiten vorhält (vgl. u. a. § 765a Abs. 3 ZPO), im vorliegenden Fall aber nicht. c) Verschulden des Vollstreckungsschuldners Nicht unzulässig ist die privilegierte Pfändung überjähriger Ansprüche dann, wenn der Vollstreckungsschuldner seinerseits schuldhaft gegen die materiellrechtliche Zahlungspflicht (Unterhaltspflicht) verstößt und die Leistung „absichtlich“ verweigert. Es handelt sich dabei um eine Form der Leistungsstörung (Nichtleistung). aa) Verstoß gegen die Zahlungspflicht Anknüpfungspunkt für das Verschulden ist nicht etwa eine besondere prozessuale Rechtspflicht. Das Gesetz nimmt allein die materielle Unterhaltspflicht in Bezug, auch wenn an den Pflichtverstoß vollstreckungsrechtliche Folgen geknüpft werden. Die Unterhaltspflicht bekommt lediglich einen prozessualen Charakter. Soweit der BGH annimmt, dass sich der Schuldner beispielsweise dann der Zahlungspflicht absichtlich entziehe, wenn er die zur Verfügung stehenden Mittel 291

Dazu KG MDR 1986, 767 m. w. N.

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

zweckfremd verwende oder es unterlasse, durch zumutbare Arbeit weitere Einkünfte zu erzielen292, umschreibt er damit zwar vollstreckungsrechtlich relevante Pflichten und Obliegenheiten. Der BGH scheint aber die vollstreckungsrechtlich relevanten Verhaltensweisen lediglich als Indiz dafür zu werten, dass sich der Schuldner der materiell-rechtlichen Zahlungspflicht absichtlich entzieht; denn Absicht lasse sich als inneres Merkmal in der Regel nur indirekt aus dem Verhalten des Schuldners schlussfolgern.293 Es muss sich auch deswegen um die materiellrechtliche Unterhaltspflicht handeln, weil nach richtiger Ansicht sich der Schuldner auch dann schon der Zahlungspflicht i. S. d. § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO entzieht, wenn der geschuldete Unterhalt der Höhe nach mangels Urteil noch nicht feststeht294 und deshalb auch das Vollstreckungsverfahren noch nicht eingeleitet ist. Hier fehlt es im Zweifel am Prozess-, erst recht aber am Vollstreckungsverhältnis, die jeweils als Grundlage für eine Pflicht im verfahrensrechtlichen Sinne in Betracht kämen. Der Zweck, dass nämlich der Schuldner keine Ansprüche auflaufen lässt, um den Fortfall der verschärften Haftung zu provozieren, wäre gefährdet, käme es auf einen Titel oder die Einleitung des Vollstreckungsverfahrens an.295 Trotz des scheinbar klaren Wortlautes ist streitig, wann die Rechtspflicht objektiv verletzt ist. Der Pflichtverstoß wird vom Gesetz damit umschrieben, dass sich der Schuldner der Zahlungspflicht „entzieht“. Nach Ansicht der Rechtsprechung muss die Unterhaltspflicht nicht aktiv hintertrieben werden; es reiche ein bloßes Unterlassen aus, durch das die Realisierung der Unterhaltsschuld erschwert oder vereitelt werde.296 Danach genügt, dass der zahlungsfähige Schuldner nicht bezahlt. Nach anderer Ansicht ist neben dem bloßen Unterlassen erforderlich, dass der Schuldner durch ein konkretes Verhalten für den Gläubiger deutlich und erkennbar zum Ausdruck bringt, die Zahlungspflicht zwar grundsätzlich anzuerkennen, allerdings bereit und willens zu sein, die Befriedigung des Gläubigers durch Gegenmaßnahmen zu verhindern.297 Diese Ansicht wird darauf gestützt, dass ein bloßes Unterlassen im Sinne der Zahlungsverweigerung nicht genüge; denn die Schuldnerschutzbestimmung sei anderenfalls obsolet.298 Dies deshalb, weil wegen rückständiger Forderungen vollstreckt werde, so dass der Schuldner sich in jedem Fall der Zahlungspflicht entzogen hätte, das Tatbestandsmerkmal also immer erfüllt sei.299 Das sei nicht anzunehmen. Dennoch überzeugt diese Ansicht nicht. Zwar setzen überjährige Unterhaltsforderungen denklogisch voraus, dass der Schuldner nicht gezahlt hat. Er hat sich damit aber nicht in jedem Fall der Zahlungspflicht absichtlich entzogen. Gerade das subjektive Moment dient als 292

BGH NJW-RR 2005, 718, 719. BGH NJW-RR 2005, 718, 719. 294 KG MDR 1986, 767. 295 Vgl. KG MDR 1986, 767. 296 BGH NJW-RR 2005, 718, 719. 297 Landmann, Rpfleger 2005, 75, 77. 298 Siehe Landmann, Rpfleger 2005, 75, 76. 299 Siehe Landmann, Rpfleger 2005, 75, 76. 293

J. §§ 850 ff. ZPO – Forderungspfändung/Vollstreckungsschutz

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Korrektiv und schränkt den Anwendungsbereich der Norm ein. Denn absichtlich entzieht sich beispielsweise derjenige nicht, der zahlungsunfähig ist und die Zahlungsunfähigkeit auch nicht willentlich herbeigeführt hat. Für das Entziehen von der Zahlungspflicht kann es ferner nicht darauf ankommen, dass der Gläubiger das manipulative Verhalten als solches erkennt bzw. verifizieren kann. Das widerspräche dem Schutzzweck der Norm; es leuchtet nicht ein, warum der erfolgreich im Geheimen agierende Schuldner besser stehen soll. Es ist vielmehr der erstgenannten Meinung zu folgen. Jeder, der nicht zahlt, entzieht sich der Zahlungspflicht. Auf ein aktives Hintertreiben kommt es nicht an. bb) Verschulden und Verschuldensmaßstab Schließlich stellt sich die Frage, wann dem Vollstreckungsschuldner auf subjektiver Ebene ein qualifiziertes Verschulden vorzuwerfen und ob überhaupt dolus directus 1. Grades erforderlich ist. Absicht sei zumindest dann anzunehmen, wenn der Schuldner durch zweckgerichtetes Handeln eine zeitnahe Realisierung der Unterhaltsschuld verhindere oder zumindest wesentlich erschwere.300 Es wird auch gesagt, es sei erforderlich, dass der Schuldner sich mit direktem Vorsatz der Zahlungspflicht entziehen müsse; dabei müsse es sich jedoch nicht um den treibenden Beweggrund handeln.301 Zu beachten ist jedenfalls, dass sich der Schuldner zwar auch durch aktives Handeln der Zahlungspflicht entziehen kann, dass aber ein Unterlassen genügt. Dementsprechend wird Absicht im Sinne von § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO regelmäßig schon dann bejaht, wenn der Schuldner zwar zahlungsfähig ist, jedoch auf die Schuld nicht leistet (nicht leisten will).302 Nicht erforderlich sei, dass der Schuldner die Jahresfrist willentlich ausnutze, um das Pfändungsvorrecht auszuschließen.303 Es genügt demnach, wenn der Schuldner die Zahlung trotz Kenntnis von seiner Unterhaltsverpflichtung wissent- und willentlich unterlässt (direkter Vorsatz, nicht zwingend jedoch 1. Grades).

V. § 850f ZPO § 850f ZPO enthält Regelungen zur Modifikation des gesetzlichen Pfändungsschutzes, und zwar sowohl im Interesse des Gläubigers als auch des Schuldners. Für die Frage, ob und inwiefern sich schuldhaftes Verhalten auswirkt, ist auf die teils komplizierten Normtatbestände einzugehen. 300 BGH NJW-RR 2005, 718, 719; NJW 1989, 526, 528; Musielak/Becker, § 850d Rz. 12; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850d Rz. 12. 301 KG MDR 1986, 767. 302 BGH NJW-RR 2005, 718, 719; KG MDR 1986, 767; BLAH § 850d Rz. 3 (Stichwort: Rückstand); Zöller/Stöber, § 850d Rz. 5. 303 BGH NJW-RR 2005, 718, 719; KG MDR 1986, 767; Zöller/Stöber, § 850d Rz. 5.

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der drei Härteklauseln des § 850f ZPO Nach § 850f Abs. 1 ZPO kann das Vollstreckungsgericht (Rechtspfleger, § 20 Nr. 17 RPflG) dem Schuldner auf Antrag von dem nach §§ 850c, 850d und 850i ZPO pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens einen Teil belassen, wenn a) der Vollstreckungsschuldner nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen entsprechend der Anlage zur ZPO (zu § 850c ZPO) der notwendige Lebensunterhalt im Sinne des Dritten und Elften Kapitels des SGB XII oder nach dem Dritten Kapitel Abschnitt Zwei des SGB II für sich und für andere Personen, denen er Unterhalt zu gewähren hat, nicht gedeckt ist, b) besondere Bedürfnisse des Vollstreckungsschuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen oder c) der besondere Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflicht des Vollstreckungsschuldners, insbesondere die Zahl der Unterhaltsberechtigten, dies erfordert und überwiegende Belange des Vollstreckungsgläubigers nicht entgegenstehen. Nach § 850f Abs. 2 ZPO kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Voll­ streckungsgläubigers, der wegen einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung304 vollstreckt, den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens ohne Rücksicht auf die in § 850c ZPO vorgesehenen Beschränkungen bestimmen. Dabei ist dem Vollstreckungsschuldner soviel zu belassen, wie er zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf. Nach § 850f Abs. 3 ZPO kann das Vollstreckungsgericht, sofern die Zwangsvollstreckung wegen Forderungen betrieben wird, die sich nicht aus vorsätzlich unerlaubter Handlung oder gesetzlichen Unterhaltspflichten ergeben, auf Antrag des Gläubigers in den Fällen, in denen sich das Arbeitseinkommen des Schuldners auf mehr als monatlich 3166,48 EUR (wöchentlich 719,96 EUR, täglich 139,23 EUR) beläuft, über die Beträge hinaus, die nach § 850c ZPO pfändbar wären, die Pfändbarkeit unter Berücksichtigung der Belange des Gläubigers und des Schuldner nach freiem Ermessen festsetzen. Dabei ist das Vollstreckungsgericht nach § 850f Abs. 3 S. 2 ZPO gebunden. Dem Schuldner hat zumindest das zu verbleiben, was sich bei einem Arbeitseinkommen von monatlich 3166,48 EUR (wöchentlich 719,96 EUR, täglich 139,23 EUR) aus § 850c ZPO ergeben würde.305

304

Erfasst sind auch die daraus resultierenden Verzugszinsen, Prozesskosten und Kosten der Zwangsvollstreckung, BGH NJW-RR 2011, 761 (dort auch zum früheren Meinungsstreit im Einzelnen). 305 Der pfändbare Mehrbetrag (variierbarer Teil), der aus der Regelung des § 850f Abs. 3 S. 1 ZPO folgt, ist jedoch gering, weil alle Beträge über monatlich 3203,67 EUR (wöchentlich 737,28 EUR, täglich 147,46 EUR) hinaus ohnehin nach § 850c ZPO bei der Berechnung des pfändungsfreien Teils unberücksichtigt bleiben (§ 850c Abs. 2 S. 2 ZPO) und der Unterschied zwischen dem, was sich als pfändungsfreier Betrag aus 3203,67 EUR einerseits und aus 3166,48 EUR andererseits ergeben würde, kaum ins Gewicht fällt.

J. §§ 850 ff. ZPO – Forderungspfändung/Vollstreckungsschutz

141

2. Interessenabwägung (als Grundlage für die Berücksichtigung schuldhaften Verhaltens) Verschulden kann bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden. Dass eine Interessenabwägung vorzunehmen ist, geht klar aus dem Wortlaut von § 850f Abs. 1 und Abs. 3 ZPO für die dort geregelten Fällen hervor. Soweit die Härteklausel des § 850f Abs. 1 ZPO eine Interessenabwägung vorsieht, ergeben sich keine Bedenken im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG. Zwar ist es richtig, dass durch die Erhöhung des pfändungsfreien Betrages auf den notwendigen Lebensunterhalt306 ein menschenwürdiges Dasein gewährleistet werden soll.307 Das gilt für § 850f Abs. 1 a) ZPO, aber auch in Anbetracht des Mehrbedarfs gemäß § 850f Abs. 1 b), c) ZPO. Weil die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG unantastbar ist, spricht einiges gegen die Interessenabwägung, dafür jedoch für bedingungslosen Schutz. Stattdessen kommt gemäß dem Wortlaut die Erhöhung der pfändungsfreien Beträge nur dann in Frage, wenn die Interessen des Vollstreckungsgläubigers nicht entgegenstehen. Gleichwohl verstößt der Gesetzgeber nicht gegen Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG. Es steht ihm frei, eine solche Interessenabwägung zuzulassen und im Zweifel dem Vollstreckungsgläubiger den Vorzug zu geben, wenn die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auf andere Weise als durch das Zwangsvollstreckungsrecht sichergestellt ist. Das ist vorliegend der Fall: Wenn nämlich überwiegende Belange des Vollstreckungsgläubigers den Schutz nach § 850f Abs. 1 ZPO ausschließen, hat sich der Vollstreckungsschuldner auf Sozialhilfe verweisen zu lassen.308 Das rechtfertigt in den Fällen des § 850f Abs. 1 ZPO eine „offene“ Interessenabwägung. Zudem gilt der Grundsatz, dass dem Vollstreckungsgläubiger keine sozialrechtlichen Aufgaben aufgebürdet werden dürfen. Dieser wird durch die Regelung des § 850f Abs. 1 ZPO umgesetzt. Ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG scheidet in den Fällen der Herabsetzung der pfändungsfreien Beträge nach § 850f Abs. 2 und Abs. 3 ZPO von vornherein aus. Nach § 850f Abs. 2 ZPO muss dem Vollstreckungsschuldner mindestens der notwendige Unterhalt verbleiben.309 Nach § 850f Abs. 3 ZPO ist das Vollstreckungsgericht bei der Herabsetzung der pfändungsfreien Beträge an die in S. 2 geregelten absoluten Grenzen gebunden (Näheres dazu siehe oben), die aber das Existenzminimum im sozial- und pfändungsrecht­ lichen Sinne übersteigen, weil darin auch anteilig ein Betrag enthalten ist, der dem Arbeitsanreiz dient. Weil das Vollstreckungsgericht nach § 850f Abs. 2 ZPO eine Ermessens­ entscheidung zu treffen hat (es „kann“ die Herabsetzung des pfändbaren Betrages des Arbeitseinkommens bestimmen), sind nach ganz h. M. auch hier die Interes 306

§ 850f Abs. 1 a ZPO verweist auf die §§ 27 ff., 82 ff. SGB XII, §§ 19 ff. SGB II. Vgl. dazu BVerfG NJW 2010, 505, 507 ff. 308 BGH FamRZ 2004, 873; Zöller/Stöber, § 850f Rz. 7. 309 BGH DGVZ 2012, 11, 12 spricht unter Verweis auf BT-Drs. 15/1516, S. 56 vom „sozio­ kulturelle(m) Exsitenzminimum“. 307

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

sen des Vollstreckungsschuldners und des Vollstreckungsgläubigers gegeneinander abzuwägen.310 Unabhängig davon muss es um die Vollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung gehen. Auf der materiell-rechtlichen Ebene ist qualifiziertes Verschulden erforderlich, weil der Vollstreckungsschuldner in einem solchen Fall tendenziell höhere Entbehrungen hinnehmen muss, um den Schaden wieder gutzumachen.311 Insoweit wird die Zwangsvollstreckung von der materiellen Rechtslage beeinflusst. 3. Verschulden Verschulden ist nach alledem in jeder der drei Härteklauseln des § 850f ZPO berücksichtigungsfähig. Nach § 850f Abs. 1 ZPO wird deshalb der unpfändbare Betrag nicht heraufzusetzen sein, wenn der Vollstreckungsschuldner selbst schuldhaft vollstreckbares Vermögen verschwendet bzw. beiseite gebracht oder schuldhaft seine Erwerbsobliegenheit verletzt hat, es sei denn, dass beispielsweise der Vollstreckungsgläubiger etwaige Befriedigungsversuche des Vollstreckungsschuldners vorsätzlich oder fahrlässig vereitelt und damit gegen seine Mitwirkungspflichten verstoßen hat. Ob und wie sich schuldhaftes Verhalten auswirkt, hängt demnach vom Einzelfall ab. Abgesehen davon, dass nach § 850f Abs. 2 ZPO eine Forderung wegen einer vorsätzlich begangen unerlaubten Handlung der Vollstreckung zugrunde liegen muss, Verschulden also insoweit eine Rolle spielt, ist es für den dort geregelten Fall schwer vorstellbar, dass die Herabsetzung des pfändungsfreien Betrages wegen schuldhaftem Verhalten des Vollstreckungsgläubigers ausscheidet. In der Regel kommt es nämlich für die Frage, ob herabzusetzen ist oder nicht, auf die objektiven Umstände auf Seiten des Schuldners an, ob der Schuldner im Falle der privilegierten Vollstreckung beispielsweise eine Geldstrafe nicht mehr tilgen könnte und eine Freiheitsstrafe antreten müsste oder seinen Unterhaltspflichten nicht mehr nachkommen könnte312 oder seine Existenz gefährdet wäre.313 Außergewöhnliche Umstände, die dafür sprechen, dass dem Vollstreckungsschuldner ausnahmsweise keine besonderen Entbehrungen zuzumuten wären, können aber auch dann vorliegen, wenn der Vollstreckungsgläubiger die Vollstreckung entweder selbst verzögert oder etwaige Versuche des Vollstreckungsschuldners, die Schuld zu tilgen, vereitelt hat. Erforderlich ist auch hier, dass der Vollstreckungs 310 BGH NJW 2005, 1663; LG Verden Rpfleger 2010, 150; Brox/Walker, ZVR, Rz. 579; Hk-ZV/Meller-Hannich, § 850f Rz. 17; MüKoZPO/Smid, § 850f Rz. 24; Musielak/Becker, § 850f Rz. 11; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850f Rz. 13; StJ/Brehm, § 850f Rz. 16; S­ töber, Forderungspfändung, Rz. 1195; Zöller/Stöber, § 850f Rz. 10.; a. A. (früher) Berner, Rpfleger 1959, 77,79. 311 Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850f Rz. 10. 312 Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850f ZPO Rz. 13 m.N. 313 Vgl. Hk-ZPO/Kemper, § 850f Rz. 7, 10.

J. §§ 850 ff. ZPO – Forderungspfändung/Vollstreckungsschutz

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gläubiger die vollstreckungsrechtlichen Mitwirkungspflichten schuldhaft verletzt hat. Im Ergebnis kommt es auf eine Interessenabwägung im Einzelfall an. Für § 850f Abs. 3 ZPO gilt das Gesagte entsprechend.

VI. § 850i Abs. 1 ZPO Nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen für persönlich geleistete Arbeit bzw. Dienste werden nach § 829 ZPO gepfändet; der Pfändungsbeschluss erfasst die Forderungen zunächst im Ganzen (vgl. §§ 850 Abs. 1, 850i Abs. 1 S. 1 ZPO).314 Auf Antrag ist nach § 850i Abs. 1 S. 1 ZPO dem Schuldner für einen angemessenen Zeitraum das zu belassen, was ihm schätzungsweise verbliebe, wenn es sich um laufenden Arbeits- oder Dienstlohn handeln würde. Dabei sind gem. § 850i Abs. 1 S. 2 ZPO die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners frei zu würdigen, insbesondere seine Verdienstmöglichkeiten. Gemäß § 850i Abs. 1 S. 3 ZPO ist der Antrag des Schuldners insoweit abzulehnen, „als überwiegende Belange des Gläubigers entgegenstehen.“315 Die angemessene Zeitspanne bestimmt sich im Wesentlichen danach, wann die nächsten ausreichenden Einkünfte zu erwarten sind.316 Weil der Prognose regelkonformes Verhalten zugrunde zu legen ist, spielt Verschulden für die Frage, welcher Zeitraum angemessen ist, keine Rolle. Schuldhafte Pflichtverletzungen können im Rahmen der Interessenabwägung grundsätzlich berücksichtigt werden. Für die Frage, was dem Schuldner notwendig zu belassen ist, kommt es auf eine Interessenabwägung an. Zu würdigen sind einerseits die wirtschaftlichen Belange des Schuldners, andererseits die Belange des Gläubigers. Die Interessenabwägung ist aber nicht ergebnisoffen. Der Freibetrag ist in Anlehnung an die §§ 850a, c, d, e, f ZPO festzusetzen, wenngleich der unpfändbare Teil je nach Einzelfall ausnahmsweise auch niedriger sein kann.317 Es ist darauf zu achten, dass der Schuldner nicht sozialhilfebedürftig wird.318 Zwar ist der Wortlaut nicht eindeutig. Auch erfasst die Pfändung zunächst die gesamte Forderung und der Schuldner bekommt Pfändungsschutz erst auf Antrag gewährt. Im 314

StJ/Brehm, § 850i Rz. 14. Siehe Ahrens, ZInsO, 2010, 2357, 2360/2362 zur Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners und der überwiegenden Belange des Gläubigers und dass des­ wegen auch keine identischen Ergebnisse mit der Pfändung von Arbeitseinkommen erreichbar seien. 316 MüKoZPO/Smid, § 850i Rz. 16; StJ/Brehm, § 850i Rz. 11; Zöller/Stöber, § 850i Rz. 2; vgl. BLAH, § 850i Rz. 6. 317 BGH NJW-RR 2009, 410, 411. 318 MüKoZPO/Smid, § 850i Rz. 17; Musielak/Becker, § 850i Rz. 7; StJ/Brehm, § 850i Rz. 13; vgl. auch die Erwägungen in BT-Drs. 14/6812, S. 8 und im „Entwurf eines Gesetzes zur Än­ derung der Insolvenzordnung, des Kreditwesengesetzes und anderer Gesetze“ − NZI 2004, 549, 569. 315

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§ 3 Verschulden im Vollstreckungsschutz

Zweifel würde also in vollem Umfang vollstreckt. Damit wird aber der Vollstreckungsschutz in der Sache nicht relativiert. Der Vollstreckungsschuldner ist nicht weniger schutzwürdig als ein Schuldner, der laufendes Arbeitseinkommen bezieht. Die Form der Vergütung ist kein taugliches Differenzierungskriterium. In Literatur und Rechtsprechung wird schuldhaftes Verhalten im Zusammenhang mit § 850i Abs. 1 ZPO nicht diskutiert. Das mag daran liegen, dass die Rechtsfolgen wegen des Mindestschutzes kaum variierbar sind. Es ist ohnehin das zu belassen, was dem notwendigen Bedarf entspricht (vgl. die Überlegungen zu § 850d Abs. 1 S. 1, 2 ZPO). Verletzt der Vollstreckungsschuldner beispielsweise seine vollstreckungsrechtliche Erwerbsobliegenheit (siehe oben) vorsätzlich oder fahrlässig, kann das nur bedingt dazu führen, dass ihm weniger zu belassen ist. Allenfalls können Freibeträge (z. B. § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO) bis auf das Sozialhilfeniveau gesenkt werden. Die Sozialhilfesätze sind niedriger als die Pfändungsfreibeträge der ZPO, weil die Hilfesätze nicht für erwerbstätige Personen aufgestellt wurden.319 Bei schuldhafter Pflichtverletzung des Gläubigers (z. B. fehlende Mitwirkung) ist dem Schuldner gem. § 850i Abs. 1 S. 1 ZPO jedenfalls nicht mehr zu belassen, als ihm bei laufendem Arbeitseinkommen gem. den §§ 850a ff. ZPO verbliebe.

VII. Zusammenfassung Soweit der Vollstreckungsschutz keinen Antrag voraussetzt, wird er regelmäßig verschuldensunabhängig gewährt. Der Schutz der Grundrechte und des öffentlichen Interesses, auch der sozialen Belange, geht vor. Die Rentenbezüge des § 850b Abs. 1 ZPO können nach Maßgabe von Abs. 2 auf einen Antrag hin für pfändbar erklärt werden, wenn der Vollstreckungsschuldner vorsätzlich oder fahrlässig gegen seine vollstreckungsrechtliche Erwerbsobliegenheit verstößt. Verschulden wird im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt, wirkt sich aber nur dann aus, wenn bei Ausübung der fraglichen Erwerbstätigkeit pfändbares Einkommen zu erwarten ist. Nach § 850c Abs. 4 ZPO kann der Pfändungsschutz unter den dort genannten Voraussetzungen auf Antrag des Gläubigers hin beschränkt werden; auf ein schuldhaftes Verhalten kommt es hier aber nicht an. Entzieht sich der Schuldner vorsätzlich der unterhaltsrechtlichen Zahlungspflicht, können überjährige Ansprüche vollstreckt werden, § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO. Nach § 850f Abs. 1, 2, 3 ZPO kann der pfändbare Betrag abgeändert werden. Verschulden ist jeweils im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Gleiches gilt für den antragsabhängigen Pfändungsschutz bei sonstigen Einkünfte nach § 850i Abs. 1 ZPO.

319

StJ/Brehm, § 850d Rz. 21.

§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung außerhalb vollstreckungsschutzrechtlicher Vorschriften Im Folgenden können nur auszugsweise die sonstigen Vorschriften zum Recht der Zwangsvollstreckung untersucht werden.

A. §§ 756, 765 ZPO – Vollstreckung Zug um Zug, Annahmeverweigerung und Nichtanbieten der eigenen Leistung durch den Vollstreckungsschuldner I. Einführung Hängt die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Vollstreckungsgläubigers an den Vollstreckungsschuldner ab, wird die Voll­ streckungsklausel grundsätzlich ohne Nachweis der Leistung erteilt, es sei denn, die dem Schuldner obliegende Leistung besteht in der Abgabe einer Willenserklärung.1 Die Überprüfung bleibt demnach im Regelfall dem Vollstreckungsorgan vorbehalten.2 Das Gesetz sieht unterschiedliche Regelungen für den Gerichtsvollzieher und das Vollstreckungsgericht vor: Nach § 756 Abs. 1 ZPO darf der Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstreckung beginnen, wenn er dem Schuldner die Leistung in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise angeboten hat oder wenn der Beweis, dass der Schuldner befriedigt oder im Verzug der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird und eine Abschrift dieser Urkunden bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. Nach § 756 Abs. 2 ZPO darf der Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstreckung beginnen, wenn der Schuldner auf das wörtliche Angebot des Gerichtsvollziehers erklärt, dass er die Leistung nicht annehmen werde. Nach § 765 Nr. 1 ZPO darf das Vollstreckungsgericht eine Maßregel (z. B. den Pfändungsbeschluss3) dann anordnen, wenn der Beweis, dass der Schuldner befriedigt oder im Verzug der Annahme ist, durch öffentliche Urkunde geführt wird und grundsätzlich eine Abschrift dieser Urkunde bereits zugestellt ist. Der Zustellung bedarf es gem. § 765 Nr. 1, 2. HS ZPO nicht, wenn bereits der Gerichtsvoll 1

Siehe dazu Brox/Walker, ZVR, Rz. 171. Brox/Walker, ZVR, § 10 Rz. 171. 3 ThP/Seiler, § 765 Rz. 4. 2

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

zieher mit der Zwangsvollstreckung nach § 756 Abs. 1 ZPO begonnen hatte und der Beweis durch das Vollstreckungsprotokoll geführt wird. Außerdem genügt es gem. § 765 Nr. 2 ZPO, wenn der Gerichtsvollzieher eine Vollstreckungsmaßnahme nach § 756 Abs. 2 ZPO durchgeführt hat und diese durch das Protokoll des Gerichtsvollziehers nachgewiesen ist. Vorliegend sind die Fälle von Interesse, in denen der Vollstreckungsschuldner die ihm tatsächlich angebotene Leistung nicht annimmt, auf ein wörtliches An­ gebot hin die Annahme ausschlägt und/oder die eigene Leistung nicht anbietet (vgl. dazu auch die §§ 293, 294 f., 298 BGB).

II. Annahmeverweigerung/Nichtanbieten der eigenen Leistung und Verschulden 1. Kein Verschuldenserfordernis nach den materiell-rechtlichen Grundsätzen Die §§ 756/765 ZPO enthalten – bei Lichte betrachtet – jeweils eine gesetzliche Regelung zur Vermeidung missbräuchlichen Verhaltens. Nimmt nämlich der Schuldner die Gegenleistung des Gläubigers nicht an oder bietet der Schuldner selbst seine Leistung nicht an, würde er sich treuwidrig verhalten, wenn er sich auf ein Vollstreckungshindernis im Falle der Zug-um-Zug-Vollstreckung beruft, indem er behauptet, der Vollstreckungsgläubiger habe seinerseits nicht erfüllt. Es stellt sich die Frage, ob in diesem Zusammenhang Verschulden erforderlich ist. Sowohl die Literatur als auch die Rechtsprechung äußern sich dazu kaum näher. Im Bereich des materiellen Rechts wird Verschulden als Voraussetzung für den Annahmeverzug nach ganz herrschender Ansicht für nicht erforderlich gehalten4, solange jedenfalls der Schuldner zur Annahme der Leistung nicht rechtlich verpflichtet ist, sondern es sich lediglich um eine Obliegenheit handelt5 (anders z. B. beim Kauf, § 433 Abs. 2 BGB). Die materiell-rechtlichen Grundsätze werden, ohne dass dies hinterfragt wird, herangezogen. 4 So bereits ausdrücklich in den Motiven zum BGB (Entwurf I § 254, II § 249), siehe bei Mugdan, Materialien zum BGB (Nachdruck 2005), Bd. 2, S. XI und 38; im Übrigen: BGH, Beschl. v. 22.7.10, Az. VII ZR 117/08, juris, Rz. 10; BGH NJW-RR 1994, 1469, 1470; NJWRR 1988, 1265, 1266; NJW 1957, 989, 990; BeckOK-BGB/Unberath, § 293 Rz. 11; Brox/ Walker, AS, § 26 Rz. 8; Erman/Hager, § 293 Rz. 7; Jauernig/Stadler, § 293 Rz. 4; Medicus/ Lorenz/Lorenz, SchR I, Rz. 513; MüKoBGB/Ernst, § 293 Rz. 18; Palandt/Grüneberg, § 293 Rz. 10; Richardi, JuS 1984, 825, 833; Soergel/Wiedemann, § 293 Rz. 11; Staudinger/Löwisch/ Feldmann (2009), Vorbemerkung zu §§ 293–304 Rz. 1; § 293 Rz. 1, 17; Weise/Hänsel, NJWSpezial 2010, 589 (Anm. zu BGH MDR 2010, 1210); kritisch: Looschelders, Schuldrecht AT, Rz. 757, der im Einzelfall eine Korrektur über § 242 BGB für angemessen hält. 5 BGH NJW 1957, 989, 990; BeckOK-BGB/Unberath, § 293 Rz. 11; Medicus/Lorenz/­ Lorenz, SchR I, Rz. 513; MüKoBGB/Ernst, § 293 Rz. 18; siehe ferner Hk-BGB/Schulze, § 293 Rz. 1.

A. §§ 756, 765 ZPO – Vollstreckung Zug um Zug

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2. Keine Abweichung von den materiell-rechtlichen Grundsätzen im Prozessrecht a) Besonderheit: Annahmeverzug im prozessualen, nicht im materiell-rechtlichen Sinne Ob im Bereich des Vollstreckungsrechtes (§§ 756, 765 ZPO) dem beizutreten ist, muss trotz der vermeintlich eindeutigen Rechtslage, geklärt werden. Zweifel könnten sich ergeben, weil die prozessualen Eigenheiten zu berücksichtigen sind. Zum einen knüpfen die §§ 756, 765 ZPO nicht an die materiell-rechtliche Verpflichtung des Schuldners zur Leistung Zug-um-Zug an, sondern an die prozessuale Verpflichtung; maßgeblich ist allein, dass der Titel auf Leistung „Zugum-Zug“ lautet. Es kommt auch nicht, abgesehen von sittenwidrig erlangten Titeln (vgl. § 826 BGB), auf die materielle Richtigkeit an; vielmehr ist das Ergebnis durch das rechtsstaatliche Verfahren legitimiert. Das Prozessrecht ist auf diese Weise vom materiellen Recht entkoppelt. Zum anderen wurde im Titel der Annahmeverzug des Vollstreckungsschuldners möglicherweise sogar festgestellt (vgl. § 756 Abs. 1 ZPO a. E.), was in materiell-rechtlicher Hinsicht falsch sein kann, wenn beispielsweise die angebotene Sache nicht von mittlerer Art und Güte war, in prozessualer Hinsicht aber richtig ist, weil der Schuldner den Gegenbeweis nicht zur Überzeugung des Gerichts antreten konnte. Schon das spricht dafür, dass der Annahmeverzug im materiell-rechtlichen Sinne nicht Voraussetzung für die Vollstreckung nach § 756 ZPO sein kann.6 Ferner kann der Vollstreckungsschuldner bereits vom Vollstreckungsgläubiger in Annahmeverzug gesetzt worden sein, was nicht genügt, wenn der Beweis nicht unter den Voraussetzungen des § 756 Abs. 1, 2. HS ZPO geführt wird7, so dass erneut, diesmal vom Gerichtsvollzieher, dem Vollstreckungsschuldner die Leistung in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise angeboten werden muss (nunmehr nach den prozessualen Regeln). Zudem prüft der Gerichtsvollzieher grundsätzlich keine materiell-rechtlichen Voraussetzungen wie die Mangelfreiheit der dem Vollstreckungsschuldner gebührenden Leistung8, sofern sich die Sollbeschaffenheit nicht ausnahmsweise aus dem Titel ergibt oder ein Mangel sich nicht geradezu aufdrängt. Weil der Gerichtsvollzieher an den Inhalt des Titels gebunden ist und weil er, sofern dort nur ein bestimmter Gegenstand bezeichnet ist, allein dessen Identität festzustellen hat, muss der Schuldner ggf. Klage nach § 767 ZPO erheben.9 Aus alledem folgt, dass unter Annahmeverzug im Sinne von §§ 756, 765 ZPO nicht dasselbe zu verstehen ist wie unter dem materiell-rechtlichen Annahmever 6

Anders u. a. MüKoZPO/Heßler, § 756 Rz. 11; Musielak/Lackmann, § 756 Rz. 5. Geißler, DGVZ 2012, 1, 5: der Annahmeverzug müsse „liquide“ vermerkt sein. 8 BGH NJW-RR 2006, 144 (mit Sachverhalt und Gründen in NJOZ 2005, 3395); BLAH, § 756 Rz. 7; Musielak/Lackmann, § 756 ZPO Rz. 4; Schuschke/Walker/Walker, § 756 ZPO Rz. 7; StJ/Münzberg, § 756 ZPO Rz. 22; vgl. auch Geißler, DGVZ 2012, 1, 2. 9 BGH NJOZ 2005, 3395, 3396; Musielak/Lackmann, § 756 ZPO Rz. 4; Schuschke/Walker/ Walker, § 756 ZPO Rz. 7; StJ/Münzberg, § 756 ZPO Rz. 22. 7

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

zug gemäß den §§ 293 ff. BGB. Vielmehr kommt es auf vollstreckungsrechtlicher Ebene auf den Annahmeverzug im prozessualen Sinne an. b) Anwendbarkeit der §§ 293 ff. BGB, Verschulden trotz der prozessualen Eigenheiten nicht als zusätzliches Korrektiv Wenngleich aber die Konsequenzen auf vollstreckungsrechtlicher Ebene schwerwiegender sind, weil es nicht nur um verschärfte Haftung (§ 300 Abs. 1 BGB) und Gefahrtragung (§ 300 Abs. 2 BGB) geht, sondern um die unbedingte Vollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner, der Vollstreckungszugriff also einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte des Vollstreckungsschuldners darstellt, rechtfertigt dies jedoch ein zusätzliches, einschränkendes Tatbestandsmerkmal, namentlich das Verschuldenserfordernis als Korrektiv zur Vermeidung unzumutbarer Rechtsfolgen für den Vollstreckungsschuldner nicht. Es kann für die Risikoverteilung nichts anderes gelten als im materiellen Recht. Auch im Vollstreckungsrecht kann dem Vollstreckungsgläubiger nicht als Folge eines in der Person des Vollstreckungsschuldners eingetretenen Zufalls eine erschwerte Durchsetzung seiner Verbindlichkeiten zugemutet werden.10 Nimmt also der Vollstreckungsschuldner die ihm angebotene Leistung nicht an, weil er dazu infolge eines Krankenhausaufenthaltes außerstande ist, muss der Vollstreckungsgläubiger nicht noch weiter abwarten, sondern darf sofort vollstrecken lassen. Außerdem darf der (Vollstreckungs-)Gläubiger aufgrund der Zug-um-Zug-Verurteilung des (Vollstreckungs-) Schuldners bereits gemäß §§ 274 Abs. 2, 322 Abs. 3 BGB seinen Anspruch ohne Bewirkung der ihm obliegenden Leistung im Wege der Zwangsvollstreckung verfolgen, wenn der (Vollstreckungs-)Schuldner im Verzug der Annahme ist. Der unmittelbare Zusammenhang zwischen den §§ 274 Abs. 2, 322 Abs. 3 BGB und den §§ 756, 765 ZPO legt nahe, dass vom Vollstreckungsorgan über die Voraussetzungen des Annahmeverzuges nach den Vorschriften des BGB hinaus keine weiteren, dem materiellen Recht fremde Tatbestandsmerkmale berücksichtigt werden dürfen. Die §§ 293 ff. BGB finden Anwendung.11 Sonach kann dahinstehen, ob Verschulden deswegen nicht erforderlich ist, weil die Annahme der Gegenleistung (auch in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht) lediglich eine Obliegenheit darstellt, sofern der Vollstreckungsschuldner nicht ausnahmsweise zur Abnahme nach materiellem Recht verpflichtet ist; denn unabhängig von der begrifflichen Einordnung

10 Vgl. bereits die Begründung zum Entwurf der BGB-Vorschriften → Mugdan, Materialien zum BGB (Nachdruck 1979), Bd. 2; S. 38. 11 So die allg. Ansicht; siehe nur Hk-ZPO/Kindl, § 756 Rz. 3; MüKoZPO/Heßler, § 756 Rz. 11; Musielak/Lackmann, § 756 Rz. 5; StJ/Münzberg, § 756 Rz. 2, die aber auf den mate­ riell-rechtlichen Annahmeverzug abstellen.

A. §§ 756, 765 ZPO – Vollstreckung Zug um Zug

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setzt jedenfalls der Annahmeverzug gem. den §§ 293 ff. BGB auch nach dem klaren Willen des Gesetzgebers12 ein Verschulden nicht voraus.13 Wenn damit argumentiert wird, dass der Annahmeverzug keine Pflichtverletzung voraussetze und weder Rücktrittsrechte noch Schadensersatzansprüche begründe, sondern „nur“ sonstige Nachteile bewirke14, wird zwar ein wesentlicher Aspekt nicht berücksichtigt. Zu Recht weist Looschelders darauf hin, dass auch sonstige Nachteile belastend sind, unter Umständen belastender sein können als Schadenersatz und Rücktritt.15 So hat im Falle der Zug-um-Zug-Vollstreckung der Vollstreckungsschuldner, der sich in Annahmeverzug befindet, die unbedingte Vollstreckung zu dulden, ohne die Gegenleistung erhalten zu haben (§§ 274 Abs. 2, 322 Abs. 3 BGB).16 Dennoch können unbillige, für den Vollstreckungsschuldner unzumutbare Ergebnisse nicht durch ein zusätzliches, gesetzlich nicht vorgesehenes Tatbestandsmerkmal, sondern – und darin ist Looschelders, ferner auch Larenz zu folgen – nur über § 242 BGB korrigiert werden.17 3. Verschulden des Vollstreckungsschuldners und Entbehrlichkeit des tatsächlichen Angebotes (vgl. §§ 294, 295 BGB) In diesen Lösungsvorschlag fügt sich auch zunächst einmal die Ansicht des BGH zwanglos ein, dass der Annahmeverzug durch das wörtliche Angebot (nach § 295 BGB) herbeigeführt werden kann, wenn der Vollstreckungsschuldner als Gläubiger der Gegenleistung die Annahme verweigert, aber insbesondere dann, wenn er die notwendigen Mitwirkungshandlungen unterlässt18; denn dann handelt er rechtsmissbräuchlich und darf sich auf die Nichtleistung des anderen Teils nicht berufen. Auf ein Vertretenmüssen stellt in diesem Zusammenhang – jedoch auf vollstreckungsrechtlicher Ebene – zumindest das LG Hamburg in seinem Beschluss vom 13.04.1984 ab.19 Der Vollstreckungsschuldner hatte nach Auf­fassung des Gerichts durch eine vorherige Mittelung seitens des Gerichtsvollziehers Kenntnis von der anstehenden Vollstreckung erlangt; im Übrigen sei dem Vollstreckungsschuldner auch vorher schon bekannt gewesen, dass der Gläubiger auf die Durchsetzung des Titels dränge. Dennoch habe sich der Titelschuldner der Vollstreckung durch Abwesenheit entzogen. Dies habe er, so führt das LG weiter aus, auch zu vertreten, weil er sich dem berechtigten Verlangen des Gläubigers bewusst entzogen habe. Dieser Fall stehe der Erklärung gleich, die angebo 12

Vgl. oben. Hüffer, Leistungsstörung durch Gläubigerhandeln, S. 20. 14 Medicus/Lorenz/Lorenz, SchR I, Rz. 513, 522 ff.; MüKoBGB/Ernst, § 293 Rz. 18. 15 Looschelders, SchR AT, Rz. 757. 16 StJ/Münzberg, § 756 Rz. 6. 17 Larenz, SchR I, § 25 I d (S. 394); Looschelders, SchR AT, Rz. 757. 18 BGH NJW-RR 1994, 1469, 1470. 19 LG Hamburg DGVZ 1984, 115, 116. 13

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

tene Leistung nicht annehmen zu wollen; das wörtliche Angebot nach § 295 BGB habe ausgereicht. In ähnlicher Weise argumentiert das LG Erfurt in seinem Beschluss vom 21.02.2008.20 Aus den Akten hatte sich ergeben, dass der Vollstreckungssschuldner offensichtlich und bewusst die Mitteilung seiner Anschrift unterlassen hatte. Damit hatte er nach der hier vertreten Ansicht in schuldhafter Weise gegen eine prozessuale/vollstreckungsrechtliche Mitwirkungspflicht verstoßen, die sich aus dem Vollstreckungsrechtsverhältnis i. V. m. § 242 BGB ergab. Da die Leistung deswegen nicht wie geschuldet am Wohnort des Schuldners angeboten werden konnte, brachte der Vollstreckungsschuldner nach Auffassung des LG Erfurt auf diese Weise klar zum Ausdruck, unter keinen Umständen die Leistung annehmen zu wollen.21 In Anbetracht dieses Verhaltens genügte das wört­ liche Angebot zu einem späteren Zeitpunkt (vgl. § 295 BGB). Sinngemäß wird das auch von Teilen der Literatur vertreten, wenn auf gezielte Abwesenheit abgestellt wird.22 Es bleibt festzuhalten, dass die schuldhafte Verletzung einer Mitwirkungspflicht (Adressmitteilung etc.) der Annahmeverweigerung gleichsteht und daher zum einen das wörtliche Angebot genügt, um den Vollstreckungsschuldner in Annahmeverzug zu setzen (vgl. § 295 BGB), und zum anderen der Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstreckung beginnen darf, ohne dass die Gegenleistung tatsächlich erbracht wurde, § 756 Abs. 2 ZPO. Der vorangegangene schuldhafte Verstoß gegen prozessuale/vollstreckungsrechtliche Mitwirkungspflichten rechtfertigt den Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, so dass der Vollstreckungsschuldner ein Vollstreckungshindernis (§§ 756, 765 ZPO) nicht einwenden kann.

III. Rechtsfolgen und verfahrensrechtliche Gesichtspunkte Die Beurteilung des Annahmeverzugs nach rein objektiven Kriterien erleichtert es dem Vollstreckungsorgan, die entsprechenden Feststellungen zu treffen. Wenn der Nachweis in der erforderlichen Weise nicht geführt werden kann (vgl. § 756 Abs. 1, 2. HS ZPO), hat der Gerichtsvollzieher bei der Frage, ob er dem Vollstreckungsschuldner die Leistung in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat, nur einen eingeschränkten Prüfungsspielraum. Er hat z. B. zu untersuchen, ob es sich um die geschuldete Leistung handelt (Identität). Will der Vollstreckungsschuldner dagegen z. B. die Mangelhaftigkeit der ihm angebotenen Leistung rügen, kann er dies allein im Wege der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) tun23 und auch nur unter den dort genannten engen Voraussetzungen (Präklusion). Allenfalls dann, wenn die Gegenleistung in der Vornahme einer Handlung besteht, soll das Vollstreckungsorgan verpflichtet sein, zu überprüfen, ob die Handlung ordnungsgemäß vorgenommen wurde und sich erforder 20

LG Erfurt, Beschl. v. 21.02.2008, Az. 2 T 569/07, juris, insb. Rz. 21. Vgl. LG Erfurt, Beschl. v. 21.02.2008, Az. 2 T 569/07, juris, insb. Rz. 16, 21. 22 MüKoZPO/Heßler, § 756 Rz. 18. 23 Siehe auch Kaiser, NJW 2010, 2330, 2331. 21

A. §§ 756, 765 ZPO – Vollstreckung Zug um Zug

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lichenfalls eines Sachverständigen bedienen.24 Dies und dass der Schuldner dann statt der Vollstreckungsabwehrklage Erinnerung nach § 766 ZPO einzulegen habe, überzeugt allerdings nicht, weil es in der Sache ebenfalls nur um die Mangelhaftigkeit der Gegenleistung und damit um eine materiell-rechtliche Frage geht. Rechtsmissbräuchliches Verhalten im oben genannten Sinne hat der Gerichtsvollzieher grundsätzlich selbst zu berücksichtigen; § 242 BGB gilt im gesamten Verfahren. Wenn sich insoweit der Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht und das Verschulden nicht schon aus einer öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde ergeben, im Zweifel also aus dem Titel bzw. den Gründen, stellt sich die Frage, ob und wie der Gerichtsvollzieher das schuldhafte Verhalten feststellen kann, um den Vollstreckungsschuldner so zu behandeln, als habe er die Annahme abgelehnt und als habe ein wörtliches Angebot ausgereicht (§ 295 BGB). Damit sind besondere Schwierigkeiten verbunden, wenn der Titelschuldner trotz Ankündigung der Vollstreckungsmaßnahme nicht anwesend ist. Problematisch ist, dass das Vollstreckungsorgan Kenntnis von den Umständen haben muss, um das Verschulden beurteilen zu können. Verschulden scheidet z. B. bei einem Krankenhausaufenthalt des Vollstreckungsschuldners in der Regel aus. Es kann sich zwar aus den Umständen oder auf Rechtsbehelfsebene aus den Akten ergeben, dass der Titelschuldner bewusst versucht hat, sich zu entziehen25, um damit eine Voll­ streckung Zug-um-Zug zu vereiteln oder zu erschweren. Das wird beispielsweise dann anzunehmen sein, wenn der Vollstreckungsschuldner von vornherein angekündigt hat, nicht kooperieren zu wollen. Notfalls muss aber ein erneuter Termin festgesetzt werden26, damit der Gerichtsvollzieher bis dahin die Möglichkeit hat, mangels Mitteilung die Gründe für das Ausbleiben des Vollstreckungsschuldners zu prüfen. Bleibt der Vollstreckungsschuldner unauffindbar, muss ein schuldhaftes Verhalten – auch für die Vergangenheit – generell vermutet werden; er hätte es anderenfalls in der Hand, die Vollstreckung zu vereiteln. Nach alledem muss der Vollstreckungsschuldner sich nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB so behandeln lassen, als habe er im ersten Termin die Annahme abgelehnt, als habe deswegen ein wörtliches Angebot im zweiten Termin ausgereicht, und als habe er das wörtliche Angebot wiederum abgelehnt. Der Gerichtsvollzieher darf nach § 756 Abs. 2 ZPO mit der Vollstreckung beginnen. Bei einer Vollstreckung Zug-um-Zug nach § 765 ZPO muss sich für das Vollstreckungsgericht der Nachweis eines Annahmeverzuges aus einer öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde ergeben. Der Gerichtsvollzieher hat zum Nachweis gegenüber dem Vollstreckungsgericht zu protokollieren, dass er den Vollstreckungsschuldner in Annahmeverzug gesetzt hat (§ 765 Nr. 2 ZPO).

24

OLG Celle NJW-RR 2000, 828; Kaiser, NJW 2010, 2330, 2331. LG Erfurt, Beschl. v. 21.02.2008, Az. 2 T 569/07, juris, insb. Rz. 21. 26 Vgl. auch MüKoZPO/Heßler, § 756 Rz. 18 Fn. 25; a. A. LG Hamburg, DGVZ 1984, 115, 116. 25

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

Lehnt der Gerichtsvollzieher bzw. das Vollstreckungsgericht die Vollstreckung ab, weil nicht zur eigenen Überzeugung feststeht oder durch Urkunden nachgewiesen wurde, dass der Vollstreckungsschuldner in Annahmeverzug geraten ist, kann der Vollstreckungsgläubiger Erinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO27 einlegen bzw. sofortige Beschwerde gem. § 793 ZPO erheben. Das gilt auch dann, wenn das Vollstreckungsorgan die Zwangsvollstreckung mangels Annahmeverzugs ablehnt, weil es die Ordnungsmäßigkeit der Gegenleistung nicht festzustellen imstande war28; denn es hat ohnehin nur die Identität der Sache anhand des Titelinhaltes zu überprüfen, wohingegen die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO dem Schuldner vorbehalten bleibt, wenn er Mängel und damit materiell-rechtliche Fragen außerhalb des Vollstreckungsverfahrens geltend machen will. Der Vollstreckungsgläubiger trägt im Verfahren nach §§ 766, 793 ZPO die Beweislast. Führt der Gerichtsvollzieher oder das Vollstreckungsgericht die Zwangsvollstreckung durch, muss sich der Vollstreckungsschuldner, der noch nicht angehört wurde (vgl. § 834 ZPO), mit der Erinnerung nach § 766 Abs. 1 ZPO zur Wehr setzen; er hat in diesem Fall nachzuweisen, dass er sich nicht in Annahmeverzug befindet (materiell-rechtliche Einwendungen sind über § 767 ZPO geltend zu machen, vgl. oben). Falls ihm rechtsmissbräuchliches Verhalten im o.g. Sinne vorgeworfen wird, muss er das mutmaßlich schuldhafte und deswegen rechtsmissbräuchliche Verhalten widerlegen.

IV. Zusammenfassung Der Annahmeverzug im Sinne der §§ 756, 765 ZPO ist objektiv zu bestimmen und setzt ein Verschulden des Vollstreckungsschuldners als Gläubiger der Gegenleistung nicht voraus. Verletzt er schuldhaft eine Mitwirkungspflicht, genügt ein wörtliches Angebot, um ihn in Annahmeverzug zu setzen. Ein Vollstreckungshindernis kann er nicht einwenden (§§ 756, 765 ZPO). Was die verfahrensrechtlichen Fragen betrifft, sei auf die obenstehenden Ausführungen verwiesen.

27

Siehe nur Kaiser, NJW 2010, 2330 f. Siehe Schuschke/Walker/Walker, § 756 Rz. 17; Zöller/Stöber, § 756 Rz. 16; auch Hk-ZPO/ Kindl, § 756 Rz. 12 und 5: Danach sei im Erinnerungsverfahren uneingeschränkt überprüfbar, ob die Gegenleistung ordnungsgemäß angeboten wurde, wenngleich darauf hingewiesen wird, dass das Erinnerungsverfahren nicht der Klärung materiell-rechtlicher Fragen diene (Hk-ZPO/ Kindl, § 756 Rz. 12); vgl. ferner BGH NJW 2000, 2280, 2281; a. A. (Feststellungsklage seitens des Gläubigers) LG Landau, DGVZ 1995, 87, 88; LG Mainz Rpfleger 1993, 253; vgl. auch BLAH, § 756 Rz. 13 (könne der Annahmeverzug nicht nachgewiesen werden, habe der Gerichtsvollzieher den Gläubiger auf den Klageweg zu verweisen) und StJ/Münzberg, § 756 Rz. 14 insb. Fn. 79 m. w. N., wonach Feststellungsklage in Betracht komme, wenn der Gläubiger im Verfahren nach § 766 ZPO keinen Erfolg hat. 28

B. § 758 Abs. 3 ZPO – Anwendung von Gewalt

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B. § 758 Abs. 3 ZPO – Anwendung von Gewalt Nach § 758 Abs. 3 ZPO ist der Gerichtsvollzieher, wenn er Widerstand findet, zur Anwendung von Gewalt befugt, ggf. unter Hinzuziehung polizeilicher Vollzugsorgane. Ob nur die schuldhafte Verletzung einer prozessualen Mitwirkungspflicht die Anwendung von Gewalt rechtfertigt, ist fraglich.

I. Pflichtverletzung Widerstand ist jedes Verhalten, das geeignet ist, die Annahme zu begründen, die Zwangsvollstreckung werde sich nicht ohne Gewaltanwendung durchführen lassen (§ 108 Nr. 3 GVGA). Damit wird gegen eine Duldungspflicht verstoßen. Bei einer Wohnungsdurchsuchung ergibt sich die Duldungspflicht des Vollstreckungsschuldners aus der richterlichen Anordnung nach § 758a Abs. 1 S. 1 ZPO oder aus dem Vollstreckungstitel i. V. m. dem Vollstreckungsauftrag des Gläubigers, sofern im Sinne des § 758a Abs. 1 S. 2 ZPO Gefahr in Verzug ist (Art. 13 Abs. 2, 2. Alt. GG) oder aus der Einwilligung des Vollstreckungsschuldners selbst. Es handelt sich um eine prozessuale/vollstreckungsrechtliche Rechtspflicht. Die Duldungspflicht Dritter, die Mitgewahrsam an der Wohnung haben, folgt aus § 758a Abs. 3 ZPO.

II. Verschuldenserfordernis Das Verschuldenserfordernis wird in diesem Zusammenhang nicht thematisiert. Rechtsprechung29 und Literatur30 stellen allein darauf ab, dass der Vollstreckungsschuldner sich der erlaubten Durchsuchung widersetzt. Weil der Betroffene in der Regel vorsätzlich handeln wird, wäre die Befugnisse des Gerichtsvollziehers durch das (zusätzliche) Verschuldenserfordernis praktisch kaum eingeschränkt. Problematisch sind allerdings die Fälle, in denen Minderjährige oder solche Personen Widerstand leisten, die nicht verschuldensfähig sind, §§ 827, 828 BGB. Der Gerichtsvollzieher müsste die Verschuldensfähigkeit prüfen und wäre gehindert, Gewalt anzuwenden, wenn er dies verneint. Gegen das Verschuldenserfordernis spricht der Grundsatz der effektiven Zwangsvollstreckung. Es erscheint kaum möglich, dass der Gerichtsvollzieher ausreichend beurteilen kann, ob der Betroffene sich in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet (§ 827 S. 1 BGB), ob er sich in einen solchen Zustand durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel schuldhaft hineinversetzt hat (§ 827 S. 2 BGB) oder ob z. B. der 12-jährige die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche 29

AG Göppingen und LG Ulm DGVZ 1994, 73. Becker-Eberhard, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 26 Rz. 74; Hk-ZPO/Kindl, § 758 Rz. 5; Hk-ZV/Sievers, § 758 Rz. 13; Musielak/Lackmann, § 758 Rz. 8; Schuschke/Walker/Walker, § 758 Rz. 7; Zöller/Stöber, § 758 Rz. 7. 30

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

Einsicht aufweist (§ 828 Abs. 3 BGB). Das Verfahren wäre durch eine solche Prüfung auch überfrachtet und erschiene nicht mehr sachgerecht. Schon aus der verfassungsrechtlichen Diskussion zu § 890 ZPO geht im Umkehrschluss hervor, dass Verschulden jedenfalls dann nicht erforderlich ist, wenn die Maßnahme keinen strafähnlichen Charakter hat; denn es hätte im Bereich der Unterlassungs-/ Duldungsvollstreckung nicht mit „nulla poene sine culpa“ argumentiert werden müssen, wenn der Verschuldensgrundsatz bei der Anwendung von Zwangsmitteln nach einfachgesetzlichen Prinzipien ganz allgemein gelten würde (Näheres zu § 890 ZPO siehe unten). Nicht überzeugen kann das Argument, dass jedenfalls Zwangsmittel mit willensbeugender Funktion immer dann zwecklos sind, wenn die fragliche Rechtspflicht bislang willensunabhängig und damit schuldlos nicht befolgt wurde.31 Aus welchen Gründen bislang die Rechtspflicht nicht befolgt, eine Handlung also nicht vorgenommen wurde, ist nämlich für die Frage irrelevant, ob es noch möglich ist oder sein wird, den Willen durch die Maßnahme zu beugen und den Verpflichteten zur Befolgung der Rechtspflicht bzw. zur Vornahme der Handlung anzuhalten. Im Vergleich zur Handlungsvollstreckung muss für die Anwendung von Gewalt nach § 758 Abs. 3 ZPO wie auch für die Anordnung eines Zwangsmittels nach § 888 Abs. 1 ZPO gelten, dass eine schuldhafte Pflichtverletzung (nämlich dahingehend, dass dem Titel nicht Folge geleistet wird) nicht vorausgegangen sein muss32, weil es sich jeweils um Beugemittel handelt; alles andere würde zu einer Entwertung des Titels führen.

III. Zusammenfassung Nach alledem ist der Gerichtsvollzieher im Falle von Widerstand nach § 758 Abs. 3 ZPO zur Anwendung von Gewalt befugt, ohne dass der Vollstreckungsschuldner oder der Dritte, der den Vollstreckungsschuldner unterstützt33, schuld 31 So aber noch zur Handlungsvollstreckung in FGG-Sachen nach § 33 FGG (a. F.), namentlich durch die Festsetzung von Zwangsgeld: Keidel/Kuntze/Winkler/Zimmermann, 15. Aufl. 2003, § 33 FGG Rz. 19; für Zwangsgeld ebenso, aber zur Handlungsvollstreckung nach dem VwVG, Engelhardt/App/App, § 14 VwVG Rz. 6. 32 U. a. Hk-ZPO/Pukall, § 888 Rz. 8; Näheres siehe unten § 4 F. II. 2.; a. A. im Anwendungsbereich des § 33 FGG (a. F.) u. a.: Bumiller/Winkler, 8. Aufl., 2006, § 33 FGG Rz. 10; K ­ raeft, FPR 2002, 611, 613; für die Festsetzung von Zwangsgeld/Zwangshaft: Zimmermann, FPR 2008, 420, 422; ausdrücklich für die Festsetzung von Zwangsgeld: OLG Karlsruhe NJW 2010, 2142, 2144; OLG Brandenburg, FamRZ 2008, 1550; BayObLG FGPrax 2002, 118; zu beachten ist jedoch § 89 FamFG (n. F.): Dieser sieht nunmehr Ordnungsmittel vor, die wegen des strafähnlichen Charakters Verschulden voraussetzen (näheres dazu bei § 890 ZPO, siehe unten); im Anwendungsbereich des § 14 VwVG für die Festsetzung von Zwangsgeld (nicht aber bei Ersatzvornahme/unmittelbarem Zwang): Engelhardt/App/App, § 14 VwVG Rz. 6. 33 Dagegen keine Anwendung von Gewalt gegen den Dritten, wenn eine Sache gepfändet werden soll, die sich in dessen Mitgewahrsam befindet, zu deren Herausgabe er aber nicht bereit ist (vgl. §§ 809, 886 ZPO): Hk-ZPO/Kindl, § 758 Rz. 5; MüKoZPO/Heßler, § 758 Rz. 15; Musielak/Lackmann, § 758 Rz. 8; Zöller/Stöber, § 758 Rz. 7.

C. § 850h ZPO – Pfändung bei Lohnschiebung

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haft gegen die Duldungspflicht verstoßen haben müssten. Ein objektiv pflichtwidriges Verhalten genügt.

C. § 850h ZPO – Pfändung bei Lohnschiebung und verschleiertem Arbeitseinkommen § 850h ZPO ermöglicht die Pfändung in Fällen sogenannter Lohnschiebung und bei verschleiertem Arbeitseinkommen. Arbeitet der Schuldner oder leistet er Dienste und hat sich der Empfänger der Arbeits- bzw. Dienstleistung verpflichtet, im Gegenzug an einen Dritten zu leisten (Lohnschiebung), so kann dieser Anspruch des Dritten nach § 850h Abs. 1 S. 1 ZPO insoweit gepfändet werden, „als wenn der Anspruch dem Schuldner zustände“. Arbeitet der Schuldner oder leistet er Dienste in einem ständigen Verhältnis und wird dies nicht vergütet, obgleich eine Vergütung üblich ist (Lohnverschleierung), so gilt nach § 850h Abs. 2 S. 1 ZPO eine angemessene Vergütung „im Verhältnis des Gläubigers zu dem Empfänger der Arbeits- und Dienstleistungen“ als geschuldet. Zu berücksichtigen sind gem. § 850h Abs. 2 S. 2 ZPO die Umstände des Einzelfalles. Die Pfändung kommt im Anwendungsbereich von § 850h Abs. 1 und Abs. 2 ZPO jeweils nach Maßgabe der §§ 850, 850a ff. ZPO in Betracht.

I. Verschulden, Meinungsstand und Stellungnahme Ob die Lohnschiebung bzw. die Lohnverschleierung eine schuldhafte Pflichtverletzung voraussetzen, erscheint fraglich. Zweck der Vorschrift ist es, zu verhindern, dass durch unlautere Machenschaften das Einkommen des Schuldners dem Gläubigerzugriff entzogen wird34 bzw. dass der Schuldner durch „Manipu­ lationen“ die Summe des pfändbaren Arbeitseinkommens verringert.35 Es soll dem Schuldner unmöglich sein, der Zwangsvollstreckung durch Lohnschiebung zu entgehen36 oder in anderer Weise die Vollstreckung zu vereiteln.37 Der Pfändungsgläubiger ist zu schützen gegen Abreden des böswilligen Vollstreckungsschuldners.38 Die in Literatur und Rechtsprechung verwendete Terminologie (unlauter, bös­willig, manipulativ, …) weist darauf hin, dass in § 850h ZPO mit der Lohnschiebung und der Lohnverschleierung zwei Fälle rechtsmissbräuchlichen Verhal-

34 BAG NJW 2008, 2606, 2608; OLG Köln Rpfleger 2000, 223, 224; LG Münster Rpfleger 2003, 254, 255; Zöller/Stöber, § 850h Rz. 1; vgl. ferner MüHdB-ArbR(Bd. 1)/Krause, § 67 Rz. 105 (Schutz vor „Hinterziehung“). 35 Moll/Boudon, MAH Arbeitsrecht § 22 Rz. 109. 36 BLAH, § 850h Rz. 2. 37 Vgl. Brox/Walker, ZVR, Rz. 532. 38 FG RLPf, Urt. v. 17.10.1994, Az.: 5 K 1143/94, juris.

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

tens geregelt sind.39 Das Handeln des Schuldners ist nach Maßgabe der gesetzlichen Wertungsgrundlage zu missbilligen; es fehlt außerdem ein schutzwürdiges Interesse. Wird rechtsmissbräuchliches Verhalten im Lichte einer objektiven Interessenabwägung beurteilt, ist Verschulden regelmäßig ohne Belang. Wohl in Anlehnung an den genannten Grundsatz ist daher nach einer Ansicht nicht auf subjektive Merkmale abzustellen.40 Damit wird im Wesentlichen auf die Folgen des manipulativen Verhaltens Bezug genommen. Die Vorschrift setze nicht voraus, dass der Schuldner die Absicht habe, den Gläubiger zu benachteiligen.41 Anders ist es bei entsprechender Anwendung der Vorschrift in einem Sonderfall. § 850h Abs. 2 ZPO wird entsprechend angewandt, wenn der Schuldner eine ungünstige Steuerklasse wählt.42 Zum Teil wird die Ansicht vertreten, der Schuldner müsse bei Wahl der ungünstigen Steuerklasse sowohl vor als auch nach der Pfändung mit Benachteiligungsabsicht gehandelt haben.43 Die obergerichtliche Rechtsprechung und ein Teil der Literatur hingegen unterscheiden nach dem Zeitpunkt. Wird die ungünstige Steuerklasse vor der Pfändung gewählt, sei Gläubigerbenachteiligungsabsicht erforderlich, nicht dagegen bei nachträglicher Wahl der Steuerklasse.44 Im Ergebnis überzeugt die Meinung der obergerichtlichen Rechtsprechung. Die Wahl der ungünstigen Steuerklasse nach der Pfändung ist als Vermögensverfügung gem. § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO dem Gläubiger gegenüber unwirksam.45 Demgegenüber ist die Wahl der ungünstigen Steuerklasse vor der Pfändung zwar grundsätzlich wirksam.46 Der Gläubiger hat dies aber nicht in jedem Fall hinzunehmen. Denn bei manipulativer Absicht verstößt der Schuldner mit der Wahl der ungünstigen Steuerklasse gegen Treu und Glauben, § 242 BGB. Bereits das Rechtsverhältnis, aus dem die Forderung resultiert, „verbietet“ ein Verhalten, das ausschließlich die Benachteiligung des Gläubigers zum Ziel hat (siehe insb. § 226 BGB). Die Entscheidung des Vollstreckungsgerichtes entsprechend § 850h Abs. 2 ZPO hat für den Fall, dass die ungünstige Steuerklasse nach der Pfändung gewählt wird, nur deklaratorischen Charakter.47 Das Gleiche gilt, 39

Ebenso (rechtsmissbräuchliches Verhalten des Schuldners): LG Koblenz JurBüro 2004, 335; Ernst, DStR 2000, 1904, 1905. 40 Gerhardt, Vollstreckungsrecht, § 9 I 3 (S. 116); Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 56 Rz. 62, 64; StJ/Brehm, § 850h Rz. 8. 41 Zu § 850h Abs. 2 ZPO: BGH WM 1968, 1254. 42 BGH NJW-RR 2006, 569, 570; analog: Ernst, DStR 2000, 1904; Vgl. ferner MüKoZPO/ Smid, § 850h Rz. 18; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850h Rz. 11. 43 MüKoZPO/Smid, § 850h Rz. 18; Benachteiligungsabsicht bei Wahl der Steuerklasse nach der Pfändung: LG Münster Rpfleger 2003, 254 f. 44 BAG NJW 2008, 2606, 2608; BGH NJW-RR 2006, 569, 570; Schuschke/Walker/KessalWulf, § 850h Rz. 11. 45 Stöber, Forderungspfändung, Rz. 1134a/b. 46 Stöber, Forderungspfändung, Rz. 1134b. 47 Vgl. dazu auch die Ausführungen von Stöber, Forderungspfändung, Rz. 1134b. Dagegen scheint das OLG Köln (Rpfleger 2000, 223) anzunehmen, dass der Beschluss dem nicht beteiligten Drittschuldner gegenüber konstitutiv wirkt.

D. §§ 872 ff. ZPO – Verteilungsverfahren

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wenn die ungünstige Steuerklasse in rechtsmissbräuchlicher Weise vor der Pfändung gewählt wird.

II. Ergebnis Nach alledem ergibt sich aber, dass echtes Verschulden im Sinne des § 276 Abs. 1 BGB keine Rolle spielt. Selbst soweit eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht verlangt wird, ist diese allein auf das Ergebnis bezogen, unabhängig davon, ob gegen eine (vollstreckungsrechtliche) Pflicht verstoßen wird oder nicht. Die Gläubigerbenachteiligungsabsicht bezieht sich darauf, dass der Gläubiger am Ende schlechter steht, als er bei sachgerechtem Schuldnerverhalten stünde. Es geht um schädliche, manipulative Absichten. Eine vollstreckungsrechtliche Pflicht oder Obliegenheit des Schuldners wird gar nicht erst erörtert. Es wird allenfalls bestritten, dass der Schuldner verpflichtet sei, Einkommen für den Vollstreckungszugriff des Schuldners zur Verfügung zu halten.48 Das mag zwar in Anbetracht der vollstreckungsrechtlichen Erwerbsobliegenheit und der Pflicht, das vorhandene Vermögen zweckgerecht einzusetzen, bezweifelt werden. Darauf kommt es für § 850h ZPO aber nicht an. Die Vorschrift erfasst Fälle rechtsmissbräuchlichen Verhaltens. Wenn auch ein besonderes subjektives Tatbestandsmerkmal wie die manipulative Absicht für die wertende Missbilligung des Verhaltens maßgeblich sein kann, handelt es sich gleichsam nur um ein „akzentuierendes Element“.49 Das Verhalten ist nämlich dann schon rechtsmissbräuchlich, wenn der Schuldner ohne schutzwürdiges Eigeninteresse handelt, die Folgen aber zulasten des Gläubigers gehen. Nach der objektiven Interessenabwägung verstößt der Schuldner daher im Falle von Lohnschiebung, Lohnverschleierung und sonstiger Vollstreckungs­ vereitelung entsprechend § 850h ZPO gegen Treu und Glauben, soweit kein sachlicher Grund ersichtlich ist. Noch dazu setzt § 850h ZPO dem Wortlaut nach weder in Abs. 1 (Lohnverschiebung) noch in Abs. 2 (Lohnverschleierung) eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht voraus. D. h., dass das subjektive Kriterium nur dann eine Rolle spielt, wenn die Vorschrift nicht direkt, sondern über den Wortlaut hinaus entsprechend bzw. analog angewendet wird. Selbst dann kommt es auf den jeweiligen Einzelfall an.

D. §§ 872 ff. ZPO – Verteilungsverfahren Wird bei der Zwangsvollstreckung in bewegliches Vermögen in Folge einer Mehrfachpfändung ein Geldbetrag nach §§ 827, 853, 854 ZPO50 hinterlegt, der zur Befriedigung der beteiligten Gläubiger nicht ausreicht, tritt nach § 872 ZPO 48

Stöber, Forderungspfändung, Rz. 1134b. Vgl. MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 235. 50 Näheres dazu: BLAH, § 872 Rz. 3. 49

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

das Verteilungsverfahren ein. Das Verteilungsgericht (§ 873 ZPO) stellt einen Teilungsplan nach § 874 ZPO auf. Legt im Termin zur Erklärung und Ausführung (§ 876 ZPO) ein Gläubiger Widerspruch ein, wird die Ausführung des Planes gehemmt.51 § 877 ZPO regelt den Fall, dass ein Gläubiger im Termin nicht anwesend ist. § 878 Abs. 1 S. 2 ZPO regelt die Rechtsfolgen, wenn der widersprechende Gläubiger nicht rechtzeitig dem Verteilungsgericht nachweist, dass er (wozu er gehalten ist) Klage gegen die beteiligten Gläubiger erhoben hat. Es handelt sich um zwei verschiedene prozessuale Obliegenheiten. Zum einen liegt es im Interesse des Gläubigers, im Ausführungstermin des Verteilungsverfahrens anwesend zu sein, um durch die Abgabe von Erklärungen die eigenen Rechte zu wahren. Zum anderen liegt es im Interesse des widersprechenden Gläubigers, seine Rechte auch klagweise zu verfolgen und im Verteilungsverfahren darüber Nachweis zu führen, um eine entsprechende Korrektur des Verteilungsplanes herbeizuführen. Es stellt sich die Frage, ob es auf Verschulden in diesem Zusammenhang ankommt.

I. § 877 ZPO – Säumnisfolgen Gemäß § 877 Abs. 1 ZPO wird angenommen, dass ein Gläubiger mit der Ausführung des Planes einverstanden sei, wenn er im Termin weder erschienen ist noch vor dem Termin Widerspruch eingelegt hat. Er wird so behandelt, als habe er zugestimmt; das Einverständnis wird nach allgemeiner Ansicht unwiderleglich vermutet.52 Der Widerspruch kann dann nicht mehr nachträglich erhoben werden.53 Eine schuldhafte Säumnis wird nicht zu verlangen sein. Die Gründe, aus denen ein Gläubiger nicht anwesend ist, können im Termin regelmäßig nicht festgestellt werden. Die Vermutung wäre widerleglich, würde sie vorbehaltlich der schuldhaften Säumnis gelten; dann hätte es der Gläubiger in der Hand, sich nachträglich zu entlasten und Widerspruch einzulegen. Das ist vom Gesetz nicht gewollt; denn das formalisierte (Verteilungs-)Verfahren soll, nachdem es zum Abschluss gebracht wurde, Rechtssicherheit gewährleisten. Das fingierte Einverständnis ist unanfechtbar; Rechtsbehelfe für den unverschuldet säumigen Gläubiger sind nicht vor­gesehen. Insbesondere ist mangels Notfrist § 233 ZPO nicht anwendbar. Eine unwiderlegliche Vermutung enthält auch § 877 Abs. 2 ZPO.54 Dort wird angenommen, dass der nicht erschienene, bei dem Widerspruch aber beteiligte Gläubiger (der, dessen Rechte durch den erfolgreichen Widerspruch beeinträch-

51

Lackmann, ZVR, Rz. 376. BLAH, § 877 Rz. 2; Hk-ZV/Bendtsen, § 877 Rz. 2; Musielak/Becker, § 877 Rz. 1; Schuschke/Walker/Walker, § 877 Rz. 1; StJ/Münzberg, § 877 Rz. 1; ThP/Seiler, § 877 Rz. 1. 53 Hk-ZV/Bendtsen, § 877 Rz. 2; Schuschke/Walker/Walker, § 877 Rz. 1. 54 BLAH, § 877 Rz. 3; Schuschke/Walker/Walker, § 877 Rz. 1. 52

D. §§ 872 ff. ZPO – Verteilungsverfahren

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tigt sein würden55) den Widerspruch nicht als begründet anerkenne. Das hat zur Folge, dass der widersprechende Gläubiger gegen diesen Gläubiger Widerspruchsklage nach § 878 ZPO zu erheben hat. Eine schuldhafte Säumnis kann auch hier nicht verlangt werden, schon deshalb nicht, weil es darum geht, die rechtlichen Interessen des nicht erschienen Gläubigers zu schützen, ihm also nicht einen rechtlichen Nachteil aufzuerlegen. Er kann weiterhin selbst entscheiden, ob er die Klage bzw. den Widerspruch anerkennen oder sich gegen den widersprechenden Gläubiger verteidigen will.

II. § 878 ZPO – Widerspruchsklage Nach § 878 Abs. 1 S. 1 ZPO muss der widersprechende Gläubiger ohne vorherige Aufforderung binnen einer Frist von einem Monat dem Gericht nachweisen, dass er gegen die beteiligten Gläubiger (Widerspruchs-)Klage erhoben hat. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist wird die Ausführung des Planes ohne Rücksicht auf den Widerspruch angeordnet, § 878 Abs. 1 S. 2 ZPO. Auf Verschulden kommt es nicht an; auch bei unverschuldet versäumter Nachweisfrist hat der Rechtspfleger (§ 20 Nr. 17 RPflG) den Verteilungsplan von Amts wegen auszuführen. Eine Überprüfung der Umstände von Amts wegen ist nicht vorgesehen. Eine Wiedereinsetzung wegen unverschuldeter Säumnis nach § 233 ZPO scheidet aus; denn bei der Frist des § 878 Abs. 1 S. 1 ZPO handelt es sich nicht um eine Notfrist (siehe § 224 Abs. 1 ZPO).56 Der Fristablauf schließt aber nicht die (Widerspruchs-)Klage aus; sie kann bis Ablauf des Verteilungsverfahrens nach wie vor in zulässiger Weise erhoben werden, wenngleich sie dann im Hinblick auf die Ausführung des Verteilungsplanes keine aufschiebende Wirkung hat.57 Nach § 878 Abs. 2 ZPO ist auch eine Bereicherungsklage des widersprechenden Gläubigers nicht ausgeschlossen. Wird also die Obliegenheit, (Widerspruchs-)Klage zu erheben und darüber rechtzeitig Nachweis zu führen, objektiv verletzt, halten sich die rechtlichen Nachteile des widersprechenden Gläubigers in Grenzen. Sie beschränken sich auf das Verteilungsverfahren und berühren die materielle Rechtslage nicht (siehe § 878 Abs. 2 ZPO). Von daher ist der Verzicht auf subjektive Verschuldensmerkmale gerechtfertigt.

55

BLAH, § 877 Rz. 3. BLAH, § 878 Rz. 4, 5; MüKoZPO/Eickmann, § 878 Rz. 9. 57 Schuschke/Walker/Walker, § 878 Rz. 8. 56

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

E. §§ 883 ff. ZPO – Herausgabevollstreckung I. Kein Verschuldenserfordernis bei der Herausgabevollstreckung als solcher Bei der Herausgabevollstreckung nach § 883 ff. ZPO besteht zwar die materielle Herausgabepflicht des Vollstreckungsschuldners fort. Insoweit spielt eine schuldhafte Pflichtverletzung (Nichtleistung) für die Zwangsvollstreckung aber keine Rolle, weil die staatliche Maßnahme auf einer selbständigen Rechtsgrundlage, namentlich auf Grundlage des vollstreckungsfähigen Titels durchgeführt wird. Hier kommt es allein auf die objektiven Umstände an. Bewegliche Sachen im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners werden, sofern er die freiwillige Herausgabe verweigert, weggenommen (§ 883 Abs. 1 ZPO), bei unbeweglichen Sachen wird der Vollstreckungsschuldner außer Besitz gesetzt und der Vollstreckungsgläubiger in den Besitz eingewiesen (§ 885 Abs. 1 S. 1 ZPO). Die Frage nach dem Verschulden stellt sich dann, wenn eine herauszugebende (bewegliche) Sache beim Vollstreckungsschuldner nicht vorgefunden wird. In diesem Fall hat er nämlich Angaben über den Verbleib der Sache zu machen oder anderenfalls an Eides statt zu versichern, dass er die Sache nicht besitze und auch nicht wisse, wo sich die Sache befindet, § 883 Abs. 2 ZPO. Es handelt sich um zwei verschiedene („gestufte“) prozessuale Pflichten. Wird die Auskunftspflicht im Hinblick auf den Verbleib der Sache nicht erfüllt, besteht die Pflicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Durch die eidesstattliche Versicherung werden keine wesentlichen Erkenntnisse geliefert, sondern lediglich mittels Wiedergabe des Gesetzeswortlautes von § 883 Abs. 2 ZPO bestätigt, dass alle weiteren Vollstreckungsversuche aussichtslos sind. Wie sich ein Verstoß gegen diese prozessualen Pflichten auswirkt und ob und inwiefern Verschulden erforderlich ist, soll später bei der eidesstattlichen Versicherung näher untersucht werden (§ 4 G. III., VII. 6.).

