Vermischte Nachrichten
 9783737003780, 9783847103783, 9783847003786, 9780231160995, 9780226924953

Citation preview

Alexander Kluge-Jahrbuch

Band 1 j 2014

Herausgegeben von Richard Langston, Gunther Martens, Vincent Pauval, Christian Schulte und Rainer Stollmann

Advisory Board: Leslie Adelson, Gregory Corman, Astrid Deuber-Mankowsky, Devin Fore, Tara Forrest, Jeremy Hamers, Karin Harrasser, Stefanie Harris, Michael Jennings, Gertrud Koch, Celine Letawe, Helmut Lethen, Susanne Marten, Christopher Pavsek, Mark Potocnik, Eric Rentschler, Winfried Siebers, Ulrike Sprenger, Georg Stanitzek, Joseph Vogl

Richard Langston / Gunther Martens / Vincent Pauval / Christian Schulte / Rainer Stollmann (Hg.)

Vermischte Nachrichten

Mit 48 Abbildungen

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0378-3 ISBN 978-3-8470-0378-6 (E-Book) Ó 2014, V& R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Titelbild: Der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit, Regie: Alexander Kluge, DE 1985. Druck und Bindung: CPI buchbuecher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

Jürgen Habermas Rede zum 80. Geburtstag von Alexander Kluge . . . . . . . . . . . . . . .

13

Alexander Kluge Geschichten zum 30. April 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

Gunther Martens Distant(ly) Reading Alexander Kluge’s Distant Writing

. . . . . . . . . .

29

Christian Schulte »Die Muskeln der Vorstellungskraft«. Geschichtswahrnehmung und Responsivität bei Alexander Kluge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

Stefanie Harris On Some Obstinate Images . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

Alexander Kluge Das Parlament der Geister im menschlichen Gehirn . . . . . . . . . . . .

81

Thomas Combrink Politik der Neuronen. Zur Rolle des Gehirns bei Alexander Kluge

. . . .

83

Jana Koch »Man lebt wie auf einem fremden Planeten.« Alexander Kluges Nachrichten zwischen Facts & Fakes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

6

Inhalt

Richard Langston Permanent Catastrophe and Everyday Life: Remediation of the Political in Kluge’s Vermischte Nachrichten and Chernobyl Broadcasts . . . . . . . 101 Valentin Mertes »Beweis dessen, daß auch unzulängliche, ja kindische Mittel zur Rettung dienen können«: Eigensinn und Verfahren der Distanzierung in Alexander Kluges Film Vermischte Nachrichten . . . . . . . . . . . . . . 125 Alexander Kluge Geschichten für Johann Wilhelm Ludwig Gleim

. . . . . . . . . . . . . . 143

Ute Pott Archivar und Chronist. Johann Wilhelm Ludwig Gleim und Alexander Kluge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Thomas Combrink Die Zeitarmut des Kaisers. Napoleon in Kluges literarischen Arbeiten . . 167 Susanne Marten Unterirdisch, außerirdisch: Paris, Juni 1940. Alexander Kluges Auseinandersetzung mit der deutschen Besatzung Frankreichs . . . . . . 179 Wolfgang Reichmann »Attraktoren des Bösen«. Zu Alexander Kluges »Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Rainer Stollmann Phoenix Öffentlichkeit. Menschen sind keine Privatiers . . . . . . . . . . 203 Alexander Kluge Provisorisches Protokoll des Treffens mit Oskar Negt am 13. und 14. Juni 2014 in Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Herbert Holl Die Übergabe des Philosophen – wie Kluge Heidegger aussetzt . . . . . . 225

DOKUMENTE Alexander Kluge Heidegger expects to be appointed head of the Führer Teaching Staff

. . 255

Inhalt

7

Bildergalerie 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 News & Stories vom 20. Oktober 2013 ÖKONOMIE ALS FRÖHLICHE WISSENSCHAFT / Fr¦d¦ric Lordon über SPINOZA und das BÖRSENGLÜCK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

REZENSIONEN Christopher Pavsek, The Utopia of Film: Cinema and Its Futures in Godard, Kluge, and Tahimik, New York: Columbia University Press, 2013. xiv + 286 pp. $ 29.50 (paper). ISBN: 978-0-231-16099-5. . . . . . . . . . 281 Amir Eshel, Futurity : Contemporary Literature and the Quest for the Past, Chicago: University of Chicago Press, 2013, xi + 355 pp. $ 40.00 (cloth). ISBN: 978-0-226-92495-3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Thomas Combrink Virtuelle Durchgänge aus Texten, Tönen und Bildern. Zu Alexander Kluges im Suhrkamp Verlag publizierten iBooks . . . . . . . . . . . . . . 289 Thomas Combrink Die Formenwelt von Glaube, Geld und urbanen Landschaften. Zu einer Tagung im Haus der Kulturen der Welt in Berlin im April 2014 . . . . . . 293

BIBLIOGRAPHIE Bibliographie zu Alexander Kluge 2011 bis 2013 . . . . . . . . . . . . . . 297

VIDEOGRAPHIE Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

. . . . . . . . . . . . 315

Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

Editorial

Die Idee, ein Alexander Kluge-Jahrbuch zu realisieren, entstand im Rahmen der Internationalen Konferenz »Reading/Viewing Alexander Kluge’s Work«, die im Dezember vergangenen Jahres in LiÀge stattfand. Zahlreiche Vorträge in französischer, deutscher und englischer Sprache aus verschiedenen Disziplinen thematisierten dort Aspekte des Gesamtwerks, aus dem auch Auszüge in Form einer Lesung und diversen Screenings von Filmen und Fernsehmagazinen präsentiert wurden. Wie auch schon bei den Kluge-Tagungen in Princeton (2004), Wien (2010), Clermont-Ferrand (2012) und an der Berliner Humboldt-Universität (2012) wurde vor allem das Bedürfnis nach internationalem Austausch deutlich. Die zunehmende Zahl an Übersetzungen von Kluges Prosabänden und theoretischen Arbeiten sowie die in mehreren Sprachen untertitelten Filmeditionen belegen das wachsende Interesse an Kluges Werk über den deutschsprachigen Raum hinaus. Dies mag daher rühren, dass im Zeitalter der Globalisierung und der digitalen Medien die Frage nach den Möglichkeitsbedingungen unmittelbarer Erfahrung auf ganz neue Weise in den Vordergrund gerückt ist. Und genau diese Frage ist es, die sich durch Alexander Kluges gesamtes Werk zieht. Dessen verschiedene Segmente – Literatur, Film, Fernsehen, Theorie – werden nicht nur von der Handschrift eines Autors zusammengehalten; sie assoziieren sich vielmehr zu einem denkbar weit ausgreifenden Reflexionsraum, in dem kaum ein Ereignis der Kultur- und Zeitgeschichte unberücksichtigt bleibt. Ergebnisse der Natur-, Gesellschafts- und Geisteswissenschaften werden in der Art eines Hypertextes mit poetisch-künstlerischen Wissensformen verschaltet – stets unter dem Gesichtspunkt, wie in einer unübersichtlichen Wirklichkeit Selbstbewusstsein, Vertrauensverhältnisse, Denk- und Handlungsspielräume und letztlich eine auf Partizipation basierende Öffentlichkeit hergestellt werden können. Kluge betreibt eine Mikro-Geschichtsschreibung aus der subjektiven Innen-Perspektive heraus, deshalb sind für ihn die einzelnen Lebensläufe der Schauplatz aller Weltverhältnisse, ist das Private prinzipiell politisch und eine diese Trennungen überwindende Öffentlichkeit das eigentliche Desiderat.

10

Editorial

In einem Fernsehporträt, das zum 70. Geburtstag Alexander Kluges ausgestrahlt wurde, charakterisierte Jürgen Habermas den Freund als »den einzigen Projektemacher großen Formats, den wir heute haben«. Und in seiner Laudatio anlässlich der Verleihung des Büchner-Preises an Kluge fand Jan Philipp Reemtsma angesichts der Schwierigkeit, das multimediale Werk des Preisträgers auf den Begriff zu bringen, letztlich nur die Bezeichnung »Gattung Kluge«. Die hier angesprochene Singularität des Phänomens Kluge wurde auch von der verstorbenen amerikanischen Essayistin Susan Sontag hervorgehoben: »Novelist, short story writer, film director, ruminator, chronicler, TV and radio producer, pedagogue, political theorist – Alexander Kluge is a gigantic figure in the German cultural landscape. He exemplifies – along with Pasolini – what is most vigorous and original in the European idea of the artist as intellectual, the intellectual as artist, that flourished in the second half of the twentieth century. More than a few of Kluge’s many books and films are essential, brilliant achievements. None are without great interest.« Das Alexander Kluge-Jahrbuch versteht sich als Plattform für den oben angesprochenen Austausch. Es wird in Gestalt neuer Texte Alexander Kluges die weitere Entwicklung der Werkgeschichte abbilden und in Essays und Rezensionen Ergebnisse der internationalen Kluge-Forschung zusammentragen. In der Rubrik »Dokumente« wird es Materialien aus früheren Werkphasen präsentieren und somit Einblicke in Kluges Arbeitsweise ermöglichen. Das können faksimilierte Textvarianten sein, aber ebenso Transkriptionen einzelner Fernsehdialoge. Schließlich wird jeder Band eine aktualisierte Bibliographie (der Primär- und Forschungsliteratur) und Videographie (der dctp-Produktionen) enthalten. Der Titel des ersten Bandes, Vermischte Nachrichten, ist zugleich der Titel des letzten Films, den Kluge für das Kino realisiert hat. Der Nachrichten-Topos begegnet bei Kluge in vielerlei Gestalt, man denke nur an neuere Arbeiten wie Nachrichten aus der ideologischen Antike oder Nachricht von ruhigen Momenten. Auch den Autor begreift Kluge als »Boten der Nachricht«, als jemanden, der etwas gesehen oder gehört hat und nun seinerseits von dieser Zeugenschaft berichtet. Vermischte Nachrichten bezieht sich zunächst auf die Rubrik »Vermischtes«, in der die Tageszeitungen ihre Aktualitäten als fait divers nebeneinander stellen. Doch die um Objektivierung und Neutralität bemühten Nachrichten von Presse und Rundfunk verhalten sich für Kluge den menschlichen Sinnen und dem Vorstellungsvermögen gegenüber gleichgültig. Kluges Nachrichten versuchen erzählend und montierend gesellschaftliche Ereignisse mit einzelmenschlicher Erfahrung zu verknüpfen: »Ohne daß ich einen neuen Namen dafür wüßte, liegt mir daran, die Instanz, die im 20. Jahrhundert die Fiktionen erstellt, das heißt die Zeitgeschichte, heranzuziehen, sie zu doku-

Editorial

11

mentieren und diese Dokumente durch Musik wieder subjektiv zu beleben und zu magnetisieren. Nachrichten und Zeitgeschichte sind nicht bloß sachlich.« Ab dem zweiten Band wird es in jeder Ausgabe des Jahrbuchs neben einem allgemeinen auch einen thematischen Essayteil geben. Dafür war die Zeitspanne seit LiÀge zu knapp. Dieses erste Buch will Vermischtes bündeln: Vermischte Nachrichten. Die Herausgeber dieses ersten Bandes sind einigen Personen, die zu seiner Realisierung maßgeblich beigetragen haben, zu besonderem Dank verpflichtet: zunächst Alexander Kluge für die zahlreichen neuen Texte, die hier erstmals veröffentlicht werden; allen Autorinnen und Autoren, die ihre Beiträge unter einem strengen Zeitregime verfassen mussten; Beata Wiggen (dctp) für die Aktualisierung der Videographie um den Zeitraum 2007 – 2013; Winfried Siebers für die Fortschreibung der Bibliographie und seine redaktionelle Hilfe; Thomas Combrink, der vor allem die Texte Alexander Kluges betreut hat; Jana Koch, Valentin Mertes und Stefanie Schmitt für ihren großen Einsatz bei der Endkorrektur und der Einrichtung der Texte. Abschließend sei den Mitgliedern des Advisory Boards für ihre Bereitschaft gedankt, unser Projekt kommentierend zu begleiten. Christian Schulte, Richard Langston, Gunther Martens, Vincent Pauval und Rainer Stollmann

P.S. 1: Das Jahrbuch versteht sich als »referred journal«, und wird mit dem zweiten Band ein peer review-Verfahren einführen. P.S. 2: Die Redaktion des Alexander Kluge-Jahrbuchs freut sich über Anregungen und auch über unverlangt eingesandte Beiträge (Essays und Rezensionen), die uns über nachstehende Emailadresse erreichen: [email protected].

Jürgen Habermas

Rede zum 80. Geburtstag von Alexander Kluge1

Lieber Alexander, Dagmar hat uns so spät eingeladen, dass wir über ein angemessenes Geschenk nicht einmal nachdenken konnten. Deshalb muss ich auf die intellektuellen Bordmittel zurückgreifen, meine spärlichen Vorräte inspizieren und eine Rede halten (was mir wegen des schwindenden Kurzzeitgedächtnisses schwerfällt und die Regel, dass es leichter ist, eine Rede zu halten als ihr zuzuhören, auf den Kopf stellt). In einer FAZ-Rezension Deines letzten Buches über Das Bohren harter Bretter hat der freundliche Kritiker gemeint, dass sich der Erzähler Kluge in heiklen Momenten auf mich, den Philosophen, verlasse, denn ich sei für Kluge so etwas wie ein »Katastrophenpendel« oder »Geigerzähler« in der Krise. Wir beide wissen es besser : Wer könnte für Kluge ein besseres Katastrophenpendel sein als Kluge selbst? Aber dass Du mir in Deinen Erzählungen eine solche Rolle so glaubhaft zuschreibst, dass der Rezensent glaubt, es sei der Fall, verleiht mir schon eine intellektuelle Daseinsberechtigung. Ganz ohne Umschweife – es sind eigentlich Deine literarischen Produkte mehr als unsere viel zu spärlichen sozialen Kontakte – Zeit ist ja nur Arbeitszeit für Dich –, die seit beinahe sechs Jahrzehnten eine Freundschaft zwischen uns gestiftet haben. Unsere Gehirne sind ganz verschieden konstruiert, aber uns verbinden Adorno und die Liebe zur Aufklärung in Zeiten, die den einen wie das andere dementieren. Die beiden repräsentativen Gestalten der Aufklärung sind Kant und Diderot. Der eine ist der Baumeister, der die Paläste einreißt, keinen Stein auf dem anderen lässt, dem aber im Modus der zersetzenden Kritik unter der Hand ein neues System entsteht. Der andere ist nicht der Konstrukteur, sondern eine ganz eigentümliche Mischung aus Sammler, Jäger und Kleinunternehmer, die Dich reizt – einer, der Projekte macht, an seinen Projekten scheitert und doch etwas 1 Es handelt sich um eine private Laudatio, gehalten am 14. Februar 2012 auf Schloss Elmau bei einem gemeinsamen Essen. Anwesend waren: Dagmar, Alexander, Sophie und Leon Kluge, Ute und Jürgen Habermas sowie Günter Rohrbach und Angelika Wittlich.

14

Jürgen Habermas

Großes hinterlässt, die Enzyklopädie, eine mächtige Geröllhalde, in der die folgenden Generationen herumkriechen und immer wieder die geschliffensten Edelsteine entdecken. Lieber Alexander, ich kann mich mit den großen Projektemachern, den eigentlichen Idealfiguren der Aufklärung nicht vergleichen, aber ich muss Dir aus dem heutigen Anlass gestehen, dass ich für diesen Tag auch ein Projekt geplant hatte, mit dem ich gescheitert bin. Vor anderthalb Jahren habe ich unserer Verlegerin vorgeschlagen, Kluges hundert beste Erzählungen auszuwählen und mit einem Nachwort zu versehen. Der Vorschlag ist nicht auf die Gegenliebe gestoßen, die vermutlich nötig gewesen wäre, um mich zur Durchführung des Plans anzuhalten. Vielleicht hat Ulla mir das nötige Talent zur Durchführung auch nicht zugetraut. Aber gescheitert ist das Projekt auch an einem inneren Widerspruch. Und diese Frage wollte ich Dir heute vorlegen. Deine parataktisch angeordneten Geschichten fügen sich nicht zum Gemälde einer großen Erzählung zusammen; der Leser soll sie eher wie in einem Kaleidoskop aufnehmen, wo das vorangehende Bild mit dem nächsten erlischt. Ich hatte die Idee, durch diese vexierende Vielfalt der skurrilen Figuren und ungewöhnlichen Themen, durch den schnellen Szenenwechsel und die überraschenden Montagen auf zwei, drei beharrlich wiederkehrende, stilbildende Motive durchzugreifen. Ich dachte und denke immer noch, dass man durch die neue Sachlichkeit und die phantasiereiche Verstiegenheit Deiner Geschichten hindurchsteigen kann, um an der Struktur dieser kleinen, wie auf einer Perlenschnur aneinandergereihten Geschichten den großen Atem eines beinahe feierlichen Hymnus abzuhorchen. Ich meine allen Ernstes, dass Du wie Walt Whitman, nur in einer ganz anderen Form, einen einzigen großen Gesang anstimmst – einen Gesang auf die unscheinbaren Produktivkräfte, die man unter der Kruste und in den Ritzen der gesellschaftlichen Trümmerlandschaften überall entdecken kann, wenn man nur genau hinsieht. In einer oralen Kultur wärest Du ein Barde geworden. Du teilst mit den Aufklärern nicht den großen konstruktiven Entwurf, aber den zähen und eigensinnigen, den verschrobenen Optimismus der Maulwurfsarbeit. Du glaubst an die regenerative Kraft der kleinen Hoffnungen, an die rettende Kraft der unauffälligen Initiativen, Du glaubst an den Unternehmer im Sinne von Schumpeter, der kein Geld hat, aber das Geld auftreibt, um eine Idee zu verwirklichen, um etwas Neues anzufangen, damit etwas besser wird. Du glaubst auch an den altdeutsch-merkantilistischen Beamten vom Schlage eines Justus Möser, an die unspektakuläre Spontaneität der kleinen Anstrengung, die auf Verbesserung abzielt. Du hast den Luftangriff auf Halberstadt erlebt und trotz der Angst und der Trümmer das Unwahrscheinliche erfahren, dass etwas besser geworden ist. Du möchtest den Glauben daran, dass etwas besser werden kann, wachhalten – ein sehr protestantisches und ein marxistisches Motiv. Aber das ist nur die eine

Rede zum 80. Geburtstag von Alexander Kluge

15

Seite. Ich habe mich immer gefragt, was Dich an Schlachtbeschreibungen interessiert, warum in Deinen Erzählungen die militärischen Schlachten, deren Format sich heute auf die Verhandlungen zwischen Politikern und Bankenlobbies verschiebt, eine so große Rolle spielen. Bis ich darauf kam: weil sich hier die Kontingenzen der Geschichte verdichten. Weil Schlachten oft für Jahrhunderte folgenreiche Weichen stellen und, obwohl sie auch anders hätten ausgehen können, eine Richtung festlegen. Sie können pfadabhängige Entwicklungen einleiten. Im Krieg verbindet sich beides: das Gewicht der Konsequenzen mit dem Bewusstsein radikaler Kontingenz. Und erst dieses Verhältnis berechtigt zum Appell an die menschliche Freiheit. Das Schicksal, das am seidenen Faden hängt, kann uns davon überzeugen, dass unsere Anstrengungen doch einen Unterschied machen können. Kluge interessiert sich für die Zufälle, weil sie die Momente sind, in denen die Spielräume der menschlichen Freiheit sichtbar werden. Zufälle sind das Emblem der menschlichen Freiheit. Du entdeckst die Lücken im Eisernen Vorhang der geschichtlichen und gesellschaftlichen Verhängnisse – Lücken, durch die das Licht fällt. Dieses Interesse erklärt auch den Auftritt der großen historischen Gestalten und der bedeutenden Staatsmänner, die meistens zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Aber wichtiger noch ist das andere Motiv, den Blick von den wenigen Großen auf das Geschehen hinter und unter der Bühne zu lenken, auf die Bühnenarbeiter und den Souffleur und auf das Private an der Garderobe. Hier, im Getriebe der organisatorischen Ermöglichung des arbeitsteiligen Zusammenwirkens der vielen kleinen Kompetenzen, ist auch der Verwaltungsjurist Kluge zu Hause. Die menschliche Freiheit entfaltet sich nur im Zusammenhandeln. Lieber Alexander, Dein durchdringender literarischer Kammerdienerblick auf die Weltgeschichte entkleidet nicht nur die großen Ereignisse ihrer Gesetzmäßigkeit, er beraubt nicht nur die aufgeblasene Größe ihrer prätentiösen Kleider, er gibt die Macht, die wir systemischen Zwängen ausgehändigt haben, an die Hoffnung der vielen kleinen, in Kooperation wirksam werdenden Freiheiten zurück. Mit dieser kleinen Rede möchte ich von meinem gescheiterten Projekt nur die Überzeugung retten, die mich dazu inspiriert hat: Der Schriftsteller Alexander Kluge ist ein Pathetiker der Freiheit – unserer gemeinsamen Freiheit.

Alexander Kluge

Geschichten zum 30. April 1945

Es handelt sich um Texte, die zum Konvolut des Buches 30. April 1945. Der Tag, an dem Hitler sich erschoß und die Westbindung der Deutschen begann gehören. Ich hatte sie aus Gründen des Zusammenhangs nicht in diese Sammlung mit aufgenommen.

»Born for a new world« Eine der Mitarbeiterinnen von Paul Tillich an der Columbia University in New York war mit der Hälfte ihrer Lebenskraft damit beschäftigt, sich gegen andere Favoritinnen ihres Meisters durchzusetzen; mit der anderen Hälfte aber arbeitete sie energisch an einer Forschung, die vom Gefühl des Neuanfangs inspiriert war, das sie, seit sie den Fängen des Dritten Reichs entkommen war, empfand (jetzt aber verstärkt bei seiner Niederringung). In ihrer Arbeit versuchte sie herauszufinden, wo es in der Geschichte bisher einen Aufbruch, eine Zäsur, einen ZEITENWECHSEL gegeben hatte. Das Departement fand den Ansatz zu weitschweifig. Tillich verteidigte sie nicht entschlossen genug. Sie aber akzeptierte die Zurückweisung ihrer Arbeit für den PhD nicht, sondern schrieb an ihrem Manuskript weiter, das (mit Anlagen und Tabellen) bereits 2000 Seiten umfaßte. Sie berichtete die Ereignisse nicht diachronisch vom Anfang der Zeit bis heute, sondern sprang – gerade umgekehrt rückwärts – aus der direkten Gegenwart auf die Moderne in Wien um 1910, von dort auf die Renaissance und von dort auf die Gründung der europäischen Universitäten im 12. Jahrhundert. Ein solcher Posaunenton schien ihr ein adäquater Hintergrund zu sein für das Wendejahr 1945, die neue Ära. Einer ihrer Geliebten, den sie außer Tillich in ihrer Nähe duldete, war Avantgarde-Musiker und Komponist, ein Neutöner. Er versicherte ihr, daß es einen solchen Aufbruch, zumindest in der Musik, jeweils alle elf Jahre gäbe. Im Zweistromland, schrieb Mechthild Tafelboim, so hieß Tillichs Mitarbeiterin, wo Keilschrift, Buchhaltung, Astronomie, ein Götterhimmel (und damit

18

Alexander Kluge

das Gesetz), der Held Gilgamesch und die moderne Kriegskunst entstanden, lag zwischen vier Flüssen das Paradies, wie sich aus Hinweisen im babylonischen Talmud ergibt. Hier entstanden die ersten Kollektive und Gemeinwesen, also Verläßlichkeiten, welche die eines Clans überstiegen. Dann verwüstete die mitproduzierte Militärmaschine, die 2.000 Jahre als assyrische Springflut ihre Zuspitzung erfährt, die Masse dieser Errungenschaften. Die Zivilisation aber wehrt sich gegen Tyrannei, weil sie Paradieserfahrung besitzt. Die Stadtmauern, die Gesetze, die Erzählungen sind sämtlich Mittel, die sich gegen die Tyrannen richten. Deren Gewaltherrschaft wächst nicht gleichzeitig mit der sie fütternden Produktivität. Die Geknechteten können Herr ihrer Städte werden. Die Militärherren aber können das Arbeiten nicht erlernen. Dieser Vorgang erklärt aber noch nicht die Achsenzeit, heißt es in Tafelboims Manuskript. Konfuzius in China, Buddha in Indien, Heraklit und die Polis auf dem griechischen Archipel: das alles gleichzeitig. Haben die Strahlen eines vorüberziehenden Sterns unser Sonnensystem berührt? Haben die Himmel der Achsenzeit anders geleuchtet als heute? Oder gibt es ein Licht im Innern der Menschen, daß sich zu solchen Wendezeiten untereinander zu einem Kranz verdichtet? Damit kam die Doktorandin zur Toba-Katastrophe. Lebhaft schilderte sie nach Quellen, die sie von den Archäologen der Universität Harvard und aus okkulten Texten der Antike bezog (beides wollten die Theologen und Soziologen in Tillichs Departement nicht anerkennen), jene Vulkanausbrüche und Schicksale der frühen Menschheit der Gattung homo sapiens in Afrika, die unter dem Schrecken der Natur bis auf etwa 6.000 Exemplare zusammenschmolz – zu wenig, um sich mit Gewißheit fortzupflanzen. Und in dieser ENGFÜHRUNG, die vielleicht tausend Jahre währte, schreibt Tafelboim, muß ein Ferment, ein Ur-Impuls, eine Qualität auf uns gekommen sein, das darüber entscheidet, ob wir jetzt, im Jahr 1945, eine Neukonstituierung der Welt zustande bringen oder nicht. An diesem Punkt hatte die Doktorandin, bei der zweiten Vorlage ihres Manuskripts, die Zustimmung zweier Theologen gewonnen (nämlich die Tillichs und die eines Schweizers), so daß die erneute Zurückweisung ihrer Arbeit wenigstens mit einem Gegenvotum versehen war.

Geschichten zum 30. April 1945

19

In der Not wird das Kapital tückisch Fr¦d¦ric Lordon, politischer Ökonom in Straßburg und Paris, hatte eineinhalb Jahre vor allen anderen Marktbeobachtern die Hypothekenkrise in den USA vorhergesagt. In seinen Publikationen von 2013 teilt er den Kapitalismus in drei Formationen ein. Sie folgen nicht notwendig zeitlich aufeinander. Vielmehr bewegen sie sich wie Wirbel in einer Kristallkugel, verwandeln sich ineinander, koexistieren zur selben Zeit auf dem Globus, wenn auch an unterschiedlichen Orten und die dritte, fortgeschrittenste Formation stürzt, wenn sie in die Krise gerät, zurück in die erste. Die erste Formation beobachtete Lordon in frühbürgerlichen Gesellschaften, also um 1600 in den Niederlanden, in Glasgow, in Norditalien. Dieser PRODUKTIONSKAPITALISMUS ist noch in Napoleons Frankreich und in der preußischen Gewerbefreiheit von 1810 wirksam. Die zweite Formation ist die der Industriellen Revolution. Die Unternehmer, oft Ingenieure, leben in Sichtweite ihrer Arbeiter, ja, oft arbeiten sie selbst. Die Kategorie heißt NÄHE. In der dritten Formation, die nicht nur als FINANZKAPITALISMUS existiert, sondern zahlreiche Monstren bildet, sind Eigentümer, Maschinerie und Arbeitskräfte im Verhältnis zueinander in die Ferne gerückt. Von keiner funktionellen Stelle aus ist das »Ganze« zu übersehen. Alle Ursachen liegen jeweils hinter den Horizonten. Das Prinzip heißt Unübersichtlichkeit. Bei jedem Übergang zwischen den Formationen und auch wenn sie (wie geologische Schollen) sich aneinander reiben, entstehen Krisen. Im Störungsfeld, dadurch bewirkt, daß die zweite Formation für ihre Erweiterung auf eine unüberwindliche Grenze stößt, oder die dritte implodiert, zum Beispiel in den Jahren nach 1929 und heute, schreibt Lordon, wird der Kapitalismus tückisch: Er gerät in Not. Die Elemente, aus denen er sich zusammensetzt, verselbständigen sich. An solchen kritischen Punkten produziert die kapitalistische Struktur nicht Waren, sondern Gewalt. Und zwar tut sie das, wie alles, was sie bewirkt, nicht selbst: »Das Kapital sammelt nur Menschen und Dinge nach seinem Gesetz, weder die Dinge noch das Gesetz stellt es selbst her. Menschen aber (und noch mehr Apparate, die ein Können repräsentieren, wie Berufsgruppen, Bewegungen) lassen sich durch die Gesetze des Marktes nicht aufhalten.« Hier knüpft Lordon an die Frankfurter Kritische Theorie an (von 1932); es entsteht die ZWANGSTAUSCHGESELLSCHAFT. Eines dieser Monstren, in die sich die kapitalistische Struktur verkleidet, ist der Faschismus. Der Nationalsozialismus ist eine besondere Form davon. Die starken Energien, die in ihm ausgelöst werden, so Lordon, unter Zitierung von Derrida, sind keine bloß kapitalistische Struktur mehr. Dieser Zustand ist instabil; er bildet keine vierte Formation. Diese instabile Phase (und deshalb kann sie wie die faschistische nach Lordon an an-

20

Alexander Kluge

deren Orten der Welt als in Deutschland auch stets wiederkehren) äußert sich in allen möglichen Gestalten, die keine Ähnlichkeit mit den historischen haben müssen, aber doch Zwangstauschgesellschaften sind. In einer solchen vorübergehenden vierten Formation waren, so Lordon, in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts die SÄKULARISATION PROTESTANTISCHER INNENWELTEN, die gestauten Energien der Enttäuschung aus den verlorenen Bauernkriegen im 16. Jahrhundert zu beobachten, Kräfte, die doch in der Enttäuschung nicht verharren können. Dies, so Lordon, waren 12 der 144 Säulen, auf denen das Dritte Reich ruhte. – Warum bezeichnen Sie solche Säulen als instabil? – Nicht die Säulen sind instabil, sondern ihr Zusammenhalt. – Wie kommt es, daß eine so energiereiche Bewegung in so kurzer Zeit, nämlich ab 1943, zusammenbricht? Hat sich das Können in der Rüstungswirtschaft und in den Kämpfen verausgabt? Ist es die Ruinenlandschaft zerstörter Städte, die im Innern der Menschen einen Zusammenbruch der Motive bewirkt? – Jedenfalls kehren die Menschen Mitteleuropas zur ersten Formation der kapitalistischen Struktur zurück, wenn sie nicht überhaupt mit dem Kanon vorkapitalistischer Perioden neu beginnen. – Sind Mitteleuropäer schutzgeimpft gegen Faschismus? Gegen die französische Rechte in Vichy, gegen den Nationalsozialismus? Sind sie gegen die »tückische Phase« der kapitalistischen Struktur gefeit? – Man weiß ja nicht, wo in der Welt so etwas neu ausbricht. Ursachen und Wirkungen bewegen sich hinter den Horizonten. In seinem Referat, in dem er die Thesen aus seinen Publikationen zusammenfaßte, riet Lordon später davon ab, überhaupt von einer vierten Formation zu sprechen. Es gehe dort um Hybride. Man solle sie nicht mehr Kapitalismus nennen. Dessen Eigenheit heiße immer Äquivalententausch. Die historischen und die künftigen Monstren (der sogenannten) vierten Formation beruhen aber nicht mehr auf Tausch, sondern auf direkter Gewalt.

Geschichten zum 30. April 1945

21

Großherzige Person auf engstem Raum Die glanzvolle Erscheinung aus verarmtem Wiener Adel, die in die Operngeschichte unter dem Pseudonym Arabella eingegangen ist (keineswegs lebte sie, wie Hofmannsthal angibt, im Wien von 1860, vielmehr hatte der Dichter, der das Libretto fünf Tage vor seinem Tod als Fragment beendete, eine zeitgenössische Eheschließung vor Augen), hatte 1945 ihre zwei Söhne in einem kroatischen Regiment in Österreich aufgespürt und eingesammelt und diese, sowie ihren Mann, der sich noch immer zwei Mal täglich aus dem Rollstuhl erheben konnte und der jetzt seiner unermeßlichen Besitzungen, Wälder, Industrieanlagen, Schnapsbrennereien enteignet war, nach Heidelberg geschafft. In dieser unzerstörten Stadt (weil der nachbarliche industrielle Attraktor Mannheim die Bombengeschwader auf sich gezogen hatte) war es eine Mansarde, in der sie ihre Lieben, einige Vorräte und einen kleinen Rest wertvoller Mitbringsel aus den Latifundien auf engem Raum versammelte. Immer noch auf der Suche nach gesellschaftlichen Verbindungen in dieser neuen Umgebung, die eine Anknüpfung an den gewohnten Status möglich machen würde. Keinen Augenblick dachte sie an Kapitulation. Der von ihr noch auf den Großgütern ausgerüstete Treck, der vor den Eroberern auswich (aber auch vor dem befürchteten Aufstand im eigenen Volk), war weit vor Wien liegen geblieben. Dort lagen die Reste vermutlich jetzt im Straßengraben, noch immer ergiebig für Beutejäger, die sich die Mühe machten, in den Kisten und Kästen zu suchen. Im Fußmarsch war die verkleinerte Kolonne dann fünf Wochen marschiert. Ihr Mann Graf Mandryka (»Du sollst mein Gebieter sein!«) von seinen Fremdarbeitern auf einer Trage transportiert. Die Fremdarbeiter, ihr persönlich bis zuletzt treu, bis zum Ende in Erwartung einer späteren Belohnung, hatte sie nach Frankreich entlassen. Diese Dame, abgerissen wie sie war, besaß noch immer, auch hier auf ihr fremdem Boden, die Aura der Großherzigkeit. Eine Zofe aus dem Westerwald, die sich nicht von ihr trennen wollte und sich im Dach eines der Nachbarhäuser niedergelassen hatte, schickte sie nach Hause. Bittere Tränen.

22

Alexander Kluge

Ein Vorrat an Zwischenschnitten für Eisensteins letzten Film Noch herrscht in dem im Winter für die Außenaufnahmen für Eisensteins Ivan der Schreckliche, Teil II, erkundeten Gelände die Rasputiza. Der Boden besteht aus Sumpf. Ein Überangebot an Statisterie, die auf den wenigen Trockenflächen am Rande der Szenerie biwakiert. Die Rote Armee hat ganze Regimenter dem Filmstudio zur Verfügung gestellt. Die Soldaten werden in historische Uniformen gekleidet. Diese Kostüme sind aus Papier geschneidert, um die Kosten niedrig zu halten. Das zwingt dazu, die Schlacht ohne Großaufnahmen in der Einstellung einer Totalen aufzunehmen, da nur dann die Kostüme »echt« wirken. Noch ist die Regenperiode nicht zu Ende. Ein Wolkenbruch hat die Uniformen aus Papier zerstört. Sie müssen neu angefertigt werden. Ein zweites Kamerakollektiv (vier Aufnahmeteams) ist zuständig für die Zwischenschnitte. Obwohl es im Drehbuch weder um eine Schlammperiode noch um Wasser oder Matsch geht, sondern um Kampfhandlungen im Hochsommer, haben sie, einfach weil die Kamera so etwas im Atelier noch nie vorfand, Bilderfolgen von Stiefeln gedreht, die in der durchnässten Erde versinken, von historischen Waffen, die im Sumpfgelände ihr Grab finden, von Menschen, die sich im Schlamm bewegen. Es macht Spaß. Es war im Film, sagt einer der Kameramänner, so noch nie zu sehen. Nichts wurde davon später in den Film eingeschnitten. Der gesamte Grundriß von Ivan der Schreckliche, Teil II, das Ende eines Tyrannen, dem der Tod keine Zeit für eine Läuterung ließ, fiel Stalins Kritik zum Opfer. So blieb ein einzigartiges Material über die russische Schlammperiode, die sich jedes Jahr zweimal ereignet und schon von Alexander Puschkin beschrieben wurde, in Ewigkeit ein Negativ. Achtzig Jahre hält ein solches Material der feinnervigen chemischen Implosion stand, zur Halbzeit degeneriert es, zeigt eine gewisse Rötung und nach Ablauf der Haltbarkeitsdauer hat es sich selbst zerstört. Eisenstein hat nie erfahren, daß diese Bilder existieren. Sie entstanden aus überschießendem Eifer der Kamerateams, die es satt hatten, entweder Propagandafilme zu machen oder im Studio nichts Reales aufnehmen zu dürfen.

Geschichten zum 30. April 1945

23

Skizze für einen Filmstoff eines unbekannten Autors, gefunden in einer Pension im Herzen von Los Angeles Entlang der Bahnlinien, die aus dem Süden der USA bis Illinois führen, haben sich seit 1942 in weniger als drei Jahren Hunderttausende von Afroamerikanern nach Norden bewegt. Sie haben ihr Glück in den Rüstungsbetrieben gefunden. Die Endfertigung und der Versand konzentrieren sich in Chicago. Die neuen Betriebe, die wie aus dem Boden gestampft entstanden sind, haben ihren Ort weniger durch eine zentrale Planung als vielmehr dadurch gefunden, daß sich die Arbeitskraft dort niederließ, die wiederum Gravitation ausübt auf Neuankömmlinge. Jetzt aber hält dieser Boom inne. Ein Teil der Rüstung verlagert sich nach Kalifornien. Keine Behörde fühlt sich zuständig für die Rückabwicklung der Industrien in Chicago. Eine Repatriierung nach Süden wäre auch nicht möglich. Der Zug nach Norden hat die Emanzipation durchgesetzt, die nach dem Bürgerkrieg von 1865 nicht stattfand. Kein Glückspilz will zurück in die Abhängigkeit. Eltern, Großeltern, die Familien sind hierher in den Norden nachgerückt. Ein Arbeiter ernährt 16 Mäuler. So rasch, wie es nötig wäre, kann eine Rüstungsindustrie, die Flugzeuge, Munition und Teile von Libertyschiffen produzierte, nicht auf die Herstellung von Schlafwagen oder Heiz- und Kühlgeräte umgestellt werden. Entertainment und Gastwirte sind der Arbeit gefolgt. Gangs haben Kontrolle über Behörden und Betriebe übernommen. Sie partizipieren, organisieren, geben Schutz und nehmen Einfluß. Die Steuerbehörden besteuern den Boom des Vorjahrs. Vor diesem Hintergrund beschreibt die Filmskizze 16 persönliche Schicksale in der Erzählweise von Manhattan Transfer von John Dos Passos. Von dem Expos¦ gibt es zwei Ausfertigungen. In der einen Version existieren Grenzen, begründet durch die Hautfarbe und die rassistische Ausgrenzung, die außerhalb der »fortschrittlichen« Rüstungsbetriebe im Lande noch immer gilt. Endstationen, tragische Konstellationen überwiegen. In der zweiten sind, unter Ausgreifen der Handlung bis in die Megastädte der Ostküste, in allen Fällen Auswege gefunden, zwei jüdisch-afroamerikanische Ehebündnisse.

24

Alexander Kluge

Derzeit ratlos Die Zeitgeschichte verändert sich auf dem Erdenrund rascher, als Drehbuchautoren und Dramaturgen reagieren können. Sie beharren darauf, auch wenn sie Immigranten sind und der Not gehorchen müssen, etwas von sich, von ihrem Inneren in die Texte einzufügen. Das macht die Umstellung langsam. Neue Erzähler sind nicht in Sicht, die alten gelten als abgehalftert. Anknüpfung für die Filme, die in der Herbstsaison Premiere haben sollen, sagt einer der Executiv-Producer von MGM, ist das Lebensgefühl von 1939: »Best years of our lives.« Die Atmosphäre der Weltausstellung in New York, diese Stimmung bricht abrupt ab, weil die Kriegsproduktion der Filme darauf nicht antwortet. Solche Anknüpfung wäre ein Anfang. Aber was dann? Auch wissen wir nicht, was es heißt, daß immer noch amerikanische Soldaten auf den Inseln vor Japan sterben. Die Filme können nicht nur lustig werden. Falls wir die japanischen Hauptinseln Quadratmeter für Quadratmeter erobern müssen, eine Selbstmordepidemie des Feindes ausbricht, wir um unsere Gefallenen trauern, benötigen wir einen ganz anderen Filmtyp, als wenn wir auf die jetzt im April feststellbaren Massenbewegung vertrauen: Nur weg mit allem, was an Krieg erinnert. Vielleicht sollten wir eine Serie von Western-Remakes einschieben. Mit viel Musik, Tanz und Chor, ergänzte der Dramaturg Hammersberge, der aber auch nicht wußte, was Hollywood jetzt produzieren sollte.

Geschichten zum 30. April 1945

25

»Glück im Unglück auf Schweizer Art« Oberhalb der Krummturmschanze fiel das vierjährige Kind eines Tapezierermeisters in die von Hochwasser gekennzeichnete Aare. Ein in der Nähe fischender 33jähriger Kantonspolizist sprang, nachdem er sich der Kleider entledigt hatte, in das Wasser. Schon hatte er das Kind erreicht, als er infolge der reißenden Wirbel vom Ufer weggetrieben wurde. Er versank mit dem Kind in der Tiefe. Zwei andere beherzte Männer, ein Architekt und ein italienischer Internierter, die den beiden schwimmend zur Hilfe kommen wollten, kehrten ohne Ergebnis ans Ufer zurück. Der Korrespondent der NZZ ging den Umständen der Nachricht in den nächsten Tagen nach. In der Zeit, in der Robert Musil im Exil seine Geschichten schrieb, war er zu Abschreibearbeiten herangezogen worden. Dabei hatte er sich literarisch kontaminiert. Ein Konvolut seiner »Kurzgeschichten« ging bei einem Hotelbrand verloren. Der Kantonspolizist, der sich in die Strömung gestürzt hatte, recherchierte der interessierte Schreiber, besaß drei minderjährige Kinder. Seine von Nachbarn als seelisch instabil dargestellte Lebensgefährtin aus dem Sundgau, Mutter der Kinder, habe sich im April 1945 definitiv von ihm trennen wollen. Die Tatsache, daß der Mann, den sie, wie sie berichtete, nicht ertrug, jetzt tot war und außerdem die Auszahlung seiner Pension und eines Versicherungsgeldes, habe dazu geführt, so der Rechercheur, daß die Familie zusammenblieb. Für die Auszahlungen war dies Voraussetzung. Das Kind, das ertrunken war, habe so einer fremden Kinderschar ein intaktes Beieinanderbleiben beschert. Daß der Vater, ein sportiver, tyrannischer Mann, verlorenging, vergaßen sie rasch. Später zeigte sich, der Korrespondent blieb beharrlich bei seiner Recherche, daß die von den Nachbarn als »paranoid« verdächtigte junge Frau aus dem Sundgau in einer zweiten Ehe mit einem Eisenbahner, der sich auf die »fremden« Jungen ausgezeichnet verstand, sich als hingebende Mutter erwies. Der italienische Internierte, der in seinem Heimatland erbarmungslos erschossen worden wäre (nicht wegen konkreter Untaten, sondern aufgrund des Hörensagens von seinen agitatorischen Phrasen, die er in der Glanzzeit der faschistischen Bewegung im Munde geführt hatte), erhielt die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis im Lande, weil es auf die Behörden Eindruck machte, daß er zur Rettung eines fremden Kindes und eines Schweizer Bürgers »wie von Sinnen« sich in den Fluß gestürzt hatte. Er war als Rettungsschwimmer ausgebildet, teilte aber bescheiden mit, daß er im Glücksfall nur eines der beiden Opfer an Land hätte bringen können. Man kann nicht zwei Ertrinkende gleichzeitig retten, sagte er.

26

Alexander Kluge

Die Entscheidung, so der Italiener, wäre sicher schwer gewesen. Sie hätte in Sekunden fallen müssen. Nach dem Krieg wurde er bei FIAT in Turin als Ingenieur wieder eingereiht. Musils Abschreiber ergänzte auch den Ausdruck »beherzt« durch einen Kommentar. Er bedeutet »Kühnheit«, »Selbstvergessenheit«, »Bei-Sich-SelbstSein«, »Konzentration im rechten Moment«. Alles das macht nicht das Herz, schrieb er, sondern der Charakter (»das eingeprägte Merkmal«). Hier sah er – und diese Erörterung umfaßt allein zwölf Seiten des Textes – eine grobe Ungerechtigkeit, die ihn aufregte. Es gibt Menschen, die ein Zögern empfinden, ehe sie sich in die Fluten der Aare stürzen, eines UNGEHEUERS. Am Ufer stehen sie und überlegen (wenigstens kurz), was zu tun ist. Unweit der Unglücksstelle war nämlich ein Nachen vertäut. Einer hätte dieses Gefährt in den Fluß schicken und als »Haltestück« dem Schwimmer mit dem Kind zusenden können. Vielleicht wäre, meinte der Kommentator, dies besser gewesen, als schwimmend nur die Zahl der Gefährdeten zu vergrößern.

Geschichten zum 30. April 1945

27

Die Befehlskette blieb bis zum Ende (auch telefonisch) intakt Noch funktionierten die Telefone. Es war aber auch die Autorität von Reich und Wehrmacht intakt. Auf Albert Kesselrings Anruf hin wurden im Hauptquartier der Heeresgruppe Italien der Oberkommandierende und der Chef des Generalstabs durch eine Reihe anderer Offiziere und Militärrichter sowie zugeteilte Feldwebel und Unteroffiziere verhaftet. Zu der Gruppe stieß Karl Wolff, der General der Waffen-SS, der die Verhandlungen der Heeresgruppe gegenüber den Westalliierten geführt hatte; auch er wurde entwaffnet in ein Bürozimmer geführt und bewacht. Niemandem der Verhafteten gelang es, die im Range unter ihnen stehenden Bewacher zum Überlaufen zu bewegen, obwohl sie doch direkt auf sie einreden konnten, während der ferne Kesselring mit ihnen nur telefonischen Kontakt hatte. Die Befehlsstelle war für denjenigen zu beherrschen, der den Bunkereingang kontrollierte, der auf die Straße nach Bozen führte. Es wurde davon gesprochen, daß alle verhafteten Befehlshaber wegen Hochverrats zum Tode verurteilt würden. Keiner von ihnen war imstande, loyale Truppenteile heranzurufen. Erst in der Nacht gelang es Karl Wolff, durch eine mit einer eisernen Leiter versehene Tunnelröhre, die parallel zu einem Luftschacht verlief, das Höhlengelände zu verlassen. Von draußen führte er eine Panzerabteilung der Waffen-SS zum Eingang des Bunkers. Inzwischen hatte die Nachricht von Hitlers Tod (zu diesem Zeitpunkt noch eine Fehlmeldung, die zwar nicht dem wirklichen Ereignis, jedoch dessen Nachricht vorauseilte) den Sinn des Oberbefehlshabers West und Süd, also Kesselrings, gewendet. Nunmehr stimmte er telefonisch Italiens Teilkapitulation zu. Die hohen Offiziere der Heeresgruppe sahen sich in ihr Amt wieder eingesetzt und einigten sich mit ihren Bewachern, daß diese straflos auseinandergingen. Keiner der Zeugen bezweifelte, wie lebensgefährlich die vergangenen Stunden gewesen waren. Zugleich erschien die Handlung des Tages »wie eine Übung«, wie der Abwehroffizier spottete, eine »Unterrichtsstunde über Autorität«.

Gunther Martens

Distant(ly) Reading Alexander Kluge’s Distant Writing

I.

Introduction

In a review of Das fünfte Buch, Florian Felix Weyh argues that Kluge increasingly displays the ambition to keep track of current events and that this clashes with the format of the printed book.1 He questions whether Kluge’s alleged new »blogging« style still makes sense when ongoing events are »only« infused with a typical »Kluge sound«. In this article, I will investigate whether there is indeed a trend towards more references to »real« places, people and locations and whether it helps us to arrive at an assessment of the typical »Kluge sound«. I will do so by means of a novel methodological approach: I will subject Kluge’s texts to a distant reading by means of tools borrowed from the budding field of Digital Humanities. It is not my aim to question existing non-quantitative approaches. But I will enumerate a number of reasons why an author like Alexander Kluge is specifically amenable to such an approach. By means of distant reading, we can better come to grips with an oeuvre running into the thousands of pages and notable for its sheer diversity. First, I will situate distant reading in relation to the diagrammatic and visual aspects of Kluge’s writing in order to argue that Kluge’s texts invite a distant reading approach. Then I will comment on some preliminary results of my first attempts at data mining Alexander Kluge. For reasons to be clarified below, I will limit myself to named spatial entities, which turn out to be of prime importance for Kluge. I will finally discuss whether these findings point towards an overarching trend towards »increased distance« in Kluge’s work. The term ›distant reading‹ stems from Marxist literary theory : It was coined by Franco Moretti,2 who argues that »distance is however not an obstacle, but a 1 Florian Felix Weyh, »Für Kluge Leser«, in: Deutschlandfunk, 19. 02. 2012. Online: http://www. dradio.de/dlf/sendungen/buechermarkt/1678320/. Last accessed: 13. 12. 2013. 2 Franco Moretti, Graphs, Maps, Trees: Abstract Models for a Literary History. London 2005. Research that takes its cue from this proposal is only in its infant stages. See for instance:

30

Gunther Martens

specific form of knowledge: fewer elements, hence a sharper sense of their overall interconnection.«3 Distant reading thus designates a grand-scale approach to literature, supported by unsupervised or semi-supervised machine-assisted approaches to vast bodies of text. The key to distant reading is that one hooks up corpora to more or less standardized repositories of information, with an eye towards abstraction, visualisation and cross-linking of information. The term is somewhat antithetical to the practice of close reading that continues to dominate much of our engagement with art and aesthetics. In the following paragraph, I will argue that Kluge’s work has attained the proportions of such a vast body of documents. Distant reading is a feasible way to read or view Kluge. Kluge’s oeuvre contains an extraordinary number of maps and (precise) numbers. A character in one of his stories holds the view that there is no contradiction between »die Macht des Wortes und die Macht der gemessenen Fakten«.4 Only this combined approach is able to arrive at least at some degree of validity in the representation of complex events such as war-time experiences. Kluge’s writing can be called a way of »distant writing«. The wide angle is a signpost of conventional documentary film. Similarly, Kluge has a habit of introducing characters by means of a summary presentation encompassing a formidable spatio-temporal cline. In addition, there are abrupt scene shifts between the short stories. The grand-scale and distanced take on story material is the hallmark of his writing. By subjecting his production to a procedure of distant reading, this quality of his work can be made to stand out all the more clearly. In an interview, Kluge argues that the rapid shifts and the mobility of the story material is meant to evoke the modern experience of urban mobility and speed.5 Hence, Kluge’s writing can also be termed ›distant‹ because it covers a lot of distance, even within the marked brevity of the stories, as will be shown in the next section.

David Cooper and Ian N. Gregory »Mapping the English Lake District: A literary GIS«, in: Transactions of the Institute of British Geographers 36, pp. 89 – 108. For a state-of-the-art approach to literary corpus studies, see: Fotis Jannidis/Gerhard Lauer, »Burrows Delta and its Use in German Literary History«, in: Matt Erlin/Lynne Tatlock (eds.), Distant Readings – Descriptive Turns. Topologies of German Culture in the Long Nineteenth Century, Rochester 2014. 3 Moretti, Graphs, Maps, Trees, p. 1. 4 Alexander Kluge, Chronik der Gefühle, Frankfurt/M. 2000, vol 1, p. 48. 5 Angelika Wittlich, »Alle Gefühle glauben an einen glücklichen Ausgang. Über Alexander Kluge (2002)«, in: Alexander Kluge: Seen sind für Fische Inseln. Fernseharbeiten 1987 – 2008, Frankfurt/M. 2009, DVD 14.

Distant(ly) Reading Alexander Kluge’s Distant Writing

II.

31

Preliminary results

It is hard to ignore that Kluge’s literary work contain a lot of references to realia, documents, information and »raw data«. It is also quite evident that he seeks to attune his oeuvre to the Leitmedien of the day (cinema, television, internet) and that he was one of the first German authors to publish his new books in digital form and as enhanced, multi-touch books. Thus, it is not hard to transfer Kluge’s literary work into the digital sphere and link them to lists, dictionaries, structure provided by online encyclopaedias, because Kluge’s work, as I have argued elsewhere, is striving itself for the principle of the catalogue or the Zettelkasten.6 The dataset for this article consists of the published volumes of Kluge’s text collections, not the movies, the interview volumes nor the DVD collections, although the latter have helped in the sense that they contain text archives which facilitated the task of gathering older texts.7 All names were extracted automatically by means of Named Entity Recognition. This means that I created frequency lists by means of software text parsers, mainly the Stanford Parser developed by the Stanford Natural Language Processing research group, but also the Berkeley Parser and the OpenNLP setup. Natural language processing (NLP) is a field in rapid development. Tools for unsupervised or distant reading typically only have 85 % correctness score, but they are still more handy than supervised (manual) reading. Hence, all numbers are approximations and currently in need of further refinement. Given the vast body of texts, it has not been possible to verify each and every result, since that would involve Kluge’s more than fifty-year literary production in one go. Let us first take a look at the distribution of names in absolute terms of frequency of mention. This tag cloud (Figure 1) was generated on the basis of the first volume of Chronik der Gefühle. It shows that the former GDR is really the most frequently recurring named entity. We know that this history is part of Kluge’s own biography, and quite a few of his stories and interviews give the floor to intellectuals of the former GDR. Another result is to be seen in the word cloud (Figure 2) representing Tür and Tür mit einem anderen Leben. On the basis of the most frequent word, this book turns out to a considerable extent to be indeed about the neighbour living next door, namely about Poland. From the cloud, one can also derive that China and many other countries worldwide come to the fore.

6 Gunther Martens, »Wann wird man soweit sein, Bücher wie Kataloge zu schreiben: Alexander Kluge und die enzyklopädische Literatur«, in: Thomas Combrink (ed.), TEXT & KRITIK (85/ 86), pp. 128 – 136. 7 I would like to thank Alexander Kluge and Thomas Combrink for their giving me access to the typescripts of Kluge’s books.

32

Gunther Martens

Figure 1: Word frequency cloud Chronik der Gefühle (vol. 2).

Figure 2: Word frequency cloud Tür an Tür mit einem anderen Leben (2006).

The following picture (Figure 3) covers all proper names of locations mentioned in Das fünfte Buch. It displays a more even distribution of the main European countries. It also shows us that at the time of writing the author was preoccupied with the precarious situation in Europe, with Greece a relevant focus. Doing named entity recognition for named persons for person names yields less reliable results, since proper names of persons are repeated intensively in the case of the typical interviews that intersperse Kluge’s texts. This needs some further polishing, since many older texts are again part of the second volume of Chronik der Gefühle. But suffice it to say that next to Gorbachev and Hitler,

Distant(ly) Reading Alexander Kluge’s Distant Writing

33

Figure 3: Word frequency cloud Das Fünfte Buch (2012).

Heiner Müller is a prominent occurrence, which is also confirmed by the fact that Müller surfaces repeatedly without being named.8 The following pictures show the relation between the total amount of tokens and the share of place names in these tokens. This share is limited and only to be found in the final percentages of the total text volume. Figure 4 shows averages: Die Lücke (2005) features no less than ca. 3025 place names in one book volume, but it is about twice the size of Tür an Tür. If these admittedly small portions are aligned, they can be compared. What we can learn from this? The quantitative results shown in Figure 4 confirm the hypothesis that there is an increase in the number of real place names mentioned in Kluge’s literary works. His most recent works feature more place names than his earlier ones. There is one exception to this trend which requires further clarification. There is a significant spike in the case of Schlachtbeschreibung. One could argue that this book is to a large extent a book about a place, as it is concerned with Stalingrad. The spike, however, is due to the fact that the edited version of 2000 (published as part of Chronik der Gefühle9) has been used. In the original version, published in 1964, Kluge chose to abbreviate the named entities: »Die durch häufige Nennung abgestumpften Namen sind teilweise gekürzt oder geändert.«10 The original version can thus be said to

8 Cf. Martens, »Bücher wie Kataloge«, p. 132. 9 Alexander Kluge, Chronik, vol. 1, pp. 509 – 793. 10 Alexander Kluge, Schlachtbeschreibung, Olten/Freiburg i. Br. 1964, p. 7. This remark was ommitted in the English translation by Vennwitz, as the translator chose to spell out the

34

Gunther Martens Share of named geo locaYons in overall tokens Westbindung (2014)

Kluge, Das fünfte Buch (2012)

Tür an Tür mit einem anderen leben (2006)

Die Lücke, die der Teufel lässt (2005)

Chronik der Gefühle, Vol. 2 (2000)

Schlachtbeschreibung (1964)

98%

98%

99% Tokens

99%

100%

100%

Placenames

Figure 4.

contain significantly fewer named real place names (although the abbreviation of place names was less consistent than that of person names). The abbreviation is part of a Marxist attempt to deal with structures rather than people. It can be observed that this is a general trend in the 1960’s: In the documentary theatre of Peter Weiss, victims and perpetrators were also anonymized. In Chronik der Gefühle, Kluge argues retrospectively that this was necessary at the time, because these names like Mansfeld still had a very familiar, even heroic ring which was liable to detract from the ambition to analyse the organisational structure of the catastrophe. When Kluge republished Schlachtbeschreibung in 2000, he resolved these abbreviations. In the paratext, he explains that most of these names no longer enjoyed the currency that they had in the sixties. »In der Erstausgabe von Schlachtbeschreibung waren sämtliche historischen Namen abgekürzt, z. B. St.= Stalingrad, Hi. = Hitler. Dies war ein Versuch, zu einer Enthierarchisierung der Tatsachen zu gelangen. […] Durch Propaganda aufgeladene Namen wirkten in dokumentarischem Sinne unproportional im Verhältnis zu Namen von unbekannten Orten oder Menschen. Wegen des zeitlichen Abstands habe ich inzwischen eine Reihe der Abkürzungen wieder geöffnet. […] Abkürzungen, die militärisch üblich sind, habe ich belassen.«11

When Kluge gives up the anonymity, this again supports this article’s hypothesis that names are increasingly important in his work and that their increase is part of an overall (auto)biographical and global turn in his work.

names, most probably in order to reduce the intercultural barriers. Alexander Kluge, The battle, translated by Leila Vennewitz, New York 1967. 11 Kluge, Chronik, vol. 1, p. 988.

Distant(ly) Reading Alexander Kluge’s Distant Writing

35

From a comparison between Schlachtbeschreibung and Das fünfte Buch, one can derive that there is indeed a trend towards globalisation.

Figure 5: Locations in Schlachtbeschreibung.

Figure 6: Locations in Das fünfte Buch.

Schlachtbeschreibung (Figure 5) mostly refers to places in Germany and in Russia. This is hardly a surprise since it is a text which mostly consists of a verbatim rendering of documents. Das fünfte Buch (Figure 6), on the contrary,

36

Gunther Martens

can be said to »cover the map« more extensively, as it features references to places nearly all over the world. There is actually one sentence which illustrates the sheer mobility that Kluge seeks to evoke: »Geboren in Canberra, die Mutter Russin, aufgewachsen in Hildesheim, tätig in New York, im Urlaub in Thailand, in der kommenden Woche verabredet mit Kollegen in Kapstadt.«12 Kluge thus attempts to attune documentary literature to the big picture, to the global conditions of transnational mobility, geo-strategic conflicts, displacements and deportations. But we may also see the traces of Kluge’s television network of quality documentary, which increasingly collaborates with international partners and broaches topics beyond the original target audience. A fundamental question now is whether these numbers count towards the »documentaricity« of Kluge’s texts. Realia are certainly not the sole characteristic of documentary style. Documentary literature has always been defined in terms of external institutional specifics, but little is known about what internal features would account as signposts of documentaricity. For the purposes of this article, I will limit myself to named entities, but there are also other traits, such as linguistic ones. Passive constructions are typical of the language of protocol. Unsurprisingly, the original edition of Schlachtbeschreibung sets the tone by citing documents that hide all individual agency and responsibility from sight by using passive constructions. The reedited version published in 2000 transfers these documents to the end of the collection, as a kind of appendix, and features much more personal stories in the beginning. The sheer amount of names also points to another internal feature: the (relative) absence of personal pronouns. These are probably more frequent in fiction because they indicate a shift towards autonomous perspective bearers within a self-contained fictional world (sustained by co-reference that the reader has to decipher). In this section, I will compare Kluge’s art of naming with that of other literary authors on account of names. Figure 6 has shown us that Kluge’s art is to some extent an art of namedropping. But from this comparison, we cannot derive whether the absolute number of place names is significant. Hence, we need to scan other literary texts with the same procedure. In order to establish a benchmark for the previous results, I submitted Joyce’s Ulysses to the same procedure (Figure 7). Joyce famously boasted that if Dublin were to be destroyed it could be rebuilt entirely by reference to the pages of his novel. This might lead us to conclude that it contains a lot of spatial information. However, it contains significantly fewer place names than any of Kluge’s texts. It is of course completely normal that there are fewer place names in Ulysses, because it is based in one place which, contrary 12 Alexander Kluge, Das fünfte Buch – Neue Lebensläufe. 402 Geschichten, Frankfurt/M. 2012, p. 287.

37

Distant(ly) Reading Alexander Kluge’s Distant Writing Comparison with other texts

David Foster Wallace, Infinite Jest

Sebald The Rings of Saturn

Doderer, StrudlhofsYege

Döblin, Alexanderplatz

James Joyce, Ulysses

Chronik der Gefühle, Vol. 2 (2000)

99%

99%

99%

99%

99%

100%

100%

100%

Figure 7.

to the many migrations and relocations in Kluge’s work, does not need to be named again and again. While there are quite a few street names in Ulysses which would indeed allow to reconstruct a historical version of Dublin, the result only tells us that Ulysses might be encyclopaedic literature, but it is definitely not documentary literature. The same claim about spatial fecundity has been raised concerning Döblin’s Alexanderplatz and Heimito von Doderer’s Die Strudlhofstiege. It is a topos of Doderer studies that one would be able to navigate the city of Vienna by means of his book. Indeed, these books gravitate more towards Kluge’s scores. I got the inspiration to map Kluge’s texts in this way from Patience, a documentary, directed by Grant Gee, on Sebald’s Die Ringe des Saturn. This documentary makes use of a map made by Barbara Hui, which traces all the itineraries both used and mentioned in Sebald’s travelogue. While some of the (back)stories extend onto different continents, it is striking that Sebald hardly mentions Germany (only about 15 places mentioned). In the documentary, this and other aspects of Sebald’s oeuvre are used to claim Sebald, for underspecified reasons, as the exceptional ›good German‹. It is of course not my ambition to turn this geographical exercise into a competition. But as far as frequency goes, Sebald’s book is quite dense in place names and thus similar to Kluge’s multidirectional writing. Nevertheless, Kluge belongs to a different, more light-footed tradition, as I will explain in the following section. Further research will need to establish what values are reached in the case of journalistic texts (newspapers) on the one hand, and what genres in literary writing approach the »Kluge

38

Gunther Martens

sound«.13 The quest for literary texts that systematically thwart the expectation that they create an alternative reality that minimally departs from our common knowledge remains open.

III.

Interpretation and some caveats

There are obvious challenges and shortcomings attached to the method of distant reading as applied to Kluge: The software will miss out on most of the implicit topographical and personrelated information. We know that Kluge’s art resides in the suggestive allusion to historical circumstances. Most stories are about some historical reality, even if they do not refer to it by means of proper nouns. In addition, results for person names are to some extent skewed, because some names are mentioned more intensely when they occur in interview sections. Kluge also resorts to the practice of using cover names, such as the eponymous Heidegger. This is a syncretistic crystallisation figure,14 composed out of countless »parallel biographies« like those Sebald frequently imagines. Topic modelling could be a solution to this problem, but the insistence of naming is already in itself a conspicuous aspect of Kluge’s writing. To some extent, the extraction of named entities runs counter to Kluge’s aleatoric montage technique: In the introduction to Chronik der Gefühle, it is said that these are »Geschichten ohne Oberbegriffe«15. While some texts may gravitate towards specific topics and locations rather than others, it is clear that the text collections obviously do not have a centre (neither spatial nor at the level of the story action). The internal mobility of stories within Kluge’s oeuvre illustrates this lack of a centre even more. One could go further and group specific names according to a geographical entity. But Kluge has a propensity for pointing out the fleeting nature of borders and all types of demarcations and restrictions, especially at the outskirts of power centres. Hence, it would be rather fruitless to classify the names in the tag clouds, as their very diversity is meant to frustrate such a classification. Just like the un-filmed criticizes the filmed, one could say that the unnamed criticizes the named. We should not take this to be about the factual place names. In his encyclopaedic universe, Kluge 13 See also: K.H. van Dalen-Oskam, »Names in novels: an experiment in computational stylistics«, in: LLC: The journal of digital scholarship in the Humanities 28 (2013), 2 (June), pp. 359 – 370. First published online: March 9, 2012, doi: 10.1093/llc/fqs007. 14 Gunther Martens, »Reclaiming ›geballte linke Energie‹: War in Alexander Kluge’s Fictional Diary Heidegger auf der Krim«, in: Seminar: A Journal of Germanic Studies, 50 (1), pp. 69 – 82. 15 Kluge, Chronik, vol. 2, p. 11.

Distant(ly) Reading Alexander Kluge’s Distant Writing

39

looks for liminal zones characterized by transition, the absolute periphery, frequently characterised by lagging behind in historical time.16 The current interest in mapping is certainly part of a broader »spatial turn«,17 which cannot adequately be summarized here. But Kluge’s interest in maps and mapping has a clear historical lineage. In older theories of space, the cartographic gaze is considered to be ideologically charged and equated with the ruthless, top-down approaches of modernist city planners like Hausmann and Le Corbusier. Once more, Heidegger auf der Krim is a good case in point for this cynical dimension of power-driven mapping. Hitler had outrageous plans to open up another theatre of war on the Indian subcontinent in order to defeat Great Britain in its colonial territories. Another story largely consisting of maps and photographs documents details how the British envoi Cyril Radcliffe had to establish the arbitrary border which lead to the violent emergence of Pakistan. The historical avant-garde opposed these top-down approaches by presenting their own psychogeographies.18 In a recent essay, Malkmus linked Kluge to the tradition of Dadaist photomontage.19 When Kluge describes his collage technique as a kind of cross-mapping, he refers to the Situationism of Guy Debord. Cross-mapping is the equivalent of deliberately navigating a territory with the wrong map: »Mit der Straßenkarte von Groß-London den Harz durchwandern.«20 On various occasions, Kluge has referred to this idea as a »Dada-Anweisung« belonging to the 1916 Zurich programme. The exact source of the phrasing, however, is to be found in Guy Debord’s writings. As an example of d¦rive or flaneur-like drifting, Debord mentions – in an article originally published in the Belgian surrealist journal Les LÀvres Nues (September 1955) – a friend who »wandered through the Harz region of Germany while blindly following the directions of a map of London.«21 It is of particular appeal that the remote area of the Harz is being referenced in this quotation, because that is of course an important place within Kluge’s expanding topography. The juxtapo-

16 Kluge, Chronik, vol 1, p. 95. 17 Andrew Piper, »Mapping Vision: Goethe, Cartography and the Novel«, in: Jaimey Fisher/ Barbara Mennel (eds.), Spatial Turns: Space, Place, and Mobility in German Literary and Visual Culture, Amsterdam 2010, pp. 27 – 51. 18 The original manipulated map was published in 1929. Anon, »Le monde au temps des surrealists«, in: Vari¦t¦s – Le surr¦alisme en 1929, Brussels 1929, pp. 26 – 27. 19 Bernhard Malkmus, »Intermediality and the Topography of Memory in Alexander Kluge«, in: New German Critique 36:2 (2009), pp. 231 – 252. 20 Alexander Kluge, Verdeckte Ermittlung: Ein Gespräch mit Christian Schulte und Rainer Stollmann, Berlin 2001, p. 84 21 Guy Debord, »Introduction To A Critique Of Urban Geography«, in: Ken Knabb, International Situationist Anthology, Berkeley 1995, pp. 5 – 8: 6. The text was originally published in the Belgian surrealist journal Les LÀvres Nues (no. 6, September 1955).

40

Gunther Martens

sition of different geographical formations and incompatible discourses amounts to a travesty of any control phantasies and colonial ambitions. While cartography used to be a privilege of those in power, maps have recently become a means of social empowerment.22 What matters in Kluge’s take on this situation is not the locations themselves, but their shifting and their amalgamation. It is central to this saturated narrative technique to point out that parts of the GDR’s Palast des Volkes have been integrated into the construction of the Burj al Khalifa in Dubai, which leads to an increase in lapses of time, space and ideologies.23 The mobility of Kluge’s place names themselves is akin to the ambitions of histoire crois¦e: Historical events are scanned in terms of their appropriation at a later stage (and preferably in another geospatial location), but also caught up in an act of counter-appropriation. In the case of Heidegger auf der Krim, this is nicely summed up by the map detailing the geological fault lines. The high-altitude mountains of Georgia are the bridge too far in Hitler’s maps and plans, ending his projections of a Gothic original territory. But on the horizon, the counter-appropriation looms no less largely, as we see the peaks with their UDSSR denomination of Karl Marx Peak etc. This region is still one of the fault lines of Europe in geopolitical terms, and Kluge traces it back all the way to the rise and fall of the Ottoman Empire. This palimpsestic juxtaposition of distinct historical moments and its broad geopolitical span increasingly allow Kluge to go beyond the German catastrophe and to consider history in the context of more encompassing colonial and imperial ambitions. Both the object at hand and the methodology need to some extent to replicate the cartographic gaze of the planners, the project makers and the plotters. This gaze at the big picture or even ›big data‹ normally escapes the grasp of (literary) narrative. The ambition to read the historical material on war both closely and from a distance contributes to the global, transnational and trans-historical shift that is the hallmark of Kluge’s literary work after 2000.

IV.

Conclusion

In the movie Die Patriotin, there is this scene in which Kluge quotes Karl Kraus famous aphorism: »Je näher man ein Wort ansieht, desto ferner sieht es zurück.«24 In Kluge’s film, the word »Germany« is printed under this aphorism. Germany thus figures prominently in this image, which could be seen as a tag 22 Annika Richterich, Geomediale Fiktionen: Map Mashups – zur Renaissance der literarischen Kartographie in der digitalen Literatur, Bielefeld 2014. 23 Alexander Kluge/Gerhard Richter, Dezember, Frankfurt/M. 2012, pp. 88 – 89. 24 Karl Kraus, Aphorismen, ed. by Christian Wagenknecht, Frankfurt/M. 1986, p. 291. Cf. Alexander Kluge, Die Patriotin. Texte/Bilder 1 – 6, Frankfurt/M. 1979, p. 165.

Distant(ly) Reading Alexander Kluge’s Distant Writing

41

cloud avant la lettre. At this stage, Kluge’s work was centrally engaged with Germany, but the findings illustrated above show that this focus has shifted towards a dense topographical network. We should not go so far as to read the aphorism as a comment on the limitations of close reading. Nevertheless, I want to stress that distant reading and close reading can mutually support and enhance each other, very much like Kluge combines the view from above with the view from below. Real locations are often seminal in that they facilitate improbable encounters. They thus lend credibility to a scenario that it is clearly utopian on other accounts. In the case of institutions and person names, it is less easily to determine whether they are real or fictional. Of course, the insistence of naming people, even when their names are fictional, is likely to be a trait of Kluge’s texts too. But this article aimed to test Kluge’s anchoring in real topography. His usage of faux documents also displays a critique of the explanatory power of data. Kluge’s parade of maverick scientists does not fail to illustrate this. In his book on time, Achim Landwehr25 shows how calendars are gradually stripped of horoscopes, thus providing users with the freedom to plan their own time. Infographics and statistical predictions, Kluge seems to suggest, have become the new horoscopes of our age.

25 Achim Landwehr, Geburt der Gegenwart. Eine Geschichte der Zeit im 17. Jahrhundert, Frankfurt/M. 2014.

Christian Schulte

»Die Muskeln der Vorstellungskraft«.1 Geschichtswahrnehmung und Responsivität bei Alexander Kluge

In einem Fernsehgespräch aus dem Jahr 1986 erklärt Alexander Kluge, das 20. Jahrhundert habe versagt, es sei lediglich die Wiederholung des 19. Jahrhunderts mit anderen Mitteln und müsse eigentlich nachsitzen.2 Die disziplinarische – und für einen Autor wie Kluge ungewöhnliche – Metapher des Nachsitzens adressiert hier das Jahrhundert selbst als Subjekt, dessen Versetzung gefährdet sei. In seiner Rede zum Heinrich Böll-Preis im Jahr 1993 sind »wir« es, die nachsitzen müssen: »Im geistigen Sinne sind wir Nachsitzende unseres Jahrhunderts,3 vom Ausgang aus selbstverschuldeter Unmündigkeit weit entfernt, weil keine geschlossene Arbeitskraft darauf verwendet wird. Das Projekt der Aufklärung in diesem defensiven Sinne ist nicht unmöglich, sondern es wird nicht daran gearbeitet.«

»Nachsitzen« bedeutet hier so viel wie: innehalten und den Stoff des 20. Jahrhunderts erinnernd zu wiederholen und erneut zu bearbeiten. Diesem »Noch einmal« ist Kluges »Gegenproduktion«4 verpflichtet. Sie richtet sich gegen die entfesselten Zerstörungspotentiale, die von einer fehlgeleiteten Aufklärung freigesetzt wurden und im Laufe des vergangenen Jahrhunderts – in »überholender Kausalität« – eine Dominanz des Faktischen begründet haben. »Die Fakten marschieren getrennt und schlagen vereint«5 – auf diese Formel bringt der Autor sein Verständnis eines Jahrhunderts, dessen »spezifische Chiffre, so 1 Alexander Kluge, »Ich liebe das Lakonische. Spiegel-Gespräch«, in: Der Spiegel, 06. 11. 2000. 2 Einen Ausweg muß es geben. Alexander Kluge und seine Filme, Ein Film von Peter Buchka, DVD, München 2003. 3 Alexander Kluge, »Der Autor als Dompteur oder Gärtner. Rede zum Heinrich-Böll-Preis 1993«, in: ders., Personen und Reden, Berlin 2012, S. 34. 4 »Gegen die Macht eines Leitmediums hilft kein Schriftverkehr, dagegen kommt man nicht mit Artikeln, mit Kritik an, sondern nur mit Gegenproduktion. Zur Gegenproduktion gehört, dass man die Medien, die es gibt, wörtlich nimmt. Sie gehören den Menschen, die sie nutzen.« In: »›Die Linke bietet keine Gefühle‹. Im Gespräch: Alexander Kluge«, in: Süddeutsche.de, 17. 05. 2010 [http://www.sueddeutsche.de/kultur/im-gespraech-alexander-kluge-ich-koennte -einen-nazi-umdrehen-1.167267 – 2]. 5 Einen Ausweg muß es geben.

44

Christian Schulte

unverwechselbar wie ein Fingerabdruck […] Ausgrenzung«6 heiße. Diese Ausgrenzung manifestiert sich für Kluge in der katastrophischen Überbietungslogik der Zeitgeschichte, vor allem in den Weltkriegen und Genoziden des vorigen und den asymmetrischen Kriegen des neuen Jahrhunderts – Ereignisse, die tief in die Erfahrungszusammenhänge ganzer Generationen hineingewirkt und den Aufbau eines »Gemeinwesens« immer wieder gewaltsam unterbrochen haben. »Breite Teile des Menschlichen und der Wirklichkeit werden nicht in ein Gemeinwesen eingesogen, sondern entrealisiert mit den Mitteln des Kannibalismus, aber auch nach dem vomitorischen Prinzip (»auskotzen«) oder kannibalo-vomitorisch. Eine Umgangsform unter Menschen, die das Gefühl und die Wünsche der Menschen abstößt. Es gehört also zu den besten Eigenschaften der Menschen, dass sie Wirklichkeiten dieser Art verleugnen und das Ausgrenzungsprinzip auf der subjektiven Seite nochmals wiederholen, denn es ist ja grausam und kaltherzig, die harte Wirklichkeit durch den menschlichen Blick quasi zu bestätigen, wie es grausam und kaltherzig ist, die harte Wirklichkeit nicht wahrzunehmen.«7

In dieser scheinbar paradoxalen Zwischenlage – zwischen der subjektiven und der objektiven Seite – ist Kluges Geschichtsprojekt angesiedelt. Weit entfernt von einer Historiographie, der es um eine inventarisierende Bestandsaufnahme geschichtlicher Daten und Fakten geht, oder der Etablierung eines historischen Narrativs, das die Ereignisgeschichte sinnhaft beglaubigen würde, zielt es auf eine »Ökonomie der lebendigen Arbeitskraft«,8 d. h. auf eine Geschichtsbetrachtung aus der subjektiven Innen-Perspektive der am Geschichtsprodukt – wie ohnmächtig und entfremdet auch immer – unablässig arbeitenden Akteure. Oder genauer : jener menschlichen Eigenschaften, die sich von der Faktizität der Zeitgeschichte – für Kluge »die Instanz, die im 20. Jahrhundert die Fiktionen erstellt«9 – nicht entmutigen lassen. »Die fast unlösbare Aufgabe«, so zitiert er immer wieder seinen Lehrer Theodor W. Adorno, »besteht darin, weder von der Macht der anderen noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen«.10 Die von der normativen Macht des Faktischen unterdrückten Eigenschaften begreift Kluge als Protestpotentiale, ihre Ausweich- und Angriffsbewegungen als Ausdrucksformen eines »Antirealismus des Gefühls«11 – eine kämpferische Formel, die auf das asymmetrische Verhältnis von Fakten und Kluge, »Der Autor als Dompteur oder Gärtner«, S. 27. Ebd., S. 28. Oskar Negt/Alexander Kluge, Geschichte und Eigensinn, Frankfurt/M. 1981. Alexander Kluge, »Was ich als Autor im Fernsehen treibe«, in: Funk-Korrespondenz, Nr. 48, 03. 12. 1993, S. 22. 10 Theodor W. Adorno, Minima Moralia, Frankfurt/M. 1969, S. 67. 11 Astrid Deuber-Mankowsky/Giaco Schiesser, »In der Echtzeit der Gefühle. Gespräch mit Alexander Kluge«, in: Christian Schulte (Hg.), Die Schrift an der Wand. Alexander Kluge: Rohstoffe und Materialien, Osnabrück 2000, S. 363. 6 7 8 9

Geschichtswahrnehmung und Responsivität

45

Wünschen anspielt und in zahlreichen Titeln seiner Arbeiten anklingt: Öffentlichkeit und Erfahrung, Geschichte und Eigensinn oder Chronik der Gefühle. Eine Chronik der Gefühle ist zweifellos etwas anderes als eine Chronik der Ereignisse. Versucht letztere deren zeitliche Abfolge ordnungsstiftend nachzuerzählen, so legt die erste den Akzent auf jene Kraft, die subkutan in den Ereignissen wirksam ist, als Intensitätsgrad, der die Art und Weise, in der sie in Erscheinung treten, bedingt, aber selbst nicht wirklich zur Sichtbarkeit gelangt – so etwa, wenn Kluge »das Politische als Intensitätsgrad alltäglicher Gefühle«12 bezeichnet. »›Gefühle‹ sind also innerhalb der Erfahrungsordnung eine anarchische Potenz, die sich den codierten Erfahrungsformen verweigert. Die Gefühlsökonomie eines Geschichtsraums zu beschreiben heißt demzufolge, den Haushalt der Normalisierungsund Anormalisierungsprozesse einer Erfahrungsordnung (und der mitwirkenden Instanzen) zu beschreiben. Kluge konzentriert diesen Grundgedanken auf die Beschreibung des 20. Jahrhunderts.«13

Gefühle fungieren bei Kluge als selbsttätig arbeitende Regulative, die unterhalb des absichtsvollen Handelns, der diskursiven Verständigung und der die Kommunikation leitenden Codices wirksam sind. Ein Titel wie Chronik der Gefühle wäre also als Hinweis in Richtung einer kontrafaktischen Geschichtsschreibung zu begreifen, die darum bemüht ist, die subjektiven Motivationsschichten, Reaktions- und Ahnungsvermögen, aus ihren geschichtlichen Bindungen und Überformungen erzählend herauszulösen und als Möglichkeitsformen individueller Teilhabe kenntlich zu machen. »Es ist«, heißt es in Kluges Rede zum Adorno-Preis, »Verknüpfungsarbeit (und wenn eine Weberin ihrer Arbeit nachgeht, nennt man das Text) notwendig, um das Nebeneinander von Rettung und Verhängnis wahrzunehmen, die Heterotopie. Man muss das Allgemeine, das Besondere und die tückische Einzelheit drehen und wenden, wie es die Spinnerin Arachne bei Ovid mit ihren Netzen tut. Man muss die Fakten zu einer Erzählung zusammenfügen. Erlöst die Fakten von der menschlichen Gleichgültigkeit! Arachne textet nämlich in die Gewänder von Menschen und Göttern, deren zweiter Haut, eine Verdopplung der Realität hinein: die Einfühlung und die Auswege.«14

12 Negt/Kluge, Maßverhältnisse des Politischen. 15 Vorschläge zum Unterscheidungsvermögen, Frankfurt/M. 1992, S. 89. 13 Christoph Ernst, Essayistische Medienreflexion. Die Idee des Essayismus und die Frage nach den Medien, Bielefeld 2005, S. 446. 14 Alexander Kluge, »Die Aktualität Adornos. Rede zum Theodor W. Adorno Preis 2009«, in: ders., Personen und Reden, Berlin 2012, S. 69 – 70.

46

Christian Schulte

Diese antirealistische Geschichtserzählung hätte aber »in den Komplexitätsgraden der Realität«15 selber stattzufinden, einer Realität, die Kluge – analog zur babylonischen Sprachverwirrung – als »mehrfach übereinander geschriebene Texte«16 begreift, die einer unablässigen Übersetzungsarbeit bedarf. Die harte gesellschaftliche Wirklichkeit in menschliche Maße zu übersetzen, in die Maße einer »menschlich zentrierten Welt«,17 das hieße: die entfremdete Wirklichkeit im Sinne des brechtschen Einverständnisses als gegebene anzuerkennen, ihrer normierenden Kraft gegenüber aber ungläubig zu bleiben. Dabei hält Kluge fest an der marxschen Überzeugung, dass der Weg aus der Entfremdung nur durch die Entfremdung hindurch führe. Dieser im Kontext der Kritischen Theorie vielfach variierte Gedanke findet sich auch in Siegfried Kracauers Essay »Gestalt und Zerfall«, in dem es heißt: »Wenn die schlechte Realität nämlich gewaltig sich behauptet, so wird man zu ihrer Tilgung nicht umhin können, sich mit ihr selber zunächst einzulassen, in ihrer eigenen Sprache oder Vorsprache mit ihr zu reden.«18 Dieser ›Sprechakt‹ wäre mehr als eine mimetische Kontaktaufnahme mit der Sprache der Realität, er wäre Ausdruck eines ›Denkens durch die Dinge‹, eine Form der Teilhabe (Methexis), in der die reflexive Distanz eines kontrollierenden Subjekts und die Deutungsansprüche des Egos zunächst suspendiert wären. Kracauer geht sogar so weit zu postulieren, dass »der Historiker imstande« sein müsse, »sein Ich im Umgang mit den gegebenen Daten auszulöschen.«19 Bei Kluge geht es in einem entsprechenden Sinne um die Aufzeichnung der »Sprechweise öffentlicher Ereignisse«,20 authentischer Tonlagen, um eine Kommunikation unterhalb der Ich-Schranke (»Ich denke, weil ich davon absehen kann, dass ich es bin, der denkt«),21 um ein weitgehend selbstvergessenes, selbstreguliertes und auf freier Assoziation beruhendes Arbeiten am Material.22 15 Alexander Kluge, In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod. Texte zu Kino, Film, Politik, hg. von Christian Schulte, Berlin 1999, S. 134. 16 Negt/Kluge, Geschichte und Eigensinn, Frankfurt/M. 1993, S. 1131. 17 Ebd., S. 151. 18 Siegfried Kracauer, »Gestalt und Zerfall«, in: ders., Werke: Essays, Feuilletons, Rezensionen 1924 – 1927, Bd. 5.2, hg. von Inka Mülder-Bach, Berlin 2011, S. 287. »Nur durch den Zerfall hindurch, auf einem Umweg nur, wird die Wirklichkeit zu erobern sein.« (Ebd., S. 288) Und weiter : »Es möchte sein, daß das wirkliche Leben heute sich in die Maske – freilich: in die durchdringbare Maske nur – des Entwirklichten, Niedrigen kleiden muß, um die Realität, die fort und fort herrscht, dort anzurühren, wo sie verwundbar ist. Es möchte sein, daß man, um diese Realität entscheidend zu wandeln, in ihrem eigenen Medium den Hebel anzusetzen hätte, da man in ihm nur bis zur Hefe vorstoßen und die Wurzel des Unwesens ausrotten kann.« (Ebd., S. 287) 19 Siegfried Kracauer, Geschichte – vor den letzten Dingen, hg. von Ingrid Behlke, Frankfurt/M. 2009, S. 233 [ders., Werke, hg. von Inka Mülder-Bach und Ingrid Behlke, Bd. 4]. 20 In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod, Regie: Edgar Reitz/Alexander Kluge, DE 1975. 21 Kluge, In Gefahr und größter Not, S. 280. 22 In diesen Zusammenhang gehört auch die Auskunft: »es muß die Geschichte selber eine

Geschichtswahrnehmung und Responsivität

47

In dieser tendenziell nicht-intentionalen Arbeitsweise äußert sich eine geminderte Subjektivität, keine, die sich über Setzungen eines Ich, sondern eher über Suspensionen, Aussetzungen begreifen lässt, die reaktiv in Gegebenheiten eingreift. Das quasi-haptische Näheverhältnis zu den Dingen – man denke nur an den Versuch der Geschichtslehrerin Gabi Teichert, durch Graben ein sinnlich-materielles Verhältnis zur Vergangenheit herzustellen23 – produziert Anziehungs- und Abstoßungseffekte, Innervationen und Idiosynkrasien, die in einem kontrollierten Distanzverhältnis nicht möglich wären, die aber als maßgebliche Parameter in dem Prozess der – erneute reflexive Distanz schaffenden – Aneignung und Bearbeitung der Materialien wirksam sind. »Durch die Dinge zu denken«,24 das hieße bei Kluge: mit den Anteilen der in die Dinge eingeflossenen menschlichen Arbeit eine Art Dialog aufzunehmen. Dieses Denken navigiert in Zwischenräumen und immunisiert sich damit gegen den Binarismus eines Entweder/Oder. Es arbeitet vielmehr mit liminalen, diskreten Einheiten, legt transitorische Schwellen, wo vorher unverrückbar scheinende Grenzlinien waren. Dies lässt sich vor allem an den Fernseh-Dialogen beobachten, deren Performanz von einer prinzipiellen Kontingenz geprägt ist, die auch Fehlleistungen einschließt. Derart offene Verfahren setzen allerdings, mit einer Formulierung von Diedrich Diedrichsen, »ein schwaches, abgerüstetes Modell der Subjektivität voraus«.25 Ein solches Modell legt es nahe, auch die starke Subjektpositionen reklamierende Trennung von Produktions- und Rezeptionsprozessen aufzugeben und stattdessen ein Responsivitätskonzept in Anschlag zu bringen, das – im Sinne eines prinzipiell offenen Kommunikationsmodells – der Poetik Alexander Kluges eher gerecht werden könnte.26 Ein derartiges Konzept wird vom Autor selbst nahegelegt, wenn er betont, dass die Romane von den wirklichen Verhältnissen geschrieben würden und dass der Autor »nur Bote der Nachricht«27 sei. So wie die Aufmerksamkeit des Autors von einem gegebenen Material, einem Ereignis etc. attrahiert wird, was ihn motiviert, dem so Erfahrenen einen konzentrierten Ausdruck zu verleihen,28 so wird der Rezipient veranlasst, auf das

23 24 25 26

27 28

gewisse Hysterie erzeugen, damit der Text von selber herausspult.« Alexander Kluge, Verdeckte Ermittlung. Gespräch mit Christian Schulte und Rainer Stollmann, Berlin 2001, S. 41. Die Patriotin, Regie: Alexander Kluge, DE 1979. Kracauer, Geschichte, S. 210. Diedrich Diedrichsen, »Interpretationsschwerkraft. Gesprächsnotizen«, in: Klaus Thoman/ Thomas Feuerstein (Hg.), Outcast of the Universe, Wien 2006, S. 209. Vgl. Christian Schulte, »Dialoge mit Zuschauern. Alexander Kluges Modell einer kommunizierenden Öffentlichkeit«, in: Irmela Schneider/Christina Bartz/Isabell Otto (Hg.), Medienkultur der 70er Jahre. Diskursgeschichte der Medien nach 1945, Bd. 3, Wiesbaden 2004, S. 231 – 250. Kluge, In Gefahr und größter Not, S. 126. »Es gehörte zur Charakteristik Walter Benjamins, sagte seine Biographin, die in Chicago

48

Christian Schulte

Dargestellte zu reagieren, es auf seine eigene Erfahrung zu beziehen und zu überprüfen, ob es ihm in seiner lebensweltlichen Orientierungsarbeit nützlich sein kann oder nicht. Kluge begreift diesen Response – den des Autors auf die Wirklichkeit oder auf mediale Repräsentationen derselben wie den des Rezipienten auf die Reaktionsform des Autors – als »eine Kommunikation nur über die Tonlage und ein Vertrauensverhältnis über Missverständnisse hinweg.«29 Er vertraut darauf, dass Leser und Zuschauer von denselben oder ähnlichen Bedürfnissen und Motiven angetrieben sind wie er selbst und dass sie – wie der Autor in seinen Mediatisierungspraxen – Elemente ihrer Rezeptionserfahrung, wie unwillkürlich auch immer, in künftige Kommunikationsprozesse einbringen, so dass sich das derart Wahrgenommene ad infinitum vervielfältigt und übersetzt. Es geht also nicht um eine diskursive – womöglich konsensorientierte – Verständigung, sondern vielmehr um einen rhizomatischen selbstregulierten Prozess ohne benennbaren Anfang oder ein konkretes Ziel. Wie der Autor sich kommentierend auf die von irgendwoher kommenden Gegenstände seiner Wahrnehmung bezieht, so fließen die von ihm gefundenen Ausdrucksformen ein in einen unwägbaren, immer wieder von anderen Umständen und Kontingenzen geprägten Prozess, in dem immer wieder andere Wahrnehmungen zu immer neuen Ausdrucksformen mutieren und in dem schließlich die Differenz zwischen Autor und Rezipient zugunsten einer allseitigen – und situativ geprägten – Responsivität aufgehoben wäre. Der Autor selbst ist hier als Medium (Bote) konzipiert, durch das hindurch sich Eindrücke in Ausdrucksformen verwandeln, wodurch immer wieder andere und neue Medien erzeugt werden, die ebenso zwischen Empfängnis und Spontaneität oszillieren und ein ums andere Mal Autorschaft ephemer begründen.30 »Der Blick macht die Fiktion«, heißt es in Jean-Luc Godards Einführung in eine wahre Geschichte des Kinos.31 Dabei hat der Regisseur der Nouvelle Vague keineswegs nur den Blick im Kino im Sinn, sondern vielmehr den transformatorischen Charakter, der jeder – nicht nur der visuellen – Wahrnehmung innewohnt. Sobald unser Blick auf einen spezifischen Wirklichkeitsausschnitt – sei dieser nun fiktionaler oder non-fiktionaler Art – gerichtet ist, verwandelt sich dieser Akt der Perzeption in eine dynamisch-reziproke Bezugnahme auf das lebt, daß er sich einer Fundstelle, einer Vorstellung mit allen Kräften und stets einseitig hingab. Er hat den Charakter einer Fledermaus. Sie hört nicht die Laute, die sie aussendet, sondern das Echo ihrer Laute, das die Wand zuru¨ ckwirft.« Alexander Kluge, Die Lücke, die der Teufel lässt, Frankfurt/M. 2003, S. 693. 29 Kluge, »Der Autor als Dompteur oder Gärtner«, S. 29. 30 Vgl. dazu Jean-Luc Godard, Einführung in eine wahre Geschichte des Kinos, Frankfurt/M. 1984, S. 127; vgl. auch Georg Stanitzek, »Massenmedium Kluge«, in: Christian Schulte (Hg.), Die Schrift an der Wand. Alexander Kluge: Rohstoffe und Materialien, Osnabrück 2000, S. 241 – 252. 31 Ebd.

Geschichtswahrnehmung und Responsivität

49

Gesehene, die den empfangenen Eindruck in den Fond anderer Sinnesdaten einträgt und von diesem überformt wird. Das bereits Gesehene, Gehörte oder über andere Sinneskanäle Empfangene reguliert den aktuellen Sinneseindruck in eben dem Maße, in dem dieser frühere (vergessene und in unserem inneren Archiv abgelegte) Wahrnehmungen evoziert. Der Eindruck, den wir empfangen, ist zugleich stets auch unser eigener Ausdruck. Hans Belting betont, dass einmal gesehene Bilder »an jeder neuen Wahrnehmung der Welt beteiligt sind, denn die Sinneseindrücke werden von unseren Erinnerungen überlagert, an denen wir sie dann gewollt oder ungewollt messen«.32 Es sind die zu inneren Bildern geronnenen Erfahrungen, die sich im je eigenen Lebenslauf angesammelt haben, und die mit diesen Bildern assoziativ verknüpften Hoffnungen und Desillusionierungen, die wie ein Kompass die Wahrnehmungen lenken und die individuelle Bedeutung, die dem Wahrgenommenen zugemessen wird, ebenso regulieren wie den Ausdruck, der auf die Sinneseindrücke reagiert. »Der Ausdruck«, schreibt Kluge in den Ulmer Dramaturgien, »verdichtet sich nicht materiell im Film selbst, sondern entsteht im Kopf des Zuschauers aus den Bruchstellen zwischen den filmischen Ausdruckselementen. Diese Form von Film rechnet nicht mit dem passiven Zuschauer, ›der nur dasitzen will und gucken‹.«33 Sie rechnet vielmehr mit dem Bedürfnis, in Gesellschaft zu sein, mit jenem von Kluge apostrophierten »Hunger nach Sinn«,34 der sich nur im perzeptiven wie performativen Austausch mit fremder Erfahrung befriedigen kann. Es sind die in den historischen Überlieferungen aufbewahrten Erfahrungen früherer Generationen sowie die nur als Potential existierenden künftigen Erfahrungshorizonte, die im Spinnennetz der Arachne in jedem Augenblick aufs Neue miteinander verwoben werden. Die Gegenwart, der Zeitpunkt, an dem die Verknüpfung stattfindet, bildet gewissermaßen den Gravitationspunkt, an dem sich die Art und Weise der Kombinatorik zwischen den Zeiten entscheidet. Alles geschieht im Modus der Vorläufigkeit und ist einer Heuristik verpflichtet, die nur an Prozessen interessiert ist, nicht aber an fertigen Endprodukten, die einer bereits etablierten Repräsentationslogik, einer ›Logik des Sinns‹ folgen und entsprechend störungsfrei rezipiert werden können. Daher das Fragmentarische und Imperfekte, die prinzipielle Offenheit und Unabgeschlossenheit seiner Arbeiten. Um das Vorstellungsvermögen von Lesern und Zuschauern zu aktivieren, setzt Kluge auf Störmomente, die einem »raschen Verstehen«35 entgegenwirken: die wechsel32 Hans Belting, Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, München 2001, S. 66. 33 Klaus Eder/Alexander Kluge, Ulmer Dramaturgien. Reibungsverluste, München/Wien 1980, S. 16. 34 Kluge, Die Macht der Gefühle, S. 178. 35 »Vorsicht vor zu raschem Verstehen / Talk-Show mit Niklas Luhmann über Unterscheidungsvermögen«, News & Stories (SAT 1), 04. 07. 1994.

50

Christian Schulte

seitige Überkreuzung von Schrift, Ton und Bild sowie die parataktische Anordnung der einzelnen Elemente, die gegenüber dem Diktat einer Dramaturgie weitgehend autonom bleiben. Seine Praxis als Fragensteller in den TV-Sendungen wurde in der Tradition der Mäeutik verortet – jener »Hebammenkunst«,36 die das jeweilige Gegenüber nicht als Empfänger von Botschaften begreift, sondern als eigentätige Instanz, die die empfangenen Impulse spontan mit eigenen Erfahrungen in Beziehung setzt und weiterspinnt. Es geht auch in diesen – zum Teil recht spezialisierten – Sendungen, in denen oft Experten zu ihrem Thema sprechen, weniger um die Vermittlung positiven Wissens über geschichtliche und andere disziplinäre Zusammenhänge, als vielmehr um die Herausbildung eines je individuellen Beziehungssinns, einer »Sinnlichkeit des Zusammenhangs«37 und das heißt nichts anderes als um eine Schulung der Aufmerksamkeit gegenüber dem je eigenen Weltbezug, den je eigenen Ausdrucks- und Handlungspotentialen. Denn die Vorstellungskraft ist ein gegenstrebiges Vermögen, es operiert zum einen rückwärtsgewandt (reproduktiv) und kann vergangene Situationen erinnernd vergegenwärtigen; zum anderen ist sie ein produktives Vermögen, das Gegebenheiten zu überschreiten und künftige Szenarien zu entwerfen vermag. Sie ist einer Logik der Differenz und des Vergleichs verpflichtet, sie schafft einen proportionalen Raum, in dem gegenwärtige Bedrohungen mit historischen Parallelen, komplementären Entwicklungen in ein Verhältnis gebracht und in diesem größeren Maßstab reflektiert werden können. In einer Elmauer Aufzeichnung vom 10. April 2013 gibt Kluge Einblick in die Verknüpfungslogik seines Denkens: »Ich kann nicht an den 30. April denken und nicht zugleich an die Raketenkrise der achtziger Jahre (für mich Jetztzeit, für meine Kinder so fern wie 1945). Und ich muß auch an Syrien, Pakistans politische Mienenfelder und an die Explosion eines indischen Unterseebootes denken, das die Rüstungen im fernen Osten dokumentiert. Kriegspotential jetzt und das Ende des Krieges am 30. April 1945 sind für mich eins.«38

In Nachricht von ruhigen Momenten entwirft Kluge am Beispiel transkribierender Mönche eine – die eigene Arbeit allegorisierende – Phantasie über die Fehlleistungen und glücklichen Funde, die sich in die Abschriften einschreiben und so die Überlieferung um einen unsichtbaren Text der Erfahrung anreichern, der die verschiedensten Zeiten zusammenführt: »Eine Transkription der Texte […] schafft nicht nur Linien zu künftigen neuen Texten. Sie ist auch als Rekonstruktion möglich in Richtung des Paradieses. Der Weg dorthin 36 Kluge, Die Patriotin, S. 329. 37 Kluge, In Gefahr und größter Not, S. 123. 38 Alexander Kluge, 30. April 1945. Der Tag, an dem Hitler sich erschoß und die Westbindung der Deutschen begann, Berlin 2014, S. 295.

Geschichtswahrnehmung und Responsivität

51

führt über Unschärfen. […] Es ist aber auch die Arbeitsanweisung an die Transkribisten aller Länder, welche vom Erdmittelpunkt der Erfahrung vorangetrieben werden: in die Parallelwelt (Heterotopie), in die Vorwelt (die Geschichte) und in die Zukunft (die Welt unserer lebensgierigen Kinder). Für Transkribisten sind alle Bilder Jetztzeit.«39

»Jetztzeit«40 ist bei Walter Benjamin das »Jetzt einer bestimmten Erkennbarkeit«,41 der Augenblick, in dem die Gegenwart mit einer bestimmten, ihr verwandten Vergangenheit in eine einmalige Konjunktion tritt. Ihr Medium ist das »dialektische Bild«,42 in dem sich die Doppelstruktur »unwillkürlicher Erinnerung«43 offenbart. Diesen Augenblick, in dem sich eine Kontraktion der Zeit vollzieht, bezeichnet Kluge als »kristallisierten Augenblick«,44 in dem die Zukunft als Möglichkeitsraum ebenso erfahrbar wird wie die Heterotopie eines »anderen Lebens« in nächster Nähe.45 Dieser Reflexionsraum zieht potentiell alle Zeiten in sich hinein und ermöglicht ein Denken der Kontingenz, der Diskontinuität, das mit dem zwanghaften Kausalismus der einen großen Geschichtserzählung (etwa des klassischen narrativen Kinos) unvereinbar ist. Die Vorstellungskraft ist bei Kluge – ähnlich wie die Jetztzeit-Emphase Benjamins – eng mit dem Kairos verknüpft, jenem Ahnungsvermögen, das Gefährdungen in ihrer Latenzphase erkennen und – zumindest imaginär wie in Kluges zahlreichen Rettungsgeschichten – ihren Auswirkungen zuvorkommen kann. Die Agentur dieses Imaginären ist die Montage, die zwischen Mikro- und Makroebene, zwischen den Intimbereichen und der Weite des Geschichtsraums vermittelt. Als Medium der Überblendung von Faktizität und Wunschökonomie fungiert die Montage bei Kluge zugleich als Statthalter einer zwischen Sympathie und Antipathie, Aktiv-Sein und Passiv-Sein changierenden Responsivität. Sie ist ein Modus der Öffnung für das freie Spiel der Vorstellungskraft, ein Medium der Entgrenzung – nicht nur der verhandelten Stoffe und Sujets, sondern auch der Erfahrungen von Lesern und Zuschauern. Der Schnitt von Bild zu Bild bzw. zwischen den medialen Segmenten markiert in Kluges audiovisuellen Arbeiten 39 Alexander Kluge/Gerhard Richter, Nachricht von ruhigen Momenten, Berlin 2013, S. 90. 40 Walter Benjamin, »Über den Begriff der Geschichte«, in: ders., Gesammelte Schriften I/1, hg. von Rolf Tiedemann/Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt/M. 1974, S. 701, 703 sowie Das Passagen-Werk [Gesammelte Schriften] V/1, S. 577 – 579. Zu Kluges Benjamin-Rezeption vgl. Christian Schulte: »Kairos und Aura. Spuren Benjamins im Werk Alexander Kluges«, in: Detlev Schöttker (Hg.), Schrift Bilder Denken. Walter Benjamin und die Künste, Frankfurt/M. 2004, S. 220 – 233. 41 Benjamin, Das Passagen-Werk, S. 577 – 578. 42 Ebd., S. 592. 43 Benjamin, »Über einige Motive bei Baudelaire«, in: ders., Gesammelte Schriften I/2. Frankfurt/M. 1974, S. 609. 44 Kluge/Richter, Nachricht, S. 94. 45 Vgl. Alexander Kluge, Tür an Tür mit einem anderen Leben. 350 neue Geschichten, Frankfurt/M. 2006.

52

Christian Schulte

gewissermaßen die kleinste kairologische Einheit. In diesem Dazwischen, an der sichtbaren Schnittstelle, wenn das Bild Pause macht, versammeln sich die Ausdruckspotentiale der Zuschauer in eigenen imaginären Bildern, »unsichtbare[n] Bilder[n]«, die zusätzlich um kontingente Reaktionen im Kinosaal (Geräusche, Lachen etc.) angereichert werden, so dass ein komplexes, integrales Bild entsteht, ein Raum der Erfahrung.

Abb. 1: Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit, Regie: Alexander Kluge, DE 1985

»Bild bezeichnet hier nicht einen Substanzbegriff, sondern eine Beziehung. […] Es ist also nicht wesentlich, ob etwas sichtbar oder unsichtbar ist, ob es abgebildet, nur angesehen wird oder unbeachtet bleibt. Vielmehr bezeichnet Bild einen Zusammenhang: die Kategorie der Vollständigkeit, Natürlichkeit, Struktur, Kohärenz.«46

Dieses integrale Bild ist insofern präzise, als es keine Einzelheit unterdrückt und alle von der Leinwand provozierten Ausdrucksformen in sich aufnehmen kann; zugleich ist es prinzipiell unscharf, weil diese Ausdrucksformen nur durch die Lücken, die die Montage lässt, zustande kommen können. Kluges Bildbegriff bezeichnet eine Art Resonanz-Raum, in dem alle situativ gebundenen Perzeptionen und Gefühlsregungen aufeinander reagieren: »Alle Einzelheiten eines Bildes reden miteinander ; sämtliche Bilder eines Bildzusammenhangs sprechen 46 Kluge, In Gefahr und größter Not, S. 153.

Geschichtswahrnehmung und Responsivität

53

miteinander. Sie tun dies lediglich nicht in diskursiven Sprachen.«47 Und an anderer Stelle heißt es mit Blick auf das Wechselspiel zwischen Bild- und Raumwahrnehmung und den emotional-imaginativen Prozessen, die durch den Seh-Akt und die leibliche Präsenz im Kino ausgelöst werden: »Nichts davon ähnelt mehr dem Prinzip des Dialogs, der Entstehung des Gedankens, als diese Wechselbilder, dieser ›innere Film‹: ich spüre etwas, mache mir eine Perspektive, indem ich es vom Standpunkt eines anderen Menschen ansehe, und ich könnte es jetzt (obwohl nur meine Nerven genau sagen können, was ich fühle) sogar Dritten mitteilen.«48

Die in diesen Austauschprozessen wirksamen Unschärferelationen erweitern für Kluge das Vorstellungsvermögen und eröffnen die Möglichkeit, »auf vielfältige Realität«49 zu antworten. Aus diesem Grunde greift er in seinen um Imperfektion bemühten Film- und Fernseharbeiten oft auf formgebende Elemente der frühen Filmgeschichte zurück, die zu den technischen Standards der Gegenwart in deutlichem Kontrast stehen. Diesen Rekurs auf das frühe Kino fasst F. T. Meyer mit folgenden Sätzen zusammen: »Dem ausgefeilten Kino der Neuzeit stellt Kluge das unperfekte Kino der Anfangszeit (Schrifttafeln, grobkörniges Schwarz-Weiß-Material, expressive Lichtführung im verdunkelten Vorführraum, lautes Geräusch des Projektors, unzureichendes Vorführlicht) entgegen. In der Parallelisierung der Phantasien, die Elemente aus dieser Epoche widerspiegelt, zeigt sich, dass die subjektive Gedankenwelt des Individuums für Kluge das elementare, menschliche und daher unvollkommene ›Massenmedium‹ ist, das als autonomes Korrektiv jeder Realitätskonstruktion der technischen Medien fungieren kann.«50

In seinen Frankfurter Poetikvorlesungen hat Kluge die Frage aufgeworfen, wie ein Passagen-Werk des 21. Jahrhunderts aussehen würde und sich damit hypothetisch als Fortsetzer des benjaminschen Geschichtsprojekts angeboten.51 Wenn er seine Arbeiten als Rohstoffe der Erfahrung begreift, deren fragmentarische Formen als Möglichkeitsbedingung partizipativer Aneignung fungieren, so entspricht dies durchaus der Lesart, die Susan Buck-Morss hinsichtlich der Arbeit über die Pariser Passagen des 19. Jahrhunderts nahelegt. Ihr zufolge bilden die von Benjamin aufgehäuften Materialien »nur die eine Hälfte des Textes«. »Der Leser […] soll die andere Hälfte des Bildes selbst beisteuern aus 47 48 49 50

Ebd. Ebd., S. 181. Kluge/Richter, Nachricht, S. 92. F. T. Meyer, Filme über sich selbst. Strategien der Selbstreflexion im dokumentarischen Film, Bielefeld 2005, S. 201. 51 Alexander Kluge, Theorie der Erzählung. Frankfurter Poetikvorlesungen, Berlin 2013.

54

Christian Schulte

dem Fundus der flüchtigen Bilder seiner eigenen Erlebnisse und Erfahrungen.«52 Das dialektische Bild gehört nicht allein zur Ordnung des Textes oder eines audiovisuellen Ereignisses, es vervollständigt sich erst – und stets nur vorläufig – durch den antwortenden Blick seiner Adressaten. Die Motive, die Kluges Autorschaft fundieren und auf die er immer wieder zurückkommt, der Luftangriff auf Halberstadt,53 die Scheidung der Eltern54 etc., werden gewissermaßen dezentriert, in den Geschichtsraum hinein aufgelöst. Die eigenen Erfahrungen werden in Gesellschaft gebracht mit den Erfahrungen anderer, Privates wird auf der Ebene der allgemeinen Geschichte verhandelt, und offizielle Geschichtsbilder werden umgekehrt durch die Kontrastierung mit Individualerfahrungen relativiert. Auf dieser Folie ist die Arbeit an der Geschichte immer zugleich als kollektives und zeitenübergreifendes Projekt konzipiert.

Abb. 2: Befreiung des Mammuts aus dem Eis der Geschichte (Abschied von gestern, Regie: Alexander Kluge, DE 1966)

Im Buch zum Film Die Macht der Gefühle gibt es den Text »Die Vergessliche«, in dem das Gespräch zwischen einer Kammersängerin und einer Reporterin enthalten ist. Dort heißt es: »K: Und wer lebt in Ihnen? Ein verstorbener Schriftsteller? R: Wie meinen Sie das? K: Wenn nicht einer in Ihnen lebt, dann sind Sie so gut wie nicht da.«55

Die Passage macht deutlich, in welchem Maße Menschen für Kluge von ihrer Vergangenheit abhängig sind. Sie bedürfen der Gesellschaft anderer, um ein 52 Susan Buck-Morss, Dialektik des Sehens. Walter Benjamin und das Passagen-Werk, Frankfurt/M. 2000, S. 352. 53 Alexander Kluge, Chronik der Gefühle, Bd. II, Frankfurt/M. 2004, S. 27 – 82. 54 Kluge, »Mein wahres Motiv«, in: ders., Tür an Tür, S. 594 – 597. 55 Kluge, Die Macht der Gefühle, S. 204.

Geschichtswahrnehmung und Responsivität

55

Abb. 3: »Organisiertes Glück«, News & Stories, 19. 09. 1994

Bewusstsein ihrer selbst zu entwickeln, und genau diese Funktion hat die Erinnerung. Robinson Crusoe überlebt auf seiner Insel nur, weil er die Erfahrung von Groß-London mit sich herum trägt. Diese Art Dialog mit der eigenen Vorgeschichte führt Kluge exemplarisch vor, indem er Photographien des Elternhauses, des Vaters, der Mutter und seiner Schwester in verschiedenen Filmen deponiert, einzelnen Familienmitgliedern ganze Geschichten widmet oder ein vielfach verwendetes Bildmotiv mit der Unterschrift versieht: »Meine Großeltern mütterlicherseits waren einfache Bauern.«56 Auch wenn er die Putzfrau seines Vaters, Anna Wilde, neben Kleist und Fontane zur Titelheldin eines Buches macht,57 verweist er auf denselben kommunikativen Zusammenhang wie mit der Anrufung kooperativen Arbeitens bei Filmproduktionen oder der Beteuerung, dass auch die Praxis des Schriftstellers keine einsame Tätigkeit sei, sondern sich stets im realen und imaginären Dialog mit anderen – toten wie lebenden – Autoren (von Ovid über Montaigne bis zu Adorno, Heiner Müller und Oskar Negt) abspiele: »Es ist eine Täuschung, dass ich Literatur alleine schreibe, die schreibe ich auch in Gesellschaft, nur ist die meist tot. Kooperation, eine natürliche menschliche Verhaltensweise, war bei uns immer Ausgangspunkt. Dafür braucht man keine Satzung. Die Sinne kooperieren, also das Ohr, das Auge, die Haut usw. und die Menschen machen das natürlich auch.«58

Die selbstregulativen Kooperationsweisen der menschlichen Sinne werden hier zum Maßstab von Sozialität und kollektiver Autorschaft erhoben. Gelingende 56 Alexander Kluge, Die Patriotin, Frankfurt/M. 1979, S. 429. 57 Alexander Kluge, Theodor Fontane, Heinrich von Kleist und Anna Wilde. Zur Grammatik der Zeit, Berlin 1987. 58 »Alexander Kluge im Gespräch mit Michaela Meli‚n«, in: Michaela Meli‚n, Rückspiegel, Leipzig 2009, S. 57.

56

Christian Schulte

Abb. 4 und 5: Abschied von gestern

Kooperation wäre gleichbedeutend mit der Herstellung einer Öffentlichkeit, in der keine substantielle Erfahrung ausgegrenzt würde, in der die Gefühle sich in freier Assoziation empathisch aufeinander beziehen könnten. In einer derart partizipativen Öffentlichkeit wäre, so Kluge, auch eine Politik denkbar, »die stark genug wäre, Kriege zu verhindern, einen Faschismus, nicht nachdem er gewütet hat, sondern bevor er sich entwickelt, zu verhindern«. Eine solche Politik müsste aber »im Besitz aller Gefühle« sein:

Geschichtswahrnehmung und Responsivität

57

Abb. 6: »Meine Großeltern mütterlicherseits …«, in: Die Patriotin Abb. 7: Die Macht der Gefühle

»Fehlt ihr auch nur eines, so hat sie da ihre Achillesferse. Wir müssen also die Gefühle aus ihrer babylonischen Gefangenschaft herauslösen. Aus ihrem Ursprungsland verjagt, sind die Gefühle Verräter geworden. Sie irren sich und haben bestimmte Blindheit aquiriert, die sie von Haus aus nicht haben.«59

Kluge betont immer wieder die Gefahr, dass sich die Gefühle, die sich mit dem Realitätsprinzip verschwistert haben, ohnmächtig glauben gegenüber der Übermacht des Faktischen und sich wie das »Fühlhorn der Schnecke«60 entmutigt in sich selbst – und das heißt: in die Gleichgültigkeit – zurückziehen. Er fahndet in seinen Arbeiten daher nach Möglichkeitsbedingungen für ein Selbstbewusstsein der Gefühle und findet einen Lösungsansatz in kooperativen Formen der Auseinandersetzung mit den geschichtlich gewordenen Einteilungen der bürgerlichen Gesellschaft, die sich als bürokratischer »Blockierungszusammenhang«61 jeder freien Assoziation entgegenstellen. »Wie assoziativ müssen menschliche Kräfte sein, damit ein David entsteht, imstande, dem Monstrum Realität ins Auge zu schießen.«62 Diese im Buch zum Film Die Patriotin aufgeworfene Frage zielt auf eine Transzendierung der reinen Gegenwart, auf die Indienstnahme der Erinnerung ebenso wie der Möglichkeits- und der Wunschform – jener Vermögen also, die der Akzeleration des Faktischen in den Zeitmaßen des Eigensinns (= mit eigenem Sinn) begegnen. In Kluges Geschichts-Metapher sind es die Schicksalsförmigkeit der realen Verhältnisse und der »falsche Glaube« an den status quo, die das Reale als »Monstrum« erscheinen 59 Kluge, Die Macht der Gefühle, S. 183. 60 Max Horkheimer/Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, in: Theodor W. Adorno, Gesammelte Schriften 3, hg. von Rolf Tiedemann, Frankfurt/M. 1984, S. 295. 61 Oskar Negt/Alexander Kluge, Öffentlichkeit und Erfahrung. Zur Organisationsanalyse von bürgerlicher und proletarischer Öffentlichkeit, Frankfurt/M. 1972, S. 10. 62 Kluge, Die Patriotin, S. 7.

