Unternehmensethik und Consulting: Berufsmoral für professionelle Beratungsprojekte 9783486709636, 9783486586893

Das Buch erarbeitet auf Grundlage der sorgfältigen Auswertung theoretisch-empirischer Erkenntnisse und praktischer Erfah

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Unternehmensethik und Consulting: Berufsmoral für professionelle Beratungsprojekte
 9783486709636, 9783486586893

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Unternehmensethik und Consulting Berufsmoral für professionelle Beratungsprojekte

von

Dr. Michael Hesseler

Oldenbourg Verlag München

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Christiane Engel-Haas Herstellung: Constanze Müller Titelbild: thinkstockphotos.de Einbandgestaltung: hauser lacour Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer“ GmbH, Bad Langensalza Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-486-58689-3 eISBN 978-3-486-70963-6

Vorwort Die angewandten Ethiken in den Wirtschaftswissenschaften verfolgen oft implizit die Interessen des Managements oder von Führungskräften. Markt und Unternehmen werden so betrachtet, als ob Machtverhältnisse keine Rolle spielten. Auch für Menschen als moralische Subjekte ist eigentlich wenig Platz. Märkte, Machthierarchien und Statusunterschiede werden als quasi-natürliche Gegebenheiten dargestellt. Es gibt übrigens dazu auch einen anregenden Buchtitel: „Unternehmensethik als wahre Lehre oder leere Ware?“ Das beliebte Kürzel CSR für Corporate Social Responsibility tendiert zur Ethik als Rhetorik, bleibt gern „a nice piece of paper“. CSR, implizit selbstverständlich oder sicherheitshalber explizit behauptet, funktioniert vor allem in KMU oder Familienunternehmen, wo die Wertestruktur noch intakt geblieben ist (eher als bei großen DAX-Unternehmen). Unterscheidungen zwischen ehrbarem und ehrlosem Kaufmann, richtigem und falschem moralischen Handeln machen hier noch Sinn. Das Geschäft mit den Kunden ist hier noch primär Vertrauenssache und Verantwortungsbewusstsein ist noch in die Unternehmerpersönlichkeit integriert – und es braucht also nicht sicherheitshalber ausdrücklich auf der Homepage behauptet werden. Mit solch einem Vorverständnis und für solche Zielgruppen ist dieses Buch geschrieben, als Hilfe bei der Wiederentdeckung der eigenen Moral und Ethik. Das Schwergewicht liegt auf der Unternehmensberatung für KMU, die ja nicht ohne Grund den größeren Beratungsfirmen skeptisch gegenüberstehen. Diese verlangen oft unanständig hohe Honorare – und zwar mehr für Konzeptentwicklung oder Umsetzungsplanung als für echte Implementierung. Eine Auseinandersetzung mit Ethik, die dringend notwendig ist, findet dabei erst seit Kurzem statt: getrieben vom Marketing des BDU (Bund deutscher Unternehmensberater), in dem nur etwa 5 % der aktiven Unternehmensberater und viele größere international wirkende Beratungsgesellschaften organisiert sind. Da der Beruf des Unternehmensberaters (inklusive Qualifikationsangaben) rechtlich nicht geregelt und geschützt ist, bleibt es auch Sache der Verbände, für die eigene Branche professionell-ethische Beratungsgrundsätze zu entwickeln und diese auch nicht-organisierten Beratern zu empfehlen. Diese fallen allerdings meist oberflächlich und interessenlastig aus. So bleibt es oft bei rein wachstums- oder umsatzorientierten Studien über den Unternehmensberatungsmarkt als Professionalisierungsersatz. Zudem liegt das praktische Ethikmanagement von Beratungsdienstleistungen, das gerade bei Compliance institutionellen, ordnungspolitischen Ethikvorstellungen folgt, in der Hand des Managements. Dessen rechtliche Rolle ist im Rahmen des Unternehmens als juristischer Person nach wie vor ungeklärt. Top-Management-Fraud kann anstecken und moralische Zwangssituationen auf die Beratungsprojektebene übertragen. Letztlich hängt dann alles von individuellem Whistleblowing und Zivilcourage ab. Heißt das eventuell, dass die Unternehmensethik individualethische Perspektiven ausblendet?

VI

Vorwort

Dieses Buch verarbeitet die langjährigen praktischen Erfahrungen des Autors als Unternehmensberater zu Lösungsansätzen und Handlungsempfehlungen, in die auch interdisziplinär wissenschaftliche Kompetenz eingeht. Seine Vorschläge basieren auf einem bestimmten Konzept der Beratungsethik, der so genannten Klugheits- und Tugendethik. Sie setzen eine kooperative Projektkultur und ein günstiges moralisches Klima für die Integration neuer Mitarbeiter und für das moralische Dazulernen voraus. Der Erfolg tritt nur ein, wenn Projektmanagement beherrscht wird. Diese Methodik fristet allerdings in der Unternehmensberatung noch ein Stiefmütterchen-Dasein. Eine fundierte inhaltliche Auseinandersetzung mit der komplexen Thematik durchzieht die einzelnen Kapitel, und auch ein umfangreicher Serviceteil auf der Homepage des Oldenbourg-Verlages für die Leser, der sich auch als Grundlage für Arbeitshilfen im eigenen praktischen Kontext verwenden lässt. Er enthält u.a. Informationen zu Fallbeispielen, allgemeinen und Unternehmensethikansätzen, insbesondere zu Maßnahmen für Beratungsprojekte, zur Ethik-Beratung, ethischen Aus- und Weiterbildung, Ethikforschung sowie zahlreiche weitere Quellen.

Dr. Johannes Brinkmann Professor of Business Ethics Dept. of Strategy & Logistics BI Norwegian School of Management Oslo, Norway

Inhaltsübersicht Vorwort Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Übersicht über die Inhalte des Service-Teils

V IX XIII XV XVII 319

Inhaltsverzeichnis 1

Übersicht

1

2

Verständnis von Ethos, Moral, Ethik

3

2.1

Worum es geht: Vom moralisch Guten................................................................... 3

2.2

Ethos als Teil von Moral und Sitte.......................................................................... 4

2.3

Moral....................................................................................................................... 5

2.4

Ethik........................................................................................................................ 6

2.5 2.5.1 2.5.2

Werte und Normen.................................................................................................. 8 Werte....................................................................................................................... 8 Moralische Werte und Normen............................................................................... 10

3

Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

3.1

Worum es geht ........................................................................................................ 15

3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3

Beitrag der so genannten Beratungsforschung........................................................ Begriffliche Abgrenzung......................................................................................... Unternehmensberatung als people-business............................................................ Zum relativen Beratungserfolg ...............................................................................

16 17 18 19

3.3 3.3.1

Ordnung nach Dimensionen.................................................................................... Institutionale Dimension mit vergessenen KMU als Adressaten ............................ Beratungsträger ....................................................................................................... Beratungsadressat ................................................................................................... Funktionale Dimension........................................................................................... Dimension Beratungsobjekt.................................................................................... Dimension Organisation ......................................................................................... Entscheidungen der Unternehmensführung und Beratungsstrategie....................... Beratungs- und Projektorganisation........................................................................ Dimension Beratungssystem................................................................................... Rollenspezifisches Berater-Kunden-Verhältnis ...................................................... Doppelte Systemperspektive................................................................................... Dienstleistungsdimension ....................................................................................... Dimension Beratungsprozess als Projekt ................................................................ Projekt und Projektmanagement ............................................................................. Phasenablauf in Organisationsarbeit und Projektmanagement ............................... Kommunikation und Informationsaustausch im Team ...........................................

22 23 23 24 26 30 32 32 34 36 37 39 43 46 46 51 53

3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6 3.3.7

15

X

Inhaltsverzeichnis

3.3.8

Instrumentell- methodische Dimension .................................................................. 57 Zur Methodik.......................................................................................................... 57 Beispielhafte Einzelmethoden ................................................................................ 58

3.4

Ressource Beraterwissen: Vermittlung zwischen Theorie und Praxis.................... 60

4

Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

4.1

Worum es geht........................................................................................................ 65

4.2 4.2.1 4.2.2

Moral in der Wirtschaft .......................................................................................... 65 Zur Wirtschaftskriminalität..................................................................................... 66 Aktuelle Wertvorstellungen.................................................................................... 68

4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3

Moral in der Unternehmensberatung ...................................................................... 70 Fehlendes Berufsrecht und brüchiger Berufsregelungsrahmen .............................. 71 Prinzipielle moralische Anfälligkeit ....................................................................... 77 Moralische Risiken in Beratungsprojekten............................................................. 79 Übergreifende/begleitende professionell-moralische Risiken ................................ 80 Moralische Risiken in der Beratungsprojektvorphase ............................................ 81 Professionell-moralische Risiken in der Projektstartphase ..................................... 83 Professionell-moralische Risiken in der Zielvereinbarungsphase .......................... 84 Professionell-moralische Risiken in der Realisierungsplanungsphase ................... 84 Professionell-moralische Risiken in der Phase der Realisierung und Steuerung.... 85 Professionell-moralische Risiken in der Abschlussphase ....................................... 86 Professionalisierungsersatz: Umsatzorientierte Studien zum Unternehmensberatungsmarkt? .............................................................................. 86 Kontext ................................................................................................................... 86 Marktanalysen und Marktstudien ........................................................................... 87 Ausgewählte Ergebnisse zur Anbieterstruktur........................................................ 89 Marktpräsenz und Kundenzufriedenheit................................................................. 95 Defizitäre Nachfrage nach Beratungsleistungen in KMU ...................................... 98 Resümee: Wandel zum Besseren? ......................................................................... 101

4.3.4

4.4 4.4.1 4.4.2

65

4.4.3 4.4.4

Defizite praktischen Ethikmanagements................................................................ 103 Corporate Governance als Rahmen ....................................................................... 104 Internes Ethikmanagement und externe Ordnungsversuche .................................. 106 Internes Compliance vor Integrity ......................................................................... 106 Überbetrieblicher Rahmen..................................................................................... 113 Corporate Social Responsibility: Nonplusultra-Ethik?.......................................... 116

4.5

Die Mär vom rationalen wirtschaftlichen Handeln................................................ 122

5

Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4

Worum es geht....................................................................................................... 127 Verortung in der Aufklärung ................................................................................. 127 Metaethik, deskriptive und normative Ethik.......................................................... 131 Materiale und formale Verfahrenweisen ethischer Reflexion................................ 132 Aufgliederung der normativen Ethiken ................................................................. 134

127

Inhaltsverzeichnis

XI

Teleologische Ansätze ........................................................................................... 135 Deontologische Ansätze......................................................................................... 135 5.2

Merkmale allgemeiner Ethikansätze ...................................................................... 136

5.3

Von Einzel-Moralen zur Ethik des sozialen Ganzen.............................................. 137

5.4 5.4.1 5.4.2

5.4.4 5.4.5 5.4.6

Unternehmensethik ................................................................................................ 141 Der Homo oeconomicus als anthropologische Konstante...................................... 141 Die Unternehmung................................................................................................. 144 Merkmale ............................................................................................................... 145 Das Recht............................................................................................................... 148 Die Unternehmensverfassung und die Institution Recht ........................................ 148 Wirtschafts- und Unternehmensrecht..................................................................... 152 Privat- und öffentliches Recht................................................................................ 157 Ausgewählte Ansätze der Unternehmensethik....................................................... 161 Individual-, Institutionen-, Sozial- und Öffentlichkeitsethik als Problem.............. 164 Einige Konsequenzen für Unternehmensberatung................................................. 165

5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.5.4

Ethische Kritik aus sozio-kultureller Sicht ............................................................ 167 Kulturethische Voraussetzungen............................................................................ 168 Dominanz der Welt 1 ............................................................................................. 172 Außerökonomische Ethik als konkrete Utopie....................................................... 173 Kulturelles Potential von Reziprozitätsbeziehungen.............................................. 175

6

Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

6.1

Worum es geht ....................................................................................................... 179

6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3

Berufsnormen zur professionell-ethischen Steuerung und Unternehmensethik..... 180 Unternehmensethik und Berufsethik...................................................................... 180 Berufsrechtliche und berufsethische Normen ........................................................ 182 Berufsethische Basisnormen .................................................................................. 185 Glaubwürdigkeit .................................................................................................... 185 Vertrauenswürdigkeit............................................................................................. 186 Zuverlässigkeit....................................................................................................... 186 Verantwortung ....................................................................................................... 186 Berufswürdigkeit.................................................................................................... 187 Integrität................................................................................................................. 188 Objektivität ............................................................................................................ 189

6.3 6.3.1

Effizienz und Effektivität: Beratungsqualität als Professionalisierungsfaktor....... 189 Beratungsqualität und Effizienz............................................................................. 190 Verständnis von Effizienz...................................................................................... 190 Input: Kostenkalkulation und Honorierung ........................................................... 192 Nutzen als Output: Beratungsqualität .................................................................... 197 Beratungsqualität und Effektivität ......................................................................... 203 Verständnis von Effektivität .................................................................................. 203 Vergessene Qualitätsdimension: Verdiente Reputation aus Geschäftsbeziehungen .................................................. 203

5.4.3

6.3.2

179

XII

Inhaltsverzeichnis Erfolg in Beratungsprojekten................................................................................. 209

6.4 6.4.1

6.4.2

Berater als Rollenträger ......................................................................................... 212 Rollen in der Unternehmensberatung .................................................................... 212 Basisrollen als Ergebnis der Sozialisation ............................................................. 213 Beraterhandeln in Berufsrollen.............................................................................. 219 Rollenhandeln in Beratungsprojekten und moralische Konflikte .......................... 225 Schlüsseltugenden und Kompetenzen des Beraters ............................................... 233 Zur Einordnung: Charakter und Persönlichkeit ..................................................... 233 Handlungskompetenzen für Beratungsprojekte ..................................................... 237 Die Zivilcourage eines Whistleblowers als Kompetenzbeispiel ............................ 241

7

Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

7.1

Worum es geht....................................................................................................... 247

7.2 7.2.1

Unternehmenskultur und Leitbildprozess .............................................................. 249 Rahmenentscheidung für Lean Organization......................................................... 249

7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3

Unternehmenskultur: Vom Ist zum Soll ................................................................ 250 Definitionsversuch................................................................................................. 250 IST-Unternehmenskultur ....................................................................................... 253 SOLL-Kultur ......................................................................................................... 256

7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3

Leitbildprozess....................................................................................................... 260 Zur Einordnung...................................................................................................... 260 Ethische Perspektive.............................................................................................. 261 Handlungsmaximen und Grundsätze ..................................................................... 265

7.5 7.5.1 7.5.2 7.5.3

Moralisches Beratungsprojektklima ...................................................................... 268 Sozialer Kontext .................................................................................................... 268 Sozialisationskonzept moralisches Klima.............................................................. 270 Zentrale Dimensionen eines moralischen Klimas.................................................. 274 Professionell-ethisches Basiskonzept .................................................................... 274 Wertebereich Leistung und Arbeit......................................................................... 275 Macht, Interesse, Maß............................................................................................ 276 Operative Gemeinschaftlichkeit ............................................................................ 277 Ausgewählte Personalmanagementmaßnahmen zur Aktivierung moralischer Wertekompetenz .................................................................................................... 279 Organisatorische Sozialisation zur Eingliederung und Bindung............................ 279 Selbstkonzept: Moralischer Wertewandel über Konflikte ..................................... 282

7.5.4

8

Resümee und Aussichten

247

289

Quellen

291

Stichwortverzeichnis

315

Übersicht über die Inhalte des Service-Teils

319

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Überblick..................................................................................................................... 2 Abb. 2: Ethos, Moral, Sitte und Ethik...................................................................................... 3 Abb. 3: Einflussfaktoren für moralisches Verhalten .............................................................. 11 Abb. 4: Übersicht zum Verständnis des Systems Unternehmensberatung............................. 16 Abb. 5: Dimensionen des Beratungserfolgs ........................................................................... 21 Abb. 6: Dreidimensionaler Anwendungsraum der Unternehmensberatung........................... 31 Abb. 7: Berater-Kunden-Verhältnis als Kontinuum von Beraterrollen.................................. 38 Abb. 8: Unternehmensberatung als Dienstleistung (Prinzipskizze) ....................................... 44 Abb. 9: Phasenmodell des Beratungsprozesses...................................................................... 52 Abb. 10: Ablaufphasen im Management von Beratungsprojekten......................................... 53 Abb. 11: Zur professionell-ethischen Steuerung der Unternehmensberater........................... 71 Abb. 12: Das Drei-Säulen-Modell von CSR (nach EU-Grünbuch 2001) ............................ 118 Abb. 13: Bereiche wissenschaftlicher Ethik ........................................................................ 131 Abb. 14: Zur sozialen Handlungsstruktur von Moral und Ethik .......................................... 138 Abb. 15: Der magische Trichter des Homo oecomicus........................................................ 142 Abb. 16: Ebenen der Wirtschafts- und Unternehmensethik................................................. 162 Abb. 17: Die Zwei-Welten-Konzeption von Wirtschaftstheorie und Praxis........................ 171 Abb. 18: Worum es bei der Umsetzung in Beratungsprojekte geht ..................................... 180 Abb. 19: Merkmale der Beratungsqualität in Steuerungsansätzen....................................... 198 Abb. 20: Operationalisierung der Qualitätskosten und des Qualitätsnutzens in der Unternehmensberatung ......................................................................................... 201 Abb. 21: Corporate Reputation: Einfluss- und Wirkungsbereich ........................................ 205

XIV

Abbildungsverzeichnis

Abb. 22: Zur integrierten Reputationsmessung ................................................................... 209 Abb. 23: Fünf Entwicklungsstufen zum ethisch reflektierten moralischen Handeln ........... 218 Abb. 24: Funktionales Rollenmodell in der Unternehmensberatung ................................... 220 Abb. 25: Zur Ökonomie des Vertrauens in Beratungsprojekten.......................................... 232 Abb. 26: Systematik zur Ermittlung des Kompetenz- und Qualifikationsbedarfs ............... 239 Abb. 27: Übersicht Leitbildprozess für Veränderungen (Bausteine) ................................... 261 Abb. 28: Typen von moralischem Klima (nach Brinkmann 2005)...................................... 272 Abb. 29: Idealtypisches Design des moralischen Klimas .................................................... 273 Abb. 30: Mögliche Sozialisationstaktiken für die Eingliederung von Beratern................... 282 Abb. 31: Prozedere der konfliktorientierten Werteerziehung .............................................. 284 Abb. 32: Zur professionell-ethischen Verbesserung aktueller Moral .................................. 287

Tabellenverzeichnis Tab. 1: Industrieberatung, Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung ............................................ 17 Tab. 2: Beratungsobjekte nach Fachgruppen, Auftragsschwerpunkten, Fachverbänden ....... 32 Tab. 3: Merkmale des objektorientierten Beratungskonzepts ................................................ 39 Tab. 4: Merkmale der subjektorientierten Beratungskonzeptionen........................................ 41 Tab. 5: Merkmale von Beratungsdienstleistungen ................................................................. 45 Tab. 6: Folgen einer Projekt-Nicht-Kultur ............................................................................. 48 Tab. 7: Aspekte des Managements von Beratungsprojekten.................................................. 50 Tab. 8: Unternehmensberatung in den Zusammenhängen von Theorie und Praxis ............... 62 Tab. 9: Merkmale von Segmenten der Managementberatung................................................ 91 Tab. 10: Definition der Image-Beratungsbereiche ................................................................. 97 Tab. 11: Ergebnisse für Kundenzufriedenheit und Beratungskompetenz .............................. 98 Tab. 12: Unterschiede zwischen Compliance-Ansatz und Integrity-Ansatz ........................ 108 Tab. 13: Ausgewählte Ethikmaßnahmen ............................................................................. 111 Tab. 14: Corporate Social Responsibility im Vergleich....................................................... 118 Tab. 15: Antinomien ‚consumer ethics and marketing ethics‘............................................. 121 Tab. 16: Paradoxe Rationalität............................................................................................. 123 Tab. 17: Merkmale der modernen Ethik .............................................................................. 128 Tab. 18: Gruppierung allgemeiner ethischer Ansätze .......................................................... 129 Tab. 19: Kritik der formalen monologischen Ethik ............................................................. 134 Tab. 20: Verweise auf Sitte und Moral im Recht................................................................. 151 Tab. 21: Bereiche des Wirtschaftsrechts .............................................................................. 153 Tab. 22: Unternehmensbegriff in Rechts- und Wirtschaftswissenschaft ............................. 154 Tab. 23: Alternative Verantwortungssystematik.................................................................. 156

XVI

Tabellenverzeichnis

Tab. 24: Kulturbegriff in der Ethik ...................................................................................... 169 Tab. 25: Merkmale der Welt 2 als konkrete Utopie............................................................. 174 Tab. 26: Vorzüge sozialer Netzwerke für Moral und Ethik................................................. 177 Tab. 27: Fünf Vorgehensalternativen in der Beratungsprojektkalkulation .......................... 195 Tab. 28: Charakterisierung verschiedener Vergütungsformen ............................................ 197 Tab. 29: Zur Operationalisierung der Beratungsqualität...................................................... 200 Tab. 30: Möglichkeiten der Analyse der Qualitätskosten und des Qualitätsnutzens ........... 202 Tab. 31: Entwicklungsmodelle von Piaget und Kohlberg.................................................... 216 Tab. 32: Kritik an Kohlbergs Ansatz ................................................................................... 217 Tab. 33: Zentrale Berufsrollen in der Unternehmensberatung............................................. 227 Tab. 34: Checkliste Rollenhandeln in Beratungsprojekten.................................................. 228 Tab. 35: Konflikte in Unternehmensberaterrollen ............................................................... 229 Tab. 36: ‚Gute‘ Unternehmensberatung aus Klugheits- und Tugendsicht ........................... 231 Tab. 37: Vorgehensweise von Whistleblowern in der Unternehmensberatung ................... 244 Tab. 38: Übersicht zu Maßnahmen...................................................................................... 248 Tab. 39: Verbindung des funktionalen und kommunikativen Ansatzes der Unternehmenskultur .............................................................................................. 254 Tab. 40: Kooperative Beratungsprojektkultur ..................................................................... 259 Tab. 41: Ethische Kompetenzen für Beratungsprojekte ...................................................... 263 Tab. 42: Anforderungen an klugen Gemeinsinn und Gemeinschaftlichkeit ........................ 264 Tab. 43: Berücksichtigung unterschiedlicher Sichtweisen in Ethikmaßnahmen ................. 285

Abkürzungsverzeichnis AWMF

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

APA

American Psychological Association

ACM

Association for Computing Machinery

AGB

Allgemeine Geschäftsbedingungen

ALG

Arbeitslosengeld

AMAC

America’s Admired Companies

AMCF

Association of Management Consulting Firms

ARIS

Architektur integrierter Informationssysteme

ASCE

American Society of Civil Engineers

ASCO

Association of Management Consultants Switzerland

BBU

Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz

BCG

Boston Consulting Group

BDA

Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeber

BDI

Bundesverband der Deutschen Industrie

BDP

Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen

BDSU

Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberatung e.V

BDU

Bundesverband Deutscher Unternehmensberater e.V.

Bdvb

Bundesverband Deutscher Volks- und Betriebswirte

Bfub

Bundesverband für Umweltberatung

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

BIP

Bruttoinlandsprodukt

BSC

Balanced Scorecard

BVW

Bundesverband der Wirtschaftsberater e.V., Bundesverband der Wirtschaftsberatenden Berufe, Berufs- und Standesorganisation der Beratenden Volks- und Betriebswirte

BWL

Betriebswirtschaftslehre

CASE

Computer-aided software engineering

CASRO

Council of American Survey Research Organizations

CEO

Chief Executive Officer

CFO

Chief Financial Officer

CFP

Corporate Financial Performance

CMC

Certified Management Consultant

COBIT

Control Objectives for Information and Related Technology

COSO ERM

Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission Enterprise Riskmanagement

CSP

Corporate Social/Environmental Performance

DGMF

Deutsche Gesellschaft für Managementforschung mbH

DGPuK

Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft

DIN

Deutsche Industrienorm

EASA

European Agency Security Aircraft

EASD

European Association of Securities Dealers

ECPD

Engineers’ Council for Professional Development

eCRM

electronic customer relationship management

ECRS

European Centre for Reputation Studies

EDV

Elektronische Datenverarbeitung

EFTA

European Fair Trade Association

EIRIS

Experts In Responsible Investment Solutions

EMA

Euro-Mediterranean Association for Cooperation and Development

EMEA

Europe, Middle East, Africa

Abkürzungsverzeichnis EMS

Ethikmanagementsysteme

ENEX

European News Exchange

ERP

Enterprise Resource Planning

EStG

Einkommensteuergesetzgebung

EU

Europäische Union

EACME

European Association of Centres of Medical Ethics

FEANI

Fédération international d`Associations Nationales d`Ingenieurs

F&E

Forschung & Entwicklung

FhG

Fraunhofer Gesellschaft

FSG

Federal Sentencing Guidelines

FUD

Fachverband Unternehmensberatung & Informationstechnologie der Wirtschaftskammer Österreich

GBO

Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung

GG

Grundgesetz

GI

Gesellschaft für Informatik e.V.

GMAC

Global Most Admired Companies

GPM

Gesellschaft für Projektmanagement

GRI

Global Reporting Initiative

GIZ

Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

HGB

Handelsgesetzbuch

HK

Handelskammer

HRM

Human Resource Management

IAS

International Accounting Standards

IAO

Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation

IASCF

International Accounting Standards Committee Foundation

IBWF

Institut für Betriebsberatung, Wirtschaftsförderung und -forschung

ICC

International Conference on Communications

ICCO

International Communications Consultancy Organisation

XIX

XX

Abkürzungsverzeichnis

ICMCI

International Council of Management Consulting Institutes

IDW

Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland

IEEE

Institute of Electrical and Electronics Engineers

IFAC

International Federation of Accountants

IFAT

International Fair Trade Association

IFIP

International Federation for Information Processing.