II. § 885 Abs. 4 ZPO – Verkauf oder Vernichtung nicht abgeforderter Sachen Ein Sonderproblem ergibt sich im Zusammenhang mit § 885 Abs. 4 ZPO. Dort ist der Verkauf bzw. die Vernichtung nicht abgeforderter Sachen geregelt. Wird die Herausgabevollstreckung bei Grundstücken betrieben, hat der Gerichtsvollzieher bewegliche Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, nach § 885 Abs. 2 ZPO wegzuschaffen (wenn nicht ein beschränkter Vollstreckungsauftrag nach § 885a ZPO [n. F.] erteilt wurde). Sofern der Gerichtsvollzieher die Sachen dem Vollstreckungsschuldner oder einer ihm nahestehenden Person nicht übergeben kann (vgl. § 885 Abs. 2 ZPO), sind sie gem. § 885 Abs. 3 S. 1 ZPO in die Pfandkammer zu schaffen oder anderweitig in Verwahrung zu bringen. Mit

E. §§ 883 ff. ZPO – Herausgabevollstreckung

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Ablauf einer Frist von einem Monat nach der Räumung werden die Sachen durch den Gerichtsvollzieher veräußert oder (bei Unverwertbarkeit) vernichtet, wenn sie vom Vollstreckungsschuldner nicht abgefordert werden, § 885 Abs. 4 S. 1, 4 ZPO. Gleiches gilt, wenn die Sachen von dem Schuldner zwar rechtzeitig abgefordert werden, jedoch der Schuldner die Kosten für das Wegschaffen bzw. die Verwahrung nicht binnen einer Frist von zwei Monaten nach der Räumung zahlt, § 885 Abs. 4 S. 2, 4 ZPO. Fraglich ist, ob die Fristberechnung von einem schuldhaften Verhalten des Vollstreckungsschuldners abhängt. Umstritten ist der Zeitpunkt, indem die Frist zu laufen beginnt. Zum einen wird vertreten, dass die Frist nicht läuft, bevor der Vollstreckungsschuldner Kenntnis von der Wegschaffung bzw. Verwahrung erlangt.58 Die Gegenansicht orientiert sich streng am Wortlaut des § 885 Abs. 4 S. 1, 2 ZPO. Es werde lediglich auf objektive Umstände abgestellt, so dass eine Kenntnis des Vollstreckungsschuldners für den Fristbeginn nicht maßgeblich sei.59 Die erstgenannte Ansicht hätte zur Konsequenz, dass es entscheidend auf subjektive Kriterien ankommt. Diesem Lösungsansatz liegt der Sache nach die Überlegung zugrunde, dass nur eine vorwerfbare, mit anderen Worten eine schuldhafte Verzögerung den Verkauf bzw. die Vernichtung der eingelagerten Sachen rechtfertigt. Damit orientiert sich diese Ansicht am Wortlaut des § 885 Abs. 4 ZPO in seiner älteren Fassung, die bis zum 31.12.1998 galt.60 Dort hieß es: „Verzögert der Schuldner die Abforderung, so kann das Vollstreckungsgericht den Verkauf der Sachen … anordnen.“ Die Verzögerung setzte voraus, dass der Vollstreckungsschuldner von der Verwahrung des Räumungsgutes wusste.61 Durch die Neuregelung wollte aber der Gesetzgeber das zeitaufwendige gerichtliche Anordnungsverfahren umgehen, das Verfahren beschleunigen und die kostspielige Lagerung möglichst frühzeitig beenden.62 Der Gesetzgeber hielt insbesondere zeitaufwendige Zustellungsversuche im gerichtlichen Verfahren für nicht sachgerecht; zudem hat er den Begriff der Verzögerung abgeschafft.63 Daraus folgt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der Fristbeginn gem. § 885 Abs. 4 S. 1 ZPO auch tatsächlich allein von objektiven Umständen abhängt, nämlich vom Räumungszeitpunkt. Müsste der Vollstreckungsschuldner vorher informiert werden und liefe ohnedem keine Frist, würde das Verfahren entgegen dem gesetzgeberischen Willen nicht unerheblich verzögert. Dies ist zwar nicht unproblematisch, weil dem Vollstreckungsschuldner ein schwerwiegender Eingriff in seine Rechte droht; Bedenken ergeben sich im Hinblick auf das rechtliche Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG.64 Jedoch hat der Gerichtsvoll 58

MüKoZPO/Gruber, § 885 Rz. 44. Siehe dazu Musielak/Lackmann, § 885 Rz. 16; Schwieren, Die Kostenbelastung des Gläubigers bei der Räumungsvollstreckung, S. 24; kritisch, jedoch wegen des Gesetzwortlautes mit dieser Konsequenz auch Schultes, DGVZ 1999, 1, 5. 60 Die Neufassung trat am 01.01.1999 in Kraft, siehe BGBl. I 1997, S. 3041/3046. 61 Dazu Schultes, DGVZ 1999, 1, 4. 62 BT-Drs. 13/341, S. 39 f. 63 BT-Drs. 13/341, S. 39. 64 Schultes, DGVZ 1999, 1, 5. 59

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

zieher den Schuldner nach § 180 Nr. 5 S. 4 GVGA darüber zu benachrichtigen, dass er die Sachen verkaufen oder unverwertbare Sachen vernichten wird, soweit sie nicht abverlangt werden. Auch vor der Herausgabevollstreckung hat der Gerichtsvollzieher über den Vollstreckungstermin zu informieren; die Benachrichtigung ist in der Regel zuzustellen, § 180 Nr. 2 S. 1, 2 GVGA. Damit sind die Interessen des Vollstreckungsschuldners ausreichend gewahrt. Es ist nach alledem gem. § 885 Abs. 4 ZPO für den Verkauf verwertbarer Sachen bzw. für die Vernichtung unverwertbarer Sachen nicht erforderlich, dass die Abforderung durch den Vollstreckungsschuldner schuldhaft verzögert wurde. Es ist auch kein anderes schuldhaftes Verhalten erforderlich.

F. §§ 887 ff. ZPO – Vollstreckung zur Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen I. § 887 ZPO – Vertretbare Handlungen § 887 ZPO betrifft die Vollstreckung vertretbarer Handlungen. Nach § 887 Abs. 1 ZPO ist der Gläubiger von dem Gericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners eine Handlung vornehmen zu lassen, sofern der Schuldner die Verpflichtung zur Vornahme der Handlung nicht erfüllt, die Vornahme aber auch durch einen Dritten erfolgen kann. 1. Nichterfüllung als streitige Voraussetzung für die Anordnung der Ersatzvornahme Ob Verschulden im Tatbestand zu prüfen ist, ob also erforderlich ist, dass der Vollstreckungsschuldner die Erfüllung schuldhaft verweigert (schuldhafte Nichtleistung), erscheint fraglich. Streitig ist, ob die Nichterfüllung der Handlung überhaupt tatbestandliche Voraussetzung ist. Eine Mindermeinung lehnt dies ab.65 Im Wesentlichen wird darauf verwiesen, dass materiell-rechtliche Einwendungen wie die Erfüllung und damit der Untergang des materiell-rechtlichen Anspruchs (ausschließlich) mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend zu machen seien, nicht dagegen systemwidrig i.R.d. § 887 ZPO. Die mittlerweile h. M. erkennt die Nichterfüllung als ein tatbestandliches Merkmal des § 887 Abs. 1 ZPO an.66 Der BGH ist dem beige 65 Huber, FS Merz, 229 ff.; Kannowski/Distler, NJW 2005, 865 f.; MüKoZPO/Gruber, § 887 Rz. 17 f.; Musielak/Lackmann, § 887 Rz. 19. 66 OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.5.06, Az. 26 Sch 18/05, juris; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2002, 429; OLG Köln, NJW-RR; 1996, 100; OLG Nürnberg, NJW-RR 1995, 63, 64; Bischoff, NJW 1988, 1957, 1958; BLAH, § 887 Rz. 5; Gerhard, 50 Jahre BGH – Festgabe III, 463, 470 f.; Schilken, FS Gaul, 667, 672; StJ/Brehm, § 887 Rz. 25; Zöller/Stöber, § 887 Rz. 7.

F. Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen

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treten.67 Für die h. M. spricht der klare Wortlaut des § 887 Abs. 1 ZPO („Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht …“). Zudem ist es prozessökonomisch sinnvoll, den Erfüllungseinwand im Ermächtigungsverfahren nach § 887 ZPO zu prüfen.68 Dass der Schuldner die Vollstreckung durch den Erfüllungseinwand in besonderer Weise verzögern könnte, trägt als Argument in Anbetracht der Möglichkeiten, die er auch im Wege der Vollstreckungsabwehrklage hat (§§ 767, 769 ZPO, Erwirkung einer einstweiligen Anordnung) nicht.69 Setzt also die Vollstreckung nach § 887 ZPO die Nichterfüllung der titulierten, materiell-rechtlichen Leistungspflicht voraus, können im Vollstreckungsverfahren ausnahmsweise rechtsvernichtende Einwendungen in begrenztem Umfang geltend gemacht werden.70 Das betrifft neben der Erfüllung (§ 362 BGB) ferner sowohl die objektive Unmöglichkeit71 als auch die subjektive Unmöglichkeit (jeweils § 275 Abs. 1 BGB).72 Andere materiell-rechtliche Einwendungen wie die Einreden nach § 275 Abs. 2, 3 BGB bleiben der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO vorbehalten.73 Nach Ansicht des OLG Rostock74 komme es nicht darauf an, ob der Schuldner die Handlung bereits früher hätte vornehmen können; vielmehr will das OLG Rostock entscheidend auf die Gelegenheit zur Erfüllung im Zeitpunkt des Vollstreckungsverfahrens abstellen. Dem folgt das OLG München. Maßgeblich sei, ob der Schuldner seit Eintritt der Vollstreckbarkeit des Titels seiner Verpflichtung zur Handlung hätte nachkommen können.75 So sieht es im Übrigen auch Gursky.76 2. Pflichtverletzung in Form der Nichterfüllung, Verschulden Da die Nichterfüllung der Leistungspflicht Tatbestandsmerkmal des § 887 Abs. 1 ZPO ist, stellt sich die Frage, ob die objektive Pflichtverletzung genügt (wofür der Wortlaut des § 887 Abs. 1 ZPO zu sprechen scheint) oder ob eine schuldhafte Pflichtverletzung Voraussetzung ist. Letzteres ist von vornherein zu bezweifeln, und zwar unabhängig davon, dass der Schuldner im Vollstreckungsverfahren zumindest einmal die Gelegenheit gehabt haben muss, die Handlung vorzunehmen.77 Anderenfalls wäre die Ermächtigungsanordnung nämlich unverhältnismä 67 BGH NJW 2005, 367, 369 mit zustimmender Anmerkung von Becker-Eberhard, in: LMK 2005, 31. 68 BGH NJW 2005, 367, 369. 69 Becker-Eberhard, in: LMK 2005, 31. 70 Vgl. BGH NJW-RR 2006, 202, 203. 71 Vgl. BLAH, § 887 Rz. 4. 72 Hk-ZV/Bendtsen, § 887 Rz. 41. 73 BGH NJW-RR 2006, 202, 203; Hk-ZV/Bendtsen, § 887 Rz. 40. 74 OLG Rspr. 22 (1911), 394 f. 75 OLG München MDR 1962, 487 (Ls. 1). 76 Gursky, NJW 1971, 782, 785. 77 OLG München MDR 1962, 487 (Ls. 1); OLG Rspr. 22 (1911), 394 f.; Gursky, NJW 1971, 785.

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

ßig (siehe auch § 275 Abs. 1 BGB). Dass nur eine vom Schuldner zu vertretende Pflichtverletzung die Auferlegung des rechtlichen Nachteils, namentlich die Ersatzvornahme auf seine Kosten rechtfertigen kann, steht im Widerspruch zu den vollstreckungsrechtlichen Grundsätzen. Ein Vergleich mit § 281 BGB verbietet sich. Die Zwangsvollstreckung rechtfertigt sich vielmehr allein aufgrund des Titels. Es kann dem Gläubiger nicht zugemutet werden, solche Verzögerungen hinzunehmen, die der Vollstreckungsschuldner nicht zu vertreten hat. Dies folgt schon daraus, dass in der Zwangsvollstreckung die Interessen des Vollstreckungsgläubigers, der auf Grundlage des Titels einen Vollstreckungsanspruch gegen den Staat erworben hat, grundsätzlich überwiegen. Anderenfalls bestünde die Gefahr einer Entwertung des Titels. Die besonderen Belange des Schuldners werden durch Vollstreckungsschutzvorschriften ausreichend gewürdigt. Im Vollstreckungsrecht gilt außerdem der Grundsatz der effektiven Rechtsdurchsetzung. Auch deshalb berechtigt die unverschuldete Nichterfüllung zur Handlungsvollstreckung nach § 887 ZPO. Soweit angenommen wird, dass der Schuldner im Vollstreckungsverfahren Gelegenheit zur Vornahme der Handlung gehabt haben muss (siehe oben), kann nach alledem nur gemeint sein, dass ein Fall von § 275 Abs. 1 BGB nicht vorliegen darf, nicht aber, dass der Schuldner die Erfüllungshandlung schuldhaft unterlassen haben muss. 3. Verschulden bei Geltendmachung von Einwendungen im Wege der Vollstreckungsabwehrklage Auf Verschulden kommt es nur dann an, wenn eine materiell-rechtliche Einwendung dies verlangt, z. B. wenn der Schuldner die Einrede nach § 275 Abs. 2 BGB erheben will. So kann trotz eines Missverhältnisses zwischen Aufwand und Leistungsinteresse die Erfüllung zumutbar sein, wenn der Schuldner die erschwerten Umstände zu vertreten hat (siehe § 275 Abs. 2 S. 2 BGB). Diese Einrede kann nur im Wege der Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden.78 Der Schuldner muss auch deswegen nach § 767 ZPO vorgehen, weil bei einer Vollstreckung nach § 887 ZPO die Ersatzvornahme an die Stelle der Selbstvornahme tritt, es für die Handlungsvollstreckung also nicht darauf ankommt, ob eine Selbstvornahme durch den Schuldner seinerseits nur mit grob unverhältnismäßigem Aufwand möglich wäre. Verschulden spielt demnach allein auf materiell-rechtlicher Eben eine Rolle. Die Einrede nach § 275 Abs. 3 BGB kann der Schuldner im Zusammenhang mit der Vollstreckung nach § 887 ZPO nicht erheben; auf die persönliche Unzumutbarkeit kommt es deshalb nicht an, weil im Wege der Ersatzvornahme an Stelle des

78 Siehe oben; vergleiche dazu BGH NJW-RR 2006, 202, 203 zum Einwand der Unzumutbarkeit.

F. Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen

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Schuldners ein anderer handelt. Der Streit, ob bei § 275 Abs. 3 ZPO Verschulden zu berücksichtigen ist79, kann daher dahinstehen.

II. § 888 ZPO – Unvertretbare Handlungen § 888 ZPO betrifft die Vollstreckung unvertretbarer Handlungen. Nach § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO ist auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld oder für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei, sofern die Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann und sie ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt. Während bei § 887 ZPO weder die Literatur noch die Rechtsprechung nähere Überlegungen zum Verschulden anstellen, wird die Frage, ob sich schuldhaftes Verhalten des Vollstreckungsschuldners auswirkt, bei § 888 ZPO eher noch diskutiert. 1. Nichterfüllung als Voraussetzung für die Anordnung von Zwangsgeld/Zwangshaft Ob Verschulden im Tatbestand zu prüfen ist, ob also unabhängig von § 887 ZPO möglicherweise wegen der Unvertretbarkeit der Handlung erforderlich ist, dass der Vollstreckungsschuldner die Erfüllung schuldhaft verweigert (schuldhafte Nichtleistung), erscheint fraglich. Dass die Nichterfüllung überhaupt Tatbestandsmerkmal ist (vgl. § 887 ZPO), könnte angesichts des Wortlautes von § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO bezweifelt werden. Vieles spricht jedoch dafür. So ist für die Vollstreckung nach § 887 ZPO und nach § 888 ZPO dasselbe Gericht zuständig. Die Art der Handlung rechtfertigt einen unterschiedlichen Prüfungsumfang nicht, zumal der Schuldner einer unvertretbaren Handlung im Hinblick auf die drohende Rechtsfolge (Zwangsgeld oder Zwangshaft) nicht weniger schutzwürdig ist.80 In beiden Fällen der Handlungsvollstreckung muss daher der Erfüllungseinwand bereits im Vollstreckungsverfahren zulässig sein.81 Gemäß dem BGH werde durch den unterschiedlichen Wortlaut der §§ 887, 888 ZPO auch nur der unterschiedliche Anwendungsbereich hervorgehoben.82

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Siehe unten, § 4 F. II. 3. a). Vgl. auch Schuschke/Walker/Walker, § 887 Rz. 20. 81 Siehe auch StJ/Brehm, § 888 Rz. 18; ThP/Seiler, § 888 Rz. 7 (§ 887 Rz. 4). 82 BGH NJW 2005, 367, 369. 80

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

2. Pflichtverletzung in Form der Nichterfüllung, Verschulden Zum Verschulden wird Folgendes vertreten: Nach Ansicht der Rechtsprechung könne ein Zwangsmittel nicht festgesetzt werden, wenn der Vollstreckungsschuldner die unvertretbare Handlung nicht vornehmen kann, „und zwar auch dann, wenn er sein Unvermögen schuldhaft herbeigeführt hat“.83 Dem ist beizutreten. Auch die Literatur folgt der ebengenannten Ansicht.84 Die Vornahme der unvertretbaren Handlung scheidet im Falle subjektiver Unmöglichkeit (Unvermögen) faktisch aus, so dass die zwangsweise Durchsetzung obsolet – weil zweckwidrig – ist; eine Korrektur ist nur auf Schadensersatzebene möglich (vgl. § 893 ZPO). Nichts anderes gilt für die objektive Unmöglichkeit. Da der Einwand nach § 275 Abs. 1 BGB, demgemäß der materiell-rechtliche Anspruch ausgeschlossen ist, seit der Neuregelung im Zuge der Schuldrechtsreform ein Verschulden ohnehin nicht mehr voraussetzt85, kann das Verschuldenserfordernis auch nicht auf vollstreckungsrechtlicher Ebene wieder in die Prüfung einbezogen werden. Auch im Falle der objektiven Unmöglichkeit ist die Vollstreckung zweckwidrig. Auf Verschulden könnte es in einem anderen Zusammenhang ankommen. Im Zusammenhang mit der subjektiven Unmöglichkeit wird häufig auf besondere Pflichten des Vollstreckungsschuldners hingewiesen. Der Vollstreckungsschuldner sei verpflichtet, die Vornahme der Handlung wenigstens zu versuchen und alles Zumutbare zu unternehmen; er habe insbesondere auf Dritte einzuwirken, auf deren Mitwirkung er angewiesen sei.86 Notfalls müsse er den Rechtsweg zu beschreiten.87 Hier handelt es sich um eine prozessuale Mitwirkungspflicht. Sie ergibt sich aus § 888 ZPO i. V. m. § 242 BGB; Grundlage ist das Vollstreckungsrechtsverhältnis. Ob nur der schuldhafte Pflichtverstoß eine bestimmte Rechtsfolge rechtfertigt, ist fraglich. Die Pflichten spielen auf tatbestandlicher Ebene nur mittelbar eine Rolle. Sie dienen als Beleg dafür, dass die Handlung (noch) nicht subjektiv unmöglich ist bzw. dass der Vollstreckungsschuldner noch Einfluss auf die Vornahme der Handlung nehmen kann. Subjektiv unmöglich ist die Vornahme der Handlung erst dann, wenn das pflichtgemäße Verhalten nicht zum Erfolg führen kann. Allerdings kann eine entsprechende Pflicht bei fehlenden Erfolgsaussichten schon von vornherein nicht bestehen. Deswegen kann beispielsweise nicht verlangt werden, dass der Rechtsweg beschritten und Klage erhoben wird, wenn keine Prozesskostenhilfe gewährt werden würde. Hat der Schuldner dagegen noch nicht alles Erforderliche getan, verhält er sich also bislang pflichtwidrig (insoweit trifft 83 BGH NJW 2009, 2308, 2309; ferner: OLG Nürnberg NJOZ 2010, 1613, 1614; siehe auch bereits: RGZ 8, 336; KG NJW 1972, 2093, 2095. 84 StJ/Brehm, § 888 Rz. 9; ThP/Seiler, § 888 Rz. 7. 85 Kohler, AcP 205 (2005), 93, 94 f.; Schur, NJW 2002, 2518. 86 BGH NJW 2009, 2308, 2309; OLG Köln GRUR-RR 2006, 31; NJW-RR 1992, 633, 634; BLAH, § 888 Rz. 6; Hk-ZPO/Pukall, § 888 Rz. 6; Schuschke/Walker/Walker, § 888 Rz. 17 f.; ThP/Seiler, § 888 Rz. 7. 87 BGH NJW 2009, 2308, 2309 m. w. N.

F. Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen

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den Vollstreckungsgläubiger die Beweislast88), kann im Verfahren nach § 888 ZPO nicht davon ausgegangen werden, dass die Vornahme der Handlung subjektiv unmöglich ist. Vielmehr kann dann Zwangsgeld/Zwangshaft nach § 888 ZPO festgesetzt werden, um den Willen des Vollstreckungsschuldners zu beugen.89 Eine schuldhafte Pflichtverletzung ist nicht erforderlich. Maßgeblich ist im Sinne einer effektiven Zwangsvollstreckung, dass der Vollstreckungsschuldner die Pflicht objektiv erfüllen kann und dass der Versuch, alles Erforderliche zu tun, im Zeitpunkt der Entscheidung des Prozessgerichts nach § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht zwecklos erscheint. Überhaupt ist eine schuldhafte Nichterfüllung nicht erforderlich.90 Für das Verschuldenserfordernis scheint auch nur auf den ersten Blick der Wortlaut des § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO zu sprechen. Danach soll eine solche Handlung durchgesetzt werden können, die ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt, die der Schuldner mithin zu steuern imstande ist. Muss es demnach in seiner Hand liegen, die Handlung vorzunehmen und damit zu erfüllen, scheint es nahezuliegen, dass auch lediglich die von ihm zu vertretende Nichterfüllung eine Zwangsvollstreckung rechtfertigt. Bei näherer Betrachtung kann das jedoch nicht überzeugen. Nicht übersehen werden darf nämlich, dass das Merkmal der ausschließlichen Abhängigkeit der Handlung vom Willen des Schuldners der Vermeidung einer zweckwidrigen Zwangsvollstreckung dient (siehe oben). Dabei ist die Nichterfüllung ein Merkmal, das sich auf Vergangenheit und Gegenwart bezieht; die Handlungsvollstreckung ist dagegen zukunftsgerichtet. Aus welchen Gründen bislang nicht erfüllt worden ist, spielt für die in die Zukunft wirkende Beugefunktion von Zwangsgeld/Zwangshaft keine Rolle. Das betrifft im Übrigen auch die Frage, warum der Vollstreckungsschuldner bislang noch nicht auf Dritte, auf deren Mithilfe er angewiesen ist, im erforderlichen Maße eingewirkt hat. Auch bei der lediglich objektiven, unverschuldeten Nichterfüllung kann die Vornahme der Handlung künftig ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängen. Der aufgezeigte vermeintliche Zusammenhang bei den subjektiven Kriterien besteht nicht notwendigerweise. Die Zwangsvollstreckung nach § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO hat neben der Beugefunktion auch keinen repressiven, strafähnlichen Charakter; es geht allein um die Durchsetzung der noch nicht erfüllten Handlungspflicht.91 Das gilt unabhängig davon, dass noch bis in die 1970er Jahre in § 888 ZPO nicht von Zwangsgeld, sondern von „Geldstrafen“ die Rede war92; auch damals war allgemein anerkannt, dass es in § 888 ZPO um Beugestrafen ging.93 Daher kann auch nicht aus diesem Grund in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 890 ZPO94 ein schuldhaftes Verhalten auf Tatbestandsebene vorausgesetzt werden. 88

BGH NJW 2009, 2308, 2310. Vgl. BGH NJW 2009, 2308, 2309 f.; OLG Köln NJW-RR 1992, 633, 634. 90 So auch Hk-ZPO/Pukall, § 888 Rz. 8. 91 OLG Hamm NJW-RR 1987, 765, 766; BLAH, § 888 Rz. 16. 92 Zum Wortlaut und zur Änderung siehe BGBl. I (1974), S. 469, 560 f. 93 Vgl. dazu Brehm, NJW 1975, 249 m.N. 94 Siehe unten. 89

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

3. Verschulden bei Geltendmachung von Einwendungen im Wege der Vollstreckungsabwehrklage a) Einwendungen vor Festsetzung der Zwangsmittel Will der Schuldner im Unterschied zur objektiven bzw. subjektiven Unmöglichkeit die Einreden nach § 275 Abs. 2, 3 BGB erheben, so ist dies auch hier nur im Wege der Vollstreckungsabwehrklage möglich. Betroffen ist davon allein der materiell-rechtliche Anspruch in seiner Durchsetzbarkeit. Es ist zwar insbesondere aus prozessökonomischer Sicht nicht ganz abwegig, dass der grob unverhältnismäßige Aufwand oder die Unzumutbarkeit persönlicher Leistungserbringung bereits im Vollstreckungsverfahren eingewandt wird. Allerdings sieht § 888 ZPO nicht vor, dass das zuständige Prozessgericht bei der Entscheidung darüber, ob Zwangsgeld bzw. Zwangshaft anzuordnen ist, auch materiell-rechtliche Einreden zu prüfen hat. Zudem droht zulasten des Vollstreckungsgläubigers, der ein berechtigtes Vollstreckungsinteresse hat, eine Verfahrensverzögerung, etwa wenn eine Beweisaufnahme erforderlich wird. Stattdessen sieht die Verfahrensordnung für solche Fälle die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO vor. In Eilfällen ist nach § 769 ZPO zu verfahren. Soweit es innerhalb des Vollstreckungsverfahrens bei der Frage, ob der Voll­ streckungsschuldner alles Erforderliche getan hat, nach Rechtsprechung und Literatur darauf ankommen soll, ob er alles Zumutbare95 unternommen hat und nur in diesem Fall bei Nichterfüllung der Handlung subjektive Unmöglichkeit bejaht wird (was die Handlungsvollstreckung nach § 888 ZPO ausschließt, siehe oben), kann nicht ein Fall von § 275 Abs. 2, 3 BGB gemeint sein. Schuldhaftes Verhalten wäre damit i.R.d. § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO inzident zu prüfen, was ersichtlich nicht gewollt ist. Der BGH prüft bei der Zumutbarkeit, ob die Pflicht zur Einwirkung auf Dritte unter rechtlichen Gesichtspunkten haltbar erscheint, ob beispielsweise eine Auskunftsklage gegen den oder die Dritten in Betracht kommt.96 Ob aber der Schuldner die Leistung wegen grob unverhältnismäßigem Aufwand oder wegen seiner persönlichen Lebensumstände verweigern kann (§ 275 Abs. 2, 3 BGB), bleibt einer Überprüfung im Wege der Vollstreckungsgegenklage vorbehalten. Verschulden ist mithin allein auf materiell-rechtlicher Ebene relevant, § 275 Abs. 2 S. 2 BGB. Nach einer Mindermeinung ist das Vertretenmüssen des Leistungshindernisses auch bei § 275 Abs. 3 BGB zu berücksichtigen.97 95 BGH NJW 2009, 2308, 2309; OLG Köln GRUR-RR 2006, 31; NJW-RR 1992, 633, 634; Schuschke/Walker/Walker, § 888 Rz. 18; ThP/Seiler, § 888 Rz. 7. 96 BGH NJW 2009, 2308 2309 f. 97 NK-BGB/Dauner-Lieb, § 275 Rz. 63, die Abs. 2 S. 2 für verallgemeinerungsfähig hält; so auch BeckOK-BGB/Unberath, § 275 Rz. 59; siehe ferner MüKoBGB/Ernst, § 275 Rz. 117; zur a. A. siehe BT-Drs. 14/7052, S. 183; im Übrigen: Hk-BGB/Schulze, § 275 Rz. 23; Jauernig/ Stadler, § 275 Rz. 30; siehe ferner Palandt/Grüneberg, § 275 Rz. 30 (auch derjenige werde von der Verpflichtung zur Arbeit frei, der eine Erkrankung zu vertreten habe).

F. Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen

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b) Einwendungen nach Festsetzung der Zwangsmittel Der Schuldner kann nach Festsetzung der Zwangsmittel jederzeit erfüllen.98 Zur Geltendmachung etwaiger Einwendungen/Leistungshindernisse steht ihm die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) zur Verfügung, sofern die Zwangsmittel nicht bereits (vollständig) vollstreckt wurden. Bei der Frage, ob die Nichtvornahme der Handlung auf vom Schuldner zu vertretenden oder nicht zu vertretenden Umständen beruht, ist zu unterscheiden. Für die objektive und subjektive Unmöglichkeit kommt es nach § 275 Abs. 1 BGB auf Verschulden nicht an. Für die Einreden nach § 275 Abs. 2, 3 BGB gilt das oben Gesagte. Ist das Leistungshindernis nur vorübergehender Art, wird die Zwangsvollstreckung jedoch nur „zur Zeit für unzulässig“ erklärt.99

III. § 890 ZPO – Duldungs- und Unterlassungsvollstreckung § 890 ZPO betrifft die Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen. Nach § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO ist der Vollstreckungsschuldner, der einer Verpflichtung zuwiderhandelt, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, auf Antrag des Gläubigers vor dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges wegen einer jeden Zuwiderhandlung zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. Erforderlich ist eine vorherige Androhung; diese kann auch in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil enthalten sein, § 890 Abs. 2 ZPO. 1. Voraussetzungen für die Anordnung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft, Verschulden Erforderlich ist eine Zuwiderhandlung gegen die titelbewährte Unterlassungsbzw. Duldungspflicht. Es hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass eine schuldhafte Zuwiderhandlung vorliegen muss.100 Die Vollstreckung nach § 890 ZPO hat nämlich nicht nur präventiven, sondern auch repressiven, strafähnlichen Charakter. Zwar dienen Ordnungsgeld und Ordnungshaft auch dazu, den Willen des Voll 98

Schuschke/Walker/Walker, § 888 Rz. 45. OLG Koblenz, Rpfleger 1985, 200 mit Anm. Wolfsteiner, Rpfleger 1985, 449; Schuschke/ Walker/Raebel, § 767 Rz. 40. 100 BVerfG NJW-RR 2007, 860, 861; NJW 1991, 3139; NJW 1981, 2457; NJW 1967, 195; BGH MMR 2009, 844; NJW 2004, 506, 510; NJW 1994, 45, 46; Brox/Walker, ZVR, Rz. 1100; Hk-ZPO/Pukall, § 890 Rz. 7; MüKoZPO/Gruber, § 890 Rz. 21; Musielak/Lackmann, § 890 Rz. 5; Pastor, GRUR 1967, 185; Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 73 Rz. 13; Schuscke/Walker/Sturhahn, § 890 Rz. 29; ThP/Seiler, § 890 Rz. 15; Zöller/Stöber, § 890 Rz. 5; kritisch noch BLAH, § 890 Rz. 21. 99

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

streckungsschuldners zu beugen, um bei Fortgelten der Pflicht weitere Verstöße dagegen auszuschließen (präventive Wirkung). Die Zwangsvollstreckung nach § 890 ZPO ist jedoch selbst dann zulässig, wenn ein künftiger Pflichtverstoß nicht droht, etwa deshalb, weil die Unterlassungs- bzw. Duldungspflicht zeitlich nur begrenzt gilt.101 Wäre eine nachträgliche Ahndung des Pflichtverstoßes nicht möglich, liefe die Androhung (§ 890 Abs. 2 ZPO) ins Leere; der Gläubiger wäre bei einer Zuwiderhandlung rechtlos gestellt, während der Schuldner freie Hand hätte.102 Wegen des strafähnlichen Charakters gilt der Grundsatz „nulla poene sine culpa“. Dieser Grundsatz ist im Rechtsstaatsprinzip verankert.103 An dem Verschuldenserfordernis hat auch der Umstand nichts geändert, dass bis in die 1970er Jahre in § 890 ZPO ausdrücklich von „Strafe“ die Rede war, während in der Neufassung Ordnungsgeld und Ordnungshaft angedroht werden.104 Der Gesetzgeber hatte lediglich eine sprachliche Neuregelung bezweckt.105 Eine maßgebliche inhaltliche Änderung des § 890 ZPO war nicht gewollt; die Vorschrift enthält nach wie vor strafrechtliche Elemente.106 Ferner wird versucht, das Verschuldenserfordernis unter Verweis auf §§ 380, 390 ZPO auch zivilprozessual zu begründen.107 Nach diesen Vorschriften wird dem Zeugen, der nicht erscheint oder das Zeugnis oder die Eidesleistung verweigert, Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft auferlegt. Hier ist Verschulden erforderlich; denn es kommt nach §§ 381 S. 1, 390 Abs. 1 S. 1 ZPO darauf an, ob der Zeuge genügend entschuldigt ist bzw. einen Grund für sein Zuwiderhandeln angeben kann. Die genannten Fälle seien der Unterlassungs-/Duldungsvollstreckung gleichgelagert.108 Eine Zuwiderhandlung nach § 890 ZPO setze zudem begrifflich voraus, dass der Schuldner seinen Willen wider etwas richte, also vorsätzlich oder fahrlässig handle.109 Tatsächlich sind die Fälle insoweit einander vergleichbar, als einerseits der Zeuge, andererseits der Vollstreckungsschuldner einer prozessualen Pflicht zuwiderhandeln. Die §§ 380, 390 ZPO erfassen die Pflicht des Zeugen, zu erscheinen, Zeugnis abzulegen und ggf. die Aussage zu beeiden. § 890 ZPO erfasst die Pflicht des Vollstreckungsschuldners, eine Handlung zu dulden bzw. zu unterlassen; aufgrund des Titels handelt es sich um eine Pflicht mit prozessualem Charakter. Es ist auch richtig, dass ein rechtlicher Nachteil an eine Handlung gekoppelt wird, was grundsätzlich eine Zurechnung der Handlung auf Grundlage subjektiver Kriterien notwendig macht. Gleichwohl darf nicht übersehen werden, 101

OLG Karlsruhe MDR 1994, 728. OLG Karlsruhe MDR 1994, 728; vgl. auch StJ/Brehm, § 890 Rz. 31 f. 103 BVerfG NJW 1967, 195, 196. 104 Änderung durch Art. 98 Nr. 15 EGStGB v. 02.03.1974 mit Wirkung zum 01.01.1975 – BGBl. I (1974), S. 469, 561. 105 Vgl. Art. 5 EGStGB v. 02.03.1974 – BGBl. I (1974), S. 469, 471: Der Begriff Strafe sollte nur dann noch verwendet werden, wenn es um angedrohte Rechtsnachteile aus Straftaten ging. 106 BVerfG NJW 1981, 2457. 107 Pastor, GRUR 1967, 185, 187. 108 Pastor, GRUR 1967, 185, 187. 109 Pastor, GRUR 1967, 185, 187. 102

F. Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen

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dass in § 381 ZPO und in § 390 ZPO ausdrücklich darauf abgestellt wird, ob der Zeuge seinen Pflichtverstoß begründen und sich ausreichend entschuldigen kann. Eine vergleichbare Regelung beinhaltet § 890 ZPO nicht. Dass das Verschulden aufgrund der erheblichen Konsequenzen und des repressiven Charakters der Norm dennoch zwingend vorliegen muss, wurde erwähnt, so dass es einer zusätzlichen, zivilprozessualen Begründung nicht bedarf. 2. Zum Verschuldensbegriff (strafrechtlicher/zivilrechtlicher Art) Problematisch ist, ob es auf den strafrechtlichen oder den zivilrechtlichen Verschuldensbegriff ankommt. Fände der strafrechtliche Verschuldensbegriff Anwendung, wären die §§ 17, 19 ff. StGB zu prüfen. § 17 StGB regelt den Verbotsirrtum; bei einem unvermeidbaren Verbotsirrtum entfällt die Schuld. Die §§ 19 ff. StGB enthalten Regelungen zur Schuldfähigkeit. Bei Anwendung des zivilrechtlichen Verschuldensbegriffs (§ 276 BGB) käme es dagegen insbesondere auf die §§ 827, 828 BGB (Deliktsfähigkeit) an. Ein Unterschied ergibt sich z. B. bei der Frage, wie alt der Vollstreckungsschuldner sein muss, damit gegen ihn ein Ordnungsmittel verhängt werden kann: Nach § 19 StGB muss das 14. Lebensjahr vollendet sein. Nach § 828 BGB ist nach den Umständen der Tat und nach der Einsichtsfähigkeit zu differenzieren, die maßgeblichen Altersgrenze kann bei 7, 10 bzw. 18 Jahren liegen. Vollverantwortlich ist der Schuldner erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres (§ 828 Abs. 3 BGB). Fraglich wäre ferner, ob bei der Anwendung strafrechtlicher Maßstäbe auf die §§ 1, 3, 105 JGG abzustellen wäre. Unter Umständen ist der Täter erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres vollverantwortlich. Nach einer älteren, aber immer noch vertretenen Ansicht ist im Verfahren nach § 890 ZPO Schuld im strafrechtlichen Sinne erforderlich; es gelte der subjektive Verantwortungsbegriff des Strafrechts.110 Für diese Ansicht ergeben sich Anhaltspunkte aus einer Entscheidung des BVerfG, die noch aus der Zeit vor Änderung des Wortlautes des § 890 ZPO stammt. Danach sollen im Verfahren nach § 890 ZPO strafrechtliche Grundsätze gelten.111 Das BVerfG hat auch Bezug auf den strafrechtlichen Verbotsirrtum genommen und in diesem Zusammenhang auf einen Beschluss des BGH (Großer Senat für Strafsachen) hingewiesen, nachdem es ein unabdingbarer Grundsatz sei, dass Strafe Schuld voraussetze.112 Nach der Gegenansicht sei der zivilrechtliche Verschuldensbegriff anzuwenden.113 Es wird darauf hingewiesen, dass bei Anwendung der strafrechtlichen Grundsätze die Festsetzung von Ordnungsmitteln bei einem nur fahrlässigen 110 Theuerkauf, MDR 1963, 552, 553; für das Erfordernis strafrechtlicher Schuld ebenfalls: ThP/Seiler, § 890 Rz. 15. 111 BVerfG NJW 1967, 195, 196. 112 BVerfG NJW 1967, 195, 196 mit Verweis auf den Beschluss des Großen Senats für Strafsachen vom 18.03.1952, NJW 1952, 593. 113 Pastor, GRUR 1967, 185, 190, Schuschke/Walker/Sturhahn, § 890 Rz. 33.

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

Pflichtverstoß problematisch sei, weil nämlich das fahrlässige Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht sein müsste (§ 15 StGB), sich dies aber aus § 890 ZPO im Zusammenhang mit Titel und Androhung nicht ergebe.114 Freilich könnte das Ordnungsmittel ausdrücklich für den vorsätzlichen und den fahrlässigen Pflichtverstoß angedroht werden; das würde jedoch nur dann genügen, wenn erst die Androhung als das konkrete Strafgesetz zu betrachten wäre, gegen das verstoßen wird.115 Unabhängig davon, ob es maßgeblich auf die Androhung ankommt oder ob § 890 ZPO sogar als Blankettstrafgesetz betrachtet werden könnte,116 spricht gegen die Anwendung des strafrechtlichen Schuldbegriffs zweierlei: Strafgesetze gelten zum einen allgemein und damit gegenüber jedermann; sie haben insoweit einen öffentlich-rechtlichen Bezug. Aus dem Titel in Verbindung mit der Androhung eines Ordnungsmittels wird jedoch nur der Vollstreckungsschuldner gebunden. Im Vollstreckungsrecht geht es um die Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche; insofern hat auch schon Lindacher § 890 ZPO als eine „rein vollstreckungsrechtliche Einrichtung“ bezeichnet.117 Das spricht für die Anwendung des Verschuldensbegriffs, der auch sonst im Zivilrecht gebräuchlich ist.118 Zum anderen ist Schuld im strafrechtlichen Sinne nicht identisch mit dem subjektiven Tatbestand des Straf­ gesetzes. Wie der subjektive Tatbestand zu beurteilen ist, bliebe aber offen, wenn allein der strafrechtliche Schuldbegriff Anwendung fände. Dass die Anwendung von § 15 StGB Schwierigkeiten bereitet, wurde bereits erwähnt. Es muss die Zuwiderhandlung dem Vollstreckungsschuldner nicht nur nach objektiven Kriterien, sondern auch auf Grundlage subjektiver Kriterien jedenfalls zwingend zuzurechnen sein.119 Auch dafür bietet § 276 BGB eine klare Regelung. Der Grundsatz „nulla poene sine culpa“ besagt zudem nicht, dass ein strafähnlicher Nachteil nur bei strafrechtlich schuldhaftem Verhalten auferlegt werden kann, vielmehr berührt er die Frage nach Inhalt und Umfang des Verschuldens nicht und schließt daher auch das zivilrechtliche Verschulden als Anknüpfungspunkt nicht aus.120 In einer jüngeren Entscheidung hat sich das BVerfG ausdrücklich zum Verschuldensbegriff des § 890 ZPO geäußert. Es gelte die allgemeine Definition nach § 276 BGB, ferner die dazu entwickelte zivilrechtliche Dogmatik.121 So sei beispielsweise § 31 BGB anwendbar. Am ehesten überzeugt ein gemischter Begriff, zumal § 890 ZPO nicht ausschließlich einen repressiven, strafrechtsähnlichen Charakter hat, sondern auch präventiv wirkt, d. h. der Willensbeugung dient. Grundsätzlich ist der zivilrecht­ liche Verschuldensbegriff heranzuziehen. Der Schuldner hat also Vorsatz und 114

Sinngemäß Pastor, GRUR 1967, 185, 190. So RGZ 77 (1912), 217, 223. 116 Dazu mit Nachweisen Pastor, GRUR 1967, 185, 189. 117 Lindacher, ZZP 85 (1972), 239, 243. 118 Vgl. Pastor, GRUR 1967, 185, 190. 119 Siehe u. a. Zöller/Stöber, § 890 Rz. 5. 120 Pastor, GRUR 1967, 185, 190. 121 BVerfG NJW-RR 2007, 860, 862. 115

F. Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen

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Fahrlässigkeit zu vertreten, § 276 Abs. 1 BGB.122 Was die Fahrlässigkeit betrifft, findet § 276 Abs. 2 BGB Anwendung.123 Gleiches giltfür die §§ 828, 829 BGB im Hinblick auf die Schuldfähigkeit. Dass es in der Regel nur auf persönliches Verschulden des Vollstreckungsschuldners ankommt, ist im Übrigen allgemein anerkannt (§ 278 BGB ist nicht anwendbar).124 Das ergibt sich bereits aus der Verfahrensordnung.125 Jedoch ist bei juristischen Personen, die nicht selbst, sondern durch ihre Organe handeln, Verschulden über § 31 BGB zurechenbar.126 Ergänzend kann der strafrechtliche Schuldbegriff entsprechend herangezogen werden, wenn sich nach § 276 BGB und der zivilrechtlichen Dogmatik Lücken ergeben. Soweit § 85 Abs. 2 ZPO für unanwendbar gehalten wird127, kann dies zwar mit dem strafrechtlichen Schuldbegriff begründet werden. Danach ist nur für persönliche Schuld einzustehen (subjektiver Verantwortungsbegriff). Ob sich allerdings in Anbetracht von § 85 Abs. 2 ZPO tatsächlich eine Lücke ergibt, ist fraglich.128 Gleiches gilt für § 51 Abs. 2 ZPO.129 Die h. M. verlangt allerdings bei prozess­ unfähigen Schuldnern, gegen die vollstreckt wird (nur in dessen Vermögen, Ordnungshaft nur gegen den gesetzlichen Vertreter130), eigenes Verschulden und insoweit zumindest Einsichtsfähigkeit.131 Unter ergänzender Heranziehung des strafrechtlichen Schuldbegriffs finden jedenfalls die Grundsätze über den Verbotsirrtum Anwendung.132 So kann dem Vollstreckungsschuldner beispielsweise kein Ordnungsgeld auferlegt werden, wenn er die Unterlassungspflicht verletzt, aber ernstlich und in vertretbarer Weise falsch ausgelegt hat.133 Der strafrechtliche Schuldbegriff dient zudem dazu, im Ordnungsmittelverfahren die Höhe des Ordnungsgeldes bzw. die Dauer der Ordnungshaft festzusetzen (ähnlich der Strafzumessung). Hier kann auch korrigierend eingegriffen werden, da nämlich für das fahrlässige Verschulden nach § 276 Abs. 2 BGB ein objektiver Maßstab gilt, der Schuldner aber in Ermangelung individueller Fähigkeiten diesen objektiven Sorgfaltsanforderungen nicht gerecht werden konnte. 122 Nur dazu, dass Fahrlässigkeit ausreicht: OLG Brandenburg NJW-RR 2007, 70; Hk-ZPO/ Pukall, § 890 Rz. 7; MüKoZPO/Schilken, § 890 Rz. 21; Zöller/Stöber, § 890 Rz. 5; siehe auch OLG Frankfurt a. M. NJOZ 2009, 2565, 2566. 123 A. A. MüKoZPO/Gruber, § 890 Rz. 23; StJ/Brehm, § 890 Rz. 23. 124 Vgl. nur Brox/Walker, ZVR, Rz. 1100; Köhler, AcP 190 (1990), 496, 514. 125 BGH NJW 2002, 2180 – Das Verfahrensrecht kenne eine Regelung wie § 278 BGB nicht. 126 BVerfG NJW 2007, 860; ferner u. a. Brox/Walker, ZVR, Rz. 1100; Hk-ZPO/Pukall, § 890 Rz. 7. 127 MüKoZPO/Gruber, § 890 Rz. 22; Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 73 Rz. 13. 128 Für die Verschuldenszurechnung nach § 85 Abs. 2 ZPO i.R.v. § 890 ZPO: OLG Frankfurt GRUR 1987, 652, 653. 129 So dem Anschein nach auch Hk-ZPO/Pukall, § 890 Rz. 8, der auf das Verschulden des gesetzlichen Vertreters abstellt. 130 BLAH, § 890 Rz. 24. 131 Brox/Walker, ZVR, Rz. 1106; StJ/Brehm, § 890 Rz. 61; Zöller/Stöber, § 890 Rz. 6; siehe auch PG/Olzen, § 890 Rz. 13. 132 MüKoZPO/Gruber, § 890 Rz. 23. 133 U. a. StJ/Brehm, § 890 Rz. 24 m. w. N.

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

IV. Zusammenfassung Die Vollstreckung vertretbarer und unvertretbarer Handlungen nach §§ 887, 888 ZPO setzt eine schuldhafte Nichterfüllung nicht voraus. Einreden hat der Vollstreckungsschuldner im Wege der Klage nach § 767 ZPO zu erheben. Bei vertretbaren Handlungen kann er sich auf § 275 Abs. 2 BGB berufen; Verschulden ist nach § 275 Abs. 2 S. 2 BGB zu berücksichtigen. Bei unvertretbaren Handlungen kann der Vollstreckungsschuldner darüber hinaus die persönliche Unzumutbarkeit geltend machen, § 275 Abs. 3 BGB. Der Streit, ob auch hier das Vertretenmüssen des Leistungshindernisses zu berücksichtigen ist, ist materiell-rechtlicher Natur. Die Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen bestimmt sich nach § 890 ZPO. Die Anordnung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft oder Ordnungshaft setzt aus verfassungsrechtlichen Gründen Verschulden voraus. Es gilt nach der hier vertreten Ansicht ein gemischter Verschuldensbegriff, der sich grundsätzlich an der zivilrechtlichen Dogmatik orientiert; im Einzelfall sind die strafrechtlichen Grundsätze ergänzend heranzuziehen. So finden etwa die §§ 276, 828, 829 BGB Anwendung. Es gelten aber die strafrechtlichen Grundsätze zum Verbotsirrtum.

G. §§ 899 ff. ZPO (a. F.); §§ 802a ff. ZPO (n. F.) – Eidesstattliche Versicherung und Haft Bis zum 31.12.2012 war das Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Ver­ sicherung in den §§ 899 ff. ZPO geregelt. Der vierte Abschnitt des achten Buches der ZPO wurde mit Wirkung zum 01.01.2013 aufgehoben. Vorschriften zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung finden sich seither in den §§ 802a ff. ZPO (n. F., Näheres sie unter § 4 G. VII.). Nach § 899 Abs. 1 ZPO (a. F.) hatte der Gerichtsvollzieher in den Fällen der §§ 807, 836 und 883 ZPO auf Antrag des Gläubigers (§ 900 Abs. 1 S. 1 ZPO [a. F.]) die eidesstattliche Versicherung abzunehmen. Nach § 901 ZPO (a. F.) kam zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung auf Antrag des Gläubigers auch der Erlass eines Haftbefehls in Betracht.

I. §§ 899 Abs. 1, 807 ZPO (a. F.) – Eidesstattliche Versicherung bei fruchtloser Pfändung Gemäß § 807 Abs. 1 ZPO (a. F.) hatte der Vollstreckungsschuldner ein Vermögensverzeichnis vorzulegen, wenn: Nr. 1 die Pfändung nicht zur vollständigen Befriedigung geführt hatte, Nr. 2 der Gläubiger glaubhaft machte, dass die Pfändung nicht zur vollständigen Befriedigung führen würde, Nr. 3 der Schuldner die Durchsuchung (§ 758 ZPO) verweigerte oder Nr. 4 der Schuldner wiederholt nicht ange-

G. §§ 899 ff. ZPO (a. F.); §§ 802a ff. ZPO (n. F.) – Eidesstattliche Versicherung 

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troffen wurde. Die Vorlagepflicht ergab sich in den Fällen Nr. 1 bis 3 dem Wortlaut nach (im Unterschied zu Nr. 4) ausschließlich aus den objektiven Umständen. Ob der Vollstreckungsschuldner schuldhaft gegen etwaige Mitwirkungspflichten verstoßen hatte, war unerheblich. Das galt insbesondere dann, wenn der Vollstreckungsschuldner die Durchsuchung verweigert hatte. Eine unverschuldete Weigerung wäre praktisch ohnehin nur in den Fällen der §§ 827, 828 BGB in Betracht gekommen; dann wäre aber auf den gesetzlichen Vertreter abzustellen gewesen; im Zweifel hätte er das Vermögensverzeichnis vorzulegen und an Eides statt zu versichern gehabt. Auf Verschulden kam es gemäß dem Wortlaut allein nach § 807 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (a. F.) an. Danach musste der Vollstreckungsschuldner das Vermögensverzeichnis zwar vorlegen, wenn der Gerichtsvollzieher ihn in seiner Wohnung wiederholt nicht angetroffen hatte, nachdem von dem Gerichtsvollzieher (einmal) die Vollstreckung mindestens zwei Wochen vorher angekündigt worden war. Das galt aber dann nicht, wenn der Vollstreckungsschuldner seine Abwesenheit genügend entschuldigte und den Grund glaubhaft machte. Verschulden schied dementsprechend aus bei einem Krankenhausaufenthalt134, bei einer unerwarteten Verhaftung, bei sonstigen unabwendbaren Ereignissen, nicht dagegen dann, wenn dem Vollstreckungsschuldner die Beauftragung einer vertrauensvollen Ersatzperson (z. B. Eltern oder Ehepartner) zumutbar war.135 Im Zweifel hatte der Vollstreckungsschuldner den ihn entschuldigenden Grund im Widerspruchsverfahren (§ 900 Abs. 4 ZPO) geltend zu machen.136 § 807 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (a. F.) war eingefügt worden137, um häufig ortsabwesenden Vollstreckungsschuldnern, die sich oft nur am Wochenende in ihrer Wohnung aufhielten (Pendler u. a.), die Abwendung der Zwangsvollstreckung zu ermöglichen.138 Das machte es erforderlich, eine Regelung für solche Fälle zu treffen, in denen der Vollstreckungsschuldner länger als die vorgesehenen 2 Wochen (Toleranzfrist) ortsabwesend war. Weil grundsätzlich die Möglichkeit zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gewährt und durch die 2-Wochenfrist keine völlig starre Regelung eingeführt werden sollte, waren die Vollstreckungsschuldner zu privilegieren, denen ein schuldhaftes Verhalten nicht vorgeworfen werden konnte.

134

BT-Drs. 12/8314, S. 23. Schuschke/Walker/Walker, § 807 Rz. 20; Zöller/Stöber, § 807 Rz. 18a. 136 Zöller/Stöber, § 807 Rz. 18a; siehe auch BT-Drs. 12/8314, S. 23. 137 Durch Art. 1 Nr. 14 Zweites Gesetz zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften, BGBl. I 1997 (Nr. 85), S. 3039, 3040. 138 BT-Drs. 12/8314, S. 23. 135

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

II. §§ 899 Abs. 1 (a. F.), 836 ZPO – Eidesstattliche Versicherung bei Forderungsüberweisung Gemäß § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO ist der Vollstreckungsschuldner im Falle einer Forderungsüberweisung an den Vollstreckungsgläubiger nach wie vor verpflichtet, die zur Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen. Erteilt der Vollstreckungsschuldner die Auskunft nicht, ist er nach § 836 Abs. 3 S. 2 ZPO auf Antrag des Gläubigers verpflichtet, sie zu Protokoll zu geben und seine Angaben an Eides statt zu versichern. § 836 Abs. 3 S. 2 ZPO gilt nach dem 31.12.2012 unverändert. Die Auskunftspflicht ist eine echte prozessuale Rechtspflicht.139 Erfüllt sie der Vollstreckungsschuldner nicht bzw. nicht in gebotenem Umfang, ist er auf Antrag des Gläubigers unabhängig von etwaigem Verschulden verpflichtet, die eidesstattliche Versicherung abzugeben. Damit wird die Auskunftspflicht innerhalb des Verfahrens vollstreckt (ohne dass ein Titel erforderlich wäre).140 Auch bei der Vollstreckung in sonstigen Fällen ist eine schuldhafte Nichterfüllung nicht erforderlich (vgl. nur §§ 887, 888 ZPO). Insoweit ergibt sich aus § 836 Abs. 3 S. 2 ZPO keine Besonderheit. Dagegen kommt nur dann, wenn der Vollstreckungsschuldner seine Auskunftspflicht schuldhaft verletzt oder verzögert hat, ein Schadenersatzanspruch nach §§ 280, 286 BGB und § 823 BGB in Betracht.141

III. §§ 899 Abs. 1 (a. F.), 883 ZPO – Eidesstattliche Versicherung bei Herausgabevollstreckung Auch nach dem 31.12.2012 ist der Vollstreckungsschuldner gem. § 883 Abs. 2 (S. 1) ZPO im Falle einer fehlgeschlagenen Herausgabevollstreckung verpflichtet, auf Antrag des Gläubigers zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er die Sache nicht besitze und auch nicht wisse, wo die Sache sich befinde. Das kann als negative Informationsvollstreckung bezeichnet werden, weil die Auskunft darüber, die Sache nicht zu besitzen und auch nicht zu wissen, wo sie sich befinde, per se keinen Mehrwert für den Vollstreckungsgläubiger hat; denn es handelt sich um eine Ausschlussinformation, nach der weitere Vollstreckungsversuche zwecklos sind und ausscheiden. Zumal der Vollstreckungsschuldner der Wahrheitspflicht unterliegt, muss umgekehrt davon ausgegangen werden, dass er bei positiver Kenntnis zur Informationsübermittlung verpflichtet ist. Dabei handelt es sich um eine prozessuale Auskunftspflicht auf „erster Stufe“, die sich im Rückschluss aus § 883 Abs. 1, 2 ZPO ergibt. Erst auf „zweiter Stufe“ folgt die Pflicht zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Die (negative) Informationsvollstreckung setzt aber keine schuldhafte Auskunftspflichtverletzung voraus. Es kommt 139

Vgl. auch BGH, Beschl. v. 09.02.2012, Az. VII ZB 54/10, Rz. 6, juris. Schuschke/Walker/Schuschke, § 836 Rz. 7, 15. 141 MüKoZPO/Smid, § 836 Rz. 11; Musielak/Becker, § 836 Rz. 6; vgl. ferner Schuschke/Walker/Schuschke, § 836 Rz. 7. 140

G. §§ 899 ff. ZPO (a. F.); §§ 802a ff. ZPO (n. F.) – Eidesstattliche Versicherung 

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überhaupt auf eine Auskunftspflichtverletzung nicht an. Das zeigt sich daran, dass der Schuldner selbst dann an Eides statt zu versichern hat, die Sache nicht zu besitzen und nichts über deren Verbleib zu wissen, wenn dies der Wahrheit entspricht, wenn also der Schuldner bei Nichtauskunft über den Verbleib der Sache sich rechtmäßig verhält. Die Pflicht zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung entsteht folglich im Falle der erfolglosen Herausgabevollstreckung unabhängig von einem schuldhaften Verhalten des Vollstreckungsschuldners.

IV. § 901 ZPO (a. F.) – Erlass eines Haftbefehls Gemäß § 901 S. 1 ZPO (a. F.) hatte das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht (§ 764 Abs. 1 ZPO) zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf Antrag des Gläubigers einen Haftbefehl zu erlassen, wenn der Vollstreckungsschuldner in dem zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bestimmten Termin (§ 900 Abs. 1 S. 1 ZPO [a. F.]) nicht erschien oder die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ohne Grund verweigerte. Das Begriffspaar „ohne Grund“ war mit „schuldhaft“ gleichzusetzen. Auch das Nichterscheinen zum Termin setzte schuldhaftes Verhalten voraus. So war der Erlass des Haftbefehls nach allgemeiner Ansicht ausgeschlossen, wenn der Vollstreckungsschuldner schuldlos am Erscheinen verhindert war (vgl. § 337 ZPO).142 Es galten die zu § 233 ZPO entwickelten Grundsätze. Wenngleich es in § 233 ZPO um die Wahrung bestimmter Not- oder Rechtsmittelfristen geht, war die Terminswahrnehmung nach § 900 ZPO (a. F.) in Anbetracht der ähnlich schwerwiegenden Nachteile ebenso zu beurteilen.143 D. h., dass z. B. derjenige unverschuldet fernblieb, der wegen Urlaubs oder einer Geschäftsreise abwesend war und keine Kenntnis davon hatte, dass das Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung vom Gläubiger eingeleitet worden war und davon auch nichts wissen musste.144 Dabei genügte nach der hier vertretenen Ansicht die unverschuldete Unkenntnis im Zeitpunkt der Buchung der Reise, wenn der Vollstreckungsschuldner bei späterer Kenntnisnahme und Verzicht auf die Reise unzumutbare (wirtschaftliche) Nachteile in Kauf hätte nehmen müssen. Ebenfalls unverschuldet blieb derjenige dem Termin fern, der bettlägerig krank war.145 Allerdings genügte bloße Arbeitsunfähigkeit nicht; vielmehr musste sich aus der Art und Schwere der Erkrankung ergeben, dass der Vollstreckungsschuld-

142

KG OLGZ 1993, 358, 360 f.; OLG Hamm, Rpfleger 1977, 111; OLG Frankfurt, NJW 1968, 1194; KG NJW 1967, 59; LG Wuppertal DGVZ 2006, 113, 114; Hk-ZPO/Rathmann, 4. Aufl. 2011, § 901 Rz. 4; Hk-ZV/Sternal, 1. Aufl. 2010, § 901 Rz. 4; MüKoZPO/Eickmann, § 901 Rz. 7; Musielak/Voit, 9. Aufl. 2012, § 901 Rz. 2; ThP/Seiler, 33. Aufl. 2012, § 901 Rz. 4; Zöller/Stöber, § 901 Rz.4; vgl. ferner OLG Düsseldorf, Rpfleger 1996, 359, 360; Schuschke/ Walker/Schuschke, § 901 Rz. 3. 143 KG OLGZ 1993, 358, 360 f. m. w. N. 144 KG OLGZ 1993, 358, 361. 145 Schuschke/Walker/Schuschke, § 901 Rz. 3 m.N.

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

ner außer Stande war, zum Termin zu erscheinen.146 Erschien der Vollstreckungsschuldner zum Termin nicht und erließ das Vollstreckungsgericht in Unkenntnis der Gründe auf Antrag des Gläubigers den Haftbefehl, konnte der Vollstreckungsgläubiger sofortige Beschwerde einlegen (§§ 793, 567 ff. ZPO). Ferner schied ein Erlass des Haftbefehls aus, wenn der Vollstreckungsschuldner die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ohne Schuld verweigert. Das war dann der Fall, wenn er einen Widerspruch nach § 900 Abs. 4 S. 1 ZPO eingelegt hatte, über den noch nicht entschieden worden war, ebenso, wenn der Gerichtsvollzieher nach Lage der Akten den Antrag des Gläubigers auf Durchführung des Verfahrens zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung offensichtlich hätte ablehnen müssen, etwa weil es an der Pflicht zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung fehlte.147 Schuldhaft (ohne Grund) verweigerte der Vollstreckungsschuldner die eidesstattliche Versicherung dagegen dann, wenn er den Widerspruch nicht begründete.148 Jedoch genügten zur Begründung solche Einwendungen, die im Vollstreckungsverfahren zwar unzulässig waren (etwa Einwendungen nach § 767 ZPO), über die der Rechtspfleger aber durch Beschluss zu entscheiden hatte149; denn die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung erforderte einen rechtskräftigen Beschluss und kam bei Einwendungen, die den Anspruch selbst betrafen, vor Eintritt der Rechtskraft nur dann in Betracht, wenn der Rechts­pfleger darüber ausdrücklich entschied, § 900 Abs. 4 S. 2 ZPO (a. F.). Damit sollte bei Vermeidung unnötiger Verzögerungen150 gleichwohl in gebotenem Maße Rechtsschutz gewährt werden.

V. § 903 ZPO (a. F.) – Wiederholte eidesstattliche Versicherung § 903 ZPO (a. F.) gewährte zwar, wenn man so will, Vollstreckungsschutz; denn obwohl die Norm die Zulässigkeit des Verfahrens auf Abnahme einer wiederholten eidesstattlichen Versicherung regelte, wurde der Schuldner vor der damit bezweckten „Informationsvollstreckung“ wegen der engen Voraussetzungen innerhalb der dreijährigen Sperrfrist geschützt. Angesichts der Sachnähe zum Verfahren nach § 899 ff. ZPO (a. F.) wird die Vorschrift jedoch an dieser Stelle statt unter § 3 (Vollstreckungsschutz) behandelt. Hatte der Vollstreckungsschuldner eine eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO (a. F., oder nach § 248 AO) abgegeben, war er, wenn die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in dem Schuldner­verzeichnis noch nicht gelöscht war (siehe dazu § 915a ZPO a. F.), in den ersten drei Jahren nach ihrer Abgabe zur nochmaligen eidesstattlichen Versicherung einem Gläu­ 146

LG Wuppertal DGVZ 2006, 113, 114. Siehe dazu Schuschke/Walker/Schuschke, § 901 Rz. 4 ff. 148 Hk-ZPO/Rathmann, 4. Aufl. 2011, § 901 Rz. 5; Schuschke/Walker/Schuschke, § 901 Rz. 4. 149 LG Düsseldorf Rpfleger, 1996, 359, 360. 150 Es handelt sich bei § 900 Abs. 4 S. 2, 2. HS um einen gesetzlich geregelten Fall des Rechtsmissbrauchs. 147

G. §§ 899 ff. ZPO (a. F.); §§ 802a ff. ZPO (n. F.) – Eidesstattliche Versicherung 

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biger gegenüber nur nach Maßgabe von § 903 ZPO (a. F.) verpflichtet. Abgestellt wurde nicht etwa darauf, dass der Vollstreckungsschuldner seine verbesserte Vermögenslage verschwiegen und damit eine prozessuale Auskunftspflicht verletzt hatte; erst recht kam es auf eine schuldhafte Pflichtverletzung nicht an. Vielmehr wurde der Vollstreckungsschuldner erst auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers erneut auskunftspflichtig, wenn der Vollstreckungsschuldner entweder nachträglich Vermögen erworben hatte oder wenn ein bisher mit ihm bestehendes Arbeitsverhältnis aufgelöst worden war. Maßgeblich waren solche objektiven Umstände, die einen erneuten Pfändungsversuch zweckmäßig erscheinen ließen und sei es, dass aus der Auflösung des alten Arbeitsverhältnisses lediglich auf neue, anderweitige Einkünfte geschlossen wurde. Wurde dagegen ein unvollständiges Vermögensverzeichnis, das lückenhaft, widersprüchlich, ungenau oder unklar war151, ergänzt, handelte es sich um eine Nachbesserung. Das alte Verfahren wurde fortgesetzt; § 903 ZPO (a. F.) fand keine Anwendung.152 Gleichwohl kam es auch hier auf eine schuldhafte Auskunftspflichtverletzung nicht an; denn das Recht, ein vollständiges Vermögensverzeichnis zu verlangen, folgte aus dem objektiven Tatbestand des § 807 ZPO (a. F.). Anders verhielt es sich allerdings bei (wissentlich) falschen Angaben. Nach einer verbreiteten Ansicht, der sich letztlich auch der BGH angeschlossen hatte, war in diesem Fall ein erneutes Verfahren in entsprechender Anwendung des § 903 ZPO (a. F.) durchzuführen.153 Nach der Gegenansicht war zwar auch hier nur das bisherige Vermögensverzeichnis nachzubessern.154 Das konnte jedoch nicht überzeugen. Während bei einem äußerlich unvollständigen Vermögensverzeichnis das Verfahren noch nicht ordnungsgemäß abgeschlossen worden war, der Fehler also formeller Natur war und beim Gericht lag, führte die (wissentlich) falsche Angabe zur inhaltlichen Unrichtigkeit des Vermögensverzeichnisses, der Fehler war materieller Art und lag beim Vollstreckungsschuldner.155 Zwar wurde möglicherweise in beiden Fällen ein Vollstreckungsversuch vereitelt, weil die richtigen Informationen nicht vorlagen. Wurde jedoch eine unwahre Angabe aufgedeckt, wäre 151

BGH DGVZ 2012, 93, 95; NJW 2004, 2979, 2980. BGH Rpfleger 2008, 318; NJW 2004, 2979, 2980; Bardohl, KTS 1998, 191, 196; BLAH, 70. Aufl. 2012, § 903 Rz. 4; Hk-ZPO/Rathmann, 4. Aufl. 2011, § 903 Rz. 9 f.; MüKoZPO/Eickmann, § 903 Rz. 20 ff.; Musielak/Voit, 9. Aufl. 2012, § 903 Rz. 8; Schuschke/Walker/Walker, § 807 Rz. 35; StJ/Münzberg, § 903 Rz. 5 ff.; ThP/Seiler, 33. Aufl. 2012, § 807 Rz. 30 ff.; Zöller/ Stöber, 903 Rz. 14 ff. 153 BGH NJW-RR 2011, 667; KG MDR 1990, 1124 m. w. N.; LG Lüneburg DGVZ 2006, 92; LG Potsdam, DGVZ 2001, 86, 87; Hk-ZPO/Rathmann, 4. Aufl. 2011, § 903 Rz. 3, 9; Musielak/ Voit, 9. Aufl. 2012, § 903 Rz. 8; Schneider, MDR 1972, 1041 f.; Schuschke/Walker/Schuschke, § 903 Rz. 3; ThP/Seiler, 33. Aufl. 2012, § 903 Rz. 6 (vgl. auch § 807 Rz. 30a). 154 LG Stendal JurBüro 2000, 45 mit zust. Anm. Buschmann; LG Darmstadt, JurBüro 2000, 101; LG Koblenz DGVZ 1998, 76; Goebel, DGVZ 2001, 49, 52; Schmidt, DGVZ 2000, 149, 150; StJ/Münzberg, § 903 Rz. 7; siehe auch BLAH, 70. Aufl. 2012, § 903 Rz. 4 und insb. Rz. 5 (Stichwort: Falsche Angaben). 155 Schneider, MDR 1972, 1041 f. 152

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

mit deren Berichtigung nicht in ausreichendem Maße sichergestellt gewesen, dass auch die übrigen Angaben wahrheitsgemäß gemacht worden waren. Das Vertrauen des Vollstreckungsgläubigers konnte nur wiederhergestellt werden, wenn in Anbetracht des nach § 156 StGB erfüllten Straftatbestandes unter spezialpräventiven Gesichtspunkten eine erneute eidesstattliche Versicherung abgenommen wurde. Der Verstoß gegen § 138 Abs. 1 ZPO (Wahrheitspflicht) konnte aber nur dann die erneute Abnahme der eidesstattlichen Versicherung rechtfertigen, wenn der Vollstreckungsschuldner schuldhaft gehandelt hatte. Weil er nach § 807 Abs. 3 ZPO (a. F.) an Eides statt zu versichern gehabt hatte, die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht zu haben, waren solche Fehler (Falschangaben) unerheblich, die der Vollstreckungsschuldner auch bei größter Sorgfalt nicht hätte vermeiden können. Nach dem Zurechnungsmaßstab des § 807 Abs. 3 ZPO (a. F.) war deshalb erforderlich, dass der Vollstreckungsschuldner zumindest fahrlässig falsche Angaben gemacht hatte. Erst recht genügte vorsätzliches Handeln.

VI. § 906 ZPO (a. F.) – Haftaufschub Durch den Haftaufschub wurde genaugenommen ebenfalls Vollstreckungsschutz156 gewährt. Die Vorschrift wird jedoch (wie auch § 903 ZPO [a. F.]) wegen des Sachzusammenhangs an dieser Stelle erörtert. Nach § 906 ZPO (a. F.) durfte die Haft gegen den Vollstreckungsschuldner nicht vollstreckt werden, so lange im Falle der Haftvollstreckung seine Gesundheit einer nahen und erheblichen Gefahr ausgesetzt war. Dabei waren die Interessen des Vollstreckungsschuldners mit denen des Vollstreckungsgläubigers abzuwägen.157 Eine Haftvollstreckung schied aus, wenn Lebensgefahr bestand oder schwere gesundheitliche Schäden drohten; in diesem Fall wog das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) schwerer.158 Unbedeutende gesundheitliche Nachteile reichten nicht aus159, zumal der Vollstreckungsschuldner die Haftvollstreckung jederzeit durch Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vermeiden konnte. Es stellte sich die Frage, wie im Falle von schuldhaftem Verhalten zu verfahren war. Hatte der Vollstreckungsschuldner die Haftunfähigkeit selbst herbeigeführt oder hielt er einen solchen Zustand aufrecht, indem er sich der ärztlichen Behandlung entzog, wurden prozessuale/vollstreckungsrechtliche Obliegenheiten verletzt. Ein schuldhafter Verstoß wäre bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen gewesen. Allerdings war (und ist) der Staat ungeachtet der Umstände nicht befugt, Leib und Leben zu gefährden, sofern eine entsprechende Rechtsgrundlage

156

Dazu schon oben § 3. Noack, DGVZ 1978, 161, 163. 158 BVerfG NJW 1979, 2607; Hk-ZV/Sternal, 1. Aufl. 2010, § 906 Rz. 1; Schuschke/Walker/ Schuschke, § 906 Rz. 1. 159 Schuschke/Walker/Schuschke, § 906 Rz. 2. 157

G. §§ 899 ff. ZPO (a. F.); §§ 802a ff. ZPO (n. F.) – Eidesstattliche Versicherung 

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fehlt (Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG). Aus § 906 ZPO (a. F.) ergab sich eine entsprechende Befugnis gerade nicht; vielmehr wollte die Vorschrift die genannten Grundrechtspositionen schützen. Aufgrund schuldhafter Verstöße gegen Obliegenheiten konnte die Grenze des Zulässigen nicht zulasten des Vollstreckungsschuldners verschoben werden. Verschulden spielte in diesem Zusammenhang auch praktisch keine Rolle. Es galt i. Ü. das zu § 765a ZPO Gesagte.160

VII. §§ 802a ff. ZPO (n. F., neue Rechtslage mit Geltung ab dem 01.01.2013161) Durch das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29.07.2009 haben sich verschiedene Änderungen ergeben. Ein wesentliches Anliegen des Gesetzgebers war es, die Informationsbeschaffung durch den Gerichtsvollzieher nicht mehr von einem fruchtlosen Pfändungsversuch (§ 807 ZPO) abhängig zu machen, sondern es zu ermöglichen, Auskünfte bereits zu Beginn des Verfahrens einzuholen. Damit soll nunmehr die Zwangsvollstreckung insgesamt beschleunigt werden. Auch regelungstechnisch sind die maßgeblichen Vorschriften über die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nicht nur geändert, sondern an den Beginn des zweiten Abschnitts des achten Buches der ZPO vorgezogen worden. Der vierte Abschnitt des achten Buches wurde mit Wirkung zum 01.01.2013 aufgehoben.162 1. §§ 802a Abs. 2 Nr. 2/Nr. 3, 802c/802l ZPO (n. F.) – Einholung von Vermögensauskünften des Schuldners und von Auskünften Dritter durch den Gerichtsvollzieher Gemäß § 802a Abs. 2 Nr. 2 ZPO (n. F.) ist der Gerichtsvollzieher aufgrund eines entsprechenden Vollstreckungsauftrages und der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung dazu befugt, eine Vermögensauskunft des Schuldners einzuholen. Nach § 802a Abs. 2 Nr. 3 ZPO (n. F.) ist er befugt, Auskünfte Dritter über das Vermögen des Schuldners einzuholen.

160

§ 3 D. I. 1. b) cc). Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung v. 29.07.2009 mit Wirkung zum 01.01.2013, BGBl. I 2009 (Nr. 48), S. 2258 ff. 162 BGBl. I 2009 (Nr. 48), S. 2258, 2266 (2273). 161

182

§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

a) Auskunftspflicht des Schuldners und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung § 802c Abs. 1 ZPO (n. F.) regelt die Auskunftspflicht des Vollstreckungsschuldners. Sie besteht gegenüber dem Gerichtsvollzieher. Die Auskunft ist ihm auf sein Verlangen zu erteilen. Der Vollstreckungsschuldner hat Angaben zu machen über sein Vermögen (Näheres siehe § 802c Abs. 2 ZPO [n. F.]) und, zwecks Identifizierbarkeit, über seinen Geburtsnamen, das Geburtsdatum und den Geburtsort. Nach § 802c Abs. 3 ZPO (n. F.) ist der Vollstreckungsschuldner verpflichtet, an Eides statt zu versichern, dass er die Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht hat. Die Auskunftspflicht (Vermögensauskunft) und die Pflicht zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sind echte prozessuale Rechtspflichten. Voraussetzung für die Abnahme der Vermögensauskunft und ferner der eidesstattlichen Versicherung ist lediglich, dass der Gerichtsvollzieher (der vom Vollstreckungsgläubiger beauftragt wurde) die Auskunft verlangt und der Vollstreckungsschuldner innerhalb einer Frist von zwei Wochen die titulierte Forderung nicht begleicht, vgl. § 802f Abs. 1 S. 1, 2 ZPO (n. F.). Es geht um die Durchsetzung des prozessualen Erfüllungsanspruches auf Erteilung der Vermögensauskunft, und zwar auf verfahrensrechtlichem Wege. Dies setzt Verschulden nicht voraus, weil mit der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nicht auf den Verstoß gegen die Auskunftspflicht reagiert, sondern die wahrheitsgemäße Erfüllung dieser Rechtspflicht sichergestellt wird. Unerheblich ist ferner, aus welchen Gründen innerhalb der Frist von zwei Wochen nicht gezahlt wurde. Das gilt insbesondere deswegen, weil die Interessen des Vollstreckungsgläubigers außerhalb des Regelungsbereiches vollstreckungsschutzrechtlicher Vorschriften überwiegen; denn der Vollstreckungsgläubiger soll nicht mit dem Risiko unverschuldeter Verzögerungen belastet werden. Auch der Hinweis darauf, dass die zweiwöchige Toleranzfrist aus § 807 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (a. F.) übernommen worden sei163, ändert daran nichts. Denn dort war ausdrücklich geregelt, dass im Falle eines wiederholten Pfändungsversuches bei Abwesenheit des Vollstreckungsschuldners es für die Verpflichtung zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses darauf ankam, ob der Schuldner seine Abwesenheit genügend entschuldigen konnte. Eine solche Regelung enthält § 802f Abs. 1 S. 1 ZPO (n. F.) dagegen nicht. Auch die Pflichten sind nicht identisch; während § 807 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (a. F.) eine prozessuale Anwesenheitspflicht betrifft, bezieht sich § 802f Abs. 1 S. 1 ZPO (n. F.) auf die prozessuale Erfüllungspflicht. Für die Informationsvollstreckung nach §§ 802a Abs. 2 Nr. 2, 802c Abs. 1 S. 1, 802f Abs. 1 S. 1 ZPO (n. F.) ist Verschulden des Vollstreckungsschuldners nicht erforderlich.

163

Schuschke/Walker/Walker, § 802f (n. F.) Rz. 2.

G. §§ 899 ff. ZPO (a. F.); §§ 802a ff. ZPO (n. F.) – Eidesstattliche Versicherung 

183

b) Auskunftspflicht Dritter § 802l Abs. 1 ZPO (n. F.) gibt dem Gerichtsvollzieher Auskunftsrechte gegen Dritte, namentlich gegen die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, gegen das Bundeszentralamt für Steuern und gegen das Kraftfahrt-Bundesamt. Durch die Befugnis, Fremdauskünfte einzuholen, wird die Informationsbeschaffung im Vollstreckungsverfahren deutlich effektiver gestaltet. Voraussetzung für das Entstehen der prozessualen Auskunftspflicht ist, dass der Vollstreckungsschuldner seine Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht erfüllt oder bei einer Vollstreckung in die dort aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers voraussichtlich nicht zu erwarten ist, § 802l Abs. 1 S. 1 ZPO (n. F.). Die Auskunftspflicht der in § 802l Abs. 1 ZPO (n. F.) genannten Stellen ist subsidiär zur Auskunftspflicht des Vollstreckungsschuldners selbst. Auf diese Weise werde dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Vollstreckungsschuldners „in Abwägung mit den Gläubiger- und Allgemeininteressen an einer zügigen und erfolgreichen Vollstreckung“ Rechnung getragen.164 Der Fall, dass die Fremdauskünfte auch dann eingeholt werden können, wenn anhand der Angaben des Vollstreckungsschuldners eine Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers nicht zu erwarten ist (vgl. dazu auch den Wortlaut von § 806a Abs. 1 ZPO), soll die Überprüfung der Vermögenssituation mit Hilfe objektiver Informationsquellen ermöglichen und die Bereitschaft des Vollstreckungsschuldner steigern, wahrheitsgemäße Angaben zu machen.165 Soweit hieran, anderenfalls aber an die Nichterfüllung der prozessualen Pflicht des Vollstreckungsschuldners zur Abgabe der Vermögensauskunft angeknüpft wird, sind lediglich die objektiven Umstände maßgeblich. Das ergibt sich bei der Frage, ob eine vollständige Befriedigung des Gläubigers zu erwarten ist, von selbst – maßgeblich ist die Prognose, dagegen wird keine Rechtspflicht in Bezug genommen, die schuldhaft verletzt sein könnte. Aber auch bei der Pflicht des Schuldners zur Abgabe von Vermögensauskünften wird wiederum nur darauf abgestellt, ob diese Pflicht erfüllt wurde. Der Gesetzgeber schützt damit die „Gläubiger- und Allgemeininteressen an einer zügigen und erfolgreichen Vollstreckung“166. Zwar ist das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Vollstreckungsschuldners zu berücksichtigen, jedoch überwiegt dieses Grundrecht nicht per se, wenn der Vollstreckungsschuldner bisher unverschuldet, etwa wegen eines Krankenhausaufenthaltes, keine Vermögensauskunft gegeben hat. Es muss daher nicht nach schuldhaftem und nicht schuldhaftem Handeln unterschieden werden. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Interessenabwägung ist in der Sache nicht zu beanstanden, soweit das Risiko einer Verzögerung dem Vollstreckungsschuldner und nicht dem Vollstreckungsgläubiger auf­ erlegt wird.

164

BT-Drs. 16/10069, S. 31; auch Schuschke/Walker/Walker, § 802l (n. F.) Rz. 3. BT-Drs. 16/10069, S. 31 f. 166 BT-Drs. 16/10069, S. 31. 165

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

2. § 802d ZPO (n. F.) – Erneute Vermögensauskunft § 802d ZPO (n. F.) ist an die Stelle des § 903 ZPO (a. F.) getreten. Die Sperrfrist beträgt nur noch zwei statt drei Jahre. Eine erneute Vermögensauskunft (nebst eidesstattlicher Versicherung) nach § 802c ZPO (n. F.) kann vor Ablauf der Sperrfrist nur verlangt werden, wenn sich die Vermögensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners wesentlich verändert haben. Dies hat der Vollstreckungsgläubiger glaubhaft zu machen, § 802d Abs. 1 S. 1 ZPO (n. F.). Unabhängig von § 802d ZPO (n. F.) sind unvollständige Vermögensauskünfte unter Fortführung des alten Verfahrens nachzubessern. Für den Fall, dass falsche Angaben gemacht wurden, gilt das oben Gesagte entsprechend. Es kann demgemäß eine erneute Vermögensauskunft (nebst eidesstattlicher Versicherung) nach § 802c ZPO (n. F.) verlangt werden, wenn der Vollstreckungsschuldner mindestens fahrlässig gegen die Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) verstoßen hat. Dass zumindest Fahrlässigkeit erforderlich ist, ergibt sich aus § 802c Abs. 3 ZPO (n. F.); dieser entspricht dem § 807 Abs. 3 ZPO (a. F., Näheres siehe oben). 3. § 802g ZPO (n. F.) – Erzwingungshaft In § 802g ZPO (n. F.) ist die Erzwingungshaft geregelt. Hier ergeben sich keine wesentlichen Änderungen im Vergleich zu § 901 ZPO (a. F.). Auch nach § 802g Abs. 1 S. 1 ZPO (n. F.) muss der Vollstreckungsschuldner die prozessuale Rechtspflicht, im Termin zu erscheinen, bzw. die prozessualen Auskunftspflicht schuldhaft verletzt haben. Während § 901 S. 1 ZPO (a. F.) dem Wortlaut nach noch darauf abstellte, dass der Vollstreckungsschuldner in dem zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bestimmten Termin nicht erschien, stellt § 802g Abs. 1 S. 1 ZPO (n. F.) klar, dass es auf ein unentschuldigtes Fernbleiben ankommt. Das ist aber auch nach der früheren Rechtslage (bis 31.12.2012) bereits einhellige Ansicht gewesen. 4. § 802h Abs. 2 ZPO (n. F.) – Haftaufschub § 802h Abs. 2 ZPO (n. F.) wurde aus § 906 ZPO (a. F.) übernommen. Es gilt dasselbe, wie es bereits zu § 906 ZPO (a. F.) ausgeführt wurde. Auch bei schuld­hafter Herbeiführung der Haftunfähigkeit durch den Vollstreckungsschuldner selbst ist Haftaufschub zu gewähren; der Grundrechtsschutz (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) geht vor.