58

Christian Schulte

lassen. Diese Metapher mobilisiert einen Sinn für die unabgegoltenen Potentiale der Geschichte, die verpassten Chancen, die gescheiterten Aufbrüche, die Wünsche, die ohne Response geblieben sind; als könnten alle »UnglücklichToten«63 der Geschichte sich zu einem Chor assoziieren und – wie das Knie des Obergefreiten Wieland – in der Gegenwart ihren Protest artikulieren. Diese Idee einer »Heimholung aller« (»apocatastasis panton«)64 steht gewissermaßen als utopische Chiffre für den Intensitätsgrad des Wünschens in Kluges Erzähluniversum. Ganz im Sinne der »Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen«65 ist in dieser Fiktion alles gleich gegenwärtig, so als könnte man – wie mit einer Zeitmaschine – auch in umgekehrter Richtung historisch zurückliegenden Ereignissen als Zeuge beiwohnen und post festum in abgeschlossene Geschehenszusammenhänge eingreifen und so – wie etwa in Kluges »Kommentar zu Anna Karenina«66 die Heldin gerettet wird – dramatische Entwicklungen entschärfen. Die Zukunft wird hier als Möglichkeitshorizont zur Aktualisierung vergessener Potentiale aufgefasst, der das Studium der Vergangenheit – etwa die archäologische Arbeit Gabi Teicherts – gewidmet ist. Die Erinnerung und eine Politik der Gefühle,67 des Wünschens avancieren bei Kluge zu Möglichkeitsbedingungen künftiger Emanzipation. Im Akt des Wünschens konzentrieren sich die erfolglosen Anstrengungen der Vergangenheit – die »lost causes«68 – zu einer Kraftquelle, an der sich das Vorstellungsvermögen stärken kann.69 »Die Gefühle«, sagt Kluge, »betreiben eine Massenproduktion von Unterscheidungsvermögen, und ein solches Unterscheidungsvermögen würde niemals nach Stalingrad führen«.70 Die Schlacht von Stalingrad gehört für Kluge zu den Menetekeln des 20. Jahrhunderts, jenen »Schriften an der Wand«, die entziffert werden müssen, wenn sie sich nicht wiederholen sollen. In seinem mehrfach überarbeiteten Buch Schlachtbeschreibung71 wirft Kluge die Frage auf, 63 Ebd., S. 254. 64 Ebd. 65 Vgl. Ernst Bloch, Erbschaft dieser Zeit. Erweiterte Ausgabe [Gesamtausgabe, Bd. 4], Frankfurt/M. 1977, S. 105 – 125. 66 Kluge, Chronik der Gefühle, Bd. I, S. 27 – 28. 67 Vgl. Christian Schulte, »Politik der Gefühle – Zur (Film-)Poetik Alexander Kluges«, in: Aylin Basaran etc. (Hg.), Zooming in and out. Produktionen des Politischen im neueren deutschsprachigen Dokumentarfilm, Wien 2013, S. 105 – 118. 68 Kracauer, Geschichte, S. 218. 69 In Kluges Film Gelegenheitsarbeit einer Sklavin (BRD 1973) wird eine ähnliche Übertragung behauptet, wenn Kluge aus dem Off die Großaufnahme Roswitha Bronskis (Alexandra Kluge) mit den Worten kommentiert: »Roswitha spürt in sich eine ungeheure Kraft, aber sie weiß aus Filmen, dass es diese Kraft auch wirklich gibt.« 70 Kluge, Die Macht der Gefühle, S. 183 [Umstellung d. Verf.]. 71 Vgl. dazu Harro Müller, »Alexander Kluges analytischer Realismus – Stichworte zu Schlachtbeschreibung«, in: ders., Giftpfeile. Zu Theorie und Literatur der Moderne, Bielefeld 1994, S. 221 – 232; Winfried Siebers, »Was zwei Augen nicht sehen können. Wahrneh-

Geschichtswahrnehmung und Responsivität

59

was »300.000 Mann« veranlasst hat, »in die Steppen Südrußlands« zu marschieren, »in eine Weltgegend, an ein Flussufer, an dem keiner dieser Menschen irgendetwas zu suchen hatte«. Die Offiziere, so Kluges Befund, die glaubten, die 6. Armee wie eine »Maschine«, ein »Instrument« von oben führen zu können, hätten die Macht dazu nicht gehabt: »Vielmehr sind es Arbeitskraft, Hoffnungen, Vertrauen, der unabweisbare Wille, in der Nähe des Realitätssinns zu bleiben – einmal durch die Mangel von 800 Jahren Vorgeschichte gedreht –, vor allem: in Gesellschaft zu verharren […]. Dies ist organisatorischer Aufbau eines Unglücks. Es baut sich quasi fabrikmäßig, in den Formen der Staatsanstalt auf; die menschlichen Reaktionen darauf bleiben privat. Sie addieren sich nicht fabrikmäßig.«72

Diese »Gewalt des Zusammenhangs«,73 die grundsätzliche Asymmetrie zwischen der systemischen Eigenlogik des Unglücks, dessen abstrakte Komplexität die Wahrnehmungsfähigkeit eines Einzelnen überstieg, und der sprachlosen Ohnmacht der in die ausweglose Lage des Kessels geratenen Menschen motivierte Kluge, die Archiv-Dokumente – »Berichte von Rückkehrern; privat zur Verfügung gestellte Befragungen; Funksprüche und Aktenunterlagen«74 – auszuwerten und literarisch zu bearbeiten. Seine Geschichts-Montage zerlegt das Ereignis in seine Proportionen, in eine vielstimmige Struktur verschiedener Sprechweisen und individueller Perspektiven (der Ärzte, der Militärgeistlichen, der Vertreter der »höheren Führung« – sowie der »pressemäßigen Behandlung« durch die Propaganda-Abteilung), in der jede Spur eines kohärenten point of view getilgt ist. Aus realen und erfundenen Dokumenten, Momentaufnahmen und Kommentaren wird Stalingrad als eine Verkettung von Ereignissen (re)konstruiert, in der die unterschiedlichsten Kausalketten zusammentreffen. Kluges Montage erzählt indirekt eine »Gegengeschichte«75 von unten, öffnet sich zu den einzelmenschlichen Erfahrungen hin, die im kollektiven Maßstab enteignet wurden und in den Dokumenten keine eigene Stimme haben. Indem er diese Ellipsen im Text des Wirklichen in den Blick nimmt und – notwendigerweise mit Mitteln der Fiktion – dokumentiert, konstituiert er Stalingrad als »Nachricht«, als Modell einer Antwort, die nach weiteren Antworten fragt: »Das Schlimmste

72 73 74 75

mungsweisen, Möglichkeitssinn und dokumentarisches Schreiben in Alexander Kluges Schlachtbeschreibung«, in: Christian Schulte (Hg.), Die Schrift an der Wand. Alexander Kluge: Rohstoffe und Materialien, Osnabrück 1999, S. 155 – 174; und ausführlich: Kai Lars Fischer, Geschichtsmontagen. Zum Zusammenhang von Geschichtskonzeption und TextModell bei Walter Benjamin und Alexander Kluge, Hildesheim etc. 2013. Kluge, Chronik der Gefühle, Bd. I, S. 514. Negt/Kluge, Geschichte und Eigensinn, S. 771. Kluge, Chronik der Gefühle, Bd. I, S. 987. Kluge, In Gefahr und größter Not, S. 134.

60

Christian Schulte

an einem Unglück ist, dass es die Nachricht ohne Botschaft mit sich nimmt. ›Nachrichtenlose Tatsachen‹.«76 Kluges Bücher, Filme und Fernseharbeiten lassen sich als Sammlungen solcher Nachrichten begreifen. Sie erschöpfen sich nicht in der faktographischen Aufarbeitung dessen, was der Fall war – sie sind vielmehr eine Form der Respondenz, die der Realgeschichte und ihren medialen Repräsentationen retroaktiv jenen Möglichkeitssinn appliziert, der dem Faktischen seine Überredungskraft aberkennt und seine Verkleidungen – das Schicksal, die Tragik – sukzessive abbaut und so lange variierend durchspielt, bis sich neue, unerwartete Optionen ergeben. In Bezug auf seine Auseinandersetzung mit der Oper zielt diese Respondenz auf die »Abrüstung des tragischen Geschehens«,77 die Enddramatisierung der 5. Akte, etwa in einem imaginären Bündnis mit »Pierre Boulez: ›So lange zu experimentieren durch immer erneute Variationen der Opernhandlung, bis sich aus dem Labyrinth der tragischen Wiederholung Auswege ergeben: tragisches Geschehen mit glu¨ cklichem Ausgang, wie sie uns die Odyssee vorfu¨ hrt.‹«78 Diesem Ziel ist auch Xaver Holtzmanns Projekt eines »Imaginären Opernführers« verpflichtet, das Kluge in den Nachweisen zur Chronik der Gefühle stenogrammartig zusammenfasst und das als exemplarisch für seine Poetik gelten kann: »Ein Opernfu¨hrer enthält Inhaltsangaben und Beschreibungen zu einigen hundert bekannten Opern. Tatsächlich gibt es aus den 350 Jahren der Operngeschichte etwa 80000 Opern; sie sind nicht dokumentiert. Zu Xaver Holtzmanns Gru¨ ndlichkeit gehört es, daß auch die unbekannten Opern in einem Opernfu¨ hrer zusammengefaßt werden. Ein IMAGINÄRER OPERNFÜHRER wird daraus, wenn außerdem Opern, die es nicht gibt, die es aber geben sollte, so aufgefu¨ hrt werden, als gäbe es sie. Ähnlich einem Imaginären Romanfu¨ hrer oder einem Imaginären Filmfu¨ hrer. Die nicht geschriebenen Romane kritisieren die Romane, das nicht Gefilmte kritisiert das Verfilmte, das ›Unerhörte‹ kritisiert das Gehörte (X. Holtzmann).«79

Um sein Projekt einer Mikrogeschichte aus der Perspektive der Wünsche zu beschreiben, zieht Kluge nicht nur enzyklopädische Sammelwerke zum Vergleich heran, er bemüht auch Archivmetaphern: »Es geht mir darum, Gefäße, Kisten, Röhren, Ampullen in einem Archiv bereitzustellen, in denen man Erfahrung aufbewahren und prüfen kann.«80 Eine Archivarbeit mit künstlerischen,

76 77 78 79 80

Kluge, Chronik der Gefühle, Bd. I, S. 988. Kluge, Chronik der Gefühle, Bd. I, S. 841. Ebd., S. 838. Ebd., S. 989. »Erzählen ist die Darstellung von Differenzen. Alexander Kluge im Gespräch mit Jochen Rack«, in: Neue Rundschau, 1 (2001), S. 75; und an anderer Stelle heißt es: »ich glaube, dass

Geschichtswahrnehmung und Responsivität

61

experimentellen Mitteln, wie sie hier angesprochen ist, hat mit verwaltender Inventarisierung nichts mehr gemein, im Gegenteil: Sie greift in das Material, mit dem sie umgeht, in die geschichtliche Erfahrung, selber verändernd ein und macht sie dergestalt zum Zeugnis lebendiger Aneignung, d. h. zum Modell ihrer eigenen Tradierbarkeit. Ein Archiv der lebendigen Arbeit kann aber nur existieren, wenn dieses Archiv selbst lebendig ist, sich im Fluss befindet. Wenn seine Arbeitsweise in demselben Maße exponiert wird wie seine Inhalte, wenn der Nutzer des Archivs zugleich sein Produzent wäre – eben jemand, der antwortet: dann enthielte ein solches Archiv möglicherweise, wie es in Kluges neuem Buch 30. April 1945 heißt, den »Rohstoff für ein HANDBUCH DER EMANZIPATION«.81

die Moralität Gefäße, Spiegel, Kisten, Fässer braucht, etwas, an dem sie ihr Unterscheidungsvermögen immer wieder übt.« Kluge, Verdeckte Ermittlung, S. 48. 81 Die vollständige Passage lautet: »Könnte man alle Erfahrungen unserer toten Genossen und der hier anwesenden Lebenden, also die Erfahrung aller Arbeiterkämpfe, zusammenfassen – wäre das die NEUE ENZYKLOPÄDIE? Oder der Rohstoff für ein HANDBUCH DER EMANZIPATION?« Kluge, 30. April 1945, S. 176.

Stefanie Harris

On Some Obstinate Images In order to avoid the necessity of explaining to all comers what my carriage was for, I had made Sparling paint on it, »Photographic Van.« While developing a picture, a conversation went on outside which I give as a specimen of many similar ones: »Eh, Jem, what’s that, P.H.O. to graph. Is that anything to do with the [telegraph] line?« »No, they say there’s a chap in there taking pictures.« »Is there? Then he shall take mine.« Roger Fenton, in a letter from the Crimea, March 18551

About a third of the way through Oskar Negt and Alexander Kluge’s Geschichte und Eigensinn (1981), we encounter two nineteenth-century photographs of portable photographic darkrooms.2 Small covered wagons drawn by horses in the midst of unforgiving landscapes, the images draw us in to the advent of professional photography and gesture already toward the collective commercial, industrial, and national interests which it documents and by which it has always been defined and set to work. The first photograph belongs to Roger Fenton (1819 – 1869), a co-founder of the Photographic Society in London, and one of the earliest photo-reporters and war photographers. In 1855, Fenton’s publisher, Thomas Agnew & Sons, financed a three-month expedition to the Crimea, with the intention of marketing Fenton’s photographs to a public grown increasingly interested in photography, generally, and exotic scenes, more specifically. Fenton brought back over 350 images, many of which soon appeared in a large folio edition that included salted-paper and albumen prints, each pasted in by hand.3 There are no battle scenes to be found amongst Fenton’s images—photographic 1 Helmut and Alison Gernsheim, Roger Fenton Photographer of the Crimean War: His Photographs and His Letters from The Crimea, London 1954, p. 52. 2 Oskar Negt/Alexander Kluge, Geschichte und Eigensinn, Frankfurt/M. 1981, pp. 464 – 465. 3 The full title of Fenton’s book is, Photographs Taken Under the Patronage of Her Majesty the Queen in the Crimeea by Roger Fenton Esq. The lavish portfolio bound in red leather sold for a price of 60 golden guineas. Fenton was not the only photographer to record the war in the Crimea; however, his work was the only to be published in such extravagant style. His commercial acumen may be the reason why his name (and not others) is most often given as the inventor of war photography. See Martin Parr/Gerry Badger, The Photobook: A History. Volume I, London 2004, pp. 36, 43.

64

Stefanie Harris

technology would not catch up until World War I—but instead a range of portraits of the higher military ranks, life at camp, and the empty landscapes of war and its aftermath. Most famously, Fenton returned with two images of a ravine (the so-called »Valley of the Shadow of Death«), both with and without cannonballs strewn on the road, that have prompted a century of scholars to reflect on the integrity of photographic truth.4 Although the direct printing of photographs in illustrated journals was not yet possible, Fenton’s images served as the basis for woodcuts that first appeared in the London Illustrated News (one of the earliest illustrated journals, founded in 1842), and later circulated in other illustrated papers throughout Europe and in the United States.5 The Crimean War was thus the first war in which visual and printed information was devoured by the public through the illustrated press. From this collection of images, Negt and Kluge reproduce Fenton’s photograph of his assistant, Michael Sparling, sitting atop the photographic van that served as both portable darkroom and living quarters (see fig. 1). In his letters from the trip, Fenton writes of the extreme difficulty of preparing the photographic plates, exposing them in the camera, and immediately developing them on-site, detailing the complexity of his craft, even as he is mindful of creating the types of images that will render the project a commercial success. But his anecdote of the men who disturb his work in the van reveals the split that will soon drive Fenton from his profession—a commodification of the image that alienates him from his own work. Fenton resists his portrayal as a cheap industrial photographer for hire, taking the picture of anyone who bangs on his door, even as his would-be customers link the photographic camera to the telegraph and other communications technologies rapidly altering the industrial and social landscape.6 In the short decade of Fenton’s career (1852 – 1860), photography transitions from a handcrafted technique to industrialized production. The intensifying commercialization is driven by the mass production of photographic images and the craze for small cartes-de-visite portraits by the early 1860s, just one aspect of the many ways in which, as Alan Sekula has argued, »photography is fundamentally related in its normative way of depicting the world to an epistemology and aesthetics that are intrinsic to a system of com-

4 For a fascinating analysis of the images and how those cannonballs came to be on the road and in Fenton’s photograph, see Errol Morris, Believing is Seeing (Observations on the Mysteries of Photography), New York 2011, pp. 3 – 71. 5 Bodo von Dewitz (ed.), Kiosk. Eine Geschichte der Fotoreportage 1839 – 1973, Göttingen 2001, pp. 22, 29. 6 Fenton’s retirement from photography is thought to have been occasioned at least in part by the low status afforded photography in the 1862 International Exhibition in London, where they were classified with »Machinery.« See Gernsheim, Roger Fenton, p. 31.

On Some Obstinate Images

65

Fig. 1.

modity exchange«7—and although this essay will not be a story of origins, Fenton’s image of the van and his assistant staring into the camera seem almost to mark for us this transition that is documented in all of the many photographs and their modes of circulation that punctuate Negt and Kluge’s text. Fenton’s van and the image of the photographer at work are just one example of »Intelligenzproduktion« as »Öffentlichkeitsproduktion,«8 appearing amidst a discussion of the forms of living and dead labor present in the act of intellectual 7 Alan Sekula, »The Traffic in Photographs,« in: Art Journal 41.1 (1981), p. 22. 8 Negt/Kluge, Geschichte, p. 430.

66

Stefanie Harris

work. By examining here some of the earliest published photographs that Negt and Kluge chose to include in Geschichte und Eigensinn, I will argue that they present photography as a specific, perhaps even unique, form of work, through multiple photographs that reference the work of photography and its emergence and proliferation within the context of a developing capitalist world order, even as the photographs presented as images in series serve as potential sites of resistance. The unique formal qualities of Geschichte und Eigensinn, and indeed much of Kluge’s literary prose, are in part the result of the heterogeneous textual and visual elements from which they are composed: sketches, maps, diagrams, paintings, graphs, tables, and yes, photographs. In the unique play of these elements, we find a destabilization of the categories of fact and fiction, image and text, anecdote and narration, and the rejection of normative and totalizing systems more generally. Or, as Fredric Jameson already noted, the novelty of Negt and Kluge’s project produces »a discursive space of a new type.«9 I will not trod this familiar ground here, in a comparison of the formal construction of the text to the ideas that it rehearses and performs. Rather, in this essay, I am interested in the much smaller task of performing a kind of archaeology of some of the specific photographs that Negt and Kluge selected to punctuate the pages of their massive work, and to ask why these photographs are here and how the redundancies in the images and their repetitive accumulation construct a reserve of progressive potential. To investigate this question is always to ask, are photographs employed by the authors because of what they show? Or, because of what they are? Negt and Kluge’s work reminds us that these two questions can never be distinguished and that the two realms are not mutually exclusive. In Geschichte und Eigensinn, Negt and Kluge include a selection of highly recognizable, arguably iconic, photographic images, including a selection of the first photographs to be printed in mass-circulation illustrated journals by some of the most famous photographers of the nineteenth-century. In addition to Fenton’s photograph, the reader finds photographs by Robert Howlett (1831 – 1858), Alexander Gardner (1821 – 1882), and Timothy H. O’Sullivan (1840 – 1882), all photographers whose work appeared as some of the first mass-circulated photographs (both in large folio editions and as woodcuts in the earliest illustrated newspapers), even before the press photographer as such was institutionalized in the late 1890s with the founding of photo agencies and the advent of the half-tone process and the direct printing of photographs in books and the illustrated press. This is in distinction to the photographic images that more typically populate Kluge’s literary texts, which as Thomas von Steinaecker has pointed out, are often of anonymous subjects or non-dramatic, banal scenes 9 Fredric Jameson, »On Negt and Kluge,« in: October 46 (1988), p. 157.

On Some Obstinate Images

67

produced by unnamed photographers.10 Fenton (Crimean War) and Gardner and O’Sullivan (American Civil War) count among the earliest war photographers, whose work continues to inspire and provoke over a century later. Howlett was one of the first successful professional photographers, with an established commercial studio in the 1850s; he is most well-known for his series of photographs of the construction and launch of the biggest ship built in the nineteenth century. Three types of images, and their imbrication, will interest us here: photographs depicting labor power [Arbeitskraft] in industry and in war, and the work of the photographer in the creation and construction of these images. Although we may be tempted to view these photos as documents of history—Geschichte—Negt and Kluge’s shrewd arrangements of images continuously remind us that »[h]istories are not backdrops to set off the performance of images. They are scored into the paltry paper signs, in what they do and do not do, in what they encompass and exclude, in the ways they open on to or resist a repertoire of uses in which they can be meaningful and productive. Photographs are never ›evidence‹ of history ; they are themselves the historical.«11

Negt and Kluge’s appropriation of photography in Geschichte und Eigensinn runs counter to the aestheticization of photographic images that accompanied the influx of art historians into the discourse of photography in the 1980s and the reassignment of the plural functions of photography into a singular category of autonomous modernist art that would claim artistic autonomy and medium specificity for photography. The institutionalization and aestheticization of photography in this decade can be linked to a variety forces, including the inclusion of photographs in art museum collections, the widespread appearance of photographs on the international art market, and the supplanting of photojournalism through the rise of television and electronic media. Further, Negt and Kluge’s photographic practice offers an instructive counterpoint to the photographic narrative of loss and mourning offered by Roland Barthes or the realist position that the photograph is co-natural with its referent, theories of photography that suggest a coincidence of realistic signs with their own significance and, to varying degrees, deny (or at least ignore) the historical and social conditions of photographic production.12 Instead, in Negt and Kluge’s text the

10 Thomas von Steinaecker, Literarische Foto-Texte. Zur Funktion der Fotografien in den Texten Rolf Dieter Brinkmanns, Alexander Kluges and W. G. Sebalds, Bielefeld 2007, p. 246. 11 John Tagg, »Evidence, Truth and Order : Photographic records and the growth of the state,« in: Liz Wells (ed.), The Photography Reader, London 2003, p. 260. 12 The roundtable discussions of a recent international conference of leading theorists of photography reveal that the group still found it necessary to spend its greatest amount of attention on the question of whether a photograph is or is not an »index« in the semiotic

68

Stefanie Harris

function of photography is presented in the system of capitalist commodity exchange, especially through the illustrated press, and the material or physical quality of the photograph is de-emphasized in favor of how the photograph both records and serves to reinforce capitalist power structures, as well as how developments in photographic technology coincide with the rise of industrial capitalism.13 As developments in photographic and print technologies permitted the distribution of high-quality photographs in high circulation numbers, massproduced photographs are an integral part of the new consciousness industry. If, from its inception, the constitutive aspect of photography was not the mimetic copy of reality but the reproduction of the image (Hubert Damisch reminds us of the early obsolescence of Daguerre’s craft),14 then photography’s contribution is not (or, not only) on the order of the mimetic link between the image and its referent but rather on the processes of its production, circulation, and consumption. This attending to the process (and not just the product) of photography is underscored through Negt and Kluge’s frequent inclusion of images of unnamed photographers at work, including the last image in Geschichte und Eigensinn. Photography is thus posited as a form of labor. This is an important point because it further critiques the idea of the photographer as modernist artist, a somehow privileged figure and bearer of an autonomy that is systematically denied others. Neither the photographer nor the photograph holds a privileged position outside social and economic relations, even as the photograph may function beyond its restricted definition as commodity. This expansion of the work of the photographer permits us to focus our attention, as Christopher Pavsek has argued, »on those aspects of labor power which escape determination by the economic« and »the resistance which labor power exerts against its reductive constitution as commodity.«15 Negt and Kluge’s use of photographs in series—whether as a series of different images within a particular work or the reproduction of the same image in series across texts of their own composition and by others—may be another way for us to understand the category of relationality that serves as an organizing principle of the work: taxonomy established by Charles S. Peirce. See James Elkins (ed.), Photography Theory (The Art Seminar), New York 2007. 13 This is evidenced by the high circulation numbers for the illustrated press in Germany alone: by 1930, circulation for all illustrated magazines was approximately 5,000,000, which translates to something on the order of 20,000,000 readers, or almost 50 % of the German population above the age of ten. See Tim N. Gidal, Deutschland – Beginn des modernen Photojournalismus, Luzern 1972, p. 20. 14 Hubert Damisch, »Five Notes For a Phenomenology of the Photographic Image,« in: Liz Wells (ed.), The Photography Reader, London 2003, pp. 87 – 89. 15 Christopher Pavsek, »History and Obstinacy : Negt and Kluge’s Redemption of Labor,« in: New German Critique 68 (1996), p. 147.

On Some Obstinate Images

69

»Aus dem Umgang mit dem Stoff ist eine Massierung entstanden. Mehrfach haben wir überlegt, ob wir, statt ein Buch zu schreiben, den Stoff auf mehrere Bücher verteilen. Dagegen spricht das Hauptinteresse unseres Buches: Die Kategorie des Zusammenhangs. Wir vertrauen also auf eine entspannte Aufmerksamkeit des Lesers.«16

I intentionally privilege the word series over montage in order to highlight a different temporal mechanic at work in the project and the open-endedness of the project across works, which constantly generates new relations as images (and prose excerpts, as well) are reproduced in multiple iterations: »In unserem Buch machen wir von einer Arbeitsform Gebrauch, die lebendige Verhältnisse, als wären es Dinge, nebeneinanderlegt, auseinanderlegt, versammelt, in der Verstreuung verfolgt, ausprobiert.«17

In a similar vein, Vil¦m Flusser, a self-styled »philosopher« of photography whose media theory is one of the most complementary to the imperative for the creation of a public sphere, has argued: »It is no exaggeration to say that we know and experience the world, and that we act in it, within the structures that are imposed on us by the codes that inform us. […] Our ›being-in-the-world‹ can be changed, if the structure of our codes is changed, and this is important not only for the understanding of our situation, but also for any effort to change it.«18

The indeterminate logic of seriality engenders relationships in a way that a single image, or even a unified work or closed collection (Negt and Kluge call Geschichte und Eigensinn a »Fragment«),19 does not and can not. Photographic seriality thus serves as a potential resistance to totalizing cultures of communication and commodification—and therein lies the potential Eigensinn of the image.20 If we take up the authors’ challenge to construct our own connections among the material presented in their project, we might consider the multiple images of industrial innovation (and destruction) found throughout the work. I will highlight three. One of the most striking images that appears in Geschichte und Eigensinn is Robert Howlett’s photograph from 1857 of the engineer Isambard Kingdom Brunel, chief designer of the »Great Eastern«, at over 22,000 tons the largest ship built in the nineteenth century (see fig. 2). The photographic por16 Negt/Kluge, Geschichte, p. 5. 17 Ibid., p. 222. 18 Vil¦m Flusser, »On the Theory of Communication«, in: Andreas Ströhl (ed.), Writings, Minneapolis 2002, p. 16. 19 Negt/Kluge, Geschichte, p. 1283. 20 For an extended analysis of the use of sequence, seriality and repetition in photographic projects in East and West Germany during the Cold War era, see Sarah E. James, Common Ground: German Photographic Cultures Across the Iron Curtain, New Haven 2013.

70

Stefanie Harris

Fig. 2.

trait of Brunel is one of a series of images commissioned by The London Illustrated Times to document the construction and launching of the ship, and Howlett’s series is one of the first photographic reports to be published in the press. If Fenton’s photograph signals the role war photography will play in the rapidly expanding media environment, then Howlett’s photo documents one of the earliest incidences of the social workings of photography in the industrial environment, and the role of photography and mass communication in the developing capitalist world order. Indeed investors are said to have sold tickets to the launch with thousands attending. The image of Brunel first appeared as a woodcut print in The London Illustrated Times in January 1858 and was reprinted throughout the European and American press. The photographic technology employed the then new wet-collodian process, which with its more clearly defined negatives and faster exposure, combined the precision of the daguerreotype with the reproducibility of the calotype; the newest photographic techniques converge in the creation of an image of the high tech ship. The portrait of the engineer is unusual because although the subject adopts a traditional pose, the photograph has been taken outside and without the classical backdrop that had become a standard part of the framing device of studio portraiture—instead Brunel leans against the enormous chains of the ship which would have been used to moor it in place. Although dressed in a suit and hat, the photo captures the dirt on Brunel’s trousers and shoes and a general

On Some Obstinate Images

71

casual regard with his wrinkled appearance. The image concludes the last regular chapter of Part I of Geschichte und Eigensinn on the historical organization of labor capacities, and is captioned by Negt and Kluge: »Der Unternehmer Isambard Kingdom Brunel vor der Ankerkette des von ihm konstruierten Schaufelraddampfers ›The Leviathan‹. Es ist das damals größte Schiff dieses Typs.«21 The »Great Eastern« (»Leviathan« was one nickname with which the ship was dubbed) stands in for the ongoing transformation of the capitalist industrial economy with new materials, new sources of energy, and new technologies. As an emblematic image of the technological enthusiasm of the early nineteenth century, Howlett’s photographic series proudly heralded a new age, and was often reprinted as a kind of synecdoche for technological progress. What, however, of the individual labor that built the ship, and that would have hauled the many thousands of tons of coal that would permit trans-Atlantic travel? Tellingly, among the images depicting the construction of the ship there are few workers to be found in Howlett’s prints; instead they infrequently appear as small, blurred figures in the background. As the process of separation [Trennung] is repeated at ever greater scale, new social relationships are created while others are made obsolete and meaningless in the new context: »Menschen entwickeln sich langsam und sorgsam, aber nicht langsam und sorgsam genug. Das Kernproblem selbsttätiger Steuerung in den Kreisläufen der Arbeitsvermögen liegt darin, die Übereilungen und daraus folgenden Kosten im ursprünglichen Schub der enormen Potentialisierung wiedergutzumachen und die frühen Prozesse mit ausreichender Zeitreserve nachzuholen.«22

The visual juxtaposition of the giant links of the anchoring chains and the human figure highlight this disconnect between the body and the machine. We find a similar juxtaposition of body and machine in a double-page photograph (one of only three enlarged in Geschichte und Eigensinn) of the »Dampfhammer Fritz« at the Krupp steel works in Essen. It appears in the book’s third chapter, which focuses on the constituent elements of a political economy of labor power. The photograph is presented among a long series of images selected by Negt and Kluge to depict mechanical and labor practices from the middle ages to the present (the fully automated VW assembly line). The photograph of the steel hammer—another iconic image of early industrial photography23—is the only image to appear twice in the entire work and is reprinted in a smaller size in the final series of photographic images with which 21 Negt/Kluge, Geschichte, p. 286. 22 Ibid., p. 285. 23 For a description of a similar photograph titled, »Letzte Schicht des Dampfhammers Fritz am 4. März 1911,« documenting the composition and publication history of the image, see Gerhard Paul (ed.), Das Jahrhundert der Bilder 1900 – 1949, Göttingen 2009, pp. 116 – 123.

72

Stefanie Harris

Geschichte und Eigensinn concludes. Krupp’s steam-run drop hammer was built in 1861 and remained in use until 1911; like the »Great Eastern«, it was, for many years, the largest steam hammer in the world. The photograph was produced by Krupp’s »Photographische und Lithographische Anstalt«—founded in-house in 1861 and tasked with marketing products and documenting the company’s history. On the one hand, the image demonstrates the principle of industrial »cooperation« and the rational organization of human bodies, as the small blurred figures of nine workers engage in the work before the monumental proportions of the steam hammer. And yet, because of the large size of the photograph, our examination of the image is interrupted by the glance of one worker who disengages from the choreography of work around him and stares directly into the camera, resisting smooth integration into the functioning of the apparatus and breaking the surface of the unified image. At this point, we can hardly fail to acknowledge Brecht’s observation on the obfuscation of photography, a quotation that appears in Geschichte und Eigensinn, and is repeatedly quoted in—and more importantly demonstrated throughout—Kluge’s work: »Die Lage wird dadurch so kompliziert, daß weniger denn je eine einfache ›Wiedergabe der Realität‹ etwas über die Realität aussagt. Eine Photographie der Kruppwerke oder der AEG ergibt beinahe nichts über diese Institute. Die eigentliche Realität ist in die Funktionale gerutscht. Die Verdinglichung der menschlichen Beziehungen, also etwa die Fabrik, gibt die letzteren nicht mehr heraus. Es ist also tatsächlich ›etwas aufzubauen‹, etwas ›Künstliches‹, ›Gestelltes‹.«24

Even as he critiques the industrial perspective and its complicity in promoting social and power relations, Brecht recognizes the revolutionary potential of the photograph, as do Negt and Kluge. This potential does not lie, however, in simply constructing a different perspective or view through an isolated image, no matter how self-consciously constructed, but only, I would argue, through providing a disarticulated framework for the work that is produced in the connections among images. In the same way, I would argue, Negt and Kluge’s theoretical work does not construct a totalizing counter-theory, nor does Kluge’s prose work ever consist simply of a single narrative »from below«, but these works are always constructed as networks of multiple narratives set in series and set in relation to each other, to other works in Kluge’s vast output, and even to the works of other authors. Thus Brecht continues: »Es ist also ebenso tatsächlich Kunst nötig. Aber der alte Begriff der Kunst, vom Erlebnis her, fällt eben aus. Denn auch wer von der Realität nur das von ihr Erlebbare gibt, gibt sie selbst 24 Bertolt Brecht, Werke, ed. by Werner Hecht (etc.), vol. 21, Berlin/Frankfurt/M. 1992, S. 469; quoted in Negt/Kluge, Geschichte, p. 511.

On Some Obstinate Images

73

nicht wieder. Sie ist längst nicht mehr im Totalen erlebbar.«25 As Richard Langston has argued in his study of relationality in the works of Negt and Kluge as well as Peter Weiss: »Only the work of art or the work of theory that steers clear of manufacturing knowledge (Erkenntnis) can successfully cull from fantasy a provisional map of the complex relationalities of living and dead labor that capital otherwise obfuscates.«26 The choice of the two photographs—Howlett’s portrait of Brunel and the industrial »portrait« of the »Schmiedehammer Fritz« by Krupp’s internal photographers—highlights especially this disproportion between individual experience and the totalizing effects of industrial technology grown to monstrous proportions. As these images continued to be circulated in various venues and as various types of prints in the decades after they were first captured by a camera, this totalizing effect becomes naturalized and merges with the communications industry through which they are circulated. For this reason, Flusser often refers to the camera as a »Transkoder«, that does not capture some pre-existing reality as such but rather actively forms our perception of reality.27 With a photograph of a factory in ruins, Negt and Kluge suggest how the work and subjective experience that are subsumed and subjugated by the processes of standardization, specialization, and synchronization might re-emerge into legibility. Negt and Kluge reproduce a cropped image from Alexander Gardner’s photograph of the ruins of the Gallego Flour Mills in Richmond, Virginia, from 1865, the last year of the American Civil War. Gardner was an assistant to photographer Matthew Brady for seven years until 1862 before launching his own independent studio. Gardner’s image of the blackened, jagged outlines of the ruin appears at the start of Negt and Kluge’s chapter on labor forces, and thus functions as a kind of pendant to the photograph of the Krupp steel works that appears toward the end of the series of images that punctuate the chapter. Negt and Kluge caption the photograph, »›Zerbrochene Gabel‹. Richmond. Landeshauptstadt von Scarlett O’Hara.«28 Their caption both names the way the image functions within an imaginary narrative and permits a play on words between gable/Gabel, as the burned out structure evokes a reference to Marx: »Im gelungenen Produkt wird die Erinnerung an den Prozeß aufgezehrt, während erst die zerbrochene Gabel den Menschen darauf bringt, darüber nachzudenken und sich daran zu erinnern, ob etwa im Produktionsprozeß selber etwas schief gelaufen ist: das funktionierende, gelungene Produkt löscht die Erinnerung an die Produktion aus, so wie man sagen kann, daß ein gelungener Wiederaufbau einer Gesellschaft die Erin25 Brecht, Werke, p. 469. 26 Richard Langston, »The Work of Art as Theory of Work: Relationality in the Works of Weiss and Negt & Kluge,« in: The Germanic Review 83.3 (2008), p. 204. 27 Vil¦m Flusser, Standpunkte. Texte zur Fotografie, ed. by Andreas Müller-Pohle, Göttingen 1998, p. 18. 28 Negt/Kluge, Geschichte, p. 105.

74

Stefanie Harris

nerungen an das Leid und die Leistungen aufzehrt, die mit diesem Wiederaufbau verknüpft sind.«29

The ruin thus functions as a catalyst to reflect on the processes of production itself, and in its juxtaposition with the other photographs with which it is set in series (the »Great Eastern« or the »Dampfhammer Fritz«) may likewise reveal something of the reality that each photograph in isolation »erases« [löschen]. Alexander Gardner’s photograph of the ruins of Richmond, Virginia, is one of the more than 3,000 images that the photographer had made himself or collected and marketed by the end of the war. The Civil War was covered by a virtual shadow army of image makers (sketch artists and photographers) who documented events for the press and for financial gain (individual images were marketed commercially). In 1866, Gardner published a two-volume Photographic Sketch Book of the War, which included 100 photographs created by himself and others, hand-printed for each copy, with each photograph accompanied by a short one-page text that was tangentially related, although did not comprehensively describe, the accompanying image. The Photographic Sketch Book is not only one of the first photo-books but also one of the earliest »imagetexts«, meaning that the two media complement each other, without the image functioning in a subordinate position to the text or the reverse. Although the publication was a commercial failure with its high price tag and somber, even gruesome, images (ruins and corpses) of a recent past that the public was attempting to move past, the work was considered one of the best-known representations of the Civil War by the end of Reconstruction. Although space does not permit me to elaborate in detail here, the Sketch Book is an interesting formal antecedent to Kluge’s own use of prose and images in his war narratives »from below,« in that Gardner’s project does not create a cohesive story of the war, but rather lacks all narration in either a chronological or comprehensive sense, depending instead on »anecdote, interruption, serendipity, and pure contingency,«30 as Anthony Lee has argued. So, for example, in the text that accompanies another view of the ruin of the flour mill, Gardner writes that it was once one of the finest flour mills in the country with a floor surface of over eight acres and goes on to discuss the special properties of the flour, the role of the plant in the pre-war economy of the southern city, as well as its function as a military supplier during the war.31 Like Negt and Kluge’s work, the Sketch Book speaks to personal experience and to the multiple views »of the photographer on 29 Ibid., p. 105. 30 Anthony W. Lee, »The Image of War,« in: Anthony W. Lee/Elizabeth Young (eds.), On Alexander Gardner’s Photographic Sketch Book of the Civil War, Berkeley 2007, p. 36. 31 Alexander Gardner, Gardner’s Photographic Sketch Book of the Civil War (1866), New York 1959, p. 91.

On Some Obstinate Images

75

the ground« and thereby constructs multiple interacting counter-narratives to the historical totalization of the conflict.32 The photograph is often less informative quantitatively than a written document that might provide empirical data about an event (time, location, date, numbers and identifying characteristics of people involved, a chronology of events), and in the nineteenth-century, photographic technology did not yet allow for capturing the action of battle. For this purpose, sketches were created and published as more »realistic« depictions of events and woodcut engravers would add detail to photographic views lacking action. Photography instead is a learned, constructive practice, and as such, references its own restraints, limits and system of rules. Because of the limitations of the technology at the time, the Sketch Book seems an unusual document of war, privileging the periphery of war and its aftermath, empty landscapes, railways, and bridges. But the publication also shocked the public with its presentation of bloated corpses and the contrast of these images with more conventional landscape views and traditional portraiture. The fact that many of the individual images from the Sketch Book have become enshrined in American historical memory as iconic statements of that war only speaks to the totalizing social, cultural, and economic forces that reterritorialize the image by reducing it to a single statement. By including a selection of iconic photographs in their own work, set in series with a multitude of other diverse images, Negt and Kluge work to produce a counter-effect, so that their revolutionary potential might be reactivated, especially in the photos we have seen so many times before and think that we know so well. When he left Matthew Brady’s employ, Gardner managed to bring with him some of Brady’s best apprentices, including Timothy O’Sullivan, whose images are also included in the Sketch Book. O’Sullivan is best-known for some of the most recognizable photographs of the Civil War, including »Harvest of Death,« from the aftermath of the Battle of Gettysburg. And it is O’Sullivan’s photographic van that is juxtaposed with Fenton’s in Geschichte und Eigensinn (see fig. 3). The photograph is taken in the decade after the war, when O’Sullivan worked on the US War Department-sponsored surveys of the American West— as Negt and Kluge write, »auf der Jagd nach nichtkriegerischen Motiven.«33 Instead of documenting the war, O’Sullivan was engaged in a different form of explicit spatial organization, namely mapping the West to determine the best locations for »future military operations or occupation, and the facilities for making rail or common roads.«34 The photograph of O’Sullivan’s van shows the vehicle at a distance, a common framing device for landscape photography of the 32 Lee, »Image,« p. 36. 33 Negt/Kluge, Geschichte, p. 465. 34 Parr/Badger, Photobook, p. 46.

76

Stefanie Harris

period, although rather than to the van, our eyes are drawn to the series of tracks and ruts in the sand. Unable to capture movement or stop action, O’Sullivan’s camera can only record the after-effects of these actions, and thereby places the photographer into the picture as we follow his footprints from the van to the bottom right edge of the print, presumably to set up his equipment for recording the exposure we are currently examining—and, most importantly, to record the space (the van) in which the image that we see will have been (and is always in the process of being) developed. The processes of production are usually erased [gelöscht] from the photograph in order to render the image a legible and naturalized depicture of reality, but here we are reminded of the concrete act of picture taking (as we are with all the many photographs in the text of photographers at work and images of photographs being sold) almost as if the image were to serve as the pre-history of every other photographic image that is to follow, and to gesture to what might escape mapping and coding in the organizational project of the survey. The footprints in the sand reveal the »Feldherrnhugel« perspective for the abstract myth that it always is.

Fig. 3.

Gardner’s Sketch Book is not the only photo-book of war referenced in Geschichte und Eigensinn (even if only by association through the photograph of the ruins of Richmond, Virginia). In addition, we encounter numerous images from Ernst Friedrich’s Krieg dem Kriege! (1924), an anti-war protest that com-

On Some Obstinate Images

77

bines documentary photographs of war and its aftermath with a scathing critique of the collusion between capitalist production and the war machine. Krieg dem Kriege! was originally published as a four-language text (Dutch, English, German, and French) and went through several German editions by 1930 in addition to translations into multiple other languages. Much as Negt and Kluge argue, Friedrich uses the shocking imagery that had not been published in the mainstream press to show that the language of political economy is not merely analogous to war but indeed one and the same. Friedrich explicitly links war and capitalism, and draws out his argument through the use of ironic captions to accompany the photos and the juxtaposition of contrasting images (smiling officers on one page with a photo of corpses on the facing page; the German crown prince playing tennis next to an image of a disabled war veteran with prosthesis at work on an assembly line). The ruin of a church is captioned: »Behold the constructive work of capitalism.«35 The prevailing terms of opposition in Friedrich’s photo-book focus on: commanders/common soldiers, life/ death, life behind the front/life at the front, and published images/non-published images (especially those depicting the gruesome injuries of veterans who survived the war). The primary goal of Friedrich’s photo-book was to create an alternative depiction to the official war photographs that had circulated in mass publications and to the continuing discourse on the heroics of war in some outlets of the bourgeois press. The photo-book thus duplicates the layout of the mainstream illustrated press, even as the author/editor subverts the form through the choice of images that had been censored. Friedrich does not credit any of the photographs, both amateur snapshots and archival photos, and it is not likely that in most cases he knew who had taken the images; photos of the wounded were from the Berliner Charit¦.36 Negt and Kluge reproduce at least seven images from Friedrich’s book: wounded veterans, gas attacks, hangings, children’s war toys. These include both individual photographic images with new captions composed by Negt and Kluge, as well as entire pages from Friedrich’s book that reprint the image with Friedrich’s original captions as they appeared in four languages (German, English, French, and Dutch).37 Echoing Friedrich’s sentiment, Negt and Kluge write: »Was den Arbeitsgegenstand betrifft, zeigt Krieg das überhaupt entfremdeteste Beispiel von Verdinglichung.«38 However, Negt and Kluge’s reproduction of the images from Friedrich’s book does not reduce their project to the same scale of Friedrich’s intentions—namely 35 Ernst Friedrich, War against War!, 1924, intro. by Douglas Kellner, Seattle 1987, p. 199. 36 Astrid Wenger-Deilmann, »Die ›Kriegszermalmten‹. Die visuelle Schockrhetorik des Antikriegsdiskurses,« in: Gerhard Paul (ed.), Das Jahrhundert der Bilder. 1900 – 1949, Göttingen 2009, p. 314. 37 Negt/Kluge, Geschichte, pp. 776, 816, 821, 846, 848, and 850. 38 Ibid., p. 810.

78

Stefanie Harris

to shock the public with a counter-example and all of the hidden images of war that the public had not yet seen in the illustrated journals and special »Kriegsnummer« that circulated during the war (some of which are also reproduced in Geschichte und Eigensinn). For the images that Friedrich reproduces, shocking though they may be (and for that reason perhaps perceived to carry a higher credibility of »authenticity«) may function as a counter-statement but do not offer entry to differentiated or multiple ways of thinking and do not offer the viewer a space for forging new and plural connections. I would argue that it is also for this reason, despite the many affinities between Negt and Kluge’s work and Brecht’s theoretical project and artistic output, that we do not find a direct quotation of Brecht’s Kriegsfibel in Geschichte und Eigensinn. Brecht’s own photo-book combined images culled from the mainstream illustrated press, especially Life magazine, with captions in the form of epigrams that provide provocative counter-statements to the images with which they are juxtaposed. These counter-statements are piercing and often moving expressions against the inhumanity of war ; however, they also ultimately describe their own closed (counter-)system. Instead, by re-setting Friedrich’s images into play within a larger series, the photographs enter into complex and additive systems of relationality that engage with an expanded history of photography. These photographs are thus never free-floating signifiers—and for this reason I would argue that the use of photography in Negt and Kluge’s work is not »metaphoric«39—but as a series of images that always reference their own particular conditions of production. Geschichte und Eigensinn ends with a final series of images—among them the funeral parade for Rosa Luxemburg, another version of the Krupp’s Stahlhammer described earlier, a soldier in a gas mask, the street battles during the Kapp Putsch—and a lone photographer, an »Intelligenzarbeiter als Zeuge,«40 on whose face we see a light reflected but no direct view of the action in front of him. In this openness, we can consider that he might be a Fenton, a Howlett, a Gardner, or an O’Sullivan, creating a visual document that opens a potential series of connections between industry, politics, commerce, war, and the social relationships they construct. The connections and links that we as viewers/ readers establish among them function to re-open multiple perspectives, so that in the creative work of these cooperative spaces we might maintain our own sense of Eigensinn. As a result, photography in Negt and Kluge’s project is never an individual pursuit in which an autonomous and subjective vision is wordlessly presented, but rather photographic practice always functions within a network of social, political, and ideological concerns. In this way, photographic 39 Steinaecker, Literarische Foto-Texte, p. 244. 40 Ibid., p. 1281.

On Some Obstinate Images

79

practice is raised »to the level of consciousness,« a practice which may give rise »to a model of freedom in the post-industrial context in general.«41 Some twentyfive years after the publication of Geschichte und Eigensinn, Kluge continues to suggest that photography may be uniquely poised to assume this role, when in an interview with the photographer Thomas Demand he remarks: »[Y]ou’ve created a free space, a surface for each viewer of your images. And what you’ve left out thus gets filled in. And that allows an element of freedom, freedom for association. In a Rorschach test no free association is allowed; you are forced to associate what’s in your mind, whereas here there’s an openness, a surface, vessels that you construct. And a public sphere where the perception of many people comes together requires vessels and containers—just as you can’t carry water in your hands on foot.«42

41 Vil¦m Flusser, Towards a Philosophy of Photography, London 2000, p. 81. 42 »A Conversation Between Alexander Kluge and Thomas Demand,« in: Beatriz Colomina (ed.), Thomas Demand, London/Munich 2006, p. 80.

Alexander Kluge

Das Parlament der Geister im menschlichen Gehirn1

Hinter der Stirn, mit stärkster Aktivität in der Mitte zwischen den Augen und dem Hinterkopf, domiziliert das ZOON POLITIKON, das politische Tier. Dessen Element, das Neuron, ist verblüffend einfach und wie der Hirnforscher Prof. Dr. Eric Kandel sagt: »Eigentlich dumm.« Es verfügt über drei elementare Reaktionen, die es ständig wiederholt. Erst in der Bewegung, welche die Milliarden von Neuronen untereinander bewirken, also ZWISCHEN ihnen, entsteht die SAPIENTIA. Hier liegt zum Beispiel die überwältigende Macht des PRINZIPS RECHT: Die Mehrheit der Verknüpfungen im Hirn empfinden Unlust an einer Rechtsverletzung. Es sind mehr Menschen in der gesellschaftlichen Evolution übriggeblieben, so Kandel, welche diese Disposition besitzen, als solche, die sie nicht aufweisen. Rechtsgefühl scheint eine Untergattung des Gleichgewichts zu sein. Sie hat ihren Sitz im Ohr, sagt Kandel. Bei den aktiven Menschen, welche dieses Gehirn in sich tragen, erweitert Kandel sein Argument, indem er an der Tafel des Vortragssaales mit Kreide Skizzen aufführt, sei es in gewisser Hinsicht umgekehrt. Der Einzelne und sein Hirn seien von exzessiver Komplexität, ja als VIELFALTLER unbezähmbar und für Befehle – entgegen allem Anschein – kaum empfänglich. Dagegen sei das von solchen Individuen unterhaltene Gemeinwesen merkwürdig primitiv und erscheine als »eigentlich dumm«. Es sei auch kaum robust, was man vom Neuron doch sagen könnte.

1 Alexander Kluge, »Das Parlament der Geister im menschlichen Gehirn«, in: ders., Das Bohren harter Bretter, Berlin 2011, S. 223.

Thomas Combrink

Politik der Neuronen. Zur Rolle des Gehirns bei Alexander Kluge

Der Titel der Geschichte »Das Parlament der Geister im menschlichen Gehirn« von Alexander Kluge, die 2011 in dem Buch Das Bohren harter Bretter veröffentlicht wurde, stellt eine Verbindung her zwischen biologischen Vorgängen und Prozessen in der Politik. Das Zusammenspiel einzelner Elemente im Gehirn wird verglichen mit einem »Parlament«, einer Ansammlung von Menschen, die über politische Sachverhalte debattieren. Die Elemente im Gehirn werden personifiziert, erscheinen als Subjekte, als Entscheidungsträger. Auch der Ausdruck »Geister« kann als Anthropomorphisierung verstanden werden. Dabei fallen Mehrdeutigkeiten ins Auge. »Geist« kann man einerseits im Sinne von »Denker« begreifen, andererseits deutet der Ausdruck auch auf das Gehirn selbst. Diese Ambivalenzen gehen zurück auf Kluges und Oskar Negts Begriff von Arbeit in Geschichte und Eigensinn. Im alltagssprachlichen Gebrauch ist Arbeit immer mit menschlichen Subjekten verknüpft. Bei Negt und Kluge sind es aber zum Beispiel auch Organe (wie das Auge am Anfang von Geschichte und Eigensinn1), die Arbeit verrichten. Der erste Satz des Textes nimmt den Faden der politischen Assoziationen aus dem Titel auf. Es ist die Rede vom »ZOON POLITIKON«, dem »politische(n) Tier«. Ist aber nicht bereits der Verweis auf die »Stirn« metaphorisch zu verstehen? Zwar soll hier der konkrete Ort angegeben werden, an dem sich die Hirntätigkeit befindet, die das Sozialverhalten koordiniert. Allerdings fällt einem die Redewendung »jemandem die Stirn bieten« ein. Die »Stirn« wäre auch im Sinne von »sich zur Wehr setzen« aufzufassen, würde sich also in Verbindung zum »Eigensinn« befinden. Mit der Formulierung »Hinter der Stirn« gewinnt man den Eindruck, als würde es sich um einen Käfig handeln, in dem das »politische Tier« sich aufhält. Der Ausdruck »domiziliert« schränkt diese Assoziationsbewegung wieder etwas ein, das »ZOON POLITIKON« bewegt sich in diesem Käfig scheinbar frei. Vielleicht kann man bei der Formulierung »Hinter der Stirn« auch an die Redewendung denken, die besagt, dass man Menschen 1 Oskar Negt/Alexander Kluge, Geschichte und Eigensinn, Frankfurt/M. 1981, S. 17.

84

Thomas Combrink

immer nur »vor die Stirn schauen« kann, man also nicht weiß, was sich im Kopf der Personen abspielt. Der zweite Satz des Textes führt den Gedanken fort; es geht um die neurobiologischen Grundbestandteile in diesem Teil des Gehirns. Im Zentrum steht das »Neuron«, das »verblüffend einfach« sei. Zitiert wird der Hirnforscher Eric Kandel, der das »Neuron« als »Eigentlich dumm« bezeichnet. Im folgenden Satz wird deutlich, dass erst das Zusammenspiel von »Milliarden von Neuronen« die komplexen Hirnprozesse, also intelligentes Verhalten, ermöglicht. Die Rede ist allerdings davon, dass die Intelligenz, die »SAPIENTIA«, »ZWISCHEN« den Neuronen entsteht. Die Argumentation ähnelt der Geschichte »Sitz der Seele« aus dem Band Die Lücke, die der Teufel läßt, bei der es um eine Agrarökonomin geht, die behauptet, dass »Liebe als Arbeitsgegenstand für zivilisierte Menschen ihren Sitz nicht im Inneren der Einzelnen habe, sondern das Netz ist, das zwischen Menschen, die Liebesbeziehungen miteinander austragen, zwangsläufig entsteht«.2 Liebe ist demnach also ein soziales Produkt; die Gefühle, die zwischen zwei Menschen entstehen, haben ihren Ursprung und ihre Begründung in deren sozialem Umfeld. Liebe entsteht nicht isoliert in einem Zweierverhältnis, sondern ist vielmehr Produkt eines gesellschaftlichen Zusammenhangs. Ebenso verhält sich es mit den Neuronen, die, für sich genommen, »dumm« sind, aber deren Zusammenspiel ein intelligentes Verhalten ermöglicht. Man könnte diese Überlegungen auf Alexander Kluges Arbeitsweise übertragen, seine Vorstellung von Kooperation, der die Idee zugrunde liegt, dass es Formen von Öffentlichkeit gibt, bei denen ein Zusammenschluss von Projektemachern wirksamer ist als die Tätigkeit eines Einzelnen. In diesem Zusammenhang ließe sich auch die Frage nach der Unabhängigkeit des Autors stellen. Ist es nicht so, dass die Personen, die es einem Filmemacher, einem Schriftsteller oder auch einem bildenden Künstler ermöglichen, mit der Öffentlichkeit in Berührung zu kommen, häufig ungenannt bleiben, man also den Eindruck hat, als sei das Buch oder der Film vor allem auf die Idee einer Person zurückzuführen? Alexander Kluge ist gleichzeitig Verfechter des Autorenprinzips (also der Vorstellung, dass die Verantwortung für ein Werk in den Händen einer Person liegen sollte) und des Kollektivkonzeptes. In dem Text »Das Parlament der Geister im menschlichen Gehirn« geht es nach dem Hinweis auf die »SAPIENTIA« um das »PRINZIP RECHT«, das in Verbindung steht mit dem »politischen Tier«. Dieses »politische Tier« kann wiederum bezogen werden auf »Die Politik eines Hundes«, die erste Geschichte des Bandes Das Bohren harter Bretter. Zwei Sprachfelder werden kontrastiert: Politische Begrifflichkeiten, die man gewöhnlich nur auf das Zusammenleben von Menschen 2 Alexander Kluge, »Sitz der Seele«, in: ders., Die Lücke, die der Teufel läßt, Frankfurt/M. 2003, S. 63.

Politik der Neuronen

85

anwendet, werden auf die Tierwelt übertragen. Mit dem Ausdruck »politisches Tier« ist aber auch die Sonderstellung des Menschen angedeutet: die einzige Gattung unter den Lebewesen, die über ihr Zusammenleben reflektieren kann. Man könnte auch die Frage stellen, warum hier vom »PRINZIP RECHT« die Rede ist und nicht vom »PRINZIP MORAL«. Vielleicht liegt es daran, dass es im Falle des Rechts von der Öffentlichkeit verifizierte Regeln, also Gesetze gibt, man im Bereich der Moral hingegen die Verantwortung für das Verhalten eher dem einzelnen Subjekt überlässt. Provokativ lautet der Satz: »Die Mehrheit der Verknüpfungen im Hirn empfinden Unlust an einer Rechtsverletzung.« Wie sind die einzelnen Elemente im Hirn in der Lage zu prüfen, ob eine »Rechtsverletzung« vorliegt? In welcher Form können sie überhaupt »Unlust« verspüren? Handelt es sich hier um Ideen von Eric Kandel oder kommt die Haltung des Erzählers der Geschichte (scheinbar identisch mit dem Autor des Buches) zum Vorschein? Der Bezug auf den Titel der Geschichte ist offensichtlich: »Die Mehrheit der Verknüpfungen« spielt auf das »Parlament der Geister« an; es hat den Anschein, als würde im Gehirn debattiert, als fänden dort Sitzungen statt und würden Entschlüsse getroffen. Reizvoll wirkt auch die Idee, dass die Natur dem Menschen dieses Rechtsgefühl mitgibt, als sei es in den Individuen von Anfang an verankert. »Es sind mehr Menschen in der Evolution übriggeblieben, so Kandel, welche diese Disposition besitzen, als solche, die sie nicht aufweisen.« Soll das bedeuten, dass manchen Menschen eine Neigung zum Unrecht mitgegeben ist? Dass nicht die Umstände eine Person zum Rechtsbruch veranlassen, sondern Geburt und Vererbung? Andererseits handelt es sich um eine von Kluges Lieblingsideen: der Glaube, dass auf natürlichem Wege die Menschen, die anderen Schaden zufügen, in der Unterzahl sind, keine Nachkommen haben, sich nicht durchsetzen in der Geschichte. Der Hinweis auf die Evolution grundiert auf wissenschaftlichem Wege diese Idee. Man könnte sich vorstellen, dass der Autor des Textes Eric Kandel die Aussage über die Evolution in den Mund gelegt hat. Kandel behauptet, dass das »Rechtsgefühl« eine »Untergattung des Gleichgewichts« zu sein scheint, die »ihren Sitz im Ohr« hat. Diese Aussage korrespondiert mit Kluges Idee eines Menschentyps, den er als »homo compensator« bezeichnet. Der Gleichgewichtssinn des Menschen, der dafür sorgt, dass wir uns aufrecht bewegen können, dient gleichzeitig zur Kennzeichnung einer Auffassung vom Leben, bei der es um das Austarieren der unterschiedlichen Lebensbereiche geht. Gleichgewichte zu bilden bedeutet, Haltungen zu verbinden, die unvereinbar erscheinen. Kluge weist auf die Scheidung seiner Eltern hin, die er als Kind nicht verhindern konnte, weil ihm damals die diplomatischen Fähigkeiten fehlten, die er zu einem späteren Zeitpunkt dann besaß.3 Die Idee des 3 Alexander Kluge, »Mein wahres Motiv«, in: ders., Tür an Tür mit einem anderen Leben, Frankfurt/M. 2006, S. 594 – 597, hier S. 595.

86

Thomas Combrink

»homo compensator« ist das Bild des idealen Politikers, einer Person, die, mit Empathie begabt, zwischen Menschen vermitteln kann. Eine Überlagerung von zwei Bedeutungsebenen findet mit der Verknüpfung von Gleichgewichtssinn und Ohr statt. Zum einen wandert der Blick von innen nach außen, von den Elementen im Kopf zu den Bestandteilen am Kopf. Zum anderen geht es um zwei unterschiedliche Wahrnehmungsformen: das Hören und den Sinn für die Balance. Das »Rechtsgefühl« hängt also auch mit dem »Ohr« zusammen. Kluge verbindet hier biologische und kulturelle Sachverhalte. Fragen des Rechts sind interpretationsbedürftig, stellen Übereinkünfte dar, die von Menschen bestimmt sind. Der Gleichgewichtssinn jedoch ist keine gesellschaftliche Konvention, vielmehr dem Menschen von der Natur mitgegeben. Im zweiten Absatz des Textes geht es nochmals um die Differenz zwischen komplex und einfach. Kandel sagte, dass der »Einzelne und sein Hirn« von »exzessiver Komplexität« seien, dagegen das »von solchen Individuen unterhaltene Gemeinwesen merkwürdig primitiv« und »›eigentlich dumm‹« erscheine. Unklar bleibt, worauf der Ausdruck »Gemeinwesen« zielt. Geht es um die Elemente des Gehirns, in Analogie zum »Parlament der Geister«? Daran könnte man denken, weil die Wendung »›eigentlich dumm‹« wieder gebraucht wird, die sich im ersten Absatz auf das »Neuron« bezog. Oder, und das ist wahrscheinlicher, wird auf das Zusammenleben der Menschen, auf gesellschaftliche Verhältnisse also, angespielt? Diese Annahme wird durch den letzten Satz nahegelegt, der das »Gemeinwesen« vom »Neuron« unterscheidet. Grundmotiv der Geschichte »Das Parlament der Geister im menschlichen Gehirn« ist die Kontrastierung von einfachen und komplexen Verhältnissen, der Vergleich zwischen biologischen und kulturellen Systemen. Gegen die komplizierte Bauweise des Gehirns wirkt unsere Gesellschaft »merkwürdig primitiv«. Die gedanklichen Möglichkeiten, die uns von der Natur mitgegeben wurden, werden nicht vollständig aktiviert – wir handeln nicht immer unseren Fähigkeiten entsprechend. Aber ist die Aussage überhaupt richtig, dass unser »Gemeinwesen« im Vergleich zu unserem Gehirn simpel strukturiert ist? Mit Blick auf Niklas Luhmanns Systemtheorie bekommt man eher den Eindruck, dass es eine schwierige Aufgabe ist, gesellschaftliche Verhältnisse zu beschreiben. Vielleicht geht es in diesem Text weniger um die Komplexität der Gesellschaft im Vergleich zum menschlichen Gehirn, sondern eher um die Unbegabtheit der Menschen, eine gerechte Gesellschaft zu schaffen, also als »homo compensator« zu wirken, die Bedürfnisse der Menschen miteinander zu verbinden. Die Voraussetzungen für soziale Gerechtigkeit, so die Annahme dieser Geschichte, sind jedenfalls biologisch in uns angelegt. Was bedeutet die Aussage, dass das von den »Individuen unterhaltene Gemeinwesen« »kaum robust« sei? Wird darauf angespielt, dass gesellschaftliche Zustände sich schnell ändern können? Geht es um Revolutionen? Auch da ließe sich anmerken, dass es gesellschaftliche Situatio-

Politik der Neuronen

87

nen in der Geschichte gab, die über Jahrhunderte andauerten, sich also durchaus »robuste« gesellschaftliche Formationen finden lassen (wie zum Beispiel in der römischen Antike). Die Geschichte »Das Parlament der Geister im menschlichen Gehirn« enthält als Subtext eine Hoffnung. Die Menschen haben aufgrund ihrer von der Natur mitgegebenen Intelligenz das Potential, eine Gesellschaft zu realisieren, die den Bedürfnissen der Individuen gerecht wird. Dieses utopische Element ist ein Grundthema in Alexander Kluges Werk. (Eine Geschichte von ihm lautet: »Wer immer hofft, stirbt singend«.) Dahinter verbirgt sich die Idee, dass der Mensch sich Auswege schaffen kann, dass er die Fähigkeit besitzt, Alternativen zu entwickeln, konjunktivisch zu denken. Die Vorstellung der Alternative steht im Zusammenhang mit der von Kluge vor allem in den letzten Jahren diskutierten Situation der Bifurkation. Ein Mensch muss sich zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden, kann keine zusätzlichen Alternativen entwickeln. Bifurkationen können laut Kluge vermieden werden, indem die Weggabelung bereits frühzeitig erkannt und über zusätzliche Optionen nachgedacht wird.4 Kluge praktiziert dieses Verfahren seit langer Zeit. Für ihn gab es immer Ausweichmöglichkeiten. Als er 1964 über die Reaktionen zu seinem zweiten Buch Schlachtbeschreibung enttäuscht war, kehrte er für längere Zeit der Literatur den Rücken zu und konzentrierte sich auf seine Filmarbeit. Als Mitte der achtziger Jahre der deutsche Autorenfilm nur noch wenig Resonanz in der Öffentlichkeit erfuhr, entwickelte Kluge seine Fernsehformate. »Das Parlament der Geister im menschlichen Gehirn« steht an exponierter Stelle in dem Buch Das Bohren harter Bretter ; es handelt sich um die Auftaktgeschichte des letzten Kapitels, »Bodenhaftung durch Bauch«. Eingeleitet wird dieses Kapitel mit einem kursiven Text, der mit folgenden Worten beginnt: »Man kann den Gesteinen, in denen sich Öl befindet, sagt der Explorationsgeologe Wilhelm Dominik, mit bloßem Auge nicht ansehen, was sie enthalten.«5 Die Aussage korrespondiert mit der Stirn und den dahinterliegenden Bestandteilen des Gehirns. Man könnte sich auch das Bild vom »Parlament der Geister« als Beschreibung für die Sammlung von Geschichten in dem Buch vorstellen. Die 133 Geschichten wären also Individuen, wie die Abgeordneten in einem Parlament. Für diese Deutung würde sprechen, dass Kluges Texte miteinander im Dialog stehen, sie sich gegenseitig kommentieren, einen Zusammenhang erzeugen. Der Titel wäre die Beschreibung des Vorgangs, der beim Lesen des Buches im Kopf abläuft. Auch Vokabeln wie »Gemeinwesen« könnte man im poetologischen Sinne verstehen. Kluges Buch wäre ein »Gemeinwesen«, bestehend aus Geschichten. Anknüpfend daran könnte man weitere politische Be4 Gespräch mit Alexander Kluge vom 5. März 2014. 5 Alexander Kluge, Das Bohren harter Bretter, Berlin 2011, S. 221.

88

Thomas Combrink

grifflichkeiten auf die literarischen Verhältnisse bei Alexander Kluge übertragen. Seine Schreibweise ließe sich als »demokratisch« bezeichnen; die Geschichten stehen nicht in hierarchischen Beziehungen zueinander (obwohl es sicherlich auch einige flankierende Texte gibt). Was die sprachliche Verfassung der Geschichte anbelangt, so schreibt Kluge auch hier (wie in anderen Geschichten) Worte in Großbuchstaben. An einer Stelle findet außerdem eine Kursivierung statt. Die Verwendung von Großbuchstaben, die Kluge von Heiner Müller übernommen hat, sorgt auch für einen optischen Effekt. Die Worte in Großbuchstaben fallen auf der Seite bereits ins Auge, bevor man den Text gelesen hat. In den meisten Fällen handelt es sich um Substantive, die Kluge durch die geänderte Schreibweise betont. Bereits in der zweiten Zeile findet sich die erste Akzentuierung durch Großschreibung bei dem Ausdruck »ZOON POLITIKON«. Hier hat man den Eindruck, als würde die Schreibweise geändert, weil es sich um einen wichtigen philosophischen Begriff handelt. Im weiteren Verlauf des Textes stellt man allerdings fest, dass nicht nur kulturgeschichtlich etablierte Ausdrücke in Großbuchstaben gesetzt werden. So akzentuiert Kluge zum Beispiel an anderer Stelle die Präposition »ZWISCHEN«. Die Aufmerksamkeit des Lesers wird auf einzelne Worte bzw. Wortverbindungen gelenkt, um die Phantasie anzuregen, über die Bedeutung dieser Ausdrücke nachzudenken. Im musikalischen System würde hier wahrscheinlich eine Fermate gesetzt werden. Der Hirnforscher Eric Kandel, der 1929 geboren wurde und im Jahre 2000 für seine Forschungen den Nobelpreis bekam, taucht in Alexander Kluges literarischem Werk auch in dem Band Geschichten vom Kino auf. In dem Text »Sonne über den Wasserstraßen des Lido«, die den Untertitel »Das Kino im Kopf des Zuschauers« trägt, geht es ebenfalls um die Differenz zwischen den Prozessen im Gehirn und der Realität »außerhalb des Menschenkopfes«.6 In der Geschichte sagt Kandel über die »Sprache der Hirnzellen«, die er auch »Äußerungen« nennt: »Sie können sich diese elementare Mitteilung wie eine Silbe vorstellen oder wie sehr kurze Laute von Vogelstimmen. Ein absolut ›unsinniger Text‹, wenn Sie eine solche Aufzeichnung ansehen. Das aber nie einzeln, auch nicht wie ein ›Konzert‹, wie Sie sagen, sondern wie eine Partitur oder, besser, wie die ganze Operngeschichte als Partitur.«7

Die Vorstellung, dass alle Opern zusammen eine Partitur ergeben, ist von Kluge häufiger formuliert worden. Das Grundargument dieser Geschichte lautet, dass die Sprache des Gehirns in keiner Weise eine Entsprechung in der Realität au6 Alexander Kluge, »Sonne über den Wasserstraßen des Lido«, in: ders., Geschichten vom Kino. Frankfurt/M. 2007, S. 41 – 44; hier S. 42. 7 Ebd., S. 42.

Politik der Neuronen

89

ßerhalb des Kopfes besitze. Das Hirn bilde die »Außenwelt (wenn auch mit irrtümlichen Text), sozusagen widerwillig« ab. Diese Widerwilligkeit korrespondiert mit der Aussage in der Geschichte »Das Parlament der Geister im menschlichen Gehirn«, dass der »Einzelne und sein Hirn […] von exzessiver Komplexität« seien, »ja als VIELFALTLER unbezähmbar und für Befehle – entgegen allem Anschein – kaum empfänglich«. Der hier beschriebene Eigensinn des Gehirns kann auch im Zusammenhang gelesen werden mit dem »zänkischen Hirn« in Geschichte und Eigensinn.8 Aber wie ist das Argument zu verstehen? Man würde doch den Widerwillen, eine Tätigkeit zu verrichten oder einem Befehl zu folgen, nicht auf die Unlust des eigenen Gehirns schieben. Niemand würde sagen: »Mein Gehirn will das nicht.« Die Aussage würde eher lauten: »Ich will das nicht.« Dieses »Ich« wäre nicht identisch mit dem Gehirn. Gemeint ist vielleicht eher, dass das Organ in unserem Kopf aufgrund seiner Komplexität mit selbstregulierenden Prozessen beschäftigt ist, die dazu führen, dass bestimmte Reaktionen nur verlangsamt ausgeführt werden. Das Gespräch zwischen Kandel und dem Fragesteller in der Geschichte »Sonne über den Wasserstraßen des Lido« geht dann über auf das Thema Kino, auf die Unterscheidung zwischen hell und dunkel, den Rhythmus zwischen Belichtung und Transportphase im Zeitmaß von 1/48 Sekunde. Die Vorstellung vom Kino verbindet sich mit der Differenz von innen und außen. Die Wirklichkeit im Film und die von den Menschen alltäglich wahrgenommene Realität stehen sich gegenüber, ähnlich wie die Prozesse im Gehirn sich zu der Welt »außerhalb des Menschenkopfes« verhalten. Zu der »Erfindung der Lichtspielhäuser« sagt Kandel in Kluges Text: »Etwas, was die Hirnzellengruppen immer schon probiert hätten, habe sich plötzlich als Erlebnis angeboten. Darin bestehe das Kinowunder.«9 Kluges Geschichte findet sich im ersten Kapitel, »Ein Licht, das laut rattert«, von Geschichten vom Kino. In dem Kursivtext, der den Abschnitt einleitet, heißt es, Kandels Argument leicht variierend: »Das ›Prinzip Kino‹ selbst ist älter als die Lichtspielhäuser. Es ist so alt wie das Licht der Sonne und die Abbilder von hell und dunkel in unseren Köpfen.«10 Die Redeweise vom »Prinzip Kino« zielt hier vor allem auf die technischen Aspekte, die Projektion von Bildern und die Unterscheidung von hell und dunkel. Die inhaltlichen Elemente (der Grund, warum wir ins Kino gehen) werden ausgespart. Man könnte hier Parallelen sehen zu der Geschichte »Der Kosmos als Kino«, in der die Perspektive ebenfalls weit in die Vergangenheit verlagert wird. Es geht um eine im Jahre 1846 publizierte Schrift, in welcher der Autor davon ausgeht, »daß ein 8 Oskar Negt/Alexander Kluge, Geschichte und Eigensinn, Frankfurt/M. 1981, S. 50. 9 Alexander Kluge, »Sonne über den Wasserstraßen des Lido«, in: ders., Geschichten vom Kino. Frankfurt/M. 2007, S. 41 – 44; hier S. 43 – 44. 10 Alexander Kluge, Geschichten vom Kino, Frankfurt/M. 2007, S. 9.

90

Thomas Combrink

Lichtstrahl, der die Erde am Karfreitag des Jahres 30 n. Chr. Geburt verlassen hat – ideale Beobachtungsbedingungen vorausgesetzt –, sich noch immer im Kosmos vorwärts bewegt, und zwar von uns weg«.11 In dem Text wird die Vorstellung entwickelt, dass die Vergangenheit im Weltraum aufbewahrt bleibt. Interpretiert man Geschichten von Alexander Kluge, so kann man einerseits einen immanenten Zugang wählen, bei dem die einzelnen Sätze zueinander in Beziehung gesetzt werden, das Verständnis des Textes sich also aus der Geschichte heraus ergibt. Andererseits sind die Verweise auf externe Bezugspunkte von Bedeutung. Alexander Kluge hat für das Fernsehen ein Interview mit Eric Kandel geführt. Dieses Gespräch ist in der Reihe »News & Stories« (mit einer Länge von 45 Minuten) am 24. September 2006 gesendet worden. Der Titel lautet: »Das flexible Gedächtnis. Nobelpreisträger Eric Kandel über die Biologie des Geistes«. Schaut man sich dieses Gespräch an, stellt man fest, dass Kandels Aussagen in den Geschichten »Sonne über den Wasserstraßen des Lido« und »Parlament der Geister im menschlichen Gehirn« nicht vorkommen. Das Gespräch ist auch in München aufgezeichnet worden, nicht in Venedig. Neben Kandel sitzt (nicht von der Kamera aufgenommen) die Übersetzerin und Romanistin Ulrike Sprenger, die aber den Deutsch sprechenden Kandel nur bei wenigen Formulierungen oder Ausdrücken unterstützen muss. Alexander Kluge bekennt, dass es nie zu einem Treffen mit Kandel in Venedig gekommen ist, er also diese Zusammenkunft erfunden hat, wie er auch einzelne Sätze in den Geschichten Kandel in den Mund legt.12 Ohne diese Auskunft von Kluge könnte man einerseits vermuten, dass er vielleicht Kandel unabhängig von der Aufzeichnung in München getroffen hat, die Texte also auf andere Gespräche mit dem Hirnforscher zurückzuführen sind. Möglich wäre auch, dass Kluge sich nicht auf das persönliche Gespräch mit Kandel bezieht, sondern auf dessen Bücher. In dem Buch Geschichte und Eigensinn, das Alexander Kluge zusammen mit Oskar Negt verfasste, finden sich in den kurzen Abschnitten »Das zänkische Gehirn« und »Eiszeit« (die er auch in Das fünfte Buch von 2012 übernommen hat) Überlegungen, die mit den Geschichten »Sonne über den Wasserstraßen des Lido« und »Parlament der Geister im menschlichen Gehirn« korrespondieren. In der Passage aus Geschichte und Eigensinn wird die These aufgestellt, dass Gehirne nicht nach rationalen Maßstäben arbeiten und dass der Denkapparat des Menschen zum Beispiel die höchste Aktivität aufweist, wenn er gerade nicht »nach den Kriterien eines unternehmerisch geführten Betriebs«13 arbeitet. Zu11 Alexander Kluge, »Der Kosmos als Kino«, in: ders., Geschichten vom Kino, Frankfurt/M. 2007, S. 44 – 47; hier S. 44. 12 Gespräch mit Alexander Kluge vom 5. März 2014. 13 Oskar Negt/Alexander Kluge, Geschichte und Eigensinn, Frankfurt/M. 1981, S. 50.

Politik der Neuronen

91

sätzlich wird auf die »Selbstregulation« des Gehirns hingewiesen, die es laut Negt und Kluge möglich macht, mit »der verwirrendsten Fülle von Eindrücken«14 umzugehen. Auch hier taucht das Argument des Eigensinns auf. Das Gehirn stellt eine eigene Realität dar, ist nicht der »Diener« unserer Wirklichkeit, funktioniert nicht in erster Linie nach den Prinzipien der Anpassung. In der Passage »Eiszeit« heißt es: »Das Hirn ist also keineswegs ein Fenster. Realität dringt nicht durchs Hirn hindurch in irgendwelche tieferen Organe. Das, was das Hirn tut, und das, wie das Hirn seine Arbeit leistet, unterscheidet sich grundlegend.«15 Damit ist gemeint, dass die Resultate unseres Denkens der Wirklichkeit angepasst sind, die Art, wie das Hirn zu diesen Ergebnissen gelangt, allerdings nicht mit den Prozessen in der Realität vergleichbar ist. Die Vorstellung von Anpassung und Widerstand in der Funktionsweise des Denkorgans wiederum geht auf das Verhältnis »subjektiv – objektiv« zurück, auf die individuellen Wünsche der Menschen und die Welt, die diese Hoffnungen nicht erfüllt. Der Gegensatz zwischen dem Menschen und der ihn umgebenden Wirklichkeit ist bereits biologisch angelegt, so könnte man das Argument von Negt und Kluge verstehen. Die Organe der Menschen verfügen über eine hohes Maß an Selbstregulation, arbeiten also auch unabhängig von den Ansprüchen, die von außen an sie gestellt werden. Alexander Kluge führte die Überlegungen hinsichtlich der Arbeitsweise des Gehirns in dem 2012 publizierten Band Das fünfte Buch fort. Im Kapitel »Das Rumoren der verschluckten Welt« ist die Rede vom »Doppelhirn« oder der »bikameralen Hirnpraxis«. Diese Vorstellungen gehen auf die Theorie von Julian Jaynes und den Zusammenhang zwischen rechter und linker Hirnhälfte zurück. In der Geschichte »Die kurze Ära des Bewußtseins« heißt es: »E. A. Speiser, der In Search of Nimrod schrieb, bestätigt die Hinweise von Jaynes. Die Menschen der frühen Zivilisation operierten zweigeteilt, sagt er. Sie bestanden aus dem ihnen innewohnenden Lenker namens Gott und dessen Gefolgsmann namens Mensch.«16 In dem Text »Die Menschen mit zwei Köpfen« wird diese Vorstellung ausgeführt. Die rechte Seite des Gehirns ist Sitz der Religion, hier finden sich die moralischen Imperative. Die linke Hirnhälfte hingegen ist für die konkreten Handlungen des Menschen verantwortlich. Es handelt sich um die Unterscheidung zwischen Langzeit- und Kurzzeitgedächtnis. Die rechte Hälfte ist für die Weltanschauung des Individuums verantwortlich, die linke Seite steuert die Bewegungen des Menschen, reagiert auf die Umgebung, in der sich das Subjekt befindet. Dieses »Doppelhirn« gehört aber, laut Jaynes, der Vergangenheit an. 14 Ebd. 15 Ebd. 16 Alexander Kluge, »Die kurze Ära des Bewußtseins«, in: ders., Das fünfte Buch, Berlin 2012, S. 517.

92

Thomas Combrink

Das moderne Bewusstsein sei anders strukturiert. Würde man hier mit den Begriffen Sigmund Freuds operieren, so könnte man diese rechte Hirnhälfte wahrscheinlich am ehesten mit der Instanz des »Über-Ich« beschreiben, einem Ort, der unter anderem für die moralischen Imperative verantwortlich ist. In den analysierten Textpassagen aus Kluges Büchern und dem Theorieband Geschichte und Eigensinn zeigt sich die Tendenz des Denkens in Gegensatzpaaren. Diese Methode drückt sich bereits in Kluges poetologischer Idee des »Cross-Mappings« aus; dort geht es um zwei unterschiedliche Karten, die übereinandergelegt werden. Der Kern vieler Geschichten von Alexander Kluge besteht also in einer unaufhebbaren Dichotomie. Vermutlich löst auch der Einfall eines reizvollen Gegensatzpaares bei ihm den Schreibimpuls aus. Dieses Denken in Gegensätzen findet sich zum Beispiel auch bei den fingierten Gesprächen, die Kluge mit Helge Schneider, Peter Berling oder Hannelore Hoger für das Fernsehen führt. Für Kluge ist dort die Brechung des Geschehens von Interesse. Helge Schneiders Rolle als deutscher Techniker, der nach Japan geflogen wird, um in Fukushima Schäden am Atomkraftwerk zu beheben, wirkt reizvoll, weil der Zuschauer davon ausgeht, dass diese Arbeit ein Höchstmaß an Sachkenntnis erfordert, also nur von Spezialisten ausgeübt werden kann. Schneider spielt den Handwerker aber naiv, als sei die Tätigkeit an einem Atomkraftwerk vergleichbar mit der Installation eines Heizkörpers in einem Neubau.17 Das »Cross-Mapping« besteht also in dem Gegensatz zwischen einer heiklen, äußerst gefährlichen Aufgabenstellung an einem beschädigten Reaktor und der vorbehaltslosen Mentalität des deutschen Technikers, für den es ein Ausflug nach Japan zu sein scheint. Man könnte hier noch weitere Beispiele zitieren, um zu zeigen, dass in Alexander Kluges Werk das Denken in Oppositionspaaren von Bedeutung ist. Deutlich sieht man es beispielsweise auch in seinem Text über den antagonistischen Realismusbegriff.18 Der Auslöser für Realismus ist Kluge zufolge immer Protest gegen die Wirklichkeit. Wenn ich von einer geliebten Person verlassen werde, verhalte ich mich realistisch; meine Protestenergie gegen diese Trennung führt dazu, dass ich verstehen möchte, warum ich verlassen wurde. Der Gegensatz zwischen einem Menschen und seiner Wirklichkeit tritt immer dann in Erscheinung, wenn Wunsch und Realität nicht übereinstimmen.

17 »Die Tücken des Alltags. Aus Helge Schneiders Nachrichtenwerkstatt«, gesendet: 25. September 2011, News & Stories. 18 Alexander Kluge, »Die schärfste Ideologie: daß die Realität sich auf ihren realistischen Charakter beruft«, in: ders., Gelegenheitsarbeit einer Sklavin. Zur realistischen Methode, Frankfurt/M. 1975, S. 215 – 222.

Jana Koch

»Man lebt wie auf einem fremden Planeten.«1 Alexander Kluges Nachrichten zwischen Facts & Fakes

In seinen 1975 erschienenen Überlegungen Zur realistischen Methode schreibt Alexander Kluge: »Es muss möglich sein, die Realität als die geschichtliche Fiktion, die sie ist, auch darzustellen. Sie hat eine Papiertiger-Natur. Den einzelnen trifft sie real, als Schicksal.«2 Kluges Realismuskonzept ist einem Wirklichkeitsbegriff verpflichtet, der ohne subjektive Teilhabe der Wahrnehmungsvermögen nicht gedacht werden kann und unterschiedliche Formen von Konstruktionsarbeit berücksichtigt. Die Realität begreift Kluge als antagonistisch und ebenso deren Verarbeitungsprozesse – befindet sich der Mensch doch immer im Zwiespalt zwischen Fakten und Gefühlen. In diesen Texten beschreibt Kluge den Zustand im widersprüchlichen Dazwischen als »Antirealismus des Motivs für Realismus«,3 in späteren Ausführungen präzisiert er jene Art der Abwehrreaktion: »Und wenn eine Tatsache menschenfeindlich ist, den Menschen verletzt, dann leugnet er sie sogar. Das ist der sogenannte Antirealismus des Gefühls.«4 Dieses Auflehnen gegen die Realität ist dabei nicht nur als bloße Ausweichstrategie zu begreifen – denn eben jene Prozesse, in die sich eigene Wünsche und persönliche Erfahrungen mischen, enthalten das Potential der Vorstellungskraft; die Revolte gegen den unglücklichen Ausgang eines Geschehnisses bedeutet ein Festhalten am Urvertrauen und den Glauben an einen Ausweg, den es geben muss. Wahrnehmungskräfte entfalten sich erst im Begreifen aller Gefühlsebenen – auch jener, die gegen die Wirklichkeit aufbegehren. Die Entzifferung dieses Zusammenspiels verlangt eine Fähigkeit, die Kluge als »Unterscheidungsvermögen« bezeichnet und eine Konfrontation mit sämtlichen kollektiven und individuellen, unmittelbaren Erlebnissen und mittelbaren Erfahrungsgehalten 1 Helge Schneider als Leo Tchutkow in News & Stories: »Ich lass mir nicht in die Suppe spucken!«, SAT.1, Erstausstrahlung am 05. 01. 2014. 2 Alexander Kluge, Gelegenheitsarbeit einer Sklavin. Zur realistischen Methode, Frankfurt/M. 1975, S. 215. 3 Ebd., S. 217. 4 Alexander Kluge im Gespräch mit Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung, 17. 05. 2010.

94

Jana Koch

voraussetzt.5 Kathrin Lämmle, die sich in ihrer Arbeit Televisuelle Intellektualität eingehend mit Alexander Kluges Fernsehmagazinen befasst hat, reflektiert in der Auseinandersetzung mit der realistischen Methode seine Haltung als Filmemacher folgendermaßen: »Filmische Produkte sind für Kluge also dann realistisch, wenn sie den Zuschauer als sozialen, in seiner Lebenswelt verhafteten Akteur ernst zu nehmen vermögen.«6 Wenn Kluge von »Realzusammenhängen« spricht, bedeutet dies mehrere nebeneinander existierende Realitäten, die durch subjektiv gesponnene Fäden miteinander verbunden sind. Der vielzitierte Satz, der Film entstehe erst im Kopf des Zuschauers, spiegelt nicht nur die grundlegende Sichtweise Kluges auf einen emanzipierten Zuschauer wider, sondern impliziert auch die Forderung, dem Antirealismus des Gefühls ebenso bewusst zu begegnen wie objektiven Tatsachen. Subjektiven Erfahrungen gibt der multimediale Autor durch Unabgeschlossenheit Raum: Kluges Werk – Texte, Filme sowie Kulturmagazine – wird von dem ständigen Angebot durchzogen, eigene Assoziationen herstellen zu können. In seinen Fernsehbeiträgen unterbrechen Textfragmente, Zwischentitel und Schriften in unterschiedlichen Farben, variierender Anordnung, Größe und Leserichtung immer wieder das Gespräch und erzeugen Kontrapunkte auf Bildund Tonebene. Kluges ästhetische Verfahren in den Magazinen sind mit der Erzählstruktur seiner Prosa-Texte vergleichbar : Der spielerische Umgang mit Dokumenten, Perspektivwechseln und Ausschnitten aus Geschichten, die als (filmische) Bilder in die Gespräche montiert werden, erschließt neue Kontexte und aktiviert die eigene Phantasietätigkeit. Somit verweist Kluge immer wieder auf die Möglichkeit, dass Geschichte anders hätte stattfinden, anders hätte erzählt werden können. Rohmaterialien wie Kunstabbildungen, Fotografien, filmische Bewegtbilder, Stills oder Toneinspielungen fügen sich weder auf der visuellen noch auditiven Ebene in einer fließenden Bewegung in die Sendung ein: Oftmals werden sie nicht kommentiert oder dienen der Untermalung vorausgegangener Erzählinhalte, sondern werden vielmehr kontrapunktisch mit eigenen, mitunter schrillen Tönen unterlegt. Zumeist werden diese Unterbrechungen von Schwarzbildern markiert – von Leerstellen, die auf Ausgespartes hinweisen. Zu dieser Verfahrensweise schreibt Kluge:

5 Vgl. Kluge: Gelegenheitsarbeit einer Sklavin, S. 218. 6 Kathrin Lämmle, Televisuelle Intellektualität. Möglichkeitsräume in Alexander Kluges Fernsehmagazinen, Konstanz und München 2013, S. 74.

Nachrichten zwischen Facts & Fakes

95

»Wenn ich Realismus als eine Kenntnis von Zusammenhängen begreife, dann muß ich für das, was ich nicht im Film zeigen kann, was die Kamera nicht aufnehmen kann, eine Chiffre setzen. Diese Chiffre heißt: Kontrast zwischen zwei Einstellungen; das ist ein anderes Wort für Montage.«7

Die Elemente werden in dieser parataktischen Anordnung zudem als losgelöste Einzelbausteine ausgestellt – als eigenständige Teilchen komplexer Verhältnisse, die wiederum eigene Assoziationsräume und Seitenwege öffnen. Gleichzeitig erzeugen diese Bruchstellen mediale Selbstreferentialität. Anhand des Ineinanderfließens von Fiktion und Dokumentation in seinen filmischen Arbeiten lassen sich theoretisch formulierte Überlegungen Kluges wiedererkennen: Dokumentation bedeutet immer auch durch Konstruktion bedingte Fiktion, während umgekehrt auch der Fiktion ein dokumentarischer Charakter innewohnt.8 Im Kontext der Facts & Fakes kommt dem Spannungsfeld »Tatsachen und Fiktion« eine besondere Bedeutung zu: In diesen Sondersendungen, die sich in die Programmschiene der Kulturmagazine News & Stories und 10 vor 11 einfügen, führt Kluge – wie der Titel nahelegt – fiktive Interviews.9 Anfang des Jahres 2014 wurde ein Doppelprogramm mit dem Titel »Ich lass mir nicht in die Suppe spucken!«10 ausgestrahlt. Helge Schneider – neben Hannelore Hoger und Peter Berling in den letzten Jahren oftmals Gesprächspartner der Facts & Fakes – tritt darin unter anderem in der Rolle des Tschernobyl-Gärtners Leo Tchutkow auf. Die Sequenz beginnt mit Bildmontagen: Farbenfroh umrahmt von Blumen, mit Helge Schneider als Gasmaske tragendem Gärtner im Vordergrund, ist der Unglücksreaktor zu sehen. Diese Kontrastbilder, die Kluge für die Sendung zusammenmontiert, verweisen durch ihre auffällige Andersartigkeit auf die mediale Repräsentation von Ereignissen wie beispielsweise auf bekannte dokumentarische Aufnahmen der kontaminierten Zone. Die Interviewsituation unterscheidet sich formal kaum von anderen Kulturmagazinen Kluges: Helge Schneider alias Leo Tchutkow wird in Nahaufnahme 7 Alexander Kluge, »Wünsche und Fakten. Gespräch mit Klaus Eder«, in: dies., Ulmer Dramaturgien. Reibungsverluste, München/Wien 1980, S. 98. 8 Vgl. Kluge, Gelegenheitsarbeit einer Sklavin, S. 202. 9 Unter dem Titel Facts & Fakes erschienen zwischen 2000 – 2003 im Verlag Vorwerk 8 insgesamt fünf Begleithefte zu gleichnamigen Sondersendungen mit fiktiven Gesprächen, die zu dieser Zeit auf VOX ausgestrahlt wurden. Dieses Format hebt sich auf den derzeitigen Sendeplätzen namentlich nicht mehr von den regulären Kulturmagazinen News & Stories bzw. 10 vor 11 ab; im Sinne der Verdeutlichung werden diese Sondersendungen hier trotzdem als Facts & Fakes angeführt, dem Titel der Begleitschriften folgend: Christian Schulte/ Reinald Gußmann (Hg.), Alexander Kluge. Facts & Fakes. Fernseh-Nachschriften, Bd. 1 – 5, Berlin 2000 – 2003. 10 News & Stories: »Ich lass mir nicht in die Suppe spucken!«, SAT.1, Erstausstrahlung am 05. 01. 2014.

96

Jana Koch

und in einer einzigen statischen Einstellung gefilmt, Alexander Kluge selbst ist lediglich über seine Stimme aus dem Off zu hören. Mittels Blue-Screen-Verfahren visualisiert, mimt eine karge Landschaft mit herumliegenden porösen Fässern und maroden Holzhütten die Szenerie. Geläufigen Bildern der überwucherten Geisterstadt Pripjet, die mehr als zwei Jahrzehnte lang sich selbst überlassen brach lag, will die Hintergrundcollage nur bedingt ähneln – gibt es doch zahlreiche Berichte über die verwilderte Sperrzone rund um Tschernobyl, die uns präsent sind. Kluge arbeitet mit offensichtlichen Verfremdungen und merkbarer Inszenierung, und auch wenn der kostümierte Helge Schneider weniger bekannt wäre: Seine Rolle als Tschernobyl-Gärtner soll an keiner Stelle die Illusion erzeugen, dass es sich bei Leo Tchutkow um eine reale Person handeln könnte. Der Reaktorunfall in Tschernobyl hingegen ist ein wahrhaftiges, tatsächliches Ereignis, das ein ganzes Kollektiv getroffen hat – mit faktisch belegten Folgen, wenn auch deren ökologische Auswirkungen bis heute wissenschaftlich nur schwer abgeschätzt werden können. Ein gutes Vierteljahrhundert nach der Havarie des Kernkraftwerks berichtet nun also ein Gärtner von der Aufzucht haushoher Zucchini und über Radieschen, die »die Größe eines Fesselballons« erreichen. Der absurde Umstand, dass derartig kontaminiertes Gemüse nicht zum Verzehr geeignet ist und nur entsorgt werden kann, wird lediglich in einem Nebensatz angesprochen: »Das Radieschen hat das ganze Abwassersystem kaputt gequetscht.« Spricht man im Kontext seiner Arbeiten von Konstruktion, dann reicht es nicht aus, lediglich Kluges filmische Bilder unter diesem Aspekt zu untersuchen – denn in die Produktionen fließt auch immer sein Verständnis einer Konstruktion von Wirklichkeit ein. Die Verknüpfung von Raum- und Zeitebenen ist dabei etwas, so Kluge in seiner Frankfurter Poetik-Vorlesung, das er »in der Literatur nicht nachmachen kann«.11 Die Fake-Gespräche entstehen aus der Improvisation heraus und verfolgen niemals einen vorgegebenen roten Faden; einzig der Ausgangspunkt ist verabredet, der oftmals die Meldung eines historischen Ereignisses mit dem Widersinnigen verbindet. Zu dieser Verfahrensweise – der absichtlichen Verknüpfung einer Gegend mit einer »falschen« Landkarte – schreibt Christian Schulte in seinem Aufsatz »Cross-mapping. Aspekte des Komischen«: »Im Modus des Komischen ist die Schicksalsförmigkeit der Realität, ihr zwanghaftes So-und-nicht-anders, suspendiert. Die normative Kraft des Faktischen verliert für Augenblicke ihre Geltung.«12

11 Vgl. Alexander Kluge, Theorie der Erzählung / Frankfurter Poetikvorlesung, DVD Filmedition Suhrkamp, Berlin/Frankfurt/M. 2012. 12 Christian Schulte, »Cross-Mapping. Aspekte des Komischen«, in: ders./Rainer Stollmann (Hg.), Der Maulwurf kennt kein System, Bielefeld 2005, S. 231.

Nachrichten zwischen Facts & Fakes

97

Helge Schneider alias Leo Tchutkow in: »Ich lass mir nicht in die Suppe spucken.«

Kluge, der sich selbst als artiste d¦molisseur versteht, de- und rekonstruiert Nachrichten und Situationen zugunsten neuer Erfahrungshorizonte. Seine Suchbewegungen nach immer neuen »Realzusammenhängen« werden besonders an seiner multimedialen Auseinandersetzung mit dem Thema Tschernobyl deutlich. Es sind etwa zwanzig Clips, die sich derzeit auf der dctp-Seite unter diesem Themenschwerpunkt finden. Darunter auch Ausschnitte jener Sendungen, die zwischen 1991 und 1994 produziert wurden: Interviews mit Zeitzeugen, Aufnahmen von Liquidatoren, die kurz nach der Havarie am 25. April 1986 im Block 4 des Kernkraftwerks entstanden sind. Auszüge dieser Gespräche veröffentlichte Alexander Kluge 1996 in einem Buch mit dem Titel Die Wächter des Sarkophags. 10 Jahre Tschernobyl. Im Vorwort spricht er von einer »Dokumentation« – eine zunächst irritierende Formulierung, wie auch Kai Lars Fi-

98

Jana Koch

scher unterstreicht, der sich in seinem Aufsatz »Tschernobyl und die Katastrophe nach der Katastrophe« mit dem Verhältnis von Ereignis und Zeit in Alexander Kluges Geschichtsmontagen auseinandergesetzt hat.13 Die übliche Lesart des Begriffs »Dokumentation« kann für einen Autor, der einen derartig kritischreflexiven Umgang mit medialen Realitäten pflegt, hier gewiss kaum greifen – und so könnte die nötige Fußnote lauten: Kluge dokumentiert in diesen Gesprächen die Wirklichkeit subjektiver Erfahrungen von Zeitzeugen. Den Auswirkungen des Super-GAUs auf ein Kollektiv wird in individuellen Erzählungen auf der Mikroebene nachgespürt. Ein Unterkapitel seiner Einleitung trägt den Titel »Kleiner Katechismus der Zeit«. Ein Auszug: »Diese scheinbare Singularität, die plötzliche Explosion eines einzelnen Kernkraftwerk-Blocks in Tschernobyl, ist keine bloße aktuelle Bedrohung. Wir lesen eine solche Wirklichkeit aus unserer engen Perspektive, die von der Geburt bis zum Tod reicht, also dem individuellen Lebenslauf. Bis zu drei Generationen glauben wir zu übersehen, wenn wir noch die Großeltern kennen und auf Enkel hoffen.«14

Der Verweis auf Martin Luthers Schrift Der kleine Katechismus, die der Reformator 1529 als eine Art kurzes Lehrbuch zum christlichen Glauben verfasste, ist in diesem Kontext weniger auf christliche Inhalte und religiöse Unterweisungen zu beziehen – vielmehr bieten sich hier Lesarten an, die sich mit dem Aufzeigen von Handlungsmöglichkeiten engführen lassen. Luthers Katechismen entstanden durch die Begegnung mit Menschen und in Gesprächen mit ihnen: Dem Reformator wurde auf seinen Visitationsreisen das gesellschaftlich zu lückenhaft vorhandene Allgemeinwissen hinsichtlich der christlichen Lehre deutlich.15 In Kluges Arbeiten zu Tschernobyl lässt sich dabei weniger ein direkter Bezug zum theologischen Inhalt herstellen, als vielmehr zur Thematik des Kairos – einem zentralen Begriff in Kluges Werken. In Die Wächter des Sarkophags schreibt er etwa: »Tschernobyl ist in dieser Hinsicht zu lesen wie eine Schrift an der Wand.«16 Der Verweis auf die Vorzeichen der Menetekel, auf das Verstreichen-Lassen des kairologischen Moments, das möglicherweise zu weiteren Katastrophen führt, findet sich im Fake-Gespräch mit Helge Schneider alias Leo Tchutkow beispielsweise durch die Thematisierung Fukushimas wieder : In der Mitte der Sequenz erzählt der Gärtner von seiner Reise nach Japan – als Experte habe man ihn eingeladen, er bringe schließlich Erfahrung mit. Erfahrungswerte, 13 Vgl. Kai Lars Fischer, »Tschernobyl und die ›Katastrophe nach der Katastrophe‹. Katastrophales Ereignis, Zeit und Darstellung bei Alexander Kluge«, in: Solvejg Nitzke/Mark Schmitt (Hg.), Katastrophen. Konfrontationen mit dem Realen, Berlin: 2008, S. 111 – 128. 14 Alexander Kluge, Die Wächter des Sarkophags. 10 Jahre Tschernobyl, Hamburg 1996, S. 8. 15 Vgl. Horst Reller, »Zur Einführung«, in: Kurt Aland/Hermann Kunst (Hg.), Martin Luther. Der große und der Kleine Katechismus, Göttingen 2003, S. 3 – 6. 16 Vgl. Kluge, Die Wächter des Sarkophags, S. 9.

Nachrichten zwischen Facts & Fakes

99

die im Umgang mit den Folgen Fukushimas dienlich sind. Letztlich schwingt aber auch die Erfahrung einer Generation mit, die eine Kehrtwende bringen und die Nuklearkatastrophe von Fukushima hätte verhindern können. In Die Lücke, die der Teufel läßt heißt ein Kapitel »Kann ein Gemeinwesen ICH sagen? / Tschernobyl«.17 Auf den ersten Blick könnte der Buchtitel beinahe fatalistisch wirken – ist doch der Teufel ein schwer zu bekämpfender Gegner. Die Betonung aber – so Kluge – liegt bei aller Ohnmachtserfahrung auf der Lücke: Sie ist eine Leerstelle, die der Teufel ausgelassen hat, ein Möglichkeitsraum, der immer mitbedacht werden muss. Diese Suchbewegungen enthalten unterschwellig eine Verantwortungsethik, die sich in der »Weitergabe von Erfahrung«18 konzentriert. Ungewöhnlich direkt formuliert Kluge in Die Wächter des Sarkophags die Verpflichtung, den Erfahrungsgehalt der Gegenwart auf künftiges Handeln zu übertragen: »Das Fell radioaktiv kontaminierter Katzen in der ›verbotenen Zone‹, das ausgefranste Fell von Rehen, die in dieser Zone tot im Gras liegen, wird man nicht so leicht vergessen können. Ihr Anblick ist das Maß, an dem wir alle Projekte, die uns vorgeschlagen werden, messen sollten.«19

Martin Luther verfasste sein Handbuch in leicht verständlichen Formulierungen, die Bezugspunkte zum eigenen Leben zulassen und grundsätzliche Anwendung im Alltag finden sollten. In Kluges Interviews ergibt sich ein Zusammenspiel von Mikro- und Makroebene: Neben Schilderungen unmittelbar Betroffener, wie jene der Ingenieurin Oxana Pentak, die die Katastrophennacht in Tschernobyl erlebte,20 stehen Zahlen, Fakten und Prognosen zur unsichtbaren Bedrohung. Etwa, dass einige der radioaktiven Elemente, die durch die Explosion in Tschernobyl weit verteilt wurden, eine Halbwertzeit von bis zu 300.000 Jahren besitzen.21 Abstrakten Bezifferungen von Konsequenzen in einer Größenordnung, die, gemessen an der eigenen Lebenszeit, nur schwer vorstellbar sind, stellt Kluge menschliche Erfahrungen zur Seite, die von der Gefühlsebene nicht getrennt werden können. Mit dieser Engführung legt Kluge unterschiedliche Schichten frei, die historischen Ereignissen innewohnen. Es handelt sich nie um abgeschlossene, auf Vollständigkeit abzielende Geschichten oder Berichterstattungen zu einem Ereignis, denn dies würde eine »Ausdünnung der Abstrakta«22 bedeuten. Auch im Format der Facts & Fakes 17 Alexander Kluge, Die Lücke, die der Teufel läßt. Im Umfeld des neuen Jahrhunderts, Frankfurt/M. 2003, S. 105 – 194. 18 Vgl. Kluge, Die Wächter des Sarkophags, S. 15. 19 Ebd., S. 21. 20 Vgl. ebd., S. 25 – 42. 21 Vgl. ebd., S. 8. 22 Kluge, Gelegenheitsarbeit einer Sklavin, S. 208 – 209.

100

Jana Koch

versucht Kluge nicht, artifizielle Wirklichkeiten zu konstruieren, die den Anschein erwecken könnten, in sich schlüssig zu sein – vielmehr spiegelt seine Verfahrensweise ein grundsätzlichen Verständnis von Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozessen wider : »Soziologie und Märchen sind eben nicht, wie man annimmt, Gegensätze, sie sind Pole in ein und derselben Sache, die verschieden aussieht, je nachdem, ob man von der Fähigkeit des Menschen, Fakten auszuhalten, oder von seiner Fähigkeit, Wünsche zu bilden, ausgeht.«23

Wenn Helge Schneider alias Leo Tchutkow von der Schönheit kontaminierter Pflanzen in der unbewohnbaren Gegend Tschernobyls schwärmt und über sein Bestreben referiert, auch die »kaputte« Landschaft rund um Fukushima ansehnlicher gestalten zu wollen, erzeugt dies etwas, das Rainer Stollmann in der Tradition von Komik und Lachkultur im »grotesken Realismus« verorten würde.24 Im Aufeinandertreffen unterschiedlicher Realitäten entsteht eine Unstimmigkeit, die Kluge nicht künstlich herstellen muss – vielmehr stellt er eine Vielschichtigkeit der Wirklichkeit aus: Man lebe in der kontaminierten Zone »wie auf einem fremden Planeten«, bestätigt der Tschernobyl-Gärtner im Gespräch. Kluges Erzählweise verwebt Geschichtsschreibung mit Geschichten und lässt menschliche Erfahrungen, Tatsachen und Wünsche zusammenprallen; seine Heterotopien geben dem Antirealismus des Gefühls Raum und verweisen damit zugleich auf die mediale Konstruiertheit unterschiedlicher Nachrichten. Das erfordert selbstreflexive Kompetenzen der Zuschauerinnen und Zuschauer, um das eigene Verhältnis zur Realität auf den Prüfstand stellen zu können. In seinen Facts & Fakes folgt Alexander Kluge mit dem bewussten Herausbrechen von Teilstücken einer Wirklichkeit seiner eigenen Devise: »Sinnzwang verstärkt den Mangel. Rabiater Unsinn hat wenigstens seinen Zusammenhang.«25

23 Alexander Kluge, »Ein Hauptansatz des Ulmer Instituts«, in: ders./Klaus Eder, Ulmer Dramaturgien. Reibungsverluste, München/Wien 1980, S. 7. 24 Vgl. Rainer Stollmann, »Grotesker Realismus. Alexander Kluges Fernseharbeit in der Tradition von Komik und Lachkultur«, in: Christian Schulte/Winfried Siebers (Hg.), Kluges Fernsehen. Alexander Kluges Fernsehmagazine, Frankfurt/M. 2002, S. 233 – 259. 25 Alexander Kluge, Die Patriotin, zit. in: ders./Klaus Eder, Ulmer Dramaturgien, S. 113.

Richard Langston

Permanent Catastrophe and Everyday Life: Remediation of the Political in Kluge’s Vermischte Nachrichten and Chernobyl Broadcasts

The Trouble with Permanent Catastrophe In the course of its long passage from antiquity to late modernity, the idea of catastrophe underwent its most profound transformation only very recently.1 Whereas the compounds formed from the ancient Greek preposition jata, designating a reversal movement, and the verb stq]veiu for »to turn« once denoted a wide variety of pivotal events, the concept of catastrophe emerged in the course of the twentieth century as a ubiquitous condition encapsulating the whole of planetary life. Once exceptional, catastrophe became, in a word, quotidian and, as a result, largely indiscernible. Arguably the most prolific terrain on which the catastrophic condition of late modern life was initially articulated was the cultural criticism and philosophical treatises on history by intellectuals like Walter Benjamin, Siegfried Kracauer, and Herbert Marcuse. Unlike Benjamin who famously saw, like Karl Marx before him, future redemptive potential within the catastrophic status quo of modern life under capitalism, others grew ever more skeptical of any such hope.2 In the latest rationalized stage of capitalism, it was not, Kracauer opined in 1930, major events, but rather a string of »winzigen Katastrophen, aus denen der Alltag besteht, und gewiß ist sein 1 This initial treatment of the etymology and historical semantics of catastrophe relies heavily on: Olaf Briese/Timo Günther, »Katastrophe: Terminologische Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft«, in: Archiv für Begriffsgeschichte 51 (2009), pp. 155 – 195. 2 Walter Benjamin, »Zentralpark«, Gesammelte Schriften, eds. Rolf Tiedemann/Hermann Schweppenhäuser, vol. I.2, Frankfurt/M. 1974, p. 683: »Der Begriff des Fortschritts ist in der Idee der Katastrophe zu fundieren. Daß es »so weiter« geht, ist die Katastrophe. […] Die Rettung hält sich an den kleinen Sprung in der kontinuierlichen Katastrophe«. Briese and Günther note that it was Marx who not only singularized the otherwise pluralized notions of catastrophe but also catapulted it into a future time when capitalist production would collapse once and for all. This apocalyptic move, they add tangentially, is later echoed by Friedrich Nietzsche, whose posthumously published remarks on catastrophe and redemption set the tone for Benjamin’s later emancipatory teleology. See Briese/Günther, p. 171. See also: Juha Koivisto/Thomas Weber, »Katastrophe«, in: Wolfgang Fritz Haug (ed.), Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, vol. 7.1, Hamburg 2008, pp. 437 – 440.

102

Richard Langston

Schicksal vorwiegend an die Folge dieser Miniaturereignisse geknüpft«.3 Writing only a few years later, Marcuse upped the ante by casting the latest stage of capitalism as not only a »politische Krisis« but also a »Katastrophe des menschlichen Wesens«.4 In the shadow of the Holocaust, the unresolved status of redemption in critical thinking about catastrophe from a decade earlier initially appeared to be settled once and for all. While Max Horkheimer and Theodor W. Adorno did write of the »Katastrophe von gestern« in reference to the carnage found in Nazi death camps, Adorno was less engaged with historical catastrophes than he was with the idea of a single permanent or total catastrophe, that is, catastrophe whereby a society virtually precludes »die Möglichkeit des spontanen Umschlags«.5 In one of his most detailed explications of this catastrophe without a turn—namely, his 1958 analysis of Samuel Beckett’s Endgame—he intimates a cataclysmic convergence whereby second nature extinguishes first nature once and for all: »Ununterscheidbar [wird] die Phase der vollendeten Verdinglichung der Welt, die nichts mehr übrig läßt, was nicht von Menschen gemacht wäre.«6 With the absolute supremacy of second nature, catastrophe loses its age-old hallmark, namely the very distinguishability of its status as transformational event. Adorno recognized immediately the dire consequences of life in the permanent catastrophe; ill-equipped to perceive this structural calamity, postwar society disregards it by attending only to and relativizing discrete historical catastrophes »als eine Art von bedauerlichem Betriebsunfall auf der Bahn des wirtschaftlich-technischen Fortschritts abzutun«.7 Neither the promise of progress nor any tiny fissure [»kleinen Sprung«] within the continuous catastrophe, as Benjamin had once envisioned it, was powerful enough for Adorno to alter permanent catastrophe’s hold on all of modern life. In the eyes of Adorno’s acolytes, the consequences of his theory of permanent catastrophe were severe and soon met with umbrage. In the eyes of Hermann 3 Siegfried Kracauer, Die Angestellten: Aus dem neuesten Deutschland, Frankfurt/M. 1971, p. 56. Inka Mülder-Bach notes in her introduction to the English translation that Kracauer’s bleak outlook was itself a turn away from the emancipatory potential worked out in essays penned earlier and later collected in Das Ornament der Masse. See: introduction, The Salaried Masses: Duty and Distraction in Weimar Germany, translated by Quintin Hoare, London 1998, pp. 12 – 14. 4 Herbert Marcuse, »Neue Quellen zur Grundlegung des historischen Materialismus«, Schriften, Frankfurt/M. 1978, p. 536. 5 Max Horkheimer/Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung: Philosophische Fragmente, Frankfurt/M. 1984, S. 232; Theodor W. Adorno, Minima Moralia, in: Gesammelte Schriften, ed. by Rolf Tiedemann, vol. 4, Frankfurt/M. 1986, pp. 219, 276. 6 Theodor W. Adorno, »Versuch, das Endspiel zu verstehen,« in: Gesammelte Schriften, ed. by Rolf Tiedemann, vol. 11, Frankfurt/M. 1986, p. 286. 7 Theodor W. Adorno, »Wird Spengler recht behalten?« in: Gesammelte Schriften, ed. by Rolf Tiedemann, vol. 20.1, Frankfurt/M. 1986, p. 141.

Permanent Catastrophe and Everyday Life

103

Schweppenhäuser, Adorno had essentially collapsed past experience as well as an ineluctable ominous future into a paralyzed catastrophic present, a resigned state of standstill verging on the very mythical consciousness he otherwise decried. In contrast then to Adorno, Schweppenhäuser called for not only a redoubling of historical consciousness in our encounters with catastrophe but also a reconsideration of the catastrophic event’s redemptive potential in the form of catharsis.8 Long adverse to both the discourse of catastrophe as well as Adorno’s totalized critique, Jürgen Habermas followed suit only very recently when, asking whether it was possible to learn from history, he tendered the idea of a dynamic »Weltinnenpolitik« capable of forestalling the return of catastrophes from the first half of the twentieth century.9 Another peer Habermas counts among Adorno’s scions who turned away from catastrophe’s permanence is Alexander Kluge: »Kluge interessiert sich für die Wendepunkte«, he explained in his encomium given on the occasion of Kluge’s receipt of the Lessing Prize, »an denen sich eine Schlacht, ein Krieg, ein Zeitalter entscheiden«.10 Indeed, historical catastrophe as event—from the Battle of Stalingrad to 9/11, from the bombing of Kluge’s childhood home in Halberstadt to the Great Recession, from the Battle of Verdun to the Iraq War—occupies an essential place and function throughout his oeuvre. Yet it would be a gross oversight to conclude that Kluge, along with his collaborator Oskar Negt, turned a blind eye to the precedent of structural catastrophe advanced by Adorno and others before him. As shall be established over the course of the following pages, it was the meltdown of the fourth reactor core at the nuclear power plant in Chernobyl on April 26, 1986, that brought Kluge both to acknowledge the permanence of a historical catastrophic event like Chernobyl and to redress its imperceptibility using the tools of filmmaking and television broadcasting.11

8 Hermann Schweppenhäuser, »Mythisches und historisches Katastrophenbewußtsein«, in: Tractanda: Beiträge zur kritischen Theorie der Kultur und Gesellschaft, Frankfurt/M. 1972, pp. 118 – 130. See also Briese/Günther, »Katastrophe«, p. 191. 9 Jürgen Habermas, »Aus Katastrophen lernen? Ein Zeitdiagnostischer Rückblick auf das kurze 20. Jahrhundert«, in: Die postnationale Konstellation: Politische Essays, Frankfurt/M. 1998, p. 165. 10 Jürgen Habermas, »Nützlicher Maulwurf, der den schönen Rasen zerstört: Lessing-Preis für Alexander Kluge«, in: Vom sinnlichen Eindruck zum symbolischen Ausdruck: Philosophische Essays, Frankfurt/M. 1997, p. 144. 11 It is in this respect where my argument diverges from Kai Lars Fischer’s significantly, which focuses exclusively on Kluge’s attention to catastrophic events, not the legacy of permanent catastrophe as a condition as passed on by Adorno. See: »Tschernobyl und die ›Katastrophe nach der Katastrophe‹: Katastrophales Ereignis, Zeit und Darstellung bei Alexander Kluge«, in: Katastrophen: Konfrontationen mit dem Realen, eds. Solvejg Nitzke and Mark Schmitt, Essen 2012, pp. 111 – 128.