IfM

Institut für Mittelstandsforschung

IFRS

International Financial Reporting Standards

IFSW

International Federation of Social Workers

IHK

Industrie- und Handelskammer

ILO

International Labour Organization

IMCS

Institute of Management and Consulting Science

IMD

International Institute for Management Development

IPA

Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung

IPAC

International Auditing Practice Committee

IQWiG

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen

ISA

International Standards on Auditing

ISACA

Information Systems Audit and Control Association

ISO

Internationale Organisation für Normung/International Organization for Standardization

ITGI

IT-Governance Institute

ITIL

IT Infrastructure Library

IuK

Informations- und Kommunikationstechnologien

IT

Informationstechnik

IVCG

Internationale Vereinigung für christliche Geschäftsleute und Führungskräfte

JCNetwork JuniorConsultantsNetwork KMU

Kleine und mittlere Unternehmen

KMU-HSG Kleine und mittlere Unternehmen-Hochschule St. Gallen KVP

Kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Abkürzungsverzeichnis

XXI

M&A

Mergers & Acquisitions

NGO

Non-Governmental Organization

OECD

Organisation for Economic Co-operation and Development,

ÖvS

Österreichische Vereinigung für Supervision

OLG

Oberlandesgericht

OWIG

Ordnungswidrigkeitsgesetz

PartGG

Partnerschaftsgesellschaftsgesetz

PIDA

Public Interest Discloser Act

PIMS

Profit Impact of Market Strategies

PWC

PriceWaterhouseCoopers

RARE

Rhetoric And Realities: Analysing Corporate Social Responsibility in Europe

RKW

Rationalisierungskuratorium der deutschen Wirtschaft bzw. Rationalisierungsund Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e.V. Kompetenzzentrum

RoC

Return on Consulting

RQ

Reputational Quotient

SAS

Statement of Accounting Standard

SEC

Securities and Exchange Commission

SOX

Sarbanes-Oxley

SRI

Socially responsible investing

StBerG

Steuerberatungsgesetz

StGB

Strafgesetzbuch

stopp

Strafprozessordnung

SVR

Sustainable Value Report

TIM

Transfer innovativer Unternehmensmilieus

TME

Telekommunikation, Informationstechnik, Medien, Elektronik

UBIT

Unternehmensberatung und Informationstechnologie, Fachverband der Wirtschaftskammer Österreichs

UIA

Union of International Associations

UN

United Nations

XXII UNCAC

Abkürzungsverzeichnis United Nations Convention against Corruption

US-GAAP United States Generally Accepted Accounting Principles UWG

Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb

VBP

Vereidigter Buchprüfer

VDI

Verein Deutscher Ingenieure

VOL

Vergabe- und Vertragsordnung (Verdingungsordnung) für Leistungen

VOB

Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen

VWL

Volkswirtschaftslehre

WBCSD

World Business Council for Sustainable Development

WEF

Word Economic Forum

WIFU

Wittener Institut für Familienunternehmen

WPK

Wirtschaftsprüferkammer

WPO

Wirtschaftsprüferordnung

1

Übersicht

Wen wundert es, dass die Verantwortlichen der Banken- und Finanzkrise nichts dazugelernt haben, so weiter machen wie bisher und Regierungen dem neuen ungezügelten ManchesterLiberalismus mit sozial-darwinistischem Zuschnitt wenig entgegen zu setzen haben. Sagte doch Milton Friedman schon am 13.09.1970 im New York Times Magazin: „The sozial responsibility of business is to increase its profit“ (S. 32). Dass das strategische Denken des Großteils von Unternehmensleitungen trotz des Vorrangs des Gewinninteresses nicht mehr die unterste Stufe moralischer Urteilsfähigkeit beherrscht, sei unbestritten. „Von der höchsten Stufe moralischen Handelns, auf der ethische Grundsätze, wie Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit uneigennützig verfolgt werden, sind wir allerdings noch weit entfernt. Ein solches Handeln ist auch ohne eine Änderung des rechtlichen und sittlichen Umfeldes, in dem Unternehmer und Manager agieren, nicht zu erwarten […]“ (Staehle 1991a, S. 581). Eine aktuelle Befragung von 200 deutschen und Schweizer Führungskräften aus allen Branchen (Kohtes 2009, S. 100–103) bestätigt diese Aussage. Danach pflegen Manager lediglich einen pragmatischen Umgang mit dem ethischen Gewissen als innerem Maßstab und legen in bestimmten Situationen ethische Fragen nicht auf die Goldwaage. Auch ethische Leitlinien zum Corporate Social Responsibility (CSR) im Geschäftsalltag spielen für den Großteil der Befragten eine untergeordnete Rolle oder erfüllen sogar eine Feigenblattfunktion. Nach einer Untersuchung von PricewaterhouseCoopers (PwC) kann dem Großteil der befragten 1000 Top-Manager zwar eine positive ‚Gesinnungsethik‘ bezüglich des möglichen Beitrags von CSR für die Profitabilität unterstellt werden (Gazdar, Kirchhoff 2004, S. 9). Doch moralisches Wissen und Handeln müssen bei Erwachsenen nicht kongruent sein. So ist nicht verwunderlich, dass CSR nach Ergebnissen eines Rare-Projekts sogar nur bloße Rhetorik sein soll (Barth, Wolf (Hrsg.) 2009). Dagegen will Ulrich, Professor für Wirtschaftsethik in St. Gallen, einen positiven Trend zur Anlage in Produkte von DAX-Unternehmen beobachtet haben, die CSR-Prinzipien anwenden (ARD-Mittagsmagazin, Börsennachrichten, 10.11.2009). Dennoch bleibt die „anständigste Art der Geschäftsführung […] auch die beständigste“ (Robert Bosch). Nach diesem moralischen Prinzip richtet sich der Großteil der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), zu denen auch Familienunternehmen zählen (BMWI/ZEW 2008). Naber drückt es aus Sicht eines verantwortungsvollen Unternehmers so aus: „Ein Unternehmen, das nicht im Interesse seiner Kunden handelt, nicht ehrlich und anständig mit ihnen umgeht, kann nicht bestehen. […] Die Ethik darf der Unternehmer nie außer Acht lassen. Sie muss sein Tun und Handeln bestimmen.“ (Naber u.a. 2002, S. 19). Offensichtlich liefern die Beratungsforschung und Ethik-Ansätze im Reservat „Wissenschaft“ kaum eine objektive Grundlage für eine institutionelle Beratungsethik und indivi-

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1 Übersicht

dualethische Berufsethik. Manche Wissenschaftler legitimieren implizit mit ethisch rationalen Letztbegründungen auf insitutioneller Ebene die bestehende Management-Praxis und das Verhältnis zwischen „Führenden“ und „Ausführenden“. Das Buch entwickelt dagegen Lösungsvorschläge und Handlungsempfehlungen aus Sicht einer Tugend- und Klugheitsethik in der Unternehmensberatung für ‚whistleblower‘ im Beruf und Persönlichkeiten mit Zivilcourage. Dies fördert die Reputation von Beratungs- und Kundenunternehmen, wenn beide im Beratungsprozess erfolgreich zusammen arbeiten. Der umfassende Service-Teil auf der Verlagshomepage (http://www.oldenbourg-verlag.de/wissenschaftsverlag/unternehmensethik-undconsulting/9783486586893) bietet dafür Informationen über Fallbeispiele zum Verständnis von Unternehmensberatung (1), zur Moral in Wirtschaft und Unternehmensberatung (2), allgemeiner- und Unternehmensethik (3), Beratungs- und Berufsethik (4), professionellethische Maßnahmen in Beratungsprojekten (5), Beratung CSR/Ethik (6.1), Ausbildung/ Lehrgänge/Programme Ethik (6.2), Weiterbildungs-/Schulungsveranstaltungen Ethik (6.3), Ethik-Forschung (6.4) sowie zahlreiche weitere Quellen (7). Der Service ist eine Grundlage für die Entwicklung bedarfsgerechter Arbeitshilfen im jeweiligen Praxiskontext. Die folgende Gliederung vermittelt einen inhaltlichen Überblick über das Buch:

Verständnis Kap. 2: Ethos, Moral, Ethik

Kap. 3: Unternehmensberatung

Ausgangssituation Kap. 4: Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

Kap. 5: Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

Konzept Kap. 6: Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

Kap. 7: Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

Kap. 8: Resümee und Aussichten Service (Online) Beispiele (Defizite Moral) Abb. 1: Überblick

Professionell-ethische Beratung, Aus-/WeiterAllgemeine, UnterMaßnahmen für bildung, Forschung zur nehmens-, Berufsethik Beratungsprojekte Ethik (URLs, Quellen)

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Verständnis von Ethos, Moral, Ethik

Das Thema Ethik und Moral ist komplex. Viele Basisethiken bleiben bei aller Eigenständigkeit miteinander verzahnt, manchen fehlt der Bezug zur sozialen Realität. Über ihre Integration herrschen divergierende Ansichten.

Ethos

Sittlichkeit Moral

Ethik

Abb. 2: Ethos, Moral, Sitte und Ethik

2.1

Worum es geht: Vom moralisch Guten

Ethiker können vom Standpunkt des Seins aus (Ontologie) das Gute und das moralisch Gute nur schwer auseinander halten: • Relativität des Guten aus Sicht des formalen Selbstbezugs eines Subjekts (Motivation): Im jeweiligen sozialen Kontext Nützlichkeit fast jeden Gegenstands als solcher • Das moralisch Gute unabhängig von der konkreten Realität und unter der Voraussetzung der Entscheidungsfreiheit: – Keine Bezeichnung von Gegenständen und Sachverhalten als moralisch gut oder böse – Aus Sicht der Moralität Betonung eines normativen Geltungsanspruchs (Sollen): Ethische Beurteilung des moralisch Richtigen oder Falschen an Hand des Grads der tatsächlichen Übereinstimmung der äußeren Handlung mit dem innerlich moralisch Geforderten.

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2 Verständnis von Ethos, Moral, Ethik

Kernansätze sind von daher gesehen im Vorgriff auf spätere Abschnitte: • Die objektive Strebensethik (v.a. von Aristoteles (384–322 v. Chr.): – Standpunkt einer wertneutralen Faktensicht – Dem Willen (Sollen) vorgegebenes Ziel: Die in der Erziehung und durch Übung erworbene Tugend zum guten, gelungenen, glücklichen Leben (Sein) – In der Gemeinschaft Konsens über das gute und gerechte Miteinanderhandeln (z.B. die Lastenverteilung) • Der klassische Utilitarismus von Jeremy Bentham (1748–1832) und John Stuart Mill (1806–1873): – Bestimmung des Handelns eines jeden Individuums dadurch, dass es gleichzeitig allen nutzt – Das Gute (lat. utilitas Nutzen) als Gesamtnutzen des individuellen Nutzens aller – Priorität der Maximierung des Glücks insgesamt vor der Minimierung des Leids des Einzelnen • Die vernünftige „Gut-Böse“- oder die Pflichtenethik von Kant (1724–1804 n. Chr.): – das Gute (Sein) als Ergebnis eines autonomen Willens (Sollen), der unabhängig von konkreten Handlungen, Glück, sinnlichen Antrieben (Motivation) und Leidenschaften ist – Sittlichkeit: verpflichtendes Faktum der Vernunft und pflichtgemäßen Handelns nach Maximen (Moralität). • Diskursethiker wie Apel (geb. 1922) und Habermas (geb. 1929) oder Gesellschafts- oder Vertragstheoretiker wie Rawls (1921–2002): Überwindung/Milderung des Rechten als Maximierung des Guten durch die gerechte Verteilung des Wohlstandes • Ergänzende Ethiken: – Verlassen der Ebene der strengen normativen Letztbegründung moralischer Urteile – Herstellung eines Bezugs zur sozialen Realität und Kultur – Klugheitsethik z.B.: Vorschlag, was für Akteure und Institutionen ratsam ist.

2.2

Ethos als Teil von Moral und Sitte

Der Begriff éthos als institutionelle Gewohnheit spiegelt den Zusammenhang zwischen „½θος“ (ēthos, griech. „Gewohnheit, Sitte, Brauch“) und „œθος“ (ethos, griech. „Charakter, Sinnesart, Brauch, Sitte, Gewohnheit“) wider. Diese relativ bewusste innere Moral (morality) ist im Vergleich zu Ethik und Moral nicht rational begründungspflichtig, sondern gilt im jeweiligen historischen Kontext als faktische Moral und Sitte für ein Individuum, eine Gruppe oder einen ganzen Berufsstand. Kultur weist so dem Ethos eine öffentlich geltende Rolle zu, z.T. über eine berufliche Ausbildung. Sittlichkeit ist dabei: • Einerseits die relativ invariante Gesamtheit von Sitten als einer institutionellen, d.h. einer objektiv geltenden, verbindlich einhaltungswürdigen Größe im Rahmen einer Kultur, die eine soziale Gruppe hat; • Andererseits die Grundlage des Geltungsanspruchs von Sitte.

2.3 Moral

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Sittlichkeit und Ethos verleihen menschlichem Handeln einen Sinn, der sowohl von Eigeninteresse in Form von Klugheit als auch von einer moralischen Orientierung geprägt ist. Leben kann sittlich gelingen oder nicht. Von daher gesehen können die Angehörigen eines Berufsstands zur Stärkung ihrer Gemeinschaft und Kooperation auch moralische Sanktionen beschließen, die ethisch reflektiert sind: • Über Naming and Shaming oder • In Form sozialer Missachtung gegenüber opportunistischen Abweichlern. Das Recht als Institution für Unternehmungen (Kap. 5.4.3) kann dies unterstützen. Es verfolgt dabei aber keinen ethischen Begründungsanspruch nach objektiven Wahrheitskriterien. Es steht dabei auch in einem Verhältnis zur Sittlichkeit: • Keine legale Wirkung von sittlichen Normen (z.B. Hilfsbereitschaft) per se • Formalisierung gegebener Handlungsnormen (bestehende Moral) über Gesetze: Legal wird, was sittlich gut ist, und illegal, was sittlich schlecht ist. • Unabhängig davon: – einfach legale Gesetze, z.B. Vereinbarungen wie das Rechtsfahrtgebot – einfach illegale Gesetze, z.B. Arbeitsverbot für Juden in der Nazi-Zeit. Das Recht hat sich eine Zeit lang schwer getan, das unbestimmbare Sittengesetz (Art. 21 GG) oder den Verweis auf die guten Sitten im Rechtsgeschäft (§ 138 BGB) wegen fehlender Konkretion herauszuhalten. Selten holt das Recht sich Entscheidungsräume nach Sitte und Moral zurück. Noch seltener wirkt Recht wie in der zusammengefassten Umweltschutzgesetzgebung des Strafrechts sittenbildend. Vom ausstehenden Unternehmensstrafrecht verspricht man sich vielleicht genau das. Meist wird aber seit Kant zwischen Legalität und Moralität konsequent unterschieden. Bleiben Gewissen, Stärke des Vorsatzes und Tugend auf der Strecke?

2.3

Moral

Moral geht zurück auf mores = Sitte, das Cicero in Ethos übersetzte. Der Komplex Moral und Sitte setzt sich zusammen aus der Gesamtheit von soziokulturellen Handlungsnormen, Wertorientierungen, Sinnvorstellungen, Wertmaßstäben, Riten, Sitten, Gebräuchen und Prinzipien, die nicht nur moralischer Natur sind. Dieser Komplex ist ohne ethische Reflexion dem Willen des Einzelnen weitgehend entzogen. Das betrifft auch den Teil, der schon zu geltendem positiven Recht mit Sanktionen beim Verstoß gegen seine Zwangsnormen geworden ist. Moral ist nicht Moral: • Moral als Sittenlehre (engl. morality) • Geltungsbereich der Moral: alle Menschen hinsichtlich der Wirkung jener • Standesmoral (Ethos): Repräsentation eines spezifischen moralischen Status, auf deren Grundlage die Angehörigen sich und andere moralisch beurteilen • Menschen in sozialen Zusammenhängen und Beziehungen (engl. moral standards, morals): – Leben nach informellen moralischen Regeln

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2 Verständnis von Ethos, Moral, Ethik

Bewertung eigenes und fremdes Handeln nach Normen wie moralisch richtig oder falsch im Sinne von geboten, erlaubt, wertvoll oder verboten, unerlaubt, zu missachten • Individuelle Moral von Personen (persönliche Überzeugungen; aber auch Haltung, Stimmung: engl. morale): – die Personen für sich als bedeutend ansehen und – wonach sie in der Gemeinschaft als Mitbetroffene mitverantwortlich handeln • Die normative Verfasstheit öffentlicher Institutionen wie des Eigentums oder des real gelebten Ordnungsbereichs Wirtschaft, die sich im Vergleich dazu nur annäherungsweise empirisch entschlüsseln lässt. –

2.4

Ethik

Es ist in Wissenschaft und Praxis Alltag, Moral und Ethik, wie bspw. im Gabler Lexikon Unternehmensberatung, gleichzusetzen, nicht zwischen wissenschaftlicher und praktischer Ethik zu unterscheiden, und von daher recht oberflächlich zu klären, ob die Prinzipien Erfolg und Verantwortung in der Wirtschaft miteinander vereinbar sind. Ethik (altgriech. ἠθική ἐπιστήμη, ausgesprochen ēthikē epistēmē oder ethica theoria) ist eine Wissenschaft (engl. ethics mit Gegenstand morality = Sittenlehre). Ethiker (moral philosophers) reflektieren über das Ethos im Sinne von Lebensgewohnheit, Sitte, Sittlichkeit, Charakter. Aristoteles hat das Wort Ethik, das Cicero (106–43 v. Chr.) so ins Lateinische übersetzt hat, in seinen ethikes theorias eingeführt. Aristoteles unterscheidet noch nicht zwischen dem Guten für die Lebenspraxis und dem moralisch Richtigen. Die persönliche eudaimonía (altgriech. εὐδαιμονία, wörtlich: „einen guten Dämon habend“) ist dabei von konkreten Handlungen unabhängig. Zur Erreichung der Glückseligkeit sind passende Verstandes- und Charaktertugenden auszubilden. Die philosophische Reflexion auf Moral ist noch keine spezialisierte wissenschaftliche Disziplin oder Lehre vom sittlichen Wollen und moralischen Handeln. Die Nikomachische Ethik von Aristoteles – Nikomachos war sein zweiter Sohn – umfasst gewissermaßen das Nachdenken über die menschliche Lebensgestaltung und das moralisch-sittliche Verhalten. Dabei bilden in der Praxis moralische Überzeugungen zusammen mit nicht-moralischen Überzeugungen ein soziales Regelwerk. Schließlich werden moralische Tugenden wie z.B. Fairness und nicht-moralische Tugenden, die ‚kreative‘ Fähigkeiten wie z.B. Disziplin Handlungsmöglichkeiten bilden, erst zusammen mit dem Willen handlungsrelevant. Praktische Ethik ist dann jede bewusste oder einsichtige Reflexion der moralischen Regeln sozialen Handelns. Bei Aristoteles sind normative Sollens-Aussagen noch eng mit der Lebensdienstlichkeit, dem Glück, dem guten und gerechten Leben sowie mit der Ausarbeitung von Ratschlägen und Empfehlungen verknüpft. Zentrale anthropologische Fragen als Orientierung für die Lebenspraxis sind: • Was ist der Mensch bzw. sind die Menschen? • Wie soll ich – individuelle Entscheidungsfreiheit vorausgesetzt – handeln?

2.4 Ethik

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Die vernunftgeleitete Pflichtethik Kants hat diese lebensnahe Ethik abgelöst. Seit Kant hat sich Ethik ohne Bezug auf die empirische Beschreibung der faktischen Moral in eine formal verfahrene wissenschaftliche Disziplin verwandelt, die Moral nur noch wissenschaftlich qualifizieren will. Kant hat dabei den wissenschaftlichen Zweifel der Aufklärung verspielt, seine Antworten dienen nur als Grundlage für wissenschaftliche (Letzt-)Begründungen und im Höchstfall für das Geltendmachen einer ethischen Wahrheit als gutes, schlechtes und (selten) gerechten Handelns. Seine Ethik verliert die Möglichkeiten der ethischen Verbesserung faktischer Moral(en) und des Ethos einer Berufsgruppe aus dem Blick. Nach seiner wissenschaftlichen Ethik folgt ein abstrakt denkendes, einem Gott ähnelndes Überindividuum rationaler Vernunft. Innere Monologe oder Diskurse können folgende, anthropologisch ausgerichtete Frage nur formal beantworten: Was soll ich auf Grundlage dessen tun, was ich wissen kann und hoffen darf? Die nicht-wissenschaftliche Ethik in der sozialen Praxis ist dagegen immer dann konkret gefragt, wenn • Die praktizierten moralischen Regeln Risse bekommen, • Die bisherige Moral nicht mehr situationsgerecht ist oder • Unterschiedliche, gleichzeitig wirksame moralische Werte ausbalanciert werden müssen. Positiver Ausgangspunkt ist folgender: • Die Akteure folgen faktisch, d.h. gewohnheitsmäßig, schon (vgl. das Wort ‚man‘ = die Leute) ihren verinnerlichten moralisch-sittlichen Vorstellungen über gutes und gerechtes Handeln. • Gemeinsam erkennen sie diese als verbindlichen und einzuhaltenden normativen Grundrahmen für das Verhalten gegenüber den Mitmenschen, der Natur und sich selbst gegenüber an. Ortega y Gasset spricht davon (1961, S. 224), dass das sozial Gültige unabhängig vom Einzelnen da ist und einen gewissen Zwang auf ihn ausübt. Das gilt insbesondere, wenn dahinter sanktionsbewehrte Gesetze stehen, denen zu folgen ist. Darüber hinaus finden Menschen bei dieser Machtinstanz auch Rückhalt und suchen bei ihr eine Zuflucht. Dennoch impliziert Moral im Kern die Möglichkeit, Nein sagen zu können. Der einzelne muss ja, wenn er frei ist, nicht moralischen Regeln oder Sollensansprüchen folgen. Diese alternative Sichtweise klammert der Großteil der Ethiken aus, am wenigsten die, die auf den Diskurs bauen. Folgen sind: • Keine alternative Gestaltung des offenen Raums individueller Freiheit, in dem sich Moral und Ethik begegnen, • Für den Großteil der Gesellschaftsmitglieder Verkehrung des Sollens zum Müssen, was durchaus die bestehende Grundentfremdung im Berufs- und Privatleben abbildet. Innere moralische Ordnung unterstützt – sprachlich symbolisiert – äußere soziale Macht. Dabei trägt das sprachliche Denken oder Bewusstsein schon den ethisch zu reflektierenden sozialen Gehalt in sich. Ohne Sprache ist weder eine inhaltliche ethische Reflexion individueller Moral aus Sicht des (sozialen) Ganzen noch seine Koordination möglich. Darin besteht eben die Funktion von

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2 Verständnis von Ethos, Moral, Ethik

Ethik. Ethische Einsicht macht beim Einzelnen den Sinn und die Bedeutung des Ganzen wieder sichtbar, holt sie wieder herein. Ansonsten würde die Moral nur als äußeres Sollen erscheinen. Bewusstsein im Sinne von Mitwissen und Einverständnis (personale Identität) wird so zum gesollten Recht als Gewissen (siehe lat. conscientia) in einer sozialen Identität.

2.5

Werte und Normen

Orientierungswerte sind Ideale, an denen Individuen ihre Bewertungen nach den Kriterien Wahrheit, gut, richtig, Sollen und Pflicht ausrichten.

2.5.1

Werte

Werte und die darauf aufbauenden konkreten Normen wirken als überindividuelle ethische Imperative. Sie sind insofern bedeutungsvoll, als ein Individuum, eine Gesellschaftsgruppe oder eine Institution sie als für sich wichtig und wünschenswert erachtet und die Wertenden sie gemeinsam teilen. Werte sind internalisiert und steuern als Wertorientierungen und konkrete Rollennormen soziales Handeln nach den Kriterien sozial wünschenswert und vernünftigerweise zweckmäßig. Diese Güterwerte sind Ergebnis der Bewertung von Gegenständen, d.h. es entstehen Eigenschaften, die Wertgegenstände für Individuen haben. Werte erfüllen auch als Erkenntnisinhalte Schlüsselfunktionen für zukünftiges soziales Handeln, indem sie Welt- und Menschenbilder, Mentalitäten und Einstellungen als Ergebnisse von Bewertungsprozessen formieren. Auf sprachlich-symbolischer Resultatebene müssen daher Erkenntnisse (Wissen) und Werte auseinandergehalten werden. Für die Normierung sozialer Handlungen ist die Werthöhe ausschlaggebend. So gelten individuell-subjektive Werte entweder für ein Subjekt oder stehen als allgemein-menschlich für so genannte numerische Allheiten wie z.B. Glückseligkeit. Objektive Werte bedürfen dagegen nicht der Anerkennung durch Subjekte mit Motivation und Gesinnung, so dass sie unabhängig von Personen der ethischen Orientierung für menschliches Leisten in der Praxis oder von Sinn und Richtung menschlichen Daseins dienen. Einige Merkmale sind: • Wertgegensätzlichkeit oder Polarität wie gültig oder nicht-gültig • Beliebigkeit von Werten für das Ergebnis moralischen Handelns im sozialen Kontext, wobei ja Vorstellungen zur Gerechtigkeit im Sinne der Anerkennung des anderen und sozialer Ungleichheit an Bedeutung gewonnen haben • Unterscheidung von Werten nach ihrem Geltungsrang, z.B.: – bedingt-gültige Lebensdienstlichkeit – Eingehen eines unbedingt vernünftigen Standpunkts, wenn man in Distanz zu jener steht • Wissenschaftliche Beschäftigung der Ethik mit der Begründung des Guten in einem System von Werten, d.h.: – Verpflichtung zu einem Wissen über jenen Sachverhalt und – Begründung des objektiven Grunds von subjektiven Werten und Eigeninteressen.