G. §§ 899 ff. ZPO (a. F.); §§ 802a ff. ZPO (n. F.) – Eidesstattliche Versicherung 

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5. § 807 ZPO (n. F.) i. V. m. § 802f ZPO (n. F.) – Vermögensauskunft bei Verweigerung der Durchsuchung und bei voraussichtlicher Fruchtlosigkeit der Pfändung § 807 ZPO wurde neugefasst mit Wirkung vom 01.01.2013. Die Abnahme der Vermögensauskunft kommt bei fruchtlosem Pfändungsversuch nach wie vor in Betracht, dies jedoch nur mehr in zwei Fällen: § 807 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (n. F.) setzt voraus, dass der Schuldner die Durchsuchung (§ 758 ZPO) verweigert (es gilt das oben Gesagte), § 807 Abs. 1 Nr. 2 ZPO (n. F.), dass eine Pfändung in Anbetracht eines durchgeführten Pfändungsversuches voraussichtlich nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers führen wird. Es kommt jeweils allein auf die objektiven Umstände an. 6. §§ 836/883 ZPO – Eidesstattliche Versicherung bei Forderungsüberweisung und Herausgabevollstreckung Die §§ 836 Abs. 3 S. 2, 883 Abs. 2 (S.1) ZPO sind unverändert geblieben. Insoweit gilt für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung das zur bisherigen Rechtslage oben Gesagte. In § 836 Abs. 3 ZPO wurde nach S. 2 u. a. der Verweis auf die §§ 802g bis § 802i ZPO (n. F.) aufgenommen; § 883 Abs. 2 ZPO wurde ebenso ergänzt.167 Damit gilt auch das zu § 802g ZPO (n. F., Erzwingungshaft) und das zu § 802l ZPO (n. F., Auskunftsrechte des Gerichtsvollziehers gegen Dritte) Gesagte entsprechend.

VIII. Zusammenfassung Nach § 899 Abs. 1 ZPO (a. F.) war in den Fällen der §§ 807, 836, 883 ZPO die eidesstattliche Versicherung abzunehmen. § 807 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (a. F.) setzte schuldhaftes Verhalten voraus. Danach schied die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nur dann aus, wenn der Gerichtsvollzieher den Schuldner zwar wiederholt nicht angetroffen hatte, der Schuldner aber genügend entschuldigt war und den Grund glaubhaft machte. Nach § 807 Abs. 1 Nr. 1–3 ZPO (a. F.) kam es lediglich auf die dort genannten objektiven Umstände an. In den Fällen der §§ 836, 883 ZPO wurde und wird ebenfalls Verschulden nicht vorausgesetzt. Ein Haftbefehl konnte nach § 901 S. 1, 2 ZPO (a. F.) dann nicht erlassen werden, wenn der Vollstreckungsschuldner schuldlos zum Termin zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nicht erschienen war, oder wenn er unverschuldet die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung verweigerte. Letzteres war etwa dann der Fall, wenn

167 Art. 1 Nr. 13 und 18 Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung, BGBl. I 2009 (Nr. 48), S. 2258, 2263/2266.

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

der Gerichtsvollzieher den Antrag des Gläubigers auf Durchführung des Verfahrens offensichtlich hätte ablehnen müssen. § 903 ZPO (a. F.) fand entsprechend Anwendung, wenn der Schuldner bei Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorsätzlich oder fahrlässig falsche Angaben gemacht hatte; in diesem Fall kam statt der Nachbesserung nur die erneute Abnahme der eidesstattlichen Versicherung in Betracht. Der Haftaufschub nach § 906 ZPO (a. F.) war in der Regel auch dann zu gewähren, wenn der Schuldner die Gründe der Haftunfähigkeit selbst zu vertreten hatte. § 802c Abs. 1 ZPO (n. F.) regelt die Auskunftspflicht des Vollstreckungsschuldners. Voraussetzung für die Abnahme der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung ist, dass der Gerichtsvollzieher Auskunft verlangt und der Schuldner nicht innerhalb von zwei Wochen seine Schuld begleicht, § 802f Abs. S. 1, 2 ZPO (n. F.). Es kommt, anders als bei § 807 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (a. F.), nicht darauf an, ob der Schuldner die Verzögerung zu vertreten hat. Fremdauskünfte können nach Maßgabe des § 802l Abs. 1 ZPO (n. F.) eingeholt werden; maßgeblich sind allein die objektiven Umstände. Für § 802d ZPO (n. F.), der die Abnahme einer erneuten Vermögensauskunft regelt, gilt das zu § 903 ZPO (a. F.) Gesagte. Bei vorsätzlich oder fahrlässig falschen Angaben, ist die Vermögensauskunft erneut abzunehmen. In § 802g ZPO (n. F.) ist die Erzwingungshaft geregelt; die Vorschrift stellt klar, dass ein unentschuldigtes Fernbleiben Voraussetzung für den Erlass des Haftbefehls ist. Für den Haftaufschub gemäß § 802h Abs. 2 ZPO (n. F.) gilt das zu §  906 ZPO (a. F.) Gesagte; auf Verschulden kommt es praktisch nicht an. § 807 ZPO wurde neu gefasst. Die Abnahme der Vermögensauskunft kommt danach in zwei Fällen in Betracht, namentlich bei Verweigerung der Durchsuchung und bei fehlenden Erfolgsaussichten der Pfändung. Hier kommt es nur auf die objektiven Umstände an. §§ 836 Abs. 3 S. 2, 883 Abs. 2 (S. 1) ZPO blieben unverändert.

H. § 788 Abs. 4 ZPO – Kostentragung nach Billigkeit I. Bedeutung der Vorschrift und Voraussetzungen, Pflichtverletzung des Vollstreckungsgläubigers Nach § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO fallen die notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung grundsätzlich dem Vollstreckungsschuldner zur Last. Nur ausnahmsweise hat der Vollstreckungsgläubiger bestimmte Kosten zu tragen. Gemäß § 788 Abs. 4 ZPO kann nämlich das Gericht (der Rechtspfleger, § 20 Nr. 17 RPflG) die Kosten der Verfahren nach den §§ 765a, 811a, 811b, 829, 850k, 850l, 851a und 851b ZPO (bis zum 31.12.2012 auch nach § 813b ZPO) auf Antrag des Vollstreckungsschuldners dem Vollstreckungsgläubiger ganz oder teilweise auferlegen, wenn dies aus besonderen, in dem Verhalten des Vollstreckungsgläubigers liegenden Gründen der Billigkeit entspricht. Trotz des Wortlautes der Vorschrift („kann“)

H. § 788 Abs. 4 ZPO – Kostentragung nach Billigkeit

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handelt es sich um eine zwingende Entscheidung.168 Aus der Vorschrift folgt, dass es maßgeblich auf das Verhalten des Vollstreckungsgläubigers ankommt.169 So hat er nach allgemeiner Ansicht die Kosten dann zu tragen, wenn er uneinsichtig ist und auf der Durchführung der Zwangsvollstreckungsmaßnahme beharrt, obwohl der Eingriff erkennbar eine Härte für den Vollstreckungsschuldner bedeuten würde bzw. offensichtlich aussichtslos ist und den Schutzinteressen des Vollstreckungsschuldners zuwiderläuft.170 Wenn man so möchte, handelt es sich dabei um einen Verstoß gegen die prozessuale bzw. vollstreckungsrechtliche Rücksichtnahmepflicht, die sich aus dem Vollstreckungsrechtsverhältnis zwischen den Beteiligten ergibt.

II. Verschulden des Vollstreckungsgläubigers Streitig ist, ob dies ein Verschulden des Gläubigers voraussetzt. Zum Teil wird vertreten, dass der Gläubiger eines der in § 788 Abs. 4 ZPO genannten Verfahren in vorwerfbarer Weise herausgefordert haben muss; unabhängig von schuldhaftem Verhalten sollen allein die objektiven Umstände eine Billigkeitsentscheidung nach § 788 Abs. 4 ZPO nicht rechtfertigen können.171 Dementsprechend könne dem Gläubiger nicht angelastet werden, dass er vor Beauftragung des Gerichtsvollziehers die Schutzbedürftigkeit des Vollstreckungsschuldners und damit die Erfolgsaussichten eines der in § 788 Abs. 4 ZPO genannten Verfahren nicht kannte – er brauche sich nicht über die Verhältnisse des Schuldners zu erkundigen, so dass sich der Vollstreckungsversuch nicht als illegitim darstelle und der Gläubiger auch nicht die Kosten nach § 788 Abs. 4 ZPO zu tragen habe.172 Nach einer anderen Ansicht müssen zwar die Gründe für die Auferlegung der Kosten nach § 788 Abs. 4 ZPO im Verhalten des Gläubigers liegen; Verschulden sei dagegen nicht erforderlich.173 Die erstgenannte Ansicht überzeugt. Es wäre unschlüssig, wenn einerseits auf das Verhalten des Gläubigers abgestellt würde, andererseits aber nicht auf die sub 168

Hk-ZPO/Saenger, § 788 Rz. 46; Hk-ZV/Kessel, § 788 Rz. 115; MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann, § 788 Rz. 54; Musielak/Lackmann, § 788 Rz. 27; Schuschke/Walker/Schuschke, § 788 Rz. 27; StJ/Münzberg, § 788 Rz. 56. 169 Siehe auch OLG Köln, NJW-RR 1995, 1163, 1164. 170 Becker-Eberhard, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 46 Rz. 33; Brox/Walker, ZVR, Rz. 1685; Hk-ZPO/Saenger, § 788 Rz. 45; MüKoZPO/Schmidt, § 788 Rz. 54; Musielak/ Lackmann, § 788 Rz. 28; PG/Schneider, § 788 Rz. 8; Schuschke/Walker/Schuschke, § 788 Rz. 27; Zöller/Stöber, § 788 Rz. 26. 171 Schuschke/Walker/Schuschke, § 788 Rz. 27, siehe insb. auch Fn. 186; dass allein objektive Umstände die Kostenentscheidung nach § 788 Abs. 4 ZPO nicht rechtfertigen – siehe dazu auch MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann, § 788 Rz. 54. 172 Brox/Walker, ZVR, Rz. 1685. 173 Becker-Eberhard, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 46 Rz. 33; StJ/Münzberg, § 788 Rz. 55; ThP/Seiler, § 788 Rz. 37; Zöller/Stöber, § 788 Rz. 26.

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§ 4 Verschulden in der Zwangsvollstreckung

jektive Zurechenbarkeit. Das zeigt sich bereits an folgendem Beispiel: Wenn der Schuldner zwecks Abwendung der Zwangsvollstreckung vergeblich freiwillig zu leisten versucht, kann unter dem Gesichtspunkt einer billigen Kostenverteilung die (Teil-)Kostentragung des Gläubigers nach § 788 Abs. 4 ZPO allenfalls in dem Fall gerechtfertigt sein, in dem er (der Gläubiger) die leistungshindernden Umstände zu vertreten hat. Versucht nämlich der Schuldner, einen Teilbetrag in bar zu zahlen, darf dem Gläubiger, dem dies vorher nicht zur Kenntnis gebracht wurde, vernünftigerweise nicht angelastet werden, dass er ortsabwesend war und deswegen das Geld nicht in Empfang nehmen konnte. Daher konnten dem Gläubiger auch nicht die Kosten etwa im Verfahren nach § 813b ZPO (a. F.) auferlegt werden. Ein Verstoß gegen die vollstreckungsrechtliche Rücksichtnahmepflicht rechtfertigt eine ausnahmsweise Kostentragung seitens des Gläubigers nur im Falle schuldhaften Verhaltens. Hätte der Gesetzgeber eine verschuldensunabhängige Verlagerung der Kostenlast gewollt, hätte er in Abweichung von § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO in den Verfahren nach §§ 765a, 811a, 811b, 829, 850k, 850l, 851a und 851b ZPO (bis zum 31.12.2012 auch nach § 813b ZPO) die Pflicht zur Kostentragung der unterliegenden Partei zuweisen können (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO). Das hat der Gesetzgeber nicht getan. Dass es auf Verschulden ankommt, ergibt sich ferner bei einer vergleichsweisen Betrachtung einer nicht-zwangsvollstreckungsrechtlichen, aber ähnlichen Kostenvorschrift, nämlich des § 81 Abs. 1, 2 Nr. 1, 2 FamFG. Auch dort werden die Kosten dem Beteiligten auferlegt, wenn es der Billigkeit entspricht, u. a. ausdrücklich dann, wenn er durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat oder wenn der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und er dies erkennen musste. Der Rechtsgedanke ist der gleiche, der auch dem § 788 Abs. 4 ZPO zugrunde liegt.

III. Verschuldensmaßstab Fraglich ist der Verschuldensmaßstab. Soweit sich überhaupt Anhaltspunkte dafür ergeben, scheint es so zu sein, dass vornehmlich der vorsätzlicher Verstoß gegen die vollstreckungsrechtliche Rücksichtnahmepflicht für maßgeblich erachtet wird, wenn nämlich darauf abgestellt wird, ob der Gläubiger von den Umständen Kenntnis hatte oder nicht.174 Ob sich der Verschuldensmaßstab auf Vorsatz beschränken lässt mit dem Hinweis darauf, dass der Gläubiger sich über die Schutzwürdigkeit und die Schutzbedürftigkeit des Schuldners vor Beauftragung des Gerichtsvollziehers nicht zu erkundigen braucht175, muss allerdings bezweifelt werden. Der Umstand, dass der Gläubiger keine Nachforschungen anstellen muss, was auch in Anbetracht einer effektiven Zwangsvollstreckung plausibel er 174

U. a. Brox/Walker, ZVR, Rz. 1685. Brox/Walker, ZVR, Rz. 1685.

175

H. § 788 Abs. 4 ZPO – Kostentragung nach Billigkeit

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scheint, mag den Sorgfaltsmaßstab modifizieren; der Gläubiger ist aber nicht von jed­weder Sorgfalt entbunden. Jedenfalls ist es ihm schon aus Gründen der Billigkeit verwehrt, sich auf Unkenntnis zu berufen, wenn er naheliegende Überlegungen nicht anstellt und solche Umstände nicht beachtet, die jedem Dritten eingeleuchtet hätten (grobe Fahrlässigkeit).176 Da sich in der Rechtsfolge nur ein kostenrechtliches Korrektiv ergibt, widerspricht dies auch nicht den Grundsätzen des „prozessualen Rechts auf Irrtum“, wonach die Verantwortlichkeit des Antragstellers grundsätzlich auf Vorsatz beschränkt ist; selbst hiernach ist derjenige nicht schutzwürdig, der sich jeder Erkenntnis verschließt und „blauäugig“ handelt.177 Im Ergebnis kommt es auf den Einzelfall an. So wird z. B., falls der Schuldner mit Suizid droht und der Gläubiger dennoch den Räumungsauftrag erteilt, im Verfahren nach § 765a ZPO in der Regel ein Sachverständigengutachten einzuholen sein, weil in den allermeisten Fällen weder der Gläubiger noch das Gericht genügend Sachkenntnis hat, um die Situation richtig einschätzen zu können.178 Hier kann dem Gläubiger, der den Gerichtsvollzieher mit Räumung beauftragt, kein vorsätzlicher und kein grob fahrlässiger Verstoß gegen die vollstreckungsrechtliche Rücksichtnahmepflicht vorgeworfen werden, auch wenn sich bei angedrohtem Suizid die Gefahr nach dem Gutachten als realistisch erweist.

IV. Zurechnung fremden Verschuldens Nach einer Ansicht sei dem Vollstreckungsgläubiger auch das Handeln des Gerichtsvollziehers zuzurechnen.179 Dass der Gläubiger deshalb das Verschulden des Gerichtsvollziehers in gleichem Umfang zu vertreten hat wie eigenes Verschulden, kann nicht richtig sein. Der Gerichtsvollzieher wird zunächst einmal nicht als Vertreter tätig, sondern handelt kraft hoheitlichen Amtes in eigener Verantwortung. Zudem fehlt es an einer Regelung vergleichbar den §§ 278 BGB, 85 Abs. 2 ZPO. Es können daher nur solche Umstände, die dem Gerichtsvollzieher bekannt oder grob fahrlässig unbekannt geblieben sind, zum Nachteil des Gläubigers berücksichtigt werden, von denen er selbst bei Erteilung des Vollstreckungsauftrages Kenntnis hatte.180

176 Dass grobe Fahrlässigkeit bei einer „billigen“ Kostenentscheidung zu beachten ist, ergibt sich aus auch anderen Verfahrensordnungen, § 81 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Zur Definition der groben Fahrlässigkeit: BGH Rpfleger 2010, 442, 443; NJW 2007, 2988, 2989; NJW 2003, 1929, 1931; NJW 2001, 286 f; NJW 1994, 2093, 2094, (st. Rspr.). 177 Siehe dazu auch § 7 H. III. 178 BGH NJW-RR 2011, 423 f. 179 Hk-ZPO/Saenger, § 788 Rz. 45; Hk-ZV/Kessel, § 788 Rz. 116; ThP/Seiler, § 788 Rz. 37. 180 Becker-Eberhard, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 46 Rz. 33.

§ 5 Verschulden im Einstweiligen Rechtsschutz A. Verschulden im Arrestverfahren I. § 916 ZPO – Arrestanspruch Der Arrest findet zur Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung oder wegen eines Anspruchs statt, der in eine Geldforderung über­gehen kann, § 916 Abs. 1 ZPO. Verschulden kann für den Anspruch erforderlich sein, etwa dann, wenn er auf Schadenersatz gerichtet ist. Auf die materiell-rechtlichen Ansprüche soll nicht weiter eingegangen werden.

II. § 917 ZPO – Arrestgrund bei dinglichem Arrest Nach § 917 Abs. 1 ZPO findet ein dinglicher Arrest statt, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Da also die Gefahr einer Vollstreckungsvereitelung oder der Erschwerung der Vollstreckung1 vorausgesetzt wird, stellt sich die Frage, ob der Antragsgegner dies zu vertreten haben muss. Zwar kann und wird es häufig so sein, dass die Zwangsvollstreckung aufgrund einer Handlung des Vollstreckungsschuldners vereitelt oder erschwert wird. Ein Verschuldenserfordernis lässt sich daraus jedoch nicht herleiten, weil ebenso gut sonstige, von dem Vollstreckungsschuldner nicht zu vertretende Umstände genügen, aus denen sich die Gefahr ergibt, dass die Vollstreckung ins Leere geht2, z. B. deswegen, weil Einkommensausfälle drohen aufgrund eines Boykotts des schuldnereigenen Gewerbebetriebs.3 Es muss die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse zu besorgen sein.4 Dabei herrscht Einigkeit darüber, dass ein (rechtswidriges) schuldhaftes Verhalten nicht erforderlich ist.5

1

Dazu Schuschke/Walker/Walker, § 917 Rz. 2. Schuschke/Walker/Walker, § 917 Rz. 4. 3 Foerste, ZZP 106 (1993), 143, 157; Hk-ZV/Haertlein, § 917 Rz. 8; Mertins, JuS 2008, 692; MüKoZPO/Drescher, § 917 Rz. 11; Schuschke/Walker/Walker, § 917 Rz. 4; StJ/Grunsky, § 917 Rz. 10; Zöller/Vollkommer, § 917 Rz. 7. 4 BGH NJW 1996, 321, 324. 5 OLG Celle, Urt. v. 29.11.07, Az. 13 U 174/04, juris, Rz. 46; OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.07.06, Az. I-7 U 68/06, juris, Rz. 16; OLG Karlsruhe NJW 1997, 1017, 1018; Heiß/Born/ Born, Unterhaltsrecht, Kap. 25 Rz. 254; ThP/Seiler, § 917 Rz. 1. 2

A. Verschulden im Arrestverfahren

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III. § 918 ZPO – Arrestgrund bei persönlichem Arrest Nach § 918 ZPO findet der persönliche Arrest nur statt, wenn er erforderlich ist, um die gefährdete Zwangsvollstreckung in das Vermögen zu sichern. Es gelten die gleichen Grundsätze wie für den dinglichen Arrest; damit genügt eine objektive Gefährdung der Zwangsvollstreckung. Wenngleich eine „Interessenabwägung“6 deswegen erforderlich ist, weil neben den oben genannten Tatbestandsmerkmalen ferner zu prüfen ist, ob nicht bereits der dingliche Arrest genügt, wird Verschulden nicht zu berücksichtigen sein. Zwar muss der Eingriff nicht nur erforderlich und geeignet, sondern auch angemessen sein7; das bedeutet aber nicht, dass eine Interessenabwägung auf horizontaler Ebene stattfindet, für die das Rechtsverhältnis zwischen Antragsteller und Antragsgegner relevant ist. Vielmehr ist eine Güterabwägung im Sinne der praktischen Konkordanz vorzunehmen. Es werden also die Grundrechte (Abwehrrechte gegenüber dem Staat) ins Verhältnis gesetzt; so überwiegen etwa das Grundrecht des Schuldners (Freiheit, Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) gegenüber denen des Gläubigers (Eigentum, Art. 14 GG), wenn durch den persönlichen Arrest lediglich eine Bagatellforderung gesichert werden soll.8 Auf Verschulden des einen oder anderen Teils kommt es nicht an.

IV. § 921 ZPO – Sicherheitsleistung bei fehlender Glaubhaftmachung und neben der Glaubhaftmachung 1. § 921 S. 1 ZPO (bei fehlender Glaubhaftmachung) Nach § 921 S. 1 ZPO kann das Gericht, auch wenn der Anspruch oder der Arrestgrund nicht glaubhaft gemacht ist, den Arrest anordnen, sofern wegen der drohenden Nachteile Sicherheit geleistet wird. Die Entscheidung liegt im Ermessen des Gerichts („kann“).9 Auch wenn das Gericht die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen hat, kommt es auf Verschulden des einen oder des anderen Teils nicht an. Maßgeblich sind allein objektive Kriterien. Entscheidend ist nämlich, dass die Glaubhaftmachung grundsätzlich nicht ausgeschlossen erscheint, dass sie nicht mehr rechtzeitig möglich ist und die behaupteten Tatsachen vernünftigerweise in Betracht kommen10 bzw. der Arrestgrund und -anspruch schlüssig dargelegt werden.11 6

Zur Interessenabwägung: Schuschke/Walker/Walker, § 918 Rz. 4; Walker, Rz. 241. Schuschke/Walker/Walker, § 918 Rz. 4; Walker, Rz. 241. 8 Brox/Walker, ZVR, Rz. 1503; Schuschke/Walker/Walker, § 918 Rz. 4; Walker, Rz. 241; Musielak/Huber, § 918 Rz. 4; Zöller/Vollkommer, § 918 Rz. 2; a. A. (persönlicher Arrest scheide auch bei Bagatellforderungen nicht aus): Gaul, FS Beys, 2003, Bd. I, S. 327, 362; MüKoZPO/ Drescher, § 918 Rz. 7. 9 Siehe u. a. Hk-ZV/Haertlein, § 921 Rz. 2; MüKoZPO/Drescher, § 921 Rz. 3; Musielak/ Huber, § 921 Rz. 8; Schuschke/Walker/Walker, § 921 Rz. 6; Zöller/Vollkomer, § 921 Rz. 5. 10 Hk-ZV/Haertlein, § 921 Rz. 2; Schuschke/Walker/Walker, § 921 Rz. 4. 11 OLG Düsseldorf MDR 1980, 150; MüKoZPO/Drescher, § 921 Rz. 2; vgl. auch OLG Frankfurt Rpfleger 1995, 468, 469. 7

192

§ 5 Verschulden im Einstweiligen Rechtsschutz

2. § 921 S. 2 ZPO (neben der Glaubhaftmachung) Nach § 921 S. 2 ZPO kann das Gericht die Anordnung des Arrests selbst dann von einer Sicherheitsleistung abhängig machen, wenn der Anspruch und der Arrestgrund glaubhaft gemacht sind. Auch hier liegt die Entscheidung im Ermessen des Gerichts („kann“).12 Obwohl wegen der besonderen Einschränkung der Gläubigerrechte eine sorgfältige Interessenabwägung stattzufinden hat, u. a. ist auf die beschränkte Leistungsfähigkeit des Gläubigers zu achten,13 kommt es auch hier nicht auf etwaiges Verschulden, sondern allein auf objektive Kriterien an. Kumulativ zur Glaubhaftmachung kann eine Sicherheitsleistung nämlich nur dann verlangt werden, wenn Schadenersatzansprüche (§ 945 ZPO) zu erwarten sind und deren Durchsetzung gefährdet ist.14 Zu erwarten sind Schadenersatzansprüche bei einer unsicheren Rechtslage und bei Zweifeln am Bestand des Rechts.15 Gefährdet ist die Durchsetzung bei unsicheren Vermögensverhältnissen16 und insbesondere dann, wenn der zu erwartende Schaden besonders hoch ist.17 Auch hier wird zwecks der effektiven Gefahrenabwehr ein schuldhaftes Verhalten, wie etwa das Beiseiteschaffen von Vermögenswerten oder das Verschleiern von Arbeitseinkommen, nicht vorausgesetzt.

V. § 926 ZPO – Anordnung der Klageerhebung Nach § 926 Abs. 1 ZPO hat das Arrestgericht (der Rechtspfleger, § 20 Nr. 14 RpflG) auf Antrag ohne mündliche Verhandlung anzuordnen, dass die Partei, die den Arrest erwirkt hat, binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben habe. Bei Nichtbefolgen der Anordnung ist gemäß § 926 Abs. 2 ZPO der Arrest auf Antrag durch Endurteil aufzuheben. Fraglich ist, ob sich die unverschuldete Säumnis auswirkt. In Anlehnung an § 233 ZPO liegt zumindest der Gedanke nicht fern, dass nur die schuldhafte Säumnis bei der Klageerhebung negative Rechtsfolgen zulasten des Antragstellers rechtfertigen könnte, also eine Aufhebung bei unverschuldeter Säumnis möglicherweise auszuscheiden hat. Aus zwei Gründen ist ein solcher Lösungsansatz aber verfehlt. Zum einen kann nach § 224 Abs. 2 ZPO eine Fristverlängerung beantragt werden, wenn erhebliche Gründe (vgl. § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO) 12 OLG München GRUR 1988, 709, 711; Musielak/Huber, § 921 Rz. 8; Schuschke/Walker/ Walker, § 921 Rz. 11, 6; Zöller/Vollkomer, § 921 Rz. 5; vgl. auch MüKoZPO/Drescher, § 921 Rz. 4, 6. 13 Schuschke/Walker/Walker, § 921 Rz. 12, 13; Walker, Rz. 503. 14 Schuschke/Walker/Walker, § 921 Rz. 12. 15 LG Berlin, Urt. v. 05.03.96, Az. 102 O 28/96, juris; KG WRP 1995, 24; MüKoZPO/Drescher, § 921 Rz. 4; Schuschke/Walker/Walker, § 921 Rz. 12. 16 OLG Hamm WRP 1989, 116, 118; MüKoZPO/Drescher, § 921 Rz. 4; Musielak/Huber, § 921 Rz. 7; Schuschke/Walker/Walker, § 921 Rz. 12. 17 LG Berlin, Urt. v. 05.03.96, Az. 102 O 28/96, juris; KG WRP 1995, 24; OLG Köln MDR 1989, 920; OLG München GRUR 1988, 709, 710; KG NJW-RR 1986, 1127, 1128.

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glaubhaft gemacht sind.18 Die Entscheidung über den Antrag auf Fristverlängerung kann selbst nach Ablauf der Frist ergehen, wenn der Antrag vorher wirksam gestellt worden war.19 Zum anderen kann die Hauptsacheklage gemäß § 231 Abs. 2 ZPO auch noch nach Ablauf der Frist erhoben werden20 (die Anordnung der fristgerechten Klageerhebung berührt die Zulässigkeit der Hauptsacheklage nicht21), wodurch sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Aufhebungsverfahren die Aufhebung des Arrestbefehls abwenden lässt. Weil es sich mithin einerseits nicht um eine starre (Not-)Frist handelt und es andererseits und insbesondere auf die Fristversäumnis noch nicht einmal maßgeblich ankommt, sondern vielmehr darauf, dass bis zur mündlichen Verhandlung im Aufhebungsverfahren die Hauptsacheklage nicht erhoben wurde, ist die schuldhafte Säumnis kein entscheidendes Kriterium. Da dem Antragsteller von der Prozessordnung ausreichend Gelegenheit gegeben wird, die Aufhebung des Arrestbefehls abzuwenden, muss er insoweit nicht privilegiert werden, als nur die schuldhaft unterlassene Hauptsacheklage eine Aufhebung des Arrestbefehls rechtfertigt. Es kommt allein darauf an, ob bei Schluss der mündlichen Verhandlung die Klageerhebung glaubhaft gemacht wird22, nicht auf die Gründe, weshalb eine Klageerhebung unterblieben ist.

VI. § 927 ZPO – Aufhebung wegen veränderter Umstände 1. Aufhebung unabhängig vom Verschulden Sowohl im Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO als auch im Widerspruchsverfahren nach § 924 ZPO können veränderte Umstände geltend gemacht werden, welche die Aufhebung des Arrestbefehls rechtfertigen. Aus welchen Gründen sich die Umstände nachträglich verändert haben, ist jedoch unerheblich; denn allein der Tatsache, dass der Arrestantrag gemäß der aktuellen Sach- und Rechtslage nicht (mehr) zulässig und/oder begründet ist, zwingt zur Aufhebung, weil darüber hinaus gemäß dem Rechtsstaatsprinzip kein Rechtsschutz gewährt werden darf. Insbesondere hat der Antragsteller kein Recht darauf, dass der Antragsgegner sich weiterhin so verhält, dass der Eilrechtsschutz geboten ist. Umgekehrt kann dem Antragsgegner nicht zugemutet werden, dass der Arrestbefehl nur bei vom Antrag-

18 BLAH, § 926 Rz. 7; Schuschke/Walker/Walker, § 926 Rz. 11; zur Fristdauer (mindestens zwei Wochen, jedoch i. d. R. höchstens ein Monat, §§ 276 Abs. 1 S. 2, 277 Abs. 3 ZPO analog): MüKoZPO/Drescher, § 926 Rz. 9; Schuschke/Walker/Walker, § 926 Rz. 11; Zöller/Vollkommer, § 926 Rz. 16. 19 BGH NJW 1982, 1651, 1652. 20 Zöller/Vollkommer, § 926 Rz. 33. 21 Hk-ZPO/Kemper, § 926 Rz. 11. 22 OLG Frankfurt Rpfleger 1981, 118, 119.

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steller schuldhaft veränderten Umständen aufgehoben wird. Unerheblich ist daher, ob die Beteiligten die veränderten Umstände zu vertreten haben.23 2. Aufhebung wegen anfänglicher Umstände bei unverschuldet verspätetem Sachvortrag Nach § 927 Abs. 1 ZPO kann der Arrestbefehl auf Antrag wegen veränderter Umstände aufgehoben werden. Die Frage nach dem Verschulden stellt sich im Zusammenhang mit dem Meinungsstreit darüber, ob nicht nur nachträgliche, sondern – unter bestimmten Voraussetzungen – auch anfängliche Umstände berücksichtigt werden können, nämlich dann, wenn sie unverschuldet nicht geltend gemacht worden sind. Nach der h. M. rechtfertigen solche Umstände die Aufhebung des Arrestbefehls, die zwar von Anfang an vorlagen, dem Antragsgegner aber nicht bekannt waren oder von ihm nicht glaubhaft gemacht werden konnten24, von denen er also, ohne dass er dies zu vertreten hat, erst nachträglich erfährt.25 Eine Mindermeinung hält dem entgegen, dass die anfängliche Unbegründetheit des Antrags ausschließlich durch Widerspruch (§ 924 ZPO) oder Berufung (§ 511 ff. ZPO) geltend gemacht werden könne und deswegen ein Verfahren nach § 927 ZPO ausscheide.26 Der Mindermeinung kann schon deswegen nicht gefolgt werden, weil zwar nicht der Widerspruch gegen einen Beschluss, wohl aber die Berufung gegen ein Urteil fristgebunden ist (§ 517 ZPO, zur Begründungsfrist § 520 Abs. 2 ZPO), abhängig von der Verfahrensart der Rechtsschutz bei anfänglich nicht begründeten Arrest- und Verfügungsanträgen also in dem einen Fall unbeschränkt, in dem anderen nur beschränkt gewährt wird. Da eine solche Ungleichbehandlung sachlich nicht gerechtfertigt ist, müssen anfängliche Umstände, die dem Antragsgegner im Arrest- oder Verfügungsverfahren noch nicht bekannt oder „zugänglich“ waren27, immer auch im (nicht fristgebundenen) Verfahren nach § 927 ZPO berücksichtigt werden. Zu Recht weist die h. M. darauf hin, dass eine strenge Beschränkung auf nachträglich eingetretene Umstände nicht geboten ist und eine Regelung vergleichbar dem § 767 Abs. 2 ZPO in § 927 ZPO nicht enthalten ist.28 23 OLG Karlsruhe WRP 1996, 120, 122; OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 763, 764; Ulrich, WRP 1996, 84, 86. 24 RGZ 63 (1906), 38, 41; OLG Frankfurt NJOZ 2005, 2556, 2258; Hk-ZV/Haertlein, § 927 Rz. 3; MüKoZPO/Drescher, § 927 Rz. 4; Mädrich, Das Verhältnis der Rechtsbehelfe des Antragsgegners im einstweiligen Verfügungsverfahren, 52 f.; Schilken, in: Gaul/Schilken/BeckerEberhard, ZVR, § 77 Rz. 28, (29 Glaubhaftmachung); Schuschke/Walker/Walker, § 927 Rz. (2) 11; StJ/Grunsky, § 927 Rz. 3; Walker, Rz. 547; Wanckel, NJW 2009, 3497, 3499; siehe ferner BGH NJW 1989, 106, 107. 25 Brox/Walker, ZVR, Rz. 1528. 26 BLAH, § 927 Rz. 1; siehe auch Schlüter, ZZP 80 (1967), 447, 455 f. 27 Walker, Rz. 547. 28 Siehe u. a. StJ/Grunsky, § 927 Rz. 3.

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Folgt man somit der h. M. stellt sich ferner die Frage, ob der Antragsgegner anfängliche Umstände nur dann im Verfahren nach § 927 ZPO nicht mehr vortragen kann, wenn er gegen die allgemeine Prozessförderungspflicht und damit gegen die Pflicht zur Geltendmachung im Ausgangsverfahren vorsätzlich verstoßen hat, oder ob bereits fahrlässiges Handeln genügt. In der Regel wird von Rechtsprechung und Literatur darauf abgestellt, dass die Umstände dem Antragsgegner erst nachträglich zur Kenntnis gelangt sind29, dass mithin bei anfänglicher Unkenntnis, ohne dass hier zu differenzieren wäre, die Umstände gemäß § 927 ZPO geltend gemacht werden können. Sofern demgemäß jedwede Unkenntnis zur nachträglichen Geltendmachung der Umstände berechtigen soll, wäre auch die fahrlässige Unkenntnis unschädlich. Zum Teil wird gesagt, es komme darauf an, dass der Antragsgegner die Umstände nicht geltend machen konnte, und dass deswegen die Aufhebung des Arrests nach § 927 ZPO möglich sein müsse.30 Ob damit allerdings gemeint ist, dass die fahrlässige Unkenntnis schadet, weil die Umstände bei sorgfaltsgemäßem Verhalten zu erkennen und geltend zu machen waren, erscheint indes fraglich. Ob der Antragsgegner die Umstände geltend machen konnte, wird vielmehr auf die „Beweislage“ zurückgeführt, und zwar darauf, ob die Möglichkeit zur Glaubhaftmachung bestand; das ist z. B. dann nicht der Fall, wenn der Zeuge nicht erreichbar/präsent war.31 Der Unkenntnis wird also die Kenntnis von den Umständen gleichgesetzt, sofern der Nachweis im Arrest- oder Verfügungsverfahren nicht gelingen konnte. Obwohl die Hürden damit recht niedrig sind, weil der Antragsgegner lediglich die Verfügbarkeit eines solchen Beweismittels glaubhaft machen muss, das ihm vorher nicht zugänglich war, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass nur besonders schwerwiegende Gründe es ausschließen, anfängliche Umstände nach § 927 ZPO geltend zu machen, dass also ein vorsätzliches Aufsparen der Einwendungen32 erforderlich ist. Vielmehr wird auch fahrlässiges Handeln genügen, sei es, dass der Antragsgegner von den anfänglichen Umständen Kenntnis haben musste, sei es, dass er bei sorgfaltsgemäßem Verhalten die Einwendungen hätte glaubhaft machen können. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Antragsteller infolge nachlässiger Prozessführung des Antragsgegners sich den Einwendungen auch nachträglich noch ausgesetzt sehen soll. Das gilt insbesondere im Falle eines Endurteils, wenn keine Berufung eingelegt oder die Berufung verworfen oder zurückgewiesen wurde.33 29 RGZ 63 (1906), 38, 41; OLG Frankfurt NJOZ 2005, 2556, 2258; Hk-ZV/Haertlein, § 927 Rz. 3; MüKoZPO/Drescher, § 927 Rz. 4; Mädrich, Das Verhältnis der Rechtsbehelfe des Antragsgeners im einstweiligen Verfügungsverfahren, 52 f.; Schuschke/Walker/Walker, § 927 Rz.  (2) 11; StJ/Grunsky, § 927 Rz. 3; Walker, Rz. 547; Wanckel, NJW 2009, 3497, 3499; siehe ferner BGH NJW 1989, 106, 107. 30 Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 77 Rz. 28. 31 Schuschke/Walker/Walker, § 927 Rz. 11; Walker, Rz. 547. 32 Dazu, dass § 927 ZPO nicht das Aufsparen von Einwendungen ermöglichen will – Schuschke/Walker/Walker, § 927 Rz. 11. 33 Aber auch, wenn ein Beschluss ergangen ist und dagegen ein Widerspruch statthaft wäre, müsste dieser mangels Rechtsschutzbedürfnisses wegen missbräuchlichen Verhaltens/nachlässiger Prozessführung im Ausgangsverfahren zurückgewiesen werden. Vgl. dazu auch den Rechtsgedanken des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO.

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§ 5 Verschulden im Einstweiligen Rechtsschutz

Allerdings erfordert es die Eigenart des Eilrechtsschutzes (es sind zügig Entscheidungen zu treffen), den Sorgfaltsmaßstab anzupassen. Weil keine überspannten Anforderungen zu stellen sind, wird neben der vorsätzlichen Verzögerung zumindest grobe Fahrlässigkeit zu verlangen sein (vgl. außerdem § 296 Abs. 2 ZPO, auch dort genügt einfache Fahrlässigkeit nicht). Nachträglich kann der Antragsgegner trotz grob fahrlässigen Verhaltens die Umstände im Wege des § 927 ZPO (ggf. auch nach § 924 ZPO) nur dann geltend machen, wenn dem Antragsteller selbst rechtsmissbräuchliches Verhalten vorzuwerfen wäre; dann könnte sich der Antragsteller nicht auf den Ausschluss der Einwendungen berufen.

VII. Exkurs: Verschulden im Verfahren nach den Vorschriften der ZPO im Übrigen Soweit sonstige Vorschriften der ZPO im Eilverfahren Anwendung finden, kann Verschulden auch hier eine Rolle spielen. Darauf soll im Folgenden nur kurz hingewiesen werden. 1. § 227 Abs. 1 ZPO, Terminänderung Wegen der Besonderheiten des Arrest- und Verfügungsverfahrens scheidet eine Terminänderung nach § 227 Abs. 1 S. 1 ZPO, die immer auch zu einer Verzögerung führt, regelmäßig aus (siehe auch § 294 Abs. 2 ZPO).34 Deswegen kommt es nicht darauf an, dass sonst nur aus erheblichen Gründen der Termin aufgehoben oder verlegt oder die Verhandlung vertagt werden kann, wofür das Verschulden der jeweiligen Partei maßgeblich wäre.35 2. § 296 Abs. 1, 2 ZPO, Zurückweisung verspäteten Vorbringens Im Eilverfahren findet § 296 Abs. 1, 2 ZPO Anwendung36; verspätetes Vorbringen ist zurückzuweisen. Die Zurückweisung nach § 296 Abs. 2 ZPO setzt voraus, dass die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht. In den Fällen des 34 OLG Koblenz NJW-RR 1987, 509, 510; BLAH, § 922 Rz. 18; Büchting/Heussen/Schmidt, R., § 36 Rz. 78; Gottwald, Vorbemerkung Rz. 93; Schuschke/Walker/Walker, Vor §§ 916–945 Rz. 48; Walker, Rz. 361. 35 Kein erheblicher Grund liegt gemäß § 227 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO etwa dann vor, wenn die Partei ausbleibt oder ankündigt, auszubleiben, sofern sie nicht unverschuldet am Erscheinen gehindert ist. Kein erheblicher Grund liegt gemäß § 227 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ferner vor bei mangelnder Vorbereitung der Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigen kann. 36 Siehe: Schneider, MDR 1988, 1024, 1025; Zöller/Greger, § 296 Rz. 7; anders die h. M.: OLG Koblenz NJW-RR 1987, 509, 510; Hk-ZV/Haertlein, § 922 Rz. 6; Klute, GRUR 2003, 34, 35 ff. (sehr kritisch der Awendbarkeit des § 296 ZPO gegenüber); MüKoZPO/Drescher,

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§ 296 Abs. 1 ZPO genügt dem Gesetz nach zwar einfache Fahrlässigkeit. Wegen der Besonderheiten im Eilverfahren ist jedoch auch hier grobes Verschulden zu verlangen; denn die Beteiligten haben typischerweise wenig Zeit und kaum Gelegenheit, sich vorzubereiten. Nur das schuldhafte Verhalten in Form von wenigstens grob fahrlässiger Prozessführung schließt im Eilverfahren verspätetes Vorbringen aus. 3. Einlegung von Rechtsmitteln Auch im Eilverfahren kann Wiedereinsetzung in die Rechtsmittelfristen nach § 233 ZPO verlangt werden. Das setzt unverschuldete Säumnis voraus. Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind in der Berufungsinstanz nach Maßgabe von § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen.37 § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO erfasst (im Gegensatz zu Nr. 1, 2) das Fehlverhalten der Partei; lediglich unverschuldet verspäteter Vortrag wird berücksichtigt. Das Gesetz spricht von Nachlässigkeit. Erforderlich ist im Allgemeinen wenigstens einfache Fahrlässigkeit38, aufgrund der Besonderheiten im Eilverfahren wird wiederum zumindest ein grobes Verschulden vorauszusetzen sein. Dass nur der schuldhafte Verstoß gegen die Prozess­ förderungspflicht es rechtfertigt, die Angriffs- und Verteidigungsmittel im Berufungsverfahren auszuschließen, wurde vom BVerfG bestätigt.39

VIII. Zusammenfassung Der Arrestanspruch nach § 916 Abs. 1 ZPO kann verschuldensabhängig sein, etwa dann, wenn es sich um einen Schadenersatzanspruch handelt. Der Arrestgrund bei dinglichem und auch bei persönlichem Arrest setzt Verschulden nicht voraus, §§ 917, 918 ZPO. Die Sicherheitsleistung nach § 921 ZPO bei fehlender Glaubhaftmachung und neben der Glaubhaftmachung ist gemäß den objektiven Umständen anzuordnen. Eine Aufhebung des Arrestbefehls nach § 926 Abs. 2 ZPO setzt nicht die schuldhafte Säumnis der zur Erhebung der Hauptsacheklage zu bestimmenden Frist voraus. Für die Aufhebung des Arrestbefehls wegen veränderter Umstände nach § 927 ZPO kommt es nicht auf Verschulden eines Beteiligten an. Lediglich für die nachträgliche Geltendmachung anfänglicher Umstände ist § 922 Rz. 22; Teplitzky, JuS 1981, 352, 353; Zöller/Vollkommer, § 922 Rz. 15; mit Einschränkung auch StJ/Grunskys, § 922 Rz.; Wenngleich die h. M. § 296 ZPO für nicht anwendbar hält, lässt auch sie teilweise die Zurückweisung verspäteten Vorbringens zu, etwa bei einem Verstoß gegen die allgemeine Prozessförderungspflicht – die Zurückweisung erfolge dann nach § 296 Abs. 2 ZPO (Schuschke/Walker/Walker, Vor §§ 919–945, Rz. 35, § 922 Rz. 15). 37 A. A. Dötsch, MDR 2010, 1429 (mit Nachweisen zum Meinungsstreit). 38 BT-Drs. 14/4722, S. 102. 39 BVerfG NJW 2005, 1768, 1769.

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§ 5 Verschulden im Einstweiligen Rechtsschutz

maßgeblich, dass der verspätete Vortrag nicht auf grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz beruht. Unter diesen Voraussetzungen können auch anfängliche Umstände zur Aufhebung nach § 927 ZPO führen. Hinsichtlich der §§ 296 Abs. 1, 2, 233, 531 Abs. 2 ZPO sei auf die obenstehenden Ausführungen verwiesen.

B. Verschulden in der Arrestvollziehung I. § 928 ZPO – Vollziehung des Arrests, Anwendung der Vorschriften über die Zwangsvollstreckung (§§ 704 ff.  ZPO) Da nach § 928 ZPO für die Vollziehung des Arrests die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung entsprechend anzuwenden sind, soweit nicht die §§ 929 ff. ZPO abweichende Regelungen enthalten, ist an dieser Stelle auf die Ausführungen zum Verschulden im Recht der Zwangsvollstreckung zu verweisen. Verschulden ist demnach auch hier zu berücksichtigen bei der Einstellung nach §§ 707, 719 ZPO, etwa dann, wenn z. B. die §§ 233, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO wegen Einlegung der Berufung gegen den Arrestbefehl inzident zu prüfen sind. Wird Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO beantragt, ist Verschulden bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen; die Vorschrift ist bei der Vollziehung aus dem Arrestbefehl anwendbar.40 Ob die Präklusion nach § 767 Abs. 2, 3 ZPO Verschulden voraussetzt, so wie hier vertreten wird, kann für die Vollziehung nach §§ 928 ff. ZPO dahinstehen; denn eine Vollstreckungsabwehrklage scheidet im einstweiligen Rechtsschutz aus, weil das Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO der speziellere Rechtsbehelf ist, über den Arrestanspruch wurde ferner nicht (rechtskräftig) entschieden.41 Dagegen findet § 788 ZPO Anwendung, so dass im Rahmen von § 788 Abs. 4 ZPO Verschulden (grobe Fahrlässigkeit) zu prüfen ist. Soweit es nach der hier vertretenen Ansicht bei der Pfändung von Tieren gemäß § 811c Abs. 2 ZPO ausnahmsweise auf schuldhaftes Verhalten des Vollstreckungsschuldners ankommt, gilt für die Vollziehung des Arrestbefehls nichts anderes. Soweit es nach der hier vertretenen Ansicht bei § 813a Abs. 2 S. 4 ZPO (a. F., Verzug) und ebenfalls bei § 813b Abs. 1, 2 ZPO (a. F.) auf Verschulden ankam, war dies dagegen für die Vollziehung ohne Belang; die §§ 813a/b ZPO (a. F.) waren nicht anwendbar; denn sie betrafen den Aufschub und die Aussetzung der Verwertung, während der Arrest lediglich sichernde Funktion hat und eine Verwertung nicht in Betracht kommt. Verschulden ist ferner bei der Interessenabwägung im Rahmen des § 850b Abs. 2 ZPO (bedingt pfändbare Bezüge) zu berücksichtigen; die Pfändungsvorschrift findet bei der Arrestvollziehung Anwendung (siehe auch § 930 Abs. 1 ZPO). Verschulden

40

Vgl. Schuschke/Walker/Walker, § 765a Rz. 3. OLG München, FamRZ 1993, 1101, 1102; MüKoZPO/Drescher, § 928 Rz. 4; Schuschke/ Walker/Schuschke, § 928 Rz. 21; StJ/Grunsky, § 928 Rz. 3. 41

B. Verschulden in der Arrestvollziehung

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ist weiterhin zu berücksichtigen bei § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO sowie bei §§ 850f, 850i Abs. 1 S. 3 ZPO; auch diese Pfändungsvorschriften finden bei Vollziehung des Arrests Anwendung. Zudem kommt ein Verfahren auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung in Betracht.42 Zum Verschulden im Zusammenhang mit der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung (§§ 807 Abs. 1 Nr. 4, 901 ZPO [a. F.], ausnahmsweise auch § 903 ZPO [a. F.], § 802g Abs. 1 S. 1 ZPO [n. F.]) sei auf die Ausführungen an entsprechender Stelle verwiesen.

II. § 929 Abs. 2, 3 ZPO – Vollziehungsfrist, Zustellfrist 1. Säumnis bei Ablauf der Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO a) Keine Auswirkung unverschuldeter Säumnis auf die Unzulässigkeit der Vollziehung Nach § 929 Abs. 2 ZPO ist die Vollziehung des Arrestbefehls unstatthaft, wenn seit dem Tag, an dem der Befehl verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch er erging, zugestellt ist, ein Monat verstrichen ist. Auch die unverschuldete Säumnis macht die Vollziehung nicht statthaft. Es handelt sich nicht um eine Notfrist, so dass auch eine Wiedereinsetzung bei fehlendem Verschulden nach § 233 ZPO ausscheidet.43 Nichts anderes kann gelten, soweit vereinzelt die Ansicht vertreten wurde, dass die Vollziehungsfrist einer Notfrist gleichzusetzen sei44; denn dies führte laut den Vertretern dieser Ansicht dazu, dass eine Heilung von Zustell­mängeln nach § 187 S. 2 ZPO (a. F.)45 ausschied; jedoch konnte schon früher nicht daraus hergeleitet werden, dass nur bei nachlässiger Prozessführung die Vollziehung unzulässig sei und anderenfalls die Wiedereinsetzung in Betracht komme.46

42

Musielak/Huber, § 928 Rz. 2a. BGH NJW 1993, 1076, 1079; OLG Naumburg, Urt. v. 30.09.99, Az. 14 U 45/99, juris; OLG F.a. M. OLGZ 1981, 99 f.; Gottwald, Einstweiliger Rechtsschutz, § 929 Rz. 7; Gleußner, S. 161 f.; Griesel, S. 26, 87 f.; Musielak/Huber, § 929 Rz. 3; Schuschke/Walker/Schuschke, § 929 Rz. 7; StJ/Grunsky, § 929 Rz. 9; Ullrich, WRP 1996, 84, 85; Zöller/Vollkommer, § 929 Rz. 3; vgl. auch OLG Zweibrücke GRUR-RR 2001, 288. 44 OLG Koblenz GRUR 1980, 943; Wedemeyer, NJW 1979, 293, 294. 45 Die Vorschrift wurde neugefasst durch Gesetz vom. 25.06.2001 mWv 01.07.2002 (BGBl. I S. 1206); siehe auch die Neufassung des § 189 ZPO, der nunmehr die Heilung von Zustellungsmängeln regelt. Nach § 189 ZPO n. F. kommt eine Heilung auch in Betracht, wenn durch die Zustellung eine Notfrist in Gang gesetzt wird, so dass sich der alte Streit erledigt hat. 46 Vgl. auch OLG Koblenz, GRUR 1980, 943, 944. 43

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§ 5 Verschulden im Einstweiligen Rechtsschutz

b) Auswirkungen auf den erneuten Arrestantrag: Selbstwiderlegung bei Ablauf der Vollziehungsfrist, Verschuldenserfordernis, rechtliche Einordnung47 Wenn die Vollziehungsfrist abgelaufen ist, ohne dass der Arrestbefehl vollzogen wurde, kann zwar grundsätzlich ein erneuter Arrestantrag gestellt werden, die Erfolgsaussichten sind aber gering. Mit Ablauf der Vollziehungsfrist mag zunächst einiges gegen die Eilbedürftigkeit sprechen48, unter Umständen fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Fraglich ist, ob das Rechtsschutzbedürfnis bzw. der Arrestgrund nur bei schuldhafter Säumnis ausscheiden und die unverschuldete Verzögerung nicht zur Selbstwiderlegung führt. Zum Teil wird gesagt, dass die Dringlichkeit nicht immer dann schon fehle, wenn die Vollziehungsfrist versäumt worden sei.49 Auch wird oft darauf hingewiesen, dass der Arrest (bzw. die einstweilige Ver­ fügung) bei Vorliegen der Voraussetzungen erneut beantragt werden kann50, woraus sich nichts anderes ergibt. Zum Teil wird offenbar auf das Vertretenmüssen als Abgrenzungskriterium oder zumindest ausdrücklich darauf abgestellt, dass der Arrestgläubiger die Säumnis zu verantworten hat.51 Jedenfalls muss die Partei das verantworten, was sie zu vertreten hat. Ganz allgemein wird also angenommen, dass der Antrag auf Erlass eines erneuten Arrests in bestimmten (Ausnahme-)Fällen Aussicht auf Erfolg hat (vgl. den sechsten Fall in der Einführung52). Richtig ist, dass der Antrag nicht deshalb zurückgewiesen werden darf, weil der Antragsteller ohne sein Verschulden gehindert war, die Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO einzuhalten. Zunächst obliegt es nämlich dem Arrestgläubiger, den Arrest innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO vollziehen zu lassen; denn nach Fristablauf ist die Vollziehung unstatthaft. Verstößt der Arrestgläubiger gegen diese Obliegenheit, kann er einen erneuten Arrest nur dann beantragen, wenn er ein schutzwürdiges Interesse daran hat. Ein solches scheidet bei fahrlässigem und erst recht bei vorsätzlichem Verhalten aus; denn der Arrestschuldner soll sich nicht ständig neuen Angriffen ausgesetzt sehen, weil der Arrestgläubiger nachlässig handelt. Das folgt bereits aus den Treuepflichten, die sich aus dem prozessualen Rechtsverhältnis ergeben und auch nach Abschluss des Prozesses die Beteiligten bis zum Eintritt in ein etwaiges Vollstreckungsverhältnis binden. Nur die unverschuldete Säumnis ist nach alledem unschädlich. Dies widerspricht auch nicht der Feststellung, dass es auf Verschulden bei der Aufhebung wegen veränderter Umstände nach §§ 927, 924 ZPO nicht an 47

Vgl. den sechsten Fall in der Einführung. Schuschke/Walker/Schuschke, § 929 Rz. 40. 49 Schuschke/Walker/Schuschke, § 929 Rz. 40; vgl. auch LAG Hamm DB 1995, 1871. 50 BVerfG NJW 1988, 3141; KG, Urt. v. 22.09.05, Az. 12 W 44/05, juris; OLG Karlsruhe Rpfleger 2004, 641, 642; Gottwald, Einstweiliger Rechtsschutz, § 929 Rz. 31; Hk-ZPO/ Kemper, § 929 Rz. 7; Hk-ZV/Haertlein, § 929 Rz. 22; MüKoZPO/Drescher, § 929 Rz. 14; Zöller/Vollkommer, § 929 Rz. 23. 51 Meiski, JuS 2006, 889, 990; Musielak/Huber, § 929 Rz. 7; a. A. Ahrens, WRP 1999, 1, 4. 52 Siehe dazu grundsätzlich OLG Hamm DB 1995, 1871. 48

B. Verschulden in der Arrestvollziehung

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kommt53. Zwar ist die Fristversäumung nach § 929 Abs. 2 ZPO ein veränderter Umstand, der die Aufhebung des Arrestbefehls rechtfertigt; jedoch hat dies nichts mit der Frage zu tun, ob der erneute Antrag infolge der Selbst­widerlegung zurückzuweisen ist. Hierbei handelt es sich um eine abweichende Rechtsfrage. Wird die Vollziehungsfrist schuldhaft versäumt, fehlt es hinsichtlich des erneuten Arrestantrags bereits am Rechtsschutzbedürfnis, bei dem es sich um eine selbständige Zulässigkeitsvoraussetzung handelt54, so dass der Antrag schon als unzulässig abgewiesen werden muss. Das Rechtsschutzbedürfnis hat auch im einstweiligen Rechtsschutz seine eigenständige Bedeutung und ist dem Anordnungsgrund nicht gleichzusetzen55; denn die Voraussetzungen von §§ 917, 918 ZPO (und von §§ 935, 940, 940a ZPO im Falle der einstweiligen Verfügung) können ohne weiteres objektiv gegeben sein, ohne dass aber der Prozess zweck­ mäßig ist.56 So kann nach wie vor zu besorgen sein, dass ohne die Verhängung eines Arrests die Vollstreckung des Titels vereitelt oder wesentlich erschwert werden wird (§ 917 Abs. 1 ZPO); es kann ein persönlicher Arrest erforderlich sein, weil den Umständen nach die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners gefährdet ist (§ 918 ZPO), das alles, weil sich die objektive Sachlage nicht verändert hat. Dennoch ist das Arrestverfahren zweckwidrig, wenn der Antragsteller sich seines Rechtsschutzes begibt, indem er durch die schuldhafte Säumnis der Vollziehungsfrist den Nachweis liefert, dass er den Schutz des Gesetzes nicht nötig hat. Dann nämlich ist das öffentliche Interesse daran, die Gerichte nicht unnötig zu belasten, verletzt57, weil die Rechtsfolgen auf einfacherem Wege als durch erneuten Antrag hätten herbeigeführt werden können. 2. Säumnis bei Ablauf der Zustellfrist nach § 929 Abs. 3 ZPO Nach § 929 Abs. 3 S. 1 ZPO ist die Vollziehung zwar vor der Zustellung des Arrestbefehls an den Schuldner zulässig, sie ist jedoch gemäß § 929 Abs. 3 S. 2 ZPO ohne Wirkung, wenn die Zustellung nicht innerhalb einer Woche nach der Vollziehung und vor Ablauf der Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO erfolgt. Die Zustellfrist, die also eine Woche beträgt, jedoch längstens bis zum Ablauf der Vollziehungsfrist läuft, ist keine Notfrist, so dass eine Wiedereinsetzung nach § 233 ZPO bei schuldloser Säumnis nicht in Betracht kommt.58 Dies ist bedingt schädlich, weil, sofern die Vollziehungsfrist noch nicht abgelaufen ist, auch nach Ablauf der

53

Siehe unter § 5 A. VI. 1. Auch Ahrens, WRP 1999, 1, 4, hält die Vollziehungsfrist für eine besondere Prozess­ voraussetzung und geht damit gegenüber der Dringlichkeitsbeurteilung von einem selbständigen Merkmal aus. 55 A. A. Walker, Rz. 208, auch mit Nachweis zum Meinungsstreit. 56 Zur Zweckmäßigkeit siehe ebenfalls Walker, Rz. 207. 57 Dazu Walker, Rz. 207. 58 OLG Bremen, Urt. v. 19.05.88, Az. 1 W 52/88, juris, siehe Rz. 7. 54

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§ 5 Verschulden im Einstweiligen Rechtsschutz

einwöchigen Zustellfrist die Vollziehung erneut beantragt werden kann59; in diesem Fall beginnt die Zustellfrist bei Vollziehung vor Zustellung des Arrestbefehls erneut.

III. § 934 ZPO – Aufhebung der Arrestvollziehung Nach § 934 Abs. 2 ZPO kann das Vollstreckungsgericht die Aufhebung des Arrests auch anordnen, wenn die Fortdauer besondere Aufwendungen erfordert und die Partei, auf deren Gesuch der Arrest verhängt wurde, den nötigen Geldbetrag nicht vorschießt. Besondere Aufwendungen können etwa wegen der Verwahrung gepfändeter Wertgegenstände oder wegen der Versorgung gepfändeter Tiere erforderlich sein. Geschützt wird der Staat (Justizfiskus)60 davor, dass bei Nichtaufhebung des Arrestbefehls infolge der Vollziehung Kosten entstehen, die nicht gedeckt sind. Bei dem Auslagenvorschuss (vgl. auch § 17 Abs. 1 S. 1 GKG ) handelt es sich dennoch nicht um eine Rechtspflicht, sondern um eine Obliegenheit, vornehmlich deswegen, weil weder die Aufhebung des Arrests noch die Fortdauer der Vollziehung unmittelbar im Eigeninteresse des Staates liegt. Weil der Staat vor nicht kosten­deckenden Maßnahmen geschützt wird, ist die Obliegenheit dem öffent­lichen Recht zuzuordnen. Wie bereits oben erwähnt, ist Verschulden in einem solchen Fall nur dann erforderlich, wenn es sich aus dem Gesetz oder aus höherrangigen Rechtsgrundsätzen ergibt. Das ist hier nicht der Fall. Auch dann, wenn der Arrestgläubiger den Vorschuss unverschuldet nicht leistet, kommt daher eine Aufhebung nach § 934 Abs. 2 ZPO in Betracht.

IV. Zusammenfassung Soweit im Rahmen der Vollziehung des Arrests die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung Anwendung finden, kommt es auf Verschulden gleichermaßen an. Nur beispielhaft sei § 765a ZPO genannt, der anwendbar ist. Verschulden ist hier im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Nach § 929 Abs. 2 ZPO ist die Vollziehung des Arrestbefehls unstatthaft, wenn die Vollziehungsfrist versäumt wurde. Nicht erforderlich ist eine schuldhafte Säumnis. Jedoch beseitigt nach der hier vertretenen Ansicht allein die schuldhafte Säumnis das Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich eines erneuten Antrags in derselben Sache. Die Zustellfrist nach § 929 Abs. 3 ZPO ist keine Notfrist, so dass eine Wiedereinsetzung nach § 233 ZPO im Falle unverschuldeter Säumnis ausscheidet. Jedoch kann die Vollziehung bis zum Ablauf der Vollziehungsfrist erneut beantragt 59

RGZ 151 (1936), 155, 156; MüKoZPO/Drescher, § 929 Rz. 19; Schilken, in: Gaul/­ Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 78 Rz. 1; Schuschke/Walker/Schuschke, § 929 Rz. 47; StJ/ Grunsky, § 929 Rz. 22; Zöller/Vollkommer, § 929 Rz. 25. 60 Hk-ZV/Haertlein, § 934 Rz. 3; MüKoZPO/Drescher, § 934 Rz. 1.

C. Verschulden im Verfügungsverfahren

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werden. Für die Aufhebung der Arrestvollziehung nach § 934 Abs. 2 ZPO ist Verschulden nicht relevant; sie kommt auch dann in Betracht, wenn der Arrestgläubiger den Vorschuss für die besonderen Aufwendungen unverschuldet nicht leistet.

C. Verschulden im Verfügungsverfahren I. Sicherungsverfügung 1. § 935 ZPO – Verfügungsanspruch Auch auf Tatbestandsebene des Verfügungsanspruches kann Verschulden Voraussetzung sein. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Schadenersatzanspruch auf Naturalrestitution statt auf Geld gerichtet ist, so dass ein Arrest als Sicherungsmittel nicht in Betracht kommt. Ein „prominentes“ Beispiel ist der Anspruch aus § 826 BGB im Falle des Titelmissbrauchs; dieser ist gerichtet auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung und auf Titelherausgabe.61 Der Tatbestand setzt eine schuldhaft-vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung voraus. Weiter soll auf die materiellrechtlichen Verfügungsansprüche nicht eingegangen werden. 2. § 935 ZPO – Verfügungsgrund Nach § 935 ZPO sind einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch die Veränderung eines bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Auch hier soll die Zwangsvollstreckung gesichert werden, weil die Rechtsverfolgung im Hauptsacheverfahren bzw. die anschließende zwangsweise Durchsetzung des Anspruchs nicht mehr rechtzeitig in Betracht kommen. Es muss die Gefahr bestehen, dass die Zwangsvollstreckung vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Erforderlich ist diesbezüglich die objektiv begründete Besorgnis bzw. eine objektive Gefahr.62 Daraus folgt aber lediglich, dass die subjektive Sorge des Antragstellers nicht genügt, sondern ein objektiver Maßstab anzulegen ist, es also auf die Sicht eines vernünftigen Dritten ankommt.63 Was den Anordnungsgrund betrifft, gilt letztlich nichts anderes als für den Arrestbefehl. Auch dort ist nicht entscheidend, worauf die Umstände beruhen, wegen denen die 61

Zu diesem Verfügungsanspruch siehe u. a. MüKoZPO/Drescher, § 935 Rz. 7, 9. OLG Saarbrücken, NJOZ 2007, 5745, 5747; OLG Dresden NJW 2005, 1871; OLG Köln, Urt. v. 04.04.03, Az. 6 U 192/02, juris, Rz. 4; Hk-ZV/Haertlein, § 935 Rz. 19; MüKoZPO/Drescher, § 935 Rz. 15; Schuschke/Walker/Schuschke, § 935 Rz. 15; StJ/Grunsky, § 935 Rz. 11; Zöller/Vollkommer, § 935 Rz. 10. 63 Schuschke/Walker/Schuschke, § 935 Rz. 15; StJ/Grunsky, § 935 Rz. 11; ThP/Seiler, § 935 Rz. 6. 62

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Durchsetzung des Anspruchs gefährdet ist, so dass es auf ein schuldhaftes Verhalten des Antragsgegners nicht zwingend ankommt. Zwar wird auch in den Fällen der einstweiligen Verfügung regelmäßig schuldhaftes Verhalten des Antragsgegners zu beobachten sein, etwa dann, wenn der Herausgabeanspruch infolge übermäßiger Benutzung oder wegen Veräußerung oder Beiseiteschaffens der Sache gefährdet ist.64 Dass schuldhaftes Verhalten vorausgeht, wird sogar eher noch der Fall sein, als beim Arrest; denn dort soll eine Gefährdung des Vermögens, die auch von äußeren Umständen abhängen kann und daher nicht verhaltensbedingt sein muss, unterbunden und damit der Zugriff des Arrestgläubigers gesichert werden, während bei der einstweiligen Verfügung nach § 935 ZPO die Erfüllung des Anspruchs gesichert und damit auf das Verhalten des Antragsgegners eingewirkt werden soll. Dennoch ist der Anspruchsinhaber nicht deshalb weniger schutzwürdig, weil etwa der Schuldner die Erfüllung bzw. spätere zwangsweise Durchsetzung gefährdet und sich in einem Zustand befindet, der das Verschulden ausschließt oder mindert (§§ 827 ff. BGB). Der Anspruchsinhaber soll gerade nicht in Kauf nehmen müssen, dass der andere Teil die Durchsetzung des Anspruchs unmöglich macht (effektive Gefahrenabwehr). Der Anspruchsinhaber soll sich ferner nicht damit abfinden müssen, dass z. B. eine Zerstörung der herauszugebenden Sache durch Dritte droht. Damit geht schließlich die Feststellung einher, dass weder von der Rechtsprechung noch in der Literatur im Zusammenhang mit dem Verfügungsgrund nach § 935 ZPO Verschulden erörtert wird. 3. § 938 ZPO – Inhalt der einstweiligen Verfügung Gemäß § 938 Abs. 1 ZPO bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind. Für die Anordnung gilt danach der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; sie muss geeignet und erforderlich sein. Soweit die Ansicht vertreten wird, hier sei auch eine Interessenabwägung65 durchzuführen, handelt es sich dabei um eine Frage der Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne). Zum Teil wird bestritten, dass die Angemessenheit der Anordnung zu prüfen ist. Der Schuldnerschutz werde vielmehr durch das Vorwegnahmegebot und durch die Beschränkung der Maßnahme auf das mildeste Mittel gewährleistet, im Zweifel auch durch die Sicherheitsleistung (§§ 936, 921 ZPO) und schließlich durch den verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch nach § 945 ZPO.66 Vorliegend kann der Meinungsstreit da-

64 Zu diesen Fällen siehe OLG Köln NJW-RR 1998, 1588, 1589 (erhebliche Wertminderung wegen übermäßiger Nutzung); MüKoZPO/Drescher, § 935 Rz. 17 m. w. N.; Schilken, in: Gaul/ Schilken/Becker-Eberhardt, ZVR, § 76 Rz. 5; StJ/Grunsky, § 935 Rz. 12 und auch Zöller/Vollkommer, § 935 Rz. 13 m. w. N. 65 MüKoZPO/Drescher, § 938 Rz. 3; Schuschke/Walker/Schuschke, § 938 Rz. 16; siehe auch ArbG Frankfurt NZA 1987, 757, 758. 66 Hk-ZV/Haertlein, § 938 Rz. 3.

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hinstehen, zumindest im Hinblick auf das Verschuldenserfordernis. Diejenigen, die eine Interessenabwägung durchführen wollen, nehmen eine doppelte Negativprognose vor. Es wird geprüft, welcher Fall der schlimmere wäre: die Verfügung zum Nachteil des Antragsgegners, wenn sich im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Anspruch nicht besteht, oder die Zurückweisung der Verfügung oder die Beschränkung des Inhalts zum Nachteil des Antragstellers, wenn sich der behauptete Anspruch als richtig erweist.67 Die doppelte Negativprognose bietet für die Berücksichtigung schuldhaften Verhaltens keinen Raum. Dies gilt nicht zuletzt deswegen, weil hier keine offene Interessenabwägung stattfindet, für die eine Rechtsverletzung im horizontalen Rechtsverhältnis zwischen Antragsteller und Antragsgegner relevant wäre, sondern eine Güterabwägung nach den Regeln der praktischen Konkordanz. Es wird mit andern Worten geprüft, ob die Beeinträchtigung der Gläubigerrechte (Art. 14 GG) bei einer inhaltlich nicht so weitreichenden Verfügung oder Zurückweisung des Antrags schwerer wiegt als die Beeinträchtigung der Schuldnerrechte (z. B. Art. 2 Abs. 1 GG) bei Stattgabe des Antrags. Folgt man dagegen der Ansicht von denen, die eine „Interessenabwägung“ von vornherein ablehnen, bleibt erst recht für die Berücksichtigung schuldhaften Verhalten im Rahmen von § 938 ZPO kein Raum. 4. § 939 ZPO – Aufhebung (der einstweiligen Verfügung) gegen Sicherheitsleistung Nach § 939 ZPO kann die Aufhebung der einstweiligen Verfügung nur unter besonderen Umständen gegen Sicherheitsleistung gestattet werden. Mit „besonderen Umständen“ ist nicht etwa gemeint, dass ein schuldhaftes Verhalten des Antragstellers die Abwendung gegen Geldzahlung rechtfertigt. Stattdessen muss der Zweck der Verfügung ausnahmsweise durch Sicherheitsleistung vollständig erreichbar sein, etwa dann, wenn die Eintragung einer Vormerkung zum Erwerb einer Bauhandwerkersicherungshypothek aufgrund der einstweiligen Verfügung erfolgen soll; hier wird lediglich die finanzielle Absicherung bezweckt, wofür bei Aufhebung der Verfügung auch die Sicherheitsleistung genügt.68 Entscheidend sind die objektiven Umstände im Einzelfall.

67

Vgl. MüKoZPO/Drescher, § 938 Rz. 3; deutlicher noch in der Vorauflage: MüKoZPO/ Drescher, Bd. 2, 3. Aufl. 2007, § 938 Rz. 3. 68 KG MDR 2009, 139; Hinz, WuM 2005, 615, 632; Schuschke/Walker/Schuschke, § 939 Rz. 2; Walker, Rz. 516.

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§ 5 Verschulden im Einstweiligen Rechtsschutz

II. Regelungs- und Leistungsverfügung 1. § 940 ZPO – Verfügungsgrund Nach § 940 ZPO sind einstweilige Verfügungen auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Über die rechtliche Einordnung der sogenannten Regelungsverfügung herrscht Streit. Darauf soll nicht weiter eingegangen werden. Am ehesten überzeugt die Ansicht, dass es sich bei § 940 ZPO um die Rechtsgrundlage für die Leistungs- bzw. Befriedigungsverfügung handelt und dass die Regelungsverfügung keine eigene Verfügungsart darstellt, sondern dem zuzuordnen ist.69 § 940 ZPO dient dem Wortlaut nach der Sicherung eines Rechtsverhältnisses. An den von der Literatur genannten Beispielen70 wird jedoch deutlich, dass immer auch ein individueller Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht werden muss.71 Dieser muss sich aus dem streitigen Rechtsverhältnis ergeben. Ein Verfügungsgrund liegt nach § 940 ZPO vor, wenn wesentliche Nachteile drohen oder wenn die Verfügung zur Abwendung drohender Gewalt oder aus anderen vergleichbaren Gründen nötig erscheint. Auch hier genügt für das Vorliegen eines Verfügungsgrundes allein die objektive Gefährdung des individuellen Streitgegenstandes.72 Verschulden kann allerdings bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden, die grundsätzlich durchzuführen ist.73 So dürfte eine Leistungsverfügung zur Sicherung des Existenzminimums ausscheiden, wenn sich der Antragsteller selbstverschuldet in eine Notlage gebracht und damit gegen eine allgemeine Obliegenheit verstoßen hat. Ein ähnlicher Rechtsgedanke folgt bereits aus § 254 BGB. Wenn die selbstverschuldete Notlage nicht bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen wäre, würde es sich um einen Fall des Rechtsmissbrauchs handeln (vgl. § 254 BGB); so ist dagegen der genannte Fall nicht mit § 242 BGB zu lösen, sondern der Tatbestandsebene des § 940 ZPO zuzuordnen. Nur in Ausnahmefällen wird die selbstverschuldete Notlage bereits bei dem Verfügungsanspruch zu berücksichtigen sein. Soll z. B. eine Leistungsverfügung auf Zahlung einer Vergütung erwirkt werden, die mit § 615 BGB begründet wird, hat sich der Anspruchsteller dasjenige anzurechnen, was er durch anderweitige Verwendung seiner Dienste zu erwerben böswillig unterlässt (§ 615 S. 2 BGB; vgl. auch § 11 Nr. 2 KSchG). Der Anspruch 69

Ausführlich Walker, Rz. 100 ff., 112, 136; außerdem Brox/Walker, ZVR, Rz. 1590. Siehe u. a. BLAH, § 940 Rz. 12 ff. 71 Brox/Walker, ZVR, Rz. 1591; Schuschke/Walker/Walker, Vor §§ 916–945 Rz. 30; Walker, Rz. 113 ff., 119; ferner StJ/Grunsky, § 940 Rz. 1. 72 MüKoZPO/Drescher, § 940 Rz. 9. 73 Zur Interessenabwägung MüKoZPO/Drescher, § 940 Rz. 14; Zöller/Völlkommer, § 940 Rz. 4. 70

C. Verschulden im Verfügungsverfahren

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steller kann daher die Vergütung insoweit nicht verlangen, als er vorsätzlich gegen seine Erwerbsobliegenheiten verstoßen hat und damit selbstverschuldet in finanzielle „Schieflage“ geraten ist. Nicht jedes schuldhafte Verhalten des Antragstellers führt aber dazu, dass die Leistungsverfügung bei sachgerechter Interessenabwägung zu versagen ist. So kann z. B. derjenige, der aufgrund eines vorsätzlichen, schädigenden Verhaltens gemäß einer Anordnung nach § 2 GewSchG die gemeinsame Wohnung zu verlassen hatte, einen Anspruch auf Herausgabe notwendiger Arbeitsmaterialien, Kleidung etc. mit einer Leistungsverfügung erwirken, obwohl er sich (mittelbar) selbst in die missliche Situation gebracht hat. Dies deshalb, weil das GewSchG nicht zum Zweck hat, demjenigen, der aus der Wohnung gesetzt wurde, die Lebensgrundlage zu entziehen. Auch dies ist bei der Interessenabwägung auf Grundlage des § 940 ZPO zu beachten. Es bleibt festzuhalten: Verschulden ist bei Erlass der Leistungsverfügung zu prüfen. Ein Verschulden gegen sich selbst kann bereits zum Ausschluss oder zur Kürzung des Verfügungsanspruches führen. Anderenfalls wird das schuldhafte Verhalten bei der Interessenabwägung zwecks Feststellung des Verfügungsgrundes zu würdigen sein. Es handelt sich um ein Abwägungskriterium unter vielen und schließt die Leistungsverfügung nicht in jedem Fall aus, wenngleich bei einer selbstverschuldeten Notlage der Verfügungsgrund in der Regel fehlen wird. 2. § 940a ZPO – Räumungsverfügung Nach § 940a Abs. 1 ZPO darf die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung nur a) wegen verbotener Eigenmacht oder b) bei einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben angeordnet werden (nach § 940a Abs. 3 ZPO [n. F.] nun auch bei Räumungsklage, wenn der Mieter eine Sicherungsanordnung nach § 283a ZPO nicht befolgt). Ob auch die Voraussetzungen des § 940 ZPO vorliegen bzw. glaubhaft gemacht werden müssen, ist streitig74 (zum Verschulden bei § 940 ZPO siehe oben). Einiges spricht dagegen. So schränkt der Wortlaut selbst den Prüfungsumfang ein („nur wegen…/bei…“). Zudem regelt § 940a ZPO aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 13 GG) besondere Voraussetzungen für die Herausgabe von Wohnraum im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes; besonders hohe Anforderungen werden daher an den Verfügungsgrund gestellt. Schon deswegen ist eine Interessenabwägung im Einzelfall entsprechend § 940 ZPO obsolet. Dass es dringlich ist, ergibt sich aus den geregelten Fällen per se.

74 Ja: LG Freiburg FamRZ 2005, 1252; LG Frankfurt, NJW 1980, 1758; BLAH, § 940a Rz. 4; ThP/Seiler, § 940a Rz. 2; Nein: Schuschke/Walker/Schuschke, § 940a Rz. 6; wohl auch Zöller/Vollkommer, § 940a Rz. 2.

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§ 5 Verschulden im Einstweiligen Rechtsschutz

a) Verfügungsanspruch Der Herausgabeanspruch seinerseits – bezogen auf die Räumung von Wohnraum – folgt regelmäßig aus § 861 BGB bzw. aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB.75 Allein bei § 823 Abs. 1 BGB wird Verschulden auf Tatbestandsebene voraus­gesetzt. b) Verfügungsgrund Für den Verfügungsgrund nach Maßgabe von § 940a Abs. 1 ZPO gilt Folgendes: Verbotene Eigenmacht liegt gemäß § 858 Abs. 1 BGB vor, wenn der Handelnde dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört und das Gesetz die Entziehung oder die Störung nicht gestattet. Verschulden oder Verschuldensfähigkeit ist dabei nach allg. Ansicht nicht erforderlich76 (daher auch nicht auf Tatbestandsebene des § 861 Abs. 1 BGB, aus dem sich der Verfügungsanspruch ergeben kann). Bei der konkreten Gefahr für Leib oder Leben kommt es ebenfalls auf ein Verschulden nicht an. Dafür spricht zum einen die Nähe zur ersten Regelungsalternative (verbotene Eigenmacht); die Gefahr für Leib und Leben wurde durch Gesetz vom 11.12.0177 als Verfügungsgrund eingefügt, um auch für diese Fällen eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die bei verfassungskonformer Auslegung schon vorher unter § 940a ZPO (a. F.) subsumiert und damit den Fällen der verbotenen Eigenmacht gleichgestellt worden waren.78 Zum anderen setzt § 940a Abs. 1 ZPO gerade nicht die vorsätzliche Schädigung (Verletzung von Körper, Gesundheit, Freiheit) voraus wie etwa § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG; insbesondere deswegen hat § 940a Abs. 1 ZPO gegenüber dem GewSchG einen eigenständigen Anwendungsbereich.