104

Richard Langston

The Catastrophic Character of Everyday Experience before and after Chernobyl The category of the everyday has always operated as the proverbial bedrock upon which Negt and Kluge erected their theoretical contributions to Critical Theory. In 1972, they wrote, for example, »Die im Lebens- und Produktionszusammenhang wirklich produzierten kollektiven gesellschaftlichen Erfahrungen der Menschen liegen quer zu diesen Einteilungen.«12 The everyday divisions partitioning social experience that they write of in their introduction to Öffentlichkeit und Erfahrung are those separating public and private spheres, between »Bundestagswahlen« and the everday duties of »Kindererziehung«, between »Aktionen eines Scharfschützenkommandos« and the daily »Arbeit im Betrieb«, between the »Olympiade« of 1972 and the usual »Fernsehen in den eigenen vier Wänden«.13 The dire problem with these divides is not only their imperceptible nature—we unknowingly traverse them countless times throughout our daily lives—but also their uneven valorization. Authentic everyday experience perennially goes missing in both the constitution of public spheres as well as in their politics such that they either have no use for everyday experience or must seek to expropriate it as raw material to be manufactured into artificial needs, interests, and desires for future profit. Regardless of whether they are dismissed or exploited, the complex border crossings essential to the relationality of everyday life—»so wie er ist«—languish in obscurity and, so too, does everyday experience itself.14 Three years later in the fall 1975, Kursbuch editor Karl Markus Michel went one step farther by recasting the trouble with the everyday and the denigration of experience as a narrative quandary. »Das Alltägliche wird heute an allen Ecken und Enden zum Problem. Aber nicht, weil einige Leute angefangen haben, darüber zu reden.« The underlying problem had, in fact, far more to do with the proposition that »[v]om Alltag kann man nicht erzählen«.15 For Michel, the everyday inherently eludes the powers of narration precisely because it is devoid of the exceptional. Without an »[a]ußergewöhnliche,« »[s]ensationelle,« or »[a]nstößige« event, the mundane normalcy of the everyday remains unidentifiable, anonymous, and indescribable: »[Es] bleibt beliebig, chaotisch, unstrukturiert – sinn-los«.16 In a word, the everyday eludes the unconscious 12 Oskar Negt and Alexander Kluge, Öffentlichkeit und Erfahrung: Zur Organisationsanalyse von bürgerlicher und proletarischer Öffentlichkeit, in: Der unterschätzte Mensch: Gemeinsame Philosophie in zwei Bänden, vol. 1, Frankfurt/M. 2001, p. 335. 13 Ebd., p. 335. 14 Ebd., p. 359. 15 Karl Markus Michel, »Unser Alltag: Nachruf zu Lebzeiten«, Kursbuch 41, (Sept. 1975), p. 3. 16 Ebd., pp. 2, 5.

Permanent Catastrophe and Everyday Life

105

grammar that confers cultural meaning on modern society’s ubiquitous stories organized around the exceptional. If the problem of the everyday is to be remedied according to Michel, then the task at hand is a tricky narratological one, insofar as the disparate elements of everyday life must be articulated in such a way so as not to potentiate them into something exceptional, which would ultimately obfuscate precisely what constitutes their diffuse everydayness in the first place.17 Kluge the storyteller has probed the everyday narratologically long before leftists declared its politicization as one of the defining mantras of the seventies. But instead of proceeding positively, as Michel suggests, and suturing the constituents of everyday life into a diffuse constellation, Kluge has consistently worked negatively. If, to quote Kluge, »Alltag ist durch das bestimmt, was angeblich Nicht-Alltag ist – Luftangriff, Kriegserklärung, Schwarzer Freitag …«, then his obsessive, unceasing attention to modern Germany’s historical catastrophes (along with their many aftershocks) ever since his literary debut in the early sixties has been nothing other than a dialectical query of the paucity and therefore the catastrophic character of everyday experience.18 Kluge says as much in concert with Negt when in Öffentlichkeit und Erfahrung they write that »Eigenerfahrung«—that is, everyday experience neither disregarded nor exploited—precludes catastrophes. Conversely, limited experience—that is experience diminished by the vested interests of the public sphere—displays, they maintain »eine Tendenz zur Katastrophenpolitik«.19 In this respect, Habermas is on the mark when he claims that for Kluge, like Benjamin before him, »der Augenblick der Katastrophe ist der der Emanzipation«.20 Within what Michel calls the arbitrary, chaotic, and unstructured moment of historical catastrophe, Kluge has indeed sought out, as Habermas infers, that dialectical moment he and Negt call the abaric point where individuals could find freedom from any and all external forces once responsible for diminishing autonomous experience and maintaining catastrophe’s potential.21 However, Kluge’s survey of historical catastrophes has tended more often than not to their manifest tragic character. By zeroing in on the countless ways catastrophic-prone public spheres paper 17 Michel concludes his essay as follows: »Politische Arbeit muß im Alltag ansetzen, in seinen verschiedenen Segmenten, muß versuchen, zwischen ihnen Verbindungen herzustellen. […] diese Diffusität, die Umstrukturierheit und Brüchigkeit unserer Lebenszusammenhänge trotz aller Spezialisierung und Segmentalisierung die Chance, aufzubrechen aus dem Alten …« (p. 40). 18 Alexander Kluge and Edgar Reitz, »In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod«, Kursbuch 41 (Sept. 1975), p. 71. 19 Negt and Kluge, Öffentlichkeit und Erfahrung, p. 354. 20 Habermas, »Nützlicher Maulwurf«, p. 143. 21 Cf. Oskar Negt and Alexander Kluge, Geschichte und Eigensinn, Der unterschätzte Mensch: Gemeinsame Philosophie in zwei Bänden, vol. 2, Frankfurt/M. 2001, p. 790.

106

Richard Langston

over and diminish everyday life, Kluge’s stories routinely probe how disfigured everyday life is replete with illusory wishes that blind us from discovering ways out of our usual tendency for catastrophe politics.22 Not all catastrophes are the same for Kluge and the blindness they induce is equally variable. Of all the many catastrophic events that have commanded Kluge’s fascination, it is, without question, the meltdown in Chernobyl that has occupied the most unique position in his catalogue of modern disasters. The reason is simple: Chernobyl undid historical catastrophe’s longstanding dialectical relation to everyday life. If the everyday—that is, life from »below«—was once determined by what is presumably not everyday—that is, calamity from »above«—then the imperceptible reach of nuclear radiation across the Iron Curtain and well into Western Europe signaled for Kluge both an unprecedented metastasis of historical catastrophe into the everyday as well as the sudden expiration of the public sphere as a political space of authority delineated by the nation state.23 Furthermore, the cutting across divisions constituent of the real social experiences of human beings suddenly encompassed on account of the windblown fallout from Chernobyl entire continents and posed a threat to life for thousands and thousands of years. Accordingly, distinctions once rendered from the fundamental dimensions of everyday experience—near versus far, today versus 30,000 years—suddenly became invalid and thus historical experience quickly felt like permanent catastrophe. In spite of the pervasive everyday feelings of hopelessness that soon hung over Europe, Kluge immediately latched on to this extraordinary event as a chance for recovering the »kritische Sensibilität« that the distant catastrophe radiated away in a flash.24 It is, therefore, no coincidence that the year of the Chernobyl catastrophe is also the year when Kluge bid adieu to filmmaking once and for all and focused exclusively on finalizing his media shift to private television. What remains to be seen then is how Kluge deployed television’s otherwise Janus-faced promise of long-distance sight as a means for resuscitating the »Maßverhältnisse und Steuerung« necessary for autonomous experience when all sense of time and space seemed to collapse in the shadow of Chernobyl.25 But before turning to the resuscitation of

22 Cf. Alexander Kluge and Bion Steinborn, »Cinema Pure, Cinema Impure«, Filmfaust 7.26 (Feb.-Mar. 1981), p. 43. 23 The core categories of »above« and »below« are worked out in conjunction with Negt and Kluge’s account of human being’s orientation vis-—-vis the violent forces of history. See: Negt and Kluge, Geschichte und Eigensinn, pp. 47 – 49. »Bei allen Kategorien des Oben, Unten […], des Neben-mir […], des Fern und Nah, von Zeit und Raum geht es bei allen Maßverhältnissen und Steuerungen um organische Vollständigkeit, um Zusammenhang« (p. 644). 24 Alexander Kluge, introduction, Die Wächter des Sarkophags, Hamburg 1996, p. 10. 25 Negt and Kluge, Geschichte und Eigensinn, p. 644.

Permanent Catastrophe and Everyday Life

107

the dimensions of experience, Kluge initially toiled away at substantiating their very dissolution and did so by looking at the sky.

»Fernwirkung«: Television and the Indexicality of Clouds Questions among West Germans about the dangers posed by Chernobyl’s fallout were, says Kluge, innumerable and went largely unanswered. What sorts of food could be eaten? What effects might inadvertent overexposure have on human bones and organs? What should pregnant women and children do? Is it even wise to go for a walk outside, especially if it’s raining?26 The unbearable uncertainly of everyday life drove Kluge to pack up and seek shelter in Portugal where radionuclide levels were at their lowest in Europe. »[M]it meiner Familie [und] meinen Kindern [bin ich] im April und Mai 1986 […] richtig geflüchtet, nach Portugal«, he confessed many years later, »weil wir einfach niemandem mehr getraut haben«.27 Upon returning home in Munich, Kluge scrambled to finish his final feature, Vermischte Nachrichten, a film both scantily distributed and poorly received in theaters in its own moment and treated ever since in the critical literature as either a negligible afterthought or a foreshadowing of the frenetic formalism often associated with his imminent television programing but nothing more. An explicit allusion to the faits-divers typical of what Kluge calls »klassische[] Zeitungen«—sensational reports about homicides, suicides or misfortune reserved for the last page of French dailies—the film’s seemingly generic title points, so Kluge, to a »Vexierspiegel« of the »Rohstoff von Ereignissen in der Welt«.28 Yet the film’s eclectic content—shorts, narrated storyboards, documentaries, condensed silent films, not to mention sundry montage sequences—ostensibly says nothing of the catastrophe in Chernobyl or of any other contemporaneous calamity like the Space Shuttle Challenger disaster from four months earlier. According to one critic, Vermischte Nachrichten was »a hodgepodge of outtakes and miscellany from previous productions, more fragmented and less successful than any previous Kluge film«.29 For another, the 26 I am paraphrasing here Kluge’s own account of Chernobyl’s impact on everyday life at the periphery of the catastrophe in: Ebd., pp. 7 – 8, 10. 27 Lydia Dykier and Philippe Roepstorff-Robiano, »Sonden in Randbereiche der Zeitgeschichte: Ein Interview mit Alexander Kluge,« Revolver-Blog, 27 Apr. 2011, , 2 May 2014. 28 Martin Weinmann and Alexander Kluge, Neonröhren des Himmels: Filmalbum, in: Sämtliche Kinofilme, by Alexander Kluge, Frankfurt/M. 2007, p. 86. On the history of fait-divers in French print media, see: Deborah Streifford Reisinger, Crime and Media in Contemporary France, West Lafayette 2007, pp. 7 – 8. 29 Peter C. Lutze, Alexander Kluge: The Last Modernist, Detriot 1998, pp. 65, 197. On the disappointing contemporary reception of Vermischte Nachrichten, see: pp. 95 – 96.

108

Richard Langston

film’s failure was not just on account of Kluge’s infuriating modernist collage pushed well past the tipping point, but also the concurrent structural transformation of the Federal Republic’s media landscape in the middle of the 1980s in which cinema no longer seemed to play the leading role it once did.30 »A murder is committed:« Roland Barthes once explained, »if political, it is news, otherwise we French call it faits-divers«.31 It is precisely this oblique yet pivotal distinction between the politics of »news« versus the insignificance of the faits-divers—in a word, the chasm separating exceptional knowledge from everyday life—that has long been lost on critics and their limited appreciation of Kluge’s Vermischte Nachrichten. Wedged in-between faits-divers about swindlers, dying mothers, forlorn lovers, dying soldiers, and attempted murders, the core of Kluge’s film is, in fact, a short documentary directed by Volker Schlöndorff. »Vor Weihnachten 1981: eine weltpolitische Spannungssituation«, actress Sabina Trooger declares, playing the part of a fictional anchorwoman. »Man weißt schon, dass es mit der klassischen Ostpolitik zu Ende geht. Das ist ein Trauerfall und zugleich ist es gefährlich. Wir zeigen Ihnen diesen Tag in der Zähigkeit, die das Fernsehen nicht dokumentiert.« The tensions Trooger refers to include a series of political events in quick succession—the Soviet invasion of Afghanistan, NATO’s double-track decision, and the declaration of martial law in Poland—that suddenly threatened to destabilize German-German rapprochement since its formal ratification in 1972. The otherwise veiled tenacity subtending these geopolitical threats is to be found in Schlöndorff ’s documentary footage of West German chancellor Helmut Schmidt’s state visit to the Democratic Republic of Germany in early December 1981. What counts as particularly tenacious is the mundane everydayness of the extraordinary visit: the small talk on the tarmac’s red carpet, the drive to Werbellinsee, the uneventful photo ops in the Hubertusstock hunting lodge, and the Christmas market in Güstrow. When a faceless woman shouts in the crowd, »Ich sehe überhaupt nichts«, the same could be said of the legibility of politics conducted during this ostensibly most political of events. That moment caught on live television when politics behind the Iron Curtain was supposed to be unfolding literally in real time—Schmidt’s press conference held immediately after martial law went into effect in Poland—was actually pure choreographed artifice. Kluge himself framed the significance of the short in terms of the inauthenticity of politics that it throws into relief: »Bundeskanzler Schmidt spricht nicht [vom in Polen ausgerufenen Kriegsrecht], er spricht den Text […]. Das ist inszeniert, 30 Matthias Uecker, Anti-Fernsehen? Alexander Kluges Fernsehproduktionen, Marburg 2000, p. 50. Uecker is referring here to the following account of the film: Rainer Gansera, »Vermischte Nachrichten,« edp-Film 11 (1986), pp. 30 – 31. 31 Roland Barthes, »Structure of the Fait-Divers«, Critical Essays, trans. Richard Howard, Evanston 1972, p. 185.

Permanent Catastrophe and Everyday Life

109

nicht von uns.«32 Long on everyday faits-divers and short on world-historical news, Schlöndorff ’s documentary concludes with footage of Schmidt’s farewell on the railway platform in Güstrow caught on live television (see fig. 1), a mise en abyme that essentially says that the politics television purports to show is, in fact, everyday life embellished with political meaning that counts as politics merely on account of its televisual mediation.

Figure 1: A screen within a screen; a television broadcast of Chancellor Schmidt’s departure in Güstrow, 1981. A still from Volker Schlöndorff ’s short in: Vermischte Nachrichten, dir. Alexander Kluge, Kairos Film, 1986.

Unlike Barthes who set out to classify the different types of sensationalist news items set off from a newspaper’s usual fare, Kluge’s Vermischte Nachrichten actually recalls Jean Baudrillard’s contention that the distinction between frontpage news and the faits-divers relegated to the last page has withered in our modern, mass-mediated consumer society. »All political, historical, cultural information«, Baudrillard proclaimed in 1970, »is received in the same—at once anodyne and miraculous—form of the faits-divers«.33 This praxis of media consumption rooted in misrecognition effectively inverts the exclusion of everyday life to which Negt and Kluge as well as Michel drew attention. With the abundance of faits-divers, impoverished everydayness »autonomize[s] and reinterpret[s] the world ›for internal consumption‹«.34 Baudrillard goes even 32 Florian Rötzer, »Kino und Grabkammer : Gespräch mit Alexander Kluge«, Die Schrift an der Wand: Rohstoffe und Materialien, ed. Christian Schulte, Osnabrück 2000, p. 39. 33 Jean Baudrillard, The Consumer Society : Myths and Structures, Thousand Oaks 1998, pp. 33 – 34. 34 Ebd., p. 35.

110

Richard Langston

further by explicating this dialectic of the everyday by using the exact same image with which Schlöndorff concludes his short: »The TV image, like a window turned outside-in, opens initially on to a room and, in that room, the cruel exteriority of the world becomes something intimate and warm—warm with a perverse warmth.«35 We would fall miserably short in our reading of Kluge’s Vermischte Nachrichten, however, were we merely to package it as a cinematic attempt at a critical phenomenology of the alibi of everyday participation in the media spectacle of world politics. Rather, Kluge’s final feature film is far more concerned with wrestling with the political consequences of a structural transformation of catastrophe of which both television and the meltdown in Chernobyl were equally emblematic. And even though the nuclear catastrophe never makes an appearance as television does, Kluge’s film does indirectly point to the fallout’s own toll on the fundamental temporal and spatial dimensions of autonomous experience. The renowned halo effect Walter Benjamin called aura, which we humans perceive when contemplating either historical or natural objects, could also be thought of as an object’s cloud of authenticity. Benjamin elucidates his concept thus: »Was ist eigentlich Aura? Ein sonderbares Gespinst aus Raum und Zeit: einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag. An einem Sommernachmittag ruhend einem Gebirgszug am Horizont oder einem Zweig folgen, der seinen Schatten auf den Ruhenden wirft – das heißt die Aura dieser Berge, dieses Zweiges atmen.«36

Leaving aside for a moment Benjamin’s claim that aura has ostensibly declined today thanks to our technologically fueled desire »[d]ie Dinge sich ›näherzubringen‹«, Benjamin’s illustration taken from the natural world begs the question whether clouds themselves have cloud-like halos.37 Polymath Johann Wolfgang von Goethe would very likely be dubious. For Goethe (and British meteorologist Luke Howard before him), clouds confound aura’s apparition of distance precisely because they are not objects. Rather, clouds are natural events at the threshold of the perceptible that signal the presence of invisible and imperceptible forces like air pressure, humidity, temperature, and wind speed.38 »Wer Wolken sieht,« one Goethe scholar recently summarized, »sieht zugleich ein Unsichtbares und Unspürbares mit«.39 For these reasons, clouds pose un35 Ebd., p. 35. 36 Walter Benjamin, »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit«, Gesammelte Schriften, eds. Rolf Tiedemann and Hermann Schweppenhäuser, vol. I.2, Frankfurt/M. 1974, 440. 37 Ebd., p. 440. 38 Joseph Vogl, »Luft um 1800«, Vita Aesthetica: Szenarien ästhetischer Lebendigkeit, eds. Armen Avanessian, Winfried Menninghaus and Jan Völker, Zurich 2009, p. 46. 39 Ebd., p. 46.

Permanent Catastrophe and Everyday Life

111

settling phenomenological and epistemological problems that Benjamin’s mountains simply do not. This problem becomes most apparent when we enter into a cloud: »In der Wolke […] scheint [alles] nah und fern zugleich, die Perspektive reduziert sich zur Zweidimensionalität, in der der Referenzpunkt verloren geht; Nahraum und Fernraum, Traumraum und physikalischer Raum werden eins«.40

Figure 2: A family looking at clouds. A still from Kluge’s short »Sommer 1986« in Vermischte Nachrichten.

Whereas the formal instability and spatial undecidability of clouds for Goethe is attributable to natural phenomena that, by their very nature, put the human powers and limits of perception and knowledge to the test, clouds in Kluge’s Vermischte Nachrichten are so much more. Not until the final nine-minute montage sequence entitled »Sommer 1986« do the half-dozen or so shots of clouds throughout earlier sequences in the film appear to signify anything more than just first nature. Thanks to both the sequence’s opening inter-title as well as footage taken from a West German civil defense instructional film on surviving nuclear attack, the images of mothers with their children behind windows (see fig. 2) along with another half-dozen time-lapse shots of passing clouds all operate together as indices of what Barthes calls »news«. »Such news cannot be understood immediately«, he explains, referring to the antithesis of faits-divers, »it can be defined only in relation to a knowledge external to the event, which is 40 Wolfgang Bock, »Dialektik des Nebels: Zu den Motiven der Wolken und des Wetters bei Walter Benjamin«, Archiv für Mediengeschichte: Wolken, eds. Lorenz Engell, Bernhard Siegert, and Joseph Vogl, Weimar 2005, p. 43.

112

Richard Langston

political knowledge, however confused«.41 The knowledge in question with all the cloud sequences throughout Vermischte Nachrichten is nothing other than a confused knowledge about the catastrophe in Chernobyl. Indeed, had it not been for Swedish nuclear monitors who literally caught wind of Chernobyl, awareness of the radioactive laden clouds pulled westwards by shifting winds from Western Ukraine would have never come to light. Once that knowledge along with the rains that fell in the West in late April sunk in, everyday life grew increasingly afflicted by uncertainty, fear, denial, and resignation.42 West German politics proved no match for the magnitude of a crisis verging on natural catastrophe, let alone the widespread paralysis it unleashed throughout society : »Die Antworten der Politiker dämpften und beschwichtigten«, one chronicler of the West German reaction to Chernobyl wrote, »waren, wenn sie mit genaueren Zahlenangaben operierten, für viele unverständlich und dann auch widersprüchlich«.43 It is, therefore, neither coincidence nor a case of last-minute sloppiness that Vermischte Nachrichten juxtaposes televised political events in the GDR from 1981 with the most oblique of references to the nuclear catastrophe in 1986: clouds. In fact, the structures of television and clouds have a great deal in common for Kluge. Throughout Vermischte Nachrichten they recursively call out one another. Like clouds that appear as discernible objects from afar, television promises, by virtue of its very name, an unprecedented prosthetic extension of human sight. Upon close inspection clouds vanish, says Goethe, in a haze of fog and mist and, so too, does television’s spectacle according to Kluge.44 »Ich denke, daß das Wort ›medialisieren‹ zunächst anspielt auf das ›Fernsehen‹«, Kluge explained in an essay from 1990, »obwohl, wenn man die Anteile dieses Wortes untersucht, alle Fernsehstationen, die ich kenne, mit ›fernem Sehen‹ gar nichts zu tun haben. Sie machen ja eigentlich Vordergrund, sie machen eine Tapete, sie machen ein Fenster auf und verhindern, daß etwas als entfernt dargestellt werden kann«.45 What Kluge calls a blocked window, one that only opens onto 41 Barthes, p. 186. 42 See Kluge’s meteorological account of the wind patterns from April 26 – 29 that cross whole geographic regions and continents. See: Alexander Kluge, Die Wächter des Sarkophags, Hamburg 1996, p. 122: »Wetterlage: Die am 26. April freigesetzten radioaktiven Partikel gelangen mit nordwestlichen Winden in den skandinavischen Raum. Am Vormittag des 27. April ziehen neue Partikel über Polen in Richtung Ostsee. Sie warden durch ein Zwischenhoch in südwestliche Richtung umgelenkt, nach Süddeutschland, Italien, Jugoslawien. Der Ausstoß vom 28. April und vom Mittag des 29. April wandern in Richtung Ukraine und wird später mit einem Tief nach Osten getrieben. Zugleich erfolgt die Ausbreitung in südlicher Richtung bis Vorderasien.« On the transformation of everyday life after Chernobyl, see: Helge Gerndt, »Der Schatten von Tschernobyl«, Kulturwissenschaft im Zeitalter der Globalisierung: Volkskundliche Markierungen, Münster 2002, p. 82. 43 Ebd., p. 80. 44 See also Vogl, »Luft um 1800«, p. 46. 45 Alexander Kluge, »Medialisieren – Musealisieren«, in: Zeitphänomen Musealisierung: Das

Permanent Catastrophe and Everyday Life

113

shallowness, Baudrillard calls an inverted window, a closed-off, privatist world of fantasy divorced from the real. In either case, the metaphor of the defective window stands in critical opposition to any and all affirmative perceptions that television entails long-range vision.46 Conversely, like television, the clouds of Chernobyl not only baffled the human senses but also blurred the political boundaries of the public sphere and the quotidian experiences of everyday life. Just as television transforms all information into faits-divers—regardless of whether it’s extensive political news or the intensive minor odds and ends saved for the back page—wind, clouds, and rain from the other side of the Iron Curtain effectively exploded in late April and early May 1986 the customary boundaries of a nation-state’s politics (see fig. 3). Once disregarded in the name of politics only later to be preyed upon by the culture industry, everyday experience suddenly became an inherently political concern, one for which the existing public sphere in the Federal Republic had no effective recourse. In effect, both clouds and television converged for Kluge as »unspürbare[] Kräfte«, catastrophic forces that threatened to weaken for millennia the tenacity of both consciousness and experience subtending everyday life.47

Figure 3: Red tinted clouds over Germany. The first shot of clouds from Vermischte Nachrichten.

Verschwinden der Gegenwart und die Konstruktion der Erinnerung, ed. Wolfgang Zacharias, Essen 1990, p. 31. 46 For a history of television as window in German culture, see: Lutz P. Koepnick, Framing Attention: Windows on Modern German Culture, Baltimore 2007, pp. 200 – 239. 47 Vogl, »Luft um 1800«, p. 46.

114

Richard Langston

Remediation and the Political Dimensions of Astonishment Even though Chernobyl was for Kluge a historical catastrophe that threatened to last seemingly forever, it was not the only catastrophe from mid-eighties that troubled him. »Man hat dann gegen Ende des Jahres noch eine ganze Kette von Katastrophen, darunter die Eröffnung des privaten Fernsehens in Deutschland, was für das Bewusstsein der Menschen unter Umständen genauso eine Langzeitwirkung und Halbwertszeit hat wie Kernkraft.«48 Coalesced by the Chernobyl catastrophe, Kluge’s media theory of television as clouds as implied in Vermischte Nachrichten is anything but a reactive response to the privatization of West Germany’s media landscape, an event that Kluge actually considered »unheimlicher als das Phänomen Tschernobyl«.49 On the contrary, Kluge had long been concerned with talk about privatizing German television, and with the emergence in the late seventies of new technologies like fiber optics, broadband cable networks, and satellite broadcasts, he recognized immediately both how far new media could penetrate both everyday consciousness and the gestalt of the public sphere.50 By 1984, the conditions were favorable for him to enter into the fray of television production as a shareholder and by 1985 he had generated twenty-two fifty-five minute programs for the fledgling commercial station SAT 1.51 Although he had been thinking long and hard about the detrimental nature and effects of new media, roughly five years would have to pass before he explicitly thematized the Chernobyl catastrophe in conjunction with his »antitelevision« broadcasts.52 48 Henning Burk, »Die Wächter des Sarkophags: Interview mit Alexander Kluge«, Maske und Kothurn: Internationale Beiträge zur Theater-, Film- und Medienwissenschaft 53.1 (2007), p. 67. It should be noted here that Kluge’s account of commercial television’s debut in the Federal Republic of Germany is slightly off. Based in Ludwigshafen, SAT1 went on the air for the first time as PKS (Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenrundfunk) on January 1, 1984 and was then rechristened a year later with its current station identification. Although initiated in Luxemburg in early 1984 as well, RTL plus acquired fifty-percent West German ownership in 1986; broadcast by satellite, RTL plus reached 1,25 million German households in 1986. This German investment in what would become RTL is very likely what Kluge is referring to here, ostensibly a watershed for commercial television in the Federal Republic. 49 Ebd., p. 68. 50 The best example of this is Kluge’s extensive reaction to new media in: »Die Macht der Bewußtseinsindustrie und das Schicksal unserer Öffentlichkeit«, Industrialisierung des Bewußtseins: Eine kritische Auseinandersetzung mit den »neuen« Medien, eds. Klaus von Bismarck et al, Munich 1985, pp. 51 – 129. 51 For a historical overview of Kluge’s entry into commercial television, see: Lutze, pp. 179 – 185. See also Uecker, pp. 13 – 28 and Knut Hickethier, »Von anderen Erfahrungen in der Fernsehöffentlichkeit: Alexander Kluges Kulturmagazine und die Fernsehgeschichte«, Kluges Fernsehen: Alexander Kluges Kulturmagazine, eds. Christian Schulte and Winfried Siebers, Frankfurt/M. 2002, pp. 195 – 205. 52 Kluge, »Medialisieren – Musealisieren«, p. 32.

Permanent Catastrophe and Everyday Life

115

Forever obsessed with anniversaries because of their over-determined status as preludes to change, the opportunities continually lost therein, and the customarily overlooked call for memory work they exhort, Kluge first commemorated the year 1986 in a twenty-five minute broadcast that first aired in July 1991 by largely emulating television’s usual conflation of news and faits-divers much like he did in Vermischte Nachrichten. A calendar of that year’s catastrophes, the show entitled »Wir sind noch einmal davongekommen/Jahresring 1986« begins with a report about 200 teenagers who perished in a burning youth center ; touches upon the Challenger disaster ; mentions briefly the death of the oldest man alive; climaxes with the Chernobyl meltdown; and then closes with the official launch of commercial television in West Germany.53 In subsequent broadcasts, Kluge wrestled less diachronically with the general hopelessness of that year—he has regularly regarded 1986 as the »Gegenpol zu 1968«, a year full of utopian aspirations—and instead proceeded synchronically by interviewing eyewitnesses who experienced the explosion of reactor four and the tragic consequences firsthand.54 This shift in approach is significant, for it marks precisely how he moved away from merely registering the paralysis of everyday life and politics indexically (as is the case in Vermischte Nachrichten) and replicating the undifferentiated dimensions of televisual information (as reflected in »Jahresring 1986«). What we usually call mass media—film and television, for example—count for Kluge as just »forms«, that is, formal conditions under which the real medium in question—namely people and their experiences, wishes, and fantasies—take shape.55 As for the particular attributes of television’s form, Kluge insisted already in 1985 that TV is essentially not unlike the usual agents of the classical bourgeois public sphere (e. g., newspapers, theater, literature, film); it, too, can traffic in the two primary categories—uniqueness and duration—

53 For a transcript of the broadcast, see: Alexander Kluge, »Jahresring 1986«, p. 117 – 128. 54 Ebd., p. 117. 55 Cf. Alexander Kluge, »Rohstoff, Nachrichten«, Die Patriotin: Texte/Bilder 1 – 6, Frankfurt/M. 1979, pp. 294. It’s worth adding here that Kluge’s language of form versus medium is distinctly different than systems theorist Niklas Luhmann’s, which has served as a point of departure for much thinking about media-character of clouds. Whereas form (a synonym for »thing«) and medium refer for Luhmann to increasing orders of a perceivable object’s complexity—media contain loosely coupled, largely indiscernible elements, while forms are more obvious, concentrated aggregates of select components culled from a medium—for Kluge they straddle a fundamental divide between the world of objects and the cognitive faculties of human beings, respectively. In a word, Luhmann brackets out the human factor that for Kluge is the key factor at stake. See: Niklas Luhmann, »Das Medium der Kunst«, Aufsätze und Reden, ed. Oliver Jahraus, Stuttgart 2001, pp. 198 – 217. On Luhmann and clouds, see: Lorenz Engell, Bernhard Siegert, and Joseph Vogl, eds., Archiv für Mediengeschichte: Wolken, Weimar 2005, p. 5.

116

Richard Langston

necessary for conveying everyday experience.56 Yet under the yoke of commercial interests the dominant forms of television are marked more often than not by the transitoriness and repeatability, qualities that dose, moderate, and impair the immediacy of experience.57 Under the right conditions, television is actually a »hybrid« medium [Zwitter], one intrinsically capable of resembling the forms of cinema in contradistinction to those frenetic and predictable ones characteristic of digital media.58 When considered in this light, what makes Kluge’s Chernobyl programs from the first half of the nineties so unique in his three-decade panoply of broadcasting are their techniques for manufacturing dimensions in the form of boundaries and barriers for the spectator—the actual medium—in spite of the homologous, unbounded effects of both private television and nuclear catastrophe.59 Looking back at Chernobyl ten years later, Kluge framed his aspirations for his broadcasts about the catastrophe not in terms of any moral imperative. Rather, his broadcasts were conceived »practically« as a means for holding on to the »actual feeling« of immediate experience when the mediated experience promised by new media threatened to do away with any such feeling altogether.60 Negt and Kluge explain in Geschichte und Eigensinn from 1981 that historical experience is unreal when it’s full of abstractions; without a concomitant dose of anti-realist feelings—feelings of »protest against unbearable relations« brought on by abstractions—experience will forever remain prone to favorable conditions for catastrophe.61 For West Germans at the periphery of the Chernobyl 56 Kluge, »Die Macht der Bewußtseinsindustrie«, p. 73. Kluge is referring here to Walter Benjamin’s use of »Einmaligkeit und Dauer« versus »Flüchtigkeit und Dauer« as formulated in his seminal artwork essay. See also Benjamin, »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit«, p. 440. 57 Kluge, »Die Macht der Bewußtseinsindustrie«, p. 73. 58 Ebd., p. 73. 59 Six Chernobyl broadcasts from August 1991 and April 1994 constitute the initial core of Kluge’s televisual engagement with the nuclear catastrophe. To date, the number now stands at twenty-three, the same number of programs dedicated to the Battle of Stalingrad, arguably the one twentieth-century catastrophe that has commended Kluge’s attention the longest. Many of theses subsequent programs adopt what Lutze calls Kluge’s »visual essay« format: literary texts transposed into a series of inter-titles and interspersed images. (See: Peter C. Lutze, »Alexander Kluge und das Projekt der Moderne«, in: Kluges Fernsehen: Alexander Kluges Kulturmagazine, eds. Christian Schulte and Winfried Siebers, Frankfurt/M. 2002, pp. 29 – 31.) What I am calling here the most exceptional Chernobyl broadcasts are those early ones that bring together the conundrum of everyday experience, nuclear catastrophe, and the promise of tele-vision. 60 Kluge, introduction, Die Wächter des Sarkophags, p. 15. 61 Negt and Kluge, Geschichte und Eigensinn, p. 112. Negt and Kluge’s formulation can be traced all the way back to Kluge’s thoughts on realism published around the same time his ruminations on everydayness and catastrophe appeared. See: Alexander Kluge, »Die schärfste Ideologie: daß die Realität sich auf ihren realistischen Charakter beruft«, Gelegenheitsarbeit einer Sklavin: Zur realistischen Methode, Frankfurt/M. 1975, p. 217.

Permanent Catastrophe and Everyday Life

117

catastrophe, bystanders for whom the experience of nuclear catastrophe in April 1986 was thoroughly unrealistic, the task then was to »read« the far-off, abstract event »wie eine Schrift an der Wand«.62 Referring to Daniel from the Old Testament who deciphers divine writing that prophesies the imminent downfall of King Belshazzar, Kluge has suggested that such code, once addressed exclusively to self-righteous kings, has morphed into ubiquitous »public signs« that largely go unread. »Die Menetekel besitzen außerdem viel ›Kleingedrucktes‹«, he continues, »oft setzen sie sich aus solchen eher unauffälligen Mitteilungen zusammen. Es ist schwer, diese Zeichen zu lesen, die selten in der Schriftsprache in Erscheinung treten«.63 In order to read these foreboding signs and engender conditions for anti-realist feeling, Kluge deploys, once again, a mise en abyme, a screen within the screen, one that requires not one but two translations. Midway through Kluge’s second television broadcast about the nuclear catastrophe, »Die Wächter des Sarkophags von Tschernobyl« from 1992, we see once again the now familiar inter-title »Sommer 1986«. Translator Rosemarie Tietze sits in front of a television and renders into German the raw, Russianlanguage footage from BBC Horizon’s extraordinary 1991 documentary »Inside Chernobyl’s Sarcophagus«.64 Pointing to a closed-circuit television screen showing Red Army volunteers disposing of radioactive debris into the breach of the deadly reactor, military scientist and general Nikolai Tarakanov highlights for new recruits with his index finger the exemplary work and says, according to Tietze, the following: »Sie haben eine Minute Zeit, um folgende Aufgabe zu erfüllen. Schauen Sie Ihre Kollegen zu!«65 In a subsequent broadcast entitled »Sie haben 40 Sekunden«, Kluge sits across from Romanian photojournalist Igor Kostin. »Wo stehen Sie hier jetzt?« Kluge asks as he reaches across the table a large format print of Kostin’s iconic photograph of so-called »liquidators« or »bio-robots« disposing of the rubble. »Vielleicht einen halben Meter […] entfernt«, Kostin’s translator replies, attesting to the fact that Kostin, too, was exposed to deadly radiation for up to 40 seconds at a time. »Ich habe das extra so belichten lassen«, Kostin goes on to say, »damit man sieht, wie stark die Radioaktivität war«.66 In yet another broadcast, Belarusian journalist Svetlana

62 Kluge, introduction, Die Wächter des Sarkophags, p. 9. 63 Alexander Kluge and Martin Weinmann, Seen sind für Fische Inseln: Fernseharbeiten, 1987 – 2008, Frankfurt/M. 2007, p. 53. 64 »Inside Chernobyl’s Sarcophagus,« dir. Edward Briffa, Horizon, BBC in association with WGBH Boston, 22 Apr. 1991. Aired as »Suicide Mission to Chernobyl« on PBS’s NOVA in the United States, the documentary was awarded an Emmy in 1992 for Outstanding Background/ Analysis of a Single Current Story. 65 Kluge, Die Wächter des Sarkophags, p. 91. 66 Ibid., p. 50. The first quotation is taken directly from Kluge’s interview that was excised from the printed transcription. See: »Abschied von der sicheren Seite des Lebens: Geschichten aus

118

Richard Langston

Alexievich and translator Tietze sit together in front of a television screen while footage plays silently from Alexievich’s filmed interviews with Tajik refugees who found shelter in Chernobyl’s »exclusion zone« immediately after the Soviet Union dissolved and many of its republics succumbed to civil war (see fig. 4): Tietze: In der Mitte dort am Rand sitzt Swetlana N.. Sie haben schon Angst, ihren Nachnamen zu nennen. Sie haben so eine gewisse Angst vor dieser tadschikischen Mafia, die überall zu treffen ist. […] Kluge: Sie ist schwanger? Tietze: (first inquires with Alexievich in Russian and then replies to Kluge in German) Ja, sie ist schwanger. […] Ich habe sie gefragt. Sie sind doch schwanger, ja, wieso haben Sie sich entschließen können, hier ein Kind zur Welt zu bringen? […] Und sie sagt, das entgültige Motiv zum Abreisen war als vor ihren Augen ein gerade geborenes Kind getötet wurde.67

Figure 4: Still from Primetime/Spätausgabe broadcast »Die Todeszone als Zufluchtsort« with Svetlana Alexievich and Rosemarie Tietze.

In all three broadcasts, reading images taken by eyewitnesses from within ground zero is fundamental. Yet this translation of experience into images is neither what conveys stories nor engenders knowledge of the catastrophe. Rather, it is Kluge’s translators who disrupt the pull of the immersive spectacle by mediating for the spectator linguistically the eyewitnesses’ accounts of either Tschernobyl«, Seen sind für Fische Inseln, dir. Alexander Kluge, Zweitausendeins/dctp, 2009, DVD. 67 Curiously, Kluge excises this entire exchange, in my estimation crucial for our understanding of Kluge’s media theory in practice, from the published transcription. Cf. Kluge Die Wächter des Sarkophags, pp. 142 – 147. The dialogue is taken from: »Die Todeszone als Zufluchtsort«, Primetime/Spätausgabe, dir. Alexander Kluge, RTL plus, 19 Dec. 1993. Alexievich’s own account of Svetlana N.’s decision to flee the unimaginable violence in Dushanbe and instead live in the exclusion zone can be found in: Svetlana Alexievich, Voices from Chernobyl, trans. Keith Gessen, Normal 2005, pp. 54 – 64.

Permanent Catastrophe and Everyday Life

119

their own or another’ stories about the images on view.68 The central role played by Kluge’s translators says, in a word, that TV images alone can never suffice when reading the writing on the wall. What goes missing from, or rather what gets buried beneath the televisual field is the everyday lived experience—the faits-divers—of catastrophe. Without the translation of storytelling, the images themselves tell little if anything of the gravity of Chernobyl’s threat to human life. Further complicating the task of catastrophic reading is the fact that Kluge’s eyewitnesses—investigative journalists, scientists, and former government officials—do not convey experiences infused with any anti-realist feelings that he and Negt say are necessary for steering clear of future catastrophe. The biorobots willingly put their lives on the line to minimize the contamination. In spite of the dangers to his own health, the photojournalist exposed himself in order to preserve the history of the quickly forgotten liquidators for all of posterity. Compared to the bloodshed at home, a slow death in the exclusion zone was for refugees like Svetlana N. a far better fate. In every instance, the contradictions characteristic of antagonistic reality have vanished. To quote Negt and Kluge, »›alles erscheint unwirklich‹« for these individuals.69 And the same could be said of West Germans in the summer of 1986. Flipping Michel’s slogan on its head, Kluge’s interviews suggest that neither catastrophe, in general, nor any antirealist feelings of protests against it, in particular, can ever be narrated by the victims or their translators. What storytelling transmits is the unrealness of everyday reality in the catastrophe. The conditions for reviving a critical sensibility lie ultimately elsewhere, namely in the real locus of the interview, in that sense of amazement about everyday life in the catastrophe conveyed by Kluge and his questions. Amazement, writes Benjamin in his eighth thesis on the concept of history, »daß die Dinge, die wir erleben, im zwanzigsten Jahrhundert ›noch‹ möglich sind, ist kein philosophisches«. This amazement, he adds, »steht nicht am Anfang einer Erkenntnis, es sei denn der, daß die Vorstellung von Geschichte, aus der er stammt, nicht zu halten ist«.70 When in yet another interview with nuclear engineer Oxana Pentak Kluge asks not about the technical details of the explosion on April 26, 1986, but rather the details of her everyday life in the 68 In this respect Georg Witte is absolutely correct when, in his laudation for Tietze on the occasion of receiving the Johann-Heinrich-Voß Prize for Translation in 1995, he suggested: »Rosemarie Tietze paßt nicht in die rührende Rolle des Mediums, die ja ein ontologisches Gefälle zwischen einem echteren Text und einer unechteren Übersetzung voraussetzt.« See: Georg Witte, »Laudatio auf Rosiemarie Tietze«, Das Jahrbuch der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung (1996), p. 77. 69 Negt and Kluge, Geschichte und Eigensinn, p. 514. 70 Walter Benjamin, »Über den Begriff der Geschichte«, Gesammelte Schriften, eds. Rolf Tiedemann and Hermann Schweppenhäuser, vol. I.2, Frankfurt/M. 1974, p. 694.

120

Richard Langston

immediate shadow of catastrophe, he effectively divulges his own astonishment (see fig. 5): Kluge: […] Wie lange sind Sie dann noch im unmittelbaren Einflußbereich des Reaktors geblieben? […] Kluge: Und was haben Sie gemacht? Sie sind ja Technikerin, Sie sind ja Wissenschaftlerin? Haben Sie sich geduscht? Was tut man dann? […] Kluge: Welche Regeln gibt es? Wie kann man sich nach so einer Katastrophe verhalten? Die Kleidung waschen?71

In her deft reading of Benjamin’s intricate thesis on amazement, Sigrid Weigel points out that, when carefully parsed, the proposition does not actually petition for moral outrage against the normalization of disaster and catastrophe in the forward march of human history. Instead, Benjamin’s calculated language singles out amazement as a »condition of possibility for a different type of perception« of history, a non-philosophical response that »distinguishes amazement at what we have experienced in the twentieth century from the figure of what is ›still‹ possible«.72 Evident by his line of questioning, Kluge’s amazement has not to do with the incorporation of catastrophe into historical progress, but rather with the dialectic of everydayness in a new era of global nuclear catastrophe. What remains of everyday life when nuclear catastrophe is everyday? If the grievances of publicness were first its disregard for and, then later, its predation of everydayness, everyday life as we once knew it—once thought of as those unexceptional experiences produced in everyday life and work—stands to vanish altogether.73 Like Benjamin, Kluge’s amazement is one nevertheless imbued with utopian ¦lan. Writing a decade and a half after Kluge entered into to the morass of private television, American media theorists Jay Bolter and Richard Grusin rechristened the word »remediation« to describe the contemporary social desire to multiply 71 Kluge, Die Wächter des Sarkophags, pp. 33, 34, 36. 72 Sigrid Weigel, »Non-Philosophical Amazement – Writing in Amazement: Benjamin’s Position in the Aftermath of the Holocaust«, in: Body- and Image-Space: Re-reading Walter Benjamin, trans. Georgina Paul et al, London 1996, pp. 147, 148. 73 In this respect, I take issue with Joseph Vogl’s proposal to unlock the logic of Kluge’s questions as a »besonderes Ereignis in der Diskursökonomie«, framed by a Deleuzian antidialectical emphasis on the metonymic production of »problematische Konstellationen«, Vogl’s account leaves out crucial human factors, in particular interest and, as I establish here, astonishment. See Joseph Vogl, »Kluge’s Fragen«, Maske und Kothurn: Internationale Beiträge zur Theater-, Film- und Medienwissenschaft 53.1 (2007), pp. 119, 122.

Permanent Catastrophe and Everyday Life

121

Figure 5: Kluge’s question as astonishment. Still from Primetime/Spätausgabe broadcast »Die Todeszone als Zufluchtsort«.

media while erasing all traces of any mediation.74 A moderately clever bon mot intended to capture this contradictory logic, Bolter and Grusin’s remediation stifles, however, the word’s primary meaning, namely to remedy, to cure, to reverse, or to bring to a full stop. Remediation in this older sense is precisely what Kluge achieves with his second-order mediation of experience; using a constellation composed of appropriated images taken from historical catastrophe, eyewitness accounts, translators, as well as his own longstanding investment in championing every human being’s right to their own everyday life, Kluge engenders in his Chernobyl broadcasts temporal and spatial differences that information-driven television literally has no time or space for.75 Unlike Bolter and Grusin’s remediation that arguably operates within the media conditions of clouds where near and far collapse into one, Kluge’s cultural windows on TV strive to restore the condition of possibility for the human sensorium’s perception of time and space and, by extension, the distinctions between uniqueness and duration versus transitoriness and repeatability that allow

74 Jay David Bolter and Richard Grusin, Remediation: Understanding New Media, Cambridge 1999, p. 5. 75 By invoking the language of »second-order observation« here I admittedly appear to invoke the ideas of Luhmann once again. A can of worms at this late stage of my argument, suffice it to say that while Kluge shares Luhmann’s constructivism in his pursuit of techniques for observation, Luhmann’s functionalism invalidates the core principle of experience subtending everything that Kluge (and Negt) argue.

122

Richard Langston

amazement—in Kluge’s own words an intense antirealistic feeling—to transpire at all in the face of imminent permanent catastrophe. Referring to the influence of digital technologies on the organization of social life at the millennium, Slavoj Zˇizˇek has argued that »the standard opposition of public and private« is no more. »A new space [has been created]«, he goes on to say, »the paradoxical space of shared, collective privacy«.76 Countless scholars have struggled to give this new space an adequate name, a space that also has as much to do with the fall of the Berlin Wall, the disintegration of Soviet communism, the widespread legitimation of neo-liberalism, and the acceleration of global capitalism as it does with recent advances in digital technologies. In Jean Baudrillard’s mind, this new space marks the »end of the social«.77 Writing over a decade later, Peter Sloterdijk proffered instead the idea of a republic of spaces best elucidated by the figure of foam, an aggregate of countless tiny hermetically sealed, egotistical bubbles.78 Perhaps the most significant upshot of this widely recognized transformation of social space is what Ulrich Beck, writing in the year of the Chernobyl catastrophe, called the society of risk’s »Entmachtung der Politik«.79In a similar vein, Jacques RanciÀre, echoing Baudrillard before him, has gone so far as to write more recently of the »end of politics.«80 Less bombastic yet no less earnest, Zygmunt Bauman has claimed that our liquid modernity has merely fostered an end to politics with a capital P—»the activity charged with the task of translating private problems into public issues«; in other words, big P politics disintegrated into the small p life-politics of the »gossip column«.81 As if to heed Benjamin’s charge that »nichts was sich jemals ereignet hat, für die Geschichte verloren zu geben ist«, Kluge has developed a political strategy focused on countering that bourgeois catastrophe-prone tendency intent on curtailing the dimensions of experience by throwing into stark relief faits-divers—the life-politics of the gossip column—against the backdrop of looming permanent catastrophe.82 The political challenge for Kluge is thus the reconstitution of our faculties of differentiation necessary for recognizing the catastrophic fate of the everyday when the basic conditions for this differentiation— »Zeit, erkennbare Orte, Autonomiefähigkeit der Subjekte«—have been destroyed

76 Slavoj Zˇizˇek, »The Future of Politics (I)«, Die Gazette, 8 Aug. 2001, n. p. 77 Jean Baudrillard, In the Shadow of the Silent Majorities … or, the End of the Social and other Essays, trans. Paul Foss, Paul Patton, and John Johnston, New York 1983, pp. 65 – 91. 78 Peter Sloterdijk, Sphären, vol. 3: Schäume, Frankfurt/M. 2004, pp. 25, 56 – 57. 79 Ulrich Beck, Risikogesellschaft: Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt/M. 1986, p. 96. 80 Jacques RanciÀre, On the Shores of Politics, trans. Liz Heron, London 1995, p. 5. 81 Zygmunt Bauman, Liquid Modernity, Cambridge 2000, pp. 70, 71. 82 Benjamin, »Über den Begriff der Geschichte«, p. 694.

Permanent Catastrophe and Everyday Life

123

by the »Fernwirkung« of Chernobyl.83 Using the very medium that has exacerbated more often than not what we might in a word call our critical sensibility of this postmodern implosion of time and space, Kluge has essentially remediated in tiny, twenty-five minute televisual doses the necessary dimensions for the political that catastrophe in all its many guises threatens to collapse.

83 Oskar Negt and Alexander Kluge, Maßverhältnisse des Politischen: 15 Vorschläge zum Unterscheidungsvermögen, Frankfurt/M. 1992, p. 10.

Valentin Mertes

»Beweis dessen, daß auch unzulängliche, ja kindische Mittel zur Rettung dienen können«:1 Eigensinn und Verfahren der Distanzierung in Alexander Kluges Film Vermischte Nachrichten

Eine Familie mit zwei Kindern droht zu zerbrechen. Der Vater und Ehemann hat ihr seine Liebe entzogen und einer Geliebten zugewandt. Alles scheint in eine unabwendbare Katastrophe zu münden. Das ist eine Konstellation, in der Alexander Kluge seine Figuren unter Einsatz ihres Lebens Last-Minute-RescuePläne entwerfen lässt. Auch die Mutter und Ehefrau – eine Schauspielerin – wirft, um die Liebe ihres Mannes zurückzugewinnen, alles, was ihr zur Verfügung steht in den »Beziehungskrieg«.2 Dieser Rettungsplan – so die Geschichte aus Kluges jüngstem Buch über den 30. April 1945 – wurde aus »Entschlossenheit geschmiedet. Nichts davon (das verbot sich die Schauspielerin) nur zu einem Zweck oder Ziel. Nichts nur Ziel (es war Ausdruck).«3 Die Verletzung und Erniedrigung durch den Verlust der Liebe wirkt als machtvolles Motiv und die Entschlossenheit ist das Maß der Notwendigkeit, das, was zerstört wurde, wieder zusammenzufügen, die Beziehung als gemeinsames Zentrum für sich und ihre beiden Kinder zu retten. Von einer Freundin bekommt die Schauspielerin den Rat zur bedingungslosen Kapitulation: »Keine Prozesse. Keine Streitgespräche. Unterwerfung. Akzeptiere die junge Geliebte. Warte ab, was geschieht.«4 Erst mit dieser Durchbrechung der klassischen zwischenmenschlichen Reaktionsweisen der Rache (sie nimmt sich selbst einen Geliebten), des Opfers (sie stellt ihre eigenen Bedürfnisse um der Kinder willen zurück) oder der Angst (sie nimmt sich das Leben), wie wir sie vom Hollywoodkino her kennen, wird der schicksalhafte Lauf der Dinge, der wie ein Automatismus zur Katastrophe führen muss, unterbrochen. Indem sich Gefühle und Begierden ihrer kausalen Wenn-DannLogik entledigen – so suggeriert uns Kluge – werden sie anschlussfähig, werden zu einem nichtintentionalen Ausdruck, dessen Potential es ist, lebendige Zu1 Franz Kafka, »Das Schweigen der Sirenen«, zit. n. Oskar Negt/Alexander Kluge, Geschichte und Eigensinn, Frankfurt/M. 1993, S. 1045. 2 Alexander Kluge, Der 30. April 1945. Der Tag an dem sich Hitler erschoß und die Westbindung der Deutschen begann, Frankfurt/M. 2014, S. 249. 3 Ebd., S. 251. 4 Ebd., S. 250.

126

Valentin Mertes

sammenhänge zu stiften und die notwendige Robustheit für langlebige Beziehungsverhältnisse herzustellen. Aus Rachegefühlen, Opferbereitschaft, aus Liebe und Angst sind die Mythen und Märchen gemacht, die sich wie ein roter Faden durch Kluges multimediales Œuvre ziehen. Dabei ist es vor allem das kürzeste der grimmschen Märchen, das immer wieder in seinen Filmen und Geschichten, seinen theoretischen Schriften und Fernsehmagazinen auftaucht. Das grausame Märchen handelt vom fatalen Tod eines eigensinnigen Kindes. Aufgrund seiner spruchähnlichen Kürze, seiner autoritativen Struktur und pädagogischen Prägnanz lässt sich die augenfällige Ähnlichkeit zur Form der Sentenz kaum übersehen. Vom lateinischen sententia Meinung, Urteil, Gedanke abgeleitet,5 bezeichnete Sentenz im Mittelhochdeutschen noch einen königlichen oder richterlichen, also göttlich bzw. gesellschaftlich verbürgten Urteilsspruch. Diese Bedeutung transformiert sich im 18. Jahrhundert hin zur heutigen Bedeutung der Sentenz als festgefügte Redewendung oder Lebensweisheit bzw. Lehr- und Sittenspruch.6 Als ein solcher Sittenspruch – der mittels eines brutalen Kausalprinzips normabweichendes Verhalten mit dem Tod sanktioniert – lässt sich auch das Märchen vom Eigensinnigen Kind verstehen, das die Brüder Grimm Anfang des 19. Jahrhunderts ihrer Sammlung von Kinder- und Hausmärchen hinzufügten. »Es war einmal ein Kind eigensinnig und tat nicht, was seine Mutter haben wollte. Darum hatte der liebe Gott kein Wohlgefallen an ihm und ließ es krank werden, und kein Arzt konnte ihm helfen; und in kurzem lag es auf dem Totenbettchen. Als es ins Grab versenkt und frische Erde über es hingedeckt war, so kam auf einmal sein Ärmchen wieder hervor und reichte in die Höhe, und wenn sie es hineinlegten und frische Erde darüber taten, so half das nichts, und das Ärmchen kam immer wieder heraus. Da musste die Mutter selbst zum Grabe gehen und mit der Rute aufs Ärmchen schlagen, und wie sie das getan hatte, zog es sich hinein, und das Kind hatte nun erst Ruhe unter der Erde.«7

Nahezu gleichzeitig taucht der Begriff des Eigensinns im Herr-Knecht-Kapitel von Hegels 1807 veröffentlichter Phänomenologie des Geistes auf. Darin beschreibt Hegel die Bewegung der Dialektik, wie sie sich im Kampf auf Leben und Tod entfaltet und sich um den Begriff der Anerkennung organisiert, indem sich der Herr den Knecht dienstbar macht und sich der Knecht die Natur durch Arbeit aneignen muss, zur Befriedigung der Begierde seines Herrn.8 Mit der 5 Vgl. »Sentenz«, in: Gero von Wilpert, Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 2001, S. 748. 6 Vgl. »Sentenz«, in: Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 16, Leipzig 1854 – 1961, Sp. 613 f. 7 Jacob und Wilhelm Grimm, »Das Eigensinnige Kind«, zit. n. Negt/Kluge, Geschichte und Eigensinn, S. 453. 8 Vgl. Alexandre KojÀve, Hegel. Eine Vergegenwärtigung seines Denkens, Frankfurt/M. 1975, S. 60 – 62.

Eigensinn und Verfahren der Distanzierung

127

Anerkennung des Herrschaftsverhältnisses durch den Knecht entsteht eine unüberbrückbare Distanz zwischen dem Herrn und der Natur, die nur der Knecht mit seiner geschickten Bearbeitung und Verwandlung der Natur vermittelnd aufheben kann. Es ist diese Distanz, die nach Hegel die Tür zum absoluten Begriff öffnet. Es ist aber auch diese Distanz zur Natur, die den Herrn in eine Abhängigkeit zum Knecht bringt und ihn zum Knecht des Knechtes macht. In ihrer Gebundenheit an die Natur gehört die Arbeit des Knechtes hingegen noch »bestimmtem Sein an; der eigene Sinn ist Eigensinn, eine Freiheit, welche noch innerhalb der Knechtschaft stehenbleibt. Sowenig ihm die reine Form zum Wesen werden kann, sowenig ist sie, als Ausbreitung über das Einzelne betrachtet, allgemeines Bilden, absoluter Begriff, sondern eine Geschicklichkeit, welche nur über einiges, nicht über die allgemeine Macht und das ganze gegenständliche Wesen mächtig ist.«9

Die Freiheit des Eigensinns ist also eine Freiheit in der Unfreiheit, die sich der Knecht vermöge seiner Geschicklichkeit erarbeiten kann. Einerseits ist der Eigensinn des Knechtes innerhalb dieses anerkannten Unterdrückungszusammenhangs Ausdruck seines Protests gegen die Versklavung, andererseits wird aber das Potential des im Ausdruck freigesetzten Eigensinns unter dem Zwang des Herrn zur produktiven Geschicklichkeit bzw. lebendigen Arbeitskraft diszipliniert, mittels der sich der Knecht die Natur aneignet und in der Aneignung auch verwandelt. Die Erfahrung des Protests, die er im Ausdruck seines Eigensinns macht, ließe sich in ihrer historischen Verdichtung als eine Eigenschaft deuten, die aus der »Zucht« und dem »Gehorsam« heraus Auswege sucht. In der Reibung dieser Eigenschaft an der Natur entsteht so eine Ahnung davon, dass das, was wir als Wirklichkeit bezeichnen, nicht unser unabänderliches Schicksal, nicht eine unangreifbare Setzung ist, sondern durch lebendige Arbeit mitgestaltet und verändert werden kann. In den beiden besprochenen Kontexten tritt der Eigensinn als Protest gegen disziplinierende und normative Herrschaftsstrukturen auf. Geht man wieder zurück zum sentenziösen Märchen vom Eigensinnigen Kind, so ist es nicht der zur tödlichen Erkrankung führende göttliche Urteilspruch, der das gesellschaftliche Gleichgewicht wieder herstellt, sondern die punktuelle Disziplinarmaßnahme der Mutter. Neben der familiären Züchtigung durch die Rute sind es Institutionen wie Kirche und Schule in ihrer gesamten »Anatomie«,10 die das 9 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, Frankfurt/M. 1986, S. 155. 10 Michel Foucault, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt/M. 1977, S. 276. »Die Disziplin kann weder mit einer Institution noch mit einem Apparat identifiziert werden. Sie ist ein Typ von Macht; eine Modalität der Ausübung von Gewalt; ein Komplex von Instrumenten, Techniken, Prozeduren, Einsatzebenen, Zielscheiben; sie ist eine Physik oder eine Anatomie der Macht, eine Technologie.«

128

Valentin Mertes

vorherrschende Realitätsprinzip prolongieren. Diese Verfahren der »Mikromacht«11 – schreibt Foucault in Überwachen und Strafen –, »welche die peinliche Kontrolle der Körpertätigkeiten und die dauerhafte Unterwerfung ihrer Kräfte ermöglichen und sie gleichzeitig gelehrig/nützlich machen, kann man die Disziplinen nennen.«12 Es ist dieser endlose Disziplinierungsprozess, der vom 18. Jahrhundert ausgehend bis in unsere Gegenwart hineinreicht, der die Verschränkung von Unterdrückung und Freiheit bis zur Ununterscheidbarkeit vorantreibt.13 Bei Hegel findet diese Verschränkung ihren philosophischen Ausdruck: Was die Erziehung bzw. »die Zucht betrifft, so ist dem Knaben nicht zu gestatten, daß er sich seinem eigenen Belieben hingebe; er muß gehorchen, um gebieten zu lernen. Der Gehorsam ist der Anfang aller Weisheit […]. Erlaubt man dagegen den Kindern zu tun, was ihnen beliebt, […] so entsteht in den Kindern ein beklagenswertes Sicheinhausen […] – die Wurzel alles Bösen. […] Bald tut sich im Kinde der Eigenwille und das Böse hervor. Dieser Eigenwille muß durch die Zucht gebrochen, – dieser Keim des Bösen durch dieselbe vernichtet werden.«14

Zucht und Gehorsam als Kernmomente jeder Disziplin werden so in den Dienst nivellierender Konventionen gestellt, die den Eigenwillen und die Mannigfaltigkeit menschlicher Eigenschaften, wie sie jedem Kind mitgegeben sind, aufteilen, normieren und durch Eingliederung in den ökonomischen Verwertungskreislauf ausbeuten und unterdrücken. Betrachtet man dieses Ausbeutungsverhältnis aber aus der Sicht der Mannigfaltigkeit der Eigenschaften, so scheint es erst der dort ansässige Eigensinn zu sein, der zum Protest gegen die Disziplinierungen motiviert und befähigt. Wie in der dialektischen Umkehrung des Herr-Knecht-Verhältnisses ist auch beim Eigensinn die Bedingung für den emanzipativen Protest die Unterdrückung. Der »Eigensinn« – so schreiben Oskar Negt und Alexander Kluge in Geschichte und Eigensinn – »entsteht aus bitterer Not; er ist der auf einen Punkt zusammengezogene Protest gegen Enteignung, Resultat der Enteignung der eigenen Sinne, die zur Außenwelt führen.«15 Der Protest gegen die Enteignung der Sinne wird zu einem Akt des

11 Ebd., S. 285. 12 Ebd., S. 175. 13 Das Erbe der »Aufklärung, welche die Freiheiten entdeckt [sowie] die Disziplinen erfunden« hat, ist für Foucault die »unbegrenzte Disziplin: eine Befragung ohne Ende […]; ein Verfahren, das sowohl andauerndes Messen des Abstandes zu einer unerreichbaren Norm wäre wie auch die asymptotische Bewegung, die endlos zur Einholung dieser Norm zwänge.« Ebd., S. 285, 291. 14 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie III, Frankfurt/M. 1986, S. 81 – 82. 15 Negt/Kluge, Geschichte und Eigensinn, S. 768.

Eigensinn und Verfahren der Distanzierung

129

öffentlichen Bezeugens,16 der unwillkürliche Ausdruck eines erfahrenen Leids. Die lateinische Vorsilbe pro (kraft, vermöge) bezieht sich auf die Zeugenschaft dieser ab-zu-wendenden Not.17 Folgt man der etymologischen Spur des lateinischen Worts testis für Zeuge – den zweiten Teil des Wortes Protest – so stößt man auf die ambivalente Doppelstruktur dieser Zeugenschaft,18 die einerseits ein passives Überleben einer Not (superstes) und andererseits das durch eine beobachtende Distanz ermöglichte aktivere Be- bzw. Er-zeugen (testis) der erfahrenen Not beinhaltet. Das auf Erfahrung basierende Be-zeugen von Not, verstanden als ein Er-zeugen, ist der produktive Teil des Protestes – die Herstellung von Gegenöffentlichkeit. Setzt man, analog dazu, den Eigensinn an die Schwelle einer vielleicht vorbewussten oder vordiskursiven Erfahrung von Not – und im Extremfall ein Überleben derselben (Hegels Begriff der Anerkennung speist seine andauernde Attraktivität aus dieser Unschärfe des Extremfalls) – und deren reflexiver und re-produzierender Be-zeugung, so könnte er als eine Pro-test-Eigenschaft in die Nähe dessen kommen, was ich am Anfang – von der Geschichte der Schauspielerin ausgehend – als nichtintentionalen Ausdruck bezeichnet habe. Neben dieser emanzipatorischen Lesart als nichtintentionaler Ausdruck, hat der Eigensinn noch eine selbstbezügliche oder konservative Ausrichtung, die sich in seiner Nähe zur Marx’schen Analyse ursprünglicher Eigentumsformen zeigt.19 Es ist ein utopischer bzw. ein vor der ursprünglichen Akkumulation, als Beginn und Gegenpol zu hochkapitalistischen Produktionsverhältnissen, situierter Eigentumsbegriff, der in seiner Adaption bei Kluge als ein Bedürfnis nach Eigentum an der eigenen Lebenszeit, die einem jeden Menschen mitgegeben ist, zur anthropologischen Konstante wird. Er bezieht sich nicht auf ein stabiles Subjekt oder eine juristische Institution, sondern immer auf den kleinsten bestehenden lebendigen Zusammenhang. Diese lebendigen Zusammenhänge auf Zeit können Zellen, Sinne, menschliche Eigenschaften oder historisch ausgebildete und zusammengesetzte Fähigkeiten sein, deren eigensinnige Gemein-

16 Vgl. »Protest«, in: DWDS, http://www.dwds.de/?qu=Protest (Zugriff: 10. 07. 2014). 17 Vgl. Christian Schulte, »Konstruktionen des Zusammenhangs. Motiv, Zeugenschaft und Wiedererkennung bei Alexander Kluge«, in: ders. (Hg.), Die Schrift an der Wand. Alexander Kluge: Rohstoffe und Materialien, Osnabrück 2000, S. 45 – 67, hier S. 50. 18 Vgl. Giorgio Agamben, Was von Auschwitz bleibt. Das Archiv und der Zeuge, Frankfurt/M. 2003, S. 13 – 15. Und vgl. meinen Versuch über den »Intelligenzarbeiter als Zeuge« in meiner Diplomarbeit »Probehandeln als Orientierungsarbeit. Geschichte und Eigensinn von Oskar Negt und Alexander Kluge«, Universität Wien 2012, S. 49 – 67. 19 Vgl. Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1983, S. 403. »Eigentum meint also ursprünglich […] Verhalten des arbeitenden (produzierenden) Subjekts (oder sich reproduzierenden) zu den Bedingungen seiner Produktion oder Reproduktion als den seinen.«

130

Valentin Mertes

schaft in der Sehnsucht besteht, sich so vollständig wie möglich anzuwenden,20 sich jenseits eines Kausalprinzips auszudrücken, also auch jenseits aller möglichen Destruktivität mit der Außenwelt in einen Dialog zu treten. »Eigen-Sinn« ist in seiner paradoxalen Struktur neben Protest eben auch »Eigentum an den fünf Sinnen, dadurch Wahrnehmungsfähigkeit gegenüber allem, was in der Umwelt passiert – das ist es ja, was in der individualgeschichtlichen Entwicklung überhaupt erst aufgebaut werden muß, um die Menschen lebensfähig zu machen.«21 Gelingt es dem Eigensinn nicht, ein dialogisches Weltverhältnis zu stiften bzw. ein antwortendes Gegenüber zu finden – wenn das momenthaft gewonnene Eigentum an der eigenen Lebenszeit also, anstatt zu einer gemeinsamen, »von Menschen erfüllten Zeit«22 zu werden, für sich bleibt – so wird der Eigensinn, wie wir gesehen haben, durch Disziplinierungsverfahren des vorherrschenden Realitätsprinzips domestiziert und nivelliert.23 In der Permanenz solcher Unterdrückung verkümmert der subjektive Anteil eines Menschen bis hin zu seinem Tod und sogar noch darüber hinaus, wie es uns die Sentenz im Märchen vom Eigensinnigen Kind veranschaulicht hat. Das Märchen, als Disziplinarmaßnahme, vorgelesen von den Eltern am Bett ihres Kindes, lehrt, so könnte man verkürzt sagen: Wenn wir uns den Gesetzen und Regeln der vorherrschenden Realitätsprinzipien nicht unterordnen, so ist unser Leben nicht sicher. Alle Begierden, Vorstellungen und Wünsche, die über diese Grenzen hinausschießen, werden enteignet, finden keine Anwendung und damit kein Weltverhältnis. In der Anfangssequenz seines letzten Kinofilms Vermischte Nachrichten von 1986 erzählt Kluge die Geschichte eines kleinen Jungen, den beinah ein ähnlich fatales Schicksal ereilt, wie es uns im Märchen überliefert ist. Nach einer kurzen Montage aus einer Widmung, den Geräuschen eines sich einstimmenden Orchesters, Fotografien des Verstobenen, einem Vers aus einem Psalm als Zwischentitel, Naturaufnahmen, Schwarzbildern, einem symphonischen Gedicht von Sibelius, gefolgt vom Filmtitel, sieht man den Jungen, wie er sich auf einen unaufgeräumten Dachboden zurückgezogen hat, um dort im Chaos ungestört sein Buch zu lesen. Aus dem Off hört man Kluges Stimme: »Es heißt, dass wenn die Glocke 12 mal schlägt, und das Kind schielt, bleiben die Augen auf ewig 20 21 22 23

Vgl. den Begriff der Selbstregulierung bei Negt/Kluge, Geschichte und Eigensinn, S. 51 – 53. Ebd., S. 768. Ebd., S. 38. Christian Jäger hat das Gelingen eines solchen lebendigen Zusammenhangs in seiner sehr präzisen und informativen Analyse des Begriffs Eigensinn pejorativ als »Theophanie« bezeichnet. Christian Jäger, »Eigensinn, Eigentlichkeit und Eigentum«, in: Christian Schulte/ Rainer Stollmann (Hg.), Der Maulwurf kennt kein System, Bielefeld 2005, S. 153 – 166, hier: S. 158.

Eigensinn und Verfahren der Distanzierung

131

Foucault, Verbrechen und Strafen, Bild Nr. 29.

stehen.«24 Nahaufnahmen von den rollenden und schielenden Augen. Glocken schlagen und wieder Kluges Stimme: »Das Kind tat sein Bestes, die Augen bleiben nicht auf ewig stehen.«25 Die Beziehung zwischen dieser Filmsequenz und der Geschichte vom Eigensinnigen Kind liegt nicht nur in der Analogie der aus dem Off eingesprochenen disziplinarischen Sentenz, die auch hier versucht die geistige und physische Agilität und Neugierde des Kindes zu domestizieren,26 sondern – und das ist hier ganz entscheidend – sie liegt auch im Protest der gegen die Disziplinierung eingesetzten »kindischen Mittel«.27 Fehlt im Märchen dem eigensinnigen Kind noch ein Verhandlungsraum gegenüber der todbringenden Sentenz Gottes oder gegenüber der Züchtigung durch die Mutter, räumt 24 Vermischte Nachrichten, Regie: Alexander Kluge, DE 1986. 25 Ebd. 26 Auch Sven Kramer hat in seiner Analyse der Anfangssequenz des Films auf das Ungleichgewicht zwischen Subjektivität und allgemeiner Regel hingewiesen. Sven Kramer, »Geschichtsbilder im Essayfilm. Alexander Kluges Vermischte Nachrichten«, in: ders. (etc.), Der Essayfilm. Ästhetik und Aktualität, Konstanz 2011, S. 275 – 294, hier S. 294. »Der individuelle Fall wurde hier zu schnell unter die allgemeine Regel subsumiert. Experiment und Erfahrung setzen die Subjektivität als ein Korrektiv gegenüber jenen dominierenden Narrativen wieder ein, die Autorität durch Verallgemeinerung einfordern.« 27 Franz Kafka, »Das Schweigen der Sirenen«, S. 1045.

132

Valentin Mertes

Kluge seinem eigensinnigen Jungen die gesamte Filmleinwand ein, auf der er in Großaufnahme mit seinen »kindischen Mitteln« vom schelmischen Grinsen bis zum Augenrollen seinem Protest gegen die drohende Disziplinierung vollen Ausdruck verleiht. Die vorbewussten oder vordiskursiven Reaktionen des Jungen auf die Erfahrung der drohenden Objektivierung der Sentenz versammeln sich subkutan im Zweifel an der Effektivität dieser Bedrohung. Den Zweifel – als das aufklärerische Moment der passiven Seite des Protestes – umschreibt Kluge als einen »verdeckten Ermittler«,28 dessen kritisches Vermögen es ist, »Unterscheidungen im wichtigen Moment zu treffen, und zwar praktische –, das ist eine verdeckte Eigenschaft, von der wir selbst nichts wissen«.29 Dieser im Zweifel bezeugte Protest des Jungen, sich trotz der prophezeiten Katastrophe – für immer zu schielen – gegen das gesellschaftlich konstruierte Realitätsprinzip aufzulehnen, ist in seinem Gestus jenem Eigensinn nicht unähnlich, der das eigensinnige Kind der Brüder Grimm ins Grab gebracht hat. Auch hier zeigt sich der Eigensinn als das, »was in der Bewegung das Lebendige ausmacht. Praktisch: den Eigensinn der lebendigen Art«,30 der sich an der Wirklichkeit reibt und – in diesem Fall mit kindischen Probehandlungen – uns und unser Verhältnis zur Wirklichkeit beständig nachjustiert und gestaltet. Der eigensinnige Junge auf dem Dachboden hat aus seinem Zweifel heraus, gepaart mit Neugierde und Mut, eine Inkongruenz zwischen sich und den Objektivitätsanspruch der Sentenz gebracht, die als amorphe Grenze auch eine Lücke markiert und damit zumindest die Möglichkeit zur Emanzipation in der Unfreiheit schafft. Den sentenziösen Satz »Wer zu viel Fern sieht, bekommt eckige Augen« hat wohl jeder in seiner Jugend einmal zu hören bekommen und sich still im Nachhinein für die elterliche Rettung vor den Gefahren der bösen Medien bedankt. Fernsehen, Filme, Bücher und erzählende Sprache lassen sich jedoch eher als Vermittler, denn als Täter beschreiben, da sie zwischen uns und der Außenwelt einen vermittelten Zusammenhang stiften können. »Medien sind Instrumente« – schreibt Kluge 1985 in einer dystopischen Reaktion auf die Neuen Medien – »über die sich mittelbare Erfahrung überträgt. […] Dabei ist es egal, ob es um einen Fernsehkanal oder um einen fremden Gast geht. Es wird über etwas berichtet, was meine Sinne nicht erlebt haben und deshalb nicht auf seine Herkunft prüfen können«.31 28 Alexander Kluge, Verdeckte Ermittlung. Ein Gespräch mit Christian Schulte und Rainer Stollmann, Berlin 2001, S. 49. 29 Alexander Kluge/Joseph Vogl, »Kritik aus nächster Nähe«, in: dies., Soll und Haben. Fernsehgespräche, Zürich 2009, S. 7 – 21, hier : S. 7. 30 Negt/Kluge, Geschichte und Eigensinn, S. 51. 31 Alexander Kluge, »Die Macht der Bewußtseinsindustrie und das Schicksal unserer Öffentlichkeit«, in: Klaus von Bismarck (etc.), Industrialisierung des Bewußtseins. Eine kritische Auseinandersetzung mit den neuen Medien, München 1985, S. 51 – 129, hier S. 95 – 96.

Eigensinn und Verfahren der Distanzierung

133

134

Valentin Mertes

Zentralisiert sich das Eigentums- und Verwaltungsrecht an mittelbarer Erfahrung einer Gesellschaft, so lässt sich eine Verschiebung von der notwendigen menschlichen Orientierung an eigener »unmittelbarer Lebenserfahrung«32 hin zu einer monopolisierten Fremdbestimmung durch Medienverbünde beobachten. Durch die sich so verschärfende mediale Bedingtheit unseres Weltverhältnisses werden Medien immer auch Teil der Konstruktion und Reproduktion gesellschaftlicher Herrschaftsstrukturen sein, wobei sie dadurch in gleichem Maße auch Bedingung für deren Dekonstruktion und Kritik sind. Siegfried Kracauer verstand sich als Kritiker solcher medial produzierter Herrschaftsstrukturen und sah seine Aufgabe darin, die im Mainstreamkino verbreiteten Ideologien durch Konfrontation mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit »überall dort, wo es nottut, zu brechen«.33 Aus seiner Arbeit als Kritiker heraus schrieb Kracauer dann Ende der fünfziger Jahre eine Theorie des Films, in deren Epilog sich eine Metapher findet, die dem Film – in Analogie zum Kritiker – ein politisches Potential zuschreibt: »Die Filmleinwand ist Athenes blanker Schild«,34 mit dessen vermittelnder Hilfe Perseus Medusas tödliche Herrschaft über ihr visuelles Umfeld beendet. Das Kino bzw. der Film mit seiner reflexiven Spiegelbildcharakteristik35 ist im 20. Jahrhundert für Kracauer wohl das, was für Perseus Athenes Schild gewesen ist und für die Griechen der Antike vielleicht die Mythen Homers waren. Allesamt sind es aber – neben ästhetischen Errungenschaften – auch Verfahren der Distanzierung, die es den Menschen ermöglichen, die sie beherrschenden Ängste vor den Unerklärbarkeiten der Naturmächte und Traumata von kulturgeschichtlichen Katastrophen, also die destruktive Wirkung des Inkommensurablen, für einige Momente auf Distanz zu halten. Aus der mitunter gefahrvollen Nähe zu Ereignissen entlässt die distanzierende Wahrnehmung den Menschen in die Autonomie der Reflexion. In der technikhistorischen Entfaltung bildgebender Verfahren lässt sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein Bruch ausmachen, der aufgrund der Entwicklung neuer fotomechanischer Speichermedien das visuelle Wahrnehmungsverhältnis zur Wirklichkeit radikal verändert. Ist die Camera Obscura noch von der manuellen Reproduktion des von ihr produzierten Abbildes abhängig, so setzt mit der fotografischen Daguerreotypie die allmähliche Ablösung der menschlichen Hand von der Herstellung präziser und dauerhafter Abbilder der äußeren

32 Ebd., S. 97. 33 Siegfried Kracauer, »Über die Aufgabe des Kritikers«, in: ders., Kino. Essays, Studien, Glossen zum Film, Frankfurt/M. 1974, S. 9 – 11, hier: S. 11. 34 Siegfried Kracauer, Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit, Frankfurt/M. 1985, S. 396. 35 Vgl. ebd., S. 395.

Eigensinn und Verfahren der Distanzierung

135

Wirklichkeit ein.36 Der Apparat verdrängt als Akteur in der visuellen Reproduktion unserer Wirklichkeit die menschliche Hand und eröffnet so neue, von unserer sinnlichen Wahrnehmung distanzierte Perspektiven. Aus dieser Erfahrung des autonomen Blicks stellt Kracauer seine These auf, dass sich im fotografischen Bild der Fotografie sowie des Films jenseits der Intention des Autors selbsttätig ein »Generalinventar«37 der Wirklichkeit einschreibt. Mit der Instrumentalisierung dieser Fähigkeit des fotografischen Bildes, seiner »registrierenden Funktion«,38 entsteht in der Distanzierung von der Wirklichkeit – die Distanzierung des Herrn von der Natur durch die Unterwerfung des Knechtes findet hier ihre technische Entsprechung39 – die Möglichkeit, das »OptischUnbewusste«,40 wie es sich nur durch die nichtintentionale Reproduktionstechnik der fotografischen Apparatur aus dem Generalinventar der Bilder heraus exponiert, erfahrbar und damit überhaupt erst verhandelbar zu machen. So ist es Ende der fünfziger Jahre, also kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und unter dem Eindruck der Bilder und Berichte über den Holocaust, wie sie z. B. die Nürnberger Prozesse zum Vorschein brachten, für Kracauer kulturhistorisch evident, dass es »unter allen existierenden Medien […] allein das Kino [sein kann], das in gewissem Sinne der Natur den Spiegel vorhält und damit die Reflexion über Ereignisse ermöglicht, die uns versteinern würden, träfen wir sie im wirklichen Leben an«.41 Bliebe Kracauer bei dieser Erkenntnis stehen, so wäre der gegen ihn so oft erhobene Vorwurf, ein »wunderlicher Realist«42 zu sein, begründet. Liest man Kracauer aber etwas gründlicher, so zeigt sich, dass es ihm um »die Erfahrung von Dingen in ihrer Konkretheit«43 geht, die sich aber nur momenthaft in der eigensinnigen Konfrontation mit den vorherrschenden Realitätsprinzipien ausdrückt: »Indem das Kino uns die Welt erschließt, in der wir leben, fördert es Phänomene zutage, deren Erscheinen im Zeugenstand folgenschwer ist. Es bringt uns Auge in Auge

36 Vgl. Dieter Daniels, Kunst als Sendung. Von der Telegrafie zum Internet, München 2002, S. 37 – 39. 37 Siegfried Kracauer, »Die Photographie«, in: ders., Das Ornament der Masse. Essays, Frankfurt/M. 1977, S. 21 – 39, hier S. 37. 38 Kracauer, Theorie des Films, S. 71. 39 Vgl. G. W. F. Hegel, Jenaer Systementwürfe I., Hamburg 1986, S. 228. 40 Walter Benjamin, »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit«, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 1, hg. v. Rolf Tiedemann (etc.), Frankfurt/M. 1991, S. 471 – 508, hier S. 500. 41 Kracauer, Theorie des Films, S. 396. 42 Theodor W. Adorno, »Ein wunderlicher Realist«, in: ders., Noten zur Literatur, Frankfurt/M. 2003, S. 388 – 408, hier S. 388. 43 Kracauer, Theorie des Films, S. 385.

136

Valentin Mertes

mit Dingen, die wir fürchten. Und es nötigt uns oft, die realen Ereignisse, die es zeigt, mit den Ideen zu konfrontieren, die wir uns von ihnen gemacht haben.«44

Die entscheidend emanzipative Tat Perseus’ »bestand vielleicht nicht darin, daß er die Medusa köpfte, sondern daß er seine Furcht überwand und auf das Spiegelbild des Kopfes im Schild blickte«.45 Was er dort sah, war vermutlich das, wovor ein jeder am liebsten die Augen verschließt, weil die Erkenntnis über das dort Schlummernde die je eigene Wirklichkeit in den Grundfesten erschüttern würde. Jede Emanzipation, die auf Autonomie gerichtet ist, arbeitet sich an dieser amorphen Grenze ab. Diese amorphe Grenze, an der sich Eigensinn und vorherrschendes Realitätsprinzip antagonistisch gegenüberstehen, ist als »Öffentlichkeit gleichzeitig auch wirklicher Ausdruck eines fundamentalen gesellschaftlichen Bedürfnisses«.46 Eines Bedürfnisses nach »unmittelbarem Ausdruck und Erfahrungsgehalt [, der zwar] in den Menschen überliefert«47 wird, aber durch Disziplinierung und Normierung seinen Weg nicht in die Öffentlichkeit findet und so des notwendigen Dialogs enthoben ist.48 Ein solcher lebendiger Dialog »hat zwei verschiedenartige, radikale Wurzeln: Radikal ist, daß etwas Eigenes (›das, was nur ich spüre‹) niemals in die allgemeine Verständigung völlig aufgelöst werden kann. Das andere radikale Prinzip heißt, in zivilisierter Weise kann ich mich nur äußern über eine Distanz, die ich zu meinem Gespür, zur Idiosynkrasie, einhalte. Ein solches Doppelprogramm an sich unvereinbarer Prinzipien funktioniert wie eine schlechte Wegstrecke: an den Verknüpfungsstellen muß es holpern. Das aber gerade ist der menschliche und lebendige Kern.«49

Diese zwei antagonistischen Prinzipien bilden für Kluge die Bedingung und Bestimmung jeglicher medialen Produktion. Auf der einen Seite haben wir das Prinzip Eigensinn, das nach unmittelbarem, nichtintentionalem Ausdruck drängt, aber nie vollständig darin aufgehen kann. Und auf der anderen Seite haben wir das notwendig reflexive Prinzip: Verfahren der Distanzierung, das Bedingung und Begrenzung des Ausdrucksvermögens ist und damit für Dialog bzw. lebendige Öffentlichkeit.50 44 Ebd., S. 394. 45 Ebd., S. 396. 46 Oskar Negt/Alexander Kluge, Öffentlichkeit und Erfahrung. Zur Organisationsanalyse von bürgerlicher und proletarischer Öffentlichkeit, Frankfurt/M. 1972, S. 18. 47 Kluge, »Bewußtseinsindustrie«, S. 128. 48 Vgl. ebd., S. 69: »Nichts davon ähnelt mehr dem Prinzip des Dialogs, der Entstehung des Gedankens, als diese Wechselbilder, dieser ›innere Film‹: ich spüre etwas, mache mir eine Perspektive, indem ich es vom Standpunkt eines anderen Menschen ansehe, und ich könnte es jetzt (obwohl nur meine Nerven genau sagen können, was ich fühle) sogar Dritten mitteilen.« 49 Ebd., S. 78. 50 Vgl. Christian Schulte, »Dialoge mit Zuschauern. Alexander Kluges Modell einer kommu-

Eigensinn und Verfahren der Distanzierung

137

In seiner Ästhetischen Theorie beschreibt Adorno Ausdruck als eine »Dissonanz«51 zwischen einem »Gestus des sich fallen Lassens«52 in eine vordiskursive »Selbstheit«53 und der »Hybris des Subjekts, [die eine] Klage über sein eigenes Mißlingen als Chiffre seiner Möglichkeit«54 ist. Diesem in der Dissonanz fundierten und gefangenen Ausdruck – auch hier findet sich die Denkfigur der Freiheit in der Unfreiheit wieder – stellt Kluge sein Verfahren der Distanzierung zur Seite, das in seiner filmästhetischen Umsetzung den Freiraum für die Möglichkeit schafft, »Blindes – den Ausdruck – aus Reflexion – durch Form – zu produzieren; das Blinde nicht zu rationalisieren sondern ästhetisch überhaupt erst herzustellen; ›Dinge machen, von denen wir nicht wissen, was sie sind‹«.55 In dem Text »Wort und Film«, den Kluge zusammen mit Edgar Reitz und Winfried Reinke 1965 verfasste, heißt es in überraschender Analogie: »Jeder Ausdruck bewegt sich nach Kant zwischen Begriff und Anschauung: ›Anschauung ohne Begriff ist blind, Begriff ohne Anschauung ist leer.‹ […] Im Film verbinden sich radikale Anschauung im visuellen Teil und Begriffsmöglichkeiten in der Montage zu einer Ausdrucksform, die ebenso wie die Sprache ein dialektisches Verhältnis zwischen Begriff und Anschauung ermöglicht, ohne das dieses Verhältnis wie in der Sprache stabilisiert ist.«56

Die Montage wird hier als ein Verfahren der Distanzierung eingeführt, das den Austausch bzw. Dialog zwischen dem Film-Autor Kluge und seinem Team, dem Film selber und den ZuschauerInnen initiiert. Einerseits stellt sie bestimmte Ausschnitte der im Film- und Tonbild gespiegelten äußeren Wirklichkeit zur Verfügung und andererseits organisiert sie die Ausschnitte um Freiräume – die Schwarzbilder –, in denen sich die evozierten Ausdrucksvermögen der ZuschauerInnen ausdrücken können. Auf der ersten Dialog-Ebene zwischen Autor und Film – der Produktion – lässt der Autor die registrierende Apparatur Bilder und Musik bzw. Geräusche aus der Wirklichkeit schneiden, »die subjektiv nicht erfahrbar sind«,57 oder er trifft auf bereits existierende Materialien, die er als Zitate aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herausbricht. Dieses Verfahren stellt durch die Technik der Aufnahme oder des Zitats eine erste Distanz

51 52 53 54 55 56 57

nizierenden Öffentlichkeit«, in: Irmela Schneider/Christina Bartz/Isabell Otto (Hg.), Medienkultur der 70er Jahre. Diskursgeschichte der Medien nach 1945, Bd. 3, Wiesbaden 2004, S. 231 – 250. Adorno, Ästhetische Theorie, Frankfurt/M. 2003, S. 168. Ebd., S. 171. Ebd. Ebd., S. 178. Ebd., S. 174. Edgar Reitz/Alexander Kluge/Wilfried Reinke, »Wort und Film«, in: Alexander Kluge, In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod, hg. v. Christian Schulte, Berlin 1999, S. 20 – 36, hier : S. 26. Reitz/Kluge/Reinke, »Wort und Film«, S. 25.

138

Valentin Mertes

zwischen dem Autor und der von ihm bearbeiteten Wirklichkeit her. Auf der zweiten Dialog-Ebene – der Bildorganisation58 und ihrem Verhältnis zu den ZuschauerInnen – werden die gesammelten Materialien in einen Zusammenhang gebracht. Ein Zusammenhang, der auf der durch den Autor Kluge und seine Cutterin Beate Mainka-Jellinghaus gestifteten lebendigen Kooperation einzelner autonomer Materialien aufbaut. Solch eine auf relationale Autonomie – Negt und Kluge nennen es Selbstregulierung – begründete Montageordnung bedeutet soviel wie »die vollständige Anerkennung der verschiedenen Bewegungsgesetze der in [den einzelnen Materialien] zusammenstoßenden Kräfte. […] Ein darauf achtender Begriff ist materialistisch«.59 Analysiert man die Anfangssequenz nach diesen Kriterien nochmals, wird deutlich, dass die auf blauem Hintergrund geschriebene Nachricht vom Tod H. D. Müllers, die Fotografien verschiedener Stationen seines Lebens,60 der auch auf blauem Hintergrund zitierte Psalm: »Sie haben mich oft bedrängt von meiner Jugend auf; aber sie haben mich nicht überwältigt«,61 das stimmende und dann Sibelius spielende Orchester, die Pfütze, der Baum und schließlich auch die Sentenz und der Junge ihre je spezifischen Ausdrucksmöglichkeiten frei entfalten können und sich nicht einer »Bedeutungsdramaturgie«62 »dominierende[r] Narrative«63 unterordnen müssen. Es ist diese Dezentralisierung64 und Enthierarchisierung der Materialien durch die »Trennung der Elemente«65 in der Montage, die 58 Allgemein zu Öffentlichkeit heißt es in Öffentlichkeit und Erfahrung, S. 28. »Es ist deutlich, daß Organisation sich hier nicht mehr technisch, sondern dialektisch – als Produktion der Form der Erfahrungsinhalte selber – versteht.« Damit besitzt »Öffentlichkeit […] dann Gebrauchswerteigenschaften, wenn sich in ihr die gesellschaftliche Erfahrung organisiert.« Ebd., S. 20. 59 Negt/Kluge, Geschichte und Eigensinn, S. 51. Und S. 55: »Selbstregulierung heißt hier eine Ordnung, die weder nach den Gesetzen der Natur noch nach denen des Bewußtseins, noch allein nach Gesetzen des Unterbewußten stattfindet. Es geht um eine unbewußte Ordnung, weil sie kooperativ ist.« 60 H. D. Müller war Freund und Lektor von Kluge. Vgl. »Ein Glossen-Werkstatt-Gespräch mit Alexander Kluge am 2. Juni 1999 in München« http://www2.dickinson.edu/glossen/heft9/ klugeinterview.html (Zugriff 13. 07. 2014). 61 Vermischte Nachrichten. 62 Alexander Kluge, »Die realistische Methode und das sog. ›Filmische‹«, in: ders., Gelegenheitsarbeit einer Sklavin. Zur realistischen Methode, Frankfurt/M. 1975, S. 209. 63 Sven Kramer, »Geschichtsbilder im Essayfilm«, S. 294. Und vgl. S. 278: »Kluges letzter Kinofilm, Vermischte Nachrichten, bringt das beiordnende Verfahren vollständig zur Geltung. Schon der Titel betont das Disparate der einzelnen Elemente, ihren nichthierarchischen, konstellativen Zusammenhang. Statt inhaltlich sind sie nur noch formal aufeinander bezogen. Die Zuschauer sind hier weitgehend selbst aufgerufen, das Material zu strukturieren und die Gemeinsamkeiten der Episoden herauszuarbeiten.« 64 Kluge spricht davon, dass auf die medialen Herrschaftsstrukturen der neuen Medien nur »eine dezentrale Antwort möglich« ist. Kluge, »Bewußtseinsindustrie«, S. 91. 65 Bertolt Brecht, »Das moderne Theater ist das epische Theater. Anmerkungen zur Oper

Eigensinn und Verfahren der Distanzierung

139

»zu einer Massierung von subjektiven und objektiven, von literarischen, akustischen und visuellen Momentaufnahmen [führt], die zueinander in Spannung stehen. Die bei der Montage entstehenden Bruchstellen zwischen den einzelnen filmischen Momenten sind eine der vielen Äußerungsformen dieser Spannung. Dadurch, daß sich der Film dieser Aufeinanderschichtung von Ausdrucksformen bedient, erreicht er es, daß der Stoff sich in den Bereichen zwischen den Ausdrucksformen ansiedelt. Der Ausdruck verdichtet sich nicht materiell im Film selbst, sondern entsteht im Kopf des Zuschauers

Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny«, in: ders., Schriften zum Theater. Über eine nichtaristotelische Dramatik, Frankfurt/M. 1957, S. 13 – 28, hier S. 20.

140

Valentin Mertes

aus den Bruchstellen zwischen den filmischen Ausdruckselementen. Diese Form von Film rechnet nicht mit dem passiven Zuschauer, ›der nur dasitzen will und gucken‹.«66

An diesen Bruchstellen, zwischen den sich widersprechenden filmischen Ausdruckselementen, »dem abarischen Punkt, der immer nur ein gedachter ist, wirken keine Gravitationen, sondern Freiheit«.67 Hier haben die ZuschauerInnen die Möglichkeit, jenseits der Disziplinierung durch vorherrschende Realitätsprinzipien, ihre durch den Film reaktivierten Erfahrungsgehalte auszudrücken und sie so in einen Dialog mit den im Film vermittelten Erfahrungsgehalten zu bringen.68 In der Anfangssequenz entsteht dieser Freiraum zwischen der von Kluge vorgelesenen Sentenz, der eigensinnigen Reaktion des Jungen, den Kirchenglocken und Kluges Kommentar zu dieser Meinungsverschiedenheit: »Das Kind tat sein Bestes, die Augen bleiben nicht auf ewig stehen.« Jedes der filmischen Ausdruckselemente beansprucht für sich eine Autonomie und Objektivität unterschiedlicher Macht und Intensität, die sich im Montagezusammenhang wie Argumente in einer Kontroverse gegenüberstehen. Jedes der Argumente fordert in seiner Selbstregulation das vorherrschende Realitätsprinzip zu sein. »Aber wenn Sie das montieren« – sagt Kluge in einem Interview – »dann haben Sie Intensität gegen Intensität gesetzt. Und in solchen Fällen ist gerade der Widerstand in der Autonomie des einen Bildes gegen den Widerstand im anderen Bild dasjenige, was ein drittes Bild erzeugt. Und das ist eigentlich das, was wir im Film machen können und Montage nennen.«69 In der Konfrontation von widersprüchlichen Argumenten durch die Montage wird der jeweilige Objektivitätsanspruch mit dem Eindringen der Erfahrung der ZuschauerInnen in Zweifel gezogen und gebrochen. So hat die Sentenz von den stillgestellten Augen ihre Vorherrschaft als Realitätsprinzip durch die Konfrontation mit den unzulänglichen und kindischen Ausdrucksmitteln des eigensinnigen Jungen verloren, genauso wie die Kirchenglocken als Repräsentanten der Erfüllung des prophezeiten Schicksals ihre Glaubwürdigkeit einge66 Reitz/Kluge/Reinke, »Wort und Film«, S. 25 – 26. 67 Negt/Kluge, Geschichte und Eigensinn, S. 790. 68 Adorno spricht in Anlehnung an Benjamins späten Aura-Begriff von einer »die diskursive Sprache außer Aktion [setzenden Kunst,] die […] sich um die Verwandlung der kommunikativen Sprache in eine mimetische [bemüht]. Die wahre Sprache der Kunst ist sprachlos, ihr sprachloses Moment hat den Vorrang vor dem signifikativen der Dichtung, das auch der Musik nicht ganz abgeht. […] Die Rilkesche Zeile ›denn da ist keine Stelle, / die dich nicht sieht‹, von der Benjamin groß dachte, hat jene nicht signifikative Sprache der Kunstwerke in kaum übertroffener Weise kodifiziert: Ausdruck ist der Blick der Kunstwerke.« Ästhetische Theorie, S. 172 – 173. 69 »Die Kategorie Zusammenhang. Alexander Kluge im Gespräch«, in: Gabriele Voss, Schnitte in Raum und Zeit. Notizen und Gespräche zu Filmmontage und Dramaturgie, Berlin 2006, S. 118 – 135, hier S. 121.

Eigensinn und Verfahren der Distanzierung

141

büßt haben. Es gibt nicht mehr nur eine Realität und Wirklichkeit, sondern viele nebeneinander existierende Realitäten und Wirklichkeiten verschiedener Intensität und Lebendigkeit, die durch das Angebot des Films zum Dialog durch die ZuschauerInnen aktualisiert oder neu geschaffen werden. Der so durch die Montageverfahren evozierte Zweifel an einem einzigen Realitätsprinzip schafft eine Distanz gegenüber einer allgemeinen »Norm des Faktischen«,70 eine Distanz, die Raum schafft für das nichtintentionale Ausdrucksvermögen der ZuschauerInnen – für dritte, auf ihren Erfahrungen basierende, »nicht physische[] Bilder[]«,71 die sich dialogisch mit den Ausdrucksvermögen der Bilder und Töne im Film verbinden. In diesem Sinne steht in Geschichte und Eigensinn am Ende des ersten Buches über die Entstehung der industriellen Disziplin aus Trennung und Enteignung: »Die Erfahrung baut Nester. Da alle in solchen Nestern heranwachsen und von ihrer Nähe her denken, ist dies ein kollektives Nest. Jeder sucht sein Glück, seine Erfahrung, sein Zentrum. Wenn aber alle sich und ihren Kreis für das Zentrum halten, gibt es keines.«72

70 Kluge, »Bewußtseinsindustrie«, S. 61. 71 »Die Kategorie Zusammenhang«, S. 121. 72 Negt/Kluge, Geschichte und Eigensinn, S. 442.

142

Valentin Mertes

Alexander Kluge

Geschichten für Johann Wilhelm Ludwig Gleim

Diese Texte habe ich für eine Ausstellung in Halberstadt geschrieben, die vom 10. November 2013 bis zum 9. Juni 2014 im Gleimhaus und im Herrenhaus des Burchardiklosters (in der Nähe der Kirche, in der sich auch die Cage-Orgel befindet) zu sehen war. Ich bin glücklich, daß meine Heimatstadt sich mit meinem Werk beschäftigt.

»Die Männer wurden mit der Scheibe in der Brust schon geboren und lassen sich von ihren Vätern über die Berge schicken, nur um wieder andere abzuschießen« Gleim, im Jahre 1800 schon fast blind, wurde 1719 in eine Welt des Drills geboren. Es war zugleich die Zeit eines (nicht von der Obrigkeit, aber von der lesenden Gemeinde betriebenen) Prozesses der Aufklärung, welcher die Menschen eher als Uhrwerke und beseelte Maschinen ansah. Diese waren vom Drill nicht weit entfernt gewesen. Beide Zeitströmungen fanden später in der Person Friedrichs von Preußen zusammen. Wie sehr vertrauten alle auf diese »neue Zeit«! Wie schändlich wäre es, gemessen an der möglichen Entfaltung menschlicher Kräfte, wenn daraus eine »falsche Zeit« entstehen würde. Die Menschheit, so Gleim, ist kein Schützenverein und kein Soldatenkorps, sondern ein Bund verträglicher, durch Empathie miteinander verbundener Landpfleger oder Baumpfropfer. Das entsprach nicht dem herkömmlichen Vatersgebot oder den Regeln von Kirche und Armeeführung, sondern beruhte auf brüderlicher Einstimmung, Einigung in Briefen und allseitiger Befragung unter Teilnahme der Brüder und Schwestern im Geiste, die es an die Seminare (und die sich bildende Öffentlichkeit) heranzuführen galt: eine machtvolle Pilgerschaft durchwachsen von Handelsnetzen und gegenseitiger Hilfe. Das, so Gleim, tritt an die Stelle der Schüsse im Krieg. Es geht um ungenaue Reime, so wie LIPPEN und LIEBEN. Die

144

Alexander Kluge

neuen Väter schicken ihre Söhne über die Berge in ein Land mit Mauern aus Hoffnung.

Der Freundschaftstempel Wann wird jemand Philanthrop genannt? Das war Gegenstand brieflicher Erörterung. Zuvor die Klärung und Nebeneinanderlegung der Gedanken im eigenen Kopf (LATERALISIERUNG, so daß die Leuchtfeuer der Seelenlampe nebeneinander zu liegen kommen und dadurch Gegensätze sich austarieren, also den DIALOG erzeugen). Das erforderte einen winterlichen Spaziergang in die Spiegelsberge, weil sich dabei die Natur des gedanklichen Stoffs selbsttätig öffnet. Der Schnee lag unberührt, in zwei Tagen und Nächten dort hingeschneit, in der Wintersonne. Es genügt nicht, gute Taten zu verrichten. Man muß von unbeteiligten Dritten und Freunden PHILANTHROP genannt, also von einer Versammlung der Vernünftigen als Menschenfreund ausgerufen werden. Das geschieht allenfalls, wenn man sich nicht selbst rühmt. Gute Taten wollen verdeckt begangen sein. Es tritt hinzu, daß eine menschenfreundliche Haltung für ihr ERGEBNIS verantwortlich ist. In Gütigkeit ein verwöhntes Kind zu erziehen oder einen Schüler zu verwöhnen, vermehrt die Menschheit um ein unnützes Mitglied, gleich ob aus Wohlwollen erzeugt. Das kann nicht das Werk des Philanthropen sein. »Der nie gezüchtigte Mensch ist nicht erzogen.« Dieser Erfahrungssatz aus der Antike ist dem Menschenfreund fremd. Zwar gibt es die gute Regel, daß ein Vater eine Schar Söhne hinterläßt, die – von ihm streng angehalten und mit Maß gestraft – seine Tüchtigkeit weiterführen, sodaß er nach seinem Tode in gewisser Hinsicht weiterlebt. Aber gibt es keine andere, neuartigere Haltung als die des Zuchtmeisters? Stellen Festigkeit, Beharrlichkeit, gründliche Einhilfe und respektvolle Blicke nicht ein stärkeres Baumittel für die jungen Menschenbauten dar als die Züchtigung? Es wächst doch aus dem vernünftigen Keim das Gutwillige selbsttätig heran. Kenntnis des Bösen dagegen, Beobachtung der Ungeselligkeit, der Wüstheit des Charakters gehören ebenfalls zum Geheimwissen des Philanthropen (wogegen das Rohe nicht zu verurteilen ist, sondern einen Grundstoff bildet; SAGT NICHT DRECK ZUR ERDKRUME, rief Gleim in der Runde laut aus!). Der Philanthrop, in Beobachtung eines Gegenübers, dem der Weg zur Güte nicht gelang, ahnt, wenn sich im Anderen der Wurm regt, der Impuls zur traurigen Schuld. Der Menschenfreund ist zuvorkommend. Er verstellt den Weg zur schlechten Tat, errichtet Hindernisse. Wenig versteht er davon, die bereits geschehene böse Tat zu rächen.

Geschichten für Johann Wilhelm Ludwig Gleim

145

Dagegen gehört zu seinen Pflichten die »Irreführung des Bösen«. Einem jeden möge zukommen, was seine Handlungen wert sind! Ein Mann namens Anaximenes, berichtete Gleim, nicht zu verwechseln mit dem Naturforscher, lebte mit einem Gastfreund, den er heftig liebte, in einer fremden Stadt. Dieser Geliebte beging eine Mordtat. So verließ Anaximenes die fremde Stadt und den Freund. Es war deutlich, daß er die Tat mißbilligte, aber es schien, als verriete er auf Grund seiner Freundschaft den ehemaligen Gefährten nicht an die Obrigkeit und als wollte er auch sonst über ihn nicht richten. Nach Jahren reiste der Mörder in die Stadt des Anaximenes. Er wurde hier zu Unrecht einer Körperverletzung bezichtigt, die, ohne daß er die Absicht dazu hatte, zum Tode des Verwundeten führte. Anaximenes war zu diesem Zeitpunkt Richter in seiner Stadt. Er verurteilte den ehemaligen Freund zur öffentlichen Steinigung, auch wenn er die Beweise für einen Mordanschlag in diesem Fall nicht für ausreichend hielt (nur auf Mord stand der Tod). Du stirbst nicht wegen dieser Tat, sagte er zu dem Verurteilten, sondern wegen des ungesühnten Mordes von einst, für den ich dich nicht anzeigte. Eine Stadt stirbt, wenn Mörder in ihr überleben. Außerdem, fügte Anaximenes hinzu, hast du unsere Freundschaft umgebracht. Eine zweite, fluchwürdige Handlung. Dein Freund, fuhr er fort, der ich nach wie vor im Herzen bin, rächt somit drei Tötungen (die aus Mord, die aus Versehen und die an unserer Gemeinschaft). Du kannst dir aussuchen, wofür du zu sterben bereit bist. Ich aber empfinde als verschärfenden Umstand das Attentat auf unseren Bund. Du wirst also nicht im Fluß ertränkt (was milde wäre), sondern gesteinigt (was wird dir weniger gefallen). Die Erzählung brachte Gleim in der Abendrunde viel Beifall.

Freigebigkeit (Generosität) Solange ich mir selbst nicht schade, bin ich verpflichtet, anderen in der Not zu helfen. Mit meinem Freund soll ich darüber hinaus, auch wenn ich Schaden nehme, das teilen, was ich besitze. Für die Existenz von Abhängigen (Dienstkräfte, Frauen, Schüler) muß ich sorgen – und sollte ich selbst hungern, muß ich vorhandene Reste nicht nur teilen, sondern aufopfern. Ist aber nirgends Not, so ist doch die Förderung junger Genies, das Ausstreuen verlorener Zuschüsse (zur Versorgung des Handwerks, im Interesse der Ausbildung) ein Mittel der WELTBELEBUNG, das die Sozietät so in Gang hält wie das Schmiermittel die Radnabe der Kutsche.

146

Alexander Kluge

Anekdote In der Zeit Friedrich Wilhelms I. von Preußen erhielten alle Söhne im Militärkanton Aschersleben, zu dem Gleims Geburtsort Ermsleben gehörte, bereits in der Wiege sogenannte Soldatenpässe. Die Kinder galten als geborene Soldaten. Gleims Vater hatte sechs Söhne. Aus Anlaß der Geburt seines letzten überbrachte ein Herr von Natzmer, Rittmeister im Kürassier Regiment, das in Aschersleben in Garnison lag, eine dieser Bescheinigungen. Der Vater weigerte sich, sie anzunehmen. Am folgenden Tag schrieb er eine Eingabe an den König. Er wolle seine sechs Söhne zu guten Bürgern des Vaterlandes erziehen. »Bekommen sie zu früh den Soldaten in den Kopf, so lernen sie nichts.« Auf Befehl des Königs mußte der Rittmeister die Pässe zurücknehmen.

Wie und warum Gleims Vater starb Unter der langen Herrschaft Wilhelms I. von Preußen (lang wegen der zähen, beharrlichen, erst am Ende durch die Wassersucht geschwächten Gesundheit des Königs) bestand eine schwer erträgliche militärische Despotie. Ein grobes Unrecht, nicht gegen Gleims Vater, sondern dessen Schwiegersohn, den Amtsverwalter Fromme, führte zum Tod des redlichen Mannes, dem der Sohn Gleim mit seinen starken Lebenskräften anhing. Nachdem die Seele des Vaters schon während dieser Krise zahlreiche Versuche gemacht hatte, der Elendswelt auf plausible Weise zu entkommen, beendete ein Gallenfieber (nach heutiger Diagnostik fand ein Ausbruch von Viren der Kinderzeit statt) das Leben des stets rechtsuchenden Mannes. In der Tat zeigte sich die Obrigkeit tyrannisch und unangreifbar. Der Rittmeister von Natzmer von den Kürassieren in Aschersleben, noch gereizt durch seine frühere Kontroverse mit dem Vater Gleims, die ihn beschämt hatte, nahm die Gelegenheit wahr, vom königlichen Amtsverwalter Fromme, der mit junger, intakter Physis den Fortgang der Familie Gleim (durch Heirat mit der Schwester Gleims) zu sichern bestimmt war, die Auslieferung eines schönen Reitpferdes für eine willkürliche Kaufsumme zu verlangen. Als Fromme die Herausgabe verweigerte, vielmehr Hof und Ställe verschloß, ließ der Rittmeister als Ersatz für die Pferde ihn, den Amtswalter (er verwaltete Landgüter), festnehmen und zum Wachtmeister seiner Schwadron machen. Wie ein Sklave, allerdings nicht als Rekrut, sondern als Unteroffizier, war Fromme seiner Familie und seinen Pflichten entrissen. Die Probleme zu Hause, im herrenlosen Amt, stauten sich. Während der Mann, schikaniert von den Offizieren, die Ställe der Schwadron einer Reorganisation unterzog (tüchtig blieb er auch in dieser babylonischen Gefangenschaft), sozusagen einen Augias-Stall ausräumte, kamen Berichte von

Geschichten für Johann Wilhelm Ludwig Gleim

147

den Frauen daheim (und dann auch solche des Schwiegervaters), daß Verluste einträten, ein Ablieferungssoll nicht erfüllt war, Unvermögen sich ausbreite auf den verschiedenen Vorwerken und Gutsstellen, wenn nicht der Leiter dieses Ganzen bald zurückkehre. Damals ergriff den Schwiegervater Gleim schon der Infekt, der sich auf die Bronchien legte, die Brust attackiert bis zu den Rippen, eine Schwäche und Erkältung, die aber seinen Tod nicht verursachte, denn die Erschütterung durch das brutale Außen, das Böse in der Welt, griff ein in tiefere Schichten seiner Person. Die Ärzte ratlos. Der Amtsverwalter Fromme kaufte sich für 800 Reichstaler in Gold aus dem militärischen Frondienst los. Dem konnte der Rittmeister von Natzmer nichts entgegenhalten: Wer bar zahlt, entgeht der Zwangskantonierung. Ein anderer Rittmeister bemächtigte sich jedoch eine Woche später, kaum war Fromme nach Hause zurückgekehrt, nur einige Weisungen hatte Fromme daheim hinterlegen können, seiner Person. Der Amtsverwalter mußte auch hier eine Auslösung zahlen, diesmal 600 Reichstaler (weil die räuberischen Rittmeister nicht untereinander kommunizierten, unterschied sich der Betrag). Das ging an die Grenze der Leistungskraft der erst in ihren beruflichen Anfängen befindlichen Amtsverwalterfamilie. Fromme mußte den Schwiegervater um eine Anleihe bitten (aus der »eisernen Reserve« gezahlt). Es war, als gebe der wackere Vater ein Stück Finger oder seine Hand zum Pfande. Gegen die Gewaltakte, von denen, während die Herbstwochen dahingingen, weitere drohten, halfen keine Eingaben bei dem Inhaber des Regiments, dem Prinzen Gustav von Sachsen-Anhalt. Später begab sich Vater Gleims Schwiegersohn, auswegreich in seiner Phantasie, wenn auch schon verzweifelt nach Rheinsberg zum Kronprinzen. Der entzog ihn dem Despotismus des anhaltischen Prinzen und der Offizierskamarilla, indem er ihn zum Verwalter der Happeschen Güter machte (die hatte er vom König). So rettete er Fromme vor der Anklage, er sei Deserteur oder Überläufer in ein fremdes Land, weil er ja tatsächlich ohne Genehmigung nach Potsdam gereist war und noch immer, trotz Zahlung der Reichstaler, als Wachtmeister in den Akten des Regimentes geführt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war Gleims Vater schon tot. Der Sohn und spätere Dichter, der zum Apotheker bestimmt war, jedenfalls aber nicht als Soldat rekrutierbar blieb, wurde in seiner Schule benachrichtigt, eilte zu Fuß nach Hause, stand noch vor dem Sarg, der zum Friedhof getragen wurde. Die Mutter wollte den Sarg öffnen, daß er den Vater ansähe. Der junge Gleim aber, über den Verlust nicht tröstbar, weigerte sich. Er wollte das Elend nicht sehen. In sich trage er das Bild des lebendigen, gesunden, kraftvollen Vaters, sagte er. Die Mutter tadelte ihn streng. Er blieb unerbittlich. Die Mutter wollte er trösten, seinen Trotz behalten und keinesfalls diesen Tod, dessen Ursache er sich zusammenreimte, durch Öffnung des Sarges billigen, bestätigen oder auch nur seelisch registrieren.

148

Alexander Kluge

Abb.: Bild von Gleims Vater, als dieser Mitte 30 war. Maler unbekannt.

Das Bild seines Vaters wollte Gleim für den Freundschaftstempel malen lassen An den Hofmaler Pesne gab Gleim den Auftrag, seinen Vater zu malen. Das konnte nur nach vorhandenen Zeichnungen, Bildern und Gleims Angaben geschehen, da der Vater zum Zeitpunkt der Auftragserteilung bereits tot war. Gleim fügte seinem Schreiben ein Blatt bei, auf dem er folgenden Vers notierte: Und dann male meinen Vater / wenn Du meinen Vater malest / mußt Du mit beseelten Zügen / seine Redlichkeit bezeichnen.

Bifurkation der Sitten um 1800 Ein »lebenslänglicher Bund« von tollen Herzen dauerte, als das Jahrhundert seinem Ende zuging, etwa von November bis Mai oder von Juni bis zum Jahresschluß. Das entsprach Gleims Beobachtung bei jungen genialischen Paaren. Die Modi des Genies ändern sich alle zwei Jahre, ähnlich rasch wie die Liebesverhältnisse. Jedes Mal bemühte sich Gleim (wenn es sich um einen Freund handelte) um materielle Förderung der Eskapade, die sich als LIAISON AUF TOD UND LEBEN aufführte. Was er zu tun vermochte, dauerte in Planung und Vorbereitung meist länger, als die Affäre anhielt.

Geschichten für Johann Wilhelm Ludwig Gleim

149

Aber wie solle, warf einer der Gastfreunde ein, wenn die Leidenschaft fehle, die Fortpflanzung vonstatten gehen? Herzensergießung unter Freunden ersetzt keinen Samenerguß, keine Empfängnis. Es fehle im wörtlichsten Sinne ein logisches Glied zur wirksamen Fortpflanzung. Über den Einwand lächelte der philosophische Halberstädter. Wie es Selbstbefriedigung gäbe, könne doch die Befruchtung auch ohne persönliche Aufwallung und Schicksalsverknetung dadurch zustande kommen, daß man sich in der Phantasie allerhand vorstelle, das dann den an Unter- und Nebenordnung gewöhnten Mechanismus der Fortpflanzung »wie im Traume« in Bewegung setze. Die befruchtete Eizelle frage nicht, mit welcher Empfindung der Same ausgesandt worden sei. Die Rede im Raum verlief lebhaft hin und her. Gleim selbst habe wohl keine Kinder? Das wisse man nicht, warf einer der Teilnehmer ein. Jedenfalls habe er keine mit einer Freundin, von denen er ja einige besäße, erwiderte Gleim. Auch der König Friedrich kenne Freundschaft, aber keine Begattung (und sicher keine Freundschaft mit seiner Königin), wandte einer der Tafelnden ein. Es sei schwer, darin stimmte die Mehrheit der Gastfreunde überein, eine neuartige Lebensweise zu etablieren, in der Lust, Geist, Zuneigung und körperliche Säfte sozusagen »zur gesamten Hand« tätig würden. Ein Einzelleben, eine Generation, ja drei Generationen, reichten nicht aus, so etwas einzurichten und stabil zu machen. Die These, die in der Abendrunde diskutiert wurde, stand im Widerspruch zu der Tatsache, daß bis zum Anbruch des vernünftigen Zeitalters die Tradition darauf beruhte, daß ein Acker den anderen heiratet, daß die Oberhäupter der Familie über die Bindungen und Fortpflanzungsketten entscheiden und das Herz der Betroffenen allenfalls trauernd, dichtend oder beobachtend an diesem Geschehen teilhat. Von diesem bewährten, aber barbarischen Verfahren, sagte Gleim, sozusagen einer Fremdherrschaft über das Gefühl, zweigen die jungen Genies in eine völlig andere Richtung ab. Sie vertrauen sich, ohne Kenntnis der Navigation, einer chaotischen See an. Chaotisch deshalb, weil die »willkürlichen Selbsturteile über das, was sie fühlen« keine Garantie für Zuverlässigkeit, Fraternität und Treue seien. Der Fraternität fehle jedoch ein eigener Fortpflanzungsmechanismus. Gleim war der Meinung, die von ihm zu gründende »Schule der Humanität« müsse über diese Fragen forschen. Das Irreführende an der neuen Mode liege darin, so Gleim, daß der Ausweis der persönlichen Verliebtheit zur Legitimation und zum Beweis für alles erotische Tun erforderlich sei, die beteiligten Jungen aber keine Herrschaft über diese »wilde Horde in ihrem Herzen« besäßen. Er empfahl nochmals die amicitia (mit welchen Aushilfen auch immer) als Modus, Nachkommen zu erwerben.