2.5 Werte und Normen

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Wie sich Werte realisieren, macht letztlich im Ergebnis Kultur aus. Zu den Bedingungswerten zählen daher – neben der Natur als Mittel zum Wert Leben – auch Wirtschaft und Technik als Zivilisationswerte im Dienst der Kultur. Kulturwerte im engeren Sinne sind Eigenwerte, die kategorisch = unbedingt gelten, d.h. nicht nur als Mittel anderer Werte dienen (Kulturalität). Funktional betrachtet handelt es sich um spezifische Werte, die zu einer spezifischen Kultur zusammengefasst sind. Diese Werte sind zwar normativ, aber noch nicht verbindlich. Sie zeigen, dass eine soziale Gruppe sie als wünschenswerte Leitlinien anderen vorzieht. Menschen definieren Werte. Ethik konstituiert sie nicht, wie einige wissenschaftliche Allgemein- und Unternehmensethiker glauben machen wollen. Die in Kultur zusammengefassten (moralischen) Werte helfen, soziale Strukturen zu stabilisieren, Institutionen zu legitimieren (z.B. durch Sanktionen) und soziale Interaktionen in komplexen Situationen zu regeln. Dabei kann die soziale Austauschtheorie ihr Verständnis erleichtern (Rippe 1981, S. 30): „Individuen streben danach, ihre Nettobelohnungen (Bruttobelohnungen minus Kosten) zu maximieren.“ Belohnungen sind z.B. Anerkennung oder Geld oder Status oder Information (z.B. durch Rat). Kosten, die in einer Systematik noch fehlen, können z.B. durch Zeitaufwand, Unsicherheit, Anstrengung entstehen. Ob beide Größen auf einer Skala der Güte abbildbar sind, kann hier nicht geklärt werden. Jedenfalls werden in sozialen Interaktionsprozessen nicht einfach positive und negative Konsequenzen erzeugt. Die soziale Abstimmung der Akteure, d.h. gemeinsame Herstellung bestimmter Konsequenzen auf Basis einer effektiven oder nicht-effektiven Koordination der individuellen Handlungsmuster hat Priorität. Je nach Interessenkonfliktlage und Transformationsmöglichkeiten kann mit folgenden Ergebnissen gerechnet werden: • Wettbewerb bis zum Streit oder Kooperation • Ungleiche Verteilung von Belohnungen • Nur durchschnittliche Wirkungen trotz eines Mehr an Möglichkeiten infolge der Interdependenz • Art der Verteilung und letztlich Vertrauen als wichtige Größe für angstfreie Kommunikation in Abhängigkeit von der sozialen Motivlage und Fähigkeit zur Koordination. Ohne das Wertesystem der im Unternehmen kooperierenden Personen zu verstehen, lässt sich aber das Ganze nicht verstehen und vice versa. Gerade die sozialen Rollen von Rollenträgern mit ihren Rollennormen stellen dabei eine Brücke zwischen dem einzelnen Individuum und der sozialen Interaktion her, d.h.: • Die moralischen Normen bezogen auf die einzelne Handlung und • Ethischen ,Codes‘ bezogen auf den Zusammenhang einzelner Handlungen. Rollenträger produzieren und reproduzieren in ihrem Rollenhandeln – z.B. in Unternehmen – gemeinsam ihre Wertesysteme, Einstellungen und Moralvorstellungen. Eine Reduktion der Perspektive auf den Mikrolevel (Persönlichkeitsmerkmale) führt daher nicht weiter. Die Crux besteht dabei darin, bei der empirischen Analyse der „Organisation“ dem methodologischen Individualismus folgen zu müssen, weil sie sich wohl nur über individuelle, auf das Soziale datentechnisch hoch zu aggregierende Faktoren erfassen lässt. Dennoch ist die Mikroperspektive bei der theoretischen Interpretation der Ergebnisse mit der sozialen Ebene zusammen zu denken. Ohne sozialen Determinismus heißt dies: „They must keep in mind

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2 Verständnis von Ethos, Moral, Ethik

that most people that are morally strong, are likely to be corrupted in a corporation or community in which corruption is a way of life […], and many morally weak individuals are shored up in corporations or communities that maintain high standards of morality […]“ (Etzioni, 1991, 356 f., nach Brinkmann 2005, S. 1).

2.5.2

Moralische Werte und Normen

Zwar bestehen Wertesysteme aus Einstellungen und Moralvorstellungen. Dies darf aber nicht mit dem tatsächlichen moralischen Handeln gleichgesetzt werden. Schließlich ist es ratsam für die Erfassung und die Wirkung sozialer Einstellungen noch Folgendes zu beachten: • • • • •

Mangelhafte Erschließung der Komplexität des Kommunikationsprozesses Fehlen eines Einstellungsänderungsansatzes Kein Gesamtmodell, wie Menschen individuell und sozial ‚funktionieren‘ Wenig Berücksichtigung motivationaler Faktoren Schlechte Prognostizierbarkeit von Verhalten.

Übertragen auf Beratungsprojekte, geht es darum zu klären, welche und wie sich in der aktuellen Gesellschaft folgende beiden sozialen Wertesysteme auf Personen im Beratungsprojekt auswirken können: • Soziale Orientierung einzelner Personen in der sozialen Gruppe/Projektteam: – Akzeptanz der gegebenen ökonomischen Verantwortung oder – Nach legalen, ethischen und Ermessungskriterien Wahl sozialer Verantwortung? – Art der Konflikte zwischen Beratern und Klienten? – Zusammenwirken der Einflussgrößen? • Ethische Sensibilisierung einzelner Personen in der sozialen Gruppe/Projektteam: – In einer konkreten Situation für sich oder andere ethische Akzeptanz (inhaltliches Beispiel z.B. Wahrung der Anonymität) des konkreten Verhaltens/Handelns? – Auswirkung des Spannungsverhältnisses zwischen Unternehmen (Business) und ihren Stakeholdern? Die folgende Abbildung verdeutlicht den empirischen Zusammenhang, um den es faktisch geht (siehe u.a. Projekt TIM). Moralische Werte manifestieren sich zwar in der konkrete Moral von Personen als Möglichkeiten oder Motivationen. Ihre faktische Wirksamkeit, d.h. ob sie in individuellen Handlungen als Zwecke verfolgt und erreicht werden, hängt aber weitgehend von den aktuellen sozialen Interaktionen alltäglicher Kommunikation ab. Zwar können allgemein gleiche Werte Ergebnis z.B. aller gerechten Handlungen in einer Gesellschaft sein. Daraus lässt sich aber kein kollektives Subjekt ableiten, das absichtsvoll wie ein Individuum handeln könnte. Schon allein deswegen lässt sich kaum ein direkter Zusammenhang zwischen z.T. beliebig simulierbaren moralischen Einstellungen (Werthaltungen) und moralischem Handeln in kritischen Situationen nachweisen. Zu denken ist aus der Perspektive dreifacher Verantwortung an moralische Dilemmata/Zwangssituationen unter Beratern, zwischen Beratern und Klienten und letztlich zwischen Unternehmensberatung und Gesellschaft. Dabei ist indivi-

2.5 Werte und Normen

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Typen d. Beziehungen (z.B. Stärke, Status, Multiplexität u. Asymmetrie) Organisationsbezogene Faktoren (z.B. Klima, Vergütungssystem, Normen/ Verhaltenskodex)

Etablierung der moralischen Intention Erkennung der moralischen Fragestellung (moral issue)

Individuelle Faktoren (z.B. Locus of Control, kogn. mor. Entw. u. Macciavellianismus) Beruhend auf: - Demographischen F. (z.B. Alter, Geschlecht, Ausbildung) - (Grund-)haltung, - einstellung, - Persönlichkeitseigenschaften

Fragestellungsbezg. Fakt. (z.B. Ausmaß u. Wahrscheinl. des Effekts u. d. Betroffenheit, sozialer Konsens), unter Berücksicht.. des Inhalts der Fragestellung (z.B. privacy, content)

Struktur der Beziehungen (z.B. Dichte, Cliquen, Lücken u. Zentralität)

Treffen der moralischen Beurteilung (judgement)

Tatsächliches moralisches Verhalten (behavior)

Beeinflussbarkeit durch ‚Ethik‘? Ausdruck der moralischen Intention, z.B. operationalisiert als soziale Orientierung, ethische Sensibilisierung

Annonciertes moralisches Verhalten (behavior)

Analyselevel im Geflecht zwischen Individuen, Organisation, Institution, (globaler) Gesellschaft

Abb. 3: Einflussfaktoren für moralisches Verhalten

duelles Fehlverhalten oft nur das Ergebnis der ungemessenen Lösung von Problemen, die widerstreitende moralische Anforderungen erzeugt haben. Moralisches Wissen und moralische Fähigkeiten sind die kognitiven Potentiale moralischen Handels, die durch Sozialisation/Enkulturation erworben und schrittweise erprobt sowie im positiven Fall durch Bildung/Weiterbildung/Learning by Doing bestätigt und verfestigt, aber selten verändert/neu geschaffen werden. Erst wenn dieses moralische Schlüsselvermögen in emotionalen Situationsbewertungen verankert ist, können moralische Werte in Form von konkreten Normen im Alltag angemessen zur Wirkung kommen. Nach vielen sozialen Bewältigungssituationen kann moralische Verantwortungsbereitschaft zu einem konsistenten moralischen Selbst werden. Das jeweilige Ergebnis der Übereinstimmung zwischen Handlungsmöglichkeiten und Selbstgefühl sowie zwischen Denken und Handeln trägt dann zur nachhaltigen moralischen Entwicklung bei. Verantwortlichkeit im Sinne einer individuellen Handlungslast rückt dann die Verpflichtung in der moralischen Urteilsbildung in den Vordergrund. Normen steuern individuelle Bewertungsprozesse und das Rollenverhalten nach sozial gültigen Regeln. Diese sozialwissenschaftliche Perspektive interessiert Folgendes:

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2 Verständnis von Ethos, Moral, Ethik

• Wie steuern akzeptable sozial gültige Normen die berechtigten wechselseitigen Verhaltenserwartungen in sozialen Rollenbeziehungen? • Welcher Maßstab der moralischen Beurteilung eigener oder der Handlungen anderer gilt dabei? • Mit welchen Gefühlen ist dies verbunden? Ethik interessiert daran Folgendes: • Welche Vorschriften generalisierter Handlungsanweisungen in Form präskriptiver Sätze gelten als inhaltliches Gebot oder Verbot entsprechend normativen Verhaltensanforderungen und • Wie soll sich ein Organisationsmitglied in welcher Situation wie wem gegenüber verhalten? Normen stimmen meist nicht mit dem tatsächlichen Verhalten überein, weswegen Normabweichungen aus unterschiedlichen Gründen naheliegen: • • • • • •

Zu geringer Grad der individuellen Verankerung Mangelnde oder fehlende Legitimität Mangelnde oder fehlende Wirksamkeit von Sanktionen Niedriger Grad der Übereinstimmung mit individuellen Handlungszielen Schwierigkeit der eindeutigen Interpretation des Ergebnisses der Anwendung Mangelnde Stimmigkeit hinsichtlich der Prophylaxe von Normkonflikten.

Den sozialen Regelungscharakter haben Normen mit Institutionen gemein, die auf bestimmte Sachverhalte zugeschnitten sind. Dabei ordnen sich in bestimmten Situationen Personen überindividuellen Handlungsmaximen unter: • • • •

Nach verallgemeinerbaren Werte wie z.B. Freiheit Nach höherstufigen Prinzipien wie z.B. Gerechtigkeit Nach Verfahren, die Normen in Geltung setzen, oder Nach gerechtfertigten Prinzipien, nach denen sich die Gültigkeit einzelner Normen beurteilen lässt.

Normen, zwischen denen Überlappungen existieren und die sich nach spezifischen Gesichtspunkten unterscheiden, weisen eine strukturelle Tiefenschichtung auf. Sie lassen sich nach folgenden Typen klassifizieren: • • • •

Äusserlich akzeptierte Rechtsnormen (Gesetze) Technische, erkenntnismäßige Normen und Güteklassen (Standards) Konventionelle Normen (Gebräuche) Moralische Gebote nach innerer Gesinnung.

Moralische Normen bilden eine schlecht bestimmbare anerkannte und gültige Teilmenge sozialer Normen. Dazu zählen z.B. Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit und Fairness (Integrität) oder Unvorhergenommenheit, Interessen- und Einflussdistanz, Professionalität, Vertrauens- und Glaubwürdigkeit (Objektivität). Moralische Normen haben zwar einen verpflichtenden MussCharakter, so dass bei Abweichung vom allgemeinen Sittengesetz Kantscher Prägung negative Gefühlen entstehen können. Offensichtlich ist aber auch eine freie individuelle Wahl nach einem inhaltlichen Maßstab möglich, dem nach Rang von oben nach unten geordnete Bewer-

2.5 Werte und Normen

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tungskriterien zugrunde liegen. Die ethische Reflexion moralischer Normen hat daher verallgemeinerbare, einsichtige, triftige und plausiblen Urteile zum Ergebnis, die gestaffelt vom unpersönlichen Sollen über das „ich sollte“ (Aufforderung, das positiv Bewertete zu erreichen) zum Befehlsmäßigen „ich sollte“ (reale Befehlsfolge) führen. Diese Urteile bilden mit anderen moralischen oder nicht-moralischen Urteilen vereinbare Überzeugungen und Urteilsgründe. Ihr zentraler inhaltlicher Normgehalt lässt sich womöglich über so genannten deontische Handlungsoperatoren wie z.B. geboten, verboten, erlaubt, ein Recht haben beschreiben. Der Begriff stammt vom altgriechischen δέον (deon) und bedeutet das Erforderliche, das Gesollte, die Pflicht. In der deontologischen Logik bedeutet er mehr das Nötige oder Angemessene. Handlungsweisen können beispielsweise aus ganz unterschiedlichen Gründen erlaubt sein: aus Gleichgültigkeit, Duldung, wegen eines Rechtsanspruchs. Bei nicht rechtlicher oder lückenhafter gesetzlicher Regelung können ungeklärte Erlaubnisse entstehen. Diese können sogar zu an sich selbst gerichtete Gebote oder generelle ethische Anforderungen werden: • Begründungen von Einzelhandlungen, einschließlich moralisch vertretbarer Ausnahmen in der Es-sei-denn-Klausel: – Voraussetzung: Ausschluss eigennütziger Festlegungen – Beispiel: ‚Du sollst zwar nicht töten, aber darfst es ggf. in Notwehr.‘ • Untermauerung berufsbezogener Rollenverpflichtungen: – Spezifikation des Risikos, wann auf Basis erfüllter und nicht erfüllter Bedingungen Gebots- in Verbotsnormen umspringen können, und dass dabei der Verstoß nicht folgenlos bleiben kann – Indizien: Gefühle wie Schuld, Scham bei denjenigen, die eine Norm überschreiten, und z.B. Empörung bei unbeteiligten Betroffenen • Regelung der sozialen Beziehungen in Gruppen (Bierhoff 2002): – mit unterschiedlichen Wirkungen von Solidarität bei gemeinsamen Interessen (gleiche Betroffenheit): Ergebnis einer Strategie der Nutzenmaximierung und Gruppendeprivation auf Grundlage von sozialer Identität – mit unterschiedlichen Wirkungen von Solidarität bei unterschiedlichen Interessen (ungleiche Betroffenheit): Ergebnis sozialer Verantwortung, moralischer Verpflichtung und allgemeiner Prinzipientreue – doppelte Adressierung in der moral community als Konsequenz: (1) Festlegung des Kreises der Personen (moral agents), für die die verbindliche Einhaltung erforderlich sein soll, sowie (2) Kennzeichnung der Personen, denen gegenüber die Norm befolgt werden soll (Empfänger oder moral patients). Staatlich-politische Instanzen setzen auf die autoritäre Verankerung durch moralische Rechtsnormen. Intervenieren oder gelten sie nicht, bleibt Folgendes offen: • Jenseits von Befehl und Gehorsam inhaltliche Ausrichtung autonomer Adressaten nach Sollgeltungsansprüchen • Handeln von Adressaten, die einer individuellen Selbstgesetzgebung folgen, aus Einsicht • Ihre Regelung in Verträgen unter rationalen Egoisten (Stichwort: moralische Unterlassungspflichten) • Ihre Begründung bis zum Konsens durch Diskurse.

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Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

Soweit nicht anders aufgeführt, verwendet das folgende Kapitel v.a. folgende Quellen: Sangüesa Sanchéz (2002), Scholz 2005, Musone Crispinio 2007, Wiebusch 2005, Jeschke 2004, Niedereichholz 2004 und 2008 (siehe ansonsten die Quellen und weitere Quellen im Serviceteil 7.).

3.1

Worum es geht

Die Vertrauenskrise in der Beraterbranche (Journal-Mittelstand online) ist nur ein Spiegelbild des umsatz- und gewinngetriebenen moralischen Zustands der Gesamtwirtschaft und der Gesellschaft. Was verstehen aber Wissenschaftler und Praktiker unter dem Begriff „Unternehmensberatung“? Unbestritten handelt sich bei der Unternehmensberatung noch um ein amorphes Gebilde, in dem unterschiedliche Begriffe des gleichen Gegenstandes zerlaufen und/oder guruhafte Wortschöpfungen und Anglizismen als Surrogate herhalten müssen. Aus Sicht der „Profession“ Unternehmensberatung überlappen sich verschiedene Dienstleistungskategorien im Begriff Unternehmensberatung, so dass er als Oberbegriff erscheint. Die folgenden Abschnitte versuchen, den vielschichtigen, systemhaft vernetzten und komplexen Gegenstand genauer einzugrenzen, zu beschreiben und ordnende operationale Definitionen vorzuschlagen, die Begriffe präzisieren können. Nach dem Unternehmensberater Trebesch (2000, S. 51) sind sie letztlich „analytische Aussagen über Ausdrücke mit derselben Bedeutung.“ Eine gelungene Definition bedeutet dann, dass ein Begriff/ein Begriffssystem (Definiens) die zu definierende Unternehmensberatung (Definiendum) ohne Bedeutungsverlust ersetzt. Bewertungskriterien dafür sind nicht wahr oder falsch, vollständig oder unvollständig, sondern eindeutig, zweckmäßig und konsistent. Definitionen auf Zweckmäßigkeit zu reduzieren würde zu beliebigen Sprachkonventionen führen. Diese sind zwar in der Praxis üblich, bremsen für sich allein aber die wissenschaftliche Theoriebildung. Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei der Unternehmensberatung um einen zusammengesetzten Begriff handelt. Besteht eine Chance, eine integrierende Theorie der Unternehmensberatung als zusammengesetzt aus einer Theorie des Unternehmens (der Unternehmung) und einer Theorie der Beratung zu bilden? Aber zu beidem existiert keine empirisch bewährte Theorie. Diese dürfte zudem nicht ökonomisch verkürzt sein, sondern müsste endlich die zusammenwirkenden Menschen in ein Boot holen. Nach dem Maßstab Wissen-

16

3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

schaftlichkeit und der Verfügbarkeit empirisch gesicherter Erkenntnisse handelt es sich um einen beschämenden Zustand. Sollte die Vereinbarung in der Unternehmensberatungspraxis, Informationen diskret behandeln zu müssen, den klärenden empirischen Zugang verhindern?

Unmittelbare Systemumgebung (z.B. Beschaffungs-/Absatzmarkt, Konkurrenten, Wirtschaftskrisen, Reputation) Beratungsunternehmen (z.B. Strategie, Organisation, Kundenstamm, Leistungsspektrum, Ressourcen) Beratungsträger Beratersystem (Beraterrollen)

Wissenschaft (Ressource Beratungswissen aus universitärer Ausbildung)

Zusammenarbeit, Kommunikation, Informationsaustausch im Projektteam

Management/Organisation

Beratungsprozess Organisation/vorbereitende als DienstleistungsMaßnahmen/ projekt Infrastruktur (Bearbeitung des Projektleistungsgegenstands oder Beratungsobjekts mit Instrumenten/Methoden)

Funktionen je nach Bedarf

Klientensystem (Klientenrollen)

Beratungsadressat

B E R A T U N G S S Y S T E M

Wirtschaftspraxis, Erfahrungen, Anwendung

Kundenunternehmen (z.B. Strategie, Organisation, Leistungsspektrum, Produkte, Innovationsgrad, Kunden-, Lieferantenstamm, wirtschaftliche Situation )

Mittelbare Systemumgebung (z.B. Gesetze, Wertewandel, Ausbildungsstandards) Abb. 4: Übersicht zum Verständnis des Systems Unternehmensberatung

3.2

Beitrag der so genannten Beratungsforschung

Die erst seit den 1990er Jahren wirkende Beratungsforschung kennzeichnet den Konflikt zwischen konstruktivistischen und kritisch rationalen Denkmodellen und Verfahren. Zwar fehlt noch eine allgemeingültige Theorie der Unternehmensberatung, die den interaktiven und kommunikativen persönlichen Prozess der Zusammenarbeit im Beratungsprojekt ganzheitlich abbilden könnte. Dennoch kommt die aktionistische Beratungspraxis mit ihren reinen Nützlichkeitserwägungen unter Zugzwang. Die nicht-betriebswirtschaftliche Beratungsforschung und die zunehmende Psychologisierung der Beratung und Coachingprojekte erhöhen den Druck.

3.2 Beitrag der so genannten Beratungsforschung

3.2.1

17

Begriffliche Abgrenzung

Die Begriffe Unternehmensberatung, Consulting, Wirtschafts- und Betriebsberatung, Management- und Industrieberatung werden oft synonym gebraucht. Hinsichtlich der Beratung von (privaten, öffentlichen) Unternehmen oder besser Unternehmungen scheint der ältere Begriff Wirtschaftsberatung zu weit gefasst zu sein. Vergleichsweise einfach fällt die Abgrenzung von der Industrieberatung, der Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung:

Abgrenzung der Unternehmensberatung von der Industrieberatung, Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung Industrieberatung (industrial engineering): • Technische oder Betriebsberatung nach arbeitswirtschaftlichen, arbeits- und prozessorganisatorischen Kriterien • Lösung technisch-produktionswirtschaftlicher Probleme als Beratungsleistung • Beratung unter funktionsübergreifendem Blickwinkel und in enger Verbindung mit der Ausschöpfung von IT-Potentialen und Produktionstechnik (seit CIM) • Im Zuge des Einsatzes neuer Technologien keine saubere Trennung von anderen Beratungsfeldern Wirtschaftsprüfung: • Hauptsächlich Prüfung und Erstellung von Jahresabschlüssen (§ WPO 43, Abs. 4., Nr. 1), wie im HGB definiert (§ 137, Abs. 1) • Mit Blick auf andere Berufsgruppen wie z.B. Steuerberater ohne Verlust ihrer Unabhängigkeit Beratung nebenher • Gefahr der Vermischung (siehe Involvierung der Beratung von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Bilanzskandale) Steuerberatung: • Beratung von Unternehmen, insofern sie geschäftsmäßige Hilfe in Steuerangelegenheiten leisten (StBerG § 32 Abs. 1) • Ausweitung ihrer Beratung in Richtung Unternehmensberatung (siehe v.a. KMU) nur zu Lasten ihrer originären Aufgabe, Folgen: – keine gewissenhafte Ausübung (StBerG, § 57, Abs. 1) ihres Berufs – Wettbewerbsgefahr für das Gewerbe der Unternehmensberatung Tab. 1: Industrieberatung, Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung

Organisationsberatung zielt auf die Beratung des Unternehmens als Organisation, wenn sie auch mit der Herausbildung der – im Vergleich zum betriebswirtschaftlichen Change Management – verhaltensbezogenen Organisationsentwicklung manchmal in einen Topf geworfen wird. Grochla (1969, S. 1125) wollte sogar eine „Abspaltung“ der Organisationsberatung aus der Unternehmensberatung beobachtet haben, die er auf die „fortschrittliche Entwicklung der Unternehmungen im ökonomischen, technischen und soziologischen Bereich“ zurück-

18

3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

führte. Grochla definiert Organisationsberatung in seinem Handbuch in enger Verbindung mit dem bis heute verbreiteten Berufsbild des Organisators, das auch die Unternehmsberatung beeinflusst. Die betriebswirtschaftlich ausgerichtete Unternehmensberatung, zu der die systemische Prozessberatung nicht gehört, versteht sich heute manchmal noch als selbstständige, unabhängige externe Organisationsberatung. Oft wird diese gleichgesetzt mit Managementberatung, wobei allerdings jede Unternehmensberatung im Auftrag des Managements so heißen müsste. Im Zuge der Internationalisierung oder Globalisierung der Unternehmensberatung und durch den Einfluss US-amerikanischer Managementschulen, -lehren und Beratungsphilosophien hat sich in Deutschland wohl der Begriff Managementberatung oder Management Consulting oder schlicht Consulting durchgesetzt. Der BDU fasst daher die Strategie- und Organisationsberatung zur Managementberatung zusammen. Offensichtlich ist aber der Begriff Unternehmensberatung, vom BDU 1954 eingeführt, in der Praxis gebräuchlicher, weil er sich auf die gesamte Unternehmung bezieht. Das Gabler Lexikon für Unternehmensberatung erklärt neuerdings jene zum Teilbereich des Consulting, der auf den Organisationstyp Unternehmen zugeschnitten ist: „Consulting […] die individuelle Analyse und Lösung von Problemstellungen durch Interaktion zwischen externen unabhängige Personen oder Beratungsorganisationen und einem Rat suchenden Klienten“ (Reinecke 2007, S. 72). Es liegt aber bis heute keine allgemeingültige Definition des Begriffs Unternehmensberatung vor, die wissenschaftlichen, praktischen oder auch Erfordernissen kritischer Reflexion genügen würde. Auch Definitionsversuche aus praktischer Sicht, wie der von Niedereichholz (2004, S. 1), bleiben unvollständig und werfen Fragen auf, die eine Ordnung nach Dimensionen beantworten würde.

3.2.2

Unternehmensberatung als people-business

Nach praktischen Erfahrungen ist das Merkmal people-business konstitutiv für Unternehmensberatung: • Dienstleistungsprozess als Kommunikation zwischen gleichberechtigtem Berater und Kunden (Klienten) • Die positive Entscheidung beider Partner vorausgesetzt: Vertrauensverhältnis und die wechselseitige Verantwortungssituation für die Folgen • Wichtigstes Kapital: Kompetenzen, Qualifikationen, Erfahrungen und Persönlichkeit der Berater (Führungskräfte, Mitarbeiter) und der Kunden/Klienten, inklusive der meist ausgesparten Wert- oder moralischen Kompetenzen • Bei gegebenem Theorievakuum Abstellung von Unternehmensberatung auf „Praxis für die Praxis“. Ziel der Unternehmensberatung ist im Normalfall: • Nach Durchführung vieler Analysen Erteilung eines problemorientierten Rats in einem Kommunikationsprozess zwischen Ratgebendem und Ratsuchendem unter Weitergabe

3.2 Beitrag der so genannten Beratungsforschung

19

von Informationen, Erfahrungen, Wissen zur (Neu-)Bewertung eines Kundenproblems und seiner konzeptionellen Lösung • Folgen: – Entweder Einfluss auf die Entscheidungen des Klienten, wofür Berater im Zuge der Lösungsumsetzung in unterschiedlichem Maße die Verantwortung mittragen – oder auf gleicher Augenhöhe Ablauf eines wechselseitigen (interaktiven) Beeinflussungsprozesses mit z.T. personell nicht eindeutig zuordenbarer Verantwortung. Da der Beratungsberuf berufsrechtlich nicht abgesichert ist und damit verbindliche ethischmoralische Standardregeln fehlen, erschöpft sich ‚Beratungsethik‘ auf • Ein konzeptionelles Beratungsverständnis als Ergebnis einer selbstdefinierten beruflichen Zuständigkeit im Spektrum: – zwischen einer ausschließlich betriebswirtschaftlichen Ausrichtung zur Stärkung der asymmetrischen Verteilung von Wissen und Machtchancen im Beratungsprozess (vgl. die gutachterlichen oder Fach- und Expertenberatungspraxis) und – einer persönlichen, auf sachrationalen und psychosozialen Beratungskompetenzen basierenden Unternehmensberatung, die die systemische Kommunikation und Symmetrie in den Beziehungen der beteiligten Akteure betont • Allgemeine Verhaltensregeln und Beratungsetikette (Outfit) für die Außenwirkung. Hilfreich dafür sind die folgenden fünf zentralen Elemente, die die interaktiven Kommunikationsbeziehungen zwischen Berater und Klient beschreiben und erst so eine Grundlage für die Bewertung des Beratungserfolgs bilden: • Interaktionszusammenhang als verbindender Beratungsanlass und Kommunikationsintensivierung • Interaktionsunterstützende Methoden wie z.B. sachrationales Projektmanagement für die Problemlösung und personenbezogenes Projektmanagement für die Kommunikation • Interne und externe Einflussfaktoren aus dem Interaktionshintergrund wie interne Schlüsselfaktoren und die Beratungsumgebung (z.B. Stakeholder) • Beraterrollen aus den aufgabenbezogenen sozialen Erwartungen an den Berater und kommunikative Beratungsintensität des Beraters hinsichtlich der Problemlösung • Klientenrollen als Voraussetzung für die Generierung der Interaktionsbeziehung und Kommunikation im Projektteam. Praktiker in der Unternehmensberatung sind keine Forscher, sie verorten daher meist den Beratungserfolg noch rein monokausal auf der Ebene des Beratungsträgers.