75

Schuschke/Walker/Schuschke, § 940a Rz. 6. RGZ 55 (1904), 55, 57; KG NJW 1967, 1915, 1916; LAG Frankfurt, Beschl. v. 15.03.07, Az. 9 TaBVGa 32/07, juris, Rz. 20; LG Karlsruhe, Urt. v. 18.04.08, Az. 4 O 120/08, juris, Rz. 23; LG Freiburg FamRZ 2005, 1252; BeckOK-BGB/Fritzsche, § 858 Rz. 4; Jauernig/Berger, § 858 Rz. 6; Hk-ZV/Haertlein, § 940a Rz. 4; MüKoBGB/Joost, § 858 Rz. 2; MüKoZPO/ Drescher, § 940a Rz. 2; Palandt/Bassenge, § 858 Rz. 1. 77 BR-Drs. 11/01, S. 79; BT-Drs. 14/5429, S. 35. 78 Siehe u. a. OLG Celle OLGR 2000, 211; LG Freiburg FamRZ 2002, 405; LG Braunschweig NJW-RR 1991, 832; LG Bochum NJW-RR 1990, 869; dazu ferner Helle, NJW 1991, 212, 213; Schumacher, WuM 2002, 420, 424; Spiecker, NJW 1984, 852; Werner, WuM 2005, 615, 628. 76

C. Verschulden im Verfügungsverfahren

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c) § 940a Abs. 2 ZPO (n. F. – MietRÄndG)79 2011 hat das Bundesministerium der Justiz einen Entwurf für ein „Gesetz über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln (Mietrechtsänderungsgesetz – MietRÄndG)“ vorgelegt.80 Der Entwurf wurde nach Stellungnahme des Bundesrates81 2012 in den Bundestag eingebracht.82 Nach Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses83 wurde das Gesetz am 13. Dezember 2012 beschlossen.84 § 940a ZPO wurde mit Wirkung vom 01.05.2013 neu gefasst.85 Damit erhält der Vermieter die Möglichkeit, eine Räumungsverfügung gegen im Hauptsacheverfahren nicht beteiligte Dritte zu erwirken. Da nach der Rechtsprechung des BGH gemäß § 750 Abs. 1 ZPO gegen jeden (Mit-)Besitzer ein Titel vorliegen muss86 und (Mit-)Besitz – außer bei Kindern87 und Besuchern – regelmäßig bejaht wird, auch dann, wenn der Dritte nur vorübergehend in der Wohnung untergekommen ist, wird die Räumung zum Nachteil des Vermieters erheblich erschwert.88 Weil es in der Regel nur „reine Formsache“ sei, den Titel zu erlangen, da dem Dritten kein eigenes Besitzrecht dem Vermieter gegenüber zustehe, soll aufgrund § 940a Abs. 2 ZPO (n. F.) der Vermieter gegen ihm unbekannte (Mit-)Besitzer mit der Räumungsverfügung vorgehen dürfen.89 Schon die Entwurfsfassung wurde kritisiert.90 Schwierigkeiten gebe es etwa mit der Dringlichkeit, die nicht gesetzlich vermutet werde.91 Auch nach der Umsetzung des Entwurfs werden Zweifel an der Neuregelung geäußert.92 79 Art. 4 Nr. 8 des Gesetzes über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln (Mietrechtsänderungsgesetz – MietRÄndG)“ vom 11.03.2013, BGBl. I, S. 434. 80 Referentenentwurf mit Stand vom 25.10.2011 (pdf, Quelle: www.bmj.de) − ausführlich dazu Streyl, NZM 2012, 249, 251 ff.; Referentenentwurf mit Stand vom NZM 2011, 424. 81 BR-Drs. 313/12 (B) (06.07.2012). 82 BT-Drs. 17/10485 (15.08.2012). 83 BT-Drs. 17/11894 (12.12.2012). 84 Plenarprotokoll 17/214 (Sitzung des Bundestages am 13. Dezember 2012), S. 26299 (D). 85 BGBl. I (2013, Nr. 13), S. 434, Art. 4 Nr. 8 und Art. 9 Abs. 1. 86 BGH NJW 2008, 3287 (Untermieter); NJW 2008, 1959 (nicht ehelicher Lebensgefährte); NJW 2004, 3041 (Ehegatte); NJW-RR 2003, 1450, 1451 (Untermieter); NZM 1998, 665 (Unter­pächter). 87 BGH NJW 2008, 1959, 1960. 88 BT-Drs. 17/10485, S. 34. 89 BT-Drs. 17/10485, S. 34. 90 Zum Entwurf mit Stand vom 25.10.2011 unter Hinweis auf den „vorangegangenen, weitgehend inhaltsgleichen RefE v. 11.5.2011“ Schuschke, NZM 2012, 209, 210 f.; zudem Majer, NZM 2012, 67, 68 ff., teilweise auch Fleindl, NZM 2012, 57, 65 („Missbrauch in der praktischen Handhabung der Vorschrift“); vgl. dazu Dötsch, ZMR 2012, 83; ferner mit Zweifel an der Praktikabilität des Verfahrens Hinz, NZM 2012, 777, 793. 91 Schuschke/Walker/Schuschke, § 940a Rz. 12. 92 Fischer, NZM 2013, 249, 250 ff. (dogmatische Unklarheiten); Flatow, NJW 2013, 1185, 1191.

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§ 5 Verschulden im Einstweiligen Rechtsschutz

Eine Räumungsverfügung gegen den Dritten scheidet nur dann aus, wenn der Vermieter Kenntnis von ihm hatte.93 Geschützt wird nur der Vermieter, der im Hauptsacheverfahren, in dem er den Titel gegen den Mieter erwirkt hat, mangels Kenntnis von dem Dritten nicht auch gegen diesen vorgehen konnte. Abgestellt wird auf die Kenntnis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Dass fahrlässige Unkenntnis nicht schadet, wird sich damit rechtfertigen lassen, dass jedenfalls die Mitteilungs- und Aufklärungspflichten bei dem im Räumungsrechtsstreit Beklagten (Mieter) liegen und ein im Dunklen agierender Dritter, dem ein Besitzrecht fehlt, nicht schutzwürdig ist. Zudem soll der Vermieter vor rechtsmissbräuchlichem Verhalten bewahrt werden, was es erforderlich macht, nicht zu seinen Lasten zu hohe Anforderungen zu stellen. Hatte der Vermieter Kenntnis von dem Dritten und hatte er gleichwohl, auch in Verkennung der Rechtslage (denn ein Rechtsirrtum schadet nicht), den Dritten zwecks Erlangung eines Räumungstitels nicht verklagt, kommt auch eine Räumungsverfügung gegen den Dritten nach § 940a Abs. 2 ZPO nicht in Betracht. Dies kann so interpretiert werden, dass ein schuldhafter Verstoß gegen die Obliegenheit zur Rechtsverfolgung den Verfügungsgrund entfallen lässt. Einiges spricht auch dafür, den hier genannten Fall als einen der Selbstwiderlegung einzuordnen und damit bei vorsätzlichem Handeln nach der hier vertretenen Ansicht das Rechtsschutzbedürfnis abzuerkennen. Fahrlässiges Handeln genügt wegen des Gesetzeswortlautes ausnahmsweise nicht (zum Verschuldensmaßstab bei der Selbstwiderlegung vgl. unten). Jedenfalls sprechen verfassungsrechtliche Gesichtspunkte gegen § 940a Abs. 2 ZPO (n. F.). Das Grundrecht aus Art. 13 GG droht ausgehöhlt zu werden. Denn es soll genügen, wenn gegen den Mieter ein Titel vorliegt und der Dritte bis dato dem Antragsteller (Vermieter) unbekannt war. Ferner wird zwar ein Herausgabeanspruch gegen den Dritten glaubhaft zu machen sein. Das dürfte aber in der Regel nicht schwer fallen, sofern der Dritte lediglich ein abgeleitetes Besitzrecht geltend macht, der Mieter aber gemäß dem Titel selbst kein Recht zum Besitz (mehr) hat. Zudem kommt eine Räumungsverfügung grundsätzlich auch nur bei verbotener Eigenmacht oder Gefahr für Leib und Leben in Betracht (nunmehr nach § 940a Abs. 3 ZPO [n. F.] ebenso im Falle der Räumungsklage wegen Zahlungsverzugs, wenn der beklagte Mieter von Wohnraum einer Sicherungsanordnung [§ 283a ZPO n. F.] nicht Folge leistet). Insofern scheint der Dritte nach § 940a Abs. 2 ZPO ohne Sachgrund benachteiligt zu sein; denn auch er ist möglicherweise schutzwürdig und sieht sich plötzlich der Räumung ausgesetzt, etwa dann, wenn ihn der Mieter nicht in Kenntnis gesetzt hat. Auffallend ist ferner, dass in der Vorschrift nicht auf missbräuchliches bzw. böswilliges Verhalten seitens des Dritten und des Mieters abgestellt wird – wobei es sich gerade hier um die problematischen Fälle handelt –, sondern allein auf kognitive Mängel auf Seiten des Antragstellers (Vermieter).

93

BT-Drs. 17/10485, S. 34.

C. Verschulden im Verfügungsverfahren

211

III. § 942 Abs. 3 ZPO – Aufhebung der einstweiligen Verfügung mangels Rechtfertigungsverfahrens Gemäß § 942 Abs. 3 ZPO ist auf Antrag die einstweilige Verfügung aufzuheben, wenn das Rechtfertigungsverfahren nicht fristgerecht durchgeführt worden ist. Ein solches ist nach § 942 Abs. 1 ZPO notwendig, wenn abweichend von der Zuständigkeitsregelung in § 937 Abs. 1 ZPO in dringenden Fällen das Amtsgericht, in dessen Bezirk sich der Streitgegenstand befindet, die einstweilige Verfügung er­lassen hat. Die maßgebliche Frist, innerhalb der die Ladung des Gegners zur mündlichen Verhandlung über die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung bei dem Gericht der Hauptsache zu beantragen ist, bestimmt das Amtsgericht. Angesichts der Dringlichkeit wird oft eine Woche genügen müssen.94 Eine Wiedereinsetzung wegen unverschuldeter Säumnis nach § 233 ZPO scheidet aus; es handelt sich nicht um eine Notfrist.95 Die praktischen Konsequenzen sind gering. Zum einen ist § 224 Abs. 2 ZPO anwendbar96; die Frist kann vor Ablauf auf Antrag verlängert werden. Zum anderen findet § 231 Abs. 2 ZPO Anwendung97; es genügt, wenn das Rechtfertigungsverfahren nach Fristablauf noch während des Aufhebungsverfahrens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz bzw. bis zur Beschlussfassung, falls eine mündliche Verhandlung nicht stattfindet, eingeleitet wird.

IV. Verschulden im Verfahren nach den Vorschriften der ZPO im Übrigen Hier gilt das, was bereits zum Arrestverfahren ausgeführt wurde.

V. Zusammenfassung Der Verfügungsanspruch (§ 935 ZPO) kann Verschulden voraussetzen, etwa dann, wenn die Sicherung eines auf Naturalrestitution gerichteten Schadenersatzanspruchs bezweckt ist. Verschulden gegen sich selbst kann zum Ausschluss oder zur Kürzung des Verfügungsanspruchs führen. Der Verfügungsgrund (§ 935 ZPO) 94 Vgl. z. B. Steinert/Theede/Knop, Zivilprozess, Kap. 9 Rz. 113; Zöller/Vollkommer, § 942 Rz. 3. 95 BLAH, § 942 Rz. 7. 96 BLAH, § 942 Rz. 7; Hk-ZV/Haertlein, § 942 Rz. 7; MüKoZPO/Drescher, § 942 Rz. 10; Musielak/Huber, § 942 Rz. 6; StJ/Grunsky, § 942 Rz. 8. 97 OLG Bamberg OLG-NL 1995, 184, 185; OLG Hamm, MDR 1965, 305; Schuschke/ Walker/Walker, § 942 Rz. 12 m. w. N. und Rz. 15; Steinert/Theede/Knop, Zivilprozess, Kap. 9 Rz. 124; StJ/Grunsky, § 942 Rz. 16; ThP/Seiler, § 942 Rz. 6, 9.

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§ 5 Verschulden im Einstweiligen Rechtsschutz

setzt Verschulden dagegen nicht voraus. Der Inhalt der einstweiligen Verfügung bestimmt sich nach § 938 ZPO; Verschulden ist dafür nicht maßgeblich. Gleiches gilt für die Aufhebung gegen Sicherheitsleistung nach § 939 ZPO wegen besonderer Umstände. Erforderlich ist, dass der Zweck der Verfügung nach den objektiven Umständen durch Sicherheitsleistung erreichbar ist. Auch bei der Leistungsverfügung kommt es für den Verfügungsgrund nach § 940 ZPO auf eine objektive Gefährdung an. Verschulden kann i.R.d. Interessenabwägung berücksichtigt werden. Die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung richtet sich nach § 940a ZPO. Der Verfügungsanspruch kann sich beispielsweise aus § 823 Abs. 1 BGB ergeben; insoweit kann der Anspruch Verschulden voraussetzen. Der Verfügungsgrund (§ 940a Abs. 1 ZPO) setzt verbotene Eigenmacht oder die konkreter Gefahr für Leib oder Leben voraus. Verschulden spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Nach § 940a Abs. 2 ZPO (n. F.) soll eine Räumungsverfügung gegen Dritte in Betracht kommen, wenn gegen den Schuldner ein Titel vorliegt und der Gläubiger es nicht vorsätzlich unterlassen hat, auch gegen den/die Dritte(n) einen Titel zu erwirken. Zur Kritik an dieser Vorschrift – auch aus verfassungsrechtlichen Gründen – und im Übrigen zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung nach § 942 Abs. 3 ZPO sei lediglich auf die obenstehenden Ausführungen verwiesen.

D. Verschulden in der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung I. § 936 ZPO i. V. m. § 928 ZPO – Vollziehung der einstweiligen Verfügung, Anwendung der Vorschriften über die Zwangsvollstreckung (§§ 704 ff.  ZPO) Auch für die Vollziehung der einstweiligen Verfügung finden die allgemeinen Vorschriften über die Zwangsvollstreckung (8. Buch der ZPO) Anwendung, soweit §§ 936, 929 ff. ZPO nichts anderes vorschreiben. Die Einschränkungen wie für den Arrest gelten hier nur bedingt, soweit es sich nämlich um eine Sicherungsverfügung handelt. Im Falle einer Leistungsverfügung wird gerade nicht nur die Sicherung, sondern die Befriedigung des Verfügungsgläubigers bezweckt. Deswegen kommt die Verwertung in Betracht, ferner insbesondere die Herausgabevollstreckung, die Räumungsvollstreckung, die Vollstreckung einer Handlung (§§ 887 ff. ZPO) und dort wiederum die Unterlassungsvollstreckung (§ 890 ZPO). Auf Verschulden kann es demnach ankommen, soweit sich dies aus den vorangegangenen Ausführungen zu den Vorschriften der Zwangsvollstreckung98 ergibt. Allerdings sind bei der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung Besonderheiten 98

§ 3 und § 4.

D. Verschulden in der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung 

213

zu beachten, so dass der pauschale Verweis nicht genügt. Das bisher Gesagte soll lediglich zusammengefasst werden; auf Besonderheiten wird hingewiesen: Verschulden ist jedenfalls zu berücksichtigen bei der Einstellung nach §§ 707, 719 ZPO, nämlich dann, wenn z. B. die §§ 233, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO wegen Einlegung der Berufung gegen die einstweilige Verfügung inzident zu prüfen sind.99 Nach § 721 ZPO ist Verschulden zwar bei Gewährung einer Räumungsfrist im Rahmen der Interessenabwägung zu prüfen; eine Räumungsverfügung kommt nach Maßgabe von § 940a ZPO in Betracht. § 721 ZPO findet jedoch im einstweiligen Rechtsschutz keine Anwendung, weil aufgrund der Eilbedürftigkeit eine Räumungsfrist per se ausscheidet.100 Für § 765a ZPO gilt das oben Gesagte.101 Verschulden ist relevant für die Interessenabwägung und in Räumungssachen (§ 940a ZPO) ggf. auch schon bei der Antragstellung, § 765a Abs. 3 ZPO. Der allgemeine Vollstreckungsschutz ist trotz der strengen Voraussetzungen auch bei Vollziehung einer Räumungsverfügung nicht ausgeschlossen.102 Ob nur die schuldhafte Säumnis zur Präklusion nach § 767 Abs. 2, 3 ZPO führt (so wie hier vertreten), kann dahinstehen, weil das Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO (siehe oben) als der speziellere Rechtsbehelf der Vollstreckungsabwehrklage vorgeht.103 Im Hinblick auf § 788 Abs. 4 ZPO gilt ebenfalls das oben Gesagte.104 Ausnahmsweise ist das schuldhafte Verhalten des Vollstreckungsschuldners bei der Pfändung von Tieren nach § 811c Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen105. Nach der hier vertretenen Ansicht kam es bei § 813a Abs. 2 S. 4 ZPO (a. F., Verzug) und ebenfalls bei § 813b Abs. 1, 2 ZPO (a. F.) auf Verschulden an.106 Die Vorschriften betrafen den Aufschub und die Aussetzung der Verwertung und fanden bei der Vollziehung einer Leistungsverfügung Anwendung; auch dort konnte und kann es effektiver sein, den Schuldner zur freiwilligen Zahlung zu „zwingen“. Verschulden ist ferner zu berücksichtigen bei der Interessenabwägung im Rahmen des § 850b Abs. 2 ZPO (bedingt pfändbare Bezüge)107, bei §§ 850d Abs. 1 S. 4, 850f und 850i Abs. 1 S. 3 ZPO.108 Die §§ 887, 888 ZPO (Vollstreckung einer ver­ tretbaren und nicht vertretbaren Handlung) finden, wie bereits gesagt, bei der Vollziehung der Leistungsverfügung Anwendung, setzen aber ein schuldhaftes Unterlassen der Handlung nicht voraus (zum Verschulden bei Geltendmachung der 99

§ 3 A. I. LG Hamburg, NJW-RR 1993, 1233; BLAH, § 721 Rz. 3 (Stichwort: Einstweilige Verfügung); Gottwald, Einstweiliger Rechtsschutz, § 940a Rz. 9; Hinz, WuM 2005, 615, 629; Hk-ZPO/Kemper, § 940a Rz. 4; Musielak/Huber, § 940a Rz. 4; ThP/Seiler, § 940a Rz. 2; Zöller/Stöber, § 721 Rz. 3 und Zöller/Vollkommer, § 940a Rz. 1. 101 § 3 D. 102 Schuschke/Walker/Schuschke, § 940a Rz. 11. 103 U. a. Schuschke/Walker/Walker, § 927 Rz. 4 m.N. 104 § 4 H. 105 § 3 H. III. 106 § 3 H. V.; § 3 H. VI. 107 § 3 J. II. 3. 108 § 3 J. IV. 2. c); § 3 J. V. 3.; § 3 J. VI. 100

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§ 5 Verschulden im Einstweiligen Rechtsschutz

Unmöglichkeit nach §§ 275 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 ZPO siehe oben109). Die Unterlassungsvollstreckung nach § 890 ZPO kommt in Betracht; die Verurteilung zu Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft setzt einen schuldhaften Verstoß gegen die Verfügung voraus.110 Zum Verschulden im Zusammenhang mit der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung (§§ 807 Abs. 1 Nr. 4, 901 ZPO [a. F.], ausnahmsweise § 903 ZPO [a. F.], § 802g Abs. 1 S. 1 ZPO [n. F.]) sei auch hier auf die Ausführungen an entsprechender Stelle verwiesen.111

II. § 936 ZPO i. V. m. §§ 929 ff. ZPO – Vollziehung der einstweiligen Verfügung, Anwendung der Vorschriften über die Vollziehung des Arrests Bei schuldhaft versäumter Vollziehungsfrist (§§ 936, 929 Abs. 2 ZPO) entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für einen erneuten Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung. Der erneute Antrag ist unzulässig (Näheres siehe oben zum Arrest). Im Übrigen kommt es auf Verschulden bei der Vollziehung der einstweiligen Verfügung wie auch bei der Vollziehung des Arrests nicht an.

109

§ 4 F. I. 3. und § 4 F. II. 3. Dazu und zum gemischt-rechtlichen Verschuldensbegriff (zivil- und strafrechtlicher Art) siehe oben, § 4 F. III. 111 § 4 G. I., IV., V. 110

§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens A. Rechtsmissbrauch im Prozessrecht Auch wenn sich weithin die Ansicht durchgesetzt zu haben scheint, dass Rechtsmissbrauch kein Verschulden voraussetzt1, erübrigt sich eine nähere Betrachtung nicht. Ob der herrschenden Meinung gefolgt werden muss, oder ob Verschulden nicht vielmehr erforderlich ist, um ein unredliches, missbräuchliches Verhalten annehmen zu können, ist die Frage. Zunächst wird auf das Institut des Rechtsmissbrauchs im Allgemeinen einzugehen sein. Dabei darf es nicht stören, wenn die Grundsätze anhand der Vorschriften des BGB und anhand zivilrechtlicher Fallgestaltungen erarbeitet und dargestellt werden; denn das Institut des Rechtsmissbrauchs entstammt dem Privatrecht. Im Anschluss wird der Rechtsmissbrauch im Rahmen des Zivilprozessrechtes und im Speziellen im Zwangsvollstreckungsrecht zu untersuchen sein; es stellt sich die Frage, ob die allgemeinen Grundsätze auch dort gelten.

I. Rechtsmissbrauch im Allgemeinen, römisch-rechtlicher Ursprung, privatrechtlicher Geltungsbereich 1. Grundlagen Das Institut des Rechtsmissbrauchs hat seinen Ursprung im römischen Aktionenrecht. Anknüpfungspunkt war die Arglisteinrede, die sog. „exceptio doli“.2 Dem Begriff nach erforderlich war „dolus malus“ (wörtlich: „böse [Arg-]List“). Doch bald schon wurden auch objektive Unbilligkeiten erfasst; Arglist, Böswilligkeit oder überhaupt Verschulden wurden nicht mehr vorausgesetzt.3

1 Siehe Wolf/Neuner, AT, § 20 Rz. 81 (in der Regel), deutlicher noch in der Vorauflage ­Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 16 Rz. 18 und im Übrigen die Nachweise unter § 6 A. V. 1. 2 Staudinger/Huber, Eckpfeiler des Zivilrechts, D. Der Inhalt des Schuldverhältnisses Rz. 53 (II. 3. b); MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 204; Wiedmann, Rechtsmissbrauch im Markenrecht, S. 6; vgl. auch Jauernig/Mansel, § 242 Rz. 37. 3 Dazu Gadow, Jherings Jahrbücher Bd. 84 (1934), 174 ff., insb. 176; MüKoBGB/Roth/ Schubert, § 242 Rz. 204; Wiedmann, Rechtsmissbrauch im Markenrecht, S. 6; vgl. jurisPKBGB/Pfeiffer, § 242 Rz. 66.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

Als das BGB geschaffen wurde, wurde die Arglisteinrede nicht ausdrücklich normiert.4 Das Reichsgericht erkannte sie jedoch an; es führte sie auf §§ 242 und 826 BGB zurück.5 Dem folgte später auch der BGH.6 § 826 BGB setzt Vorsatz voraus. Gleiches gilt für § 226 BGB7, dem Schikaneverbot, auf das ebenfalls häufig Bezug genommen wird.8 Aus § 242 BGB folge ganz allgemein, und zwar über §§ 226, 826 BGB hinaus, dass jeder Verstoß gegen Treu und Glauben die Rechtsausübung unzulässig mache.9 Damit sind auch objektiv treuwidrige Sachverhalte erfasst. 2. Dogmatik Nach der „Außentheorie“ werden Rechte von außen her begrenzt. Die Rechtsordnung setze als solche eine Grenze, die für jedes Recht gleichermaßen gelte.10 Die äußere Schranke beeinflusse zwar nicht den Bestand des Rechts, verbiete es dem Berechtigten aber, davon Gebrauch zu machen. Nach der „Innentheorie“ (ganz h. M.), die auf Siebert zurückgeht11, folge die Beschränkung aus dem Recht selbst; sie sei dem Recht immanent12 und nicht nur die Ausübung sei beschränkt.13 Zum Teil wird vertreten, dass der Meinungsstreit theoretische Natur sei und keine praktischen Auswirkungen habe.14 Der Innentheorie von Siebert 4 Dazu: MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 204; Wiedmann, Rechtsmissbrauch im Markenrecht, S. 12; vgl. ferner zur Entstehungsgeschichte des § 242 BGB: Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rz. 216. 5 RGZ Bd. 107 (1924), 357, 363; Bd. 135 (1932), 374, 376; Bd. 160 (1939), 349, 357; auch schon RGZ Bd. Bd. 76, (1911), 354, 355 f.; siehe ferner: MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 204; Wiedmann, Rechtsmissbrauch im Markenrecht, S. 10. 6 BGH WM 1973, 892, 894; BGH NJW 2003, 3620, 3621; auch BGH GRUR 1964, 491, 494. 7 Str., wie hier MüKoBGB/Grothe, § 226 Rz. 5; Soergel/Fahse, § 226 Rz. 8; vgl. auch Erman/Wagner, § 226 Rz. 5; a. A. Staudinger/Repgen (2009), § 226 Rz. 20 (subj. Elemente seien nicht erforderlich). 8 RGZ Bd. 146 (1935), 385, 396; Erman/Wagner, § 226 Rz. 1 (siehe auch Erman/Hohloch, § 242 Rz. 1); Jauernig/Mansel, § 242 Rz. 37; Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rz. 214, 216; Wiedmann, Rechtsmissbrauch im Markenrecht, S. 12 Fn. 40. 9 Brox/Walker, AS, § 7 Rz. 14. 10 Wolf/Neuner, AT, § 20 Rz. 68 ff., siehe zudem die Vorauflage Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 16 Rz. 10. 11 Siebert, Verwirkung und Unzulässigkeit der Rechtsausübung (1934), S. 85 ff., insb. 87 ff., 90 ff., auch 152. 12 BGHZ Bd. 3 (1951), 94, 103; BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 Rz. 47; Erman/Hohloch, § 242 Rz. 101 f.; Jauernig/Mansel, § 242 Rz. 33; MüKoBGB/Grothe, § 226 Rz. 1; Palandt/ Grüneberg, § 242 Rz. 38; Staudinger/Huber, Eckpfeiler des Zivilrechts, D. Der Inhalt des Schuldverhältnisses Rz. 36, 53 (II. 2. c) und II. 3. b); Terbille, Recht und Schaden 2000, 45; Wiedmann, Rechtsmissbrauch im Markenrecht, S. 23 f.; ferner Fahl, Rechtsmißbrauch im Strafprozeß, S. 16. 13 Fahl, Rechtsmißbrauch im Strafprozeß, S. 16. 14 Staudinger/Schmidt (12. Aufl., 1983), § 242 Rz. 669.

A. Rechtsmissbrauch im Prozessrecht

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wird häufig der Vorwurf gemacht, sie baue auf nationalsozialistischem Gedankengut auf; denn Sieberts Lehre sei konzipiert gewesen als Angriff auf das Privatrecht.15 Gleichzeitig wird die Innentheorie in Schutz genommen; sie füge sich losgelöst von der nationalsozialistischen Ideologie in die normativen Rahmenbedingungen von heute ohne weiteres ein.16 Die Innentheorie hat aus dogmatischer Sicht einen „argumentativen“ Vorteil. Mit ihr lässt sich die allgemeine Auffassung nachvollziehbar begründen, dass nicht nur subjektive Rechte, sondern auch formelle Rechtsstellungen und Freiheiten, Rechtsnormen und Rechtsinstitute missbraucht werden können.17 Dieser sog. institutionelle Rechtsmissbrauch liegt z. B. vor, wenn eine Vertragspartei sich wider Treu und Glauben auf die Formnichtigkeit (§ 125 BGB)18 oder auf die Vertragsfreiheit beruft.19 Es geht im Wesentlichen darum, dass der Zweck bzw. Schutzbereich der Norm überschritten wird.20 Die Voraussetzungen und Grenzen bestimmen sich also im Wesentlichen durch das betroffene Rechtsinstitut bzw. durch die fragliche Norm selbst.21 3. Individueller und institutioneller Rechtsmissbrauch Unterschieden wird also zwischen individuellem und institutionellem, mit anderen Worten zwischen dem subjektiven und objektiven Rechtsmissbrauch.22 Beim individuellen/subjektiven Rechtsmissbrauch wird der Normzweck gewahrt. Missbräuchlich erscheint die Rechtsausübung (nur) aus Gründen in der Person.23 Erforderlich ist eine Sonderbeziehung zwischen den Beteiligten.24 Hängt beispiels­weise die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts von einer aufschiebenden oder auflösen 15 Haferkamp, Die heutige Rechtsmissbrauchslehre, insb. S. 340 f.; Wiedmann, Rechtsmissbrauch und Markenrecht, S. 22 ff. (S. 23 Fn. 93). Nationalsozialistisches Gedankengut lässt sich auch nicht leugnen, siehe Siebert, Verwirkung und Unzulässigkeit der Rechtsausübung (1934), S. 154 ff. 16 Wiedmann, Rechtsmissbrauch und Markenrecht, S. 24. 17 BAG NJW 2005, 775, 778; BGH NJW 1968, 39, 42 f.; NJW 1959, 626 f.; OLG Koblenz WM 2009, 939, 941; BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 Rz. 51; Erman/Hohloch, § 242 Rz. 103; Hk-BGB/Schulze, § 242 Rz. 22; Jauernig/Mansel, § 242 Rz. 34; Palandt/Grüneberg, § 242 Rz. 40; Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 14; vgl. Fahl, Rechtsmißbrauch im Strafprozeß, S. 19 f.; MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 205. Aber auch Wolf, der die Außentheorie vertrat, erkannte freilich den institutionellen Rechtsmissbrauch an, Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 16 Rz. (10) 16. 18 BGH NJW 1968, 39, 42 f.; BGH NJW 1959, 626 f.; Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 16 Rz. 17. 19 Erman/Hohloch, § 242 Rz. 103; Missbrauch von Vertragsfreiheit durch AGB: Jauernig/ Mansel, § 242 Rz. 34. 20 BAG NZA 1984, 197, 199. 21 BAG NJW 2005, 775, 778. 22 Dazu Fahl, Rechtsmißbrauch im Strafprozeß, S. 19 f. mit Verweis auf Zeiss, Die arglistige Prozeßpartei, S. 155 f. 23 Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 25. 24 A. A. Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 25.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

den Bedingung ab (§ 158 BGB), kann derjenige, der treuwidrig den Eintritt der Bedingung verhindert oder herbeiführt und einen Anspruch abwendet oder ein Recht erwirbt, sich nicht darauf berufen, § 162 BGB.25 Beim institutionellen/objektiven Rechtsmissbrauch liegt ein Verstoß gegen den objektiven Normzweck vor.26 Hier kommt es nicht wie bei § 242 BGB auf eine Sonderbeziehung im Verhältnis der Beteiligten zueinander an.27 Folglich ist nicht entscheidend, welche Person im Verhältnis zur anderen die schutzwürdigere ist. Entscheidend ist vielmehr, ob das fragliche Verhalten nach Lage der Dinge und unter Berücksichtigung aller Umstände vom Normzweck erfasst ist. So soll etwa die Aufspaltung in ein Grundund Finanzierungsgeschäft ohne Nachteil für den Verbraucher sein; daher kann der Verbraucher bei verbundenen Verträgen solche Einwendungen, die er dem Verkäufer entgegen halten kann, auch dem Darlehensgeber entgegenhalten und die Rückzahlung des Darlehens verweigern, § 359 BGB.28 4. Rechtsfolgen Mit dem Begriff „Rechtsmissbrauch“ wird (nach heutigem Verständnis) der Tatbestand umschrieben, mit „unzulässiger Rechtsausübung“ die Rechtsfolge bezeichnet.29 Die Rechtsfolgen sind verschiedener Art. So bleibt die dem Recht entsprechende Wirkung versagt. Das heißt, dass materielle Ansprüche nicht geltend gemacht werden können, da Einwendungen dem entgegenstehen.30 Die Ausübung von Gestaltungsrechten geht ins Leere.31 Gesetzliche Vorschriften bleiben unangewendet. Zum Teil wird aber auch zugunsten des anderen Teils eine Rechtsstellung begründet. Das ist der Fall, wenn Vorschriften und Rechtsinstitute nicht angewandt werden: sind also beispielsweise Rechtsgeschäfte trotz Formverstoß entgegen § 125 BGB nicht nichtig, kann der andere Teil, wenn es sich etwa um Verträge handelt, Ansprüche geltend machen.32

25 § 162 BGB als gesetzlich geregelter Fall des individuellen Rechtsmissbrauchs, Soergel/ Teichmann, § 242 Rz. 25. 26 Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 14. 27 Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 14. 28 § 359 BGB als gesetzlich geregelter Fall des institutionellen Rechtsmissbrauchs, NKBGB/Krebs, § 242 Rz. 69; siehe auch Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 14. 29 Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 Rz. 47; BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 Rz. 47; M ­ üKo BGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 197; Wiedmann, Rechtsmissbrauch im Markenrecht, S. 14. 30 Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 Rz. 52; Palandt/Grüneberg, § 242 Rz. 41; vgl. Brox/Walker, AS, § 7 Rz. 14 (dort die Überschrift: „Einwand der unzulässigen Rechtsausübung“). 31 Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 28.  32 Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 28.

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II. Geltung im Zivilprozessrecht Dass innerhalb des Zivilprozessrechtes Rechtsmissbrauch in Betracht kommt, wurde früher bestritten.33 Mit der Innentheorie, nach welcher es maßgeblich auf den Normzweck ankommt, kann heute aber kaum mehr bezweifelt werden, dass im Prozessrecht Rechtsmissbrauch möglich ist. Auch prozessrechtliche Normen haben einen Zweck, der verletzt sein kann. Im Übrigen ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass § 242 BGB entsprechend Anwendung findet und im Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien der Grundsatz von Treu und Glauben gilt.34 Auch das Gericht ist nach Treu und Glauben zur allseitigen prozessualen Rücksichtnahmen verpflichtet.35 Es handelt sich um ein übergeordnetes, allgemeingültiges Prinzip, welches das gesamte Rechtsleben durchdringt.36 Zudem liegt eine rechtliche Sonderverbindung vor, was nach ganz h. M. für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben Voraussetzung ist.37 Das sogenannte Prozessrechtsverhältnis38 verbindet die Parteien wechselseitig und die Parteien jeweils mit dem Gericht.39 Denn es bestehen vielerlei

33 Glodschmidt, Der Prozess als Rechtslage (1925), S. 292, 353 f.; Niese, Doppelfunktionelle Prozesshandlung, S. 75; Siehe dazu auch Fahl, Rechtsmissbrauch im Strafprozeß, S. 17. 34 Lit.: Bamberger/Roth/Grüneberg, § 242 Rz. 9; BLAH, Einl. III Rz. 54 f.; Erman/Hohloch, § 242 Rz. 52 ff.; MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 103; Palandt/Grüneberg, § 242 Rz. 4 (jedoch seien die Eigenarten des Prozessrechts zu berücksichtigen); Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 83 ff.; StJ/Brehm, (Einl.) vor § 1 Rz. 40, 221 ff.; Zöller/Vollkommer, Einl. Rz. 56; aus der älteren Lit. ferner: Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89, 90 ff.; ders., ZZP Bd. 86 (1973), 353; Bernhardt, ZZP Bd. 66 (1953), 77, insb. S. 89 aE; Jauernig, ZZP Bd. 66 (1953), 398, insb. S. 400; Rspr.: BGH NJW 1995, 533; NJW 1978, 426; KG NJW-RR 1997, 250, 251; OLG Köln NJW 1976, 1101, 1102; LAG Köln NZA 1994, 192; für das Verwaltungsprozessrecht OVG Münster NVwZ 1995, 396 f. 35 Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89, 101 ff.; StJ/Brehm, (Einl.) vor § 1 Rz. 221. 36 Siehe u. a.: BGH NJW 2009, 1882, 1884; NJW-RR 2008, 1050; NJW 1992, 2557, 2559; NJW 1983, 1423, 1424; NJW 1983, 109, 110; NJW 1971, 1034, 1035; BAG, Urt. v. 19.02.09, 8 AZR 176/08, juris; BAG NJW 2005, 775, 778; Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 Rz. 2; Bittmann, ZZP Bd. 97 (1984), 32, 39; Brox/Walker, AS, § 7 Rz. 1; Erman/Hohloch, § 242 Rz. 1; Jauernig/Mansel, § 242 Rz. 10; Niebler/Schmiedl, NZA-RR 2001, 281, 286; Palandt/Grüneberg, § 242 Rz. 1; kritisch MüKoBGB/Baldus, Vorbemerkung zu § 985 Rz. 34 ff. 37 BGH NJW 1996, 2724; NJW 1989, 389, 390; Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 Rz. 14; Brox/Walker, AS, § 7 Rz. 1; Jauernig/Mansel, § 242 Rz. 10; Larenz, SchR I, § 10 I; Palandt/ Grüneberg, § 242 Rz. 5; Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 30, 33 ff.; kritisch wegen des weiten Anwendungsbereiches: Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rz. 127 f., siehe dagegen Rz. 215, wo die Sonderverbindung als Voraussetzung für den Rechtsmissbrauch benannt wird. 38 Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, § 32 Rz. 1 ff.; Lüke, ZZP Bd. 108 (1995), 427, insb. 435 ff.; MüKoZPO/Rauscher, Einl. Rz. 29 ff.; Musielak/Musielak, Einl. Rz. 55 ff.; Nakano, ZZP Bd. 79 (1966), 99; Zöller/Vollkommer, Einl. Rz. 52 (zu den immanenten Pflichten im Einzelnen Rz. 53 ff.); ferner Gaul, ZZP Bd. 110 (1997), 3, 20 ff. 39 Lüke, ZZP Bd. 108 (1995), 427, 436; MüKoZPO/Rauscher, Einl. Rz. 30; Musielak/Musie­ lak, Einl. Rz. 55; Zöller/Vollkommer, Einl. Rz. 52 (vgl. dazu auch Rz. 57a); kritisch für das Verhältnis der einzelnen Parteien zum Gericht: BLAH, (Einl. III Rz. 26 und) Grdz. § 128 Rz. 5.

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prozessuale Pflichten40, sowohl im Verhältnis der Parteien zueinander, als auch gegenüber dem Gericht41 und seitens des Gerichtes gegenüber den Parteien. Hier gilt das oben Gesagte (dort zum Vollstreckungsrechtsverhältnis.42 Aus alledem folgt, dass Rechtsmissbrauch im Zivilprozessrecht nicht qua definitione ausscheidet. Es gelten auch dort, sofern keine Sondervorschriften einschlägig sind, die allgemeinen Grundsätze der unzulässigen Rechtsausübung. Freilich ist bei der Anwendung dieser Grundsätze in besonderem Maße Zurückhaltung geboten, da die Eigenheiten des Verfahrensrechtes zu beachten sind. Das gilt vor allem dort, wo öffentliche Interessen von Bedeutung sind, namentlich bei der Einhaltung von Fristen und der Beachtung der Rechtskraft.43 Auch in die Verteilung der Beweislast kann grundsätzlich nicht eingegriffen werden; jedenfalls scheidet eine Umverteilung der Beweislast aus.44

III. Geltung im Zwangsvollstreckungsrecht Die „übergreifenden“ Grundsätze der unzulässigen Rechtsausübung gelten ebenfalls in der Zwangsvollstreckung. § 242 BGB findet entsprechend Anwendung.45 Auch in der Zwangsvollstreckung liegt eine Sonderrechtsverbindung im dreiseitigen Verhältnis vor (siehe oben). Das sog. Vollstreckungsrechtsverhältnis46 verbindet die Beteiligten jeweils mit dem Vollstreckungsorgan und die Beteiligten auch untereinander.47 Der Gläubiger hat gegenüber dem Staat einen Vollstreckungsanspruch. Dieser folgt in Anbetracht des staatlichen Gewaltmonopols aus dem Titel i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip.48 Die Verfahrensbeteiligten können sich dem Staat gegenüber auf ihre Grundrechte berufen. Es liegt eine „gesetzliche Sonderbeziehung“ sowohl zwischen dem Vollstreckungs 40 Für den Zivilprozess seien an dieser Stelle beispielhaft die Mitwirkungs- und Aufklärungspflichten (§§ 141 ff. ZPO), die allg. Prozessförderungspflicht (§ 282 Abs. 1 ZPO), die Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) und die Prozessförderungs- und Hinweispflicht des Gerichtes (§ 139 ZPO; dazu im Detail: Zöller/Vollkommer, Einl. Rz. 52, 53 ff.) genannt. 41 Musielak/Musielak, Einl. Rz. 55. 42 Siehe § 2 C. 43 Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 Rz. 9. 44 Erman/Hohloch, § 242 Rz. 53 – keine Umkehrung der Beweislast; § 242 BGB habe allenfalls Bedeutung für die Verteilung und Gewichtung der Beweislast. 45 BGH NJW-RR 2010, 1314, 1315; NJW 2008, 3287; NJW 2008, 1959, 1960; NJW 1971, 2226 f.; OLG Celle WM 1987, 1438 f.; Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 Rz. 10; BeckOK-BGB/ Sutschet, § 242 Rz. 10; BLAH, Grundz § 704 Rz. 44; Erman/Hohloch, § 242 Rz. 54; Hk-BGB/ Schulze, § 242 Rz. 4; Palandt/Grüneberg, § 242 Rz. 4; Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 95 f.; vgl. ferner: Brox/Walker, ZVR, Rz. 910 (zum Rechtsmissbrauch im Bietverfahren bei der Zwangsversteigerung), 1442 (zur Drittwiderspruchsklage, § 771 ZPO). 46 U. a. Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 8 Rz. 1 ff.; Lüke, ZZP Bd. 108 (1995), 427, 540 ff. 47 Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 8 Rz 3. 48 Pietzner, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Vorbem. § 167 Rz. 1.

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gläubiger und dem Vollstreckungsschuldner als auch zwischen dem Vollstreckungsgläubiger und einem etwaigen Drittberechtigten vor.49 Obwohl sich die Beteiligten im Rahmen der Zwangsvollstreckung in einem noch schärferen Interessenwiderstreit befinden, als es im Erkenntnisverfahren der Fall ist, sind zur Sicherung des eigenen Vorteils keineswegs alle Mittel erlaubt. Stattdessen ist wechselseitige Rücksichtnahme geboten.50 Innerhalb des Vollstreckungsverhältnisses gelten die Grundsätze von Treu und Glauben, und zwar sowohl im horizontalen Verhältnis der Privaten untereinander als auch im vertikalen Verhältnis zum Staat. Was den Staat betrifft, sind zwar auch verfassungsrechtliche Grundsätze zu berücksichtigen. Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. 1 GG) und die Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) werden aber durch das allgemeingültige Prinzip der unzulässigen Rechtsausübung ergänzt; denn dieses lässt eine Korrektur über den Wortlaut vollstreckungsrechtlicher Vorschriften hinaus zu. Auf Grundlage der Innentheorie ist zudem der jeweilige Normzweck zu prüfen. In der Zwangsvollstreckung geht es um die Durchsetzung der Interessen des Gläubigers, die grundsätzlich Vorrang haben, aber auch um den Schutz besonderer Interessen des Schuldners. Darüber hinaus sind öffentliche Interessen von Belang, insbesondere dort, wo der Staat sozialrechtliche Einstandspflichten vermeidet, die er gegenüber dem Schuldner im Falle einer Kahlpfändung hätte. Bei Anwendung der Grundsätze der unzulässigen Rechtsausübung ist aber in noch viel höherem Maße Zurückhaltung geboten. So darf etwa die Rechtskraft nicht willkürlich durchbrochen werden; die Vollstreckung aus dem Titel ist nur in besonderen Ausnahmefällen zu versagen.51 Auch darf grundsätzlich nicht auf allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen verzichtet werden, weil dies oberflächlich betrachtet recht und billig erscheint.52 Im Übrigen sind die Vorschriften des Vollstreckungsschutzes zu beachten. Denn hier handelt es sich um Sondervorschriften zur Vermeidung einer nach gesetzlichen Wertungsmaßstäben unzulässigen Rechtsausübung53, namentlich der Zwangsvollstreckung in den dort benannten Fällen. Das Besondere hieran ist, dass nicht nur private, sondern auch öffentliche Interessen von Bedeutung sind. § 242 BGB wird verdrängt. Trotz alledem verbleibt ein Anwendungsbereich für die allgemeinen Grundsätze unzulässiger Rechtsausübung. Das betrifft auch den Vollstreckungsschutz selbst. So darf der Vollstreckungsschuldner, der die Unpfändbarkeit eines Gegenstandes nach § 811 ZPO willkürlich herbeigeführt hat, sich nicht auf den Vollstreckungs 49

BGH NJW 1972, 1048, 1049 f. Insoweit geht Gaul mit seiner Kritik, dass die Sonderverbindung vertragsähnliche Loyalitätspflichten, also „Interessenharmonie“ statt Interessenwiderstreit voraussetze, fehl. – Gaul, ZZP Bd. 110 (1997), 3, 24 f., insb. 25 (zum Prozessrechtsverhältnis). 51 Bittmann, ZZP Bd. 97 (1984), 32, 40 ff.; Erman/Hohloch, § 242 Rz. 54; MüKoBGB/Roth/ Schubert, § 242 Rz. 106, 262. 52 Siehe dazu: BGH NJW 2008, 3287, 3288. 53 Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, S. 362 m. w. N. 50

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schutz berufen.54 Ferner gelten die Grundsätze der unzulässigen Rechtsausübung auch für Verfahrenshandlungen. Beispielsweise ist ein Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit des Rechtspflegers zu verwerfen, wenn es offensichtlich der Verschleppung des Vollstreckungsverfahrens dient.55

IV. Fallgruppen (Tatbestände)  Weil die Fälle prozessualen bzw. vollstreckungsrechtlichen Rechtsmissbrauchs angesichts der Einzelfallrechtsprechung noch nicht ausreichend kategorisiert sind, sollen zunächst die verschiedenen Fallgruppen und Unterfallgruppen des Rechtsmissbrauchs dargestellt werden. Anhand dessen wird zu untersuchen sein, ob und in welcher Fallgruppe Verschulden eine Rolle spielt. Anschließend werden die Fälle des Rechtsmissbrauchs in der Zwangsvollstreckung daran zu messen sein. Insbesondere wird deren Zuordnung zum System der Fallgruppen zu untersuchen sein, schließlich die maßgebliche Frage, ob und inwiefern es auf Verschulden im Einzelfall ankommt. Es ist bisher nicht gelungen, einen einheitlichen, abstrakten Tatbestand des Rechts­missbrauchs zu formulieren, mit dem jede Situationen erfassbar wäre. Vielmehr hat sich ein „System der Fallgruppen“ herausgebildet.56 Schon das Reichsgericht arbeitete verschiedene Einzelfälle der „unrichtigen Rechtsausübung“ heraus.57 Weber erkannte dann, aufbauend auf der Lehre Sieberts, dass es wegen der vielfältigen Erscheinungsformen einer Klärung „hinsichtlich der systema­tischen Ordnung der Tatbestände“ bedurfte.58 Schmidt typisierte und systema­tisierte schließ­ lich die Tatbestände und entwickelte allgemeingültige Kriterien.59 Im Wesentlichen wird unterschieden: 1. widersprüchliches Verhalten, 2. unredliches Verhalten bei Rechtsausübung, 3. unredliches früheres Verhalten und 4. Rechtsausübung unter Verstoß gegen die objektive Interessenlage (nach Abwägung der Interessen der Beteiligten).60 Diese Fallgruppen gehen auf § 242 BGB und damit auf den Grundsatz von Treu und Glauben zurück. Darüber hinaus liegt Rechtsmissbrauch vor, wenn 5. gegen den Normzweck verstoßen wird (vgl. oben).61 54 KG NJW 1952, 751; Hk-ZPO/Kemper, § 811 Rz. 8; vgl. Schilken, in: Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard, ZVR, § 52 Rz. 22; Schuschke/Walker/Walker, § 811 Rz. 10. 55 BGH NJW 2007, 3279, 3280; NJW-RR 2005, 1226, 1227. 56 Erman/Hohloch, § 242 Rz. 105; MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 203, 235 ff. 57 RGZ Bd. 160 (1939), 349, 357 f. 58 Mit Hinweis darauf: Wiedmann, Rechtsmissbrauch im Markenrecht, S. 12 unter Verweis auf Staudinger/Weber, 11. Aufl. (1961), § 242 Rn. D 58. 59 Mit Hinweis darauf: Wiedmann, Rechtsmissbrauch im Markenrecht, S. 12 f. unter Verweis auf Staudinger/Schmidt, 12. Aufl. (1983), § 242. 60 Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 Rz. 57 ff.; Wolf/Neuner, AT, § 20 Rz. 81 ff.; MüKoBGB/ Roth/Schubert, § 242 Rz. 235 ff.; Palandt/Grüneberg, § 242 Rz. 42 ff.; Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 27; Wiedmann, Rechtsmissbrauch im Markenrecht, S. 13, 16 f. 61 Siehe dazu Brox/Walker, AS, § 7 Rz. 15.

A. Rechtsmissbrauch im Prozessrecht

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1. Widersprüchliches Verhalten („venire contra factum proprium“) Widersprüchliches Verhalten ist nicht grundsätzlich verboten; denn anderenfalls wäre es in keinem Fall zulässig, seine Rechtsansicht zu ändern.62 Widersprüchliches Verhalten ist nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, auf den sich der andere Teil berufen kann, und nach der h. M. auch dann, wenn ganz besondere Gründe vorliegen, aufgrund dessen das Verhalten treuwidrig erscheint.63 Das Vertrauen ist zu schützen aus Gründen der Sicherheit des Rechtsverkehrs und der Notwendigkeit, den Rechtsverkehr von Störungen freizuhalten.64 Dort wo kein Vertrauen des anderen Teils verlangt wird, soll es genügen, dass das frühere und das spätere Verhalten in „unlösbare(m) Widerspruch“ zueinander stehen.65 Das verwundert zunächst, kann doch erst mit dem Vertrauen des anderen Teils begründet werden, warum das widersprüchliche Verhalten rechtsmissbräuchlich ist.66 Doch kann der andere Teil ausnahmsweise auch ohne Vertrauen in die Person des Handelnden ein berechtigtes Interesse daran haben, nicht durch widersprüchliches Verhalten geschädigt zu werden. Ein Beispiel dafür ist § 254 BGB.67 Da es widersprüchlich ist, einen Schaden mit zu verursachen und anschließend vom Gegner Ersatz in vollem Umfang zu verlangen, beschränkt die Vorschrift den Anspruch auf die Quote. Auf Vertrauen (des zu schützenden Schädigers) kommt es nicht an. Demnach kann widersprüchliches Verhalten auch ohne Vertrauen des anderen Teils in besonderen Ausnahmefällen rechtsmissbräuchlich sein. Dies beschränkt sich nicht nur auf die gesetzlich normierten Fälle. 2. Unredliches Verhalten bei Rechtsausübung Der Rechtsmissbrauch aufgrund unredlichen, ungehörigen Verhaltens – der so­ genannte Rechtsmissbrauch im engeren Sinne68 – kann sich einerseits aus den (Begleit-)Umständen ergeben, andererseits daraus, dass der Handelnde ge 62

BGH NJW 1997, 3377, 3379; NJW 1986, 2104, 2107; Palandt/Grüneberg, § 242 Rz. 55; Singer, NZA 1998, 1309,1311. 63 BGH NJW 1997, 3377, 3380; NJW 1992, 834 f.; Palandt/Grüneberg, § 242 Rz. 55; Treuwidrigkeit bei Vertrauensschutz: BGH NJW-RR 1986, 162, 163; NJW 1985, 2589, 2590; Treuwidrigkeit aus besonderen Gründe: BGH NJW 1968, 1928, 1929; dazu auch Sorgel/Teichmann, § 242 Rz. 315; a. A. Singer, NZA 1998, 1309, 1311 f. 64 Singer, NZA 1998, 1309, 1310; siehe auch MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 319. 65 BGH NJW 1968, 1928, 1929; MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 284 (319); Palandt/ Grüneberg, § 242 Rz. 59. 66 Singer, NZA 1998, 1309, 1311 f. (mit Kritik an BGH NJW 1968, 1928 „SchiedsgerichtsFall“). 67 Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 315; § 254 BGB als konkrete gesetzliche Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben: BGH NJW-RR 1998, 1723, 1724. 68 Brose, NZA 2009, 706, 710; MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 235 (siehe u. a. die Überschrift: II. Missbilligte Rechtsausübung [Rechtsmissbrauch ieS]); Vgl. ferner Ohly, GRUR Int 2008, 787, 793/794 f.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

gen anderweitige Pflichten verstößt.69 Besondere (Begleit-)Umstände lassen die Rechtsausübung z. B. dann missbräuchlich erscheinen, wenn Gestaltungsrechte in unwürdiger Form70 oder zur Unzeit ausgeübt werden71 (siehe für bestimmte Vollstreckungsmaßnahmen auch § 758a Abs. 4 ZPO) oder wenn der andere Teil durch die Rechtsausübung überrumpelt wird.72 Die Rechtsausübung ist unter den gegebenen Umständen für den anderen Teil aus objektiver Sicht unzumutbar. Bei Pflichtverstößen muss zunächst bedacht werden, dass es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, nach dem nur derjenige Rechte ausüben darf, der sich selbst rechtstreu verhält.73 Das ist zum einen deswegen so, weil die Rechtsausübung auch Drittinteressen oder öffentliche Interessen berühren kann, die schutzwürdig sind.74 Zum anderen sieht sich derjenige, der eigene Pflichten verletzt, regelmäßig Gegenansprüchen ausgesetzt.75 Gegebenenfalls stehen dem anderen Teil auch Einwendungen zu, §§ 273, 320 BGB.76 Die Rechtsordnung sieht bestimmte Rechtsfolgen vor; bei abweichenden Rechtsfolgen ist Zurückhaltung geboten. Nach alledem kann, so das BAG, rechtsmissbräuchliches Verhalten nur in besonders krassen Ausnahmefällen bejaht werden.77 Die Fälle müssen atypisch sein; denn Voraussetzung ist, dass die Gegenrechte und Einwendungen ausnahmsweise nicht ausreichen, um ein sachgerechtes, mit dem Grundsatz von Treu und Glauben vereinbares Ergebnis zu erzielen.78 Darüber hinaus muss zwischen der Rechtsausübung und der eigenen Pflichtverletzung ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang bestehen. 3. Unredliches früheres Verhalten Der Rechtsmissbrauch aufgrund eines früheren unredlichen, ungehörigen Verhaltens kann ebenfalls in verschiedenen Fallkonstellationen vorliegen. Zum einen kann die fragliche Rechtsstellung in zu missbilligender Weise erworben worden 69

Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 Rz. 70 ff.; MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 235. LArbG München NJW 1950, 399 f. (leitender Angestellter wird durch eigene Sekretärin am letztmöglichen Kündigungstag mündlich ‚abberufen‘). 71 BAG NJW 2001, 2994 (Kündigung bei Krebserkrankung/nach kürzlichem Tod des Lebensgefährten). 72 MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 236. 73 BGH NJW 2000, 505, 506; BAG DB 1988, 2569, 2570; Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 Rz. 71; Palandt/Grüneberg, § 242 Rz. 46; Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 287; anders nur Wie­ acker, Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242 BGB (1956), S. 31. 74 BGH NJW 1971, 1749 – Lauterkeit im Wettbewerb/öffentliches Interesse. Dem liefe es zuwider, wenn wettbewerbswidriges Verhalten deswegen nicht gerügt werden könnte, weil sich die betreffende Person selbst wettbewerbswidrig verhält. Dann bestünde die Gefahr, das sich der unlautere Wettbewerb im System etabliert. 75 Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 Rz. 71; Palandt/Grüneberg, § 242 Rz. 46; vgl. Soergel/ Teichmann, § 242 Rz. 287. 76 Palandt/Grüneberg, § 242 Rz. 46; Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 287. 77 BAG DB 1988, 2569, 2570. 78 Vgl. Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 287, 288. 70

A. Rechtsmissbrauch im Prozessrecht

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sein79; das folgt, ähnlich wie im Fall des Rechtsmissbrauchs im engeren Sinne, aus einer Pflichtverletzung. Zum anderen kann der Handelnde versucht haben, die Rechtsposition des anderen Teils zu vereiteln, so dass diesem trotz „formalrechtlicher Hindernisse“ die Rechtsposition zuzuerkennen ist.80 Darüber hinaus kann aufgrund eines sonstigen unredlichen, ungehörigen Verhaltens die nachfolgende Rechtsausübung missbräuchlich sein.81 Erforderlich ist in allen Fällen, dass die frühere Handlung mit der Rechtsausübung in tatsächlichem bzw. rechtlichem Zusammenhang steht.82 4. Rechtsausübung unter Verstoß gegen die objektive Interessenlage Der Rechtsmissbrauch unter Berücksichtigung der objektiven Interessenlage gründet auf der Vorstellung, dass derjenige keinen Vorteil ziehen soll, dem es an einem schutzwürdigen Interesse mangelt oder dessen Belange hinter die überwiegenden Interessen eines anderen Beteiligten zurücktreten.83 Das Recht ist aufgrund seines formalen Wortlautes zwar anwendbar,84 die Rechtsanwendung erscheint aber wegen des Interessenungleichgewichtes als grobe und unerträgliche Unbilligkeit.85 Da der Interessenschutz nicht ins Leere gehen darf, sind klare Anhaltspunkte für das fehlende schutzwürdige Interesse des einen oder das weit überwiegende Interesse des anderen Teils erforderlich.86 Zu fragen ist aber immer, ob nicht schon deswegen Rechtsmissbrauch vorliegt, weil gegen den Normzweck verstoßen wird. Mit der Innentheorie lassen sich solche Fälle losgelöst von § 242 BGB lösen.

79 Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 Rz. 58 ff.; Jauernig/Mansel, § 242 Rz. 44, 45; MüKoBGB/ Roth/Schubert, § 242 Rz. 241, 244 ff.; Palandt/Grüneberg, § 242 Rz. 43 f.; Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 281 ff.; Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rz. 235, 238 ff. 80 Bamberger/Roth/Grüneberg, § 242 Rz. 79; Jauernig/Mansel, § 242 Rz. 44, 46; MüKoBGB/ Roth/Schubert, § 242 Rz. 241, 277 ff.; Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 285 ff. 81 Vgl. MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242, Rz. 241, 266 ff. 82 MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 241. 83 Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 Rz. 80 ff.; Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 16 Rz. 23 ff. – vgl. auch in der Neuauflage Wolf/Neuner, AT, § 20 Rz. 85; MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 406; Palandt/Grüneberg, § 242 Rz. 50 ff.; Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 290; Wiedmann, Rechtsmissbrauch im Markenrecht, 16 f.; vgl. ferner BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 Rz. 80 ff. 84 Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2004, § 16 Rz. 23. 85 MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 406; Wiedmann, Rechtsmissbrauch im Markenrecht, 17. 86 Larenz/Wolf, AT, 9. Aufl. 2009, § 16 Rz. 23, 26.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

5. Verstoß gegen den Normzweck Rechtsmissbrauch liegt also auch dann vor, wenn die Norm zweckwidrig bzw. zweckfremd anzuwenden wäre. Denn ein Verhalten ist nicht zulässig, weil es oberflächlich betrachtet so scheint; vielmehr ist es (negativ) durch den Normzweck begrenzt.87 Hier kann es freilich Überschneidungen mit der Fallgruppe des Rechtsmissbrauchs wegen Verletzung der objektiven Interessenlage geben. Eine Interessenabwägung wird dann notwendig, wenn neben dem eigentlich unred­ lichen Zweck ein (wenn auch geringes) schutzwürdiges Eigeninteresse nachgewiesen wird oder zumindest nicht auszuschließen ist. 6. Zusammenfassung zu den Fallgruppen Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Rechtsmissbrauch in einer Vielzahl verschiedener Varianten vorkommt. Das „System der Fallgruppen“ mag nicht ganz homogen ausgestaltet sein. Mit anderen Worten: ein einheitliches System gibt es wohl nicht. Zum Teil werden Fallgruppen zusammengefasst oder anders bezeichnet, zum Teil werden auch selbständige Fallgruppen gebildet. Zudem kann im Einzelnen die Zuordnung zu einer Fallgruppe schwierig sein. Das ist indes mehr Geschmacksache denn von dogmatischer Bedeutung. Über das Wesentliche herrscht Einigkeit. Das negative Werturteil kann an ein widersprüchliches Verhalten, an ein früheres Verhalten, an gegenwärtiges Verhalten oder auch nur an die (Begleit-)Umstände geknüpft sein. Weiterhin kann es auf eine atypische Interessenlage oder auf den jeweiligen Normzweck ankommen. Letzterer bildet die äußere Grenze dessen, was noch zulässig ist, wenngleich es auf den Einzelfall ankommt. Im Wesentlichen wird Rechtsmissbrauch unter § 242 BGB subsumiert, wenn nicht speziellere Vorschriften einschlägig sind. Ist eine speziellere Vorschrift einschlägig, kommt es auf die dort geregelten Kriterien an; die allgemeinen Grundsätze werden verdrängt. Nicht in jedem Fall bedarf es eines besonderen Treueverhältnisses im Sinne von § 242 BGB. Wird eine Norm sinn- und zweckwidrig angewandt, ist nicht das externe Treueverhältnis zwischen zwei oder mehreren Rechtssubjekten, sondern die innere Bedeutung des Rechtssatzes maßgeblich. Schließlich können subjektive Rechte, aber auch objektive Normen missbraucht werden. Rechtsmissbrauch beruht nur in bestimmten Fällen auf pflichtwidrigem Verhalten, stellt aber in jedem Fall selbst eine Pflichtverletzung dar, wenn das besagte Treueverhältnis beeinträchtigt ist. Bei dem Rechtsmissbrauch und der tatbestandlich zugrunde liegenden Pflichtverletzung kann es sich um zwei verschiedene Sachverhalte handeln, die zeitlich einander nachfolgen, aber einen rechtlichen Bezug zueinander aufweisen. Es kann aber auch Sachverhaltsidentität gegeben sein. 87 Siehe MüHdB-ArbR(Bd. 3, 2. Aufl. v. 2000)/Otto, § 285 Rz. 124, der allerdings das zweckwidrige Verhalten nicht als selbständige Fallgruppe auffasst, sondern es dem Rechtsmissbrauch im engeren Sinne zuordnet.

A. Rechtsmissbrauch im Prozessrecht

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Identität in diesem Sinne ist anzunehmen, wenn gegen eine Treuepflicht aus einem Rechtsverhältnis verstoßen wird, so dass zugleich Missbrauch vorliegt. Auf Rechtsfolgenebene kann dem Handelnden eine Rechtsposition versagt bleiben oder dem anderen Teil eine Rechtsposition zugesprochen werden; die tatsächliche, wortlautgetreue Rechtslage wird modifiziert. Der Handelnde kann sich auch Einwendungen ausgesetzt sehen. Der andere Teil wird nicht allein auf Sekundäransprüche verwiesen.

V. Verschulden als Tatbestandsmerkmal 1. Meinungsstand Nach der wohl herrschenden Ansicht setzt Rechtsmissbrauch allgemein kein schuldhaftes Handeln voraus, zumindest nicht notwendigerweise.88 Diese Ansicht erkennt zwar an, dass Verschulden im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigungsfähig ist89, die Rechtsausübung sei jedoch einerseits nicht in jedem Fall wegen schuldhaften Verhaltens unzulässig und andererseits nicht in jedem Fall mangels schuldhaften Verhaltens zulässig.90 Eine andere Ansicht differenziert nach den verschiedenen Fallgruppen.91 Soweit es nämlich auf ein bestimmtes Verhalten ankomme, dürfe an dieses Verhalten nur dann ein Rechtsnachteil geknüpft werden, namentlich die negative Rechtsfolge in Form der unzulässigen Rechtsausübung, wenn das Verhalten der betreffenden Person zugerechnet werden könne.92 Unredliches Verhalten, sowohl früheres als auch gegenwärtiges, führe daher allein dann zur unzulässigen Rechtsausübung, wenn zumindest Fahrlässigkeit vorliege. Beim widersprüchlichen Verhalten sei dagegen nicht in jedem Fall, aber zumindest dann, wenn die rechtsgeschäftliche Sphäre berührt werde, Verschulden erforderlich.93 Wieder andere wollen beim widersprüchlichen Verhalten und der Frage, ob der andere Teil in schutzwürdiger Weise vertraut hat, auch subjektive Kriterien 88

BGH NJW 2009, 1343, 1346; NJW 1975, 827, 828; NK-BGB/Krebs, § 242 Rz. 23, 65; HkBGB/Schulze, § 242 Rz. 23; Jauernig/Mansel, § 242 Rz. 35, 37; Siebert, Verwirkung und Unzulässigkeit der Rechtsausübung (1934), S. 121; Wiedmann, Rechtsmissbrauch im Markenrecht, S. 31; ferner allgemein zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 242 BGB: BeckOK-BGB/ Sutschet, § 242 Rz. 20; Erman/Hohloch, § 242 Rz. 14; Palandt/Grüneberg, § 242 Rz. 7. Im Übrigen für das widersprüchliche Verhalten: BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 Rz. 109; für den unredlichen Rechtserwerb: BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 Rz. 59; Palandt/Grüneberg, § 242 Rz. 43; für das gegenwärtige sowie frühere missbräuchliche Verhalten: Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 290. 89 Zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 242 BGB: Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 62. 90 BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 Rz. 20; Erman/Hohloch, § 242 Rz. 14. 91 Hütte/Hütte, Schuldrecht AT, Rz. 65; MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 206. 92 MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 207; siehe zu den allgemeinen Grundsätzen der Zurechenbarkeit: Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, § 37, S. 467 ff. 93 MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 208 („subjektive Zurechenbarkeit“, vgl. dazu auch Rz. 207).

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

und damit das Verschulden beider Seiten berücksichtigen; so spreche es gegen die Schutzwürdigkeit des Vertrauenden, wenn er sich auf den ersten Anschein in fahrlässiger Weise verlassen habe (schuldhafter Verstoß gegen eine Obliegenheit).94 2. Stellungnahme Die erstgenannte Ansicht orientiert sich zu stark an den allgemeinen Voraussetzungen des § 242 BGB und führt den Rechtsmissbrauch gedanklich allein auf eine Interessenabwägung zurück. Richtig ist, dass die objektive Interessenabwägung nicht zwingend die subjektive Vorwerfbarkeit voraussetzt. Dabei handelt es sich allerdings nur um eine Fallgruppe. Bei näherer Betrachtung der übrigen Fallgruppen fragt sich, anhand welcher Wertungsmaßstäbe das Verhalten als unredlich zu qualifizieren ist. Steht ein Verhalten zu einem früheren Verhalten im Widerspruch, kann dies objektiv beurteilt werden. Fehlt es an einem früheren Verhalten, fehlt auch der Vergleichsmaßstab. In diesem Fall muss anderweitig begründet werden, weshalb die Rechtsordnung das fragliche Verhalten nicht dulden kann. Unabdingbar sind klare Maßstäbe. Diese müssen schon deswegen herangezogen werden, weil das rechtsmissbräuchliche vom lediglich unmoralischen Verhalten abzugrenzen ist. Erforderlich ist zumindest, dass die Rechtsordnung bzw. der Rechtsverkehr das Verhalten als unzulässig ablehnen. Bestimmte Erwartungen der Rechtsgemeinschaft verdichten sich in diesem Fall zu einer verbindlichen Verhaltensanforderung. Grundlage dafür ist das Treueverhältnis innerhalb der rechtlichen Sonderbeziehung. Ergibt sich daraus, dass ein bestimmtes Verhalten treuwidrig ist, wird ein Verstoß gegen ein Verbot oder eine Rechtspflicht unterstellt. Die Rechtsordnung duldet ein Verhalten bis dahin, aber nicht darüber hinaus. Mit anderen Worten: Die Fallgruppen des unredlichen bzw. unredlichen früheren Verhaltens kennzeichnen rechtliche Verbote und Pflichten. Diese sind der Maßstab dafür, ob ein Verhalten als rechtsmissbräuchlich beurteilt werden kann oder nicht. Ein Verstoß gegen eine Verbotsnorm bzw. gegen eine Rechtspflicht macht die Rechtsausübung zwar nicht in jedem Fall missbräuchlich und damit unzulässig. Das gilt aber zumindest dann, wenn eine anderweitige Korrektur nicht möglich oder ausreichend ist. Verbote und Pflichten sind jedenfalls der Anknüpfungspunkt für Verschulden. Gegen die Anwendung des Verschuldensprinzips auf der Tatbestandsebene der unzulässigen Rechtsausübung scheint auf den ersten Blick zu sprechen, dass es sich dabei um ein Rechtsprinzip handelt, welches originär dem Haftungsrecht entstammt. Es dient der Begründung einer schadensrechtlichen Einstandspflicht des Schuldners, sofern ein bestimmter Tatbestand objektiv erfüllt ist. Während aber hier der Schuldner zu einem Nachteilsausgleich verpflichtet wird, begründet die unzulässige Rechtsausübung in der Regel eine Einwendung, keinen Anspruch. Das ist indes ein struktureller Unterschied, der es nicht ausschließt, das Verschuldens­ 94

Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 320; Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rz. 294.

A. Rechtsmissbrauch im Prozessrecht

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prinzip auch außerhalb des Haftungsrechtes anzuwenden. Denn in beiden Fällen geht es darum, dem Betroffenen ein Rechtsnachteil aufzuerlegen: im Haftungsrecht hat der Schuldner Schadenersatz zu leisten, im Fall rechtsmissbräuchlichen Verhaltens kann das Recht nicht wirksam ausgeübt werden. Außerdem wird in bestimmten Fällen des Rechtsmissbrauchs dem anderen Teil auch eine Rechtsposition zuerkannt, woraus dann ein Anspruch gegen den rechtsmissbräuchlich Handelnden resultiert. Dass das Verschuldensprinzip außerhalb des Haftungsrechtes grundsätzlich Anwendung finden kann, und zwar auch im Verfahrensrecht, folgt im Übrigen aus verschiedenen gesetzlichen Vorschriften. Genannt seien hier nur die §§ 233, 582 ZPO, auch § 337 S. 1 ZPO. Die Vorschriften können als gesetzlich ge­regelte Fälle rechtsmissbräuchlichen Verhaltens interpretiert werden. Der Rechtssatz würde sinngemäß lauten: Wer die Prozesshandlung verspätete vornimmt, handelt rechtsmissbräuchlich. Ausnahmen sieht das Gesetz bei unverschuldeter Säumnis vor. Verschulden ist damit auf Tatbestandsebene von Bedeutung. Das Verschuldensprinzip ist folglich nicht auf das Haftungsrecht beschränkt. Dass es für das rechtsmissbräuchliche Verhalten nur dann auf Verschulden ankommt, wenn es als maßgebliches Kriterium gesetzlich normiert ist, könnte erwogen werden, überzeugt indes nicht. Da nämlich die ZPO das unredliche Verhalten nicht abschließend regelt und es deswegen auf die Grundsätze von Treu und Glauben als übergeordnetes Rechtsprinzip ankommt, lässt sich aus dem Umstand, dass eine konkrete gesetzliche Norm in der ZPO insoweit fehlt, nichts herleiten. Betroffen ist zudem die horizontale Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten; in diesem Verhältnis ist das Verschuldensprinzip grundsätzlich anwendbar. Für das Verschuldenserfordernis spricht schließlich der Ausnahmecharakter des § 242 BGB; denn das Verschuldenserfordernis schränkt den Anwendungsbereich sachgerecht ein. Rechtsmissbrauch kann nur unter engen Voraussetzungen angenommen werden, weil anderenfalls der Tatbestand auszuufern droht. Das Verschulden wirkt als Korrektiv; denn nur dadurch ist zu verhindern, dass allein aufgrund eines objektiven Pflichtverstoßes und damit letztlich wegen eines Zufalls die Gesetzeslage und die Entscheidung des Gesetzgebers „revidiert“ werden. Das gilt im Prozessrecht zum Schutz der Verfahrensgrundsätze im Besonderen.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

3. Verschulden als Tatbestandsmerkmal der einzelnen Fallgruppen a) Widersprüchliches Verhalten („venire contra factum proprium“) aa) Herrschende Meinung Für den Rechtsmissbrauch aufgrund widersprüchlichen Verhaltens wird nach h. M. Verschulden nicht (zwingend) vorausgesetzt.95 Erst recht sei nicht erforderlich, dass der Handelnde den anderen Teil durch das frühere Verhalten absichtlich in die Irre geführt habe.96 Ein widersprüchliches Verhalten in objektiver Hinsicht genüge.97 Verschulden falle, wenn es denn vorliege, bei der Interessenabwägung ins Gewicht.98 (1) Zurechenbarkeit des widersprüchlichen Verhaltens Aber auch die h. M. erkennt (zum Teil ausdrücklich) an, dass der Widerspruch im Verhalten vom Handelnden zu verantworten und deswegen zurechenbar sein muss; zum Teil wird gesagt, es gelten die rechtsgeschäftlichen Zurechnungskriterien, welche auch für Willenserklärungen maßgeblich sind99, zum Teil wird – weil es sich nicht zwingend um ein rechtsgeschäftliches Verhalten handeln muss – nur darauf abgestellt, „dass der Handelnde die vertrauensbegründenden Umstände beherrscht und sie hätte vermeiden können“.100 Zurechenbar ist nach rechtsgeschäftlichen, auch für die Zurechnung von Willenserklärungen geltenden Kriterien das, was der Risikosphäre des Handelnden entstammt.101 Zu Recht wird allerdings von der zweitgenannten Ansicht nicht auf rechtsgeschäftliche Zurechnungskriterien abgestellt, so dass auch ein eigenverantwortlich handelnder Minderjähriger sich widersprüchlich und damit rechtswidrig verhalten

95

BGH WM 1968, 876, 878; Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 Rz. 109; BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 Rz. 109; Erman/Hohloch, § 242 Rz. 106; Hk-BGB/Schulze, § 242 Rz. 36; Jauernig/Mansel, § 242 Rz. 48; Palandt/Grüneberg, § 242 Rz. 55; v. Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 369, 374; siehe ferner MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 288. 96 BGH NJW 2002, 3110, 3111. 97 Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 Rz. 109; BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 Rz. 109. 98 Hk-BGB/Schulze, § 242 Rz. 36; Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rz. 294; vgl. ferner Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 320. 99 Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 Rz. 109; BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 Rz. 109; siehe auch: v. Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 369, 374; ferner MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 288; Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 317 ff., 319. 100 Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rz. 293; auch: Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 317, 319. 101 Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 319.

A. Rechtsmissbrauch im Prozessrecht

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kann.102 Der Handelnde ist nämlich nicht aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Abrede, sondern wegen des von ihm geschaffenen Vertrauenstatbestandes und damit wegen des tatsächlichen Handelns gebunden. (2) Kriterien: Vermeidbarkeit, Erkennbarkeit, Beherrschbarkeit Unabhängig davon, welcher Teilansicht der herrschenden Meinung gefolgt wird, kommt es demgemäß für die Zurechenbarkeit (so oder so) auf die Vermeidbarkeit, Erkennbarkeit und Beherrschbarkeit der vertrauensbegründenden Umstände an. Die Kriterien deuten auf ein sorgfaltswidriges, und damit schuldhaft fahrlässiges Verhalten hin. Maßgeblich stellen die Vertreter der herrschenden Meinung darauf ab, dass mit dem vorangegangenen Verhalten ein Vertrauenstatbestand in subjektiv zurechenbarer Weise begründet wurde. bb) Stellungnahme unter Aufgliederung in die einzelnen Tatbestandsmerkmale Bei der Frage, ob subjektive Kriterien eine Rolle spielen bzw. ob ein schuldhaftes Verhalten Voraussetzung ist, muss zwischen drei Teilelementen des hier in Frage stehenden Missbrauchstatbestandes unterschieden werden, nämlich zwischen (1) dem vorangegangenen Verhalten des Handelnden, (2) dem Vertrauen des anderen Teils darauf, dass der Handelnde sich daran festhalten lassen wird, und (3) dem nachfolgenden, widersprüchlichen Verhalten des Handelnden. (1) Vorangegangenes Verhalten Wenn die h. M. auf die Zurechenbarkeit der vertrauensbegründenden Umstände abstellt, geht es um das vorangegangene Verhalten. Um Verschulden (in Form von Fahrlässigkeit) handelt es sich nur dann, wenn eine Rechtspflicht in Bezug genommen wird; denn Verschulden setzt eine objektive Pflichtverletzung voraus. Aus der Sonderrechtsbeziehung, die auch Grundlage für den Vertrauenstatbestand ist, folgt zwar die Treuepflicht mit dem Inhalt, widersprüchliches Verhalten zu unterlassen und das Vertrauen des anderen Teils nicht zu enttäuschen. Diese Rechtspflicht bindet den Handelnden aber ausschließlich dahingehend, dass er sich zum vorangegangen Verhalten später nicht in Widerspruch setzen darf. Was das vorangegangene Verhalten selbst betrifft, kann nicht von einer allgemeinen Rechtspflicht ausgegangen werden, die besagt, dass der Handelnde sich in der einen oder anderen Weise zu verhalten hätte. Vielmehr ist er grundsätzlich darin frei, sich nach seinem Willen für das eine oder andere zu entscheiden. Mangels einer Rechtspflicht kommt es für das vorangegangene Verhalten nicht auf eine schuldhafte Pflichtver 102

Siehe Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 317 a. E.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

letzung an. Allenfalls wäre zu erwägen, ob der andere Teil, sofern der Handelnde durch das vorangegangene Verhalten im Einzelfall tatsächlich gegen eine Rechtspflicht verstoßen hat – weil er sich beispielsweise strafbar gemacht hat – von vornherein nicht darauf vertrauen durfte, weil es kein „Recht im Unrecht“ geben darf. (2) Vertrauen des anderen Teils Verschulden ist beim widersprüchlichen Verhalten nur dort zu berücksichtigen, wo es um die Frage geht, ob der andere Teil darauf vertrauen durfte, dass sich der Handelnde nicht widersprüchlich verhalten wird. Ob der andere Teil in seinem Vertrauen schutzwürdig ist, ist durch eine Interessenabwägung zu bestimmen; in der Interessenabwägung sind die beidseitigen Belange zu berücksichtigen.103 Es fließen auch subjektive Kriterien in die Beurteilung ein.104 Nicht schutzwürdig ist etwa derjenige, der sich (grob) fahrlässig auf das Verhalten des Handelnden verlassen hat.105 Zum Teil wird allerdings in Frage gestellt, ob grobe und/oder leichte Fahrlässigkeit in jedem Fall schadet; zumindest bei Kenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten, etwa davon, dass sich der Handelnde nicht an seinem Verhalten festhalten lassen will, entfällt das schutzwürdige Vertrauen.106 Nicht schutzwürdig dürfte ferner derjenige sein, der erkennt, dass sich der Handelnde selbst in schuldhafter Weise pflichtwidrig verhält und sich möglicherweise auch strafbar macht, weil das Vertrauen darauf, dass der andere auch künftig rechtswidrig handelt, von der Rechtsordnung nicht belohnt werden kann. In all diesen Fällen verstößt der Vertrauende schuldhaft gegen die Obliegenheit, in gesundem Maße misstrauisch zu sein, die eigenen Angelegenheiten sorgsam wahrzunehmen und sich nicht (in rechtsverbindlicher Weise) auf jedwedes Verhalten Dritter zu verlassen. Bei Vorsatz kann er von vornherein nicht auf ein bestimmtes Verhalten vertrauen, während bei (grober) Fahrlässigkeit das Vertrauen lediglich nicht schutzwürdig ist. (3) Nachfolgendes, widersprüchliches Verhalten Ferner muss der Handelnde durch das Verhalten, mit dem er sich in Widerspruch zu seinem früheren Verhalten setzt, schuldhaft gegen die Treuepflicht verstoßen, die sich aus dem Anscheins-Tatbestand ergibt. Muss er sich aufgrund eines schutzwürdigen Vertrauens des anderen Teils an seinem früheren Verhalten festhalten lassen, ist er gebunden. Nur wenn er in zurechenbarer Weise dagegen verstößt, handelt er rechtsmissbräuchlich, so dass die Rechtsausübung unzulässig ist. Als 103 MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 290 f.; Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rz. 294. 104 MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 290; Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 320; Staudinger/ Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rz. 294. 105 Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rz. 294. 106 MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 290.