150

Alexander Kluge

Der Gleim-Forscher Sam Huschke in Eisfeld (Thüringer Wald) über den Begriff amicitia Amicitia: für Gleim universeller Ausdruck einer zuneigungsbereiten Zuverlässigkeit unter spracherfahrenen Menschen. An sich bestehe die Gattung, das sei Gleims Auffassung, von Natur aus (wenn nicht von Einflüssen, Zwang oder Einflüsterungen gestört) aus freundlichen Wesen. Zumindest seien sie eher freundlich als feindselig. Dabei, so Huschke über Gleim, unterscheide sich die neuartige, in unserer Zeit des 18. Jahrhunderts angesiedelte KULTIVIERTE FREUNDSCHAFT (sozusagen die tempelfähige, herzliche) von der Konvention der amicitia in der Antike. In beiden Begriffen aber ströme die Anteilnahme, die, wird sie lange ausgeübt und wie ein Gartengelände gepflegt, aus zwei Einzelmenschen (und wenn Freunde Kreise bilden mehreren) ein gemeinsames Wesen erzeuge. Gleim hätte, berichtet Huschke (sein Vorname Sam, nach der Vorliebe seiner Mutter zu einem US-Soldaten gleich nach der Kapitulation gewählt, hatte die Zeit der DDR unverändert überstanden), auf einer Reise von Halberstadt in eine mitteldeutsche Metropole im dortigen Opernhaus Mozarts La clemenza di Tito gesehen. In den Notizen, die der rücksichtslose Neffe Gleims später verschleuderte, von denen aber Huschke in Unterlagen des Dichters Matthias Claudius Zitate entdeckte, habe Gleim sich berührt gezeigt von dem Verhältnis des Sextus (des designierten Nachfolgers und Freundes des Kaisers) zum Herrscher Titus. Sextus, für den der Kaiser Zärtlichkeit empfindet, macht sich zum Haupt einer Verschwörung gegen diesen und er ersticht in einer Brandnacht auf dem Capitol einen Mann, der sein Haupt verhüllt und den er für den Kaiser hält. Ein Irrtum, der Kaiser lebt! Sextus wird wegen Hochverrats und Mordversuchs zum Tode verurteilt. Titus sucht das Gespräch mit dem Freund. Er will den Majestätsverbrecher begnadigen. Freundschaft überwindet alle Rechtsgründe! Störrisch aber erwidert Sextus, daß er an keine Begnadigung glaube. Die Mordabsicht verzeihe er, antwortet der Kaiser, nicht jedoch den Zweifel, den Sextus an seiner Entschlossenheit hege, die Freundschaft höher zu stellen als das Recht. Er läßt den Freund abführen (das bedeutet Tod). Gleim bewunderte, so berichtet Huschke, die Intensität der musikalischen Darbietung an dieser Stelle der Oper. Die anschließende Begnadigung aller, zu denen dann auch Sextus zählt, charakterisiert Gleim als »oberflächlich«. Dies sei schon nicht mehr Freundschaftsdienst, der immer nur individuell sein kann, sondern Herrscherwillkür (oder aber Folge des Schemas der opera seria, das einen heiteren Schluß vorschreibe). Nie sei aber der Moment, an dem Freundschaft über alle Konventionen siegt und dann, weil einer der Freunde an diesem Wunder zweifelt, zerrinnt (und

Geschichten für Johann Wilhelm Ludwig Gleim

151

daraufhin wird durch Großmut eines der Freunde die Lage dennoch gerettet), durch stärkere Töne ausgedrückt worden als in der Musik unmittelbar vor dem Finale dieser Oper. Sam Huschke (der sich in Anknüpfung an Plutarch auf parallele Lebensläufe spezialisiert hat) führt an dieser Stelle seines Berichts die langjährige Verbundenheit des Diktators Hitler mit Albert Speer an. Krise 1945 in der Freundschaft von Hitler und Speer! Speer habe die Befehle Hitlers zur Sprengung von Industrieanlagen und Brücken offen sabotiert, und es sei nicht ausgeschlossen, daß der Führer von Speers Plänen wußte, ihn in seinem Bunker mit Gas zu vergiften. Dennoch habe der Tyrann, ganz ähnlich wie Titus mit dem Freund Sextus, mit dem Freunde gerungen (statt Speer hinrichten zu lassen). So mächtig habe die Freundschaft aus besseren Tagen im Herzen des Bösen gepocht, daß er den Mann schonte, der in seinem Tun kaum noch als Freund zu bezeichnen war. So habe, schloß Huschke seinen Hinweis ab, Mozarts Oper, in der es um Kinder geht, die keine politischen Erwachsenen werden wollen, noch im 20. Jahrhundert ihre Beweiskraft gezeigt. Amicitia, auch unter politisch Mächtigen, sei eine leise, aber ungewöhnliche Gewalt.

Bescheidenheit Eines Tages ritten Klopstock und Gleim nach Aspenstedt, das eine Meile von Halberstadt entfernt liegt. Im Schatten der Ahornbäume ruhten die Dichter aus. Klopstock liebte damals Fanny, eine Verwandte, ohne Hoffnung auf Erwiderung seiner Gefühle. Die Freunde besprachen die lebhaften Augeneindrücke von Dorf und Landschaft. Ein Teich vor ihrem Blick. Wenn das, was auf der Zunge liegt, von freien Geistern formuliert, festgehalten worden wäre, hätte hier große Poesie entstehen können. Man müßte, meinte Gleim, die Seelenlampe samt ihrer Eindrücke, wenn sie satt von solchen Bildern ist wie an jenem Morgen bei Aspenstedt, in kleine Stücke schneiden, zum Anatomen nach Göttingen schicken, dort filtern lassen und solch »geronnenen Geist« statt der Bücher und Briefe ans Netzwerk der Freundschaft anschließen. Da dies – die Botschaft des erfüllten Herzens selbst – nicht realisierbar ist, bleibt für mich, teilt Gleim mit, die ARME KUNST der nachträglich geschriebenen Poeme.

152

Alexander Kluge

»Auf diesem Stein, auf dem ich stehe« Im Jahr 1912 besuchte Franz Kafka Halberstadt und erwähnt auf einer Postkarte das Gleimhaus, dessen 16 Fenster er als Gehäuse eines materiell gut ausgestatteten Dichters mit Neid betrachtete. Gleim nannte sein Haus »Das Hüttchen«. Dies entspricht der rhetorischen Figur der Bescheidenheit, der diminutio. Das Hüttchen, Zentrum des Netzwerks von Besuchen, Briefen, Büchern und Freundschaften, war Hort einer Sammlung von Bildern, so daß auf den nächtens und frühmorgens dichtenden Gleim die Augen vertrauter Poeten blickten, ihn animierten, beruhigten und gleichzeitig anstachelten. In diesem Haus erhielt er durch die Post eines Tages Herders Zerstreute Blätter. Über den Tag hinaus war Gleim selbstbewußt. Er schrieb an Herder zurück das Gedicht: Auf diesem Stein’, auf dem ich stehe, Bin ich ein Mensch! ein Mensch! Ich sehe Nichts von den Tigern zu Paris, Mein Hüttchen ist ein Paradies! Erhalt’ es mir, du! Gott der Götter Und wer zu mir ins Hüttchen tritt, Der bringe mir zerstreute Blätter, Nicht aber eine Zeitung mit!

Im Modus der Bescheidenheit und zugleich des Selbstbewußtseins schrieb Gleim auch: Laß mich, oh Du mein Gott! unnützes Holz, ein Stein, Gut, nur zur Ausfüllung, in deiner Welt nicht seyn! […] Daß ich von Herzensfehlern frey, Kein allzukleiner Geist, und, daß ich stolz nicht sey!

Gleim und Friedrich II. Im Winter 1785 war Gleim in Angelegenheiten des Domkapitels Halberstadt in Berlin. Schon früher, im Jahre 1773 hatte ein Freund Gleims, Oberst Quintus Icilius, Vertrauter des Königs, diesen veranlaßt, »Gleims persönliche Bekanntschaft« zu suchen; Quintus bat die Karschin, Gleim den Wunsch des Königs mitzuteilen. Aber erst ein weiterer Freund Gleims, der Marchese Lucchesini, zur Kaste der Sekretäre und Kammerherren gehörend, verschaffte Gleim eine Audienz beim König am 22. Dezember 1785, nachmittags um zwei Uhr. Das war im

Geschichten für Johann Wilhelm Ludwig Gleim

153

Jahr vor dem Tode Friedrichs. Unter den Papieren Gleims findet sich eine Notiz, welche die Unterredung protokolliert. Der König und Gleim Zu Potsdam, den 22. December 1785 »Wie heißt der Domdechant?« – von Hardenberg. – »Macht der Auch Verse?« – Mehr als ich! »Macht er sie auch so gut, als Er?« Ich glaube, nein; man schmeichelt sich Am liebsten selbst. – »Da hat Er Recht! Die Brüder Im heiligen Apoll, die harmoniren nicht.« Wir harmoniren sehr, denn er macht Kirchenlieder, Ich nicht, und keiner spricht Von seinen Versen. – »Das ist besser, Als wenn Ihr’s thätet! Aber sagt: Ist Wieland groß, ist Kopstock größer?« Der, Sire, wäre stolz, der’s zu entscheiden wagt. »Er ist nicht stolz?« – Ich bin’s in diesem Augenblick, Sonst eben nicht. – »Er geht nach Halberstadt zurück, In’s hochgelobte Mutterland?« Ja Ihro Majestät! – »Grüß’ Er den Domdechant!«

Unmittelbare Begegnung mit dem Krieg Am 12. August 1759 wurde Gleims Freund, Ewald Christian von Kleist, in der Schlacht bei Kunersdorf schwer verletzt. Er starb am 24. August in Frankfurt an der Oder. Gleim selbst geriet nur einmal in die Nähe der Kanonen. Er begleitete den preußischen Prinzen, dem er als Geheimsekretär diente, in die Schlacht von Prag. Dort schaute er, neben seinem Prinzen aufgestellt, in unmittelbarer Nähe des Königs zu den Wällen der Stadt hin. Der König beobachtete mit einem Fernrohr das Feuer der feindlichen Geschütze. Da »strich eine Kanonenkugel an dem Prinzen, nahe vorbei«. Ein Splitter der Sechspfünderkugel zerschlug Gleims Herrn die Stirn. König Friedrich II. wendete das Auge nicht vom Fernrohr. In der Nacherzählung veränderte sich diese Geschichte später mehrmals. Gleims starke Hinwendung zu Friedrich II. (sie nährte sich aus der kurzen Momentaufnahme in Prag und schlug sich in den preußischen Kriegs- und Siegesliedern nieder) wurde ihm als poetische Parteinahme vorgeworfen. Klopstock schrieb über Gleims Texte: »Wenn von Friederichs Lobe / Ihm die trunkene Lippe trieft!«1 1 Über die Niederlage Friedrichs bei Kol†n dichtet Gleim: »Da stürtzte von Kartetschensaat / Getroffen, eine Schaar / Von Helden, ohne Heldenthat, / Die halb schon oben war! / Das sahe

154

Alexander Kluge

Tyrannische Freundschaft Als der Freund Ramler ihn kühl behandelte, sich von ihm zurückzog, betrachtete Gleim das als Verrat. Er fühlte sich wie durch Tod von Ramler getrennt. Ihn ergriff ein Fieber. Er entwarf eine Inschrift für sein Grab: »An einer Freundschaft gestorben«. In seiner Einbildung stellte sich sein verlorener Freund vor ihm auf wie ein böser Geist. Gleim »riß sich selber das Herz wund, getröstet durch das bittere Leiden seiner unbefleckten Freundschaft«.

Lieder für das Volk Im Selbstverlag erschien 1772 die Sammlung »Lieder für das Volk«. Lessing schrieb an Gleim: »Sie haben mir mit Ihren Liedern fürs Volk eine wahre und große Freude gemacht! […] Ihre Vorgänger, mein Freund! haben das Volk blos und allein für den schwachdenkendsten Theil des Geschlechts genommen, und daher für das vornehme und für das gemeine Volk gesungen.« Gleim verfaßte aufgrund von Lessings Brief mehrere Volkslieder. »Der König lebe! Denn er sitzt / Auf seinem Thron, ein Vater, itzt, / Sieht Hungersnoth, / Sieht unsern Tod, / Und sorgt für uns, und giebt uns Brod.« Der Vers bezieht sich auf eine Aktion Königs Friedrichs II., der Saatgetreide an die Bauern im späteren Sachsen-Anhalt verteilen ließ. Er plante eine AMELIORISIERUNG DER FELDER, indem er traditionelles, oft geringerwertiges Saatgut durch neues, in den Mustergütern des Königs entwickeltes Getreide ersetzen ließ. Diese Politik (Gleim bekannt und von ihm gefördert) führte später zu der Errichtung von Landgütern um Halberstadt und in der Magdeburger Börde, die sich auf die Produktion hochwertigen Saatguts konzentrierten. Weltweit erfolgte der Vertrieb mehr als hundert Jahre später durch Handelshäuser wie das der Klamroths von Halberstadt aus. Bei Gleim sind nicht Lieder des Volkes zentral, sondern poetische Gesänge, welche die auf dem Land arbeitenden Menschen, die Bauern, die Verwalter, die Friedrich. Himmel! Ach! / Wie blutete Sein Herz! […] Laßt, rief er, Kinder, laßt doch ab! / Mit uns ist Gott heut nicht. // Da liessen wir den blöden Feind / In seinem Felsennest. / Nun jubelt er ; o Menschenfreund! / Nun hat er Siegesfest.« Nach der siegreichen Schlacht von Prag erlitt Friedrich von Preußen am 18. Juni 1757 eine bittere Niederlage. Die Einsatzarmee der Österreicher bewegte sich auf einem Höhengelände. Ohne genauen Plan entwickelte sich ein Angriff der preußischen Truppen auf die Höhenstellung (Gleim: »Wir stritten, nicht mit Roß und Mann, / Mit Felsen stritten wir.«). Der Angriff wurde blutig zurückgewiesen. Gleim macht in seinem Gedicht einen Sieg daraus, daß Friedrich am Ende, verlustschonend, den Kampf abbricht.

Geschichten für Johann Wilhelm Ludwig Gleim

155

Hirten, zum Gegenstand haben, anknüpfend an Hesiods Werke und Tage, die poetische Überlieferung der Antike. Weder in Lessings Brief noch in Wielands Kommentaren noch bei Gleim selbst geht es um eine soziale Hinwendung zu den Landwirten, vielmehr um die Verbesserung der Zivilisation, die notwendig an der Basis, dem Nährstand nach Gleims Auffassung, anknüpfen muß.

Flor der königlichen Lande Joseph Vogl (Hochschullehrer an der Humboldt-Universität und in Princeton) zählt Gleim zu den Kameralisten im 18. Jahrhundert, die sich Sekretäre nannten. Sie sind das Bindeglied zwischen bürgerlicher Intelligenz, Monarchie und regierendem Adel. Diese Gruppe, ein Mittelbau, übte die tatsächliche Herrschaft aus. Sie erkennen einander an Leistung und Umgangsform. Der Hauptmann in den Wahlverwandtschaften gehört zu dieser Gruppe von Verwaltern wie der Sekretär Wurm, von Schiller in seinem Drama Kabale und Liebe beschrieben, auch die Dichter Lessing und Gleim. Will man diese Lebensläufe deuten, behauptet Vogl, und ihre poetische Qualität beurteilen, genügt es nicht, ihre Dichtungen zu lesen. Solche Sekretäre sind Realdichter. Indem sie Personen versammeln, auf Planstellen »einpflanzen«, also ökonomisch absichern, den Wettbewerb der Geister anstacheln und »düngen«, dichten sie, als wären es Verse, mit Konstellationen realer Menschen und Umstände. In dieser Hinsicht, so Vogl, soll man den Enthusiasmus, mit dem Goethe Bergwerke reformierte und geologische Funde machte, von seiner Dichtkunst nicht trennen. Vogl stellt den Plan einer HUMANITÄTSSCHULE in Halberstadt (vorher AKADEMIE genannt) in den Vordergrund. Wäre die Gründung, zu der Gleim schon Anfänge gesetzt habe, verwirklicht worden, wäre dies (und nicht nur seine ausgewählten Werke) Gegenstand seiner Biographie geworden. Für dieses HUMANISTISCHE BERGWERK MIT SITZ IM STEPHANEUM ZU HALBERSTADT hatte Gleim bereits Jacobi auf eine Planstelle gesetzt (ein Kanonikat an der Moritzkirche mit hinreichenden Einkünften), er hatte auch das poetische Feuerauge, den jungen Michaelis, nach Halberstadt geholt, außerdem Heinse. Er war dabei, Gottfried August Bürger nach Halberstadt zu berufen. Dem Plan diente das Netzwerk der Freundschaften. Für seine Studenten in Princeton mußte Vogl zum Verständnis dieser Einordnung Gleims, für die Mehrzahl der Ausdrücke, die er verwendete, einen Kommentar anfügen. So ist ein »akademisches Bergwerk« eine aus jungen, begabten, auch aus dem Ausland zugereisten wohlhabenden Studenten bestehende Erwerbsmaschine der Monarchie, wie es zum Beispiel die Universitäten Halle und Göttingen als Juwelen der Kameralistik sind: Wie ein Bergwerk bringen sie

156

Alexander Kluge

Gold und Silber ins Land und bilden den »Flor der königlichen Lande«. Eine Blüte aus Menschen.

Die Spiegelsberge bei Halberstadt »Blüte des Fortschritts« läßt sich als Baumschule beschreiben. Wird ein zunächst kahl und roh daliegendes Berggelände in der Nähe von Halberstadt durch den Herrn von Spiegel, üppig und geordnet, mit Laubbäumen bepflanzt, wandelt sich die Natur zum Garten. Zirkelt man hiervon eine Abteilung bestimmter Bäume ab, welche Seidenraupen tragen, entsteht eine PLANTAGE. Solche VERSTÄRKUNGEN UND ZUSPITZUNGEN DER NATUR entsprechen, so lehrt es Joseph Vogl die Studenten in den USA, den Reimen in der Poesie. Sie nehmen aber statt bloß gedachter Verhältnisse in der Dichtung die Realität als Gegenstand der Kunst, darin Ärzten, Architekten näher als Dichtern. In dieser Perspektive sei Gleim in der vorderen Reihe der Geister des 18. Jahrhunderts zu sehen, während er als Poet vom hochmütigen Goethe unter die gezählt wird, die »Duldung«, aber nicht »Ruhm« verdienten. In diesem Zusammenhang erzählte Vogl die Episode, daß Gleim Weimar besuchte, dort einen höflichen Empfang erwartet habe, dann aber erfahren mußte, Goethe habe spöttische Äußerungen über seine gesellschaftliche und poetische Unbeholfenheit getätigt. Gleim habe dies jedoch seinerseits »geduldet«. Er habe von Goethe wegen dieser Unhöflichkeiten, einer FREUNDLOSEN SELBSTGEFÄLLIGKEIT, wenig gehalten.

Später Gleimfreund – zu spät Im letzten Sommer der DDR lebte und arbeitete in Magdeburg ein Kader (an sich zuständig für Schwermaschinenbau), der aufmerksam die Geschehnisse im Juli 1989 in Peking beobachtet hatte (als hochrangiger Genosse war er mit Informationen versehen, die nicht jeder besaß). Die Zukunft der Arbeiter- und Bauernrepublik sah er nicht positiv. Er stammte aus Halberstadt. Gleim kannte er als Geschäftsmann des 18. Jahrhunderts, nicht als Dichter. Der Wißbegierde des gründlichen Kaders konnten Diamat und Lehrbücher der sozialistischen Betriebswirtschaftslehre nicht genügen. So hatte er im Nebenfach Kameralistik des 18. Jahrhunderts studiert und war später in Magdeburg im Landesarchiv auf Abrechnungsunterlagen der Domverwaltung Halberstadt und damit auf Gleims Handschrift gestoßen. Auch wußte der Kader, daß die Ober- und Mittelklasse in Brandenburg und im preußischen Teil des Gebiets, das wir heute Sachsen-Anhalt nennen, fran-

Geschichten für Johann Wilhelm Ludwig Gleim

157

zösisch sprach. Preußenkönig Friedrich der II., so hatte es der Kader gehört, hätte einem Anschluß Preußens an Frankreich – zu seinem Bedauern war das unter realen Bedingungen nicht möglich – viel Reiz abgewonnen. Zufällig traf dann der Kader bei einem offiziellen Essen im »Haus des Friedens« einen der französischen Diplomaten, die für die DDR zuständig waren. Auch sie hatten ein Interesse am gesicherten Fortbestand der DDR; einerseits weil sie ihre Planstellen zu erhalten suchten, andererseits weil die Grenze der Bundesrepublik an der Elblinie ihnen dem europäischen Gleichgewicht förderlich erschien. So prüften die beiden Gesprächspartner spät abendlich die Chance, wie die DDR sich über ihren 40. Jahrestag hinaus erhalten könne, inwiefern eine Anlehnung an Frankreich diesem Ziel dienen würde. Bei Übergang zu einer kapitalistischen Wirtschaftsweise, meinte der französische Diplomat, könne er sich vorstellen, die Arbeiter- und Bauernrepublik in eine Nation zu überführen, die als erstes europäisches Land unmittelbar der Brüsseler Behörde unterstünde. Als der Kader später vertraulich diese Chance mit einem befreundeten Vorgesetzten besprach, erklärte der diesen Gedanken für abwegig. Den Kader jedoch faszinierte (immer unterstellt, es käme zum Verfall der DDR) ein Einzelaspekt einer solchen Lösung: die Anknüpfung an Verwaltungstraditionen des 18. Jahrhunderts (die ihm in Frankreich präsenter erschienen, als in Mitteleuropa). Ein solcher Neuanfang, der die Alpträume des 20. Jahrhunderts außer Kraft setzte, im Geiste der Aufklärung eines frischen 18. Jahrhunderts neu beginnen würde, das sei, so der Kader, eine REINSCHRIFT. Sie ermögliche eine Verständigung mit den protestantischen Kräften des Aufstands (der schon überall in den Gemeinden zu spüren war), die ihre Wurzeln ja ebenfalls nicht in der Jetztzeit hätten. Bei seinen nächtlichen Studien zu dieser Frage stieße er erneut auf den Lebenslauf des Domsekretärs Gleim und dessen Tätigkeit für die Dörfer im Umkreis Huy bei Halberstadt. Für die DDR, das meinte der Kader aus anderen Unterlagen herauszulesen, gehörte die Bodenreform nördlich von Halberstadt zu den wenigen erfolgreichen Partien der sozialistischen Politik.

Auch in den SELIGEN GEFILDEN hört das Argumentieren nicht auf Wenig bekannt ist, daß erst vor kurzem im Elysium Gleim und der Schweizer Psychoanalytiker Hans Zulliger aufeinandertrafen. Rasch geriet das Gespräch ins Kreisen. Es gab Verständigungsschwierigkeiten, da einige Ausdrücke aus dem 18. Jahrhundert dem Schweizer und einige der Ausführungen des Psychoanalytikers aus den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts Gleim unverständlich waren. Mit Vehemenz drängte es aber beide zur Kommunikation.

158

Alexander Kluge

Gleim behauptete, er habe immer schon den Plan für eine »Landkarte der Emotionen« gehabt. In dieser Zeichnung sollten die Attraktoren festgehalten werden, welche Menschen untereinander so verbinden, daß sie zumindest in ihren Gedanken verschmelzen. Die Gesprächspartner stimmten darin überein, daß die Zuwendung zu einem anderen Menschen auf drei unterschiedlichen Feldern wachse: (1) der frühen Kindheit, (2) der Latenzzeit, (3) der Pubertät und Reife. Zulliger machte sich daran, die seelischen Grundlagen dem ungläubig blickenden Gleim zu erläutern. Die Freundschaft (davon hatte Gleim vorher lebhaft ihm vorgetragen) stamme aus dem psychischen Gelände der Latenzzeit: Die wilde Kindheit ist abgeschlossen. Wie die Schlange ihre Haut abwirft, hat das junge Lebewesen seine erste Einrichtung in der Welt aufgegeben und bereitet sich darauf vor, in die Realwelt einzutreten. Im Alter von etwa sechs Jahren (in der Regel) gelange es in diese RUHIGE PHASE (jetzt erst verstand Gleim, was der Ausdruck Latenzzeit bedeutete). Die junge Intelligenz (wie bei Windstille im Kahn auf dem See) sucht ihren Ort. Diese Jahre werden dann unterbrochen durch die Stürme der Pubertät. Zuvor aber die »zweite Kinderzeit«, die Latenzzeit, aus deren Geist die Ausfahrt in die Freundschaft am ehesten stattfindet. Die auf rasanter und wechselhafter Pubertät gegründete Verliebtheit, so Zulliger zu Gleim, sozusagen der STURM UND DRANG DES GEFÜHLS, ein wüstes Wetter, führe zu keiner speziellen Identität auf lange Zeit. Diese Wurzel sei für Bindungen eher ungeeignet. Das aber, was wir UNBEZWINGLICHE LEIDENSCHAFT nennen, der GENIUS DER ZUWENDUNG, ja das »ozeanische Gefühl«, das aus zwei Menschen einen macht, beruhe auf den frühkindlichen Wassern des Hasses und der Lust, wie sie die Erwachsenheit nur abgeschwächt erreichten. So Zulliger. Sie sollten in die Gelände der Freundschaft fließen, wünschte sich Gleim. Übergangslos sprach Gleim dann von der »überbordenden Verliebtheit«, die er bei dem Dichter Jean Paul beobachtet habe. Nach Abflauen der Erregung, also nach wenigen Monaten, neigte jener junge Dichter dazu, sich für den Hausgebrauch eine praktische Wirtschafterin auszuwählen und diese zu heiraten. Der vorherige Gefühlsausbruch aber reichte aus, die Anhänglichkeit an die Eltern und den Sinn für die Welt momentan zu zerrütten. Liebe (anders als Freundschaft) mag unwahrscheinlich sein, ein Phantasiegebilde ist sie nicht, schloß Gleim das Gespräch. Die seligen Geister wurden zu ihrer mittäglichen Tafel gerufen.

Ute Pott

Archivar und Chronist. Johann Wilhelm Ludwig Gleim und Alexander Kluge

Möchte man Alexander Kluge und Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803) zusammenbringen – was ließe sich da zuallererst sagen? Natürlich: Halberstadt! Während der Autor, Filme- und Fernsehmacher Kluge aus der Domstadt stammt und die Stadt im Alter von 14 Jahren verlassen hat, um bei der Mutter in Berlin zu leben, ist Gleim im Jahr 1747, mit Ende zwanzig, dorthin gezogen, um die Stelle des Domsekretärs, also des Verwaltungsleiters des Domkapitels zu bekleiden … fünfzig Jahre lang. In dem Haus am Domplatz, das ihm als Dienstwohnung zur Verfügung gestellt wurde und das er für sein Netzwerk der Freundschaft auf eigene Kosten erweitern ließ und mit zahlreichen Sammlungen füllte, befindet sich seit 1862 das »Gleimhaus«, eines der ältesten deutschen Literaturmuseen, ein Haus zur deutschen Aufklärung mit dem ersten deutschen Literaturarchiv und der größten Portraitgemäldesammlung zum kulturellen Leben des 18. Jahrhunderts. Hier sowie im Herrenhaus des Burchardiklosters beim John-Cage-Orgel-KunstProjekt wurde in Verantwortung des Gleimhauses vom November 2013 bis Juni 2014 die Ausstellung »Alexander Kluge, Halberstadt« gezeigt.1 Für die Konzeption der Ausstellung war es wichtig, dass die biografische Herkunft aus Halberstadt und die hier gemachten, einschneidenden Erfahrungen der Trennung der Eltern und des Bombenangriffs auf die Stadt am 8. April 1945 eine zentrale Rolle im Werk von Alexander Kluge spielen.2 Darüber hinaus

1 Siehe Gleimhaus Halberstadt und Nordharzer Städtebundtheater in Zusammenarbeit mit Alexander Kluge und Thomas Combrink (Hg.), Alexander Kluge in Halberstadt. Gemeinschaftsprojekt des Nordharzer Städtebundtheaters und des Gleimhauses Halberstadt in Kooperation mit dem John-Cage-Orgel-Kunst-Projekt und der Stadt Halberstadt, Halberstadt 2013. 2 Zuallererst ist hier die Erzählung Der Luftangriff auf Halberstadt am 8. April 1945 (Frankfurt/M. 2008) zu nennen. Hier findet sich auf Seite 75 auch eine kurze Passage zum Gleimhaus: »Häuser der Ostseite, Nr. 21 – 29 von Burgtreppe her entzündet, das Feuer ›kriecht‹ herauf. Kustos Frischmeyer rettet das Gleimhaus, indem er sich Hilfe durch 3 Mann Feuerwehr verschafft. Warum haben wir eigentlich diese paar Ölgemälde und wackeligen Tische retten

160

Ute Pott

galt es zu berücksichtigen, dass Halberstadt, die hiesigen Lebensverhältnisse in einer Kleinstadt,3 die familiären Verbindungen, die Freunde, die Namen, die Erfahrungen eines Heranwachsenden und eines mit dieser Stadt durch den Vater Dr. Ernst Kluge4 stets verbunden gebliebenen Erwachsenen im Werk von Alexander Kluge Präsenz entfalten. Eine Beobachtung von Georg Stanitzek weiter ausbauend, der Kluges freundschaftliche, öffentliche Netzwerke mit Gleims Briefkultur und vor allem mit seiner Bildnisgalerie, dem »Freundschaftstempel«, in Verbindung gebracht hat,5 bildeten Porträts in verschiedenen kommunikativen Zusammenhängen und die Galerie-Anordnung von Bildern (Familie, Selbstdarstellung, Interview-Partner, zentrale Themen) ein Leitmotiv der Ausstellung. Johann Wilhelm Ludwig Gleim zählt zur Dichtergeneration vor Goethe, wurde als anakreontischer Dichter bekannt und publizierte bis an sein Lebensende (Gedichte, Fabeln, Verserzählungen, Episteln, Romanzen, Epigramme und szenische Schäferdichtung). Im Brotberuf war er Sekretär (= Chef der Verwaltung) am Domkapitel in Halberstadt. Er vermochte ein ungeheures Vermögen zu erwirtschaften (Gleim kann nach heutigem Maßstab durchaus als Millionär bezeichnet werden), ein literarisches Netzwerk aufzubauen und eine der bedeutendsten Sammlungen zur Literatur- und Kulturgeschichte der Zeit zusammenzutragen.6 Seine Freundschaften mit Sulzer, Bodmer, Uz, Klopstock, Wieland, Lessing, Klotz, Lavater, Nicolai, Herder, Karsch, La Roche, Elisa von der Recke, den Brüdern Stolberg, den Brüdern Jacobi, Heinse, Bürger, Voß, Seume, Jean Paul – um nur einige zu nennen – ermöglichten ihm die Beteiligung an zahlreichen Zirkeln und Debatten. Der letzte Wille des Bürgers Gleim (im emphatischen Sinn) war es, dass mittels einer Stiftung durch sein Vermögen eine »Schule der Humanität« gegründet würde, in der die Sammlungen als Anschauungsmaterial dienen sollten. Außerdem sollten jedes Jahr die Biografie einer verdienstvollen Persönlichkeit der Aufklärung erarbeitet und publiziert und die Briefe und Werkmanuskripte veröffentlicht werden. Es zeigt sich, dass

3

4 5 6

sollen? fragen die Helfer. Was war hieran wichtig? Frischmeyer : Das Andenken Gleims. Die Feuerwehrmänner kennen das kulturelle Erbe Halberstadts nicht, waren entschlossen tätig.« Vgl. Alexander Kluge: »Ich habe ein gewisses Mißtrauen gegen die Wirklichkeit. Das gehört auch zu meinen Halberstädter Erfahrungen. Weil es eine Provinzstadt ist, sieht man die Welt nicht ganz so genau.« (»Mißtrauen gegen die Wirklichkeit«, in: ders., Die Kunst, Unterschiede zu machen, Frankfurt/M. 2003, S. 79.) Vgl. Thomas Combrink, »Ein Arzt aus Halberstadt. Über Alexander Kluges Vater«, in: Text und Kritik (Heft 85/86: Alexander Kluge), 2011, S. 84 – 94. Georg Stanitzek, »Mit Freunden telefonieren. Alexander Kluges ›Netzwerke‹«, in: Natalie Binczek/Georg Stanitzek (Hg.), Strong ties/Weak ties. Freundschaftssemantik und Netzwerktheorie, Heidelberg 2010, S. 233 – 263. Vgl. Reimar F. Lacher/Ute Pott (Hg.), Tempel der Freundschaft, Schule der Humanität, Museum der Aufklärung. 150 Jahre Gleimhaus, Halberstadt 2013 – siehe die hier genannte Literatur zu den Sammlungen.

Archivar und Chronist

161

Gleim bis zum Schluss seiner Epoche verhaftet blieb: der Aufklärung, die auf die Erziehung des Menschen und den »öffentlichen Gebrauch der Vernunft« (Kant) zielte. Entsprechend ist das Biografien-Konzept von Gleim klar umrissen: Vorbildhafte Lebensbeschreibungen sollten auf der Grundlage der Sammlungen verfasst werden. »Große Schriftsteller« standen im Fokus; jährlich sollten abwechselnd ein »Dichter«, ein »Weltweiser« und ein »Geschichtsschreiber« mit einem Buch bedacht werden, »sechs Bogen stark, nicht stärker«.7 Das kulturelle Verdienst war Gleim bei dieser Publikationsidee wie auch bei anderen Projekten wichtig. Nicht Geld, nicht politische Macht, sondern vorbildliche kulturelle Leistung ist die neue Währung für Anerkennung in der Aufklärung. Einer ihrer glühendsten Verfechter und Verbreiter ist Gleim. Wie anders nehmen sich dagegen die literarischen Lebensläufe (1962) Alexander Kluges aus – »teils erfunden, teils nicht erfunden«.8 Hier existieren weder normierte Länge, noch feste Gruppenzugehörigkeit. Hier wird nicht ein Vorbild präsentiert und auf ein Ziel, einen Erfolg hin erzählt. Vielmehr geht es um eine »traurige Geschichte«,9 um Konstellationen nach 1945. Ludgera Vogt hat in ihrer Studie »Der montierte Lebenslauf«10 diese erste literarische Publikation Kluges im Hinblick auf die verwendeten Montageprinzipien und die soziologischen Implikationen moderner Individualisierung untersucht. Sie zeigt, dass Kluges Geschichten durch Inhalt und Form das Modell eines ganzheitlich gefügten Lebenslaufes systematisch zerstören. Gleichwohl macht das klugesche Konzept des Erzählens deutlich, dass bei aller Schwierigkeit auch in der Moderne Lebensläufe einen Zugang zu Erfahrungen in der Geschichte schaffen. Gleim war einer der großen – modern gesagt – »Netzwerker« seines Jahrhunderts. Sein verzweigtes freundschaftliches Kommunikationsnetz brachte ihn in Kontakt mit Autoren, Verlegern, Künstlern, Gelehrten, Komponisten, Beamten, Grafen und Fürsten. Weit über 500 Kontakte sind überliefert. Die Liste der Autoren, mit denen Gleim Projekte begann oder die durch ihn Unterstützung erfahren haben, ist lang: z. B. die Mitglieder des Göttinger Hainbundes, Sulzer, Schiller, Seume, Jean Paul oder auch Lessing. Gleim war wie eine Spinne in den Netzen der (nord- und mitteldeutschen) literarischen Kommunikation.

7 Zit. n.: Wilhelm Körte, Johann Wilhelm Ludewig Gleims Leben. Aus seinen Briefen und Schriften, Halberstadt 1811, S. 471. 8 Alexander Kluge, »Vorwort«, in: ders., Lebensläufe, Stuttgart 1962, S. 5. 9 Ebd. 10 Ludgera Vogt, »Der montierte Lebenslauf. Soziologische Reflexionen über den Zusammenhang von Kluges ›Lebensläufen‹ und der Form des Biographischen in der Moderne«, in: Christian Schulte (Hg.), Die Schrift an der Wand. Alexander Kluge: Rohstoffe und Materialien, Osnabrück 2000, S. 139 – 153.

162

Ute Pott

Auch Alexander Kluge ist ein Netzwerk-Arbeiter. Waren es im 18. Jahrhundert die Briefe, die eine kontinuierliche Kommunikation ermöglichten, so ist es für Alexander Kluge in erster Linie das Telefon. Ideen gemeinsam entwickeln, besprechen, vorantreiben, realisieren, andere einbinden – dazu bedarf es eines fließenden Kontakts. Erstmalig seit dem Aufklärungszeitalter, dem »Zeitalter des Briefes« (Georg Steinhausen), ist das für Menschen, die nicht an einem Ort leben, möglich. Seither ist Netzwerkkommunikation für »Projektemacher« (siehe unten) unumgänglich. Alexander Kluge knüpft hier, wie schon Georg Stanitzek gezeigt hat, auf seine besondere Weise an.11 Gleim versuchte, auf die Bedingungen der Produktion und Distribution Einfluss zu nehmen, sei es durch seine mäzenatische Tätigkeit oder indem er Selbstverlagsprojekte unterstützte, die zum Ziel hatten, die Autoren aus der Abhängigkeit von den Buchdruckern und Verlegern zu befreien.12 Der freie Autor, der freie Künstler – nicht abhängig von fürstlichen oder adligen Mäzenen – galt als neues Ideal. Nutzte Gleim seine juristischen und wirtschaftlichen Fähigkeiten, um eine freie Autorschaft zu ermöglichen, so waren es Alexander Kluges juristische Kenntnis und sein politischer Spürsinn, die entscheidend dazu beitrugen, dass die deutsche Filmförderung auf den Weg gebracht wurde und damit der Neue Deutsche Film eine rasante Entwicklung nahm.13 Die Mehrfachbegabung Kluges, Jurist und Künstler zu sein, kam nicht nur seinem Werk – und im Falle des Films, den Arbeiten anderer – zugute, sondern auch dem Fernsehschaffen generell. Die juristisch erfochtene Verpflichtung, dass das private Fernsehen auch kritischen Produktionen Sendeplätze einzuräumen hat, ist ein Verdienst Alexander Kluges. Gleim lässt sich weniger als theoretischer Kopf der Aufklärung denn als »Projektemacher« bezeichnen, eine Benennung, die Jürgen Habermas für seinen Freund Kluge findet.14 Als Theodor W. Adorno in seinem Brief vom 19. Juni 1958 an Fritz Lang diesem seinen jungen, »sehr nahen Freund« Alexander Kluge empfahl, sprach er von der »merkwürdige(n) Doppelbegabung, zwischen dem

11 Vgl. Stanitzek, »Mit Freunden telefonieren«. 12 Vgl. Gerlinde Wappler, »Bemühungen Gleims, die Honorarsituation für Schriftsteller zu verbessern. Ein Beitrag zur Geschichte des Selbstverlagswesens im 18. Jahrhundert«, in: Gleimhaus (Hg.), Festschrift zur 250. Wiederkehr der Geburtstage von Johann Wilhelm Ludwig Gleim und Magnus Gottfried Lichtwer. Beiträge zur deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts, Halberstadt 1969, S. 21 – 36. 13 Vgl. Norbert Grob/Hans Helmut Prinzler/Eric Rentschler (Hg.), Neuer Deutscher Film, Stuttgart 2012, S. 21: »Eine Schlüsselrolle ist in diesem Zusammenhang Alexander Kluge zuzuschreiben, der sich im Labyrinth der Zuständigkeiten von Bund und Ländern bestens zurechtfand und justitiabel zu verhandeln verstand.« 14 Jürgen Habermas in dem Dokumentarfilm Alle Gefühle glauben an einen glücklichen Ausgang von Angelika Wittlich aus dem Jahre 2002.

Archivar und Chronist

163

Theoretisch-Geistigen und dem Kulturpolitisch-Praktischen«.15 In genau diesem »Kulturpolitisch-Praktischen« besteht eine Verbindung zwischen Gleim und Kluge. Für beide ist der aufklärerische Impuls prägend, öffentlich zu wirken und zu vermitteln. Für beide ist zentral, dass sie in Phasen ästhetischer Umbrüche die kulturelle Bühne betreten und neue Impulse gesetzt haben. Man denke bei Kluge etwa an die Anfänge des Neuen Deutschen Films oder seine literarische Arbeit, vorgestellt in der Gruppe 47.16 Für beide gilt auf ihre spezifische Weise das Eingebundensein in Kommunikationszusammenhänge, die auf Vertrauen basieren (das jedoch, wie im Fall Gleims wiederholt geschehen, enttäuscht werden kann).17 Was Kluge und Gleim wiederum trennt, ist die Moderne, sind die Erfahrungen der Katastrophen des 20. Jahrhunderts, ist das Bewusstsein, dass Sinn, Identität, Gemeinschaft, Fortschritt nicht unreflektiert zu haben sind. Von daher ist Alexander Kluge mit seinem künstlerischen Werk auf der Suche nach dem Zusammenhang menschlicher und besonders deutscher Geschichte: »Kluges Schreibweise muß als Recherche verstanden werden: als Recherche vor allem nach dem verdeckten und verlorenen Zusammenhang deutscher Geschichte.«18 »Das Poetische heißt sammeln«,19 dieser Untertitel einer Geschichte Alexander Kluges über seinen Gesprächspartner Heiner Müller ist oft zitiert worden. Dass es die Aufgabe des Autors sei, zu sammeln, hat Alexander Kluge immer wieder betont. Vergleiche mit dem Kräuter- und Beerensammeln tauchen auf. Auch Gleim sah sich als Sammler, jedoch nicht, um aus dem Sammeln ein ›Werk‹ zu entwickeln, sondern um seine Zeit zu dokumentieren, die für ihn das »goldene Zeitalter der deutschen Literatur« darstellte. Für Gleim hieß Sammeln, das vom Vergessen bedrohte Gute, eine Vision guten Zusammenlebens für die Nachwelt zu bewahren. Kluge hingegen sammelt Geschichten, um sie selbst zu erzählen, selbst mitzuteilen. Nicht im Sinne einer linearen, abgeschlossenen Erzählung, sondern eines offenen Prozesses.

15 Theodor W. Adorno an Fritz Lang, 19. Juni 1958. Archivnummer 861/21. Mit freundlicher Genehmigung des Theodor W. Adorno Archivs. 16 Interessanterweise stellte Alexander Kluge in einem persönlichen Gespräch die Parallele zwischen Hans Werner Richter und Johann Wilhelm Ludwig Gleim her. 17 Vgl. Oskar Negt, »Über Vertrauen und Kooperation«, in: Der Deutschunterricht 3 (2012): Alexander Kluge, S. 18 – 24, siehe auch Alexander Kluge: »Lieber irren wir uns, als nicht zu vertrauen.« (»Metapher Stalingrad«, in: ders., Die Kunst, Unterschiede zu machen, S. 96.) 18 Götz Großklaus, »Katastrophe und Fortschritt. Alexander Kluge: Suche nach dem verlorenen Zusammenhang deutscher Geschichte«, in: Schulte (Hg.), Die Schrift an der Wand, S. 175 – 202, hier S. 175. 19 Alexander Kluge, »Heiner Müller und das Projekt Quellwasser. Das Poetische heißt sammeln«, in: ders., Die Kunst, Unterschiede zu machen, S. 109 – 111, oder auch in: »Das Innere des Erzählens. Georg Büchner«, in: Alexander Kluge, Fontane, Kleist, Deutschland, Büchner. Zur Grammatik der Zeit, Berlin 2004, S. 73 – 86, hier S. 76.

164

Ute Pott

Gleim und Kluge verbindet wiederum, dass sie »die Frage nach der Tradition«20 stellen: Alexander Kluge von Anfang an in seinem Werk, Johann Wilhelm Ludwig Gleim in seinen Sammlungen und der vorgesehenen Nutzung. Während Gleim vor diesem Hintergrund als Archivar seiner Zeit zu verstehen ist, wird Kluge zum Chronisten menschlicher Erfahrung, der die Brüche nicht ausspart.21 Alexander Kluge hat im Zusammenhang mit der Ausstellung Alexander Kluge, Halberstadt neue Texte verfasst, die er »Geschichten für Johann Wilhelm Ludwig Gleim« nennt.22 Diese Geschichten kreisen um Gleim, dessen (Aufklärungs-)Jahrhundert, die Tradition und die Traditionsbrüche. Im Zentrum stehen Hoffnung, Tugenden, Prozesse des Wachsens und Gedeihens und ein Netzwerk der Freundschaft. Hatte Alexander Kluge zuvor schon einmal dem 18. Jahrhundert (im Vergleich zum »einvernehmlichen« 17.) attestiert, »ein großer Schnatterkurs« zu sein (»das ist eigentlich so wie die Gänse im Capitol – jeder warnt in einer anderen Richtung«23), wird hier nicht nur »Geschnatter« in den Blick genommen, sondern tätiges Handeln, Haltungen und Lebenszusammenhänge und es entsteht ein Dialog (nicht nur dank »Seelenlampe«24 innerhalb einer Figur) über Jahrhunderte hinweg. Und wie so oft bei Kluge verschränken sich Gefundenes und Erfundenes, sind historisch verbürgte Ereignisse mit Erdachtem verbunden. Es sind nicht Geschichten, d. h. historische Protokolle über Gleim, nicht Geschichten, die ihn zum klar umrissenen Gegenstand haben. Wollte man sich anhand dieser Geschichten über Gleim »informieren«, man bekäme wohl eher einen vagen Eindruck von der Zeitgeschichte, der Persönlichkeit, des Autors und des Bürgers. Die Präposition (»für« Gleim) deutet eine kommunikative Geste an, eine Rede vom Heute zum Früher, eine Vorsicht – nicht »über« jemanden etwas zu sagen, sondern seiner, seiner Zeit und seines Wirkens gedenkend. Mit Christian Schulte ließe sich sagen: »Nicht um Kausalerklärungen geht es dieser Literatur, sondern um Konstellationen, um Zusammenhänge zwischen den subjektiven Gefühlslandschaften, die als individuelle Glückssuche in jedem Lebenslauf eine andere Gestalt annehmen, und der harten geschichtlichen Faktizität, an der sich die menschlichen Motive abarbeiten müssen, wenn sie nicht vor ihr kapitulieren wollen.«25

20 Alexander Kluge, »Vorwort«, in: ders., Lebensläufe, Stuttgart 1962, S. 5. 21 Vgl. hierzu auch Wolfgang Reichmann, Der Chronist Alexander Kluge. Poetik und Erzählstrategien, Bielefeld 2009. 22 In diesem Jahrbuch S. 143 – 158. 23 Alexander Kluge, Die Pranke der Natur (und wir Menschen). Das Erdbeben in Japan, das die Welt bewegte, und das Zeichen von Tschernobyl, 2 CDs, München 2012, CD 2, Nr. 12. 24 In: »Der Freundschaftstempel«, »Bescheidenheit«, »Flor der königlichen Lande«. 25 Christian Schulte, »Die Lust aufs Unwahrscheinliche«, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken (624) 2001, S. 344 – 350.

Archivar und Chronist

165

Liest man die Geschichten »für« Gleim, so zieht sich eine Spur positiv konnotierter Begriffe durch die Seiten: Empathie, Landpfleger, Öffentlichkeit, Hoffnung, Versammlung der Vernünftigen, Philanthrop/Menschenfreund, Leuchtfeuer, Freigebigkeit, Förderung, Redlichkeit, Fraternität, Treue, amicitia, Bescheidenheit, Netzwerk der Freundschaft. Das sind die Felder des Wünschens und der Hoffnung nicht nur der erzählten Figur Gleim, – auch der historisch verbürgte Gleim sah hier seine Ideale. Hier werden Visionen der Epoche der Aufklärung verhandelt. Dagegen stehen Krieg, Ungeselligkeit, Rache, Tötung, Unrecht, willkürliche Selbsturteile, Herrscherwillkür. Zunächst erscheinen die so unterschiedenen Begriffe einander entgegengesetzt, doch beginnen die Zuordnungen zu verschwimmen, wenn Gleim, der den Kriegstod seines Freundes Kleist betrauerte und außerdem Zeuge der Tötung seines direkten Vorgesetzten im Krieg wurde, sich in seinen Preußischen Kriegsliedern von einem Grenadier der Kritik etwa eines Klopstock ausgesetzt sah und sich die historische Wirklichkeit schönte. Da wird auch die »tyrannische« Seite von Gleims Freundschaften thematisiert und die »Dialektik der Aufklärung« in kleinen Episoden vorgeführt.

Thomas Combrink

Die Zeitarmut des Kaisers. Napoleon in Kluges literarischen Arbeiten

Bekanntlich richtet sich in Alexander Kluges Werk der Blick in vielfältiger Weise auf die vergangene Zeit. Dabei zeigt sich ein Schwerpunkt in der Geschichte Frankreichs um 1800. Es geht um die Französische Revolution, aber ebenfalls um die Fortführung und den Verrat der revolutionären Ideale durch Napoleon. Napoleon ist für Kluge eine ambivalente Figur : einerseits Hoffnungsträger der Massen, der die Freiheitsrechte in Europa durchsetzen wollte, andererseits egozentrischer Machtmensch, der vor allem die Mitglieder seiner Familie als Entscheidungsträger einsetzte. Kluges Geschichten über Napoleon sind Augenblicksaufnahmen des Herrschers. Man sieht ihn an der Beresina, mit seinem Sohn, vor Madrid oder auf St. Helena. Diese Szenen ergeben keine geschlossene Erzählung über das Leben eines bedeutenden Menschen, sondern sind vielmehr der Versuch, Napoleons Eigenschaften und den Charakter der Zeit, in der er lebt, durch die Beschreibung einzelner Situationen in seinem Leben näher zu beleuchten. Ein wichtiges Element in Kluges Geschichten ist die Beschleunigung der Zeit. Napoleon ist oft ungeduldig. In dem Text »Das Geburtstagskind«, in dem es um eine Begegnung zwischen Napoleon und seinem kleinen Sohn geht, heißt es »An Eile kein Mangel« oder »Wer weiß, was das Kind binnen einer halben Stunde vom Vater gelernt und noch getan hätte, doch für eine so lange Zeitspanne hatte der Kaiser keine Zeit«.1 Doch was treibt Napoleon an? Warum fehlt ihm die Zeit? Ist es der eigene Ehrgeiz, der für den Aktionismus sorgt? Sind es die Pläne seiner Feinde, auf die er reagieren muss? Mit der Französischen Revolution kommt es zu einem veränderten Verständnis von Erfahrung: Die alte Zeitrechnung wird abgeschafft, der Revolutionskalender wird eingeführt. Schaut man sich Kluges Geschichten über Napoleon an, dann ist dessen Leben durch den Wechsel von starker Beschleunigung und erheblicher Verlangsamung geprägt. In dem Text »Arbeitszeitmesser A. Trube zu Liebe, Macht und dem Unterschied von Zeit1 Alexander Kluge, »Das Geburtstagskind«, in: ders., Chronik der Gefühle, Band I, Frankfurt/M. 2000, S. 394 – 395, hier S. 395.

168

Thomas Combrink

abläufen im 17. und 21. Jahrhundert« wird beschrieben, wie der Herrscher kaum noch Zeit zum Geschlechtsverkehr hat.2 Andererseits kann man sich vorstellen, dass Napoleon beim Russlandfeldzug 1812 auf dem langen Weg nach Moskau einige Wochen viel Zeit hatte. Dieser Feldzug im Osten ist für Alexander Kluge von besonderer Bedeutung. Napoleons Niederlage gegen Russland steht in Beziehung zum deutschen Scheitern im Osten im Zweiten Weltkrieg. Alexander Kluges Buch Schlachtbeschreibung, die Schilderung des Kampfes um Stalingrad 1942/43, könnte man auch als Kommentar zu den Geschichten über Napoleons Russlandfeldzug verstehen. Ein Text, der im Jahre 1807 in Ostpreußen spielt, trägt den Titel »Die Wahrheit des Raumes«. Hier werden bereits die Probleme deutlich, die sich 1812 verstärkt zeigen. »Der Kaiser ist ein Konzentrierer«, heißt es.3 Aber in den Weiten des Ostens ist das Konzentrieren, also die Fokussierung eines Zieles, mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. »Dies ist die Struktur der Zerstreuung, der Gegenpol zur Kraft- und Zeitblase des Kaisers. Die vielen gleichgültigen Punkte des Landes, besetzt von gleichgültigen Stimmen der Eingeborenen und den preußischen und russischen Soldaten, einer gepreßten Truppe, die zu ihren Höfen zurückwill: dies alles dekonzentriert unseren Zusammenfasser.«4

Der Gegensatz zwischen »Zerstreuung« und »Konzentration« wird aufgezeigt. Napoleon ist ein Willensmensch, aufgebrochen, um den Osten zu erobern. Aber es gibt dort keine Entscheidungsschlacht, mit der die Herrschaft über das weitläufige Gelände erzielt werden kann. Die Geschichte »Die Wahrheit des Raumes« berichtet von FranÅois de Lespinse, der Napoleon mit einer Ballonausrüstung und zwei Teleskopen 1807 begleitete. »Der Ballon soll sich über die Landschaft erheben und wie ein virtueller Feldherrenhügel Übersicht über den Gegner verschaffen.«5 Allerdings kommt das Fluggerät nicht zum Einsatz, de Lespinse vergräbt schließlich die Ballonhüllen und eines der Teleskope. Die Beobachtung mit den Teleskopen sollte sich nicht auf die Erschließung des ostpreußischen Raumes richten. Vielmehr war der Blick in den Sternenhimmel das Ziel. Hier findet eine Verknüpfung zwischen den Geschehnissen auf der Erde und den Ereignissen im Kosmos statt: Die Weite des Ostens wird gegen die enorme Ausdehnung des Weltraums gesetzt. Mikrologisch klein im Vergleich zu den Distanzen im Weltall wirken die Bewegungen 2 Alexander Kluge, »Arbeitszeitmesser A. Trube zu Liebe, Macht und dem Unterschied von Zeitabläufen im 17. und 21. Jahrhundert«, in: ders., Das fünfte Buch, Berlin 2012, S. 297 – 298, hier S. 297. 3 Alexander Kluge, »Die Wahrheit des Raumes«, in: ders., Chronik der Gefühle, Band I, Frankfurt/M. 2000, S. 257 – 264, hier S. 258. 4 Ebd., S. 259. 5 Ebd., S. 260.

Die Zeitarmut des Kaisers

169

von Napoleons Armee. Mit den Teleskopen, die »noch aus dem Feldzug in Ägypten stammen«,6 wird auf Napoleons wissenschaftliche Interessen angespielt, auf die Gleichzeitigkeit von Eroberung und Erforschung eines Landes. »Der Schub an Philosophie, der unsere Zeit durchpulst (von den 55 000 Mann der Armee des Kaisers tragen mehr als zwölftausend Hefte mit sich, in die sie ihre alltäglichen Gedanken eintragen, eine Mehrheit, die über die Zahl dieser aktiven Notierer hinausreicht, wünscht ein geändertes, glücklicheres Leben), beruht auf dem höheren Umsatz an Ereignissen, den der Große Konzentrierer bewirkt hat. Die Masse an Beobachtung unwahrscheinlicher Vorgänge provoziert die Neugier.«7

Für einen Teil von Napoleons Soldaten ist der Krieg nicht nur bestimmt durch Marschieren und Kämpfen, sondern ebenso durch die Möglichkeit, neue Erfahrungen zu sammeln, fremde Länder kennenzulernen. In einer Zeit, in der es mühsam war, größere Strecken zurückzulegen, die meisten Menschen ihr Dorf oder ihre Stadt nie verlassen haben, waren Berichte über weit entfernte Regionen von besonderem Interesse. Für die Soldaten dienten die Eintragungen in die Hefte einerseits zur Erlebnisverarbeitung, andererseits zur genauen Berichterstattung an einem späteren Zeitpunkt in der Heimat. Wenn von der »Masse an Beobachtung unwahrscheinlicher Vorgänge« die Rede ist, dann ist auch eine zeitliche Beschleunigung gemeint. Ein Hunger nach Erfahrung wird durch die Feldzüge ausgelöst, die Gegenwart erscheint als Schauplatz überraschender Ereignisse. Napoleons Probleme im Osten im Jahre 1807 resultieren in der Geschichte »Die Wahrheit des Raumes« auch aus dem »›Nichtverstehen‹, das der Gegner zeigt«.8 Die eingeübten Regeln der Kriegsführung, die der Herrscher in den früheren Schlachten erfolgreich angewendet hat, verlieren ihre Geltung. Der Feind reagiert irrational. Dieses unkalkulierbare Verhalten zeigt sich 1812 besonders deutlich, als Napoleon in Moskau einzieht und er eine verlassene Stadt vorfindet, die von den Russen angezündet wird. Man kann sich gut vorstellen, dass dieser Krieg ohne Gegner den auf schnelle Entscheidungen eingestellten französischen Herrscher deprimieren musste. In der Geschichte »Das Rätsel der Beresina« heißt es über den Rückzug von Napoleons Armee: »Verzweiflung wird ausgelöst durch die Einsicht, daß niemand der Zurückmarschierenden von diesem Land irgend etwas wollte, daß alle Opfer des letzten halben Jahres vergebens waren.«9 Warum kommt diese Erkenntnis erst auf dem Rückweg? Waren die Ziele des Feldzugs bei Antritt des langen Marsches in den Osten nicht for6 7 8 9

Ebd. Ebd., S. 261 – 262. Ebd., S. 262. Alexander Kluge, »Das Rätsel der Beresina«, in: ders., Chronik der Gefühle, Band I, Frankfurt/ M. 2000, S. 264 – 266, hier S. 264.

170

Thomas Combrink

muliert worden? Hatte man sich die Eroberung Russlands zu einfach vorgestellt? Diese Passage enthält eine für Alexander Kluges Literatur wichtige Frage: Was treibt Menschen an? In der Geschichte, die den Übergang der napoleonischen Armee über die Beresina behandelt, geht es um die Motive der »300 Pioniere des Generals Ebl¦, die die Pontonbrücke«10 über dem Fluss errichten, in dem eiskalten Wasser arbeiten, und von denen die meisten an den Folgen dieser kräftezehrenden Tätigkeit sterben. »Woher diese Energiereserve?«,11 fragt der Erzähler des Textes. Entsteht der Antrieb des Einzelnen aus der Loyalität gegenüber der Gruppe? Oder sind es die hohen Ansprüche an die eigenen Fähigkeiten, die zu der starken Aktivierung führen? »Das Geheimnis der Brücke an der Beresina liegt darin, wie die Offiziere (und die Pioniere selbst) in wenigen Nachtstunden diese Reserve abzurufen vermochten, die doch bis zum Tode für ein ganzes Leben hätte reichen sollen und deshalb von selbstbewußten Menschen nur grammweise verausgabt wird.«12

In dem Zitat zeigt sich ein Motiv, das auch in anderen Arbeiten Alexander Kluges in Erscheinung tritt. So zitiert er häufig, in leicht veränderter Form, den Satz »Und setzet ihr nicht das Leben ein / nie wird euch das Leben gewonnen sein« aus Schillers Wallenstein. Zu denken wäre auch an Friedrich von Logaus Aussage »In Gefahr und großer Not / Bringt der Mittelweg den Tod«, die Alexander Kluge und Edgar Reitz (etwas variiert) als Titel für einen Film verwendeten. Es geht um Extremsituationen, um die totale Verausgabung von Menschen, die sich besonders deutlich im Krieg zeigt. Was aber führt zur Aktivierung der letzten Reserven? In dem Text »Das Rätsel der Beresina« ist am Schluss von einer »Sinnesverwirrung« die Rede, »vergleichbar einer flüchtenden Pferdeherde, die kein Hindernis aufhält und für die ein Sturz in den Abgrund keine Drohung ist«.13 Es kommt zu einem rauschhaften Zustand, einer kollektiven Hysterie, bei der die Möglichkeit, das Leben zu verlieren, keine Bedrohung mehr darstellt. Es handelt sich um eine Form der Entgrenzung, um die Auflösung der Person in den Zusammenhang der Situation. Die Pioniere sind in dem Eiswasser der Beresina nicht mehr sie selbst, werden vielmehr zu einem Teil der Objektwelt, die sie umgibt. Die Frage nach der Motivation der napoleonischen Kämpfer taucht auch in einem kurzen Abschnitt mit dem Titel »Vorbild Napoleon« in Kluges Buch über Stalingrad, Schlachtbeschreibung, wieder auf. »Die Soldaten Napoleons wären bis Indien marschiert, wenn ihnen jemand hätte sagen können, aus welchem 10 11 12 13

Ebd., S. 264. Ebd., S. 265. Ebd., S. 264 – 265. Ebd., S. 265.

Die Zeitarmut des Kaisers

171

Grund sie das tun sollten.«14 Mit dem Hinweis auf Indien wird auf Alexander den Großen angespielt und dessen Feldzug von 326 v. Chr., der damit endet, dass seine Soldaten rebellieren, weil sie nach Hause wollen und keinen Grund mehr sehen, in der Fremde weiterzukämpfen. In der kurzen Passage aus Schlachtbeschreibung ist ebenfalls davon die Rede, dass ein größerer Teil von Napoleons Armee nicht freiwillig am Marsch nach Russland teilnimmt. Je länger die Bewegungen des französischen Heeres dauern, desto stärker wird das Heimweh der Soldaten. Um den Wunsch nach Heimkehr geht es unter anderem in der Geschichte »Gespräch mit Heiner Müller über Napoleon vor Madrid«. Heiner Müller spricht hier, bezogen auf einen Teil der Soldaten des französischen Kaisers, von »Westfalen, die nichts wollen als wieder zu Hause sein und Schlackwurst essen«.15 Erörtert werden in dem Gespräch zwischen Heiner Müller und einer mit »Ich« bezeichneten Person, hinter der sich der Autor des Textes verbirgt, die unterschiedlichen Motive der Protagonisten auf spanischer und französischer Seite. Es ist die Rede von den »Bauernsöhnen« in der französischen Armee, deren Schicksal aber, laut Müller, in der Heimat nicht besser wäre, weil sie auf ihren Höfen und dem Land, das sie sich mit ihren Geschwistern teilen müssten, nicht genug verdienen würden.16 Im Zentrum des Dialogs steht der Grundkonflikt zwischen Frankreich und Spanien. Über Napoleon sagt Müller : »Er muß nicht die Freiheitsrechte hierher verschleppen in diese Hochlandwüste.«17 Auf die Frage, zu welcher Seite er halten würde, heißt es: »Es gibt Fälle, wo ich keine Partei ergreifen kann. Das Schrecklichste sind die spanischen Freiheitskämpfer, welche die jungen französischen Soldaten einfangen und massakrieren.«18 In dem Gespräch werden die Motive der sich gegenüberstehenden Gruppen untersucht. Die Analyse führt aber nicht zur Legitimation der politischen Interessen der einen oder der anderen Seite. Die Situation »Napoleon vor Madrid« zeigt eher die Unauflösbarkeit eines Konflikts. Sie erinnert an eine Passage aus Alexander Kluges Luftangriff auf Halberstadt, in der es um die Frage geht, wie die Bombardierung der Stadt im Jahr 1945 hätte verhindert werden können. Die Antwort darauf liegt in diesem Fall nicht in unmittelbaren Vorkehrungen zu Kriegszeiten, sondern in einem politischen Engagement, das früher einsetzt, nämlich 1918 mit der Hilfe von »siebzigtausend Lehrern«.19 14 Alexander Kluge, »Vorbild Napoleon«, in: ders., Chronik der Gefühle, Band I, Frankfurt/M. 2000, S. 655 – 656, hier S. 656. 15 Alexander Kluge, »Gespräch mit Heiner Müller über Napoleon vor Madrid«, in: ders., Die Lücke, die der Teufel läßt, Frankfurt/M. 2003, S. 521 – 522, hier S. 521. 16 Ebd. 17 Ebd. 18 Ebd. 19 Alexander Kluge, Der Luftangriff auf Halberstadt am 8. April 1945, Frankfurt/M. 2008, S. 37.

172

Thomas Combrink

Auch in der Geschichte »Gespräch mit Heiner Müller über Napoleon vor Madrid« gewinnt man den Eindruck, als hätte der Konflikt vermieden werden können, wenn die Unvereinbarkeit der Interessen auf französischer und spanischer Seite vorher erkannt worden wäre. Bezüglich dieser Auseinandersetzung ist im Text vom »ersten Partisanenkrieg in Europa« die Rede. Das Thema wird in einer anderen Geschichte wieder aufgegriffen, in der es um ein gescheitertes Attentat auf Napoleon nach der Schlacht bei Aspern geht. In »Napoleon und die Partisanen« ist der Kaiser einem Gewissenskonflikt ausgesetzt, was die Bestrafung des jungen Attentäters anbelangt; er kann sich nicht entscheiden, ob er die Todesstrafe verhängen oder die Person verschonen soll. Noch unschlüssig widmet er sich wieder anderen Geschäften. Seine Mitarbeiter entscheiden sich schließlich für die Tötung des Attentäters. Man kann diesen Text mit der Geschichte »Wahrheit des Raumes« in Verbindung bringen. Scheinbar hat Napoleon dann Erfolg, wenn er nach den klassischen Gesetzen der Kriegsführung operieren kann, bzw. der Gegner ein erkennbares Ziel darstellt. Ein asymmetrisches System der Auseinandersetzung, das sich in dem Konflikt mit den Partisanen zeigt, bereitet dem Kaiser dagegen Schwierigkeiten. In der Geschichte über das gescheiterte Attentat ist auch davon die Rede, daß Napoleon »in Eile« ist und »nicht genügend Zeit [hat], sich auf den jugendlichen Delinquenten einzustellen«.20 Dieser Zeitmangel ist ein Zeichen von Ungeduld, von innerer Unruhe. Napoleon ist sich unsicher, umgeht den Entschluss, indem er sich anderen Aktivitäten widmet. Seine Libido ist auf einen schnellen Umsatz an Entscheidungen geeicht, die ihm die Anerkennungen bringen sollen, die er erwartet. Er ist »ins Gelingen verliebt«, um mit den bekannten Worten von Ernst Bloch Napoleons seelische Grundhaltung zu charakterisieren. Jede unerwartete Störung dieses libidinösen Systems wird mit Ungeduld beantwortet. Bei Unsicherheit werden keine Entscheidungen getroffen. Bei dem Text »Napoleon und die Partisanen«, der sich auf die Schlacht bei Aspern bezieht, kann die Verbindung gezogen werden zu Kluges Geschichten über Heinrich von Kleist. Kluge schildert in dem Text »Kleists Reise« eine kontrafaktische Begebenheit. Heinrich von Kleist soll sich nach Boulogne bewegt haben, mit seiner Schwester, um die Soldaten der französischen Landungstruppen, die England angreifen wollten, von Immanuel Kant zu überzeugen. Dahinter steht die Idee einer Verbindung von Theorie und Praxis. Kluges Kleist hat den Einfall, das Gedankengut der Aufklärung an die in diesem Bereich ungeschulten französischen Soldaten zu vermitteln. Die historische Bewegung, die von den napoleonischen Feldzügen ausgeht, soll eine gedankliche Fundierung erhalten. Es heißt: 20 Alexander Kluge, »Napoleon und die Partisanen«, in: ders., Die Lücke, die der Teufel läßt, Frankfurt/M. 2003, S. 555 – 556, hier S. 556.

Die Zeitarmut des Kaisers

173

»Es drängte ihn mit ganzem Gemüt, in das Lager der Franzosen vorzudringen, die Korporale und Mannschaften zu unterrichten in den einzigen Gedankengängen, die in Europa die Konsistenz hatten, den neuen zivilisierten Menschen auszurüsten: ein jeglicher sein eigener Gesetzgeber. Eine Armee, die Gesetzgebung und Waffe gleichzeitig in den Händen zu halten wüßte.«21

Tatsächlich reiste Heinrich von Kleist im Jahre 1803 ohne seine Schwester Ulrike von Paris aus nach Boulogne, nachdem er die Entwürfe zu seinem Normannendrama »Robert Guiskard« verbrannt hatte. Er wollte sich den französischen Truppen anschließen, um im Kampf gegen England zu sterben. Von der napoleonischen Armee wurde er nicht aufgenommen.22 Der Untertitel der Geschichte »Kleists Reise« lautet »Die Macht der Gedanken«. Heinrich von Kleist ist für Kluge von Interesse, weil sich in ihm der hohe Anspruch ausdrückt, dass die Welt der Ideen in einem unmittelbaren Verhältnis zu den Handlungen und Verhaltensweisen eines Menschen zu stehen habe. Ein Leben, das nicht auf philosophische Prinzipien, auf die Grundlinien der Vernunft, zurückgeführt werden kann, wäre für Kleist unzeitgemäß. In der Geschichte »Kleist in Aspern« (die in Die Lücke, die der Teufel läßt auf »Kleists Reise« folgt) wird deutlich, wie sich Kleists Haltung zu den Franzosen verändert. Mit seinem Freund Dahlmann will er sich den Österreichern bei Aspern im Kampf gegen die Franzosen anschließen. Kurz nach dieser Episode beginnt Heinrich von Kleist, laut Kluge, seine Arbeit an dem nationalistischen Drama Die Hermannsschlacht; eine Parallele zwischen der Befreiung der Germanen von den Römern und der Besetzung Deutschlands durch die Franzosen ist in diesem Stück unübersehbar, der Appellcharakter offensichtlich. »Was an Napoleon beruht auf überdurchschnittlichen Kräften?« – diese Frage bildet den Titel einer Geschichte von Alexander Kluge, in der es um die Fähigkeiten und Eigenschaften des Kaisers geht. In dem Zusammenhang ist auch der Text »Napoleons Wappentier« zu sehen; im Zentrum steht der Vergleich zwischen Bonaparte und einer Bienenkönigin (dieser Ausdruck taucht in Bezug auf Napoleon ebenfalls in »Unwirklichkeit ist ansteckend« auf). Was die Frage nach Napoleons Fähigkeiten anbelangt, so heißt es an einer Stelle, er sei »überdurchschnittlich konzentriert«.23 Er konnte »drei bis vier Diktate gleichzeitig führen«;24 nachdem ihn ein Geschoß am Abend des zweiten Schlachttags in Leipzig weckt, beginnt er sofort mit den Anordnungen für den Rückzug. Diese Episode hat Kluge in der Geschichte »Müde und verwirrt« beschrieben: »Eine 21 Alexander Kluge, »Kleists Reise«, in: ders., Die Lücke, die der Teufel läßt, Frankfurt/M. 2003, S. 552 – 553, hier S. 552. 22 Siehe hierzu Günter Blamberger, Heinrich von Kleist, Frankfurt/M. 2011, S. 216 – 217. 23 Alexander Kluge, »Was an Napoleon beruht auf überdurchschnittlichen Kräften?«, in: ders., Tür an Tür mit einem anderen Leben, Frankfurt/M. 2006, S. 126. 24 Ebd.

174

Thomas Combrink

feindliche Granate trifft in das Feuer und löscht es aus. Der Kaiser erwacht, blickt verwundert. Er faßt sich rasch und diktiert mit gewohnter Ruhe die Befehle für den Rückzug am folgenden Tag.«25 Für Alexander Kluge kennzeichnet der Ausdruck des »Konzentrierens« Bonaparte im doppelten Sinne. Einmal in der Perspektive der Anziehungskraft, als eine Person, der es gelingt, Menschen an sich zu binden. In diesen Bereich würde auch das Bild der Bienenkönigin gehören, welche die Tiere ihres Stammes um sich versammelt. Die andere Bedeutung des Ausdrucks »Konzentrieren« könnte man mit der Wendung »Sich-Mühe-Geben« verstehen. Damit ist noch nicht eine verdichtete Aufmerksamkeit gekennzeichnet, die in der Fokussierung auf eine Aufgabe oder ein Arbeitsfeld enthalten ist. In der Geschichte über Napoleons Fähigkeiten heißt es an einer Stelle: »Aber jede einzelne Eigenschaft scheint mir keine überdurchschnittliche Kraft.«26 Die gesamte Erscheinung des Herrschers, seine Aura, kann nicht aus einer einzelnen Fähigkeit (wie die des Konzentrierens) abgeleitet werden. In dem Text »Was an Napoleon beruht auf überdurchschnittlichen Kräften?« wird ein individualpsychologischer Ansatz verfolgt, Bonaparte also anhand seiner Eigenschaften charakterisiert, unabhängig seines sozialen Umfelds. Es hat den Anschein, als seien überdurchschnittliche Kräfte von Geburt an einem Menschen mitgegeben. Aber hängt Anstrengung nicht auch immer von der Motivation, vom Ehrgeiz ab, der wiederum unter anderem durch Erfolge ausgelöst werden kann? Was wäre, wenn Napoleons Fähigkeiten sich erst im Laufe der Zeit entwickelt hätten, immer stärker ausgereift wären, je mehr Macht er an sich ziehen konnte? Das würde auch die Frage nach der Disziplinierung des Kaisers berühren. Ist sein Erfolg ein Resultat von Fleiß oder handelt es sich eher um eine lustgesteuerte Tätigkeit? Alexander Kluge weist im Gespräch darauf hin, dass sein Vater sich mit Napoleon beschäftigte und ihn dieses Interesse unter anderem dazu inspirierte, sich ebenfalls mit dem französischen Herrscher auseinanderzusetzen. Napoleon und Halberstadt (wo Kluges Vater bis zu seinem Tod im Jahre 1979 lebte) wird von Alexander Kluge in Texten thematisiert. In der Geschichte »Ein Patriot Napoleons im Dorf Zilly« (ein Nachbarort von Halberstadt, in dem Ernst Kluge als Arzt Anfang der zwanziger Jahre arbeitete) geht es um die Zeit der französischen Besetzung, also 1806 bis 1813, die später von deutscher Seite als »dunkle

25 Alexander Kluge, »Müde und verwirrt«, in: ders., Tür an Tür mit einem anderen Leben, Frankfurt/M. 2006, S. 165 – 167, hier S. 166 – 167. Am 13. Oktober 2013 wurde eine Folge der Reihe »News & Stories« unter dem Titel »Die Völkerschlacht bei Leipzig. Napoleon, Sohn des Glücks, vom Glück verlassen« gesendet. Kluge interviewt hier den Historiker Hans-Ulrich Thamer. 26 Kluge, »Was an Napoleon beruht auf überdurchschnittlichen Kräften?«, S. 126.

Die Zeitarmut des Kaisers

175

Zeit« bezeichnet wird.27 Karl Pätz, Protagonist der Geschichte, der 1839 geboren wird und 1921 stirbt, widerspricht dieser Einschätzung, indem er einerseits auf das Verhalten preußischer Soldaten verweist, die den Zillyer Frauen »die Röcke mit Stricken über den Kopf zusammengebunden«28 hätten. Außerdem setzten sich die französischen Besatzer für die Rechte der Bauern ein, indem sie deren Verpflichtung im Dorf zu »Hand- und Spanndiensten«29 aufgehoben hätten. Liest man Alexander Kluges Geschichten über Napoleon, dann stellt man sich die Frage, welches Bild des französischen Herrschers vermittelt wird. Es sind die demokratischen Ziele, die sozialen Impulse, die Idee der Freiheit, die Sympathie wecken für Bonapartes Auftrag. Gegen dieses Bild von Napoleon steht ein System der Unterdrückung, das Streben nach Macht, die Sucht nach Eroberung. Es hat den Anschein, als sei der Idealismus der Bewegung auch Mittel zum Zweck, eine Möglichkeit, sich politisch zu profilieren. Napoleon ist kein Altruist, obwohl die vorgegebenen Ziele dies vermuten ließen. »Er galt als trunken von Ruhmsucht«,30 heißt es in Kluges Geschichte »Automat der tausend Wünsche«, in der auch Kluges Vater wieder eine Rolle spielt (und außerdem Bezug genommen wird auf die Schlacht bei Aspern). Es sind gesellschaftliche Aspekte, die den Text bestimmen. Im Zentrum steht eine Situation in Halberstadt, zur Zeit der DDR. In der Nacht zum 1. Mai feiert Ernst Kluge mit Freunden und Bekannten. Die Zusammenkunft endet um sechs Uhr morgens. »Draußen auf dem Bismarckplatz sind um zehn Uhr Betriebskampfgruppen aufmarschiert, außerdem Kollektive der Gastronomie und des Maschinenbaus, Jugend und Partei. Von seinem Schreibtisch aus hat mein Vater eine ausgezeichnete Sicht auf das Geschehen.«31 Kluges Vater hört die Meistersinger von Nürnberg, gleichzeitig beschäftigt er sich mit Napoleons Schlacht bei Aspern. Es werden Situationen kontrastiert, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Welchen Zusammenhang kann man zwischen dem Sozialismus der DDR, der Musik Richard Wagners, dem französischen Kaiser bei einer Auseinandersetzung in Österreich und dem Arzt Ernst Kluge herstellen? In dem Text »Automat der tausend Wünsche« sind es Überlegungen hinsichtlich eines »bürgerlichen Typs«, mit denen Kluges Vater und Napoleon verglichen werden. Der Halberstädter Mediziner hat sich Bonaparte als Vorbild gewählt, weil der »aus dem Nichts emporgekommen« ist. »Durch Leistung all-

27 Alexander Kluge, »Ein Patriot Napoleons im Dorf Zilly«, in: ders., Das Bohren harter Bretter, Berlin 2011, S. 119. 28 Ebd. 29 Ebd. 30 Alexander Kluge, »Automat der tausend Wünsche«, in: ders., Das Bohren harter Bretter, Berlin 2011, S. 120 – 122, hier S. 122. 31 Ebd., S. 120.

176

Thomas Combrink

mächtig.«32 Es geht erneut um besondere Fähigkeiten, um die Bereitschaft zu großer Anstrengung, die den französischen Kaiser auszeichnet. Dieses Leistungsprinzip ist Ernst Kluge vertraut, der seine Tätigkeit als Arzt als Berufung, als Lebensform ansah. Napoleon ist für ihn von Interesse, weil sich in ihm eine Befreiung von der Herkunft ausdrückt: Die Abstammung begründet nicht die spätere Karriere. In gewisser Weise hat sich auch Ernst Kluge als Aufsteiger gesehen, dessen Vater Carl in Halberstadt als Rechnungsrat tätig war. Ernst Kluges Villa in der Oberstadt in der damaligen Kaiserstraße kann auch als Ausdruck von Repräsentation verstanden werden, als Zeichen von Präsenz eines gefragten Arztes der Stadt. Über Napoleon heißt es weiter : »Der Kaiser ist ein Automat. Er ist beflügelt von tausend Wünschen derjenigen, die eine neue Welt wollen, sie aber selbst nicht herstellen können. Das soll der Kaiser richten!« Bonaparte dient als Stellvertreter. Er ist die Realisierung der Träume von Menschen, die sich noch in Unfreiheit bewegen. Zieht man die von Alexander Kluge häufiger verwendete Unterscheidung zwischen den Personen heran, den »Produzenten«, und denen, die »Zuschauer« ihres eigenen Lebens sind, dann gehört Napoleon zur ersten Kategorie. In der Geschichte »Automat der tausend Wünsche« ist er ein Symbol der Selbstbestimmung; aus eigener Kraft hat er es bis an die Spitze geschafft. Er ist kein Spielball mehr des adeligen Systems, sondern Erschaffer einer Wirklichkeit, die jeder mitgestalten kann, der ihre Gesetze versteht. Was den »bürgerlichen Typ« anbelangt, so ist Bonaparte ein »Konzentrat«33 davon. Hier findet sich wieder die Vorstellung des Konzentrierens. Gemeint ist wahrscheinlich, dass in Napoleon die bürgerlichen Eigenschaften, die sich verstärkt im 19. Jahrhundert entwickeln werden, bereits angelegt sind und in Erscheinung treten. In einer anderen autobiographischen Geschichte schildert Alexander Kluge sein beschädigtes Tretauto, das in der Nacht repariert wurde, was ihm als Kind am nächsten Morgen wie ein Wunder erschien. »Das ist das PRINZIP ÜBERRASCHUNG, das Napoleon als seinen Verfassungsgrundsatz bezeichnet hat«,34 so der Ich-Erzähler des Textes. Fraglich bleibt, ob Bonaparte sich je in dieser Art und Weise über das Moment der plötzlichen schicksalhaften Fügung geäußert hat. Viel eher hat es den Anschein, als sei das »PRINZIP ÜBERRASCHUNG« eine Idee von Alexander Kluge, die er in Napoleons Nähe bringt, weil sie ihm dort passend erscheint. Auf filmischer Ebene interessiert sich Alexander Kluge für das nicht realisierte Napoleon-Projekt von Stanley Kubrick, Ende der sechziger Jahre, was 32 Ebd., S. 121. 33 Ebd., S. 122. 34 Alexander Kluge, »Das Prinzip Überraschung«, in: ders., Das Bohren harter Bretter, Berlin 2011, S. 122.

Die Zeitarmut des Kaisers

177

wohl vor allem an der Kombination zwischen Stoff und Regisseur liegt.35 Kluge schätzt den amerikanischen Filmemacher sehr und bezeichnet Wege des Ruhms als seinen Lieblingsfilm. In dem Buch Das Bohren harter Bretter finden sich Abbildungen aus der Materialiensammlung, die Kubrick zu dem Film angelegt hat und die in einer umfangreichen Edition dokumentiert sind. In der Geschichte »Das Glück des dicken Bonaparte«36 geht es um eine Sequenz aus diesem Film. Vor allem aber steht das Gewicht des Kaisers im Vordergrund, das sich von Szene zu Szene ändert, indem das Kostüm des Schauspielers mit immer mehr Kissen ausgestattet wird.

35 Siehe dazu auch die Sendung aus der Reihe »10 vor 11« vom 10. März 2014: »Stanley Kubricks Napoleon-Projekt. Wouter Wirth über Prometheus auf St. Helena«. 36 Alexander Kluge, »Das Glück des dicken Bonaparte«, in: ders., Das fünfte Buch, Berlin 2012, S. 28.

Susanne Marten

Unterirdisch, außerirdisch: Paris, Juni 1940. Alexander Kluges Auseinandersetzung mit der deutschen Besatzung Frankreichs

I.

Geschichten aus Paris Gut das, ins Trübe der anderen zu gehen und selbst darin zu fischen. Ernst Bloch, Erbschaft dieser Zeit1

Seit Alexander Kluge im Jahr 2000 seine zweitausendseitige Chronik der Gefühle vorlegte, die Erzählungen aus vierzig Jahren schriftstellerischer Tätigkeit umfasst, dazu mehrere hundert neue Geschichten, »Basisgeschichten« genannt, wird sein schriftstellerisches Schaffen mit großer, ungeteilter Aufmerksamkeit verfolgt. Kluges außerordentliche Produktivität als Geschichtenerzähler, der, neben anderen, weitere »Basisgeschichten«, »Geschichten vom Kino«, »Liebesgeschichten«, »neue Geschichten«, »politische Geschichten«, »Geschichten für Fritz Bauer« sowie eine facettenreiche Nachricht von ruhigen Momenten2 zu verdanken sind, verleiht ihm heute in der Öffentlichkeit den Rang einer Stimme, die im literarischen Erzählen Perspektiven und Schlüssel zum Verständnis der Gegenwart liefert. Wesentlicher Angelpunkt in dieser, seiner zweiten literarischen Schaffensperiode,3 ist Kluges Erzählungsband Die Lücke, die der Teufel läßt aus dem Jahr 2003. Zwei Jahre nach dem 11. September 2001 erschienen, reagiert Kluge mit diesem Buch auf die weltpolitischen Verschiebungen, indem er historische Spurensuche und Trauerarbeit literarisch bündelt, d. h. es wird 1 Ernst Bloch, »Okkulte Phantastik und Heidentum«, in: ders., Gesamtausgabe, Bd. 4, Erbschaft dieser Zeit, Frankfurt/M. 1962, S. 195. 2 Auffällig ist die Kontinuität der kleinen Form, der Geschichten, Erzählungen, Nachrichten, Meldungen usw., die noch nicht in Kluges erster Veröffentlichung Lebensläufe, jedoch ab Neue Geschichten. Hefte 1 – 18. ›Unheimlichkeit der Zeit‹, bis zu den heutigen Texten für Kluges Prosa charakteristisch ist. Wo es sich nicht um Werktitel handelt, entstammen die Untertitel den Bänden: Die Lücke, die der Teufel läßt, Das Labyrinth der zärtlichen Kraft, Tür an Tür mit einem anderen Leben, Das Bohren harter Bretter. 3 Als erste große Erzählperiode können die späten fünfziger Jahre bis 1977 gefasst werden; die zweite hebt mit der Wende 1989/90 an, seit der Kluge die etwa tausend Basisgeschichten für die Chronik der Gefühle verfasste.

180

Susanne Marten

versucht, die zunächst unfassbaren Anschläge nicht aus dem Kontext der Gegenwart zu entlassen, obwohl sie unmittelbar als ein »Riss« in der Wirklichkeit,4 als ein Verlust von Zusammenhang gewirkt haben mögen. Indem Die Lücke, die der Teufel läßt aber zugleich an die Chronik der Gefühle anknüpft, um die Realien des neuen Jahrhunderts »mit einem neuen Erzählinteresse«5 auszuloten, sich also abgrenzt und zugleich das begonnene Projekt weiterführt, wird jener Riss im Weltbild, eben die zwischen der menschlichen Einbildungskraft und den faktischen Tatsachen klaffende »Lücke«, sichtbar gemacht, die vielleicht bisweilen überbrückt werden kann, und zwar im Medium der Sprache und mit den Mitteln der Erzählung. Die Darstellung einer Grenzerfahrung in der jüngeren Vergangenheit unternimmt Alexander Kluge im dritten Kapitel von Die Lücke, die der Teufel läßt, in dem er Walter Benjamins Gedanken von der »Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen«6 aufnimmt und ihn mit Benjamins Schicksal als Verfolgtem im französischen Exil verknüpft. Unter dem Titel »Gibt es eine Trennlinie zwischen den Zeitaltern? / Paris, Juni 1940« finden sich in diesem Kapitel einunddreißig Geschichten, denen Kluge insistierend diese und noch eine weitere Frage voranstellt: »Gibt es Zeiten, in denen das Jahrhundert stillsteht?« (195). Es scheint zunächst erstaunlich, dass Kluge die denkbare Trennlinie des vergangenen Jahrhunderts nicht an der sogenannten Stunde Null des Jahres 1945, weder bei Kriegsbeginn 1939 oder im Jahr 1933, nicht 1918 noch im Jahr 1914 situiert. Stattdessen richtet er seinen Blick auf die kurze Zwischenzeit in Frankreich zwischen der Kriegserklärung im September 1939 und dem Ende der Dritten Republik am 10. Juli 1940. Dies sei, so heißt es, die Übergangszeit zwischen dem ausgehenden Zeitalter der »zornigen Ingenieure« (207, 219), welches, begabt mit der »Schubkraft einer von Ingenieuren strukturierten Zeit« (747), in dasjenige der »vorsichtigen Organisatoren«, der Versicherer hineinrage, in welchem die unvorbereiteten Ingenieure »einen Wachstums- oder Geburtsschub an neuer Zeit« (748) erlebten. Beobachtung und Analyse dieses Phänomens legt der Autor der Figur eines imaginären Germanisten aus Tokio, Fumio Obayashi, in den Mund, welcher über die Besetzung Frankreichs forscht.7 Auf diesem produktiven

4 Alexander Kluge in Interviews z. B. mit Peter Laudenbach, in: TIP 7/03 vom 27. 03. 2003 sowie mit Joseph Vogl in: Alexander Kluge/Joseph Vogl, Soll und Haben. Fernsehgespräche, Zürich/ Berlin 2009, S. 150. 5 »Die Geisterwelt der ›objektiven Tatsachen‹ tritt stärker in den Vordergrund. Die Realität zeigt Einbildungskraft. Das, was ich schreibe, hängt davon ab, was sich um mich herum im neuen Jahrhundert verändert.« Alexander Kluge, Die Lücke, die der Teufel läßt, Frankfurt/M. 2003, S. 7, im folgenden im Text zitiert unter einfacher Angabe der Seitenzahl in Klammern (7). 6 Siehe dazu Christian J. Emden, »Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Walter Benjamins ›Archäologie‹ der Moderne«, in: KulturPoetik 6/2 (2006), S. 200 – 221, v. a. S. 209 – 210. 7 Kluge, Lücke, S. 199 und 207 – 210. Im gebräuchlichen japanischen Vornamen »Fumio« klingt

Unterirdisch, außerirdisch: Paris, Juni 1940

181

Umweg nimmt Kluge in seinem 3. Kapitel der Lücke den Faden von Benjamins Recherchen zu »Paris, die Hauptstadt des XIX. Jahrhunderts«, dessen »Expos¦s« und dem Passagen-Werk,8 wieder auf. Die Anknüpfung an Benjamin9 (wie auch seine Spitze gegen die akademische Germanistik) weisen darauf hin, dass es Kluge darum geht, eine nicht-nationale Erinnerungsgeschichte zu schreiben. Während die Zeit »Frühjahr/Sommer 1940« im deutschen kollektiven Gedächtnis kaum eine Rolle spielt, wird sie in Frankreich als »Naturkatastrophe«10 und Trauma erinnert und in der französischen Geschichtsschreibung zumindest als eine Vielzahl von Brüchen, als ruptures analysiert: Dazu gehören erstens der erlittene militärische Durchbruch der deutschen Armee, und zweitens die zerrissenen französisch-britischen Beziehungen in intellektueller, strategischer und emotionaler Hinsicht, die sich 1940 derart polarisieren, dass sie auf französischer Seite dem Defätismus zuneigen und auf britischer in resolute Entschlossenheit münden.11 Diese Brüche werden schließlich, infolge der zerbrochenen europäischen Allianzen, zur Neuaufstellung der Supermächte führen und, bis zum Ende der Sowjetunion, die Aufteilung der Welt entlang der Einflussbereiche der Ost- und Westmächte zur Folge haben.12 Demnach kann die Westintegration Deutschlands bzw. die gewachsene deutsch-französische Freundschaft als historisches Beispiel für eine über Jahrzehnte hinweg erarbeitete Überbrückung der Feindseligkeiten gelten. Auch Kluge ist nun in diesem Narbengebiet zwischen Deutschland und Frankreich im Medium der Literatur quasi als passeur, als Schleuser oder Schmuggler tätig, der Elemente einer nationalen Geschichts- und Gedächtniskultur über die Grenzen hinweg trägt, so dass auf dem Umweg über eine andere nationale Identität eine Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte stattfinden kann. Seine Erzählungen leisten

8 9

10

11 12

auf Französisch fum¦e, Rauch, an, während fumiste einen Schaumschläger bezeichnet, Geschichte und Fußnote (199) spielen auf beides an. Walter Benjamin, »Paris, die Hauptstadt des XIX. Jahrhunderts« (1935) und »Paris, Capitale du XIXe siÀcle« (1939), in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. V.1, Frankfurt/M. 1991, S. 45 – 59, S. 60 – 77, sowie das Passagen-Werk, Bd. V.1 und V.2. Während Kluges Nähe zu Benjamin ganz allgemein von der Forschung bereits betont wurde, siehe z. B. Christian Schulte, »Kairos und Aura. Spuren Benjamins im Werk Alexander Kluges«, in: Detlev Schöttker (Hg.): Schrift, Bilder, Denken. Walter Benjamin und die Künste, Frankfurt/M. 2004, S. 220 – 233, stehen Einzelstudien zum Thema wie z. B. Kai Lars Fischer, Geschichtsmontagen. Zum Zusammenhang von Geschichtskonzeption und Text-Modell bei Walter Benjamin und Alexander Kluge, Hildesheim/Zürich 2013, noch weitgehend aus. »Si de tous les r¦cits […] ressort surabondamment la dimension dramatique de ces quatre semaines fatidiques, […] il convient de rappeler — quel point la d¦faite franÅaise a eu un caractÀre de cataclysme impr¦vu.« FranÅois B¦darida, »La rupture franco-britannique de 1940. Le conseil interalli¦, de l’invasion — la d¦faite de la France«, in: VingtiÀme siÀcle. Revue d’histoire 25 (1990), S. 37 – 48, hier S. 46. Vgl. Robert Frank, »Ruptures de 1940« in: VingtiÀme SiÀcle. Revue d’histoire 3 (1984), S. 137 – 139, sowie B¦darida, »La rupture franco-britannique de 1940«, S. 1. Frank, »Ruptures de 1940«, S. 139.

182

Susanne Marten

dadurch Aufklärungsarbeit, dass Gedächtnisgeschichte als Nationalgeschichte überwunden wird, transnationale Perspektiven in den Blick geraten – so dass sich im Zuge der Entnationalisierung der Geschichte überhaupt erst die Möglichkeit eröffnet, dass ein europäisches Gedächtnis entsteht.13 Anstatt nun den ausgetretenen Pfaden der Geschichtsschreibung zu folgen, erzählt Kluge im Hinblick auf 9/11 von dem Zivilisationsbruch, der Katastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts. Dies kann jedoch nur unter Einbeziehung, nicht unter Absehen von den nationalen Geschichtsschreibungen geschehen, und zwar, in Kluges Worten: »mit festem Blick auf die Lücken, die der Teufel läßt« (8), d. h. sowohl rückblickend als auch vorausschauend, wie es in der französischen Forschung Henry Rousso formuliert hat: »Ein gesamteuropäisches Gedächtnis schriebe sich […] eher in einen Erwartungshorizont als einen Erfahrungsraum ein; es wäre eher zu konstruieren als zu exhumieren.«14 – zu konstruieren und zu fabulieren, würde Kluge wohl ergänzen. Was die historischen Fakten anbelangt, so liegt den Geschichten im dritten Kapitel als Hauptquelle Der Fall von Paris 1940 in deutscher Übersetzung zugrunde,15 in dem Herbert R. Lottman auf anschauliche Weise die Tage vom 9. Mai bis zum 23. Juni 1940 in Paris lebendig werden lässt. 1992 für eine englischsprachige Leserschaft verfasst, zeichnet Lottmans Buch ein umfassend dokumentiertes Stimmungsbild der vom Einmarsch der deutschen Truppen betroffenen Stadt. Die historisierende Erzählung bemüht sich dabei um ebenmäßige Distanz, wenngleich mit deutlicher Sympathie für die Bewohner (wobei insbesondere der rührige amerikanische Botschafter in Paris, William Bullitt, als roter Faden dient). Kluge stützt sich auf Lottmans Recherchen, so dass sich die Frage stellt, was Kluge motiviert haben könnte, derart genau zu lesen und zu notieren. Zum einen sind Lottmans Anekdoten originell und auch häufig komisch, so dass ein genuines Sammlerinteresse daran zu bestehen scheint. Darüber hinaus durchbrechen Kluges Erzählungen auch immer wieder gewissermaßen den Boden des Quellentextes: Wo Lottman weitererzählt, biegen Kluges Erzählungen unvermittelt in eine andere Richtung ab, es werden Fragen eingefügt oder retardierende Dialoge, oder aber sie enden abrupt. Kluges Paris-Kapitel ist also zum einen durch ein eher kontrastives Nebeneinander der einzelnen Geschichten von Personen, Schauplätzen und Handlungsfragmenten, zum anderen durch Kürzungen und eine nicht-historisierende Interpretation der Ereignisse charakterisiert. Beispielsweise fügt Lottman einer Aufzählung von drei 13 Vgl. dazu Henry Rousso, »Das Dilemma eines europäischen Gedächtnisses«, in: Zeithistorische Forschungen, Online-Ausgabe, 1/3 (2004). [http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Rousso-3 – 2004 (Stand: 15. 07. 2014)]. 14 Ebd., Abschnitt 6. 15 Herbert R. Lottman, Der Fall von Paris 1940, aus dem Engl. von Bernd Rullkötter, München 1994.

Unterirdisch, außerirdisch: Paris, Juni 1940

183

Schlagzeilen aus dem Herald Tribune seinen entscheidenden eigenen Kommentar hinzu: »Es gab auch einen Hoffnungsschimmer«,16 was seiner Erzählung ein dramatisches Element verleiht und zugleich seine empathische Haltung gegenüber Paris und seinen Bewohnern zum Ausdruck bringt. Kluge hingegen stellt in seinem neunzeiligen Text »Straßenverkauf«, mit dem der Zyklus »Aus den Annalen einer Zwischenzeit« beginnt, alle drei Schlagzeilen kommentarlos untereinander : »Italienische Bomber tragen Krieg nach Asien, Afrika Große Schlacht um Paris im entscheidenden Stadium Roosevelt verspricht Alliierten größtmögliche Hilfe.«17

Dieses literarische Verfahren der Abkürzung und Versachlichung ist charakteristisch für Kluges Umgang mit dem Quellenmaterial, das sowohl als grafisches Material dienen kann, als auch in Form von Versatzstücken kommentarlos und teils wörtlich montiert wird, und zwar regelmäßig so, dass die äußere Handlung keinesfalls dramatisch wirkt. Dadurch, dass ein Spannungsaufbau von der Erzählerseite her verweigert wird, verändert sich nämlich auch die Haltung des Lesers grundlegend. Ohne an die Erzählung gefesselt zu sein, muss er sich selbst innerhalb des präsentierten Materials orientieren. Im konkreten Fall bleibt es ihm auch überlassen, widersprüchliche Gefühle auszuloten, die diese Pariser Schlagzeilen von 1940 erzeugen, und unter Einbeziehung seines eigenen historischen Wissens den Wirklichkeits- und Wahrheitsgehalt der Meldungen abzuwägen. Ohne den Leser als Resonanzraum blieben die Schlagzeilen lettre morte, schierer »Text ohne Eigenschaften«. Scheinbar erfüllen also weder Autor noch Erzähler die Erwartungen an eine Art ordnende Instanz, sei es auf politischer, sei es auf ethischer oder ästhetischer Ebene, die dem Leser diese Aufgabe abnehmen würde, was Kluge in den vielzitierten Satz fasst: »Mehr als die Chance, sich selbständig zu verhalten, gibt kein Buch.«18 Diese grundsätzliche Haltung zu Buch und Erzählung ermöglicht es Kluge, erfundene wie dokumentarische Geschichten, »Facts & Fakes«19 völlig gleichwertig nebeneinander zu platzieren, denn der Wahrheitsgehalt jeder Erzählung steckt nicht im einzelnen Geschehen, sondern wäre sozusagen übergreifend, anhand der Sammlung vieler Geschichten, neben diesen erst zu konstruieren. Jede einzelne »kann nicht als Einzelgeschichte oder Metapher stehenbleiben, weil es ja keine Garantien, kein Verhalten gibt, das berechenbar bleibt. Um Erfahrung und Selbstbewußtsein zu ver16 Ebd., S. 349. 17 Kluge, Lücke, S. 222. 18 Im Vorwort zu Oskar Negt/Alexander Kluge, Geschichte und Eigensinn [1981], in: dies., Der unterschätzte Mensch, Bd. 2: Geschichte und Eigensinn, Frankfurt/M. 2000, S. 5. 19 So der Titel von Kluges zwischen 2000 und 2003 im Verlag Vorwerk 8, Berlin, in fünf Bänden erschienenen Fernseh-Nachschriften, hg. von Christan Schulte und Reinald Gußmann.

184

Susanne Marten

knüpfen, müssen viele dieser Geschichten erprobt, getestet werden.«20 Solch ein konstellatives Verfahren kann aber auch auf einzelne Erzählungen angewendet werden, indem Elemente daraus kontextualisiert und problematisiert werden.

II.

Paris von unten »I work in the sewer – but I live near the stars!« Chico, in: Seventh Heaven21

Lassen sich in der Sammlung des dritten Kapitels in den meisten Erzählungen zumindest Spuren einer historischen Vorlage nachweisen,22 fällt eine ins Auge, für die sich weder bei Lottman noch sonst ein historischer Anhaltspunkt zu finden scheint. Es handelt sich dabei um die wohl merkwürdigste, überaus kurze, kaum etwas mehr als halbseitige Erzählung »Kot von Außerirdischen« (225). Aufgrund ihres phantastischen Titels, durch den außerirdischen Phänomenen eine biologische Existenz, ja Stoffwechsel, zugesprochen wird, nimmt sie innerhalb eines kleinen Zyklus von zwölf Geschichten, »Aus den Annalen einer Zwischenzeit«,23 der im dritten Kapitel eine Untereinheit bildet, eine exponierte Stellung ein. Zugleich jedoch scheint sie derart tief in gestaffelte Erzählformationen eingelassen zu sein, dass der Eindruck entsteht, diese Zeilen seien sowohl ausgestellt wie verborgen worden. Sie finden sich an unauffälliger vierter Stelle in dem erwähnten Binnenzyklus, dessen Geschichten schlaglichtartig Situationen beleuchten, in denen sich Medien (Radio, Zeitungen) oder Menschen im soeben von deutschen Truppen besetzten Paris im Juni 1940 gerade befinden. Wir haben es hier also mit einer extrem verdichteten Form der Einheit von Ort und Zeit zu tun und wäre nicht der sonderbare Titel, könnte auch die Erzählung »Kot von Außerirdischen« bei flüchtiger Lektüre in diesem Kontext deshalb als ein etwas trockener Bericht über eine reale Begebenheit mit offenem Ende durchgehen. Das Geschehen lässt sich in wenigen Sätzen wiedergeben: Durch einen Unfall gelangt am Vormittag in den Kloaken unter dem Montparnasse eine Ladung von Exkrementen in die Frischwasserreservoirs der Stadt Paris. Nachdem er die Verschmutzung verringert und schließlich beseitigt hat, fischt der Abwasserarbeiter Vuillemin nachts ein Stück der unbekannten Materie vom Grund der Becken. Diese erweist sich als hart wie Steinkohle, der Arbeiter 20 Alexander Kluge, »Büchnerpreisrede«, in: FAS, 26. 10. 2003, S. 23. 21 Chico (Charles Farrell) in Seventh Heaven (US, 1927) von Frank Borzage (00:34:10). 22 Neben der Hauptquelle Lottman werden als mögliche, d. h. echte oder fiktive Stichwortgeber genannt: Godard (211), Val¦ry (213), Lacan (221), Goebbels (229), Leca (238), Benjamin (199, 239), Kershaw (914). 23 Kluge, Lücke, S. 222 – 233.

Unterirdisch, außerirdisch: Paris, Juni 1940

185

vermag aber, trotz seiner langjährigen Erfahrung, das Material nicht zu bestimmen. Er sucht daraufhin das Institut Pasteur auf, doch dessen Analytiker sind geflohen. Über den Ursprung dieser eher spannungsarmen Geschichte, deren Erzählbewegung vom ekelerregenden, aber letztlich banalen Unfall, hin zu einem phantastischen Fund verläuft, der es aber an einem klärenden Abschluss ebenso zu fehlen scheint, wie an einer Pointe, ist nichts bekannt. Angesprochen24 auf diese merkwürdige Geschichte, gibt Alexander Kluge jedoch zwei Hinweise. Der eine ist werkimmanent, der Text greife auf thematisch ähnlich gelagerte Erzählungen in Kapitel 9.7 und 5 des Buches vor. Der andere enthält eine motivgeschichtliche Erläuterung: »Seit Voltaire gibt es eine Metapher : ein Besucher vom Sirius überprüft, oder hört sich an, was wir, sei es in Pommern, sei es in Frankreich, tun. Das ist eine Grundmetapher der Aufklärung, uns mit einer möglichen Intelligenz außerhalb von uns zu konfrontieren«,25 führt Kluge in seinem Gespräch mit Rainer Stollmann aus. Voltaires philosophische Erzählung Microm¦gas aus dem Jahr 1752, auf die Kluge hier anspielt, wird nicht nur als einer der frühesten Texte26 der phantastischen Reiseliteratur erachtet, sondern auch als Inspirationsquelle für Kants erstaunliche, aber philosophisch redliche Überlegung, dass der kategorische Imperativ nicht allein für den Menschen gelte, sondern für jegliche vernunftbegabte Wesen – somit auch extraterrestrische.27 Unter dem Fingerzeig der »Möglichkeit, daß da irgendeiner etwas hinterlegt, daß einer zwischen uns weilt« und zwar einer, der »mit einer möglichen Intelligenz von außerhalb«28 zwischen uns erscheint, wird mit Voltaire im Gespräch nun zwar der Traditionsstrang der Aufklärung genannt, eine Antwort auf die implizit mitschwingende Frage, warum es sich um Kot handele, bleibt Kluge (der Interpret) aber schuldig. Kluge (der Autor) situiert seine Erzählung aber in der Pariser Kanalisation, nennt sie sogar Kloake, und auch der Titel ist eindeutig. Kluge vollzieht in seinem Text also eine Art ›zweite kopernikanische Wende‹, 24 Als einer der ersten Leser des Manuskripts von Die Lücke, die der Teufel läßt befragt schon Rainer Stollmann Alexander Kluge zur Bedeutung der Erzählung. Rainer Stollmann, Die Entstehung des Schönheitssinns aus dem Eis. Gespräche über Geschichten mit Alexander Kluge, Berlin 2005, S. 25 – 26. 25 Ebd., S. 25. 26 Voltaire, Microm¦gas (1752), in: ders., The complete works, Bd. 32B (1750 – 1752), hg. von Nicholas Cronk, Oxford 2007. Deutsche Ausgabe: Mikromegas, in: ders., Sämtliche Romane und Erzählungen, aus dem Frz. von Ilse Lehmann, Frankfurt/M./Leipzig 2010, S. 245 – 266. Siehe auch die Schriften der französischen Frühaufklärer Pierre Bayle (Lettre sur la comÀte de 1680) und Fontenelle (Entretiens sur la pluralit¦ des mondes, 1686), sowie zum Motiv der phantastischen Reise Jonathan Swifts Gulliver’s Travels, 1726. 27 Immanuel Kant, Werke, Bd. 4: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, photomechan. Abdruck der von der Preußischen Akademie der Wissenschaften hg. Ausgabe, Berlin 1990, S. 438, BA 83. 28 Kluge in: Stollmann, Die Entstehung des Schönheitssinns, S. 26.

186

Susanne Marten

indem er nicht die Vernunftbegabung der nicht-menschlichen Wesen postuliert, sondern, Kants transzendentalen Idealismus erdend, mögliche materielle Spuren konkreter (extraterrestrischer) Wesen ins Feld führt. »Castorf – ›Die Verdauung in mir und der gestirnte Himmel über mir‹, dies wären zwei Wunder des lebendigen Menschen. Peikert – Das haben Sie sicher aus meinem Abend-Volkshochschulkurs: DENKEN MIT DEM BAUCH.«29

Zunächst lässt sich festhalten, dass die Erzählung weder ins Phantastische abzweigt, noch eine rationale Erklärung für den Fund geliefert wird, so dass ihre Pointe auch nicht in ihrem Ende liegt. Vielmehr vergeht auf unspektakuläre Weise zwischen der Verunreinigung und dem Moment, in dem der Arbeiter Vuillemin »einen der krustigen Placken vom Grunde des Beckens«30 gefischt hat, ein ganzer Tag unter der Erde, der es auch erlaubt, im Erzählfluss gegen Ende einen grundlegenden Ortswechsel zu motivieren. Dieser findet statt, als der Arbeiter die »unterirdischen Kloaken«, die Ebene der körperlichen Arbeit und der elementaren menschlichen Bedürfnisse verlässt und zur dann ausbleibenden, aber angestrebten wissenschaftlichen Begutachtung zum renommierten Institut Pasteur geht. Auch auf der zeitlichen Ebene findet eine Verschiebung statt: Zugleich mit der verstreichenden Zeit verändert sich der Wirklichkeitsbezug der Erzählung, und zwar in doppelter Hinsicht. Der Arbeiter, der »den Tag über« damit beschäftigt ist, »durch gezieltes Öffnen und Schließen der Staubecken-Schleusen« seiner Tätigkeit professionell nachzukommen, verbringt auch die Nachtstunden in seinem unterirdischen Verlies, nun jedoch fischend und tastend, sehend und spekulierend: »Er hatte lange fischen müssen. Mit dem Finger betupft, erwies sich die Materie als hart wie Steinkohle. Es war aber, das sah der erfahrene Vuillemin, keineswegs Anthrazit und auch keine ihm bekannte Braunkohle. Er hielt diese Masse für etwas, das er als erfahrener Hüter der unterirdischen Gewässer noch nie gesehen hatte (und er glaubte, daß eigentlich jede Form von irdischer Materie ihm auf seiner Strecke irgendwann einmal begegnet sein müsste […]).«

Nachdem Stil und Inhalt der Erzählung zu Anfang eher realistisch wirken und teils auch von Fachterminologie – »dissipieren«, »die vorgeschriebene Durchflußgeschwindigkeit«, »noch im Rahmen des Zulässigen« – geprägt sind, werden im zweiten Teil der Erzählung, die »zu später Nachtstunde« spielt, beim Leser Zweifel geweckt, ob es sich wirklich um einen Fund gänzlich unbekannter Materie handeln kann, oder vielleicht doch nur um die nächtlichen Phantasmen 29 Alexander Kluge, Tür an Tür mit einem anderen Leben, Frankfurt/M. 2012, S. 354. 30 Dieses und die folgenden Zitate verweisen, sofern nichts anderes angegeben ist, auf die genannte Erzählung.

Unterirdisch, außerirdisch: Paris, Juni 1940

187

eines einsamen und übermüdeten Arbeiters. Doch mit der Stunde hat sich auch der Ton der Erzählung verändert und der Arbeiter wird nun als »erfahrener Hüter der unterirdischen Gewässer« bezeichnet, was die mythischen unterirdischen Gewässer evoziert, jenseits derer Hades, oder Pluto, Herrscher über das Totenreich sind. Es bleibt ununterscheidbar, inwieweit diese euphemistische Bezeichnung dem Erzähler zuzuschreiben ist, was nahelegen würde, dass es sich um eine literarische Phantasie handelte, und inwieweit der Arbeiter selbst von einer mythischen Phantasie inspiriert ist. Der Prozess der Verwandlung betrifft jedoch nicht nur die Umstände und den Protagonisten – der materielle Fund selber scheint sich verwandelt zu haben. Während im Titel alltagssprachlich und eindeutig der »Kot« genannt wird, wird in der Erzählung zweimal der Ausdruck einer »Ladung von Exkrementen« verwendet, eine eigenartige Vermischung von Logistik- und Standardsprache. Außerdem ist, schon vorsichtiger, die Rede von »Pulks, die in das Frischwasser nicht gehörten« und es sinken »einzelne Placken«. So scheint der Fund mit der Zeit an Wert zu gewinnen, an Härte, an Bestimmbarkeit, wird assoziiert mit gefundenen Diamanten, »versteckt in Tampons«, also in Watte gepackt, scheint sich zu verwandeln zu Schätzen, die verborgen und, wie Diebesgut, dem unterirdischen Wasser anvertraut wurden – und wird dabei immer eigenschaftsloser als »Masse« und »irdische Materie«.31 Auch das Motiv der geistigen Entwicklung eines schweigenden Arbeiters im Inneren der Erde, der beginnt, jenseits der Fessel der harten Arbeitsbedingungen selber Dinge sinnlich zu erforschen und träumerisch und denkend zu durchdringen, hat eine lange literarische Tradition,32 von der sich Kluges »Arbeiter Vuillemin« hauptsächlich dadurch unterscheidet, dass er es zu Beginn eben nicht mit mineralischen Schätzen, sondern mit »Kot von Außerirdischen« zu tun haben soll. Der unterirdische Erzählstrang bricht dann ab, und mit dem vorletzten Satz befinden wir uns scheinbar wieder auf dem sicheren Boden der historisch verifizierbaren Tatsachen: »Er brachte den Fund zur Untersuchung in das INSTITUT PASTEUR […]«. Es ist zunächst kein Zufall, dass das Institut Pasteur hier als klärende Instanz zur Bestimmung der Herkunft unbekannter und auch außerirdischer Materie ins Spiel gebracht wird. Der Kunstgriff öffnet den Erzählhorizont bis hin zu einer historischen Debatte, in deren Verlauf Louis Pasteur und damit auch dem 1887 31 Auch am Objekt wird so die Tendenz zur Verflüchtigung des konkreten Einzelnen, hin zum abstrakten »Ding an sich«, von dem schließlich nur noch der Fetischcharakter bleibt, ablesbar gemacht. Zu Kluges, an Adornos Dialektik von Subjekt-Objekt anschließende, Gedanken siehe »Vorrang des Objekts«, Kluge, Lücke, S. 891 und ebd. ein Foto S. 6. 32 Insbesondere in Novalis’ Heinrich von Ofterdingen spielen das Erdinnere in Form des Bergwerks und die Begegnung mit sich selbst eine zentrale Rolle. Novalis/Friedrich von Hardenberg, Werke, Tagebücher und Briefe, Bd. I, hg. von Hans-Joachim Mähl/Richard Samuel, Darmstadt 1999, S. 237 – 413, hier S. 312.

188

Susanne Marten

gegründeten, nach ihm benannten Institut Pasteur, eine zentrale Rolle zukommt. Um die Mitte der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts überlagern sich in Frankreich zwei akademische Kontroversen, die beide durch Pasteurs Experimente ein vorläufiges Ende finden. Im theoretischen Streit um die Möglichkeit von Spontanzeugung setzt sich Louis Pasteur mit seiner Theorie der Ontogenese – nach dem Grundsatz »omne vivum e vivo«, alles Lebendige entsteht aus Lebendigem – gegenüber seinem Gegenspieler F¦lix-ArchimÀde Pouchet33 durch. Als einflussreicher Wissenschaftler,34 unterstützt von der monarchistisch-katholischen Rechten, setzt er seine Argumente »gegen den Materialismus ein«35 und postuliert, aus unbelebter Materie entstehe kein neues Leben durch Spontanzeugung.36 Die zweite Debatte37 wurde durch den Fund eines im Jahr 1864 in Orgueil bei Montauban eingeschlagenen Meteoriten ausgelöst. FranÅois Stanislas CloÚz, Chemieprofessor am Mus¦e d’Histoire Naturelle, untersucht diesen KohleChondriten unter dem Mikroskop und kommt zu dem Ergebnis, dass in der »torfähnlichen« bzw. »braunkohleartigen«38 Zusammensetzung des Meteoriten organische Stoffe biologischen Ursprungs enthalten seien. Seinen Untersuchungen widerspricht Pasteur,39 indem er nachweist, dass es sich bei den biologischen Spuren um Kontaminationen irdischen Ursprungs handelt. Wenn auch der Nachweis solcher organischen Verbindungen in Himmelskörpern, die außerirdisches Leben belegen würden, bis heute nicht abgeschlossen ist,40 so bilden Pasteurs dezidierte Stellungnahmen, in welchen er einer Vermischung 33 Eine wissenschaftshistorische Darstellung der Kontroverse Pasteur gegen Pouchet findet sich in: Gerald L. Geison, The Private Science of Louis Pasteur, Princeton 1995, S. 111 – 142. 34 Vgl. Louis Pasteur, »G¦n¦rations dites spontan¦es«, in: Œuvres de Pasteur, Bd. II: Fermentations et g¦n¦rations dites spontan¦es, hg. von Louis Pasteur Vallery-Radot, Paris 1922, S. 179 – 358, v. a. S. 346. 35 Dag Nicolaus Hasse, Urzeugung und Weltbild. Aristoteles, Ibn Ruschd, Pasteur, Hildesheim (etc.) 2006, der auch das Aufsehen unterstreicht, das Geisons Pasteur-Entmystifizierung in Frankreich erregte, vgl. S. 26. 36 Nach den vorsokratischen Ursprungstheorien (Anaximander, Empedokles und Anaxagoras) gilt Aristoteles’ De generatione animalium, 762 a 9 als erste wissenschaftliche Theorie der Urzeugung (c]mesir aqt|lator). 37 Siehe dazu John G. Burke, Cosmic Debris. Meteorites in History, Berkeley (etc.) 1986, S. 168 – 169. 38 »[…] its composition was very similar to peat from the Somme valley or to the lignite of Ringkohl near Kassel«, Stanislas CloÚz, »Analyse chimique de la pierre m¦torique d’Orgueil«, in: Comptes Rendus de l’Acad¦mie des Sciences 59 (1864), S. 37 – 40, zit. nach ebd. 39 Ebd., S. 170. 40 In den 1930er- und 1960er-Jahren lebte diese Debatte wieder auf, vgl. ebd., S. 312 – 313. Vgl. R. Hoover, »Fossils of Cyanobacteria in CI1 Carbonaceous Meteorites: Implications to Life on Comets, Europa, and Enceladus«, in: Journal of Cosmology 3 (2011), S. 3811 – 3848, über fossile Bakterien in Kohlechrondriten durch Untersuchungen am Polonnaruwa Meteoriten. [http://journalofcosmology.com/Life100.html (Stand: 15. 07. 2014)]. Astrobiologie ist im Übrigen auch bei der NASA Forschungsgegenstand.