3.2.3

Zum relativen Beratungserfolg

Das folgende Statement beschreibt pointiert die Unternehmensberatungspraxis: „Es ist verrückt, die Dinge immer gleich zu machen, und auf andere Ergebnisse zu hoffen“ (Albert Einstein). Das sind die Folgen: Aus Sicht des Beraters scheint es ein Erfolg zu sein, wenn er nach Rechnungsstellung abreist oder einen Folgeauftrag erhält, ehe das Vorgängerprojekt seine Wirkungen schon entfalten konnte. Zu diesem Zweck hat er im Vorfeld auch die Risiken beiseite geschoben, über die er den unerfahrenen Klienten nicht pflichtgemäß aufgeklärt

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3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

hat. Es hätte z.B. fair und integer sein können, dem Kunden zur Insolvenz zu raten, anstatt ihm zu suggerieren, dass ihn ein Projekt retten könnte. Auch den rechtzeitigen Projektabbruch – ein weitgehend sehr unbeliebtes Mittel – hat er nicht vorgeschlagen. Bekannt ist, dass Kunden gern externe Denkkapazitäten bis zur Realisierung einkaufen, aber ansonsten wollen, dass sich der externe Berater aus der Entscheidung heraushält. Es ist auch bekannt, dass Berater als reine Konzeptlieferanten bis höchstens zur Realisierungsplanung froh sind, keine Verantwortung oder Haftung übernehmen zu müssen. Der gedankenlose Umgang mit dem Beratungserfolg ist daher fast schon Konsens: • Reduktion auf Placeboeffekte, so dass allein die Akzeptanz des Beraters durch den Kunden den Glauben an die Umsetzung bestärkt • Mythos vom ‚gefühlten Erfolg‘, gepaart mit der Ausrede, Ursache-Wirkungszusammenhänge ließen sich kaum messen • Kein Interesse an der Erfolgsmessung, sowohl auf Seite des Beratungsunternehmens (Stichwort: Folgeauftrag) als auch des Kundenunternehmens (Stichwort: keine aktive Mitwirkung). Diese Erfolgsideologie wird zur Makulatur, wenn die Problemlösung vor Ort die Aufgabe der Legitimationsveranstaltung erzwingt. Daran haben insbesondere KMU ein existentielles Interesse. Fehlberatungen wie z.B. die Folgenden sind also zu vermeiden (Ramge 2009, S. 94ff.): • McKinsey bei der Swissair • Die Gutachterschlacht bei der Dresdner Bank • Die Klage gegen die amerikanische Unternehmensberatungsfirma Alexi auf 30 Mio. Dollar Schadenersatz durch den Investor von Märklin, Kingsbrigde Capital • Ein Verhältnis von Kosten und Nutzen nach der Studie „Return on Consulting – Best Practice Survey“ durch die Schweizer Metaberatung Cardea (2009): – Nutzen geringer als Kosten: Bei 48 % von 200 großen Unternehmen im deutschsprachigen Raum – kein Wissen über den Projekterfolg am Ende: 41 % der Auftraggeber • Erfolgsquote nach Größe des Beratungsauftrags (amerikanische Standish Group, ebd.): – bis zum einem Volumen von 750.000,– €: 55 % der Projekte mit positiver Erfolgsquote – bei Großaufträgen über 6 Mio. €: nur 8 % der Projekte mit positiver Erfolgsquote. Manche konventionelle Berater verbannen die Ermittlung oder Bewertung des Beratungserfolgs – zudem zugeordnet der Vertragsgestaltung – in das Reich von Ergebnissen geistiger Tätigkeit und stellen ansonsten seine Messbarkeit anhand von betriebswirtschaftlichen Kennzahlen generell sowie insbesondere wegen der zeitlichen Verzögerung der Wirkungen und der Kontrollierbarkeit externer Umweltfaktoren in Zweifel. Andere Autoren nehmen dagegen die Schwierigkeit der Operationalisierung des Beratungserfolgs an und suchen nach Lösungsmöglichkeiten. Die Messung des Beratungserfolgs nach Effizienz- und Effektivitätskriterien (dazu Kap. 6.3) muss dabei auch berücksichtigen, dass Berater aufgrund ihres Expertenwissens andere Rollen als ihre Klienten wahrnehmen, nicht in die interne Hierarchie eingebunden sind und einen transferierbaren Informationsvorsprung besitzen. Die fördernden und hemmenden Faktoren müssen vollständig erfasst werden (folgende Abbildung nach: Jeschke 2004, S. 94).

3.2 Beitrag der so genannten Beratungsforschung

21

Beratungserfolg (Effizienz i. w. S.)

Effizienz i. e. S.* efficiency-Komponente (Input-Output-Relation)

Effektivität ** EffectivenesseKomponente

* Quantitativ-monetäre Messung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses der Qualität ** Messung der Qualität durch qualitative Indikatoren und Quantifizierung durch Kennzahlen

Prozessbezogene Zielerreichung

Ergebnisbezogene Zielerreichung

Abb. 5: Dimensionen des Beratungserfolgs

Die Beratungspraxis scheint auf die Prognosequalität des Beratungsserfolgs verzichten zu können. Das Problem löst sich auf im Aufbau und Erhalt einer nachhaltig vertrauensvollen Geschäftsbeziehung sowie im kontinuierlichen Marketing, in gestiegener Reputation und einem Folgeauftrag. Ob der folgende Zwischenerkenntnisstand der Beratungserfolgsforschung nachhaltig in die Praxis sickern kann, bleibt daher abzuwarten: • Abhängigkeit von Reputation und Erfolg aufseiten des Beratungsunternehmens: – Von den vorhandenen Qualifikationen und Kompetenzen sowie – dem Prozess-Know-how bis zur Implementierung – der Ausweitung um Methoden- und Sozialkompetenzen sowie Persönlichkeitseigenschaften. • Elemente des erfolgsentscheidenden Verhaltens der Klienten: – Seine Erfahrungen, auch die mit Beratern – Persönlichkeitseigenschaften wie z.B. Offenheit, Veränderungsbereitschaft – Systematisierungskompetenzen • Trotz einer kritischen System- und Projektumgebung durch das professionelle Management des Beratungsprojekts Erfolgsförderung auf beiden Seiten, Beispiele: – plötzliche Projektfinanzierungsprobleme infolge des Ausbleibens eines Auftrags – Ausscheiden eines Beraters aus dem Projektteam – Widerstände von relevanten Stakeholder-Gruppen.

22

3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

Ethische Fragen werden dabei meistens klein gerechnet, verharmlost und outgesourced. Es dominiert das Prinzip der Gewinnmaximierung: • • • •

Vorrang bei systematischer Hinanstellung seiner gerechten Verteilung Opportunistische Akzeptanzsicherung und Ethik als Marketingveranstaltung Langfristige Kopplung der Ethik nur an die mächtigen = starken Key-Stakeholder Keine flächendeckende business cases aufgrund von Ethikmanagement-Maßnahmen: – Im Ergebnis keine Gewinnabstriche wegen mangelnder Integrität – Abhängigkeit der ethischen Legitimität vom Grad Rentabilität im Verhältnis zwischen Unternehmensführung und Key-Stakeholdern.

Zwar stimmten in einer Untersuchung von Ulrich, Thielemann (1993, S. 76ff.) Unternehmer und Manager mindestens zu 98 % der instrumentalistischen Erfolgsaussage „Sound ethics is good business in the long run“ zu. Dabei ist aber die Praxis der Ethik-Messung und der Ethik-Ratings zu beachten: • Oberflächliche und desolate Begrifflichkeit zur Ethik, so dass vage thematische Bezüge in Geschäftsberichten ausreichen • Rein katalogmäßige Erfassung von Normen zum moralisch-ethischen Erfolg • Nur schwacher valider Nachweis des Zusammenhangs zwischen aufgeklärtem Eigeninteresse (in etwa CFP corporate financial performance ) und sozial-ökologischer Verantwortung (in etwa CSP corporate social/environmental performance) als Erfolgsgrößen • Über bloße Auflistungen in „CSP reputation ratings“ kein echter Nachweis, dass Unternehmen mit einem code of ethics profitabler sind oder zu business cases of ethics werden • Anwendung einer Additions- und Subtraktionslogik für ‚Social-Investmentfonds‘ im Rahmen von SRI : – Mit Hilfe der großzügigen wechelseitigen Verrechnung von Stärken und Schwächen zu Nettowerten Klassifizierung der „200 Best Corporate Citizens“ (www.businessethics.com) – Gegenbeispiele aus den gut 90 % der ‚Fortune 500 Firmen‘ in den zahlreichen SRIIndices: ENRON, Microsoft, Wal-Mart, Monsanto, Halliburton.

3.3

Ordnung nach Dimensionen

Trotz der genannten Schwierigkeiten lassen sich einige zentrale „Wesensmerkmale“ der Unternehmensberatung ‚clustern.‘ Jeschke (2004) teilt die zentralen Definitionsansätze nach Leistungsart, Leistungsinhalt und Leistungsträger auf. Zudem klassifiziert er betriebswirtschaftlich ausgerichtete Definitionen auf der Anbieterseite in institutionelle, funktionale und objektbezogene Dimensionen. Meist werden die Klassifikationsmerkmale aber nicht zu mehrdimensionalen Beratungstypologien kombiniert. Für Typologien aufseiten des Beratungsträgers böten sich folgende Kriterien an: • Leistungsspektrum und Grad der Spezialisierung • Beratungsstrategie, Arbeitsweise (Beratungsstil und -methode) • Beraterrolle

3.3 Ordnung nach Dimensionen

23

• Beauftragter Prozess • Beratungsorganisation • Grad der Berater-Klientenintegration an. Für Typologien aufseiten des Beratungsadressaten wären folgende Kriterien sinnvoll: • • • • • • • • •

Marktentwicklung und -situation, Problemdruck Beratungsbedarf/-schwerpunkte, Beratungsziele aus Sicht des Kunden Grad der rechtlichen/wirtschaftlichen Selbstständigkeit Informationssituation Unternehmensstrategie Produktspektrum, Geschäftskultur Organisation des Kundenunternehmens Dominante Klientenrolle Grad der Berater-Klientenintegration

Diese beiden Typologien müssten dann in eine ganzheitliche Typologie für den kommunikativen Prozess der Erstellung von Beratungsleistungen an einem Beratungsobjekt im Beratungssystem – bestehend aus Berater- und Klientensystem – münden. Das ist seit 1980 möglich, dennoch dominieren institutional und funktional orientierte Klassifikationen.

3.3.1

Institutionale Dimension mit vergessenen KMU als Adressaten

Wissenschaft und Praxis setzen bei der Bestimmung von Beratungsunternehmen und Kundenunternehmen Institution umgangssprachlich mit Organisation gleich, verstanden als hierarchisch und horizontal arbeitsteiliges, formal strukturiertes Zusammenwirken von Funktionsträgern sowie ihre Koordination und Integration zur gemeinsamen Zielerreichung. Der Begriff Institution lässt sich etymologisch auf das lateinische institutio = Einrichtung, Erziehung, Anleitung zurückführen. Zumindest in der klassischen Soziologie bezieht er sich noch auf den relativ dauerhaften normativen (Rechte, Pflichten) Regelungsrahmen von Gruppen und Gemeinschaften. Danach haben Definitionen die normativen Oberflächenstrukturen von Unternehmen zum Gegenstand. Der nächste Abschnitt konzentriert sich auf externe Institutionen oder professionelle Organisationen. Interne Beratungsträger in festen Abteilungen oder in Form temporärer sekundärer Organisationsformen sind nicht organisatorisch getrennt und beraten mehr oder weniger unentgeltlich interne Beratungsadressaten. Interne Beratungsleistungen können allerdings auch outgesourced werden und dann entgeltlich externen Kunden, zu denen auch das Ursprungsunternehmen gehört, angeboten werden. Unternehmen können auch entgeltlich Serviceleistungen in beraterischer Absicht erbringen: z.B. beim Absatz von industriellen Gütern oder Dienstleistungen. Beratungsträger Zu den unmittelbaren und mittelbar beteiligten Beratungsträgern zählen externe, organisatorisch und finanziell unabhängige (neutrale) Partnerunternehmen und Unternehmensbera-

24

3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

tungsgesellschaften mit ihren einzelnen beratenden Akteuren, die hauptberuflich als freiberuflich tätige selbstständige Freelancer oder fest angestellte Mitarbeiter Kundenunternehmen beraten. Zusätzlich wirken Einzelberater als Einzelunternehmen/-unternehmer. Beratungsunternehmen dominieren zahlenmäßig die kleinen und mittleren unter ihnen, das Gegenteil ist aufseiten der Beratungsadressaten der Fall (siehe unten). Die institutionellen Merkmale, die herangezogen werden, um die Beratungsleistungen anbietender Beratungsträger zu klassifizieren, beschränken sich meist auf quantitative Ordnungskriterien wie Unternehmensgröße (Umsatz- oder Mitarbeiterzahlen) oder das Merkmal Unternehmens-, Organisations- und Rechtsform. Meist fehlen noch Kriterien wie Bilanzierung, Marktanteil oder Reichweite der Marktpräsenz. Eine qualitative Betrachtung bleibt meist außen vor, weil sich die Menschen in Unternehmungen der betriebswirtschaftlichen Betrachtung weitgehend entziehen oder nur als Kostenfaktor interessant sind. Keine der in der Literatur favorisierten Definitionen bindet die genannten Merkmale, die zudem nicht durchgängig aufgeführt werden, plausibel in der Kommunikation von Beratungsträger und Beratungsadressat zusammen. Zudem gewichten die Autoren je nach eigenem Interesse die Merkmale unterschiedlich. Externalität scheint wohl das beherrschende konstitutive Merkmal zu sein. Unabhängigkeit wird auch oft genannt. Sie ist aber in finanzieller Hinsicht Makulatur. Dies würde einen völlig nicht-opportunistisch handelnden Beratertypus voraussetzen. Zudem hängt Unabhängigkeit von den individuellen Erfahrungen des einzelnen Beraters ab. Die Erfüllung dieses Kriteriums ist im Vergleich zu allen anderen genannten Kriterien aber zwingend notwendig, obwohl die idealistisch-restriktive Anwendung dieses Kriteriums der Berufsausübung fast im Wege stehen würde. Wie zu zeigen sein wird (Kap. 4.3.4), stellen Marktstudien noch den Beratungsträgermarkt in den Vordergrund. Daraus geht auch hervor, wie sich das Angebot von Beratungsleistungen im Zuge des Konzentrationsprozesses, wegen des kritischen Faktors Beratungspersonal, gestiegener Anforderungen an das Wissensmanagement und des Bedeutungszuwachses aktiver Vermarktungsstrategien anpasst. Die Inhalte der Beratungsangebote werden dabei oft mit relativ groben Beratungsmodellen (-konzepten, -philosophien), Beratungsinstrumenten oder Beratungsmethoden gleichgesetzt. Es erfolgt keine konkrete Abgrenzung im Rahmen des komplexen Marktgeschehens zwischen Angebot und Nachfrage von Produkten, projiziert auf konkrete Geschäftsbeziehungen zwischen Beratungs- und Kundenunternehmen in Beratungsprojekten. Beratungsadressat Institutionelle Definitionen klassifizieren den Beratungsadressaten (Organisation, Einzelne, Management) ebenfalls quantitativ (Unternehmensgröße, Unternehmensbranche), obwohl ihre Individualität qualitative Merkmale auszeichnet. Bis Anfang der 1990er Jahre herrschte in der Unternehmensberatungsforschung die Beschäftigung mit dem Beratungsträger vor. Aber anders als Marktstudien versucht Forschung, die Fragen zu beantworten: • Warum das Management im Klientenunternehmen (Beratungsadressat) • Welche Beratungsangebote nachfragt, d.h. • Welche unternehmensinternen Informations- und Entscheidungsprobleme vorliegen, die eine Analyse und Deckung dieses Bedarfs durch externe Beratung generieren können?

3.3 Ordnung nach Dimensionen

25

Die Beantwortung dieser Frage führt nicht nur zu unterschiedlichen Beratungsgegenständen, sondern lässt auch Tiefe und Intensität der Beratung sowie den Grad des Einbezugs des Kunden/Klienten erkennen. Das führt zu einer differenzierten Betrachtung nach Bezugsgruppe und unter Angabe der Reichweite. Immerhin hat die Beratungsforschung herausgefunden, dass KMU, deren Klassifizierung uneinheitlich ist, Unternehmensberatungsleistungen wenig nachfragen. Praktische Erfahrungen bestätigen dies. Dies hängt vielleicht auch damit zusammen, dass Großunternehmen bei fälschlicher Annahme der scheinbaren Wesensgleichheit mit größeren Unternehmensberatungsgesellschaften weit mehr erforscht sind und sich erst in neuester Zeit geeignete Lehrstühle für die Erforschung von KMU und Forschungsinstitutionen etabliert haben. Die mangelnde Beratung von KMU passt nicht zur volkswirtschaftlich unbestrittenen Bedeutung des Anteils der Klein- und Mittelunternehmen (KMU) an der Gesamtzahl der Unternehmen in Europa (und weltweit) im Sinne von Umsatz, erwirtschafteter Wertschöpfung, damit Wachstum und Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Ihr Beitrag zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung beträgt zwischen 60 und 70 %. KMU werden v.a. nach leicht erfassbaren quantitativen Merkmalen wie Umsatz- und (mehr noch) Mitarbeiterzahlen beschrieben (Ehrmann, Hesseler 2008). Nach dieser Definition bildet der Mittelstand den Kernbereich der europäischen wie auch der deutschen Wirtschaft. 99,8 % aller Unternehmen der EU – inklusive Schweiz, landwirtschaftlicher Sektor ausgeschlossen – sind KMU bis 250 Beschäftigte. Sie erwirtschaften 55 % der Wertschöpfung, schaffen 66 % der Arbeitsplätze. Dies entspricht ca. 65 Mio. Arbeitsplätzen (http://ec.europa.eu/ enterprise/policies/sme/facts-figures-analysis/sme-definition/index_en.htm). Diese KMU-Merkmale gelten – sowohl für die Beschreibung der vernachlässigten kleinen und mittleren Beratungsträger (s.o.) als auch für die die kleinen und mittleren Beratungsadressaten. Für den Dienstleistungsbereich, zu dem die Unternehmensberatung gehört, bedeutet dies – entgegen den Größen in Marktstudien – nach Wiebusch Folgendes (2005, S. 23): • Kleine Unternehmen: – bis zu 5 Mitarbeiter – Jahresumsatz bis 500.000 Euro • Mittlere Unternehmen: – 5 bis 49 Mitarbeiter bei Selbstständigkeit des Unternehmers, seinem Überblick über alle Bereiche und Überwachung des Funktionierens – Jahresumsatz zwischen 500.000 und 1 Mio. Euro • Große Unternehmen: – bereits ab 50 und mehr Mitarbeiter – Jahresumsatz von 1,0 Mio. Euro und mehr. Diese quantitativen Merkmale beschreiben nur Symptome, die die geringe Nachfrage der KMU nach Unternehmensberatung (z.B. IT-Beratung) trotz objektiven Bedarfs nicht erklären können. Dafür verantwortlich sind die wegen ihrer Subjektivität nur schwer erfassbaren qualitativen Wesensmerkmale, z.B.: • Der persönliche, oft noch patriarchalische Führungsstil • Die Stärke des familiären Bewusstseins und Selbstverständnisses im Alltagsgeschäft • Das Zusammengehörigkeitsgefühl und die gemeinsame Geisteshaltung

26

3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

• Das Interesse der Familienmitglieder, den Kreis der Beteiligten klein zu halten • Die Art der Existenzsicherung unter den besonderen Wettbewerbsbedingungen. Eine gewichtige Teilmenge von KMU bilden die gut 3000 „eigentümergeführten“ Familienunternehmen in Deutschland (BMWI/ZEW 2008), zu denen nur wenige Beratungsfirmen zählen. Durch Eigner- und ggf. Verantwortung für die Unternehmensführung sind Familien eng mit einem Unternehmen gekoppelt. Die Familie hat prägenden Einfluss auf und im Unternehmen. Ein kleiner Personenkreis sorgt für den generationenübergreifenden Erhalt und die Förderung des Familieneigentums am Unternehmen. In ihm konzentrieren sich die Ressourcen, die z.T. ungleich oder nicht erfüllt werden. Im Mittelpunkt steht das Lebenswerk des Inhabers (Patriarchen). Im Vergleich zu (kleineren und mittleren) Nicht-Familienunternehmen lässt sich ein höherer Grad der Existenzgefährdung durch das Zusammenwirken der gewachsenen, z.T. intransparenten Beziehung „Unternehmer-Familie“ insbesondere in Krisen beobachten. Viele Familienunternehmens prägt ein latenter ‚Männerbund‘ oder eine unterschiedlich auslegbare Regelung der „Primogenitur“ (Nischak, 2008, S. 88). Viele Wissenschaftler, Praktiker, beratende Institutionen und Netzwerke sparen die besondere Qualität von Familienunternehmen und damit auch ihre besondere Moral und Ethik meist noch aus, die sich nicht auf wertorientierte Entscheidungen oder CSR beschränken. Möglicherweise betreiben allerdings vor allem größere Familienunternehmen wie z.B. Merck bewusstes Ethikmanagement. Betrifft dies aufseiten des Beratungsträgers auch eher größere als kleinere Beratungsunternehmen? Auch in der gegebenen Wertestabilität mittelständischer Familienunternehmen, die die verbreitetste Unternehmensform darstellen, liegt der Grund für die Beratungsresistenz. Diese führt neben den nicht bedarfsgerechten Beratungsangeboten zu einer mangelnden Nachfrage von Beratungsleistungen (siehe die MIND-Studie, in: impulse 2001, S. 36f.). Dagegen benötigen gerade in der Nachfolgesituation Familienunternehmen Beratung wegen möglicher Konflikte zwischen der traditionellen Moral des Seniors (Übergebender) und der ‚modernen‘ des Juniors.

3.3.2

Funktionale Dimension

Die moderne Wissenschaft beschränkt die ursprüngliche Bedeutung der Funktion nicht auf die Verrichtung, sondern streicht die wechselseitige Abhängigkeit zwischen zwei Größen heraus. Werden nämlich Berater nur zum Funktionsträger, verlieren die persönlichen Aspekte der Kommunikation in der Beratung an Bedeutung. Die Beratungsliteratur definiert den Funktionsbegriff allerdings nicht eindeutig. Unter die funktionalen Merkmale fallen daher fallweise und nach Interesse das Fachgebiet, die Beraterrolle und der Berateransatz/ -konzeption, wie sie sich in den konkreten Aufgaben und Tätigkeiten der einzelnen Berater gegenüber den Kunden manifestieren. Noch zu selten erkennen Definitionsversuche die enge Verzahnung mit den Anforderungen aus dem Auftrag der Klienten und seinen Aufgaben/ Tätigkeiten aus der Zusammenarbeit mit den Beratern. Dies setzt allerdings voraus, dass es sich um einen zielbezogenen Prozess handelt, der auf die Lösung von Problemen im Kundenunternehmen ausgerichtet ist, die es selbst nicht lösen kann. Unabhängig von den nach dem eigenen Selbstbild formulierten Stärken der Unternehmensberatung gegenüber den Kunden fragen Klienten im Idealfall inhaltlich Expertenwissen und methodisches Know-how nach. Darin liegt objektiv der interne und externe Beratungsbedarf auf dem Markt begründet.

3.3 Ordnung nach Dimensionen

27

Von daher gesehen und von der konkreten Beratungsprojektaufgabe her hegen Kunden oder Klienten gegenüber Beratungen individuelle Erwartungshaltungen. Beratungsprojekte sind mit einem bestimmten Leistungsversprechen verbunden und erfüllen spezifische Funktionen zur Erreichung von Zielen des Kundenunternehmens. Über die Ableitung und inhaltliche Interpretation von Einzelfunktionen sowie ihre Zuordnung zu unterschiedlichen Funktionsklassen herrschen unterschiedliche Auffassungen vor. Sie können sich z.B. aus der Beraternachfrage herleiten oder in direktem Zusammenhang mit den Beratungsaufgaben stehen. Das Schwergewicht der Betrachtung liegt auf folgenden Funktionen: • Den aufgabenbezogenen Funktionen: – der genuinen Funktion zum Wissens- und Erfahrungstransfer, zur objektivierbaren Problemlösung und Effizienzsteigerung – der ergänzenden Funktion zur Motivation der Mitarbeiter im Kundenunternehmen, zum Prestigegewinn durch die Unternehmensberatung sowie zur Legitimation der Leitung des Kundenunternehmens • Den grundsätzlichen Funktionen: – der allgemein Beratung aktivierenden Funktion zur Kapazitätserweiterung und externen Legitimation – der allgemein eine Beratung begleitenden Funktion zur internen Kommunikation und zur Klärung der Vertrauensfrage mit einem neutralen Dritten – den spezifischen Funktionen der Information, Entscheidungshilfe und Problemlösung im Beratungsprozess • Den internen/externen anlassbezogenen Funktionen: – den offiziellen, d.h. bewusst beabsichtigten Primärfunktionen in Form des Wissenstransfers, der Entwicklung und Innovation – den informellen, mehr oder weniger latenten Sekundärfunktionen auf der Mikroebene zur Interpretation und Durchsetzung der Ziele des Managements im Kundenunternehmen. Die Ausdifferenzierung in viele Einzelfunktionen spiegelt eine Reife der wissenschaftlichen Argumentation und Abgesichertheit der Systematisierung vor, die angesichts ungelöster theoretischer und empirischer Probleme nur zu Spekulationen verleiten können. Aus praktischer Sicht kennzeichnet der kreative Kreislauf von Veränderungsideen die gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen Beratungs- und Kundenunternehmen. Seriöse Unternehmensberatung bietet dabei meist Hilfe zur Selbsthilfe an, d.h. • • • •

Aktiviert vorhandene, unterschwellig vorhandene Ideen und Lösungspotentiale Spornt die Belegschaft zu einer konstruktiven Auseinandersetzung damit an Begleitet und koordiniert die Umsetzung der daraus entstandenen Konzepte Erzeugt im Erfolgsfall positive Rückwirkungen auf das Problemlösungs-Know-how der Unternehmensberatung selbst und löst Optimierungsprozesse beim Kunden aus.