A. Rechtsmissbrauch im Prozessrecht

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Zurechnungskriterien ist auch hier wieder auf die Erkennbarkeit, Beherrschbarkeit und Vermeidbarkeit abzustellen. Es kommt wiederum auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit an. Freilich wird kaum ein Fall denkbar sein, in dem der Handelnde sich nicht vorsätzlich in Widerspruch setzt zu seinem bisherigen Verhalten. Verschulden könnte allenfalls dann ausscheiden, wenn für den Handelnden nicht absehbar war, dass sich der andere Teil auf sein Verhalten verlässt und wenn der Handelnde dies auch bei aller Sorgfalt nicht hätte erkennen können. In solch einem Fall wird aber Rechtsmissbrauch wegen widersprüchlichen Verhaltens regelmäßig schon mangels schutzwürdigen Vertrauens des anderen Teils ausscheiden. cc) Ausnahme: Widersprüchliches Verhalten ohne Vertrauenstatbestand Verschulden spielt bei rechtsmissbräuchlich-widersprüchlichem Verhalten nur dann keine Rolle, wenn es ausnahmsweise auf einen Vertrauenstatbestand nicht ankommt. Das widersprüchliche Verhalten kann rechtsmissbräuchlich sein, auch ohne dass ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, wenn ganz besondere Umstände die Rechtsausübung treuwidrig erscheinen lassen.107 Erforderlich wird in der Regel sein, dass das frühere Verhalten und das nachfolgende Verhalten in unlösbarem Widerspruch zueinander stehen108 und dass der andere Teil aufgrund der daraus resultierenden Unsicherheit in unzumutbarer Weise benachteiligt wird. b) Unredliches Verhalten bei der Rechtsausübung Für den Rechtsmissbrauch wegen unredlichen Verhaltens ist Vorsatz nach einer Ansicht nicht erforderlich; erst recht bedürfe es keines arglistigen Verhaltens.109 Nach anderer Ansicht komme es auf einen rechtlich-sittlichen Vorwurf an, für den (meist) subjektive Tatbestandsmerkmale wie die Gesinnung und etwaige Absichten maßgeblich seien.110 Die erstgenannte Ansicht führt an, dass z. B. ein sonst legitimes Verhalten auch durch die bloße Unverhältnismäßigkeit von Gläubiger­ vorteil und Schuldneraufwand missbräuchlich sein könne.111 Dabei handelt es sich jedoch um eine Interessenabwägung. Auf diese Fallgruppe, für die „Sonderregeln“ gelten, wird noch näher einzugehen sein. Soweit die zweitgenannte Ansicht auf die Gesinnung und böse Absichten abstellt, werden damit zwar subjektive Kri­ terien gekennzeichnet, nicht aber eine konkrete Pflichtverletzung in Bezug genommen. 107 BGH NJW 1997, 3377, 3380; NJW 1992, 834; NJW 1968, 1928, 1929; Palandt/Grüneberg, § 242 Rz. 55. 108 BGH NJW 1968, 1928, 1929. 109 Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 290; siehe auch Jauernig/Mansel, § 242 Rz. 37. 110 MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 235. 111 Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 290.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

Zunächst ist zu differenzieren zwischen unredlichem Verhalten aufgrund der Begleitumstände und unredlichem Verhalten bei Verletzung einer eigenen Rechtspflicht. Erscheint die Rechtsausübung aufgrund der Begleitumstände unredlich, spricht auf dem ersten Blick einiges dafür, Verschulden als Tatbestandsmerkmal auszuschließen. Denn die äußeren Umstände prägen das Geschehen, ohne dass das Handeln desjenigen, dem der Rechtsmissbrauch vorgeworfen wird, die Umstände beeinflusst. Dann kommt es in Anbetracht der äußeren Umstände nicht auf eine Pflichtverletzung an, folglich auch nicht auf ein Verschulden. Dabei wird jedoch eines übersehen: Die äußeren Umstände, beispielsweise die Uhrzeit, können zwar die Rechtsausübung missbräuchlich erscheinen lassen. Deshalb ist die Rechtsausübung zu später Stunde u. U. unzulässig. Die äußeren Umstände sind aber nicht vom Handeln rechtlich zu trennen; denn nach ihnen bestimmt sich, wie der Betreffende sich zu verhalten hat. Daraus resultieren rechtliche Verhaltensanforderungen; den Handelnden trifft eine Treuepflicht. Wer sich nicht dementsprechend verhält, verletzt seine Treuepflicht gegenüber dem anderen Teil. Auch damit ist also Verschulden als subjektives Korrektiv erforderlich. Derjenige, der bei pflichtgemäßer Sorgfalt die fraglichen Umstände nicht kennt, handelt ohne Verschulden. Die Folgen für den anderen Teil sind dem Handelnden nicht zurechenbar. Zu­ rechenbar sind die Folgen nur bei sorgfaltswidrigem und vorsätzlichem Verhalten. Ist die Rechtsausübung unredlich, weil der Handelnde gegen eine eigene Rechtspflicht verstößt, gilt dies erst recht. c) Unredliches früheres Verhalten Zum Rechtsmissbrauch wegen unredlichen früheren Verhaltens wird zum einen vertreten, dass Verschulden nicht vorzuliegen brauche; ein arglistiges oder vorwerfbares Handeln sei nicht Voraussetzung, vielmehr genüge die objektive Pflichtwidrigkeit.112 Nach anderer Ansicht komme es hingegen gerade auf die Beweggründe, Absichten oder auch schwächeren Verschuldensmerkmale (§ 276 Abs. 2 BGB, Fahrlässigkeit) an.113 Verschulden sei ein echtes Tatbestandsmerkmal, wenn nicht bereits die objektive Interessenlage dieselbe Rechtsfolge rechtfertige.114 Die Mindermeinung vermag zu überzeugen. So stellt sich etwa die Frage, wann der Rechtserwerb unredlich ist. Hier ist auf die Ausführungen zum (gegenwärtig) unredlichen Verhalten bei Rechtsausübung zu verweisen. Es kommt also maßgeblich auf eine situationsbedingte Treuepflicht oder auf eine Rechtspflicht an, die aus einer Sonderverbindung herrührt. Nur wenn diese Pflichten schuldhaft verletzt werden, verlagert sich das Risiko zu dem Handelnden, so dass die Rechtsaus-

112

Jauernig/Mansel, § 242 Rz. 44. MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 243. 114 Sinngemäß MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 243. 113

A. Rechtsmissbrauch im Prozessrecht

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übung, die dem unredlichen Rechtserwerb nachfolgt, missbräuchlich und deshalb unzulässig erscheint. Das Vereiteln einer Rechtsposition der Gegenpartei setzt ebenfalls voraus, dass der Handelnde schuldhaft gegen eine Rechtspflicht oder gegen eine Verbotsnorm verstößt. Ohne Verstoß gegen eine Rechtspflicht oder gegen eine Verbotsnorm wäre das Verhalten mit der Rechtsordnung vereinbar.115 Eine rechtliche Korrektur würde ausscheiden. Dass der Handelnde die Rechtsposition des anderen Teils nicht vereiteln darf, kann zwar als allgemeine Treuepflicht aufgefasst werden; dabei handelt es sich aber um eine inhaltsleere Formel, weil gerade festgestellt werden soll, wann eine rechtserhebliche Vereitelung vorliegt. Welche konkreten Treuepflichten es zu berücksichtigen gilt, folgt auch hier aus den konkreten Umständen bzw. der zugrunde liegenden Rechtsbeziehung. Die Vereitelung der Rechtsposition des anderen Teils wird nur dann der Risikosphäre des Handelnden zugerechnet, wenn Verschulden vorliegt. Auch das sonstige unredliche Verhalten vor Rechtsausübung setzt, in Anlehnung an die bisherigen Ausführungen, einen schuldhaften Pflichtverstoß voraus. Der Mindermeinung ist schließlich darin zuzustimmen, als es für den Rechtsmissbrauch infolge früheren unredlichen Verhaltens aber nur dann auf eine schuldhafte Pflichtverletzung ankommt, wenn die Rechtsfolge nicht bereits auf eine objektive Interessenabwägung zurückgeführt werden kann. Die Fallgruppen des Rechtsmissbrauchs stehen nebeneinander und ergänzen sich, statt sich zu ver­ drängen. Ist ein Tatbestand nicht erfüllt, wirkt der andere als Auffangtatbestand. d) Rechtsausübung unter Verstoß gegen die objektive Interessenlage Für den Rechtsmissbrauch wegen Verstoßes gegen die objektive Interessenlage kommt es nach allgemeiner Ansicht auf Verschulden nicht an.116 Dem ist zu folgen. Schon oben wurde darauf verwiesen, dass der Handelnde das Risiko zu tragen hat, wenn dem anderen Teil ein Nachteil droht, ohne dass dem Handelnden daraus ein schutzwürdiger Vorteil erwächst. Erforderlich ist ein krasses Interessenungleichgewicht. In die Abwägung kann Verschulden allerdings einfließen, und zwar das eines jeden Beteiligten. Die Zurechnung und damit die Risikozuordnung117 erfolgt auf Grundlage der atypischen, objektiven Interessenlage.

115

Vgl. auch OLG Hamm VersR 1982, 1070. Jauernig/Mansel, § 242 Rz. 37; MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 407; Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 290; ferner BGH NJW 2009, 1343, 1346; NJW 1975, 827, 828; allgemein zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 242 BGB, namentlich zur Interessenabwägung: BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 Rz. 20; Hk-BGB/Schulze, § 242 Rz. 14; Palandt/Grüneberg, § 242 Rz. 7; ferner BGH NJW 1963, 1451. 117 BeckOK-BGB/Sutschet, § 242 Rz. 19 m.N. zu diesem Leitprinzip. 116

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

e) Verstoß gegen den Normzweck Es kommt auch dann nicht auf Verschulden an, wenn Rechtsmissbrauch vorliegt, weil gegen den Normzweck verstoßenwird. Dieser bestimmt sich nach rein objektiven Gesichtspunkten.

VI. Zusammenfassung Die Grundsätze der unzulässigen Rechtsausübung gelten in der Zwangsvollstreckung. Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist nach den allgemeinen Kriterien zu beurteilen. Auf Tatbestandsebene kommt es entgegen der h. M. auf Verschulden an, sofern ein bestimmtes Verhalten maßgeblich ist. Das betrifft im Regelfall das widersprüchliche Verhalten und das unredliche frühere und gegenwärtige Verhalten. Ist hingegen auf Tatbestandsebene eine Interessenabwägung vorzunehmen oder zu prüfen, ob gegen den Normzweck verstoßen wird, bedarf es, um Rechtsmissbrauch zu bejahen, eines schuldhaften Verhaltens nicht oder nicht zwingend. Verschulden ist dann zwar zu berücksichtigen und gilt als „Indiz“; es ist jedoch in­ soweit kein „echtes“ Tatbestandsmerkmal.

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung Im Folgenden soll nun auf einzelne Fälle des Rechtsmissbrauchs im Bereich der Zwangsvollstreckung eingegangen werden.

I. Rechtsmissbrauch im Bereich der Prozessvoraussetzungen 1. Rechtsschutzbedürfnis: Zwangsvollstreckung als Druckmittel und die Folgen Wie in jedem Verfahren und bei jeder prozessualen Handlung wird bei Einleitung der Vollstreckung durch den Vollstreckungsantrag ein Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers vorausgesetzt.118 Dieses Rechtsschutzbedürfnis entfällt, wenn der Vollstreckungsgläubiger in unzulässiger Weise Druck auf den Schuldner ausüben will.119 Zu Recht wird dies allerdings auf bestimmte Fallgestaltungen beschränkt120; denn wenn der Vollstreckungsgläubiger unter Geltendmachung seines 118 Siehe u. a. BVerfG NJW 1983, 559; BGH NJW 2002, 3178, 3179; Brox/Walker, ZVR, Rz. 28. 119 Vgl. u. a. AG Pinneberg NJW-RR 1995, 76; ThP/Seiler, Vor § 704 Rz. 45, siehe aber auch Rz. 52. 120 Näheres siehe Wieser, DGVZ 1990, 177 ff.

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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Vollstreckungsanspruchs Druck auszuüben versucht, um außerhalb des Verfahrens unter Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners das zu erreichen, was auch Ziel der Vollstreckungsmaßnahme wäre, wird – zumal die zwangsweise Durchsetzung des Titels unterbleibt – sogar das mildere Mittel gewählt. Das ist nicht zuletzt auch deswegen der Fall, weil weitergehende Kosten vermieden werden und dem Vollstreckungsschuldner ein Erstattungsanspruch nach § 788 ZPO erspart bleibt. a) Vollstreckung eines titulierten Anspruchs und Erzwingen anderweitiger Leistung aa) Meinungsstand und Stellungnahme Streitig ist, ob bei Erzwingung titelfremder Leistungen in unzulässiger Weise Druck ausgeübt wird. Als rechtsmissbräuchlich wird es teilweise angesehen, wenn der Vollstreckungsgläubiger einen Titel auf Herausgabe hat, die Zwangsvoll­ streckung aber nur beantragt, weil er den Vollstreckungsschuldner zu einer Zahlung veranlassen will, ohne dabei an einer Herausgabe der Sache interessiert zu sein.121 Andere halten es dagegen grundsätzlich für legitim, den Herausgabetitel zu benutzen, um Zahlungen zu erlangen, auf die ein Anspruch besteht.122 Gilleßen verweist einerseits auf die „Lösungsbefugnis“ des Schuldners nach § 364 BGB und hält es für zulässig, dass der Titel durch Zahlung verbraucht wird, sofern der Vollstreckungsgläubiger dem Gerichtsvollzieher die Entgegennahme einer Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB) erlaubt hat.123 Es sei andererseits unzulässig, den Räumungstitel innerhalb des Zwangsvollstreckungsverfahrens „nur als Druckmittel für Zahlungen zu gebrauchen“.124 Unstreitig dürfte jedenfalls sein, dass derjenige rechtsmissbräuchlich handelt, der den Titel als Druckmittel benutzt, um eine Handlung des Vollstreckungsschuldners bzw. eine Forderung gegen ihn durchzusetzen, auf die es keinen Rechtsanspruch gibt.125 Wenn ein Rechtsanspruch neben dem titulierten Recht existiert, ist zu unterscheiden: Außerhalb der Zwangsvollstreckung muss es zulässig sein, den Titel zur Durchsetzung nicht titulierter Rechte zu verwenden.126 Das gilt insoweit, als auch im Rahmen eines Vollstreckungsvertrages eine (nachträg­liche) vollstreckungsausschließende Absprache getroffen werden könnte, nach welcher der Voll 121 Wieser, DGVZ 1990, 177, 178; siehe auch u. a. AG Bad Neuenahr-Ahrweiler DGVZ 2005, 79; AG Frankfurt, NJW-RR 1988, 204; vgl. ferner LG Itzehoe WuM 1995, 662; AG Pinne­berg NJW-RR 1995, 76, 77. 122 AG Berlin-Wedding, Beschl. v. 09.09.03, Az. 31 M 8078/03, juris, insb. Rz. 6; Schuschke/ Walker/Walker, § 885 Rz. 3. 123 Gilleßen, DGVZ 2006, 145, 157. 124 Gilleßen, DGVZ 2006, 145, 157. 125 AG Pinneberg, NJW-RR 1995, 76; AG Frankfurt, NJW-RR 1988, 204; siehe auch Schuschke/Walker/Walker, § 885 Rz. 3, der darauf abstellt, dass ein Anspruch besteht. 126 Gilleßen, DGVZ 2006, 145, 157.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

streckungsgläubiger auf die Zwangsvollstreckung verzichtet127, um im Gegenzug die Befriedigung anderweitiger Ansprüche zu erlangen. Hier entfaltet sich lediglich das ohnehin vorhandene Drohpotential des Titels und „stärkt“ die Verhandlungsposition des Vollstreckungsgläubigers. Der Schuldner hat die Wahl, sich auf das Verlangen des Gläubigers einzulassen oder die Zwangsvollstreckung in Kauf zu nehmen. Anders stellt sich die Situation dar, wenn die Zwangsvollstreckung bereits eingeleitet wurde. Durch die Einleitung des Verfahrens wird dem Schuldner signalisiert, dass Zwangsmaßnahmen unmittelbar bevorstehen; das erhöhte Drohpotential ergibt sich hier nicht aus dem Titel, sondern aus den Befugnissen der Vollstreckungsorgane.128 Der Vollstreckungsgläubiger, der verfahrensleitende Anträge stellen kann, übt nun erheblich mehr Einfluss auf den Schuldner aus, als es ihm außerhalb der Zwangsvollstreckung möglich wäre. Es handelt derjenige missbräuchlich, der mit staatlicher Hilfe die Befriedigung titelfremder Ansprüche erzwingt. Unbenommen bleibt es dem Vollstreckungsgläubiger, auf Augen­höhe mit dem Schuldner zu verhandeln. Ein Vollstreckungsvertrag setzt aber voraus, dass der Schuldner noch in der Lage ist, frei zu entscheiden (Privatautonomie), was vom Einzelfall abhängt. bb) Kein Verschulden Auf Verschulden kommt es nicht an. Rechtsmissbräuchlich ist die Zwangsvollstreckung deswegen, weil ein verfahrensfremder Zweck verfolgt wird. Sonach entfällt das Rechtsschutzbedürfnis, sobald der Gläubiger neben dem Verfahren weitere, titelfremde Leistungen zu erzwingen versucht, erst Recht, wenn darauf kein Anspruch besteht. Erforderlich ist lediglich ein planmäßiges Handeln. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt oder entfällt unabhängig davon, ob der Gläubiger weiterhin daran interessiert ist, auch noch den titulierten Anspruch durchzusetzen; denn das Verfahren wird instrumentalisiert und es besteht die Gefahr, dass der Schuldner mit weiteren Drohungen und Forderungen überzogen wird. Weil zu besorgen ist, dass dies den Schuldner überfordert und er sich möglicherweise seiner Schutzrechte begibt oder bei streitigen Ansprüchen auf den Rechtsschutz verzichtet, ist es nach der hier vertretenen Ansicht gerechtfertigt, dem Gläubiger weitere staat­liche Hilfe bei der Durchsetzung seines titulierten Anspruchs zu versagen, solange er nicht ernsthaft davon Abstand nimmt, die Erfüllung sonstiger Forderungen neben­ her zu erzwingen.

127

Brox/Walker, ZVR, Rz. 200/202. Daher kann nicht lediglich darauf verwiesen werden, dass der Vollstreckungstitel von seiner Natur her ein Druckmittel sei – so aber AG Berlin-Wedding, Beschl. v. 09.09.03, Az. 31 M 8078/03, juris, insb. Rz. 6.  128

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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b) Vollstreckung eines Haftbefehls und Zwang zur Zahlung aa) Meinungsstand und Stellungnahme Auch ist streitig, ob in unzulässiger Weise Druck ausgeübt wird, wenn ein Haftbefehl vollstreckt werden soll, um die Zahlung zu erzwingen. Teilweise wird es als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn der Vollstreckungsgläubiger einen Haftbefehl gegen den Vollstreckungsschuldner beantragt, dies aber unter dem Vorbehalt, „daß von der Vollziehung abzusehen sei, wenn die Schuldnerin eine Teilzahlung in Mindesthöhe von … (EUR) zuzüglich Kosten leiste“129. Es wird darauf hingewiesen, dass der Haftbefehl dem Zweck diene, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu erzwingen, nicht aber dazu, den Vollstreckungsschuldner zu einer (Teil-)Zahlung zu veranlassen.130 Teile der Rechtsprechung und Literatur halten die Beschränkung des Verhaftungsauftrages dagegen für zulässig131, weil darin ein Entgegenkommen des Vollstreckungsgläubigers liege und dem Voll­ streckungsschuldner die kreditschädigende Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bzw. die Verhaftung erspart bleibe.132 Dem Einwand, dass das Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht als Druckmittelt zur Zahlung dienen dürfe, wird der Hauptzweck der Zwangsvollstreckung, nämlich die Beitreibung von Geld, entgegen gehalten.133 Der zweitgenannten Ansicht ist im Ergebnis zuzustimmen. Richtig ist zwar, dass die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis kreditschädigende Wirkung hat und der Schuldner dem nicht entgehen kann, weil bereits neber der Haftanordnung durch das Vollstreckungsgericht nach § 802g Abs. 1 ZPO (n. F., § 901 ZPO [a. F.]) auch eine Ein­tragung in das Schuldnerverzeichnis erfolgt, §§ 882b Abs. 1 Nr. 1, 882c Abs.1 Nr. 1 ZPO (n. F., § 915 Abs. 1 S. 1 ZPO [a. F.]).134 Es kann aber keinen Unterschied machen, ob der Gläubiger einen unbedingten Antrag stellt und den Schuldner zur Erzwingung der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verhaften lässt, was zulässig ist, oder ob er dem Schuldner entgegenkommt und ihm die Möglichkeit gibt, die Verhaftung durch Teilzahlung abzuwenden. Das Verfahren nach § 802g Abs. 2 ZPO (n. F., § 909 ZPO [a. F.]) wird auch nicht zweckwidrig durchgeführt; die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung soll nicht um ihrer selbst willen erzwungen werden, so dass der mittelbare Haftzweck, nämlich die Beitreibung des geschuldeten Geldbetrages, genügt.135 Schließlich hat es der 129

OLG Koblenz DGVZ 1964, 57, siehe dazu Wieser, DGVZ 1990, 177, 180 ff.; ders., NJW 1988, 665; ferner MüKoZPO/Eickmann, § 909 Rz. 6. 130 OLG Koblenz DGVZ 1964, 57 f.; MüKoZPO/Eickmann, § 909 Rz. 6 f. 131 LG Frankfurt, DGVZ 2000, 171, 172; LG Stade DGVZ 1988, 28; AG Augsburg DGVZ 1991, 61; Polzius, DGVZ 1993, 103, 105. 132 Brox/Walker, ZVR, Rz. 1156; siehe auch StJ/Münzberg, § 909 Rz. 23. 133 Polzius, DGVZ 1993, 103, 105; StJ/Münzberg, § 900 Rz. 2, vgl. auch Rz. 77. 134 Wieser, DGVZ 1990, 177, 180. 135 Schilken, DGVZ 1989, 33, 37.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

Schuldner zu jeder Zeit in der Hand, auch durch Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der Verhaftung zu entgehen.136 Missbräuchlich ist es aber, wenn der bedingte Verhaftungsauftrag als Dauerauftrag immer wieder neu erteilt wird, und zwar solange, bis der Schuldner in Raten abgezahlt hat.137 Damit wird der Schuldner mürbe gemacht und unter Druck gesetzt. Behr spricht vom „Spiel mit der Vollstreckungsangst“.138 Das wiederholte Erzwingen von Teilzahlungen ist nicht Sinn und Zweck der Haftanordnung.139 Der Gerichtsvollzieher darf auch nicht als „Inkassobüro“ missbraucht werden.140 Wächst sich also die Möglichkeit des bedingten Verhaftungsauftrages zu einem Geschäftsmodell aus, wird dadurch nur noch Ratenzahlung und nicht mehr ernsthaft die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung begehrt und der Gerichts­ vollzieher nur noch zur Überwachung des Zahlungsverkehrs eingesetzt141, hat er (der Gerichtsvollzieher) den wiederholten Haftantrag zurückzuweisen. bb) Kein Verschulden Auf ein Verschulden des Vollstreckungsgläubigers kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.142 Es wird gegen den Normzweck der §§ 802g ff. ZPO (n. F., §§ 901, 909 ff. ZPO [a. F.]) verstoßen, zwar nicht schon durch den bedingten Verhaftungsauftrag an sich, weil der mittelbare Haftzweck, nämlich die Beitreibung der Schuld, genügt (siehe oben), aber jedenfalls dann, wenn es sich um einen Dauerauftrag handelt. Ein objektiver Verstoß gegen den Normzweck [zur Fallgruppe siehe oben § 6 A. IV. 5. und V. 3. e)] genügt. Es ist kein widersprüchliches Verhalten im Wege der wiederholten Antragstellung notwendig.143 c) Verfahrensrechtliche Aspekte Ob die Zwangsvollstreckung unzulässig ist, weil ein verfahrensfremder Zweck verfolgt wird, hat das zuständige Vollstreckungsorgan zu überprüfen. Das gilt insbesondere auch für den Gerichtsvollzieher144; denn trotz des formalisierten Verfahrens ist der objektive Normzweck neben dem Grundsatz von Treu und G ­ lauben 136

Auch dazu schon Schilken, DGVZ 1989, 33, 37. LG Bonn DGVZ 1987, 28 f.; Behr, Rpfleger 1988, 1, 10; a. A. offenbar LG Stade, DGVZ 1988, 28, 29. 138 Behr, Rpfleger 1988, 1, 10. 139 LG Bielefeld im Anschluss an AG Rahden, DGVZ 1988, 14; LG Bonn DGVZ 1987, 28, 29; a. A. offenbar LG Stade, DGVZ 1988, 28, 29. 140 Schilken, DGVZ 1989, 33, 37 m. w. N. 141 Schilken, DGVZ 1989, 33, 37. 142 Vgl. auch Wieser, DGVZ 1990, 177, 181. 143 So aber noch Kirchner, DGVZ 1964, 145, 146 f. 144 A. A.: Schuschke/Walker/Walker, § 885 Rz. 3. 137

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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in jedem Verfahrensabschnitt, also auch von ihm zu berücksichtigen. Mangels Rechtsschutzbedürfnis wird der entsprechende Antrag zurückzuweisen sein. Allerdings wird sich die Überprüfung durch das Vollstreckungsorgan regelmäßig auf die Fälle der Evidenz beschränken, weil mangels eines geeigneten Verfahrens eine weitergehende Aufklärung oft nicht in Betracht kommt. Das gilt insbesondere dann, wenn die Anhörung des Schuldners nicht vorgesehen ist (§ 834 ZPO – wenn etwa mit der Vollstreckung wegen einer Geldforderung ein verfahrens­fremder Zweck verfolgt wird). Evident ist der Rechtsmissbrauch dagegen im Fall von beschränkten, aber wiederholt gestellten Haftanträgen (Dauerauftrag). Kann das Vollstreckungsorgan nicht klären, ob die Zwangsvollstreckung wegen unzulässigem Druck rechtsmissbräuchlich ist, oder stellt sich die Zwangsvoll­ streckung erst nachträglich als rechtsmissbräuchlich dar (etwa deshalb, weil Druck ausgeübt wird, nachdem ein zulässiger Vollstreckungsantrag gestellt wurde), verschiebt sich die Überprüfung auf die Rechtsbehelfsebene. Wird trotz zweck­widrig beschränktem (bedingtem) Haftantrag ein Haftbefehl erlassen, kommt die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO in Betracht. Liegt Rechtsmissbrauch vor, weil unter Bezugnahme auf die Zwangsvollstreckung in unzulässiger Weise Druck ausgeübt wird, ist fraglich, welcher Rechtsbehelf in Betracht kommt. Eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO scheidet aus.145 Das rechtsmissbräuchliche Verhalten des Vollstreckungsgläubigers führt zu einer prozessualen Einwendung; danach entfällt das Rechtsschutzbedürfnis.146 Die prozessuale Einwendung berührt den materiellen Anspruch nicht und schließt lediglich die zwangsweise Durchsetzung aus. § 765a ZPO ist nicht anwendbar. Nach dieser Vorschrift können lediglich Einzelmaßnahmen angefochten werden; dagegen führt der Rechtsmissbrauch dazu, dass die Zwangsvollstreckung als solche unzulässig ist. Nach § 766 ZPO kann zwar das Fehlen allgemeiner und besonderer Vollstreckungsvoraussetzungen gerügt werden147, wohl auch das Fehlen allgemeiner Prozessvoraussetzungen. Aber auch die Erinnerung richtet sich gegen Einzelmaßnahmen. Gleichwohl kann mit der Erinnerung geltend gemacht werden, dass die Zwangsvollstreckung überhaupt unzulässig ist.148 Zumindest kann, wenn der Vollstreckungsantrag gestellt worden ist, geltend gemacht werden, dass die Zwangsvollstreckung und damit etwaige Maßnahmen unmittelbar bevorstehen. Eine Erinnerung kommt mithin (analog) § 766 ZPO in Betracht. Hat das Vollstreckungsgericht eine Entscheidung getroffen, z. B. den Pfändungsbeschluss erlassen, kann das Fehlen der allgemeinen Prozessvoraussetzung (Rechtsschutzbedürfnis) im Wege der sofortigen Beschwerde geltend gemacht werden, § 793 ZPO.

145 Anders nur bei Verwirkung, z. B. wenn mehrfach die Herausgabevollstreckung be­antragt und wiederholt von der Zwangsräumung abgesehen wird: vgl. Schuschke/Walker/Walker, § 885 Rz. 3. 146 ThP/Seiler, Vor § 704 Rz. 45. 147 Schsuchke/Walker/Walker, § 766 Rz. 8; Zöller/Stöber, § 766 Rz. 10. 148 ThP/Seiler, § 766 Rz. 23.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

2. Rechtsschutzbedürfnis: Titelmissbrauch a) Allgemeines und Voraussetzungen/Verschulden Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt insbesondere auch dann, wenn die Zwangsvollstreckung auf Grundlage eines erschlichenen Titels betrieben wird. Im Falle des Titelmissbrauchs kommt zwar eine Klage nach § 826 BGB in Betracht, die sich auf das Unterlassen der Zwangsvollstreckung und die Herausgabe des Titels bezieht.149 Dass aber erst durch ein entsprechendes Urteil auf diese Klage hin die materielle Rechtskraft des vollstreckbaren Titels durchbrochen wird150, ist nicht maßgeblich; denn das Vollstreckungsorgan ist an Recht und Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG) und darf an einer unzulässigen Zwangsvollstreckung nicht mitwirken. Es darf den Vollstreckungsschuldner nicht in eine Lage ver­setzen, in der er gezwungen ist, um Rechtsschutz nachzusuchen. Anderenfalls würde das Vollstreckungsorgan gegen eine Amtspflicht verstoßen, soweit jedenfalls das missbräuchliche Verhalten des Vollstreckungsgläubigers offensichtlich ist. Der Titelmissbrauch beseitigt bereits das Rechtsschutzbedürfnis; denn wer missbräuchlich einen Titel erlangt hat oder ausnutzt, ist nicht befugt, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.151 Auch hier kommt es auf die Voraussetzungen des § 826 BGB an; anderenfalls droht eine Entwertung des Titels. Der Titel muss daher falsch sein, die Umstände müssen dafür sprechen, dass der Titel sittenwidrig erlangt wurde oder durchgesetzt wird und der Vollstreckungsgläubiger muss den Vollstreckungsschuldner (oder einen Dritten) in Kenntnis der Umstände vorsätzlich schädigen.152 Verschulden wird daher in qualifizierter Form vorausgesetzt. In den Fällen des evidenten Titelmissbrauchs, etwa dann, wenn z. B. in Folge eines Strafverfahrens klar geworden ist, dass der Vollstreckungsgläubiger den Titel durch Prozessbetrug erlangt hat, ist daher das Vollstreckungsorgan gezwungen, den Vollstreckungsantrag abzulehnen. Das dürfte freilich kaum vorkommen. Dem Gläubiger ist es außerdem dann nicht verwehrt, die Zwangsvollstreckung zu betreiben, wenn dem Schuldner eine nachlässige (fahrlässige) Prozessführung vorzuwerfen ist.153 b) Verfahrensrechtliche Aspekte Neben den Fällen des evidenten Titelmissbrauchs kann Erinnerung nach § 766 Abs. 1 ZPO eingelegt werden, wenn das Vollstreckungsorgan den Antrag auf Durchführung der Zwangsvollstreckung ausführt, weil der Titelmissbrauch nicht zweifelsfrei feststeht. Mit der Erinnerung können Fehler betreffend die Art und 149

Siehe unten § 7 K. Siehe unten § 7 K. 151 Vgl. auch BGH, Beschl. v. 09.02.2012, Az. I ZB 4/12, juris (= GRUR-RR 2012, 232 [nichtamtllicher LS]). 152 Siehe unten § 7 K. 153 BGH NJW-RR 2012, 304, 305. 150

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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Weise der Zwangsvollstreckung gerügt werden, auch das Fehlen der allgemeinen Prozessvoraussetzungen. Soweit die Erinnerung auf das rechtsmissbräuchliche Verhalten des Vollstreckungsgläubigers gestützt wird, scheidet sie nicht deswegen aus, weil materiell-rechtliche Aspekte (§ 826 BGB) zu prüfen sind; denn der Titelmissbrauch hat unmittelbar verfahrensrechtliche Konsequenzen, indem daraufhin das Rechtsschutzbedürfnis entfällt und die Zwangsvollstreckung unzulässig ist. Die Erinnerung tritt nicht hinter die Klage nach § 826 BGB zurück; beide Rechtsbehelfe kommen in Betracht. Im Rahmen seiner Entscheidung über die Erinnerung ist der Richter (§ 20 Nr. 17 RPflG) befugt, einstweilige Anordnungen nach § 732 Abs. 2 ZPO (vgl. § 766 Abs. 1 S. 2 ZPO) zu treffen: wird Titelmissbrauch nachgewiesen, wird die Zwangsvollstreckung regelmäßig ohne Sicherheitsleistung einzustellen sein. Im Zusammenhang mit der Deliktsklage, die auf Herausgabe des Titels und Unterlassen der Zwangsvollstreckung gerichtet ist (also einen selbständigen Streitgegenstand aufweist), ist streitig, ob die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO analog erfolgen kann.154 Da es sich um eine Leistungsklage handelt, nicht jedoch um eine Gestaltungsklage vergleichbar der nach § 767 ZPO, scheidet eine Einstellung nach § 769 ZPO aus.155 Auch scheidet die analoge Anwendung (auch des § 707 ZPO) mangels Regelungs­ lücke aus; es kommt eine einstweilige Sicherungsverfügung nach §§ 935, 936 ZPO in Betracht156 – der Vollstreckungsschuldner haftet allerdings nach § 945 ZPO.157

II. Rechtsmissbrauch im Bereich der Allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen 1. Titel – Vereitelung der Räumungsvollstreckung158 Gemäß § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung nur dann beginnen, wenn der Vollstreckungsschuldner in dem Titel und in der beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich benannt ist. Nachdem der BGH mehrfach deutlich gemacht hat, dass die Vollstreckung tatsächlich nur gegen den im Titel und in der Vollstreckungsklausel bezeichneten Vollstreckungsschuldner in Betracht kommt 154 Dafür: OLG Hamm FamRZ 2002, 618; OLG Zweibrücken NJW 1991, 3041; OLG Köln VuR 1989, 77; OLG Karlsruhe FamRZ 1986, 1141; ferner MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann, § 769 Rz. 4 und Zöller/Herget, § 769 Rz. 1 (die jeweils § 769 ZPO dem § 707 ZPO vorziehen → dazu auch MüKoZPO/Götz, § 707 Rz. 5; Zöller/Herget, § 707 Rz. 4); dagegen: LAG Kiel NZARR 2005, 102; OLG Stuttgart NJW-RR 1998, 70; OLG Frankfurt NJW-RR 1992, 511; LG Bochum MDR 1999, 359; Hk-ZV/Schneiders, § 769 Rz. 5; Musielak/Lackmann, § 769 Rz. 1a; Schuschke/Walker/Raebel, § 769 Rz. 1. 155 Siehe u. a. LAG Kiel NZA-RR 2005, 102; OLG Stuttgart NJW-RR 1998, 70; Hk-ZV/ Schneiders, § 769 Rz. 5; Musielak/Lackmann, § 769 Rz. 1a. 156 Vgl. auch unten: Rechtsmissbrauch im einstweiligen Rechtsschutz § 6 C. III. 157 Siehe u. a. Schuschke/Walker/Raebel, § 769 Rz. 1. 158 Vgl. den zweiten Fall in der Einführung.

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und nicht auch (über § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO hinaus) gegen denjenigen, der sein Besitzrecht vom Titelschuldner ableitet und dessen abgeleitetes Besitzrecht mit Ende des Hauptbesitzrechtes erlischt159, hat sich auch in der Praxis diese restriktive, formalistische Lösung weitestgehend durchgesetzt.160 Das bedeutet, dass der Kreis potentieller „Störer“ groß ist. Im Wesentlichen kann nur noch gegen Kinder oder gegen Besucher, die als Besitzdiener (§ 855 BGB) einzustufen sind, mit dem Titel vorgegangen werden, nicht aber zum Beispiel gegen den Ehegatten, eingetragene und nichteheliche Lebenspartner oder gegen den Untermieter. Die Räumungsvollstreckung kann nicht mit Erfolg durchgeführt werden, zumal oft noch zusätzlich Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO begehrt wird.161 Dies eröffnet insbesondere im Fall der Räumungsvollstreckung Manipulationsspielräume, nämlich in der Weise, dass einem Dritten, gegen den kein Titel vorliegt, der Mitbesitz eingeräumt wird, um den Vollstreckungsversuch zu vereiteln. Auch wenn der Schuldner vom Gerichtsvollzieher nach § 885 Abs. 1 S. 1 ZPO außer Besitz gesetzt wird, kann der Gläubiger nicht in den Besitz eingewiesen werden, wenn etwa der Dritte in der Wohnung verbleibt (hierzu nun auch § 940a Abs. 2 ZPO [n. F.]); der Dritte kann auch jederzeit den Schuldner wieder aufnehmen. Ob die Räumung unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs ausnahmsweise auch gegen den Dritten zulässig ist, ist umstritten. Für den Fall, dass dies zu bejahen ist, stellt sich die Frage, ob das rechtsmissbräuchliche Verhalten eine schuldhafte Pflichtverletzung voraussetzt. a) Meinungsstand Missbrauch liegt neben den Fällen der Hausbesetzung etwa dann nahe, wenn der Vollstreckungsschuldner (wiederholt) neue, dem Gläubiger unbekannte Personen in die Wohnung aufnimmt. Der Standardfall, der in diesem Zusammenhang diskutiert wird (zumal § 940a Abs. 2 ZPO [n. F.] nur für Wohnraum gilt), ist der heimlich in die Räumlichkeiten aufgenommene Dritte, der erst kurz vor oder während der Räumungsvollstreckung präsentiert wird.162 Offen gelassen hatte das OLG 159 BGH NJW 2008, 1959; NJW 2004, 3041; NJW-RR 2003, 1450, 1451; NZM 1998, 665; jedoch war die Ansicht, dass auch gegen den „akzessorischen“ Besitzer vollstreckt werden dürfe, früher weit verbreitet. So u. a.: OLG Köln NJW 1958, 598; LG Mönchengladbach DGVZ 2000, 118, 119; LG Heidelberg DGVZ 1994, 9, 10; LG Ellwangen DGVZ 1993, 10; LG Kiel WuM 1982, 304; Pauly, DGVZ 2000, 17; Scherer, DGVZ 1993, 161, 163; Schuschke/ Walker/Walker, § 885 Rz. 14 (3. Aufl.); auch noch LG Stuttgart DGVZ 2003, 121, 122. 160 Mit dieser Einschätzung auch: Schuschke/Walker/Walker, § 885 Rz. 18; siehe ferner ThP/ Seiler, § 885 Rz. 6. Aus der Rspr. u. a.: OLG Frankfurt WuM 2003, 640, 641; OLG Jena WuM 2002, 221, 222; LG Köln, Beschl. v. 31.3.08, 10 T 69/07, juris, siehe insb. Rz. 11; LG Heilbronn NJOZ 2003, 3202; vgl. LG Trier NZI 2005, 563; dennoch weiterhin kritisch: Schuschke, NZM 2004, 206, 207; ders., NZM 2005, 10; ders., NJW 2008, 1960 f.; ders., DGVZ 2009, 160 (dort mit einem konkreten Vorschlag zur Neuregelung § 885 ZPO). 161 Schuschke/Walker/Walker, § 885 Rz. 18. 162 Siehe z. B. OLG Hamburg, NJW 1992, 3308; LG Lübeck DGVZ 2008, 172; AG Hamburg-St. Georg DGVZ 2007, 63.

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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Frankfurt im Jahr 2003 – ebenso wie das KG einige Jahre zuvor163 – die Frage, ob bei einem Verstoß gegen Treu und Glauben die Zwangsvollstreckung auch ohne Titel betrieben werden kann.164 Das OLG Hamburg war schon Anfang der 1990er Jahre zu dem Schluss gelangt, dass sich im Rahmen der Zwangsvollstreckung derjenige nicht auf seine besitzrechtliche Position berufen dürfe, der gegen Treu und Glauben verstoßen habe.165 Daher wurde zum Teil von der Rechtsprechung – und wird von einigen Vertretern der Literatur auch heute noch – vertreten, dass ein Titel gegen den Dritten im Falle des Rechtsmissbrauchs entbehrlich sei.166 So sah es auch das LG Lübeck167, woraufhin aber der BGH der Rechtsbeschwerde des Dritten stattgab (siehe den zweiten Fall in der Einführung). In seinem Beschluss aus dem Jahr 2008 hält der BGH an der restriktiven, formalistischen Lösung auch bei etwaigem Rechtsmissbrauch fest. Ein Titel sei gegen den Dritten selbst dann erforderlich, wenn der Verdacht naheliege, dass der Dritten den Besitz vom Titelschuldner zur Vereitelung der Zwangsvollstreckung eingeräumt bekommen habe.168 Nach Ansicht des BGH rechtfertigen Billigkeitserwägungen es nicht, von den allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung abzuweichen; denn der Gerichtsvollzieher habe keine materiell-rechtlichen Erwägungen anzustellen und daher die Rechtslage nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu prüfen und sei insoweit auch überfordert.169 b) Stellungnahme Zunächst ist daran zu erinnern, dass materielles und formelles Recht miteinander verwoben sind und beides nicht strikt voneinander getrennt werden kann. Wenn der BGH der Auffassung ist, dass das Vollstreckungsgericht materiell-rechtliche Belange zu berücksichtigen hat, soweit diese für die Art und Weise oder auch für den Umfang der Zwangsvollstreckung maßgeblich sind170, kann dem Grunde nach für den Gerichtsvollzieher nichts anderes gelten. Freilich ist zu beachten, dass der Gerichtsvollzieher nicht die gleichen prozessualen Aufklärungsmöglichkeiten hat und dass er bei der rechtlichen Würdigung komplexer Sachverhalte überfordert sein kann; damit sind aber nicht die Fälle der Evidenz betroffen. Die funktionelle Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers schließt die Prüfung materiel 163

KG Berlin NJW-RR 1994, 713, 714 f. OLG Frankfurt WuM 2003, 640, 641. 165 OLG Hamburg NJW 1992, 3308. 166 OLG Hamburg NJW 1992, 3308; LG Hamburg DGVZ 2005, 164, 165; AG Hamburg DGVZ 2007, 63; AG Ludwigshafen ZMR 2002, 925; BLAH, § 885 Rz. 14; Fallak, ZMR 2004, 324, 325; ThP/Seiler, § 885 Rz. 8; Schuschke/Walker/Walker, § 885 Rz. 11; vgl. außerdem AG Lübeck DGVZ 1995, 92; auch Geißler, DGVZ 2011, 37, 38 für Fälle des evidenten Rechtsmissbrauchs. 167 LG Lübeck, DGVZ 2008, 172, 173. 168 BGH NJW 2008, 3287, 3288. 169 BGH NJW 2008, 3287, 3288. 170 BGH NJW 1962, 109, 110; der Sache nach auch Werner DGVZ 1986, 49, 52. 164

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ler Gesichtspunkte ohnehin – auch an anderer Stelle – nicht völlig aus.171 Deswegen ist nicht einzusehen, warum der Gerichtsvollzieher bei der Räumungsvollstreckung nicht in der Lage sein soll, eine einfache Billigkeitsprüfung durchzuführen. Außerdem gilt § 242 BGB, wie bereits festgestellt, auch in der Zwangsvollstreckung. Dem LG Lübeck ist darin zuzustimmen, dass es faktisch auf eine Rechtsverweigerung dem Gläubiger gegenüber hinausliefe, wenn er auch gegen den Dritten einen Titel erwirken müsste, der räumungsunwillige Vollstreckungsschuldner es aber in der Hand hätte, immer wieder einen anderen zu präsentieren und damit nach Belieben die Räumungsvollstreckung zu verzögern bzw. zu vereiteln.172 Der Gläubiger läuft Gefahr, dass sein Vollstreckungsanspruch entwertet wird. Der Rechtsstaat muss in der Lage sein, rechtsmissbräuchlichem Verhalten angemessen entgegenzuwirken. Es darf für den Einzelnen im Rahmen der Zwangsvollstreckung nicht möglich sein, sich unanständig zu verhalten173 und die Interessen des Vollstreckungsgläubigers in unzumutbarer Weise zu beeinträchtigen, ohne dass er Konsequenzen zu befürchten hätte. Daher ist es auch richtig, wenn bei Hausbesetzern im Zweifel ein Titel gegen „Unbekannt“ für ausreichend gehalten wird.174 Zwar könnte dies dafür sprechen, auch den Räumungsgläubiger anzuhalten, einen Titel gegen den Schuldner und darüber hinaus gegen Unbekannt zu erwirken, allerdings ist dem Gläubiger im Erkenntnisverfahren oft noch gar nicht bekannt, ob und welche Dritte sich in den Räumen aufhalten. Häufig treten Dritte erst auf, nachdem der Titel bereits vorliegt. Es spricht daher einiges dafür, die Räumungsvollstreckung im Falle des Rechtsmissbrauchs auch gegen Dritte zuzulassen. Allerdings dürfen Praktikabilitäts­ erwägungen nicht dazu führen, dass wesentliche Grundsätze des Zivilprozessrechtes verletzt werden. Grundsätzlich ist gegen denjenigen, gegen den vollstreckt wird, ein Titel erforderlich. Denn durch die Zwangsvollstreckung wird in die Grundrechte des Betroffenen eingegriffen. Rechtsgrundlage ist der Titel. Allerdings kann, was schon immer unstreitig war, auch gegen Besitzdiener vorgegangen werden; denn Besitzdiener haben keine eigene Sachherrschaft, sondern üben die Sachgewalt nur für einen anderen aus und auch nur nach dessen Weisung. Gemäß § 855 BGB sind Besitzdiener keine Besitzer im Rechtssinne. In sehr eng begrenzten Fällen genügt also auch ein Vollstreckungstitel, der den Dritten nicht als Vollstreckungsschuldner bezeichnet. Derjenige, den der Vollstreckungsschuldner allein zur Vereitelung der Räumungsvollstreckung bei sich aufnimmt, wird oft der Weisung des Vollstreckungsschuldners unterliegen. Es handelt sich um einen „Gast“. Folglich kann durchaus von einem Besitzdiener die Rede sein. Wie es sich im Einzelfall verhält, ist für den Gerichtsvollzieher schwer festzustellen. 171

Siehe dazu die Beispiele unter § 2 D. II. 2. LG Lübeck, DGVZ 2008, 172, 173. 173 Fallak, ZMR 2004, 324, 325. 174 LG Kassel, NJW-RR 1991, 381 f.; BLAH, § 253 Rz. 27; Geißler, DGVZ 2011, 37, insb. 40 f.; Lisken, NJW 1982, 1136; Raeschke-Kessler, NJW 1981, 663; Schuschke/Walker/Walker, § 885 Rz. 12; a. A.: Musielak/Lackmann, § 750 Rz. 8. 172

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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Klar ist die Sachlage beispielsweise dann, wenn der Vollstreckungsschuldner und der Dritte sich ihres missbräuchlichen Handelns rühmen. Das wird nicht oft der Fall sein, allerdings animiert die Rechtsprechung des BGH schon beinahe zu solchen Dreistigkeiten. Problematisch sind jedoch die Fälle, in denen der Vollstreckungsschuldner die Räume verlässt und nur noch der Dritte sich darin aufhält. Denn dann wird Alleinbesitz des Dritten nicht zu bestreiten sein. Allerdings darf sich derjenige, der den Besitz rechtsmissbräuchlich erlangt hat, gemäß § 242 BGB nicht darauf berufen. Das führt dazu, dass er einem Besitzdiener gleichsteht. Es ist darauf zu achten, dass der Gerichtsvollzieher nur dann gegen den Dritten vorgehen kann, wenn dem Dritten selbst Rechtsmissbrauch vorzuwerfen ist. In der Regel werden zwar im Falle des Rechtsmissbrauchs der Dritte und der Vollstreckungsschuldner kollusiv zusammenwirken; rechtsmissbräuchliches Verhalten des Vollstreckungsschuldners allein genügt aber nicht. Schließlich wird zwar in das Grundrecht des Dritten aus Art. 13 GG eingegriffen, was gegen eine Anwendung der Vollstreckungsvorschriften der ZPO über ihren Wortlaut hinaus sprechen könnte.175 Gleichwohl ist das Grundrecht des Dritten mit dem grundrechtlich geschützten Vollstreckungsanspruch des Gläubigers abzuwägen. Die Interessen des Gläubigers überwiegen, wenn sich der Dritte den Schutz des Art. 13 GG erschleicht. c) Rechtsmissbrauch, Verschulden als Tatbestandsmerkmal Nach alledem stellt sich die Frage nach dem Verschuldenserfordernis. Dies bestimmt sich nach der Art des Rechtsmissbrauchs bzw. nach der entsprechenden Fallgruppe. Denkbar ist zum Beispiel widersprüchliches Verhalten des Dritten insofern, als er sich zunächst kooperativ zeigt, sich dann aber der Räumung widersetzt. Darauf, dass der Dritte sich nunmehr widersprüchlich und folglich rechtsmissbräuchlich verhält, kann der Vollstreckungsgläubiger sich nur dann berufen, wenn er auf ein bestimmtes Verhalten vertrauen durfte, was regelmäßig eine entsprechende Abrede zwischen ihm und dem Dritten voraussetzt (wenn nicht anderweitig ein geschäftlicher Kontakt bereits zustande gekommen ist). Solche Fälle dürften selten sein; Rechtsmissbrauch kann nach der hier vertretenen Meinung jedenfalls nur dann angenommen werden, wenn der Dritte den Vertrauenstatbestand, den er in zurechenbarer Weise gesetzt hat, schuldhaft verletzt. Denkbar ist außerdem ein vorangegangenes unredliches Tun, wenn der Dritte in Unkenntnis des Vollstreckungsgläubigers heimlich (Mit-)Gewahrsam an den Räumen erwirbt. Solche Fälle sind praktisch bedeutsam176, da der Vollstreckungsgläubiger gegen einen Dritten mangels Kenntnis keinen Titel erwirkt, bei der Vollstreckung aber auf unvorhersehbare Schwierigkeiten stößt. Darüber hinaus werden Dritte zum 175

LG Saarbrücken NZM 2002, 939. OLG Hamburg, NJW 1992, 3308; AG Lübeck DGVZ 1995, 92; vgl. auch LG Lübeck, DGVZ 2008, 172 f. 176

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Teil nur „vorgeschoben“177, insbesondere erst kurz vor der Vollstreckung, so dass der Vollstreckungsgläubiger nicht mehr reagieren kann.178 Der Rechtsmissbrauch kann zwar nicht auf die Verletzung einer Mitteilungspflicht zurückgeführt werden; ein Rechtsverhältnis, aus dem eine Mitteilungspflicht vergleichbar § 681 BGB resultieren würde, existiert nicht zwischen dem Dritten und dem Vollstreckungsgläubiger. In das Vollstreckungsverhältnis ist der Dritte nicht einbezogen; er ist nicht Beteiligter des Verfahrens. Aus der unerlaubten Untervermietung resultiert zwar ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis179; daraus ergibt sich aber keine Mitteilungspflicht des nichtberechtigten Besitzers. Das OLG Hamburg ist der Ansicht, es sei eine „selbstverständliche Pflicht“ (auch des Untermieters), dem Vermieter Nachricht zu geben, um dessen Einverständnis einzuholen.180 Zu Recht lehnt MackOberth eine solche Informationspflicht aber ab, weil es insoweit an einem Vertragsverhältnis fehlt.181 Der Rechtsmissbrauch ist stattdessen auf die sittenwidrige Schädigung zurückzuführen. § 826 BGB findet entsprechend Anwendung. Denn wenn allein unter den dort genannten Voraussetzungen die Vollstreckung gegen einen Vollstreckungsschuldner ausscheidet, der in dem Titel und in der Klausel benannt ist (Durchbrechung der Rechtskraft182), kann im umgekehrten Fall eine Vollstreckung gegen einen nicht im Titel benannten Dritten nur unter den gleichen Voraussetzungen ausnahmsweise durchgeführt werden. Während in dem einen Fall die Rechtskraft durchbrochen wird, wird in dem anderen Fall die Wirkung eines rechtskräftigen Titels erzeugt. Trotz der Unterschiede geht es gleichermaßen um den Titel als Vollstreckungsgrundlage. Es müssen also die Voraussetzungen des § 826 BGB vorliegen. Erforderlich ist, dass der Dritte den Gläubiger schädigt. Dies ist der Fall, soweit infolge des Verhaltens des Dritten das Eigentum des Gläubigers beeinträchtigt und der Vollstreckungsanspruch gegen den Staat, der sich schon aus Art. 6 Abs. 1 EMRK ergibt183 und über Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist184, vereitelt wird. Das Eigentum wird beeinträchtigt und der Vollstreckungsanspruch gegen den Staat vereitelt, soweit das vom Schuldner abgeleitete Besitzrecht dem Gläubiger gegenüber nicht ins Leere geht. Die Schädigung muss sittenwidrig sein. Das ergibt sich zumindest aus dem kollusiven Zusammenwirken seitens des Schuldners und des Dritten. Ferner muss der Dritte, und darauf kommt es letztlich an, vorsätzlich gehandelt haben, wenn die Vollstreckung auf ihn ausgedehnt werden soll. Die Sittenwidrigkeit ist ein einschränkendes Kriterium ebenso wie die Beschränkung des Verschuldens auf Vorsatz (vgl. § 276 Abs. 1 S. 1 BGB). 177

LG Lübeck, DGVZ 2008, 172 f. LG Lübeck, DGVZ 2008, 172, 173; LG Hamburg DGVZ 2005, 164, 165 und auch die Vorinstanz AG Hamburg DGVZ 2005, 164. 179 Kern, NZM 2009, 344, 345. 180 OLG Hamburg NJW 1993, 3308; vgl. ferner OLG Düsseldorf NZM 1998, 880, 881. 181 Mack-Oberth, jurisPR-MietR 12/2009 Anm. 5 (unter D). 182 Vgl. dazu § 7 K. 183 Brox/Walker, ZVR. Rz. 1. 184 Vgl. BVerfG NJW 1988, 3141. 178

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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Für das Verschuldenserfordernis spricht auch ein weiterer Aspekt. Die Vollstreckung wäre auf den Dritten zu erstrecken, obgleich ein Titel gegen den Dritten nicht vorliegt. Das und der Schutzbereich des Art. 13 GG sprechen für eine restriktive Handhabung. Auf Art. 13 GG kann der Betroffene sich grundsätzlich selbst dann berufen, wenn er den Mitbesitz ohne Wissen des Eigentümers/Vermieters erlangt hat.185 Auf die Berechtigung im zivilrechtlichen Sinne kommt es nicht an.186 Der Grundrechtsschutz kann nicht lediglich infolge einer objektiven Interessenabwägung versagt werden; diese ist zudem im Gesetz (in den §§ 885, 750 ZPO) nicht angelegt.187 Allein wegen besonderer Umstände darf es dem Dritten verwehrt sein, sich auf den (Mit-)Besitz zu berufen.188 Ein insoweit maßgeblicher Rechtsmissbrauch kommt daher nur in eng begrenzten Fällen in Betracht. Das spricht für das Verschuldenserfordernis als einschränkendes Kriterium. Werden die Rechtspositionen des Gläubigers (Eigentum, Vollstreckungsanspruch) von dem Mitbesitzer schuldhaft verletzt und handelt der Mitbesitzer deswegen rechtsmissbräuchlich, wenn er sich auf das Titelerfordernis (§ 750 ZPO) beruft, ist er ferner nicht anders zu behandeln, als ein Hausbesetzer. Zu Recht wird diesem von der h. M. die Grundrechtsberechtigung im Hinblick auf Art. 13 GG abgesprochen.189 Gleiches muss für den rechtsmissbräuchlich handelnden Dritten gelten. d) Verfahrensrechtliche Aspekte Der Gerichtsvollzieher hat zumindest in evidenten Fällen zu reagieren und die Räumungsvollstreckung auch auf den Dritten zu erstrecken. Jedoch wird selten ein evidenter Fall vorliegen. Es genügt nämlich nicht, dass plötzlich und unverhofft ein Dritter präsentiert wird. Vielmehr muss dieser selbst sittenwidrig und vorsätzlich gehandelt haben; denn der gutgläubige Besitzer ist schutzwürdig. In der Regel wird vorauszusetzen sein, dass der Dritte in Kenntnis der bevorstehenden Räumung sich den Mitbesitz hat einräumen lassen. Bedingter Vorsatz genügt. Die Evidenzkontrolle durch den Gerichtsvollzieher führt aber nicht dazu, dass alle anderen Fälle des Rechtsmissbrauchs, die verdeckt geschehen oder sich nicht sofort aufdrängen, unberücksichtigt bleiben. Der Formalismus des Prozessrechtes macht eine weitere Kontrolle nicht überflüssig. Denn auch hier wird gegen Treu und Glauben verstoßen, was die Rechtsordnung nicht dulden kann. Fraglich ist allerdings, auf welche Weise der Rechtsmissbrauch im Verfahren der Zwangsvollstreckung überprüft werden kann. 185

OLG Düsseldorf NZM 1998, 880. BeckOK-GG/Fink, Art. 13 Rz. 4. 187 OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.06.03, Az. 26 W 24/03, juris. 188 LG Saarbrücken NZM 2002, 939, 940. 189 BeckOK-GG/Fink, Art. 13 Rz. 4; M/K/S/Gornig GG Art. 13 Rz. 33; Maunz/Dürig/Papier, Art. 13 Rz. 12 (kein Grundrechtsschutz für den, der unberechtigt in die Wohnung eindringt, darin wohnt und/oder wirkt); a. A. Sachs/Kühne, Art. 13 Rz. 19. 186

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Schuschke hat, nachdem auch er die Rechtsprechung des BGH als für die Praxis maßgeblich anerkannt hat, für die Streitfrage, ob gegen Dritte mit dem Titel vollstreckt werden kann, eine besondere Lösung vorgeschlagen. Er regt ein Klauselergänzungsverfahren an, in dem der Titel um solche Personen erweitert wird, deren Besitzrecht erloschen ist; dies soll in analoger Anwendung des § 726 ZPO möglich sein.190 Anleihen nimmt Schuschke am Recht der Immobiliarvollstreckung; denn nach § 93 Abs. 1 ZVG findet im Anschluss an die Zwangsversteigerung die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss gegen all diejenigen Besitzer statt, deren Besitzrecht durch den Zuschlag erloschen ist.191 Das sei etwa der Fall, wenn das ursprüngliche Besitzrecht auf familienrechtlichen Verpflichtungen beruht habe (§§ 1360, 1360a, 1610, 1612 Abs. 2 BGB), da die §§ 57 ZVG, 566, 578 BGB insoweit keine Anwendung fänden.192 Gleichwohl geht nunmehr auch Schuschke davon aus, dass eine ähnliche Lösung im Rahmen der Räumungsvollstreckung eine Gesetzesänderung erforderlich macht. § 940a Abs. 2 ZPO (n. F.)193, der nur die Räumung von Wohnraum betrifft, ist aber in Anbetracht der erleichterten Voraussetzungen (gegenüber denen des § 826 BGB) und des erheblichen Eingriffs in die Rechte des Dritten ungeeignet. In Betracht könnte aber eine Erinnerung nach § 766 ZPO kommen. Lehnt der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung auch gegen den Dritten ab, weil dieser Besitzer, nicht aber Titelschuldner sei, so ist zu erwägen, den Rechtsmissbrauch des Dritten (§ 826 BGB) als eine Einwendung betreffend die Art und Weise der Zwangsvollstreckung geltend zu machen. Zwar können materiell-rechtliche Einwendungen grundsätzlich nur im Erkenntnisverfahren erhoben werden194; das betrifft zum Beispiel das Erlöschen des abgeleiteten Besitzrechtes. Vorliegend beeinflusst aber der Rechtsmissbrauch die Ordnungsgemäßheit bzw. Rechtmäßigkeit des Vollstreckungsverfahrens.195 Hat der Vollstreckungsgläubiger den Vollstreckungsauftrag auf den Dritten erstreckt, wäre daher § 766 Abs. 2, 2. Var. ZPO einschlägig. Auf die Erinnerung hin könnte das Vollstreckungsgericht (der Richter, vgl. § 20 Nr. 17 RpflG) den Gerichtsvollzieher anweisen, auch gegen den Dritten tätig zu werden. Jedoch scheidet eine Erinnerung nach § 766 ZPO mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses regelmäßig aus, zumindest dann, wenn nicht mit wechselnden Dritten zu rechnen ist. Der einfachere Weg für den Vollstreckungsgläubiger ist die Herausgabeklage, weil er dadurch gegen den Dritten einen Titel erwirken kann, ohne die besonderen Voraussetzungen des § 826 BGB geltend machen zu müssen. Dadurch wird der reguläre Rechtsweg beschritten, den das Gesetz für 190

Schuschke, DGVZ 2009, 160, 164 f. Schuschke, DGVZ 2009, 160, 164. 192 Schuschke, DGVZ 2009, 160, 164. 193 Näheres dazu siehe unter § 5 C. II. 2. c). 194 U. a. Schuschke/Walker/Walker, § 766 Rz. 8; Zöller/Stöber, § 766 Rz. 7. 195 Grundsätzlich zur Statthaftigkeit einer Erinnerung, wenn zwar der Einwand dem Grunde nach auf eine materiell-rechtliche Norm gestützt, im Ergebnis aber auf einen prozessualen Mangel Bezug genommen wird: Schuschke/Walker/Walker, § 766 Rz. 8. 191

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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Fälle der benannten Art vorsieht. Auf diese Weise wird zugegebener Maßen obenstehende Lösung, dass nämlich eine Vollstreckung gegen den Dritten ausnahmsweise ohne Titel in Betracht kommt, der Sache nach erheblich eingeschränkt. Eine Erinnerung ist allenfalls dann zulässig, wenn wechselnde Dritte die Räumungsvollstreckung vereiteln. Dann ist es faktisch zwecklos, einen Herausgabetitel gegen eine bestimmte Person zu erwirken, so dass es sinnvoll erscheint, wenn der Gerichtsvollzieher angewiesen wird, gegen jeden die Zwangsvollstreckung zu betreiben, der von nun an planmäßig und unter Ausnutzung des Verfahrensrechts die Räumungsvollstreckung vereitelt. Sofern nur eine Herausgabeklage zu erheben ist, kann daneben grundsätzlich eine einstweilige Räumungsverfügung nach § 940a Abs. 1 ZPO beantragt werden. Voraussetzung für den Erlass einer solchen Leistungsverfügung ist jedoch, dass der Dritte den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt hat. Verbotene Eigenmacht erfordert, dass die Sache dem unmittelbaren Besitzer (Vollstreckungsschuldner) gegen dessen Willen vom Dritten entzogen wurde; auf den Willen des Vollstreckungsgläubigers kommt es nicht an, § 858 Abs. 1 BGB. Solche Fälle sind bei der Räumungsvereitelung atypisch. Zwar ist zu überlegen, ob infolge des kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Vollstreckungsschuldner und dem Dritten der Dritte nicht besser so zu behandeln wäre, als hätte er den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt. Jedoch ist § 940a Abs. 1 ZPO als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Zudem müssten die Voraussetzungen des § 826 BGB im einstweiligen Rechtsschutz verlässlich geprüft werden, was wegen der Ausgestaltung des Verfahrens nicht möglich ist. Insbesondere kann das Verschulden nicht verlässlich beurteilt werden. Außer in den Fällen des § 940a ZPO kann daher nicht schon vorab ein „vorläufiger“ Räumungstitel erlangt werden. e) Zusammenfassung Nur wenn der Dritte vorsätzlich handelt und darüber hinaus das Verhalten sittenwidrig erscheint, kann gegen ihn vollstreckt werden, ohne dass er im Titel als Vollstreckungsschuldner benannt sein muss. Es handelt sich um eine qualifizierte Form des Rechtsmissbrauchs. Qualifizierter Rechtsmissbrauch wird in den meisten Fällen nicht allein deshalb anzunehmen sein, weil der Hauptmieter eine dritte Person bei sich aufnimmt, ohne dass der Gläubiger/Vermieter Kenntnis davon hat. Denn dann verletzt allenfalls der Mieter eine vertragliche Nebenpflicht. Ebenso kann auch nicht ausreichen, dass der Hauptmieter im Erkenntnisverfahren den Vermieter, der auf Räumung klagt, nicht über die dritte Person in Kenntnis setzt. Erforderlich ist nämlich, dass der Dritte selbst rechtsmissbräuchlich und sittenwidrig handelt. Jedoch wird das dann anzunehmen sein, wenn der Dritte in Kenntnis der bevorstehenden Vollstreckung die Räumlichkeiten in Besitz genommen oder Mitbesitz erlangt hat, um die Räumungsvollstreckung zum Nachteil des Gläubigers zu verzögern oder zu vereiteln. Qualifizierter Rechtsmissbrauch liegt im Übrigen im Fall der Hausbesetzung vor, wenn sich die Betreffenden in die Anonymität

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

flüchten und sich damit § 750 ZPO zu Nutze machen. Hier genügt ein Titel gegen „Unbekannt“. Übt der rechtsmissbräuchlich handelnde Dritte bei Durchführung der Räumungsvollstreckung nur noch Alleinbesitz aus, steht er einem Hausbesetzer gleich; der Titel gegen den Vollstreckungsschuldner muss aber nicht gegen ihn, geschweige denn gegen „Unbekannt“ umgeschrieben werden. 2. Titel – Vereitelung der Sachpfändung Nach § 809 ZPO sind die vollstreckungsrechtlichen Vorschriften auf die Pfändung von Sachen, die sich im Gewahrsam des Gläubigers oder eines zur Herausgabe bereiten Dritten befinden, entsprechend anzuwenden. Problematisch sind also die Fälle, in denen der Vollstreckungsschuldner, gegen den ein Titel vorliegt, pfändbare und verwertbare Sachen einem Dritten übergibt und der Dritte die Herausgabe verweigert und beide dadurch die Zwangsvollstreckung verzögern. Denn der Vollstreckungsgläubiger muss nun nach §§ 846, 847 ZPO vorgehen und den Herausgabeanspruch des Vollstreckungsschuldners gegen den Dritten pfänden lassen und, sofern der Dritte weiterhin zur Herausgabe nicht bereit ist, auf Herausgabe an den Gerichtsvollzieher klagen. Die Klagebefugnis ergibt sich bereits aus dem Pfändungsbeschluss, in dem die Herausgabe angeordnet ist.196 a) Meinungsstand Es stellt sich mithin die Frage, ob gegen den Dritten im Falle rechtsmissbräuchlichen Verhaltens vollstreckt werden kann, ob also der Gerichtsvollzieher die Sache durch Inbesitznahme pfänden kann (§§ 803 Abs. 1 S. 1, 808 Abs. 1 ZPO), obwohl gegen den Dritten ein Titel nicht vorliegt. Dies ist umstritten. Zum Teil wird behauptet, dass es sich um „Scheingewahrsam“ handle, der nicht geschützt sei; wurde die Sache von dem Dritten in Gewahrsam genommen, um sie der Zwangsvollstreckung zu entziehen, insbesondere bei kollusivem Zusammenwirken mit dem Vollstreckungsschuldner, finde § 809 ZPO keine Anwendung.197 Andererseits wird vertreten, dass wegen des formalisierten Verfahrens § 809 ZPO in jedem Fall zu beachten sei und trotz der Umstände z. B. wegen Beiseiteschaffens der Sache diese dem Dritten nicht weggenommen werden könne, wenn er die Herausgabe verweigere.198 196

Hk-ZV/Bendtsen, § 847 Rz. 8; MüKoZPO/Smid, § 847 Rz. 12; Schuschke/Walker/Schuschke, § 847 Rz. 3; Zöller/Stöber, § 847 Rz. 4. 197 LG Tübingen und vorher bereits AG Rottenburg DGVZ 1992, 137/138; AG Flensburg DGVZ 1995, 60; Knoche, ZZP 114 (2001), 399, 426 f.; MüKoZPO/Gruber, § 809 Rz. 6; Werner, DGVZ 1986, 49, 53 f.; Zöller/Stöber, § 809 Rz. 5; vgl. auch OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 998; Hk-ZV/Kindl, § 809 Rz. 4. 198 Brox/Walker, ZVR, Rz. 254 (mit Ausnahme für den Fall, dass sich der Dritte einer missbräuchlichen Erlangung des Gewahrsams berühmt); Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 51 Rz. 24; StJ/Münzberg, § 809 Rz. 4; ThP/Seiler, § 809 Rz. 4.

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

253

Der BGH hat sich zu dieser Frage (Anwendbarkeit des § 809 ZPO bei rechtsmissbräuchlicher Weigerung, die Sache herauszugeben) bislang nicht ausdrücklich geäußert. Jedoch hält er auch sonst streng am Titelerfordernis fest. Geht der BGH allgemein davon aus, dass gegen den Widerspruch des Dritten der Gerichtsvollzieher die Sache nur wegschaffen dürfe, wenn ein Titel gegen den Dritten erwirkt worden sei199, muss angenommen werden, dass er dies auch im Falle rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht anders beurteilen würde. Auch im Falle der Räumungsvereitelung weicht der BGH von seiner streng formalen Auffassung nicht ab (siehe oben). b) Stellungnahme Überzeugen kann allein die erstgenannte Ansicht, wenngleich mit abweichender Begründung. Der Begriff des Scheingewahrsams ist irreführend. Mit Gewahr­ sam werden die tatsächlichen Verhältnisse umschrieben, nicht die Ausübung eines Rechts. Deshalb kann, wenn die tatsächlichen Verhältnisse für den Gewahrsam eines Dritten sprechen, die Ausübung des Gewahrsams nicht unzulässig sein (schon begrifflich nicht) oder aufgrund des Rechtsmissbrauchs nur unechter Gewahrsam bzw. Scheingewahrsam angenommen werden. Gewahrsam übt der Dritte nur dann nicht aus, wenn er Besitzdiener (§ 855 BGB) ist. In einem solchen Fall ist der Vollstreckungsschuldner Gewahrsamsinhaber.200 Unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 855 BGB (Ausübung der Sachherrschaft im Haushalt oder im Erwerbsgeschäft des Vollstreckungsschuldners) ist der Dritte regelmäßig kein Besitzdiener im Sinne des BGB. Um eine unzulässige Rechtsausübung handelt es sich jedoch, wenn der Dritte die Herausgabe der beiseite geschafften Sache in Kenntnis der Umstände verweigert und sich ausdrücklich oder konkludent auf § 809 ZPO beruft. In einem solchen Fall kann dem Vollstreckungsgläubiger nicht zugemutet werden, dass er einen Titel gegen den Dritten erstreiten muss; denn das Recht duldet nicht die Durchsetzung unlauterer Vorteile. Es gilt das zur Räumungsvereitelung Gesagte. c) Verschulden Der Dritte selbst muss rechtsmissbräuchlich gehandelt haben. Auch hier ist, damit das Titelerfordernis ausnahmsweise ersetzt werden kann, notwendig, dass die Voraussetzungen des § 826 BGB vorliegen. Einfacher Rechtsmissbrauch genügt nicht (siehe oben zur Räumungsvereitelung). Nur dann, wenn der Vollstreckungsschuldner einen Herausgabeanspruch gegen den Dritten hat (was anzunehmen ist, wenn der Dritte die Sache vorübergehend verwahrt oder eine Übereignung ledig 199

BGH NJW-RR 2004, 352. Siehe nur Zöller/Stöber, § 808 Rz. 8 und § 809 Rz. 2.

200

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

lich fingiert wurde), wenn sich die Vermögensverschiebung als sittenwidrig darstellt (insbesondere bei kollusivem Zusammenwirken zwischen dem Dritten und dem Vollstreckungsschuldner) und wenn der Dritte Kenntnis hatte bzw. vorsätzlich handelte, kann die Sache im Rahmen der Zwangsvollstreckung dem Dritten nach § 808 Abs. 1 ZPO weggenommen werden, ohne dass ein Titel dies ausdrücklich gestattet. Der Dritte wird so behandelt, als habe er eingewilligt und als sei er zur Herausgabe bereit (vgl. § 809 ZPO). Erforderlich ist also ein qualifiziertes Verschulden, nämlich Vorsatz nach § 276 Abs. 1 BGB. d) Verfahrensrechtliche Aspekte Freilich kann sich der Gerichtsvollzieher nach diesen Grundsätzen in An­betracht des formalisierten Verfahrens nur in evidenten Fällen über das Erfordernis eines Titels hinwegsetzen. Das wird anzunehmen sein, wenn sich der Dritte selbst des Beiseiteschaffens der Sache rühmt, um sie der Zwangsvollstreckung zu entziehen.201 Wenn der Gerichtsvollzieher aber die Pfändung gegen den Dritten verweigert, kann der Vollstreckungsgläubiger nicht mit Erfolg Erinnerung (§ 766 ZPO) einlegen. Denn hier müsste der Vollstreckungsgläubiger die Voraussetzungen des § 826 BGB dartun. Für einen Antrag nach § 766 Abs. 2, 2. Alt. ZPO fehlt in Anbetracht dessen das Rechtsschutzbedürfnis; die ZPO sieht die Klage gegen den Dritten als den regulären und daher vorzugswürdigen Weg vor. Nur ausnahmsweise kommt statt der Klage gegen den Dritten eine Erinnerung in Betracht, wenn nämlich ernsthaft zu erwarten ist, dass die Sache willkürlich an andere weitergegeben wird, um etwaige Vollstreckungsversuche zu unterlaufen.202 3. Klausel – Erschleichen einer weiteren Ausfertigung Die Zwangsvollstreckung setzt regelmäßig eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils (§§ 724 ff. ZPO) bzw. eine vollstreckbare Ausfertigung eines anderen Titels (§§ 794, 795 S. 1, 724 ff. ZPO) voraus.203 In bestimmten Fällen ist eine weitere vollstreckbare Ausfertigung notwendig. Das kann einerseits der Fall sein, wenn gleichzeitig an verschiedenen Orten auf verschiedene Vermögenswerte zugegriffen204 oder gegen Gesamtschuldner an verschiedenen Orten bzw. durch unter-

201 AG Flensburg DGVZ 1995, 60; siehe bereits Pawlowski, DGVZ 1976, 33, 36; so auch Brox/Walker, ZVR, Rz. 254 (trotz der Ansicht, dass § 809 ZPO prinzipiell zu beachten sei). 202 Näheres siehe oben zur Räumungsvollstreckung. 203 Brox/Walker, ZVR, Rz. 105 auch zu den Ausnahmefällen, z. B. dem Vollstreckungs­ bescheid (§ 796 Abs. 1 ZPO), dem Arrestbefehl (§ 929 Abs. 1), der einstweiligen Verfügung (§§ 936, 929 Abs. 1 ZPO). 204 Bartels, ZZP 116 (2003), 57, 61; Zöller/Stöber, § 733 Rz. 6; siehe auch Schuschke/­Walker/ Schuschke, § 733 Rz. 7.

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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schiedlich funktionell-zuständige Vollstreckungsorgane vollstreckt werden soll.205 Das kann andererseits der Fall sein bei Aushändigung der vollstreckbaren Ausfertigung an den Vollstreckungsschuldner, bei Vernichtung und auch bei Verlust, sofern die Schuld nicht vollständig beigetrieben/vollstreckt worden ist. Insbesondere in den Fällen, in denen infolge des Gläubigerverhaltens eine weitere Ausfertigung notwendig geworden ist, besteht Missbrauchsgefahr. Täuscht der Vollstreckungsgläubiger beispielsweise den Verlust der Erstausfertigung lediglich vor und erschleicht er sich die zweite Ausfertigung, dann besteht die Gefahr der Doppel­ vollstreckung. Eine weitere vollstreckbare Ausfertigung wird auf einen formlosen Antrag hin206 erteilt nach § 733 ZPO. Zuständig ist der Rechtspfleger, § 20 Nr. 12 RPflG. § 733 ZPO regelt das Verfahren, stellt aber für die „Zweiterteilung“ keine Voraussetzungen auf. Es herrscht Einigkeit darüber, dass neben den allgemeinen Voraussetzungen (§§ 724 ff. ZPO) in der Regel ein besonderes, berechtigtes Interesse des Gläubigers gegeben sein muss und dass dabei die Interessen des Schuldners nicht überwiegen dürfen.207 Hat der Gläubiger kein berechtigtes Interesse, fehlt es nach einer Ansicht am Rechtsschutzbedürfnis.208 Damit wäre der (formlose) Antrag unzulässig. Zum Teil werden das berechtigte Interesse und die Interessen­ abwägung zugunsten des Gläubigers als materielle Voraussetzungen bezeichnet.209 Das spricht wiederum dafür, den Antrag im Zweifel für unbegründet zu halten. Ob es sich um eine Frage der Zulässigkeit oder der Begründetheit handelt, kann jedoch dahinstehen; in jedem Fall hat der Gläubiger sein besonderes Interesse zuerst glaubhaft zu machen210, so dass ferner nach Anhörung des Schuldners die Interessenabwägung durchgeführt werden kann.