Unterirdisch, außerirdisch: Paris, Juni 1940

189

von organischer und anorganischer Existenz eine Absage erteilt, in beiden Streitigkeiten zumindest zu seiner Zeit den vorläufigen Abschluss im Ringen um Diskurshoheit in den Naturwissenschaften. In Kluges literarischen Text sind einige Hinweise auf diesen wissenschaftshistorischen Hintergrund eingestreut: »Mit dem Finger betupft, erwies sich die Materie als hart wie Steinkohle«, »keineswegs Anthrazit, gewiß auch keine ihm bekannte Braunkohle«, »noch nie gesehen«, »jede Form irdischer Materie ihm […] begegnet sein müßte«, »Diamanten«.41 Der Begriff »Diamant« ist hier durchaus zweideutig, weil er einerseits an die bei Voltaire imaginierte Situation anzuknüpfen gestattet, aber als Modifikation von Kohlenstoff auch dem kosmischen, und damit dem naturwissenschaftlichen Bereich angehört. Die Aufzählung der verschiedenen Kohlearten und vor allem der »Braunkohle« verweist auf die Forschung zu Materialeigenschaften durch Technik und Naturwissenschaften, sowie auch auf die historische Laborsituation, in der ein Jahrhundert nach Voltaire die außerirdische Gesteinsprobe von CloÚz und Pasteur untersucht wurde. Tatsächlich kommt allen diesen Stoffen eine irdische und eine außerirdische, eine literarische und eine naturwissenschaftliche Dimension zu: »Diamanten« dienen dem acht Meilen großen Sirius-Wesen Mikromegas und seinem Freund dem Saturnier in Voltaires Erzählung als Lupe bzw. Mikroskop, unter dem sie auf einem Segelschiff schließlich die winzigen irdischen Menschlein erspähen. Die Feststellung des Kanalarbeiters, dass der aufgefundene Placken »keine ihm bekannte Braunkohle« sei, markiert die Differenz zu CloÚz’ Untersuchungen des außerirdischen Materials, der ja vertraute organische Spuren am Meteoriten zu finden vermutete. Schließlich erweist sich in der Krisensituation das in der naturwissenschaftlichen Forschung tonangebende Institut Pasteur als dysfunktional, denn die Geschichte endet mit dem abschließenden despektierlichen Zusatz: »[d]ie dort stationierten Analytiker waren aber sämtlich geflohen«. Nachdem sie selber lange im Institut »stationiert«42 waren, müssen sie nun ihrerseits in der allgemeinen Bewegung, wie Elementarteilchen, flüchten oder »tunneln«.43

41 Kluge, Lücke, S. 225 42 Als prototypisch für das Zeitalter der Ingenieure werden in der unmittelbar voranstehenden Erzählung, »Eisenzeitalter« (223) Eisenbahn, Transportwesen und Eigenschaften des Eisens enggeführt. Der »fest gefügten« Struktur des Eisens korrespondierten Gleise und Fahrpläne. In der Situation des Umbruchs verschwinden zunächst die Fahrpläne, doch im Juni 1940 haben die späteren Planer der Shoah noch nicht die Kontrolle über die zuverlässigen Bahnanlagen, die sie zu ihren Zwecken nutzen werden. Dies lässt sich bei Kluge als ein weiteres Beispiel für Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen nennen. 43 Den Terminus »tunneln« aus der modernen Atomforschung (Tieftemperaturphysik), die im Tiefkeller stattfindet, verwendet Kluge in »Am Öfchen ihrer Zukunftshoffnung«, Kapitel 9/3 »Die Schatzsucher«. Kluge, Lücke, S. 752, 753.

190

III.

Susanne Marten

Material und Erzählung Kloakengötter, Katakombenfeen Walter Benjamin, Das Passagen-Werk44

Bisher berücksichtigt wurde noch nicht das semantische Feld der organischen Materie und des Organischen, das doch im Paris-Kapitel einen wichtigen Stellenwert hat. Paris wird zu Beginn des Kapitels charakterisiert als die »sich im Umriß eines menschlichen Magens erstreckende Metropole« (199), und zu diesem Organ gehört, dass die Hallen, die Innenstadt von Paris als »le ventre de Paris«, der Bauch von Paris bezeichnet werden. Wenn jetzt »von Norden kommend die deutschen Truppen in Paris einmarschierten« (199), so begeben sie sich wie Nahrung, ins Innere des Verdauungsapparates. »Das Wasser ist blau / Der Himmel ist blau / Die Landschaft ist warm, braun und weich.«45

Dieser Vierzeiler steht zu Beginn des Kapitels, und nimmt einige Zeilen aus Benjamins deutschsprachigem Expos¦ über »Paris, die Hauptstadt des XIX. Jahrhunderts« auf, die dort so lauten: »Die Wasser sind blau und die Gewächse sind rosa: der Abend ist süß anzuschauen; Man geht spazieren. Die großen Damen gehen spazieren; hinter ihnen ergehen sich kleine Damen.«46

Ein mildes Pariser Stimmungstableau vom Ende des 19. Jahrhunderts, in Verse gefasst von einem vietnamesischen Dichter – dort, wo Benjamin, der Baudelaires anti-bürgerliche Fleurs du mal liebte, noch zu zitieren vermochte, schreibt Kluge die Zeilen im Geist von Schwitters’ dadaistischer Poesie als Haiku zum deutschen Einmarsch passend um. Es flanieren auf den Boulevards keine Damen mit ihren Töchtern, sondern die Besetzung der offenen Stadt durch die braunen Truppen hat begonnen, was Kluge wiederum indirekt und ohne Pathos mit Mitteln der visuell-grafischen und sinnlich-lautlichen Lektürestörung ausdrückt, weil es sich direkt nicht sagen ließe, ohne dass es affirmativ klänge.

44 Benjamin, Passagen-Werk, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. V.1, S. 135 [C 1 a, 2]. 45 Kluge, Lücke, S. 199. 46 Benjamin, »Paris, die Hauptstadt des XIX. Jahrhunderts«, S. 45. Das Zitat stammt aus Trong HiÞp NguyÞn, Paris, capitale de la France. Recueil de vers compos¦s par Nguyen-Tro. ng-HiÞ. p, dit Kim-giang, texte annamite et traduction franÅaise en regard, Hanoi 1897, S. 60 – 61.

Unterirdisch, außerirdisch: Paris, Juni 1940

191

Auf ähnliche Weise parodiert die Erzählung »Kot von Außerirdischen« die Theoriebildung zur Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen oder der Parallelaktionen.47 Zunächst erhält man durch den Titel eine sehr konkrete Vorstellung von fremden Leibern und deren Stoffwechselprodukten. Somit wird die Invasion Frankreichs von Kluge nicht unter dem Aspekt der Katastrophe behandelt, sondern auch unter dem Gesichtspunkt des Grotesken. Das lässt sich vor allem gestalten, indem Dinge, Machtverhältnisse und Geschehen personifiziert werden. Der Überfall Frankreichs und insbesondere der Nationalsozialismus erscheinen wie unter einem umgekehrten Fernglas; aus Hitler werden statt eines »Berliner Messianismus«48 nur ein paar groteske Ausrufe vor den französischen Sehenswürdigkeiten und eine vormittägliche Rundfahrt durch Paris destilliert, »Hitlers glücklichste Reise«.49 Eine Episode lässt Kluge in dieser Erzählung jedoch aus, dass Hitler nämlich in Montparnasse habe aussteigen wollen oder ausgestiegen sei, um Brekers Atelier zu besichtigen,50 in Montparnasse, wo »dem Arbeiter Vuillemin eine Ladung von Exkrementen in die Staubecken geraten« war. Nun zögert Kluge niemals, Geschichten, die mit dem Darm verknüpft sind, zu erzählen. Besonders peinliche und folgenreiche Begebenheiten schildern »Der Taucher«51 und »Absichtsloses Glück«, und über letztere referierte Kluge auch in seiner Darmstädter Büchnerpreisrede, um ausgehend von dieser Begebenheit aus der US-Armee über die Intelligenz der Darmzotten52 zu sprechen. Andere Geschichten erzählen von Inkontinenz und Konstipation in der Zeit des Krieges53 und »Ankunft in der Neuen Welt«54 spricht von dem, was man früher als Gemüt bezeichnet hätte, von körperlichen und seelischen Eigenschaften, zu denen auch eine »Darmschwäche« auf Reisen gehören kann. Historisch gesichert, ist diese Reise für den 23. Juni verbürgt und auch fotografisch dokumentiert worden. Eine bebilderte Doppelseite des Illustrierten

47 Letztere geht von zwei getrennten Sphären aus, in denen »Parallelaktionen« (208) stattfinden, spiegelbildlich, mit völlig unterschiedlichen Intentionen. 48 Dominique Leca, La rupture de 1940, Paris 1978, S. 29. 49 Kluge, Lücke, S. 217 – 219. 50 »Breker teilte David Price-Jones später mit, daß Hitler gern das Atelier gesehen hätte. […] Die Legende besagt, daß Hitler und Breker tatsächlich vor dem Haus standen«, vgl. Lottman, Der Fall von Paris 1940, S. 477. 51 »Der Taucher«, in: Kluge, Chronik der Gefühle I, S. 363 f.; »Absichtsloses Glück«, in: Kluge, Lücke, S. 709 – 711. 52 »Büchnerpreisrede«, in: FAS, 26. 10. 2003, S. 23, wieder abgedruckt unter dem Titel »Das Innere des Erzählens. Georg Büchner«, in: Kluge, Fontane – Kleist – Deutschland – Büchner, Berlin 2004, S. 73 – 86, hier : S. 79 – 80. 53 »Kriegsglück als Krankheitsursache«, Kluge, Lücke, S. 636 – 638; »Arsch-Zeit. Episode von Juni 1941«, in: Schlachtbeschreibung, in: Chronik der Gefühle I, S. 510 – 793, hier S. 717 – 719. 54 »Ankunft in der Neuen Welt« ist eine Erzählung über die Seelenwanderung, in der es um Kluges Mutter Alice geht in: Tür an Tür, S. 25 – 28.

192

Susanne Marten

Beobachters findet sich an anderer Stelle bei Kluge abgebildet,55 dazu eine Fotomontage vor dem Eiffelturm, bei der aus dem Gruppenfoto eine Collage geworden ist, auf der viermal das Gesicht des Architekten Hermann Giesler und zweimal der linke Arm Keitels, und zwar gespiegelt einmal auch als rechter Arm Gieslers zu sehen ist. Durch diesen offensichtlichen Eingriff in die verklärende Führer-Ikonografie wird auch die materielle Spur des vergangenen Juni 1940 ins Groteske gewendet. Von der Katastrophe, die Hitler über Europa gebracht hat, bleibt letztlich als dessen einziger konkreter Lustgewinn nur die Rundfahrt, die in »Hitlers glücklichste Reise« nachgezeichnet und parodiert wird. Die im offenen Wagen auf offener Straße stattfindende Rundfahrt Hitlers mit seinen Adjutanten findet gleichzeitig, es »handelt sich um ein und dieselbe Aktion, nur auf zwei verschiedenen Schauplätzen« (209), von jenen unbemerkt, in einer parallelen Unterwelt statt, in der sie genau beobachtet werden: »Die Pulks, die in das Frischwasser nicht gehörten, schwammen jetzt dort im Kreise.« Statt die Katastrophe der Zivilisation zu beschwören, verlässt sich Kluge darauf, dass im Komischen zum Ausdruck kommt, was sich in der Forschung immer nur weiter differenzieren lässt. Es würde darum gehen, einmal den Nationalsozialismus von seinem leiblichen Ausdruck her zu verstehen, statt der Faszination seiner Armee, seiner Organisation, seiner Tabulosigkeit zu verfallen.

55 Facts & Fakes 4: Der Eiffelturm, King Kong und die weiße Frau, Berlin 2002.

Wolfgang Reichmann

»Attraktoren des Bösen«. Zu Alexander Kluges »Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter«

Wer vom Holocaust mit den Mitteln der Literatur, des Romans oder der Dichtung sprechen möchte, könne das nur »indirekt« tun. Eine direkte »Aneignung« der Opfer des Nationalsozialismus mit literarischen Mitteln sei schwierig, ja geradezu »illegitim«. Das könne man gar nicht machen, so Alexander Kluge in einem Radiogespräch, befragt nach seinen Geschichten und nach seiner literarischen Methode und mit deutlichem Anklang an Adornos Diktum von der Unmöglichkeit des Schreibens von Gedichten nach Auschwitz.1 Indirekt zu erzählen müsse man als Autor jedoch erst lernen: Nicht ohne Grund sei deshalb »Ein Liebesversuch«, Kluges wohl berühmtester literarischer Text überhaupt, 1962 im Debüt Lebensläufe die kürzeste der dort versammelten Erzählungen gewesen. Mit über achtzig Jahren sehe sich der Autor, der sich nach wie vor explizit als Erzähler der Kritischen Theorie versteht, dagegen heute – fünfzig Jahre später – in der Lage, das Thema »in mehr als einer Geschichte auszubreiten«.2 Die achtundvierzig Geschichten für Fritz Bauer in »Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter«3 legen davon Zeugnis ab, auch wenn der nur etwas mehr als hundert Seiten umfassende schmale Band, erschienen 2013 innerhalb der bibliophilen »Kleinen Reihe« des Suhrkamp Verlags, sich im Gegensatz zu den seit der Jahrtausendwende entstandenen monumentalen Sammelbänden für klugesche Maßstäbe geradezu unscheinbar ausnimmt – ein kleiner literarischer Epitaph und wohl auch zu verstehen als eine Form des Ausdrucks der Bescheidenheit und der Zurückhaltung angesichts der verbrecherischen Monstrosität des Gegenstandes. Auf vielschichtige Art und Weise ist dieser kleine Erzählungsband in das große multimediale Werk Kluges eingebettet. Er knüpft thematisch explizit an die frühesten Texte und ihre Entstehungszeit an, eine Zeit, als Fritz Bauer, dem 1 Vgl. Alexander Kluge, »Gespräch mit Cornelia Zetzsche«, in: radioTexte/Das offene Buch, Bayern 2, 14. 04. 2013. 2 Ebd. 3 Alexander Kluge, »Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter«. 48 Geschichten für Fritz Bauer, Berlin 2013. Im Folgenden zitiert mit einfacher Nennung der Seitenzahlen im Text.

194

Wolfgang Reichmann

das Buch im Untertitel gewidmet ist, in seiner Funktion als hessischer Generalstaatsanwalt federführend den ersten Frankfurter Auschwitzprozess vorbereitete: »Die Eindrücke aus den Ermittlungen und Prozessen« seien dabei Kluge zufolge »voller Frost« (S. 113) gewesen, wie er in der auch die Stimmung und die Atmosphäre der eigenen literarischen Arbeit charakterisierenden Widmung am Ende des Buchs anmerkt. Visuell eingerahmt sind die achtundvierzig Geschichten zudem von drei Ausschnitten aus Kluges Spielfilmdebüt Abschied von gestern (1966), in dem auch Fritz Bauer einen kleinen Auftritt hatte. Auf subtile Weise evozieren die in den Text integrierten Filmbilder inhaltliche, ebenfalls auf die frühen Lebensläufe zurückgehende, aber auch wesentliche methodischpoetologische Kontexte. Die beiden dem Hauptteil des Buchs vorangestellten Abbildungen zeigen auf einer Doppelseite zwei fliehende Hasen auf jüdischen Grabsteinen, die nicht nur im Zusammenhang mit dem in der Prolog-Geschichte geschilderten Begräbnis Fritz Bauers stehen, sondern zuallererst schon stille, auf (tröstende) Worte verzichtende, stumme Mahnmale der Verfolgung und Ermordung der Juden im Nationalsozialismus darstellen (vgl. S. 10 – 11). In ihrer paarweisen Anordnung weisen sie zudem voraus auf die sich durch das gesamte Buch ziehende, sich gegenseitig kommentierende Abfolge einer Vielzahl der darin enthaltenen (Parallel-)Geschichten. In Abschied von gestern sind die Grabsteine und die darauf abgebildeten leitmotivischen Hasen Teil einer der einprägsamsten Szenen des Films, in der das jüdische Schicksal der Hauptfigur Anita G. im Dritten Reich, ihre Flucht durch die Gegenwart der späten fünfziger Jahre sowie ein politischer Kommentar zur Teilung Deutschlands mit den Mitteln der Montage kunstvoll miteinander verwoben werden. Die in schnellen Schnitten montierten Grabsteine werden von Kluge unterlegt und kontrastiert mit der Melodie des Deutschlandlieds, das aus einem kleinen Radio ertönt. Anita G. und ihr Freund summen die Melodie dazu mit. Zunächst noch nach dem richtigen Text suchend, findet Anita schließlich unbewusst die Bildmontage bitter ironisch kommentierende Worte, die jedoch nicht zur Nationalhymne der Bundesrepublik, sondern zu jener der DDR gehören und die sich nicht so recht in den Verlauf der Melodie und schon gar nicht in den Kontext der jüdischen Grabsteine fügen wollen: »Glück und Frieden sei beschieden«. In »Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter« stellt Kluge diese komplex aufgeladenen, verdichteten Bildzitate aus dem eigenen filmischen Frühwerk – einprägsame Chiffren jener im Nachwort erwähnten »gespenstische(n) Fernwirkungen« (S. 113) zwischen Vergangenheit und Gegenwart – in einen neuen Werkzusammenhang. Schon der Titel des Buchs und die dazugehörige Prolog-Erzählung sind weitere anschauliche Beispiele für diese Form des mit vielfacher Bedeutung aufgeladenen (Selbst-)Zitats bei Kluge, für die komplexe Montagetechnik und eine Methode des Wiederaufgreifens, Zusammenführens und Weiterspinnens

»Attraktoren des Bösen«

195

196

Wolfgang Reichmann

von Motiven und Erzählfäden innerhalb eines dynamischen, sich als unabgeschlossener work in progress verstehenden Gesamtwerks. Der Titel »Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter« ist dabei, die Grundstruktur des Buchs bereits äußerst treffend charakterisierend, gleich in mehrfacher Hinsicht Zitat. Er geht zurück auf eine gleichnamige Geschichte, die erstmals 1977 in Neue Geschichten. Hefte 1 – 18 »Unheimlichkeit der Zeit«4 erschienen ist und die Kluge fünfundzwanzig Jahre später – ohne dies jedoch ausdrücklich zu kennzeichnen – zum autobiographischen Prolog seiner Fritz-Bauer-Texte perspektivisch transformiert. In der ursprünglichen Fassung noch in der dritten Person erzählt, tritt an die Stelle des dort durch eine Initiale anonymisierten »B.« in der Fassung von 2013 ein personales Ich, das im neuen paratextuellen Zusammenhang der Geschichte unweigerlich – angesichts des Erzählten jedoch keineswegs unproblematisch – als das Autor-Ich Kluges gelesen werden kann und damit konsequent der zunehmenden Bedeutung autobiographischer Reminiszenzen innerhalb des Erzählwerks seit Tür an Tür mit einem anderen Leben (2006) Rechnung trägt. Neben mehreren kleineren Änderungen und weiteren aufgelösten, in der ursprünglichen Erzählung noch abgekürzten Namen diverser auftretender Figuren, gibt Kluge in der Neufassung in einer Fußnote nun auch die Herkunft des titelgebenden Zitates preis, eine von lediglich zwei im Buch explizit angeführten Quellenangaben. Der zitierte Satz stammt aus einem anlässlich des Todes Siegfried Kracauers entstandenen Aufsatz Bazon Brocks, ein Teilsatz, der im Original im Kontext eines flammenden Protests gegen die Zumutungen des Todes steht: »Denn der Tod muß abgeschafft werden, diese verdammte Schweinerei muß aufhören. Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter an der Solidarität aller Menschen gegen den Tod. Wer sich hinreißen läßt aus noch so verständlichen Gründen, aus Anlaß des Todes Siegfried Kracauers ein rührendes Wort zu sprechen, eine Erklärung anzubieten, die Taten aufzuwiegen, die Existenz als erfüllte zu beschreiben, der entehrt ihn, läßt ihn nicht besser als die Mörder in die Kadaververwertungsanstalt abschleppen. […] Der Tod ist ein Skandal, eine viehische Schweinerei!«5

Herausgelöst aus seinem Ursprungszusammenhang wird der Ausspruch Brocks bei Kluge nicht nur zu einem persönlichen Kommentar des Autors zum Tod Fritz Bauers, sondern auch zur programmatisch poetologischen Abwandlung des von Adorno geäußerten grundlegenden ästhetischen Darstellungsproblems von Literatur nach Auschwitz, zum Ausdruck einer Sprachlosigkeit im Angesicht der 4 Alexander Kluge, Neue Geschichten. Hefte 1 – 18. »Unheimlichkeit der Zeit«, Frankfurt/M. 1977, S. 304 – 307; Alexander Kluge, Chronik der Gefühle. Bd. II: Lebensläufe, Frankfurt/M. 2000, S. 239 – 241. 5 Bazon Brock, Siegfried Kracauer ist tot – ich protestiere, in: ders., Ästhetik der Vermittlung. Arbeitsbiographie eines Generalisten, Köln 1977, S. 797.

»Attraktoren des Bösen«

197

Katastrophe, auf die der in Kluges Geschichte für die Musikauswahl des Begräbnisses zuständige Theodor W. Adorno mit einer an die Stelle der üblichen Trauerreden tretenden vollständigen Aufführung dreier später Streichquartette Beethovens reagiert: »Da die Musikdarbietung unmäßig lange dauert, keine Ansprachen stören, tritt eine intensive Beschäftigung mit dem Toten ein.« (S. 7) Alexander Kluges unter diesen Vorzeichen stehende literarische Reaktion auf die Verbrechen des Nationalsozialismus und die Schicksale ihrer Opfer ist die eingangs erwähnte Methode indirekten Erzählens, die vielstimmige Sammlung und konstellative Präsentation poetischer Mischformen aus Vorgefundenem und Erfundenem, von Geschichten, die mit ihren spezifischen vom antirealistischen Protest des Autors geprägten dokumentarischen Erzählverfahren weit entfernt sind von jeglicher Form poetischer Tröstung. Kluges Betonung einer für ihn notwendig werdenden Indirektheit der Erzählweise und der Hinweis auf die Tatsache, dass die im Buch enthaltenen Geschichten allesamt »überliefert«6 seien, wirft die Frage nach deren Herkunft auf.7 Ohne die poetologischen Prämissen seines Erzählens verkennen zu wollen – man denke etwa nur an den viel zitierten Grundsatz aus dem Kontext seiner Schlachtbeschreibung, wonach der dokumentarische Nachweis einer Szene diese nicht dokumentarischer mache, da jede Quelle bereits von der subjektiven Wahrnehmung des jeweiligen das Dokument herstellenden Individuums geprägt sei,8 weckt Kluges Methode doch das philologische Interesse an der Frage nach der Entstehung der Texte und nach der jeweiligen Bedeutung ihrer möglichen Vorlagen. Konkrete Nachweise und Quellenangaben, wie man sie etwa in eigenen Kapiteln am Ende der Chronik der Gefühle und in vielen anderen Büchern Kluges findet, und in denen zum Teil sehr direkt auf zugrundeliegende Quellen und Literatur hingewiesen wird, sucht man in »Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter« vergeblich. Neben dem expliziten Hinweis auf Bazon Brock als Urheber des Titelzitats findet sich im Buch, wie bereits erwähnt, nur ein einziger weiterer Literaturhinweis, der sich allerdings bei näherem Hinsehen als umso bedeutender erweist. In der Geschichte »Ein später Sieg des Spartakus« (S. 40 – 42), die vom Aufstand von Sobibûr im Oktober 1943 und seinem Anführer Alexander Petscherski erzählt, findet sich nach einem direkten Zitat in Klammern folgende Quellenangabe: »Saul Friedländer : Die Jahre der Vernichtung« (S. 41). Kurioserweise entpuppt sich gerade dieses einzige konkret nachgewiesene direkte Zitat als eine lediglich paraphrasierende Wiedergabe einer im genannten Buch den Aufstand 6 Vgl. u. a. Kluge, »Gespräch mit Cornelia Zetzsche«. 7 In den wenigen zu dieser verhältnismäßig kleinen Publikation Kluges erschienenen Rezensionen wurde das Fehlen von Quellenhinweisen mitunter heftig kritisiert. Vgl. etwa Hazel Rosenstrauch, »Woher ist das Material?«, in: Der Freitag, 27. 3. 2013, S. 17. 8 Vgl. Alexander Kluge, Chronik der Gefühle. Bd. I: Basisgeschichten, Frankfurt/M. 2000, S. 987.

198

Wolfgang Reichmann

und Petscherski betreffenden Textstelle.9 Nichts lässt auf den ersten Blick vermuten, dass sich der hier von Kluge erwähnte zweite Band von Saul Friedländers 2006 erschienenem und mit dem Pulitzer Preis ausgezeichneten Opus Magnum Das Dritte Reich und die Juden als die wesentliche historische Quelle für zumindest ein Drittel der »48 Geschichten für Fritz Bauer« angesehen werden muss und dass die vielen in seine Geschichten tatsächlich direkt übernommenen Passagen anders als im Fall des genannten Beispiels gerade nicht als Zitate ausgewiesen sind. Verblüffend und in gewisser Hinsicht manchmal geradezu erstaunlich ist, mit wie wenigen Quellen Kluge in seinem Geschichtenkonvolut auskommt und wie nah er sich dabei an den Vorlagen und ihren jeweiligen Erzählweisen orientiert. Anhand von ausgewählten Beispielen aus den auf Friedländer basierenden Geschichten sowie etwa zehn weiteren sich auf Kluges zweite Hauptquelle, die vom Freiburger Institut für Zeitgeschichte herausgegebene Quellensammlung zur Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden10 stützenden Texten, soll im Folgenden andeutungsweise gezeigt werden, auf welch vielfältige Art und Weise Kluge, ausgestattet mit der Souveränität und den Freiheiten des literarischen Erzählers, in seinen Geschichten zitiert, die vorgefundenen Rohstoffe einmal unerwartet »roh« belässt, dann wieder überraschend frei bearbeitet, um- und weiterschreibt. Zunächst und letztlich auch zurecht vermutet man authentische Zitate aus historischen Dokumenten dort, wo Kluge in den Geschichten selbst im Modus der Wiedergabe von Quellen operiert, etwa wenn er in »Engumgrenzte Anfänge: Anfertigung einer Kartei« (S. 25 – 26) wörtlich einen Vermerk des SS-Untersturmführers Dieter Wisliceny wiedergibt,11 in der direkt darauf folgenden Geschichte »In der Zeit, in der noch nichts endgültig entschieden war« (S. 27 – 28) eine Statistik zur Zahl der Juden im Deutschen Reich anführt,12 in »Wie Hitler vor Kameraden mit seiner taktischen Geschicklichkeit in der Judenfrage brilliert« (S. 88 – 90) eine Ansprache Hitlers,13 in »Ausflug nach Wilna am 2. September 1941« (S. 92) aus den Tagebüchern Joseph Goebbels14 und in »Die Leiden 9 Vgl. Saul Friedländer, Die Jahre der Vernichtung. Das Dritte Reich und die Juden. Zweiter Band. 1939 – 1945, München 2006, S. 588. 10 Götz Aly (etc.) (Hg.), Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 – 1945. Bd. 1: Deutsches Reich 1933 – 1937, bearbeitet v. Wolf Gruner, München 2008; Susanne Heim (etc.) (Hg.), Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 – 1945. Bd. 7: Sowjetunion mit annektierten Gebieten I. Besetzte sowjetische Gebiete unter deutscher Militärverwaltung, Baltikum und Transnistrien, bearbeitet v. Bert Hoppe/Hildrun Glass, München 2011. 11 Vgl. Aly, Verfolgung und Ermordung 1, S. 669. 12 Vgl. ebd., S. 423 – 425. 13 Vgl. ebd., S. 657 – 659. 14 Vgl. Hoppe/Glass, Verfolgung und Ermordung 7, S. 574 – 577.

»Attraktoren des Bösen«

199

eines Täters« (S. 66 – 68) einen den tatsächlich authentischen Fall einer posttraumatischen Hämorrhoiden-Erkrankung betreffenden Brief eines SS-Arztes an Heinrich Himmler zitiert.15 Erst bei näherer Gegenüberstellung der einzelnen Texte mit jenen aus den Editionen des Instituts für Zeitgeschichte zeigt sich, dass Kluge über die dort gesammelten Dokumente hinaus zusätzlich auch die jeweiligen Paratexte, editorischen Notizen und Fußnoten-Kommentare der Historiker in seinen Erzähltext integriert und die inhaltlichen Übergänge dabei verschwimmen lässt, wie etwa auf besonders deutliche Weise in der auf einen erzählerischen Tagebucheintrag eines Sechzehnjährigen zurückgehenden und durch die detaillierten biographischen Historiker-Anmerkungen ergänzten, bei Kluge zu einem einzigen neutralen Erzählerbericht transformierten »Berliner Kindheit um 1937, mit Sitz in Schlesien« (S. 38 – 39).16 Einen für Kluge typischen Eingriff in vorgefundene Dokumente findet man in der Geschichte vom »Kampf einer jüdischen Löwin um ihr Junges« (S. 96 – 97), deren in den historischen Quellen dokumentiertes,17 grausam tödliches Ende Kluge mit entschieden antirealistischem Impetus zu einer beinahe »tröstlichen« Überlebensgeschichte umformt. Eine unerwartete stilistische Transformation in die entgegengesetzte Richtung zeigt sich dagegen in der kurzen Erzählung »Reglementierung« (S. 87). Der persönliche und emotionale Bericht der Ärztin Hertha Nathorff über einen von ihr im November 1937 gehaltenen, von der Gestapo zensierten und überwachten Vortrag im Jüdischen Frauenbund schreibt Kluge darin um in eine stilistisch objektivierte protokollarisch-bürokratische Aktennotiz.18 Die literarische Verarbeitung des vorgefundenen Materials aus dem Werk Saul Friedländers steht hingegen unter etwas anderen Vorzeichen, handelt es sich dabei doch um einen bereits auf Quellen basierenden historischen Erzählerbericht, für dessen zwischen Literatur und Geschichtswissenschaft oszillierenden Stil der israelische Historiker und Autor von Kollegen bisweilen heftig kritisiert und mit dem Vorwurf literarischer Ästhetisierung konfrontiert wurde.19 Kluges schriftstellerischer Phantasie scheint der erzählerische Zugang Friedländers dagegen gerade entgegenzukommen. Ganze Reihen von bei Kluge in unmittelbarer Nähe zueinander stehenden Geschichten finden sich auch bei Friedländer in verblüffend übereinstimmend knapper Folge, etwa die gegenüber den jeweiligen Vorlagen nur minimal bearbeiteten Geschichten »Auf den 15 16 17 18 19

Vgl. ebd., S. 443 – 445. Vgl. Aly, Verfolgung und Ermordung 1, S. 638 – 639. Vgl. Hoppe/Glass, Verfolgung und Ermordung 7, S. 567. Vgl. Aly, Verfolgung und Ermordung 1, S. 740. Vgl. Hayden White, »Historical Discourse and Literary Theory. On Saul Friedländer’s Years of Extermination«, in: Norbert Frei/Wulf Kansteiner (Hg.), Den Holocaust erzählen. Historiographie zwischen wissenschaftlicher Empirie und narrativer Kreativität, Göttingen 2013, S. 51 – 78.

200

Wolfgang Reichmann

Schienen der Linie Nr. 2 der Straßenbahn warteten die Opfer« (S. 33) und »Wechsel der Wachen: Liquidierung einer überholten Planung« (S. 34) sowie »Ein Zwangstausch in Budapest 1944« (S. 31 – 32) und »Auf den Schienen der Bürokratie« (S. 35 – 37) die auch bei Friedländer unmittelbar aufeinander folgen.20 Geschichten wie etwa »Der Pogrom von Ias¸i« (S. 85) zeigen, wie unglaublich nah Kluge sich an der Vorlage Friedländers bewegt,21 sich aber im Zeichen der (wenn auch zum Teil nur minimalen) erzählerischen Verknappung gleichzeitig im historischen Detail durchaus Freiheiten erlaubt. In »Gefahr, die von Juden ausgeht« (S. 91) geht Kluge beispielsweise so weit, historisch überlieferte Aussagen Hitlers in erzählerischer Verdichtung und Dramatisierung dem Tagebuchschreiber Goebbels in den Mund zu legen.22 In der mit Kluges frühem Lebenslauf »Oberleutnant Boulanger«23 korrespondierenden Geschichte »Erst forschen, dann töten« (S. 16 – 17), die von zwei Feldforscherinnen handelt, die sich um die Erhaltung des für ihre »rassisch-anthropologischen« Studien notwenigen menschlichen »Materials« sorgen und bei ihren Vorgesetzten schriftlich Einspruch erheben, ist es ein von Friedländer geäußerter Hinweis auf die Ungewissheit des Ausgangs der Geschichte (»Wie die Antwort aus Lemberg ausgefallen sein mag, können wir nur mutmaßen«),24 die Kluge zum erzählerischen Weiterspinnen und zur historisch spekulativen Fortschreibung animiert. Andere, zunächst wie typisch klugesche, die tragischen Ausgänge der Lebensläufe hinsichtlich alternativ möglich gewesener Auswege befragende Schlusssätze mancher der Geschichten, stellen sich bei näherem Hinsehen dagegen als ebenfalls aus den Vorlagen übernommene Kommentare heraus.25 Am Ende des Buchs steht wieder eine Abbildung aus Abschied von gestern (S. 112). Sie zeigt diesmal Fritz Bauer alleine am Schreibtisch arbeitend und umgeben von hohen Aktenstapeln. Auf seine Person laufen die Geschichten des Bandes hinaus, er bildet das den Zusammenhang der Texte stiftende Zentrum und fungiert für Kluge als imaginärer Dialogpartner : »Ich sehe ihn vor mir so als ob er hier säße neben uns. Der stirbt ja für mich nicht. Der ist 2013 genauso aktuell wie 1962. Und deswegen habe ich diese Geschichten eigentlich hauptsächlich geschrieben im Dialog mit ihm. Und abgetastet, welche von diesen Geschichten würde er eigentlich gerne hören. Was würde er dazu sagen. Ich brauche ja einen Partner, dem ich es erzähle.«26 Vgl. Friedländer, Jahre der Vernichtung, S. 655 – 656 bzw. 671 – 672. Vgl. ebd., S. 253. Vgl. ebd., S. 376 – 377. Alexander Kluge, CdG II, S. 677 – 678. Friedländer, Jahre der Vernichtung, S. 327. Vgl. etwa Kluges »Der allerfranzösischste aller Juden: Jacques Helbronner« (19) und die dazugehörige Textstelle bei Friedländer, Jahre der Vernichtung, S. 583 – 584. 26 Kluge, »Gespräch mit Cornelia Zetzsche«. 20 21 22 23 24 25

»Attraktoren des Bösen«

201

202

Wolfgang Reichmann

Das Porträt von Fritz Bauer am Schreibtisch ist in seiner motivischen Vielschichtigkeit zudem aber auch eine weitere Variation des für Kluges literarisches Selbstverständnis so bedeutsamen Bildes vom vertrauenswürdigen Orientierungsarbeiter »Hieronymus im Gehäuse«, der Bücher exzerpiert, Kommentare einfügt und sich dabei dialogisch »an allem bereits in Schrift Überlieferten«27 orientiert.

27 Alexander Kluge/Oskar Negt, Der unterschätzte Mensch. Gemeinsame Philosophie. Bd. 2: Geschichte und Eigensinn, Frankfurt/M. 2001, S. 1006 – 1009.

Rainer Stollmann

Phoenix Öffentlichkeit. Menschen sind keine Privatiers

Das Office for Contemporary Art in Oslo hat von 10. April bis 22. Juni 2014 die Ausstellung »Present Impressions, Past Wishes and Future Fulfillment« gezeigt, in der auf vier Monitoren Video-Installationen bzw. TV-Produktionen von Alexander Kluge zu sehen waren. Am 25. Juni war der Film Der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit zu sehen. Aus diesem Anlass hielt Rainer Stollmann einen einführenden Vortrag über den Begriff »Öffentlichkeit« und seine Bedeutung für Kluges Arbeit. Wir drucken diesen Vortrag, der an ein Publikum gerichtet war, das den Namen Kluges vermutlich zum ersten Mal hörte, mit leichten Veränderungen im Folgenden ab. ***

(1) Es soll in diesem Vortrag vor allem um den Begriff der Öffentlichkeit gehen, aber ich glaube, ich sollte Ihnen zuerst Alexander Kluge kurz vorstellen. Mir ist aufgefallen, wie wenig dabei Fakten allein etwas aussagen. So ist Kluge z. B. 1932 geboren. Immer noch, seit 26 Jahren, produziert er wöchentlich zwei Magazine seines Autorenfernsehens von 45 und 25 Minuten Länge, und wenn man alle Fernsehsendungen addiert, so kommt man seit 1988 in die Nähe von ca. 2.000 Stunden Sendezeit. Ebenfalls jedes Jahr produziert er mindestens ein Buch mit Geschichten (im vergangenen Jahr zusammen mit Gerhard Richter Nachricht von ruhigen Momenten, dann einen Band über die NS-Judenverfolgung, ferner zwanzig Geschichten zum 100. Geburtstag des deutschen Dichters Arno Schmidt, in diesem Jahr : 30. April 1945: Der Tag, an dem Hitler sich erschoß und die Westbindung der Deutschen begann). – So was schafft doch kein alter Mann! – Oder wenn wir ein bekanntes Faktum aus Kluges Kinderzeit hinzunehmen: Er erlebte am 8. April 1945 wie sein Elternhaus in Halberstadt im Bombenhagel verbrannte; der Dreizehnjährige lag nur einige Meter entfernt vom Bomben-

204

Rainer Stollmann

einschlag im Keller. Es hätte ihn leicht treffen können. Ein solches Erlebnis kann traumatisch sein. Wenn ich darüber spekulieren darf, wie dieses knappe, zufällige Entkommen seiner Familie in Kluges Leben sitzt, dann habe ich eher den Eindruck, dass es ihm eine große innere Freiheit, eine bemerkenswerte Souveränität des Denkens und der Phantasie verschafft hat, etwa in dem Sinne: Wenn ich schon einmal zufällig dem Tod entkommen bin, vor welchen Mächten und Autoritäten soll ich mich dann noch fürchten? – Lassen Sie mich noch eine dritte Information hinzufügen: In einer späten Geschichte,1 die Kluge erst vor wenigen Jahren veröffentlicht hat, bekennt er, sein »wahres Motiv« für seine literarische Produktion sei es gewesen, die Trennung seiner Eltern, die er als Neunjähriger erlitt, rückgängig zu machen. Das hätte man aber aus sämtlichen Fakten seines Lebenslaufs nicht erschließen können, wenn er es nicht selbst erzählt hätte. Ich will deshalb hier eine kurze Vorstellung einmal anders versuchen, und zwar mit Zitaten von Kluge, die ich kurz kommentiere. Zu dem eben Erzählten passt folgendes Zitat: »Das Subjektive ist der Fehler.«

Bertolt Brecht hatte, auf den Krieg bezogen, formuliert: »General, dein Tank ist ein starker Wagen. Er bricht einen Wald nieder und zermalmt hundert Menschen. Aber er hat einen Fehler : Er braucht einen Fahrer.«2 Das gilt nicht nur für den Krieg oder für Maschinen, sondern, um es mit habermasschen Begriffen auszudrücken: Systemwelt und Lebenswelt haben sich voneinander getrennt, sodass, was in der Lebenswelt passiert, in der Systemwelt mehr und mehr als bloßer »Fehler« erscheint. So wie es die IT-Experten heute als Witz formulieren: Die schlimmste Fehlerquelle des Computers sitzt immer vor dem Bildschirm! Fügen wir gleich ein Zitat zum selben Thema an, das mir das allerwichtigste, mein Lieblingszitat ist und m. E. Kluges gesamte Produktion bestimmt: »Das Allerobjektivste ist das Subjektive.«

Sie bemerken, das ist eine gewisse Umkehrung des ersten Zitats: Das Subjektive ist zwar der Fehler, aber dieser Fehler ist »das Allerobjektivste«. Wir wissen ja, dass die Begriffe Objekt und Subjekt öfters Bäumchen-wechsel-dich gespielt haben: Zunächst war das »Subjekt« das Unterworfene oder zu Unterwerfende, also das dem Menschen Äußerliche, so wie es heute noch im frz. »Sujet« des Malers überlebt. Dann wurde das »Subjekt« das Lebendige, das Menschliche, dem die Objektivität der Welt gegenübersteht. Diese uns heutige Menschen 1 Alexander Kluge, Tür an Tür mit einem anderen Leben. 350 neue Geschichten, Frankfurt/M. 2006, S. 594. 2 Bertolt Brecht, Svendborger Gedichte, in: ders., Gesammelte Werke in 20 Bänden, hg. vom Suhrkamp Verlag in Zusammenarbeit mit Elisabeth Hauptmann, Bd. 9, Frankfurt/M. 1976, S. 638.

Phoenix Öffentlichkeit

205

bestimmende Haltung, die in der Regel das Subjektive als das dem Objektiven machtlos Gegenüberstehende versteht, ja, eigentlich als das Falsche (wenn man sagt: das ist rein subjektiv, das ist nur so ein Gefühl u. ä.), kehrt Kluge um. Die menschliche Natur, und zwar die erste, biologische, aber auch viele Eigenschaften der zweiten, historisch-gesellschaftlichen Natur (wie z. B. die Liebe oder das Lachen und Weinen) sind härtere Materie als Beton. Sie sind Resultate menschheitsgeschichtlicher Erfahrungen (wie z. B. der aufrechte Gang, die Hirnentwicklung oder die Mutterliebe), die man »objektiv«, allgemeinverbindlich nennen muss und an der keine Systemwelt etwas ändern kann. Ich darf an dieser Stelle ein erläuterndes Beispiel von Kluge zitieren. In seinem zusammen mit Oskar Negt geschriebenen großen Theorie-Werk mit dem bezeichnenden Titel Der unterschätzte Mensch heißt es: »Es wäre ein plausibler Einfall eines nationalsozialistischen Vierjahresplanes oder eines Rüstungsprogramms, die Schwangerschaft von 9 auf 6 Monate zu verkürzen. Offensichtlich geht das nicht.«3 Wenn man an diesem Widerspruch zwischen objektiver menschlicher Natur und den Phantasmen der Macht weiterforscht, dann kommt man auch zu solchen Einsichten wie der, dass im Grunde der Mensch nicht industrialisierbar ist, obwohl doch viel in dieser Richtung gearbeitet wird. Ich mute Ihnen noch zwei weitere Zitate zu, die in dieselbe Richtung gehen, zunächst ein poetisches: »Gegenständlich und bestimmt ist der Umgang mit vier Milliarden Jahren Evolution, 2000 Jahren Geschichtszeit, gesamter Landschaft der Industrie und Gefühl des ganzen Körpers. Die Zellen wissen alles bis zu den Sternen hin, der Kopf hat so etwas nie erfahren oder vergessen.«4

Das, kann man sagen, ist Kluges Menschenbild oder Realitätsvorstellung. Was davon subtrahiert, kann nicht Realität sein. Sie wissen aber alle, wie oft man im Leben explizit und noch mehr implizit, durch den stummen Zwang der Verhältnisse (wie Marx sagen würde), aufgefordert wird, »realistisch« zu handeln und zu denken, womit gemeint ist: passe dich der »Realität« an, verzichte auf Wünsche, beuge dich, abstrahiere von deinen Gefühlen. Von diesem konformistischen Realismus, der die Welt beherrscht, der so etwas wie ihre neue Religion, die Religion der gestrandeten Aufklärung ist, sagt Kluge: »Die schärfste Ideologie: dass die Realität sich auf ihren realistischen Charakter beruft.«5

3 Oskar Negt/Alexander Kluge, Der unterschätzte Mensch. Gemeinsame Philosophie in zwei Bänden, Bd. 2, Geschichte und Eigensinn, Frankfurt/M. 2001, S. 37. 4 Ebd., S. 151. 5 Alexander Kluge, Die schärfste Ideologie: dass die Realität sich auf ihren realistischen

206

Rainer Stollmann

Mit anderen Worten: Die Realität ist, gemessen an der Objektivität des Subjektiven, nicht realistisch. Ich werde nun gleich zu unserem Thema, der »Öffentlichkeit« übergehen, möchte nur zum Schluss dieses ersten Abschnittes über Kluge selbst hinzufügen, dass alles, was ich zitiert habe, ja, eigentlich die gesamte Arbeit Alexander Kluges in der kritischen Theorie wurzelt. Kluge hat Adorno als junger Mann kennengelernt, Kluges Freund Oskar Negt spricht einmal davon, Kluge sei Adornos »Lieblingssohn« gewesen, er hat ihn dazu gebracht, mit ihm ein Buch über den Film zu schreiben (das infolge von Adornos frühem Tod nicht realisiert werden konnte), obwohl Adorno, der sich zum Bilderverbot nach Auschwitz bekannte, doch vom Film sagte: Kino ist schön, nur die Bilder stören. (Dieses Motiv des Ikonoklasmus, dem Kluge anhängt, kehrt übrigens in dem Film The Blind Director wieder, den Sie heute Abend sehen werden.) Kluge kann am besten verstanden werden als der Autor, der die kritische Theorie in die Literatur und die Bildersprache übersetzt. Damit ist nun allerdings nicht gemeint, dass alle Positionen Adornos übernommen werden, nicht die Negative Dialektik, und z. B. auch nicht der Gedanke, dass Kunst das einzige Refugium des Widerstandes in einer total »verwalteten Welt« sei.

(2) Wenn ich mich in meinem Wohnzimmer aufhalte, bin ich privat, gebe ich eine Party, dann öffnet sich das Private, gehe ich auf der Straße spazieren, dann halte ich mich in der Öffentlichkeit auf. Insofern scheint in der zivilisierten Welt Öffentlichkeit von selbst da zu sein. Oft wird der Wert von etwas erst dann bemerkt, wenn es im Verschwinden begriffen ist. Die Brüder Grimm begannen Anfang des 19. Jahrhunderts die Märchen aufzuschreiben, weil, wie sie sagen, die »Gartenplätze und Häuserecken« im Verschwinden sind, an denen die Märchen erzählt wurden«. Das war die Zeit der beginnenden Industrialisierung. Jürgen Habermas, mit dem Kluge befreundet ist, hat seinen wissenschaftlichen Klassiker Strukturwandel der Öffentlichkeit, der noch heute an den Universitäten der Welt gelesen wird, 1962 veröffentlicht. Fünf Jahre später bemerkten die protestierenden Studenten, dass es für sie eine »freie Presse« nicht gab, sondern dass sie einer Wand aus Lüge und Verleumdung gegenüberstanden. Sie begannen daraufhin Horkheimers/Adornos Dialektik der Aufklärung zu lesen und in der Fortsetzung auch Habermas’ Buch, und zu verstehen, dass sie es nicht mehr mit »Öffentlichkeit«, sondern mit einer »Kultur-« oder »Bewusstseinsindustrie« zu Charakter beruft (1975), in: ders., In Gefahr und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod, hg. von Christian Schulte, Berlin 1999, S. 127 – 135.

Phoenix Öffentlichkeit

207

tun hatten, der es nicht um öffentliche Diskussion von allgemeinen Problemen geht, sondern die vielmehr auf die Bewirtschaftung von Affekten abzielt, die während des Arbeits- und Familienalltags keinen Ausdruck finden können. Habermas sprach für die Massenpresse von einer »Refeudalisierung der Öffentlichkeit«, was heißt, dass die demokratische, streitbare, staatskritische Öffentlichkeit des Bürgertums des 18. Jahrhunderts sich in eine repräsentative Öffentlichkeit zurückverwandelt hatte, nur repräsentierte sie nicht mehr die absolute Macht des Königtums, sondern die der kapitalistisch verfassten Gesellschaft. In dem Augenblick entstand das Konzept der »Gegenöffentlichkeit«. Von ihr habe ich im Titel dieses Vortrags versuchsweise behauptet, sie sei ein »Phoenix«, denn auch, wenn der Begriff nur noch selten gebraucht wird, so sind doch die Studenten auf dem Tian’amnen, die Demonstranten in Lybien, in Tunesien und Ägypten ebenso Produzenten von Öffentlichkeit, auch wenn sie sich heute nicht mehr über Wandzeitungen an den Uni-Fluren, sondern über das Internet verabreden, wie es Edward Snowden tut. An ihm sieht man übrigens auch, dass Gegenöffentlichkeit/Öffentlichkeit nichts irgendwie Linkes ist, denn Snowden war Kriegsfreiwilliger und Anhänger der republikanischen Partei. Die Zerstörung von Öffentlichkeit procediert, so ist z. B. das gesamte Medienimperium von Rupert Murdoch eine Megamaschine zur Zerstörung von Öffentlichkeit. Auch das Internet, so sehr es neue Öffentlichkeitsformen herstellt, zerstört gleichzeitig auch die Öffentlichkeit der klassischen Zeitung, sodass wir erkennen: Öffentlichkeit ist etwas, für das man kämpfen oder arbeiten muss. Aber zugleich ist verblüffend, welches Urvertrauen Menschen immer wieder – Snowden ist dafür das beste aktuelle Beispiel, aber für die Demonstranten in Kairo, Ankara, Tunis und Kiew gilt das genauso – in die Kraft der Öffentlichkeit setzen, wenn diese doch etwas relativ Junges ist, das es erst seit 200 Jahren wirklich gibt. Man kann sich fragen, ob hier nicht gewisse psychologische Übertragungen, etwa aus der elterlichen Autorität, eine Rolle spielen müssen, die die Öffentlichkeit als Autorität der Gerechtigkeit projizieren. Die wirkliche Bedeutung von Öffentlichkeit hat Kant am eindrücklichsten formuliert. Wie Sie wissen, war Kant ziemlich sesshaft und hat selbst nicht viel von der Welt gesehen, aber jeden Morgen hat er begierig die neuen Zeitungen gelesen, die mit den Schiffen nach Königsberg hereinkamen. Sie wissen auch, dass Kant das individuelle Denken, das Selberdenken, »Sapere aude!«, als fundamentale emanzipatorische Kraft begriff. Und doch hat er der Öffentlichkeit ein solches Gewicht beigelegt, dass man sagen kann: Individuelles Denken, also »Ausgang aus Unmündigkeit«, ist ohne Öffentlichkeit überhaupt nicht möglich. Um meinen eigenen Gedanken und Gefühlen trauen zu können, brauche ich unbedingt den Spiegel der anderen.

208

Rainer Stollmann

Kant schreibt: »Es ist für jeden einzelnen Menschen schwer, sich aus der ihm beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit herauszuarbeiten … Dass aber ein Publikum sich selbst aufkläre, ist eher möglich; ja, es ist, wenn man ihm nur Freiheit läßt, beinahe unausbleiblich.«

Und weiter : »Zwar sagt man: die Freiheit zu sprechen oder zu schreiben, könne uns zwar durch obere Gewalt, aber die Freiheit zu denken durch sie gar nicht genommen werden [einige von Ihnen kennen ja vielleicht das deutsche Volkslied »Die Gedanken sind frei«]. Allein wieviel und mit welcher Richtung würden wir wohl denken, wenn wir nicht gleichsam in Gemeinschaft mit anderen, denen wir unsere und die uns ihre Gedanken mitteilen, dächten!«6

Man darf also zuspitzen: Allein kann keiner lange denken und fühlen. Robinson würde verkümmern. Die frühen Zeitungen wurden in England und Frankreich im 18. Jahrhundert in den Kaffeehäusern gemeinschaftlich gelesen und vorgelesen. Es gab die lebendigen Spiegel der anderen und die Spiegel aus Druckerschwärze gleichzeitig. Der Gegenpol davon ist heute der moderne Höhlenmensch und sein Fernsehapparat. Man versteht, wenn es authentische Spiegel der anderen gar nicht mehr gibt, sondern nur einen großen Zerrspiegel der Bewusstseinsindustrie, der im Grunde unterschwellig immer nur das eine zurückspiegelt, nämlich: du bist unwichtig, deine Gedanken sind gleichgültig, also die eigene Ohnmacht reflektiert – dann wird Aufklärung immer wieder gefährdet.

(3) In Habermas’ Buch gibt es neben der bürgerlichen oder klassischen Öffentlichkeit – vor allem der Zeitungen und ihrer Zerfallsformen in der Massenpresse am Ende des 19. Jahrhunderts – keine »Gegenöffentlichkeit«. Die »plebejische Öffentlichkeit«, die sich in den Massenrevolten der Französischen Revolution, in der englischen Chartistenbewegung und immer wieder in der europäischen Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts zeige, gilt Habermas als »im historischen Prozeß […] unterdrückte Variante« und Erbe der klassischen Öffentlichkeit des 18. Jahrhunderts.7 Alle, die seitdem von »Gegenöffentlichkeit« gesprochen haben, müssen Habermas an diesem Punkt widersprechen. Als erste 6 Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 11. Aufl., Darmstadt/Neuwied 1980, S. 129. 7 Ebd., S. 8.

Phoenix Öffentlichkeit

209

und ausführlich haben das Alexander Kluge und Oskar Negt getan in ihrem ersten Buch Öffentlichkeit und Erfahrung. Zur Organisationsanalyse von bürgerlicher und proletarischer Erfahrung. Das Buch ist 500 Seiten stark und wurde nach Erscheinen 1972 von den Studenten genauso studiert wie das Buch von Habermas. Wenn Sie heute diesen Titel hören, werden Sie vielleicht innerlich die Brauen runzeln: »Proletarisch« – gibt es so etwas denn noch? Und gab es das etwa 1972? Vielleicht gilt hier derselbe Gedanke, den ich eingangs erwähnte: dass wichtige Dinge manchmal erst dann wahrgenommen werden, wenn sie verschwinden. Der Begriff »proletarisch« ist jedenfalls heute aus allen öffentlichen Diskursen völlig verschwunden. Selbst der Begriff »Arbeiter« hat heute etwas Anachronistisches: Arbeiter gab es im Prozess der Industriellen Revolution, im Bergbau, in der Schwerindustrie; heute wird der Prozess der »digitalen Revolution« von »Programmierern« oder »IT-Spezialisten« getragen, die mit den früheren Arbeitern nichts gemeinsam haben. (Interessanterweise werden die unselbständigen Programmschreiber im Jargon der IT-Branche manchmal »Sklaven« genannt.) Es ist eigentümlich, dass im Unterschied zum Begriff des »Proletariers« der des »Kapitalismus« nicht verschwunden ist. Alle Welt, sogar große konservative Blätter, reden heute, besonders nach der Finanzkrise von 2008, vom »Kapitalismus«, und zwar meistens kritisch. Für Marx wäre aber ein »Kapitalismus« ohne »Proletarier« undenkbar gewesen, es sind zwei Seiten einer Medaille. Kapitalismus ohne Proletarier, das wäre ein Kapitalismus ohne Objekt zum Ausbeuten, und das ist unmöglich. Man könnte also in Anlehnung an ein weltbekanntes Lied fragen: Where have all the Proletarians gone, long time passing?8 Erlauben Sie, dass ich diejenigen unter Ihnen, die sowieso nicht glauben, dass Marx zum 21. Jahrhundert noch etwas Relevantes zu sagen hätte und die deshalb Erörterungen über das Wort »proletarisch« nur mit Skepsis folgen können, mit einer direkten Antwort auf diese Frage verblüffe, die Alexander Kluge selbst gegeben hat: Was früher die Proletarier waren, das sind heute die Gefühle. Der Konflikt zwischen Sozialismus und Kapitalismus, der in der äußeren Wirklichkeit nicht gelöst werden konnte, wird zwangsläufig von den Menschen verinnerlicht und so mitbestimmend für ihr Alltagsleben. Lassen Sie mich versuchen, Ihnen das zunächst metaphorisch zu erläutern. Wenn wir uns für einen Moment vorstellen, dass jeder einzelne von uns ein Schiffchen auf dem großen Meer des Lebens ist, dann sind alle diese Schiffchen heute folgendermaßen konstruiert, oder sie haben folgendes Konstruktionsideal, weil sie alle glauben, dass man damit am besten schwere Zeiten durchsteht: 8 Vgl. zur Sache und zum Begriff »proletarisch«: Oskar Negt/Alexander Kluge, »Was heißt proletarisch? Über einen Suchbegriff der klassischen Ökonomie«, in: Der unterschätzte Mensch, Bd. 1, S. 298 – 307; Das Proletariat – als Substanz und als Summe von Eigenschaften, in: ebd., S. 670 – 674.

210

Rainer Stollmann

Am Steuerrad steht als Kapitän der Verstand, und der Motor wird befeuert von den Motiven; Motive sind dasselbe wie Gefühle, das, was mich bewegt. Das sind die kapitalistisch erfolgreichen Schiffchen, rationale Menschen, wenn man einmal davon absieht, dass auch sie nicht jedem Tsunami gewachsen sind. Diese Schiffe müssen umgebaut werden, sagt Kluge, ans Steuer müssen die Gefühle und der Verstand muss der Motor sein. Denn im Grunde sind Gefühle unfähig zum Antreiben, sie werden als Motor missbraucht. Was sie wirklich können, ist nicht Antreiben, Befeuern, sondern Unterscheiden: Ich fühle, ob etwas heiß oder kalt ist, das ist der Ursprung des Gefühls: Unterscheidungsvermögen. Insofern können die Gefühle viel besser orientieren als der etwas gröbere Verstand. Mit diesem Umbauprozess verhält es sich ähnlich wie bei Marx’ proletarischer Revolution: Die Vorstellung, dass Proletarier und Kapitalisten, Gefühle und Verstand ihre Positionen tauschen, ist natürlich zu einfach. Verstand und Gefühle werden sich in diesem Prozess verändern müssen, der Verstand ist »verdicktes Gefühl«, also im Kern auch Unterscheidungsvermögen, aber nicht ganz so lebendig wie Gefühle. Man kann sich vorstellen, dass so ein Schiffchenumbau, und dazu noch auf hoher See – denn einen Hafen im Leben gibt es nicht; ersatzweise ist die Theorie oder die Poesie ein Hafen – besonders für ein Einzelschiffchen, ganz nach Kant, sehr schwierig sein wird. Deshalb braucht man dafür eine Öffentlichkeit oder Gegenöffentlichkeit, die solche Prozesse zulässt. Seitdem sich die bürgerliche Welt im 18. Jahrhundert zu etablieren begann, gibt es, weil das Vertrauen auf eine religiöse Heilsgeschichte nicht mehr zu halten war, Namen für das historische Subjekt: der Weltgeist, das Bürgertum, das Proletariat, die »Dritte Welt« oder die »N¦gritude«, die dann bei Negri und Hardt als »Multitude« wiederkehrt – ersatzweise sprechen einige Unverfrorene auch heute noch von »Kommunismus«. Sie bemerken, dass das Subjekt immer nebliger und abstrakter wird. Die kritische Theorie, und das gilt gleichermaßen für Adorno, Habermas, Negt/Kluge und viele andere, hat daraus die Konsequenz gezogen, auf die Benennung eines historischen Subjekts zu verzichten. Auch bei Habermas geht der Riss von Lebenswelt und Systemwelt mitten durch jeden Menschen hindurch. Die philosophische und wissenschaftliche Tradition jedoch, die so stark um den Vernunftbegriff zentriert ist, hindert alle Universitätsdenker daran, wie es Kluge eben tut, den Begriff des »Gefühls« als Alternative ins Spiel zu bringen. Trotzdem glaube ich, dass Kluge jedenfalls in Bezug auf Adorno konsequent handelt. Bei Adorno war es die Kunst, die letzter Statthalter der Utopie in einer totalitären, katastrophischen, identischen Welt (des Kalten Krieges) blieb, und von den Künsten war es zunächst die Musik, der Adornos ungeteilte Liebe galt. Er selbst hatte ja Musiker werden wollen und bei Alban Berg studiert. Nun ist Musik von allen Künsten am reinsten Sprache der Gefühle, allerdings ohne dass sie auf mathematische Präzision verzichten muss, was für die Stimmung der Instrumente gilt, aber auch z. B. für die Praxis der Zwölf-

Phoenix Öffentlichkeit

211

tonmusik. Alles, was Kluge, verglichen mit Adorno tut, ist, das hochkulturelle Gefängnis oder die Türen des Konzertsaals öffnen, wohin Adorno in der großen Theorie (nicht in seiner praktischen Tätigkeit des öffentlichen Intellektuellen) geflüchtet ist. Jeder Mensch, auch der unmusikalischste, hat doch Gefühle, d. h. erstaunlich differenziertes Unterscheidungsvermögen. Es kommt alles darauf an, davon so viel wie möglich öffentlich zu produzieren: »massenhafte Produktion von Unterscheidungsvermögen« heißt das bei Kluge. Das ist dann Gegenöffentlichkeit, und das ist es, was (natürlich nicht nur) Kluge in literarischer oder philosophischer Sprache oder in Film- und Fernsehbildern sein ganzes Leben lang tut. Die Gefühle, so wie sie sind und vor allem so falsch, wie wir sie nach den Lehren des rationalen 18. Jahrhunderts und später der innerlich fixierten Romantik verstehen, sind nicht das positive Subjekt der Geschichte – Kluge ist niemand, der irgendwie einem ominösen »Bauchgefühl« vertraut –, aber sie sind, ähnlich wie die Proletarier im Kapitalismus, die ja auch nicht Proletarier bleiben wollen, die Form menschlicher Eigenschaften, die das meiste Recht zum Protest hat. Lassen Sie mich, bevor ich gleich wieder auf Öffentlichkeit zu sprechen komme, noch einige Sätze zum Begriff des Gefühls anfügen. Jeder von uns würde etwa dem Satz zustimmen, dass Angst ein starkes Gefühl ist. Damit sind wir aber der rationalen Affektenlehre des 18. Jahrhunderts schon auf den Leim gegangen, die bis heute auch die herrschenden Strömungen der Psychologie dominiert. Zweifellos »fühlen« wir innerlich etwas Starkes, wenn wir Angst haben, wir sind gewiss nicht ruhig und heiter. Aber in Wahrheit ist Angst eher das Gegenteil von Gefühl, das stärkste Antigefühl. Denn wenn ich Angst habe und aus Angst handle, also Angst als Orientierung in der Außenwelt zugrunde lege, dann bin ich nur zu zwei Aktionen fähig: weglaufen oder zuschlagen, Flucht oder Aggression. Das aber ist ungefähr das allergröbste Unterscheidungsvermögen, das es gibt, denn Gewalt, ob aktiv (zuschlagen) oder passiv (weglaufen) unterscheidet am Objekt gar nichts, sondern distanziert sich davon oder beschädigt es. Das, was wir an Namen für Gefühle kennen, Sehnsucht, Liebe, Schüchternheit, Zorn, Ergriffenheit, Angst, sind alles mehr oder weniger große ideologische Klumpen, Zusammenballungen, aber keine elementaren Gefühle. Jeder Mensch hat in jedem Moment 500 elementare Gefühle, d. h. Arten an Unterscheidungsvermögen in sich, für die wir aber keine Namen haben. Das sind unsere inneren Proletarier – und übrigens auch Bauern und Handwerker –, die unsere wirklichen Bewegungen im Leben bestimmen, allerdings in permanentem Konflikt mit anderen inneren und äußeren Instanzen. Außer ihnen, die nicht an und für sich Subjekt der Geschichte sind – aber auch das Schicksal oder die Realität oder der Kapitalismus oder die Vernunft usw. sind das nicht –, gibt es aber kein anderes Subjekt. Auf lange Sicht – erinnern Sie sich an das eingangs erwähnte Zitat: »Gegenständlich und bestimmt sind …« – setzen sie sich durch,

212

Rainer Stollmann

ohne dass man diese Zuversicht in irgendeiner Weise als »Optimismus« bezeichnen könnte, wenn es doch Jahrhunderte, bestimmt aber Jahrzehnte des Irrtums geben kann und ganze Gesellschaften in die Irreale gehen können. Auch können wir natürlich nie wissen, ob nicht längst schon in der Menschheitsgeschichte etwas passiert ist, das zum Untergang führen wird. Wer will denn mit Sicherheit sagen, dass der aufrechte Gang ein Erfolgsmodell ist? Ich kann mir gut eine Kluge-Geschichte vorstellen, in der Forscher aus dem Weltall im vierten Jahrtausend unseren blauen Planeten betreten, und, ähnlich wie wir über den Untergang der Saurier, über den Untergang der Menschenspezies rätseln und dabei herausfinden, dass der aufrechte Gang die Wurzel allen Übels war. Denn damit verließ die Evolution ihr Zeitmaß, es setzte ein Schweinsgalopp ein, binnen nur drei Millionen Jahren hatten die Menschen die Herrschaft über den ganzen Planeten erlangt. Das kann doch nicht gut gehen! Das wuchs wie ein Hefekuchen und entfernte sich von jeder inneren und äußeren Natur in Machtphantasmen.

(4) Ich habe eben versucht Ihnen die Triebbasis für Gegenöffentlichkeit/Öffentlichkeit darzustellen, wobei Triebbasis nicht ganz richtig ist, denn Gefühle sind schon Vermittler zwischen dunkler Triebbasis, also dem, was Freud das ES nennt, und der Außenwelt. In einem Interview hat Kluge einmal gesagt, er wisse eigentlich gar nicht, was Kunst sei. Dasselbe kann einer, der ein dickes Buch darüber geschrieben hat, von der Öffentlichkeit nicht behaupten. So dass sich vielleicht Kluges gesamte Produktion leichter unter dem Aspekt der Öffentlichkeit als unter dem der Kunst verstehen lässt. Wenn man beim Lesen von Kluges Texten oder beim Anschauen seiner Filme und Fernsehbeiträge trotzdem immer das Gefühl hat, dass etwas Poetisches, also vor allem das Reden in Metaphern, die Grundierung aller Produktionen abgibt, dann wohl deswegen, weil seine eigene Arbeitsweise sich natürlich davon bestimmen lässt, dass die Gefühle, also die Unterscheidungsvermögen, die Orientierung und Richtung abgeben. Dass für Kluge Öffentlichkeit wichtiger ist als Kunst, zeigt sich zunächst in seinem politischen Handeln. Als 1983 der deutsche Autorenfilm, der für zwanzig Jahre (mit Namen wie Fassbinder, Herzog, Schlöndorff, Reitz) eine ernstzunehmende Gegenöffentlichkeit auf dem Kinomarkt darstellte, teilweise durch die Feindschaft der konservativen Regierung erstickt wurde, ging Kluge, anders als alle anderen Autorenfilmer, ins Fernsehen und versuchte dort die Prinzipien des Autorenfilms am Leben zu halten. Eine Maxime wie die von Rosa Luxemburg: »Bei der Mehrheit bleiben, auch wenn sie irrt«, also eine politische Ein-

Phoenix Öffentlichkeit

213

sicht, war dafür maßgeblich, zumal das Fernsehen bis heute das öffentliche Leitmedium ist. Dagegen ist die Verachtung, die unter den Autorenfilmern für das Fernsehen herrschte, eben nicht politisch bestimmt, sondern künstlerisch. Ich kann heute in Deutschland unter etwa 150 TV-Kanälen auswählen. Man stelle sich einmal vor, es hätten dreißig Regisseure, Schriftsteller, Theaterleute, Musiker in den siebziger Jahren dafür gekämpft, wenigstens einen Kanal selbst betreiben zu dürfen – und das wäre doch für eine Kulturnation auch finanziell nicht unmöglich gewesen, selbst mit der Werbewirtschaft hätte man sich arrangieren können –, so hätten wir heute unter »57 Channels And Nothin’ On«, wie Bruce Springsteen das so schön ausdrückt, wenigstens ein Exemplar einer künstlerisch bestimmten Gegenöffentlichkeit, eine Art Oase in der Wüste der sonstigen Fernsehlandschaft. Jetzt macht Kluge das alleine auf zwei Kommerzsendern, dort immer unter Druck und Anfeindung. Das ist beachtlich und in guten Zeiten hatte er in der Woche schon einmal eine Million Zuschauer bei drei wöchentlichen Magazinen, aber es ist doch eben eher die Position eines Rufers in der Wüste als die einer ganzen Oase. Um hier und seit einigen Jahren auch im Internet einige Stabilität zu erreichen, ist Kluge Kooperationen eingegangen, vor allem mit dem Spiegel, also dem führenden deutschen Nachrichtenmagazin, das selbst im Privatfernsehen sendet. Ich erinnere mich, dass 1967 oder 1968 der Spiegel den Studenten um Rudi Dutschke angeboten hat, wöchentlich eine Seite im Spiegel zu schreiben. Die Studenten haben das damals abgelehnt, weil sie sich nicht von der bürgerlichen Öffentlichkeit korrumpieren lassen wollten. Das war schon damals falsch, heute, wo die klassische Öffentlichkeit der Zeitungen durch Bewusstseinsindustrie und Internet immer mehr in Bedrängnis gerät, ist der Spiegel ja schon fast selbst eine Gegenöffentlichkeit geworden. Bevor ich zum Schluß ein paar kommentierende Worte zu dem Film sage, den Sie gleich sehen werden, möchte ich mich noch kurz mit einer Art Resümee beschäftigen, das Kluge der Wiederveröffentlichung des Buches Öffentlichkeit und Erfahrung (1972) im Jahre 2001 vorangestellt hat: »Die wichtigsten, auch die größten Mengen an ERFAHRUNG machen die Menschen in der Intimität (Aufwachsen, Liebe, Verlust) und in der Arbeitswelt. Beide großen Bereiche sind privat. ÖFFENTLICHKEIT und damit die Gemeinwesen müssen mit den restlichen Energien auskommen, die vom Lebenskampf übrigbleiben. Das macht sie anfällig. Öffentlichkeit ist ein wertvolles Gemeingut. Geht sie verloren, ist sie durch nichts anderes zu ersetzen. Für Öffentlichkeit gibt es kein Äquivalent, und man kann es sich nicht leisten, Kräfte auszugrenzen, wenn es darum geht, beschädigte Öffentlichkeit wiederherzustellen. Sie ist die einzige uns bekannte Produktionsform von selbstbe-

214

Rainer Stollmann

wußter gesellschaftlicher Erfahrung. Ohne Öffentlichkeit gibt es auch keine konsistente private Erfahrung.«9

Den Begriff Erfahrung können Sie hier entweder im naiven Sinn als Zusammenhang von Erlebtem verstehen oder auch im theoretisch fundierten Sinne von Kant: »Begriff ohne Anschauung ist leer, Anschauung ohne Begriff ist blind«, d. h. die Reflexion gehört zur Erfahrung, sie sedimentiert sich in Begriffen und vor allem in Gefühlen. Dass Kluge die Arbeitswelt als privat bezeichnet, kann bei uns heute schon eine leichte Irritation hervorrufen, wenn es doch weltumspannende Konzerne gibt, die mehr öffentliche Macht haben als viele Staaten. Sicher ist unsere Wirtschaft Privatwirtschaft, niemand kann in einen Betrieb hineingehen und da einfach fotografieren oder Umfragen durchführen. Aber die leichte Irritation, die Kluges Satz hervorrufen mag, hat ihren Grund darin, dass aus der materiellen Produktion, gefüttert von kommerziellem Interesse, sich »Produktionsöffentlichkeiten« herausgebildet haben (Privatfernsehen, Werbewirtschaft, Lobbyismus), die sich alle Mühe geben, die klassischen Öffentlichkeiten zu verdrängen. Der nächste Satz enthält lakonisch zusammengefasst die Kritik an der bürgerlichen Öffentlichkeit: Familie und Betrieb, menschliche Beziehungen und Organisation der Arbeit sind aus ihr ausgeschlossen. Man halte dagegen eine kurze Definition über den Unterschied von Kapitalismus und Kommunismus: Kapitalismus ist die Produktion von Waren mit anhängender Produktion von menschlichen Beziehungen, Kommunismus ist die Produktion von menschlichen Beziehungen mit anhängender Warenproduktion.10 Menschen, die nicht bloß Waren, sondern ihren eigenen Lebenszusammenhang produzieren wollen, müssen sich aber über Familie, Kinder, Ehe und über die Formen von Arbeit öffentlich verständigen können. Der zweite Abschnitt des Zitats zeigt vielleicht etwas realistischer als ich es mit den Metaphern von der Oase oder dem Rufer in der Wüste gefasst habe, als was sich Kluge selbst versteht: als Klempner, als Reparateur von Öffentlichkeit. Im Fernsehen z. B. achtet er strikt darauf, das einzubringen, was sonst nicht im Fernsehen erscheint. Das, sagt er, ist die eigentliche Aufgabe eines Mediums, es muss Vermittler sein. Man braucht dagegen nur einmal daran zu denken, wie gerne sich das Mainstream-TV mit sich selbst beschäftigt oder selbstinszenierte Scheinrealitäten abfilmt, um zu verstehen, dass schon dieser einfache Gedanke heute auf Gegenöffentlichkeit gerichtet ist.

9 Negt/Kluge, Der unterschätzte Mensch, Bd. 1, S. 333. 10 Vgl. Negt/Kluge, Der unterschätzte Mensch, Bd. 2, S. 1149.

Phoenix Öffentlichkeit

215

(5) Kluge liebt das Kino. Vom Fernsehen könnte man das nicht behaupten. Im Grunde macht er im Fernsehen auch Film. Die spezielle Öffentlichkeitsform Kino ist – etwa im Unterschied zu Büchern, Zeitungen, Oper, Theater – historisch, zeitlich und technisch dem nahe, was Kluge in den siebziger Jahren »proletarische Öffentlichkeit« nannte. Kino gehört wie die Nähmaschine – die Marx »revolutionär« nannte, wo der Stoff auch unter einem quadratischen Füßchen an der Nadel vorbeirattert – noch zur ersten industriellen Revolution; jedenfalls gehört Kino nicht zum Fernsehen und zur Digitalisierung. Kino kommt von den Jahrmärkten, die ersten Kinos in den Großstädten waren Stehkinos, in die man auf dem Weg von der Arbeit nach Hause hineinging, ein Bier trank und rauchte. Man geht jedenfalls, anders als bei Fernsehen, Zeitung und Radio, zum Kino hin und bildet (wie hier im Saal) ein physisch fassbares Publikum auf Zeit. Ein physisches Publikum aber ist (siehe Kant) ein eigenes Wesen, es sieht und empfindet anders als ein Individuum. Kluges Filme erscheinen im Kino z. B. viel komischer – einer sieht etwas Komisches, lacht, die andern lachen mit. Allein zu Hause bleibt man stumm. Das frühe Kino hatte wegen seiner technischen Unzulänglichkeit überhaupt eine Nähe zur Komik. Fast alle großen Filmregisseure (u. a. Bergman, BuÇuel, Godard) haben darauf hingewiesen, dass es im Kino die Hälfte der Zeit dunkel ist – wenn nämlich das Bild transportiert wird. Unsere Augen mögen sich darüber täuschen lassen, trotzdem ist es so. »Im Kino sehen die Augen eine achtundvierzigstel Sekunde nach außen, eine achtundvierzigstel Sekunde sehen sie nach innen. Das ist etwas sehr Schönes.«11 Jetzt können in der Dunkelheit, in die wir gekrochen sind, die Bildsequenzen symbolische innere Flüsse in Gang setzen, die sowohl intim als auch öffentlich sind. Anders als Walter Benjamin geht Kluge davon aus, dass das Kino, auch wenn der Film »technisch reproduzierbar« ist, trotzdem noch eine Aura hat, die das Publikum mitbringt. Erst das Fernsehen verliert die Aura, und selbst dort ist sie noch rudimentär zu finden. Fernsehen erzeugt im schlimmsten Fall den einsamen modernen Höhlenmenschen, das kann Kino gar nicht, wenn es doch ohne Publikum gar nicht existieren kann. Ganz im Sinne des Hesse-Satzes, den Adorno wiederholt hat: »Allem Anfang wohnt ein Zauber inne«, knüpft Kluge an das frühe Kino an, an die Minutenfilme der »primitive diversity« in den amerikanischen Großstädten, an Vertov mit seinen schnellen Schnitten, die noch von heutigen Popmusik-Videos nicht immer übertroffen werden, an den frühen europäischen Stummfilm. Godard hat gesagt, die Filmgeschichte ist eine Utopie geblieben, d. h. Kino konnte sich als 11 Alexander Kluge, Der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit. Das Drehbuch zum Film, Frankfurt/M. 1985, S. 56.

216

Rainer Stollmann

Produktivkraft nicht entfalten, weil es in erstickenden Produktionsverhältnissen leben musste.12 Das können Einzelne nicht wirklich durchbrechen, auch wenn sie wie Godard oder Kluge in ihrer künstlerischen Arbeit fast keine Kompromisse machen. Kluge hat einmal gesagt, dass »Handlung« im Film eigentlich schon ein solcher Kompromiss sei.13 Und seit er nicht mehr fürs Kino, sondern für Galerien und auf DVD produziert, verzichtet er auf Handlung, stattdessen Bilder, die man so noch nicht gesehen hat. Wobei ich aber gleich hinzufügen muss, dass Bilder für einen Adorno-Anhänger – und Adorno ging ja nach Auschwitz vom Bilderverbot für die Kunst aus – nicht Ziel oder Sinn des Filmes sind. In der Geschichte der Oper mit ihren opulenten Bildern – so wie man sagt: das ist aber »große Oper« – heißt nicht zufällig eine der berühmtesten »Die Macht des Schicksals«. Ein Meisterwerk Kluges, der selbst ein großer Opernfreund, aber der Überzeugung ist, dass in diesem »Kraftwerk der Gefühle« etwas grundsätzlich schief gelaufen ist, heißt im Gegensatz dazu »Die Macht der Gefühle«. Das ist elementar gemeint im Sinne von: wie können wir Unterscheidungen treffen, die auf Auswege aus dem Schicksal zielen; es richtet sich gegen die tödlichen Zusammenballungen der Oper und der Realität. Die Bilder, behauptet Kluge, macht in einem Film gar nicht der Regisseur oder die Kamera, sondern der Zuschauer. Das wichtigste Mittel dabei ist die Montage: Zwei unterschiedliche Bilder oder Bildsequenzen stoßen aneinander ; aus diesem Zusammenstoß produziert, wenn die Montage gelingt, der Zuschauer sein eignes, drittes Bild. Diese Epiphanie, die auf keinem Zelluloidstreifen zu sehen ist, ist der wirkliche Film. Regisseure können nur an dem inneren Bilderstrom der Menschen – ein Kino, das es seit der Jungsteinzeit gibt, von emanzipativ bis imperialistisch (Ästhetisierungen, Brutalitäten, Angstkino) – partizipieren.

(6) Wenn Sie den Film The Blind Director sehen, dann denken Sie doch einmal an den Zirkus. In ihm gilt die Nummerndramaturgie, wobei Montage eine Rolle spielt: Es treten nicht erst alle Artisten und dann alle Tiere nacheinander auf, obwohl das vielleicht beim Aufbau der Geräte rationeller wäre. Von Tarkowski stammt die Formulierung, es gehe beim Filmen um die »Versiegelung der Zeit«. Kluges vierzehn Kinofilme versiegeln die zwanzig Jahre zwischen 1966 und 1986. Man könnte sie alle auch als einen einzigen, sehr langen Film begreifen, von dem 12 Jean-Luc Godard, Histoire(s) du cin¦ma 1998. In dem Film fällt der Satz: »Eine Geschichte des Kinos gibt es nicht.« 13 Vgl. dazu Alexander Kluge, Geschichten vom Kino, Frankfurt/M. 2007, S. 168 – 170: Unterschiede verfilmen.

Phoenix Öffentlichkeit

217

wir heute nur einen der späten Teile zeigen. Im Deutschen trägt der Film den Titel Der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit. Damit ist etwas gemeint, das nicht nur Kluge zu jener Zeit wahrgenommen hat, in der Geschichtswissenschaft und Soziologie ist die Formulierung vom »Absolutismus der Gegenwart« bis heute gebräuchlich. Sehr viele Schriftsteller der Welt haben den Satz von William Faulkner zitiert: »Die Vergangenheit ist nicht tot, sie ist nicht einmal vergangen.« Die parasitäre Ausdehnung der Gegenwart ist das Gegenteil einer lebendigen Vergangenheit, sie ist deren Leugnung. Sie erinnern sich vielleicht an einen wissenschaftlichen Bestseller aus dem Jahr 1992 von Francis Fukuyama mit dem Titel The End of History and the Last Man. Das war ein Versuch die »Ausdehnung der Gegenwart« positiv zu deuten, als ob alle Geschichte in einer ewigen neoliberalen Demokratie ende. Kluges Film ist historisch, fast dreißig Jahre alt. Ein anderer bekannter deutscher Film jener Zeit hieß Die bleierne Zeit (1981). Unter Reagan war Europa in Furcht vor einem Dritten Weltkrieg, die Sowjetunion bestand noch, Deutschland war zweigeteilt. Inzwischen sieht die Welt anders aus, die Zwillingstürme in New York stehen nicht mehr, neue Kriege finden statt, das Bleierne oder ausgedehnt Gegenwärtige der Achtziger ist von neuer Dramatik überlagert worden. Trotzdem ist die Ausdehnung der Gegenwart noch lebendig. Wenn Sie an die am Anfang dieses Vortrags genannten Zitate über Subjektivität und Objektivität denken, deren Dialektik Kluge ja umkehrt, dann liegt nahe, dass Kluge die Gründe für eine gedehnte Gegenwart im Subjektiven verankert. Eine anthropologische Wurzel ist der in jedem Menschen vorhandene Protest gegen den Tod, der in diesem Film in mehreren Geschichten vorkommt. Am Schluss sehen Sie die lange Sequenz »The Blind Director«. Das ist zunächst eine Hommage an Fritz Lang, der beim Drehen seiner letzten Filme tatsächlich fast blind war. Wir wissen alle, dass Beethoven taub war, auch an Homer könnte man denken. Der blinde Regisseur verfilmt eine Geschichte aus dem Mittelalter : ein Mönch, der eine Totenwache bei einer jungen Frau hält, vergeht sich an der Leiche, die daraufhin wieder zum Leben erwacht. Wenn Sie diese Vorstellung schockiert, dann darf ich Sie daran erinnern, dass es sich hier nur um eine etwas verschärfte Variante des Schneewittchen- oder Dornröschen-Motivs handelt, also um etwas, das wir alle kennen. Es ist eine Metapher für das produktive Verhältnis aller drei Zeiten, die wir in uns tragen und ohne die wir nach Freud gar nicht leben könnten. Der Mönch muss einerseits seiner inneren Natur folgen, andererseits etwas riskieren, auf das keine Begriffe passen: Es ist keine Vergewaltigung, denn das Mädchen war ja tot, außerdem geht er zärtlich zu Werke – achten Sie einmal auf den kleinen Zeh der Toten. Es ist aber auch keine Leichenschändung, denn sie wird ja wieder lebendig. Ich möchte Ihnen zum Schluss etwas wünschen, das es im Film auch ohne Suspense, Eskapismus und gewalttätige Bilder gibt: Viel Vergnügen!

Alexander Kluge

Provisorisches Protokoll des Treffens mit Oskar Negt am 13. und 14. Juni 2014 in Wien

1 Ich treffe den alten Freund unter Bäumen im Gartenbereich des Restaurants Adam. Als wissenschaftlicher Gast lebt er seit mehreren Monaten in der österreichischen Hauptstadt. An diesem Vormittag ist Oskar Negt von Klagenfurt, wo er einen Vortrag hielt, nach Wien zurückgekommen. Meine Frau und ich sind aus München in der Mittagszeit eingetroffen. In der Hitze des Sommertags sitzt Oskar Negt mit Hemd und Hosenträgern da. Auch nach üppigem Mahl ist er nicht müde. Wegen des Straßenlärms wechseln wir in sein Quartier. Im Innenhof seines Domizils ist es schattig und ruhig. Unser Treffen haben wir seit einem halben Jahr vereinbart.

2 Vor allem wollten wir uns wiedersehen. Dann aber geht es auch darum, die Zusammenarbeit erneut aufzunehmen. Seit 1972 entwickeln wir gemeinsam »Suchbegriffe«. Sie sind niedergelegt in drei Büchern und einer großen Zahl von aufgezeichneten Gesprächen. Im Stadtkino Wien wird aus diesen Aufzeichnungen übermorgen eine zweistündige Zusammenfassung vorgeführt. Es liegt nahe, die Kette unserer »Suchbegriffe« anhand unserer Beobachtungen neu zu überprüfen und zuzuspitzen. Die Form davon könnten auch solche Protokollskizzen sein. Zunächst ist wichtig, daß wir die Gespräche regelmäßig wieder aufnehmen. Jeweils einer von uns soll die Elemente notieren.

220

Alexander Kluge

3 Vor kurzer Zeit hat Negt den Tiergarten in Schloß Schönbrunn besichtigt. Er berichtet von großer Ruhe und einem gewissen Überfluß an Zeit, was ihm die Beobachtung der Tiere signalisiert hätte. Der Pandabär, von dem viel gesprochen wird, habe den Zuschauern und somit auch ihm den Rücken gekehrt und davon auch, nachdem Negt etwa 40 Minuten gewartet hatte, nicht abgelassen. Ähnlich zeitaufwendig die Nilpferde. Sie schnüffelten, gleich wie lange der Beobachter geduldig wartete, im Nahbereich ihrer Schnauzen am staubigen Boden. Ins große Wasserbecken, das für ihre gewaltigen Körper wenige Meter neben ihnen bereit stand, und dessen Schwappwasser, wenn sich die Nilpferde hineingewälzt hätten, ein Ereignis dargestellt hätte, gingen sie nicht. Gegen Abend verließ Negt den Tiergarten mit einem neu überprüften Suchbegriff für evolutionäre Zeiten, aber auch für »Zeitmaße der Gefangenschaft«.

4 Im Alter von fünf Jahren: Kapkeim/Ostpreußen. Negt empfindet das als eine Zeit des energischen Herumlaufens, der vita activa. Man kann aus Materialien und Werkzeugen Kutschen zusammenbauen und Kutschfahrten unternehmen. Das Pferdezaumzeug ist echt. Es fehlt dann für die Arbeit des Vaters, wenn es über Nacht bei der Installation verbleibt, die dem Spiel dient. Der junge Oskar Negt wird um fünf Uhr früh vom Vater aus dem Bett geholt. Er muß den Verbleib des Zaumzeugs erklären, muß es herbeiholen. Er muß seine Nachlässigkeit korrigieren, bestraft wird er nicht. Er lernt, daß ein Zaumzeug ein Realwerkzeug, kein bloßes Echtheitselement im Spiel ist. Auch Nägel sind eine Realität, Negt hat sie in einer Höhle gesammelt, die er sich für allerlei Vorräte gegraben hatte. Er sammelt auch Verpackungen. Demnächst wird er 80. Die Zeitstrecke zurück bis Kapkeim, das bei Kaliningrad ein von unserem Lande recht getrenntes Leben führt, ist weit: für Negt ein aktueller Zusammenhang. Wir tauschen aus: Edgar Reitz hat dem Ort, an dem er geboren wurde und aufwuchs, im Hunsrück, eine Filmtrilogie gewidmet und jetzt einen vierten Film hinzugefügt, der sich auf die Auswanderer aus seiner Heimat bezieht, die nach Brasilien zogen. In Negts Lebensbeschreibung geht es in den ersten Kapiteln um seine Kinderzeit im ehemaligen Ostpreußen. Ich hatte den Plan, gemeinsam mit Edgar Reitz den Nordharz und meine Heimatstadt Halberstadt zu filmen: »Projekt: Brocken«. Leider haben wir das nicht ausgeführt.

Provisorisches Protokoll des Treffens mit Oskar Negt

221

5 Die Integration Europas gehört zu Negts Hauptthemen. Ließe sich ein Kernbereich der EU-Initiativen auf die empfindlichsten, konfliktreichsten Zonen Europas konzentrieren? Zum Beispiel auf das Baskenland, auf Nordirland, Korsika, ausgewählte Probleme im Süden Italiens, die Nahtstelle zwischen Europa und dem Impuls der Arbeitsimmigranten aus Afrika an den Meerengen zu Süditalien oder bei Gibraltar? Nach Sigmund Freud soll die heilende Analyse immer »an der Widerstandslinie entlang« geführt werden. Ist es relevant, Europas Vielfalt (und nicht die Allgemeinheiten, generellen Übereinstimmungen, die Einheit nur vorspiegeln) zum Ausgangspunkt der Verfassung und der politischen Arbeit zu machen? Ballungsräume wie Stuttgart, Mailand oder Lyon verhalten sich wie fremde Planeten zu ruhigeren Teilen Europas wie Graubünden, Schottland, Mecklenburg oder die Vend¦e. Wie lassen sich die Strukturen des Ruhrgebiets (als einer Zone des Umbruchs und der Neuorientierung) mit den Strukturen des ehemaligen Industriegürtels in Mittelengland (zwischen Manchester und Birmingham) vergleichen? Welche Aufgaben einer europäischen Entwicklung liegen dort, während andere in den agrarischen Strukturen des Ostens liegen? Gibt es anwendbare Erfahrungen aus Detroit? Welche Musik wird dort gemacht? Was sind die Erfahrungen mit dem Strukturwandel in Detroit? Wir müssen Geschichten von der deutschen Einwanderung in die USA erzählen, wenn wir die Frage der Einigelung Europas, die Abgrenzung gegen Arbeits- und Verzweiflungsemigration aus Afrika an den Grenzen der EU, beurteilen wollen. Man muß versuchen, aus dem Jahr 2040 den Blick auf das laufende Jahr 2014 zu richten. Das ist die notwendige Ergänzung zu dem Hundertjahresblick: 1914 – 2014, eine Perspektive, die angesichts der Geschehnisse in der Ukraine und im Nahen Osten überraschend wirkt. Europa, betont Negt, braucht eine Begründung aus der Nacherzählung aller einzelnen Elemente, aus denen es authentisch besteht und die bloß ökonomisch betrachtet, keinen Zusammenhang bilden. Die Ökonomie ist fein einwirkend und grob zugleich (fein nur darin, daß sie in alle Poren eindringt und dort zum Beispiel etwas für wertlos erklärt oder wegwirft, also Macht besitzt; grob ist sie in der Art, wie sie diese Macht anwendet). Jürgen Habermas konstruiert die Unabweisbarkeit von Europa aus dem Wunsch nach Partizipation, Verfassungsgerechtigkeit und der Produktion von allgemein geltenden Rechtsnormen. Oskar Negt ergänzt das mit starken Akzenten aus der Perspektive der Arbeit. Tatsächlich ist für die Emanzipation von Ländern und Gesellschaften der Produzentenstolz ein starkes Fundament.

222

Alexander Kluge

6 Wer die zusammengeschossenen Menschen im ukrainischen Bürgerkrieg, die Verwüstung eines Gemeinwesens, zu verantworten hat, trägt eine schwere Last. Wann entstand die Debatte über eine Assoziierung von Georgien und der Ukraine an die EU? 2007 ging dieser Debatte die Initiative voraus, Georgien und die Ukraine in die NATO einzubringen. Dann auf hoher Improvisationsstufe und rein beamtenmäßig der naive Ansatz, ohne Rücksichtnahme auf Rußland (also nicht in einem Dreiecksverhältnis, sondern durch direkte Subsumtion) ein Assoziierungsabkommen zwischen EU und der Ukraine durchzusetzen. Man muß die Einzelschritte der Administration des EU-Erweiterungskommissars Füle je einzeln beschreiben. Es geht nicht um das Finden eines Schuldigen, sondern um die Beschreibung eines dysfunktionalen Apparats, einer von Rechtsvorschriften gesteuerten Mechanik, die innenorientiert arbeitet, als gäbe es keine historischen Minengelände. Phrasen in der Presse, totale Überforderung der Staatskanzleien. Das ist 1914 das Minengelände. Was ist das Minengelände heute? Negt weist darauf hin, daß das bittere Leid der Bevölkerung in der Ukraine, die von beiden Seiten, der russischen und der westlichen, zum Instrument gemacht wird, nicht einmal der Hauptpunkt ist. Sieht man auf die »Typik des Vorkriegs«, so ist das Gefährlichste die Vermehrung der Planstellen, der Rüstungen bei der NATO, in den USA und in Rußland, also die Spirale der Rüstungsausgaben. Das müssen wir von 2040 rückwärts blickend betrachten, sagt Negt. Ergänzt von der unübersehbaren Zahl weiterer Konflikte und Minenfelder zwischen den Spratly-Inseln und dem Nahen Osten.

7 Suchbegriff: Ortsansässigkeit lebendiger Arbeit. Die Distributionsverhältnisse des Kapitals können, ähnlich wie die Kommunikationsstrukturen, tatsächlich globalisiert und auf dem Erdball ubiquitär wirksam sein. Das gilt auch für breite Teile der toten Arbeit. Lebendige Arbeit ist jedoch stets die unmittelbare Verknüpfung örtlicher Menschen mit örtlichen Dingen. Wir debattieren die Skala der Beobachtungen. Um 1840 lebt der Fabrikbesitzer inmitten seines Betriebs. Noch der Wiederaufbau während des sogenannten Wirtschaftswunders ist personal verknüpft. Das Gleiche gilt für den wesentlich größeren Maßstab des Wirtschaftsbooms in den USA nach Wiedereingliederung der Soldaten nach 1945. Wir notieren eine Liste von Fragen, welche die lebendige Arbeit kennzeichnen. Das Wort Globalisierung verhält sich dazu als Phrase.

Provisorisches Protokoll des Treffens mit Oskar Negt

223

8 Suchbegriffe: geringe Fähigkeit des Kapitals, das Kernprodukt Kooperation zu produzieren. Kooperation als emanzipatorisches Produkt. Erst die Erfahrung von Kooperation, Derivat davon Produzentenstolz. Davon ein Derivat: Emanzipation. Derivate werden quasi absichtslos mitproduziert. Sie bleiben wirksam, würden sie stabilisiert und nicht vergessen. Themenfelder : – Entwertung der Erfahrung; – Unabweisbares Bedürfnis nach Bindungen. Entwertung von Bindungen; – Entwertungsgeschwindigkeit, kürzer als eine Generation; – Bindungsimpuls wird freiflottierend, kann durch Dritte, auch durch reaktionäre Bewegungen angeeignet werden. Selbstzerstörerische Wirkung. Sekten. Negt bringt die von ihm entwickelten acht Schlüsselkompetenzen ein.

9 Rückgewinnung enteigneter Zeit und enteigneter Erfahrung.

10 Am nächsten Tag macht Negt einen Gegenbesuch in meinem Hotel. Bis er eintrifft habe ich ein bewegendes Treffen mit einem Menschen, den ich seit 1956 kenne. Dann bis zum späten Nachmittag Gespräch mit Negt. Meinem Temperament nach bin ich eher unruhig, Negt bleibt stets ruhig. Die Kritik, die ich brauche, erhalte ich durch seine bloße Gegenwart. Vermutlich ist sie gar nicht als Kritik gemeint. Er will mich nicht kritisieren (nicht in so kurzer Zeit eines Treffens), allein die Abwesenheit von Hysterie und seine Beharrlichkeit über so viele Jahre hinweg enthält eine gut dosierte Portion Kritik. Es ist kein Baldrian, es ist ein altes Kraut des Geistes: Geduld. Er kann warten, er lehrt mich abzuwarten und hinzusehen. Geduldig wohnt er am Abend im Stadtkino einem Film von mir bei. Er verrät nicht, was er davon hält. Er verfolgt nur ruhig das Geschehen auf der Leinwand. Infolgedessen denke ich erneut über die Filme nach. Kooperation ist nicht unbedingt verbal und vertauscht gern das Subjekt, das gerade arbeitet.

224

Alexander Kluge

11 Nächste Schritte: Dieses Protokoll ist provisorisch. Es fordert, daß Negt seine Notizen zu dem Treffen dazu querschreibt, daß wir genauer niederlegen, worüber wir gesprochen und was wir teilweise verabredet haben. Wir erinnern uns gegenseitig an das letzte (in Klammern gesetzte) Wort in der Erstausgabe der DIALEKTIK DER AUFKLÄRUNG: »(fortzusetzen)«. Dies wird immer wieder gelten: Suchbegriffe brauchen ihre Fortsetzung. Sie existieren nicht als Feststellung, sondern in der Sequenzfolge. Unser wichtigstes Thema: KONKRETISIERTER BEGRIFF DER ENTFREMDUNG IM 21. JAHRHUNDERT. »Der Weg in die Entfremdung ist stets zugleich der Weg aus der Entfremdung.« Ein Problem der Kritischen Theorie: die Schwarzseherei. Kassandra muß bei der Wahrheit bleiben. Schönfärben gilt nicht. Daraufhin gewinnt sie, so sehr Troja in Not ist, keine Mehrheiten. Kein Ausweg ist »Doping für die Theorie«. So etwas würde zwar Hoffnung instand setzen (die Praxis davon konnte man im studentischen Protest gelegentlich beobachten), für Theorie ist das kein Weg. Ein gutes Medikament ist der Anblick eines verläßlichen Gefährten, der ruhig bleibt, und das nicht aus Phlegma. Wäre ich Robinson, müßte ich verzweifeln. Da ich in Gesellschaft bin, muß ich es nicht. Nicht zuletzt das Bild des Pandabären, der es nicht für nötig hält, seine Blickrichtung auf den Zuschauer zu wenden, der aber wiederum von einem ruhigen Augenpaar geduldig betrachtet wird, gibt mir Zuversicht.

Herbert Holl

Die Übergabe des Philosophen – wie Kluge Heidegger aussetzt mit Texten von Kza Han: Vier Wasserwürfel1

Heideggers a„on – Die vita eines Philosophen ist seine Philosophie, der Lebenslauf eines denkenden Lebewesens. Unter den von Kluge ausgezeichneten Philosophen – Friedrich Nietzsche, Walter Benjamin, Theodor W. Adorno, Niklas Luhmann … – wird Martin Heidegger den äußersten Situationen ausgesetzt im steten Wechsel der Ernstfälle, in Ereignisgewässern: der »erfundene Ernstfall« Heideggers auf der Krim im Jahre 1941, der erhoffte, enttäuschte Ernstfall auf der griechischen Kreuzfahrt 1962 – Delos, Davos – der zurückgezogene Ernstfall auf Burg Wildenstein 1945, der beschworene SchlageterErnstfall des Freiburger Rektors 1933 … Aus diesen Zeit- und Raumspannen eines zerklüfteten aiún macht Kluge Heidegger zum Wandler von Gedanken, Taten, Untaten als ein gespensterhafter eingeschlossener Dritter in der Lücke, die Hitler, der »unsichtbare Dritte«, nach Jean Pierre Faye, durch die »totalitären Sprachen« in Zentrum und Peripherie hinterlassen hat.2 Für Kluge wie für Heidegger geht es um Anfang und Ende der Geschichte/ Geschichten, um Anfang und Ende der Philosophie – Heidegger mit Heraklit, Kluge mit Heraklit, Adorno mit Heidegger … vom Wesen der Universität seit der Humboldt’schen idealistischen Neugründung zu ihrer Selbstbehauptung durch Selbstenthauptung durch Heidegger. Kluge erfährt sich mehr denn je als »Wächter von letzten Resten (…) der Grammatik der Zeit«,3 der auf das Kommen in der Jetztzeit des Feuers und dem Äon Wasser eigensinnig ausharrt. Er wird Heideggers Geschehendes und Vollendetes, Gewesenes und Wesendes durch die Knochenmühle von Verdun hindurch in dem unzitierten Wort »Ge-

1 Vier Wasserwürfel sind Alexander Kluge gewidmet. »Zˇuvys« und »Vandenis« sind zwei Geˇ iurlionis’ Zyklus Zodiakas. »Zˇuvys« bedeutet im Litauischen das mäldegedichte nach M.K. C Tierkreiszeichen des Fischs, »Vandenis« das des Wassermanns. 2 Vgl. Jean-Pierre Faye, Langages totalitaires, Paris 1976. 3 Alexander Kluge, Theodor Fontane Heinrich von Kleist und Anna Wilde. Zur Grammatik der Zeit, Berlin 1987, S. 89.

226

Herbert Holl

wesendes« aus Was heißt Denken? auseinandersetzen.4 Auf der Krim geschieht der Augenblick als Versetzen in den erdachten Ernstfall eines Ausstoßens aus Heideggers ungeheurer Kriegsidylle. Auf der Krim ereignet sich zudem der fruchtbare, furchtbare Augenblick der Übergabe eines unentschieden griechisch-jüdischen Zigeunermädchens und der Zeitentzug einer erzwungenen Rückkehr nach Deutschland – »NICHT KAPITULIEREN«. In der unbeweglichen Bewegung der Griechenlandreise verzerrt sich dann der Augenblick zwischen Zuversicht und Skepsis, zwischen Erfüllung und Entleerung auf dem Dampfer »Jugoslavija« – ALETHEIA. Schliesslich steht prekär und prägnant Heideggers Lebenslauf in der Notbehausung Burg Wildenstein still – ARMUT. Daten – »Welche Ereignisse werden selegiert, welche werden ausgeschieden, und wie werden die Lücken zwischen den Ereignissen ausgefüllt?« fragt sich Dirk Baecker.5 Wenn es bei Ereignisdaten und deren Eigennamen jeweils um »eine Identität, die aus ihrer Herkunft nichts mehr weiß« geht, so lassen Kluges Heidegger-Geschichten den Philosophen selbst und den Leser dieser Herkunft eingedenk werden. Wenn Enzyklopädien heute kaum mehr sind als Registrierungen von »Namen, an denen man Geschichten erzählen könnte«, so macht Kluge Heidegger zum Sender und Empfänger einer »Digraphie« seiner Geschichtsmomente und einer »Syngraphie« seiner Denkepochen.6 Wir wohnen Heideggers Auflösung im Sinne der Photographie bei, einer »Enthistorisierung und Veralltäglichung der Unterscheidung von Anfang und Ende …«, wie Kluges 30. April 1945 Hitlers Ende und den Anfang deutscher »Westbindung« in schwebende Indifferenz bringen wird.7 Es lösen sich revolutionäre Eigennamen aller Regionen des Spektrums auf, aus politischer, sozialer, theologischer Ökonomie – von Carl Schmitt zum jungen Marx, von Ohlendorf zu Rosa Luxemburg, vom Atlantik zur Krim und Afghanistan, von den Lebensläufen 1962 zu den Lebensläufen des Fünften Buchs 2012 und des 30. April 1945 im Jahre 2014. Heidegger erscheint bei Kluge in einer dreifachen »Einräumung«. Zunächst als ein Gefäß, in das die Bauchhöhle eines Leibbildraums von Spartakus’ Berlin bis zu Heideggers Burg Wildenstein, eines Stromes, von Heraklit bis Hölderlin, im Zeitmass von Äonen einfließt. Als ein solches Gefäß bewegt sich Heidegger dann, ein unterirdischer Wassermann, durch alle »Unterströmungen der Gedanken«. »Wie geht die Navigation dieses Mannes«, fragt Kluge bezüglich Hei4 Alexander Kluge, Die Macht der Gefühle, Frankfurt/M. 1984, S. 577 – 578; Martin Heidegger, Was heißt Denken?, Tübingen 1984, S. 7. 5 Dirk Baecker, »Anfang und Ende in der Geschichtsschreibung«, in: Bernhard J. Dotzler (Hg.), Technopathologien, München 1992, S. 59 – 86. 6 Vgl. vom Verf., La fuite du temps Zeitentzug chez Alexander Kluge. R¦cit, image, concept, Bern (etc.) 1999, S. 346. 7 Baecker, »Anfang und Ende in der Geschichtsschreibung«, S. 76, Anm. 52.

Die Übergabe des Philosophen

227

degger in einem unveröffentlichten Gespräch mit Vincent Pauval.8 Es ereignet sich hier eine Fahrt Heideggers durch Gewässer und Erdreich hindurch, deren erdgeisterhafte Spuren schließlich zu einer fragwürdigen Denk- und Handlungskonstellation von zueinanderstoßenden Eigennamen führen: »Wir müssen dies wieder ausgraben, Stück für Stück. Diese Richtungsstreitigkeiten, hier Luhmann, da Adorno und Horkheimer, dort Heidegger, das sind unsinnige Fronten, und wir sind dazu berufen, wie Mineure unterhalb aller Fronten unsere Bauten zu errichten, wie die Maulwürfe.«9 Wanderer ins Nichts – Seltsamerweise verbindet sich mit dem Namen Heidegger sowohl 1962 in den Lebensläufen wie 2014 im 30. April 1945 der Name Albert Leo Schlageter, von 1923 bis 1933, von 1933 bis 1945. In »Die Bestimmung des Gelehrten. Mandorf« stößt die neugegründete Berliner Universität, mit Fichte, Schelling, Humboldt als zitierte Kronzeugen, hart mit der »Selbstbehauptung der Deutschen Universität« durch Heidegger zusammen.10 Zwischen die Klingen solcher Schere gerät der Platoniker und »Nationalökonom« Mandorf, der sich im Mai 1933 an der Universität von »F.« eine Rede »seiner Magnifizenz Heidegger« anhören muss. Dadurch wird Mandorf dem gefeierten Albert Leo Schlageter ausgesetzt, der 1923 in Düsseldorf von den Franzosen als Saboteur und Widerstandskämpfer erschossen worden war und von den Kommunisten um Radek »zum Märtyrer des deutschen Nationalismus«, von den Nazis zum Helden der »nationalsozialistischen Revolution« hochstilisiert worden war.11 Kluge gibt die Rede Heideggers, deren Manuskript verschollen ist, genau in der Fassung der Freiburger Studentenzeitung, aber in indirekter Rede wieder, als ob Mandorf sie beim Hören rezitieren würde. Der Ernstfall der höchsten Krisensituation soll durch Anaphern, Anhäufung und Wiederholung der heroischen Superlative des Größten, des Schwersten, des Härtesten bei Anrufung des heimischen Granitsteins und Beschwörung des »harten Willens« in die Gemüter der Studenten eindringen. Zugleich aber steigert der von Kluge referierte »linke Nationalsozialist« Heidegger die Wirkung seiner Rede, indem er das Wehrlose, das »existentielle Ausgesetztsein« in den »Geschicken« des jungen Offiziers besingt.12 Gleich Mandorf aber, der sich später auf Kreta als Platon- und Hei8 »Was in erzählerischer Hinsicht revolutionär ist«. Mit Dank an Vincent Pauval für die freundliche Mitteilung. 9 Ebd. 10 Alexander Kluge, Chronik der Gefühle, Bd. II, Frankfurt/M. 2000, S. 618 – 628. Zunächst in den Lebensläufen. Abkürzung für Chronik fortan: Bandzahl plus Seitenzahl. 11 Kluge berücksichtigt 1962 Guido Schneebergers Nachlese zu Heidegger, Bern 1962, S. 47 – 49. 12 Vgl. das Fernsehgespräch zwischen Oskar Negt und Alexander Kluge, »Albert Leo Schlageter und das merkwürdige Jahr 1923« (Suchbegriff 15), in: dies., Der unterschätzte Mensch, Frankfurt/M. 2001, S. 197 – 208. Radeks Rede vor der erweiterten Exekutive der Internationalen: »Leo Schlageter, der Wanderer ins Nichts«, in: Die Rote Fahne, 26. 06. 1923, in:

228

Herbert Holl

deggerschüler in der Leere seiner geistigen Entfaltung auflöst, lässt Heideggers Rede ahnen, wie Schlageter nur ein »Wanderer ins Nichts« sein konnte, als den ihn der Kommunistenführer Karl Radek 1923 vor der Kommunistischen Internationale bezeichnete, statt als »Wanderer in eine bessere Zukunft der gesamten Menschheit« aufzubrechen. Der Erzähler Kluge verschmilzt in seiner Fußnote zwei kontrastierende, aber verwandte Tage des Rektors in einen einzigen. Er kondensiert nämlich die Rede, gehalten am 27. Mai 1933 in Majestät »bei der feierlichen Übernahme des Rektorats der Universität Freiburg« unter Anwesenheit der ganzen Lehrerschaft in Talar und Mütze – »Die Selbstbehauptung der deutschen Universität« – mit den »Gedenkworten zu Schlageter«, die am Vortag, dem 26. Mai, »vor der Universität« – »auf dem Universitätsplatz«, schreibt Kluge – während der Vorlesungspause, wohl zur Steigerung der studentischen Inständigkeit, frei gesprochen worden seien.13 So entsteht die faktische Fiktion eines sowohl intensiven wie extensiven Feiertages. Heideggers Einsatz oder Übergabe – Im 4. Kapitel der Chronik der Gefühle, in dessen namengebender Geschichte »Heidegger auf der Krim«, führt der Chronist Heidegger »in den Ernstfall« hinein, den zur Schrift werdenden Ausnahmezustand (I, 417 – 434).14 Damit setzt Kluge diesen Schlüsselbegriff Carl Schmitts, auch der radikalen revolutionären »Rechten der 20er und 30er Jahre«, von Heiner Müller und ihm selbst entwendet, einem tatsächlichen Ernstfall der kreatürlichen Vernichtung aus: »Man kann gar nicht denken zwischen Leben Herrmann Weber (Hg.), Der deutsche Kommunismus. Dokumente 1915 – 1945, Köln 1972, S. 142 – 147. 13 Vgl. Martin Heidegger, Reden und andere Zeugnisse eines Lebensweges, in: ders., Gesamtausgabe, Bd. 16, Frankfurt/M. 2000, Text Nr. 51, S. 107; Nr. 285, S. 759. In einer »Stellungnahme« vom 24. November 1974 erklärt Heidegger, der Forderung des Badischen Kultusministers nach feierlicher Würdigung bei Unterbrechung der Vorlesungen und Seminare nicht nachgekommen zu sein (ebd., Text Nr. 281, S. 746). 14 Aus der erweiterten Perspektive des Ereignisses hat der Verf. die Geschichte »Heidegger auf der Krim« bereits gewürdigt: »›[…] lang ist die Zeit, es ereignet sich aber / Das Wahre‹: Ereignisgewässer in Alexander Kluges ›Heidegger auf der Krim‹«, in: Nikolaus Müller-Schöll (Hg.), Ereignis. Eine fundamentale Kategorie der Zeiterfahrung. Anspruch und Aporien, Bielefeld 2003, S. 269 – 293. Die erneute Hinwendung wird u. a. begünstigt durch: Gunther Martens, »Das Poetische heißt Sammeln. Ernst Jünger im Spiegel der enzyklopädischen Literatur (Kempowski, Littell, Kluge, Müller)«, in: Matthias Schöning (Hg.), Ernst Jünger und die Bundesrepublik: Ästhetik – Politik – Zeitgeschichte, Berlin 2012, S. 137 – 162; Gunther Martens, »Reclaiming ›geballte linke Energie‹: War in Alexander Kluge’s Docufiction ›Heidegger auf der Krim‹«, in: Seminar 50/1 (2014), S. 69 – 82; Timo Ogrzal, »›Es geht um den Herantransport der Horizonte.‹ Der Schauplatz ›Ostkrieg‹ in Alexander Kluges ›Heidegger auf der Krim‹«, in: Ulrich Wergin/Karol Sauerland (Hg.), Bilder des Ostens in der deutschen Literatur, Würzburg 2009, S. 247 – 274. Vgl. hier Timo Ogrzal, »›Es geht um den Herantransport der Horizonte.‹«, S. 247.

Die Übergabe des Philosophen

229

und Tod, wenn man das Leben nicht vollständig einsetzt, wenn man das Denken nicht so einsetzt, vollständig […] wie man das als Kämpfer oder Soldat mit dem Körper tun würde.«15 Obwohl »Ernstfall« Heidegger als »Begriff« eher fremd ist, so stelle er nach Karl Heinz Bohrer sein Denken trotzdem in »äußerster Zuspitzung« unter einen ausschließlichen existentiellen »Seins- und Daseinsernst«.16 Er muß jetzt der Installation dessen beiwohnen, an dem teilnehmen, »was sich nicht inszenieren läßt, nämlich der Tod«.17 Als wunde Stelle einer ungehörigen Begebenheit, auf die Krim nämlich, versetzt der Erzähler den Philosophen Heidegger im Dezember 1941, selbst die Frage beantwortend, die er Heiner Müller bei der gemeinsamen »Erfindung« dieses Aufenthaltes gestellt hatte: »Wie würde man das dramatisieren?« Da lässt er seinen Versuchsgelehrten zunächst Ohlendorf begegnen, dem berüchtigten Vordenker und Denker der Vernichtung, nach Himmler der »Gralshüter des NS«,18 dann einem Mädchen schwebender Herkunft, zwischen Jüdin, Zigeunerin, Griechin oszillierend, das durch Ohlendorfs Einsatzgruppe zur sofortigen Vernichtung bestimmt ist. In »kühnem Zugriff« werden »WIR UNIVERSITÄTSLEHRER« in den »riesenhaften« fiktiven Einsatz geflogen (I, 434), um auf der Krim Gotenforschung zu treiben und »die Stäbe zu unterhalten«. Diese totale Mobilmachung evoziert irgendeine »Aktion Ritterbusch«, den »Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften« im Rahmen der »Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung«, wie sie schon 1941 vorbereitet wurde. Wie das lyrische Ich von Hölderlins »Wanderung« ausruft: »Ich aber will dem Kaukasos zu« (v. 25), so fuhr Ohlendorfs berüchtigte Einsatzgruppe D vier Monate vor Heideggers Flug »mit dem Ziel Kaukasus« am 31. Juli 1941 zum wirklichen Einsatz.19 Dieser sollte für die Vernichter »vor Weihnachten 1941« beendet sein; wie so oft bei Kluge bildet auch für Heideggers Wissenschaftsgenossen Heiligabend den endzeitlichen Horizont jeglicher Wanderschaft. Als mitstehender, mitlaufender, handelnd-gehandelter Zuschauer bei zwei Massenexekutionen, als handlangender Empfänger bei der unerhörten Übergabe 15 Alexander Kluge, Verdeckte Ermittlung. Ein Gespräch mit Christian Schulte und Rainer Stollmann, Berlin 2001, S. 61 – 62. 16 Karl Heinz Bohrer, »Heideggers Ernstfall«, in: ders. (Hg.), Sprachen der Ironie – Sprachen des Ernstes, Frankfurt/M. 2000, S. 366 – 385, hier S. 367. 17 In einem unveröffentlichten Gespräch mit Vincent Pauval über Goethe bezeichnet Alexander Kluge den Nationalsozialismus als eine Installation, die nichts Lebendiges sei: »In dem Moment, wo der Nationalsozialismus zerfällt als Gerüst, als Gefäß, als Ausstellung, […] in diesem Moment gibt es keinen Nationalsozialismus.« 18 Andrej Angrick, Besatzungspolitik und Massenmord. Die Einsatzgruppe D in der südlichen Sowjetunion, Hamburg 2003, S. 91. Der »historische« Ohlendorf war 1925 in die NSDAP eingetreten. 19 So der Tätigkeits- und Lagebericht vom 31. 07. 1941 und Ohlendorfs eigene Aussage in Nürnberg (ebd.).