Nach einer von Meffert (1990, S. 186ff.) durchgeführten Studie spielt wohl vor allem die offizielle Wissenstransferfunktion zusammen mit der Wirtschaftlichkeitsfunktion eine zentrale Rolle in der Unternehmensberatungspraxis. Die Untersuchung misst dagegen der als inoffizielle Funktion gehandelten Legitimationsfunktion eine geringere Bedeutung zu. Für

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3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

mittelständische Unternehmen bestätigen dies auch Lachnit, Müller (1993). Bei der Erfüllung der reinen Wissenstransferfunktion gelten allerdings folgende Einschränkungen: • Entgegen dem Merkmal der Übertragung von einem vollen Gefäß in ein leeres, wenn im Kundenunternehmen Unternehmenswissen fehlt: keine Entstehung eines optimalen Wissens- und Erfahrungsaustausches zur Aktivierung, Initiierung und Koordination des vorhandenen Expertenwissens für Problemlösungen im Kundenunternehmen • Meist erst nach Abschluss mehrerer Projekte Ausgleich des Wissensvorsprungs des Klienten durch Berater und möglicherweise Erreichung eines vergleichbaren Wissenslevels • Restriktionen: – der Einsatz von Junior Consultants frisch von der Universität – die relativ hohe jährliche Fluktuationsrate (Braindrain) – das relative hohe kontinuierliche Wachstum als Verstärker dieser Dynamik • Fallweise Prüfung: – Stimulation der Nachfrage nach sich selbst durch Berater als Promotoren rationalen Managementwissens und von Sinn – Im letzten Fall: Überdenken des Anspruchs einer nachfragegesteuerten Deckung des Bedarfs im Zuge der veränderten Rolle der Unternehmensberatung seit den 1970er Jahren und Anerkennung einer latenten Angebotsorientierung (self-fullfilling prophecy): (1) Erzeugung von Unsicherheit als Bedarf vor dem Auftrag, den sie dann nur selbst decken kann, (2) Beseitigung von Unsicherheit aufseiten des Klienten, indem dieser bei Auftrag eine Lösung des Problems erkennt. Die Literatur spiegelt einen durchgehenden Wandel der rein expertenbasierten Fachberatung, die nach Staehle (1989, S. 29) noch 95 % des Gesamtvolumens des Beratungsmarkts ausmachte, zur Entscheidungshilfe sowie Informationsgewinnung und Informationsvermittlung wider: • Der reine Expertenansatz im Rahmen einer Art Arzt-Patienten-Verhältnis jenseits vom Umsetzungsprozess: – Entweder Erfüllung nachweisbarer Reparaturfunktionen an der Oberfläche des „Objekts Unternehmen“ – oder Produktion von die Reputation arg strapazierender heißer Luft • Kein Interesse veränderungsbewusster Klienten auf gleicher Augenhöhe mit Beratern an kopflastigen konzeptionellen Beratungsleistungen, sondern – vielleicht im Gegensatz zu größeren Unternehmen unter den KMU – an konkreten Umsetzungen im Rahmen gewachsener Vertrauensbeziehungen für die nachhaltige Zusammenarbeit • Keine ‚modischen Standard-Konzepte von der Stange‘ oder Schubladenkonzepte, mit denen wohl ca. 80 % der Unternehmensberater bevorzugt arbeiten, sondern Lösungsansätze mit Deckung des individuellen Bedarfs und Einarbeitung der individuellen Umsetzungsbedingungen in der Praxis, Folge von Standardlösungen im Kundenunternehmen im Vergleich zur Beratung für innovative Ressourcennutzung: Entzug wichtiger Differenzierungsmerkmale und damit Wettbewerbsvorteile gegenüber den Konkurrenten • Die Tendenz nach Zunahme der Prozessberatung, um verschüttete Problemlösungspotenziale in Unternehmen mit Hilfe von Handlungsempfehlungen oder (noch selten) gezielten Implementierungshilfen zu aktivieren.

3.3 Ordnung nach Dimensionen

29

Offensichtlich wirken sich Umsetzungskompetenzen in Verbindung mit der befriedigenden Übernahme einer Rolle in der Zusammenarbeit durch den Kunden nachhaltig positiv auf den Beratungserfolg aus. Unverständlich bleibt, dass der Großteil der Beratungsunternehmen die Umsetzung oft noch gesondert als eine Zusatzleistung in Rechnung stellt: • Obwohl die Realisierung die Kernphase der Unternehmensberatung sein sollte und • Sie z.T. ohnehin überhöhten Honorarforderungen für die Problemanalyse und die Entwicklung eines Problemlösungskonzepts ausreichen dürften. Dabei speist sich der Return on Consulting (RoC), zu dem meist keine ethischen Größen gehören, doch gerade aus den konkreten Kundenvorteilen bei der Umsetzung wie z.B. dem Zeit- und Know-how-Gewinn sowie aus der verbesserten betriebswirtschaftlichen Transparenz und ‚Draufsicht‘ auf das Kundenunternehmen infolge der methodengeleiteten Wissenstransformation. Die Verbreitung von Best-Practice-Beispielen führt ebenfalls zu positiven volkswirtschaftlichen Effekten. Trotz zunehmender Kritik an der Problemlösungs- und Umsetzungskompetenz von Unternehmensberatungsfirmen fragen Kunden deren Angebote nach. Das deutet auf Folgendes hin: • Mehr Aufträge des Managements in Kundenunternehmen dienen der Legitimation als offensichtlich ist. • Mehr Berater als zugegeben verzichten auf den absoluten Neutralitätsanspruch, um ihren Umsatz über Folgeaufträge steigern zu können. Dafür bieten Unternehmensberatungsfirmen ihr Managementwissen an, d.h. • BWL-Grundwissen • Bewährtes Praxiswissen aus anderen Unternehmen, die sich selbst beraten oder fremdberaten werden • Selbstentwickelte Managementkonzeptionen • In Kontroversen externe Moderation darüber vor Ort. Ob daraus echte Nachfrage entsteht, lässt sich nicht eindeutig entscheiden. Dabei müsste auch die Frage des Implementierungsgrads von Wissensmanagement auf beiden Seiten und ihre Verbindung beantwortet werden. Auf der Angebotsseite der großen Beratungsgesellschaften ist z.B. folgendes verallgemeinerte strategische Instrumentarium als Basis für Leitbilder und die Begründung von Managemententscheidungen/-maßnahmen zu nennen: • Das Unternehmenskulturkonzept von McKinsey • Der CSC-Index zur Analyse der Wertkette nach einem Reengineering-Konzept der CSCIndex GmbH • Die Portfoliotechnik „Marktwachstums-/Marktanteils-Matrix“ der BCG (siehe auch ihr Strategieinstitut) oder • Das BSC Balanced Scorecard: Verwendung von Kennzahlen auf Grundlage von UrsacheWirkungsanalysen (in den USA verbreitet durch Unternehmensberater).

30

3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

Am Ende soll anhand des Grads der Erreichung des Auftragsziels der Erfolg beobachtbar sein. Das bedeutet praktisch: • Inputseite: Vorhalten bewährten Wissens auf immer höherem Niveau als Standardlösung oder ‚Quasi-Produkt‘ • Damit in anderen Beratungsfällen erfolgreiche Beeinflussung des Outputs, sofern dies dem Management im Kundenunternehmen infolge seines Verlustes an Autorität und Macht als Sinnstifter nicht auffällt • Immer wieder aufs Neue Lieferung von Orientierungswissen über Veröffentlichungen, Vorträge, Seminare der Unternehmensberatungsfirmen, das der Surrogatbefriedigung des Managements als Adressatengruppe dient • Folgen: – In loser Verbindung mit Problemlösungskonzepten zunehmende Erfüllung von Legitimationsfunktionen durch Unternehmensberatung – Durch die erreichten positiven Effekte Verstärkung des Wettbewerbs der Unternehmen untereinander und Druck für andere nicht oder nicht ausreichend beratene Unternehmen, durch die Vergabe von Berateraufträgen in der Leistungsfähigkeit nachzuziehen. Knappe Managementkapazitäten verstärken die Tendenz zur Aktivierung der Wissens- und Transferfunktion. Berater haben nämlich auch radikale Reorganisationsmaßnahmen vorgeschlagen, die zu massivem Stellenabbau nicht nur auf der ausführenden, sondern auch im unteren und mittleren Managementbereich geführt haben. Damit ist auch eine Kapazitätslücke entstanden, die durch externe Unternehmensberatung gefüllt werden muss: Bis zum Management auf Zeit. Der Unternehmensberatung erwachsen so auch Chancen, eine echte neutrale Position bei der Entwicklung und Durchsetzung von Lösungen einzunehmen. Größtenteils sind diese inhaltlichen Merkmale Ausdruck der Identifizierung und Lösung betriebswirtschaftlicher Probleme. Andere Merkmale bilden eine sinnvolle Ergänzung. Das Merkmal Interaktivität z.B. lässt sich inhaltlich auch als Austausch von Informationen interpretieren. Dies wird dem Informationsverarbeitungscharakter des Dienstleistungsprozess Beratung gerecht. Nach Ramge (2009, S. 23) – und entgegen den Idealvorstellungen der Forscher – wollen jedoch die Esel (Kundenunternehmen) selbst erfolgreiche Treiber (Beratungsunternehmen) nicht, wenn sie auch ihre Methoden benötigen und akzeptieren. Schon gar nicht möchten Kundenunternehmen Berater in den eigenen vier Wänden haben. Das kommt wohl auch vielen Beratern entgegen.

3.3.3

Dimension Beratungsobjekt

Es bietet sich die Differenzierung der funktionalen Betrachtungsweise entsprechend der in einem Zusammenhang stehenden Beratungsfelder an. Dazu zählen die reine Managementberatung (v.a. Organisations- und Strategieberatung), IT-Beratung, Organisationsentwicklung und systemische Beratung, Fach-/Expertenberatung oder Prozessberatung für Problemlösungskonzepte und deren Implementierungsvorbeitung/-durchführung. Von daher gesehen kann der Aspekt Beratungsobjekt im Sinne der Beratungstätigkeit am Objekt oder konkreten Projektleistungsgegenstand zur Differenzierung herangezogen werden. Die Beratungsliteratur vermengt diesen Aspekt manchmal mit der funktionellen Merkmalsgruppe und/oder Erwar-

3.3 Ordnung nach Dimensionen

31

tungshaltung des Klienten gegenüber der Beratung Die vielfältigen und veränderlichen Beratungsfelder, die in Interdependenz stehen und die – durchdrungen von IT-Anwendungen – das gesamte Unternehmen in den einzelnen Beratungsarten abbilden sollen, lassen sich allerdings nur schwer nach fest abgrenzbaren Objekten strukturieren und bewusst-intentional definieren. Explizite Auflistungen helfen nicht weiter. Es lässt sich dennoch für den inhaltlichen (funktionalen) Beratungskontext ein Raum zwischen Beratungsträger, Beratungsadressat und Beratungsobjekt als Bezugsfeld für die Anwendung konstruieren (siehe auch Scholz 2005).

Beratungsadressat

Be

ra

t un

g so

bj e

kt

A Bearbeitung Angebot Auf trag A= Mögliches Anwendungsfeld

Beratungsträger

Abb. 6: Dreidimensionaler Anwendungsraum der Unternehmensberatung

Der BDU z.B. sucht einen Ausweg, indem er sich an die amtliche Statistik von Fachgruppen und Auftragsschwerpunkten in den einzelnen Branchen anlehnt. Der Hauptkunde der Unternehmensberatung ist demnach der sekundäre oder industrielle Sektor. Der BDU hat dem aus funktionaler Sicht folgende aktualisierbaren Objekte der Beratung auf übergeordneter Ebene zugeordnet. Diese Auflistung kommt auch der Aufteilung in aktuelle Fachverbände nahe: Beratungsobjekte • • • • • • • • •

Unternehmensführung/Organisation Personalwesen Technik Qualitätsmanagement Logistik Informationsmanagement Controlling, Finanz- und Rechnungswesen Projektmanagement Umweltmanagement

32 • • • • • • • • • • • •

3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde Change Management Outplacementberatung Finanzierung und Rating Personalberatung Gründung, Entwicklung und Nachfolge Personalmanagement Informationsmanagement und Logistik Projektmanagement Management und Marketing Qualitätsmanagementberatung Öffentliche Auftraggeber Sanierungs- und Insolvenzberatung

Tab. 2: Beratungsobjekte nach Fachgruppen, Auftragsschwerpunkten, Fachverbänden

Sieht man von den kritischen Marktstudien von Verbänden ab, so dominiert wohl von den Umsatzanteilen der einzelnen Beratungsobjekte her die Managementberatung (Strategie- und Prozessberatung). Dabei muss man aber von einer zunehmenden Verwobenheit zwischen IT- und Managementberatung bis hin zu konkreten funktionalen Unterobjektklassen ausgehen, ohne die Unterschiede zu verwässern. Zum Beispiel machen die Beraterrollen „Unterrichten, empfehlen“ bei der Managementberatung ca. 50 % des Umsatzes aus, bei der ITBeratung jedoch nur ein Viertel (Lünendonk GmbH 2002). Mit Blick auf den Projektbezug in den einzelnen Phasen der Erstellung der Projektberatungsleistung tritt allerdings nach und nach das Wie (Organisation, Projektmanagement) der Bearbeitung von Beratungsobjekten in den Vordergrund.

3.3.4

Dimension Organisation

Im folgenden Abschnitt geht es um organisatorische Aspekte auf unterschiedlichen miteinander verzahnten Ebenen. Entscheidungen der Unternehmensführung und Beratungsstrategie Bei Beratern als Einzelunternehmer konzentrieren sich die Entscheidungen in einer Hand, in größeren Beratungsgesellschaften existiert eine arbeitsteilige Geschäftsführung. Diese ist auf höchster Ebene für Entscheidungen verantwortlich. Sie bestehen aus Partnern im Angestelltenverhältnis mit Erfolgsvergütung und einem Geschäftsführer. In Kapitalgesellschaften, die auch in einen Konzern eingebunden sein können, rekrutiert sich die Leitung aus dem Vorstand, kontrolliert durch einen Aufsichtsrat. Kapitalbeteiligte Partner sind über Eigentümergremien wie Partnerrat oder Board eingebunden, die über Strategien, Investitionen und Gewinnverwendung entscheiden. Bei Konzernanbindung kann zusätzlich auch eine Art Wissensbeirat installiert sein. In diesem Rahmen umfassen Entscheidungen entsprechend der Beratungs- und Leistungsstufe in den fachlich spezialisierten Practices folgende Inhalte (siehe v.a. Bock 2007, S. 264ff.).

3.3 Ordnung nach Dimensionen

33

Vorgaben sind: • Periodische (Umsatz, Gewinnmarge) und in persönliche Vereinbarungen transferierbare Ziele zur Steuerung der Honorarbemessung, die marktseitig auf unterschiedlichen Kostensätzen und Verrechnungspreisen basieren (Profitcenter: auch interne Verrechnungssätze): – Umsatzvorgaben und Betreuung der Key Clients für Managing Consultants und Partner – Erfolgreiche Durchführung des Projekts und Unterstützung bei internen Aufgaben bei Senior Beratern und Beratern – Je nach Gliederung in Cost- oder Profitcenter Bemessung der Budgettreue oder Margenvorgaben bei den Bereichsleitern – Ergänzende Steuerung nach harten Größen wie billability (bezahlter Beratereinsatz), Projektrentabiliät, Budgetkontrolle, backlog (verbleibender Auftragsbestand) oder weichen Größen wie Auftragserwartung • Zusätzliches Controlling über die Rentabilität pro Partner oder Key-Client, Umsatz oder Beiträge zum internen Wissensmanagement • Marktrelevante Vermeidung von Reibungsverlusten und Imageschäden durch Reputationsverdienst Zu den Kernleistungsprozessen zählen: • Absicherung von Beschaffungsmarketing, Projektgeschäft, Beziehungspflege durch Funktionen, die oft Berater mit übernehmen: – Human Resource Management (HRM) – Wissensmanagement (WM) und – Controlling Weitergehende Entscheidungen betreffen: • Beratungsoffices: – Erkennen der Notwendigkeit im Zuge der zunehmenden Globalisierung – Gründung in relevanten regionalen Standorten aus einer strategischen Hand oder strategische Koordinierung einiger voneinander unabhängigen Beratungsunternehmen • Export von Projektberatungsdienstleistungen: – Erfassung des konkreten globalen Bedarfs – Deckung z.B. über Freelancer Völlig offen ist bei dieser Auflistung, ob und welche ethischen Verhaltenskodizes hinsichtlich des Umgangs mit den Kunden und der Öffentlichkeit den Entscheidungen zugrunde liegen. Viele Beratungsunternehmen setzen wohl mehr auf Wissensspezialisierung und Qualitätsmanagement (QM)) als auf Ethikmanagement, um auf dem Markt bestehen zu können. Bei der One-Firm-Strategie erfolgt z.B. die Ausdehnung der Geschäftstätigkeit nur über Aufund Abbau eigener Gesellschaften. Jedenfalls ist die Beratungsorganisation ebenfalls Ergebnis der (strategischen) Entscheidung des Managements oder des Unternehmers. Insbesondere schlägt in der Unternehmensberatung die Organisation des Kundenunternehmens, die Ergebnis der Entscheidungen seiner Geschäftsführung ist, auf das Projektgeschäft durch: vermittelt über die Organisation der vertrauensvollen Geschäftsbeziehungen zwischen Beratungs- und Kundenunternehmen.

34

3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

Beratungs- und Projektorganisation Schon Luhmann hat auf Grundlage seiner Makro-Sicht über soziale Systeme die langjährige Dominanz des Aufgabenbegriffs, der zu einer Trennung von Aufbau- und Ablauforganisation auf Betriebsebene geführt hat, kritisiert (1968, S. 43). Immerhin haben Automation, EDV und IuK die Aufweichung des durch Zweckzerlegung gewonnenen Abteilungsschemas bewirkt. Dadurch, dass die „Systemstruktur nur noch als Komplex von ,Entscheidungsprämissen‘ behandelt wird, die den Arbeitsfluss ,programmieren‘“ (ebd.), hat sich die Perspektive der Ablauforganisation durchgesetzt (siehe aber noch den UnternehmensführerscheinDE 2009). Zwar lässt sich zunehmend eine enge Verzahnung zwischen Struktur- und Prozessorganisation in Beratungs- und Kundenunternehmen beobachten. Nach wie vor verstehen aber Theoretiker wie Praktiker Organisation nicht als geistiges Phänomen in den Köpfen der arbeitsteilig und koordiniert zusammenarbeitenden Menschen, sondern als Ding. Aus klassischer Sicht hat sich die Beratungsliteratur ausgiebig mit der Organisation von Beratungsunternehmen – weniger von Kundenunternehmen, in denen ja Projekte stattfinden (sollten) – auseinandergesetzt. Sie soll in größeren Beratungsunternehmen wohl durch flache Hierarchien und flexible Strukturen in der Stammorganisation und durch sekundäre Projektorganisation gekennzeichnet sein. Ergebnis dürfte allerdings selten echtes Lean Management sein, also eine Verschlankung des oberen Managements, sondern Lean Organization des mittleren und unteren Managements sowie der ausführenden Arbeitsbereiche (Hesseler 1999). Aus Sicht des organisatorischen Zusammenwirkens von Beratungs- und Kundenunternehmen in den dezentral organisierten Beratungsprojekten, lassen sich folgende operativen Ebenen unterscheiden: • Abstimmung des Managements von Beratungs- und Kundenunternehmen untereinander • Je nach Kundenbranche und Projektinhalt das Einbringen der Beratungsprojektleistungen in die innovativen, risikobehafteten Auftragsprojekte beim Kunden: – durch Mitarbeiter aus der passenden Industrie und – funktionale ‚practices‘ • Zeitweilige Einbindung von Beratern in die Organisation des Kunden/Klienten, wobei je nach Einsatztyp unterschiedliche Projektorganisationsformen möglich sind und sie z.T. mit Mitarbeitern aus dem Kundenunternehmen eng zusammenarbeiten • Wirkung der jeweiligen Projektorganisation, welche die Schnittstelle zum Kunden regelt, auf die Organisation des Beratungsunternehmens. Es hängt vom Einzelfall ab, in welchem Umfang Beratungsunternehmen Beratungswissen flexibel und objektorientiert für Dienstleistungen am Kunden organisieren. Kleinere Unternehmensberatungen und Einzelunternehmer scheinen dabei im Nachteil zu sein, denn sie können wohl ihr Wissen für Beratungsprojekte nicht systematisch und flexibel als Primärprozess organisieren. Vielleicht verfügen sie über Vorteile beim personenbezogenen Zuschnitt des Wissens. Sofern Führungskräfte im Rahmen einer relativ hohen Aufgabendelegation primär als Coaches wirken und funktionierende IuK-Anwendungen verfügbar sind, kann die Projektgruppe zu einer erfolgreichen Organisationsform werden. Voraussetzung ist, dass die Rolle von Menschen im Projekt anerkannt wird und mögliche alternative Projektorganisationsformen bekannt sind sowie dies in professionellem Projektmanagement praktisch wirksam wird. Dies haben wohl ca. 85 % der Ende der 1980er Jahre befragten 649 Projektmanager auf 11 IPMA-Konferenzen und des Projektmanagement-Instituts (PMI) bestätigt

3.3 Ordnung nach Dimensionen

35

(Nehlsen, Gatzmaga 2001) – zumindest verbal. Die Diskussion und Lösungsansätze zur Projektorganisation für Unternehmensberatung sind dabei auch Spiegelbild der ‚Dogmatik‘ der betriebswirtschaftlichen Management- und Organisationslehre. Bis heute prägt sie ein eher strukturalistischer Zugang zur Wirklichkeit, in dem die formelle Organisationsstruktur – manchmal noch in Form der Zweiteilung von Zustands- bzw. Beziehungsstrukturen (Aufbauorganisation) und Prozessstrukturen – aus der praktischen Organisationsarbeit dominiert. Dies erschwert die gleichberechtigte Berücksichtigung informeller Aspekte in der Unternehmensberatung (soziale Beziehungen, Menschen). Dominieren technisch-instrumentelle Aspekte, werden Menschen bisweilen zu beliebig austauschbaren Systemelementen (Prozessträgern) unter anderen, die sich qualitativ nicht von Systemelementen wie ‚Maschinen‘ unterscheiden. Dadurch kann die Anpassung von Menschen als Objekte im ausführenden Bereich in den Mittelpunkt des Organisierens rücken. Der Preis für Business Reengineering bei IT-Anwendungen sind dann rationale Prozesse, die mit 0,54 % weniger oder ohne Menschen auskommen. Das Tool ARIS (Architektur integrierter Informationssysteme) soll Prozesse dementsprechend modellieren. Auch das Management von Beratungsunternehmen – und dies korrespondiert wegen ihrer spezifischen Unternehmensziele nur oberflächlich mit dem in Kundenunternehmen – favorisiert oft diese verdinglichte Vorstellung über die horizontale und vertikale Arbeitsteilung und überträgt dieses organisatorische Arrangement auf die Arbeitsteilung zwischen Linie und Beratungsprojekt. Die projektinterne Arbeitsorganisation folgt daher dem sachrationales Projektmanagement-Prinzip ‚Koordination durch Hierarchie‘. Bei der Koordination überwiegen meist hierarchiegesteuerte Kontroll-, Personal- und Organisationsmaßnahmen (Fremdkoordination) vor der Selbstkoordination im Rahmen von organisatorischen Handlungsspielräumen für kreative Kommunikation, Wissensarbeit und Lernen. Anstatt Regelungen in Beratungsprojekten den beteiligten Menschen zu überlassen und ihnen Lösungen zuzutrauen, geht man bei der Entsorgung des organisatorisch-emotionalen Konfliktstoffs in sozialen Beziehungen den sicheren Weg. Der oder die Projektleiter, auf den/die sich, wie auch auf die Zusammensetzung des Projektteams, Beratungsunternehmen und Kundenunternehmen verständigt haben und für den/die sich letztlich der Kunde entscheiden muss, setzt stellvertretend die hierarchische Ordnung in Projekten um und durch. Schließlich enthalten auch Beratungsprojekte ein latentes Selbstorganisationspotential, dass eine Gegenordnung repräsentiert. Entgegen dem gängigen technokratischen Verständnis in der Projektmanagementszene, die im Übrigen den niedrigeren Strukturierungsgrad von dispositiven Projekten unterschlägt, stellen gerade Menschen mit ihren praktischen Erfahrungen, Einstellungen, Verhaltensweisen in Beziehungen, Gefühlen, Werten, sozialen Normen, ihrem impliziten Wissen den Haupterfolgsfaktor jeder Projektart und insbesondere von kommunikationsintensiven Beratungsprojekten dar. Dies betrifft die so genannten unsichtbaren kulturellen Aspekte des EisbergModells, zu denen auch die impliziten Anteile von Beratungswissen und -werten zählen. Dieser Perspektivenwechsel kommt dem persönlichen Charakter von Beratungsprojekten entgegen, indem die Projektbeteiligten beider Seiten schrittweise ihre individuellen Vorstellungen und Gefühlen über die Ordnung der Beziehungen in der Projektarbeit (Organisation) zu gemeinsamen dispositiven Regelungen entwickeln. Angesichts dieser Situation bieten sich moderne Organisationsformen für dezentral organisierte Beratungsprojekte in Unternehmen an:

36

3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

• Die intraorganisatorische Tensororganisation: – Überlagerung der drei Leitungssysteme Funktionen, Produkte, Regionen – Vorteil: produktive Konflikte – Nachteil: überhöhter Führungskräftebedarf • Die Poolorganisation als Variante der reinen Projektorganisation für intra- und interorganisatorische Projekte • Intra- und interorganisatorische Organisationsformen zur spiegelbildlichen Abbildung der Kerngeschäftsprozesse mit Programm-, System-, Projekt-, Unterprojektpartnern • Verbreitung virtueller Projektarbeit ohne physische Präsenz und räumlich-zeitliche Beschränkungen: – zur globalen Interaktion der Projektteammitglieder – unterstützt durch spezielle Software (z.B. für ERP) sowie Intranet, d.h. hausinterne Netzwerke, ausdehnbar um Geschäftspartner/Mitarbeitende ins öffentliche, unsichere Internet (Extranet) • Im Multiprojektfall oder in größeren Beratungsprojekten: – Wiederbelebung der Idee des Projektbüros oder Projekt-Office als Multiprojektorganisation – analog der Matrixorganisation, die zur Zeit der Projektmanagement-Stabsstellen oder -zentren verbreitet gewesen ist, Installierung eines internationalen Projektteams im Management der Firma des Subkontraktors (System-Projektleitung). Eine Sonderstellung nehmen projektorientierte Beratungsunternehmen ein. Projektorientierte Unternehmen mit vernetzten Auftragsprojekten können als Sekundärorganisation mit zentrifugaler Tendenz auf Dauer die bestehende hierarchieorientierte Stamm- oder Primärorganisation bis zu einer kleinen Rumpforganisation mit passendem Management (zentripetrale Organisation) verschlanken oder sogar ersetzen. Machen Beratungsprojekte den größten Teil des Geschäftsvolumens aus, müssen Beratungsunternehmen dann Beratungspersonal nicht mehr vorhalten, wenn keine Beratungsaufträge zu bearbeiten sind. Größtenteils sieht die Realität aber anders aus: • Kein konsequent hierarchiearmes und flexibel organisiertes Beratungsunternehmen, so dass sie temporäre Projekte schwerpunktmäßig durch hierarchiekonforme, daher die Kreativität hemmende Projektorganisationsformen abwickeln. • Weil Beratungsunternehmen von (Folge-)Aufträgen abhängen, reden sie die Chance des hierarchiearmen, partizipativen Wirtschaftens in projektorientierten Strukturen praktisch klein.