205 OLG Karslruhe, Beschl. v. 30.03.1999, Az. 10 W 13/99, juris; Zöller/Stöber, § 733 Rz. 8 m. w. N.; siehe auch Schuschke/Walker/Schuschke, § 733 Rz. 8. 206 Zöller/Stöber, § 733 Rz. 11. 207 OLG Celle MDR 2009, 827 f.; OLG Saarbrücken Rpfleger 2007, 673, 674; OLG Schleswig, Beschl. v. 02.11.99, Az. 16 W 169/99, juris; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.03.99, Az. 10 W 13/99, juris; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 1271, 1272; OLG Bremen, Beschl. v. 22.04.92, 2 W 24/92, juris, Rz. 4; OLG Frankfurt, NJW-RR 1988, 512; Hk-ZPO/Kindl, § 733 Rz. 4; ­MüKoZPO/Wolfsteiner, § 733 Rz. 12; Musielak/Lackmann, § 733 Rz. 6; Zöller/Stöber, § 733 Rz. 4 ff.; vgl. ferner Schuschke/Walker/Schuschke, § 733 Rz. 3 ff./10. – Anders ist es dann, wenn eine weitere vollstreckbare Ausfertigung begehrt wird, nachdem die erste vollstreckbare Ausfertigung an das Gericht oder an den Schuldner zurückgegeben wurde. Eine Interessenabwägung im engeren Sinne findet nicht statt, da eine Doppelvollstreckung von vorn herein nicht zu besorgen ist (OLG Saarbrücken Rpfleger 2007, 673; BLAH, § 733 Rz. 2 [„freie Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung“] im Vergleich zu Rz. 3; StJ/Münzberg, § 733 Rz. 3; ferner Zöller/Stöber, § 733 Rz. 3, der aber statt § 733 ZPO die Vorschrift des § 724 ZPO anwenden will; so auch OLG Rostock, Beschl. v. 20.03.01, Az. 1 W 137/97, juris, Rz. 3; OLG Hamm Rpfleger 1988, 508, 509). 208 BLAH, § 733 Rz. 3; Schuschke/Walker/Schuschke, § 733 Rz. 3 ff. 209 MüKoZPO/Wolfsteiner, § 733 Rz. 12 ff. 210 Vgl. Zöller/Stöber, § 733 Rz. 12.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

a) Verschulden Ob sich ein Verschulden des Gläubigers auswirkt und gegen die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung nach § 733 ZPO spricht, ist fraglich. Dies wurde bislang nur selten angenommen, so etwa – wenn auch nicht aus­drücklich – vom OLG Frankfurt in einer Entscheidung von 1977.211 Nach dessen Meinung schied ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers aus, weil die vollstreckbare Ausfertigung nicht bloß versehentlich ausgehändigt worden war.212 Zum Verschuldensmaßstab äußerte sich das Gericht nicht, wie es auch den Begriff des Verschuldens nicht ausdrücklich verwendete, sondern nach versehentlichem bzw. nicht versehentlichem Handeln unterschied. Einiges spricht jedenfalls dafür, dass zumindest einfach-fahrlässiges Verhalten nicht ausreichen soll, um die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung zu versagen. So hat auch das OLG Bremen die Ansicht vertreten, dass die versehentliche Herausgabe der ersten vollstreckbaren Ausfertigung unschädlich ist.213 Indessen nimmt die h. M. an, dass Verschulden für die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung überhaupt keine Rolle spielt. Dies wird häufig und ausdrücklich vertreten, was den Verlust der vollstreckbaren Ausfertigung betrifft214 und auch im Hinblick auf das Überlassen der vollstreckbaren Ausfertigung an den Schuldner (oder an Dritte).215 Zum Teil wird gesagt, dass Verschulden für keinen der Anwendungsfälle des § 733 ZPO von Bedeutung sei.216 Auf Verschulden könnte es ankommen, wenn in Frage steht, ob ein berechtigtes Interesse des Vollstreckungsgläubigers deshalb ausscheidet und die Interessen des Vollstreckungsschuldners überwiegen, weil der Vollstreckungsgläubiger sich widersprüchlich und damit rechtsmissbräuchlich verhält. So kann etwa durch die Rückgabe der vollstreckbaren Ausfertigung der Eindruck erweckt worden sein, dass die Zwangsvollstreckung nicht fortgesetzt werde. Hierfür ist ein schuldhaftes Verhalten noch nicht erforderlich; es genügt, wenn der Vollstreckungsgläubiger die vertrauensbegründenden Umstände beherrscht hat und sie hätte vermeiden können217, wenn ihm das frühere Verhalten also zugerechnet werden kann.218 Der Antrag nach § 733 ZPO ist sodann abzulehnen, wenn der Vollstreckungsschuldner

211

OLG Frankfurt (Beschl. v. 23.12.77) Rpfleger 1978, 104, 105. OLG Frankfurt (Beschl. v. 23.12.77) Rpfleger 1978, 104, 105. 213 OLG Bremen, Beschl. v. 22.04.92, 2 W 24/92, juris, Rz. 7. 214 OLG Saarbrücken Rpfleger 2007, 673, 674; LAG Hannover, Beschl. v. 23.05.03, 5 Ta 276/02, juris Rz. 18; OLG Schleswig, Beschl. v. 02.11.99, Az. 16 W 169/99, juris; MüKoZPO/ Wolfsteiner, § 733 Rz. 13 m. w. N.; Musielak/Lackmann, § 733 Rz. 6; Schuschke/Walker/ Schuschke, § 733 Rz. 4, Zöller/Stöber, § 733 Rz. 5. 215 MüKoZPO/Wolfsteiner, § 733 Rz. 13 m. w. N. 216 StJ/Münzberg, § 733 Rz. 3, 4 ff. 217 Soergel/Teichmann, § 242 Rz. 319; Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rz. 293. 218 Vgl. Bamberger/Roth/Grüneberg, § 242 Rz. 109; MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 288 – Zurechnung bei Erkennbarkeit des vertrauensbegründenden Effekts. 212

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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in schutzwürdiger Weise darauf vertraut hat, dass weitere Vollstreckungsversuche unterbleiben. Im Rahmen der Interessenabwägung sind die beidseitigen Belange zu würdigen; dabei sind insbesondere die subjektiven Kriterien zu berücksichtigen219, namentlich das schuldhafte Verhalten. Den Vollstreckungsschuldner trifft dabei die Pflicht, den Vollstreckungsgläubiger über offene Restforderungen aufzuklären, sofern er erkennt, dass der Vollstreckungsgläubiger dies seinerseits übersieht.220 Verstößt der Vollstreckungsschuldner gegen die Aufklärungspflicht vorsätzlich, ist er nicht schutzwürdig. Einfache Fahrlässigkeit genügt dagegen nicht, solange der Vollstreckungsgläubiger selbst fahrlässig handelt. Lediglich bei grob fahrlässigem Verhalten des Vollstreckungsschuldners überwiegen wiederum die berechtigten Interessen des Vollstreckungsgläubigers.221 In diesem Fall und im Fall von Vorsatz scheidet nach alledem ein schutzwürdiges Vertrauen des Voll­ streckungsschuldners aus; dem Antrag nach § 733 ZPO ist stattzugeben. Anders ist es, wenn der Vollstreckungsgläubiger die vollstreckbare Erstausfertigung lediglich verloren oder sie vernichtet hat, ohne dass der Vollstreckungsschuldner davon erfährt. Im erstgenannten Fall fehlt es an einem Verhalten, zu dem sich der Vollstreckungsschuldner bei einem Antrag nach § 733 ZPO in Widerspruch setzt. Im letztgenannten Fall wurde kein Vertrauenstatbestand geschaffen; es handelt sich auch nicht um einen Ausnahmetatbestand, der einen unauflöslichen Widerspruch bedingt. Es kann daher nicht mit rechtsmissbräuchlich-widersprüchlichem Verhalten argumentiert werden. Beidermaßen ist Verschulden nicht von Belang. Problematisch scheint zu sein, dass im Fall rechtsmissbräuchlich-widersprüchlichen Verhaltens schon die Herausgabe der Erstausfertigung einem Voll­ streckungsverzicht ähnelt – auch was die Rechtsfolgen betrifft, wenn eine weitere Vollstreckbare Ausfertigung nicht mehr verlangt werden kann – jedoch die strengen Voraussetzungen eines Verzichts nicht erfüllt sind. Der Verzicht ist nämlich eine Prozesshandlung. Prozesshandlungen müssen hinreichend bestimmt sein. Sie bedürfen außerhalb der mündlichen Verhandlung der Schriftform.222 Ein schlüssiges Verhalten genügt nicht.223 Dass nach den Grundsätzen des widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) dieselbe Rechtsfolge, namentlich ein Vollstreckungshindernis unter vermeintlich einfacheren Voraussetzungen begründet wird, ist aber bei näherem Hinsehen gerechtfertigt; denn Rechtsmissbrauch wegen widersprüch­ lichem Verhalten kommt überall dort in Betracht, wo sich die Bindung nicht bereits aus einem Rechtsgeschäft ergibt.224 Die dogmatischen Grundlagen sind auch

219 MüKoBGB/Roth/Schubert, § 242 Rz. 288, 290; Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rz. 294. 220 Die Pflicht ergibt sich aus dem Vollstreckungsverhältnis in Verbindung mit § 242 BGB. 221 Vgl. Soegrel/Teichmann, § 242 Rz. 320. 222 Hk-ZPO/Saenger, Einf. Rz. 125; Zöller/Greger, Vor § 128 Rz. 19. 223 Dazu Zöller/Greger, Vor § 128 Rz. 19. 224 Singer, NZA 1998, 1309, 1310; Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rz. 287 a.E.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

verschieden; beim Verzicht ergibt sich die Bindung des Vollstreckungsgläubigers aus seinem klaren Versprechen, beim widersprüchlichen Verhalten aus dem von ihm gesetzten Vertrauenstatbestand, also aus den Umständen. Von der Frage, ob dem Vollstreckungsgläubiger eine weitere vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen ist, ist die kostenrechtliche Verpflichtung nach § 788 ZPO zu unterscheiden. Der Vollstreckungsgläubiger hat solche Kosten zu vermeiden, die nicht erforderlich sind. Er trägt die Kosten selbst, wenn er die der Zweit­ ausfertigung zu vertreten hat.225 Auf diesem Wege ist der Vollstreckungsschuldner mittelbar vor missbräuchlichem Verhalten des Vollstreckungsgläubigers geschützt. b) Verfahrensrechtliche Aspekte Zum Teil wird offenbar vertreten, dass schuldhaftes Verhalten des Titelgläubigers eine höhere „Nachweispflicht“ begründet. Grundsätzlich sind die Voraussetzungen für die Erteilung einer weiteren Ausfertigung vom Titelgläubiger glaubhaft zu machen (§ 294 ZPO).226 Das soll nach einer Ansicht aber dann nicht ausreichen, wenn die (Erst-)Ausfertigung dem Schuldner ausgehändigt wurde; denn dann sei zu vermuten, dass ein Anspruch nicht mehr bestehe – in diesem Fall müsse der Gläubiger für das Gegenteil den Vollbeweis antreten.227 Dabei liegt der Vorwurf gegenüber dem Titelgläubiger offenbar nicht darin, dass er die (Erst-)Ausfertigung herausgegeben hat oder herausgeben hat lassen, obwohl er die noch offene Schuld hätte kennen müssen. Denn damit würde von einem fortbestehenden Anspruch ausgegangen, wonach auch gemäß der eben genannten Ansicht eine weitere Ausfertigung zu erteilen wäre. Es wird dem Titelgläubiger wohl vielmehr vorgeworfen, dass er in eigenen Angelegenheiten nicht sorgfältig genug geprüft hat und dass er damit fahrlässig, ggf. sogar vorsätzlich eine Obliegenheit verletzt hat. Dem Anschein nach wird der Vollstreckungsschuldner in einem solchen Fall für besonders schutzwürdig gehalten. So soll die „versehentliche“ Herausgabe eine Beweispflicht auch dann nach sich ziehen, wenn sich der Titelgläubiger bei der Herausgabe in den Beweggründen getäuscht hat228, wenn er also angenommen hat, die Schuld sei erfüllt. Ob damit aber nun tatsächlich an eine schuldhafte Obliegen-

225 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 01.03.2004, Az. 16 WF 221/03, juris, LS 2 und Rz. 5; ebenso (im Umkehrschluss) AG Leipzig, JurBüro 2004, 214; Scheider, DGVZ 2011, 26, 28; auch Schuschke/Walker/Schuschke, § 733 Rz. 13. 226 OLG Celle MDR 2009, 827; OLG Saarbrücken Rpfleger 2007, 673, 674; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 1271, 1272; OLG Hamm Rpfleger 1979, 431, 432; OLG Frankfurt Rpfleger 1978, 104, 105; Bartels, ZZP Bd. 116 (2003), 57, 61; BLAH, § 733 Rz. 7; MüKoZPO/Wolfsteiner, § 733 Rz. 17; Musielak/Lackmann, § 733 Rz. 8; Schuschke/Walker/Schuschke, § 733 Rz. 4, 5, (6); ThP/Seiler, § 733 Rz. 4. 227 OLG Stuttgart Rpfleger 1976, 144; LG Hechingen Rpfleger 1984, 151; Zöller/Stöber, § 733 Rz. 12. 228 LG Hechingen Rpfleger 1984, 151.

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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heitsverletzung angeknüpft wird oder nicht, kann dahinstehen. Denn die oben genannte Ansicht ist abzulehnen. Ob der Anspruch noch besteht oder der Gläubiger befriedigt wurde229, ist eine materiell-rechtliche Frage. Ein solcher Aspekt kann für die Erteilung einer weiteren Ausfertigung nach § 733 ZPO nicht relevant sein. Es kommt lediglich auf die allgemeinen Voraussetzungen für eine Klauselerteilung (§ 724 ZPO) und auf das besondere Interesse des Titelgläubigers an. Materiell-rechtliche Einwendungen hat der Schuldner außerhalb von § 733 ZPO im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend zu machen.230 Im Zusammenhang mit § 733 ZPO weist zudem das OLG Saarbrücken ausdrücklich darauf hin, dass es grundsätzlich „Sache des Schuldner ist, sich gegen den titulierten Anspruch mit der Vollstreckungsabwehrklage zur Wehr zu setzen“.231 Weil es daher auf die Vermutung der vollständigen Befriedigung nicht ankommt, hat der Titelgläubiger auch nicht den Gegenbeweis zu führen. Das mutmaßlich schuldhafte Verhalten ist ohne Belang. Nur im Einzelfall trifft den Gläubiger die volle Beweislast232; nämlich dann, wenn weitere Umstände hinzutreten und fraglich ist, ob die objektive Gefahr einer Doppelvollstreckung besteht. Bestreitet beispielsweise der Schuldner das vom Gläubiger vorgetragene besondere Interesse, weil z. B. die Erstausfertigung nicht vernichtet worden sei, und hat das Gericht daraufhin begründete Zweifel, kann es vom Titelgläubiger den Vollbeweis des Gegenteils verlangen. Dann kommt es aber auf Verschulden nicht an. 4. Zustellung – Erschleichen der Zustellung Gemäß § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung nur dann beginnen, wenn die Ausfertigung des Urteils bzw. eines anderen Titels (§§ 794, 795 S. 1, 750 Abs. 1 S. 1 ZPO) zugestellt wurde. Die Zustellung ist in den §§ 166 ff. ZPO geregelt. Neben den verschiedenen Zustellungsformen kann vor allem die öffentliche Zustellung nach §§ 185 ff. ZPO von besonderem Interesse für den Titelgläubiger sein. Denn in diesem Fall wird die Zustellung fingiert, wenn seit Aushang der Benachrichtigung ein Monat vergangen ist (§ 188 S. 1 ZPO).233 Weil der Titelschuldner keine Kenntnis zu erlangen braucht, kann es ihm aus tatsächlichen Gründen unmöglich sein, sich gegen den Titel (Vollstreckungsgrundlage) zur Wehr zu setzen oder Vollstreckungsschutz zu beantragen. Weil der Titelgläubiger u. a. durch die bloße Auskunft dahingehend, dass er den Aufenthaltsort des Titelschuldners nicht kenne (§ 185 Nr. 1 ZPO), die gerichtliche Bewilligung der öffentlichen Zu 229 Ausdrücklich mit dieser Wortwahl („befriedigt“): OLG Stuttgart Rpfleger 1976, 144; LG Hechingen Rpfleger 1984, 151. 230 OLG Saarbrücken Rpfleger 2007, 673, 674; Musielak/Lackmann, § 733 Rz. 6; StJ/Münzberg, § 733 Rz. 14 Fn. 44; vgl. auch OLG Hamm Rpfleger 1979, 431, 432. 231 OLG Saarbrücken Rpfleger 2007, 673, 674. 232 Hk-ZPO/Kindl, § 733 Rz. 5; StJ/Münzberg, § 733 Rz. 14. 233 Siehe aber auch § 188 S. 2 ZPO – zuständiges Gericht kann längere Frist bestimmen.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

stellung nach § 186 Abs. 1 S. 1 ZPO „herbeiführen“ kann, ist es ohne großen Aufwand möglich, das Verfahren zu manipulieren. Aus diesen Gründen ist besonders der Missbrauch der §§ 185 ff. ZPO von praktischer Relevanz.234 a) Verschulden Das Erschleichen der Zustellung wird als treuwidriges Verhalten und damit als Rechtsmissbrauch eingestuft.235 Nach Ansicht des BGH komme es auf Verschulden des Gläubigers nicht an.236 Obwohl der BGH für den Verstoß gegen Treu und Glauben das Verschulden als Tatbestandsmerkmal damit ausdrücklich verneint, stellt er dennoch auf subjektive Kriterien ab. Denn er führt aus, dass derjenige, der trotz Kenntnis vom Aufenthaltsort der Empfangsperson die öffentliche Zustellung bewirken lasse, rechtsmissbräuchlich handle.237 Der BGH hält auch im Übrigen wissentlich falsche Angaben für maßgeblich.238 Zudem weist das KG darauf hin, dass Rechtsmissbrauch nicht nur anzunehmen sei, wenn die betreffende Person trotz Kenntnis des Aufenthaltsortes die öffentliche Zustellung ausführen lasse, sondern auch dann, wenn sich die betreffende Person der Erkenntnis über den Aufenthalt bewusst verschließe.239 Beide Fälle stünden einander gleich.240 In der Literatur wird im Hinblick auf das Erschleichen der Zustellung – soweit ersichtlich – ein etwaiges Verschuldenserfordernis nicht diskutiert. Aber auch hier wird vertreten, dass es maßgeblich auf wissentlich falsche Angaben241 bzw. auf das Verschweigen des bekannten Aufenthaltes der Empfangsperson242 ankommt. Wenn Stackmann darauf abstellt, dass die Voraussetzungen des § 185 ZPO vorgespiegelt werden243, knüpft wohl auch er an die Kenntnis vom Aufenthaltsort an, da eine irrtümliche Auskunft nicht als „Vorspiegeln falscher Tatsachen“ zu beurteilen ist. Für die Frage nach dem Verschuldenserfordernis kommt es maßgeblich darauf an, um welche Fallgruppe des Rechtsmissbrauchs es sich handelt. Weil die Zustellung erst nach Fristablauf fingiert, jedoch entscheidend auf die vorangegangenen Falschauskünfte abgestellt wird, handelt es sich um Rechtsmissbrauch wegen un 234

So hat die Rechtsprechung sich immer wieder mit einem Erschleichen der Bewilligung der öffentlichen Zustellung zu befassen: BGH NJW 2003, 1326; 1992, 2280; NJW 1975, 827; NJW 1971, 226; KG NJW-RR 2006, 1380; vgl. auch OLG Stuttgart NJW-RR 2007, 952. 235 BGH NJW 1992, 2280, 2281; NJW 1975, 827, 828; NJW 1971, 226; KG NJW-RR 2006, 1380, 1381; MüKoZPO/Häublein, § 185 Rz. 18; Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rz. 949, 1092. 236 BGH NJW 1975, 827, 828. 237 BGH NJW 1975, 827, 828. 238 BGH NJW 1992, 1380, 1381; NJW 1971, 2226. 239 KG NJW-RR 2006, 1380, 1381. 240 KG NJW-RR 2006, 1380, 1381. 241 MüKoZPO/Häublein, § 185 Rz. 18. 242 Fischer, ZZP 107 (1994), 163, 178. 243 Stackmann, JuS 2007, 634, 637.

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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redlichen, früheren Verhaltens. Das setzt eine schuldhafte Pflichtverletzung, gegebenenfalls eine Obliegenheitsverletzung voraus. Naheliegend ist ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht gemäß § 138 Abs. 1 ZPO. Die Wahrheitspflicht gilt in jedem Verfahren der Prozessordnung244 und damit u. a. in der Zwangsvollstreckung245 und auch vor Beginn der Zwangsvollstreckung im Verfahren nach §§ 185 ff. ZPO. Es stellt sich nur die Frage, in welchem Verhältnis die Wahrheitspflicht gilt und wem gegenüber der Titelgläubiger gebunden ist, mit anderen Worten: ob sich der Schuldner überhaupt darauf berufen und infolgedessen das Fehlen einer allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzung geltend machen darf. Die Wahrheitspflicht gilt grundsätzlich zwischen den Verfahrensbeteiligten und im Verhältnis zum Gericht.246 Voraussetzung ist jedoch eine rechtliche Sonderbeziehung untereinander. Wird das Verfahren nach §§ 185 ff. ZPO betrieben, fehlt es an einem dreiseitigen Vollstreckungsrechtsverhältnis. Dieses entsteht erst auf Antrag des Gläubigers hin mit Beginn der Zwangsvollstreckung, wenn nämlich Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner stattfinden247 oder gegen ihn Entscheidungen ergehen. Zum einen wird aber ein prozessuales Sonderrechtsverhältnis zwischen Titelgläubiger und Gericht durch das Verfahren nach §§ 185 ff. ZPO begründet. Auch wenn das Gericht letztlich von Amts wegen entscheidet248, ist der Titelgläubiger nach § 138 Abs. 1 ZPO zur Wahrheit verpflichtet, weil anderenfalls ein rechtsstaatliches Verfahren nicht gesichert wäre. Zum anderen wirkt neben diesem Sonderrechtsverhältnis auch das Prozessrechtsverhältnis fort. Es bindet die Prozessparteien untereinander und im Verhältnis zum Gericht. Es endet mit Eintritt der formellen Rechtskraft (§ 705 ZPO)249, was die Zustellung des Titels bedingt, sofern ein Rechtsmittel oder Einspruch in Betracht kommt. Es gilt also in der Regel nach Verkündung (§§ 310 ff. ZPO) fort und damit noch zum Zeitpunkt, in dem der Titelgläubiger das Verfahren gemäß §§ 185 ff. ZPO betreibt. Selbst im Falle einer letztinstanzlichen Entscheidung, bei der mit Verkündung die formelle Rechtskraft eintritt, spricht zum Schutz des Schuldners alles dafür, dass auch hier das Prozessrechtsverhältnis nachwirkt.250 Eine Sonderrechtsbeziehung liegt nach alledem vor zwischen den Beteiligten untereinander und den Beteiligten und dem Gericht. Wenn der Titelgläubiger wissent- und willentlich falsche Angabe gemacht hat, hat er vorsätzlich (§ 276 Abs. 1 S. 1 BGB) die prozessuale Wahrheitspflicht verletzt, dies sowohl im Verhältnis zum Gericht als auch im Verhältnis zum Schuldner. Die schuldhafte Pflichtverletzung begründet den Rechts-

244 Hk-ZPO/Wöstmann, § 138 Rz. 1; Musielak/Stadler, § 138 Rz. 1; ThP/Reichold, § 138 Rz. 2; Zöller/Greger, § 138 Rz. 1. 245 BLAH, § 138 Rz. 5; MüKoZPO/Wagner, § 138 Rz. 1. 246 Hk-ZPO/Wöstmann, § 138 Rz. 1; ThP/Reichold, § 138 Rz. 2; Zöller/Greger, § 138 Rz. 1. 247 Lüke, ZZP 108 (1995), 427, 437. 248 BLAH, § 186 Rz. 5. 249 Lüke ZZP 108 (1995), 427, 436. 250 Zur Nachwirkung, jedoch kritisch: Lüke, ZZP 108 (1995), 427, 436.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

missbrauch, worauf sich nach alledem, und darauf kommt es an, auch der Schuldner berufen kann. Eine allgemeine Treuepflicht braucht aber aus der Sonderrechtsbeziehung i. V. m. § 242 BGB nicht hergeleitet zu werden; denn die Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO schützt im Falle der öffentlichen Zustellung nach §§ 185 ff. ZPO den Zustellungsempfänger in ausreichendem Maße. § 138 Abs. 1 ZPO geht als lex specialis vor. Da dem subjektiven Tatbestand eine Pflichtverletzung zugrunde liegt, handelt es sich um Verschulden im Rechtssinne (§ 276 Abs. 1 BGB). Es spricht aber einiges dafür, dass lediglich vorsätzliches Verhalten zum Rechtsmissbrauch führt. Denn selbst derjenige, der – wie das KG sagt – sich bewusst der Erkenntnis verschließt, handelt nicht sorgfaltswidrig und damit fahrlässig, sondern bedingt vorsätzlich. Auch im Übrigen kommt nach es nach Ansicht der Rechtsprechung und Literatur, vereinfacht gesagt, auf wissent- und willentlich falsche Auskünfte gegenüber dem Gericht an. Dafür, dass Vorsatz erforderlich ist und fahrlässiges Handeln nicht genügt, spricht auch der prozessuale Grundsatz, dass dem redlich handelnden Verfahrensbeteiligten bei Inanspruchnahme eines staatlich geregelten Verfahrens ein „Recht auf Irrtum“ zuzubilligen ist und sich deswegen ein lediglich fahrlässiges Verhalten nicht auswirkt.251 b) Verfahrensrechtliche Aspekte Wird die öffentliche Zustellung erschlichen, führt das nicht zu einem Verfahrensmangel; denn die Bewilligung der öffentlichen Zustellung ist eine gerichtliche Entscheidung, die auch im Falle des Rechtsmissbrauchs durch den Antragsteller so lange wirksam ist, bis sie aufgehoben wird.252 Anderenfalls wäre die Rechtssicherheit in erheblichem Maße gefährdet. Die Zustellung ist also grundsätzlich wirksam253, so dass auch die Durchführung der Zwangsvollstreckung nicht fehlerbehaftet ist. Zwar hat der BGH in einer Entscheidung vom 19.12.2001254 unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG255 die öffentliche Zustellung insofern für „wirkungslos“ gehalten, als die Voraussetzungen nach § 203 Abs. 1 ZPO (a. F.)256 251 Daher keine deliktische Haftung: BVerfG NJW 1987, 1929; BGH NJW 2005, 1341, 1342; NJW 2003, 1934, 1935; NJW 1985, 1959, 1961 f.; NJW 1979, 1351, 1352 f.; MüKoBGB/Wagner, § 823 Rz. 605; Staudinger/Oechsler (2009), § 826 Rz. 545. 252 BGH NJW 2003, 1326, 1327; NJW 1975, 827, 828; insbesondere NJW 1971, 2226; KG NJW-RR 2006, 1380 f.; OLG Köln NJW-RR 1993, 446. 253 MüKoZPO/Häublein, § 185 Rz. 18. 254 BGH NJW 2002, 827, 830. 255 BVerfG NJW 1988, 2361. 256 An dessen Stelle ist m.W.v. 01.07.2002 § 185 ZPO getreten (§ 185 ZPO wurde zuletzt neugefasst m.W.v. 01.11.2008 durch Gesetz v. 23.10.2008, BGBl. I S. 2026); zur Neuregelung der §§ 166–195 ZPO mWv 01.07.2002 durch Gesetz v. 25.6.2001 siehe BGBl. I S. 1206.

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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nicht vorlagen und das bewilligende Gericht dies hätte erkennen können.257 Maßgeblich kam es aber darauf an, dass auch nachträglich das rechtliche Gehör nicht mehr gewährt werden konnte.258 Im zu entscheidenden Fall hatte die betroffene Partei nämlich die Einspruchsfrist nach § 339 Abs. 2 ZPO versäumt und auch die Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO war abgelaufen, so dass eine Wiedereinsetzung nach § 233 ZPO ausschied.259 Abgesehen davon, dass sich der BGH im genannten Fall mit einer Problematik des Erkenntnisverfahrens zu befassen hatte, ist vorliegend im Bereich der Zwangsvollstreckung das rechtliche Gehör zum Nachteil des Schuldners nicht ausgeschlossen. Die Geltendmachung des Rechtsmissbrauchs gegenüber dem Vollstreckungsorgan genügt nach den bisherigen Ausführungen zwar nicht, es sei denn, dass das Vollstreckungsorgan ausnahmsweise das Prozessgericht ist, welches über die Zustellung entschieden hatte (vgl. etwa §§ 887, 888 ZPO mit § 186 Abs. 1 ZPO); denn die Entscheidung des Prozessgerichts nach § 186 Abs. 1 S. 1 ZPO muss förmlich aufgehoben werden, wozu weder der Gerichtsvollzieher noch der Rechtspfleger befugt ist. Wenngleich die §§ 185 ff. ZPO ein Aufhebungsverfahren nicht vorsehen, so kann dennoch im laufenden Verfahren die unzulässige Rechtsausübung jederzeit eingewandt werden, ferner, dass sich der Vollstreckungsgläubiger deswegen nicht auf die Zustellung bzw. das Vorliegen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach § 750 ZPO und damit auch nicht auf die Wirksamkeit etwaiger Maßnahmen und Entscheidungen der Voll­ streckungsorgane berufen darf.260 Der Rechtsmissbrauch kann im laufenden Verfahren im Wege der Erinnerung nach § 766 ZPO eingewandt werden, sofern nicht eine einfachere Möglichkeit oder ein speziellerer Rechtsbehelf in Betracht kommt, gemäß dem das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) – dann nachträglich – zu gewähren ist. Ein speziellerer Rechtsbehelf wäre etwa im Verteilungsverfahren der Widerspruch nach §§ 876, 878 ZPO. Der nachrangige Gläubiger kann sich hier darauf berufen, dass der vorrangige Gläubiger die Bewilligung der öffentlichen Zustellung erschlichen hat.261 Eine einfachere Möglichkeit, den Rechtsmissbrauch im Verfahren geltend zu machen, ergibt sich z. B. im Falle der Handlungsvollstreckung bei Anhörung des Schuldners (zu §§ 887, 888 ZPO vgl. oben).

257 BGH NJW 2002, 827, 830; jüngst zudem BGH, Urt. v. 04.07.2012, Az. XII ZR 94/10, juris, Rz. 16 ff., insb. Rz. 19 (zu § 185 ZPO). 258 BGH NJW 2002, 827, 829 f. 259 Wegen des Gehörverstoßes war infolge der unwirksamen Zustellung auf den Einspruch hin eine Sachentscheidung zwingend. 260 BGH NJW 1971, 2226; Fischer, ZZP 107 (1994), 163, 178; Stackmann, JuS 2007, 634, 637; vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rz. 949, 1092. 261 Vgl. BGH NJW 1971, 2226.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

5. Zustellung – Zustellungsvereitelung Da die Zwangsvollstreckung gem. § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO nur beginnen darf, wenn der Titel zugestellt wurde, hat auch der Titelschuldner es durch Maßnahmen innerhalb seines Machtbereiches in der Hand oder zumindest die Möglichkeit, die Durchsetzung der Ansprüche zu vereiteln bzw. zu verzögern. Die Zustellungsvereitelung wird allgemein als treuwidriges Verhalten aufgefasst; es ist deswegen rechtsmissbräuchlich, wenn der Betroffene sich auf die fehlende oder unwirksame Zustellung beruft.262 Es ist ihm versagt, in der Zwangsvollstreckung das Fehlen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzung einzuwenden. Im Bereich des materiellen Rechts gilt § 162 Abs. 1 BGB, darüber hinaus § 242 BGB im Allgemeinen. a) Bedeutung im Prozessrecht aa) Verfahrensrechtliche Sonderregelungen/Zustellungsrecht Bevor nun näher darauf einzugehen ist, ob für die Zustellungsvereitelung Verschulden erforderlich ist, stellt sich die Frage nach der praktischen Relevanz im Verfahrensrecht. Daran können sich in Anbetracht der konkreten Ausgestaltung des Verfahrens zumindest Zweifel ergeben, dies insbesondere unter dem Aspekt der Ersatzzustellung. Für bestimmte Fälle, in denen die Amtszustellung (§§ 166 ff. ZPO) auf regulärem Wege nicht durchgeführt werden kann, sieht nämlich das Gesetz verschiedene Formen der Ersatzzustellung vor. Sie erfolgt im Wege der Übergabe an Dritte (§ 178 ZPO), durch Einlegen in den Briefkasten (§ 180 ZPO) oder Niederlegung beim Amtsgericht (§ 181 ZPO). Dies gilt auch bei Zustellung im Parteibetrieb (§§ 191 ff. ZPO, vgl. auch § 750 Abs. 1 ZPO); die §§ 178 bis 181 ZPO sind anwendbar.263 Daraus folgt, dass der Vollstreckungsschuldner die Zustellung jedenfalls nicht dadurch vereiteln kann, dass er sich an der Haustür verleugnen lässt oder die Haustür nicht öffnet. Kommt auch eine Zustellung durch Einlegen in den Briefkasten nicht in Betracht, etwa deswegen, weil der Vollstreckungsschuldner den Namen vom Briefkasten entfernt oder gar keinen Briefkasten (mehr) hat, kann das Schriftstück beim Amtsgericht nieder­ gelegt werden. Gesondert geregelt ist darüber hinaus die Annahmeverweigerung, § 179 ZPO. Nach § 179 S. 3 ZPO wird die Zustellung fingiert. Taucht der Vollstreckungsschuldner unter und ist deswegen der Aufenthaltsort nicht bekannt, kommt eine öffentliche Zustellung nach §§ 185 ff. ZPO in Betracht (§ 185 Nr. 1 ZPO). Die

262 BGH NJW-RR 2008, 1310; NJW-RR 2005, 415, 416; OLG Zweibrücken, NJOZ 2004, 4287, 4289; OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.09.2003, Az. 8 U 26/03 − 8, 8 U 26/03, juris, Rz. 20; vgl. ferner BVerwG, Beschl. v. 22.04.2004, Az. 6 B 8/04, juris, Rz. 4.  263 Hk-ZPO/Eichele, § 191 Rz. 5; MüKoZPO/Häublein, § 191 Rz. 2; Zöller/Stöber, § 191 Rz.  2; siehe auch BLAH, § 191 Rz. 3.

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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§§ 185 ff. ZPO gelten für die Parteizustellung entsprechend.264 Das Gesetz schließt demnach die Zustellungsvereitelung in ihren verschiedenen denkbaren Varianten bereits weitestgehend aus. Dafür spricht auch, dass die Rechtsprechung sich mit der Zustellungsvereitelung aus verfahrensrechtlicher Sicht bislang relativ selten zu befassen hatte. bb) Nicht vom Verfahrensrecht erfasste Fälle Gleichwohl kommen Fälle der Zustellungsvereitelung in Betracht, bei denen das geltende Verfahrensrecht an seine Grenzen stößt. Soll beispielsweise die Zustellung von Amts wegen nach § 175 ZPO durch Einschreiben mit Rückschein erfolgen, führt die Annahmeverweigerung nicht dazu, dass die Zustellung nach § 179 S. 3 ZPO als bewirkt gilt; denn die Zustellung nach § 175 ZPO erfordert einerseits die tatsächliche Übergabe und andererseits ist § 179 ZPO nur im Falle eines Zustellungsauftrages nach § 176 ZPO anwendbar.265 Die Zustellung ist nach den §§ 176 ff. ZPO erneut durchzuführen. Die Zustellung kann außerdem dadurch zumindest verzögert werden, dass der Vollstreckungsschuldner umzieht, ohne nähere Angaben über den Verbleib zu machen und ohne bei der Ummeldung die gesetzliche Meldefrist einzuhalten.266 Zwar kommt eine öffentliche Zustellung in Betracht; unbekannt ist der Aufenthaltsort nach § 185 Nr. 1 ZPO aber nur dann, wenn sich aus entsprechenden Auskünften des Einwohnermeldeamtes oder des Postamtes am letzten bekannten Wohnort nichts anderes ergibt.267 Obschon in der Zwangsvollstreckung weitere Ermittlungen nicht zu verlangen sind268, müssen die Auskünfte jedenfalls erst eingeholt werden, wenn der erste Zustellungs­versuch gescheitert ist. Dadurch kann insbesondere die Forderungsvollstreckung vereitelt werden, wenn das Konto bekannt ist, der Vollstreckungsschuldner sich aber eine „Aufschubfrist“ verschafft hat, um das Guthaben auf ein anderes, dem Gläubiger unbekanntes Konto zu übertragen oder aufzubrauchen. Schließlich kann die Zustellung insoweit vereitelt/verzögert werden, als der Titelschuldner eine falsche Zustelladresse angibt und den Eindruck erweckt, Zustellungen könnten dorthin erfolgen.269 Die Zustellungsvereitelung hat folglich im Verfahrensrecht eine nicht unerhebliche praktische Relevanz.

264 Hk-ZPO/Eichele, § 191 Rz. 5; MüKoZPO/Häublein, § 191 Rz. 2; Zöller/Stöber, § 191 Rz. 2; siehe auch BLAH, § 191 Rz. 3. 265 ThP/Hüßtege, § 175 Rz. 5; Zöller/Stöber, § 175 Rz. 3; vgl. BSG NJW 2003, 381, 382 und siehe auch BLAH, § 175 Rz. 5. 266 Siehe BGH NJW-RR 2008, 1310; vgl. auch die Vorinstanz: OLG Hamm, Urt. v. 19.01.07, Az. 26 U 36/06, juris, insb. Rz. 57. 267 BGH NJW 2003, 1530, 1531. 268 BGH NJW 2003, 1530 f. 269 Siehe dazu (allerdings für die Zustellung von Verwaltungsakten) BVerwG, Beschl. v. 22.04.04, Az. 6 B 8/04, juris, insb. Rz. 4 ff.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

cc) Handhabung „offener“ Fälle nach den allgemeinen Grundsätzen (vgl. Zustellungsvereitelung im materiellen Recht) Die Zustellungsvereitelung ist, was die Sach- und Rechtslage betrifft, vergleichbar mit der Zugangsvereitelung bei materiell-rechtlichen Willenserklärungen (z. B. Kündigung); auch hier wird gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen.270 Eine Zugangsvereitelung liegt vor, sofern der Empfänger den Zugang der Willenserklärung verhindert, aber auch dann, wenn er den Zugang erheblich verzögert oder erschwert.271 Für die Zugangsvereitelung lässt die h. M. in der Literatur ein objektives Zugangshindernis nicht genügen, sondern verlangt darüber hinaus eine subjektive Komponente, nämlich Verschulden des Adressaten in Form von Vorsatz oder zumindest ein sorgfaltswidriges Verhalten.272 Zwar hält eine Mindermeinung es für ausreichend, dass die Ursachen für das Scheitern des Zugangs in der Sphäre oder in der Person des Empfängers, mithin in dessen Verantwortungsbereich liegen.273 Während einige darin aber eine eigenständige Fallgruppe sehen274, verlangt auch die Rechtsprechung grundsätzlich über das objektive Zugangshindernis hinaus ein Verschulden desjenigen, an den die Willenserklärung gerichtet ist.275 Dem ist zu folgen. Der Zugang kann nur dann in rechtlich vorwerfbarer Weise vereitelt oder verzögert werden, wenn das Zugangshindernis dem Erklärungsempfänger zurechenbar ist. Dabei kann die Zurechnung nicht (allein) auf Grundlage einer Zuordnung des Zugangshindernisses zum Verantwortungs­bereich bzw. zur Risikosphäre des Adressaten erfolgen276; denn wenn es, was richtigerweise anzunehmen ist, keine allgemeine Pflicht des Adressaten gibt, Vorkehrun 270 Zur Zugangsvereitelung: BGH NJW-RR 2007, 1567, 1568; NJW 1998, 976, 977; BAG NZA 2006, 204, 205; NZA 2003, 719, 723 f.; NJW 2003, 1828, 1830; NJW 1997, 146, 147; BeckOK-BGB/Wendtland, § 130 Rz. 22 und BeckOK-ArbR/BGB/Hesse, § 620 Rz. 31; Jauernig/Jauernig, § 130 Rz. 15; Moll/Vossen, MAH Arbeitsrecht, § 42 Rz. 48 f.; MüKoBGB/Roth/ Schubert, § 242 Rz. 278 und MüKoBGB/Hesse, Vorbemerkung zu §§ 620–630 BGB Rz. 99 f.; jurisPK-BGB/Pfeiffer, § 242 Rz. 68; Palandt/Ellenberger, § 130 Rz. 18; Preis, in: Ascheid/ Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 1. Teil D. Rz. 58; Staudinger/Singer (2011), § 130 Rz. 80; Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rz. 455 ff.; vgl. zudem MüKoBGB/Einsele, § 130 Rz. 34, 36. 271 Wolf/Neuner, AT, § 33 Rz. 51. 272 BeckOK-ArbR/BGB/Hesse, § 620 Rz. 31; Hk-BGB/Dörner, § 130 Rz. 7; jurisPK-BGB/ Pfeiffer, § 242 Rz. 68; wohl auch Jauernig/Jauernig, § 130 Rz. 15; Preis, in: Ascheid/Preis/ Schmidt, Kündigungsrecht, 1. Teil D. Rz. 58 f. (Arglist); siehe ferner Palandt/Ellenberger, § 130 Rz. 18. Zu beachten ist, dass für die Fahrlässigkeit regelmäßig ein objektiver Maßstab gilt. 273 Erman/Arnold, § 130 Rz. 29; Staudinger/Singer (2011), § 130 Rz. 80; so für den Fall der Zugangsverzögerung wohl auch Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rz. 456; vgl. ferner noch MüKoBGB/Kramer, Bd. 1/1, 5. Aufl. 2006, § 147 Rz. 9 (siehe dort Fn. 35 zur Zurechenbarkeit des Zugangshindernisses). 274 MüKoBGB/Einsele, § 130 Rz. 37. 275 BAG NZA 2006, 204, 205; NJW 2003, 1828, 1830; BGH NJW 1996, 1967, 1968. 276 So aber Erman/Arnold, § 130 Rz. 29; Staudinger/Singer (2011), § 130 Rz. 80; für den Fall der Zugangsverzögerung: Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rz. 456; vgl. ferner Soergel/Hefermehl, § 130 Rz. 28.

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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gen für den Zugang zu treffen277, kann der Verantwortungsbereich bzw. die Risiko­ sphäre ohne Bezug auf die jeweilige Rechtsbeziehung nicht definiert werden. Vielmehr handelt es sich bei der Zurechnung des Zugangshindernisses um eine Wertungsfrage im Einzelfall. Der Verantwortungsbereich bestimmt sich nicht nach der allgemeinen Risikoverteilung, sondern anhand der rechtlichen Bindung gegenüber dem Erklärenden gemäß der zugrunde liegenden Rechtsbeziehung, im materiellen Recht nach dem vertraglichen oder ggf. vorvertraglichen Rechts­verhältnis. Voraussetzung für die Zurechnung ist deshalb, dass der Betreffende eine Nebenpflicht278 verletzt. Nur so kann die unzulässige Rechtsausübung mit einem bestimmten Verhalten im Vorfeld begründet werden, wenn aus diesem Verhalten ein Zugangshindernis resultiert (unredliches früheres Verhalten; vgl. oben). Wenn zum Teil auch von „Obliegenheiten“279 die Rede ist, beruht dies auf einer begrifflichen Ungenauigkeit. Denn gemeint ist in jedem Fall, dass der Adressat der Willenserklärung aufgrund einer besonderen Rechtsbeziehung dafür Sorge zu tragen hat, dass die Willenserklärung in seinen Machtbereich gelangt. Das liegt nicht vorrangig in seinem eigenen Interesse. Vielmehr hat der Erklärende ein Interesse daran, dass die Willenserklärung dem Adressaten zugeht. Derjenige der kündigt, hat sogar das primäre Interesse am Zugang. Deswegen handelt es sich um eine Verpflichtung (bzw. Nebenpflicht), wenn von dem Adressaten im fraglichen Fall verlangt wird, dass er Vorkehrungen für den Zugang trifft. b) Verschulden Die Pflichtverletzung kann nur zugerechnet werden, wenn sie der Adressat der Willenserklärung zu vertreten hat. Für das Vertretenmüssen gelten die allgemeinen Grundsätze. Fahrlässiges Handeln genügt. Vorsatz (bzw. Arglist) führen allerdings dazu, dass der Erklärende ausnahmsweise keinen zweiten Zugangsversuch zu unternehmen braucht.280 Zum Teil wird in Erwägung gezogen, die Rechtsfolge, dass der Empfänger die Willenserklärung gegen sich als (rechtzeitig) zugegangen gelten lassen muss, auf eine Schadenersatzhaftung zurückzuführen, namentlich auf eine Haftung nach § 280 Abs. 1 BGB oder nach §§ 280 Abs. 1 i. V. m. 311 Abs. 2 BGB.281 Zwar könnte mit dem Grundsatz der Naturalrestitution 277

jurisPK-BGB/Pfeiffer, § 242 Rz. 68; Soergel/Hefermehl, § 130 Rz. 25. Zum Verstoß gegen Sorgfaltspflichten: BAG NZA 2006, 204, 205; vgl. auch BAG NZA 2003, 719, 723. 279 Obliegenheit des Empfängers: Erman/Arnold, § 130 Rz. 29; MüKoBGB/Hesse, Vorbemerkung zu §§ 620–630 BGB Rz. 99 und MüKoBGB/Einsele, § 130 Rz. 37 a. E.; Palandt/ Ellenberger, § 130 Rz. 18; Soergel/Hefermehl, § 130 Rz. 25; Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rz. 456; vgl. auch OLG Köln, Beschl. v. 09.06.2009, Az. 83 Ss 40/09, juris, Rz. 9. 280 BGH NJW 1998, 976, 977; z.T wird einer erneuter Zustellungsversuch ohnehin für entbehrlich gehalten: Palandt/Ellenberger, § 130 Rz. 18. 281 Siehe Staudinger/Singer (2011), § 130 Rz. 92; siehe dazu auch Wolf/Neuner, AT, § 33 Rz. 56; vgl. ferner Palandt/Ellenberger, § 130 Rz. 18. 278

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

(§ 249 Abs. 1 BGB) begründet werden, dass der Empfänger die Willenserklärung gegen sich gelten lassen muss, soweit jedenfalls die Willenserklärung bei pflichtgemäßen Verhalten (rechtzeitig) zugegangen wäre.282 Auf Tatbestandsebene wäre indes ein materieller oder immaterieller Schaden erforderlich, d. h. eine Einbuße an Lebensgütern infolge eines schädigenden Ereignisses. Ein Schaden ist noch nicht allein deswegen anzunehmen, weil eine Willenserklärung nicht (rechtzeitig) zugegangen bzw. nicht wirksam ist. Vielmehr kann ein Schaden erst aus den negativen Rechtsfolgen resultieren, etwa dann, wenn infolge der verspäteten Kündigung weiterhin Lohnkosten entstehen. Durch das Erfordernis eines Schadens würde jedoch der Tatbestand der Zugangsvereitelung unnötig erweitert. Soweit einer Lösung über § 242 BGB entgegengehalten werden könnte, dass das Prinzip von Treu und Glauben einer gewissen Unschärfe nicht entbehrt, spricht zum einen dagegen, dass rechtsmissbräuchliches Verhalten ohnehin nach Fallgruppen ge­ordnet ist und auch die Einzelfälle der Zugangsvereitelung bereits geklärt sind (z. B. Nichtabholen eines Einschreibens von der Post, nicht ausreichend gekennzeichnete Empfangseinrichtung, Annahmeverweigerung), zum anderen dass durch das Kriterium der schuldhaften Nebenpflichtverletzung die Voraussetzungen in hinreichendem Maße präzisiert sind. Für die Zustellungsvereitelung im Bereich des Verfahrensrechts gilt nichts anderes. Das BVerwG verlangt für die Zustellungsvereitelung einen schuldhaften Verstoß gegen eine Vorsorge- und Mitwirkungspflicht.283 Auf das Erfordernis schuldhaften Verhaltens weist auch das OLG Saarbrücken hin.284 Die Rechtspflicht folgt im Verfahrensrecht zwar nicht aus der vertraglichen oder vorvertraglichen Rechtsbeziehung auf materiell-rechtlicher Ebene; denn zugestellt werden soll die Ausfertigung des Titels, wobei es sich um einen verfahrensrechtlichen Vorgang handelt. Die Rechtspflicht folgt jedoch aus dem nachwirkenden Prozessrechtsverhältnis, wonach auch die Prozesspartei dafür Sorge zu tragen hat, dass die Ausfertigung erfolgreich zugestellt werden kann (vgl. oben, Erschleichen der öffentlichen Zustellung). Der Titelschuldner hat mitzuwirken, indem er beispielsweise etwaige Wohnortwechsel anzeigt, einen Briefkasten anbringt oder indem er sicherstellt, dass im Zweifel ein Empfangsbote das zuzustellende Schriftstück entgegen nehmen oder dass die Zustellung unter Nennung einer entsprechenden Adresse an den Vertreter erfolgen kann.285 Verhindert oder verzögert der Adressat die Zustellung unter vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung der genannten Mitwirkungspflichten, handelt er unredlich.

282

So noch Larenz/Wolf, AT, 8. Aufl. 1997, § 26 Rz. 42. BVerwG, Beschl. v. 22.04.2004, Az. 6 B 8/04, juris, Rz. 4. 284 OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.09.2003, Az. 8 U 26/03 − 8, 8 U 26/03, juris, Rz. 20. 285 Vgl. BGH NJW-RR 2008, 1310 f. 283

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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c) Verfahrensrechtliche Aspekte Die Ausfertigung des Titels gilt als zugestellt. Beantragt der Titelgläubiger die Vollstreckung, gibt es zwei Möglichkeiten: Das Vollstreckungsorgan folgt dem Antrag, oder es lehnt die Durchführung der Zwangsvollstreckung ab. Weil das Vollstreckungsorgan sich bei der Prüfung der Vollstreckungsvoraussetzungen auf die Kontrolle der Formalien und, was Treu und Glauben betrifft, auf eine Evidenzkontrolle beschränkt, wird es die Durchführung der Zwangsvollstreckung in der Regel ablehnen. Selbst wenn der Sachverhalt in objektiver Hinsicht eindeutig wäre, werden die subjektiven Tatbestandsmerkmale oft nicht auf der Hand liegen; umfangreiche Nachforschungen kann das Vollstreckungsorgan mangels eines dafür vorgesehenen Verfahrens nicht durchführen. Wenn der Gerichtsvollzieher die Durchführung der Zwangsvollstreckung ablehnt, kann der Vollstreckungsgläubiger gem. § 766 Abs. 2 ZPO Erinnerung einlegen. Lehnt das Vollstreckungsgericht die Zwangsvollstreckung ab, kommt – weil der Gläubiger seine Argumente bei Antragstellung bereits vorgetragen hat und eine Überprüfung durch die nächsthöhere Instanz sachgerecht erscheint – die sofortige Beschwerde in Betracht.286 Der Vollstreckungsgläubiger trägt in jedem Fall die Beweislast; auch im Erinnerungsverfahren gilt der Beibringungsgrundsatz.287 Folgt das Vollstreckungsorgan dem Antrag, kann sich der Vollstreckungsschuldner in Anbetracht seines rechtswidrigen Verhaltens nicht auf eine unwirksame Zustellung berufen. Häufig wird es so sein, dass auch der Titelgläubiger zunächst keine Kenntnis von den Umständen hat und daher zumindest in den Fällen, in denen der Titelschuldner ohne eine Nachricht zu hinterlassen verzogen ist und deswegen der erste Zustellversuch ins Leere ging, die öffentliche Zustellung beantragt. Auch hier gibt es wiederum zwei Möglichkeiten: Entweder wird der Titelschuldner auf Auskunft des bisherigen Einwohnermeldeamtes oder des bisherigen Postamtes ermittelt, oder sein Aufenthaltsort bleibt unbekannt. Wird der Aufenthaltsort nicht ermittelt, wird die öffentliche Zustellung durchgeführt. Wird daraufhin vollstreckt, braucht der Titelgläubiger nicht zu befürchten, dass der Titelschuldner sich mit dem Argument zur Wehr setzt, die Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung hätten nicht vorgelegen, er hätte sich behördlich gemeldet und es lediglich vergessen, dies mitzuteilen.288 Dass in einem solchen Fall der Aufenthaltsort nicht festgestellt werden kann, ist auch in Anbetracht der mittlerweile standardisierten elektronischen Datenübermittlung zwischen den Einwohnermeldeämtern zwar selten, nicht

286 Es handelt sich um eine Entscheidung, § 793 ZPO – Brox/Walker, ZVR, Rz. 1197, vgl. auch Rz. 1178; Hk-ZPO/Kindl, § 766 Rz. 10, vgl. auch Rz. 6; Schuschke/Walker/Walker, § 766 Rz. 14. 287 MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann, § 766 Rz. 45. 288 Vgl. BGH NJW-RR 2008, 1310 f.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

aber ausgeschlossen. Denn zum einen darf der Schuldner die Meldefrist289 ausschöpfen, so dass der neue Aufenthaltsort im Zweifel bis zu deren Ablauf behördentechnischen nicht erfasst ist. Zum anderen können Fehler bei der Datenübermittlung auftreten oder es kann sich die Datenübermittlung verzögern. Setzt sich also der Titelschuldner mit besagtem Argument zur Wehr, kann er sich trotzdem nicht auf die Unwirksamkeit der öffentlichen Zustellung gemessen an den Voraussetzungen des § 185 ZPO berufen, wenn er versucht hat, die Zustellung, mit der er rechnen musste, zu verhindern.290 Entscheidend ist nicht, dass er vorsätzlich gehandelt hat; auch der sorgfaltswidrige Verstoß gegen Mitwirkungspflichten genügt.291 Der Titelschuldner verletzt seine Mitwirkungspflichten insbesondere dann in sorgfaltswidriger Weise, wenn er seinen neuen Aufenthaltsort nicht mitteilt, obwohl er weiß, dass ein Titel gegen ihn vorliegt. Eine fahrlässige Pflichtverletzung muss jedenfalls vermutet werden; der Titelschuldner hat sich zu entlasten und muss im Zweifel den Gegenbeweis antreten. Für die Beweislastumkehr spricht, dass der Zustellfehler im Macht- und Einflussbereich des Titelschuldners liegt und es dem Titelgläubiger nicht zugemutet werden kann, die Folgen des Zustellhindernisses zu tragen. Hat es bereits einen ersten Zustellversuch nach §§ 166 ff. ZPO gegeben, der deswegen ins Leere ging, weil der Titelschuldner unter der zuletzt bekannten Adresse nicht mehr wohnhaft war, kann sich der Titelschuldner nach § 242 BGB auch schon insoweit nicht auf das Fehlen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzung (Zustellung) berufen. Das spielt in der Regel aber keine Rolle, weil abgesehen von den Fällen der Evidenz das Vollstreckungsorgan auf den ersten Zustellversuch hin keine Vollstreckungsmaßnahme getroffen haben wird, die zugunsten des Vollstreckungsgläubigers als „wirksam“ anzusehen wäre. Wird der neue Aufenthaltsort des Titelschuldners ermittelt, scheidet eine öffentliche Zustellung gem. den §§ 185 ff. ZPO aus. Dann wird ein (weiterer) Zustellversuch gem. §§ 166 ff. ZPO zu unternehmen sein, nunmehr am neuen Aufenthaltsort. War bereits der erste Zustellversuch an die alte Adresse nicht erfolgreich und scheitert die Zustellung zum wiederholten Male, ist auch hier eine zumindest fahrlässige Pflichtverletzung zu vermuten. Für die Beweislastumkehr gilt das eben Gesagte. Wenn also die Zustellung in Anbetracht der wechselnden Aufenthaltsorte mehrmals fehlschlägt, wird das Vollstreckungsorgan die Zwangsvollstreckung nicht ablehnen können. Verweigert es die Durchführung der Zwangsvollstreckung, kann der Titelgläubiger sich im Rahmen des zulässigen Rechtsbehelfes (Erinnerung oder sofortige Beschwerde, siehe oben) darauf berufen, dass ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Titelschuldners zu vermuten ist und er sich vom Titelschuldner nicht entgegenhalten lassen muss, dass nicht wirksam zugestellt worden sei. 289

Die Meldefrist beträgt je nach Bundesland bis zu zwei Wochen. Unverzüglich: § 13 Abs. 1 RPMG; 1 Woche: z. B. § 13 Abs. 1 BayMeldeG, § 15 Abs. 1 BWMG, § 13 HESMG, § 13 Abs. 1 SaarMG; § 12 Abs. 1 HmbMG; 2 Wochen: z. B. § 10 Abs. 1 SächsMG; § 11 Abs. 1 S. 1 BlnMG. 290 BGH NJW-RR 2008, 1310. 291 Vgl. auch BVerwG NVwZ 1991, 73, 75.

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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III. Rechtsmissbrauch im Bereich der Besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen: Missbräuchliche Vorratspfändung, § 850d Abs. 3 ZPO Nach § 850d Abs. 3 ZPO kann bei der Vollstreckung wegen der in § 850d Abs. 1 ZPO bezeichneten Unterhaltsansprüche sowie wegen der aus Anlass einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu zahlenden Renten zugleich mit der Pfändung wegen fällig werdender Ansprüche auch künftig fällig werdendes Arbeitseinkommen wegen der dann jeweils fällig werdenden Ansprüche gepfändet oder überwiesen werden. Dass künftig fällig werdende Bezüge (Arbeitseinkommen) von der Zwangsvollstreckung als Gegenstand der Pfändung erfasst sind, ergibt sich bereits aus § 832 ZPO. § 850d Abs. 3 ZPO erlaubt darüber hinaus in engen Grenzen und in Ausnahme zu § 751 Abs. 1 ZPO die sogenannte Vorratspfändung.292 Während nach § 751 Abs. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung aufzuschieben ist, weil sie erst mit Ablauf des Kalendertages beginnen darf, von dessen „Eintritt“ die Geltendmachung des titulierten Anspruchs abhängt, darf nach § 850d Abs. 3 ZPO die Zwangsvollstreckung schon vorweg erfolgen, d. h. unabhängig vom Ablauf des für den titulierten Anspruch maßgeblichen Kalendertages; die Pfändung ist sofort wirksam, wodurch im Zweifel der (Vor-)Rang des Pfändungspfandrechtes gesichert wird. Durch die Möglichkeit der Vorratspfändung wird das Verfahren zugunsten des Titelgläubigers erheblich vereinfacht, weil er bei wiederkehrenden Ansprüchen gegen den Titelschuldner nicht gehalten ist, wiederholt die Zwangsvollstreckung zu betreiben.293 1. Verschulden Die Vorratspfändung kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Schuldner die fälligen Forderungen im Sinne des § 850d Abs. 3, Abs. 1 ZPO erfüllt hat und zu erwarten ist, dass er auch in Zukunft pünktlich erfüllen wird; denn die Lohnpfändung ist für den Schuldner mit erheblichen Nachteilen verbunden.294 Zum Teil wird, um dem Titelschuldner die Möglichkeit zu gewähren, außerhalb der 292 BGH NJW 2004, 369, 370; Becker, JuS 2004, 780, 783; Brox/Walker, ZVR, Rz. 159; Hk-ZPO/Kemper, § 850d Rz. 22 und Hk-ZPO/Kindl, § 751 Rz. 1; Lackmann, ZVR, Rz. 275; MüKoZPO/Smid, § 850d Rz. 30, 33 und MükoZPO/Heßler, § 751 Rz. 7; Musielak/Becker, § 850d Rz. 19; Pawlowski, DZWir 1995, 169, 170; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850d Rz. 17; StJ/Brehm, § 850d Rz. 49; ThP/Seiler, § 850d Rz. 13; Zöller/Stöber, § 850d Rz. 22 ff. 293 Vgl. Becker, JuS 2004, 780, 783. 294 OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.99, Az. 26 W 150/99, juris, insb. Rz. 15; OLG Düsseldorf Rpfleger 1976, 373; MüKoZPO/Heßler, § 765a Rz. 29 und MüKoZPO/Smid, § 850d Rz. 33; MüHdB-ArbR(Bd. 1, 2. Aufl. v. 2000)/Hanau, § 74 Rz. 12; Musielak/Becker, § 850 d Rz. 19; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, § 850d Rz. 17; Stöber, Forderungspfändung, Rz. 688; vgl. auch OLG Naumburg, DGVZ 1995, 57.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

Zwangsvollstreckung freiwillig zu leisten, darauf abgestellt, dass er „die Rückstände nicht bewusst hat auflaufen lassen“.295 Fraglich ist insofern (im Umkehrschluss), ob die Vorratspfändung ein schuldhaftes Verhalten des Vollstreckungsschuldners voraussetzt und ob der Vollstreckungsgläubiger sich immer dann rechtsmissbräuchlich verhält, wenn es an einem Verschulden fehlt. § 850d Abs. 3 ZPO enthält jedoch keine subjektiven Tatbestandsmerkmale; vielmehr lässt es das Gesetz genügen, wenn die Unzuverlässigkeit des Titelschuldners dadurch dokumentiert wurde, dass er mit seinen Zahlungen in Rückstand geraten ist.296 Das wird allerdings auch zwingend vorausgesetzt; denn die Pfändung von Arbeitseinkommen wegen künftiger Forderungen kann nur bei gleichzeitiger Vollstreckung wegen bereits fälliger Forderungen erfolgen. Ferner wird weder von der Rechtsprechung noch von der Literatur angenommen, dass das rechtsmissbräuchliche Aufrechterhalten der Pfändung Verschulden des Gläubigers voraussetzt, zumal das Gesetz keine solchen subjektiven Ausschlusskriterien aufstellt. Ein Verschulden des Titelgläubigers ist deswegen nicht erforderlich, weil der Rechtsmissbrauch nicht mit einem bestimmten Verhalten begründet wird, sondern mit einer objektiven Interessenabwägung. Der Schuldner hat ein Interesse daran, auf die Forderung freiwillig zu leisten und die Vorratspfändung zu vermeiden, weil das Arbeitseinkommen die wirtschaftliche Existenzgrundlage bildet und er deswegen darauf angewiesen ist, darüber frei zu verfügen. Der Gläubiger will nicht Gefahr laufen, mit Fälligkeit der in § 850d Abs. 3, Abs. 1 ZPO benannten Forderungen jedes Mal erneut vollstrecken und auch immer wieder einen Kostenvorschuss leisten zu müssen. Das Interesse des Schuldners überwiegt, wenn er sich als zuverlässig erweist. Der Vollstreckungsschuldner erweist sich freilich umso mehr als unzuverlässig, wenn er schuldhaft in Zahlungsrückstand geraten ist. Erforderlich ist ein schuldhaftes Verhalten aber nicht, weil es für das Ausfallrisiko des Gläubigers, das es abzuwägen gilt, nicht darauf ankommt, aus welchen Gründen der Vollstreckungsschuldner nicht zahlt. Es geht – mit an­ deren Worten – um eine Art Gefahrenabwehr; im öffentlichen Recht wird die abzuwehrende Gefahr unter Verwendung objektiver Kriterien definiert. So ist es in Anbetracht der „Zuverlässigkeitsprognose“ auch hier. 2. Verfahrensrechtliche Aspekte Bei rechtsmissbräuchlichem Aufrechterhalten der Vorratspfändung ist die Vollstreckungsmaßnahme fehlerhaft. Sie ist daher auf eine Erinnerung (§ 766 ZPO) des Schuldners hin aufzuheben. Entgegen Pawlowski hat aber bereits das Vollstreckungsgericht vor Erlass des Pfändungsbeschlusses zu prüfen, ob der Antrag rechtsmissbräuchlich ist, weil sich der Schuldner schon zu diesem Zeitpunkt als 295

Pawlowski, DZWir 1995, 169, 170. MüKoZPO/Smid, § 850d Rz. 33; Siehe bereits OLG Frankfurt, NJW 1954, 1774, 1775.

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B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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zuverlässig erwiesen haben könnte; denn der Schuldner darf gemäß dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht bewusst der Forderungsvollstreckung in Form der Vorratspfändung unterworfen und auf die Möglichkeit verwiesen werden, sich mit einem Rechtsbehelf zur Wehr zu setzen.297 Richtig ist allerdings, dass das Vollstreckungsgericht in der Regel den Sachverhalt nicht hinreichend klären können wird; denn im Falle der Forderungsvollstreckung unterbleibt eine Anhörung des Schuldners vor Erlass des Pfändungsbeschlusses (§ 834 ZPO). Folglich wird im Regelfall der Schuldner einen Antrag auf Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme stellen müssen. Er hat aber einen Anspruch auf Kostenersatz, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, und kann im Zweifel auch Schadenersatz verlangen, wenn der Gläubiger schuldhaft handelte (§ 280 Abs. 1 S. 1 ZPO).

IV. Rechtsmissbrauch bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen Im Folgenden werden in Anbetracht der praktischen Relevanz der Vollstreckungsart beispielhaft einige Fälle rechtsmissbräuchlichen Verhaltens dargestellt, welche die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung betreffen. Es geht namentlich erstens um das Erschleichen und die missbräuchliche Geltendmachung des Pfändungsvorranges, zweitens um das selbständige Herbeiführen der Voraussetzungen des Pfändungsschutzes (§ 811 ZPO), drittens um den Arglisteinwand bei der Pfändung gläubigereigener Sachen und viertens um die Pfändung „ins Blaue hinein“. 1. Erschleichen und missbräuchliche Geltendmachung des Pfändungsvorranges, §§ 805, 872 ff. ZPO Aufgrund des Prioritätsprinzips in der Einzelzwangsvollstreckung wird der Vollstreckungsgläubiger als Inhaber eines vorrangigen Pfandrechtes vorrangig befriedigt. Nicht schutzwürdig ist er aber, wenn der Pfändungsvorrang erschlichen wurde oder in sonstiger Weise missbräuchliche geltend gemacht wird. Fraglich ist, in welchen Fällen davon ausgegangen werden kann, ob sich ferner der zweitpfändende Vollstreckungsgläubiger überhaupt darauf berufen darf und schließlich, ob Verschulden im Einzelfall eine Rolle spielt.

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So aber Pawlowski, DZWir 1995, 169, 170.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

a) Erschleichen des Pfändungsvorranges durch missbräuchliches Erwirken einer öffentlichen Zustellung Erschlichen wird ein besserer Rang etwa in der Weise, als durch rechtsmissbräuchliches Verhalten eine öffentliche Zustellung nach §§ 185 ff. ZPO erwirkt wird.298 Hier sei auf die obenstehenden Ausführungen verwiesen. Im Verteilungsverfahren (§§ 872 ff. ZPO) kann der benachteiligte Vollstreckungsgläubiger mit Erfolg Widerspruch nach §§ 876 ff. ZPO einlegen und sich darauf berufen, sein „Konkurrent“ habe sich unlauter verhalten. Obwohl die §§ 185 ff. ZPO das Verhältnis zwischen dem Vollstreckungsgläubiger, der die öffentliche Zustellung erschlichen hat, und dem Vollstreckungsschuldner betreffen, hat der zweitpfändende Gläubiger wegen des Pfändungspfandrechtes mit dem Überweisungsbeschluss die Befugnis erlangt, sich auf den Rechtsmissbrauch zu berufen. Es gilt, auch was das Verschulden beim Erschleichen der öffentlichen Zustellung betrifft, das oben Gesagte. b) Erschleichen des Pfändungsvorranges unter Verstoß gegen ein vorläufiges Pfändungsverbot, objektiver Rechtsmissbrauch Rechtsmissbrauch im Zusammenhang mit dem Pfändungsvorrang hat das OLG Koblenz auch in einem anderen Fall erwogen, wenngleich im Ergebnis abgelehnt299: Es ging um einen Entschädigungsanspruch nach dem StrEG. Dieser ist gemäß § 13 Abs. 2 StrEG bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung (darüber und zum Verfahren siehe §§ 8 ff. StrEG) nicht übertragbar und daher nach § 851 Abs. 1 ZPO nicht pfändbar. Dennoch hatte ein Vollstreckungsgläubiger noch vor Eintritt der Rechtskraft einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt. Damit wurde unter Verstoß gegen das vorläufige Pfändungsverbot ein vorrangiges Pfändungspfandrecht erworben. Nach Ansicht des OLG Koblenz lag ein Verstoß gegen § 242 BGB deshalb nicht vor, weil der Vollstreckungsgläubiger bei seinem Vollstreckungsantrag lediglich die Sondervorschrift des § 13 Abs. 2 StrEG übersehen hatte; zudem habe der Normzweck („Verhinderung einer Einflußnahme Dritter auf den Ausgang des Straf- und Entschädigungsverfahrens …“) keine wesentliche Bedeutung mehr gehabt, weil das Strafverfahren zum Zeitpunkt der Pfändung abgeschlossen war.300 Dem OLG Koblenz ist im Ergebnis zu folgen. Da das Vollstreckungsgericht die Vollstreckungsvoraussetzungen und damit auch etwaige Pfändungsverbote zu prüfen hatte, konnte bei Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses dem Vollstreckungsgläubiger ein Verstoß gegen § 13 Abs. 2 StrEG i. V. m. § 851 Abs. 1 ZPO ohnehin nicht zugerechnet werden. Dass er falsche Angaben gemacht und sich den Pfändungsvorrang er 298

BGH NJW 1971, 2226; vgl. daneben Schuschke/Walker/Walker, § 804 Rz. 4. OLG Koblenz NJW-RR 1999, 508. 300 OLG Koblenz NJW-RR 1999, 508. 299

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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schlichen hatte, war nicht ersichtlich. Allenfalls ein objektiver Rechtsmissbrauch wegen Verstoßes gegen das vorläufige Pfändungsverbot kam in Betracht. Der objektive Rechtsmissbrauch „erledigte“ sich aber mit Eintritt der Rechtskraft, weil der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss von da an nicht mehr angefochten werden konnte und außerdem ein Vollstreckungszugriff eines Dritten bis dahin nicht erfolgt war, so dass einer „Heilung des anfechtbaren Pfändungsvorgangs“ nichts entgegen stand.301 Auf ein Verschulden des Vollstreckungsgläubigers kam es von vornherein nicht an. c) Geltendmachung eines Pfändungsvorranges bei fehlerhafter Vollstreckungsmaßnahme Nicht schützenswert ist dem Grunde nach auch derjenige, der sich auf den Pfändungsvorrang beruft, wenn ein Mangel der Vollstreckungsmaßnahme (z. B. fehlende Zustellung des Vollstreckungstitels) zunächst zu deren Anfechtbarkeit führt, jedoch erst behoben wird, nachdem ein anderer Vollstreckungsgläubiger ein Pfändungspfandrecht erworben hat. Wird der Mangel behoben, wirkt dies „ex nunc“; bis dahin war die Pfändung fehlerhaft.302 Es erscheint wegen der zunächst fehlerhaften Pfändung nicht gerechtfertigt, den Pfändungsvorrang zum Nachteil des zweitpfändenden Gläubigers aufrecht zu erhalten. Weil die fehlerhafte Vollstreckungsmaßnahme aber nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar ist, kann der zweitpfändende Gläubiger seine Interessen nur dadurch wahren, indem er den Rechtsweg beschreitet. Der zweitpfändende Gläubiger kann nach ganz h. M. Erinnerung gem. § 766 ZPO einlegen303; Ziel der Erinnerung ist es, einen Rangtausch herbeizuführen.304 Der Rechtsbehelf nach § 766 ZPO setzt aber eine Erinnerungsbefugnis voraus. Erinnerungsbefugt ist, wer aufgrund der Vollstreckungs­maßnahme in seinen Rechten beeinträchtigt ist.305 Allein das Interesse des zweitpfändenden 301 OLG Koblenz NJW-RR 1999, 508; vgl. auch Stöber, Forderungspfändung, Rz. 749 wonach der Dritte nur im Falle des vorherigen Vollstreckungszugriffs sich auf das anfangs fehlerhafte Pfändungspfandrecht berufen kann. 302 Stöber, Forderungspfändung, Rz. 749; a. A. (Heilung „ex tunc“) noch LG München NJW 1962, 2306. 303 U. a. BGH NJW-RR 2005, 869, 870; NJW-RR 1989, 636, 637; Blomeyer, Die Erinnerungsbefugnis Dritter in der Mobiliarzwangsvollstreckung, 81 ff.; Brox/Walker, ZVR, Rz. 1201; Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 37 Rz. 50; Stöber, Forderungspfändung, Rz. 749; Hk-ZPO/Kindl, § 766 Rz. 10; Lackmann, ZVR, Rz. 205; MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann, § 766 Rz. 31; Schuschke/Walker/Walker, § 766 Rz. 16a; StJ/Münzberg, § 766 Rz. 35/ § 804 Rz. 38; Zöller/Stöber, § 766 Rz. 18. 304 Stöber, Forderungspfändung, Rz. 749; „Nachrücken“ im Rang Schuschke/Walker/Walker, § 766 Rz. 16a. 305 U. a. Brox/Walker, ZVR, Rz. 1195; Hk-ZPO/Kindl, § 766 Rz. 10; Lackmann, ZVR, Rz. 203; Musielak/Lackmann, § 766 Rz. 18; vgl. auch MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann, § 766 Rz. 30; Schmidt, JuS 1992, 90, 95; Wittschier, JuS 1999, 585, 586 f.; vgl. Zöller/Stöber, § 766 Rz. 12.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

Gläubigers, den Pfändungsvorrang eingeräumt zu bekommen, genügt nicht.306 Ein eigenes Recht des zweitpfändenden Gläubigers wurde nicht verletzt307; das nachrangige Pfandrechte wurde zu einem Zeitpunkt erworben, als das vorrangige, wenngleich anfechtbare Pfandrecht schon bestand. Ein „Anwartschaftsrecht“ des zweitpfändenden Gläubigers, welches durch die fehlerhafte Erstpfändung verletzt worden sein könnte, scheidet aus.308 Zu Recht weist Bähr jedoch darauf hin, dass mit der Pfändung nicht nur eine freie Rangstelle erworben wird, sondern zugleich das Recht des Vollstreckungsschuldners, materielle, aber auch prozessuale Gestaltungsmöglichkeiten wahrzunehmen.309 Dies führt zu der Annahme einer „Prozessstandschaft“310. Der zweitpfändende Gläubiger leitet das Anfechtungsrecht vom Vollstreckungsschuldner ab. Die Erinnerung ist zulässig bis zum Verteilungstermin; danach kommt die Widerspruchsklage (§ 878 ZPO) in Betracht.311 Aus alledem folgt, dass eine Rechtsausübung auf Grundlage des Pfändungsvorranges grundsätzlich zulässig ist. Sie ist erst dann und insoweit unzulässig, als entweder das Vollstreckungsgericht auf Betreiben des zweitpfändenden Vollstreckungsgläubigers eine einstweilig Anordnungen trifft (§ 766 Abs. 1 S. 2 ZPO i. V. m. § 732 Abs. 2 ZPO) oder das jeweils zuständige Gericht (§ 764 ZPO/§ 879 ZPO) zugunsten des zweitpfändenden Gläubigers entscheidet und damit die entsprechenden Rechtsfolgen herbeiführt (Rangtausch oder die vorrangige Befriedigung bei der Erlösauskehr). Soweit objektive Mängel der angegriffenen Vollstreckungsmaßnahme im jeweiligen Verfahren gerügt werden, ist Verschulden aber nicht relevant. 2. Selbständiges Herbeiführen der Voraussetzungen des gesetzlichen Pfändungsschutzes nach § 811 Abs. 1 ZPO312 Wer die Voraussetzungen für den Vollstreckungsschutz selbst herbeiführt und damit zum Nachteil des Gläubigers den Vollstreckungszugriff vereitelt, scheint auf den ersten Blick rechtsmissbräuchlich zu handeln. Den Grundsatz, dass der­jenige, der die Voraussetzungen selbst geschaffen hat, sich nicht auf die Rechts­folgen berufen darf, gibt es aber in einer solch allgemeinen Form nicht. Das zeigt zum Beispiel § 162 BGB. Wer bei bedingten Rechtsgeschäften den Bedingungseintritt 306 Schmidt, JuS 1992, 90, 95; Bähr, KTS 1969, 1, 16 mit Verweis auf Blomeyer, Die Erinnerungsbefugnis Dritter in der Mobiliarzwangsvollstreckung, 1966, S. 44 f. (und weitere). 307 Siehe aber Zöller/Stöber, § 766 Rz. 18, wonach der nachfolgende Gläubiger in seinem Rang betroffen sei. 308 Siehe Bähr, KTS 1969, 1, 17. 309 Bähr, KTS 1969, 1, 20; vgl. auch zu den unselbständigen materiellen Gestaltungsrechten: Gottgetreu, Gestaltungsrechte als Vollstreckungsgegenstände, insb. S. 290 ff. 310 Bähr, KTS 1969, 1, 20. 311 Brox/Walker, ZVR, Rz. 493, 496; Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 37 Rz. 50. Aktivlegitimiert ist der Gläubiger, der im Verteilungsverfahren Widerspruch erhoben hat (§ 876 S. 2 ZPO); vgl. außerdem: Schuschke/Walker/Walker, § 804 Rz. 4. 312 Vgl. den vierten Fall in der Einführung.

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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selbst verhindert oder herbeiführt, darf sich nur dann nicht darauf berufen, wenn er damit gegen Treu und Glauben verstößt. Es müssen also weitere Umstände hinzutreten. Besonderes Augenmerk ist auch deswegen auf § 811 Abs. 1 ZPO zu richten, weil es eine dem § 162 BGB vergleichbare Vorschrift für das Herbeiführen von Vollstreckungshindernissen nicht gibt. Es kommt daher nur eine Korrektur über § 242 BGB in Betracht. Unabhängig vom Verschuldenserfordernis stellt sich die Frage, ob in Anbetracht der schutzwürdigen öffentlichen Interessen missbräuchliches Verhalten des Vollstreckungsschuldners überhaupt die Rechtsausübung unzulässig macht. a) Rechtsmissbrauch, Fallgruppe Zunächst einmal ist zu klären, um welche Fallgruppe es sich handelt. Wider­ sprüchliches Verhalten scheidet aus. Werden die Voraussetzungen des Pfändungsschutzes selbständig herbeigeführt, kann der andere Teil gerade nicht darauf vertrauen, dass der Pfändungsschutz nicht geltend gemacht wird. Zudem ist § 811 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu beachten, so dass der Vollstreckungsschuldner sich durch ein Handeln nicht selbst in Widerspruch setzt (§ 811 Abs. 1 ZPO gewährt nicht lediglich Einreden). Der Pfändungsschutz steht auch nicht in einem objektiv unauflöslichen Widerspruch zum Herbeiführen der Voraussetzungen; der Zweck ist vielmehr identisch. Statt auf ein widersprüchliches Verhalten ist auf ein vorangegangenes oder auch gegenwärtiges unredliches Tun abzustellen, soweit Rechtsmissbrauch deswegen angenommen wird, weil die Voraussetzungen des § 811 Abs. 1 ZPO willkürlich herbeigeführt werden. Das setzt aber einen Verstoß gegen eine prozessuale/vollstreckungsrechtliche Rechtspflicht voraus, ferner Verschulden des Handelnden. b) Pflichtwidriges Verhalten Fraglich ist, an welcher Rechtspflicht sich der Vollstreckungsschuldner festhalten lassen muss. Als Rechtsgrundlage kommt – weil es um die Vermeidung prozessualer Rechtsfolgen geht – vorliegend das Vollstreckungsrechtsverhältnis zwischen dem Vollstreckungsschuldner und dem Vollstreckungsgläubiger in Betracht. Nur dann, wenn der Vollstreckungsschuldner sich der Zwangsvollstreckung ausgesetzt sieht, kann von ihm verlangt werden, dass er die Zwangsvollstreckung nicht erschwert oder vereitelt. Wäre er, nachdem der Gläubiger einen Titel erwirkt hat, zur freiwilligen Zahlung unter Abwendung der Zwangsvollstreckung bereit, erschiene es geradezu widersinnig, ihn in seiner Lebensführung zu beschränken und das Herbeiführen solcher Umstände zu verbieten, die zu einem Vollstreckungshindernis führen. Einiges spricht also dafür, dass der Vollstreckungsschuldner erst mit Beginn der Zwangsvollstreckung gebunden sein kann. Es stellt sich aber die Frage, ob aus dem Vollstreckungsrechtsverhältnis in Verbindung mit § 242 BGB

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

die Rechtspflicht hergeleitet werden kann, dass der Schuldner es zu unterlassen hat, die Voraussetzungen des § 811 Abs. 1 ZPO herbeizuführen. Die sonstigen vollstreckungsrechtlichen Rechtspflichten deuten darauf hin. In der Zwangsvollstreckung darf der Schuldner das vollstreckbare Vermögen nicht verschwenden, er darf es nicht verschieben oder verschleiern; er muss unter Umständen einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Der Schuldner darf insbesondere die vermögenswerten Interessen des Gläubigers nicht schädigen, was über den haftungsrechtlichen Schutz nach § 823 Abs. 1 BGB hinausgeht. Die Schutzrichtung dieser Pflichten und der vermeintlichen Unterlassungspflichten ist identisch. Auf all das kommt es aber im Zusammenhang mit § 811 Abs. 1 ZPO nicht an. Die Vorschrift bezweckt u. a. den Schutz der Menschenwürde; die Menschenwürde ist, unabhängig von den Umständen im Einzelfall, unantastbar (Art. 1 Abs. 1 GG). § 811 Abs. 1 ZPO bezweckt ferner den Schutz fiskalischer Interessen des Staates. Das Allgemeininteresse geht aber auch dann vor, wenn das Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner gestört ist. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass z. T. Individualinteressen geschützt werden (§ 811 Abs. 1 Nr. 10, 11, 13 ZPO)313, kann zugunsten des Gläubigers nichts hergeleitet werden; denn es geht in jedem Fall nur um den Schutz der Interessen des Schuldners gegenüber dem Staat. Wird also der Gläubiger nicht geschützt, kann er sich grundsätzlich nicht darauf berufen, dass der Pfändungsschutz zu Unrecht bestehe; denn seine Rechte werden durch das Vollstreckungshindernisses nach § 811 Abs. 1 ZPO zwar beschränkt, namentlich der Vollstreckungsanspruch gegen den Staat, nicht jedoch unmittelbar verletzt. Die Norm ist auch nicht verfassungswidrig. Eine Rechtsverletzung kommt allein in Betracht im Vollstreckungsverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger, soweit nämlich eine Rücksichtnahmepflicht verletzt worden sein könnte; die Interessen des Gläubigers würden angesichts der Pflichtverletzung des Schuldners dessen Abwehrrechte gegen den Staat aber dann nur verdrängen, wenn das Gesetz dies vorsehen würde, und zwar in Form einer Interessenabwägung auf horizontaler Ebene. § 811 Abs. 1 ZPO sieht indessen eine solche Interessenabwägung nicht vor. Im Übrigen werden die von § 811 Abs. 1 ZPO geschützten Interessen, vornehmlich das öffentliche Interesse, infolge einer etwaigen Rechtsverletzung auf horizontaler Ebene nicht suspendiert. Nicht zuletzt kann der Gläubiger dem Schuldner ein etwaiges rechtsmissbräuchliches Verhalten mit der Folge, dass ihm (dem Schuldner) der Vollstreckungsschutz versagt bleibt, auch deswegen nicht entgegen halten, weil die Menschenwürde unantastbar ist. In keinem Fall kann der Staat sich also über § 811 Abs. 1 ZPO hinwegsetzen.