230

Herbert Holl

des dem Tode geweihten Mädchens, als Raub-Entdecker von Tontafeln und einer gemeißelten Steintafel mit dem Heraklit-Fragment 62 beschert Kluge Heidegger ein geschlossenes Abenteuer am geschlossenen Schwarzen Meer. Ohlendorf zur Seite wohnt Heidegger aus der geringen Distanz Simferopols zur nahegelegenen Balka den Untaten bei, die Ohlendorfs Mannschaft begeht. Max Aue aber gleich, der in Jonathan Littells Les Bienveillantes20 Ohlendorf mehrmals und lange begegnet, fehlt dem damaligen Standartenführer, der »friedlos gleich den Lykanthropen des alten germanischen Rechts« sei, der Schritt jenseits, Schlageters »Wandern ins Nichts«: »Ein Mörder bleibt nämlich ein Zuschauer. Die Erfahrung kennt er nur aus der Ferne. Sie siedelt ein Meer, einen See aus Eis in ihm an«, schreibt FranÅois Meyronnis.21 Der Philosoph, der hier seine Ereignisstätte findet, wähnt, auf der Halbinsel sich als ein kulturstiftender Robinson ansiedeln zu können, gibt man ihm doch einen »Gefreiten Freitag« bei – »Als einziger will ich hier bleiben« (I, 423). Der durchschossene Ich-Erzähler Heidegger wird bei seiner gebrochenen, unterbrochenen, vom Autor Kluge nicht durchgehaltenen »erlebten Rede« der neutralen Stimme ausgesetzt, die den Denkkörper durchdringt. Es sei bei dieser Ernstfall-Versuchsanordnung »eine Art Stilbruch eingebaut«, so Alexander Kluge.22 Das aiún des Philosophen, der sich dem Lebenslauf Griechenlands nur mit unendlicher Denkmühe übergeben wird, erfährt hier eine entscheidende Verwandlung: »Der Sachmensch (von seiner Beute erobert) wird den Ausdruck ›Lebenslauf‹ gründlich verändern.« (I, 430) – zum Lebensgewässer hin. Heidegger kann nunmehr auf Ohlendorf und dessen reine Abschreckungslehre bezogen werden wie die Tathandlung auf die Untat, sein epochales Vom Ereignis haargenau auf die tägliche Ereignismeldung der Einsatzgruppe abgestimmt werden. Während die Opfer in Simferopol Schlange stehen (I, 424), »befinden« und unterhalten sich Heidegger, der »geladene Gast« und der Gastgeber Polizeirat Wernicke. Der zweite Ansatz einer von dem amateurhaften Wehrmachtskommando zunächst verschrotteten Massenhinrichtung verzweigt sich selber in zwei Namengebungen und Zeitspannen. »In gewissen zeitlichen Abständen werden Gruppen von 12 bis 16 dieser Menschen auf Lastkraftwagen verladen und abtransportiert. Dies ist die Exekution. Die Hinrichtung selbst – wie ich höre, in einer Schlucht in etwa 13 km Entfernung – vollzieht sich nichtöffentlich«. »Das Unsichtbare wirkt« (I, 424), erklärt der Scherge dem offenen Zerstörer des aufgeklärten Öffentlichkeitsbegriffs. Das ganze von Kluge nachge20 Jonathan Littell, Les Bienveillantes, Paris 2006. 21 FranÅois Meyronnis, De l’extermination consid¦r¦e comme un des beaux arts, Paris 2007, S. 36. »Friedlos« als deutsches Wort im französischen Text. Ebd., S. 37. Meyronnis über die Figur Ohlendorf bei J. Littell: »En effet, un assassin reste un spectateur. L’exp¦rience, il ne la conna„t que de loin. Elle ¦tablit en lui une banquise, un lac de glace.« 22 Kluge, Verdeckte Ermittlung, S. 62.

Die Übergabe des Philosophen

231

stellte Ereignisgespinst ist dann zur blutigen Metaphysik eines ohne Warum geworden, dessen »fachmännisch sehr exakt hergestellte[n]« Exekution Heidegger als reines Gestell neutralisiert (I, 425). Kluge lässt Heidegger, hier der Ich-Erzähler, dessen enteignete blöde »mainmise« auf die Gabe als Entzug von Zeit und Sein begegnen – Geben: »Ein Geben, das nur seine Gabe gibt, sich selbst jedoch dabei zurückhält und entzieht, ein solches Geben nennen wir das Schicken. Nach dem so zu denkenden Sinn von Geben ist Sein, das es gibt, das Geschickte. Dergestalt geschickt bleibt jede seiner Wandlungen«. Geschehen: »Im Schicken des Geschickes von Sein, im Reichen der Zeit zeigt sich ein Zueignen, ein Übereignen, nämlich von Sein als Anwesenheit und von Zeit als Bereich des Offenen in ihr Eigenes. Was beide, Zeit und Sein, in ihr Eigenes und d. h. in ihr Zusammengehören bestimmt, nennen wir : das Ereignis.«23

»Mit der Hand hat es eine eigene Bewandtnis«, schreibt später der Philosoph in Was heißt denken?, dieser Hand, die in doppelter Bestimmung reicht und empfängt, Monstranz und Gabe ist. Kluge bringt hier Heidegger, wie sonst mit Adorno, in ein »Maßverhältnis« zu Derrida, kraft dessen er als Wächter über die Grammatik der Zeit Heidegger unzeitgemäß zu »grammatologisieren« versucht.24 Unheimlichkeit der Zeit Zum Gipfel von Gezweigen offenes Fenster – blitzartig stürzt sich ein Segler hinab – aus dem Off erhebt sich eine Stimme: »Die Hand geht auf Abenteuer« – zur Unzeit: »Links und rechts wurden die Hände

23 Martin Heidegger, »Zeit und Sein«, in: Ren¦ Char (etc.), L’Endurance de la pens¦e. Pour saluer Jean Beaufret, Paris 1968, S. 12 – 74, hier S. 53. 24 Vgl. Jacques Derrida, »La main de Heidegger«, in: ders., Heidegger et la question. De l’esprit et autres essais, Paris 1990 (1987), S. 194.

232

Herbert Holl

von Che Guevara abgehackt« – Kza Han

»Die Hand hält, doch nur insofern der Mensch spricht«. Jedoch reines Zeichen, Reichen ist dieses Wesen, sprach- und deutungslos. Es spricht aber Heidegger als Ich-Erzähler zunächst vom Mädchen (I, 424 f.), dann vom »Lebewesen« (I, 431), wiederholt vom Kind, dann in der Weltarmut der anklingenden Tierheit, wie sie von den Einsatzgruppen im Zwang zur Animalisierung der Opfer vollzogen wurde: »Ich weiß, daß ich, wenn ich in mich schaue, gefeit bin gegen Mitleid. Ich will nicht schützen, ich will dieses Menschenwesen besitzen. […] Was unterscheidet meine Gelüste vom Einfangen eines Hundes, der sich verlief ?« (I, 426) So wie Kluge Heideggers Krimwanderung als eine Art »Bildungsreise« gestaltete, nennt Wilhelm in den Lehrjahren Mignon »du gutes kleines Geschöpf«. Wo Wilhelm seine Mignon »umbringt«, könnte hier auf der Krim nur ein Ernstfall, der nicht auch zugleich ein Übungsfall wäre, dem Kind sein Leben erhalten: »Heidegger kann dieses […] Wesen an der Front auf der Krim bewahren, aber ein Zigeunerkind im Dritten Reich zu sich mit nach Hause nehmen, das kann er nicht.«25 Wiederum wird Heidegger »Geschlecht« in die Hand geschlagen in einer Monstranz, ostension, die er durch »Sachhaftigkeit« zu verwinden versucht (I, 431). »Ich hatte mich überraschen oder übertölpeln lassen, sagte Heidegger später zu Kriegsgerichtsrat Dr. Wolzogen.« Als Aussagender kehrt Heidegger sich selbst als Zeugen den Rücken, öffnet die Gabelung, die im Präsens die Öffnung eines anderen Tempus anzeigt, wo sich Unsichtbares und Sichtbares, Aussage und Bedingung der Aussage begegnen. Es scheint unentschieden zu bleiben, ob es sich beim Vorfall des Mädchens aus dem Zwischenfall der Wehrmachtkolonne als der zerklüftete Augenblick, der sich erleidet, ereignet hat, ob sich dabei Narration in Entscheidung verwandelt, ob die Übergabe des Kindes nur Greifen und Fangen oder sich Reichen und Empfangen sei (I, 429). »Das Geschick fasst den Philosophen an der Hand«, so lautet nämlich Kluges Erweiterung des Titels »Heidegger auf der Krim« (I, 417). Wenn der Chronist Heidegger also auf die Krim-Tauris versetzt, setzt er ihn zugleich in der Zerklüftung der Jaina-Gebirge dem »Sog-sein« eines solchen Ernstfalls aus, der die Ernstfallmetaphysik als Körperparabel ausführt, aber durch das Nichtangreifen der angeblich allgegenwärtigen, verborgenen Partisanen ad absurdum führt (I, 422). Heideggers »undurchschautes inneres Dort« reibt sich hier an dem Tatbestand der Extermination auf, deren Unbarmherzigkeit und technische Genauigkeit der Chronist Kluge dem Denker der Technik als unbefragten Vorgriff auf den Weg mitgibt. Sich in Gefahr begebend, erfährt 25 Kluge, Verdeckte Ermittlung, S. 57.

Die Übergabe des Philosophen

233

Heidegger bei Kluge die unmögliche Möglichkeit, »Phryge« bei sich zu behalten bis nach Deutschland in einer Zeit der Kurzschlüsse. Das Wort zur Entwirklichung und Verunmöglichung des gedachten Ernstfalls schlägt »in einer verzweifelten Situation« jenseits von Scheitern und Versagen Wunde für Wunde auf. Unvermögen wird eingeübt als Zeitraumnotgefälle, Nicht-Ort, engste Stelle, geometaphysischer »Isthmus« zwischen dem jetzigen Verschonungsfall Deutschland und der »dünnen Schicht ERNSTFALL«, die an den Rändern, wo die Truppen stehen, herrscht (I, 427). Mit seiner Mignon-Iphigenie-Phryge wäre Heidegger in den Randkriegszeitraum der Krim eingeflößt worden, wie »ein Fremdkörper sich so in das Ereignis einschleicht«, um die entsetzliche »subkutane Struktur« des Geschehens auszuheben, sie dem Aussatz auszusetzen. Wenn Heidegger als Erretter und Eroberer die Namens-, Vaterlands- und irgendwie Geschlechtslose auf den Namen »Phryge« tauft, nach einer »Tochter des Herkules«, von der Paulis Realenzyklopädie nichts zu wissen scheint, so bekennt er sich zum »europäischen« Griechenland der goetheschen Iphigenie, indem er das asiatische der großen opfergierigen Kybele, der Mutter der Götter, der Großmutter der Phryge vielleicht ahnt, wie er sie bei seiner Griechenlandreise — son corps d¦fendant erfahren wird. Damit entspricht er wiederum Heiner Müllers Worten zu Goethe in Sizilien, Hölderlin in Griechenland, Heidegger auf der Krim: »Es war [für Goethe] nicht mehr Winckelmann, plötzlich war Schönheit das Ungeheure, das Monströse in Sizilien.«26 Die Heimholung der Griechen aus Asien hat Heidegger als Beutephilosoph und Beutekünstler zu fördern versucht, indem er vergeblich die Heraklittafel mit eigener Hand transportierte. Aber als die geschichtliche Konversionsgröße Alexander Kluges ist er kein »Mensch« im jiddischen Sinne, nicht der Freie, der Freier, der ein Ereignis nicht geschehen lässt ohne als Handelnder im Gegenvollzug zu wirken. Blitz-Krieg – »Auf der Krim« setzte Kluge Heidegger ein als sein geraubtes Heraklit-Fragment 62 anschauender und deutender »Argonaut«. Trotz des einrahmenden Quadrats aus Hindenburg-Kerzen des Ersten Weltkriegs, bleibt er »von allen Wurzeln entblößt« in seiner einsiedlerischen »Klause des Gelehrten« (I, 413). Es öffnet, es verschließt sich auf metallener Tafel der Abgrund, der Menschen und Götter trennt, verbindet: »Unsterbliche Sterbliche / Sterbliche Unsterbliche / Lebend den Tod der andern / Und das Leben der andern ge26 »Heiner Müller im Zeitenflug«, in: Müller – Kluge: Gespräche, Web-Site der Cornell University Library und der Universität Bremen, Transkript des Videos, Sendedatum: 29. 01. 1996. [http://muller-kluge.library.cornell.edu/de/video_transcript.php?f=110 (Stand: 15.07. 2014)].

234

Herbert Holl

storben« (I, 432). Hier mag die gegenstrebige Fügung von Menschen und Göttern, Tod und Leben das fremde Sterben, den vernichtenden Tod der Opfer der Einsatzgruppen überdecken, verbergen. In einer Fernsehsendung Kluges mit Oskar Negt über Martin Heidegger und Heraklit den Dunklen, Skoteinos (1996), der Überschrift von Adornos Essay »Wie zu lesen sei« entsprechend, wird in einer griechisch-deutschen Wort-, Kugel- und Farbspirale Blitz mit Krieg kurzgeschlossen durch Heraklits Fragment 64 hindurch, das nach Heiner Müller Heidegger auf dem vorgestellten Flug zur Krim interpretierend in seinem Koffer geführt habe: »Das Seiende im Ganzen aber steuert der Blitz«.27 Der anfänglich schwarze Hintergrund, durch den ein »grellweißer Blitz« zuckt, wird abgelöst von Parmenides’ »dunklem, unheimlichem«, Heraklits »dunklem, verschwommenem« Gesicht auf roter, gelber Kugel: so veranschaulicht sich farbensphärisch um Heideggers Deutungen die Dichotomie, die Oskar Negt konsequent und erwachsen durchhält und Alexander Kluge als freundlich spielendes HeraklitKind sanft durchkreuzt: »PARMENIDES, der Philosoph der Beharrung und der Ordnung«, »Heraklit, der Philosoph der Bewegung und der Trümmer – –«, in der ganzen griechischen Philosophie, so Negt, gebe es diese Parallelbewegungen (S. 257). Die konturierende »Zeichnung eines Griechen« auf einer blauen Kugel, schleudert Aristoteles’ »ausgeschlossenes Drittes« in den heraklitischen, klugeschen »Satz vom eingeschlossenen Dritten«. Es prüft sich also im sechsseitigen DCTP-Gespräch Der Anfang des abendländischen Denkens, dieses ungeheure Ganze von Heideggers Heraklit-Vorlesung von 1943. Das Grundwort, das Negt und Kluge bei diesem Heidegger-Gespräch kentaurisch entstehen lassen, ist »Chaosmos« (Abb. S. 255), aus dem Wirbel der sich drehenden Kugeln »des dunkeln Lichtes voll« im wetterleuchtenden Himmel, gleichsam Heideggers Kommentar von Fragment 64 im Anblick dieses Wetterleuchtens erhellend, »Blitz« mitnichten als seine selbstverständliche Gedankenübergabe auffassend, sondern als »die Entfachung des Lichten, das Entflammen der Flamme«: »Das Wesen des Feuers sammelt sich in dem, was wir den ›Blitz‹ nennen. […] Das Feuer als der Blitz […] durchfährt vorleuchtend das Ganze dergestalt, daß je in dem, was nun rein Blick des Auges zumal erblickt, jedesmal das Ganze in sein Gefüge sich fügt.«28 Es wird in einer Art von Blitzgespräch mit Einblendungen griechisch-deutscher Fragmente in Heideggers oft leicht veränderten Übersetzungen erzeugt. In stichomitischer Wechselrede würdigen Negt und Kluge das alles flüssigmachende, apokryphe »Pantha Rhei« des Ephesers, des Philosophen der »Be27 Alexander Kluge und Oskar Negt, »Heraklit, der Dunkle«, in: dies., Der unterschätzte Mensch, S. 256 – 262 (TV-Magazin 10 vor 11, Sendedatum: 01. 04. 1996). 28 Martin Heidegger, Der Anfang des abendländischen Denkens. Logik. Heraklits Lehre vom Logos, in: ders., Gesamtausgabe, Bd. 55, Frankfurt/M. 1979, S. 161 – 162.

Die Übergabe des Philosophen

235

wegung und der Trümmer«, der sich der »Unheimlichkeit der Zeit«, so Kluge, aussetzt: »Wie ein Haufen / von geradehin Ausgeschüttetem / ist der schönste Kosmos«, zitiert Oskar Negt Fragment 124, von Heidegger selbst zitiert, übersetzt und interpretiert. Hier lasse Heraklit, statt den Kosmos vereinheitlichend zu deuten, »Zwischentöne«, das »eingeschlossene Dritte« erklingen, das zufällige, »dunkle Element« der Erklärung. Dies übersetzt Kluge wiederum kühn herakliteisch und echt klugesch mit einem »Haufen Schrott«, der allmächtigen Machenschaft der Verschrottung nicht fremd, jedoch hier bei Heraklit für ihn als eine Ordnung, die aus dem Chaos entstehe. Überhaupt scheint Kluge, der artiste d¦molisseur, in diesem Gespräch mit dem systematischen Denker Negt die überlieferten Geschichten über Heraklit zu würdigen, deren Wahrheitsgehalt nach Heidegger ursprünglicher sei »als die richtigen Daten«29. So nimmt Kluge die Geschichte von Heraklit auf, wie er seine Fragmente in den Artemis-Tempel von Ephesos trägt, wo sie verbrennen, aber zum Teil in das Diana-Heiligtum auf der Krim als Fund übergeben werden können. Leider aber übersetze Heidegger dieses spendierende »Werden im Vergehen« bei Heraklit, sagt Negt, in eine von Erstarrung bedrohte Seinsgeschichte: »Der hereinbrechende Blitz ist dann so etwas wie eine kosmologische Seinsgegebenheit. Er macht ein Perpetuum mobile daraus«, so bringt Kluge diese herakliteische Paradoxie der »Rückkehr Heraklits auf Parmenid zu« auf den bewegten Begriff. Unerwartet erscheint jetzt zwischen diesen Sätzen, mitten im Gespräch, ein kunstvoll schlichtes Schwarz-Weiß-Foto in Resonanz mit dem anfänglichen »grellweißen Blitz« über schwarzem Hintergrund mit dem Spruch – »Das Seiende im Ganzen aber steuert der Blitz« – und mit diesem Bild das denk- und fragwürdige Ereignis von Martin Heideggers Spiegel-Gespräch am 23. September 1966 im Rotebuck-Haus in Freiburg und dem Nachgespräch in der Todtnauberg-Hütte mit Rudolf Augstein, dem Herausgeber des jungen Spiegel, dessen Redakteur Georg Wolff, einem früheren SS-Mann, und Heinrich Wiegand Petzet, Heideggers »Sekundant«.30 Dieses Bild jedoch konzentriert sich auf Heidegger und Augstein, auf den Denker der Technik, der Machenschaft, und den Macher der verfallenen Öffentlichkeit, kristallisiert sie mit den Steingesichtern Heraklits und Parmenids und deren Weltkugeln zum »dialektischen Bild«: »S/W-Foto: zwei Männer in einer Berghütte / Bücherregale, ein Tisch, darüber eingeblendet: Martin Heidegger / Rudolf Augstein«.31 Es erleuchtet in Todtnauberg blitzhaft Digne Meller Marcovicz’ Fotoapparat das Geschick der Stätte. Ungesprochen klingt Heideggers Sentenz nach: »Nur noch ein Gott kann 29 Ebd., S. 5. 30 Sehr kritisch die Rekonstitution Lutz Hachmeisters, Heideggers Testament. Der Philosoph, der ›Spiegel‹ und die SS, Berlin 2014, S. 203 – 255. 31 Negt/Kluge, Der unterschätzte Mensch, S. 258.

236

Herbert Holl

uns retten«, nicht wie aus dem Backofen Heraklits – »Auch hier halten sich Götter auf« –, sondern aus einem Gehäuse, einer Hütte, die eine Bibliothek aus Schwarzwald ist, dort, wo »Erde durchragt die Welt« (I, 430). Todtnauberg nach Nimmer fiel solch geschnitzter Sternwürfel von seinem Sockel – woraus das Quellwasser jäh abfiel – um sich lautlos als Rettungsboje in den zerfurchten Holztrog wälzen zu lassen. In linker Hand ein Wassereimer, die rechte Hand am Rand des Holztrogs, unbeweglich beim Graswuchs – weder vorwärts noch rückwärts – stand der Linkser im Geschick, im Feld der Nebellichtung den Rücken zukehrend, das Lichtgestell anblitzend. Kza Han

In ferner Nähe zu Heidegger beschwört Kluge Marx und Lassalle herauf, eben jene Arbeiterbewegung, erwidert Negt, die Heraklits Feuer und Kosmos transmythisch intensiv zur Kenntnis genommen hätte. So ist es die »gebündelte linke Energie« des Blitzkriegs (Karl Korsch), die Krieg und Blitz am Schluss des Gesprächs als natur- und menschengeschichtliche Kriegsbildmontage zusammenfügt, mit wiederum eingeblendetem Text: »Das Seiende im Ganzen / aber steuert der Blitz«. Solcherart existieren Überlieferungen.

Die Übergabe des Philosophen

237

Delos, Davos – Nach deutscher, goethescher Überlieferung »das Land der Griechen mit der Seele suchend«, voller Sehnsucht nach der herakliteischen, parmenideischen Antike, nahm Martin Heidegger in der Osterzeit 1962 nach langem Hinauszögern die Gabe seiner Frau Elfride an, die ihm die GriechenlandKreuzfahrt schenkte, zu der ihn der erfahrene Griechenlandreisende Erhart Kästner seit Jahren zu bewegen versuchte. Als »Zeichen des Beschenkten« widmete Heidegger seiner Frau Aufenthalte, vierzig Seiten eines sinnenden, zunächst zögernden Berichts von den Raum- und Zeitstätten seiner Fahrt. »Das Geschenk verlangte seinen Vollzug«, schreibt er seltsamerweise mit einem Wort seiner frühen Ontologie der Faktizität (A 217)32. Fünfzig Jahre später, 2012, entwendet Alexander Kluge wiederum die Aufenthalte in seinem sechsseitigen »neuen Lebenslauf« des Fünften Buchs: »In großer Ferne zum 5. Jahrhundert v. Chr.«33 Kluge setzt diese Geschichte an das Ende des Griechenland gewidmeten »Lebenslauf einer fixen Idee«, widmet ihrem Hypotext palimpsestartig eine gegenmimetische Parodie im Hypertext. Heideggers Fahrt führte mit der zeitgeschichtlich konnotierten, von Heidegger als solche nicht wahrgenommene Jugoslavija, dem ortlosen, namenlosen »Eisenschiff« (Kluge) von Venedig nach Ithaka, dann nach Kreta und Rhodos, zurück über die Kykladen, die Ägäis über Delos nach Athen, dann Kap Sounion, schließlich Delphi und den Kreislauf schließend wiederum Venedig. Die ihm vom Touroperateur vorbestimmte Strecke versuchte Heidegger »von der Wucht und Künstlichkeit der Stell-Werke des Gestells durchzogen« (A 218) trotzdem zu gestalten, um erst vor und auf Delos in die Augen der Wunderwelt zu blicken. Etos, den Aufenthalt, Kosmos, den Weltglanz, Aletheia, das verbergend Entbergende, beschaut und verknüpft er in »ursprünglicher Einbildungskraft«, das Schiff selten verlassend und seinem inneren Auge vertrauend, als eine vorbedachte Sage einer Topologie des Seins und einer Rhetorik des Seienden; Kluge unterläuft beides, indem er den Erzählraum monadisch gliedert und dem heideggerschen Pathos ein kantisches bathos entgegensetzt. Mitten auf der Strecke spricht sich Heidegger Wahrheit zu, so wie sich ignorantia, incomprehensibilia, Nikolaus von Kues eröffnet hatte auf der Rückfahrt seiner Griechenlandreise. Philippe-Joseph Salazar erörtert Heideggers topographische Dichtung, welche die Himmelsrichtungen kreuzt, indem die Jugoslavija wohl von Westen nach Osten fährt, Heideggers Bericht aber all das als morgenländisch bezeichnet, was die abendländische Technikverfallenheit, bezeichnet. So wird der »Geburtsort«

32 Martin Heidegger, Zu Hölderlin. Griechenlandreisen, in: ders., Gesamtausgabe, Bd. 75, Frankfurt/M. 2000, S. 213 – 246. Abkürzung fortan: A, mit Seitenzahl. 33 Alexander Kluge, Das fünfte Buch, Frankfurt/M. 2012, S. 90 – 95. Abkürzung fortan 5.B. und Seitenzahl.

238

Herbert Holl

dieses Abendlandes im Osten verortet.34 Kluge übergibt das Ganze dem griechisch-asiatischen »Feuer des Himmels«, das ein solches Gestell schmilzt. Vom Venedig des christlich verwirkten Palmensonntags zum Ostern von Delos erfährt Heidegger in Aufenthalte statt des ersehnten Griechischen zunächst das Byzantinische Ithakas mit seinem Popen. Nach einigem Aufatmen im Heiligtum der Altis erregt das Asiatischere Korinths mit Mykene »eine Abwehr gegen die vorgriechische Welt« (A 224) – die noch fremdere vorgriechische labyrinthische Welt Kretas, Knossos mit seinem ägyptisch-orientalischen Wesen (A 227) im Zeichen der janushaften Doppelaxt gehört zum Unheimlichsten, dem er sich trotz allem hinzugeben versucht. Kluge aber steigert von Anfang an diese orientalische Blickschärfe des kreuzfahrenden Heidegger »in großer Ferne zum 5. Jahrhundert v. Chr.« aufhaltend, wo das »Große« sowohl quantitative wie qualitative Größe im Sinne Kants bedeuten mag. Kluge entzieht Heidegger dessen eigenen Entzug des Asiatischen. Heideggers zaudernden »Vollzug der Reise« vollzieht Kluge wie man ein Urteil, eine »Urteilung« vollstreckt. Wo Heidegger ständig auf den immer schon gesammelten »Fund« aus ist (I, 426) – »Fund«, das Wort von Hölderlins Elegie Heimkunft (v. 79) – beschert ihm Kluge den Fundus des Ungesagten, Verhaltenen, Vorbehaltenen; er lichtet, erleichtert Heidegger solche Lichtung der unverborgenen Geborgenheit. Wo Heidegger in Aufenthalte immer wieder, namentlich vor Ithaka, zweifelt, »ob uns je noch eine Erfahrung des anfänglich Griechischen gewährt sei« (A 219), mutmaßt Kluges Heidegger mit Radikalität: »Vielleicht war aller Mythos immer schon Wort gewesen und kein Gelände.« (5.B. 91). Zˇuvys Zum Sternengezweig emporstrahlender Sonnenuntergang zum Abgrundwalfisch niedersteigend / Kza Han

Ithaka, Kreta, Delos: drei in der Steigerung sich erschließende »Aufenthalte« (Heidegger), drei »Gelände« (Kluge), bei denen lange innegehalten wird in Heideggers Aufenthalten, kürzer und bündiger bei Kluges Heidegger. Ausgewählte Verse aus Hölderlins »Brot und Wein«, lauter anaphorische elegische WoFragen, ergeben bei Heidegger den Generalbass, mit Zitaten von Euripides, Pindar, Heraklit in der Überstimme. Kluges Heidegger aber konstruiert kon34 Philippe-Joseph Salazar, »Manifeste voies de la rh¦torique et Pouvoirs de persuasion«, in: Valerie Allen/Ares D. Axiotis (Hg.), L’art d’enseigner de Martin Heidegger, Paris 2007, S. 67.

Die Übergabe des Philosophen

239

trapunktierend das vom Heidegger der »Aufenthalte« ausgelassene Hymnische von »Brot und Wein« als reiner Zusammenhang von Hölderlin-Zitaten wieder : »Seeliges Griechenland! du Haus der Himmlischen alle / der Boden ist Meer! und Tische die Berge / Wahrlich […] vor Alters gebaut!« (5. B. 90). Wo Heidegger in Aufenthalte mit Hölderlin den unwiederbringlichen Verlust beklagt,35 ergänzt ihn Kluge mit begeistertem, nüchternem Hölderlin-Gesang, der Härten nicht ausschließt: »Tiefschütternd gelangt so /Aus dem Schatten herab unter die Menschen ihr Tag.« (»Brot und Wein«, 5.B. 92) – »Und in frostiger Nacht / zanken Orkane sich nur.« (»An Diotima«, 5.B. 94) In der Sequenz von Kluges Fünftem Buch »Lebenslauf einer fixen Idee« schildert die kurze, der Stelle ihren Namen gebende Geschichte, den Lebenslauf nicht eines Menschen, sondern der goethisch bewegten Idee, die zur fixen wurde, nämlich der auf Auris ausgesetzten, auf Tauris – auf der Krim geborgenen Iphigenie: »DAS LAND DER GRIECHEN MIT DER SEELE SUCHEND«. Das sowohl für Griechenland wie für die Krim verhängnisvolle Jahr 1941, das Jahr der Idee »Deutsches Griechenland«, bevölkert die klugeschen Kapitel der »fixen Idee«. So bei Dr. Lerchenberg-Winnigerode, dessen philologischer Großvater »1941 in Theben befehligte«. Ihm scheint die Inbesitznahme der tatsächlichen Wiederspiegelung des Lichtes des antiken Griechenland im Deutschtum »durch die Gründung des Staates Hellas« auf Illusion gegründet. Es bleibt in Kluges »In großer Ferne…« ungesagt, dass Heideggers späterer Brieffreund und Anhänger Erhart Kästner, 1941 von der Besatzungsmacht mit Reiseberichten beauftragt wurde, aus denen sein Kreta 1943 zusammengestellt wurde. Auf Kap Sounion ertönt das doppelte Echo der Sonne durch das »harte Weiß« des Tempels, und der deutschen Truppe in Griechenland während des Zweiten Weltkriegs, die dort auf der Funkstelle mit den aufständischen Offizieren in Irak kommunizierte (5.B. 92). Kluges Heidegger »ergänzt« denn auch den Heidegger der Aufenthalte, indem er beiläufig das Besatzungsjahr 1941 gleich anfangs evoziert, da er die Möglichkeit eines künftigen Fundes in Griechenland bezweifelt: »Ich hätte schon 1941 durch dort kommandierende Freunde davon gehört« (5.B. 90). Die Schleife der Griechenlandkreuzfahrt überragt in der Ferne der »deutsche Blick zum Endsieg« aus der Vogelperspektive 1941, wie er auf Seite 78 des Fünften Buchs nachgezeichnet wird. Dort gibt Kreta den Ansatz eines Fächers von Junkersflugzeugen her, der sich nach Zypern, Haifa, Alexandria … mit geworfenen Schatten entfaltet, indes ein anderes Flugzeug auf dem Flug nach Süd-Ost seitwärts, rückwärts sich entfernt (5.B. 78). Mit »Aufenthalt« im Singular statt mit »Haltung«, »Charakter«, übersetzt Heidegger etos in seiner Heraklit-Vorlesung von 1943/44 (fg 78), »im Sinne des 35 Friedrich Hölderlin, »Brot und Wein«, in: ders., Gedichte, hg. von Jochen Schmitt, Frankfurt/M. 1969, S. 116 (4. Strophe, v. 61 – 63).

240

Herbert Holl

Wohnens inmitten des Seienden«.36 GnomÀ bedeute dann nicht Erkenntnis, sondern eher »vorbereitende[s] Sinnen«, Begegnenlassen des Seienden, »Rat«: »In diesem ursprünglichen Rat ist zuvor das Seiende versammelt und einbehalten.« Eine unerwartete, völlig unheideggersche Schlussfolgerung lässt Kluge den Ontologen in der Neuen Geschichte ziehen, indem er aus der Arbeit am etos/ ethos/Aufenthalt in Aufenthalte das unwahrscheinliche Vorhaben einer »THEORIE DER SITTLICHKEIT« glaubwürdig ableitet (5.B. 92), etwa im Anklang an Kants Metaphysik der Sitten und Hegels System der Sittlichkeit, oder gar an Nietzsches »Sittlichkeit der Sitte«, als ob skurriler-, parodistischerweise das hetärische Ethos, die Mysterien der Hekuba weit sittlicher seien als die moralisch verlogene, verkommene Gestelltheit des touristischen Gestells.37 Kluge setzt also hier eine Kompositions- und Dekompositionsweise ins Werk, die auf benjaminsche Art Lücken schießt, Lücken schließt, ergänzend, denaturierend, kreuzend, durchkreuzend, durchlöchernd. Er provoziert damit gleichsam eine Katastrophe der intellektuellen Anschauung, wo eine »Auslassung« Heideggers das Ausgelassene wie im Negativ umso deutlicher verzeichnet. Kluges Hypertext lichtet Ballast von Heideggers Hypotext, das Vergessene des Andenkens, die »Vergriechung« Griechenlands, indem er den leidenschaftlich Zitierenden, Lesenden zunächst mit Angelesenem und Aufgelesenem beschwert: zwei Kisten Lektüre vor Kreta, »mit Blick auf die Bucht von Heraklion«, dann Gestein, das er »für antike Fragmente« hält im Minospalast von Knossos. Aber auf der Fahrt von Ithaka zum Golf von Korinth, »durch die Nacht«, hebt sich ihm die von Kluge Heidegger zugeschriebene Gegenvision des »schnittigen Holzschiffs«, dem innen und außen der hölderlinsche bewegende Wind aus dem »Nächsten Besten« weht: »Und ihnen machet wacker / Scharfwehend die Augen der Nordost, fliegen sie auf«.38 Ist Kluges Heidegger-Geschichte diesem leichten, 36 Martin Heidegger, Heraklit. Der Anfang des abendländischen Denkens Logik. Heraklits Lehre vom Logos, in: ders., Gesamtausgabe, Bd. 55, Frankfurt/M. 1979, S. 349. »Der Aufenthalt, nämlich der menschliche (inmitten des Seienden im Ganzen), hat zwar nicht gnûmai [Rat], der Göttliche aber hat sie.« 37 Odysseus’ Calypso, die hetärische Nymphe, heißt »die im Verborgenen Lebende« … Zur Möglichkeit einer »Etik« bei Heidegger vgl. allerdings Peter Sloterdijk, »Schlaflos in Ephesos«, in: ders., Du musst dein Leben ändern. Über Anthropotechnik, Frankfurt/M. 2014, S. 253 – 275. 38 Die Geschichte Die Brunnen der Götter (Chronik der Gefühle I, 477) schreibt diese Verse Homer zu als ein von Tarkowski und Kluge zu verfilmendes »Elementares«, den Wind, der die Augen scharfwehend mache. Der epochalen, scharfes Wehen und Augentrost spendenden Einleitung der Frankfurter Ausgabe entnommen, dichten sie »das Nächste Beste« (S. 31 – 32.), vgl. Hölderlin, Sämtliche Werke. Frankfurter Ausgabe. Einleitung, hg. von D. E. Sattler, Frankfurt/M. 1975, S. 31. Schon in Negt und Kluges Geschichte und Eigensinn (Frankfurt/M. 1981) gebühren sie dem antiken Seehelden oder Kolumbus als »Metapher der Aufklärung«. In ihr spricht sich die Entelechie der Gegenstände aus (Geschichte und Eigensinn, S. 742). In Aufenthalte würdigt Heidegger einmal mehr Norbert von Hellingrath, den »Erfinder« von

Die Übergabe des Philosophen

241

scharf wehenden Holzschiff gleich, das Heidegger von seinem schweren Eisendampfer und seinen schwermütigen Gedanken erlösen würde? Schon vor Kreta, der Fremdlingin seines Griechenlandbildes, versucht Heidegger in Aufenthalte »das ganz andere Leuchten« des Götterbergs Ida als Wink nach der Mitte eines Inselkreises zu deuten, der Kykladen (A 228), den »Thränen« der »Augen der Wunderwelt« im hölderlinschen »Nachtgesang« gleich. Beim Verlassen Delphis erfuhr Heidegger endlich dieses Enzyklische, die Verwandlung Griechenlands »in eine einzige gegen alle übrigen bekannten und unbekannten Welten abgeschlossene Insel«. So eröffnet sich ihm der Zusammenhang von Ende und Anfang, Abschied und Ankunft, geschlossenem Erdenaufenthalt und »öffnende[m] Aufenthalt der entflohenen Götter« (A 245). Als klaffe aus diesem mühsam konstruierten, unwahren kompakten, selbständigen Ganzen einer Fülle die dazugehörige Nichtigkeit, konfrontiert aber Kluge in der letzten seiner »Episoden« Heidegger katastrophal mit der Leere dieses griechischen Raumes, »den die verstreuten Inseln buchstäblich nur ›sporadisch‹ ausfüllen.« (5.B. 95). Keine Landzunge scheint Zugang zu einer Halbinsel Krim zu geben, von der doch die orientalisch-griechische Insel Kreta, wie sie Mandorf besetzt hatte, ein Vorspiel ist. Jetzt kommt Delos, die Erscheinende! »Delos, l’exp¦rience d’un coup de sonde dans Al¦th¦ia«.39 Delos-Skoteinos – vor Delos, auf Delos, erkennt Heidegger in Aufenthalte endlich das Zwillingspaar Apoll und Artemis als Delos’ Heiligstes in seinem Geschlechterunterschied an (A 230 – 234). Kluge aber lässt hier Heideggers Destruktion der Fremdenindustrie in eine an Bachofen erinnernde Würdigung des Hetärismus und des Bordells münden, als Travestie des »Aufenthaltes« vom fernen Osten Odessas zum atlantischen Hafen, ein nietzscheanisch ironisches Lob der Maske und der Schminke in Umdeutung von Heideggers Deutung des Kosmos in Aufenthalte aussprechend (5.B. 92 f.). Er setzt so den Philosophen Heidegger dem bachofschen »Tellurismus« des asiatischen Sumpflebens aus, das dem mutterrechtlichen Walten der Demeter vorausging, die vielleicht auch die Kornfelder der Krim beschützte. Dann entwendet Kluges Heidegger, vermännlichend zwar, den Geschlechtsunterschied zwischen den Zwillingen, nicht indem er sie androgynisiert, sondern mit der Neutralität, Geschlechtslosigkeit eines freien göttlichen Seins ausstattet, wie sie Heidegger selbst 1928 für die ontologische Neutralität des Daseins diesseits jeglichen Gattungsbegriffs vindiziert hatte. Damit aber entbindet Kluge Heidegger vom Ernstfall einer Reise in Krisenzeit und -raum, so dass Heidegger Adorno, seinen Hölderlins Übersetzungen in der Stuttgarter Landesbibliothek. Ohne Hellingrath zu verleugnen, teilt Kluge seinen Hölderlinimpuls mit D. E. Sattler und K. D. Wolff, deren editorische »Revolution der Denkungsarten« aufnehmend und weiterführend. 39 Jacques Orsoni, »Le cr¦puscule de pourpre — D¦los«, in: Anne Meistersheim (Hg.), L’„le laboratoire, Ajaccio 1999, S. 369 – 370.

242

Herbert Holl

»in der Unterströmung der Gedanken« Verwandten, im Totengespräch zu ergänzen vermag.40 So befänden wir uns in noch größerer Ferne zum 5. Jahrhundert vor Christo, in vorhellenischen Kybelezeiten. Im Fünften Buch lässt Kluge Heidegger solchermaßen denken: »Wieso sollen Götter, die von der Erde aufgestiegen sind und uns verlassen haben, die schmähliche Teilung des ursprünglichen Wesens in zwei einander begehrende Nichtse mitgenommen haben. Sie sind doch frei. So erblickte Heidegger (und Adorno hat ihn darum beneidet, als er mit dem Gegenphilosophen, dem vermeintlichen Feind, auf dem Parnaß konferierte) in den Konturen der ›geheimnisvollen‹ Insel die FREIHEIT DER GÖTTER.«

Die Götter, die sich entfernen, führen Heidegger vor Rhodos, der Roseninsel, zu jenem »Asiatischen«, das er panisch erfuhr (A 228 f). Dessen »Feuer vom Himmel«, wie es Hölderlin in seinem zweiten Böhlendorf-Brief mit der »junonischen Nüchternheit« ergänzt, musste von Heraklit, so Heidegger, »in die Maaße« gefügt werden als der kûsmos, der Schmuck, das vorbereitende Leuchten der aletheia. Das Kosmetische des Kosmos übergibt Kluge dem Heidegger im Fünften Buch, wenn Heidegger eine Truppe älterer Mimen aus dem XIX. Jahrhundert durch Schminke eine verführerische Außenhaut zulegt (S. 93). Ein verwandtes Feuer aber hatte nach Kluge Heidegger 1929 in Davos bei der berühmten Disputation gegen den Goetheaner und Humanisten Cassirer geschleudert, vielleicht mit den von Goethe wahrgenommenen »zwei Säulen […] die so gewaltig sind, daß sie ein Riesengebäude tragen könnten«: »Und da hat er plötzlich das Ungeheure entdeckt, eigentlich das Asiatische, wie später Hölderlin bei Sophokles, bei den Übersetzungen, das Ägyptische im Griechischen entdeckt hat. Und vielleicht ist das ja auch eine Entdeckung von Heidegger, das Asiatische in der Antike.«41

Solche massiv strömenden, barbarischen Kolonnen erdrückten durch Heidegger wiederentdeckt und als Waffe geführt die »schlankere Bauart«, ja »das Filigrane« von Cassirers Denkungsart. Die Untat Heideggers markiert Kluge, indem er Tat 40 Martin Heidegger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leibniz, in: ders., Gesamtausgabe, Bd. 26, Frankfurt/M. 1978 (Vorlesung 1928), S. 171 – 172; es gehe um die »Mächtigkeit des Ursprunges«: »Das Dasein überhaupt birgt die innere Möglichkeit für die faktische Zerstreuung in die Leiblichkeit und damit in die Geschlechtlichkeit«. Vgl. dazu Jacques Derrida, »Diff¦rence sexuelle, diff¦rence ontologique. Geschlecht I«, in: ders., Heidegger et la question, S. 150 – 152. Der Erzähler schließt hier diese Analytik des Daseins aus der Zeit von Sein und Zeit mit dem Ereignen der Götter in deren späterer »Neutralität« als die Erscheinenden zusammen. 41 Müller/Kluge, »Heiner Müller im Zeitenflug«. Nach Jean Pierre Faye meint das »Asiatische« für Heidegger dagegen das Phantasma des »inneren Feinds«, die »jüdisch-asiatische Gefahr«, wie sie z. B. von Reichenau 1942 auffasste (vgl. u. a. »Le nazisme des intellectuels«, in: Le Monde, 04./05. 08. 2013, S. 15).

Die Übergabe des Philosophen

243

am Schluss der Sequenz verdoppelt und sie von dem »leid« des Leid-tuns absetzt als etymologische Figur in der ersten Person Plural Heideggers. Die Sequenz setzt mit dem Goethe-Zitat aus der Italienischen Reise ein42 und schließt mit dem selbstbehaupteten »Sieg« Heideggers über den goethekundigen »neukantianischen« Philosophen der symbolischen Formen, errungen mit »brutalem Schwert« (5.B. 91): »Kein Säulentempel stürzte ein, weder durch unseren Stoß noch weil die filigrane Bauweise in den Gedanken des Neukantianers Gotteshäuser nicht trug. Noch jetzt tat dem Philosophen die Tat nicht leid.« So Heidegger in Kluges Geschichte. Im Gespräch aber mit Vincent Pauval vergleicht dann Alexander Kluge diesen barbarischen Widerstreit mit dem Kampf des alles parierenden Bären und des hoffnungslos angreifenden Fechters in Kleists Marionettentheater, solidarisiert sich mit Cassirer im Bekenntnis zur Dialektik der Aufklärung Adornos, deren Gegner in Davos Kluge als »Jungnazis im philosophischen Gewande« bezeichnet: »dieser pöbelhafte Angriff, in dem er glaubt, wie ein philosophischer Putschist einen Kantianer wie Cassirer zu überwältigen«.43 Vielleicht kehrt sich »In großer Ferne zum 5. Jahrhundert vor Chr.« das Verhältnis von Bär und Fechter um? Heidegger auf Burg Wildenstein44 – Im Frühling 2014 setzt Alexander Kluges 30. April 1945. Der Tag, an dem Hitler sich erschoß und die Westbindung der Deutschen begann das Netz der Tagesläufe eines einzigen Tages als »Naturform des Erzählens« wieder ein.45 – Kluges Experimentieren, Heideggers Erfahrungen, Fährnisse und Aufenthalte fließen zum weltkugelförmigen Zusammenhang des Tagesereignisses »30. April« zusammen. Obwohl dies keines der kalendarisch epochalen Daten ist, wie es der 1. Mai 1933 oder der 8. Mai 1945 gewesen wären, bedeutet es für Kluge einen »Schlüsseltag«, an dem das Geschehen von Hitlers Selbstmord als Ende aller Dinge allmählich vom Sog der entstehenden 42 Johann Wolfgang Goethe, Italienische Reise, in: Goethes Werke, Hamburger Ausgabe in 14 Bänden, hg. von Erich Trunz, Bd. 11: Autobiographische Schriften. Dritter Band, 9. überarb. Aufl., München 1978, S. 219 (Eintrag vom 23. 03. 1787). 43 S. Dominic Kaegi/Enno Rudolph (Hg.), Cassirer – Heidegger. 70 Jahre Davoser Disputation, Hamburg 2002; Michael Friedman, Carnap, Heidegger, Cassirer. Geteilte Wege, Frankfurt/M. 2004. In seiner Rezension dieses Buches bedauert Jürgen Kaube, dass Heidegger anders als Cassirer das Interesse an Forschung verloren hatte, sich zu seinem philosophischen Schaden kein Panofsky in seinem Wirkungskreis befand – wohl zu spüren in den Ratlosigkeiten der beiden Griechenlandreisen. Vgl. Jürgen Kaube, »Der unbekannte Dritte von Davos«, in: FAZ, 02. 08. 2004, Nr. 177, S. 31. 44 Es klingen hier Johann Gottfried Schnabels Insel Felsenburg (1731 – 1743, gekürzte Fassung 1828) unter dieser Überschrift – Felsenburg Wildenstein als Wissensinsel – und Arno Schmidts Gelehrtenrepublik nach. 45 Alexander Kluge, 30. April 1945. Der Tag, an dem Hitler sich erschoß und die Westbindung der Deutschen begann, Frankfurt/M. 2014. Abkürzung fortan: 30. Apr. und Seitenzahl, hier S. 306.

244

Herbert Holl

»Westbindung der Deutschen« ergriffen wird und der »innere Chor« der Lebenswelt an diesem Tag die Zwiesprache mit ihm aufnimmt.46 Eine ganze Episode der neuen »Abenteuer Heideggers«, »Heidegger auf Burg Wildenstein«, wird nämlich in diesem »Reigen von Novellen« ihr eigenes Kapitel finden – das elfte, vorletzte – in einer zugleich aristotelischen und einsteinschen »Einheit von ORT, ZEIT und HANDLUNG«. In dem nachwortgleichen »Tagebuch« auf Schloß Elmau mit dem Datum vom 2. bis 16. August 2013 setzt sich Kluge für das Genre der Chronik eines einzelnen Tages ein: »Ein Tag oder eine Stunde im Leben von Menschen sind ein Schacht oder tiefer Brunnen.« Die Gewässer, die solche Schächte oder Brunnen immerdar verbinden, werden hier mit der Wünschelrute des Schreibens dem Oberlauf des Isters nach geortet. Es fügt sich das, was für einen Tag wichtig ist mit dem, was für Äonen wichtig ist, als »die zwei Klingen der Schere« (30. Apr. 307) zusammen. Kluges Hochsommeraufenthalt auf Schloss Elmau 2013 und Heideggers Spätfrühlingsaufenthalt auf Burg Wildenstein 1945 werden als »geheime Verschränkung des Jahrhunderts« (I, 235) von Peter Sloterdijks Schloss-Elmau-Rede am 17. Juli 1999 verbunden, Regeln für den Menschenpark, eine zeitversetzte transhumanistische Antwort auf Heideggers 1946 an Jean Beaufret gerichteten Brief über den Humanismus. Wo 1945 die »INTELLEKTUELLE KONSPIRATION DER LETZTEN STUNDE DES REICHES« keiner Gegenwart, keiner Vergangenheit und keiner Zukunft »genau zuzuordnen war«, so ein vermutlich frei erfundenes Zitat der Heideggerschülerin Hannah Arendt, wo 1999 die Aussichten auf eine Züchtung der Menschheit erörtert wurden, birgt Kluge dem »Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit« zum Trotz die »Zeitlichkeit des Hoffens«. Heideggers Tagesgeschick auf Burg Wildenstein könnte sich schon aus der Gestaltung des roten und schwarzen Buchumschlags mit weißem Grund veranschaulichen: Der rote Punkt, der seitwärts der roten Zahl »30« als Ordinalzeichen erwartet wird, gleitet als schwarzer Punkt auf dem »i« von »April«, gleitet von unten in die große rote Null von »30«. So wird gleichsam heideggersch die Entgegensetzung von ordinaler Zeitigung der Zahl und ihrer Raumwerdung neutralisiert. All die weißen kreisförmigen Flächen innerhalb der Buchstaben – 30. April, 1945. Die beiden offenen Kreise der Drei, 3, könnten Heideggers Art des Aufenthalts auf Burg Wildenstein, seinen Tageslauf als Krisengehäuse, seine fast gesperrten Auswege veranschaulichen: »Alle Lebensläufe gemeinsam bilden eine unsichtbare Schrift« (5.B. 11). Heidegger wird zur Ziffer der unsichtbaren Schrift, die nach Kluge Lebensläufe gemeinsam bilden, zum Nährstoff des Alltagsrhizoms.

46 »›Das unheimliche Vakuum‹. Peter Laudenbach im Gespräch mit Alexander Kluge«, in: Der Tagesspiegel, 21. 06. 2014.

Die Übergabe des Philosophen

245

Es wird auf Burg Wildenstein, dieser »Enklave deutschen Geistes« (30. Apr. 197 – 199) beharrlich nach den unterirdischen Wegen einer späten Aussprache mit Frankreich gesucht, und durch »vases communicants« hindurch die geistige Gefahr einer Asiatisierung der Welt durch den Kommunismus beschworen.47 So auch sollten auf der Krim eine deutsch-krimsche Insel deutschen Geistes, auf Kreta durch Mandorf, den Heidegger-Vorläufer eine Lehr- und Lerninsel gleicher Prägung gestiftet werden. Heidegger, der mit Strömen und Meeren wanderte und siedelte, erscheint hier enklavierend, enklaviert, exklaviert – un-ekstatisch, wo er doch in nächster Nähe über den Ufern der sich bahnbrechenden oberen Donau verweilt. Dem prekären Dasein der Heideggerinsel entspricht das »provisorische Leben« C¦lines. Auf der nahe emporragenden, donauabwärts gelegenen Enklave des »ewigen Frankreich« auf Schloß Sigmaringen, durch seine 1471 Kollaborateure vertreten, herrscht am 30. April (30. Apr. 37) eine aus der Distanz berichtete Endzeitstimmung, da die Soldaten des »freien Frankreichs« aus dem Elsass, den Rhein überquerend, auf sie zukommen. Ironischerweise ist dieses »ewige« Sigmaringer Frankreich Heidegger ganz nahe und doch unendlich fremd. Das freie Frankreich aber kommuniziert mit der sich selbst behauptenden Lehr- und Lerninsel durch die verbundenen Brunnen von Grimms Märchen, von Heines Liebesliedern, von den »drei Blätter(n) der Lilie« (30. Apr. 204), während Strategie von oben C¦line D’un ch–teau l’autre mit Angriffen der englischen Moskitos verfolgt, und Martin Heidegger mithilfe von Sein und Zeit und Armut eine machtlose ontisch-ontologische Strategie von unten konsequent und den anderen offen verfolgt. Indes Heideggers Arbeiten mit Hölderlin tatsächlich zusammen in felsigen Höhlen an der Donau ruhten, setzte sich Heidegger nämlich Hölderlin aus: »seine leibhafte Nähe ist das Element meines Denkens«.48 Gerade dieses Gespräch mit dem Dichter wird von Kluge der Zerreißprobe des umhaften Geredes der letzten Tage der deutschen Universität auf Burg Wildenstein ausgesetzt, während nach Kluge die französischen Verbände achtlos an dieser Geisterinsel vorbeifuhren. Am 27. Juni 1945 hielt Heidegger im Forsthaus von Schloß Hausen in Gegenwart des »Oberförsters«, unfern der jüngerschen Marmorklippen, seinen dokumentiert letzten Vortrag vor seinen schwierigen Besatzungswochen. Dessen fündige Vorbereitung im Gespräch mit Lehrenden und Lernenden montiert Kluge in seinem Bericht, diesem Inbegriff eines Sieges der neuen westgebundenen »Ortschaft« der Deutschen über deren alte ostgerichtete Zeitwanderschaft (30. Apr. 289). 47 Heideggers Artikel »Wege zur Aussprache« erschien 1937. 48 Hachmeister, Heideggers Testament, S. 63, zitiert diesen Brief vom 20. 07. 1945 an Rudolf Stadelmann.

246

Herbert Holl

Heideggers Sein und Zeit in Armut – Der Hölderlin zugeschriebene apokryphe Text aber, dessen Auslegung Heidegger auf Burg Wildenstein während dieses klugeschen Tageslaufes vorbereiten wird, ist kurz und scheinbar einfach. Der »Disposition« Hölderlins entnimmt Heidegger : »Es koncentrirt sich bei uns alles auf ’s Geistige, wir sind arm geworden, um reich zu werden.«49 Hölderlins Adjektiv »arm« substantiviert Heidegger als titeleinsetzende »Armut«. Die lernenden Gefährtinnen erhalten aber damit Einblick in das, was jetzt ist.50 Kluge nimmt Heidegger beim Wort, Heideggers Denkraum wird in die Alltagszeit des unausgesprochenen Ausnahmezustands geworfen, manches Mal wiederum als membra disjecta ausgesetzt. Es wird die »geringe«, kaum bekannte Exegese des Hölderlindiktums aus unmittelbarer Notzeit, Zeitnot 1945 mit Gedankenbruchstücken aus dem weltreichen, weltbildenden Traktat Sein und Zeit aus den Marburger Tagen von 1927 verschränkt.51 »Warum ich im jetzigen Augenblick der Weltgeschichte für uns diesen Spruch zur Erläuterung wähle, muß durch diese selbst klar werden«, hatte Heidegger auf die erste Seite seines Manuskriptes »Die Armut« geschrieben. Dieses »Warum« wird durch Kluges gefährdende, verwegene Versuchsanordnung der Chronik gelichtet. Die »Stichworte« gibt der Chronist Kluge in der Episode »Die Armut« (30. Apr., 215 f) in zwei mit Auslassungen präparierten Absätzen wieder. Sie sind nicht dem Anfang des Vortrags zur Konzentration entnommen, sondern der Erläuterung des zweiten Teiles des Hölderlin-Satzes, als ob Heidegger unmittelbar mit dieser »Worterläuterung« begonnen hätte: »Was heißt ›arm‹ […]. Armut ist ein Nicht-Haben und zwar ein Entbehren des Nötigen. […] Wahrhaft arm seyn besagt: so seyn, daß wir nichts entbehren, es sei denn das Unnötige.« Der zweite Absatz im 30. April fragt jäh: »Was ist das Unnötige«, so als handle es sich bei Heidegger um eine Kaskade von Definitionen. Kluges HeideggerStichworte stechen alles aus, was sich nicht konzentriert auf das Gerüst der Gedankenführung, von der Wesensäußerung der Armut zur anstößigen Paradoxie der »wahrhaften Armut«, die Entbehren nicht des Nötigen, sondern des 49 Friedrich Hölderlin, »Disposition«, in: ders., Sämtliche Werke, hg. von Friedrich Beißner, Bd. IV/1, Stuttgart 1961, S. 309; Kluge, 30. April, S. 215. 50 Am 15. 04. 1945, Martin an Elfride. In jenen Monaten hatte Heidegger Hölderlins theoretische Schriften gelesen, deren komplexe Syntax er hervorhob. 51 Martin Heidegger, »Die Armut«, in: Heidegger-Studien 10 (1994), S. 11. Die zweisprachige Ausgabe (Deutsch/Französisch) von Philippe Lacoue-Labarthe und Ana Samardzij, mit einer Einleitung (»Pr¦sentation«) von Philippe Lacoue-Labarthe, ist sehr hilfreich: La pauvret¦ (Die Armut), Strasbourg 2004. Frühling 1945. Der Text gehört nach dessen Herausgeber F.-W. von Herrmann einem von Heidegger »selber zusammengestellten« Manuskript an, dem dieser den Titel »Das Wesen der Frage. Eine Reihe von Manuskripten zum Ereignis (1943/44)« gegeben hat. Der Zeitpunkt der Entstehung oszilliert also zwischen 1943/ 45, das »wahre« Datum erhellt aus dem »Jetzt« des Vortrags und dessen Zeitigung durch Kluge.

Die Übergabe des Philosophen

247

Unnötigen sei im Katastrophenmonat April 1945. Dessen Herkunft wäre nicht Willkür oder Zwang, sondern Geburt »aus dem Freien«. Das Unnötige wird zum Notdürftigen, zum Gedankenreichtum, das Entbehren zum Reichtum des Geistes, in dürftiger Weltzeit übergeben. Diese »Disposition« Hölderlins aus der Zeit Hyperions – »wir sind arm geworden, um reich zu werden« – überträgt Alexander Kluge in einem Gespräch mit Vincent Pauval auf Heideggers Übernahme dieses Spruches: »Wir haben das ganze Reich verloren, jetzt müssen wir einen Neuanfang planen, und es darf niemals derselbe sein.« Der »Reichtum« des Heidegger-Textes erklingt mit dem politisch-geistigen »Reich« des Dritten, schon vergangenen, und einer neuen, unbekannten Wesenheit … Kluge bezeichnet seine Verfahrensweise, die einem Rettungsversuch im lessingschen Sinne entsprechen würde, als »Rekonstruktion« einer werdenden Kritik aus dem Geiste eines Mannes, der das Dritte Reich »in sich selbst kennt«. Dieser inwendigen Erkenntnis widmet Kluge das Kapitel in seiner Vielfalt.52 In Kluges Buch folgt »Die Armut« unmittelbar auf die Geschichte der jungen französischen Romanistin, die den französisch-deutschen »Grenzverkehr der Märchen« illustrierend (30. Apr. 213 f) dem Hölderlin-Satz metonymisch und hydronymisch gerecht wird. Wie brunnentief reich »Hans im Glück« durch »Armwerden« geworden ist, wie frei aus dem, »was nicht aus der Not kommt«, erklärt sie in glückhafter Anwesenheit Heideggers aus der Ferne, der Nähe zweier Versionen, »überliefert aus Orten an den Abhängen der Pyrenäen« (ebd. 215). »Die Armut« bleibt also nicht in der gleichnamigen Sequenz enklaviert, sie verstreut sich in die übrigen Sequenzen, so etwa die Proben aus seinem Schlussabsatz zu Beginn des Schlussabsatzes der Sein-und-Zeit-Sequenz »Das Umhafte der Umwelt« (30. Apr. 207): »Kriege sind nicht imstande, geschichtlich Geschicke zu entscheiden [weil sie bereits auf geistigen Entscheidungen beruhen und auf diese sich gerade versteifen.] Auch Weltkriege vermögen dies nicht.« Das »Konzentrat« der Armut teilt sich der weitausholenden Peripherie von Sein und Zeit in »Heidegger auf Burg Wildenstein« mit. Die »Jemeinigkeit der Sorge« aus § 41 von Sein und Zeit,53 dieses ontologische »Sein zum eigensten Seinkönnen« in Sorge und Einsatz wird in der gleichnamigen Sequenz Kluges entbergend dem ganz und gar ontischen, kläglich gescheiterten Marsch der Heidegger-Volkssturmgruppe nach Neu-Breisach preisgegeben. Dass Dasein ihm selbst »in seinem Sein je schon immer vorweg ist« – das »In-der-Welt-Sein«54 – dem wird durch den wörtlich zitierenden Tagebuchführenden in freier Übersetzung das »Nachhängen« auf dem kläglichen 52 »[…] wie so ein Mann, der das Dritte Reich in seinem Inneren kennt, es in sich selbst kennt [Herv. H.H.], wie der jetzt kritisch wird«. Vgl. »Was in erzählerischer Hinsicht revolutionär ist …« (wie Anm. 7). 53 Martin Heidegger, Sein und Zeit, 14. Aufl., Tübingen 1977, S. 191. 54 Ebd., S. 192.

248

Herbert Holl

Marsch beigegeben, die klugesche unpathetische, durch das kantische Bathos geprägte Ungleichzeitigleit des Gleichzeitigen: »[…] Nachhängen (dort sein, wo man eben noch ein intaktes Selbst war)« (30. Apr. 203), Heidegger dagegen: »Im Nachhängen hat das Schon-sein-bei […] den Vorrang« (§ 43). Wo der Alltag nach Heideggers Sein und Zeit unverwüstlich metaphysischer Beschaffenheit ist, zerstört der Ernstfall des vergeblichen Marsches »die primäre menschliche Eigenschaft, von Sorge geprägt zu sein« (30. Apr. 203), »enteignet« sie radikal des Daseins, des »Ich«, »Du«, »Er«, »Wir«, entzieht den immer noch nicht sorglosen »wandernden Stöcken« mit klugescher Gelassenheit ihre Zeiten, Räume, Welten.55 In Zeit und Sein werden Negt und Kluge Heideggers »recht deutliche Frage am Anfang von Sein und Zeit« beantworten, »warum die 3. Person Singular Präsens und nicht z. B. ›wir sind‹, ›ihr seid‹, also die kollektiven Flexionen Gegenstand der Philosophie geworden sind«.56 Im »Umhaften der Umwelt« von Burg Wildenstein (30. Apr. 206 f.) ertönt aus grosser Ferne noch Rosa Luxemburgs von Kluge und Negt in unmittelbarer Nähe zu Heideggers Sein und Zeit überbrachte Prosopopöie der Revolution: »Ich war, ich bin, ich werde sein.« Der heideggersch verfallende »Hang« von 1927 wird dennoch am 30. April 1945 zum jähen Absturz in die Höhe. Kein hesperisches »Wir« ertönt mehr. »Seen sind für Fische Inseln« – Nur um den Preis des Überlebens könnte die »eingeschlossene Gruppe« in die Höhe des Kosmos sich fallen lassen, um die Schwerkraft »vergessend« aus dem »Umhaften der Umwelt« ins Weltalter, ins Weltall »aufzuschießen«. So erfindet der Chronist auf Burg Wildenstein ein spanisch-deutsches Ehepaar, das sich der von Hölderlins »Reflexion« behaupteten und von Heidegger in »Die Armut« als »die Beziehung des Seyns zum Menschen« besprochenen »Möglichkeit, in die Höhe zu fallen«, aussetzt, um ungetrennt der schuldhaften Wirklichkeit von Kriegsverbrechen in Spanien und dem Osten zu entgehen.57. Wo es, anders als Kluge es eigensinnig beteuert, keinen Ausweg gibt, erkennt das fleißige Ehepaar dessen zerklüftete Möglichkeit in der paradoxen Paronomase der Höhe einer Höhle des Wildensteiner Hexenturms, »an den Rändern des Sichtfeldes als winzige Bewegung faßbar« 55 »Das verfallende Nachhängen offenbart den Hang des Daseins, von der Welt, in der es je ist, ›gelebt‹ zu werden.« 56 Oskar Negt/Alexander Kluge, Geschichte und Eigensinn, Frankfurt/M. 1981, S. 711. Wahrscheinlich spielt Kluge auf § 9 von Sein und Zeit an. 57 Kluge, 30. April, S. 205: »Ist es möglich, wie Hölderlin sagt, in die Höhe zu fallen?« Die üblich gewordene Überschrift, »Reflexion«, stammt nicht von Hölderlin. »Das ist das Maß Begeisterung, das jedem einzelnen gegeben ist, daß der eine bei größerem, der andere nur bei schwächerem Feuer die Besinnung noch im nötigen Grade behält. […] Man kann auch in die Höhe fallen, so wie in die Tiefe. Das letztere verhindert der elastische Geist, das erstere die Schwerkraft, die in nüchternem Besinnen liegt.« (Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke und Briefe, Bd. I, hg. von Günter Mieth, München 1970, S. 854 – 855).

Die Übergabe des Philosophen

249

(30. Apr. 205). Welthafteres strahlt den Wissensinselbewohnern immerhin aus dem Wellenbogen der abgebildeten »leuchtenden Wählscheibe« eines Rundfunkgeräts entgegen (30. Apr. 210). In dessen »Gerede«, aus ihm und ihm entgegen ergänzt Heidegger als Resonanzraum einer »Ent-fernung der Welt« das Ungesagte der Aktualität in der doppelten Stimme des Sprechers von Radio Beromünster, diesem Sender, der Goebbels’ Volksempfang abwehrte, in dürftiger Zeit eine »Weltchronik« ausstrahlte.58 Aus der glückseligeren obwohl ambivalenten Informationsinsel Schweiz empfängt er nämlich die Untertöne »mundartlicher Version«, die das Sprechen von V2-Nachrichten über Antwerpen, weit im rheinischen Norden, mitschwingen lassen. Sie ermöglichen es Heidegger, durch Satzsprünge aus dem Steinbruch des Gerede-Kapitels von Sein und Zeit die welthaften Möglichkeiten der ausstrahlenden Stimme auf der bewegungslosen Wissensinsel zu aktualisieren, einen »Strahl der fernen Ankunft von Welt« zu empfangen. Noch nicht ganz so in der unheimlichen Nötigung des Gestells, wie es in Heideggers Bremer »Einblick in das, was ist«, heißen würde: »Abgesperrt in den Stück-Charakter des Bestandstückes ist jeder Rundfunkhörer, der seinen Knopf dreht, abgesperrt als Stück des Bestandes, in den es eingesperrt bleibt.«59 Auch »ein Schiff war Burg Wildenstein nicht« (Alexander Kluge), das zeitreisend zehn Jahre nach 1945 anders als in Flaschenpost donauabwärts das von Medea und den Kolchern nicht verlassene Schwarze Meer, die Krim, hätte erreichen können. Heideggers »Urwille« nach weltbildender Ekstase in der reichen Armut von Burg Wildenstein entführt den Leser zu jenem »Großen Fisch«, der eine Insel, ja einen Kontinent bildet mitten in der Atlantis, ein wasserspeiender Behemoth vor »Hispania« und dem »Cabo Finis Terrae«. Es »siedeln« auf ihm, das Kreuz auf dem Altar kniend anbetend, neue weltentdeckende, welterobernde Conquistadores, als ob der Mensch »URSPRÜNGLICH ANDEREN LEBEWESEN ÄHNLICH GEWESEN, NÄMLICH DEM FISCH« (30. Apr. 208) – so montiert Kluge in »Heidegger auf der Burg Wildenstein« christliche Mensch- und Weltwerdung Gottes, Menschwerdung der Menschen aus dem Inneren des großen Fisches nach dem Vorsokratiker Anaximander von Milet, Weltaussetzung aus dem Wesen der Technik. Vandenis In stiller Winternacht schwingt leise Sterngezweig zwischen Ebbe und Flut sich dunkelnd 58 Heidegger, Sein und Zeit, § 23, S. 105: »Im Dasein liegt eine wesentliche Tendenz auf Nähe«. 59 Martin Heidegger, »›Einblick in das, was ist. Das Ge-stell‹. Bremer Vorträge (1949)«, in: ders., Gesamtausgabe, Bd. 79, Frankfurt/M. 1994, S. 38.

250

Herbert Holl

sich aufklärend zur Essenz – auf dem Kopf eine Mitra, dahinter ein Dreizack, in rechter Hand ein senkrechter Wasserstrahl – halb Pferd halb Schlange sich ineinanderschlingend sich auseinanderschlingend unter dem gefallenen Sternstrahl weiß schimmernd zur Neugeburt über Atlantis – Kza Han

Vorderseite, Rückseite des Isters – Schon in seinem Filmbuch Die Macht der Gefühle von 1984 hatte Alexander Kluge Heideggers Was heißt Denken? als das »Zu-Denkende« der heutigen Kriege entwendet, Hölderlins unvollendeten Gesang Der Ister ungenannt einsetzend: »Das Dichten ist darum ein Gewässer, das bisweilen rückwärts fließt, der Quelle zu, zum Denken als Andenken. (Heidegger)«.60 In seinem jüngsten Buch, 30. April 1945, wird jetzt das hölderlinsche »Wort von Osten« (»Am Quell der Donau«), diese von Hölderlin wahrgenommene »Kehre« von Ost nach West, zur konstanten Tageschiffre der physischen, geistig-politischen Abwendung der Deutschen vom Osten, der hoffenden Zuwendung zum Westen. Alle Denkungs-, Dichtungs- und Bewegungsarten, von den Brüdern Grimm bis Heidegger und Heine, von den soldatischen Schwimmern und Tauchern zu den Fahr- und Flugzeugen, von Soldaten zu Armeen, werden in diese Gegenwendigkeit unheilig genötigt. »Der scheinet aber fast / Rückwärts zu gehen und / Ich mein, er müsse kommen / Von Osten. Friedrich Hölderlin. Der Ister«61: Dieses Motto übergibt Kluge einer Geschichte, die mit den Hölderlinversen aus dem gleichen Ister, »Man nennet aber diesen den Ister. Schön wohnt er« überschrieben ist. Die Donau umbenennend, den Ister überbenennend, unterbenennend, überträgt er beides dem ankünftigen »Vorstoß« nach vorn eines Elitetauchers und seiner Einheit, dann dem endpunktlichen »Vorstoß nach rückwärts« nach der deutschen Niederlage. Wie für den 60 Kluge, Die Macht der Gefühle, S. 578. 61 Durch genaues Studium des Manuskriptes zeigt Felix Christen, wie dieses Rückwärtsfließen in engem Zusammenhang mit der Gastlichkeit des Isters steht, der den Herkules »zu Gaste geladen«, den Vater von Heideggers Phryge; vgl. Felix Christen, Das Jetzt der Lektüre. Zur Edition und Deutung von Friedrich Hölderlins ›Ister‹-Entwürfen, Frankfurt/M. 2013.

Die Übergabe des Philosophen

251

verwegenen Kauritaucher in Die Macht der Gefühle ist das Vorwärtsdrängen leicht, das Rückwärtsstreben schwierig, wenn »jetzt« der Schatten des Haifischs unter Wasser schimmert.62 Donauabwärts aber verschmelzen zunächst die Schwimmer »wie Schiffe« mit dem Strom bis zum belagerten Budapest, mit virtueller Energie bis zur Donau-Mündung ins Schwarze Meer geladen. »Inzwischen« aber wird der Taucher im zweiten Absatz ein langsames quälendes »Rückwärts« mit dem Fahrrad antreten, vom Strom entzweit »parallel zum Fluß donauaufwärts« zurückgeworfen. Es entzweien sich die »aussergewöhnlichen Energien« (30. Apr. 237) in Leib und Seele: das vorwärtstragende geistige Vermögen des Stromes verkehrt sich in reine »Schubkraft der Angst« vor russischer Überholung aus Osten, das überlieferte dichterische Hinziehen zu den »Quellen des Stroms« – einst Hölderlins Gesang »Am Quell der Donau« für den »leidenschaftlichen jungen Lehrer« – mutiert zum paradoxen Zustreben den Panzermaschinen des »westlichen Feindes« zu.63 Das »Jetzt komme, Feuer«, dieser erste Vers des Ister, versengt sich in den »Einschlagsblitzen russischer Panzergranaten am Horizont«, die freie, einsame Tauchfahrt abwärts wird aufwärts von »jagenden Resten der Nachhut« dahingefegt. Im »abarischen Punkt« Burg Wildenstein am 30. April 1945, wo gleichsam in die Höhe gefallen werden könnte, setzt Kluge den heideggerschen Ister-Chiasmus des Sommersemesters 1942 aus. »Ortschaft der Wanderschaft und Wanderschaft der Ortschaft« entsprechen sich auf der vorletzten und letzten Seite von »Heidegger auf Burg Wildenstein«.64 Auf der Vorderseite haucht ein von dem nationalsozialistischen Wissenschaftsbetrieb ausgegrenzter Paläontologe Heidegger »Zeitlichkeit des Hoffens« ein, gezeitigt aus den Stätten seiner Wanderschaft in »Höhlen und unterirdischen Seen« der oberen Donau aus der ontischen, ontologischen Ent-fernung von vierzigtausend Jahren (30. Apr. 217); auf der Rückseite wird die Wanderschaft des Isters »aus der Vogelschau« zur farbigen Ortschaft der Ortschaften, von Tuttlingen bis Sigmaringen über Burg Wildenstein (30. Apr. 218). Kluge übergibt den Schlageter feiernden, Krim besiedelnden, Griechenland überstehenden Heidegger nicht dem »wesentlichen Wandel unseres Wesens«, das sich nach Heideggers IsterVorlesung im günstigen Augenblick hätte ereignen können, sondern dem Welt 62 »Der Taucher«, zuerst in: Kluge, Die Macht der Gefühle, S. 402 – 406. Dann in: Chronik der Gefühle I, S. 363 – 364. 63 »Rückwärts« zum Anfang läuft auch der australische Film The Ister von David Barison und Daniel Ross (2004), in dessen 5. Kapitel Hans Jürgen Syberberg durch die obere Donau bis zur Quelle führt. 64 Vgl. Martin Heidegger, Hölderlins Hymne ›Der Ister‹, in: ders., Gesamtausgabe, Bd. 53, Frankfurt/M. 1993, S. 39. Vgl. auch vom Verf., »Auf Schwingen der Übersetzung / Sur les r¦miges de la traduction: heuristique et herm¦neutique de l’Ister de Hölderlin«, in: Guy Deniau und Andr¦ Stanguennec (Hg.), Exp¦rience et herm¦neutique, Paris/Nantes 2006, S. 79 – 110.

252

Herbert Holl

aussetzenden Gelände zwischen Berg und Gegenberg, dem Überhang des Himmelsraums zwischen Flug der Graugänse und Gegenflug der Jagdbomber, die beide jedoch den Halbgott Strom noch »unter sich wissen«.

DOKUMENTE

Alexander Kluge

Heidegger expects to be appointed head of the Führer Teaching Staff Übersetzt ins Englische von Martin Chalmers

In the November rain the German philosophers hurried from all the provinces (the German provincial towns) to Leipzig for the German Philosophers’ Congress. In Berlin the Führer boarded the special train that was to take him to Berchtesgaden. The engine of the Führer’s train was usually changed at Leipzig Central Station. A meeting between Hitler and Martin Heidegger had been planned by Schmundt, the army adjutant. A chain of trivial incidents cut short Hitler’s stay in Leipzig and prevented the meeting. Those in the know had hoped that it would lead to a strengthening of the forces necessary for a SECOND NATIONAL SOCIALIST REVOLUTION. Thus the last chance in the Occident for philosophy »to enter into a space with direct access to the seat of power in the Reich« was squandered. NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (NZZ):1 What is Führer Teaching Staff supposed to mean? So far there has been no such staff. PARTY COMRADE (PC.) RICHTER:2 It is necessary to set it up. NZZ: Did Hitler know how lucky he was? Had he asked for such a staff ? PC. RICHTER: He had said, he always wanted to keep on learning. He had said it in public and in private conversation. NZZ: Now he is to get a teacher? PC. RICHTER: But not with that description. The Führer is not a student. NZZ: A philosophical scholar? PC. RICHTER: It was less a question of philosophy. It was a question of thinking. 1 The conversation takes place before Christmas 1934 in Berlin, the capital of the Reich. The correspondent of the NZZ had suggested the smoking room of the Adlon Hotel as a meeting place. 2 Eduard Richter, Party member since 1923, jurist of the school of Dahm and Schaffstein in Kiel, wrote on the philosophy of law, lobbyist for the IG Farben chemicals trust. Suicide 1945 in Oslo.

256

Alexander Kluge

NZZ: Could Hitler not think? PC. RICHTER: Every man can think, if he is not afraid to do so. NZZ: It is said that the Führer is superstitious? PC. RICHTER: Perhaps. It’s part of thinking. A collaborator for intellectual sustenance, that’s what it’s about. NZZ: Like a head cook? PC. RICHTER: Something like that. NZZ: Why did it come to nothing? PC. RICHTER: The engine was ready at Leipzig-Wriezen and not at Leipzig Central Station. So the stop in Leipzig was very brief. NZZ: Always assuming, that the Führer had any intention at all of establishing a Führer Teaching Staff … PC. RICHTER: Assuming that. NZZ: A staff of royal tutors? PC. RICHTER: The powerful have always maintained something like it. NZZ: How would Heidegger have spoken to the Führer? In the language of his publications? Or in the Führer’s language? PC. RICHTER: Certainly not using the mode of expression that characterises Heidegger’s writings. The Führer has little time. He also tends not to listen. A Führer Teaching Staff does not constantly accompany Hitler. The Führer Medical Staff, that’s an office in Berlin. The Führer Escort Staff is the Guard Regiment Großdeutschland, which provides personal security whenever Hitler travels anywhere. So it’s a kind of headquarters staff, which keeps track of the philosophical and poetic element in the Reich, reports directly to the Führer and passes on directions of the Führer, which refer to the philosophical. It is not there, on the other hand, to teach him, to instruct him, or e. g. to make suggestions as to what he should read. The staff office would be the senior authority of the German faculties, of the sphere of National Socialist research and teaching. In fact at this point many thought that Heidegger occupied such a position. NZZ: So Führer Teaching Staff is a designation? PC. RICHTER: And a sign. Also an opportunity for conversations and meetings. NZZ: Did Heidegger prepare for the meeting? PC. RICHTER: Certainly. NZZ: How? PC. RICHTER: Actually only with questions. Well prepared, mood-setting questions, which show that the Führer can trust such an introduction to the SECRET INTERCONNECTEDNESS OF THE CENTURY, which at first may seem unfamiliar to him,

Heidegger expects to be appointed head of the Führer Teaching Staff

257

philosophical guidance, but nothing academic, a bit of Schelling, Leibniz, Nietzsche, but without mentioning names. NZZ: From which budget was the staff to be financed? PC. RICHTER: From supplements on Reichspost special issue stamps. Given the size of the issues that can come to a tidy sum. NZZ: What did Heidegger feel when nothing happened? PC. RICHTER: He felt it was a catastrophe. After 30th June he was in any case persona non grata.3 Every up and coming National Socialist author was allowed to take practice shots at him. They pounced on him. NZZ: But for a historical moment the notion of attaching a master thinker to the Führer was more than just an idea. PC. RICHTER: Yes, a self-confident master thinker. NZZ: Impossible to imagine what might have come of it! PC. RICHTER: Everything imaginable!

Socrates fought as a soldier at Marathon, Plato taught in the presence of the tyrant Dionysos in Syracuse, Aristotle’s assistants accompanied the armies of Alexander the Great with the rank of staff officers, measured the circumference of the globe. Kleist rode with his sister to Boulogne, where Napoleon’s army was preparing to embark for England, in order to provide these warriors with the essential elements of Kantian philosophy. The military ¦lan of the Revolution and the conceptual power of Königsberg, constituting the necessary principles of the exercise of power : What an insuperable presence! There is no example of a power »maintaining itself in power for any length of time without self-reflection« (Montaigne). It is Hitler’s misfortune that the meeting with Heidegger did not take place because of a technical change of plan ordered by Reich railway officials, who knew nothing of the needs of power. NZZ: Does anyone know whether Hitler would have paid any attention to a Führer staff teacher? PC. RICHTER: No one can know that. He listened to technicians, engineers. Also travellers and explorers. NZZ: Nothing has further to travel than a report from the world of ideas. »Unsheltering sheltering«. PC. RICHTER: That might have been the chance. 3 30th June 1934 – »The Night of the Long Knives« when Hitler purged the leaders of the SA (Brownshirts) who had been in favour of a second or more radically populist and anticapitalist National Socialist »revolution«. (trans.)

258

Alexander Kluge

An episode from the Russian campaign of 1812 He had made a conquest of the young woman during a ball week of the 1808 season. It took the Comte de Chenelle, youthful colonel in the 14th Regiment of Hussars of the Grande arm¦e a week and three days to take possession of the young Marie and her fortune. He needed nine and a half months to force his daughter Sophie out of her. Marie was never asked about the measures of time in which she could have considered a response. But she carried herself away. She was prepared to submit to the count, to submit to him for hours at a time and so on. A determined, confused struggle with herself, because the social advance linked to the marriage (her family was wealthy, but not as high-ranking as that of the count) lent lustre to the balance sheet of her fate; this fate had to be accounted against the contract made by her parents (they being the truly beloved and her brothers). The reasons that recommended proving oneself in this passage of life (and gave the enthusiasm of the heart a nudge) were primarily entrepreneurial. Just as the rapaciousness of the young count, less experienced in the details of life than his wife, swept him to her. »They joined together.«4 In the swiftness of those years, in which the century sought to expend itself, there was little room for deep feeling. Thanks to this, in principle, cruel cause, a strong physical attraction developed nevertheless, precisely because neither of them could be level-headed. In addition, in the daughter there was growing up a living being, whom the young man sought to bind to himself with »passionate tenderness«. The tension of these three years was interrupted by the order of the Emperor, that the regiments should assemble on the eastern border of the Empire in readiness for an attack on Russia. The advance was to go by way of Minsk, Smolensk, Moscow, possibly continuing further to Astrakhan and India. The 14th Hussars were assigned to reconnaissance duties.

4 The feeling of being SWEPT AWAY has to be translated from the French. »Swept away« = ravissant; from ravir : to faint. The person swept away momentarily loses consciousness, indeed all will power. The same emotional state, however, can be described as FAILLE, a weakness, faillir = to faint. There arises the agreeable aspect, that I do not feel myself responsible for anything. »I entrust myself.« The couple relationship finds suppport in a current which flows between all people of a time, no mattter whether they are striving for happiness or believe they possesss it. Heartrending in this sense is SAISISSANT (e. g. la coeur). Faille = interruption, break in consciousness. Marcel Proust, however, writes INTERMITTENCE DU COEUR for the same psychical process: heart stopping.

Heidegger expects to be appointed head of the Führer Teaching Staff

259

II The horses were nervous. Marie was crying bitterly, all night she had been weeping over the brutal interruption of their marriage. The three year-old clung to the cloth-enclosed body of her father, rubbed her face against the uniform. The count had to be in Paris before nightfall. Thoughts and emotions were already long there. What was friendly about this departure? The count found the drain on time a nuisance, he wanted to get away quickly, take advantage of the coolness of the early hours. The countess sensed that, left to her own devices in the ch–teau, she would be isolated; she never forgave her husband for that. Only their daughter, who did not grasp the consequences of the departure, and did not assume that her father would stay away from her for any length of time, cast a sunny glow on the scene with mercurial liveliness, which might be called friendly. This she gave her father as he set out on the long ride. The truth of this leave-taking scene was lost soon after, because it became an image, which each of those involved bore in their heart and on which later they draped tender feelings as if it were a peg. Altar of a short-lived marriage – and its termination – the moment itself contained nothing of that. As soon as they had been torn apart, the count and countess swore each other everlasting faithfulness, the reliable perseverance of their feelings, which neither, however, was able to command. Close to the battles of Smolensk, Borodino, Mozhaisk, the count and his cavalrymen always rode at some distance from the main force. On the retreat from Moscow the regiment lost all its horses. In early December, when the Third Corps of Marshal Ney (consisting of infantry and remnants of the previously mounted reconnaissance troops, now on foot) was cut off from the main column of the Grande arm¦e, the Emperor ordered the Guard and those officers his orders could reach TO ABOUT-FACE TO THE EAST. He was either marching into the jaws of disaster or he would save this rearguard, because no one can remain commander-in-chief or Emperor, if he abandons a force that has got left behind. Reliability is the essence of empire. Across a tramped-down expanse of snow, islands of bushes, distant black forests, a last armed fragment of the Grande arm¦e marched towards their Russian pursuers, who drew apart, not because they considered this attacking force to be dangerous, but because they thought the direction of its advance absurd, were also startled by the swift pace of the march, the loud shouting, the hysterical structure of this assault. Towards evening they met up with the compact mass of the Third Corps, moving slowly westwards. The army was reunited. Immediately the will of the distracted Emperor5 slackened. Here he no 5 The Emperor is literally »out of place«. He belongs in the Tuilleries or in other places where the

260

Alexander Kluge

longer wanted to conquer anything, inwardly now only to be aroused in the form of an actio libera in causa6, but only for a few hours. The army, which was now marching together again towards the West across the desolate black and white plain (until now only a few wisps of snow had remained lying on the ground), became inattentive. In these minutes of crisis the count found himself cut off together with 44 of his men, surrounded by a mass of Russian cavalry. He surrendered. Due to an oversight on the part of the Russian military authorities, unprepared for victory and large numbers of prisoners, Colonel de Chenelle remained imprisoned or at least in secure custody for six years, because finally he had no status whatsoever, astray in the administrative wilderness of the vast empire. In France he was presumed dead.

III Marie had received news of the death of her husband. Now that he was gone, the pictures of the swiftly lived time were filled in. At first Marie vowed to let nothing and no one replace the lost man. She rebuffed suitors, who felt attracted by her youth, the rumour of her loneliness, the properties over which she ruled as a widow. She ignored her parents’ entreaties to show herself in the capital, to divert herself. Not until the second year of mourning, since the political scene had meanwhile been transformed, did her brothers succeed in dragging the reluctant woman to the balls of the season. She was not in a state of readiness to defend her estates, her freedom. She forgot her vow. Soon she had entered into a second marriage with the Marquis de…, whom she bore a son and a daughter. Empire works for him. Instead he is passing, at an indefinite distance, the edge of a forest, which has been described to him as »the West«. In that direction, however, there is nothing at all to be seen that could interest him or fill him with hope. All horizons are alike. 6 Formulation of the Classsical legal theorist Ulpian. Thanks to previous action a person finds himself in a condition, e. g. because of drugs, alcohol, in which he is forced to commit a crime. Although, says Ulpian, no free will is present in the criminal act itself, it was nevertheless up to the criminal, whether he got himself into this will-less state in the first place. He himself was to blame for the loss of his will power and must pay for that. It is of no use, therefore, to put oneself in a state of intoxication or need, one is nevertheless responsible for the resulting actions. In the days of the retreat the Emperor could only keep his mind active by placing himself in desperate, intolerable situations or by seeking these out, in order in the extremity to squeeze a last drop of resistance, inner agitation out of himself. He made use of the sharpnesss of the cold, the hurt of his defencelessness, to perform a number of imperial deeds. He acted as if under the influence of a drug, but drew this effect from the actual conditions. Some said: He was seeking death. His adjutant, who knew him better, retorted: He was looking for a remnant of resolve. He was »icebound«.

Heidegger expects to be appointed head of the Führer Teaching Staff

261

IV What consternation, when one day in May 1818, the count, who has at last escaped imprisonment or disorganisation enters Marie’s chamber : a man whom she does not immediately recognise, in uniform, now that of the royal army, grown older, signs of suffering in his face, recognised without hesitation only by his daughter, who jumps up from her piano playing and rushes over to the newcomer, as if she knew who he was, which was impossible, since the man so little resembled the father, who years before had said goodbye to the three yearold Sophie. An entirely different picture, however, presented itself to the count. He was unable to devote his attention to his daughter, for he saw a man he did not know in these rooms, one wearing a multicoloured, dotted morning coat, evidently at home in these domestic rooms of Marie, which after all were his rooms. Marie, seized by a presentiment, felt faint at that moment. The man in the dotted morning coat supported the woman who had sunk to the floor, took her in his arms. The count could only instantly hate the usurper of his property. Marie had not waited for him. He had been duped by an image that had led him here from the vastness of Russia.

V Marie’s marriage to the Marquis de… had been entered into on the basis of an official declaration that had removed the count from the world of the living. This death certificate had been refuted by his return, Marie’s second marriage, which constituted the foundation of the life of two of her children, was null and void, should the nullity be established by a court on application of one party. What was to be done? What petitions applied for? Marie’s brothers, the Marquis de…, the count, the extended families involved and their lawyers negotiated. No one wanted to cut the threads of fate, which had become so confused, with legal finesse. Instead the count had a demand for satisfaction with pistols communicated to the marquis who had taken wife and estates from him. The duel was forbidden by the king. Neither of the parties was able to come to a decision, which could have been explained morally or dispassionately to a third. Marie stated that she no longer wished to live, that in the confused situation (not of her doing) she did not wish to choose. She had become accustomed to the marquis and his erotic skills, rejected dispossession of her two later-born children, no longer knew the count, who had risen from the dead, from the frozen corpses in Russia. On top of which she was at loggerheads with her first-born daughter, would gladly have sacrificed or given away the latter.

262

Alexander Kluge

Since none of these desires could be articulated in the languages of her caste she rejected altogether a life under such a combination of fates. The disappointed count, while full of hate of the intruder, would have contented himself with the return of his estates and of his affectionate daughter. He nevertheless considered it incompatible with his honour to renounce Marie and the legal rights of marriage, if it had to take place in such a way that he asked for the return of his property, yet abandoned the custodian of this property to an alien conqueror. He raged against the stranger in the morning coat and the latter’s impudent, quick-witted support of Marie in her moment of weakness. The marquis for his part had become accustomed to the properties Marie had brought to the marriage, intended to defend them tooth and nail for his offspring and heirs, was also moved by Marie’s youth and her desperate position. Through intrigue he conducted a moral and legal war of defence on behalf of the status quo and against de Chenelle’s claims of restitution. The time after the fall of Napoleon stretched out. Nothing more of the swiftness and fleetingness of the years in which the count and Marie had met. Now, under the rule of the king, there was time for wearisome lack of decision. Finally the count and his daughter Sophie remained alone. A legal settlement apportioned part of the properties to the count. For a while Marie was watched to ensure that she did not find any opportunity to put an end to her life. As soon as decency allowed, she returned to the marquis and her two children; since she was not permitted to publicly express her satisfaction with this conclusive state of affairs (which had come about without any action on her part and formally in the face of her protests) in her new situation she could develop little self-confidence. »So her life continued.«

VI Rossini composed two operas at once for the 1820 season: »The Return of Odysseus« and »The Italian Girl in Minsk«. The count sat in one of the boxes of the Opera accompanied by his pretty daughter, whom an impartial observer could have taken for his lover; in another box, without greeting the count, sat Marie and her husband (the first marriage had been dissolved). Unlike the wife of Odysseus she had not waited twenty years for the husband believed dead, bravely defended his property against the suitors. The count had not shot the stranger, who had beset and conquered his wife: a world of indecision. All watched their own fate, which filled the stage, inimitable and confirmation of the muteness of their private feelings. Marie remained rigid. Only Sophie wept bitterly, because she believed she had to express the feelings of her beloved father.

Heidegger expects to be appointed head of the Führer Teaching Staff

263

Decisiveness: It appeared with great frequency from the date of Napoleon’s consulship. Hysteria is required to drag it away from the dumbness of mere forces. Where are the opportunities to free oneself by a swift decision? WHAT IS AN 18th BRUMAIRE OF THE EMOTIONS? WHAT IS A BONAPARTIST OF LOVE? In France the century is such that in the years up to 1812 all the energies of decisiveness have been used up, an »entrepreneurial«, »occupying« (proprietorially expansive) decade. It is succeeded by a further swamp of irresolutions (Restoration) and of »ostensible decision-making« (Second Empire): Wait and see.

The Mystery of the Beresina In the intense cold of the retreat the normal powers of judgment of the Emperor and his staff were still in excellent working order. The army marching back sent out scouts. Despair is triggered by the knowledge, that none of those marching back wanted anything from this country, that all the sacrifices of the last six months were in vain. Hence the RAVENOUS APPETITE FOR LOOT, which tries to compensate for the lack of goals. Transport of this loot slowed down the march enormously. A man has to carry something with him: a hope, a mission, a piece of loot. The scouts sent out by the Emperor kept their horses on the go, they reported the encircling movement, which the Russian commanders had devised. One army was moving up from the south. Its purpose was to cut Napoleon’s army off west of the Beresina. The Russian army of Prince Wittgenstein was advancing from the north towards the east bank of the river. To the east the rearguard of the French army was skirmishing with Kutusov’s main army. It is 300 pioneers under General Ebl¦ who build the pontoon bridge over the Beresina, which saves the French army. They are patriots with technical experience. Doctors organise their deployment. These specialists ignored the order they received six days ago to destroy their pontoon material; now they have set up their appliances, screws, tools, ropes and connecting pieces on the river bank, arranged in boxes. The Emperor has decided on a spot for the crossing. The enemy doesn’t expect the attempt to be made here. As a result the pioneers have a start of a night, a day and a second night. Punch is heated up on big fires next to the laid out equipment. The pontoon soldiers are filled to bursting with the stuff (doctors see a man as a skeleton container, which can hold a certain volume of liquid and thereby defy the cold). So they make their way into the water, which first reaches their hips and in a moment the collar bone. They drive in piles, bring up pontoons, connect them. A man cannot hold out for more than ten

264

Alexander Kluge

minutes in the icy water. The doctors and officers shout to the pioneers through megaphones. They keep the capacity for devotion of these patriots under control. A collective mental confusion of the column is required, a kind of forwardfacing panic, so that men summon up the necessary forgetfulness of self. They will all die of it. General Ebl¦, in the water himself, manages to reach Königsberg, survives his men, but, amputated and exhausted, dies as a result of the undertaking. Bodies don’t forgive.7 The following afternoon the 1st Corps and the Imperial Guard are able to cross the river. The bridge at first traverses marshy, only lightly frozen ground, then the river itself. The dreadful images, which as prints entered Europe’s imagination, were produced by book and newspaper publishers, who had no witnesses at the scene itself. They described events of the third day : the catastrophe of the stragglers, of the loot-laden part of the army, of the »consumers of the war«. The »military producers« had crossed the river the previous day in good order and in a series of engagements broke through the encirclement. The LOST TROOP of the rearguard, which defended the east bank until the bridges were destroyed, also remained intact until they were taken prisoner. What was dreadful was only the readiness of the technical PATRIOTS OF THE FIRST NIGHT to lay down their lives. Where did this reserve of energy come from? The pioneers were the sons of peasants, who, in the Grande arm¦e had been trained as some kind of engineer, each one individually, and were serving out their time below their qualifications. They, the patriots of freedom of trade, had saved up these reserves. No patriotism without such accounts. The mystery of the bridge over the Beresina lies in the way the officers (and the pioneers themselves) were able to call up this reserve in a few hours of the night, a reserve which should have sufficed for a whole lifetime until death and consequently is usually only expended a few ounces at a time by self-confident men. Clausewitz, who visited the place the same year, speaks of »patriotic enthusiasm, supported by punch, but not released by it«. It’s a matter of a mental confusion brought forth by the simultaneous intense activity of many who are of like mind, comparable to a fleeing herd of horses, which is not held back by any obstacle and for which a fall into the abyss represents no threat.

7 After seven to ten minutes (as estimated by the doctors) the soldiers are brought to the fires, supported by comrades, more carrried by them; they are wrapped in furs. They start to warm up, hot wine is poured into them.

Bildergalerie 2014

Foto 1: Dreharbeiten mit Helge Schneider in München am 14. Januar 2014. Er spielt den Skilehrer der Kanzlerin. Ausgestrahlt wurde die Aufnahme in der News & Stories-Sendung »Früher wollte ich Nachrichtensprecher werden. Late-Night-Show mit Helge Schneider in drei markanten Rollen« am 4. Mai 2014.

(Die Rechte der Fotos 4 und 5 sind bei Ronald Göttel, das Copyright aller anderen Abbildungen liegt bei Thomas Willke.)

266

Bildergalerie 2014

Foto 2: Dreharbeiten auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 1. Februar 2014. Gesprächspartner : Georg Mascolo. Das Interview wurde in der Reihe 10 vor 11 unter dem Titel »Big Data Collection. Georg Mascolo über Cyberwar, Snowden und die Große Abhorche« am 24. März 2013 ausgestrahlt.

Foto 3: Dreharbeiten auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 1. Februar 2014. Gesprächspartner : Michael Stürmer. Die Sendung mit dem Titel »Welche Charaktere braucht der Ernstfall? Michael Stürmer über die Eliten von 1914, die sämtlich versagten« ist noch unveröffentlicht.

Bildergalerie 2014

267

Foto 4: Lesung am 22. Mai 2014 im Gleimhaus in Halberstadt, aus Anlass der Ausstellung »Alexander Kluge, Halberstadt«. Kluge präsentiert hier sein Buch 30. April 1945.

Foto 5: In einer weiteren Veranstaltung im Gleimhaus, ebenfalls am 22. Mai 2014, tritt Alexander Kluge – zu Ehren des Schriftstellers und Theatermachers Einar Schleef – mit der Schauspielerin Jutta Hoffmann auf.

268

Bildergalerie 2014

Foto 6.

Fotos 6 und 7: Dreharbeiten mit Hannelore Hoger in München. Am 19. Juni 2014 spielt sie Amneris, die Rivalin der Aida in Verdis gleichnamiger Oper. Auf dem oberen Foto, aufgenommen am 20. Juni 2014, stellt sie eine Zirkusunternehmerin dar ; sie liest die Passage »Elefanten verhüten eine Panik« aus dem Filmbuch von Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos. Die Aufnahmen sind noch nicht gesendet.

Bildergalerie 2014

269

Foto 8.

Fotos 8 und 9: Dreharbeiten mit Helge Schneider. Am 30. Juni 2014 spielt er einen Menschenrechtsberater der ISIS-Organisation und am 1. Juli einen Piloten (noch nicht fertig kostümiert), der im März und April 1945 die Wunderwaffe »Natter« erprobt, eine Ein-Mann-Rakete zum einmaligen Gebrauch aus Sperrholz und ohne Motor gegen den alliierten Bomberstrom. Das Material ist unveröffentlicht.

News & Stories vom 20. Oktober 2013

ÖKONOMIE ALS FRÖHLICHE WISSENSCHAFT / Frédéric Lordon über SPINOZA und das BÖRSENGLÜCK

Fr¦d¦ric Lordon (Frankreichs bedeutendster Ökonom): »Wir sollten Marx mit den Augen Spinozas neu lesen.« Alexander Kluge: Was Spinoza, dieser kluge Mann, der in Holland lebt, entwickelt, ist nicht nur eine sehr exakte Analyse von Knechtschaft, sondern auch ein Praktikum, wie man temporär Freiheit entwickeln kann. Zwischen zwei extrem starken Leidenschaften entsteht ein abarischer Punkt wie zwischen Erde und Mond, wenn die Gravitationen sich aufheben. Das wäre ein Punkt der Freiheit. Lordon: Das ganze intellektuelle Gebäude von Spinoza zielt darauf ab, wie man sich von den Leidenschaften befreien kann. Kluge: Aber nicht, indem man sie verbietet, sondern indem man sie auf lebhafte Weise fröhlich macht. Fröhliche Wissenschaft. Lordon: Da müsste ich vielleicht etwas präziser sein, wenn es um den Begriff geht. Spinoza spricht vom Affekt. Es gibt zwei Arten von Affekten: die passiven Affekte, die wir als Passionen, also Leidenschaften bezeichnen. Diese Affekte sind jeweils das Ergebnis von äußeren Einflüssen auf uns. Und diese Abhängigkeit von den äußeren Einflüssen, die auf uns einwirken, definiert dann diese Knechtschaft durch die Leidenschaften. Kluge: Weil wir nicht bei uns selbst sind. Lordon: Wir sind den äußeren Ursachen ausgeliefert. Aber Spinoza sagt: Es gibt noch eine zweite Sorte von Affekten, nämlich die aktiven Affekte. Das sind diejenigen, bei denen wir selbst die angemessene Ursache sind. Wenn es uns gelingt, in diesen Zirkel der aktiven Affekte einzutreten, dann sind wir nur unserer eigenen Notwendigkeit gegenüber verpflichtet und das ist die Freiheit. Kluge: Und diese Freiheit würde ermöglichen, dass Verstand ein verdichteter Affekt ist, ein verdichteter Wille. Lordon: Die Vernunft gibt, laut Spinoza, Zugang zu den aktiven Affekten. Und das ist auch das, was dann auf höherer Ebene den Menschen eben die Möglichkeit gibt, die Vernunft, die Ratio zu entwickeln. Kluge: Die Ratio ist gewissermaßen eine innere Republik.

272

News & Stories vom 20. Oktober 2013

Lordon: Sie sollte eigentlich unser Souverän sein. Kluge: Und andernfalls sind wir Zuschauer unserer Produktion. Wir produzieren, und heraus kommt ein Tigerpanzer und der Weltkrieg. Anschließend sagen wir, wir haben das nicht gewollt. Lordon: Das ist eben diese Passivität, diese Passion und die Knechtschaft den passiven Affekten gegenüber, dass wir nicht Autoren unserer eigenen Handlungen sind. Wir werden fremdbestimmt. Das macht an Spinozas Denkart den Skandal aus – schon damals, heute noch mehr –, denn wir tauchen ja bis zum Kragen in diese neoliberale Atmosphäre ein. Man versucht uns davon zu überzeugen, dass wir autonom sind, für uns selbst zuständig, selbstbestimmt, dass wir einen freien Willen haben, dass wir verantwortlich sind für unsere Handlungen, während wir immerzu von äußeren Ursachen und Einflüssen fremdbestimmt werden. Aber um diese Illusion zu beschreiben, gibt es einen Satz von Spinoza, der einschlägt. Er sagt: Die Menschen irren, wenn sie sich frei glauben. Sie sind sich eigentlich nur ihrer Taten bewusst, aber sie ignorieren die Ursachen, die das ausgelöst haben. Kluge: Wüssten sie aber, was die Ursachen sind, was in ihnen an Reichtum von Aggressionen, auch an Gewalt steckt, dann könnte gewissermaßen die Autonomie vieler Affekte quasi eine innere Demokratie entwickeln, also eine Polis. Lordon: Sehr interessant, dass wir dieses Thema der inneren Politik entwickeln. Einer der großen Spinoza-Kommentatoren, Alexandre Matheron, hat dieses Thema entwickelt und zwar in einem Doppelschritt sozusagen, indem er das Politische physikalisiert und die Natur politisiert hat. Was ist ein Körper? Ein Körper ist eine Föderation von Einzelteilen. Aber das Ganze wird von einer konstituierenden Beziehung regiert. Das ist das Wesen des Menschen. Also muss man all diese Teile zusammenhalten. Wie Spinoza sagt, in einem bestimmten Gleichgewicht von Bewegung und Ruhe, also eine innere, interne Politik. Vielleicht müsste man diese Intuition von Matheron weiterführen und schauen, wie man die innere Republik zur Demokratie führt. Kluge: Demokratie wäre sozusagen, dass ich mich mit den Zellen vertrage, das Auge mit dem Ohr. In antiken Geschichten spielt der Magen eine große Rolle. Und das ist jetzt ein Mikrokosmos, der aber in Wirklichkeit das Ganze ausmacht. Dass der Kapitalismus auf einen Schlag bis Sinkiang vordringt, kann man nur erklären, weil die Bewegung nicht offiziell stattfindet, nicht über die Börse, sondern in den Menschen selber vorbereitet ist. Vorher ist es ein antikapitalistischer Staat Mao Tse-tungs, plötzlich zeigt sich, dass der ganze Staat kapitalistisch ergriffen ist. Lordon: Was draußen in der sozialen Welt, in der Gesellschaft geschieht, hat das leidenschaftliche Innere des Menschen als Ursache (zu seinem Besten und zu seinem Schlimmsten), um Tyranneien, Demokratien oder einen wilden Kapitalismus zu bauen, der gnadenlos die menschlichen Leidenschaften ausbeutet,

Frédéric Lordon über SPINOZA und das BÖRSENGLÜCK

273

oder aber um eine neue Gesellschaftsform zu erfinden, eine neue Produktionsart, wir wissen nur noch nicht, welche. Kluge: Der Kapitalismus hat die Tendenz, wenn er in Not kommt, totalitär zu werden. Wenn du nicht kaufst, werden wir Waffen produzieren und die Waffen werden sich gegen dich wenden. So dass also Totalitarismus und Kapitalismus, der riskant ist, der nicht selbstbewusst ist, das Gefährlichste in der Welt sind, was es gibt. Lordon: Man kann diese Frage auf zweierlei Weise angehen. Zum einen sieht man, dass der Kapitalismus die objektiven Mittel hat, Geiseln zu nehmen. Er hat also ganz objektiv diese Kraft und wen nimmt er als Geisel? Er nimmt die Gesellschaft als Geisel. Weil er die Produktionsmittel beherrscht, auch die Mittel zur materiellen Reproduktion dieses Gemeinwesens. Insofern ist das Gemeinwesen dazu verdammt, dem Kapital zu Willen zu sein. Es ist wie ein Spießrutenlauf. Das Kapital hat die Möglichkeit, der Gesellschaft ein Ultimatum zu stellen. Entweder spielt ihr das Spiel nach meinen Regeln oder es gibt unangenehme Auswirkungen für euer materielles Wohlergehen. Das Kapital kann zum Beispiel beschließen, ein Land zu verlassen, sich woanders anzusiedeln, wenn die Bedingungen nicht als zufriedenstellend erscheinen. Wir haben das 2008/09 gesehen, als der Bankenrettungsplan aufgestellt wurde. Das war spektakulär. Warum musste man die Banken retten? Wenn wir die Banken nicht gerettet hätten, dann wäre das ganze Kreditsystem zusammengebrochen. Insofern wäre das materielle Leben in der Gesellschaft praktisch von einem Moment auf den anderen zum Stillstand gebracht worden. Man kann noch eine engere Verbindung herstellen zwischen Kapitalismus und Totalitarismus. Wenn man das Totalitarismus-Konzept neu definiert, wenn man es aus den rein politischen Bedeutungen herausnimmt, kann man zeigen, dass der neoliberale Kapitalismus die heutige Form ist. Der neoliberale Kapitalismus ist ein Ausbeutungsprojekt für die Leidenschaften und der menschlichen Affektivität. Und zwar in einem noch nie gekannten Ausmaß. Der neoliberale Kapitalismus fordert nicht nur die Mobilisierung der Körper der Arbeitnehmer, sondern auch ihrer Seele, ihres Geistes, ihrer Affektivität, ihrer Gefühlswelt, ihrer Leidenschaften. Alles muss in den Dienst des Kapitals gestellt werden. Die ganze Innenwelt der Arbeitnehmer muss dem Kapital zuarbeiten. Und das Kapital kolonisiert die Arbeitnehmer von innen. Das Kapital will nicht nur die Mobilisierung nach außen hin. Kluge: Und zwar in allen Eigenschaften, als Arbeitnehmer, als Konsumenten, als Sparer, die sich in Aktionärsmehrheiten in den Betrieben verwandeln. Damit ist das, was sich hier kombiniert, dieses sekundäre subjektive Kapital, diese Autorität, gleichzeitig jeder Firmenleitung überlegen. Stärker als jeder Direktor, als jeder Unternehmer.

274

News & Stories vom 20. Oktober 2013

Lordon: Man könnte sagen dass es drei große Epochen des Kapitalismus gegeben hat. Der allererste Industriekapitalismus Ende des 19. Jahrhunderts, das ist ein aufkeimender und extrem wettbewerbsträchtiger Kapitalismus. Kluge: Der Unternehmer schläft in der Fabrik. Der Unternehmer ist oft Ingenieur, Erfinder ; er ist selber tätig und haftet selber. Sein Arbeiter kann ihn ansehen, kann ihn beschimpfen, aber kann ihm auch vertrauen. Das ist der klassische Kapitalismus, Produktionskapitalismus. Lordon: Das ist der erste Produktionskapitalismus. Aber letztlich wird dieser Kapitalismus in einer Krise zugrunde gehen, die der heutigen sehr nahe kommt. Das ist die Krise in den dreißiger Jahren. Und der neue Produktionskapitalismus, der dann aus dieser Asche aufersteht, den wir den Fordismus nennen … Kluge: … von dem Keynes spricht, den Roosevelt, aber auch Hitler bedient … Lordon: … ist ein Kapitalismus, der sich dadurch auszeichnet, dass der Staat seine Hand sehr stark im Spiel hat. Die Wirtschaften sind verhältnismäßig selbstbezogen, die Volkswirtschaften haben Beziehungen auf internationaler Ebene, aber in bescheidenem Maße. Die Finanzwelt als solche spielt keine Rolle. Es ist die Zeit der Manager. Da sieht man zwar den Boss immer noch, den Manager, aber die Unternehmen sind beträchtlich gewachsen. Kluge: Und der Unternehmer rückt in die Ferne. Lordon: Das ist nicht mehr dieser Unternehmerkapitalismus, sondern ein Managerkapitalismus. Kluge: Und heute, der dritte, da sieht man den Unternehmer gar nicht mehr. Lordon: Die Aktionäre, die Anteilseigner dominieren in diesem Kapitalismus und sind vertreten durch große Finanzinstitute, insbesondere die Rentenfonds, und man weiß nicht mehr, an welcher Stelle man den sozialen Kampf durchführen soll. Kluge: Das ist für Spinoza, wenn er hier hereintritt, eine absurde und extreme Situation. Denn es ist unmöglich, die Ursache des Ergebnisses zu sehen, unter dem ich leide. Die traurigen Leidenschaften, die traurigen Affekte sind allein aus dem Grund schon in der Mehrheit, weil man nicht sieht, wo die Herrschaft geblieben ist, was mich dirigiert. Lordon: Das ist einer der wichtigsten Punkte in der heutigen Politik. Die zwei großen Verteidigungsmechanismen des liberalen Kapitalismus sind die Abstraktion und die Entfernung. Das sind die besten Streiter für diesen Kapitalismus. Kluge: Früher Entfremdung, jetzt Entfremdung plus Abstraktion, die Gründe sind hinter dem Horizont. Lordon: Das ist das Schwierige an der Geschichte. Wenn man den Leuten erklären will, welche Mechanismen sie zum Leiden bringen in ihrer Arbeitnehmerwelt, dann kann man die Wirkung, also ihr Leiden, nicht mehr mit den Gründen zusammenbringen, die für sie erreichbar sind. Man muss ihnen er-

Frédéric Lordon über SPINOZA und das BÖRSENGLÜCK

275

klären, dass die makroökonomischen Strukturen, zum Beispiel der internationale Handel, die Freizügigkeit, die finanzielle Dereglementierung, die Rentenfonds, die Börse, etwas Abstraktes sind. Man kann sich nicht so gut mobilisieren, wenn man gegen etwas Abstraktes zu Felde ziehen will, als wenn man gegen den Chef protestiert, der gerade im Büro nebenan sitzt. Kluge: Das ist ein potenzierter Warenfetisch. Alle Dinge sind verzauberte Menschen. Sie sind von uns produziert aber sie sind uns weggenommen. Und jetzt kommt noch weiter hinzu, dass die Regeln, nach denen etwas überhaupt entschieden werden kann, unsichtbar sind. Lordon: Das ist wahrscheinlich eines der großen Charakteristika des zeitgenössischen Kapitalismus. Wir haben hier einen Fetischismus auf einer unglaublichen Ebene entwickelt, in einem unglaublichen Ausmaß. Und da müssen wir wieder zurückkommen auf die Fetischismus-Definition von Marx oder von Luk‚cs. Das ist die Produktion von Sozialaffekten, die sich über die Gesellschaft hinaus entwickelt haben und die sie jetzt beherrschen. Kluge: Das ist eine sehr radikale Kritik an dem Politischen überhaupt. Sie sind ein Clausewitz der politischen Theorie. Wir haben ursprünglich mal Krieg, dann haben wir Bürgerkrieg, dann haben wir asymmetrischen Krieg als Bürgerkrieg und als Krieg. Und jetzt haben wir Wirklichkeitsentzug. Das ist schlimmer als Krieg. Lordon: Die Machtorte sind so weit entfernt, dass sie für das Volk unerreichbar geworden sind. Dinge werden in Gang gesetzt, Entscheidungen werden getroffen, man weiß nicht mehr wo und von wem, und die demokratische Kontrolle kann vom Volk nicht mehr ausgeübt werden. Kluge: Wie geht jetzt eine Schule des Politischen? Sie haben einen Lehrer aus der Normandie, der 1789 nach Paris kommt. Er sagt: Revolution kann doch nicht von Laien gemacht werden. Wir müssen dieses Handwerk lernen. Er gründet vier Klassen und 1816 sind die ersten fertig. Da ist der König wieder da. Der Lernprozess war zu kurz. Das ist der Zeitbedarf für Revolution. Jetzt könnten wir nach 1918 lernen, nach 1945 können wir nochmals lernen und 2007 ebenfalls. Und jedes Mal brauche ich wieder diesen Lehrer, der gegen die Zeit kämpft im Wettlauf mit dem Minotaurus. Da gibt es einen Ausdruck bei Ihnen, Conatus, was ist das? Was heißt Conatus? Lordon: Spinoza sagt, der Conatus ist das Streben nach Selbsterhaltung, das jedem Ding innewohnt. Kluge: Es ist das, was bei Newton Trägheit ist, das Trägheitsgesetz? Lordon: Das Trägheitsgesetz ist in etwa die am wenigsten entwickelte Form des Conatus. Conatus ist das Streben nach Macht. Ein Stein kann wesentliche elementare Wirkungen erzielen, weil er eben eine elementare Struktur hat. Kluge: Das Wasser hat eine andere als der Stein?