3.3.5

Dimension Beratungssystem

Die Beratungsforschung stellt zunehmend das Beratungssystem aus der Interaktion und Kommunikation von Berater- und Klientensystem in den Mittelpunkt. Das produktive Zusammenspiel zwischen Beratungsträger (Beratersystem) und Beratungsadressat (Klientensystem) wirkt sich entscheidend auf den Beratungserfolg aus. Dabei ist zu unterscheiden:

3.3 Ordnung nach Dimensionen

37

(1) Beratungssystem im weiteren Sinne, d.h. Beziehungen zwischen: • Kundensystem, also Kunden als Organisation: – Kontaktkunden, Zwischenkunden, Hauptkunden, Vertragskunden, Endkunden, zahlende Kunden; Form der Organisation des Kundenunternehmens – direkt/indirekt von Auswirkung der Projektergebnisse Betroffene • Beratersystem im Allgemeinen, d.h.: – verfügbare Beraterebenen; Form der Organisation des Beraterunternehmens – andere direkt oder indirekt an „Leistungserstellung“ beteiligte „Organisationen“, Personen und Personengruppen des Umfelds wie Fördermittelgeber, Gesetzgeber, Eigentümer/Kapitalgeber, politisches System, Verbände, Berufsorganisationen, Öffentlichkeit etc. sowie – (Grad der) Wechselwirkung und Austausch zwischen Beratungssystem und Systemumgebung (2) Beratungssystem im engeren Sinne, eingebettet in das Beratungssystem im weiteren Sinne: • In konkreter Systemumgebung Beziehungen/Interaktionen direkt im Beratungsprojekt/ -team zwischen: – Klientensystem: Personen/Personengruppen der Kundenorganisation aus unterschiedlichen strategischen und operativen Hierarchieebenen wie Auftraggeber/Projektentscheider, interner Koordinator, manchmal auch Projektleiter, einbezogene Mitarbeiter und deren Vorgesetzte und – Beratersystem: Personen/-gruppen der Beratungsorganisation aus unterschiedlichen strategischen und operativen Hierarchieebenen wie Beratungssupervisor/-koordinator, Projektleiter, ausführende Berater und deren Vorgesetzte • (Grad der) Wechselwirkung zwischen System und Umgebung (v.a. Beratungssystem im weiteren Sinne) und Austausch im Leistungserstellungsprozess, wobei sich eine Art dritte Hierarchie herausbilden kann. Rollenspezifisches Berater-Kunden-Verhältnis Im Beratungsprozess bearbeiten im Idealfall Berater zusammen mit Klienten den Beratungsgegenstand und erstellen Beratungsleistungen zur Deckung eines Bedarfs im Kundenunternehmen. Je nach Auftragsart, Geheimhaltungspflicht und Komplexität der Materie prägt allerdings das Berater-Kunden-Verhältnis eine unterschiedliche Intensität: • Auf der einen Seite bei Aufträgen für ein Gutachten oder einem Expertenrat unmittelbaren Kontakt der beiden Partner untereinander nur bei der Ergebnis- und Fortschrittspräsentation, Beispiele: – Strategien für den Einstieg in fremde Märkte – Untersuchungen des Unternehmenswerts bei der Nachfolge (Due Diligence) oder – Assessments für die Rekrutierung des Nachwuchses – u.Ust. Lean Consulting, insofern das fertige Lösungskonzept auf einem Workshop dem Kunden mit Umsetzungsvorschlägen präsentiert und letztlich dem Kunden die Lösung überlassen wird.

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3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

• Auf der anderen Seite Verbreitung von Aufträgen, die wegen des zunehmenden Transformationsgrads von Prozessoptimierungen, Systemintegration oder Change-Management/ Organisationsentwicklung zur kontinuierlichen intensiven Kommunikation zwischen Berater und Klient zwingen. Zwischen diesen beiden Auftragspolen spannt sich ein breites Spektrum weiterer Auftragsarten. Je nach Einordnung bestimmen sich auch die Rollen von Beratern in Abhängigkeit von denen der Klienten: • • • •

Verharren in der Position des reinen Konzeptlieferanten Nachhaltiges Vorbringen konstruktiver Kritik Vorbereitung der Realisierung Voranbringen, Begleitung oder aktive Übernahme der Implementierung mit dem Klienten zusammen oder allein.

Aber auch ein Rollen-Mix ist je nach Beratungssituation denkbar. Die folgende Abbildung gibt das Berater-Kunden-Verhältnis z.B. als Kontinuum von Beraterrollen wieder (nach Wohlgemuth 1983):

Beratersystem

Klientensystem Berater

Krisenmanager, Problemlöser, Förderer, Eingreifer, Prozessberater, neutraler Dritter

Intensität des Beratereinflusses/der Beraterpartizipation

Intensität des Kundeneinflusses/der Kundenpartizipation

Abb. 7: Berater-Kunden-Verhältnis als Kontinuum von Beraterrollen

Unter Berücksichtigung einzelner Klassifizierungsversuche nach Einflussgrad, Bezug zur Funktion, direktiver/nicht-direktiver Vorgehensweise sowie unter Kritik an der Vereinfachung und Überwindung eindimensionaler Rollenkonzepte hat Hoffmann (1991) umfangreiche empirische Untersuchungen durchgeführt. Diese haben zu einer mehrdimensionalen Klassifikation von Beraterrollen geführt, die allerdings durch die – gern ausgesparten und für den Beratungserfolg ausschlaggebenden – Klientenrollen ergänzt werden müssen. Dabei kann

3.3 Ordnung nach Dimensionen

39

man nicht von einem Fit zwischen qualitativem Beratungsbedarf und Beratungsangebot nach Beraterrollen ausgehen. Die Klienten folgen nämlich zumindest in Deutschland der Auffassung des Managements von der Organisation als Maschine und favorisieren durchgängig die Beraterrolle des Problemlösers. Danach sollen Berater die vom Klienten vorgegebenen Ziele verfolgen, Konzepte erarbeiten und Handlungsempfehlungen für die Umsetzung formulieren. Lediglich der Imagepfleger auf Kundenseite bevorzugt den Informationslieferanten, z.B. in Form von Gutachten, Berichten, Studien. Dieser empirische Befund entspricht den Anforderungen an die direktive Fachberatung, die letztlich dem Klienten die Verantwortung für die Realisierung überlässt. Diese Anforderungen haben sich mit dem Trend zur klientenzentrierten Prozessberatung (Prozesspromotor oder Katalysator und Moderator) verändert. Dabei wird der Grad der Loyalität des Change Agent gegenüber dem Management und damit der Grad des akzeptierten Wirklichkeitsbezugs wohl ausschlaggebend für die Beraterwahl. Gegebenenfalls favorisieren größere Kundenunternehmen eine interne Beratung. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass die Gesamtsteuerung von Macht- und Einflussprozessen den Erfolg von Beratungsprozessen bestimmt. Nur in diesem Rahmen kann sich die soziale Gestaltung von wirtschaftlichem Handeln bewegen. Erst daraus lassen sich Chancen an „höchste moralische Anforderungen“ wie Offenheit und Authentizität der Berater herleiten (Staehle 1994, S. 920). Doppelte Systemperspektive Merkmale der geläufigen systemorientierten Objektsicht zur modellhaften Analyse und Gestaltung des Gesamtsystems der Unternehmensberatung und des einzelnen Beratungsprojekts mit seiner Systemumgebung lassen sich folgendermaßen kennzeichnen:

Objektorientiertes Beratungskonzept • Ziel: Verfügbarmachung des notwendigen Wissens des Unternehmens für Problemlösungen mit Hilfe der Analyse, Bewertung, Beschreibung und Gestaltung eines Unternehmensausschnitts in einer komplexen Situation • Führung, Hierarchie, Planung: Betrachtung und Gestaltung von Beratungsprojekten in erster Linie nach dem Prinzip der Deckung des Koordinationsbedarfs durch Kontrolle • Im Projektablauf Anwendung des sachrationalen Regelkreismodells der Managementschlüsselfunktionen (kybernetische Systemtheorie erster Ordnung): – Regelung auch der ‚ausführenden Menschen‘ als Objekte auf der Regelstrecke durch den „Projektleiter“ (Regler) – Wandel von Projektmitarbeitern zu reinen Durchführenden, die Anweisungen zu folgen haben – Folgen: (1) Verengung der für erfolgreiche wissensintensive kreative Projektarbeit erforderlichen Handlungsspielräume in einem selbst organisierten Projektteam (kybernetische Systemtheorie zweiter Ordnung) sowie (2) Unterausnutzung von Erfahrungen und Kompetenzen Tab. 3: Merkmale des objektorientierten Beratungskonzepts

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3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

Auf dieser Basis würde die direkte Einflussnahme oder Intervention aus folgenden Gründen praktisch versagen: • Wegen der besonderen Kommunikation zwischen dem Berater als Person (-ensystem) und dem Klienten als Person (-ensystem) auf gleicher Augenhöhe • Wegen der Dynamik des unternehmerischen Alltagsgeschäfts. Vor diesem Hintergrund haben sich Beratungsansätze mit sozialen Systemparadigmen (Subjektsicht) herausgebildet. Sie standen und stehen unter dem Einfluss folgender Denkmodelle: • Der konstruktivistischen, selbstorganisationstheoretischen, neo-kybernetischen, familientherapeutischen Ansätze • Der Luhmannschen Systemtheorie • Der verhaltensbezogenen Organisationsentwicklung oder des betriebswirtschaftlich ausgerichteten Change Managements sowie • Der sozialpsychologischen Beratung. Diese Konzepte betrachten und behandeln die Klienten aus den Kundenunternehmen in Respekt vor ihrer Würde und Eigenverantwortung nicht als triviale Maschinen oder Objekte, sondern motivieren sie. Nach der Fabel vom Wettlauf der Frösche erreicht ja nur der taube Frosch das Ziel, weil er die negativen Bekundungen der Zuschauer nicht hört. Stattdessen nehmen diese Konzepte insofern einen Perspektivenwechsel aus individualistischer Sicht vor, als sie Beratungsprojekten als eigenständige Inseln oder integrative eigenständige Beratungssysteme sowie als relativ geschlossene selbstreferentielle soziale Systeme betrachten (Autopoisis). Nur noch eine indirekte Einflussnahme auf das Klientensystem ist möglich. Mit Bezug auf IT-Projekte ist dabei auch Charles Handys Parabel vom gekochten Frosch interessant, sofern man von der Hitzestarre absieht. Danach fühlt sich ein Frosch in lauwarmem Wasser wohl und merkt den Temperaturanstieg (Krise) nicht. Ein Frosch, der direkt in kochend heißes Wasser geworfen wird, versucht dagegen, sofort herauszukriechen (http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Handy). Vor diesem Hintergrund ergeben sich folgende Merkmale des gleichwertigen, auf Selbstorganisation setzenden Beratungskonzepts:

Subjektorientiertes Beratungskonzept • • • •

(1) Sich selbst produzierende Kommunikation: Initiierung, Schaffung und Etablierung: Bildung von Umwelten füreinander durch die miteinander verbundenen Subsysteme Grenze zur weiteren Umwelt durch selbstorganisierten Sinn Eröffnung eines Mehr an Möglichkeiten durch die Kommunikation zwischen Systemen



(2) Selbstbeobachtung: Verbesserung der Selbstbeobachtung des Kunden durch den rein beobachtenden Berater In Beratungsprojekten evolutionäre Entstehung einer Realität, die die Akteure selbst (einzeln, gemeinsam) erkennen

3.3 Ordnung nach Dimensionen •



41

Damit Entstehung: – einer differenzierten Sicht von Problemen insofern, als sie schon versteckte positive Ziele enthalten – Entwicklung von Alternativen im Umgang mit Problemlösungen und – Erweiterung der Problemlösungskapazität nach dem offiziellen Projektende sowie – selbstorganisierte und selbstkoordinierte Initiierung von Veränderungen nach Abschluss des Beratungsprojekts Steuernde Begleitung: – Störung bzw. Entstörung der gemeinsamen Bearbeitung des Beratungsgegenstands – Aufbau eines neuen Bezugrahmens im relativ abgeschlossenen Reflecting Team zur eigenverantwortlichen Initiierung des Problemlösungsprozesses bis in das Klientenunternehmen hinein

Tab. 4: Merkmale der subjektorientierten Beratungskonzeptionen

Möglicherweise untermauern auch die bescheidenen Erfolge des St. Gallener Selbstorganisationsansatzes in der Managementberatung im Vergleich zur klassischen objektorientierten Unternehmensberatung die Kritik an einer nicht ausschließlich betriebswirtschaftlichen Beratungsrichtung. Dies erinnert an den hohen sozialen Zusammenhalt und die geringe Produktivität der Gruppenarbeit bei Volvo im Vergleich zu der höheren bei Toyota und Arbeitsstress (Fließband). Kritikpunkte am Selbstorganisationsansatz in der Unternehmensberatung sind: • Absorption von Energie für die rationale Planung sozialen Handelns infolge der auf die sprachliche Vermittlung von Sinn ausgerichteten wechselseitigen Perspektive des anderen • Keine echte Beteiligung unter konsequenter Thematisierung der Hierarchie, sondern v.a. ‚Machtspiele‘ wie z.B. beim Role-Out in der zu späten IT-Implementierungsphase • Vernachlässigung betriebswirtschaftlicher Aspekte, so dass das in der Wirkung schwer nachzuweisende Wie (z.B. Prozessberatung, Coaching) das Was der Erstellung der Beratungsleistung dominiert • Im Rahmen reiner Prozessberatung die Entstehung von Projekten ohne Ende, wenn kein angepasstes Projektmanagement der Gefahr der Bildung von Kaffeekränzchen vorbeugt (Hesseler 2002b) • Notwendigkeit, implizites Wissen aus sozialen Netzwerken, d.h. v.a. der sehr kompetenten, erfahrenen und damit teuren Senior-Berater, für die Initiierung und Umsetzung in die Prozessberatung situationsgerecht auszuschöpfen. Der Erfolg der systemischen Beratung ist noch nicht belegt. Zwar wirkt diese Haltung angesichts des Ungleichgewichts zwischen sachrationalem und personenbezogenem Projektmanagement zuungunsten von letzteren sympathisch. Es wird ja die Hoffnung genährt, auf diese Weise dem Haupterfolgsfaktor „Menschen im Projekt“ auf der informellen Ebene durch hundertprozentige Beteiligung gerechter zu werden. Die Interaktionskultur soll daher in Richtung Dialogfähigkeit verbessert werden, um unter Berücksichtigung wechselseitiger Achtung individuelle Sichtweisen zuzulassen, zu bündeln und daraus Handlungsalternativen zu erschließen. Die Situation soll dazu gedanklich gemeinsam in einen neuen Rahmen gestellt wer-

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3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

den. Bewusste Irritationen dienen dazu, (Um-)Lernprozesse zu initiieren und dabei Wissen zu generieren. Offensichtlich wachsen aber die Kapazitäten der klassischen Unternehmensberatung. Ihr Personal wird wohl um ca. 25 % höher als in der systemischen Unternehmensberatung aufgestockt. Gründe dafür sind u.a.: • Nachwirkung der vergangenen, vorrangig Experten-basiert (Analyse, Konzeption) ausgerichteten Unternehmensberatung, in deren Rahmen notfalls auch Junioren mit Universitätsabschluss den Kunden durften • Irritation von Praktikern: – wegen der vagen Messung der Ergebnisse/des Erfolgs systemischer Beratung in Form (1) eines ‚erzählten‘ besseren Verstehens und (2) eines positiveren Gefühls – weil jeder nach seinem Standpunkt grundsätzlich alles immer auch anders sehen kann. Weder der Beratungserfolg noch Fehler und Misserfolg lassen sich eindeutig interpretieren, wenn die Zuschreibbarkeit beliebig wird. Jeder konstruiert seine Projektrealität, alle zusammen eine gemeinsame und das System ist an allem schuld. Für den Praktiker hat das Unternehmen ein Problem zu haben, das ihm nur so dann auch lösbar erscheint. Er sieht es eben als Ding und nicht als etwas von den Beteiligten Konstruiertes, in dem schon positive Lösungspotentiale für die Zielformulierung schlummern. Probleme halten viele Praktiker allerdings für so negativ, dass sie diese gern ignorieren. Jedenfalls gehören sie, wenn sie grob erkannt sind, genau analysiert, schnell und nachweisbar gelöst. Alle herkömmlichen Beratungsangebote implizieren zwar auch nur ein Dienstleistungsleistungsversprechen. Was systemische Beratung allerdings bewirken kann oder soll, lässt sich nur grob vermarkten bzw. verkaufen, beim Angebot angefangen. In der Unternehmensberatungspraxis stellt dieser Ansatz daher nur eine Nische mit einem hohen theoretischen Anspruch dar. Lediglich die Organisationsentwicklung (OE), die nicht pauschal mit der quasi-therapeutischen systemischen Unternehmensberatung in einen Topf geworfen werden darf, hat sich zu einem anerkannten Zweig der betriebswirtschaftlichen Unternehmensberatung entwickelt. OE basiert auf fundiertem, interdisziplinärem, anwendungsorientiertem Wissen und kann von daher gesehen Veränderungsprozesse initiieren. OE, die eine Unzahl unterschiedlicher Ansätze mit Individual-, Gruppen- und Organisationsaspekten ausmacht, leitet Interventionen methodisch im Rahmen von Pilotprojekten ein. Ergänzt um ein eher betriebswirtschaftlich orientiertes Change Management, womit sich auch eine nach vertretbarer Kosten-NutzenRelation langfristig angelegte Veränderungsstrategie verkaufen lässt, können Veränderungsprojekte zu nachhaltigen Wirkungen führen. Allerdings geht die ursprüngliche Sprengkraft der OE m.E. verloren, wenn das Ziel ausschließlich die latente Interessenharmonie von Organisationsmitgliedern zum Vorteil des Managements ist. Die Fokussierung von Beratungsaufträgen auf das Management legt nahe, Konflikte zu ignorieren, zu beschönigen oder Pseudolösungen anzubieten. Von Ethik keine Spur, dafür das „Weiter-So“ mit alten Methoden!

3.3 Ordnung nach Dimensionen

3.3.6

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Dienstleistungsdimension

Angesichts der unterschiedlichen Erscheinungsformen der Dienstleistung kann die Heterogenität der Verwendung des Begriffs in unterschiedlichen Forschungszweigen und Fachdisziplinen nicht verwundern. Die Abgrenzung des Gegenstands per Merkmalsdefinition steht z.B. vor dem Problem, dass sich in den Wirtschaftswissenschaften die Begriffe überschneiden oder sich widersprechen. Daher lässt sich der Dienstleistungsbegriff für die Unternehmensberatung nur grob aus den Gemeinsamkeiten erschließen. So wird der Dienstleistungsnachfrager nicht immer gleichberechtigt zur Produktion von Dienstleistungen gerechnet. Bloße Auflistungen der Dienstleistungsbereiche wären nie vollständig. Manche Marktstudien zur Unternehmensberatung sind der amtlichen Statistik gefolgt, die sich lediglich an der Entwicklung des tertiären, d.h. Dienstleistungssektors unterschiedlicher Branchen orientiert. Es kommt dadurch nicht in den Blick, ob ein Unternehmen in all seinen Bereichen Dienstleister ist. Die Besonderheit der Dienstleistung Unternehmensberatung verschwindet dann manchmal in der Nähe zur Bewirtung, Ernährung, Fürsorge, Gesundheit, Körperpflege, Reinigung, Reparatur, öffentlichen Verwaltung, Unterhaltung, zum Haushalt, Sport etc. Kunden beschaffen oder fragen jedenfalls bei Beratungsunternehmen Dienstleistungen nach, welche nach einer mehr oder weniger intensiven Zusammenarbeit mit dem Klienten diese Beratungsleistungen dann am Ende fertig vorlegen. Dabei kommt erschwerend hinzu, dass in der Beratungsdienstleistung das Uno-Actu-Prinzip gilt. Leistungserstellung und Absatz finden also simultan statt, wenn der Auftrag nicht vor der Realisierung endet. Folgen sind: • Relativ unflexibler Einsatz der Berater • Wegen der Präsenz und Reisetätigkeit des Beraters relativ hohe Kosten für den Kunden. Die opportunistische Grundhaltung des Beraters liegt in der Generierung eines Folgeauftrags begründet. Dies verhindert die Reduktion des zeitlichen Aufwands in Aufträgen. Dennoch wäre die Aufhebung des o.g. Prinzips mit möglichen wirtschaftlichen Vorteilen wie höheres Auftragsvolumen, Verringerung der Produktionskosten, Gewinnung neuer Kunden verbunden. Aber der Kunde erwartet eben Präsenz und bewertet entsprechend Dienstleistungsvertrag die Dienstleistungsqualität oft nur nach Zeitaufwand. Im Vergleich zur Beratung des sozialen Dienstleistungsbereichs oder der Erziehung verhalten sich ja Berater in der freien Wirtschaft nur selten altruistisch, indem sie sich ausdrücklich in den Dienst des Kunden stellen. Allein der Gedanke, das Gewinnmaximierungsprinzip wieder durch das einfache Gewinnprinzip abzulösen, stößt schon auf heftigen Widerstand. Die externe Unternehmensberatung bleibt in diesem Rahmen daher nur bedingt eine nachfragebezogene primäre Dienstleistung, da durch die Möglichkeiten, den Bedarf an sich selbst zu erzeugen, die Grenze zur Angebotsorientierung fließend ist. Zudem fragen nicht Konsumenten Unternehmensberatung als Dienstleistung nach, sondern Organisationen aller Art. Sofern daraus Anforderungen an Professionalisierung im Sinne eines Zuständigkeitsmonopols erwachsen, dürfte dies seit Einführung der Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Union Mitte der 1990er Jahre schwerfallen. Dies schließt nämlich die Etablierung neuer Professionen aus. In der Unternehmensberatungsliteratur ist davon selten die Rede. Ausweichmöglichkeit zur Schaffung äquivalenter professioneller Rahmen-

44

3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

bedingungen sind vielleicht exzellente Informations- und Kommunikationstechnologien, Wissensmanagement und Personalmanagement (Beschaffung, Entwicklung, Anwendung von Qualifikationen, Kompetenzen). In diesem Kontext haftet den Beratungsdienstleistungen des Beratungsträgers eine inhaltliche Unbestimmtheit an, denkt man an ähnlich verwandte Begriffe wie Beratungsmodelle, -konzepte, -philosophien, Beratungsmethoden/-instrumente. Der Minimalkonsens besteht darin, Beratungsdienstleistungen nur für ein beauftragendes Kunden- bzw. Klientenunternehmen zur Lösung eines erkannten Problems zu erstellen. Beratersystem Unterstützende Prozesse wie Marketing, Wissensmanagement, IuK, Controlling Finanzierung, Standards, Management

Akquisition, Angebot

Methodik

Planung und Erstellung der Beratungsdienstdienstleistungen als Wertschöpfungsprozess Professionelles Know-how

Lieferung der fertigen Beratungsdienstleistung an Kunden

Vorbereitung/faktischer Beratereinsatz, Lernen, Erfahrungsaustausch, Begleitung/Coaching, Anreize/Vergütung, Laufbahn-/Karriereplanung

Klientensystem Abb. 8: Unternehmensberatung als Dienstleistung (Prinzipskizze)

Von daher gesehen weisen investive Beratungsdienstleistungen, die sich den Professional Services zuordnen lassen, folgende Merkmale auf:

Beratungsdienstleistung • Hoher Grad an Individualisierung bei niedrigem Grad an Standardisierung • Hoher Grad der Interaktion (Einbezug des Kunden als externer Faktor) bei niedrigem Grad an Autonomie

3.3 Ordnung nach Dimensionen

45

• Unter Einsatz externer Produktionsfaktoren für den fremden Bedarf Produktion schwer messbarer immaterieller, d.h. unstofflicher, körperloser, substanzloser, intangibler Wirtschaftsgüter (siehe auch IFRS und Wissensmanagement), d.h.: – Bei ihrer Herstellung bis auf „Hilfs- und Betriebstoffe“ (Notebook, Flipchart, Whiteboard, Metapantafel, Papier und Bleistift, EDV-Programme, ggf. Wissensdatenbanken) keine Verwendung materieller Substanzen in Form des Produktionsfaktors Rohstoff – Wissensbasierte Flexibilität (seit der Groupware Lotus) durch die zunehmende Verwendung elektronischer Speicher- und Trägermedien als materielle Bestandteile für die Leistungserstellung und Ergebnisdokumentation, Folge nach Umfang und Qualität der IuK-Unterstützung: Entstehung eines relativ hohen Kapitalbedarfs hinsichtlich Beschaffung, Entwicklung, Pflege, Aktualisierung • Potenzialorientierung infolge der geringen Lager- bzw. Speicherfähigkeit der immaterialen Dienstleistung, Folgen: – Vermeintliche ‚Anwesenheit‘ des Kunden bei der Produktion – Wegen der schwankenden Nachfrage Unmöglichkeit für den Beratungsträger, auf Vorrat zu produzieren – Kombination der im Prozess reproduzierbaren Möglichkeiten der Bedarfsdeckung mit dem externen Faktor Kunde oder der mit ihm eng verbundenen Faktoren – Manifestation der Dienstleistungen auf dem Markt, z.B.: (1) in Form physischer (elektronischer) oder impliziter Abspeicherung von bewährten Beratungskonzepten und -methoden entsprechend dem individuellen Bedarf oder (2) ihr Abrufen als quasi standardisierte, fast fertige Produkte • Relativ hoher transparenter Komplexitätsgrad des Rahmenprodukts • Mögliche Folge bei fehlender oder verkürzter Beschreibung: Verunsicherung potentieller Kunden • Umfangreiche Investitionen bei der Beschaffung von Beratungsleistungen, dabei interne Konflikte wegen des nur mittel- oder langfristig eintretenden Nutzens • Unklare Kriterien zur vertraglichen Fixierung der Leistungserstellung bis zum Erfolg sowie bei Auftrag nur schwere Einschätzung der durch den Kunden einzukaufenden Leistungen • Entstehung der fassbaren Leistungen erst aus der konkreten Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Beratern und Klienten, Einflussgrößen dabei: – Grad des Einbezugs des Klienten – Grad der eindeutigen Zurechenbarkeit der Beratungsdienstleistungen zum Beratungsträger und/oder Beratungsadressaten. Tab. 5: Merkmale von Beratungsdienstleistungen

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3.3.7

3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

Dimension Beratungsprozess als Projekt

Die begriffliche Klärung des Was (Projekt) und Wie (Projektmanagement) hat v.a. für die Umsetzung einer Beratungsethik in Beratungsprojekte, die die umsatzgetriebene Unternehmensberatungspraxis meist vernachlässigt, insbesondere unter dem Blickwinkel der Erfüllung kommunikativer Anforderungen erste Priorität. Ausnahme ist die realisierungsorientierte ITBeratung, sie schließt aber manchmal Projektmanagement mit dem Ablauf der Projektphasen auf der Ebene Projektleistungsgegenstand kurz. Projekt und Projektmanagement Hier sollen mehr oder weniger komplexe Vorhaben als Beratungsprojekte gelten (siehe die alte DIN-Norm 69901). Kernmerkmale sind: • Beauftragung und Erledigung einer innovativen, zeitlich begrenzten Aufgaben außerhalb des Alltagsgeschäfts (Aufgabenart Disposition) • Keine Eignung für das plötzlich auftauchende Tagesgeschäft (Improvisation) • Keine – auch keine ersatzweise – Übertragung auf vorhandene „Organisationseinheiten“ • Keine Ausrichtung auf Routine, d.h. auf eine im Voraus bekannte, sich wiederholende Aufgabe, Planung (z.B. Analyse), Realisierung (Programmierung) und Wartung (z.B. Pflege). Die überfällige Reform des Regelwerks der Norm 69901 wird seit ca. 2000 angekündigt, hat aber erst 2009 zum Abschluss geführt. Das Regelwerk fasst die bisherigen Normen 69901 bis 69905 jetzt in einer fünfteiligen Norm zusammen. Kern der neuen Struktur ist ein Modell der Prozesse in einem idealisierten Projektmanagementsystem: beginnend vor Vertragsabschluss. Die Normreihe beschreibt Grundlagen, Prozesse, Prozessmodell, Methoden, Daten, Datenmodell und Begriffe im Projektmanagement (Ausgabedatum Normenreihe: 1.2009). Einmal mehr haben wohl mehrheitlich technisch ausgebildete Normenausschussmitglieder eine DIN nicht um die Menschen als Haupterfolgsfaktor im Projekt herum formuliert. Dies ist insbesondere für kommunikations- und personenintensive Beratungsprojekte dysfunktional. Über einschlägige DIN-Merkmale hinaus, deren Grad der Fixierung (Freiheitsgrad) man zusätzlich berücksichtigen muss, stellen Beratungsprojekte meist für das Unternehmen wichtige Vorhaben unterschiedlicher Größe und Dauer dar. Eine Projektgruppe von Fachkräften aus dem Beratungs- und Kundenunternehmen bearbeitet dort in Voll- oder Teilzeit oder im Mix einen inhaltlich klar abgegrenzten Sachgegenstand: • • • • •

Mit relativ hohem Risiko gerade bei der Realisierung Abteilungs-, bereichs-, organisationsübergreifend Fachlich interdisziplinär organisiert Mit begrenzten Ressourcen Im Rahmen großer Handlungsspielräume für die aufwendige Kommunikation und Verhaltensänderung (Lernen) • Unter (Selbst-)Koordination einer Vielzahl einzelner Aktivitäten in ihrem Zusammenhang • Wirtschaftlich effektiv.