313 Bartels, Rpfleger 2008, 397, 402; Brox/Walker, ZVR, Rz. 302; siehe auch schon oben unter § 3 H. I.

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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c) Verschulden Verschulden spielt nach alledem in diesem Zusammenhang auch keine Rolle. Insofern ist nachvollziehbar, dass die Verschuldensfrage gar nicht aufgeworfen wird, weder von der Literatur noch von der Rechtsprechung. Zwar deutet die Terminologie – auf den ersten Blick in Anlehnung an die Verschuldensformen nach § 276 Abs. 1 BGB – vereinzelt darauf hin. So wird auf die Gefahr einer Manipulation durch vorsätzliches Herbeiführen der Voraussetzungen des § 811 ZPO hingewiesen.314 Außerdem könne derjenige, der den Gläubiger vorsätzlich schädigt, indem er auf den Pfändungsschutz verzichtete um sich später im gerichtlichen Verfahren doch darauf zu berufen, den Schutz des Gesetzes nicht in Anspruch nehmen.315 Richtig ist aber nur, dass es für den Pfändungsschutz nach § 811 Abs. 1 ZPO nicht auf den Zeitpunkt der Pfändung ankommt, sondern auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Rechtsbehelfsverfahren, da sich die Zwangsvollstreckung während des gesamten Verfahrens als rechtmäßig erweisen muss316; es können also tatsächlich nachträgliche Umstände hinzutreten, welche zur Unpfändbarkeit der Sache führen. Nicht richtig ist aber, dass ein vorsätzliches, irgendwie geartetes Verhalten den Vollstreckungsschutz entfallen lässt; dass der Schutz des Schuldners gegenüber dem Staat nicht einschränkbar ist, wurde bereits ausführlich erörtert. Ein Verzicht wäre ohnehin nicht wirksam, so dass der Gläubiger nicht nachträglich durch die Geltendmachung im Verfahren geschädigt sein kann. d) Auswirkung und praktische Bedeutung Falls der Gläubiger etwa dadurch geschädigt wird, dass ein pfändbarer Pkw an einen Dritten verschenkt oder unter Wert verkauft wird und deswegen ein weiterer Pkw nach § 811 Abs. 1 Nr. 5, 12 ZPO unpfändbar ist317, so kann der Gläubiger ggf. anfechten (vgl. §§ 3, 4 AnfG) oder Schadenersatz verlangen; außerhalb materiellrechtlicher Ansprüche kommt aber eine Korrektur auf verfahrensrechtlichem Wege nicht in Betracht. Das ist in anderen Fällen, in denen der Gläubiger (mittelbar) geschädigt wird, nicht anders. Solche Fälle, in denen der Voll­streckungsschuldner die Voraussetzungen des § 811 Abs. 1 ZPO selbst herbeigeführt hat, kommen in 314

MüKoZPO/Gruber, § 811 Rz. 19; vgl. ferner Schuschke/Walker/Walker, § 811 Rz. 10. BayObLG NJW 1950, 697, 699; vgl. ferner OLG Frankfurt NJW 1953, 1835, 1836; ThP/ Seiler, § 811 Rz. 5. 316 Brox/Walker, ZVR, Rz. 295; Lackmann, ZVR, Rz. 145; MüKoZPO/Gruber, § 811 Rz. 19; Musielak/Becker, § 811 Rz. 7; Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, S. 808 f.; grds. auch StJ/Münzberg, § 811 Rz. 17; vgl. ferner LG Stuttgart DGVZ 2005, 42, 43; a. A.: KG NJW 1952, 751; LG Bochum DGVZ 1980, 37, 38; LG Berlin Rpfleger 1977, 262; AG Sinzig DGVZ 1990, 95; BLAH, § 811 Rz. 13; ThP/Seiler, § 811 Rz. 3a; Zöller/Stöber, § 811 Rz. 9. 317 Vgl. zum Pfändungsschutz bei Pkw u. a. BGH NJW-RR 2004, 789, 790. 315

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

der Praxis ohnehin kaum vor. Diskutiert wurde in der Vergangenheit ab und an die Frage, wie zu verfahren ist, wenn Gebrauchsgegenstände gepfändet werden, die der Vollstreckungsschuldner zur angemessenen, bescheidenen Haushaltsführung zunächst nicht bedarf (vgl. § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), er aber alsbald eine Familie gründet, so dass die Voraussetzungen für den Pfändungsschutz nachträglich erfüllt sind.318 Ein unredliches, böswilliges Verhalten kann zumindest nach heutigen Maßstäben nicht angenommen werden. Unabhängig davon wäre eine Pfändung unter Berücksichtigung von Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 6 Abs. 1, 20/28 Abs. 1 S. 1 GG aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht haltbar. Fälle, in denen der Vollstreckungsschuldner die Voraussetzungen des § 811 Abs. 1 ZPO selbst herbeigeführt hat, sind jedenfalls deswegen selten, weil einerseits die Sachvollstreckung gegenüber der Forderungsvollstreckung generell an Bedeutung verloren hat und es andererseits kaum denkbar ist, dass der Vollstreckungsschuldner ein Leben am Existenzminimum führt und dies auch noch gefährdet, allein um den Vollstreckungsgläubiger (absichtlich) zu benachteiligen. 3. Der Arglisteinwand bei Pfändung gläubigereigener Sachen, (§ 811 Abs. 2 ZPO) In der Vergangenheit hatten sich Rechtsprechung und Literatur mit dem „Arglist­ einwand“ bei Geltendmachung des Pfändungsverbotes nach § 811 ZPO zu befassen. Mit Verschulden hatte dies aber nichts zu tun, auch wenn der Begriff darauf hindeutet. Streitig war (bis zur Neuregelung des § 811 ZPO Ende der 1990er Jahre319), ob der Vollstreckungsschuldner sich auf den Pfändungsschutz berufen durfte, wenn in eine sich im Gewahrsam des Schuldners befindliche Sache vollstreckt werden sollte, die nach § 811 ZPO zwar unpfändbar war, jedoch aufgrund eines Eigentumsvorbehaltes oder infolge einer Sicherungsübereignung dem Gläubiger gehörte.320

318 Siehe dazu Ochs, NJW 1959, 180 (Kinderbett); vgl. ferner LG Bochum DGVZ 1980, 37 (Wohnzimmerschrank), Nach Ansicht des LG Bochum kam es darauf, dass eine Familie gegründet wurde, nicht an, weil es auf die Pfändbarkeit im Zeitpunkt der Pfändung abstellte. 319 Zweite Zwangsvollstreckungsnovell v. 17.12.1997, BGBl. I (1997, Nr. 85) S. 3039, 3040. 320 Pfändungsschutz (keine Arglisteinrede): OLG Hamm DGVZ 1984, 138, 141 f. (Sicherungseigentum); OLG Köln NJW 1961, 975 (Sicherungseigentum); KG NJW 1960, 682 (Sicherungsübereignung); OLG Frankfurt, NJW 1953, 1835 f. (Sicherungseigentum); LG Heilbronn, NJW 1988, 148, 149 (Sicherungseigentum); LG Mannheim, Beschl. v. 19.07.1976, Az. 4 T 112/76, juris (Sicherungseigentum); AG Trier DGVZ 1984, 94 f. (Vorbehaltseigentum); Lüke, NJW 1954, 1316 f. (Sicherungs-/Vorbehaltseigentum); Schuschke/Walker/Walker, 2. Aufl. (1997), § 811 Rz. 3 m. w. N. zum damaligen Meinungsstreit (Sicherungs-/Vorbehalts­ eigentum); StJ/Münzberg, Bd. 6, 21. Aufl. (1995), § 811 Rz. 15, 15a (Sicherungs-/Vorbehalts­ eigentum); kein Pfändungsschutz (wegen Arglisteinrede): OLG München, BB 1971, 1260 f. (Sicherungseigentum); LG Bonn, NJW 1961, 367 f. (Sicherungseigentum); AG Wuppertal DGVZ 1983, 173 f. (Vorbehaltseigentum); AG Jülich, DGVZ 1983, 62 (Vorbehaltseigentum).

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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Der Gesetzgeber hat den Meinungsstreit durch Einführung des § 811 Abs. 2 ZPO mit Wirkung vom 01.01.1999321 geklärt. Nach § 811 Abs. 2 S. 1 ZPO können die in § 811 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5 bis 7 ZPO bezeichneten Sachen gepfändet werden, wenn der Verkäufer wegen einer durch Eigentumsvorbehalt gesicherten Geldforderung aus ihrem Verkauf vollstreckt. Der Gesetzgeber hat es abgelehnt, das Sicherungseigentum dem Eigentumsvorbehalt gleichzustellen.322 Er hielt den Sicherungs­ eigentümer für weniger schutzwürdig, weil er sich eine Sache hat übereignen lassen, die ohne den Übertragungsakt einem Vollstreckungszugriff entzogen wäre; würde auch der Sicherungseigentümer privilegiert, stünde zu befürchten, dass der Pfändungsschutz des § 811 ZPO umgangen werde.323 Daraus folgt, dass der Gläubiger, der wegen einer Forderung in eine ihm zur Sicherheit übereignete Sache vollstreckt, eine Herausgabeklage erheben oder auf andere Weise einen Heraus­ gabetitel erwirken und nach § 883 ZPO die Vollstreckung betreiben muss.324 Die Neuregelung führt indes nicht dazu, dass es nunmehr auf Verschulden ankommt. Der Gesetzgeber hat in § 811 Abs. 2 ZPO eine spezifische, jedoch rein objektive Interessenabwägung vorweggenommen; Verschulden ist nicht von Belang. Es ist auch kein Tatbestandsmerkmal ersichtlich, über dessen Auslegung das Verschuldensmerkmal in die Prüfung der Rechtsfrage einfließen könnte, ob von § 811 Abs. 1 ZPO eine Ausnahme zu machen ist. 4. Rechtsmissbrauch durch Pfändung „ins Blaue hinein“, § 829 ZPO Eine Geldforderung wird nach § 829 Abs. 1 S. 1, 2 ZPO gepfändet, indem das Vollstreckungsgericht, namentlich der Rechtspfleger (§ 828 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 20 Nr. 17 RPflG), dem Drittschuldner verbietet, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen (Arrestatorium) und das Verbot erlässt, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere der Einziehung, zu enthalten (Inhibitorium). Mit Zustellung des Beschlusses, was auf Betreiben des Gläubigers geschieht (§ 829 Abs. 2 S. 1 ZPO), ist die Pfändung nach § 829 Abs. 3 ZPO als bewirkt anzusehen. Weil der Vollstreckungsschuldner vor der Pfändung gem. § 834 ZPO grundsätzlich nicht zu hören ist, folgt die Zugehörigkeit der Forderung zum Vermögen des Vollstreckungsschuldners allein aus den Behauptungen des Vollstreckungsgläubigers.325 Das Vollstreckungsgericht pfändet die „angebliche“ Forderung und überprüft die Angaben des Gläubigers lediglich auf Schlüssigkeit, sonst jedoch nicht.326 321 Zweite Zwangsvollstreckungsnovell v. 17.12.1997, BGBl. I (1997, Nr. 85) 3039, 3040; siehe dazu auch LG Köln DGVZ 1999, 42. 322 Dazu Schuschke/Walker/Walker, § 811 Rz. 4. 323 BT-Drs. 13/341, S. 25. 324 Schuschke/Walker/Walker, § 811 Rz. 4. 325 Schuschke/Walker/Schuschke, § 829 Rz. 13, Stöber, Forderungspfändung, Rz. 485a. 326 BGH NJW 2004, 2096, 2097; Schuschke/Walker/Schuschke, § 829 Rz. 13, 32; Stöber, Forderungspfändung, Rz. 485, 485a, 486.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

Existiert die Forderung nicht, geht die Pfändung ins Leere; sie ist in diesem Fall schlechthin nichtig.327 Da der Vollstreckungsgläubiger die Forderung des Vollstreckungsschuldners gegen den Drittschuldner schlüssig darlegen muss, scheidet eine Pfändung aus, wenn die Forderung gemäß den Angaben offensichtlich nicht bestehen kann328, aber auch dann, wenn zu erkennen ist, dass der Vollstreckungsgläubiger – ohne weitere Angaben zu machen – „ins Blaue hinein“ pfänden lassen will.329 In letzterem Fall wird teilweise rechtsmissbräuchliches Verhalten angenommen.330 Eine sogenannte „Ausforschungspfändung“ sei unzulässig.331 Der BGH hält es aber noch nicht für rechtsmissbräuchlich, wenn näher bezeichnete Ansprüche gegen nicht mehr als drei bestimmte Geldinstitute am Wohnort des Schuldners gepfändet werden sollen.332 Von der Literatur wird darauf hingewiesen, dass Rechtsmissbrauch jedenfalls bei Pfändung von angeblichen Ansprüchen gegen eine „große Vielzahl“ von Banken vorliegt, wenn damit allein die Hoffnung verbunden ist, dass der Schuldner irgendwo ein Konto unterhält.333 Zu Recht stellt der BGH auf § 138 Abs. 1 ZPO ab. Die prozessuale Wahrheitspflicht wird – wie der BGH feststellt – nicht schon dann verletzt, wenn Angaben gemacht werden, die sich (im Nachhinein) als unzutreffend erweisen. Vielmehr muss es sich um Behauptungen wider besseren Wissens334 handeln; es genügt auch, wenn Behauptungen willkürlich und „ins Blaue hinein“ aufgestellt werden.335 Angaben unter Verstoß gegen die Wahrheitspflicht lassen den Pfändungsantrag rechtsmissbräuchlich erscheinen. Wegen der Inbezugnahme einer Handlung kommt es gemäß der hier vertretenen Ansicht notwendigerweise auf Verschulden an. Das folgt auch schon aus der Definition der Pflichtverletzung: wer wider besseren Wissens Angaben macht, handelt vorsätzlich; bei Angaben „ins Blaue hinein“ ist bedingter Vorsatz gegeben.336 Im letztgenannten Fall ist sich der Gläubiger be-

327 BGH NJW 2002, 755, 757; BAG NJW 1993, 2699, 2700; OLG Frankfurt, Urt. v. 11.04.01, Az. 7 U 99/00, juris, OS und Rz. 29, insb. Rz. 32; OLG Köln OLGR 1999, 42; Schuschke/Walker/Schuschke, § 829 Rz. 32; Stöber, Forderungspfändung, Rz. 486. 328 Schuschke/Walker/Schuschke, § 829 Rz. 32. 329 OLG München ZIP 1990, 1128; LG Aurich Rpfleger 1993, 394; Schuschke/Walker/ Schuschke, § 829 Rz. 13, 32. 330 Schuschke/Walker/Schuschke, § 829 Rz. 13. 331 OLG München ZIP 1990, 1128; vgl. auch BGH NJW 2004, 2096, 2098. 332 BGH NJW 2004, 2096, 2097 f. 333 Schuschke/Walker/Schuschke, § 829 Rz. 13. 334 Siehe auch ThP/Reichold, § 138 Rz. 3. 335 Bereits BGH NJW 1986, 246, 247. 336 OLG Brandenburg ZIP 2008, 402, 403; Jauernig/Jauernig, § 123 Rz. 3; vgl. auch MüKo BGB/Grundmann, § 276 Rz. 161 und Rz. 163, der von Vorsatz ausgeht, nicht einmal nur bedingter Art; ferner BGH NJW 1975, 978, 980 und BeckOK-BGB/Unberath, § 276 Rz. 15 f. (Arglist bei demjenigen, der sich der Kenntnis verschließt); siehe auch schon RGZ 143 (1934), 48, 52.

B. Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung

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wusst, dass die Angaben falsch sein können; die Kenntnis der eigenen Ungewissheit steht der Kenntnis von der Unrichtigkeit gleich.337 Allerdings wirkt sich das Verschulden im Verfahren nicht maßgeblich aus. Zum einen beurteilt die Rechtsprechung bei näherer Betrachtung die Sachlage aus objektiver Sicht, nämlich insofern, als sie das Vorliegen von Angaben „ins Blaue hinein“ allein aus objektiven Umständen schlussfolgert, beispielsweise dann, wenn seitens des Vollstreckungsgläubigers eine vermeintliche Forderung des Voll­ streckungsschuldners gegen eine Vielzahl von Geldinstituten behauptet wird. Dabei geht es der Sache nach darum, dass der Pfändungsantrag nicht bestimmt genug ist. Zum anderen hat das Gericht Hinweispflichten nach § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO, so dass selbst bei einem schuldhaften Verstoß gegen die Wahrheitspflicht dem Vollstreckungsgläubiger Gelegenheit gegeben wird, den Antrag zu korrigieren und damit das prozesswidrige Verhalten ungeschehen zu machen. Sollte der Vollstreckungsgläubiger allerdings schuldhaft gegen die Wahrheitspflicht verstoßen, ohne dass das Vollstreckungsgericht dies anhand der Umstände im Einzelfall erkennen kann, gibt es keine verfahrensrechtlichen Konsequenzen, zumal die Pfändung einer behaupteten, nicht aber existenten Forderung ins Leere geht (siehe oben). Schadenersatzansprüche auf materiell-rechtlicher Ebene scheiden aus, weil kein Schaden entsteht. Soweit das staatliche Verfahren unnütz in Anspruch genommen wird, braucht auch der Staat den Vollstreckungsgläubiger nicht in Regress zu nehmen, weil dieser die Kosten vorzuschießen hat. Kosten­ ersatz nach § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO kann der Vollstreckungsgläubiger vom Voll­ streckungsschuldner freilich nicht verlangen; denn die Kosten waren in Anbetracht des schuldhaften Verstoßes gegen die Wahrheitspflicht nicht notwendig.338

V. Zusammenfassung Versucht der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung eine nicht titulierte Leistung zu erzwingen, verfolgt er damit einen verfahrensfremden Zweck. Dies ist rechtsmissbräuchlich; es mangelt am Rechtsschutzbedürfnis. Auf Verschulden kommt es nicht an. Zulässig ist dagegen ein bedingter Antrag auf Vollstreckung des Haftbefehls, wenn beispielsweise vom Vollzug abgesehen werden soll, sofern der Schuldner zahlt. Missbräuchlich ist es jedoch, wenn der Schuldner wiederholt mit bedingten Anträgen überzogen und „mürbe“ gemacht wird, wenn es sich also um einen Dauerauftrag handelt. Der Missbrauch beruht auf einem Verstoß gegen den objektiven Normzweck. Verschulden ist dafür nicht maßgeblich. Der Ti 337

OLG Köln r + s 2004, 229, 230; Staudinger/Oechsler (2009), § 826 Rz. 87. AG Hamburg DGVZ 2003, 94; AG Frankfurt, DGVZ 1995, 46; Hochheim DGVZ 1993, 31; MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann, § 788 Rz. 25; Schuschke/Walker/Schuschke, § 788, Fn. 107; Zöller/Stöber, § 788 Rz. 9a; vermeidbare Kosten sind nicht notwendig: Hk-ZPO/Saenger, § 788 Rz. 28. 338

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

telmissbrauch ist an den Voraussetzungen des § 826 BGB zu messen. Angesichts der drohenden Entwertung muss ein falscher Titel auf sittenwidrige Weise erlangt worden sein oder durchgesetzt werden; erforderlich ist ein schuldhaftes, vorsätz­ liches Verhalten. Soll die Räumungsvollstreckung entgegen § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO auf einen nicht im Titel benannten Dritten erstreckt werden, ist dies nach der hier vertretenen Ansicht ganz ausnahmsweise möglich, wenn nämlich der Dritte den Gläubiger auf sittenwidrige Weise schädigt und schuldhaft-vorsätzlich handelt (vgl. § 826 BGB). Flüchten die Betroffenen in die Anonymität, kommt unter den genannten Voraussetzungen ein Titel gegen „Unbekannt“ in Betracht. Wird die Sachpfändung vereitelt, indem pfändbare und verwertbare Sachen einem Dritten übergeben werden, gegen den kein Titel vorliegt und der die Herausgabe verweigert, kann nach der hier vertretenen Ansicht ausnahmsweise vom Titelerfordernis unter den Voraussetzungen des § 826 BGB abgewichen werden. Dann kommt eine Wegnahme nach § 808 Abs. 1 ZPO nur in Betracht, wenn der Schuldner gegen den Dritten einen Herausgabeanspruch hat und der Dritte sittenwidrig und vorsätzlich handelt. Für die Erteilung einer Zweitausfertigung nach § 733 ZPO ist entscheidend, ob aufgrund der objektiven Umstände eine Doppelvollstreckung droht. Widersprüchliches Verhalten kann dem Gläubiger, der die vorherige Ausfertigung zurückgegeben hat und anschließend eine weitere begehrt, nicht vorgeworfen werden, wenn es der Schuldner vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassen hat, über offene Restforderungen aufzuklären. Rechtsmissbräuchlich ist das Erschleichen der öffentlichen Zustellung nach §§ 185 ff. ZPO, wenn der Gläubiger unter Verstoß gegen § 138 Abs. 1 ZPO vorsätzlich falsche Angaben macht, etwa deswegen, weil er die Vollstreckungsvoraussetzungen herbeiführen will, ohne dass der Schuldner tatsächlich Kenntnis erlangt. Verhindert oder vereitelt umgekehrt der Schuldner die Zustellung des Titels unter Verstoß gegen seine Mitwirkungspflichten auf vorsätzliche oder fahrlässige Weise, ist dies rechtsmissbräuchlich, so dass der Titel als zugestellt gilt. Im Falle von Vorsatz braucht ein zweiter Zustellversuch nicht unternommen zu werden. Die Vorratspfändung kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Schuldner die fälligen Forderungen i. S. d. § 850d Abs. 3, Abs. 1 ZPO erfüllt hat und zu erwarten ist, dass er auch in Zukunft pünktlich erfüllen wird. Maßgeblich kommt es darauf an, ob sich der Schuldner anhand der objektiven Umstände als zuverlässig erweist. Schuldhaftes Verhalten kann Indizwirkung haben. Der Vollstreckungsschuldner erweist sich umso mehr als unzuverlässig, wenn er schuldhaft in Zahlungsrückstand geraten ist. Wird der Pfändungsvorrang durch missbräuchliches Erwirken der öffentlichen Zustellung erschlichen, d. h. unter vorsätzlich wahrheitswidrigen Angaben (§ 138 Abs. 1 ZPO), kann der nachrangige Gläubiger sich darauf berufen. Wird der Pfändungsvorrang „erschlichen“, in dem gegen ein vorläufiges Pfändungsverbot verstoßen wird, liegt der Fehler auf Seiten des Vollstreckungsgerichts. Allenfalls unter objektiven Gesichtspunkten kann Rechtsmissbrauch angenommen werden. Macht der nachrangige Gläubiger den Pfändungsvorrang geltend, weil das vorrangige Pfändungspfandrecht auf fehlerhaften Vollstreckungsmaßnahmen beruht (z. B. Pfändung ohne Zustellung des Titels), werden lediglich objektive Verfahrensmängel gerügt. Praktisch nicht relevant

C. Rechtsmissbrauch im einstweiligen Rechtsschutz

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sind die Fälle, in denen der Schuldner die Voraussetzungen des § 811 Abs. 1 ZPO selbst herbeiführt. Zudem kommt es auf Verschulden nicht an; abgewogen werden öffentliche Interessen, auch die betroffenen Grundrechte des Schuldners, mit den Interessen des Gläubigers. Im Rahmen des § 811 Abs. 2 ZPO (zum Arglisteinwand siehe oben) kommt es auf Verschulden nicht an. Die Pfändung „ins Blaue hinein“ setzt der Sache nach Behauptungen wider besseres Wissens voraus und damit wenigstens bedingten Vorsatz. In der Praxis orientieren sich die Gerichte an den objektiven Umständen. Erkennt das Vollstreckungsgericht die Pfändung als eine solche „ins Blaue hinein“, wirkt es durch entsprechende Hinweise auf die Korrektur des Antrags hin.

C. Rechtsmissbrauch im einstweiligen Rechtsschutz Rechtsmissbrauch kommt auch im einstweiligen Rechtsschutz vor. Speziell sei hier auf zwei Formen hingewiesen, zum einen auf das Verfolgen sachfremder Ziele und zum anderen auf das sogenannte „Forum-Shopping“.

I. Verfolgen sachfremder Ziele, bloßes Kosteninteresse Praktisch relevant sind im einstweiligen Rechtsschutz und dort insbesondere im Wettbewerbsrecht solche Fälle rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, in denen überwiegend oder allein ein sachfremdes Ziele verfolgt wird, namentlich das Ziel, Aufwendungen oder Kosten erstattet zu verlangen. So soll nach § 12 Abs. 1 S. 1 UWG zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs nach § 8 Abs. 1 S. 1 UWG, der gem. § 12 Abs. 2 UWG durch eine einstweilige Verfügung „gesichert“ werden kann, der Gegner zunächst abgemahnt werden. Dies wurde und wird zum Teil zum Geschäftsmodell gemacht, einerseits von Rechtsanwälten, die sich auf Abmahnungen spezialisiert haben und dem Mitbewerber (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG) zur Seite treten, andererseits von Abmahnvereinen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG). Durch eine übermäßige Abmahntätigkeit werden willkürlich Kosten produziert und nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG ersetzt verlangt, gegebenenfalls im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren. Der Gesetzgeber hat darauf schon in den 1980er Jahren reagiert und § 13 Abs. 5 UWG (a. F.)339, den heutigen § 8 Abs. 4 UWG eingefügt. Danach ist die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.

339

BGBl. I 1986, S. 1169, 1171.

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

1. Fallgruppe: Objektive Interessenabwägung/unredliches, pflichtwidriges Verhalten Die Frage, ob der Rechtsmissbrauch ein schuldhaftes Handeln voraussetzt, hängt davon ab, welcher Fallgruppe das Verfolgen sachfremder Ziele zuzurechnen ist. Käme es auf das unredliche oder das unredliche vorangegangene Verhalten maßgeblich an, würde das regelmäßig dann die Rechtsausübung unzulässig machen, wenn der Handelnde die Verletzung einer Rechtspflicht zu vertreten hat. Macht jedoch ein Rechtsanwalt für den Mitbewerber (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG) oder ein Verein nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG Unterlassungsansprüche geltend, deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind, kann darin kein Verstoß gegen eine Rechtspflicht liegen. Das gilt auch dann, wenn 20 Mahnungen verschickt und hohe Kostennoten gestellt werden und dies zur eigenen geringfügigen Gewerbe­ tätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis steht und die Abmahntätigkeit bzw. die Rechtsverfolgung aus Sicht eines vernünftigen Dritten lediglich dem Kosteninteresse dient.340 Bevor abgemahnt wird, fehlt es in der Regel ohnehin an einem Rechtsverhältnis zu den Mitbewerbern, so dass der Handelnde ihnen gegenüber nicht verpflichtet sein kann. Begründet werden kann der Rechtsmissbrauch nur mit einer objektiven Interessenabwägung. Zwar wird möglicherweise bereits der Normzweck nicht mehr erfüllt sein, wenn ein und dasselbe unzulässige wirtschaftliche Verhalten mehrfach (von verschiedenen Mitbewerbern) verfolgt wird und daraufhin die Befolgung des Anspruchs gewährleistet ist.341 Von einer Verletzung des Normzwecks kann aber nicht die Rede sein, wenn trotz der geringen eigenen Gewerbetätigkeit eine Vielzahl von Mitbewerbern abgemahnt und gegen diese vorgegangen wird, sofern der Normtatbestand (§ 8 Abs. 1 S. 1 UWG) erfüllt ist. Dafür, dass generell eine Interessenabwägung342 vorzunehmen ist, spricht der Wortlaut des § 8 Abs. 4 UWG („Berücksichtigung der gesamten Umstände“, „vorwiegend“). Wenn das Kosteninteresse überwiegt, nicht dagegen das Interesse, die unzulässige geschäftliche Handlung zu unterbinden, ist die Geltendmachung des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs demnach rechtsmissbräuchlich. Das gilt ferner, soweit die Allgemeinheit kein Interesse an der Inanspruchnahme durch eine Vielzahl Berechtigter hat.343

340

LG Würzburg MMR 2009, 200, 201. Zur Mehrfachabmahnung durch mehrere Konzernunternehmen: BGH NJW 2002, 1494, 1495 f. 342 Köhler/Bornkamm/Köhler, § 8 UWG Rz. 4.11. 343 Köhler/Bornkamm/Köhler, § 8 UWG Rz. 4.11.; zum Interesse der Allgemeinheit ferner: Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, § 8 Rz. 158. 341

C. Rechtsmissbrauch im einstweiligen Rechtsschutz

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2. Verschulden Mangels einer Rechtspflicht gegenüber dem Mitbewerber, wird es auch im Rahmen der Interessenabwägung auf ein Verschulden des Handelnden regelmäßig nicht ankommen. Soweit das vorwiegend finanzielle Interesse denklogisch die Absicht voraussetzt, den Schuldner mit Gebühren und Kosten – der Sache nach unnötig – zu belasten344, handelt es sich nicht um Verschulden im rechtstechnischen Sinn, sondern um ein einfaches subjektives Kriterium (böser Wille), das in die Interessenabwägung einfließt. Zudem wird die Absicht regelmäßig aus den objektiven Umständen zu schlussfolgern sein, etwa dann, wenn mehrere Konzern­ unternehmen in Vertretung desselben Rechtsanwaltes denselben Mitbewerber per einstweiliger Verfügung in Anspruch nehmen wollen und den Antrag jeweils an ihrem Sitz (Begehungsort) stellen, ohne gemeinsam gegen ihn vorzugehen.345 Im Zweifel wird der Antragsteller das Gegenteil glaubhaft zu machen haben und begründen müssen, weshalb das Kosteninteresse nicht vorrangig ist, sondern ein sachlich plausibler Grund das außergerichtliche und gerichtliche Vorgehen im Einzelfall rechtfertigt. 3. Verfahrensrechtliche Aspekte § 8 Abs. 4 UWG lässt die Klage- bzw. Antragsbefugnis entfallen.346 Die Klage bzw. der Antrag ist unzulässig, selbst dann, wenn das unredliche Verhalten sich auf die außergerichtliche Abmahnung beschränkt und der Rechtsbehelf selbst die Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs nicht erfüllt347 (etwa dann, wenn auf Mehrfachabmahnungen einzelner Konzerntöchter hin ein einheitliches Verfügungs­ verfahren eingeleitet wird); anderenfalls wäre kein effektiver Rechtsschutz für den Mitbewerber gewährleistet. Die missbräuchliche Abmahnung ist ihrerseits unwirksam.348

II. „Forum-Shopping“ Weiterhin können im einstweiligen Rechtsschutz solche Fälle problematisch sein, in denen unter einer Vielzahl an Gerichtsständen gewählt werden kann; das betrifft insbesondere Wettbewerbssachen, presserechtliche Streitigkeiten und solche, die einen Internetauftritt zum Gegenstand haben.349 Hier kann regelmäßig 344

Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/Goldmann, § 8 Rz. 391 ff., 393, 396. BGH NJW 2000, 3566, 3568. 346 BT-Drs. 10/5771, S. 22. 347 BGH NJW 2002, 1494, 1496 f.; a. A. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bergmann/ Goldmann, § 8 Rz. 382; Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, § 8 Rz. 157. 348 Köhler, FS Erdmann, S. 845, 857. 349 Hk-ZV/Haertlein, § 935 Rz. 27. 345

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

der Begehungsort nicht eingegrenzt werden, was es nach § 32 ZPO oder nach § 14 Abs. 2 UWG erlaubt, an verschiedenen Orten einstweiligen Rechtsschutz zu begehren (fliegender Gerichtsstand). Soweit vertreten wurde, der Antrag sei rechtsmissbräuchlich, wenn er bei einem Gericht gestellt wird, in dessen Bezirk weder der Antragsteller seinen Sitz habe, noch der Antragsgegner350, ist das abzulehnen. Der „fliegende“ Gerichtsstand ist eine gesetzliche Folge und es ist die Pflicht des Rechtsanwaltes, das Gericht anzurufen, das nach seiner Einschätzung am ehesten im Interesse des Mandanten verfahren und entscheiden wird.351 Ferner hat die Vielzahl der Gerichtsstände auch zur Folge, dass in der Praxis ein Verfügungsantrag insbesondere dann, wenn das Gericht nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden will, zurückgenommen wird, um den Antrag bei einem anderen Gericht erneut zu stellen. Dies wird als „Forum-Shopping“ bezeichnet und ist unter Rechtsanwälten im Sinne einer guten anwaltlichen Beratungspraxis und im wohlverstandenen Interesse des Mandanten üblich. Rechtsprechung und Literatur tun sich jedoch schwer damit. Zwar wird gesagt, dass das „Forum-Shopping“ nicht schon von vornherein unzulässig sei.352 Das trifft vor allem für die Fälle zu, in denen der Antrag aus besonderen Dringlichkeitsgründen zur Vermeidung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen und anderenorts erneut gestellt wird. Tatsächlich können sich legitime Interessen dahinter verbergen. Zu Recht wird allerdings darauf verwiesen, dass das „Forum-Shopping“ zumindest dann unzu­lässig ist, wenn der Antragsteller erkennbar allein den Zweck verfolgt, die Entscheidung unter Ausschluss des Antragsgegners – ohne dass diesem rechtliches Gehör gewährt wird – zu erlangen.353 Dies darf zwar nicht lediglich aus dem Umstand geschlussfolgert werden, dass der erste Antrag nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung sofort zurückgenommen wird354; denn das „Forum-Shopping“ ist ja nicht von vornherein unzulässig, jedoch wird zu verlangen sein, dass der Antragsteller bei dem erneuten Antrag seine Vorgehensweise plausibel begründet. Insbesondere wird es eine Rolle spielen, ob der Antragsteller durch sein Vorgehen die gerichtliche Entscheidung unter Vermeidung der mündlichen Verhandlung schneller erlangen kann, oder ob er nicht vielmehr die Entscheidung selbst verzögert, indem er z. B. den ersten Antrag erst unmittelbar vor Beginn der mündlichen Verhandlung oder während der mündlichen Verhandlung zurücknimmt, um danach den erneuten Antrag anderenorts zu stellen. Unzulässig ist das „Forum-Shopping“ jedenfalls dann, wenn der Antragsteller den Antrag zurücknimmt, um ihn anderenorts erneut zu stellen, weil das Gericht den Antrag abzulehnen gedenkt oder wenn 350

OLG Hamm GRUR 1987, 569. OLG Hamm, Urt. v. 01.04.08, Az. 4 U 10/08, juris, Rz. 11; ebenso KG WRP 1992, 34, 35 f. 352 OLG Hamm, Urt. v. 01.04.08, Az. 4 U 10/08, juris, Rz. 12 (dabei scheint das OLG Hamm eine liberalere Einstellung zu haben als andere Gerichte); Hk-ZV/Haertlein, § 935 Rz. 27; ­Musiol, FD-GewRS 2007, 245527; siehe auch LG Frankfurt, Urt. v. 18.07.2012, Az. 2–06 S 3/12, juris. 353 OLG Hamburg NJW-RR 2007, 763, 765 = WRP 2007, 813 (siehe dort LS 2). 354 So aber OLG Hamburg NJW-RR 2007, 763, 765. 351

C. Rechtsmissbrauch im einstweiligen Rechtsschutz

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es den Antrag sogar bereits teilweise abgelehnt hat.355 Es gibt ein Recht darauf, dass ein Gericht entscheidet356, nicht aber darauf, dass ein bestimmtes Gericht im Sinne des Antragstellers entscheidet. 1. Fallgruppe und Verschulden Bei rechtsmissbräuchlichem „Forum-Shopping“ handelt es sich nicht um die Fallgruppe des widersprüchlichen Verhaltens; denn der Antragsgegner kann wegen der gängigen Rechtspraxis nicht darauf vertrauen, dass auf den zurück­ genommenen Antrag kein weiterer Antrag folgt. Die Rücknahme des Antrags und das Stellen des erneuten Antrags stehen auch nicht zueinander in einem unauf­ löslichen Widerspruch; denn das Verfahrensrecht lässt eine solche Vorgehensweise ausdrücklich zu und das „Forum-Shopping“ ist nicht von vornherein unzulässig. Das rechtsmissbräuchliche „Forum-Shopping“ kann auch nicht der Fallgruppe des unredlichen Verhaltens zugeordnet werden. Das Verhalten müsste sich nämlich an einer Rechtspflicht messen lassen, nach der keine weiteren Anträge bei einem anderen Gericht gestellt werden dürfen, wenn der erste Antrag zurückgenommen wurde. Eine solche Rechtspflicht existiert nicht. Auch die allgemeine prozessuale Rücksichtnahmepflicht gebietet ein solches Verhalten nicht. Das Verfahrensrecht ermöglicht nämlich den Wechsel des Gerichtsstandes. Außerdem trifft den Antragsteller nicht die Pflicht, den Antragsgegner zu beteiligen und ihn anzuhören. Dabei handelt es sich um Pflichten des Gerichts. Mangels einer Rechtspflicht des Antragstellers kommt es auch auf Verschulden nicht an. Vielmehr ist das rechtsmissbräuchliche „Forum-Shopping“ der Fallgruppe zuzuordnen, die einen Verstoß gegen die objektive Interessenlage voraussetzt. Das Interesse des Antragsgegners überwiegt, wenn der Antragsteller mit böser Absicht handelt, namentlich mit der Absicht, die Beteiligung des Antragsgegners am Verfahren zu vermeiden und seine Anhörung zu unterbinden. Die Absicht fließt als subjektives Kriterium in die In­ teressenabwägung ein. Sie wird in der Rechtspraxis jedoch regelmäßig aus den objektiven Umständen geschlussfolgert (siehe oben). 2. Verfahrensrechtliche Aspekte Die Gerichte gehen davon aus, dass das „Forum-Shopping“, soweit es rechtsmissbräuchlich ist, die Dringlichkeit entfallen lässt.357 Das nimmt auch die Literatur an.358 Die Frage, ob § 12 Abs. 2 UWG, wonach in Wettbewerbssachen die 355

OLG Frankfurt, NJW 2005, 3222. OLG Frankfurt, NJW 2005, 3222. 357 OLG Hamburg NJW-RR 2007, 763; OLG Frankfurt, NJW 2005, 3222; OLG München, Beschl. v. 09.02.05, Az. 29 W 798/05, juris; OLG Frankfurt WRP 2001, 716; vgl. auch LG Stuttgart, Urt. v. 04.09.08, Az. 17 O 437/08, juris, Rz. 58. 358 Hk-ZV/Haertlein, § 935 Rz. 27; Piper/Ohly/Sosnitza/Sosnitza, § 12 Rz. 117. 356

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§ 6 Verschulden in den Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 

Dringlichkeit vermutet wird, Ausdruck eines besonderen Rechtsschutzbedürfnis­ ses ist359, kann offen bleiben. Denn wie oben bereits dargelegt wurde, hängt die Dringlichkeit von den objektiven Umständen ab und die üblichen zeitlichen Grenzen der Dringlichkeit können gewahrt sein, auch wenn der Antragsteller sich rechtsmissbräuchlich verhält.360 Entgegen der h. M. führt das rechtsmissbräuch­ liche „Forum-Shopping“ nicht dazu, dass die Dringlichkeit entfällt. Weil vielmehr bereits das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis fehlt, ist der erneute Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als unzulässig zurückzuweisen, nicht erst mangels Dringlichkeit als unbegründet. Es handelt sich um einen Fall der Selbstwiderlegung (vgl. oben). Wird der Antragsgegner auf den erneuten Antrag hin tatsächlich nicht angehört, kann er nachträglich Widerspruch einlegen (§§ 936, 924 ZPO) und geltend machen, dass dieser Antrag von vornherein unzulässig (nach der h. M. unbegründet) war.

III. Sonstiges (vgl. die Ausführungen zum Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung) Was den Rechtsmissbrauch im einstweiligen Rechtsschutz im Übrigen betrifft, kann eingeschränkt auf die obenstehenden Ausführungen zum Rechtsmissbrauch in der Zwangsvollstreckung verwiesen werden. Anfällig ist das Erkenntnisverfahren für das Erschleichen eines Titels, insbesondere dann, wenn der Antragsgegner aus Gründen der Dringlichkeit nicht gehört wird, aber auch deswegen, weil für den Antragsteller nicht die Hürden des Strengbeweises gelten, sondern die Glaubhaftmachung genügt. Wird der Antrag nicht bereits deswegen als unzulässig zurückgewiesen, weil infolge des missbräuchlichen Verhaltens das Rechtsschutzbedürfnis fehlt361, kann sich der Antragsgegner mit der Klage nach § 826 BGB362 zur Wehr setzen. Für die Vollziehung gilt das oben Gesagte.363 Der Schuldner kann die einstweilige Einstellung der Vollziehung durch eine Verfügung nach §§ 935, 936, 928 ZPO erwirken364; zudem kommt eine Aufhebung der Vollstreckungsmaßregeln gegen Sicherheitsleistung in Betracht (vgl. auch § 769 Abs. 1  S. 1 ZPO a. E.). Im Rahmen der Vollziehung kann der Titel ferner missbraucht werden, indem unzulässiger Druck ausgeübt wird; jedoch kommt es hier auf Verschulden nicht an. Der Rechtsmissbrauch bei Vereitelung der Räumungsvollstreckung setzt schuld 359

So z. B. OLG Hamburg NJW-RR 2007, 763. OLG Hamburg NJW-RR 2007, 763, 765; außerdem siehe oben zur Selbstwiderlegung bei Versäumen der Vollziehungsfrist. 361 Es fehlt ebenso, wie nachfolgend bei der Vollstreckung/Vollziehung. 362 § 7 K. 363 § 6 B. I. 2. 364 Vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 1992, 511; LG Bochum MDR 1999, 359; ferner Peglau, MDR 1999, 400. 360

C. Rechtsmissbrauch im einstweiligen Rechtsschutz

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haftes Handeln voraus, kommt aber bei Vollziehung des Arrests nicht in Betracht; die Räumung (von Wohnraum) ist nur nach § 940a ZPO bei Vorliegen einer einstweiligen Verfügung möglich. Das schuldhafte und damit rechtsmissbräuch­liche Erschleichen einer öffentlichen Zustellung nach §§ 185 ff. ZPO zum Zwecke der Überrumpelung des anderen Teils ist im Rahmen der Arrestvollziehung, auch bei der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung, praktisch nicht relevant, weil die Vollziehung schon vor der Zustellung zulässig ist, § 929 Abs. 3 S. 1 ZPO. Aus demselben Grund spielt auch die schuldhafte Zustellungsvereitelung keine Rolle, die Vereitelung würde die Vollziehung nicht hindern, und ebenfalls das schuldhafte Erschleichen des Pfändungsvorranges. Jedoch kommt im Rahmen der Arrestvollziehung die rechtsmissbräuchliche Pfändung „ins Blaue hinein“ in Betracht; sie setzt nach der hier vertretenen Ansicht einen (bedingt) vorsätzlichen Verstoß gegen die Wahrheitspflicht voraus, wenngleich sie in der Praxis an objektiven In­ dizien gemessen und oft wegen des zu unbestimmten Vollstreckungsantrages zurückgewiesen wird.

IV. Zusammenfassung Werden im Eilrechtsschutz sachfremde Ziele verfolgt, namentlich das Kosteninteresse, kann ausnahmsweise gegen den Normzweck verstoßen sein, in der Regel wird sich der Rechtsmissbrauch aber aus einer objektiven Interessenabwägung ergeben. Auch das „Forum-Shopping“ ist missbräuchlich, soweit dies aus der objektiven Interessenabwägung folgt, etwa dann, wenn der Gerichtsstand gewechselt wird, um einer ablehnenden Entscheidung zuvorzukommen. Was die sonstigen vollstreckungsrechtlichen Missbrauchsfälle betrifft, sei lediglich auf die voranstehenden, bereits zusammenfassenden Ausführungen unter § 6 C. III. verwiesen.

§ 7 Haftungsrecht Die folgenden Ausführungen zum Haftungsrecht beschränken sich auf vollstreckungsrechtliche Besonderheiten. Es werden Ansprüche nur insoweit behandelt, als es um die Frage geht, ob eine schuldhafte Pflichtverletzung zugrunde liegen muss und, falls ja, was hinsichtlich des Verschuldenserfordernisses im Einzelnen gilt. Die Amts- und Notarhaftung bleibt außen vor (§ 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG; § 19 Abs. 1 S. 1 BNotO).

A. Schadenersatz bei Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft, § 717 Abs. 2 ZPO Nach § 717 Abs. 2 ZPO kann der Beklagte (Vollstreckungsschuldner) den Schaden vom Kläger (Vollstreckungsgläubiger) ersetzt verlangen, der durch die Vollstreckung des Urteil oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachten Leistung entstanden ist, wenn das für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil auf­ gehoben oder abgeändert wird. Der Gläubiger hat zwar im Falle der vorläufigen Vollstreckbarkeit den Vorteil, den Anspruch vor Eintritt der Rechtskraft durchsetzen zu können. Damit kann er einer möglichen Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners zuvorkommen. Er haftet jedoch im Gegenzug dem Schuldner auch ohne Verschulden auf Ersatz des Schadens, wenn das Urteil in der zweiten oder dritten Instanz aufgehoben oder maßgeblich abgeändert wird. Dass es sich um eine verschuldensunabhängige Haftung handelt, ist allgemein anerkannt.1 Verschulden ist deshalb nicht erforderlich, weil der Vollstreckungsgläubiger die Zwangsvollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft auf eigenes Risiko betreibt.

1 Risikohaftung: BGH NJW 2006, 443, 445; NJW 1997, 2601, 2603; NJW 1996, 397; NJW 1985, 1959, 1960; Ahrens, AL 2011, 169, 175; Becker-Eberhard, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 15 Rz. 7, 8; Gaul, ZZP 110 (1997), 3, 9; Lackmann, ZVR, Rz. 571; MüKoZPO/Götz, § 717 Rz. 2; vgl. auch Häsemeyer, NJW 1986, 1028, 1029; Gefährdungshaftung: BGH NJW 1988, 1268, 1269; NJW 1978, 163; Hk-ZPO/Kindl, § 717 Rz. 1; Schuschke/ Walker/Schuschke, § 717 Rz. 9 (vgl. aber Rz. 7); ThP/Seiler, § 717 Rz. 8; Lippross, ZVR, Rz. 327.

B. Schadenersatz bei Vollstreckung aus Urkunden

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B. Schadenersatz bei Vollstreckung aus Urkunden, § 799a  ZPO § 799a ZPO wurde mit Wirkung vom 19.08.2008 eingefügt.2 Die Vorschrift enthält zwei auf Schadenersatz gerichtete Anspruchsgrundlagen. Der Vollstreckungsschuldner soll in solchen Fällen geschützt sein, in denen es um die Absicherung von Immobiliengeschäften geht; Satz 1 gilt (unter Verweis auf § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) für den dinglich haftenden Schuldner, Satz 2 für denjenigen, der auch die persönliche Haftung übernommen und sich diesbezüglich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat.3 Der Anspruch richtet sich gegen den Gläubiger, der nicht in der Urkunde bezeichnet ist; nur der neue Gläubiger ist also passiv­ legitimiert.4 Dabei ist es so, dass es an einem Vertrauensverhältnis zwischen dem Schuldner und dem neuen Gläubiger fehlt. Der Schuldner ist zudem besonders schutzwürdig, wenn die Bank ihre gesicherte Forderung veräußert, insbesondere an Finanzinvestoren, die an einer zügigen und rücksichtslosen Verwertung interessiert sind.5 Neben solchen Ansprüchen, die auf tatbestandlicher Ebene Verschulden voraussetzen (§§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB), wurde daher eine verschuldensunabhängige Haftung eingeführt. Dies war auch deswegen notwendig, weil eine Analogie zu den §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO ausschied.6 Gehaftet wird nämlich nicht für ein besonderes prozessuales Risiko; denn die vollstreckbare Urkunde birgt (trotz § 797 Abs. 4 ZPO) kein Vollstreckungsrisiko7, das der vorläufigen Vollstreckung oder der Vollziehung im Eilrechtsschutz vergleichbar wäre.8 Es handelt sich um einen, wenn auch von Privaten errichteten, endgültigen Titel. Vielmehr schließt § 799a ZPO in haftungsrecht­licher Hinsicht die Lücke, die sich vor Erlass des Risikobegrenzungsgesetzes daraus ergab, dass eine Schadenersatzpflicht nach § 280 BGB den Dritten oft deshalb nicht traf, weil er nicht Vertragspartner und regelmäßig von dem die Forderung veräußernden Gläubiger nicht in die Vertragspflichten eingebunden worden war; die Ansprüche nach §§ 823, 826 BGB waren und sind zumindest unsicher.9 Weil sich die Haftung an den Vertragspflichten orientiert, kann auch von einem quasivertraglichen Anspruch gesprochen werden.10 Dass § 799a ZPO kein Verschulden voraussetzt, entspricht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers.11 Damit hat er das Verschuldensprinzip in atypischer Weise durchbrochen; denn vertragliche oder quasi-vertragliche An 2

Risikobegrenzungsgesetz v. 12.8.2008 (BGBl. I S. 1666). BT-Drs. 16/9821, S. 18. 4 Reiter/Methner, ZGS 2009, 163, 168. 5 BT-Drs. 16/9821, S. 18 f.; vgl. auch Hk-ZV/Kim J. Müller, § 799a Rz. 2; Schuschke/Walker/Walker, § 799a Rz. 3. 6 Hk-ZV/Kim J. Müller, § 799a Rz. 2. 7 So aber offenbar Vollkommer, ZIP 2008, 2060, 2063. 8 Becker-Eberhard, FS Werner, S. 532, 534 ff.; Schuschke/Walker/Walker, § 799a Rz. 2. 9 Becker-Eberhard, FS Werner, S. 532, 541. 10 Becker-Eberhard, FS Werner, S. 532, 543. 11 BT-Drs. 16/9821, S. 18. 3

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§ 7 Haftungsrecht

sprüche setzen sonst Verschulden voraus. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen aber nicht; der neue Gläubiger, der unberechtigterweise vollstreckt, ist nicht schutzwürdig. Voraussetzung für den Anspruch nach § 799a S. 1 oder S. 2 ZPO ist nämlich, dass die Vollstreckung für unzulässig erklärt wurde.

C. Haftung wegen geringerem Erlös bei Durchführung einer weiteren Versteigerung, § 817 Abs. 3 S. 2, 2. HS ZPO Nach § 817 Abs. 3 S. 2, 2. HS ZPO haftet der Meistbietende, der die Ablieferung der erstandenen Sache gegen Zahlung des Kaufgeldes nicht verlangt, das Kaufgeld also nicht rechtzeitig zahlt (und zwar in der nach den Versteigerungsbedingungen bestimmten Zeit oder bis zum Schluss des Versteigerungstermins), in Höhe des sich bei der weiteren Versteigerung ergebenden Mindererlöses. Anspruchs­ inhaber ist der Vollstreckungsgläubiger, bei einem „Übererlös“ der Eigentümer (Vollstreckungsschuldner); sie können Ansprüche geltend machen, soweit sie von der Zahlung auf das höhere Meistgebot profitiert hätten.12 Es handelt sich um einen quasivertraglichen Schadenersatzanspruch, der darauf beruht, dass infolge Nichtzahlung des Kaufgeldes der Zuschlag erlischt13, der kaufrechtsähnliche, öffentlich-rechtliche Vertrag14 daher unwirksam ist und die erneute Versteigerung nicht einen Mehrerlös (in diesem Fall hätte der Meistbietende keinen Anspruch darauf, siehe bereits § 817 Abs. 3 S. 2, 2. HS ZPO), sondern einen Mindererlös einbringt. Der Meistbietende haftet auf die gleiche Weise wie im vertraglichen Haftungsrecht derjenige, der Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu leisten hat, nämlich nicht auf Ersatz des negativen Schadens (vgl. etwa § 122 BGB), sondern auf Schadenersatz statt der Leistung (Erfüllungsschaden, vgl. § 281 BGB). Er hat die Differenz zwischen seinem Meistgebot und dem niedrigeren Meistgebot in der weiteren Versteigerung zu ersetzen. Weil es sich um eine quasivertragliche Schadenersatzhaftung handelt, gelten die allgemeinen Grundsätze. Erforderlich ist daher, dass der Meistbietende das Kaufgeld schuldhaft bis zum Schluss des Versteigerungstermins bzw. in der nach den Versteigerungsbedingungen bestimmten Zeit nicht zahlt. Das lässt auch sachgerechte Lösungen zu. Erfolgt die Zahlung etwa deswegen nicht, weil dem Meistbietenden vor Ablieferung der Sache das Bargeld, das er zur Zahlung bereitgehalten hat, gestohlen wird, trifft ihn kein Verschulden und damit auch 12

Hk-ZV/Kindl, § 817 Rz. 11; Zöller/Stöber, § 817 Rz. 11. OLG Köln, NJW-RR 2009, 1425, 1426 m. w. N. 14 So die h. M.: OLG München DGVZ 1980, 122, 123; BLAH, § 817 Rz. 5; Jauernig/Berger, ZVR, § 18 Rz. 15; MüKoZPO/Gruber, § 817 Rz. 4 f.; Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 53 Rz. 17 f.; Schuschke/Walker/Walker, § 817 Rz. 6; ThP/Seiler, § 817 Rz. 2. Die M. M., nach der es sich bei dem Zuschlag um einen einseitigen Hoheitsakt handelt (Gaul, GS Arens, 89, 110 ff.; StJ/Münzberg, § 817 Rz. 20), ist in Anbetracht des Verweises von § 817 Abs. 1 ZPO auf § 156 BGB abzulehnen. 13

D. Schadenersatz wegen Verletzung der Erklärungspflicht des Drittschuldners

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keine Haftung nach § 817 Abs. 3 S. 2, 2. HS ZPO. Erfolgt die Zahlung jedoch deswegen verspätet und nicht in der Zeit, weil die Bank, die der Meistbietende rechtzeitig angewiesen hat, die Überweisung fehlerhaft bearbeitet, muss er sich dieses Verschulden nach § 278 BGB zurechnen lassen; denn die Bank tritt im Zahlungsverkehr als Erfüllungsgehilfe des Anweisenden auf.15 In diesem Fall sind die Voraussetzungen des § 817 Abs. 3 S. 2, 2. HS ZPO erfüllt.

D. Schadenersatz wegen Verletzung der Erklärungspflicht des Drittschuldners, § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO Nach § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO haftet der Drittschuldner dem Vollstreckungsgläubiger für den aus der Nichterfüllung seiner Erklärungspflicht entstehenden Schaden. Der Drittschuldner ist nach § 840 Abs. 1 ZPO verpflichtet, bestimmte Angaben zu machen, wenn die gegen ihn bestehende Forderung gepfändet wurde. Es handelt sich schon dem Wortlaut nach um eine Pflicht, nicht dagegen um eine Obliegenheit.16 Die Pflicht ist vergleichbar einer Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB; sie ist nicht einklagbar, auf der Sekundärebene kommt aber ein Schadenersatzanspruch in Betracht.17 Der Inhalt der Erklärungspflicht ergibt sich aus § 840 Abs. 1 ZPO; die Erklärung ist innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Auskunftsverlangens abzugeben. Ein Anspruch auf Schadenersatz setzt voraus, dass die Erklärung nicht, nicht im vollen Umfang, falsch oder verspätet abgegeben wurde, ferner, dass daraus dem Vollstreckungsgläubiger ein Schaden entstanden ist. Falsch ist die Erklärung in diesem Sinne aber dann nicht, wenn der Drittschuldner zu Unrecht die Forderung zurückweist. Nach § 840 Abs. 1 ZPO ist der Drittschuldner lediglich verpflichtet, sich überhaupt zu erklären; er ist nicht verpflichtet, eine materiell richtige Erklärung abzugeben.18 Zur Prüfung der Rechtslage ist nämlich, was verfahrensrechtlich vorgesehen ist, im Zweifel Klage gegen ihn zu erheben. Nicht zu entnehmen ist dem Wortlaut der Vorschrift, ob eine objektive Pflichtverletzung genügt, oder ob Verschulden erforderlich ist. Nach heute allgemeiner Ansicht setzt die Vorschrift Verschulden voraus, da dem außenstehenden Dritten eine verschärfte Haftung nicht aufzuerlegen ist; die §§ 276, 278 BGB finden Anwendung.19 15

Staudinger/Löwisch/Caspers (2009), § 278 Rz. 75. So aber BGH NJW 1987, 64; Günther, WM 2011, 2307, dort auch Fn. 11 (Obliegenheit, keine Auskunfstpflicht); Hk-ZPO/Kemper, § 840 Rz. 14. 17 Hier ist dem BGH zuzustimmen, BGH NJW 1987, 64. 18 BGH NJW 2010, 1674, 1675. 19 BAG NJW 1990, 2643, 2644; BGH NJW 1987, 64; NJW 1981, 990; OLG Dresden, Urt. v. 01.12.10, Az. 1 U 475/10, juris, Rz. 29; OLG Düsseldorf, WM 1981, 1147; BLAH, § 840 Rz. 16; Brüne/Liebscher, BB 1996, 743, 744; Foerste NJW 1999, 904, 907; Hk-ZPO/Kemper, § 840 Rz. 14; Linke, ZZP 87 (1974), 284, 308; MüKoZPO/Smid, § 840 Rz. 24 (Verschulden des Drittschuldners); Musielak/Becker, § 840 Rz. 12; StJ/Brehm, § 840 Rz. 21; ThP/Seiler, § 840 Rz. 17; Zöller/Stöber, § 840 Rz. 12; vgl. auch Günther, WM 2011, 2307, 2311. 16

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§ 7 Haftungsrecht

E. Schadenersatz bei Vollziehung eines Arrests/ einer einstweiligen Verfügung, § 945 ZPO Nach § 945 ZPO hat der Arrest- oder Verfügungsgläubiger dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der angeordneten Maßregel oder dadurch entsteht, dass er Sicherheit leistet, um die Vollziehung abzuwenden oder die Aufhebung der Maßregel zu erwirken, sofern sich die Anordnung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt erweist oder die angeordnete Maßregel aufgrund von § 926 Abs. 2 ZPO oder § 942 Abs. 3 ZPO aufgehoben wird. Die Vorschrift gleicht dem § 717 Abs. 2 ZPO. Im Falle von § 945 ZPO soll der Gläubiger im Gegenzug dafür haften, dass er die Möglichkeit eingeräumt bekommen hat, Arrestanordnungen oder einstweilige Verfügungen vollziehen zu lassen, obwohl der materiell-rechtliche Anordnungsanspruch noch nicht in einem Hauptsacheverfahren rechtkräftig festgestellt wurde. Der Vollziehungsschaden wird verschuldensunabhängig ersetzt.20 Auch hier ist Verschulden deshalb entbehrlich, weil der Gläubiger auf eigenes Risiko handelt; jedenfalls soll der Schuldner in keinem Fall den Schaden tragen müssen, etwa deshalb, weil er dem Gläubiger ein Verschulden nicht nachweisen kann.

F. Schadenersatz nach § 280 Abs. 1 BGB I. Verstoß gegen eine gesetzlich geregelte, prozessuale Rechtspflicht 1. Auskunftspflicht nach § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO Eine Haftung des Vollstreckungsschuldners gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger kann sich aus § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO ergeben. Voraussetzung ist, dass der Vollstreckungsschuldner seine Auskunftspflicht nach Pfändung und Überweisung einer Forderung gegen den Drittschuldner verletzt. Schadenersatz wegen Verzögerung kann gemäß § 280 Abs. 2 BGB unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 286 BGB verlangt werden. Die §§ 280, 286 BGB

20 Die dogmatische Einordnung ist umstritten, z. T. werden lediglich unterschiedliche Begriffe verwendet. Die genaue Zuordnung kann mangels praktischer Relevanz dahinstehen. Garantiehaftung: Roth, NJW 1972, 921, 926; Gefährdungshaftung: BGH NJW 1988, 1268, 1269 (im Zusammenhang mit Ausführungen zu § 717 Abs. 2 ZPO); Risikohaftung: Ahrens, AL 2011, 169, 175; Brox/Walker, ZVR, Rn. 1562; MüKoZPO/Drescher, § 945 Rn. 3; Schilken, FG BGH, Bd. III, 593, 596 ff.; Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, § 80 Rz. 1; Vogg, Einstweiliger Rechtsschutz und vorläufige Vollstreckbarkeit, S. 18; vgl. auch BGH NJW 1990, 2689, 2690; Risikohaftung aus prozessualer Veranlassung: Hk-ZV/Haertlein, § 945 Rz. 1; Veranlasserhaftung: BGH NJW 1993, 1076, 1078; Verschuldensunabhängige Haftung aus unerlaubter Handlung (im weiteren Sinne): BLAH, § 945 Rz. 1; Jauernig/Berger, ZVR, § 36 Rz. 18; Zöller/Vollkommer, § 945 Rz. 3 (13).

F. Schadenersatz nach § 280 Abs. 1 BGB

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sind anwendbar.21 Der Schadenersatzanspruch setzt eine schuldhafte Pflichtverletzung voraus. Verschulden wird (widerlegbar) vermutet, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Der Verzugsschaden kann nicht ersetzt verlangt werden, wenn der Vollstreckungsschuldner ohne sein Verschulden in Verzug22 geraten ist, §§ 280 Abs. 1 S. 2, 286 Abs. 4 BGB.23 Betreibt der Vollstreckungsgläubiger nicht das Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung, um die Auskünfte zu erzwingen (siehe § 836 Abs. 3 S. 2 ZPO), ist der Schadenersatzanspruch nicht wegen Mitverschuldens nach § 254 BGB zu kürzen; der Vollstreckungsschuldner wird hierdurch (§§ 836 Abs. 3 S. 2 ZPO, §§ 802e ff. ZPO [n. F.], §§ 899 ff. ZPO [a. F.]) nicht geschützt. 2. Pflicht zur Streitverkündung nach § 841 ZPO Eine Haftung des Vollstreckungsgläubigers gegenüber dem Vollstreckungsschuldner kommt nach § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. §§ 841, 68 ZPO in Betracht. Verkündet der Gläubiger, sofern er den Drittschuldner verklagt, entgegen § 841 ZPO dem Schuldner nicht den Streit, hat der Schuldner, wenn der Vollstreckungsgläubiger den Prozess verliert und gegen den Schuldner weiter vollstreckt, einen Anspruch auf Schadenersatz unter dem Gesichtspunkt mangelhafter Prozessführung.24 Der Anspruch geht „auf Freistellung von der titulierten Forderung“.25 Das setzt voraus, dass der Gläubiger Angriffs- und Verteidigungsmittel absichtlich oder grob fahrlässig nicht geltend gemacht hat (§ 68 HS 2, 2. Alt. ZPO). Dabei handelt es sich um qualifiziertes Verschulden. Die Streitverkündung selbst muss im Übrigen schuldhaft unterblieben sein; Anwaltsverschulden wird gem. § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet.26 Hier wird das Verschulden vermutet, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB.

21

Musielak/Becker, § 836 Rz. 6; vgl. auch OLG München MDR 1990, 931, 932; Schuschke/ Walker/Schuschke, § 836 Rz. 7. 22 Verzug setzt eine Mahnung voraus, da die „Leistung“ nicht etwa mit dem Überweisungsbeschluss kalendermäßig bestimmt, sondern Auskunft erst auf Anfrage des Vollstreckungsgläubigers zu erteilen ist, vgl. § 286 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB. 23 § 286 Abs. 4 BGB wurde in Anlehnung an § 285 BGB a. F. ohnehin deswegen eingeführt, weil (in Einklang mit der Zahlungsverzugsrichtlinie 2000/35/EG, ABlEG Nr. L 200 v. 08.08.2000, S. 35 ff., dort insb. Art. 3 Abs. 1 c lit. ii) auch für die weiteren Rechtsfolgen des Verzugs, namentlich für den Anspruch auf Verzugszinsen ebenso das Verschuldenserfordernis gelten sollte, wie für den Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens selbst (vgl. bereits § 280 Abs. 1 S. 2 BGB); siehe dazu BT-Drs. 14/6040, S. 148. 24 MüKoZPO/Smid, § 841 Rz. 5; StJ/Brehm, § 841 Rz. 3. 25 Musielak/Becker, § 841 Rz. 3; Schuschke/Walker/Schuschke, § 841 Rz. 3. 26 BLAH, § 841 Rz. 3.

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§ 7 Haftungsrecht

3. Sonstige Pflichten: Offenbarungspflicht nach § 807 Abs. 1 ZPO, Erklärungspflicht nach § 883 Abs. 2 ZPO In Anbetracht der Auskunftspflicht des Vollstreckungsschuldners nach § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO und einem möglichen Schadenersatzanspruch des Vollstreckungsgläubigers nach §§ 280, 286 BGB bei pflichtwidrigem, schuldhaften Verhalten des Vollstreckungsschuldners stellt sich die Frage, ob der gleiche Anspruch auch dann in Betracht kommt, wenn der Vollstreckungsschuldner eine andere Auskunftspflicht, d. h. die Offenbarungsverpflichtung nach § 807 Abs. 1 ZPO27 verletzt. Während § 836 ZPO für die Vollstreckung in Forderungen gilt, findet § 807 ZPO bei der Sachpfändung Anwendung. Ein Anspruch des Gläubigers auf Schadenersatz nach §§ 280, 286 BGB scheidet deswegen aus, weil die Offenbarungsverpflichtung nicht ihm gegenüber besteht. Zur sofortigen Vermögensauskunft ist der Schuldner im Falle von § 807 Abs. 1 ZPO erst nach Einleitung des Verfahrens auf Antrag des Gläubigers verpflichtet (siehe § 807 Abs. 1 ZPO a. E.) und das gegenüber dem Gerichtsvollzieher, der die eidesstattliche Versicherung abzunehmen hat (siehe auch §§ 807 Abs. 3 S. 1, 899 Abs. 1 ZPO [a. F.]). Weil sich die Pflicht – anders als die selbständige prozessuale Rechtspflicht nach § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO – nur im Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft bzw. der eidesstattlichen Versicherung ergibt, wird auf einen Verstoß dagegen auch lediglich prozessual reagiert, nämlich durch Erlass und Vollstreckung eines Haftbefehls (§ 802g ff. ZPO [n. F.], §§ 901, 904 ff. ZPO [a. F.]). Ein Anspruch des Gerichtsvollziehers kommt aus eben diesem Grunde nicht in Betracht, aber auch deswegen, weil er bzw. der Staat kein eigenes fiskalisches Interesse an der Beitreibung der titulierten Forderung haben. Aus ähnlichen Erwägungen heraus scheidet ein Schadenersatzanspruch nach §§ 280, 286 BGB aus, wenn der Schuldner gegen die Erklärungspflicht gemäß § 883 Abs. 2 (S. 1) ZPO verstößt. Zwar scheint der Gläubiger ebenso schutzwürdig zu sein wie im Fall von § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO. Allerdings weicht bereits die Formulierung des § 883 Abs. 2 ZPO maßgeblich ab. Das Gesetz besagt nicht, dass der Schuldner dem Gläubiger gegenüber die nötigen Angaben zu machen hat, dass also dem Gläubiger gegenüber die prozessuale Rechtspflicht besteht. Der Gläubiger selbst könnte bei Angaben über den Verbleib der Sache aufgrund des staatlichen Vollstreckungsmonopols ohnehin nicht aktiv werden. Die Pflicht nach § 883 Abs. 2 ZPO besteht deswegen ebenfalls nur im Rahmen des Verfahrens zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung. Demgemäß verlangt das Gesetz, dass der Gläubiger den entsprechenden Antrag stellt. Erst durch diesen wird das Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung in Gang gesetzt und die Pflicht des Schuldners, sich nach § 883 Abs. 2 ZPO zu erklären, ausgelöst. Auch hier wird auf einen Verstoß lediglich prozessual reagiert (vgl. oben). Der Gläubiger ist gleichwohl nicht schutzlos gestellt. Kommt der Schuldner etwa mit der Her 27

Zu dieser prozessrechtlichen Pflicht: Schuschke/Walker/Walker, § 807 Rz. 1 ff.

F. Schadenersatz nach § 280 Abs. 1 BGB

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ausgabe der Sache in Verzug, besteht bereits ein materiell-rechtlicher Schadenersatzanspruch nach §§ 280, 286 BGB. 4. Folgen der Neuregelung in den §§ 802a ff. ZPO n. F. (neue Rechtslage mit Geltung ab dem 01.01.2013)28 Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung29 haben sich aus haftungsrechtlicher Sicht keine wesentlichen Neuerungen ergeben. Wie bereits nach der alten Rechtslage kommt ein Anspruch des Vollstreckungsgläubigers auf Schadenersatz gegen den Vollstreckungsschuldner nach § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO in Betracht. Zwar wurden mit Wirkung vom 01.01.2013 die §§ 802c ff. ZPO (n. F., Vermögensauskunft und Erzwingungshaft) und die §§ 882b ff. ZPO (n. F., Schuldnerverzeichnis) in die Prozessordnung eingefügt; damit ging eine Neuregelung des Verfahrens zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung einher – die §§ 899–915h ZPO (a. F.) entfielen.30 Die Auskunftspflicht des Vollstreckungsschuldners nach § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO blieb jedoch erhalten. Unabhängig davon, dass auch hier nach wie vor die Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung in Betracht kommt (§ 836 Abs. 3 S. 2, 3 ZPO [n. F.], es gelten nunmehr allerdings die §§ 802f Abs. 4, 802g bis 802i, 802j Abs. 1, 2 ZPO [n. F.] entsprechend), haben sich aus haftungsrechtlicher Sicht keine Änderungen ergeben. § 841 ZPO blieb ohnehin unberührt, so dass außerdem nach wie vor ein Anspruch des Vollstreckungsschuldners nach § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. §§ 841, 68 ZPO in Betracht kommt. § 807 ZPO (Folgen bei fruchtlosem Pfändungsversuch) wurde neu gefasst. In § 807 Abs. 1 ZPO (n. F.) ist nunmehr ausdrücklich geregelt, dass der Gerichtsvollzieher die an Eides statt zu versichernde Vermögensauskunft (vgl. § 802c Abs. 3 ZPO [n. F.]) abnimmt. Wie bereits nach der alten Rechtslage scheidet nach alledem ein Schadenersatz­ anspruch des Vollstreckungsgläubigers, dem gegenüber die Pflicht nicht besteht (wenngleich deren Erfüllung in seinem Interesse liegt), aus. Soweit eine Auskunftspflicht des Vollstreckungsschuldners nunmehr bereits zu Beginn des Verfahrens nach § 802c Abs. 1 ZPO (n. F.) geregelt ist, besteht auch diese nur gegenüber dem Gerichtsvollzieher (nach Fristablauf, § 802f Abs. 1 S. 1 ZPO [n. F.]), so dass der Vollstreckungsgläubiger keine eigenen Ansprüche auf Schadenersatz wegen schuldhafter Pflichtverletzung aus §§ 280, 286 BGB herleiten kann. Ferner wurde § 883 Abs. 2 ZPO neu gefasst und angesichts der Neuregelung des Verfahrens ergänzt. Aus haftungsrechtlicher Sicht ergeben sich indes keine Unterschiede. Unverändert scheidet ein Schadenersatzanspruch des Gläubigers bei Verstoß des

28

Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung v. 29.07.2009 mit Wirkung zum 01.01.2013, BGBl. I 2009 (Nr. 48), S. 2258 ff. 29 Gesetz vom 20.07.2009 m.W.v. 01.01.2013, BGBl. I S. 2258 (Nr. 48). 30 Näheres dazu siehe bei Brox/Walker, ZVR, Rz. 1158b ff.

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§ 7 Haftungsrecht

Schuldners gegen § 883 Abs. 2 ZPO aus. Auch das Vollstreckungsorgan hat keine eigenen Ansprüche.

II. Verstoß gegen eine nicht ausdrücklich geregelte Rechtspflicht aus der „gesetzlichen Sonderbeziehung privatrechtlicher Art“ § 280 Abs. 1 S. 1 BGB ersetzt seit seiner Neufassung im Zuge der Schuldrechtsreform den vormals ungeschriebenen Tatbestand der positiven Forderungsverletzung.31 Der BGH hatte schon vor der Schuldrechtsreform Schadenersatzansprüche wegen positiver Forderungsverletzung in der Zwangsvollstreckung anerkannt.32 Das Vollstreckungsverhältnis zwischen den beteiligten Privaten bezeichnet der BGH als „gesetzliche Sonderbeziehung privatrechtlicher Art“33; aus dieser erwachse dem Gläubiger die Pflicht zur Wahrung der Interessen anderer Verfahrensbeteiligter.34 Dem sind die Instanzgerichte gefolgt.35 Dass in der Zwangsvollstreckung zwischen Gläubiger und Schuldner und zwischen Gläubiger und Dritten grundsätzlich eine Sonderrechtsbeziehung vorliegt, aus der sich besondere Pflichten ergeben, wurde bereits an anderer Stelle näher erörtert und bejaht.36 Inhaltlich handelt es sich insbesondere um Mitteilungspflichten, etwa dahingehend, dass der Vollstreckungsgläubiger im Interesse des Vollstreckungsschuldners dem Gerichtsvollzieher den Wegfall der materiellen Grundlage für den Vollstreckungstitel – Tilgung der Restschuld u. a. – mitteilt.37 Dritten gegenüber hat der Vollstreckungsgläubiger die Pflicht, deren Einwände sorgfältig zu prüfen, wenn geltend gemacht wird, die gepfändete Sache gehöre nicht dem Vollstreckungsschuldner; trifft der Einwand des Dritten zu, hat der Vollstreckungsgläubiger die Sache freizugeben.38 Verletzt der Gläubiger eine aus der Sonderbeziehung resultierende Pflicht, haftet er für den daraus entstehenden Schaden gem. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB. Verschulden wird nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB (widerleglich) vermutet (siehe oben). Bei schuldhafter Eigentumsverletzung oder vorsätzlich sittenwidriger Schädigung kann der Geschädigte vom Vollstreckungsgläubiger auch Schadenersatz gem. §§ 823, 249, § 826 BGB verlangen39 (dazu siehe gleich).

31 BeckOK-BGB/Unberath, § 280 Rz. 4; MüKoBGB/Ernst, § 280 Rz. 2; Palandt/Grüneberg, § 280 Rz. 5; Staudinger/Otto (2009), § 280 Rz. A 2; vgl. Hk-BGB/Schulze, § 280 Rz. 3 mit Hinweis auf die „pVV“. 32 BGH NJW 1985, 3080, 3081. 33 BGH NJW 2005, 1121, 1122; NJW 1985, 3080, 3081; NJW 1972, 1048, 1049. 34 BGH NJW 1985, 3080, 3081. 35 OLG Stuttgart NJW-RR 2008, 1204, 1205; LG Düsseldorf DGVZ 2010, 37, 38; AG Erfurt, Urt. v. 28.02.07, Az. 5 C 1758/06, juris, OS 1 und Rz. 18. 36 Siehe oben § 2 C. I. 37 Noch offengelassen BGH NJW 1985, 3080, 3081. 38 BGH NJW 1972, 1048, 1049 f. 39 Brox/Walker, ZVR, Rz. 467.

H. Schadenersatz nach § 823 Abs. 1 BGB

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III. Kein Schadenersatz nach §§ 280 Abs. 1, 3, 286 BGB bei verspäteter Freigabe einer schuldnerfremden Sache Zum Teil wird ein Anspruch des Dritten (Eigentümer) nach §§ 280 Abs. 1, 286 BGB bejaht, wenn der Gläubiger auf Vorlage genügender Nachweise die gepfändete Sache nicht freigebe, nämlich deswegen, weil der Gläubiger den Anspruch aus § 985 BGB nicht rechtzeitig erfülle.40 Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Während der Zwangsvollstreckung wird der dingliche Anspruch verdrängt; es geht die Klage nach § 771 ZPO vor.41 Der Dritte kann nicht den Verzögerungsschaden nach den materiell-rechtlichen Vorschriften geltend machen, wenn er es unterlässt, die Drittwiderspruchsklage zu erheben oder, falls er sie erhebt, wenn er damit keinen Erfolg hat. Anderenfalls würden Sinn und Zweck des vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfes unterlaufen. Da ein Anspruch nach §§ 280 Abs. 1, 286 BGB insoweit schon dem Grunde nach ausscheidet, stellt sich auch die Frage nach dem Mitverschulden des Gläubigers (§ 254 BGB) nicht.

G. Schadenersatz nach §§ 687 Abs. 2, 678 BGB Betreibt der Gläubiger die Vollstreckung in eine schuldnerfremde Sache, kommt ein Anspruch auf Schadenersatz aufgrund angemaßter Eigengeschäftsführung unter den Voraussetzungen der §§ 687 Abs. 2, 678 BGB in Betracht.42 Erforderlich ist ein Übernahmeverschulden, dass also der Vollstreckungsgläubiger erkennen musste, dass es sich um eine schuldnerfremde Sache handelte, § 678 BGB. Fahrlässige Unkenntnis genügt.

H. Schadenersatz nach § 823 Abs. 1 BGB wegen rechtswidrigem Betreiben der Zwangsvollstreckung Sofern nicht in eine Forderung43, sondern in eine körperliche Sache vollstreckt und damit das Eigentum entweder eines Dritten oder des Vollstreckungsschuldners verletzt wird, kommt grundsätzlich die Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB in Betracht. 40

Baur/Stürner/Bruns, ZVR, § 46.25. Deswegen kommt auch mangels Vindikationslage von vorn herein kein Anspruch nach §§ 989, 990 BGB in Betracht: BGH NJW 1987, 1880, 1882; NJW 1972, 1048, 1049; Brox/ Walker, ZVR, Rz. 465 m. w. N.; Musielak, JuS 1999, 881, 883 (f.); Staudinger/Gursky (2012), Vorbem. §§ 987–993 Rz. 12; a. A. z. B. Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 7 Rz. 20; StJ/Münzberg, § 771 Rz. 90. 42 Brox/Walker, ZVR, Rz. 468; vgl. auch Büchler, JuS 2011, 691, 693. 43 Hier handelt es sich nicht um ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes absolutes Rechtsgut; siehe auch AG Erfurt, Urt. v. 28.02.07, Az. 5 C 1758/06, juris, OS 3 und Rz. 28. 41

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§ 7 Haftungsrecht

Passivlegitimiert kann der Vollstreckungsgläubiger sein, aber auch ein Dritter, der das Verfahren betreibt. Problematisch waren aus haftungsrechtlicher Sicht insbesondere solche Fälle, in denen eine Person handelte, die weder selbst Gläubiger noch Verfahrensbeteiligter war; denn Ansprüche aus der rechtlichen Sonderverbindung schieden (nach § 280 Abs. 1 BGB, siehe oben) aus. So hatte sich der BGH mit der Frage zu befassen, ob ein Rechtsanwalt aus anderen Gründen für Schäden haftet, die dem Schuldner dadurch entstehen, dass er die Zwangsvollstreckung nach Tilgung der Schuld versehentlich weiterbetreibt.44 Allein in Betracht kamen noch deliktische Ansprüche. Der BGH stand vor dem Problem, dass es sich um ein legales Verfahren handelte und befasste sich hauptsächlich mit der Frage, ob damit ein rechtswidriger Eingriff in ein von § 823 BGB geschützten Rechtsgut ausschied. Da das Verfahren als solches nicht rechtswidrig war, konnte nur das Handeln desjenigen, der das Verfahren betrieb, einer wertenden Betrachtung unterzogen werden. Ohne dass der BGH darauf näher einging, drängte sich damit dem Grunde nach das Problem einer mittelbaren Rechtsgutverletzung auf. Dabei haben regelmäßig Verkehrssicherungspflichten die Funktion, in Anbetracht mittelbarer Kausalverläufe insbesondere den Rechtswidrigkeitszusammenhang herzustellen. Zwar gibt es keine allgemeine Rechtspflicht, von einem anderen Schäden abzuwenden45, erst recht nicht in dem Fall, dass ein legales Verfahren betrieben wird. Nach ständiger Rechtsprechung ist allerdings derjenige, „der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern.“46 Ob denjenigen, der das Verfahren betreibt, eine besondere Pflicht trifft, um im Ergebnis vom Verfahrensgegner Nachteile abzuwenden, wurde vom BGH bezweifelt.

I. Handeln, Eingriff/Rechtsgutverletzung, Kausalität Es kann jedenfalls davon ausgegangen werden, dass der objektive Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB erfüllt ist.

44

BGH NJW 1979, 1351. BeckOK-BGB/Spindler, § 823 Rz. 225. 46 Vgl. nur BGH NJW 2008, 3775, 3776; NJW 2006, 2326; NJW 2007, 1683, 1684; NVwZ 2006, 1084, 1085. 45

H. Schadenersatz nach § 823 Abs. 1 BGB

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II. Rechtswidrigkeit (pflichtwidriges Betreiben der Zwangsvollstreckung) 1. Grundsatz: Legitimes Verfahren Schon früher stellte der BGH fest: „Wer sich zum Vorgehen gegen seinen Schuldner eines staatlichen, gesetzlich eingerichteten und geregelten Verfahrens bedient, greift auch dann nicht unmittelbar und rechtswidrig in den geschützten Rechtskreis des Schuldners ein, wenn sein Begehren sachlich nicht gerechtfertigt ist und dem anderen Teil aus dem Verfahren Nachteile erwachsen.“47 Der Schuldnerschutz sei durch das jeweilige Verfahren selbst ausreichend gewährleistet.48 So habe der Schuldner beispielsweise einen Schadenersatzanspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO bei ungerechtfertigter Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbarem Urteil oder aus § 945 ZPO bei Vollziehung eines Arrests, der sich als von Anfang an ungerechtfertigt erweist.49 Den Gläubiger seinerseits treffe nicht die Pflicht zur sorgfältigen Prüfung dahingehend, ob er berechtigt sei, das Verfahren in Gang zu setzen.50 Mit anderen Worten: Der Rechtswidrigkeitszusammenhang kann mangels einer besonderen Schutz- bzw. Prüfpflicht des Gläubigers nicht hergestellt werden. Die vom BGH aufgestellten Grundsätze gelten allgemein und damit auch für die Einleitung der Zwangsvollstreckung. Wer bei fahrlässiger Fehleinschätzung der Rechtslage das staatliche, gesetzlich eingerichtete und geregelte Verfahren einleite, handle nicht rechtswidrig; das Verfahrensrecht sehe Sanktionen vor, neben denen grundsätzlich nicht wegen unerlaubter Handlung zu haften sei.51 2. Kriterien für das objektiv rechts- bzw. pflichtwidrige Verhalten Es stellt sich aber die Frage, wann demjenigen, der das Verfahren betreibt, die Berechtigung zur Zwangsvollstreckung nach Auffassung des BGH fehlt. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob dem Gläubiger ein Vollstreckungsanspruch zusteht oder nicht; denn dieser richtet sich gegen den Staat.52 Zudem werden im Antragsverhältnis die formellen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vom Vollstreckungsorgan in eigener Zuständigkeit geprüft. Das Gleiche gilt für die Voraussetzungen des gesetzlichen Vollstreckungsschutzes. Solche Umstände betreffen allein das vertikale Vollstreckungsverhältnis. Maßgeblich kommt es hin 47

BGH NJW 1961, 2254, 2255. BGH NJW 1961, 2254. 49 BGH NJW 1961, 2254, 2255. 50 BGH NJW 1961, 2254, 2255; vgl. auch Büchler, JuS 2011, 691, 696 m. w. N. 51 BGH NJW-RR 2011, 338 f., st.Rspr. 52 Vgl. Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, S. 261 mit Verweis auf Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S. 149, 491 f. 48

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§ 7 Haftungsrecht

gegen im horizontalen Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner darauf an, dass der Gläubiger bei Gesamtwürdigung aller Umstände dem Schuldner gegenüber ein schutzwürdiges Interesse hat, auf dessen Grundlage er die zwangsweise Durchsetzung betreiben darf. Wann er den titulierten Anspruch nicht mehr durchsetzen darf, ist dem Gesetz zu entnehmen. So scheidet eine Vollstreckung etwa dann aus, wenn sie unter Berücksichtigung der Belange des Gläubigers für den Schuldner eine sittenwidrige Härte bedeutet (§ 765a ZPO), wenn „nachträgliche“ materielle Einwendungen dem titulierten Anspruch entgegenstehen (§ 767 ZPO), wenn das zu vollstreckende Urteil oder die vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben wurden (§ 775 Nr. 1 ZPO), u.s.w. Dass die Zwangsvollstreckung mit Erfolg betrieben werden kann, sofern der Schuldner sich nicht wehrt, ändert nichts daran, dass sich der Gläubiger dadurch, dass er sich in Kenntnis der Umstände über den Vollstreckungsschutz hinwegsetzt, pflichtwidrig verhält. Der Nichtgebrauch eines Rechtsbehelfes führt regelmäßig nur zum Mitverschulden (§ 254 Abs. 2 BGB).53 Eine Pflicht, besondere Nachforschungen anzustellen, besteht zwar nicht. Jedoch ist der Vollstreckungsantrag bei Kenntnis von den Umständen zu unterlassen oder, sofern das Verfahren bereits eingeleitet wurde, dem Vollstreckungsorgan entsprechend Mitteilung zu machen. Die Unterlassungs- und Mitteilungspflicht besteht auch im Falle grob fahrlässiger Unkenntnis, da sich hier die Sach- und Rechtslage aufdrängt (Fälle der Evidenz) und gerade nicht nachgeprüft werden muss, ob das Verfahren berechtigterweise in Gang gesetzt wird. Dass sich objektive Rechtspflichten aus subjektiven Kriterien ergeben, namentlich aus der Kenntnis oder der grob fahrlässigen Unkenntnis von den Umständen, ist haftungsrechtlich nichts Ungewöhnliches.54 Die Pflicht desjenigen, der das Verfahren betreibt, geht letztlich dahin, die Zwangsvollstreckung nicht ohne vollstreckungsfähiges Interesse zu betreiben und jeden nicht gerechtfertigten Nachteil vom Schuldner abzuwenden. Ein Verstoß gegen diese Verkehrssicherungspflicht indiziert die Rechtswidrigkeit.