276

News & Stories vom 20. Oktober 2013

Lordon: Der Mensch kann unterschiedlichste Wirkungen hervorrufen. Er kann die natürliche Welt umkrempeln, er kann Gesellschaften gründen. Conatus ist ein Streben nach Macht, nach Wirkung. Beim Menschen ist der Conatus, also der Wunsch, das Begehren wesentlich. Das sagt Spinoza auch in seiner Ethik. Kluge: Und das Schöne ist, dass sozusagen nicht ein Wunsch da ist. Ein Wunsch wäre furchtbar. Also Medeas Conatus ist für ihre Kinder tödlich. Wenn jetzt viele Conati von früher, aus der Zukunft, im Konjunktiv und im Optativ miteinander ringen, dann kann ein Affekt den anderen mäßigen. Wenn ich sie nicht bekämpfe, machen sie Frieden. Wenn ich sie verbiete, rebellieren sie oder aber gehen zum Feind und werden mich bekämpfen. Lordon: Der Conatus führt automatisch zu einer Politik. Ich habe den Eindruck, dass man die Politik übrigens sehr gut so neu definieren könnte. Was ist die Politik? Das ist das, was dem Aufeinandertreffen von Mächten folgt, wenn die Conati zusammenkommen. Das ist auf unterschiedliche Weise möglich. Sie können miteinander ringen oder kämpfen. Mächte können sehr gut antagonistisch eingestellt sein und sich bekämpfen. Kluge: Wir sind noch nicht in einem Laboratorium oder in einer Phase neuer Politik. Aber darstellen, skizzieren und erzählen – in der narrativen Phase sind wir bereits, unter dem Druck der Krise. Sie haben zum Beispiel in Alexandrinern die Finanzkrise beschrieben. Was ist ein Alexandriner? »Oh Wut, oh Verzweiflung, oh feindseliges Altern, musste ich so lange leben nur um diese Schmach zu erleiden?«1 Lordon: Der Alexandriner ist eine Errungenschaft der französischen Dichtung. Das ganze klassische Theater in Frankreich, die Tragödien, Racine, Corneille, aber nicht nur, auch MoliÀres Komödien, das ist alles in Alexandrinern verfasst. Es war eine etwas verrückte Idee zu versuchen, die Finanzkrise in Alexandrinern zu behandeln. Als ich das Stück geschrieben habe, da habe ich mich aber von einer spinozaschen Absicht leiten lassen. Eine der großen Nachrichten, eine der großen Botschaften der Philosophie von Spinoza lautet eben, dass die Vernunft ohnmächtig ist, wenn es darum geht, die Affekte zu beherrschen. Das ist natürlich sehr traurig, diese Geschichte. Kluge: Traurig von einem konventionell-moralischen Standpunkt aus gesehen. Politisch ist es nicht negativ. Lordon: Ja, nicht nur. Denn das heißt ja, dass das wahre Wissen der Dinge nicht das bewirkt, was die Intellektuellen sich vorstellen. Das heißt nicht, eine rationale Analyse zu produzieren um gleichzeitig zu bewirken, dass den Menschen etwas bewußt wird und dass sich Dinge verändern im Politischen. Zum Beispiel 1 Kluge zitiert hier aus dem berühmten Versdrama Le Cid von Pierre Corneille, wo es in der vierten Szene des ersten Aktes heißt: »¬ rage! ¬ d¦sespoir! ¬ vieillesse ennemie! / N’ai-je donc tant v¦cu que pour cette infamie?«

Frédéric Lordon über SPINOZA und das BÖRSENGLÜCK

277

die heterodoxen Wirtschaftswissenschaftler und Volkswirte, die produzieren immer wieder kritische Analyse en masse, die radikalen Philosophen machen genau dasselbe. Und es bringt nichts, politisch betrachtet verändert sich gar nichts. Marx sagt etwas, was wirklich spinozistisch ist und was stark ist auch als Ausdruck. Er sagt, die Waffen der Kritik können die Kritik der Waffen nicht ersetzen. Nur eine materielle Macht und Kraft kann materielle Macht umwerfen. Aber die Theorie wird zu einer materiellen Kraft, wenn sie sich der Massen bemächtigt. Kluge: Und wenn sie sämtliche Mikroskope der Geschichte sich aneignet. Der Astronom Marx braucht die Optiken Spinozas. Ich finde es interessant, dass man den Marx modern sieht, passend für unser Jahr. Mit den Augen eines Mannes der, glaube ich, 200 Jahre vor ihm lebte. Lordon: Das ist interessant bei diesem spinozistischen Ausspruch von Marx. Und ich habe mich davon auch inspirieren lassen. Was braucht es denn, damit die rationale intellektuelle Analyse politische Auswirkungen erzeugt? Da muss man etwas hinzugeben. Was denn? Affekte. Denn die Affekte führen dazu, dass die Körper mobilisiert werden. Kluge: Was wir im Deutschen »Motive« nennen. Lordon: Damit eine Idee wirklich effizient wird in der Geschichte, muss sie von einem kollektiven Affekt getragen werden. Das Theater ist eine Möglichkeit, Affekte zu den Ideen zu führen. Kluge: Was ich an Ihnen gelernt habe ist, dass die Theorie in der Menschengeschichte ein Insektenauge darstellt. Wenn man gleichzeitig Spinoza, Marx, Luxemburg, Karl Korsch und alle anderen bis Aristoteles, bis Avicenna benutzt, hat man ein natürliches Auge. Eigentlich müssen wir jede Fragestellung aus dem Innern der Menschen und dem Äußeren der Gesellschaft diesem Auge, dieser wunderbaren Libelle, ein sehr altes Lebewesen, aussetzen. Theorie ist nie individuell, ist ein collectif imaginaire. Lordon: Pierre Bourdieu hat das gut gesagt und gut beschrieben. Er hat immer dafür plädiert, dass es diesen kollektiven intellektuellen Ansatz geben solle, während Spinoza all die fröhlichen Leidenschaften auch untersucht. Das fand ich so beeindruckend, als ich Spinoza entdeckte. Es ist ein Topos, dass die großen Werke sich daran erkennen lassen, dass sie die Zeit unbeschadet überdauern. Aber hier, das ist absolut überraschend, bleibt einem die Spucke weg. Ich bin von Haus aus ein Wirtschaftswissenschaftler. Die Frage, die ich mir stelle, ist, wie man den Kapitalismus interpretiert, die zeitgenössischen Krisen, die Produktion, die Veredelung der Institution des Kapitalismus usw. Das ist alles a priori lichtmeilenweit entfernt von Spinoza. Kluge: Aber seit der Antike gibt es die Theorie der Glückseligkeit. Und bei Spinoza heißt es, Glück ist nicht der Lohn der Tugend, sondern die Tugend selber. Und das sind Triebökonomie und Ökonomie extern.

278

News & Stories vom 20. Oktober 2013

Lordon: Darum schreibt Spinoza auch politische Traktate nach der Ethik. Weil die Bedingungen dieser Glückseligkeit, die Bedingungen für die ethische Befreiung außen gefunden werden müssen. Kluge: Aber es ist interessant, dass Sie Freiheit, Vernunft und die Glücksuche verbinden können. Der Verstand ist verdichtete Glücksuche, verdichtete Emotion. Eine hochinteressante Ökonomie und sozusagen das, was die Ökonomie um 1900 ausgegliedert hat, wird jetzt wieder rezipiert. Lordon: Êtienne Balibar hat einen schönen Satz gesagt, um das zusammenzufassen: Wenn man die Mittel der individuellen Befreiung zusammenhalten will und die politische Umwelt, die dann diese individuellen Befreiungsbewegungen fördert oder auch nicht, also im Äußeren, findet man in der Politik die Möglichkeiten oder die Voraussetzungen, um diese innere Befreiung mit sich selbst durchzuführen. Und Balibar, der hat Spinoza im Reintext sozusagen widergespiegelt. Er sagt, unsere Zielsetzung muss darin bestehen, dass es möglichst viele Menschen gibt, die möglichst viel denken. Kluge: Wie sah dieser Spinoza aus? Lordon: Er war klein, ein zartes Wesen, zerbrechlich. Es gibt einen Satz, der sehr geheimnisvoll klingt. Das ist der Vorschlag 39 in Teil 5 der Ethik von Spinoza. Derjenige, dessen Körper zu vielem fähig ist, dessen Seele ist zum größten Teil ewig. Und Sie wissen, die Macht des Denkens, des Geistes, ist das Korrelat zu der Handlungsfähigkeit des Körpers. Da müssen wir uns fragen, was denn die Handlungsfähigkeit des Körpers ist? Das ist nicht die Handlungsmacht eines Athleten, der überall Muskeln hat. Der Körper von Spinoza war nicht gerade ein athletischer Körper. Nach außen hin sah er schwach und fragil aus. Und trotzdem war das ein sehr mächtiger Körper. Denn was ist ein mächtiger Körper? Das ist, laut Spinoza, ein Körper, der auf ganz unterschiedliche Art und Weise durch Affekte ergriffen werden kann. Ein Körper der viele Dinge aufnehmen und spüren kann. Dessen Affektivität offen ist und der eine breit gestreute Sensibilität hat. Das ist bei Spinoza Macht. Das ist die Möglichkeit, betroffen zu sein und »betroffen zu machen«. Man muss in der Lage sein, Wirkung zu empfinden, um seinerseits Wirkung auszuüben. (Übersetzung: Gabriele Wennemer. Transkription: Gudrun Baltissen)

REZENSIONEN

Christopher Pavsek, The Utopia of Film: Cinema and Its Futures in Godard, Kluge, and Tahimik, New York: Columbia University Press, 2013. xiv + 286 pp. $ 29.50 (paper). ISBN: 978-0-231-16099-5.

Does cinema still have political, emancipatory, and even revolutionary currency? In The Utopia of Film: Cinema and Its Futures in Godard, Kluge, and Tahimik, Christopher Pavsek answers this question in the affirmative, finding confirmation in the works of Jean-Luc Godard, Kidlat Tahimik, and Alexander Kluge. Borrowing from Kluge’s theoretical writings, in particular his seminal 1964 essay »Die Utopie Film«, Pavsek proposes that cinema may not yet have fulfilled its utopian potential but that even in its unrealized possibilities we find a residue of the social and cultural optimism that accompanied the medium in its early days, a »bond between the project of social utopia and the promise inherent to cinema« (p. 2). In three long chapters—one devoted to each film-maker— Pavsek searches for »explicit or conscious utopian pronouncements« as well as utopias »encoded less explicitly […] at the level of form« (p. 2). He also asks an intriguing bigger question about the ontology of film: is there a utopian element endemic to the aesthetics of cinema itself ? Triangulating writings by Theodor Adorno (and, by proxy, Walter Benjamin), Fredric Jameson, and Slavoj Zˇizˇek, The Utopia of Film elegantly brings into constellation a variety of national cinemas, filmmaking styles, and theories of cinema. Covering a span of approximately 50 years, Pavsek discusses Godard’s Alphaville vis-—-vis Germany Year 90 Nine Zero, JLG/JLG: Self-Portrait in December, and the more recent (and less researched) Film Socialisme. In chapter two, he illuminates moments of human emancipation in Tahimik’s I Am Furious Yellow, Perfumed Nightmare, and Turumba. The book concludes with an examination of Kluge’s Brutality in Stone, Yesterday Girl, The Assault of the Present on the Rest of Time, and Fruits of Trust, a logical choice as Kluge functions as the catalyst for Pavsek’s own dialectical thought process. Whereas the readings of Godard’s films gravitate around (and, in some ways, challenge) his rather wellknown cultural—read: bourgeois—pessimism and Tahimik is styled as a Third World »Brechtian didact,« Kluge, as Pavsek convincingly argues, brings the two approaches together in a pessimist-didactic that »take[s] cinema seriously as a mode of thinking« (p. 17).

282

Rezension

In his fascinating introduction, Pavsek illustrates this »mode of thinking« and sets the course for the remainder of the study : He analyses Chris Marker’s film A Grin Without a Cat, in which the director matches (and juxtaposes) scenes from Sergei Eisenstein’s Battleship Potemkin with thematically related footage from the 1960s and 70s. Pointing out the blind spots of the earlier film with regard to its own political promise (for example, its omission of the post-revolutionary era in Potemkin), Pavsek detects a dialectical element at work. Reminiscent of Benjamin’s flash, the interplay between the older and the more current images realized through montage in a third text creates a powerful moment of exchange. What Pavsek calls the »third image of a solidarity stretching across the time between the Bolshevik Revolutions and the uprisings of the sixties« is the book’s most captivating idea, an temporally charged image theory that links debates of utopian thought and action to the materiality of the medium film (p. 5). In his well-written book, Pavsek identifies a broad range of utopian aspects, some of which are more mundane than others. In the chapter on Godard, for example, he convincingly re-reads the director’s cultural pessimism as a positive force that realizes itself, among other things, as an attack on copyrights, while at the other end of the spectrum he defines the director’s images as »in a state of lack vis-—-vis the object« (p. 37). In the second chapter, the utopian impulses reside not only in the anti-imperialist perspective that Tahimik establishes through his protagonists but also in his production practices, the »cups-of-gas« method of piecemeal film-financing. It is, however, in the chapter on Kluge that Pavsek most successfully weds narrative and form with an ontological theory of cinema. Reading Kluge through the lens of Kant’s Critique of Pure Reason, he illustrates how »utopian cinema […] replicates the movement of cognition between the two poles of sensuousness and understanding« (p. 161). The Utopia of Film is an intellectually invigorating study on contemporary political filmmaking that also adds to the scholarship on each of the three individual auteurs. As with every scholarly project, readers may yearn for more. For some, the chapter on Godard may feel a tad conservative (and less focused) than the ones on the less-researched Filipino filmmaker and Kluge. Some of the book’s suggested »utopias« may have profited from a more detailed definition of utopia; is it necessarily synonymous with subversion? This reader wonders, too, whether Pavsek’s argument could have been bolstered or complicated had it broadened its scope; a chapter on a female director or a filmmaker working somewhere other than in Asia and Europe may have lead to surprising results. This said, Pavsek’s book succeeds masterfully in jump-starting a much needed discussion and revaluation of political cinema in our current time of political crisis. The Utopia of Film covers lots of ground (geographically, historically, and intellectually) and offers plenty of fresh and challenging ideas framed by Kluge’s theory of cinema. It is, to be sure, a necessary book and one of great import to

Kai-Uwe Werbeck

283

both Kluge scholars as well as those working broadly in the fields of film and cultural studies, post-colonialist studies, and critical theory. Kai-Uwe Werbeck University of North Carolina at Charlotte

Amir Eshel, Futurity: Contemporary Literature and the Quest for the Past, Chicago: University of Chicago Press, 2013, xi + 355 pp. $ 40.00 (cloth). ISBN: 978-0-226-92495-3.

»Why does the past matter« (p. ix)? This seemingly simple question guides Amir Eshel’s book Futurity : Contemporary Literature and the Quest for the Past. Broad in its aim and scope, this monograph mines contemporary literature from Germany, Israel, the United States, and Great Britain both for how it helps us understand the past, and, moreover, for what it has to say about the future. Futurity centers on »modernity’s man-made catastrophes«, »modernist events« such as WWII and the Holocaust, the Six Day War, the Cold War and 9/11 (p. 4). Divided into three sections, Futurity explores the ways in which literary works process and respond to these past events while at the same time creating the »open, future, possible« (p. 4). This is the crux of »futurity«. As Eshel states: »futurity marks the potential of literature to widen the language and expand the pool of idioms we employ in making sense of what has occurred while imagining whom we may become« (p. 5). What is at stake for Eshel it is not whether literature adequately or appropriately deals with past catastrophic events (i. e. symptomatic readings), but rather the ability of literature to rethink and redescribe the past in order to promote present discussion and possible future action. Eshel’s focus on the future-oriented aspects of literary engagements with the past is prime terrain for exploring the literature of Alexander Kluge.1 In Futurity, Kluge’s work figures prominently in the first and third sections. The first section deals with contemporary German literature’s responses to WWII and the Nazi past and places Kluge’s work alongside his contemporaries Günter Grass and Martin Walser. What links these three diverse authors is the way in which their work, albeit in quite differently, »redescribes the past rather than represents it« 1 Indeed, Leslie Adelson has already broken ground on the elements of futurity in Kluge’s literary work. See Adelson, »Experiment Mars: Contemporary German Literature, Imaginative Ethnoscapes, and the New Futurism,« in: Mark W. Rectanus (ed.), Über Gegenwartsliteratur : Interpretationen und Interventionen, Bielefeld 2008, pp. 23 – 49; Adelson, »The Future of Futurity : Alexander Kluge and Yoko Tawada,« The Germanic Review 86:3 (2011), pp. 153 – 184.

286

Rezension

and »how forms of literary expression—from irony to sequencing of plot— change the prevalent vocabulary of a period and allow reflection on social, political, or ethical concerns« (p. 36). The chapter on Kluge centers on »Der Luftangriff auf Halberstadt am 8. April 1945« and »Heidegger auf der Krim« in Chronik der Gefühle (2000). Central to Eshel’s analysis is Kluge’s emphasis on orientation, which, he states, »takes place when one moves in multiple, often contradictory directions, when the reader trips, finds herself horrified or fascinated, puzzled or bemused« (p. 55). Zeroing in on Kluge’s use of irony and montage, both works reject »an exclusively realistic depiction of a disaster« that poses it as »somehow inevitable« (p. 65, italics in original). Thus, futurity in Kluge’s literature rests on its ability to dis- and reorient the depiction and reception of past catastrophes, to »use past historical experiences to find Auswegen« (p. 65, italics in original). Nothing in the past or the future is inevitable as long as we learn to »think in the subjunctive«, as Kluge would have it (p. 65). In the third section, Eshel returns to Kluge’s work in his broader discussion of history and historical consciousness after 1989 in British, American, and German literature. Rather than signaling »the end of temporality« or the rise of »posthistory«, literature after 1989 for Eshel ties »together past and future« and, moreover, investigates »the human capacity to […] tak[e] concrete, often mundane, action, thus affecting tangible political conditions« (p. 177, 179). Here, Eschel looks at two stories in Kluge’s recent work Tür an Tür mit einem anderen Leben (2006) alongside Philip Roth’s The Plot against America (2004) and Paul Auster’s Man in the Dark (2008). The red thread linking these three works is their focus on alternate histories and parallel realities. Similar to Roth’s and Auster’s imaginative reworking of American histories, Kluge’s short stories »Tür an Tür mit einem anderen Leben« and »Kurzfristige Terminverlegung« delve into the »what if« of both historical and everyday events. For Kluge, the realities of the past and the present always contain their opposite, their possible negation. That is, we are not »externally conditioned by ›evil plans‹« that determine set outcomes, but rather are agents capable of acting and thereby changing the course of events (p. 228). Kluge’s work, together with Roth’s and Auster’s, »turn[s] to the past with the force of their imagination to disrupt what seems inalterable« (p. 228). Futurity here hinges on literature’s ability to emphasize human agency over the teleological inevitability of the past. For readers familiar with Kluge’s work and Kluge scholarship in general, Eshel’s work touches on many of his usual themes and techniques. Kluge’s use of irony and montage and his dialectical conception of the real, actual, and objective are well established and frequently appear in scholarly discussions of Kluge. For the newcomer to Kluge, Eshel’s work will serve as a salient overview of both his aesthetic practice and his larger significance within German studies and beyond. It is this latter point that contributes the most to studies of Kluge’s

Kirkland A. Fulk

287

literary work. Far from being a household name outside of German departments, Futurity places Kluge into dialogue with his contemporaries and situates him within the larger context of world literature. In this lies the greatest strength of Eshel’s work. Futurity casts its net wide in its comparative analysis of world literatures and their responses to past global and national catastrophes. In doing so, however, it highlights the importance of literature and critique. In proposing a »hermeneutic of futurity« in his conclusion, Eshel turns again to Kluge. Summarizing his essay »Kritik: Aus nächster Nähe,« Eshel’s hermeneutic of futurity is based on the notion that critique »means considering how a novel, a photograph, a film changes what we see, know, or think—how it can alter the ways in which we make sense of the world and of ourselves« (p. 255, italics in original). Thus, Futurity not only addresses the question: Why does the past matter? but also: Why does literature matter? Kirkland A. Fulk The University of Texas at Austin

Thomas Combrink

Virtuelle Durchgänge aus Texten, Tönen und Bildern. Zu Alexander Kluges im Suhrkamp Verlag publizierten iBooks

Wie bringt man bewegte Bilder und Schrift zusammen? Wie kann man eine Verbindung zwischen den Medien Buch und Film erzeugen? Diese Fragen waren zentral bei der Herstellung von Alexander Kluges iBooks im Suhrkamp Verlag, von denen mittlerweile fünf im iTunes Store zu kaufen sind. Die Titel der virtuellen Bücher lauten: »Zeit«, »Der Kuß«, »Sterne – Geschwister der Sonne«, »Moritaten – Geschichten von Leben und Tod« und »Alles fließt – panta rhei«. Kluges Blick richtet sich auf konkrete Ereignisse, auf die unvorhersehbaren Bewegungen des Wassers oder die zärtlichen Zuwendungen der Menschen, aber auch auf die Grundbedingungen der Existenz, den Kosmos und den Zusammenhang von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In den Titeln der iBooks drückt sich Kluges Methode aus: Die Filme und Geschichten wirken wie Lichtquellen am Nachthimmel, ergeben einen Strom aus Beschreibungen, Bildern, Gedanken und Musik. Das klingt pathetisch. Aber Kluges Sprache ist nüchtern, seine Bilder überhöhen die Realität nicht, die uns täglich umgibt, mit der wir in Konflikt geraten oder deren Hoffnungshorizonten wir entgegengehen. Der Autor informiert über Ereignisse im Weltraum, poetisch ist für ihn die Kenntnis von Sachverhalten. Dabei vermischen sich tatsächliche Gesetze der Himmelsmechanik mit erfundenen Zusammenhängen. Die literarische Wirklichkeit bei Kluge ist eine Welt des Konjunktivs, ein Raum voller Optionen. Die iBooks (von Sandra Meisel gestaltet) bieten die Möglichkeit, einen Einstieg in Kluges äußerst umfangreiches Werk zu finden. Dieser Zugang wirkt spielerisch durch die technischen Möglichkeiten des iPads. Es treffen zwei unterschiedliche Anschauungsweisen aufeinander. Kluge setzt in seinen Bildern und Geschichten auf das Prinzip der arte povera – es ist das im Alltag zu findende Material, das ihn interessiert und das er in einen ungewohnten Zusammenhang bringt. Gegensätzlich dazu verhält sich die Ästhetik des iPads, eine Optik, die auf die Bedürfnisse von Konsumenten zielt und die Benutzer animieren soll, sich mit dem Gerät zu beschäftigen. Kluges Arbeiten sind in einen technischen Kontext integriert, der fremd und reizvoll wirkt. Bewegt man sich durch diese Welt aus Filmen und Geschichten, so entspricht die lakonische

290

Thomas Combrink

Methode des Autors der Funktionsweise des iPads. Die Kürze und Pointiertheit der Texte und der bewegten Bilder kommt den Bedürfnissen der Benutzer entgegen. Das Material bietet die Möglichkeit zur zerstreuten und konzentrierten Beschäftigung. Man kann es rezipieren in der Hektik einer Bahnhofshalle, auf einer Bank in einer Fußgängerzone oder in der Stille der eigenen vier Wände. Gleichzeitig handelt es sich um kommunikative Medien: Über die Mischung aus Schrift und Bild, über Themen wie Zeit, Kuß und Weltraum kann man mit anderen Menschen rasch ins Gespräch kommen. Man könnte die virtuellen Bücher von Alexander Kluge auch mit den von Walter Benjamin untersuchten Pariser Passagen vergleichen, überdachten Durchgängen zwischen Häuserblocks also, in denen sich die unterschiedlichsten Geschäfte oder Läden befinden. Es ist die von Benjamin beschriebene Figur des Flaneurs, der sich in diesen Passagen in einer Welt des Konsums aufhält, der angezogen wird von der Möglichkeit, sich für eine Uhr, eine Südfrucht oder einen Haarschnitt zu entscheiden, deren Charakteristik auch in Kluges iBooks zum Vorschein kommt. Der Betrachter kann wählen, welche Geschichte oder welchen Film er anschauen möchte; die virtuellen Bücher können linear aufgenommen werden, genauso aber kann man sich leiten lassen von den Titeln der Texte bzw. der bewegten Bilder. Zu Kluges Sammlungen gehört die Ästhetik der Lücke, der Erzählansatz also, dessen Fortführung im Kopf des Lesers oder Zuschauers stattfindet. Insofern sind diese virtuellen Bücher als Baustellen zu verstehen, als Ideenmagazine, als Anregungen, sich mit den Themen des Autors näher zu beschäftigen. Bei der Vielfalt von Alexander Kluges Interessen sind weitere iBooks denkbar. Virtuelle Bücher könnten zu den Bereichen Arbeit, Krieg oder auch Oper noch umgesetzt werden. Zu denken wäre ebenfalls an ein autobiographisches Projekt mit Geschichten über den Autor, Ausschnitten aus Interviews, Passagen aus Filmen über die Großmutter, die Mutter oder den Vater. Die Verbindungslinien zu Alexander Kluges Film- und Fernseharbeit, zu seiner literarischen und zu seiner theoretischen Tätigkeit sind immer erkennbar. So stellen die iBooks Kommentare und Erweiterungen dar, gleichzeitig sind sie Exzerpte aus dem Gesamtwerk. Für den Autor bieten sie die Möglichkeit, Texte mit Musik zu verbinden. In Kluges iBooks geht es um die literarische Bearbeitung des Prinzips Wissen. »Erlöst die Tatsachen von der menschlichen Gleichgültigkeit« – so lautet eine Prämisse im poetischen Programm des Autors. Damit ist eine archäologische Tätigkeit bezeichnet. Eine Information über die Wirklichkeit steht immer im Zusammenhang mit Ereignissen in der Vergangenheit. Der Autor legt die Verbindungslinien frei, zeigt auffällige Entsprechungen im Verhalten der Menschen heute und ihren Handlungen im Mittelalter oder der Antike. Kluge knüpft einen »Zeitfaden«, präsentiert Lebensläufe, bilanziert Erfahrungen, die mit den Erlebnissen der Leser oder Zuschauer korrespondieren können. Die iBooks haben

Virtuelle Durchgänge aus Texten, Tönen und Bildern

291

die Funktion von Atlanten, dienen zur Orientierung in Fragen der Lebenspraxis. Damit läßt sich auch Alexander Kluges Idee des »Cross-Mappings« verbinden, bei der zwei unterschiedliche Karten übereinandergelegt werden. Die Konfrontation bietet die Möglichkeit neuer Erkenntnisse. Kluges literarische Landkarte interagiert mit dem Atlas der Erfahrung, den der Leser oder Zuschauer besitzt. Die iBooks dienen also dem Austausch, sind ein Mittel der Kommunikation, ein soziales Medium.

Thomas Combrink

Die Formenwelt von Glaube, Geld und urbanen Landschaften. Zu einer Tagung im Haus der Kulturen der Welt in Berlin im April 2014

Bei der von der Alfred Herrhausen Gesellschaft geförderten Tagung »Stadt – Religion – Kapitalismus«, die im Haus der Kulturen der Welt in Berlin vom 3. April bis zum 6. April veranstaltet wurde, stand das Prinzip »town and gown« im Zentrum. Es ging um die Vermittlung wissenschaftlicher Themen an ein interessiertes Publikum. An drei Abendveranstaltungen wurden Filme von Alexander Kluge zu den Themen »Stadt, Religion und Kapitalismus« gezeigt, im Anschluß daran fanden Diskussionen statt mit Experten wie Richard Sennett, Angelika Neuwirth, Saskia Sassen, Jos¦ Casanova, Joseph Vogl, David Chipperfield und Alexander Kluge. Während der Tagung wurde ebenfalls in kleineren akademischen Kreisen gearbeitet. In Workshops konnten Nachwuchswissenschaftler/innen ihre Ideen zu den zentralen Themen präsentieren. Außerdem zu sehen war die siebenstündige Dokumentation »Die Geschichte des Menschen. Von 70.000 Jahren vor Chr. bis heute« (eine Koproduktion von BBC Worldwide und dctp). »Town and gown« bedeutete einerseits die Kommunikation der Akademiker untereinander, in einer Sprache, die geprägt ist von den Spielregeln der wissenschaftlichen Welt, andererseits die Öffnung hin zu einem Publikum, das sich für zentrale gesellschaftliche Fragen interessiert. Auf soziale Relevanz wies David Chipperfield in seiner Forderung hin, und betonte, dass die zeitgenössische Architektur sich weniger mit dem Bau eindrucksvoller öffentlicher Gebäude wie Opernhäuser oder Museen beschäftigen, sondern vielmehr den konventionellen Hausbau, die Wohnstätten der Bevölkerung, in den Blick nehmen sollte. Zentral für die Tagung im Haus der Kulturen der Welt in Berlin war die Unterscheidung zwischen »privat« und »öffentlich«. Für die subjektive Seite im Menschen fand Alexander Kluge metaphorische Wendungen; er sprach von »der Stadt in uns«. Hinter dieser Formulierung verbirgt sich die Frage, inwieweit gesellschaftliche Erscheinungen das Bewußtsein prägen. Seit langer Zeit leben Menschen in Städten. Welche Verbindung gibt es zwischen den urbanen Strukturen und der Landschaft im Inneren der Subjekte?

294

Thomas Combrink

Deutlich wurde während der Tagung der enge Zusammenhang der Themen »Stadt – Religion – Kapitalismus«. Angelika Neuwirth wies darauf hin, daß im Koran das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen häufig als Handelsbeziehung dargestellt wird. Gleichzeitig ist das Kennzeichen für die Stadt das Prinzip des Marktes. Neuwirth sprach ebenfalls von der Bedeutung des Wortes und der Sprache in der islamischen Religion. Jos¦ Casanova sieht die Spätantike als ersten Ort, an dem unterschiedliche Religionen in Konkurrenz zueinander stehen. In Alexander Kluges Filmbeitrag wird dargelegt, dass es um einen Wettbewerb der Geschichten geht, wenn religiöse Gruppierungen versuchen Anhänger aufgrund sich voneinander absetzender Erzählweisen zu finden. In der letzten öffentlichen Diskussion zum Thema Kapitalismus – moderiert von Alexander Kluge und Bernd Scherer, mit Saskia Sassen und Joseph Vogl – sah Vogl die Ökonomie als einzige Wissenschaft, »die davon ausgeht, daß man möglichst wenig wissen muß, um möglichst viel Effekte zu erzeugen«. Um in der Finanzwelt agieren zu können, müsse man nicht mit der Geschichte des Kapitalismus vertraut sein, so wie beim Fußballspielen die Kenntnis aller Fußballweltmeister nutzlos ist. Vogl betonte dennoch die Bedeutung der Information im heutigen Finanzsystem. Nicht das Geld selbst sei mittlerweile von Interesse, sondern vielmehr die Kenntnis über dessen Wert. Die behandelten Sachverhalte in dieser Diskussion erwiesen sich als komplex. Gegenstand war das Geld, gleichzeitig auch die Formenwelt des Zahlungsmittels. In Anspielung an Ovids Metamorphosen bekam man den Eindruck, dass die Gestalt des Geldes sich ständig ändere, dass es Verwandlungen unterliege, die ein Außenstehender, der sich vor allem für die Scheine und Münzen in seinem Portemonnaie und die Bewegungen auf dem Konto interessiert, nur schwer nachvollziehen kann.

BIBLIOGRAPHIE

Bibliographie zu Alexander Kluge 2011 bis 2013 Zusammengestellt von Winfried Siebers

Vorbemerkung Die Bibliographie zu Alexander Kluge für die Jahre 2011 bis 2013 knüpft an die Verzeichnisse von Böhm-Christl 1983, Urbanowski 1985, Schulte 2000 sowie an die »Auswahlbibliographie« von Thomas Combrink für das Text + Kritik-Heft vom November 2011 an. Aufgrund des Erscheinungsmonats jenes Heftes konnten dort nicht alle Publikationen für das Jahr 2011 verzeichnet worden, so dass dieser Jahrgang in das vorliegende Verzeichnis mit einbezogen wurde. Mit Ausnahme der Interviews und Gespräche sind keine Zeitungsartikel aufgeführt. Diese sind (einschließlich der Rezensionen zu Kluges Werken) umfassend im Artikel zu Kluge in der Online-Ausgabe des Kritischen Lexikons zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur dokumentiert. Innerhalb der Sachgruppen sind die Titel chronologisch sortiert, innerhalb eines Jahrgangs nach dem Autorenalphabet bzw. nach der sogenannten mechanischen Wortfolge des Titels. Bei den ausschließlich Alexander Kluge gewidmeten Sammelbänden und Themenheften von Zeitschriften sind die Einzelartikel in kleinerem Schriftgrad in der Reihenfolge ihrer Anordnung im Druck verzeichnet. Um eine Doppelnennung von Titeln zu vermeiden, sind die dort vermerkten Einzelbeiträge nicht noch einmal unter den Sachgruppen aufgeführt. Für Hinweise und Ergänzungen zur Bibliographie danke ich Thomas Combrink, Richard Langston und Vincent T. Pauval.

298

Bibliographie zu Alexander Kluge 2011 bis 2013

Bibliographien Böhm-Christl, Thomas, »Bibliographie«, in: Alexander Kluge, hg. von Thomas BöhmChristl, Frankfurt/M. 1983, 324 – 360. [Berichtszeitraum: 1958 – 1983]. Urbanowski, Bernward, »Bibliographie«, in: Text + Kritik, H. 85/86: Alexander Kluge, hg. von Heinz Ludwig Arnold, München 1985, 145 – 163. [Berichtszeitraum: 1958 – 1984]. Schulte, Christian, »Werke Alexander Kluges. Gespräche mit Alexander Kluge (1985 – 1999). Texte über Alexander Kluge (1985 – 1999)«, in: Die Schrift an der Wand. Alexander Kluge – Rohstoffe und Materialien, hg. von Christian Schulte, Osnabrück 2000, 387 – 447. [Berichtszeitraum: 1958 – 1999]. Combrink, Thomas, »Auswahlbibliografie Alexander Kluge«, in: Text + Kritik, H. 85/86: Alexander Kluge. Neufassung. Gastred.: Thomas Combrink, München 2011, 137 – 152. [Berichtszeitraum: 1958 – 2011]. Beth, Hanno; Precht, Kai, »Primärliteratur. Rundfunk. Film. Tonträger. Sekundärliteratur.« Stand: 15. 10. 2013, in: Artikel »Kluge, Alexander«, in: Munzinger Online / KLG – Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. [http://www.munzinger.de/document/16000000309 (Stand: 01. 06. 2014)]. [Berichtszeitraum: 1958 – 2013].

PUBLIKATIONEN ALEXANDER KLUGES Bücher Das Bohren harter Bretter. 133 politische Geschichten. Mit einem Gastbeitrag von Reinhard Jirgl, Berlin 2011. – Taschenbuchausgabe: Berlin 2012 (= suhrkamp taschenbuch 4396). He has the heartless eyes of one loved above all else. Er hat die herzlosen Augen eines über alles Geliebten. [Transl.: Christopher Jenkin-Jones]. Documenta (13), Ostfildern 2011. In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod. Texte zu Kino, Film, Politik, hg. von Christian Schulte, 3. Aufl., Berlin 2011 (= Texte zum Dokumentarfilm 5). Das fünfte Buch. Neue Lebensläufe. 402 Geschichten, Berlin 2012. Personen und Reden. Lessing, Böll, Huch, Schiller, Adorno, Habermas, Müller, Augstein, Gaus, Schlingensief, Ad me ipsum, Berlin 2012 (= Salto 183). Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter. 48 Geschichten für Fritz Bauer, Berlin 2013. Kluge, Alexander ; Richter, Gerhard, Nachricht von ruhigen Momenten. 89 Geschichten. Bilder, Berlin 2013 (= Bibliothek Suhrkamp 1477).

Beiträge in Büchern, Zeitschriften und im Internet »Alexander Kluge über Bernd Eichinger : Große Seele, großer Wurf«, in: Spiegel online, 26. 01. 2011. [http://www.spiegel.de/kultur/kino/alexander-kluge-ueber-bernd-eichinger-grosse-seele-grosser-wurf-a-741775.html (Stand: 01. 06. 2014)].

Bibliographie zu Alexander Kluge 2011 bis 2013

299

»Antworten auf Max Frisch. Was fehlt uns zum Glück? Zum hundertsten Geburtstag von Max Frisch […] Antworten von Jonathan Franzen und Alexander Kluge«, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 15. 05. 2011. »Die vollständige Fassung eines barocken Einfalls von Christoph Schlingensief«, in: Christoph Schlingensief – Deutscher Pavillon 2011. 54. Internationale Kunstausstellung La Biennale di Venezia, Ausstellungskatalog, hg. von Susanne Gaensheimer, Köln 2011, 243 – 246. »Gardens Are Like Wells«, in: Peter Zumthor – Hortus Conclusus, Serpentine Gallery Pavilion 2011, ed. by Sophie O’Brien et al., London 2011, 18 – 78. »Grammatik der Revolution. – Der Täter von Quedlinburg«, in: Kaltland. Eine Sammlung, hg. von Karsten Krampitz u. a., Berlin 2011, 31 – 34, 159 – 160. Kluge, Alexander ; Vogl, Joseph, »Was heißt Denken nach dem Ende des Durchblicks? Zum Tod von Gilles Deleuze«, in: Philosophie und Nicht-Philosophie. Gilles Deleuze – aktuelle Diskussionen, hg. von Friedrich Balke und Marc Rölli, Bielefeld 2011, 315 – 336. »Loriot trifft Gorbatschow. Alexander Kluge im Gespräch mit Vicco von Bülow«, in: Loriot – Ach was!, Ausstellungskatalog, Deutsche Kinemathek, Museum für Film und Fernsehen, hg. von Peter Paul Kubitz und Gerlinde Waz, 3. Aufl., Ostfildern 2011, 142 – 147. »Marx für Arbeitslose«, in: Ruhrgebietsbuch, hg. von Markus Weckesser und Jörg Sundermeier, Berlin 2011, 157 – 166. »Nachwort«, in: Combrink, Thomas, Sammler und Erfinder. Zu Leben und Werk Helmut Heißenbüttels, Göttingen 2011, 243 – 247. »Nachwort«, in: Madame de La Fayette, Die Prinzessin von ClÀves. Aus dem Franz. übers. ¨ berarb. und kommentierte Neuausgabe, Zürich 2011, von Ferdinand Hardekopf. U 347 – 364. »Vier Geschichten über Arno Schmidt«, in: Bargfelder Bote, Nr. 347 (2011), 3 – 7. »Der Blick des Arztes in die Welt«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25. 08. 2012, Bilder und Zeiten, Z1-Z2. »Plan einer Abteilung für Filmgestaltung im Rahmen der Geschwister Scholl-Stiftung« (1962), in: Provokation der Wirklichkeit. Das Oberhausener Manifest und die Folgen, hg. von Ralph Eue u. a., München 2012, 48 – 52. Reitz, Edgar ; Kluge, Alexander, »›In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod‹. Was heißt Parteilichkeit im Kino? Zum Autorenfilm – dreizehn Jahre nach Oberhausen« (1975), in: Provokation der Wirklichkeit. Das Oberhausener Manifest und die Folgen, hg. von Ralph Eue u. a., München 2012, 110 – 123. »Richter, 1966«, in: Monopol. Magazin für Kunst und Leben, H. 2 (2012), 26 – 41. »Sachkundig schlafender Hund in der Sonne«, in: Die Welt, 5. 10. 2012, 2. »Vortrag von Dr. Alexander Kluge, Hochschule für Gestaltung in Ulm, am 5. November 1963 im Haus des Landtags in Stuttgart«, in: Provokation der Wirklichkeit. Das Oberhausener Manifest und die Folgen, hg. von Ralph Eue u. a., München 2012, 53 – 61. »Vorwort«, in: Digne M. Marcovicz: Der ewige Augenblick. Filmkünstler und Schriftsteller im Bild, hg. von Wolfgang Jacobsen, München 2012, 7. »What Links Film and Architecture?«, in: Common Ground. A Critical Reader, published for the 13th International Architecture Exhibition at La Biennale di Venezia, ed. by David Chipperfield et al., Venezia 2012, 311 – 316. »Zwei Geschichten über Stalingrad«, in: Stalingrad, Militärhistorisches Museum der

300

Bibliographie zu Alexander Kluge 2011 bis 2013

Bundeswehr 14. Dez. 2012 bis 30. Apr. 2013, Ausstellungskatalog, hg. von Gorch Pieken u. a., Dresden 2012, 216 – 219. »16 Geschichten für Anselm Kiefer. Aus Anlaß seines Werkblocks ›Die Ungeborenen‹«, in: Kiefer, Anselm, Die Ungeborenen, Paris/Salzburg 2012, 127 – 151. »Geglückte Gefühle«, in: Das Unverfügbare. Wunder, Wissen, Bildung, hg. von Karl-Josef Pazzini u. a., Zürich u. a. 2013, 77 – 78. »Zwischen Abgrund und Erkenntnis. Laudatio auf Jürgen Habermas bei der Verleihung des Heine-Preises 2012«, in: Süddeutsche Zeitung, 15./16. 12. 2012, 16. Kluge, Alexander ; Rau, Milo, »Da wird nachgedreht«, in: Die Enthüllung des Realen. Milo Rau und das International Institute of Political Murder, hg. von Rolf Bossart, Berlin 2013, 58 – 62. »Laudatio auf Jürgen Habermas«, in: Heine-Jahrbuch 52 (2013), 179 – 186. »Lohengrin in Leningrad. Premiere des Lohengrin am 22. Juni 1941 in Leningrad«, in: Stephan Balkenhol – Richard Wagner, Leipzig, hg. vom Wagner Denkmal e.V., Köln 2013, 52 – 55. »Sieben Geschichten zum 30. April 1945«, in: Edit. Papier für neue Texte Nr. 61 (2013), 106 – 113.

DVD- und CD-Editionen sowie E-Books Bütler, Heinz; Kluge, Alexander, Was ist Dada? 1 DVD mit Beiheft, Berlin/Zürich 2011. Das Böse von nebenan. Auf den Spuren menschlicher Abgründe, hg. von Alexander Kluge und Cassian von Salomon, 2 DVDs, München/Hamburg 2011. Gelpke, Basil; Kluge, Alexander, Mensch 2.0. Die Evolution in unserer Hand, 4 DVDs mit Beiheft, Berlin/Zürich 2011. Sterne – Geschwister der Sonne / Zeit / Der Kuß, iBooks, Berlin 2012. Moritaten – Geschichten von Leben und Tod, iBook, Berlin 2013. Theorie der Erzählung. Frankfurter Poetikvorlesungen, 2 DVDs mit Beiheft, Berlin 2013 (= filmedition suhrkamp 34). Die Pranke der Natur (und wir Menschen). Das Erdbeben in Japan, das die Welt bewegte, und das Zeichen von Tschernobyl, Höredition, Regie: Karl Bruckmaier, 2 CDs mit Beiheft, München 2012 (= Hörkunst bei Kunstmann). Auf dem Dach der Welt. Frei nach Alexander Kluge, Zusammenstellung: Karl Bruckmaier, hg. von Katarina Agathos und Herbert Kapfer, 1 CD mit Beiheft, München 2013. Die Entsprechung einer Oase. Essay für die digitale Generation, Berlin 2013. [E-Book; Online-Publikation].

Übersetzungen Negt, Oskar; Kluge, Alexander, »Introduction to ›Public Sphere and Experience‹«, in: The public sphere, Vol. 1: Discovering the public sphere, ed. by Jostein Gripsrud et al., Los Angeles u. a. 2011, 193 – 200.

Bibliographie zu Alexander Kluge 2011 bis 2013

301

Kluge, Alexander ; Richter, Gerhard: December. 39 stories, 39 pictures, transl. by Martin Chalmers, London u. a. 2012. Kluge, Alexander ; Richter, Gerhard, D¦cembre. 39 histoires, 39 images, trad. de l’allemand par Hilda Inderwildi et Vincent Pauval, Zürich 2012. Lebensläufe. [Korean., übers. von Hosung Lee], s.l.: Eulyoo Publishing 2012. »Every Morning Hegel Reads the Newspapers«, in: seagull books (Verlagsprogramm), Kalkutta 2013, 226 – 227. »Straw in the ice: Stories«, transl. by Richard Langston, in: Grey Room, 10/53 (2013), S. 88 – 108. »Onze histoires pour Gerhard Richter. Autour de l’ann¦e 1966«, trad. de l’allemand par Hilda Inderwildi et Vincent Pauval, in: Fario, No. 12 (2013), 191 – 213. Kluge, Alexander ; Vogl, Joseph: Cr¦dit et d¦bit. Entretiens t¦l¦vis¦s, trad. de l’allemand par Magali Jourdan et Mathilde Sobottke, Bienne 2013.

Gespräche und Interviews mit Alexander Kluge Demand, Thomas, »›Ich will die Bilder im Kopf des anderen aufrufen‹. (Gespräch mit Alexander Kluge)«, in: Die Welt, 05. 02. 2011. [http://www.welt.de/print/die_welt/ kultur/article12453566/Ich-will-Bilder-im-Kopf-des-anderen-aufrufen.html (Stand: 01. 06. 2014)]. Ekardt, Philipp, »Returns of the Archaic, Reserves for the Future: A Conversation with Alexander Kluge«, in: October. Art, Theory, Criticism, Politics 138 (2011), 120 – 132. Fischer, Eva-Elisabeth: »›Den Fuß am Boden, den Kopf in der Luft‹. Gespräch mit Alexander Kluge«, in: Süddeutsche Zeitung, 28. 10. 2011. Koutsourakis, Angelos, »Brecht Today. Interview with Alexander Kluge«, in: Film-Philosophy 15/1 (2011), 220 – 228. [http://www.film-philosophy.com/index.php/f-p/article/ view/911/790]. Leggewie, Claus, »›Von Mülheim in die Welt‹. Diskussion über Politik-Mechanismen« [mit Alexander Kluge], in: Frankfurter Rundschau, 25./26. 06. 2011. [http://www.kluge-ale xander.de/aktuelles/details/artikel/von-muelheim-in-die-welt-diskussion-ueber-poli tik-mechanismen.html (Stand: 01. 06. 2014)]. Mangold, Ijoma, »Gegner von gestern, Verbündete von heute. (Alexander Kluge im Gespräch mit Klaus Hoffmann)«, in: Die Zeit, 01. 02. 2011, Nr. 5/2011. [http://www.zeit.de/ 2011/05/Gespraech-Kluge-Hoffmann (Stand: 01. 06. 2014)]. Rosenfelder, Andreas, »›Wir treiben Spiele mit einem Monstrum‹. Hilft das Erzählen, wenn ein Reaktor schmilzt? Alexander Kluge über Tschernobyl und die heilige Furcht vor der Natur«, in: Die Welt, 14. 03. 2011. [http://www.welt.de/print/die_welt/kultur/ article12809991/Wir-treiben-Spiele-mit-einem-Monstrum.html (Stand: 01. 06. 2014)]. Rosenfelder, Andreas, »›Tod im falschen Stück‹. Ein Gespräch mit Alexander Kluge«, in: Welt am Sonntag, 08. 05. 2011. [http://www.welt.de/print/wams/kultur/article13359 265/Tod-im-falschen-Stueck.html (Stand: 01. 06. 2014)]. Laudenbach, Peter, »›Wir sind Glückssucher‹. Gespräch mit Alexander Kluge« [zum 80. Geburtstag], in: Der Tagesspiegel, 13. 02. 2012. [http://www.tagesspiegel.de/kultur/ wir-sind-glueckssucher/6201290.html (Stand: 01. 06. 2014)].

302

Bibliographie zu Alexander Kluge 2011 bis 2013

Leick, Romain, »›Der Konjunktiv des Krieges‹. Gespräch mit Alexander Kluge«, in: Der Spiegel, 09. 01. 2012, H. 2/2012. [http://www.kluge-alexander.de/zur-person/gespraeche-mit/details/artikel/der-konjunktiv-des-krieges.html (Stand: 01. 06. 2014)]. Michalzik, Stefan, »›Das Lachen ist eine Angewohnheit‹. Gespräch mit Alexander Kluge«, in: Frankfurter Rundschau, 12. 07. 2012. Philipp, Claus, »›Ein Kapitän soll aufpassen, wohin er fährt‹. Autor, Fernseh- und Filmemacher Alexander Kluge über Stürze, Schiffsunglücke und andere Aufmerksamkeitsdefizite«, in: Falter (Wien), 08. 02. 2012, H. 6/2012. [http://www.kluge-alexander.de/aktuelles/details/artikel/ein-kapitaen-soll-auf-passen-wohin-er-faehrt.html (Stand: 01. 06. 2014)]. »Podiumsgespräch mit der ›Gruppe junger deutscher Film‹ zum Thema ›Forderungen an den Film‹ während der ›Internationalen Filmwoche Mannheim 1962‹«, in: Provokation der Wirklichkeit. Das Oberhausener Manifest und die Folgen, hg. von Ralph Eue u. a., München 2012, 27 – 47. Rosenfelder, Andreas, »›Eigentlich ist Geburtstagfeiern eine Kindersache‹. Ein Gespräch mit Alexander Kluge«, in: Die Welt, 14. 02. 2012. [http://www.welt.de/kultur/kino/article13866737/Eigentlich-ist-Geburtstagfeiern-eine-Kindersache.html (Stand: 01. 06. 2014)]. Schubert, Peter, »Interview mit Alexander Kluge«, in: Rückblicke. Die Abteilung Film – Institut für Filmgestaltung an der hfg ulm 1960 – 1968. Ein Projekt, hg. von Peter Schubert und Monika Maus, Detmold 2012, 60 – 61. Illies, Florian, »›Herr Kluge, wie wird das Jahr 2013?‹. (Gespräch mit Alexander Kluge)«, in: Die Welt, 12. 01. 2013. [http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article112714 753/Herr-Kluge-wie-wird-das-Jahr-2013.html (Stand: 01. 06. 2014)]. Kluge, Alexander, »›Herr Illies, wie wird das Jahr 2013?‹. (Gespräch mit Florian Illies)«, in: Die Welt, 12. 1. 2013. [http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article112714832/Herr -Illies-wie-war-das-Jahr-1913.html (Stand: 01. 06. 2012)]. Pauval, Vincent, »La r¦alit¦ elle-mÞme est ce qui conte.« [Gespräch mit Alexander Kluge], in: Fario, No. 12 (2013), 223 – 229. Pauval, Vincent, »›Die Augen der anderen / Les yeux des autres‹. Ein Gespräch zwischen Alexander Kluge und Vincent Pauval«, in: Germanica 53 (2013), 227 – 271. Richter, Nikola, »Wie Oasen in der Wüste. Über das Erzählen in der digitalen Welt und im wirklichen Leben. Alexander Kluge (befragt von Nikola Richter)«, in: Medien, Netz und Öffentlichkeit. Impulse für die digitale Gesellschaft, hg. von Marc Jan Eumann u. a., Essen 2013, 81 – 86.

Gedruckte Gespräche aus Alexander Kluges Kulturmagazinen »Hubert Burda – ›Wir erleben die digitale Revolution‹«, in: Die Welt, 09. 03. 2011. [http:// www.welt.de/kultur/article12739275/Hubert-Burda-Wir-erleben-die-digitale-Revolution.html (Stand: 01. 06. 2014)]. »›Die Tat ist eine Nachricht‹. (Im Gespräch mit Manfred Schneider)«, in: Die Welt, 26. 03. 2011. [http://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article12965850/Die-Tat-ist-eine-Na chricht.html (Stand: 01. 06. 2014)].

Bibliographie zu Alexander Kluge 2011 bis 2013

303

»Das Gehirn braucht so viel Strom wie die Glühbirne. (Im Gespräch mit Wolf Singer)«, in: Die Welt, 30. 12. 2012. [http://www.welt.de/kultur/article112018610/Das-Gehirn-bra ucht-so-viel-Strom-wie-die-Gluehbirne.html (Stand: 01. 06. 2014)]. »Die Weisheit baut sich ein Haus«, in: Architektur im Museum 1977 – 2012 – Winfried Nerdinger, hg. von Uwe Kiessler, München 2012, 134 – 139. [Gekürzte Fassung des Gesprächs mit Winfried Nerdinger über die Geschichte und Architektur der Bibliotheken im Architekturmuseum der Technischen Universität München. Erstsendung: SAT.1, News & Stories, 29. 04. 2012]. »Was Herman Melvilles Wal-Roman heute bedeutet. (Im Gespräch mit Joseph Vogl)«, in: Die Welt, 18. 10. 2012. [http://www.welt.de/kultur/article109955111/Was-HermanMelvilles-Wal-Roman-heute-bedeutet.html (Stand: 01. 06. 2014)]. »›Wer soll Europas Sprungtuch halten?‹ Erwin Dombrowski, Sparkommissar der EU, warnt vor dem freien Fall«, in: Gesellschaft – Gewalt – Vertrauen. Jan Philipp Reemtsma zum 60. Geburtstag, hg. von Ulrich Bielefeld u. a., Hamburg 2012, 632 – 645. [Alexander Kluge im Gespräch mit Georg Schramm].

ARBEITEN ÜBER ALEXANDER KLUGE Monographien Fink, Fabian, Die Darstellung des Luftkriegs bei Hans Erich Nossack, Heinrich Böll, Alexander Kluge und Dieter Forte, MA Thesis, The University of Alabama, Tuscaloosa, Ala. 2012. Polak-Springer, Katrin, The Haunted Public Sphere. Women and the Power of Emotion in the Works of Alexander Kluge and the Films of the Berlin School, Diss. Rutgers University, New Brunswick, N.J. 2012. Fischer, Kai Lars, Geschichtsmontagen. Zum Zusammenhang von Geschichtskonzeption und Text-Modell bei Walter Benjamin und Alexander Kluge, Hildesheim u. a. 2013. [Zugl. Diss. Ruhr-Universität Bochum 2013]. Lämmle, Kathrin, Televisuelle Intellektualität. Möglichkeitsräume in Alexander Kluges Fernsehmagazinen, Konstanz/München 2013. [Zugl. Diss. Universität Mannheim 2012]. Lehmann, Ulrike, »Tristan und Isolde nach 5 Jahren«. Der »imaginäre Opernführer« und die Entdramatisierung der Oper im Werk Alexander Kluges, Hamburg 2013. – OnlineAusgabe: Lehmann, Ulrike, Der »imaginäre Opernführer« im Werk Alexander Kluges. Eine Untersuchung zur diesbezüglichen Motivik, Magisterarbeit, Technische Universität Chemnitz. München 2013. [Elektronische Ressource]. Pavsek, Christopher, The Utopia of Film. Cinema and its Futures in Godard, Kluge, and Tahimik, New York, N.Y. 2013.

304

Bibliographie zu Alexander Kluge 2011 bis 2013

Sammelbände und Themenhefte Text + Kritik, H. 85/86: Alexander Kluge. Neufassung. Gastred.: Thomas Combrink, München 2011. Hierin enthalten: Kluge, Alexander : Gärten sind wie Brunnen. Im Innern eines jeden ernsten Menschen – auch wenn er spielt – findet sich ein »geschlossener Garten«; Ehrung durch die Königin von England, 5 – 10. – Kittler, Friedrich: »Alles steuert der Blitz«, 11 – 14. – Stollmann, Rainer : Der Text ist die Falle. Kritische Theorie als Poesie, 15 – 30. – Steinaecker, Thomas von: Die Seele der Welt : Alexander Kluges Stil, 31 – 36. – Kluge, Alexander : Helena; Ein Star des 21. Jahrhunderts, 37 – 38. – Hanuschek, Sven: Der Blick neben die Diva. Alexander Kluges »Geschichten vom Kino« und die Polyhistorie, 39 – 47; Kluge, Alexander : Umgang mit Propaganda-Filmen; Arsenal der Namen, 48 – 51. – Stiegler, Bernd: Die Realität ist nicht genug. Alexander Kluges praktische Theorie und theoretische Praxis der Montage, 52 – 58. -Kluge, Alexander ; Walser, Martin: »Wenn Du einen Roman schreibst, ist die ganze Welt eine einzige Zulieferung«, 59 – 65. – Birkmeyer, Jens: Zeitzonen des Wirklichen. Maßgebliche Momente in Alexander Kluges Erzählsammlung »Dezember«, 66 – 75. – Negt, Oskar: Alexander Kluge und der Hausbau der Vernunft, 76 – 80. – Kluge, Alexander : In den Jahren der Verwirrung, 81 – 83. – Combrink, Thomas: »Ein Arzt aus Halberstadt«. Über Alexander Kluges Vater, 84 – 94. – Kluge, Alexander : Mein englischer Vorfahr erwartet keinen Krieg, 95 – 96. – Schütte, Uwe: Lebensläufe, Schlachtbeschreibungen, Geschichte(n) mit unglücklichem Ausgang. Zu den Spuren von Alexander Kluge im Werk von W. G. Sebald, 97 – 108. – Reichmann, Wolfgang: »Ein Zeitfaden von tausend Jahren«. Zu einem Kapitel aus Alexander Kluges »Tür an Tür mit einem anderen Leben«, 109 – 117. – Kluge, Alexander : Die Lücke, die der Teufel läßt, 118 – 119. – Vogl, Joseph: Kommentar zu »Die Lücke, die der Teufel läßt«, 120 – 124. – Kluge, Alexander : Buchhaltung, 125 – 127. – Martens, Gunther : »Wann wird man soweit sein, Bücher wie Kataloge zu schreiben?« Alexander Kluge und die enzyklopädische Literatur, 128 – 136. – Combrink, Thomas: Auswahlbibliografie Alexander Kluge, 137 – 152. Alexander Kluge. Raw materials for the imagination, ed. by Tara Forrest, Amsterdam 2012. Hierin enthalten: Forrest, Tara: Editor’s Introduction, 13 – 21. – Elsaesser, Thomas: The stubborn persistence of Alexander Kluge, 22 – 29. – Kluge, Alexander : On film and the public sphere, 33 – 49. – Hansen, Miriam: Cooperative auteur cinema and oppositional public sphere: Alexander Kluge’s contribution to »Germany in autumn«, 50 – 71. – Schlüpmann, Heide: »What is different is good«: women and femininity in the films of Alexander Kluge, 72 – 92. – Anton Kaes: In search of Germany : Alexander Kluge’s »The patriot«, 95 – 126. – Roberts, David: Alexander Kluge and German history : »The air raid on Halberstadt on 8. 4. 1945«, 127 – 154. –Kluge, Alexander : The air raid on Halberstadt on 8. 4. 1945 (extract), 155 – 170. – Wenzel, Eike Friedrich: Construction site film: Kluge’s idea of realism and his short films, 173 – 190. – Flinn, Caryl: Undoing act 5: history, bodies, and operatic remains in »The power of emotion«, 211 – 240. – Gertrud Koch: Alexander Kluge’s phantom of the opera, 247 – 255. – Huyssen, Andreas: An analytic storyteller in the course of time, 271 – 282. –Forrest, Tara: Raw materials for the imagination: Kluge’s work for television, 305 – 317. – Schulte, Christian: Television and obstinacy, 318 – 330. – Grünewald, Tim: Reframing Islam in

Bibliographie zu Alexander Kluge 2011 bis 2013

305

television: Alexander Kluge’s interviews on Islam and terrorism since 9/11, 331 – 351. – Hansen, Miriam: Reinventing the Nickelodeon: notes on Kluge and early cinema, 389 – 408. – Schulte, Christian: »All things are enchanted human beings«: remarks on Alexander Kluge’s »News from ideological antiquity«, 409 – 415. – Selected bibliography of English-language texts, 417 – 421. Der Deutschunterricht 64/3 (2012), Themenheft: »Man kann nicht lernen, nicht zu lernen.« Alexander Kluge im Unterricht. Hierin enthalten: Pflugmacher, Torsten; Birkmeyer, Jens: Geschichten, Gefühle, Glück und Kritik. Warum Alexander Kluge in der Schule gelesen werden sollte, 2 – 9. – Birkmeyer, Jens; Kluge, Alexander : Alexander Kluges Erzählungen im Unterricht, 10 – 15. – Negt, Oskar: Über Vertrauen und Kooperation, 18 – 24. – Birkmeyer, Jens: Verhinderte Lernprozesse und subjektive Reserve. Alexander Kluges Erzählungen zum Nationalsozialismus, 26 – 35. – Weymann, Ulrike: Die Architektur der Wirklichkeit. Über Alexander Kluges Umgang mit Realität, 36 – 46. – Stollmann, Rainer : Das Private und die verwaltete Welt, 48 – 57. -Pflugmacher, Torsten: Den GAU erzählen. Alexander Kluges Katastrophengeschichten als Anti-Bildungsroman, 58 – 67. – Pollmanns, Marion: Über den Versuch, im Fernsehen nach Bildung zu forschen. Zur Praxis der Vermittlung in TV-Gesprächen von Alexander Kluge, 68 – 77. – Brössel, Stephan: Rätselhafte Reizüberflutung. Alexander Kluges Fernsehformate und die Reflexion von Wahrnehmung, 78 – 87. – Pflugmacher, Torsten; Weymann, Ulrike; Bohn, Anna-Theresia: Neue Werke von Alexander Kluge, 88 – 95. Die Frage des Zusammenhangs. Alexander Kluge im Kontext, hg. von Christian Schulte unter Mitarbeit von Jana Koch und Stefanie Schmitt, Berlin 2012. Hierin enthalten: Schulte, Christian: Enzyklopädie der Erfahrung, 9 – 12. – Stollmann, Rainer : Gärten bau ich, Trümmern trau ich. Zu Kluges Arbeitsweise, 13 – 25. – Kreimeier, Klaus: Maßverhältnisse des Historischen. Zum Begriff und Begreifen von Geschichte bei Alexander Kluge, 26 – 37. – Kluge, Alexander : Neue Geschichten I, 38 – 49. – Müller, Harro: Verwendungsweisen des Authentizitätsbegriffs bei Theodor W. Adorno und Alexander Kluge, 50 – 63. – Harrasser, Karin: Singularität und lange Dauer. Alexander Kluges idiosynkratische Filmtheorie der Geschichte, 64 – 80. – Brombach, Ilka: Traurige Geschichte – poetischer Protest. Alexander Kluges »Abschied von gestern«, 81 – 94. – Ebbrecht, Tobias: Verrätselte Vergangenheit – Medien und Geschichte in Alexander Kluges »Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos«, 95 – 110; Walzer, Dorothea: Zirkuskuppel: ratlos, 111 – 129. – Hansen, Miriam; Kluge Alexander : Achterbahn ins Glück. Über Walter Benjamins Lieblingsfilm, 130 – 136. – Schlüpmann, Heide: »Unterschiedenes ist gut«. Kluge, Autorenfilm und weiblicher Blick, 137 – 157. – Kluge, Alexander : Neue Geschichten II, 158 – 168. – Zangl, Veronika: Zum Eigensinn der Faktizität in Alexander Kluges »Ein Liebesversuch«, 169 – 180. – Stollmann, Rainer : Nicht alles, was einen in Wallung bringt, ist ein Gefühl. Gespräch mit Alexander Kluge, 181 – 191. – Reichmann, Wolfgang: Tür an Tür mit einer anderen Zeit. Zeitschichten und nichtlineares Erzählen bei Alexander Kluge, 192 – 207. – Gnam, Andrea: Hausbau des Denkens: Bastelanleitung für geübte Leser, 208 – 216. – Ehardt, Christine: Wie klingt Kluge? Eine akustische Spurensuche, 217 – 227. – Gruber, Klemens: Oper im Fernsehen. »Eine Frau wie ein Vulkan« von Alexander Kluge, 228 – 237. – Reichert, Ramýn: Kluge im Netz, 238 – 246. – Siebers, Winfried: Dokufiktionale Grenzgänge. Beispiele medienkritischer Reflexion in Alexander Kluges Film- und Fernseharbeiten,

306

Bibliographie zu Alexander Kluge 2011 bis 2013

247 – 257. – Kluge Alexander : Neue Geschichten III, 258 – 269. – Schulte, Christian: »Alle Dinge sind verzauberte Menschen«. Über Alexander Kluges »Nachrichten aus der ideologischen Antike, 270 – 279. – Koch, Gertrud: Grundströme des Kapitals. Ein Interview mit Alexander Kluge, 280 – 289. – Beilenhoff, Wolfgang: SchriftProjektionen. Anmerkungen zu Alexander Kluges »Nachrichten aus der ideologischen Antike«, 290 – 300. – Kluge, Alexander ; Vogl, Joseph: »Schöne Ansichten der Zerstörung«. Unbekannte Skizze von Karl Marx zum Umbau von Paris (1853 – 1869), 301 – 307. – Kluge, Alexander : Neue Geschichten IV, 308 – 310. Die Schrift an der Wand – Alexander Kluge: Rohstoffe und Materialien, hg. von Christian Schulte, Göttingen 2012 [Geringfügig gekürzte Neuausgabe des Erstdrucks Osnabrück 2000]. Hierin enthalten: Schulte, Christian: Vorbemerkung zur Neuauflage, 11. – Schulte, Christian: Vorwort, 13 – 14. – Kluge, Alexander / Boulez, Pierre: Das Ruinengesetz in der Musik, 17 – 26. – Kluge, Alexander : Die Götterdämmerung in Wien (für Heiner Müller); Bildbeschreibung, 27 – 34. – Rötzer, Florian: Kino und Grabkammer. Gespräch mit Alexander Kluge, 36 – 51. – Schulte, Christian: Konstruktionen des Zusammenhangs. Motiv, Zeugenschaft und Wiedererkennung bei Alexander Kluge, 53 – 76. – Scheunemann, Dietrich: »Konstellationen«. Ästhetische Innovation und politische Haltung in »Deutschland im Herbst«, 77 – 88. – Scherer, Christina: Alexander Kluge und Jean-Luc Godard. Ein Vergleich anhand einiger filmtheoretischer »Grundannahmen«, 89 – 116. – Wenzel, Eike Friedrich: Baustelle Film. Kluges Realismuskonzept und seine Kurzfilme, 117 – 136; Hansen, Miriam: The Stubborn Discourse: History and Story-Telling in the Films of Alexander Kluge, 137 – 152. – Kluge, Alexander / Sprenger, Ulrike: Der Koloß in der Wüste, 153 – 160. – Vogt, Ludgera: Der montierte Lebenslauf. Soziologische Reflexionen über den Zusammenhang von Kluges »Lebensläufen« und der Form des Biographischen in der Moderne, 161 – 178. – Siebers, Winfried: Was zwei Augen nicht sehen können. Wahrnehmungsweisen, Möglichkeitssinn und dokumentarisches Schreiben in Alexander Kluges »Schlachtbeschreibung«, 179 – 200. – Großklaus, Götz: Katastrophe und Fortschritt. Alexander Kluge: Suche nach dem verlorenen Zusammenhang deutscher Geschichte, 201 – 230. – Licher, Lucia Maria: Die Zärtlichkeit der Vernunft. Formen der Mitteilung in »Geschichte und Eigensinn«, 231 – 254. – Kluge, Alexander / Stollmann, Rainer : Die Macht des Zwerchfells, 255 – 274. – Boehncke, Heiner : Wer hat Angst vor A.K.?, 275 – 278. – Stanitzek, Georg: Massenmedium Kluge, 279 – 290.– Vogt, Guntram: »Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum«. Zu Alexander Kluges Musik-Magazinen, 291 – 310.– Müller, Bernd: Flugzeug aus Blei. Anselm Kiefers »Zug der Argonauten« in einer Sendung Alexander Kluges, 311 – 324. – Theweleit, Klaus: Artisten im Fernsehstudio, unbekümmert. Zwei Herren im west-östlichen Denkversuch, 325 – 338. – Hüser, Rembert: Ameisen sind müßig. Schenken wir uns doch endlich die Ameisen, 339 – 362. – Mund, Verena: Mädchenname, 363 – 389. – Kluge, Alexander / Buttgereit, Jürgen: Ein subversiver Romantiker, 389 – 414. – Deuber-Mankowsky, Astrid / Schiesser, Giacomo: In der Echtzeit der Gefühle. Gespräch mit Alexander Kluge, 415 – 424. [Werkverzeichnis und Bibliographie als digitaler Anhang unter : http://www.v-r.de/_files_media/mediathek/ downloads/537/389971924_werkeverzeichnis_filmografie.pdf (Stand: 01. 06. 2014)].

Bibliographie zu Alexander Kluge 2011 bis 2013

307

Alexander Kluge in Halberstadt, hg. vom Gleimhaus Halberstadt und dem Nordharzer Städtebundtheater in Zusammenarbeit mit Alexander Kluge und Thomas Combrink, Halberstadt 2013.

Publikationen zu allgemeinen und übergreifenden Themen Adelson, Leslie A., »The future of futurity : Alexander Kluge and Yoko Tawada«, in: The Germanic review 86/3 (2011), 153 – 184. Alter, Nora M.; Koepnick, Lutz; Langston, Richard, »Landscapes of ice, wind, and snow: Alexander Kluge’s aesthetic of coldness«, in: Grey Room 10/53 (2013), 60 – 87. Ayllûn, Maria, »Cine e industria cultural: Alexander Kluge«, in: Constelaciones: Revista de Teor†a Cr†tica 3 (2011), 244 – 256. Ekardt, Philipp, »Starry Skies and Frozen Lakes. Alexander Kluge’s Digital Constellations«, in: October. Art, Theory, Criticism, Politics 138 (2011), 107 – 119. Großklaus, Götz, »Verlust und Wiedergewinnung der eigenen Geschichte: Rolf-Dieter Brinkmann – Alexander Kluge«, in: ders., Vierzig Jahre Literaturwissenschaft 1969 – 2009. Zur Geschichte der kultur- und medienwissenschaftlichen Öffnung, Frankfurt/M. u. a. 2011, 69 – 93. [Erstdruck 1985]. Linder, Christian, »Die Behandlung der Welt. Über Alexander Kluge«, in: ders., Noten an den Rand des Lebens. Portraits und Perspektiven, Berlin 2011, 200 – 249. [Erstdruck 1981]. Voßkamp, Wilhelm, »Emblematik der Geschichte. Alexander Kluges literarische und filmische Geschichtsschreibung«, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 36/2 (2011), 361 – 372. Barasoain, Mar†a Ayllûn, »›No nos separa del pasado un abismo‹. Memoria e identidad en Alexander Kluge. ›We Are Not Separated from the Past by an Abyss‹. Memory and Identity in Alexander Kluge«, in: Sesiûn No Numerada. Revista de Letras y Ficciûn Audiovisual 2 (2012), 174 – 189. Bathrick, David, »Taking apart the Berlin Wall Intermedially : Heiner Müller and Alexander Kluge in Dialogue«, in: Literatur inter- und transmedial. Inter- and Transmedial Literature, hg. von David Bathrick u. a., Amsterdam 2012, 385 – 401. Covindassamy, Mandana, »Pr¦sance brute de l’instantan¦. W. G. Sebald lecteur d’Alexander Kluge et Klaus Theweleit«, in: Image, reproduction, texte. Bild, Abbild, Text, ¦d. par FranÅoise Lartillot et Alfred Pfabigan, Bern u. a. 2012, 45 – 63. Fischer, Kai Lars, »Tschernobyl und die ›Katastrophe nach der Katastrophe‹. Katastrophales Ereignis, Zeit und Darstellung bei Alexander Kluge«, in: Katastrophen. Konfrontationen mit dem Realen, hg. von Solvejg Nitzke und Mark Schmitt, Essen 2012, 111 – 128. Hansen, Christiane, Transformationen des Phaethon-Mythos in der deutschen Literatur, Berlin 2012. [Darin zu »Phaethons Sturz« aus Die Lücke, die der Teufel läßt, 368 – 369.]. Holl, Herbert, »Le Tiers inclus. Ludwig Feuerbach, Jonathan Meese, Alexander Kluge«, in: TK-21. La revue, No. 10 (2012). Online-Journal. [http://www.tk-21.com/Le-tiers-inclus (Stand: 01. 06. 2014)].

308

Bibliographie zu Alexander Kluge 2011 bis 2013

Mohr, Peter, »Leben im Konjunktiv. Zum 80. Geburtstag des Georg-Büchner-Preisträgers Alexander Kluge«, in: Literaturkritik.de 14/2 (2012), 138 – 139. Stollmann, Rainer, »Ein Kantianer der Intermedialität«, in: Literatur inter- und transmedial. Inter- and Transmedial Literature, hg. von David Bathrick u. a., Amsterdam 2012, 149 – 172. Zenetti, Marie-Jeanne, »Pr¦lÀvement / d¦placement: le document au lieu de l’œuvre«, in: Litt¦rature. Revue trimestrielle, No. 166 (2012), 26 – 39. Holl, Herbert, »La libellule comme projectile au futur ant¦rieur d’Alexander Kluge«, in: Variations. Revue internationale de th¦orie critique 18 (2013). Online-Journal. [http:// variations.revues.org/657 (Stand: 01. 06. 2014)]. Holl, Herbert, »Les Nouvelles conjonctions d’images et de lettres chez Alexander Kluge«, in: Germanica 53 (2013), 275 – 311. Holl, Herbert, »Götter und Dämonen in Alexander Kluges Kapitalismusutopie«, in: Paulus-Lektüren, hg. von Sabine Biebl und Clemens Pornschlegel, Paderborn u. a. 2013, 143 – 166. Ziemann, Andreas, »Vom Schreiben, Sprechen und Zeigen: intellektuelle Medienpraxis«, in: Intellektuelle in der Bundesrepublik Deutschland. Verschiebungen im politischen Feld der 1960er und 1970er Jahre, hg. von Thomas Kroll, Göttingen u. a. 2013, 151 – 166.

Publikationen zur Literatur Brucher, Rosemarie, »Alexander Kluge«, in: Handbuch der Kunstzitate. Malerei, Skulptur, Fotografie in der deutschsprachigen Literatur der Moderne, hg. von Konstanze Fliedl u. a., Berlin u. a. 2011, Bd. 1, 446 – 448. Faber, Richard, »Postmodern qua prämodern? Alexander Kluges ›Die Lücke, die der Teufel läßt‹ im Vergleich mit Johann Peter Hebel und anderen Erzählern des 19. Jahrhunderts«, in: Odysseus – Passagiere. Über Selbstbestimmung und Determination in Literatur, Medien und Alltag, hg. von Simone Schröder u. a., Würzburg 2011, 55 – 72. Honold, Alexander : »›Es gibt keinen Gleichklang‹. Geschichte und Kalender in Alexander Kluges ›Chronik der Gefühle‹«, in: Johann Peter Hebel und die Moderne, hg. von Achim Aurnhammer, Freiburg i.Br. 2011, 101 – 122. Martens, Gunther, »Avantgarde und Alter in der Dokumentarliteratur der dritten Generation«, in: Alternde Avantgarden, hg. von Alexandra Pontzen und Heinz-Peter Preusser, Heidelberg 2011 (= Jahrbuch Literatur und Politik. Institut für Kulturwissenschaftliche Deutschlandstudien [IfkuD] der Universität Bremen 6), 75 – 88. Pantenburg, Volker, »Kluge, Alexander«, in: Poetiken. Autoren – Texte – Begriffe, hg. von Monika Schmitz-Emans u. a., Berlin/Boston 2011, 236. [1. Aufl. 2009]. Schäfer, Peter, »Ohnmacht und Narration in Alexander Kluges fiktionalen Wirtschaftsszenarien. Über die Analogien in der Abstraktion in Ökonomie und Literatur«, in: Finanzen und Fiktionen. Grenzgänge zwischen Literatur und Wirtschaft, hg. von Christine Künzel und Dirk Hempel, Frankfurt/M. 2011, 267 – 282. [Zu Die Lücke, die der Teufel läßt]. Stanitzek, Georg, »Hypertext (Kluge)«, in: ders., Essay – BRD, Berlin 2011, 281 – 314.

Bibliographie zu Alexander Kluge 2011 bis 2013

309

Yamamoto, Junko, »Geflügelte Diskursmaschinerie. Alexander Kluges ›Der Luftangriff auf Halberstadt am 8. April 1945‹«, in: Doitsu Bungako. Neue Beiträge zur Germanistik, hg. von der Japanischen Gesellschaft für Germanistik 10/1 (2011), 14 – 27. Eshel, Amir, »Alexander Kluge – Literatur als Orientierung«, in: ders., Zukünftigkeit. Die zeitgenössische Literatur und die Vergangenheit, Berlin 2012, 68 – 80. [Zu »Luftangriff auf Halberstadt am 8. 4. 1945« und »Heidegger auf der Krim«]. – Engl. Ausgabe: Futurity. Contemporary Literature and the Quest for the Past, Chicago, Ill. 2013. Martens, Gunther, »Das Poetische heißt Sammeln. Ernst Jünger im Spiegel der enzyklopädischen Literatur (Kempowski, Littell, Kluge, Müller)«, in: Ernst Jünger und die Bundesrepublik. Ästhetik – Politik – Zeitgeschichte, hg. von Matthias Schöning und Ingo Stöckmann, Berlin u. a. 2012, 137 – 160. Meyer-Minnemann, Klaus, »Die (Un)Sagbarkeit des Schreckens. Alexander Kluge, Hans Erich Nossack und Ralph Giordano über Bombentod und Zerstörung«, in: Etudes germaniques 67/2 (2012), 351 – 376. Öhlschläger, Claudia, »Komplexität im Kleinen. Polychrone Zeitgestaltung und Medialität bei Ernst Jünger, Robert Musil, Undine Gruenter und Alexander Kluge«, in: MusilForum 32 (2011 – 2012), 147 – 161. Ekardt, Philipp, »Film ohne Star. Alexander Kluges Präsensgeschichte über Asta Nielsen«, in: Der Präsensroman, hg. von Armen Avanessian und Anke Hennig, Berlin u. a. 2013, 237 – 247. Fulk, Kirkland Alexander, »The Final Frontier : Science Fiction, Allegory, and Utopia in Alexander Kluge’s ›Lernprozesse mit tödlichem Ausgang‹«, in: ders., Literature as utopia. Spaces of alterity in West German postcolonial and science-fiction literature after sixty-eight, Diss. University of North Carolina at Chapel Hill 2013, 136 – 183. Fulk, Kirkland A., »From Outer Space to the Circus Tent. Science Fiction and the Problems of ’68 in Alexander Kluge’s ›Die Ungläubige‹«, in: Textpraxis. Digitales Journal für Philologie 7/2 (2013). Online-Journal. [http://www.uni-muenster.de/Textpraxis/ausgabe-7 (Stand: 01. 06. 2014)]. Inderwildi, Hilda, »Les mots du temps habill¦s d’une image. ›Dezember‹ d’Alexander Kluge et Gerhard Richter«, in: Texte et image: cadre et repr¦sentation dans la nouvelle europ¦enne, sous la dir. de Yves Iehl et Jean Nimis. [Themenheft], in: Champs du signe. S¦mantique, rh¦torique, po¦tique 2013, 71 – 83. Inderwildi, Hilda; Pauval, Vincent T., »õ propos de ›Onze histoires pour Gerhard Richter‹«, in: Fario, No. 12 (2013), 214 – 220. Kleihues, Alexandra, »Dokumentarische Verfahren in der Nachkriegsliteratur. Johnson, Kempowski, Kluge«, in: Johnson-Jahrbuch 20 (2013), 92 – 110. Öhlschläger, Claudia, »Augenblick und lange Dauer. Ästhetische Eigenzeiten in epischen Kurzformen der Moderne und Gegenwart«, in: Figurationen des Temporalen. Poetische, philosophische und mediale Reflexionen über Zeit, hg. von Claudia Öhlschläger u. a., Göttingen 2013, 93 – 106. Pankow, Klaus, »Texte der Beunruhigung. Alfred Andersch ›Der Vater eines Mörders‹ und Alexander Kluge ›Der Pädagoge von Klopau und andere Geschichten‹«, in: ders., In Grenzen lesen. Arbeiten zur Literatur aus der Wochenzeitung ›Sonntag‹, Magdeburg 2013, 48 – 51.

310

Bibliographie zu Alexander Kluge 2011 bis 2013

Publikationen zu den Filmen und zur Filmpolitik Agostino, Fabio, »›Die Macht der Gefühle‹ – film per musica«, in: Musica / Realt—. Rivista quadrimestrale, No. 94 (2011), 123 – 143. Davidson, John E., »›A kind of species memory‹: The time of elephants in the space of Alexander Kluge’s cinematic principle«, in: New Directions in German Cinema, ed. by Paul Cooke and Chris Homewood, London 2011, 20 – 38. Gras, Pierre, »Farocki et Kluge comme figures tut¦laires. D¦blayer les d¦combres qui obstruent les images«, in: ders., Good bye Fassbinder! Le cin¦ma allemand depuis la r¦unification, Paris 2011, 255 – 280. Habib, Andr¦, »Le temps des vestiges, le temps des d¦combres: po¦tique des ruines et p¦dagogie de l’histoire dans ›Brutalität in Stein‹ et ›Schicksal einer Oper‹«, in: Lorsque Clio s’empare du documentaire, Vol. II: Archives, T¦moignage, M¦moire, sous la dir. de Jean-Pierre Bertin Maghit, Paris 2011, 261 – 268. Kligerman, Eric, »The Antigone Effect. Reinterring the Dead of Night and Fog in the German Autumn«, in: New German Critique. An Interdisciplinary Journal Of German Studies 112 (2011), 9 – 38. [Zu Deutschland im Herbst und Die Patriotin]. Kramer, Sven, »Geschichtsbilder im Essayfilm: Alexander Kluges ›Vermischte Nachrichten‹«, in: Der Essayfilm. Ästhetik und Aktualität, hg. von Sven Kramer und Thomas Tode, Konstanz 2011, 275 – 294. Pavsek, Christopher, »The Stubborn Utopian. The Films of Alexander Kluge«, in: Cinema Scope. Expanding the frame on international cinema, No. 32 (2011). Online-Publikation. [http://cinema-scope.com/cinema-scope-magazine/features-the-stubborn-utopian-the-films-of-alexander-kluge (Stand: 01. 06. 2014)]. Seewald, Franziska, »Alexander Kluge – Realismus und Möglichkeiten von Erfahrung«, in: dies., Bilder vom Ende. Zur Affizierung im Kino am Beispiel des Naturkatastrophenfilms Hollywoods, Marburg (Lahn) 2011, 85 – 92. Ballhausen, Thomas; Krenn, Günter, »Abschied von gestern / Yesterday Girl: Alexander Kluge, West Germany, 1967«, in: The Cinema of Germany, ed. by Joseph Garncarz et al., London 2012, 159 – 166. Hembus, Joe, »Dr. Kluges Landschulheim« (1981), in: Provokation der Wirklichkeit. Das Oberhausener Manifest und die Folgen, hg. von Ralph Eue u. a., München 2012, 125 – 127. Kaiser, Claire, »Le discours critique des cin¦astes ouest-allemands aprÀs Oberhausen: Kluge, Straub, Fassbinder«, in: Krisen und Krisenbewusstsein in Deutschland und Frankreich in den 1960er Jahren, hg. von Bernhard Gotto, München 2012, 237 – 244. Langston, Richard, »23 June 1968: Alexander Kluge Egged in Berlin, Months Later Awarded Gold Lion in Venice«, in: A New History of German Cinema, ed. by Jennifer M. Kapczynski and Michael D. Richardson, Rochester, N.Y. 2012, 417 – 422. Leder, Dietrich, »Deutschland im Herbst / Germany in Autumn: Alexander Kluge, Volker Schlöndorff, Rainer Werner Fassbinder, Edgar Reitz et al., West Germany, 1978«, in: The Cinema of Germany, ed. by Joseph Garncarz et al., London 2012, 187 – 195. Provokation der Wirklichkeit. 50 Jahre Oberhausener Manifest. Das Wiener Symposium, Red.: Ralph Eue und Christian Schulte, Wien 2012. [Darin: Alexander Kluge, »Was wollen die ›Oberhausener‹?« (1962), 21 – 23].

Bibliographie zu Alexander Kluge 2011 bis 2013

311

Rückblicke. Die Abteilung Film – Institut für Filmgestaltung an der hfg ulm 1960 – 1968. Ein Projekt, hg. von Peter Schubert und Monika Maus, Detmold 2012. [Darin: Peter Schubert, »Alexander Kluge – Wieviel Wirklichkeit ist im Film? Versuch eines Porträts«, 47 – 55; Peter Schubert, »Interview mit Alexander Kluge«, 60 – 61]. Ast, Michaela S., Der alte Film ist tot. Wir glauben an den neuen. Die Genese des jungen deutschen Films, Marburg (Lahn) 2013. [Zugleich Diss. Universität Bochum 2013]. Combes, Andr¦, »Retour sur le Nouveau cin¦ma allemand: ¦crans du national-socialisme. Sur quelques films d’Alexander Kluge dans le contexte des ann¦es 1960 – 1980«, in: Le national-socialisme dans le cin¦ma allemand contemporain, ¦d. par H¦lÀne Camarade et al., Villeneuve d’Ascq 2013, 51 – 70. Elsaesser, Thomas, »The persistent resistance of Alexander Kluge«, in: ders., German cinema – terror and trauma. Cultural memory since 1945, London 2013, 173 – 188. [Dt. Erstausgabe Berlin 2007]. Paefgen, Elisabeth K., »›Sagen Sie, das Ende – ist das so bei Sophokles?‹ Bestattungsrituale in dem Episodenfilm ›Deutschland im Herbst‹ (1978)«, in: Weimarer Beiträge. Zeitschrift für Literaturwissenschaft, Ästhetik und Kulturwissenschaften 59/1 (2013), 5 – 20. Rauen, Christoph, »Illusionsstörung als anti-fatalistische Strategie. Zur Bedeutung und Funktion von Schrift in Alexander Kluges ›Abschied von gestern‹«, in: Scriptura cinematographica. Texttheorie der Schrift in audiovisuellen Medien, hg. von Hans-Edwin Friedrich und Hans J. Wulff, Trier 2013, 97 – 110. Rupprecht, Caroline, Womb fantasies. Subjective achitectures in postmodern literature, cinema, and art, Evanston, Ill. 2013. [Darin zu Abschied von gestern und Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit, 37 – 54]. Schulte, Christian, »Politik der Gefühle – Zur (Film-)Poetik Alexander Kluges«, in: Zooming in and out. Produktionen des Politischen im neueren deutschsprachigen Dokumentarfilm, hg. von Aylin Basaran u. a., Wien 2013, 105 – 118. Urang, John Griffith, »Solitary Confinement. Reproduction and the Law in Kluge’s ›Abschied von gestern‹«, in: New German Critique. An Interdisciplinary Journal of German Studies 120 (2013), 111 – 135.

Publikationen zu den Fernsehmagazinen Forrest, Tara, »Creative co-productions: Alexander Kluge’s television experiments«, in: Collective creativity. Collaborative work in the sciences, literature and the arts, ed. by Gerhard Fischer et al., Amsterdam u. a. 2011, 191 – 203. Kudrass, Tiffany, Überforderung vs. Neugier – Alexander Kluges Revolution im deutschen Fernsehen, Seminararbeit, Universität Wien, München 2011. [Elektronische Ressource]. Forrest, Tara, »A Realism of Protest: Christoph Schlingensief ’s Television Experiments«, in: The Germanic Review 87/4 (2012), 325 – 344. Lämmle, Kathrin, »Die Stimme aus dem Off. Zur Form und Funktion der Interviewstimme in den Fernsehmagazinen Alexander Kluges«, in: Resonanz-Räume. Die Stimme und die Medien, hg. von Oksana Bulgakowa, Berlin 2012, 258 – 279.

312

Bibliographie zu Alexander Kluge 2011 bis 2013

Publikationen zu den DVD- und CD-Editionen Meißner, Jochen, »Dem Unglück das Restrisiko abkaufen«, in: Funk-Korrespondenz 59/47 (2011), 27. [Hörfunkrezension zu Die Pranke der Natur (und wir Menschen)]. Vassilieva, Julia, »Capital and Co. Kluge / Eisenstein / Marx«, in: Screening the Past. An international electronic journal of visual media and history, No. 8 (2011). OnlinePublikation. [http://www.screeningthepast.com/2011/08/capital-and-co-klugeeisensteinmarx (Stand: 01. 06. 2014)]. Gürpinar, Ates, »Das ›Kapital‹ adaptieren?«, in: Adaption. Text into film and beyond, hg. von Rachel MagShamhr‚in, Konstanz 2012, 103 – 115. [Zu Nachrichten aus der ideologischen Antike]. Gürpinar, Ates, »Das ›Kapital‹ adaptieren?«, in: Germanistik in Ireland. Yearbook of the Association of Third-Level Teachers of German in Ireland 7 (2012), 103 – 115. [Zu Nachrichten aus der ideologischen Antike]. L¦ger, Marc James, »News from Ideological Antiquity«, in: Fuse Magazine 35/4 (Fall 2012), 16 – 23. Vilches, Lorenzo, »Hipertextualidad de las artes esc¦nicas en ›El Capital‹ de Marx: El capitalismo narrativo en la era digital«, in: Telos: Cuadernos de comunicaciûn e innovaciûn 91 (2012), 12 – 21.

Publikationen zur Theorie Bohn, Carolin, »Zur Ästhetik der Abwesenheit. Die Denk-Figur der Lücke (Adorno, Kluge, Boltanski)«, in: Comparative arts. Universelle Ästhetik im Fokus der vergleichenden Literaturwissenschaft, hg. von Achim Hölter, Heidelberg 2011, 311 – 321. Müller, Harro, »Kritische Theorie und Realismusbegriff: Horkheimer, Adorno, Kluge«, in: Realitätskonzepte in der Moderne. Beiträge zu Literatur, Kunst, Philosophie und Wissenschaft, hg. von Susanne Knaller und Harro Müller, Paderborn u. a. 2011, 229 – 246. Siebeneichner, Tilmann, »Wie ›politisch‹ sollte Zeitgeschichte sein? Alexander Kluge: ›Das Politische als Intensität alltäglicher Gefühle‹ (1979)«, in: Gewalt und Gesellschaft. Klassiker modernen Denkens neu gelesen, hg. von Uffa Jensen, Göttingen 2011, 359 – 370. Bray, Michael, »Openness as a Form of Closure. Public Sphere, Social Class, and Alexander Kluge’s Counterproducts«, in: Telos. A Quarterly Journal of Politics, Philosophy, Critical Theory, Culture, and the Arts 159 (2012), 144 – 171.

VIDEOGRAPHIE

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013 Zusammengestellt von Beata Wiggen

2007: 10 vor 11 TEN TO ELEVEN Ein Mikroskop wie nie zuvor Die Nobelpreisträger Gerd Binnig und Heinrich Rohrer haben als erste »wirklich« ein Atom gesehen. 08. 01. 2007

TEN TO ELEVEN Clintons Chef-Ökonom Nobelpreisträger Joseph Stiglitz über die Sturmzonen der Globalisierung 15. 01. 2007

TEN TO ELEVEN Hauptsache, die Projektoren rattern! Erfahrungen eines Kinobesitzers in Beirut 22. 01. 2007

TEN TO ELEVEN Ich mag dies schlichten Töne Begegnung mit Christine Schäfer 29. 01. 2007

TEN TO ELEVEN Das Serienmörder-Prinzip Stephan Harbort über die Motive dieser Täter 05. 02. 2007

TEN TO ELEVEN Die Geschichte vom verkrachten Mann und der Traum-Frau Oskar Negt über DIE LUSTIGE WITWE 12. 02. 2007

TEN TO ELEVEN Die Terrorfront Rolf Tophoven über den asymmetrischen Krieg weltweit 19. 02. 2007

TEN TO ELEVEN Der Kuss des Gewissens Douglas F. Potter auf Jagd nach Babylons geraubten Schätzen 26. 02. 2007

TEN TO ELEVEN Zwei Väter bringen ihre Kinder um Giuseppe Verdis Melodrama LUISA MILLER 05. 03. 2007

TEN TO ELEVEN Ein Licht tröstet in der Nacht Das Zwischenmedium der TV-Lampen von 1955 12. 03. 2007

316

Videographie

TEN TO ELEVEN Das Auge, das rätselhafte Wesen Hirnforscher Leo Peichl über die Sehorgane von Tier und Mensch 19. 03. 2007

TEN TO ELEVEN Zwischen Ural und Pazifik Die Suche nach den frühen Völkern Eurasiens in Steppe, Gebirge und Eis 26. 03. 2007

TEN TO ELEVEN Schuhlöffel der Ereignisse Begegnung mit dem Satiriker Alfred Dorfer 02. 04. 2007

TEN TO ELEVEN Experiment Welt-Wetter Prof. Dr. Stefan Rahmstorf über dramatische Klimaveränderungen 16. 04. 2007

TEN TO ELEVEN Lernen ist das Allerhöchste Barbara Beuys über das China-Wunder 23. 04. 2007

TEN TO ELEVEN »Der Kunst weiht’ ich mein Leben« Ein Bariton outet sich als Doper 30. 04. 2007

TEN TO ELEVEN Kindsmord als letzter Ausweg Nina Hoss als Medea 07. 05. 2007

TEN TO ELEVEN Feind hört mit! Gefangene deutsche Generäle werden vom britischen Geheimdienst belauscht 14. 05. 2007

TEN TO ELEVEN Zwischen Mithraskult und Christentum Die Macht der Religionen in der Antike 21. 05. 2007

TEN TO ELEVEN Wer sich vermehrt, lebt nicht verkehrt Prof. Dr. Schmidt-Hempel über neuste Forschungen in der Evolutionsbiologie 04. 06. 2007

TEN TO ELEVEN Die Kralle des Schicksals Verdis UN BALLO IN MASCHERA in Duisburg 11. 06. 2007

TEN TO ELEVEN Krieg ist das Ende aller Pläne Der Schlieffen-Plan von 1905 18. 06. 2007

TEN TO ELEVEN Mozarts Geheimnis Die Zauberflöte als klingende Soziologie 25. 06. 2007

TEN TO ELEVEN Schostakowitschs Meisterwerk Hans Neuenfels inszeniert »Lady Macbeth des Mzensker Landkreises« 02. 07. 2007

TEN TO ELEVEN Meine Kumpel, die Roboter Prof. Dr. Horst-Dieter Burkhard über künstliche Intelligenz und Kooperation 09. 07. 2007

TEN TO ELEVEN City Girls Aufbruch junger Frauen im Film der Zwanziger Jahre 16. 07. 2007

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

317

TEN TO ELEVEN Grenzfälle der Schadensregulierung Versicherungsspezialist Mueller-Reitwein über Space Junk 23. 07. 2007

TEN TO ELEVEN Mein Onkel war Wernher von Braun Christina von Braun über die Schubkraft einer Familie 30. 07. 2007

TEN TO ELEVEN Megastars der Liebeskunst Mika Ninagawas Film über schöne Kurtisanen im frühen Japan 06. 08. 2007

TEN TO ELEVEN Im Würgegriff der Magersucht Was kann ich tun, wenn meine Tochter nichts mehr isst? 13. 08. 2007

TEN TO ELEVEN Rätselhafte Vorgänge im Vatikan Der Erfolgsautor Georg Engel über seine Dokumentation »Der Biss des grauen Wolfs« 20. 08. 2007

TEN TO ELEVEN Der Völkerbund war besser als sein Ruf Prof. Dr. Susan Pedersen über den ersten Versuch, eine Weltöffentlichkeit zu begründen. 27. 08. 2007

TEN TO ELEVEN Wasser unter der Erde Prof. Dr. Wolfgang Kinzelbach über den nachhaltigen Umgang mit unserer wichtigsten Ressource 03. 09. 2007

TEN TO ELEVEN Der Brückengeher Helge Schneider über den Wert der Arbeit 10. 09. 2007

TEN TO ELEVEN Das Gerücht vom Bösen Prof. Dr. Wolfgang Wippermann über Verschwörungstheorien von Luther bis heute 17. 09. 2007

TEN TO ELEVEN »Immer nur lächeln, immer vergnügt!« Peter Konwitschny inszeniert »Das Land des Lächelns« von Franz Leh‚r 24. 09. 2007

TEN TO ELEVEN Plattmachen ist meine Leidenschaft Helge Schneider als Abrissunternehmer Borovski 01. 10. 2007

TEN TO ELEVEN Was heisst guter Wille? Über eine zentrale Frage von Immanuel Kant 08. 10. 2007

TEN TO ELEVEN Eine Krankheit namens Geld Traviata muss nicht sterben 15. 10. 2007

TEN TO ELEVEN Europa, eine Zeitreise Gala im legendären Treppenhaus des Regierungspräsidiums Düsseldorf 22. 10. 2007

TEN TO ELEVEN Ein Patent auf das ewige Leben Kann man Jesus klonen? 29. 10. 2007

TEN TO ELEVEN Tsunami der Emotion Joseph Vogl über TOSCA von Giacomo Puccini 05. 11. 2007

318

Videographie

TEN TO ELEVEN Warum der 2. Weltkrieg nicht eher endete Valentin Falin über geheime Friedensfühler 12. 11. 2007

TEN TO ELEVEN Die erste Gondoliera der Welt Eine Frau auf den Wasserstraßen Venedigs 19. 11. 2007

TEN TO ELEVEN Phönix Venedig Die Oper La F¦nice und die Schätze der Stadt 26. 11. 2007

TEN TO ELEVEN Die wachen Augen Indiens Wie organisiert man die Sicherheit des Subkontinents 03. 12. 2007

TEN TO ELEVEN Advent in Polen Im Dezember 1944 fehlt der deutschen Besatzung in Warschau eine Wunderwaffe 17. 12. 2007

2007: News & Stories NEWS & STORIES Der Opern-Arzt Dr. Schlömicher-Thier betreut die SALZBURGER FESTSPIELE 07. 01. 2007

NEWS & STORIES Der lange Marsch zum Homo Sapiens Friedemann Schrenk über die Urzeit von Mensch und Erde 14. 01. 2007

NEWS & STORIES Carmen, das Mordopfer mit dem ewigen Leben Bizets großartiges Werk neu an der Staatsoper Stuttgart 21. 01. 2007

NEWS & STORIES Im Banne des Zorns Peter Sloterdijks Theorie des Fundamentalismus 28. 01. 2007

NEWS & STORIES Die Meistersinger von Berlin Richard Wagners einzige komische Oper an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz 04. 02. 2007

NEWS & STORIES Der schwarze Tod Prof. Dr. Klaus Bergdolt über die Seuche, die ganze Völker auslöschte 11. 02. 2007

NEWS & STORIES Tödliche Rivalität unter Frauen Donizettis MARIA STUART an der Staatsoper Unter den Linden, Berlin 18. 02. 2007

NEWS & STORIES Zu allem bereit! Hans Leyendecker über das politische Urgestein F.J. Strauss 25. 02. 2007

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

319

NEWS & STORIES Was macht ein Kriminalpsychologe? Dr. Thomas Müller über Serienmörder und das destruktive Motiv 04. 03. 2007

NEWS & STORIES Liebe macht hellsichtig Irene Disches Liebesgeschichten: LOVES 11. 03. 2007

NEWS & STORIES Die Geschichte der Sintflut Eine dramatische Katastrophe begründet 6700 Jahre v. Chr. die Zivilisation 18. 03. 2007

NEWS & STORIES Deutsche Ex-Kolonien außer Rand und Band Die Massenmorde in Ruanda und Burundi 25. 03. 2007

NEWS & STORIES Das scharfe Messer des Gefühls Musiktheater von Hans Neuenfels 01. 04. 2007

NEWS & STORIES Moskauer Menagerie Poetische Tierschau von Durs Grünbein 15. 04. 2007

NEWS & STORIES Oper macht mutig! Burgtheaterdirektor Klaus Bachler über Musiktheater heute 22. 04. 2007

NEWS & STORIES Black Atlantic Dr. Astrid Reuter über Voodoo, Candombl¦ und andere synkretistische Religionen 29. 04. 2007

NEWS & STORIES Ovid der Dichter ohne Ehrfurcht Begegnung mit einem der stärksten Autoren der Antike 06. 05. 2007

NEWS & STORIES Der Blick ins Unbekannte Gravitationswellen überbrücken die Entfernung bis fast zum Anfang der Welt 13. 05. 2007

NEWS & STORIES Die Parasiten Eine der erfolgreichsten Lebensformen auf dem Blauen Planeten 20. 05. 2007

NEWS & STORIES »Ich war bekennender Opernhasser!« Drastische Regie von Martin Kusˇej 03. 06. 2007

NEWS & STORIES Schau mir in die Augen! Der Siegeszug des Prinzips »Auf gleicher Augenhöhe« 10. 06. 2007

NEWS & STORIES Ein Toter kehrt zurück Balzacs berühmte Geschichte von Oberst Chabert 17. 06. 2007

NEWS & STORIES Der Spanische Bürgerkrieg Prof. Dr. Pedro Barcelû über einen Schlüsselkonflikt über 20. Jahrhundert 24. 06. 2007

NEWS & STORIES Meine Heimat ist der Film Edgar Reitz über die Magie der bewegten Bilder 01. 07. 2007

320

Videographie

NEWS & STORIES Sopran gegen Bass (Doppelprogramm) 20 Mal Verdi im Kontext 08. 07. 2007

NEWS & STORIES Ein Mann von 50 Jahren Begegnung mit Kurt Kister, stellvertretendem Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung 15. 07. 2007

NEWS & STORIES Macht über den Tod Joachim Kaiser über Trauer in der Musik 22. 07. 2007

NEWS & STORIES Baal Hans Neuenfels inszeniert Bert Brechts Erstlingswerk am Münchener Volkstheater 29. 07. 2007

NEWS & STORIES Zauberwelt der Evolution Die DNA eines einzigen Menschen reicht, aneinandergefügt 200-mal von der Erde zur Sonne und zurück. 05. 08. 2007

NEWS & STORIES »FROMMS ZIEHT DER EDELMANN BEI SEINEM MÄDEL AN« Der Kondomfabrikant Julius Fromm und die deutschen Räuber 12. 08. 2007

NEWS & STORIES Weltstadt der Antike: Byzanz Prof. Dr. Peter Schreiner über Glanz und Sturz des 2. Rom 19. 08. 2007

NEWS & STORIES Extreme Welten aus Natur und Eis Professor Dr. Hans Wolfgang Hubberten über Arktis und Antarktis 26. 08. 2007

NEWS & STORIES Schönheit ist weiblich Dr. med. Ulrich Renz über Attraktivitätsforschung 02. 09. 2007

NEWS & STORIES Das Volk fordert den Krieg Christian Stückl inszeniert JEREMIAS von Stefan Zweig im Passionstheater Oberammergau 09. 09. 2007

NEWS & STORIES Goldrausch der Liebe Puccinis Westernoper »La Fanciulla del West« 16. 09. 2007

NEWS & STORIES Die Sicherheit des Präsidenten John Jedd von der Anti-Terror-Front 23. 09. 2007

NEWS & STORIES Die Gärten der Sprache Von Babylon bis Bush 30. 09. 2007

NEWS & STORIES Das Autoren-Duo Iny Lorentz Wie schreibt man zu zweit Erfolgsromane? 07. 10. 2007

NEWS & STORIES Mit Licht kann ich zaubern Kameramann Michael Ballhaus über sein künstlerisches Metier 14. 10. 2007

NEWS & STORIES Gegen Sturm und Wellen singe ich an! Alberto Garbizza, der Fischer von Venedig 21. 10. 2007

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

321

NEWS & STORIES Der Glücksvermittler Mit Helge Schneider als Cousin des Heiratsschwindlers Fatzanatas 28. 10. 2007

NEWS & STORIES War Judas Verräter oder Treuhänder? Das rätselhafte Judas-Evangelium 25. 10. 2009

NEWS & STORIES Das Tafelsilber der Gedanken putzen ! Philosophie der Überraschung 04. 11. 2007

NEWS & STORIES Extra-Post der Hölle Joseph Vogl über den Schurken 11. 11. 2007

NEWS & STORIES Musik der Bilder Christoph Schlingensief als Opernmacher zwischen Bayreuth und Brasilien 18. 11. 2007

NEWS & STORIES Brennende Herzen Bruderkrieg und Leidenschaft in Verdis »il trovatore« 25. 11. 2007

NEWS & STORIES Wir sind alle Mutanten! Die Evolution dauert an 02. 12. 2007

NEWS & STORIES Der Schutzengel Putins Generalmajor A. M. Sedow: »In Gedanken bin ich immer bei ihm« 09. 12. 2007

NEWS & STORIES »Beichtvater der Bosse« 40 Jahre als Unternehmensberater: Roland Berger 16. 12. 2007

NEWS & STORIES Ich bin ein Verfechter des Klassischen! Joachim Kaiser über das Parallelogramm der Kräfte zwischen Energie und Ausdruck 23. 12. 2007

NEWS & STORIES Gold bleibt Gold Hans-Gert Bachmann über das nobelste Metall, das wir kennen 30. 12. 2007

NEWS & STORIES War Judas Verräter oder Treuhänder? Das rätselhafte Judas-Evangelium 25. 10. 2009

2007: Primetime PRIMETIME 07. 01. 2007 AUSGEFALLEN!