3.3 Ordnung nach Dimensionen

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Aus eher praktischer Sicht dient dabei Projektmanagement als Gesamtheit von Aktivitäten der Koordination des Problemlösungsprozesses bzw. erfolgreichen Bearbeitung des Projektleistungsgegenstands im Projektteam. Ohne das professionelle Management der Projektaktivitäten durch dafür zuständige, verantwortliche und dazu fähige Personen in einem funktionierenden Projektteam laufen gerade sensible, personenintensive Beratungsprojekte schnell aus dem Ruder. Kontraproduktiv ist eine Projektunkultur, die auf der Kostenseite mit um sechs Monate verzögerter Produkteinführung, Nicht-Einsparung, zusätzlichem Ressourcenbedarf und/oder Arbeitsstress verbunden ist (Hesseler 2002c). Anzeichen dafür sind (AGRA 2004, S. 2): • • • • • • • • • • • • • •

„Entscheidungen werden außerhalb der Projektorganisation getroffen Weich definierte Projektziele Hinauszögern von Entscheidungen Scope creep Abzug von Ressourcen Hochgradiges Ressourcensharing Große Distanz zwischen Projektteam und Management Kontrollmentalität/Overreporting Wegdelegieren von Problemen („es braucht einen Spezialisten“) Suboptimale Gesprächs- und Problemlösungskultur Zu eng gesetzte unrealistische Zeitziele Keine Wissenssicherung Projektmethoden und Instrumente im Mittelpunkt der Diskussion Karriere nur über die Linienorganisation möglich.“

Die folgenden aus der Praxis berichteten Probleme (Hesseler 2007a) und Folgen von NichtKultur – über die unmittelbaren Nicht-Einsparungen/Zusatzkosten wie z.B. durch Terminverschiebung, Vertragsstrafen hinaus – sind je wahrscheinlicher, desto mehr die Beratungspraxis Projektmanagement als den Erfolg bestimmende Methodik ignoriert oder unterschätzt (nach Seifert, Steiner 1995, Hesseler 2002c):

Nicht-Projektkultur Fehlender Rahmen: • Falsche oder fehlende Informationsbasis für die Entscheidung, Projektmanagement einzuführen • Überdimensionierung des wirklich benötigten Systems, damit länger dauernder „Systemwandel“ und erhöhter Aufwand • Fehlende Ressourcen, um sich mit der Einführung zu beschäftigen • „Delegation“ der Einführung an eine Projektmanagement-Software • Keine Anbindung an die unternehmerischen Prozesse • Einschaltung eines Beraters, der die Bedingungen vor Ort nicht kennt (v.a. in KMU)

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3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

• Unterschätzung der Konflikte zwischen Linienvorgesetztem und Projekt sowie der neuen Arbeitsweisen in diesem Einstellungs- und Verhaltensänderungsprozess • Favorisierung einer wenig partizipativen Top-Down-Einführungsstrategie (RadikalStrategie des Bombenwurfs) • Favorisierung einer Bottom-Up-Einführungsstrategie ohne Unterstützung durch die Geschäftsführung • Halbherzige Befürwortung: Diskrepanz zwischen Reden und Handeln, Gerüchteküche, Chaos und Mobbing Einzelner • Unhaltbare Verschleppung von notwendigen Entscheidungen • Einführung als Alibi (Kunde wird vorgeschoben) oder • Einführung als modischer „Saunaeffekt“ (alle machen es so) • Reduktion der Einführung auf ein paar Einweisungen on-the-job, Crashkurse, Schulungen near-the-job, Aus- und Weiterbildungen off-the-job • Falsche Einordnung der Ausgangssituation: – zeitlich begrenzte Einführung von Projektmanagement für ein spezielles Projekt – eine Einführung von Projektmanagement auf Dauer für ein definierbares Projektportfolio des Unternehmens – eine flächendeckende Einführung des „Management by Projects“ für ein ganzes Unternehmen • • • • •

Verminderung des kumulierten Gewinns: Um 2 % bei 30 % höheren Entwicklungskosten als geplant Um 4 % bei 10 % der IST-Produktkosten über Soll Um 4 % bei 10 % weniger Volumen wegen Kompatibilitätsproblemen Um 15 % bei einer Preissenkung von 10 % wegen Qualitätsproblemen Um 30 % bei um 6 Monate zu später Produkteinführung

• • • • • • • • • • •

Arbeitsstress: Keine Handlungsspielräume für wissensintensive kreative Arbeit Keine konzeptionellen Reflexionspausen Quantitative Überforderung durch Überarbeitung Qualitative Überforderung durch Qualifikations- und Erfahrungsmängel Ungeregelte Konkurrenz- und Machtkämpfe Externe Intervention in die Projektautonomie Teamdefizite Unflexible Arbeitsweise Mängel der Arbeitsqualität Hohe Fluktuationsrate Hohe Fehlzeiten und Krankenstände in Projekten mit längeren Laufzeiten

Tab. 6: Folgen einer Projekt-Nicht-Kultur

Mit nicht-synchronisierten klassisch-bürokratischen Maßnahmen ist dem nicht zu begegnen (siehe die durch Burson Marsteller durchgeführte Studie über die Blogs der Fortune 500 Companies (F500) von 2006, nach Thimm, Wehmeier 2008). Im Rahmen periodischen As-

3.3 Ordnung nach Dimensionen

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sessments zur Überprüfung des Erfolgs helfen vor allem Kultur fördernde Sofort- sowie mittel- und langfristige Maßnahmen, z.B.: • Diagnose und Förderung der kulturellen Situation im Beratungsprojekt • Rollenspezifische Kulturförderung im Personalmanagement von Beratungsprojekten als Teil strategischen Managements, z.B. Karrieren außerhalb der Linie. Den Kosten für die Einführung einer Projektkultur und damit von Projektmanagement steht nach dem Center for Business Practices, „Value of Project Management in IT Organizations“ (2002), ein relativ hoher erzielter Nutzen durch Kultur gegenüber wie z.B.: • • • • • •

Schulungs- und Trainingseffekte (74 %) Zeitschätzung (39 %) Kundenzufriedenheit (38 %) Ausrichtung auf strategische Ziele (37 %), Kostenschätzung und Termin- und Kostentreue (jeweils 33 %) Qualitätsverbesserung (32 %).

Die sachgerechte und gelungene Implementierung von Projektmanagement als Methodengebäude sollte daher in der Unternehmensberatung einen hohen Stellenwert haben. Dem entgegen steht die abenteuerliche Vorstellung, dass Projektmanagement sich in der planungsorientierten Auftragsstruktur der Angebotsphase erschöpft, noch dazu bei unsicherer Informationsbasis vor Projektstart. Professionelles Projektmanagement endet aber nicht vor der Realisierungsphase. Es ist im Gegensatz zum Verständnis von Organisationsarbeit unter Beratern vom Projektvorfeld bis zum Transfer der Projektergebnisse, Betrieb/Nutzung der Lösung, weitergehenden Optimierung/Evaluierung, Außerdienstellung/Entsorgung ein auf Implementierung zugeschnittenes Methodengebäude. Dies muss lediglich an die persönliche unmittelbare Kommunikation zwischen Berater und Klienten angepasst und durch sinnvolle Elemente der Prozessberatung ergänzt werden. Projektmanagement umfasst zusammengefasst folgende Organisations-, Informations-, sachrationale und personenbezogene, übergreifende und begleitende Managementaspekte:

Merkmale des Managements von Beratungsprojekten Ebene Infrastruktur (Organisation, IuK): • Einordnung in die Unternehmensorganisation des Kunden und interne Arbeitsorganisation • Zusammenschluss von Personen, Regelung der Handlungskompetenz (Grad der aufgabenbezogenen Kompetenzfülle) und Handlungsverantwortung (Verantwortungstragweite) • Vereinbarung verbindlicher informeller (Spiel-)Regelungen sowie – bei größeren komplexen Projekten oder mehreren Projekten – Aufbau eines Projektoffice • Projektinformations-, Berichts- und Dokumentationssystem, Auswahl PM-Software

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Sachrationale Ebene: • Zielplanung (Projektqualität): Beeinflussung der Festlegung und Vorgabe von aufeinander abgestimmten Sach- oder Projektgegenstandszielen (Leistung) sowie Vorgehens- oder Ablaufzielen (Projektkosten, Projektendtermin), auch durch personenbezogenen Zielen • Planungs- und Steuerungsmanagement: Koordination (Planung, Steuerung, Überwachung) der wirtschaftlich optimalen Bearbeitung des Projektleistungsgegenstands mit geeigneten Methoden im Team • Fachmanagement: Koordination der inhaltlichen Gestaltung der Fachaufgaben mit geeigneten Methoden im Team • Organisation des Informationsaustauschs im Projektablauf • Projektbegleitendes Management: Qualitäts-, Vertrags-, Risiko- und Änderungsmanagement; Team- und Personalmanagement Personenbezogene Ebene: • Führung im Projekt (personenbezogenes Management bzw. Managementfunktionen): z.B. situationsabhängiges Coaching, Zielvereinbarungen, Stressprophylaxe • Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den Projektteammitgliedern sowie mit/zu den beteiligten Fachabteilungen/-bereichen und externen Akteuren sowie Konfliktmanagement • Schulungen, Management- und Personalentwicklung, Projektlernen Tab. 7: Aspekte des Managements von Beratungsprojekten

Beratungsprojekte leben davon, dass das sachbezogene Projektmanagement das personenbezogene nicht dominiert, sondern beide im Rahmen der gegebenen Infrastruktur von Beratungs- und Kundenunternehmen zusammenwirken: • Die systematische Leitung des sozio-technischen Systems „Beratungsprojekt“ strukturiert den für den sachlichen Projektfortschritt erforderlichen Ablauf so, dass keine unabgestimmten, überholten, falschen oder unsinnigen Vorgaben den Projekterfolg gefährden. Sachrationales Projektmanagement hat dabei folgende Fragen zu beantworten: – Objekt: Was soll geschehen? – Methode: Wie muss der Ablauf strukturiert werden? – Zweck: Welcher Erfolg ist zu erwarten? • Projektmanagement begründet von daher gesehen systematische Koordination nach objektiv messbaren Ablauf- und Ergebniskriterien (Kosten-Nutzen) oder – im Ausnahmefall – nach der Beeinflussbarkeit der Akzeptanz der Sachziele. • Nur ein gut geführtes und selbst organisiertes Beratungsprojektteam kann zu Synergieeffekten in Form leistungs-, termin-, kostengerechter Ergebnisse (Beratungsprojektqualität) führen. 2 + 2 ergeben dann 5. Leadership (Beratungsprojektführung), strukturiert soziales Handeln in Beratungsprojekten sinnorientiert. Personenbezogenes systemisches Management des Projekts (Ganzheitlichkeit) hat dabei folgende Fragen zu beantworten: – Subjekt: Wer soll handeln? – Methode: Wie – z.B. mit welchem Führungsstil – wird die Motivation mobilisiert?

3.3 Ordnung nach Dimensionen

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Sinn: Welche individuelle Bedeutung hat Beratungsprojekthandeln für die Beteiligten (z.B. hinsichtlich emotionaler Bewertung, Arbeitsstress, Vertrauen)? • Von daher gesehen begründet Projektmanagement die systematische Kooperation nach Kriterien individueller Leistungsmotivation und mit dem Anspruch der freiwilligen Akzeptanz der Führungsinhalte und -personen. –

Dabei muss Projektmanagement kontinuierlich Beratungsprojekte so wirksam strukturieren, dass eine Balance zwischen dem Fit des Projekts mit seiner Umgebung und konsistenter interner Arbeit entsteht. Damit erhält Projektmanagement auch eine zusätzliche strategische Dimension. Den Prozess der Erstellung von Beratungsleistungen (zu bearbeitender Projektleistungsgegenstand) strukturiert ein Phasenablauf in der Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Beratern und Klienten in einem relevanten Beratungsumfeld. Diesen Ablauf unterstützt das Projektmanagement methodisch in den einzelnen Phasen. Phasenablauf in Organisationsarbeit und Projektmanagement Auffassungen über den Anfang und das Ende des Beratungsprozesses variieren zwischen einer Definition nach formalem Vertrag und einer an der gesamten Geschäftsbeziehung ausgerichteten Definition. Wegen der besonderen persönlichen Prägung der Geschäftsbeziehung ist von folgender Aufteilung auszugehen: • Beginn: vor dem eigentlichen Auftrag und Vertrag Problembewusstsein, -identifizierung, grobe Zielfestlegung durch Kundenunternehmen, erste grobe Problemanalyse – z.T. im Rahmen der vom Kunden zur Verfügung gestellten Informationen – und Definition des angestrebten Leistungsergebnisses in der Akquisitions-/Angebotsphase durch Berater sowie Beraterauswahl durch Kundenunternehmen • Ende: offizieller Abschluss, Erfolgsbewertung im engeren Sinne, mittel- und langfristige Evaluierung der Umsetzung der Beratungsergebnisse, Analyse der Kundenzufriedenheit, lessons learnt und nachbereitende Maßnahmen wie z.B. Beziehungspflege. Dazwischen liegt meist nach einer Reihe von Analysen die Entwicklung eines Problemlösungskonzepts oder (immer noch zu selten) die Realisierungsvorbereitung mit Maßnahmevorschlägen. Diese sehen manche Berater nur unterbrochen von der parallel laufenden Akquisition von Folgeaufträgen oder anderen Projekten, wodurch Projektsteuerung erforderlich wird. Fast nie beteiligen sich Berater an der Implementierung, und sei es, dass sie diese begleiten. In der Beratungsszene dominiert vor diesem Hintergrund noch die Betrachtungsweise des Ablaufs des Problemlösungsprozesses in Phasen, ohne die Bearbeitung des Leistungsgegenstands des Beratungsprojekts (Was) konsequent in den ProjektmanagementLebenszyklus (Phasenablauf) zu stellen. Damit wird eine Analogie zum althergebrachten Prozess des Organisierens oder – in Projekten – Disponierens wirksam. In der Beratungspraxis kann sich dies allerdings auch in Improvisation erschöpfen. Nach der Initiierung findet die konzeptionell-systemische Planung und Realisierungsplanung statt. Dieser Entscheidungsprozess umfasst die Phasen Vorstudie, Hauptstudie und Teilstudien, die der Vorbereitung einer (möglichen) Realisierungsphase dienen.

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3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

Idealtypisches Phasenmodell des Beratungsprozesses Kontakt-, Akquisitionsphase • Information, Orientierung Kunde/Klient • Vorkontakte • Akquisitionsgespräch

Angebots-, Auftrags-, Vertragsphase

• Identifikation Problembereich • Vorentscheidung Beratung (extern/intern) mit Ziel • ggf. Vorstudie zur Problemstrukturierung • Angebotseinholung/-erstellung • Auftragsentscheidung • Beratungsvertrag

Problemanalysephase *

Konzeptphase (Problemlösung) **

• Planung • Grobe/feine • Detaillierte Verarbeitung Informations- der Informabeschaffung tionen zur (IST) Konzeptent• Zwischenwicklung präsentation • Bewertung der • Auswertung Problemlöbzgl. Lösungs- sungsalteralternativen nativen • Auswahl eines Lösungskonzepts • Präsentation (Abschlusspr.) • Entscheidung nach Umsetzungsbeding.

Realisierungs-/ Implementierungsphase***

• Umsetzungsplanung • Durchführung • Praxiserprobung • Ggf. Optimierung • Einführung

Nachbereitungs-, Bewertungsphase

• Erfolgs-

kontrolle • Zufriedenheitscheck • Follow-UpProzess • Nachkontakte/ Beziehungspflege • Beratungsende

* Manchmal bleibt es dabei ** Vielfach hier immer noch Abschluss *** Trend

Abb. 9: Phasenmodell des Beratungsprozesses

Die Phasen durchlaufen jeweils einen Organisationszyklus im klassischen Organisationsprozess, dem sich die Methoden und Techniken der praktischen Organisationsarbeit zuordnen lassen. Maßgeblich sind dabei der Problemlösungsweg vom Groben zum Detail und die schrittweise Öffnung der Blackbox in der Planung, mit folgenden Vorteilen: • Erarbeitung von zueinander passenden Teilkonzeptionen und Verdichtung zu einem befriedigenden Gesamtkonzept • Schrittweise Gewinnung eines Überblicks über Beziehungszusammenhänge und Aspekte in komplexen Beratungsprojekten • Wechselspiel zwischen Grob-, Gesamt- und Teilkonzeptionen, beeinflusst durch die „Projektumgebung“ • Dabei ständige Kosten-Nutzen- oder Kosten-Wirksamkeitsanalysen • Wissenszuwachs über die Lösung, d.h. Gewinn von präziseren Informationen über die Bearbeitung des Beratungsleistungsgegenstands (Was, Wie) im Zuge des Entscheidungsfortschritts, wenn auch mit Abnahme ihrer Beeinflussbarkeit. Den drei o.g. Phasen folgen die – in der Unternehmensberatung meist ausgesparten – Phasen Systembau (Realisierung), Einführung (Übergabe des neuen Systems/Lösung bzw. seine Umsetzung), womit die eigentliche Organisationsarbeit beendet ist, und die Erhaltung (Kontrolle/Überwachung und Pflege). Im Projektmanagement folgt dann noch die Außerdienststellung/Entsorgung als Phase.

3.3 Ordnung nach Dimensionen

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Leider enden viele Beratungsprojekte noch mit der konzeptionellen Phase, also vor der Realisierung (Systembau). Von Fall zu Fall werden die operativ am Beratungsprojekt beteiligten Akteure die drei konzeptionellen Phasen trotz oder gerade wegen des für die Ausgaben relevanten Aufwands, der finanziert oder bezahlt werden muss, nicht straffen. Das läuft oft für den Kunden verdeckt ab. Dem entgegen ist der Berater hier gefordert, keine Zeit ohne sachliche Begründung zu schinden. Die zunehmenden Forderungen des informierten Kunden und der öffentliche Druck bewirken, dass sich mehr und mehr Prozessberatungsprojekte bis in die Realisierungsphase und darüber hinaus durchsetzen. Dadurch werden sich m.E. angemessenere Honorare durchsetzen. Die Vorhaben müssen daher von Beginn an auf die Implementierung der Lösung als Projektergebnis (Beratungsleistung) ausgerichtet sein. Dann wird sich ein Ablauf nach Projektmanagement-Phasen entsprechend seinem Lebenszyklus durchsetzen:

PM-Phasen im Projektablauf Analyse des Projektbedarfs, Projektentscheidung und Projektauftrag Projekt-Start-up mit Entscheidungen und Schaffung einer Arbeitsbasis (Organisation) Projektplanung für die Realisierung (Teilplanungen, Gesamtprojektplanung) Bearbeitung des Projektgegenstands und Projektcontrolling (Überwachung und Steuerung)

Projektabschluss, Erfolgsbewertung und Transfer der Projektergebnisse

Projektbegleitende/-übergreifende Maßnahmen Q U A L I T Ä T S M A N A G E M E N T

V E R T R A G S M A N A G E M E N T

R I S I K O M A N A G E M E N T

Ä N D E R U N G S M A N A G E M E N T

I

N F O R M A T I O N S M A N A G E M E N T

T E A M

/

P E R S O N A L M A N A G E M E N T

Abb. 10: Ablaufphasen im Management von Beratungsprojekten

Die Projektphasen des Leistungsgegenstandes (siehe Zyklus des Problemlösungsprozesses) korrespondieren damit, dürfen aber nicht damit gleichgesetzt oder verwechselt werden. Kommunikation und Informationsaustausch im Team Unter Kommunikation ist die interne und externe Entwicklung und Vermittlung von Verständigung von einer Person oder Gruppe zur anderen zu verstehen. Dies ist mehr als die wechselseitige Informationsübertragung zwischen Sender und Empfänger, die davon abgelei-

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tet ist. Dennoch reduzieren die – v.a. technisch vorgebildeten oder nur autodidaktisch fortgebildeten – Anhänger des gesunden Menschenverstandes in der Beratungsprojektpraxis gerne das komplexe Kommunikationsgeschehen auf den syntaktisch strukturierten Informationsaustausch und hängen ihn nur oberflächlich an der inhaltlichen Projektarbeit auf (Semantik). Die Vielschichtigkeit kommunikativen Handelns gerade auf pragmatischer Ebene (Sinn) bleibt dabei meist außen vor, obwohl sie den Informationsaustausch erst verständlich macht: • Beratungsprojektgruppe: die unmittelbare Kommunikation in der direkten Zusammenarbeit in Form von Einzelgesprächen, Kleingruppen, Projektmeetings/Besprechungen, Workshops • Beratungsprojektteam: die mittelbare Kommunikation im Rahmen virtueller Projektteamarbeit online (Intranet, E-Mail, Blog) • Die kommunikationsintensive unmittelbare und mittelbare Steuerung der Zusammenarbeit in und zwischen größeren Beratungsprojektgruppen in komplexen Veränderungsvorhaben (z.B. mit Hilfe der Open Space Technologie als Moderationsmethode) sowie • Das Beratungsprojektmarketing, also die Vermarktung des anstehenden, laufenden Projekts und seiner Ergebnisse als unmittelbare und mittelbare kommunikative Aufgabe. An dieser Stelle erfolgt eine Konzentration auf die unmittelbare Kommunikation in der Projektgruppe, die vielfach wegen der zeitlichen Dauer und Einmaligkeit der Bedingungen keine Gruppe im sozialpsychologischen Sinne ist. Allerdings können sich Projektmitglieder längere Zeit aus der alltäglichen Zusammenarbeit oder aus abgeschlossenen Projekten kennen. Für Projektgruppen ist der Einbezug aller Kommunikationsarten bei der Informationsübermittlung charakteristisch, viele Beratungsprojekte belegen dabei folgende idealtypische Verteilung: • Max. 10 % verbale Kommunikation (Sach- oder Informationsaspekt) • Ca. 40 % Tonfall • Mindestens 50 % nonverbale Körpersprache, Mimik/Gestik. Diese letzten drei Ebenen grundieren auch den sozialen Beziehungsaspekt in charakteristischer Weise (siehe das Talk-M-Modell der Nachrichten in Gesprächen von Schulz von Thun 1981): Tatsachendarstellung (Information, es ist), Ausdruck (Selbstoffenbarung, ich bin), Lenkung (Apell, ich will/Du sollst), Kontakt (Kommunikation/Klima, Du bist/wir sind). Gerade Führungskräfte müssten über Sozialkompetenz verfügen, zu denen auch moralische Kompetenzen zählen, die insbesondere für nachhaltiges Konfliktmanagement wichtig sind. Diese sind in der Praxis allerdings wenig verbreitet. Stattdessen werden v.a. fachlich-technische Kompetenzen verlangt. Dahinter verstecken sich manche Akteure gern in Konfliktsituationen. Dies wiegt umso schwerer, weil Kommunikation schon zu ca. 50 % den Großteil der Projektarten ausmacht. In Beratungsprojekten fällt der Anteil weit höher aus, in Veränderungsprojekten kann er gegen 100 % gehen. In der technisch dominierten Projektmanagement-Szene werden OE- und Changemanagementprojekte immer noch stiefmütterlich behandelt. Ein sozial kompetenter und geübter Projektleiter weiß, dass zwar reine Information in Form mündlich oder schriftlich fixierter Worte Zustimmung finden kann, Tonfall und Mimik/ Gestik aber in der Interaktion das Gegenteil verraten können. Allein dadurch können schon

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Missverständnisse in Gesprächssituationen entstehen, dass sich ein Gesprächsteilnehmer auf der verbalen Sachebene und der andere auf der Beziehungsebene (nonverbal, Tonfall) bewegt und sie beide so aneinander vorbeireden. Dem können die Fähigkeiten zur Kommunikation über die Kommunikation (Metakommunikation) und Feedback als wichtiges Hilfsmittel der gemeinsamen Reflexion über die Inhalte – bei gegebenem Projektdruck – im aktuellen Projektverlauf vorbeugen. Im Vorfeld ist es daher hilfreich, kommunikative Störfelder wie z.B. Vernachlässigung nonverbaler Kommunikation oder die emotionale Zusatzbelegung von Sachbegriffen zu identifizieren, die auf das Misslingen von Kommunikation deuten. Ein markantes Störfeld ist die Führung von Individuen und Gruppen als personenbezogene Managementaufgabe (Personalfunktion), womit das Führungsverhalten der/des Projektleiter/s ins Visier rückt. Führen heißt dabei in Beratungsprojekten mehr koordinieren: • Erwartete Beiträge der Mitarbeiter für die Erreichung der Projektziele: Einbringen von Vorschlägen, Kompetenzen, politisch-gesellschaftlichem Kontextwissen und Fähigkeiten zur Folgenabschätzung • Wechselseitige Beurteilung als Bedingung zur Erreichung ihrer persönlichen Ziele und Zufriedenheit • Ausbalancierung der effizienten Erreichung der formalen Projektziele (Aufgabenerfüllung) und der effektiven Erreichung der informellen Individual- und Gruppenziele: – ohne autoritären Zwang – gerecht durch Berechenbarkeit – mit einem ausgewogenen Kräftespiel in der Projektgruppe und einer gemeinsamen Bewältigung von Konflikten. Die Ausfüllung der Koordinationsrollen in einem Beratungsprojekt scheinen daher insbesondere folgende Wirkung zu haben: • • • •

Relative Autonomie und Partizipation der Gruppenmitglieder im vereinbarten Rahmen Höherer Grad an echter Selbstorganisation Rotation der Projektleitung unter zwei Projektleitern und/oder Koordination durch einen Lösung des Grundkonflikts zwischen Projekt und Linie.