III. Verschulden und Verschuldensmaßstab Zunächst wurde von der Rechtsprechung vereinzelt erwogen, den Verschuldensmaßstab entsprechend § 990 Abs. 1 BGB einzuschränken und den Vollstreckungsgläubiger von der Haftung für leichte Fahrlässigkeit zu befreien.55 Der Rückgriff auf § 990 BGB hat Kritik erfahren.56 Richtig ist allerdings, dass die Haftung auf der Verschuldensebene einzuschränken ist und nur in engen Grenzen in Betracht kommt, nämlich allein bei Vorsatz. Der BGH billigt demjenigen, der das Verfahren 53

Gaul, ZZP 110 (1997), 3, 12. So haftet etwa nach §§ 989, 990 BGB der bösgläubige Besitzer bei Kenntnis und grob fahrlässiger Unkenntnis von der Vindikationslage (vgl. § 932 Abs. 2 BGB); denn dann ist er den allgemeinen Sorgfaltspflichten unterworfen, die für fremde Sachen gelten, und er haftet auf Schadenersatz bei einem schuldhaften Verstoß (BeckOK-BGB/Fritzsche, § 990 Rz. 1). 55 LG Berlin NJW 1972, 1675. 56 Siehe schon Berg, NJW 1972, 1996 (Anm. zu LG Berlin). 54

J. Schadenersatz nach § 823 Abs. 2 BGB

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betreibt, ein „Recht auf Irrtum“ zu, weil die Zugänglichkeit der staatlichen Rechtspflege erheblich eingeengt wäre, soweit eine Schadenersatzpflicht desjenigen, der das Verfahren betreibt, immer dann drohen würde, wenn das Verfahren sachlich nicht gerechtfertigt sei.57 Das BVerfG hat die Rechtsprechung des BGH ausdrücklich bestätigt.58 Nicht jeder Irrtum kann aber denjenigen, der sich eines rechtsstaatlichen Verfahrens bedient, entschuldigen. Nicht schutzwürdig ist nämlich, wer „blauäugig“ handelt und sich jeder Erkenntnis verschließt. So sei selbst nach Ansicht des BGH bei wertender Betrachtung die verfahrensrechtliche Entschlussund Handlungsfreiheit dann nicht unzumutbar beschränkt, wenn der Verfahrensbetreibende einen leicht zu überprüfenden Hinweis erhalten habe59, dem aber nicht nachgehe. Um im Sinne eines effektiven Rechtsschutz jedoch am „Recht auf Irrtum“ festzuhalten und die Haftung nicht auch auf grobe Fahrlässigkeit zu erstrecken, kann nur der Gläubiger, der sich darüber im Klaren ist, dass seine Angaben falsch sein können, demjenigen gleichgestellt sein, der den widerrechtlichen Eingriff in Kauf nimmt.60 Das wird allerdings regelmäßig bei Anträgen „ins Blaue hinein“ anzunehmen sein; dann lassen die Umstände bedingten Vorsatz vermuten.61 Schon einem Irrtum unterliegt der­jenige nicht, der vorsätzlich handelt, so dass eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB erst recht in Betracht kommt.

IV. Schaden, Kausalität Bei einer unberechtigten Zwangsvollstreckung entsteht schließlich zulasten des Schuldners oder eines Dritten ein auf der Rechtsgutverletzung beruhender ­Schaden.

J. Schadenersatz nach § 823 Abs. 2 BGB wegen Verstoß gegen ein Schutzgesetz Die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB setzt einen Verstoß gegen ein Schutzgesetz voraus, ferner Rechtswidrigkeit und insbesondere Verschulden. Zudem muss der Schaden auf dem Verstoß gegen das Schutzgesetz beruhen und aufgrund des persönlichen und sachlichen Schutzbereiches der Norm zurechenbar sein.

57

BGH NJW 1979, 1351, 1352 f.; Dies ist mittlerweile auch st.Rspr.: BGH NJW 2003, 1934, 1935; NJW 1985, 1959, 1961; OLG Köln NJW 1996, 1290, 1292. 58 BVerfG NJW 1987, 1929 f. 59 BGH NJW 1979, 1351, 1353; vgl. auch BGH NJW 2003, 1934, 1935. 60 Vgl. OLG Köln, r + s 2004, 229, 230. 61 Vgl. OLG Brandenburg ZIP 2008, 402, 403; Jauernig/Jauernig, § 123 Rz. 3; außerdem Staudinger/Oechsler (2009), § 826 Rz. 97 (der Anscheinsbeweis spreche für Kenntnis); vgl. ferner MüKoBGB/Grundmann, § 276 Ru. 163, der von Vorsatz ausgeht, nicht einmal nur bedingter Art.

306

§ 7 Haftungsrecht

I. Schutzgesetze nach dem StGB Das Zwangsvollstreckungsverfahren kann Grundlage für strafbares Verhalten sein. Strafrecht ist als Schutzrecht in dieser Hinsicht ein „akzessorischer Rechts­ teil“.62 Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB sind z. B.: § 113 StGB (zugunsten des Amtsträgers)63, § 288 StGB64 (sofern jedenfalls über § 3 Abs. 1 AnfG hinaus besondere Umstände vorliegen65), nach der hier vertretenen Ansicht § 242 StGB i. V. m. § 25 Abs. 1, 2. Alt. StGB66 (im Übrigen: §§ 249 Abs. 1, 25 Abs. 1, 2. Alt. StGB) und § 263 StGB.67

II. Sonstige Schutzgesetze Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist auch § 803 ZPO, wonach der Vollstreckungsschuldner (nicht der Drittschuldner) vor Überpfändung bewahrt werden soll.68 Schutzgesetze sind ferner: §§ 13869, 817a70, 82971, § 840 ZPO72, außerdem § 882a ZPO i. V. m. § 15 Nr. 3 EG-ZPO.73

62

Lüke, FS Kaufmann, 565 mit Verweis auf Binding, Handbuch des Strafrechts I, S. 9 f. Vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 08.03.2010, Az. 1 U 1137/07, BeckRS 2010, 12319; Urt. v. 08.03.2010 − 1 U 1114/06, BeckRS 2010, 12230; Urteil vom 08.03.2010 − 1 U 1137/06, BeckRS 2010, 12923. 64 Vgl. BGH NJW 1991, 2420. 65 Vgl. BGH NJW 1972, 719, 721; Staudinger/Hager (2009), § 823 Rz. G 42 m. w. N. 66 Siehe auch Berghaus, Der strafrechtliche Schutz der Zwangsvollstreckung, 1967, insb. S. 84. 67 Zur Strafbarkeit des Schuldners wegen wahrheitswidrigen Bestreitens des Eigentums und daraus resultierenden Verzichts des Gläubigers auf die Zwangsvollstreckung vgl. Lüke, FS Kaufmann, 565, 575 f.; grds. auch OLG Hamm, NJW 1956, 194 (sofern jedenfalls der Gläubiger materiell berechtigt sei und ein Vermögensschaden deswegen nicht ausscheide); zur Strafbarkeit des Gläubigers, der die Forderungspfändung auf Grundlage eines falschen Titels betreibt vgl. BGH Beschl. v. 25.04.01, Az. 1 StR 82/01, juris. 68 Siehe schon RGZ 143 (1934), 118, 123; ferner BGH NJW 1985, 1155, 1157; BLAH, § 803 Rz. 11; Hk-ZV/Kindl, § 803 Rz. 13; MüKoZPO/Gruber, § 803 Rz. 67; Musielak/Becker, § 803 Rz. 16; Schuschke/Walker/Walker, § 803 Rz. 3; Staudinger/Hager (2009), § 823 Rz. G 60; Zöller/Stöber, § 803 Rz. 5. 69 Str., wie hier: Musielak/Stadler, § 138 Rz. 8; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 65 Rz. 71; Staudinger/Hager (2009), § 823 Rz. G 60 m. w. N.; a. A. BeckOK-BGB/Spindler, § 823 Rz. 224; BLAH, § 138 Rz. 65. 70 OLG München NJW 1959, 1832. 71 Staudinger/Hager (2009), § 823 Rz. G 60 m.N. 72 RGZ 149 (1936), 251, 256. 73 Staudinger/Hager (2009), § 823 Rz. G 60 m.N. 63

J. Schadenersatz nach § 823 Abs. 2 BGB

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III. Sonstige Anspruchsvoraussetzungen 1. Rechtswidriger Verstoß Die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB setzt einen rechtswidrigen Verstoß gegen das Schutzgesetz voraus; die Rechtswidrigkeit wird durch den Verstoß indiziert.74 2. Schuld und Verschulden Eine Haftung kommt aber ohne Verschulden nicht in Betracht. Dies gilt auch, wenn das Schutzgesetz selbst nur einen objektiven Tatbestand aufweist. Insoweit findet § 276 BGB Anwendung. Der Täter muss vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Es gelten die allgemeinen Grundsätze. Weist das Schutzgesetz seinerseits einen subjektiven Tatbestand auf, was (vornehmlich) bei den Strafnormen der Fall ist, bestimmt sich danach, welcher Verschuldensmaßstab anzulegen ist. Ist etwa nur die Vorsatztat strafbar (vgl. § 15 StGB), kommt die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB allein bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen das Schutzgesetz in Betracht. Entgegen der h. M. und damit auch entgegen der Ansicht des BGH75 muss bei strafrechtlichen Schutz­ normen dann jedoch nicht mehr die Schuld im strafrechtlichen Sinne geprüft werden. Denn im Falle von § 823 Abs. 2 BGB geht es um den zivilrechtlichen Interessenausgleich. Es soll keine Strafsanktion gerechtfertigt, auch nicht die Strafe täter- und tatangemessen zugerechnet und kein Strafmaß bestimmt werden.76 Mithin gilt allein der zivilrechtliche Verschuldensbegriff. Deswegen sollte insbesondere § 17 StGB und damit die Schuldtheorie keine Anwendung finden77, so dass der Vorsatz entfällt, wenn der Täter sich seines rechtswidrigen Tuns nicht bewusst ist, auch wenn er dies vermeiden konnte (Vorsatztheorie). Die hier vertretene Ansicht ist konsequent; es wird in der Regel ohnehin verlangt, auch von Vertretern der h. M., die Schuldfähigkeit nach §§ 827, 828 BGB statt nach §§ 19 ff. StGB zu bestimmen.78 Ferner zieht selbst der BGH im Falle der Fahrlässigkeit entgegen der Strafrechtsdogmatik nicht den subjektiven Maßstab heran, sondern verweist darauf, dass im Zivilrecht der objektive Fahrlässigkeitsbegriff (§ 276 Abs. 2 BGB) 74

BGH NJW 1993, 1580, 1581 m.N. BGH VersR 1984, 1071 f.; NJW 1962, 910, 911; Brox/Walker, BS, § 46 Rz. 13; Medicus/ Lorenz, SchR II, Rz. 1324; Schmidt, SchR BT II, Rz. 767; Staudinger/Hager (2009), § 823 G 38. 76 Zum strafrechtlichen Schuldbegriff und dessen Zweck siehe oben, § 2 A. II. 77 Ebenfalls kritisch Deutsch, VersR 2004, 137, 140; Mayer-Maly, AcP 170 (1970), 133, 154 ff.; anders die h. M.: BGH NJW 1997, 130, 132 f.; VersR 1984, 1071 f.; NJW 1962, 910, 911; Medicus/Lorenz, SchR II, Rz. 1324; vgl. außerdem: Brox/Walker, BS, § 46 Rz. 13; Schmidt, SchR BT II, Rz. 767. 78 Esser/Schmidt, SchR I/2, § 26 I 2a (S. 81); Looschelders, SchR BT, Rz. 1287; Soergel/ Spickhoff, § 823 Rz. 212; Staudinger/Hager (2009), § 823 G 36; vgl. auch Dörner, JuS 1987, 522, 526. 75

308

§ 7 Haftungsrecht

gelte.79 Dem folgt auch weitestgehend die Literatur.80 Wird einheitlich auf die Verschuldenskriterien des BGB abgestellt, gewährleistet dies ein in sich geschlossenes Haftungssystem. Das Verschulden wird bei den Strafnormen inzident geprüft, was im Übrigen auch für die Rechtswidrigkeit gilt. 3. Schaden, Kausalität Auf den Schaden soll nicht weiter eigegangen werden. Nur dies: Der Verstoß gegen das Schutzgesetz muss dafür kausal gewesen sein. Das Verschulden muss sich nicht auf den Schaden beziehen. Anders ist es dann, wenn der subjektive Tatbestand des Schutzgesetzes dies verlangt, also regelmäßig bei Vermögensdelikten nach dem StGB. So setzt etwa § 263 StGB einen Schädigungsvorsatz voraus.

K. Schadenersatz nach § 826 BGB wegen sittenwidriger, vorsätzlicher Schädigung Wird widerrechtlich im genannten Sinne vollstreckt, kommt auch eine Haftung nach § 826 BGB in Betracht81, etwa dann, wenn der Vollstreckungsgläubiger absichtlich die Sache eines Dritten pfänden und verwerten lässt, um diesen zu schädigen. Weil nach dem Tatbestand der Schaden sittenwidrig und vorsätzlich zu­gefügt worden sein muss, es also nicht auf die Verletzung eines absolut geschützten Rechtsgutes ankommt, ist eine Haftung nach § 826 BGB auch bei einer Vollstreckung in eine Forderung zu erwägen. Praktisch relevant ist § 826 BGB insbesondere in Fällen des „Missbrauchs des Vollstreckungstitels“.82 Der Kritik an der Rechtsprechung, dass die Rechtskraft durch einen solchen Anspruch aufgeweicht würde83, ist entgegenzuhalten, dass der Geschädigte in besonders krassen Fällen nicht rechtlos gestellt sein darf. Der 79

BGH VersR 1968, 378, 379. BeckOK-BGB/Spindler, § 823 Rz. 164 m. w. N.; Deutsch, VersR 2004, 137, 141; Palandt/ Sprau, § 823 Rz. 60; Soergel/Spickhoff, § 823 Rz. 211; Staudinger/Hager (2009), § 823 G 38; a. A. Medicus/Lorenz, SchR II, Rz. 1324. 81 Siehe nur Brox/Walker, ZVR, Rz. 467. 82 BGH NJW 2005, 2991 – dazu Schmidt, JuS 2005, 1127; BGH NJW 1999, 1257; NJW 1998, 2818; NJW 1991, 30 f.; OLG München, Urt. v. 10.03.2010, Az. 20 U 3761/09, juris, Rz. 59; OLG Brandenburg, Urt. 08.05.07, Az. 2 U 28/06, juris, Rz. 16; OLG Hamm NJW-RR 1987, 1337; Brox/Walker, ZVR, Rz. 1328a; Kohte, NJW 1985, 2217; Walker, FG BGH Bd. III, 367, 372 f./381 ff.; Wesser, ZZP 113 (2000), 161, insb. 166 ff.; vgl. auch Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 BGB Rz. 1086 ff. und Staudinger/Oechsler (2009), § 826 Rz. 503 ff.; BeckOK-BGB/Spindler, § 826 Rz. 108 ff. (wenngleich kritisch). 83 BLAH, Einf §§ 322–327 Rz. 30 ff.; vgl. auch Münzberg, NJW 1986, 361; mit verfassungsrechtlichen Bedenken Prütting/Weth, Rz. 247 ff., 280 ff. (das BVerfG erkennt aber die Klage nach § 826 BGB an – BVerfG NJW 1991, 2412, 2413). 80

K. Schadenersatz nach § 826 BGB

309

prozessrechtliche Formalismus hat nicht zum Zweck, sittenwidrige Schädigungen zu rechtfertigen und ein Anspruch nach § 826 BGB kommt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Der Titel muss einerseits materiell unrichtig sein, andererseits muss der Vollstreckungsgläubiger davon Kenntnis haben (Vorsatz); darüber hinaus muss sich aus besonderen Umständen ergeben, dass der Titel in sittenwidriger Weise erlangt wurde oder ausgenutzt wird.84 Sittenwidrig erlangt wurde ein Titel u. a. dann, wenn er mit falschem Sachvortrag erstritten wurde.85 Sittenwidrig ausgenutzt wird ein Titel z. B. in dem Fall, dass wiederholt ein Vollstreckungsauftrag erteilt und zurückgenommen wird ausschließlich mit dem Ziel, Druck auszuüben und die Tilgung einer titelfremden Verbindlichkeit zu erzwingen, jedenfalls dann, wenn der Rechtsgrund für die titelfremde Verbindlichkeit nichtig ist, weil darin ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt (§ 138 BGB).86 Der Vorsatz (§ 276 Abs. 1 S. 1 BGB) muss sich zum einen auf die Unrichtigkeit des Titels beziehen, zum anderen auf die Umstände, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt.87 Zum Teil wird sittenwidrige Schädigungsabsicht gefordert88; nach anderer Ansicht genügt neben den sittenwidrigen Umständen (einfacher) Vorsatz.89 Für letztgenannte Ansicht spricht der klare Wortlaut des § 826 BGB. Es besteht nicht die Gefahr, dass die Rechtskraft leichtfertig geopfert wird. Sie darf selbst bei bloßer Kenntnis von der Unrichtigkeit des Titels nur ausnahmsweise und nur dann durchbrochen werden, wenn das Interesse am Erhalt des Rechtsfriedens und das individuelle Interesse an der Vollstreckbarkeit des Titels zurücktreten, weil die Vollstreckung gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Nach Ansicht des BGH ist das dann nicht der Fall, wenn der Titel auf eine nachlässige Prozessführung des Schuldners zurückzuführen ist90, wenn er also selbst wenigstens fahrlässig gegen seine prozessualen Obliegenheiten verstoßen hat. Zwar entfällt ein Anspruch nach § 826 BGB ferner dann, wenn der Vollstreckungsgläubiger der redlichen Überzeugung war, dass er sich so verhalten durfte, wie er sich verhalten hat.91 Wegen des Tatbestandsirrtums fehlen die subjektiven Voraussetzungen für den Sittenverstoß.92 Jedoch spricht der erste Anschein in der Regel dafür, dass er Kenntnis hatte und nicht in redlicher Überzeugung handelte.93 84 Brox/Walker, ZVR, Rz. 1328b ff.; Kohte, NJW 1985, 2217, 2218 f.; MüKo-ZPO/Gottwald, § 322 Rz. 225 ff.; Walker, FG BGH Bd. III, 367, 382 ff. 85 OLG München, Urt. v. 10.03.2010, Az. 20 U 3761/09, juris, Rz. 59. 86 In einem solchen Fall kann mangels Rechtsschutzbedürfnisses auch Erinnerung nach § 766 ZPO eingelegt werden (siehe oben). 87 Walker, FG BGH Bd. III, 367, 383. 88 München OLGZ 1977, 79, Rz. 28; RGZ 163, 292, 293 „um einem anderen Schaden zu­ zufügen“. 89 BGH NJW 1964, 1672, 1673; Brox/Walker, ZVR, Rz. 1328c „Kenntnis von der Unrichtigkeit des Titels“ und damit Vorsatz hinsichtlich dessen Verwendung; vgl. MüKoBGB/Wagner, § 826 Rz. 19. 90 BGH NJW-RR 2012, 304, 305. 91 BGH NJW-RR 2009, 1207, 1209; NJW-RR 2000, 393, 395; NJW 1986, 1751, 1754. 92 BGH NJW-RR 2009, 1207, 1209. 93 Staudinger/Oechsler (2009), § 826 BGB Rz. 97.

310

§ 7 Haftungsrecht

Der Vollstreckungsgläubiger darf sich nämlich der Wahrheit nicht verschließen, wenn nach den Umständen alles für eine unerlaubte Handlung spricht.94 Der Anspruch aus § 826 BGB richtet sich auf die Unterlassung der Zwangsvollstreckung und die Herausgabe des Titels. Nicht richtig ist die Annahme Wessers, nach der mit einem Urteil gemäß § 826 BGB nicht die Rechtskraft durchbrochen werde95; denn durch das Urteil wird unter anderem die Unrichtigkeit des rechtskräftigen Titels festgestellt, so dass zwar nicht die formelle Rechtskraft beseitigt, jedoch die materielle Rechtskraft aufgehoben wird.96 Richtig ist zwar, dass der Anspruch nach § 826 BGB unabhängig davon besteht, ob er gerichtlich festgestellt wurde; liegt jedoch ein solcher Titel vor, ist das Vollstreckungsorgan daran gebunden, während es ohne gerichtliche Feststellung den Missbrauch selbst zu beurteilen hat. In Fällen der Evidenz hat es den Antrag auf Durchführung der Zwangsvollstreckung zurückzuweisen; falls es darüber zum Streit kommt, wird dieser auf Rechtsbehelfs­ ebene geführt.97

94 Siehe nur: BGH NJW 1994, 2289, 2291; OLG Düsseldorf NZG 2008, 713; OLG München NZG 1999, 782, 784. 95 Wesser, ZZP 113 (2000), 161, 171. 96 Walker, FG BGH Bd. III, 367, 371 m. w. N.; siehe auch Prütting/Weth, Rz. 178; Gottwald, in: Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 162 Rz. 6 m. w. N. (vgl. auch Rz. 13). 97 Näheres siehe unter § 6 B. I. 2.

§ 8 Rechtliche Würdigung und Systematisierung, Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Insgesamt lässt sich feststellen, dass Verschulden im Zusammenhang mit der Zwangsvollstreckung nicht irrelevant ist, dass es aber nicht eines der tragenden Prinzipien darstellt. Wie und wo es sich auswirkt, hängt vom Einzelfall ab. So lassen sich drei Rechtsgebiete unterscheiden: das Prozessrecht, das Haftungsrecht und das Strafrecht.

A. Schuld und Verschulden im straf- und zivilrechtlichen Kontext Auf das Strafrecht soll nicht weiter eingegangen werden. Zu beachten ist lediglich (was insbesondere für § 823 Abs. 2 BGB relevant ist), dass die Schuld im strafrechtlichen Sinne etwas anderes ist als das Verschulden im zivilrechtlichen und auch im prozessualen Kontext. Schuld im strafrechtlichen Sinne hat einen personalisierenden Charakter; dadurch wird die Einstellung des Täters zum Rechtssystem gekennzeichnet und individuell die Strafe täter- und tatangemessen zugerechnet und das Strafmaß bestimmt. Wegen des personalisierenden Charakters kommt es immer auf die persönliche Schuld des Täters an; Schuld Dritter ist nicht zurechenbar. Verschulden im zivilrechtlichen und ferner im prozessualen Sinne setzt zwar ebenfalls voraus, dass der Handelnde schuldfähig ist. Es gelten aber zum einen besondere Regeln, §§ 827 ff. BGB statt §§ 19 ff. StGB. Zum anderen werden die Rechtsfolgen auch dann zugerechnet, wenn der Schuldvorwurf nicht personalisierbar ist, nämlich im Falle fahrlässigen Handelns, weil es dort auf die Sicht eines vernünftig denkenden Dritten und damit auf die objektiven Umstände ankommt. Insoweit hat Verschulden im zivilrechtlichen Sinne einen typisierenden Charakter, nicht zuletzt zum Schutz des Rechtsverkehrs. Im Normalfall gibt der Durchschnittsmensch den Maßstab vor, in bestimmten Fällen kann auch die durchschnittliche fachliche Kompetenz eines Berufsträgers entscheidend sein.1 Zudem ist, weil das Verschulden im zivilrechtlichen Sinne keinen personalisierenden Charakter hat, das Verschulden Dritter grundsätzlich zurechenbar (§ 278 BGB), gleiches gilt für das Prozessrecht (§§ 51 Abs. 2, 85 Abs. 2 ZPO).

1

Vgl. auch Deutsch, NJW 1993, 1506, 1508.

312

§ 8 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

B. Verschulden im Zivilprozessrecht/in der Zwangsvollstreckung Im Prozessrecht, namentlich im Recht der Zwangsvollstreckung ist wiederum zu unterscheiden, und zwar nach den Verfahrensvorschriften im engeren Sinne und den Vorschriften, die den Vollstreckungsschutz betreffen. Besonderheiten ergeben sich schließlich in kostenrechtlicher Hinsicht.

I. Verfahrensvorschriften im engeren Sinne Unter Verfahrensvorschriften im engeren Sinne sind solche Normen zu verstehen, die den Prozessverlauf programmatisch vorgeben, etwa diejenigen, welche die Zulässigkeit von Anträgen betreffen. Es handelt sich nach der hier vertretenen Ansicht um Vorschriften rein öffentlich-rechtlicher Art.2 Interessen werden hier nicht abgewogen. Verschulden spielt nur dann eine Rolle, wenn das Gesetz ausdrücklich eine Regelung dazu trifft. Das ist selten der Fall; es betrifft etwa die §§ 765a Abs. 3, 802g Abs. 1 S. 1 ZPO (n. F., ferner §§ 807 Abs. 1 Nr. 4, 813b Abs. 2, 901 S. 1 ZPO [jeweils a. F.]). Die genannten Vorschriften regeln die Rechtsfolgen bei einem schuldhaften Verstoß gegen prozessuale Obliegenheiten; z. T. ist (ungenau) von Prozessförderungspflichten die Rede. Liegt ein solcher Verstoß vor, kann der Vollstreckungsschutz nach der Generalklausel grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nicht ausnahmsweise schwerwiegende Grundrechtseingriffe drohen (§ 765a Abs. 3 ZPO), es musste die eidesstattliche Versicherung abgegeben werden (§ 807 Abs. 1 Nr. 4 ZPO [a. F.]), ein Verwertungsaufschub ohne Zustimmung des Vollstreckungsgläubigers kam nicht mehr in Betracht (§ 813b Abs. 2 ZPO [a. F.]), oder ein Haftbefehl wird erlassen (§ 802g Abs. 1 S. 1 ZPO [n. F.], § 901 S. 1 ZPO [a. F.]). Zudem ist im Rahmen von §§ 707, 719 ZPO Verschulden ggf. inzident zu prüfen, beispielsweise wegen des Verweises auf § 233 ZPO (§ 707 ZPO) oder auf § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO (§ 719 ZPO). § 890 ZPO ist dagegen ein Sonderfall. Hier wird Verschulden aus verfassungsrechtlichen Gründen vorausgesetzt; anderenfalls können Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft nicht verhängt werden. Ein weiterer Sonderfall ist die Voll­ streckung Zug um Zug nach §§ 756, 765 ZPO. Hier sei nur auf die Ausführungen unter § 4 A. verwiesen.

2

§ 2 B. II. 1.

B. Verschulden im Zivilprozessrecht/in der Zwangsvollstreckung 

313

II. Vorschriften, die den Vollstreckungsschutz betreffen Vorschriften, die den Vollstreckungsschutz betreffen, sind nach dem hier verfolgten Konzept nicht nur diejenigen, die den Schuldner vor Zwangsmaßnahmen bewahren, die Zwangsvollstreckung also einschränken (Vollstreckungsschutz im engeren Sinne, z. B. nach §§ 765a, 811, 850/850b Abs. 1 PO), sondern auch solche, nach denen dieser Schutz modifiziert wird, entweder zugunsten des Schuldners (wenn der Vollstreckungsschutz noch erweitert wird, z. B. nach § 850f Abs. 1 ZPO; es handelt sich auch hier um Vollstreckungsschutz im engeren Sinne), oder zugunsten des Gläubigers (z. B. nach §§ 811a, 850b Abs. 2, 850d ZPO). Wegen des engen Sachzusammenhangs werden die Vorschriften gemeinsam behandelt. 1. Vollstreckungsschutzrechtliche Vorschriften rein öffentlich-rechtlicher Art Bei Vorschriften des Vollstreckungsschutzes gibt es nach der hier vertretenen Ansicht sowohl solche, die rein öffentlich-rechtlicher Art sind, als auch solche, die einen gemischt-rechtlichen Charakter aufweisen. Öffentlich-rechtlicher Art sind diejenigen, die dem Schutz öffentlicher Interessen dienen und/oder dem Schutz privater Interessen, dann aber nur im Verhältnis zum Staat, ohne dass auf horizontaler Ebene eine Abwägung mit den Interessen der anderen Beteiligten stattzufinden hätte. Das betrifft etwa die §§ 803, 811, 850, 850a, 850c Abs. 1, 2 ZPO. Bezeichnend dafür ist, dass der Vollstreckungsschutz antragsunabhängig gewährt wird; der Gesetzgeber hat, weil durch die Einschränkung der Vollstreckungstätigkeit immer auch die Belange des Gläubigers betroffen sind, eine Abwägung der Grundrechte insbesondere des Schuldners und eben des Gläubigers (im Sinne einer praktischer Konkordanz) vorweggenommen. Es handelt sich um eine abschließende Beurteilung der in den fraglichen Vorschriften geregelten Fälle. Schuldhaftes Verhalten im Einzelfall berührt die Abwägung nicht, erst recht dann nicht, wenn es sich um Verschulden auf horizontaler Ebene im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner handelt. Damit wären nämlich Umstände von Belang, die nicht vereinbar sind mit dem Charakter der Norm. Dieser ist öffentlich-rechtlicher Art und bezeichnet das vertikale Verhältnis zum Staat. 2. Vollstreckungsschutzrechtliche Vorschriften gemischt-rechtlicher Art Gemischt-rechtlicher Art sind die Vorschriften des Vollstreckungsschutzes (im oben genannten Sinne) nach der hier vertretenen Ansicht dann, wenn im Gegensatz zur Rechtsfolge, die ihrerseits öffentlich-rechtlicher Natur ist, weil die Zwangsvollstreckung und damit das Handeln der staatlichen Vollstreckungs­organe beschränkt oder eine solche Beschränkung modifiziert wird, der Tatbestand ty-

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§ 8 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

pisch privat-rechtliche Züge trägt. Das ist zum einen der Fall, wenn die Schutznorm der Überlegung Ausdruck verleiht, dass die privaten Interessen im Einzelfall auszugleichen sind, nicht auf haftungs- aber auf prozessrechtliche Weise, wenn also eine Interessenabwägung auf horizontaler Ebene stattzufinden hat. Dabei handelt es sich um eines der wesentlichen Prinzipien des Vollstreckungsrechts. Gemischt-rechtlicher Art sind in diesem Sinne etwa §§ 721, 794a, 765a Abs. 1, 811a, 811c Abs. 2, 812, 813b (a. F.), 850b Abs. 2, 850d Abs. 1 S. 4, 850f, 850i ZPO, auch § 906 ZPO (a. F.). Es handelt sich aber auch dann um eine gemischt-rechtliche Vorschrift, wenn der Vollstreckungsschutz im privaten Interesse des Gläubigers „aufgeweicht“ wird, z. B. bei einer privilegierten Pfändung nach §§ 850d Abs. 1 S. 1, 850f Abs. 2 ZPO, weil dem Titel besondere materiell-rechtliche Ansprüche zugrunde liegen. Ferner trägt der Tatbestand dann privat-rechtliche Züge (ohne dass es sich wegen der prozessualen Rechtsfolge um echtes Privatrecht handelt), wenn es maßgeblich auf übereinstimmende Willenserklärungen der Beteiligten ankommt; die §§ 116 ff. BGB finden aber keine Anwendung. Deshalb war z. B. § 813a ZPO (a. F.) gemischt-rechtlicher Art, weil der Verwertungsaufschub nach dieser Vorschrift darauf beruhte, dass der Gläubiger dem Angebot des Schuldners, die Schuld in Raten abzutragen, zugestimmt hatte. Typisch für Vorschriften des Vollstreckungsschutzes gemischtrechtlicher Art ist, dass die privaten Sonderinteressen nur auf Antrag hin in das Vollstreckungsverfahren eingeführt und berücksichtigt werden. Soweit dies der Regelfall ist, kennt das Gesetz allerdings auch Ausnahmen: So hat etwa der Gerichtsvollzieher im Falle der Pfändung von Hausrat, der nicht schon nach § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO dem Zugriff entzogen ist3, die Belange der Beteiligten von Amts wegen gemäß § 812 ZPO abzuwägen. a) Verschulden bei der Interessenabwägung Es hat sich nach der hier angelegten Untersuchung gezeigt, dass Verschulden im Wesentlichen nur dann berücksichtigt werden kann, wenn eine offene Interessenabwägung auf horizontaler Ebene durchzuführen ist. Dass diese gerade nicht den Regeln der praktischen Konkordanz folgt, bei der es auf die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs ankommt, wurde erläutert. Verschulden stellt sich bei der Interessenabwägung als einzelner Aspekt dar, der weder ein Ergebnis in die eine, noch in die andere Richtung erzwingt. Schuldhaftes Verhalten muss nicht vorliegen; falls es aber vorliegt, ist es ausreichend zu würdigen.

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Siehe nur Schuschke/Walker/Walker, § 812 Rz. 1.

B. Verschulden im Zivilprozessrecht/in der Zwangsvollstreckung 

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b) Sonstiges: Verschulden in Ausnahmefällen Verschulden ist ferner dann zu berücksichtigen, wenn dies ein Tatbestandsmerkmal der gemischt-rechtlichen Vorschrift bei gebotener Auslegung erfordert. Das ist selten der Fall. Nach der hier vertretenen Ansicht traf das etwa bei § 813a Abs. 2 S. 4 ZPO (a. F.) zu. Der Verwertungsaufschub endete, wenn der Schuldner mit den Ratenzahlungen teilweise in Verzug kam. Verzug setzte bei analoger Anwendung des § 286 Abs. 4 BGB Verschulden voraus.4 Ähnlich verhält es sich mit § 802d ZPO (n. F., vgl. § 903 ZPO [a. F.]). Der Schuldner kann sich nur dann darauf berufen, dass innerhalb der Sperrfrist nach dieser Vorschrift keine wiederholte eidesstattliche Versicherung abgenommen werden darf, wenn er bei Abnahme der vorherigen eidesstattlichen Versicherung keine wissentlich oder sorgfaltswidrig falschen oder unvollständigen Angaben gemacht hat. Der vorsätzliche Verstoß gegen die Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO), und wegen § 802c Abs. 3 ZPO (n. F.) auch der fahrlässige, stellen den Schuldner demjenigen gleich, der „später Vermögen erworben hat“, so dass entsprechend § 802d ZPO (n. F., siehe § 903 ZPO [a. F.]) auch innerhalb der Sperrfrist die wiederholte Abnahme der eidesstattlichen Versicherung in Betracht kommt. c) Voraussetzung: Verstoß gegen eine Rechtspflicht oder Obliegenheit Verschulden muss sich immer auf den Verstoß gegen eine Rechtspflicht oder eine Obliegenheit beziehen. Hierin liegt das eigentliche Problem. Wäre nämlich davon auszugehen, dass die Zwangsvollstreckung als formelles Verfahren dazu dient, Ansprüche durchzusetzen, ohne dass es darauf ankäme, wie sich der eine oder andere dazu verhält, wäre einem System von Rechtspflichten und Obliegenheiten der Boden entzogen. Genau das ist aber nicht der Fall. Vom Ergebnis her gedacht, lässt sich das Problem wie folgt darstellen: Zwar dient die Zwangsvoll­ streckung der Durchsetzung der Gläubigerinteressen, ohne dass es darauf ankommt, ob insbesondere der Schuldner mitwirkt. Das ist geradezu Sinn und Zweck des Verfahrens. Jedoch müssen bestimmte Vorzüge nicht zwingend gewährt werden: Der Vollstreckungsschutz, dem eine Interessenabwägung zugrunde liegt, ist variabel. So kann das Verschulden des einen oder anderen Beteiligten auch tatsächlich wesentliche Rechtsfolgen haben. Es kann etwa der Vollstreckungsschutz versagt werden. Sofern außerdem bestimmte Tatbestandsmerkmale inzident ein Verschulden voraussetzen, wird die Rechtsfolge vom Gesetz vorgegeben.

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Siehe unter § 3 H. V. 2.

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§ 8 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

aa) Echte prozessuale Rechtspflichten Die Untersuchung hat ergeben, dass das Zwangsvollstreckungsrecht durchzogen ist von einer Vielzahl von Rechtspflichten und Obliegenheiten. Rechtspflichten sind oft ausdrücklich geregelt. Eine ratenweise Zahlungspflicht etwa ergab sich aus der Erklärung des Schuldners in Verbindung mit dem vom Gerichtsvollzieher nach § 813a Abs. 1 ZPO (a. F.) angeordneten Verwertungsaufschub. Der Schuldner hat ferner Auskunft zu erteilen und die über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben, wenn ein Überweisungsbeschluss ergangen ist, § 836 Abs. 3 ZPO. Den Drittschuldner treffen Erklärungspflichten nach § 840 Abs. 1 ZPO. Der Gläubiger hat dem Schuldner im Falle eines Einziehungsrechtsstreits nach § 841 ZPO den Streit zu verkünden und die Forderung zügig beizutreiben, § 842 ZPO. Nicht vergessen werden darf die Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO, die jeden Beteiligten bindet. Dabei handelt es sich jeweils um echte Prozesspflichten. Sie sind nicht einklagbar. Aus einem schuldhaften Verstoß dagegen ergeben sich aber meist spezielle Rechtsfolgen. So endete der Verwertungsaufschub nach § 813a ZPO (a. F.). Bei einem Verstoß gegen §§ 138 Abs. 1, 841, 842 ZPO kann regelmäßig Schadenersatz verlangt werden. Im Falle eines Verstoßes gegen § 836 Abs. 3 ZPO wird die Auskunft durch Abnahme der eidesstattlichen Versicherung vollstreckt; dafür ist zur Gewährleistung einer effektiven Durchsetzung des Interesses Verschulden noch nicht einmal erforderlich. bb) Obliegenheiten und unechte prozessuale Rechtspflichten Für die Interessenabwägung innerhalb vollstreckungsschutzrechtlicher Vorschriften sind dagegen vornehmlich bestimmte Obliegenheiten von Belang. Diese werden teilweise – dann zu Unrecht – als Pflichten bezeichnet. Das betrifft etwa die Ersatzraumbeschaffungspflicht. Denn primär ist der Räumungsschuldner selbst daran interessiert, nicht obdachlos zu werden, wohingegen dies für den Gläubiger nur mittelbar von Interesse ist, weil er Gefahr läuft, dass dem Antrag nach § 765a Abs. 1 ZPO stattgegeben wird. Eine andere Obliegenheit des Schuldners besteht darin, sich im Falle gesundheitlicher Probleme in ärztliche Behandlung zu begeben (oft als Mitwirkungspflicht bezeichnet; relevant insbesondere für die Fälle, in denen Suizid angedroht wird). Ferner obliegt es dem auf eine Geldschuld haftenden Schuldner, einer Tätigkeit nachzugehen, um Einkünfte zu erziele (Erwerbs­ obliegenheit), oder sich auf andere Weise Einnahmequellen zu erschließen. Es obliegt ihm, vorhandenes Vermögen nicht zu verschwenden, wobei zum Schutz der eigenwirtschaftlichen Verantwortlichkeit des Schuldners ein Verstoß dagegen nur in engen Ausnahmefällen in Betracht kommt. Dem Schuldner ist es außerdem „verboten“, das vorhandene Vermögen dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen. Es handelt sich, soweit es dabei um das „Verbot“ der Selbstschädigung geht, um eine Obliegenheit, im Übrigen eher um eine unechte prozessuale Unterlassungspflicht. Auch den Gläubiger treffen solche unechten prozessualen Rechtspflichten.

B. Verschulden im Zivilprozessrecht/in der Zwangsvollstreckung 

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In bestimmten Fällen und in bestimmtem Maße hat der Gläubiger an der Abwicklung titulierter Ansprüche mitzuwirken. Schließlich sind sich beide, sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner, gegenseitig zur Rücksichtnahme verpflichtet (§§ 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2 BGB; zwischen ihnen liegt eine „gesetzliche Sonderbeziehung privatrechtlicher Art“ vor) und zur Mitwirkung (Adressmitteilung etc.). Wie die Obliegenheiten sind auch die unechten prozessualen Rechtspflichten dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht eingeklagt werden können. Ausdrücklich normiert sind sie jeweils nicht. Die Obliegenheiten und unechten Rechtspflichten erwachsen vielmehr aus dem Vollstreckungsrechtsverhältnis, und zwar im Verhältnis der Beteiligten untereinander. cc) Materielle Rechtspflichten Zum Teil kommt es für die Frage, ob bzw. inwieweit Vollstreckungsschutz zu gewährleisten ist, auch auf die Befolgung der materiellen Rechtspflichten an. So ist es etwa bei § 850d Abs. 1 S. 4 ZPO: Nur wenn sich der Schuldner der unterhaltsrechtlichen Zahlungspflicht vorsätzlich entzieht, können überjährige Ansprüche vollstreckt werden.5 Ferner ist z. B. bei der Frage, ob eine Räumungsfrist gewährt werden kann, zu berücksichtigen, ob der Schuldner nach Urteilserlass auf die Mietschuld zahlt.6 d) Verschuldensmaßstab und Zurechnung Der Verschuldensmaßstab ergibt sich aus § 276 BGB. Zum einen ist daher Vorsatz, zum anderen Fahrlässigkeit zu vertreten. Es gilt der objektive Fahrlässigkeitsbegriff des Zivilrechts. Verschulden kann aber nur nach den prozessualen Sondervorschriften zugerechnet werden, §§ 51 Abs. 2, 85 Abs. 2 ZPO. Verschulden ist nicht nur erforderlich, wenn gegen eine Rechtspflicht verstoßen wurde, sondern auch bei der Verletzung prozessualer Obliegenheiten. Das ergibt sich im Wesentlichen daraus, dass an der Befolgung der Obliegenheit auch der Gläubiger in der Regel ein ausgeprägtes Eigeninteresse hat (wenngleich nur mittelbar, vgl. oben), so dass, was das Vertetenmüssen betrifft, nichts anderes gelten kann, als es bei Rechtspflichten der Fall ist. Nur durch Verschulden kann die Auferlegung eines Rechtsnachteils begründet werden.

5 Die Gläubigerinteresse geht dann vor; genaugenommen ist dies keine offene, sondern eine geschlossene Interessenabwägung, weil der Gesetzgeber die Kriterien vorgegeben hat. 6 Schuschke/Walker/Schuschke, § 721 Rz. 12 m.N.

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§ 8 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

e) Besonderheit: Keine Auswirkung schuldhaften Verhaltens bei (schwerwiegender) Gefährdung höherwertiger Grundrechte Zum Teil tritt die offene Interessenabwägung hinter den Schutz der Grundrechte zurück. Wie sich insbesondere aus § 765a ZPO ergibt, was aber allgemein gilt, sind die Wertentscheidungen des Grundgesetzes zu berücksichtigen. Dies beruht darauf, dass der Staat, der das Gewaltmonopol innehat, an Stelle des Gläubigers tätig wird. Die Abwägung der Grundrechte (nach den Regeln der praktischen Konkordanz)7 kann aber nur dann an die Stelle der offenen Interessenabwägung treten, wenn solche Grundrechte betroffen sind, die in der konkreten Situation vollstreckungsatypisch sind. Es kann z. B. nicht der Eingriff in das Eigentum des Schuldners oder die Unverletzlichkeit der Wohnung geltend gemacht werden, wenn die Zwangsvollstreckung gerade dazu dient, dem Schuldner Vermögenswerte zu entziehen oder aus der Wohnung zu setzen. In atypischer Weise betroffen sind etwa Leib und Leben des Schuldners, wenn aufgrund der Vollstreckungsmaßnahme schwere gesundheitliche Schäden oder sogar der Tod drohen. Unabhängig davon, ob der Schuldner sich schuldhaft verhalten hat, auch bei Vorsatz, wird der Vollstreckungsschutz – sei es nur vorübergehend – gewährt, wenn der Eingriff in Anbetracht der vollstreckungsatypischen Folgen unangemessen erscheint.8 Der Sache nach geht es um Fälle des § 765a ZPO. Das schuldhafte Verhalten führt lediglich dazu, dass eine Auflage erteilt und der Schuldner angehalten wird, sich innerhalb einer Frist daran zu halten. Wichtig ist jedoch, dass sich die Obliegenheit nicht aus der Auflage, sondern ohnehin schon aus dem Vollstreckungsrechtsverhältnis ergibt; denn eine Rechtsgrundlage für die Erteilung von Auflagen existiert im Zivilverfahren nicht.

III. Kostenrecht, § 788 ZPO In der Regel spielt Verschulden für die Kostentragungspflicht keine Rolle. Die Kosten fallen gemäß § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO dem Schuldner zur Last, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren (§ 91 ZPO). Der Gläubiger ist zwar verpflichtet, die Kosten möglichst niedrig zu halten.9 Es handelt sich aber nicht um eine Rechtspflicht im engeren Sinne; denn es kommt nicht darauf an, ob der Gläubiger sich daran hält oder dagegen verstößt. Ersetzt werden nämlich in jedem Fall nur solche Kosten, die nicht überflüssig gewesen sind. Es handelt sich um einen Kostenmaßstab – wenngleich mit subjektivem Einschlag, 7 Zur Gesamtwürdigung nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, wodurch Art. 14 Abs. 1, 19 Abs. 4 GG (Gläubiger) und Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG (Schuldner) in Ausgleich zu bringen sind: Kaiser, NJW 2011, 2412, 2413. 8 Vgl. Schmid, WM 2010, 2108, 2109. 9 BGH NJW 2010, 1007; OLG München, Rpfleger 2010, 434, 435; OLG Brandenburg, JurBüro 2007, 548, 549; Hk-ZV/Kessel, § 788 Rz. 12; Schuschke/Walker/Schuschke, § 788 Rz. 7; Zöller/Stöber, § 788 Rz. 9 m. w. N.

C. Verschulden im einstweiligen Rechtsschutz

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weil es auf die Sicht des Gläubigers ankommt10 –, bei dem schuldhaftes Verhalten nicht berücksichtigt wird. Dass ein Mehr an Aufwand und damit an Kosten zulässig ist, wenn der Schuldner selbst die Vollstreckung erschwert, versteht sich von selbst. Auf Verschulden des Schuldners kommt es dabei nicht an, weil anderenfalls eine effektive Zwangsvollstreckung nicht sichergestellt wäre. Verschulden ist dagegen ausnahmsweise für die Kostenzuweisung nach § 788 Abs. 4 ZPO von Bedeutung. Denn grundsätzlich hat der Schuldner die Kosten auch in den dort genannten Verfahren zu tragen, beispielsweise dann, wenn er zu Recht Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO oder nach § 850k Abs. 4 ZPO begehrt. Gemäß § 788 Abs. 4 ZPO sind die Kosten dem Gläubiger aufzuerlegen, wenn dies aus besonderen, in dem Verhalten des Gläubigers liegenden Gründen der Billigkeit entspricht. Verschulden ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Verstößt also der Gläubiger z. B. schuldhaft gegen die prozessuale Rücksichtnahmepflicht, indem er die Vollstreckung in der Kenntnis betreibt, dass auf Seiten des Schuldners ein Härtefall vorliegt, fallen ihm (dem Gläubiger) gemäß § 788 Abs. 4 ZPO die Kosten für das Verfahren nach § 765a ZPO zur Last. Das kann allerdings dann nicht der Fall sein, wenn der Gläubiger den Härtefall als solchen zwar erkennt, der Schuldner die Vollstreckung aber in vorwerfbarer Weise erschwert/vereitelt hat, etwa indem er es schuldhaft unterlassen hat, sich eine andere Unterkunft zu suchen oder ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen (zur Obliegenheit siehe oben). Dann muss es dem Gläubiger belassen sein, die Vollstreckung wenigstens zu versuchen; anderenfalls stünde er gegenüber dem Schuldner rechtlos. Dass letztlich die Grundrechte den Staat binden und die Vollstreckung deswegen keinen Erfolg bringt, kann in der beschriebenen Situation nicht zulasten des Gläubigers gehen. Das muss zumindest dann gelten, wenn er Kenntnis von dem schuldhaften Verhalten des Vollstreckungsschuldners hat (vieles spricht dafür, den Gläubiger auch darüber hinaus zu schützen). In den hier bezeichneten, problematischen Fällen (z. B. Androhung von Suizid, ohne sich in Behandlung begeben zu haben; Einwand von Obdachlosigkeit, ohne sich eine Wohnung gesucht zu haben) wird also der Vollstreckungsversuch aller Wahrscheinlichkeit nach ins Leere gehen, der Gläubiger, der in Kenntnis der Umstände um staatliche Hilfe nachsucht, aber zumindest die Kosten nicht tragen müssen. Zugegebenermaßen ist der Erstattungsanspruch nicht selten wertlos (Vermögenslosigkeit des Schuldners).

C. Verschulden im einstweiligen Rechtsschutz Im einstweiligen Rechtsschutz nach den §§ 916 ff. ZPO ist Verschulden nur eingeschränkt relevant. Zunächst ist zu unterscheiden zwischen dem Erkenntnis­ verfahren und der Vollziehung.

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Siehe nur Schuschke/Walker/Schuschke, § 788 Rz. 7; Zöller/Stöber, § 788 Rz. 9a.

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§ 8 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

I. Verschulden im Erkenntnisverfahren Auf materiell-rechtlicher Ebene können Arrest- und auch Verfügungsansprüche Verschulden voraussetzen; das betrifft namentlich Schadenersatzansprüche. Für den Verfügungsgrund spielt Verschulden nur dann eine Rolle, wenn eine Interessenabwägung (nicht lediglich eine Güter-/Grundrechteabwägung im Sinne praktischer Konkordanz) vorzunehmen ist. Das ist bei der Leistungsverfügung der Fall. So dürfte eine Leistungsverfügung ausscheiden, wenn der Antragsteller gegen das Verbot der Selbstschädigung (Obliegenheit) verstoßen und sich durch eigenes Verschulden in eine Notlage gebracht hat. Schuldhaftes Verhalten ist aber nur ein einzelner Aspekt und muss nicht zwingend zur Zurückweisung des Antrages führen. Das Verfahren als solches wird dagegen durch rein öffentlich-rechtliche Vorschriften geregelt. Auf Verschulden kommt es dort nur ausnahmsweise an, vornehmlich dann, wenn es um den Verstoß gegen die „allgemeine Prozessförderungspflicht“ geht. Wie oben schon angedeutet, handelt es sich um eine Obliegenheit im eigentlichen Sinne, nämlich dahingehend, die eigenen Belange rechtzeitig geltend zu machen und in das Verfahren einzuführen (Verspätungsrecht). Nach der hier vertretenen Ansicht finden zum einen § 296 Abs. 1, 2 ZPO im einstweiligen Rechtsschutz Anwendung. Schuldhaft verspätetes Vorbringen ist zurückzuweisen. Wegen der Eigenheiten des Eilverfahrens sind keine überspannten Anforderungen zu stellen, so dass nur grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz genügt. Zum anderen können nach §§ 927 Abs. 1, 936 ZPO nur solche Umstände auch noch nachträglich geltend gemacht werden und zur Aufhebung des Arrestbeschlusses bzw. der Verfügung führen, die vorher in das Verfahren unverschuldet noch nicht eingeführt worden waren. Zwar wird das Verschulden als negatives Tatbestandsmerkmal nicht genannt (das wird im Falle öffentlich-rechtlicher Vorschriften regel­ mäßig zu verlangen sein, siehe oben); allerdings findet § 927 Abs. 1 ZPO ohnehin nur entsprechend Anwendung. Die Auslegung dessen, was mit „veränderte Umstände“ gemeint ist, erfordert nach der hier vertreten Ansicht, bisherige Umstände nur bei unverschuldeter Säumnis einzubeziehen. Auch hier dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden, so dass nur grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz genügt. Schließlich ist Verschulden bei der Wiedereinsetzung nach § 233 ZPO im Rechtsbehelfsverfahren (§ 237 ZPO) zu prüfen, etwa wenn die Berufungsfrist (§ 517 ZPO) oder die Beschwerdefrist (§ 569 Abs. 1 ZPO) versäumt wurden. Hier gilt der allgemeine Verschuldensmaßstab des § 276 BGB (Vorsatz und auch einfache Fahrlässigkeit), weil die Fristen nicht abgekürzt werden11 und daher durchschnittliche Sorgfalt zu erwarten ist. Im Weiteren ist Folgendes zu beachten: Wurde bereits ein Arrestbeschluss oder eine einstweilige Verfügung erwirkt, jedoch die Vollziehungsfrist nach §§ 929 Abs. 2, 936 ZPO versäumt, kann 11 Für die Fristen gelten keine Besonderheiten. Zur Berufungsfrist: Mädrich, Das Verhältnis der Rechtsbehelfe des Antragsgegners im einstweiligen Verfügungsverfahren, S. 36; ThP/Seiler, § 922 Rz. 6.

D. Verschulden im Falle von Rechtsmissbrauch

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einstweiliger Rechtsschutz nur dann erneut beantragt werden, wenn die Vollziehungsfrist unverschuldet versäumt wurde, weil anderenfalls nach der hier vertreten Ansicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis (nach der h. M. ggf. der Anordnungsgrund) entfällt.

II. Verschulden in der Vollziehung Für die Zwangsvollstrecklung (Vollziehung) gelten die allgemeinen Grundsätze eingeschränkt (im Detail siehe § 5 B. I., D. I.); denn es darf nicht bereits der Erfolg der Hauptsache vorweggenommen werden (Ausnahme: Leistungsverfügung), weswegen z. B. auf den Arrest hin etwa eine Pfändung, nicht aber die Verwertung in Betracht kommt. Verschulden ist ggf. zu prüfen im Rahmen der Einstellung nach §§ 707, 719 ZPO (inzident, vgl. §§ 233, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO), im Rahmen des Antrages nach § 765a ZPO bei der Interessenabwägung (in Räumungssachen [§ 940a ZPO] auch schon bei der Antragstellung, wenn die Antragsfrist versäumt wurde, § 765a Abs. 3 ZPO), im Rahmen von § 788 Abs. 4 ZPO (billige Kostenerstattung), ggf. im Rahmen von § 811c Abs. 2, 850b Abs. 2, 850d Abs. 1 S. 4, 850f, 850i Abs. 1 S. 3 ZPO, schließlich im Rahmen von §§ 802d, 802g ZPO (n. F., erneute Vermögensauskunft, Haft [siehe auch §§ 901, 903 ZPO a. F.]).12 Bei Vollziehung einer Leistungsverfügung war Verschulden ggf. bei §§ 813a Abs. 2 S. 4 und bei § 813b Abs. 1, 2 ZPO (a. F.) zu berücksichtigen. Im Übrigen ist es zu berücksichtigen bei § 890 ZPO, sofern es sich um eine Unterlassungs- oder Duldungsverfügung handelt.

D. Verschulden im Falle von Rechtsmissbrauch Die Grundsätze der unzulässigen Rechtsausübung finden auch in der Zwangsvollstreckung und im einstweiligen Rechtsschutz Anwendung. Entgegen der h. M. kommt es auf Verschulden an, sofern der Rechtsmissbrauch auf Tatbestandsebene ein bestimmtes Verhalten voraussetzt. Beruht das Urteil über den Rechtsmissbrauch jedoch auf einer Interessenabwägung, oder darauf, dass gegen den Normzweck verstoßen wurde, gilt Verschulden nur als Indiz.

I. Beispiele Im Folgenden seien einige Beispiele rechtsmissbräuchlichen Verhaltens genannt, die Verschulden voraussetzen: 12 Die Vorschriften zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung finden auch bei der Arrestvollziehung Anwendung: siehe nur Hk-ZV/Haertlein, § 928 Rz. 8 m.N.; Schuschke/Walker/ Schuschke, § 928 Rz. 8.

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§ 8 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

1. Titelmissbrauch Im Falle des Titelmissbrauchs entfällt bereits das Rechtsschutzbedürfnis, jedoch nur bei sittenwidriger, vorsätzlicher Schädigung (vgl. § 826 BGB). Der gegenüber § 276 BGB modifizierte Verschuldensmaßstab beruht auf dem prozessualen „Recht auf Irrtum“. Zwar kann auch ein Schadenersatzanspruch auf Unterlassen der Zwangsvollstreckung und Herausgabe des Titels geltend gemacht werden, den Titelmissbrauch hat aber das jeweilige Organ schon im Vollstreckungsverfahren abzuwehren, namentlich in Fällen der Evidenz, indem es den Vollstreckungsantrag als unzulässig zurückweist. 2. Vollstreckungsvereitelung: Räumungsvereitelung und Vereitelung der Sachpfändung Spiegelbildlich zum Titelmissbrauch, der die Zwangsvollstreckung unzulässig macht, kann die Zwangsvollstreckung nach der hier vertretenen Ansicht durchgeführt werden, auch wenn ein Titel die fragliche Person als Titelschuldner nicht (konkret) ausweist. Das setzt eine sittenwidrige, vorsätzliche Schädigung voraus (vgl. § 826 BGB). Das ist etwa der Fall, wenn ein Dritter Besitz oder Mitbesitz an einer Wohnung erlangt mit dem Ziel, die Räumungsvollstreckung zu verzögern oder zu vereiteln. Das ist außerdem der Fall bei Hausbesetzungen. Die Anforderungen an den Titel sind entgegen § 750 Abs. 1 ZPO geringer als üblich. Ein weiterer Fall, der sich hierunter fassen lässt, ist die Vereitelung der Sachpfändung dergestalt, dass ein Dritter die zu pfändende Sache vom Schuldner übernimmt, um anschließend die Zwangsvollstreckung unter Verweis auf § 809 ZPO zu verhindern. Die Sache kann dem Dritten weggenommen werden (§ 808 Abs. 1 ZPO), ohne dass der Titel dies ausdrücklich gestattet. 3. Erschleichen der Zustellung Auf Verschulden kommt es auch in den Fällen an, in denen die öffentliche Zustellung und damit der Pfändungsvorrang erschlichen wird. Wird vorsätzlich gegen die Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) verstoßen – Vorsatz ist wiederum wegen des „Rechts auf Irrtum“ erforderlich – und damit die öffentliche Zustellung erschlichen, ist die Entscheidung nach § 186 Abs. 1 S. 1 ZPO wegen Rechtsmissbrauchs förmlich aufzuheben. Das kann (nachrangig) im Wege des § 766 ZPO, ferner (vorrangig) etwa im laufenden Verfahren nach §§ 876, 878 ZPO (Widerspruch im Verteilungsverfahren) geschehen. Rechtsfolge ist ein Rangtausch.

D. Verschulden im Falle von Rechtsmissbrauch

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4. Zustellungsvereitelung Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen seine Vorsorge- und Mitwirkungspflicht verstößt und nicht dafür Sorge trägt, dass eine Zustellung an ihn erfolgen kann, etwa wegen Umzugs ohne Adressmitteilung, der muss sich so behandeln lassen, als sei die Zustellung erfolgt (zum Verfahren und zum erneuten Zustellversuch, weil häufig der Gläubiger und das Vollstreckungsorgan keine Kenntnis von den Umstände haben, siehe § 6 B. II. 5. c). 5. Pfändung „ins Blaue hinein“ Eine Pfändung „ins Blaue hinein“ ist unzulässig. Sie ist rechtsmissbräuchlich, soweit falsche Angaben gemacht werden und damit durch das bloße Behaupten der Forderung gegen die prozessuale Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) verstoßen wird. Hier ist in Anbetracht der subjektiven Wahrheitspflicht Vorsatz erforderlich Es genügt bedingter Vorsatz. Dieser liegt bei Anträgen bzw. Angaben „ins Blaue hinein“ vor. Jedoch kommt es in der Praxis auf Verschulden kaum an. Vielmehr wird der Verstoß gegen die Wahrheitspflicht in der Regel aus den objektiven Umständen geschlussfolgert, was den Gerichten dann genügt. So sei es in diesem Sinne jedenfalls unzulässig, eine Forderung gegen mehr als drei Geldinstitute zu pfänden, wenn es sich bei dem Schuldner um einen Privatmann handle.13 6. Sonderfall: Erschleichen einer weiteren Ausfertigung Bei der Frage, ob eine Zweitausfertigung des Titels nach § 733 ZPO erteilt werden kann, ist zu klären, ob eine Doppelvollstreckung droht. Maßgeblich sind also allein die objektiven Umstände, nicht ein schuldhaftes Verhalten des Gläubigers. Hat der Gläubiger jedoch die vorherige Ausfertigung zurückgegeben und durfte der Schuldner deswegen darauf vertrauen, dass weitere Vollstreckungsversuche unterbleiben, kann der Vollstreckungsgläubiger wegen seines widersprüchlichen Verhaltens nur dann eine zweite Ausfertigung verlangen, wenn der Schuldner es seinerseits vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassen hat, über noch offene Restbeträge aufzuklären. Geschützt ist nur der redliche, allenfalls – weil der Fehler beim Gläubiger liegt – der leichtfertige Schuldner. Nach richtiger Ansicht genügt die Glaubhaftmachung durch den Gläubiger. Dass die Schuld nicht mehr besteht, kann der Schuldner seinerseits nicht im Verfahren nach § 733 ZPO wirksam bestreiten; er muss vielmehr nach § 767 ZPO vorgehen.

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BGH NJW 2004, 2096, 2097 f.

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§ 8 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

II. Sonstiges, insbesondere zum einstweiligen Rechtsschutz Viele Fälle des Rechtsmissbrauchs in der Zwangsvollstreckung können gelöst werden, ohne dass es auf Verschulden ankommt (vgl. nur die unzulässige Ausübung von Druck, Verstoß gegen den Normzweck). Das betrifft auch den einstweiligen Rechtsschutz. Problematisch sind die Fälle, in denen sachfremde Ziele verfolgt werden (bloßes Kosteninteresse insbesondere im Wettbewerbsrecht) sowie das „Forum-Shopping“ (insb. in presserechtlichen und wettbewerbsrecht­lichen Streitigkeiten und in Sachen des Internets). Auf Verschulden im engeren Sinne kommt es nicht an. Subjektive Kriterien sind allein bei der Interessenabwägung mit zu berücksichtigen.

E. Verschulden im Haftungsrecht I. Ansprüche nach der ZPO Beim Haftungsrecht wird deutlich, dass Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechtes auch solche materiell-/privat-rechtlicher Art sein können. So entstammen die §§ 717 Abs. 2, 799a, 817 Abs. 3 S. 2, 2. HS, 840 Abs. 2 S. 2, 945 ZPO dem 8. Buch der ZPO, sie regeln aber materiell-rechtliche Haftungsansprüche auf horizontaler Ebene. Die Vorschriften sind wegen der Sachnähe in die ZPO aufgenommen worden. Deren Rechtsnatur wird davon nicht beeinflusst. Nach den Grundsätzen des allgemeinen Haftungsrechtes kann Schadenersatz verlangt werden, wenn dem Anspruchsgegner Verschulden vorzuwerfen ist. Davon machen die §§ 717 Abs. 2, 799a, 945 ZPO eine Ausnahme, im Übrigen wird Verschulden aber vorausgesetzt (§§ 817 Abs. 3 S. 2, 2. HS, 840 Abs. 2 S. 2 ZPO).

II. Ansprüche nach dem BGB Das gilt auch, soweit die Beteiligten nach den allgemeinen Vorschriften haften: §§ 280 Abs. 1, 687 Abs. 2 i. V. m. 678, 823 Abs. 1, 823 Abs. 2, 826 BGB. Ein Schadenersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB kommt in Betracht, wenn der Vollstreckungsschuldner schuldhaft gegen seine Auskunftspflicht aus § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO verstößt oder wenn der Vollstreckungsgläubiger schuldhaft seine Pflicht zur Streitverkündung aus § 841 ZPO verletzt. Verschulden wird nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Ein Schadenersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB kommt auch im Übrigen in Betracht, nämlich dann, wenn eine unechte prozessuale Rechtspflicht schuldhaft verletzt wird; denn die Zwangsvoll­ streckung begründet zwischen den beteiligten Privaten eine „gesetzliche Son-

E. Verschulden im Haftungsrecht

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derbeziehung privatrechtlicher Art“ (im Sinne von § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB14). So haftet etwa der Gläubiger, der es schuldhaft unterlässt, dem Gerichtsvollzieher mitzuteilen, dass die Restschuld bereits getilgt wurde.15 Oft sind Mitteilungspflichten betroffen. Musste der Gläubiger erkennen, dass er in eine schuldnerfremde Sache voll­ strecken lässt, haftet er dem Dritten nach §§ 687 Abs. 2, 678 BGB.16 Es ist ein sogenanntes Übernahmeverschulden erforderlich, dass also der Verstoß gegen den Willen des Dritten für den Gläubiger erkennbar war; es genügt Fahrlässigkeit. Ferner kommt eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB in Betracht. Problematisch ist, dass das formell-legale Verfahren den Eingriff in die Rechtsgüter legitimiert. Durch das Verfahrensrecht sind aber auch die Grenzen des (in haftungsrecht­licher Hinsicht) Zulässigen vorgegeben, etwa durch vollstreckungsschutzrechtliche Vorschriften. Insoweit treffen insb. den Gläubiger Verkehrspflichten. Zwar gibt es das „Recht auf Irrtum“. In haftungsrechtlicher Hinsicht überzeugt es aber nicht, denjenigen, der einem Irrtum unterliegt und dabei „blauäugig“ handelt, zu privilegieren. Vollstreckt beispielsweise der Gläubiger, dem sich die Voraussetzungen für § 765a Abs. 1 ZPO aufdrängen, der sich aber jeder Erkenntnis verschließt, dennoch, kann ihn der Schuldner auf Ersatz des Schadens in Anspruch nehmen. Stellt der Schuldner keinen Antrag nach § 765a Abs. 1 ZPO, ist der Anspruch nach § 254 Abs. 1 BGB zu kürzen. Über § 823 Abs. 1 BGB hinaus kommen im Zusammenhang mit der Zwangsvollstreckung auch Schadenersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB in Betracht. Was die Schutzgesetze betrifft, sei lediglich nach oben verwiesen.17 Gegebenenfalls bestimmt sich danach der Verschuldensmaßstab. Aus § 826 BGB (sittenwidrige, vorsätzliche Schädigung) ergibt sich insbesondere in den Fällen des Titelmissbrauchs der Anspruch auf Unterlassen der Zwangsvollstreckung und auf Herausgabe des Titels; dadurch wird die materielle Rechtskraft durchbrochen.

14

Siehe dazu (wenngleich offenbar kritisch): MüKoBGB/Emmerich, § 311 Rz. 49. Siehe oben § 7 F. II. 16 Siehe oben § 7 G. 17 Siehe § 7 J. I., II. 15

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Windthorst, Kay: Staatshaftungsrecht (mehrteiliger Aufsatz − hier: Das öffentlichrechtliche Schuldverhältnis), in: JuS 1996, 605. Witte, Jürgen: Wahrheitspflicht und Begründung des technischen Fortschritts, in: GRUR 1960, 419. Wittschier, Johannes: Die Vollstreckungserinnerung gem. § 766 ZPO, JuS 1999, 585. Wolf, Manfred/Neuner, Jörg: Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 10. Aufl., München, 2012 (in den Vorauflagen noch: Larenz, Karl/Wolf, Manfred – siehe oben). Zeiss, Walter: Die arglistige Prozeßpartei, Berlin, 1967. Zeuner, Albrecht: Anmerkung zu BGH − Urt. v. 30.5.1960 − II ZR 207/58 (Rechtskraft des die Vollstreckungsgegenklage abweisenden Urteils, Schadensersatzansprüche, in: ZZP 74 (1961), 190. Zimmermann, Michael J.: Gewaltanwendung gegen das Kind, den herausgabepflichtigen Elternteil und sonstige Dritte bei Vorliegen eines Herausgabebeschlusses, in: FÜR 2008, 420. Zöller, Richard: Zivilprozessordnung, 29. Aufl., Köln, 2012.

Sachverzeichnis Annahmeverzug (Vollstreckung Zug um Zug) –– Entbehrlichkeit des tatsächlichen Angebots  149 –– materiell 146 –– prozessual 147 Arglisteinwand bei Pfändung gläubigereigener Sachen  280 Arrest –– Arrestanspruch 190 –– Arrestgrund, dinglicher Arrest  190 –– Arrestgrund, persönlicher Arrest  191 –– Aufhebung des Arrestbefehls  193 –– Vollziehung  198, 296 –– Vollziehung, Aufhebung der  202 –– Vollziehungsfrist 199 –– Zustellfrist 199 Austauschpfändung 106 Drittwiderspruchsklage 99 Druck, missbräuchliche Ausübung von  236 Durchsuchungsanordnung 77 Eidesstattliche Versicherung –– bei Forderungsüberweisung  176, 185 –– bei fruchtloser Pfändung  174 –– bei Herausgabevollstreckung 160, 176, 185 –– bei Vermögensauskunft auf Verlangen  181 –– Haftaufschub  180, 184 –– Haftbefehl, Erlass  177, 184 –– wiederholte Abgabe  178 –– wiederholte Vermögensauskunft  184 Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung 72 Einstweiliger Rechtsschutz  190 –– Anordnung der Klageerhebung  192 –– Rechtsmissbrauch 285 –– Selbstwiderlegung 200 –– Terminänderung, keine  196 –– verspätetes Vorbringen, Zurückweisung 196 Einstweilige Verfügung –– Aufhebung gegen Sicherheitsleistung  205

–– Aufhebung mangels Rechtsfertigungsverfahrens 211 –– Inhalt 204 –– Leistungsverfügung 206 –– Räumngsverfügung 207 –– Räumungsverfügung gegen Dritte  209 –– Regelungsverfügung 206 –– Sicherungsverfügung 203 –– Verfügungsanspruch  203, 208 –– Verfügungsgrund  203, 206, 208 –– Vollziehung  212, 296 Erzwingungshaft 184 Forum-Shopping 287 Geringerer Erlös bei Durchführung einer weiteren Versteigerung  294 Gesetzliche Sonderbeziehung privatrechtlicher Art 300 Gewalt, Anwendung von  153 Grundrechte 38, 41, 77, 88, 94, 103, 180, 183, 191, 246, 249, 318 Güterabwägung 191 Gütliche Einigung  115 Handlungsvollstreckung –– Dulden und Unterlassen  169 –– Ersatzvornahme 162 –– Nichterfüllung der Handlung  162, 165 –– unvertretbare Handlung  165 –– vertretbare Handlung  162 Herausgabevollstreckung –– Allgemeines 160 –– Grundstücke 160 Herbeiführen der Voraussetzungen des Pfändungsschutzes – Rechtsmissbrauch  276 Interessenabwägung  73, 76, 78, 84, 91, 102, 110, 117, 122, 141, 143, 180, 206, 225, 235, 256, 272, 286, 289, 314

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Sachverzeichnis

Kosten –– Allgemeines 318 –– Kostentragung nach Billigkeit, § 788 Abs. 4 ZPO  186, 319 –– weitere Ausfertigung  258 Leistungsverfügung 206 Lohnschiebung 155 Lohnverschleierung 155 Nichtanbieten der eigenen Leistung  146 Normzweck, Verstoß gegen den 226, 236, 238, 240 Obliegenheiten  Siehe Pflichten bzw. Obliegenheiten Öffentliche Zustellung, missbräuchliches Erwirken 274 Ordnungsgeld und Ordnungshaft  169 Pfändung „ins Blaue hinein“  281 Pfändungsverbote –– § 803 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 ZPO  100 –– § 812 ZPO  109 Pfändungsvorrang, Erschleichen und missbräuchliches Geltendmachen  273 Pflichten bzw. Obliegenheiten –– Obliegenheiten allgemein (in Abgrenzung zu den Pflichten)  55 –– Pflichten allgemein  47, 67 –– Pflichten im horizontalen Verhältnis  47 –– Pflichten im vertikalen Verhältnis  52 –– Prozessförderungspflicht  95, 97, 195, 312 –– Wahrheitspflicht  67, 261 Pflichten des Gläubigers –– Mitwirkung  90, 91 –– Rücksichtnahme 186 –– Streitverkündung 297 –– Unterlassen (der zwangsweisen Beitreibung und Mitteilung)  303 Pflichten Dritter –– Auskunft  181, 183 –– Duldung von Maßnahmen (bei Wohnungsdurchsuchung) 153 Pflichten und Obliegenheiten des Schuldners  79 –– Abgabe der eidestattlichen Versicherung  160

–– –– –– ––

Auskunft 296 Auskunft bei Herausgabevollstreckung 160 Beschaffung von Ersatzraum  81 Duldung von Maßnahmen (bei Wohnungsdurchsuchung) 153 –– Erfüllung der Handlung (Handlungsvollstreckung)  163, 165 –– Erwerbsobliegenheit 123 –– Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung  80 –– Mitwirkung 82 –– Verfahrensdauer, Bedeutung der  83 –– Vermögensauskunft, Abgabe der  181, 184, 185 –– Zustellmöglichkeiten eröffnen  267 Präklusion –– § 767 Abs. 2 ZPO  95 –– § 767 Abs. 3 ZPO  97 Privilegierte Pfändung nach § 850d Abs. 1 ZPO 134 Räumungsfrist, Gewährung der  76 Räumungsverfügung  207, 291 Räumungsverfügung gegen Dritte  209 Räumungsvollstreckung  81, 243 Recht auf Irrtum  67, 188, 262, 304 Rechtsmissbrauch –– Dogmatik 216 –– Druck, unzulässige Ausübung von  236 –– Erschleichen der Zustellung  259 –– Erschleichen einer weiteren Ausfertigung  254 –– Erschleichen und missbräuchliches Geltendmachen des Pfändungsvorranges  273 –– Erwirken der öffentlichen Zustellung, missbräuchliches 274 –– Fallgruppen 222 –– Forum-Shopping 287 –– Geltendmachung des Pfändungsvorrangs bei fehlerhafter Vollstreckungsmaßnahme  275 –– Herbeiführen der Vorraussetzungen des Pfändungsschutzes 276 –– im einstweiligen Rechtsschutz  285 –– im Privatrecht  215 –– im Prozessrecht  215 –– individuell und institutionell  217 –– Pfändung „ins Blaue hinein“  281

Sachverzeichnis –– Rechtsfolgen (unzulässige Rechtsausübung)  218 –– sittenwidrige Schädigung  242, 248, 253 –– unredliches früheres Verhalten  224, 234, 260 –– unredliches Verhalten bei der Rechtsausübung  223, 233 –– Vereitelung der Räumungsvollstreckung  243 –– Vereitelung der Sachpfändung  252 –– Vereitelung der Zustellung  264 –– Verfolgen sachfemder Ziele  285 –– Verschulden  227, 321 –– Verstoß gegen den Normzweck  226, 236, 238, 240 –– Verstoß gegen die objektive Interessen­ lage  225, 235, 271 –– Verstoß gegen ein vorläufiges Pfändungsverbot 274 –– Vorratspfändung, missbräuchliche  271 –– widersprüchliches Verhalten  223, 230 Rechtsnatur des Zwangsvollstreckungsrechtes –– Meinungsstand 32 –– Vorschriften gemsicht-rechtlicher Art  37 –– Vorschriften öffentlich-rechtlicher Art  35 –– Vorschriften privatrechtlicher Art  37 Rechtsschutzbedürfnis –– Titelmissbrauch 242 –– unzulässige Ausübung von Druck  236 Reglungsverfügung 206 Säumnis –– Ablauf der Vollziehungsfrist (§ 929 Abs. 2 ZPO) 199 –– Ablauf der Zustellfrist (§ 929 Abs. 3 ZPO)  201 –– Antrag nach § 765a Abs. 3 ZPO  94 –– Antrag nach § 813b Abs. 2 S. 1,  2 ZPO  118 –– Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft 184 –– Termin zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung 177 –– Verteilungstermin 158 Schadensersatz –– § 280 Abs. 1 BGB  296 –– §§ 687 Abs. 2, 678 BGB  301 –– § 823 Abs. 1 BGB  301

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–– § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Schutzgesetz  305 –– § 826 BGB  308 –– geringerer Erlös bei Durchführung einer weiteren Versteigerung  294 –– Verletzung der Erklärungspflicht des Drittschuldners 295 –– Vollstreckung aus Urkunden  293 –– Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft  292 –– Vollziehung eines Arrests bzw. einer einstweiligen Verfügung  296 Sicherheitsleistung –– fehlende Glaubhaftmachung  191 –– neben der Glaubhaftmachung  192 Sittenwidrige Härte  78 Tiere 107 Titelmissbrauch  242, 308 Unredliches früheres Verhalten  224, 234, 260 Unredliches Verhalten bei der Rechtsausübung  223, 233 Vereitelung –– der Räumungsvollstreckung  243 –– der Sachpfändung  252 –– der Zustellung  264 Verfahrensdauer, Bedeutung der  83 Verfahrensformalismus und Verschulden  58 Verfahrensvorschriften im engeren Sinne  312 Verfügungsanspruch 203 Verfügungsgrund 203 Verkauf oder Vernichtung nicht abgeforderter Sachen  160 Verletzung der Erklärungspflicht des Drittschuldners 295 Vermögensauskunft 181 –– bei verweigerter Durchsuchung  185 –– bei voraussichtlicher Fruchtlosigkeit  185 Verschleierung von Arbeitseinkommen  155 Verschulden –– Begriff, strafrechtlich  31, 171 –– Begriff, zivilrechtlich  28, 171 –– beim Rechtsmissbrauch  227 –– im einstweiligen Rechtsschutz  319 –– im formalisierten Verfahren  58 –– im Prozessrecht  65

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Sachverzeichnis

–– Maßstab, allgemein  66, 317 –– Maßstab, prozessuales Recht auf Irrtum  67, 188 –– Rechtsmissbrauch 321 –– Zurechnung  68, 189, 317 Verschuldensmaßstab, allgemein  66, 317 Versicherung an Eides statt siehe Eidesstatt­ liche Versicherung Verspätete Freigabe schuldnerfremder Sachen  301 Verteilungsverfahren 157 Verwertung –– Aufschub (§ 813a ZPO)  110 –– zeitweilige Aussetzung (§ 813b ZPO)  117 Vollstreckung aus Urkunden  293 Vollstreckungsabwehrklage  95, 164, 168 Vollstreckungsschutz 72 –– Austauschpfändung 106 –– bewegliche Sachen  102 –– Forderungspfändung 121 –– Generalklausel (§ 765a ZPO)  78 –– Modifikation nach § 850f ZPO  139 –– nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen  143 –– sittenwidrige Härte  78

–– Tiere 107 –– Unterhaltsleistungen und Einkünfte  130 Vollstreckungsschutzrechtliche Vorschriften, Kategorien –– gemischtrechtlicher Art  313 –– rein öffentlich-rechtlicher Art  313 Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft  292 Vollziehung –– Arrest 198 –– einstweilige Verfügung  212 Vorläufiges Pfändungsverbot, Verstoß gegen ein 274 Wahrheitspflicht  67, 261 Weitere Ausfertigung, Erschleichen einer  254 Widersprüchliches Verhalten  223, 230 Widerspruchsklage im Verteilungsverfahren  159 Zahlungsverzug bei Verwertungsaufschub 111 Zug um Zug, Vollstreckung  145 Zustellung, Erschleichen der  259 Zustellungsvereitelung 264 Zwangsgeld 165 Zwangshaft 165