PRIMETIME Der Muschelhändler Massimo Puta über leckere und tödliche Meeresfrüchte 14. 01. 2007

PRIMETIME Der Roman Indien Begegnung mit Shashi Tharoor, UnderSecretary der UN und Romanautor 21. 01. 2007

PRIMETIME Botschafter bei Fidel Castro Begegnung mit dem deutschen Diplomaten Dr. Bernd Wulffen 28. 01. 2007

322

Videographie

PRIMETIME Der Vater der Mikrotherapie Begegnung mit Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer 04. 02. 2007

PRIMETIME Ein Poet der Mathematik Zum 300. Geburtstag des Genies Leonhard Euler 11. 02. 2007

PRIMETIME Venedig, Festplatz Europas Panikblüte und Ende der Republik (1700 – 1797) 18. 02. 2007

PRIMETIME Die Verteidigung des Hauses Aus der Praxis der Schädlingsbekämpfung und des Brandschutzes 25. 02. 2007

PRIMETIME Proben zu DON GIOVANNI Martin Kusˇej in Salzburg 04. 03. 2007

PRIMETIME »Der Tag ist nah, da ist die Erde nicht mehr da« Chaos und Krieg im Kosmos 11. 03. 2007

PRIMETIME Wie die DDR beinahe gerettet wurde 400 Pässe für Hongkong-Millionäre 18. 03. 2007

PRIMETIME Ab 50 Eisbein wird es schön Der Theaterkoch des BERLINER ENSEMBLE 25. 03. 2007

PRIMETIME Stendhals Paradox Der Dichter Stendhals begleitete Napoleon mit seinen Romanen 01. 04. 2007

PRIMETIME Wofür braucht Polen US-Raketen? Vize Admiral a.D. Ullrich Weisser über den Umgang mit Russlands Schmerzgrenze 22. 04. 2007

PRIMETIME Kultur und Politik unversöhnt Wolf Lepenies’ Plädoyer für das deutsche Diesseits 29. 04. 2007

PRIMETIME 1.000 musikalische Plateaus Musik von Bernhard Lang aus dem Geiste der Philosophie 06. 05. 2007

PRIMETIME Duftgeflüster Die Sprache der Gerüche und ihre tödlichen Gefahren 13. 05. 2007

PRIMETIME Gesang auf der Himmelsleiter Die Heilige und die Heidin: zwei große Musikwerke Monteverdis an einem Abend 20. 05. 2007

PRIMETIME Das entfesselte Kino Dziga Vertovs Donbass-Symphonie 03. 06. 2007

PRIMETIME Russland im Zangengriff Peter Scholl-Latour über sein neues Buch 10. 06. 2007

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

323

PRIMETIME Richard Wagner, die Lust und das Pferd Wie Frank Castorf die MEISTERSINGER an der Volksbühne inszeniert 17. 06. 2007

PRIMETIME Künstler in der kalten Welt Peter Konwitschny inszeniert Puccinis LA BOHðME 24. 06. 2007

PRIMETIME Es lebe die Königin Tödliche Kämpfe im kooperativen Ameisenstaat. 01. 07. 2007

PRIMETIME Der Kaiser »Ohne Nase« Wie der unbarmherzige Kaiser Justinian II. von Byzanz seinen Thron verlor und wiedergewann 15. 07. 2007

PRIMETIME Was wissen die Worte, woher sie kommen? Multilinguist Prof. Dr. Harald Haarmann (Helsinki) über den Eigensinn von Sprache 22. 07. 2007

PRIMETIME Der Abschrecker Helge Schneider als Kampfschwimmer vor Heiligendamm 29. 07. 2007

PRIMETIME »Dem Ingenieur ist nichts zu schwer« Die Führungsmethode des Feldmarschalls Erich von Manstein 05. 08. 2007

PRIMETIME Der Dompteur Wie man im Zirkus mit Hyänen arbeitet 12. 08. 2007

PRIMETIME Blüten für das Reich Ein Film über die geheime Falschgeldfabrik von Sachsenhausen 19. 08. 2007

PRIMETIME Ein Justizpalast für Guantanamo Rechnungsprüfer Jerry Myers kritisiert Verschwendung 26. 08. 2007

PRIMETIME Das Fahrzeug ist die 2. Haut Helge Schneider als Renn- und Busfahrer Egon Meier 02. 09. 2007

PRIMETIME Man nannte mich Bluthund Als Anti-Terror-Spezialist des Zaren 09. 09. 2007

PRIMETIME Gesang ist Sieg! Helge Schneider als Studienrat und Major Max von Gerlach 16. 09. 2007

PRIMETIME Ideen für 100 Romane Neueste Projekte von Iny und Elmar Lorentz 23. 09. 2007

PRIMETIME Ein Labyrinth ohne Anfang und Ende Joseph Vogl: Was ist ein Rhizom? 30. 09. 2007

PRIMETIME Eine Heldengeschichte des Kaiserreichs Kurt Kister über den Todesritt der Kürassiere und Ulanen von Mars-la-Tour (1870) 07. 10. 2007

324

Videographie

PRIMETIME Manege frei für Eisbären! Fedor Gurkow über seine Arbeit 14. 10. 2007

PRIMETIME Der Mond ist aufgegangen Dr. Joseph Vogl über unseren ständigen Begleiter 21. 10. 2007

PRIMETIME Spinoza und die Modi Gottes Wozu dient das Denken, wenn man dabei keine Freude hat? 28. 10. 2007

PRIMETIME Verrückte Liebe im verrückten Krieg Ang Lees Spionagefilm »Gefahr und Begierde« (Sieger auf dem Festival von Venedig) 04. 11. 2007

PRIMETIME Märchen für Erwachsene Horrorfilmregisseur Eli Roth berichtet 11. 11. 2007

PRIMETIME »Lass mich weinen, ich weiß warum!« Begegnung mit dem Sopran Alexandra von der Weth 18. 11. 2007

PRIMETIME Hinrichtung auf römische Art Marcus Thrax über die Technik der Kreuzigung 25. 11. 2007

PRIMETIME Fünf Gründe zum Weinen Die schöne Schauspielerin Yunan in dem Festivalsieger »Tuyas Hochzeit« 02. 12. 2007

PRIMETIME »Der Tod kann ausgedrückt werden durch ein Pause« Joachim Kaiser über Pausen in der Musik, Furtwängler, Wagner und Verdi 09. 12. 2007

PRIMETIME Manga-Cosplay Deutsche Ninja-Kriegerinnen unterwegs 16. 12. 2007

2008: 10 vor 11 TEN TO ELEVEN Weltmacht Staub Hartmut Bitomsky über einen unbesiegbaren Zustand der Materie 07. 01. 2008

TEN TO ELEVEN Das Böse ist ein Defekt des Guten Pamela Macconi über Thomas von Aquins Gedankenwelt 14. 01. 2008

TEN TO ELEVEN »Was wäre gewesen, wenn …?« Roland Berger über eine spannende Alternative in der Last-Minute-Phase der DDR 21. 01. 2008

TEN TO ELEVEN Heirate nie eine Frau mit großen Füßen Prof. Dr. Mineke Schipper über die Sprichwörter als merkwürdige »Tunnel der Erfahrung« 28. 01. 2008

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

325

TEN TO ELEVEN »Traumberuf« Lokführer Michael Kretschmann über den langen Weg vom Dampfross zum ICE 04. 02. 2008

TEN TO ELEVEN Weltmacht Indien Olaf Ihlau über die neue Herausforderung des Westens 11. 02. 2008

TEN TO ELEVEN Mythos Leichengift Mediendampf und Katastrophenpraxis 18. 02. 2008

TEN TO ELEVEN Hitlers Heerführer von 1941 Generale im Vernichtungskrieg 25. 02. 2008

TEN TO ELEVEN Frauen in China Die eindrucksvollen Erzählungen der Autorin Xinran Xue 03. 03. 2008

TEN TO ELEVEN »Mein Gott! Eine Frau!« Fliegerinnen zwischen 1918 und 1945 10. 03. 2008

TEN TO ELEVEN Mord rings um die Oper Spielbetrieb in Smyrna, während die Stadt brannte (1922) 17. 03. 2008

TEN TO ELEVEN Musik entsteht aus dem Lauschen des Jägers Dr. Martin Kaltenecker über »unsichtbare Musik« 31. 03. 2008

TEN TO ELEVEN Es zeigt sich alles an der Oberfläche Sophie Rois: »Ein Mensch ist des anderen Spiegel« 07. 04. 2008

TEN TO ELEVEN Von der Dichtung zur Tat Thomas Karlauf über Stefan George und seinen Kreis 14. 04. 2008

TEN TO ELEVEN Eine Welt für sich Prof. Dr. Günter Kamp über das Leben der Spermien 21. 04. 2008

TEN TO ELEVEN Herrscher zwischen den Zeiten Wolfram Pyta über das Charisma Paul von Hindenburgs 28. 04. 2008

TEN TO ELEVEN Volles Schlachtgetümmel Einübung in den Irak-Krieg in einer Attrappen-Stadt 05. 05. 2008

TEN TO ELEVEN Rudolf Augstein Peter Merseburger über den SpiegelGründer 19. 05. 2008

TEN TO ELEVEN Der Zuschauer als Souverän seiner Erfahrung Der Komponist Heiner Goebbels über sein unkonventionelles Musiktheater 26. 05. 2008

TEN TO ELEVEN Der Schrei, dem niemand widersteht Bioakustiker Dr. Hartmut Rothgänger über die akustische Leistungsfähigkeit des Säuglings 02. 06. 2008

326

Videographie

TEN TO ELEVEN Die Heimkehr der »Hottentotten-Venus« Gesine Krüger über die Odyssee der Sarah Baartman 09. 06. 2008

TEN TO ELEVEN Grand Design der türkischen Politik Die Türkei als Netzwerker im Umkreis von 35 Ländern 16. 06. 2008

TEN TO ELEVEN Kommunikation ist Politik Prof. Dr. Michael Stürmer über 200 Jahre Deutsch-Russische Beziehungen 23. 06. 2008

TEN TO ELEVEN Der Schmerz ist nicht das Schlimmste Egmont R. Koch über Folter im Namen des Westens 30. 06. 2008

TEN TO ELEVEN Jesus in der Hölle? Die Kommentare des Babylonischen Talmud zum Neuen Testament 07. 07. 2008

TEN TO ELEVEN Das Prinzip der harten Hand Vizeadmiral a.D. Ulrich Weisser berichtet über gefährliche Zonen der Sicherheitspolitk 14. 07. 2008

TEN TO ELEVEN Königsdramen Schauspiel- und Operngala auf dem Roten Teppich im Regierungspräsidium Düsseldorf 21. 07. 2008

TEN TO ELEVEN Wir überwinden jede Hölle, ob Hagel, Blitze, Feuer, Blut! Gustav & Band in der Roten Sonne, München 28. 07. 2008

TEN TO ELEVEN Der Tempelritter und die Jüdin Wiederentdeckte Oper von Otto Nicolai nach dem Roman »Ivanhoe« von Walter Scott 04. 08. 2008

TEN TO ELEVEN Das Lernen lernen! Oberschulrat Dr. Karl Wolff ruft zur Besinnung! 11. 08. 2008

TEN TO ELEVEN Die dunkle Nacht, die Täuschung, der Hautkontakt Rossinis geniales Spätwerk LE COMTE ORY 18. 08. 2008

TEN TO ELEVEN Super-Oase Dubai Helge Sobik über die Stadt der Superlative am Golf 25. 08. 2008

TEN TO ELEVEN Goldgräberjahre der Gamma-Astronomie Prof. Dr. Dieter Horns über das aktive Schwarze Loch in der Galaxie M87 01. 09. 2008

TEN TO ELEVEN Japans Götterwelt Takeshi Yamamori über dramatische Mythen seines Landes 08. 09. 2008

TEN TO ELEVEN Was macht Menschen dauerhaft zufrieden? Uwe Jean Heuser über die Macht der Emotionen in der Ökonomie 15. 09. 2008

TEN TO ELEVEN »Das Buch spricht für sich« Robert Fork (Helge Schneider) über das Geheimnis gekonnter Literatur 22. 09. 2008

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

327

TEN TO ELEVEN Wie frei ist mein Gehirn? Die Entdeckung der Natur des Geistes 29. 09. 2008

TEN TO ELEVEN Ein Funken der Vorhölle Christoph Schlingensief über sein neues Musiktheater »Der Zwischenstand der Dinge« 06. 10. 2008

TEN TO ELEVEN Der Überwinterer im Eis Jürgen Graeser über seine Abenteuer im Nordpolar-Meer 13. 10. 2008

TEN TO ELEVEN Der Vulkan am Eingang zur Hölle Prof. Dr. Diether Richter über die Macht des Vesuvs (25.000 Jahre vor Christus – 79 nach Christus – übermorgen) 20. 10. 2008

TEN TO ELEVEN Was hilft mir mein Bauchgefühl? Bildungsforscher Prof. Dr. Gerd Gigerenzer über die Macht der Intuition 27. 10. 2008

TEN TO ELEVEN Ein Mann aller Altersklassen Der einzigartige Filmemacher, Autor und Anwalt Dr. Norbert Kückelmann 03. 11. 2008

TEN TO ELEVEN Aus dem Maschinenraum der Kunst Kunstsammler Dr. Harald Falckenberg über die »Groteske Avantgarde« 10. 11. 2008

TEN TO ELEVEN Die Heilige Selbstverwirklichung Stefan Aust über eine jahrtausendalte Komponente in allen Rebellionen 17. 11. 2008

TEN TO ELEVEN Die Insel der Lemuren Prof. Dr. Ganzhorn über die Artenvielfalt Madagaskars 24. 11. 2008

TEN TO ELEVEN Was heißt Lernen? Computer und Neurowissenschaft 01. 12. 2008

TEN TO ELEVEN Der Divisionspfarrer Welche Worte fördern die Weihnachtsstimmung der Truppe im trostlosen Krieg? 08. 12. 2008

TEN TO ELEVEN Der Sprung ins Dunkle Prof. Dr. Michael Stürmer über politischhistorische Maßverhältnisse im Umgang mit Russland 15. 12. 2008

TEN TO ELEVEN Treue und Verrat in Berlin Eindrücke aus der »Quadratmeile des Wahnsinns« 22. 12. 2008

TEN TO ELEVEN Die Frau von 50 Jahren Petra Gerster über das Selbstbewusstsein moderner Frauen 29. 12. 2008

328

Videographie

2008: News & Stories

NEWS & STORIES Absturz wegen Gier und Korruption Hans Leyendecker über sein neues Buch »Die große Gier« 06. 01. 2008

NEWS & STORIES »Der Wahrheit Feuerflocke« Schillers geniales Drama DON KARLOS im Volkstheater München 13. 01. 2008

NEWS & STORIES Das Weichziel ist der Mensch Oberstleutnant Sanftleben erläutert Kernprobleme der Truppe 20. 01. 2008

NEWS & STORIES Tiere ohne Kopf Prof. Dr. Holstein über die verblüffenden Gene der Medusen 27. 01. 2008

NEWS & STORIES Es zerreißt mir das Herz, und ich erfahre nicht warum! Carolin Ehmcke über die stumme Gewalt von »Attentaten ohne Absender« 03. 02. 2008

NEWS & STORIES »Da singt der ganze Chor!« Das Meisterwerk von Hector Berlioz über die Barbaren von Troja 10. 02. 2008

NEWS & STORIES Die Entkernung der Oper Musiktheater muss keine Trauerveranstaltung sein (Frank Castorf) 17. 02. 2008

NEWS & STORIES Der Daumen ist der ganze Mensch! Jean-Baptiste de Panafieu kommentiert anhand der Skelette der Tiere die Findigkeit der Evolution 24. 02. 2008

NEWS & STORIES One day in the life of IPHIGENIA Barry Kosky inszeniert Glucks »Iphigenie auf Tauris« 02. 03. 2008

NEWS & STORIES Cosmic Web Evolution im Universum 09. 03. 2008

NEWS & STORIES »Die deutsche Seele singt in d-Moll« Dirigent Ingo Metzmacher über Besonderheiten in der mitteleuropäischen Musik 16. 03. 2008

NEWS & STORIES Das Gesetz der Großen Zahl China als einzigartiges Laboratorium gesellschaftlicher Erfahrung 30. 03. 2008

NEWS & STORIES Ein Maskenball Verdis Meisterwerk an der Staatsoper Unter den Linden 06. 04. 2008

NEWS & STORIES Eine freie Radikale des Kinos Begegnung mit Tilda Swinton 13. 04. 2008

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

329

NEWS & STORIES Auf dem Weg in die »nächste Gesellschaft« Wie reagieren Menschen auf Überforderung? 20. 04. 2008

NEWS & STORIES Seelen in Aufruhr Wagners FLIEGENDER HOLLÄNDER in der Urfassung (1841) 27. 04. 2008

NEWS & STORIES Das Universum im Labor Prof. Dr. Horst Stöcker : Der Urknall ist überall 04. 05. 2008

NEWS & STORIES Die Lebensgier der Illusion Peter Sloterdijk über monotheistische Religionen und den Mehrwert 18. 05. 2008

NEWS & STORIES Wer bin ich? Ein Jahrhundertmensch: Peer Gynt von Ibsen 25. 05. 2008

NEWS & STORIES Entschärfen oder Sprengen Dirk Wegener über den lebensgefährlichen Einsatz der Kampfmittelräumer 01. 06. 2008

NEWS & STORIES Die Anti-Diva Ein Sopran mit Weltgeltung: Christine Schäfer 08. 06. 2008

NEWS & STORIES Ich, Maxentius, Kaiser und Gott! Prof. Dr. Leppin über den letzten Herrscher in Rom, bevor die Christen kamen 15. 06. 2008

NEWS & STORIES »Ich geh nicht in den Keller lachen!« Michael Haneke über seine Haltung beim Filmemachen 22. 06. 2008

NEWS & STORIES DIE JÜDIN (La Juive) Große Oper in 5 Akten von Jaques Fromental Hal¦vy an der Staatsoper Stuttgart 29. 06. 2008

NEWS & STORIES Das Jahr 1929 Hans Magnus Enzensberger : Wie erzählt man von ferner Zeit? 06. 07. 2008

NEWS & STORIES Betonköpfe der Liebe Mozarts Meisterwerk LUCIO SILLA in Stuttgart 13. 07. 2008

NEWS & STORIES Die Gärten des Rechts Prof. Dr. Dr. Stefan Grundmann über Rechtsschulen und die Dynamik europäischer Jurisprudenz 20. 07. 2008

NEWS & STORIES Und will ich in die Sterne seh’n, muss stets das Aug’ mir übergehen Edgar Reitz über den Hunsrück und über das Filmemachen 27. 07. 2008

NEWS & STORIES Kann das Kapital »Ich« sagen? Wie hätte Eisenstein DAS KAPITAL von Karl Marx verfilmt? 03. 08. 2008

NEWS & STORIES Manche Toten sind nicht tot Renee Goddard über ihren Vater, den legendären Sozialisten Werner Scholem 10. 08. 2008

330

Videographie

NEWS & STORIES Sehnsucht nach der Kindheit der Antike Prof. Dr. Gyborg Radke (Harvard) über eine literarische Revolution im Hellenismus 17. 08. 2008

NEWS & STORIES Rien ne va plus Oswald von Isegrim, ein Spielbankchef, der spielsüchtig wurde 24. 08. 2008

NEWS & STORIES Kaufen und Verkaufen Die Theorie der Börse 31. 08. 2008

NEWS & STORIES Die Wirklichkeit des Todes Prof. Dr. med. Michael Tsokos über seine Erfahrungen als Rechtsmediziner 07. 09. 2008

NEWS & STORIES Fahrkarte nach Hokkaido Helge Schneider im Dschungel, auf dem G8-Gipfel und am Grunde des Ozeans 14. 09. 2008

NEWS & STORIES Große Ärzte der Antike Hippokrates, Galen und auch Platons SYMPOSION nach den Quellen 21. 09. 2008

NEWS & STORIES Die Schlacht im Großen Nichts Napoleons Beinah-Katastrophe bei Preußisch Eylau (1807) 14. 09. 2008

NEWS & STORIES Szenen aus dem Leben der Heiligen Johanna Oper von Walter Braunfels (1943), inszeniert nach der Konzeption von Christoph Schlingensief 28. 09. 2008

NEWS & STORIES Das Theater der Dinge Joseph Vogl: Die Dinge schlagen zurück! 05. 10. 2008

NEWS & STORIES Die Vernunft hat eine Geschichte Prof. Dr. Lorraine Daston über die Werteskala des »Objektiven« 12. 10. 2008

NEWS & STORIES Die Strategie der Spinne Prof. Dr. Jutta M. Schneider über sexuellen Kannibalismus in der Natur 19. 10. 2008

NEWS & STORIES Heimkehr der Gewalt IDOMENEO: Wie lange dauert im Herzen der Menschen ein Krieg? 26. 10. 2008

NEWS & STORIES Der Gott des Zufalls Prof. Dr. Klaus Mainzer über die kreative Ökonomie der Natur 02. 11. 2008

NEWS & STORIES Die Schrift an der Wand BELSHAZZAR: Händels Große Oper von der Macht Gottes über alle Könige 09. 11. 2008

NEWS & STORIES Theorie der Nachbarschaft Peter Sloterdijk über 200 Jahre deutschfranzösische Beziehungen 16. 11. 2008

NEWS & STORIES Der Feuerkopf und sein letztes Stück Einar Schleefs DIE NACHT, ein Musiktheater mit Raritäten von Mozart 23. 11. 2008

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

331

NEWS & STORIES Der Palast der Königin von Saba Der Archäologe Prof. Dr. Helmut Ziegert über seine überraschenden Entdeckungen in Äthiopien 30. 11. 2008

NEWS & STORIES »Die ungestüme Herrlichkeit des Terrors« Stefan Aust über den Wahnwitz im Baader Meinhof Komplex 07. 12. 2008

NEWS & STORIES Kapitalismus ist keine Einbahnstraße Der schwere Job des Bankiers: Portrait Hilmar Kopper 14. 12. 2008

NEWS & STORIES Die universelle Vielfalt der Mathematik Prof. Dr. Günter M. Ziegler über Triumphe der Zahlentheorie und die unendliche Neugier 21. 12. 2008

NEWS & STORIES Das Prinzip Stadt Oskar Negt über die »Stadt in uns« 28. 12. 2008

2008: Primetime PRIMETIME Rico, der Glücksmagnet Andreas Kleinerts Spielfilm »Freischwimmer« 06. 01. 2008

PRIMETIME Der Baum in meinem Ohr Christof Schlingensief in Lebensgefahr in den Tropen 13. 01. 2008

PRIMETIME Die Museumsinsel Prof. Dr. Klaus-Dieter Lehmann über die Neue Mitte Berlins 20. 01. 2008

PRIMETIME Ehre und Liebe Begegnung mit dem Movie-Star Kaori Momoi aus Japan 27. 01. 2008

PRIMETIME Ich lebe seit 8 Jahren in Venedig Begegnung mit dem Schauspieler und Autor Ulrich Tukur 03. 02. 2008

PRIMETIME Herr des Wassers Sommelier Arno Steguweit über Mineralwasser als Gaumen-Luxus 10. 02. 2008

PRIMETIME »It’s a free world« Soziale Dramen des britischen Filmemachers Ken Loach 17. 02. 2008

PRIMETIME Tanz mit dem Jahrhundert Das unglaubliche Leben des Mannes, dessen Eltern berühmt wurden durch den Film »Jules und Jim« 24. 02. 2008

332

Videographie

PRIMETIME Die Fortsetzung des Marathons mit anderen Mitteln Lars Liebig über Radsport auf den Olympischen Spielen in Peking 02. 03. 2008

PRIMETIME Der Mann ohne Skrupel Regisseur und Filmstar Erich von Strohheim 09. 03. 2008

PRIMETIME Was heißt Große Soziologie? Dirk Baecker über Gabriel de Tarde, Êmile Dürkheim, Max Weber, Georg Simmel und Niklas Luhmann 16. 03. 2008

PRIMETIME »Die Sprache setzt die Körper in Bewegung« Dimiter Gotscheff inszeniert Dramen von Heiner Müller 30. 03. 2008

PRIMETIME Freiheit für den Pianisten Vier Kadenzen zum Klavierkonzert c-Moll Nr. 3 von Beethoven 06. 04. 2008

PRIMETIME Ich glaube an Solidarität! Lucy Redler über politischen Streik und soziale Gegenwehr 13. 04. 2008

PRIMETIME Die Liebe hat eine zähe Natur Madame Shu Qi, berühmte Schauspielerin, über eine ihrer schwierigsten Rollen 20. 04. 2008

PRIMETIME Untergang einer Reichshauptstadt Das brennende Mainz im Jahre 1793 27. 04. 2008

PRIMETIME Tarzan, der ungezähmte Frauenretter Gesine Kröger über einen US-Traum vom Dschungel 04. 05. 2008

PRIMETIME Guten Abend, schöne Frau! Max Raabe über die schönsten Schlagermelodien der Jahre 1926 bis 1933 18. 05. 2008

PRIMETIME Das Auge der USA Ambassador J. D. Bindenagel als Diplomat im Dezember 1989 in der Hauptstadt der DDR 25. 05. 2008

PRIMETIME Liebe härter als Beton Sophie Rois über die Objektivität der Gefühle: Geld, Liebe, Marx und Medea 01. 06. 2008

PRIMETIME Raketenschild, Ukraine, Georgien und kein Ende Konstantin Kosachev : Kooperation oder kalter Krieg mit Russland? 08. 06. 2008

PRIMETIME Tiefe Gefühle, einfache Form! Die amerikanische Steinway-Artistin Heather O’Donell spielt starke Stücke von Monteverdi bis Walter Zimmermann 15. 06. 2008

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

333

PRIMETIME Einer der besten Chöre Europas Michael Alber über den Einsatz seines Chors in DIE TROJANER von Hector Berlioz an der Staatsoper Stuttgart 22. 06. 2008

PRIMETIME Raketenschild, Ukraine, Georgien und kein Ende Konstantin Kosachev : Kooperation oder kalter Krieg mit Russland? 29. 06. 2008

PRIMETIME Nachricht von den Urwaldspezialisten Dr. Christian Vogt über Blut, Nektar und Salz leckende Fledermäuse 06. 07. 2008

PRIMETIME Der Prophet Andrej Bitow über ein merkwürdiges Gedicht von Alexander Pushkin 13. 07. 2008

PRIMETIME Als Patriot und Weltkind Prof. Dr. Rahman Ashraf, Kanzler der Universität Kabul, über sein Land 20. 07. 2008

PRIMETIME Flagge zeigen! Dirk Kunze, Leiter der Frack- und Flaggenstelle des Deutschen Bundestages, berichtet 27. 07. 2008

PRIMETIME Alles, was ein Klavier kann! Heather O‘Donnell spielt Lachenmann, Schubert und Ligeti 03. 08. 2008

PRIMETIME Naturalisierung des Menschen und Humansierung der Natur Peter Sloterdijk über Karl Marx und den Kontinent des Möglichen 10. 08. 2008

PRIMETIME Entfesselung des Films Oksana Bulgakowa über Sergej Eisensteins »Wolkenkratzer aus Glas« und sein Kugelbuch 17. 08. 2008

PRIMETIME Was die Welt zusammenhält Nobelpreisträger Prof. Dr. Klaus Olaf von Klitzing über Fundamentalkonstanten der Natur 24. 08. 2008

PRIMETIME Mozarts Geniestreich von 1781 Manfred Honeck über Ouvertüre und die drei Aktschlüsse der Oper IDOMENEO 31. 08. 2008

PRIMETIME Die Nadelöhre des Glaubens Der bibelfeste Kardinal stellt sich den Texten des babylonischen Talmud 07. 09. 2008

PRIMETIME Welche Zukunft hat Hollywood? David Denby über die Dinosaurier des USFilms und die Neuen Medien 21. 09. 2008

PRIMETIME Extremsport pur : Das Felsenrad Dr. h.c. Hartmut Harr (Helge Schneider) präsentiert ein »Fahrrad für Gipfelstürmer« 28. 09. 2008

PRIMETIME Ein Stück Mensch fliegt immer mit! Russlands Stolz auf die Raumfahrt 05. 10. 2008

PRIMETIME Die Moral der Sterne Prof. Dr. Lomonossow über die kosmische Herkunft der Vernunft 12. 10. 2008

334

Videographie

PRIMETIME Der Cousin von Asterix Helge Schneider als Roland von Stendhal 19. 10. 2008

PRIMETIME Zum Stolpern braucht es nichts als Beine! Filmpreisträger Max Meier und die TÜCKE DES ROTEN TEPPICHS 26. 10. 2008

PRIMETIME Zwei Amerikaner in Berlin Der Meisterpianist Tzimon Barto und der Komponist Tobias Picker zu Besuch bei der Autorin Irene Dische 02. 11. 2008

PRIMETIME Russlands Blick nach Liechtenstein Finanzinspektor Suworow über die Ströme des Schwarzgelds auf den Konten des Fürstentums 09. 11. 2008

PRIMETIME Der Sprengmeister von Vauquois Zigarren-Willi (Helge Schneider) berichtet 16. 11. 2008

PRIMETIME Die Reinschrift des Lebens Joseph Vogl über Robinson und den Robinsonismus 23. 11. 2008

PRIMETIME Parsifals Halbbruder Tenor Edelwolf Schmacke über Legenden um Parsifal 30. 11. 2008

PRIMETIME Die Sprache des Lebendigen Bernd-Olaf Küppers über moderne Naturphilosophie und die Einheit der Wissenschaft 07. 12. 2008

PRIMETIME Europa und die dreizehnte Fee Was hat die EU-Erweiterung mit Heiratsvermittlung zu tun? 14. 12. 2008

PRIMETIME Mit und ohne Bart Helge Schneider als Karl Marx 21. 12. 2008

PRIMETIME Die Sahara wurde Sumpfgebiet Zeitschrumpfung, Zeitsprengung, Daten aus früher Zeit 28. 12. 2008

2009: 10 vor 11 TEN TO ELEVEN Die Welt als Kartenhaus Dr. Harald Schumann über den Countdown der Globalisierung 05. 01. 2009

TEN TO ELEVEN Krieg ohne Fronten Prof. Dr. Bernd Greiner: Die USA in Vietnam 12. 01. 2009

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

335

TEN TO ELEVEN Das Theater der praktischen Vernunft Sekretarius Heinz Scaevola Mutius über seine »Raketen des Vergnügens« 19. 01. 2009

TEN TO ELEVEN Yes, Sir! Tim Fischer singt und spielt Zarah Leander, Rudolf Valentino, vor allem aber Stücke von Georg Kreisler 26. 01. 2009

TEN TO ELEVEN Ein Leben im Jahrhundert der Extreme Franziska Augsteins faszinierende Biografie des Kämpfers und Autors Jorge Semprffln 02. 02. 2009

TEN TO ELEVEN Schule im Problembezirk Ein Film von der Bildungsfront erhält die Goldene Palme von Cannes 16. 02. 2009

TEN TO ELEVEN Turm in der Schlacht Uwe Tellkamp: Ein Biotop von Menschen verteidigt sich blind 23. 02. 2009

TENTO ELEVEN Die Mutter aller Städte Dr. Joachim Marzahn über Babylon: Mythos & Wahrheit 02. 03. 2009

TEN TO ELEVEN Das Gefühl auf der Welt zu sein Nobelpreisträger Orhan Pamuk: Mein Buch zeigt, was passiert, wenn man verliebt ist 09. 03. 2009

TEN TO ELEVEN Vorfahrtsregeln der Macht Prof. Dr. Christian Tomuschat über aktuelle Fragen des Völkerrechts 16. 03. 2009

TEN TO ELEVEN Tödliche Unentschlossenheit in der Liebe Achim Freyer inszeniert Tschaikowskys EUGEN ONEGIN an der Staatsoper Unter den Linden 23. 03. 2009

TEN TO ELEVEN Hitlers Verbündete Prof. Dr. Rolf-Dieter Müller über das Schicksal der Hilfstruppen der Wehrmacht im Ostkrieg 30. 03. 2009

TEN TO ELEVEN Gewalt wird zur ersten Option Prof. Dr. Harald Welzer über Klimakriege 06. 04. 2009

TEN TO ELEVEN Aus dem Handbuch der politischen Erfahrung Markus Spillmann, Chefredaktor der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG, über den Schweizer Blick 20. 04. 2009

TEN TO ELEVEN Uhren des Lebens Prof. Dr. Jörg Stehle über die faszinierenden Forschungen der ChronoBiologie 27. 04. 2009

TEN TO ELEVEN Das Schaf mit 5 Pfoten Dr. Frank Lequin über einen holländischen Humanisten in der Zeit des RaubtierKolonialismus 04. 05. 2009

336

Videographie

TEN TO ELEVEN Die NATO im Zeitalter des Risikos Dr. Jamie Patrick Shea, Leiter der Politischen Planungsabteilung der NATO, über die Wandlungsfähigkeit des Bündnisses 11. 05. 2009

TEN TO ELEVEN »Worauf das Wasser ruht, das weiß nur Gott!« Zeitreise über 6.000 Jahre mit Eliot Weinberger 18. 05. 2009

TEN TO ELEVEN Auf Darwins Spuren Jürgen Neffe bereist die Route, auf welcher der Entdecker der Evolution forschte 25. 05. 2009

TEN TO ELEVEN Die Stärke der U.S.-Flotte John F. Lehman über Theorie und Praxis des Seekriegs 08. 06. 2009

TEN TO ELEVEN Neugierde ist das Vitamin meiner Roboter! Prof. Dr. Verena Hafner über kognitive Robotik 15. 06. 2009

TEN TO ELEVEN Der 6. Sinn der Echo-Tiere Prof. Dr. Cynthia F. Moss erforscht die interaktive Orientierung von Fledermäusen und Delfinen 22. 06. 2009

TEN TO ELEVEN Kemal Atatürk Prof. Dr. Klaus Kreiser über den legendären Gründer der modernen Türkei 29. 06. 2009

TEN TO ELEVEN Afrika zwischen Krise und Utopie Dr. Benedikt Franke über den unterschätzten Kontinent 06. 07. 2009

TEN TO ELEVEN Ein himmelblauer Trabant Katrin Sass über einen Ostschlager, den im Westen keiner kannte 13. 07. 2009

TEN TO ELEVEN Das Meinungsforum Jakob Augstein, Herausgeber und Verleger der Wochenzeitung »der Freitag« 20. 07. 2009

TEN TO ELEVEN »Nicht-arische« Arien Tim Fischer singt Chansons von Georg Kreisler 27. 07. 2009

TEN TO ELEVEN Zauberwelt der Moleküle und Atome Begegnung mit Nobelpreisträger Gerhard Ertl 03. 08. 2009

TEN TO ELEVEN Der Anatom Dr. med. h.c. Josef Hader über Tod und Leben 10. 08. 2009

TEN TO ELEVEN Der verkannte Kaiser Pedro Barcelû über Constantius II., den christlichsten der Christenkaiser 17. 08. 2009

TEN TO ELEVEN Beinah wären wir Römer geworden Helge Schneider aus Anlass von »60 Jahre Bundesrepublik« 24. 08. 2009

TEN TO ELEVEN Die Entstehung des Experten Von den Universitäten des Mittelalters zum »Sachverständigen« der Gegenwart 31. 08. 2009

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

337

TEN TO ELEVEN Das abenteuerliche Herz Martin Wuttke inszeniert Ernst Jüngers Drogentexte am Berliner Ensemble 07. 09. 2009

TEN TO ELEVEN Saatkörner des Lebens Prof. Dr. Philipp Richter über den MaterieKreislauf im Kosmos 14. 09. 2009

TEN TO ELEVEN Orpheus, Ur-Mythos der Oper Lothar Zagrosek dirigiert ORPHEUS UND EURYDIKE von Ernst Krenek (1926) 21. 09. 2009

TEN TO ELEVEN Der Gang nach Canossa Wie ein Deutscher Kaiser sich vor dem politischen Absturz rettete 28. 09. 2009

TEN TO ELEVEN Wie lange haben wir noch Zeit? Dr. Harald Schumann über den globalen Countdown 05. 10. 2009

TEN TO ELEVEN Ich, Kanzler, Handlungsreisender und Faust Portrait des Schauspielers Thomas Thieme 12. 10. 2009

TEN TO ELEVEN Erklären Erfahrungssätze der Theoretischen Physik Einzelheiten der Finanzkrise? Prof. Dr. Stefan Bornholdt über Tücken der Statistik und Lawineneffekte 19. 10. 2009

TEN TO ELEVEN Finanzen einer Raubgesellschaft Götz Aly über »Hitlers Volksstaat« 26. 10. 2009

TEN TO ELEVEN Monotheismus und Sprache der Gewalt Prof. Dr. Jan Assmann über die Geburtstunde von »Wahr« und »Unwahr« 02. 11. 2009

TEN TO ELEVEN Feldforschung im Schimpansenwald Prof. Dr. Christophe Boesch über Gewalt und Solidarität bei Menschenaffen in Afrika 09. 11. 2009

TEN TO ELEVEN Mein Chor und Ich Sophie Rois spielt die Traviata 16. 11. 2009

TEN TO ELEVEN Keine Lust zu herrschen Peter Konwitschny inszeniert Mozarts Kaiserdrama LA CLEMENZA DEL TITO 30. 11. 2009

TEN TO ELEVEN Diese Frau ist zu gefährlich! Klaus Gietinger über Hauptmann Pabst und seine Kameraden, die Rosa Luxemburg umbrachten. 07. 12. 2009

TEN TO ELEVEN Die Pilgerfahrt zum unsichtbaren Gott Abt Primas Dr. Notker Wolf über das »Unruhige Herz« und die Stationen der Ruhe 14. 12. 2009

TEN TO ELEVEN Im Gluthauch der Oper Gerd Rienäcker über die Zukunft des Musiktheaters 21. 12. 2009

TEN TO ELEVEN Eiskalt rinnt die Träne mir den Rücken herunter! Helge Schneider als Charakterdarsteller 27. 12. 2009

338

Videographie

2009: News & Stories NEWS & STORIES Ich bin freischaffender Kriminalist Dr. Mark Benecke über die Geheimnisse toter Körper 04. 01. 2009

NEWS & STORIES Anti-Adam und Anti-Eva Martin Kusˇej inszeniert Verdis MACBETH an der Bayerischen Staatsoper 11. 01. 2009

NEWS & STORIES Deutschlands letzter Kaiser John C. G. Röhls monumentale Biographie über den Unglücksraben Wilhelm den Zweiten 18. 01. 2009

NEWS & STORIES Aufstieg und Fall des Palastes der Republik Moritz Holfelder über die bewegte Geschichte eines symbolischen Gebäudes 25. 01. 2009

NEWS & STORIES Aus der Praxis eines großen Dirigenten Begegnung mit Lothar Zagrosek 01. 02. 2009

NEWS & STORIES Drogen des Fortschritts Der Evolutionsbiologe Prof. Dr. Josef H. Reichholf: »Warum die Menschen sesshaft wurden« 08. 02. 2009

NEWS & STORIES Wendepunkte des Zweiten Weltkriegs Ian Kershaw über den Dezember 1941 und andere Schlüsselentscheidungen 15. 02. 2009

NEWS & STORIES Das Imperium und der Eigensinn der Liebe Verdis AIDA an der Staatsoper Stuttgart 22. 02. 2009

NEWS & STORIES Der coolste Ort im Universum Die größte Maschine der Entdeckungsphysik am CERN in Genf 01. 03. 2009

NEWS & STORIES Glücksfälle der Kontinuität und Verfall Joachim Kaiser über Thomas Mann, Schiller und die großen Bögen in Literatur und Musik 08. 03. 2009

NEWS & STORIES »Rossarzt der Seele, gib mir mein Lachen wieder!« Peter Konwitschny inszeniert PIERROT LUNAIRE mit der hinreißenden Sängerin Young-Hee Kim 15. 03. 2009

NEWS & STORIES Der Blick aus dem Orbit Fernerkundung des Blauen Planeten 22. 03. 2009

NEWS & STORIES Die Realität ist ein Spezialfall des Möglichen Peter Weibel und das »Prinzip Transformation« in der Kunst DOPPELPROGRAMM 90 Min. 29. 03. 2009

NEWS & STORIES Das pralle Leben und der satte Tod Sebastian Baumgarten inszeniert Mozarts Requiem als dessen »Letzte Oper« 05. 04. 2009

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

339

NEWS & STORIES Ein Mann kämpft gegen die Unsichtbaren Tom Tykwer über den magischen Realismus in seinem Film THE INTERNATIONAL 19. 04. 2009

NEWS & STORIES Schnelle Boote und Bazookas Dreiste Piraterie vor dem Horn von Afrika 26. 04. 2009

NEWS & STORIES Die Stimme Russlands in Brüssel Dmitri O. Rogosin über die Reibungsflächen zwischen NATO und Russland 03. 05. 2009

NEWS & STORIES Waffenstillstand gegen Kunst Dr. Lothar Müller über die wandernden Kunstwerke um 1800 in Europa 10. 05. 2009

NEWS & STORIES Von der Poesie im Recht Prof. Dr. Stefan Grundmann über Jakob Grimm, Friedrich Carl von Savigny, Adam Smith, Max Weber und den allseitigen Blick 17. 05. 2009

NEWS & STORIES Supermacht der Viren Prof. Dr. Karin Mölling über die evolutionäre Rasanz der kleinsten Lebenssplitter 24. 05. 2009

NEWS & STORIES Gesichter des Bösen Michael Kloft und sein 4-Stunden-Film über die Täter des Dritten Reichs 07. 06. 2009

NEWS & STORIES Der Deutschland-Komplex 21.915 Tage Bundesrepublik 14. 06. 2009

NEWS & STORIES Die Oper aller Opern Hans Neuenfels inszeniert Verdis TRAVIATA als eine Frau voller Lebensgier 21. 06. 2009

NEWS & STORIES Der Angriff der Zukunft auf die Gegenwart Dr. Jakob Arnoldi (Aarhus University) über den Unterschied zwischen Risiko und purem Nicht-Wissen in der Finanzkrise 28. 06. 2009

NEWS & STORIES Die Geburt der Musik aus dem Gezänk des Konzils Christian Stückl inszeniert PALÄSTRINA an der Bayerischen Staatsoper 05. 07. 2009

NEWS & STORIES Zufall und Wahrscheinlichkeit Prof. Dr. Wakolbinger über Zufall und Wahrscheinlichkeit 12. 07. 2009

NEWS & STORIES Bakterien vergessen nichts! Prof. Dr. Dr. Jörg Hacker über Millionen Jahre alte Inseln des Wissens in der Evolution 19. 07. 2009

NEWS & STORIES Superstar der Peking-Oper! Meisterregisseur Chen Kaige und sein Film über den unsterblichen Sänger Mei Lanfang 26. 07. 2009

NEWS & STORIES Königinnen und Mätressen Prof. Dr. Benedetta Craveri über Frauenmacht in Frankreich 02. 08. 2009

NEWS & STORIES Krieg den Blitzen! Künstliche Entladung von Gewitterwolken durch Laser-Beschuss 09. 08. 2009

340

Videographie

NEWS & STORIES Die 8. Plage Prof. Dr. August Dorn über eine 500 Millionen Jahre alte Spezies: die Heuschrecken 16. 08. 2009

NEWS & STORIES Zauberhafte Armida Glucks Meisteroper über eine gewaltige Liebesschlacht 23. 08. 2009

NEWS & STORIES Die Kraft des Verborgenen Anselm Haverkamp über die Kunst des philologischen Kommentars 30. 08. 2009

NEWS & STORIES Der Ritter der silbernen Gestalt Richard Wagners LOHENGRIN an der Staatsoper Stuttgart 06. 09. 2009

NEWS & STORIES Die Seele braucht Vitamin C Helge Schneiders neueste Abenteuerreisen 13. 09. 2009

NEWS & STORIES Die Vermessung des Himmels Prof. Dr. Jürgen Oberst über Planeten, Asteroiden und Monde 20. 09. 2009

NEWS & STORIES Ohne Rücksicht auf Verluste! Hans-Magnus Enzensberger : Wie erzählt man Lebensläufe? 27. 09. 2009

NEWS & STORIES Was schafft Vertrauen in der Welt? Sophie Rois über Großmut, Finanzkrise, Frauenmacht und Tod 04. 10. 2009

NEWS & STORIES Der verhängnisvolle Schlangenbiss! Einzigartige Aufführung von Glucks ORPHÊE & EURIDICE (mit perfekt integriertem Ballett) 11. 10. 2009

NEWS & STORIES Die Weltgeschichte der Sklaverei Prof. Dr. Egon Flaig über die Katastrophe als Normalzustand 18. 10. 2009

NEWS & STORIES War Judas Verräter oder Treuhänder? Das rätselhafte Judas-Evangelium 25. 10. 2009

NEWS & STORIES Die rechte Hand Gottes Michael Haneke über seinen preisgekrönten Film DAS WEISSE BAND 01. 11. 2009

NEWS & STORIES Der Sklavenaufstand von San Domingo Hans Christoph Buch: Wie die Negersklaven von Haiti die Französische Revolution beim Wort nahmen 08. 11. 2009

NEWS & STORIES Der blinde Fleck in der Intelligenz der Banken Dirk Baecker und die Börsenkrise 15. 11. 2009

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

341

NEWS & STORIES Mediale Konstruktion eines tödlichen Rätsels Karl Heinz Bohrer über die Wucht antiker Tragödien 29. 11. 2009

NEWS & STORIES »Mein guter Wille muss vertrauen können!« Prof. Dr. Paul Kirchhof über den Fall Müller Arnold und andere Beispiele für das MASS DER GERECHTIGKEIT 06. 12. 2009

NEWS & STORIES Irrflug einer Rache Barrie Kosky inszeniert Verdis RIGOLETTO an der Komischen Oper Berlin 13. 12. 2009

NEWS & STORIES Als Spiegel-Journalist im Dezember 1989 in Ost-Berlin Matthias Matussek über den Monat, der auf die Wende folgte 20. 12. 2009

NEWS & STORIES Wie sind Tote auf Urlaub! Schorsch Kamerun über Menschen in den Münchner Räterepublik (1919) 27. 12. 2009

2010: 10 vor 11 TEN TO ELEVEN BRÜDER, der Roman des neuen China Begegnung mit dem Dichter Yu Hua 04. 01. 2010

TEN TO ELEVEN Das Weinen der Götter Wolfgang Kubin über 3.000 Jahre chinesischer Dichtkunst 11. 01. 2010

TEN TO ELEVEN Die sensationelle Ida Dr. Jens Franzen über eine Trockennase, die 47 Millionen Jahre alt ist 18. 01. 2010

TEN TO ELEVEN Angst und Mut im Gleichgewicht Reinhold Messner sucht Gefahrenräume 25. 01. 2010

TEN TO ELEVEN Die 8 Säulen Chinas John Naisbitt über die Mega-Trends des großen Landes 01. 02. 2010

TEN TO ELEVEN Unbekannte Helden Helge Hesse über ungewöhnliche Menschen, die in keinem Geschichtsbuch stehen 08. 02. 2010

TEN TO ELEVEN Das 3. Reich vor Gericht Klaus Kastner über den spektakulärsten Strafprozess der Weltgeschichte 15. 02. 2010

TEN TO ELEVEN 10.000 Dinge in einem Pinselstrich Eine Installation des renommierten Künstlers Jiwei Li zu Ehren von 5.000 Jahren chinesischer Kultur 22. 02. 2010

342

Videographie

TEN TO ELEVEN Der Henker von Nürnberg Joel Harrington über die Arbeitsberichte des Scharfrichters Franz (1555 – 1616) 01. 03. 2010

TEN TO ELEVEN Ein Rettungsboot namens Bildung Ulrike Sprenger über das Potential, das Menschen verändern kann 08. 03. 2010

TEN TO ELEVEN Auswanderung des Denkens aus dem Gehirn Dr. Frank Schirrmacher über das PHÄNOMEN OVERMIND 22. 03. 2010

TEN TO ELEVEN Was wir bauen, wirkt auf uns zurück Richard Sennett über Städtebau und das Genie der Hand 29. 03. 2010

TEN TO ELEVEN Wie die Welt lernt, die Bombe in Pension zu schicken SPIEGEL Chefredakteur Georg Mascolo über Unschärfen der Macht im 21. Jahrhundert 12. 04. 2010

TEN TO ELEVEN Fahrstuhl zum Mond Frank Schätzing als Erzähler ohne Limit 19. 04. 2010

TEN TO ELEVEN Abschied vom Gleichgewicht der Kräfte Henry Kissinger und andere Praktiker der ABSCHRECKUNG fordern die Ächtung der Atomwaffen 26. 04. 2010

TEN TO ELEVEN SIMONE BOCCANEGRA, der Korsar der Republik Ein selten gespieltes Meisterwerk von Giuseppe Verdi an der Staatsoper Unter den Linden Berlin 03. 05. 2010

TEN TO ELEVEN »Eine gute Stimme kommt aus dem Arsch!« Armin Rohde: Die Wahrheit über Schauspieler 10. 05. 2010

TEN TO ELEVEN Politische Geologie der Konfliktherde Vize-Admiral a. D. Ulrich Weisser über Krisenzonen des Planeten 17. 05. 2010

TEN TO ELEVEN Die Spur der Gier Der Goldrush in Kalifornien als Schlüsselereignis der Moderne 31. 05. 2010

TEN TO ELEVEN Wilhelm Tell Gioachino Rossinis Freiheitsoper am Meininger Theater 07. 06. 2010

TEN TO ELEVEN Tanzfläche der Konflikte Michael Stürmer über die Spielregeln der Macht im 21. Jahrhundert 14. 06. 2010

TEN TO ELEVEN Schwarmintelligenz Jens Krause über eine der erfolgreichsten Erfindungen der Evolution 21. 06. 2010

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

343

TEN TO ELEVEN Ein Genie der Navigation: die Wüstenameise Der kleinste Antipode von GPS 26. 06. 2010

TEN TO ELEVEN Das Pendel des Foucault Medi-Art in der Spannbreite von Physik, digitaler Welt und menschlicher Lebenszeit 05. 07. 2010

TEN TO ELEVEN Auf der Rasierklinge des Lebens Werner Schroeter inszeniert Mozarts DON GIOVANNI an der Oper Leipzig 12. 07. 2010

TEN TO ELEVEN Man nannte mich Bildungs-Müller Wie ein deutscher Philologe auf Kreta den Krieg nutzte, um neuen Unterrichtsstoff zu erarbeiten 19. 07. 2010

TEN TO ELEVEN Wie gesund war Hitler wirklich? Ein abschließender Befund 02. 08. 2010

TEN TO ELEVEN Alchemie des Denkens Die Kraft mittelalterlicher Kommentare nach Alkuin, Thomas von Aquin und AverroÚs 09. 08. 2010

TEN TO ELEVEN Der Organisator der deutschen Militärmaschine Christian Hartmann über den Chef des Generalstabes des Heeres Franz Halder 16. 08. 2010

TEN TO ELEVEN Der Enkel des Drachen Begegnung mit dem chinesischen Meisterregisseur Zhang Yi Mou 23. 08. 2010

TEN TO ELEVEN Schwarzmarkt des Wissens Wolfgang Krieger über Geheimdienste in Geschichte und Gegenwart 30. 08. 2010

TEN TO ELEVEN Ich bin eine Leseratte Ich liebe Buchstaben, wo immer sie sind 06. 09. 2010

TEN TO ELEVEN Jeder Tag Leben ist vom Tod geborgt Emmanuel Chabriers Meisterwerk L’ÊTOILE an der Staatsoper Unter den Linden Berlin 13. 09. 2010

TEN TO ELEVEN Mijnheer, Menschenfreund Kaufmännische Kultur im Sklavenhandel 20. 09. 2010

TEN TO ELEVEN »Vorhang auf!« Ingo Metzmacher über seine Musikpraxis als Operndirigent 27. 09. 2010

TEN TO ELEVEN Ein Politiker unter dem Messer Dr. Paolo Pollini (Helge Schneider) operiert Silvio Berlusconi 4. 10. 2010

344

Videographie

TEN TO ELEVEN Auf der Suche nach bewohnbaren Planeten Prof. Dr. Tilman Spohn über neueste Ergebnisse der Planetenforschung 11. 10. 2010

TEN TO ELEVEN Ich zahle nichts! Fred-Rudi Müller-Gehlhorn (Helge Schneider) als Rundfunkgebührenverweigerer 18. 10. 2010

TEN TO ELEVEN Wenn Du stirbst, will auch ich sterben! Glucks leidenschaftliche Oper ALKESTIS in der Inszenierung von Peter Konwitschny 25. 10. 2010

TEN TO ELEVEN Ich will die physische Umgebung von Menschen verbessern Der Architekt Cameron Sinclair über gemeinnütziges Bauen in Krisengebieten als soziales Kapital 01. 11. 2010

TEN TO ELEVEN Was heißt Bildung? Wolfgang Edelstein über die Aura eines klassischen Begriffs 08. 11. 2010

TEN TO ELEVEN Der Zahn des Kaisers Jean Dorfmann berichtet aus dem Elysium über Napoleon und die Ewigkeit 15. 11. 2010

TEN TO ELEVEN Merkwürdige Geschichten aus dem Mittelalter Die einzigartige Sammlung der GESTA ROMANORUM 22. 11. 2010

TEN TO ELEVEN Ich war eine Nachthexe Wie sportliche Frauen ihr Vaterland retten 29. 11. 2010

TEN TO ELEVEN Kommt der Bauer in die Stadt, so scheint ihm alles verschlossen Ulrike Sprenger über die Mütze von Charles Bovary in dem berühmten Roman von Gustave Flaubert 06. 12. 2010

TEN TO ELEVEN Die Abwesenheit von Kriegskunst Propaganda-Krieg und Siegfrieden als Hemmnis für jede Verständigung 13. 12. 2010

TEN TO ELEVEN Körperintelligenz in der Robotik Myon, ein Elementargeist der sensorischen Evolution 20. 12. 2010

TEN TO ELEVEN Wo in der Erde liegt das Öl? Wilhelm R. Dominik über die Geologie des schwarzen Goldes 27. 12. 2010

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

345

2010: News & Stories NEWS & STORIES Die 5. Kolonne der Viren Prof. Dr. med. Alexander Kekulße über die Aktivisten zwischen Leben und Tod, die in und um uns immer präsent sind 03. 01. 2010

NEWS & STORIES Ein Blick ins Jenseits und wieder zurück Christoph Schlingensiefs Musiktheater MEA CULPA an der Bayrischen Staatsoper München 10. 01. 2010

NEWS & STORIES Hyper-Nationalismus und die Idee der Selbstzerstörung Michael Geyer über den Unterschied zwischen dem Zusammenbruch von 1918 und der Kapitulation 1945 17. 01. 2010

NEWS & STORIES Aus dem Alltag eines Strafverteidigers Ferdinand von Schirach über sein Buch VERBRECHEN 24. 01. 2010

NEWS & STORIES Ich bin ein Liebhaber des Blauen Planeten Michael Martin und seine Wüstenreisen 31. 01. 2010

NEWS & STORIES Philosophie des Sports Prof. Dr. Gunter Gebauer über die Faszination der körperlichen Spitzenleistung 07. 02. 2010

NEWS & STORIES Der Tag, an dem der Angriff kam Wie Wagners LOHENGRIN am 22. Juni 1941 in Leningrad Premiere hatte 14. 02. 2010

NEWS & STORIES Der Wahlzettel macht den Hungrigen nicht satt Jean Ziegler über 2.000 Jahre Kampf gegen die Tyrannei des Elends 21. 02. 2010

NEWS & STORIES Schreiben ohne Ende Luzius Kellers Handbuch zum legendären Kosmos des Dichters Marcel Proust 28. 02. 2010

NEWS & STORIES Wie das 20. Jahrhundert entgleiste! Der Zivilisationsbruch von 1914 – 1918 und die Kollateralschäden 07. 03. 2010

NEWS & STORIES Die Welt braucht Afrika! Prinz Kum’a Ndumbe III über das spirituelle Geheimnis Afrikas und was Hitler dort wollte 14. 03. 2010

NEWS & STORIES Schiffsuntergang mit Mann und Maus! Frank Castorf inszeniert OZEAN von Friedrich von Gagern an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin 21. 03. 2010

NEWS & STORIES Geld macht den Dingen Beine Bausteine zum Verständnis der Finanzkrise 28. 03. 2010

NEWS & STORIES Schöne Gärten der Information Rundblick auf der DIGITAL LIFE DESIGN (DLD) Konferenz in München 11. 04. 2010

346

Videographie

NEWS & STORIES Die Tragödie des Teufels Ein Welttheater mit Musik von Peter Eötvös an der Bayrischen Staatsoper München 18. 04. 2010

NEWS AND STORIES Liebe oder Barbarei Rosemarie Tietze über eine Schlüsselszene in Leo Tolstois Roman Anna Karenina 25. 04. 2010

NEWS & STORIES Rettet den Zirkus vor den Faschisten! Wie die Tiere Russlands 1941 vor den deutschen Panzern in Sicherheit gebracht wurden 02. 05. 2010

NEWS AND STORIES Ein Gott, der aus dem Himmel fiel Stefan Herheim inszeniert Richard Wagners LOHENGRIN 09. 05. 2010

NEWS & STORIES Keine Macht für niemand? Joseph Vogl über Herrschaft im 21. Jahrhundert 16. 05. 2010

NEWS & STORIES Die traurige Geschichte von Margarete und Dr. Faust Ein großer Wurf an der Staatsoper Unter den Linden Berlin 30. 05. 2010

NEWS & STORIES Goethe und Napoleon Gustav Seibt über Napoleon und dessen Interesse für das deutsche Genie 06. 06. 2010

NEWS & STORIES Machtlust gegen ewige Liebe Händels AGRIPPINA an der Staatsoper unter den Linden Berlin 13. 06. 2010

NEWS & STORIES Rücknahme ausgeschlossen! Aus der Praxis einer russischen Heiratsvermittlerin 20. 06. 2010

NEWS & STORIES Wie viel Musik braucht der Mensch? Hans Neuenfels über Leidenschaft und Einfühlung in der Oper 27. 06. 2010

NEWS & STORIES Engel sind die Boten Gottes Spirituelle Wesen von großer Wirkungskraft seit ewigen Zeiten 04. 07. 2010

NEWS & STORIES Gefallen für Führer und Vaterland Richard J. Evans über das Dritte Reich im Krieg 11. 07. 2010

NEWS & STORIES Das Drama einer spirituellen Krise Richard Wagner PARSIFAL an der Staatsoper Stuttgart 18. 07. 2010

NEWS & STORIES Was ist »Mitte der Macht«? Herfried Münkler über die Beziehung zwischen dem Zentrum und den Rändern von Herrschaft 01. 08. 2010

NEWS & STORIES Der letzte Zeuge Ewald-Heinrich von Kleist am 20. Juli 1944 im Zentrum des Geschehens 08. 08. 2010

NEWS & STORIES Das Böse und das Kriminelle Ferdinand von Schirach: Für das Recht ist »das Böse« keine Kategorie 15. 08. 2010

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

347

NEWS & STORIES Das Bühnen-Böse Sollten Nationalsozialisten das »Theater des Schreckens« (Grand Guignol) in Paris verbieten oder fördern? 22. 08. 2010

NEWS & STORIES Der FIDELIO von 1805 Die selten gespielte unglaublich starke Urfassung von Beethovens einziger Oper 29. 08. 2010

NEWS & STORIES Im Netz des Meisters Ulrich Raulff über die »spukhafte Fernwirkung« des Dichters Stefan George nach seinem Tod 05. 09. 2010

NEWS & STORIES LUCIA DI LAMMERMOOR: »Ich werde mich nicht beugen!« Donizettis LUCIA DI LAMMERMOOR an der Staatsoper Stuttgart 12. 09. 2010

NEWS & STORIES Die heroische Epoche Êtienne FranÅois über Europas Gleichgewichte um 1800 19. 09. 2010

NEWS & STORIES Zur Rache bin ich verdammt Hans Neuenfels inszeniert die selten gespielte Oper MEDEA IN CORINTO 26. 09. 2010

NEWS & STORIES Russland hat ein weibliches Gesicht Tatjana Kuschtewskaja über russische Frauen 03. 10. 2010

NEWS & STORIES Moderne Stiere Peter Lauterbach über die Formel 1, den schnellsten Zirkus der Welt 10. 10. 2010

NEWS & STORIES Der Anwalt des Reiches Reinhard Mehring über den Juristen Carl Schmitt, an dem sich die Geister scheiden 17. 10. 2010

NEWS & STORIES Nachrichten aus der Tiefe des Alls II Prof. Dr. Dieter Breitschwerdt über Astrophysik im 21. Jahrhundert 24. 10. 2010

NEWS & STORIES Die Letzten werden die Ersten sein 45 Minuten mit Helge Schneider 31. 10. 2010

NEWS & STORIES Die Geologie des Öls Prof. Dr. Wilhelm Dominik über das gefährliche Bohren nach dem Schwarzen Gold 07. 11. 2010

NEWS & STORIES Null.TV Nikolai Longolius über die Wiedergeburt des Bewegtbildes im webTV 14. 11. 2010

NEWS & STORIES Der Blitzkrieg: das Prinzip der Überraschung Über die Illusion, dass Intelligenz und Beweglichkeit die Sturheit des Krieges überwinden könnte 21. 11. 2010

348

Videographie

NEWS & STORIES Die Testamentsvollstreckerin des Apoll Begegnung mit der preisgekrönten russischen Mathematikerin Olga Holtz 28. 11. 2010

NEWS & STORIES Wenn es Gott gibt, warum gibt es dann das Böse? Der holländische Theologe und Arzt Willem de Haanstraat antwortet 05. 12. 2010

NEWS AND STORIES Der Deutschen liebsten Kaiser Ein Prinz von Sizilien, der 20 Kinder hatte und doch keinen Nachfolger 12. 12. 2010

NEWS & STORIES Nur ein Pirat des Wissens ist ein guter Pirat Michel Serres über den Nutzen von Krisen für Philosophie und Praxis 19. 12. 2010

2011: 10 vor 11 TEN TO ELEVEN Delightful Horror – Attraktion des Bösen Über die Unschärfe von Gut und Böse in der modernen Literatur 03. 01. 2011

TEN TO ELEVEN Die Jesus-Romane Christoph Markschies über die antiken Berichte zur Person Jesu und zur Gnosis 10. 01. 2011

TEN TO ELEVEN Komödienterror In Jacques Offenbachs Operette LA PÊRICHOLE werden zwei Liebende zwangsverheiratet 17. 01. 2011

TEN TO ELEVEN Freiheitsidee und Wissenschaft Stefan Grundmann über 200 Jahre Humboldt-Universität 24. 01. 2011

TEN TO ELEVEN Sicherheit als Ware Dr. Christian Jansen über Condottieri und private Kriegsherren heute 31. 01. 2011

TEN TO ELEVEN Nachrichten aus erster Hand Anne Hull von der WASHINGTON POST zum 11. September 2001 07. 02. 2011

TEN TO ELEVEN Willkommen in der Wüste des Realen! Slavoj Zˇizˇek: was ist Politik 14. 02. 2011

TEN TO ELEVEN Geschlecht: Russisch-feminin Oksana Bulgakowa über die russische Frau als Männerphantasie und als Realität 21. 02. 2011

TEN TO ELEVEN Evolutionäre Robotik Prof. Dr. Frank Pasemann: NeuroCybernetics oder wie lebendige Systeme lernen 28. 02. 2011

TEN TO ELEVEN Gipfelsturm des Ideals Dr. Eva Maurer über proletarischen Alpinismus in Russland 07. 03. 2011

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

349

TEN TO ELEVEN Kassandra gegen den Männer-Wahn Ein Ausschnitt aus der Mammut-Oper DIE TROJANER von H¦ctor Berlioz an der Deutschen Oper Berlin 14. 03. 2011

TEN TO ELEVEN Der Alchimist des Führers Ullrich Matthes spielt Josef Goebbels 21. 03. 2011

TEN TO ELEVEN Das Unternehmen Aufklärung Georg Mascolo, Chefredakteur des SPIEGEL: »Das Geheimnis des Staates kann nicht das Geheimnis des Journalisten sein« 28. 03. 2011

TEN TO ELEVEN Beethoven im land der Anarchisten Calixto Bieito inszeniert FIDELIO an der Bayrischen Staatsoper 04. 04. 2011

TEN TO ELEVEN »Wir sind darauf angewiesen, die Welt zu verstehen – – « Stefan Kornelius: Wie berichtet eine große Tageszeitung von der Außenpolitik? 11. 04. 2011

TEN TO ELEVEN Der Stenograph Adolf Hitlers Karl-Heinz Mücke bis zuletzt in Bereitschaft 18. 04. 2011

TEN TO ELEVEN »Aktive Neutralität« Begegnung mit Micheline Calmy-Rey, der Schweizer Bundespräsidentin 02. 05. 2011

TEN TO ELEVEN Ich komme praktisch aus der Antike Helge Schneider in mehreren Star-Rollen 23. 05. 2011

TEN TO ELEVEN Der Absturz von Karstadt-QuelleArcandor Hagen Seidel: Chronologie eines Niedergangs 30. 05. 2011

TEN TO ELEVEN Das Schicksalsjahr 1941 Prof. Dr. Bernd Wegner über den deutschen Angriff auf Russland vor genau 70 Jahren 06. 06. 2011

TEN TO ELEVEN »Wenn die Hoffnung ein Grab hätte, würde sie täglich auferstehen!« Beethovens FIDELIO an der Bayrischen Staatsoper München 20. 06. 2011

TEN TO ELEVEN »Gebt mir die Zukunft und ich werde die Welt bewegen – – « Fernando Esposito über die Verschränkung von Mythos und Moderne im 20. Jahrhundert 27. 06. 2011

TEN TO ELEVEN Ohne Skrupel und Gesetz Wilhelm Dietl über die islamischen Geheimdienste 04. 07. 2011

TEN TO ELEVEN Geburt der Technik aus dem Geiste des Kriegs Prof. Dr. Peter Berz über DIN-Norm und Maschinengewehr 11. 07. 2011

350

Videographie

TEN TO ELEVEN Bruno Ganz spielt Adolf Hitler »Ich habe große Mühe, mich von dieser Figur zu befreien …« 18. 07. 2011

TEN TO ELEVEN Was sind die gefährlichsten Punkte der Welt? Vize-Admiral a.D. Ulrich Weisser über Strategie als Berufung 25. 07. 2011

TEN TO ELEVEN Hoffnung als Realitätsprinzip Dr. Bernd Graff über Biotope der Sinnlichkeit und des Herzens 01. 08. 2011

TEN TO ELEVEN Fragmente Hitlers Dr. Mark Benecke: Was weiß man vom toten Führer wirklich? 08. 08. 2011

TEN TO ELEVEN Die Menschmaschine: Bestie Mensch Prof. Dr. Joseph Vogl über die Entdeckung des »Triebs« 15. 08. 2011

TEN TO ELEVEN Ich bin Jäger des Augenblicks Begegnung mit Jim Rakete und seiner »Box«, mit der man die Zeit anhalten kann 22. 08. 2011

TEN TO ELEVEN Was heißt Wasser auf Russisch? Galina Antoschewskaja als Nadeschda Durowa: Wasserforscherin 29. 08. 2011

TEN TO ELEVEN Die Rolle der Persönlichkeit in der Evolution Olof Leimar über den individuellen Charakter in der Biologie 05. 09. 2011

TEN TO ELEVEN Ein Mord, der zum Himmel schreit! Andrea Breth inszeniert WOZZECK von Alban Berg an der Staatsoper im Schillertheater Berlin 12. 09. 2011

TEN TO ELEVEN Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert Prof. Dr. Birger P. Priddat über die Missachtung des Kleingeldes 19. 09. 2011

TEN TO ELEVEN Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt! Wie Prominente von 1910 sich die Welt in 100 Jahren vorstellten 26. 09. 2011

TEN TO ELEVEN Vanessa Redgrave Die große Schauspielerin spielt die Mutter eines Shakespeare-Helden in dem Film CORIOLANUS 03. 10. 2011

TEN TO ELEVEN Eine Geographie des Wissens in der Welt Prof. Dr. Viktor Mayer-Schönberger auf dem Convoco!-Forum in Salzburg 10. 10. 2011

TEN TO ELEVEN Der Sängerkrieg auf der Wartburg Sebastian Baumgarten inszeniert Wagners Tannhäuser in Bayreuth 17. 10. 2011

TEN TO ELEVEN Samson und Dalila Der Terrorist und die schöne Verräterin: Camille Saint-SaÚns Große Oper 31. 10. 2011

TEN TO ELEVEN Beethoven fängt mit »B« an Helge Schneider in der Rolle des Genies 07. 11. 2011

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

351

TEN TO ELEVEN Lohengrin als »Reinschrift des Lebens« Proben mit Hans Neuenfels für Wagners Oper in Bayreuth 14. 11. 2011

TEN TO ELEVEN »Nur Arbeit ohne Spiel macht dumm« (Karl Marx) Prof. Dr. Rainer Buland über sein Institut für Spielforschung in Salzburg 21. 11. 2011

TEN TO ELEVEN Thronverzicht Dr. Susan Richter über die Entsorgung eines explosiven Stoffes namens MACHT 28. 11. 2011

TEN TO ELEVEN Die Vermessung des Himmels Ein einzigartiger Sternenatlas von Johann Bayer aus dem Jahr 1603 05. 12. 2011

TEN TO ELEVEN Die Kostümchefin Elke Wolter und ihre Arbeit für die Salzburger Festspiele 12. 12. 2011

TEN TO ELEVEN Prinzip Wunschkonzert Sönke Neitzel über die Medien im Dritten Reich 19. 12. 2011

2011: News & Stories NEWS & STORIES Liebe, Intrige und Gift Schillers großes Drama KABALE UND LIEBE in der Fassung von Giuseppe Verdi an der Staatsoper Stuttgart 02. 01. 2011

NEWS & STORIES Thilo Sarrazin Portrait eines umstrittenen Mannes 09. 01. 2011

NEWS & STORIES Gärten zweier Welten Anselm Kiefer über das GEHEIME LEBEN DER KUNST 16. 01. 2011

NEWS & STORIES Erlöst die Nachrichten von der menschlichen Gleichgültigkeit Gespräch mit dem großen Erzähler HansMagnus Enzensberger 23. 01. 2011

NEWS & STORIES Leben gehört zur Logik des Kosmos Prof. Dr. Peter Ulmschneider : wie viel intelligente Zivilisationen gibt es in der Galaxis? 30. 01. 2011

NEWS & STORIES Der Tag, an dem Hitler starb Oberstleutnant Dr. John Zimmermann über den Endkampf im April 1945 im zerrissenen Deutschland 06. 02. 2011

NEWS & STORIES Der Mensch lebt nicht vom Wort allein Angelika Linke über die Sprachen der Geselligkeit 13. 02. 2011

NEWS & STORIES Ich, Herr des Weltkreises! Alexander Demandt über Leben und Legende Alexanders des Großen 20. 02. 2011

352

Videographie

NEWS & STORIES Der Botschafter seines Präsidenten Portrait des verstorbenen USChefdiplomaten Richard C. Holbrook 27. 02. 2011

NEWS & STORIES Der Sitz der Seele Ren¦ Pollesch über sein dynamisches Theater : »Schmeiß dein Ego weg!« in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz 06. 03. 2011

NEWS & STORIES Was bringt den Weltgeist nach vorne? Dr. Hubert Burda über die Interfaces zwischen Medien und Kunst 13. 03. 2011

NEWS & STORIES MAZEPPA Oper von Peter Tschaikowsky nach einem Text von Alexander Puschkin 20. 03. 2011

NEWS & STORIES Das Attentat Manfred Schneiders Kritik der PARANOISCHEN VERNUNFT 27. 03. 2011

NEWS & STORIES Heinrich von Kleist und das Boulevardprinzip Gespräch mit Thomas Schmid auf der Münchener Sicherheitskonferenz über den Sinn von Tagungen und den poetischen Feuerkopf Kleist 03. 04. 2011

NEWS & STORIES Der Händler seltener Erden Tøre Andersen über die Ökonomie knapper Ressourcen 10. 04. 2011

NEWS & STORIES Mimesis und Mimikry Peter Berz über die poetische Kraft der Natur 17. 04. 2011

NEWS & STORIES Grundsätzlich neugierig! Star-Designer Clemens Weisshaar über seine neuesten Projekte 01. 05. 2011

NEWS & STORIES Schule der Aufklärung Die erfolgreiche Konterspionage der Abteilung IX im Geheimdienst der DDR 08. 05. 2011

NEWS & STORIES Krisen löst man, ehe es zu spät ist Baroness Pauline Neville-Jones und Dr. Jamie Shea über Sicherheitsrisiken von heute 15. 05. 2011

NEWS & STORIES Die Laufbahn eines Wüstlings Igor Strawinskis geniale Parallel-Oper zu Mozarts DON GIOVANNI an der Staatsoper im Schillertheater 22. 05. 2011

NEWS & STORIES Lüge als Passion Wolfgang Engler über die Geschichte der Aufrichtigkeit 29. 05. 2011

NEWS & STORIES Meerjungfrauen Prof. Dr. Andreas Kraß über die Geschichte einer unmöglichen Liebe 05. 06. 2011

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

353

NEWS & STORIES Das Wunder der Antike Christian Meier über die Einzigartigkeit der griechischen Polis 19. 06. 2011

NEWS & STORIES Die Geschichte vom siegreichen Zahlkellner »Im Weißen Rößl« mit Max Hopp in der Hauptrolle an der Komischen Oper Berlin 26. 06. 2011

NEWS & STORIES Wer die Wahrheit liebt, riskiert das Imperium Prof. Jörg Baberowski: Wie Gorbatschows »Funke der Kritik« das Imperium zum Einsturz brachte 03. 07. 2011

NEWS & STORIES Schulden ohne Sühne Prof. Dr. Kai A. Konrad über den Umgang mit dem Schuldenberg 10. 07. 2011

NEWS & STORIES Spartakus Prof. Dr. Kai Brodersen über die unaufhaltsame Geschichte eines Freiheitskämpfers 17. 07. 2011

NEWS & STORIES Der Händler mit Adels- und Promotionstiteln Für Dr. h.c. von Schaake ist Authentizität seiner Ware absolutes Gebot 24. 07. 2011

NEWS & STORIES Ein Gewitter-Leben Dr. Jens Bisky über Heinrich von Kleist 31. 07. 2011

NEWS & STORIES Das Selbstmordattentat Dr. Arata Takeda: Die Tat, die aus Menschen eine Bombe macht 07. 08. 2011

NEWS & STORIES Al-Jazeera Ibrahim Helal über einen TV-Sender, der die Welt bewegt 14. 08. 2011

NEWS & STORIES Gespräch mit einem Griechen über das Kleingeld Spielbankchef Alexis Chrysos über den Schuldenberg 21. 08. 2011

NEWS & STORIES Die himmlische Urschrift Prof. Dr. Angelika Neuwirth über die Entstehung des Korans aus Debatten der Spätantike 28. 08. 2011

NEWS & STORIES Alle Realitäten, die wir schaffen, fangen im Kopf an! Filmemacher Edgar Reitz aus Anlass seines neuen Projekts: »Heimat 4 – Die Auswanderer« 04. 09. 2011

NEWS & STORIES Im Namen der Völker : in Sachen Mord! Detlev Mehlis ermittelt im Auftrag der EU und des Sicherheitsrats 11. 09. 2011

NEWS & STORIES Lieber tot als lieblos leben ANTIGONA von Tommaso Traetta: eine Modelloper der Aufklärung 18. 09. 2011

354

Videographie

NEWS & STORIES Die Tücken der Aktualität Aus Helge Schneiders Nachrichtenwerkstatt 25. 09. 2011

NEWS & STORIES Das erste Imperium der Welt Prof. Dr. Werner Dahlheim über Kaiser Augustus, den Erben Cäsars 02. 10. 2011

NEWS & STORIES Alkahest Anselm Kiefers neuer Werkzyklus in der Galerie Thaddaeus Ropac in Salzburg 09. 10. 2011

NEWS & STORIES Die blutige Hand Prof. Dr. Michael Stürmer über Macht, Revolution und den Untergang von Reichen 16. 10. 2011

NEWS & STORIES »Mein kalter Kuss wird dich töten« Antonin Dvor‚ks Oper über die Wasserfee RUSALKA 23. 10. 2011

NEWS & STORIES Im Land der Schnellen Schreiber Regierungsdirektor Dr. Detlef Peitz über Gewissenhaftigkeit und Kunst der Stenografie 30. 10. 2011

NEWS & STORIES Mensch, werde wesentlich! Händels Barockoper DER TRIUMPH VON ZEIT UND ENTTÄUSCHUNG in der Regie von Calixto Bieito 06. 11. 2011

NEWS & STORIES Kampf um das Nordmeer Christoph Seidler über das ARKTISCHE MONOPOLY 13. 11. 2011

NEWS & STORIES Der Blutdurst auf Beinen Peter Stein inszeniert Verdis MACBETH in Salzburg mit drastischen Mitteln 20. 11. 2011

NEWS & STORIES Moby Dick: Der weiße Geist der Tiefe Doppelprogramm mit Stefan Aust und Joseph Vogl 27. 11. 2011

NEWS & STORIES Requiem auf die Unsterblichkeit Christoph Marthaler inszeniert DIE SACHE MAKROPULOS in Salzburg 04. 12. 2011

NEWS & STORIES Stichwort: Klassik Begegnung mit dem unbestechlichen Musikkritiker Dr. Joachim Kaiser 11. 12. 2011

NEWS & STORIES 1000 Leben will ich haben! Stationen einer Karriere: Peter Berling in 37 Rollen 18. 12. 2011

NEWS & STORIES Das Zugunglück von Hordorf Katastrophe auf eingleisiger Strecke 29. 01. 2012

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

355

2012: 10 vor 11

TEN TO ELEVEN Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Neil McGregor über eine legendäre Ausstellung im Britischen Museum London 02. 01. 2012

TEN TO ELEVEN Es wird Zeit sich zu erinnern! Josef Bierbichlers Roman über vier Generationen seiner Familie 09. 01. 2012

TEN TO ELEVEN Die Soldaten Oper in vier Akten von Bernd Alois Zimmermann 14. 01. 2012

TEN TO ELEVEN Wer soll Europas Sprungtuch halten? Georg Schramm als Erwin Dombrowski: Der Sparkommissar der EU warnt vor dem Freien Fall 16. 01. 2012

TEN TO ELEVEN Der Neutrinojäger Prof. Dr. Christian Spiering und die Suche nach der Dunklen Materie 23. 01. 2012

TEN TO ELEVEN Super-Beethoven Helge Schneider in der Rolle des Genies 30. 01. 2012

TEN TO ELEVEN Gigantische Stürme fegen Galaxien leer Dr. Eckhard Sturm über neueste Beobachtungen des Herschel-Teleskops 06. 02. 2012

TEN TO ELEVEN Der Aufstand beginnt als Spaziergang Thomas Thieme über Heiner Müllers HAMLETMASCHINE und Antonin Artauds THEATER DER GRAUSAMKEIT 13. 02. 2012

TEN TO ELEVEN Das Flüstern der Elektronen Reinhard Kienberger über den Durchbruch zur Atto-Sekunden-Physik 20. 02. 2012

TEN TO ELEVEN Richard Wagners Todesfahrt Wie das Genie im Salonwagen von Venedig nach Bayreuth überführt wurde 27. 02. 2012

TEN TO ELEVEN Brisante Begegnungen Nomaden in einer sesshaften Welt 04. 03. 2012

TEN TO ELEVEN Es gibt kein richtiges Leben im falschen Hasen Konzert von GUSTAV & BAND im Residenztheater München 05. 03. 2012

TEN TO ELEVEN Der rätselhafte Albino-Wal Moby Dick Stefan Aust über Melvilles großen Roman 12. 03. 2012

TEN TO ELEVEN Der Irrsinn des Kriegs und die Würde der Liebe Sergej Prokofiews KRIEG UND FRIEDEN an der Oper Köln 19. 03. 2012

356

Videographie

TEN TO ELEVEN Karl May zum 100. Todestag Helmut Schmiedt über die »reisserischen Märchen« des fantasievollen Erzählers 26. 03. 2012

TEN TO ELEVEN Dampfer kaputt! Helge Schneider und der Untergang der COSTA CONCORDIA 02. 04. 2012

TEN TO ELEVEN Die Fünfte Kraft im Kosmos Prof. Dr. Christof Wetterich über die beschleunigte Expansion des Universums 16. 04. 2012

TEN TO ELEVEN Die Knochenjägerin Forensikerin Kathleen Reichs: ein Roman auf Beinen 23. 04. 2012

TEN TO ELEVEN Pergamon Panorama einer antiken Metropole 30. 04. 2012

TEN TO ELEVEN Der Entdecker der »dunklen RNA« Prof. Dr. Walter Gilbert über die geheimen Ursprünge des Lebens 07. 05. 2012

TEN TO ELEVEN Die Verfeinerung der Deutschen Erwin Seitz über Höhepunkte des Kulinarischen in Mittelalter und Neuzeit 14. 05. 2012

TEN TO ELEVEN Die Kulturgeschichte der Mausefalle Wolfhard Klein über den 8000-jährigen Krieg zwischen Menschen und Mäusen 20. 05. 2012

TEN TO ELEVEN Ein Virtuose der Macht Johannes Willms über Napoleons Außenminister Talleyrand 04. 06. 2012

TEN TO ELEVEN Ein Garten voller Rätsel Prof. Dr. Sasselov (Harvard) über erdähnliche Planeten und die biologische Schattenwelt auf unserer Erde 11. 06. 2012

TEN TO ELEVEN Das Gift des Ketzers Wie der Vatikan Originaltexte des Philosophen Spinoza rettete 18. 06. 2012

TEN TO ELEVEN Das Blut der Welt Stefan Aust über Öl und »Nachrichten in Echtzeit« 24. 06. 2012

TEN TO ELEVEN Der Masterplan sozialer Insekten Evolutionsbiologe James H. Hunt (North Carolina State University) über sein Forschungsfeld 02. 07. 2012

TEN TO ELEVEN Schönbergs Dr. Faust Das einzigartige Musikdrama »Die glückliche Hand« an der Staatsoper Stuttgart 09. 07. 2012

TEN TO ELEVEN Bausteine des Lebens Prof. Dr. Dieter Braun über den Sprung von unbelebter zu belebter Materie 16. 07. 2012

TEN TO ELEVEN Der Paradeschritt Dr. med. Tretjakow, Militärarzt des Zaren, über Knochenschäden beim Stechschritt 23. 07. 2012

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

357

TEN TO ELEVEN Die 7 Todsünden und der moderne Charakter Oskar Negt im Gespräch 30. 07. 2012

TEN TO ELEVEN Der Testfall Die gewaltsame Besetzung des Iran durch die Alliierten (1941 – 1946) 06. 08. 2012

TEN TO ELEVEN Die Spinne in der Taucherglocke Dr. Stefan K. Hetz über ein einzigartiges Raubtier 13. 08. 2012

TEN TO ELEVEN Roboter Sir Michael Brady über die Symbiose von künstlicher und menschlicher Intelligenz 20. 08. 2012

TEN TO ELEVEN Gespräche der Karmelitinnen Francis Poulencs Oper inszeniert von Calixto Bieito 27. 08. 2012

TEN TO ELEVEN Den Letzten beißen die Hunde Mengenlehre im Katastrophenfall 03. 09. 2012

TEN TO ELEVEN Gefahr aus dem Kosmos Handelt es sich bei dem zerstörerischen Begleitstern der Sonne namens Nemesis um ein Mythos oder eine Realität? 10. 09. 2012

TEN TO ELEVEN Gold, Sklaven, Elfenbein Detlef Gronenborn über mittelalterliche Königreiche in Afrika 17. 09. 2012

TEN TO ELEVEN Unbezähmbare Neugierde Begegnung mit dem Wunderkind Dr. Dr. Franz Kir‚ly 24. 09. 2012

TEN TO ELEVEN Das Lieblingstier der Biochemiker Ein muskulöses Insekt mit 280 Millionen Jahren Flugerfahrung 01. 10. 2012

TEN TO ELEVEN Vom Tod großer Sterne Der Astronom Dr. Eric Lagadec über einen explosiven »Gelben Über-Riesen« im Sternbild des Skorpion 08. 10. 2012

TEN TO ELEVEN Die sagenhaften Merowinger Martina Hartmann über Herrscher und Frauen im frühen Mittelalter 15. 10. 2012

TEN TO ELEVEN Kosmisches Raubtier Stefan Gillessen über ein supermassives Objekt im Zentrum unserer Milchstraße 22. 10. 2012

TEN TO ELEVEN Das wahre Gewicht der Seele Emilio de’ Cavalieris »Das Spiel von Seele und Körper« vom Februar 1600 an der Staatsoper Berlin 29. 10. 2012

TEN TO ELEVEN Sprachspiele unter Robotern Luc Steels über die Entstehung von Sprache und Grammatik in der Maschinenwelt 05. 11. 2012

TEN TO ELEVEN Der Mantel Ein besonderes Musikdrama von Giacomo Puccini an der Staatsoper Hannover 12. 11. 2012

358

Videographie

TEN TO ELEVEN Salto Mortale der Philosophie Igor Crantz, Clown 1. Klasse (Helge Schneider), über das NIX und das GAR NICHTS 19. 11. 2012

TEN TO ELEVEN Mime, der furchtsame Schmied Ein starker Zwerg in Richard Wagners SIEGFRIED 26. 11. 2012

TEN TO ELEVEN Untergang der Titanic H.M. Enzensbergers Beitrag zur Jahrhundertchronik 1912 – 2012 03. 12. 2012

TEN TO ELEVEN DAS LABYRINTH Fortsetzung der ZAUBERFLÖTE: Eine heroisch-komische Oper nach einem Libretto von Emauel Schikaneder in Salzburg 10. 12. 2012

TEN TO ELEVEN Das Todesurteil Strafverteidiger Klaus Volk: »Ich halte die Todesstrafe für eine juristische Dummheit« 17. 12. 2012

2012: News & Stories NEWS & STORIES Geschichte des Menschenhandelrings um den Indischen Ozean Sklaverei in Arabien, am Kap, auf Madagaskar und in Niederländisch-Indien 06. 01. 2012

NEWS & STORIES Der Griff ins Schwarze Bazon Brock über Dada und die Folgen 08. 01. 2012

NEWS & STORIES Begehbare Geschichte Prähistoriker Prof. Dr. Herman Parzinger über die Wanderungen des Homo Sapiens von der Zeit 70.000 Jahren vor Christus bis heute 13. 01. 2012

NEWS & STORIES Die Macht der Bilder Dr. Bernd Graff über die informative Revolution im 21. Jahrhundert 15. 01. 2012

NEWS & STORIES König Eigensinn Prof. em. Dr. Johannes Kunisch über Friedrich II. von Preußen, der am 24. 01. 2012 dreihundert Jahre alt sein wird 22. 01. 2012

NEWS & STORIES Das Zugunglück von Hordorf Katastrophe auf eingleisiger Strecke 29. 01. 2012

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

359

NEWS & STORIES Medea oder die Nachtwandlerin der Vernunft Uraufführung von Hans Thomallas Argonauten-Oper »Fremd« an der Staatsoper Stuttgart 12. 02. 2012

NEWS & STORIES Der Gründer einer Denkfabrik Roland Berger im Porträt 19. 02. 2012

NEWS & STORIES Ein »Bastard« des wilden Theaters Stationen des Opernregisseurs Hans Neuenfels 26. 02. 2012

NEWS & STORIES Lebenszeichen der Welt Romanautor Navid Kermani: »Wir beginnen nicht mit der Geburt und wir enden nicht mit dem Tod« 04. 03. 2012

NEWS & STORIES DAS LIEBESVERBOT ODER DIE NOVIZE VON PALERMO Ein selten gespieltes Werk von Richard Wagner als Eröffnungspremiere des (von Grund auf erneuerten) Südthüringischen Staatstheaters/Meininger Theaters 11. 03. 2012

NEWS & STORIES Der Zirkusfilm Prof. Dr. Matthias Christen über Zirkus und Kinematografie 18. 03. 2012

NEWS & STORIES Das Orchester ohne Dirigent Prof. Dr. Wolf Singer über neueste Ergebnisse der Hirnforschung 25. 03. 2012

NEWS & STORIES Ein Kaiser fuhr ins Morgenland Knut Görichs faszinierende Biografie Barbarossas 01. 04. 2012

NEWS & STORIES Das kalte Herz und das Geld Joseph Vogl über : Orientierung im Kältestrom 15. 04. 2012

NEWS & STORIES Das Ohr hat im Heiligen See gebadet Luigi Nonos PROMETEO in Salzburg 22. 04. 2012

NEWS & STORIES Die Weisheit baut sich ein Haus Prof. Dr.-Ing. Winfried Nerdinger über Geschichte und Architektur der Bibliotheken 29. 04. 2012

NEWS & STORIES Ein Dämon namens Carmen Sebastian Baumgarten inszeniert Bizets Meisterwerk an der Komischen Oper Berlin 06. 05. 2012

NEWS & STORIES Ursprung der Schönheit Josef H. Reichholf über den biologischen Grund von Symmetrie, Vielfalt und Individualität 13. 05. 2012

NEWS & STORIES 7.500 vor Christus Harald Haarmann über die älteste Hochkultur Europas 20. 05. 2012

360

Videographie

NEWS & STORIES Konfuzius und der Aufbruch Chinas Ein Film von Stefan Aust und Adrian Geiges mit einem anschließenden Beitrag von Alexander Kluge 03. 06. 2012

NEWS & STORIES Die Nachtwandlerin (LA SONNAMBULA) Vincenzo Bellinis Oper »mit den langen Melodien« in Stuttgart 10. 06. 2012

NEWS & STORIES Störung als Motor der Organisation Dirk Baecker über Paradoxien des postheroischen Managements 17. 06. 2012

NEWS & STORIES Der Lichtfresser Thomas J. Popp über die Geschichte der einzigartigen Filmkamera Arriflex-35 mm 24. 06. 2012

NEWS & STORIES Hinter der Maske wartet der Tod Verdis Oper UN BALLO IN MASCHERA (Ein Maskenball) mit dramatischer Wucht am Staatstheater Mainz 01. 07. 2012

NEWS & STORIES Wölfe Prof. Dr. Kurt Kotrschal über die vermutlich ältesten Fernbegleiter der Menschen 08. 07. 2012

NEWS & STORIES No Problem! Helge Schneider klettert an den Welträtseln hinauf und hinunter 15. 07. 2012

NEWS & STORIES Ein Denkmal für den unbekannten Richard Wagner Die WALKÜRE an der bayrischen Staatsoper München 22. 07. 2012

NEWS & STORIES Kommunikation unter Bakterien Prof. Dr. Kirsten Jung: 3,5 Milliarden Jahre Evolution in der Mikrobiologie 29. 07. 2012

NEWS & STORIES Terror, Kannibalismus, »Umerziehung« Prof. Dr. Ute Luig über die rätselhafte Revolution der Roten Khmer (1976 – 1979) 05. 08. 2012

NEWS & STORIES Barbarossas Knochen Wie der verschollene Kaiser im Jahre 1944 ins Deutsche Reich heimkehrte 12. 08. 2012

NEWS & STORIES Schicksal (Osud) Ein selten gespieltes Meisterwerk von Leosˇ Jan‚cek an der Staatsoper Stuttgart 19. 08. 2012

NEWS & STORIES Odysseus und die Wiesel Dr. Georg von Wallwitz über die Dialektik von Finanzmarkt und menschlichem Charakter 26. 08. 2012

NEWS & STORIES Der Freischütz Romantische Oper von Carl Maria von Weber in der Inszenierung von Calixto Bieito 02. 09. 2012

NEWS & STORIES Das Wendejahr 1962 Andreas Wirsching über Deutschland vor 50 Jahren 09. 09. 2012

NEWS & STORIES XERXES Oper in drei Akten von Georg Friedrich Händel 16. 09. 2012

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

361

NEWS & STORIES »Gnade ist grundlos« Hartmut Leppin über den römischen Kaiser Theodosius I. 23. 09. 2012

NEWS & STORIES SIEGFRIED Oper in drei Aufzügen von Richard Wagner 30. 09. 2012

NEWS & STORIES Das Fallbeil war ihr Ende Uwe Schultz über Robespierre und König Ludwig XVI 07. 10. 2012

NEWS & STORIES Ein Profi der analogen Welt Helge Schneider in 6 neuen Rollen 14. 10. 2012

NEWS & STORIES Götterdämmerung Dritter Tag des RINGS DES NIBELUNGEN an der Bayrischen Staatsoper München 21. 10. 2012

NEWS & STORIES Sanftes Monster Brüssel Hans Magnus Enzensberger über Europas (ungeahnte) Chancen 28. 10. 2012

NEWS & STORIES Der älteste Mythos der Menschheit Der Assyriologe Walther Sallaberger über den Gilgamesch-Epos 04. 11. 2012

NEWS & STORIES Sternstunden der Theologie Alf Christoffersen über verdichtete Zeit und den Kairos 11. 11. 2012

NEWS & STORIES Europa, das unbeschriebene Blatt Joseph Vogl über die junge Verfassung für einen sehr alten Kontinent 18. 11. 2012

NEWS & STORIES Die Kesselschlacht von Stalingrad 1942 Christian Hartmann über den Untergang der 6. Armee im russischen Winter 25. 11. 2012

NEWS & STORIES WOZZECK Johannes Harneit über einen BoulevardStoff, der durch Alban Bergs Musikdrama zum Modell der Moderne wurde 02. 12. 2012

NEWS & STORIES Unser ferner Spiegel: Menschen der Steinzeit Prof. Dr. Wulf Schiefenhövel: »Wir sind erstaunliche Tiere« 09. 12. 2012

NEWS & STORIES Tokio, die Baustelle am Abgrund Prof. Dr. Peter Pörtner über Japans Metropole 16. 12. 2012

NEWS & STORIES DIE ZAUBERIN Oper in vier Akten von Peter Tschaikowsky 23. 12. 2012

NEWS & STORIES Die Wanderung ins Eiszeitland Evolutionsbiologe Prof. Dr. Reichholf: »Unser Stoffwechsel ist noch immer afrikanisch« 30. 12. 2012

362

Videographie

2013: 10 vor 11

TEN TO ELEVEN Die Soldaten Oper in vier Akten von Bernd Alois Zimmermann 14. 01. 2013

TEN TO ELEVEN »Die Raumzeit raschelt« Karsten Danzmann über Gravitationswellen im Kosmos 21. 01. 2013

TEN TO ELEVEN Piraterie: eine Konstante der Seefahrt Dr. Jan M. Witt über die Seeräuber von der Antike bis heute 28. 01. 2013

TEN TO ELEVEN Drei Fabeltiere Josef H. Reicholf über Phönix, Drache und Einhorn 04. 02. 2013

TEN TO ELEVEN POPPEA Claudio Monteverdi an der Komischen Oper Berlin 11. 02. 2013

TEN TO ELEVEN Papier : das Medium der Konzentration Wir leben immer noch in der »Epoche des Papiers« 18. 02. 2013

TEN TO ELEVEN Das Eisbär-Genom Die Könige des Nordpols sind 600.000 Jahre alt 25. 02. 2013

TEN TO ELEVEN Die Banditen Groteske Oper in drei Akten von Jaques Offenbach am Theater Bremen 11. 03. 2013

TEN TO ELEVEN Gerhard Richter : Bildermacher »Ich sollte mich nicht mehr Maler, sondern Bildermacher nennen« 18. 03. 2013

TEN TO ELEVEN Vom Wunderglauben zur exakten Beobachtung Prof. Dr. Lorraine Daston über Wissenschaft und Bildung von 1150 bis heute 25. 03. 2013

TEN TO ELEVEN Die dienstälteste Staatsfrau Europas Stefan Kornelius, Leiter des Ressorts Außenpolitik der SZ, über sein Buch: ANGELA MERKEL. DIE KANZLERIN UND IHRE WELT 08. 04. 2013

TEN TO ELEVEN Raubstaat Assur Alt-Orientalistin Prof. Dr. Eva CancikKirschbaum über Aufstieg und Niedergang einer antiken Militärmaschine 15. 04. 2013

TEN TO ELEVEN Phänomen Indien Botschafter a.D. Thomas Matussek über den Subkontinent der extremen Kontraste 22. 04. 2013

TEN TO ELEVEN Das Mega-Epos der Antike Prof. Dr. Thomas Szlez‚k über die ILIAS und die ODYSSEE 29. 04. 2013

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

363

TEN TO ELEVEN Ein politischer Vulkanforscher David Ignatius (Washington Post): seit 30 Jahren in Krisengebieten unterwegs 06. 05. 2013

TEN TO ELEVEN 101 Nacht Dr. Claudia Ott über die jüngere Schwester der Märchen von 1001 Nacht 13. 05. 2013

TEN TO ELEVEN Bildung zwischen Zwang und Freiheit Prof. Dr. Heinz-Elmar Tenorth über die Bildungsreform nach 1807 in Preußen 27. 05. 2013

TEN TO ELEVEN Schweigen ist selten die beste Verteidigung Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Volk über seine Erfahrungen als Strafverteidiger in Wirtschaftssachen 03. 06. 2013

TEN TO ELEVEN Das Herz ist mein Beruf Prof. Dr. med. Thomas Meinertz über seine Arbeit als Kardiologe 10. 06. 2013

TEN TO ELEVEN Dunkle Materie am Werk Astronom Jörg Dietrich benutzt die Materiebrücke zwischen zwei Galaxienhaufen als »Fernrohr« 17. 06. 2013

TEN TO ELEVEN Spartakus im Ameisenstaat Versklavte Arbeiterinnen morden die Brut ihrer Unterdrücker 24. 06. 2013

TEN TO ELEVEN Ein Held ohne Beherrschung Martin Aust kommentiert Tschaikowskis Oper MAZEPPA 01. 07. 2013

TEN TO ELEVEN Auf den Spuren unserer Vorfahren Prof. Dr. Nicholas Conard: wie lebte »homo sapiens« vor 40.000 Jahren? 08. 07. 2013

TEN TO ELEVEN Mit nüchterner Leidenschaft Prof. Dr. Daniel-Erasmus Khan über die Geschichte des Roten Kreuzes 15. 07. 2013

TEN TO ELEVEN Das »verführte Dienstmädchen« im Roman Eva Esslinger über die Dritte im Familienbund, die nichts zu lachen hat 22. 07. 2013

TEN TO ELEVEN Der Tod aus dem Wald Ulrike Sprenger über die Kinder von Castrop-Rauxel und die Pilze 29. 07. 2013

TEN TO ELEVEN Die Werwölfe Volker Koop über die »letzte Geheimwaffe« des Dritten Reichs 05. 08. 2013

TEN TO ELEVEN Rettet das Pferd! K.u.K. Oberstaatstierarzt Dr. Jauernig im November 1918 12. 08. 2013

364

Videographie

TEN TO ELEVEN Sternenwind als galaktischer Geburtshelfer Privatdozent Dr. habil. Joachim Puls über die enorme Strahlkraft von Riesensternen 19. 08. 2013

TEN TO ELEVEN Der Lehrer als Soldat des Friedens Prof. Dr. Heinz-Elmar Tenorth über die Bildungsreform in der Weimarer Republik 26. 08. 2013

TEN TO ELEVEN Die sagenhaften Hethiter Dr. habil. Andreas Schachner : Hattuscha, die Hauptstadt eines antiken Großreichs 02. 09. 2013

TEN TO ELEVEN Das Brüsseler Panorama Robert Menasse über ein Europa der Regionen 09. 09. 2013

TEN TO ELEVEN Nabucco (Nebukadnezar) Verdis dritte Oper, die ihn berühmt machte 16. 09. 2013

TEN TO ELEVEN 100 Jahre wie ein Tag Prof. Dr. Arndt Brendecke über die Jahrhundertwenden 23. 09. 2013

TEN TO ELEVEN Neuestes vom Urknall »Ein Kosmos ohne Anfang und Ende« 30. 09. 2013

TEN TO ELEVEN Eine Stadt lernt schreiben Irmgard Fees über Venedig im Mittelalter 07. 10. 2013

TEN TO ELEVEN Die Gladiatoren Christian Mann über die Arena als politischen Ort 14. 10. 2013

TEN TO ELEVEN Komentenfabriken Dr. Simon Bruderer: Wie aus interstellarem Staub Himmelskörper entstehen 21. 10. 2013

TEN TO ELEVEN Die Frau im Mond Eine Berliner Operette an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin 28. 10. 2013

TEN TO ELEVEN Jesus und Pilatus Prof. Dr. Alexander Demandt: »Den Prozess vor dem Statthalter hat es nicht gegeben« 04. 11. 2013

TEN TO ELEVEN Monteverdi in den Fängen der Inquisition Über »Verbotene Dissonanzen« 11. 11. 2013

TEN TO ELEVEN Die Mythen der Sumerer Manfred Krebernik: »Ein Götterhimmel voll von Zorn« 18. 11. 2013

TEN TO ELEVEN Ball im Savoy Jazz-Musical an der Komischen Oper Berlin 25. 11. 2013

TEN TO ELEVEN Verraten und verkauft! Der Untergang der italienischen 8. Armee 1943 in der Krise bei Stalingrad 02. 12. 2013

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

365

TEN TO ELEVEN U.S.-Wanzenjagd mit Helge Schneider Der Künstler am Akkordeon 09. 12. 2013

TEN TO ELEVEN Bismarck Jonathan Steinbergs Biografie eines »Magiers der Macht« 16. 12. 2013

TEN TO ELEVEN Moses Uraufführung im Passionstheater Oberammergau 23. 12. 2013

TEN TO ELEVEN Katastrophen in der Antike Prof. Dr. Holger Sonnabend über Tsunamis, Brände, Geldentwertung und politische Tote vor 2.000 Jahren (und länger) 30. 12. 2013

2013: News & Stories NEWS & STORIES Geschichte des Menschenhandelrings um den Indischen Ozean Sklaverei in Arabien, am Kap, auf Madagaskar und in Niederländisch-Indien 06. 01. 2013

NEWS & STORIES Begehbare Geschichte Prähistoriker Prof. Dr. Herman Parzinger über die Wanderungen des Homo Sapiens von der Zeit 70.000 Jahren vor Christus bis heute 13. 01. 2013

NEWS & STORIES Stalingrad: Das Ende aller »Führung« Ein Film von Stefan Aust und Alexander Kluge 27. 01. 2013

NEWS & STORIES Als die Himmel noch miteinander sprachen Prof. Dr. Peter Schäfer : die Geburt des Judentums aus dem Geiste des Christentums 10. 02. 2013

NEWS & STORIES Quantenfische und das Multiversum Prof. Dr. Dieter Lüst über die Suche nach der Weltformel 17. 02. 2013

NEWS & STORIES Orientierung in unsicherer Welt Prof. Dr. Gerd Gigerenzer : »Blinde Flecken« im Bildungssystem von heute 24. 02. 2013

NEWS & STORIES Liebesgeschichten mit fliegenden Elefanten Mozarts ZAUBERFLÖTE an der Komischen Oper Berlin 03. 03. 2013

NEWS & STORIES Geheime Evangelien in der Spätantike Prof. Dr. Christian Markschies über die Apokryphen-Texte des frühen Christentums 10. 03. 2013

366

Videographie

NEWS & STORIES China-Lexikon Prof. Dr. Van Ess über Konfuzius und das Denken Chinas 17. 03. 2013

NEWS & STORIES Der ärztliche Blick Prof. Dr. Wolfgang Eckart: Szenen aus der Geschichte der Heilkunst 24. 03. 2013

NEWS & STORIES Inventar eines Jahrhunderts Prof. Dr. Burkhardt Lindner : Könnte ein Wurf wie Benjamins PASSAGEN-WERK auch für das 21. Jahrhundert geschrieben werden? 07. 04. 2013

NEWS & STORIES Der dritte Kaiser Roms Prof. Dr. Aloys Winterling: Glanz und Sturz des Herrschers Caligula 14. 04. 2013

NEWS & STORIES Jupiter und die Sumpfkröte Calixto Bieito inszeniert Jean-Phillipe Rameaus geniale Tanzoper PLATÊE in Stuttgart 21. 04. 2013

NEWS & STORIES Der Tag, an dem Hitler sich erschoss Dokumentation eines konkreten Tages, der Geschichte schrieb: 30. April 1945 28. 04. 2013

NEWS & STORIES Vom Bohren harter Bretter Dirk Kaesler über die Gesellschaftstheorie Max Webers 05. 05. 2013

NEWS & STORIES Richard Wagner : Das Kraftwerk der Gefühle Zum 200. Geburtstag des Meisters am 22. Mai 2013 12. 05. 2013

NEWS & STORIES Das Ballett der Macht Ein Doppelprogramm von Stefan Aust und Alexander Kluge 26. 05. 2013

NEWS & STORIES »Mein Leben mit den Toten« Oberpräparator Alfred Riepertinger berichtet 02. 06. 2013

NEWS & STORIES Das tödliche Dreieck RIGOLETTO an der Bayrischen Staatsoper München 09. 06. 2013

NEWS & STORIES Eine Geschichte des Gesichts Hans Belting und sein neues Buch FACES 16. 06. 2013

NEWS & STORIES Boris Godunow Oper von Modest Mussorgski 23. 06. 2013

NEWS & STORIES Was ist Erkenntnis? Jochen Hörisch über unreine Vernunft: »Der Geist ist abgeleitet vom Geld« 30. 06. 2013

NEWS & STORIES Liebe und Tod Hans Neuenfels inszeniert Mozarts LA FINTA GIARDINIERA in Berlin 07. 07. 2013

NEWS & STORIES Geschichten vom Töten Prof. Dr. Hans-Ludwig Kröber über sein Buch MORD 14. 07. 2013

Verzeichnis der Kulturmagazine von 2007 bis 2013

367

NEWS & STORIES Avantgarde in der Musik Helmut Lachenmann über Monteverdi und die robuste Moderne 21. 07. 2013

NEWS & STORIES Dynamik des expandierenden Universums Prof. Dr. Mukhanov über Quanteneffekte und Gravitation im Kosmos 28. 07. 2013

NEWS & STORIES Das Schnelle Pferd des Gedankens Prof. Dr. Wang-Hui: »Begriffe sind Lebewesen« 04. 08. 2013

NEWS & STORIES Vom Gegner lernen Prof. Dr. Martin Aust über Kulturtransfer zwischen Feinden 11. 08. 2013

NEWS & STORIES »Yes, we scan!« Data-Mining und Jagd nach Dr. Snowden 18. 08. 2013

NEWS & STORIES SIMON BOCCANEGRA Oper in 3 Akten von Giuseppe Verdi an der Bayerischen Staatsoper 25. 08. 2013

NEWS & STORIES Die Ungeborenen Begegnung mit Anselm Kiefer in seinem Atelier in Croissy-Beauregard 01. 09. 2013

NEWS & STORIES Revolutionen in Frankreich Eric Hazan: »Die Revolutionäre waren blutjung.« 08. 09. 2013

NEWS & STORIES Josef Wilfling, Mordermittler »Kein Täter kann so lügen, wie wir ins Detail gehen können« 15. 09. 2013

NEWS & STORIES Istanbul Millionenstadt im politischen Erdbebengebiet 22. 09. 2013

NEWS & STORIES »Intimizid« Gerichtspsychiater Andreas Marneros über die Tötung des Intimpartners 29. 09. 2013

NEWS & STORIES Kleopatra Wolfgang Schuller über eine Königin in drei Kulturen 06. 10. 2013

NEWS & STORIES Die Völkerschlacht bei Leipzig Napoleon, Sohn des Glücks, vom Glück verlassen 13. 10. 2013

NEWS & STORIES Ökonomie als fröhliche Wissenschaft Fr¦d¦ric Lordon über Spinoza und das Börsenglück 20. 10. 2013

NEWS & STORIES Die Mephisto-Maschine FAUSTS VERDAMNIS, dramatische Legende von H¦ctor Berlioz 27. 10. 2013

NEWS & STORIES Politik ist kein Schicksal Eine Scharnierzeit: 12 Jahre war es möglich, den 1. Weltkrieg zu vermeiden (1895 – 1907) 03. 11. 2013

368

Videographie

NEWS & STORIES Sparta gegen Athen Ein 27 Jahre währender Weltkrieg in der Antike 10. 11. 2013

NEWS & STORIES Ein Futurist des Krieges Der britische General J.F.C. Fuller : Erfinder der Panzerwaffe 17. 11. 2013

NEWS & STORIES Bis zum Ende in Stalingrad Artillerist Wiegand Wüster berichtet als Zeitzeuge 24. 11. 2013

NEWS & STORIES Die Eidgenossen Eine kompakte Geschichte der Schweiz 01. 12. 2013

NEWS & STORIES Im Trojanischen Krieg Angelika Dierich: Frauen und Männer in grausamer Welt 08. 12. 2013

NEWS & STORIES Tsunami Ein Monster, das sich nicht zähmen lässt 15. 12. 2013

NEWS & STORIES Die Schlafwandler Christopher Clarkes starkes Buch über den Kriegsausbuch 1914 22. 12. 2013

Autorinnen und Autoren

Martin Chalmers ist in Glasgow (Schottland) aufgewachsen und lebt nun, nach mehreren Jahren in Birmingham und London, in Rixdorf, Berlin. Er studierte Geschichte in Glasgow, Birmingham und Bochum. Martin Chalmers hat mehrere deutsche Autoren ins Englische übersetzt. Zu den Büchern gehören unter anderen Hans Magnus Enzensbergers The Silences of Hammerstein (2009), The Passport von Herta Müller und The Orphanage von Hubert Fichte (1992). Im Herbst 2014 erscheint Air Raid, die englische Übersetzung von Alexander Kluges Der Luftangriff auf Halberstadt am 8. April 1945. Thomas Combrink geb. 1976, Literaturwissenschaftler und Mitarbeiter von Alexander Kluge. Veröffentlichungen von Aufsätzen, Rezensionen und Interviews; als Herausgeber u. a.: Alexander Kluge, Der Luftangriff auf Halberstadt am 8. April 1945, Berlin 2014; als Autor : Sammler und Erfinder. Zu Leben und Werk Helmut Heißenbüttels, Göttingen 2011. Kirkland A. Fulk ist Assistant Professor für neuere deutsche Literatur an der University of Texas at Austin (USA). Er promovierte 2013 an der University of North Carolina at Chapel Hill mit einer Dissertation über Science Fiction und postkoloniale Literatur nach der Studentenbewegung. Weitere Themen seiner Forschung schließen unter anderem Alterität, Widerstand und Utopie in der Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts sowie in der Kritischen Theorie ein. In Textpraxis veröffentlichte er 2013 den Aufsatz »From Outer Space to the Circus Tent: Science Fiction and the Problem of ’68 in Alexander Kluge’s ›Die Ungläubige‹«; demnächst erscheint »Between Word and Image: The Photographic and Textual Exploration of Alterity in Hubert Fichte and Leonore Mau’s Xango« in dem Sammelband Zwischen Kulturen und Medien: Zur medialen Inszenierung von Interkulturalität (Hg. von Klaus Schenk etc.).

370

Autorinnen und Autoren

Kza Han Die dreisprachige Dichterin und Übersetzerin (Deutsch, Französisch, Koreanisch) schreibt seit 1980 über Alexander Kluge: Sprich und zerbrich / Parle et brise-toi / MalhÀra g’ligo buschýra (Manuskriptbuch 1980); La strat¦gie est puissamment belle, mais s˜re elle ne l’est pas (1980); De hautes erres, poÀmes et proÀmes (2005); Traces erratiques / Irrfährten / Bang Houang Han’n Buzaguk (Gedichte); Sechs Kometen (Gedichte, dreisprachig), in: Die Bauweise von Paradiesen. Für Alexander Kluge (2007); Zwölf Himmelskörper (Gedichte, dreisprachig), TK-21 La Revue, Nr. 18 (Online Zeitschrift); Dossier Alexander Kluge/Heiner Müller (Text und Bild), in: Munye Han Guk, 2002. Übersetzungstätigkeit mit Herbert Holl, darunter : Alexander Kluge, Le raid a¦rien sur Halberstadt, le 8 avril 1945 (erscheint 2015); nimmt an der kollektiven Übersetzung der Chronik der Gefühle ins Französische teil. Stefanie Harris ist Associate Professorin für Germanistik und Filmwissenschaft sowie Vizedirektorin und Leiterin akademischer Programme im Department für International Studies an der Texas A& M University (USA). Schwerpunkte ihrer Forschungen liegen unter anderem in der neueren deutschen Literatur, Film- und Medienwissenschaften, und Komparatistik. Ihre erste Monographie über neue Medien in der literarischen Moderne heißt Mediating Modernity: German Literature and the »New« Media, 1895 – 1930 (2009) und eine zweite mit dem vorläufigen Titel Developing Stories: Photography in Postwar German Fiction erscheint demnächst. Zuletzt veröffentlichte sie 2010 einen Artikel über Kluges Auswege in The Germanic Review und ein zweiter, »Nah am Fern: Kluge TV«, kommt im Sammelband German Television: Historical and Theoretical Perspectives bald heraus. Herbert Holl forscht und schreibt etwa seit 1980 über Alexander Kluge. Habilitation 1997 an der Universität Paris-Cr¦teil unter dem Titel: La violence de la contexture: autour de G.W.F. Hegel, F. Hölderlin, A. Kluge. Zahlreiche Publikationen über Kluge, u. a.: La fuite du temps Zeitentzug chez Alexander Kluge. R¦cit, image, concept (1999); mit Günter Krause (Hg.), Heiner Müller et Alexander Kluge arpenteurs de ruines – Le grouillement bariol¦ des temps (2004); »›[…] lang ist die Zeit, es ereignet sich aber / Das Wahre‹: Ereignisgewässer in Alexander Kluges ›Heidegger auf der Krim‹«, in: Ereignis. Eine fundamentale Kategorie der Zeiterfahrung. Anspruch und Aporien, hg. v. Nikolaus Müller-Schöll, 2003; »Les nouvelles conjonctions d’images et de lettres chez Alexander Kluge«, in: Germanica, Nr. 53/2013. Übersetzungen mit Kza Han, darunter : Alexander Kluge,

Autorinnen und Autoren

371

Le raid a¦rien sur Halberstadt, le 8 avril 1945 (erscheint 2015); nimmt an der kollektiven Übersetzung der Chronik der Gefühle ins Französische teil. Alexander Kluge geboren am 14. Februar 1932 in Halberstadt, besuchte dort und in Berlin das Gymnasium. Studium der Rechtswissenschaften, Geschichte und Kirchenmusik in Marburg und Frankfurt am Main; promovierte 1956 über die »UniversitätsSelbstverwaltung« zum Dr. jur. Er wurde juristischer Berater des Frankfurter Instituts für Sozialforschung und Vertrauter von Theodor W. Adorno. Nach einem Volontariat bei Fritz Lang 1958 arbeitete Kluge als Filmemacher und erhielt 1966 für Abschied von gestern als erster Deutscher nach dem Krieg den Silbernen Löwen bei den Filmfestspielen in Venedig. Ab 1962 trat Kluge mit Bänden wie Lebensläufe und Schlachtbeschreibung als Schriftsteller hervor. Lesungen bei der »Gruppe 47«. Mit Oskar Negt verfasste er ein umfangreiches theoretisches Werk. Seit 1988 führt er das Konzept des »Kinos der Autoren« mit Kulturmagazinen im Privatfernsehen fort. Er erhielt zahlreiche Preise für sein Filmschaffen und seine Literatur, zuletzt den Georg-Büchner-Preis (2003), den Theodor-W.-Adorno-Preis (2009), den Adolf-Grimme-Preis (2010) und den Deutschen Hörbuchpreis (2010). Jana Koch Doktorandin am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien. Zuvor Tutorin am tfm-Institut, freiberufliche Tätigkeit beim ORF, in der Sozialarbeit / kultur-und medienpädagogischen Praxisarbeit. Dissertationsprojekt zum Autorenfilm. Mitherausgeberin von Chiffre Oberhausen. Zur Frühgeschichte des Neuen Deutschen Films (erscheint 2014). Richard Langston ist Zachary Smith Distinguished Term Associate Professor für Germanistik an der University of North Carolina at Chapel Hill (USA). Sein erstes Buch Visions of Violence: German Avant-Gardes after Fascism erschien 2008 bei Northwestern University Press. Er ist leitender Übersetzer der nordamerikanischen revidierten Neufassung von Negt/Kluges Geschichte und Eigensinn, das als History and Obstinacy im Herbst 2014 bei Zone Books erscheint. Sein Beitrag zur ersten Ausgabe des Alexander Kluge Jahrbuchs wurde seiner noch nicht erschienenen Monographie Dark Matter I, In Defiance of Catastrophic Modernity entnommen, die von den Zusammenarbeiten Negt/Kluges und deren Verhältnis zu Kluges multimedialen Arbeiten handelt. Ein Essay über Kluges Ästhetik der Kälte sowie von ihm ins Englisch übersetzte Auszüge aus dem Beiheft zu Wer sich traut, reißt die Kält vom Pferd sind zuletzt in der Herbstausgabe 2013 von Grey Room erschienen.

372

Autorinnen und Autoren

Frédéric Lordon geb. 1962, ist französischer Philosoph und Ökonom. Er ist als Forschungsdirektor am Centre national de recherche scientifique (CNRS) tätig und ist Mitglied des von Pierre Bourdieu gegründeten Centre de sociologie europ¦enne (CSE). Als einer der schärfsten Kritiker des aktuellen Finanzsystems und neoliberaler Marktwirtschaft gehörte er 2010 zu den Mitzeichnern des »Manifests bestürzter Ökonomen« (Manifeste des ¦conomistes atterr¦s). Große Aufmerksamkeit erlangte er sowohl durch zahlreiche Beiträge für die Monatszeitung Le monde diplomatique als auch durch seine Buchpublikationen, vorwiegend Essays wie Capitalisme, d¦sir et servitude: Marx et Spinoza (2010), aber auch Texte wie D’un retournement l’autre: com¦die s¦rieuse sur la crise financiÀre en quatre actes et en alexandrins (2011) – jenes Bühnenstück, in welchem er versucht die Erfahrungen der jüngsten Finanzkrise satirisch zu verarbeiten. Susanne Marten studierte Philosophie und Germanistik an der Freien Universität Berlin und in Paris 8, danach mehrjährige Lehrtätigkeit als Professeure agr¦g¦e d’allemand, zuerst in Paris 2, heute an der Universität Straßburg. Neben Übersetzungen (Krakauer, RanciÀre) verfasste sie Aufsätze zum filmischen und literarischen Werk Alexander Kluges, über kollektive Identität in Die Lücke, die der Teufel läßt, das Gerichtsdispositiv in Abschied von gestern, sowie über Mythos und Geschichte in Deutschland im Herbst. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist das Spannungsfeld von Literatur und Philosophie, insbesondere der Kritischen Theorie. Vorträge zu Kluges Erzählungsband Die Lücke, die der Teufel läßt, über den sie promoviert, wurden u. a. beim internationalen Symposium in Wien Die Frage des Zusammenhangs (2010) und in Clermont-Ferrand Alexander Kluge et la France (2012) gehalten. Gunther Martens ist Forschungsprofessor für deutsche Literaturwissenschaft am Institut für deutsche Sprache und Literatur der Universität Gent, Belgien. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Rhetorik und enzyklopädische Literatur seit der Frühen Neuzeit, Narratologie, österreichische Literatur des 20. Jahrhunderts. Vorstandsmitglied der Internationalen Robert-Musil-Gesellschaft (IRMG) und des European Narratology Network (ENN). Neuere Publikationen (Ausw.): Beobachtungen der Moderne in Hermann Brochs ›Die Schlafwandler‹ und Robert Musils ›Der Mann ohne Eigenschaften‹, München 2006. Mit Helena Elshout und Benjamin Biebuyck: »Eine von den Halberstädter Putzfrauen überwachste Fussspur. Die produktive Kleist-Rezeption Alexander Kluges«, in: Kleist-Jahrbuch 2010, S. 29 – 46.

Autorinnen und Autoren

373

Valentin Mertes Doktorand am Institut für Theater,– Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien. Dissertationsprojekt zu Alexander Kluge. Publikationen: mit Michaela Obermair, »Inter-Hybrid-View«, in: Kasper König (Hg.), Autotheater, Köln 2009; zuletzt: mit Michael Paninski »›Alles wirklich Brauchbare besteht in Aushilfen.‹ Zwei Lektüren zu Oskar Negt und Alexander Kluges Geschichte und Eigensinn«, in: Brigitte Marschall/Christian Schulte/Sara Vorwalder/Florian Wagner (Hg.): (K)ein Ende der Kunst. Kritische Theorie / Ästhetik / Gesellschaft, Wien 2014. Vincent Pauval lehrte von 2006 bis 2013 zunächst deutsche Sprache und Literatur, anschließend Komparatistik an der Universit¦ Blaise Pascal in Clermont-Ferrand. Dort organisierte er 2012 das Colloquium »Alexander Kluge et la France – Pour une lev¦e en masse de la narration«. Seine Forschung ist in weiten Teilen dem Werk Alexander Kluges gewidmet, mit Beiträgen wie Comment transformer les Essais, et pourquoi: Michel de Montaigne pr¦curseur d’Alexander Kluge? (2012), Situations de ce qui s’entre-tient: jeux socratiques audiovisuels et conversions po¦tiques dans l’œuvre d’Alexander Kluge (2013), De l’amour — l’essai: »Ein Liebesversuch« (Une exp¦rience d’amour) d’Alexander Kluge (2013), sowie zahlreichen Gesprächen mit Alexander Kluge. Als Herausgeber der französischen Fassung von Alexander Kluges gebündeltem Erzählwerk, welches ab 2015 unter dem Gesamttitel Chronique des Sentiments beim Pariser Verlag P.O.L erscheinen wird, hat er auch maßgeblichen Anteil an dessen Übersetzung. Ute Pott Studium der Germanistik, Soziologie und Psychologie in Göttingen und Berlin, Direktorin des Gleimhauses in Halberstadt, Forschungsschwerpunkte: Briefliteratur sowie Literatur- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts, u. a. (Hg.), Das Jahrhundert der Freundschaft. Johann Wilhelm Ludwig Gleim und seine Zeitgenossen (2004). Wolfgang Reichmann geb. 1982, Studium der Germanistik in Graz, seit 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistik der Universität Klagenfurt. Publikationen: Der Chronist Alexander Kluge. Poetik und Erzählstrategien (2009) sowie mehrere Aufsätze zu Alexander Kluge, Hans Magnus Enzensberger (u. a. Text + Kritik) und zur Gegenwartsliteratur (u. a. KLG).

374

Autorinnen und Autoren

Christian Schulte ist Professor am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien. Er unterrichtete an den Universitäten Osnabrück, Bremen, Berlin (FU) und Potsdam, arbeitete bei der dctp und war als Medienwissenschaftler am ZKM, Karlsruhe tätig. Er publizierte Bücher über Walter Benjamin, Karl Kraus, Heiner Müller, Alexander Kluge, W. G. Sebald, Vlado Kristl und ist Mitherausgeber der Buchreihen Theater Film Medien (Vienna University Press) und Kritische Kulturstudien (LIT); Herausgabe von Die Frage des Zusammenhangs. Alexander Kluge im Kontext, Berlin 2012 und (K)ein Ende der Kunst. Kritische Theorie / Ästhetik / Gesellschaft, (Mhg.), Wien 2014. Winfried Siebers Dr. phil., geb. 1957, seit 2005 wiss. Mitarbeiter am Interdisziplinären Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Osnabrück. Studium der Literatur- und Medienwissenschaft sowie der Geschichte in Osnabrück. Promotion 1998. Lehrtätigkeit an den Universitäten Osnabrück, Potsdam und Wien. Publikationen u. a.: mit Christian Schulte (Hg.), Kluges Fernsehen. Alexander Kluges Fernsehmagazine (2002); mit I.-M. D’Aprile, Das 18. Jahrhundert. Zeitalter der Aufklärung (2008); Aufsätze zur deutschen Literatur- und Kulturgeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts, darunter mehrere Artikel zu Alexander Kluge. Rainer Stollmann geb. 1947, bis 2012 Professor für Kulturgeschichte an der Universität Bremen. Forschungsgebiete: Kritische Theorie, besonders Alexander Kluge, Literatur, Film und Massenmedien im 20. Jahrhundert, Lachen und Lachkulturen. Kurator der Film- und der TV-Edition Kluges 2008 und 2009 beim Goethe-Institut und Filmmuseum München. Publikation von TV-Gesprächen Kluges (zusammen mit David Bathrick) auf der domain der Cornell University (http://muller-kluge.library.cornell.edu/de/). Bücher : »Angst ist ein gutes Mittel gegen Verstopfung.« Aus der Geschichte des Lachens (2010); mit Alexander Kluge: Die Entstehung des Schönheitssinns aus dem Eis (2005). Kai-Uwe Werbeck ist Assistant Professor für Germanistik an der University of North Carolina at Charlotte (USA). Nach Abschluss seines Magisterstudiengangs (Kulturwissenschaft) an der Ruhr-Universität Bochum promovierte er 2012 an der University of North Carolina at Chapel Hill mit einer Dissertation über Medienökologien in der deutschen Nachkriegsliteratur. Darüber hinaus setzt sich seine Forschung auch mit der Schnittstelle zwischen Literatur der Moderne und Videospielen auseinander. 2014 erschienen sein Artikel zur Medienpoetik von Rolf Dieter

Autorinnen und Autoren

375

Brinkmann am Beispiel seiner Tonbandaufnahmen in Seminar: A Journal of Germanic Studies und ein Text zur politischen Relevanz der Spätlyrik Brinkmanns in Textpraxis, dem digitalen Journal für Philologie der Universität Münster. Beata Wiggen ist zuständig für die komplette Programmlogistik der Kulturmagazine (Planung, Dispo, Presse, Gema, Archiv) und die Öffentlichkeitsarbeit der dctp. Sie studierte Psychologie (B.A.) in den USA, machte erste Erfahrungen im Printbereich (Produktion, Anzeigenverkauf) in den USA und Hannover und war 1988 Frau der ersten Stunde im noch kleinen Düsseldorfer Büro der dctp.