Gerade in Beratungsprojekten kann die Unterstützung der wirtschaftlichen Sachaufgaben oder Leistungen durch organisatorische Anweisungen und Kontrolldruck zu kontraproduktiven Wirkungen führen, z.B. werden die Anforderungen an menschliche Zuwendung auf Ebene sozialer Beziehungen vernachlässigt. Gerade kommunikationsintensive Beratungsprojekte zeichnen sachbezogene Konflikte wie Ziel-, Bewertungs-, Vorgehens- und Verteilungskonflikte aus, die, wenn sie mit nicht akzeptierten Gerechtigkeitsprinzipien verwoben sind (Lengfeld 2004), voll auf die informelle Ebene persönlicher Beziehungen durchschlagen. Konfliktformen sind problemhaltige Verhaltenserwartungen der Kommunikationsteilnehmer wie Rollenkonflikte unterschiedlichster Art, Rollenambiguität (Widersprüchlichkeit von Erwartungen an eine Rolle) und Rollenüberlastung. Professionell-ethisch ausgerichtetes Konfliktmanagement könnte diese unter Berücksichtigung der Besonderheiten von Beratungsprojektphasen konstruktiv lösen. Dabei geht es oft um die zufriedenstellende Bearbeitung gegensätzlicher oder unvereinbarer Interessen der voneinander abhängigen Betroffenen, von denen jeder subjektiv recht zu haben glaubt (Rüttinger, Sauer 2000). Die persönliche, nur annäherungsweise wie eine Technik trainierbare persönliche Autorität eines

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3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

erwachsenen Projektleiters – insbesondere in moralisch-ethischer Hinsicht – hat ebenfalls eine konfliktregulierende Eigenschaft, so dass produktive und ethisch angemessene WinWin-Situationen entstehen können. Bei der Suche nach Kompromissen gilt das Zauberwort Praktisches Konfliktmanagement in Beratungsprojekten, damit in Gewinner-Verlierer-Spielen keine Verlierer als unproduktive Leistungsträger übrig bleiben und Verlierer-Verlierer-Spiele nicht zu Demotivation und schlechtem Projektklima führen. Der Informationsaustausch einschließlich der verbalen Berichterstattung im Beratungsprojekt hängt von der situationsgerechten Beherrschung der geschilderten informellen Beziehungen (Kommunikationskompetenz) für Präsentationen, Verhandlungen, Mitarbeitergesprächen, Workshops, Coaching, Moderation, learning/training on the job und den wichtigen mündlichen Gesprächen ab. Das lässt sich nicht von oben verordnen. Die Projektbeteiligten müssen den offiziellen Informationsaustauschs z.B. in Projektmeetings (auch im Rahmen von Portalen) eindeutig und verbindlich regeln. Dabei sind kommunikative Störungen infolge von Informationsverweigerung bei Annahme, Abgabe, Verarbeitung und Weiterleitung auszuschließen. Regelungsgegenstände sind u.a.: • Kontinuierlicher Informationsaustausch im Projektteam: Besprechung, Berichte, Protokolle, Dokumente, E-Mail, Präsentationen, Änderungsanforderungen etc. • Informationsweitergabe an das Projektumfeld: Stakeholder, Auftraggeber, Projektlenkungsausschuss, Projektentscheider etc. • Informationsermittlung der für das Projekt relevanten Rückmeldungen aus dem Projektumfeld, z.B. Zufriedenheit des Auftraggebers als Kunde • Auflistung der Informationsarten für alle möglichen Zielgruppen im Projekt und Umfeld • Bestimmung eines Verantwortlichen für eine Informationsklasse (inklusive Schnittstellenmanagement, Bearbeitung von Informationen sowie Freigabe und Verteilung) • Aufnahme im Projekthandbuch, ggf. mit Konsequenzen im ProjektmanagementHandbuch. Besprechungen in Beratungsprojekten lohnen sich, wenn sie ein günstiges Verhältnis zwischen Kosten (z.B. bei ca. 300,– € Stundensatz: allein bei 4 Personen und 2 Std. maximaler Dauer ein Betrag von 2400,– €.) und Nutzen (zumindest kein Gefühl einer sinnlosen, weil ergebnislosen Besprechung) erreichen. Dazu dient die intensive Vorbereitung von Projektmeetings durch den Projektleiter und/oder das Projektteam. Auch die Profile der teilnehmenden Personen müssen vorher bekannt sein, wobei im Fall von Beratungsprojekten der Klient dazugehört. Merkmale erfolgreichen Besprechungsmanagements sind daher folgende: • Auswahl der richtigen Teilnehmer • Vorangegangene Vorbereitung der Teilnehmer mit Regelungshinweisen wie z.B. der Anforderung an kooperatives Verhalten • Teilnahme aller Eingeladenen und deren pünktliches Erscheinen • Begrenzung auf max. 2 Stunden • Bereitstellung aller funktionierenden Geräte und Systeme • Sichere Moderation und gute Gesprächsatmosphäre (auch für Streitgespräche)

3.3 Ordnung nach Dimensionen

57

• Liefern konkreter Ergebnisse, d.h. Erstellen eines Besprechungsprotokolls (mit Ergebnisarten: Aufgabe, Beschluss, Information/Status, Termin) mit kurzer, präziser und von allen akzeptierten Formulierung • Nach Besprechung: verpflichtende Umsetzung der getroffenen Absprachen (Hausaufgaben).

3.3.8

Instrumentell- methodische Dimension

Die Verwendung des Begriffs Funktion in „funktionell“ legt aus Tätigkeitssicht nahe, den instrumentellen Merkmalskomplex zur Unterstützung und Gestaltung des Beratungsleistungsprozesses als Projekt nach Zweck-Mittel-Zusammenhängen zu klassifizieren. Dabei sind die Methoden und Techniken praktischer Organisationsarbeit, die Beratungsprojekte dominieren, und die Projektmanagement-Methodik als Erfolgsfaktor zu unterscheiden. Diese muss allerdings vor Neuentwicklung, Anpassung, Optimierung einzelner PM-Methoden eingeführt sein. Auf PM liegt hier der Schwerpunkt, dem sich Organisationsmethoden und -techniken zuordnen lassen. Zur Methodik Man kann darüber streiten, ob die methodengeleitete Betriebswirtschaftswissenschaft schon über das in der Unternehmensberatungspraxis notwendige Instrumentarium verfügt. Offensichtlich vernachlässigt aber die Beratungswissenschaft die Entwicklung geeigneter empirischer (induktiv) und konzeptioneller Methoden (deduktiv) sowie Techniken (Verfahren und Instrumente zur Informationsgewinnung und -verarbeitung). Oftmals übernimmt dies stellvertretend die Beratungspraxis, für die Beratungsmethoden zentraler Teil von Beratungskonzepten sind. Dies kann angesichts dieses Alleinstellungsmerkmals im Wettbewerb nicht verwundern. Welche Methoden und Techniken aber sinnvoller Weise unter dieses Instrumentarium fallen, ist weitgehend unklar oder wird von Beratungsunternehmen uneinheitlich entschieden. Meist handelt sich aber bei der Auswahl von Methoden und Techniken um bewährte projektübergreifende oder projektindividuelle Standardmethoden aus der praktischen Organisationsarbeit, die in unterschiedlichem Maße auf die besonderen Unternehmensberatungstätigkeiten zugeschnitten sind. Sie lassen sich dem Organisationskreislauf zuordnen. Es handelt sich daher um einen Mix an Methoden und Techniken zur Informationsgewinnung bei der IST-Aufnahme (z.B. Befragung), Darstellung (z.B. Kommunikationsbeziehungen), der IST-Kritik (z.B. Problemanalyse), der Entwicklung einer SOLL-Konzeption oder Problemlösung (z.B. Kreativitätstechnik wie morphologische Methode, Wirtschaftlichkeitsrechnung, Präsentationstechnik), der Einführung (z.B. Struktur- und Zeitanalyse) und Erfolgskontrolle (z.B. SOLL-IST-Vergleich). Auch in Abhängigkeit von der Betrachtung des Phasenablaufs kristallisieren sich unterschiedliche Schwerpunkte heraus. Dabei dominieren in der klassischen Unternehmensberatung m.E. Problemanalysetechniken (IST-Analyse) sowie standardisierte und innovative Problemlösungsmethoden für die SOLL-Konzeption. Dies wird z.T. ergänzt z.B. um: • Analysen im strategischen und operativen Beratungsmarketing • Qualitätsmanagement für die Dokumentation • Kommunikationstechniken wie die Moderation oder Präsentation

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3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

• Risikoanalyse bei der Realisierungsplanung • Meilensteintrendanalysen (dem Auftragscontrolling zugeordnet) • Klientenzufriedenheitsanalyse nach Auftragsabschluss. Die Projektmanagement-Methodik bleibt weitgehend ausgespart (siehe dazu Hesseler 2007a, mit CD). Diese richtet das besondere Augenmerk auf die detaillierte Planung der Projektrealisierung nach Aufgaben, Ablauf, Terminen, Ressourcen, Kosten, Finanzierung sowie auf die integrierte Steuerung der Realisierung entsprechend den Planungsgrößen. Zudem wird sie durch Software und Tools unterstützt. Die Methoden und Techniken für die Kommunikation und Kooperation im Projekt und Projektteam bilden auch noch keinen Anwendungsschwerpunkt in der Beratungspraxis. Dass Ethikberatung als Teil einer Metaberatung und dementsprechende projekt- und/oder phasenspezifische Audits, Maßnahmen und Reviews über moralische Risiken im Methodenarsenal fehlen, ist wegen der moralischen Anfälligkeit von Unternehmensberatung verwunderlich (siehe Kap. 4.3.3 und Service 2.2, 6.1). Beispielhafte Einzelmethoden Service 1 stellt die Methoden, Techniken, Verfahren und Tools zusammen, die im Rahmen der eher klassischen Unternehmensberatung und der modernen, um Projektmanagement ergänzten Unternehmensberatung empfehlenswert sind, die weiterentwickelt, gepflegt und an Juniors weitergegeben werden müssten. Zu den instrumentellen Aspekten gehört auch die Unterstützung von Beratungsprojekten durch IuK: sowohl in inhaltlicher Hinsicht als auch aus wirtschaftlichen Gründen. In der Online-Unternehmensberatung (Zahlung des höheren Minuten- und Verbindungspreises nach Servicenr.) dominiert die mediale Vermittlung über das Internet. Zu nennen sind die schnelle Informationsbereitstellung per Telefon oder E-Mail (auch im Rahmen des Berufsnetzwerks XING), Beratung in Chats, Foren, Telefoncoaching vor Kundentermin oder Rat mit Hilfe einer kleinen Videokonferenz, sofern sie im Vergleich zur persönlichen Beratung face to face sinnvoll sind (vgl. auch Kaak 2007). Bei eConsulting kann z.B. eine WebCam für die direkte Interaktion zwischen Berater und Klient eingesetzt werden. Kostensparend ist dabei die Verwendung von Skype. Die Online-Beratung wird auch mit Lean Consulting kombiniert, das nach guter Vorbereitung per Workshop die Umsetzung dem Klienten überlässt. Diese soll binnen neun Tagen zu einer neuen Strategie bei einem Kunden führen (Niedereichholz 2012). Neuerdings drängt sich Wissensmanagement (WM) zur Beschaffung von Wissen (Informationen & Erfahrungen), Auswertung von Beratungserfahrungen und -ergebnissen, Verteilung über das Intranet sowie deren Aufbereitung für die Anwendung in Folgeberatungen förmlich auf. Dabei entsteht ein Dilemma oder – besser – eine Zwangssituation für Beratungsunternehmen: • Geheimhaltung ihres Beratungswissens zum Schutz dieses wertvollsten Produktionsfaktors für die eigene Wettbewerbsposition • Kontraproduktive Wissenszurückhaltung, je mehr: – eine engmaschige vertrauensvolle Interaktion zwischen Berater (Präsenz) und Klienten (Integration) vorhanden ist – die Transparenz von Wissen, Erfahrungen und Informationen verlangt wird sowie

3.3 Ordnung nach Dimensionen –

59

in diesem Rahmen WM auf der Seite des Beratungsträgers implementiert und dabei auch der Beratungsadressat mehr einbezogen ist.

WM steht allerdings noch am Anfang für die Unternehmensberatungsfirmen, die Wissensdatenbanken für einen internationalen Wirkungskreis benötigen. Arthur Andersen & Co. (siehe Baubin, Wirtz 1996) – Andersen Consulting wurde nach dem ENRON-Skandal zu Accenture, Arthur Andersen Deutschland und Ernst & Young Deutschland haben fusioniert – und Ernst & Young (siehe Hain 2004) bieten dagegen schon ihr Wissen aus ihren Wissensspeichern Kunden zum Kauf an. Dies kann zum Vorteil der KMU sein, die sich teure Beratung nicht leisten können. Das Problem bleibt, ob die Wissensmanager ihr v.a. implizites Wissen preisgeben wollen. Der Einsatz von Wissensmanagement-Systemen (WM) als Enabler reicht allein nicht aus. KMU in der Unternehmensberatung stricken ihr WM ohnehin meist mit der heißen Nadel und gehen zu Fuß zum Kunden. Defizite sind daher noch: • Kein Erkennen der Vertrauensschwelle zwischen Berater und Klient als Grenze der Anwendung von WM • Der Schwerpunkt der Anwendung: – in den eigenen vier Wänden des Beratungsträgers – bis heute keine inhaltliche Öffnung der Systeme des Beratungsträgers zum Beratungsadressaten, wie dies z.B. bei einer offenen Online-Beratung der Fall ist – höchstens Ergänzung des internen Informationsaustauschs durch den elektronischen Informationsaustausch mit dem Beratungsadressaten (z.B. E-Mail oder Videokonferenzen), der Distanzen überbrückt, schneller abläuft und den Aufwand für Präsenz und Reisen minimiert. In Relativierung des Standardisierungseffekts für die Deckung des auftragsindividuellen Bedarfs, unter Berücksichtigung des beiderseitigen Drucks und unter Präsenzpflicht des Beraters aus Gründen wirtschaftlicher Existenz und Attraktivität kann ein Kompromiss gefunden werden: • Entwicklung/Einsatz eines nur grob standardisierten kostengünstigen und ressourcenarmen WM-Systems zur Bündelung/Aktualisierung, -verteilung und -archivierung von Wissen • Bei Bedarf aus dem abgespeicherten Wissen nach Eingabe der Parameter automatische Generierung eines individuellen Konzepts für die Bearbeitung des klientenspezifischen Beratungsobjekts beim Kunden. Dabei sind allerdings folgende Einschränkungen zu beachten: • Keine interne Verfügbarkeit des impliziten Beraterwissens (siehe z.B. Hesseler, Werner 2007), das sich (noch) nicht durch konventionelle WM-Systeme unterstützen lässt • Verfügbarkeit von WM-Systemen nur für explizites Wissen: – unter partieller Außerkraftsetzung von interessenlastigen Machtverhältnissen neuartige Anreizsysteme für die Wissensabgabe im Rahmen eines sehr hohen Identifizierungsgrades mit dem Unternehmen (vgl. Governance von Arbeiten und Lernen) – Bezahlbarkeit von WM z.B. für KMU aufseiten der Beratungs- und Kundenunternehmen (vgl. Hesseler 2005)

60

3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde

• Abhängigkeit der globalen Vermarktung von Beratungsdienstleistungen von der Optimierung der Wissensbestände und Wissensflüsse nach innen und außen (vgl. auch die drei Direktinvestitionsbedingungen des OLI Paradigmas nach Dunning 1993: ownership specific advantage, location specific advantage, internationalization incentive advantage), Hilfsmittel dafür sind: – ohne Pause Arbeit des „Informationsstaubsaugers“ in eigener Sache – Ausbildung und Pflege von Potentialen. Technisch-organisatorisch exzellentes WM kann jedenfalls für die Steigerung des Kundenwerts mit Hilfe immaterieller = nicht-physischen assets wie z.B. Reputation oder Wissen für Key-Kunden eine nachhaltige Wirkung haben. Dabei gilt als Restriktion für KMU, dass sie nicht ausreichend auf Potentiale aus F&E-Innovationen – und sei es über strategische Allianzen/Partnerschaften, Kooperationsnetzwerke – zurückgreifen können. Sowohl für den internen Wissenstransfer als auch den mit dem Kunden müssen Unternehmensberatungsfirmen passende Wissensmanagementstrategien zugrunde legen. Beratungswissen wird nicht einfach absorbiert wie durch einen Schwamm, sondern es muss durch Menschen interpretiert und übersetzt werden. Können geht vor Wissen!

3.4

Ressource Beraterwissen: Vermittlung zwischen Theorie und Praxis

Ob die Unternehmensberatung eine positive Vermittlerrolle zwischen Wissenschaft und Unternehmensführung/Management spielt, lässt sich noch nicht beantworten. Der Zusammenhang zwischen Unternehmensberatungswissen und Praxis sowie die Kommunikation zwischen Theoretikern und Praktikern ist noch nicht erforscht. Offensichtlich hat man jetzt damit begonnen, die Austauschbeziehungen zwischen Unternehmensberatung und Unternehmenspraxis zu untersuchen, mit dem Ziel herauszufinden, welches Wissen genau für die Beratung erforderlich ist und bei Anwendung zum Erfolg führt. Dabei kann man zwei Perspektiven in der Unternehmensberatungslandschaft erkennen: (A) Klassische, betriebswirtschaftlich ausgerichtete Unternehmensberatung auf Basis von implizitem, induktiv gewonnenem Erfahrungswissen und intuitiv-individuellen Rezepten: • Keine Investition von Zeit, eine wissenschaftliche Fundierung anzustreben und sich mit dem eigenen Selbstverständnis zu beschäftigen: – entweder Überdehnung der Analysephase durch einen unerfahrenen Berater, um sich erst einmal selbst zu orientieren und kundig zu machen (koste es, was es wolle) oder – beim individuellen Problemfall gern Verwendung standardisierten Produktwissens durch die Aktionisten unter den Beratern sowie – unter Verzicht auf eine detaillierte IST-Analyse – Überstülpen des Konzepts – Folge in beiden Fällen: (1) keine Teilung von Risiko und Verantwortung, (2) in einer Managementberatung als Strategieberatung Beschränkung auf die Vorrealisierungsphase.

3.4 Ressource Beraterwissen: Vermittlung zwischen Theorie und Praxis

61

(B) In einer alternativen Beratungssicht Verzicht auf jede inhaltliche Einflussnahme und mehr Beschäftigung mit der Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Berater und Klienten: • Zwar Verfügbarkeit einer sozialpsychologisch ausgereiften Konzeption der Rollenverteilung • Aber Gefahr der Verwendung des Sozialkompetenz-Ansatzes ohne betriebswirtschaftliche Anbindung, so dass die Akteure manchmal ‚kopflos‘ in die Realisierungsphase springen. Obwohl heute sogar der Einsatz von klinischen Psychologen für die Prozessbegleitung akzeptiert ist (siehe von Schlippe, Schweitzer 2003, von Schlippe u.a. 2008), klingen negative Statements zu beteiligungsorientierten Konzepten der Unternehmensberatung negativ nach: „[…] Berufsgruppe, die sich auch Unternehmensberater nennt. „Erdbeertee- und Müslifraktion“, „Moderationshansln“, Pulswärmer“ oder „Mutter Theresa-Truppen“ werden sie von den harten Beratern genannt, „Rambos“ tönt es zurück […] Vor etwa 20 Jahren machten sich Myriaden von Pädagogen, Soziologen und Psychologen, bis dahin in der Weiterbildung oder in der Familientherapie mit ungezogenen Kindern und unzufriedenen Eltern beschäftigt, auf, um sich ökonomisch attraktiveren Feldern zuzuwenden. Was lag näher, als die Interventionsmethoden für das System „Familie“ auf das System „Unternehmen“ zu übertragen. Auf diese Weise entstanden die Organisationsentwickler, Prozessbegleiter oder -berater, häufig mit systemisch orientierten Vorgehensweisen“ (Niedereichholz 2004, S. 3f.). Es ist schwer, die harten Beratungsansätze mit ihren inhaltlichen Kompetenzen, deren historisch früher gelegene insitutionelle Verortung noch kein Gütesiegel ist, mit den weichen, auf sozialen Kompetenzen basierenden zusammenzuführen. Die Vereinigung der Objekt- mit der Subjektsicht würde jedoch noch keine Garantie für den Erfolg von Beratungsprojekten bedeuten. Positive Versuche sind vielleicht der neueste Balanced Scorecard-Ansatz für Lean Consulting auf der strategischen Ebene oder die optimierte Anwendung von Projektmanagement in Kombination mit Prozessberatung (Hesseler 2002b). So genannte harte und weiche Ansätze können relativ hohe Misserfolgsraten aufweisen und mit unseriösen Praktiken aufwarten. Zudem lässt sich die Trennungslinie zwischen Objektiv- und Subjektorientierung nicht scharf ziehen. Offensichtlich haben sich gerade im Beratungsgeschäft die Chancen für den Subjektansatz nicht dadurch verbessert, dass die BWL inzwischen als Teil der Sozialwissenschaften begriffen wird und/oder sie (sozial-)psychologische, soziologische und verhaltenswissenschaftliche Theorien adaptiert und in die klassischen wirtschaftlichen rational ausgerichteten Theorien integriert hat. Manche harten Unternehmensberater leiten dieses Wissen nach ihrer Ausbildung immer noch lieber aus ihrem gesunden Menschenverstand subjektiv ab. Jedenfalls ist handfestes interdisziplinäres Unternehmensberatungswissen z.B. für die erfolgreiche Implementierung (Role Out) einer Softwareanwendung oder produktionstechnischer Systeme methodisch erforderlich. Folgende Zusammenhänge scheinen dabei zu wirken, ohne die relativ fixen Beziehungen zwischen der voneinander nur wenig getrennten BWL oder Betriebswirtschaftswissenschaft sowie der Unternehmensberatung als endgültig beklagen zu wollen:

62

3 Unternehmensberatung: Ein amorphes Gebilde Zusammenhänge zwischen Theorie und Praxis der Unternehmensberatung

• BWL als Bezugwissenschaft für normative Managementtheorien: – relevante Managementkonzepte für Beratungs-/Kundenunternehmen – empirisch unterlegte Entwicklung von Handlungsempfehlungen zur Problemlösung • Unternehmensberatung: – weniger Anwendung theoretischen-methodischen Wissens aus der BWL als von Know-how – ggf. Lernen aus Anwendung und Weiterentwicklung der Konzepte/Methoden – eigene Forschungsinstitute als Sonderfall: Produktion von BWL-Wissen • Problem: Verschwimmen des institutionellen Rahmens der Beratungswissensproduktion und der individuellen Wissenserzeugung. Wissenschaftler: • Wechsel von Wissenschaftlern in Unternehmensberatungen, andere Wirtschaftsfelder • Ca. 10 % deutscher BWLer: Angebot von Beratungsleistungen/Weiterbildung (manchmal unabhängig von eigenen Unternehmenserfahrungen) Unternehmensberater und Manager: • Wechsel ins Management von Kundenunternehmen • Übernahme einer Professur: – Einbringen ihres Know-hows in die wissenschaftliche Theorie – von dort mögliche Rückwirkung auf die Praxis – Vermittlung über Vorträge, Weiterbildung, Workshops, Veröffentlichungen für Praktiker Angebot und Nachfrage von Beratungswissen auf Markt: • Zumindest in der Vorbereitung Transformation, Verbreitung, Anwendung • Nachfrage von externem Unternehmensberatungswissen: – wechselnde sachlich-inhaltliche Anforderungen in veränderlichen Umwelten – ‚politische‘ Unterstützung der Interessen der Unternehmensführung/des Managements gegenüber den Stakeholdern – dabei Austarierung machtbedingter Kontroversen mittels eines Managementkonzepts • Unternehmensberatung als Anbieter: – Anwendung selbst entwickelten oder aus der BWL absorbierten Wissens zur Beseitigung von Wissensdefiziten beim Kunden, dabei auch Innovation von Kundenwissen – Gefahr: (1) Probleme durch Pseudowissen nur scheinbar zu lösen, (2) nicht zur Problemlösung beizutragen sowie (3) zum Händler von Problemen, Praktiken und Sinn zu werden Tab. 8: Unternehmensberatung in den Zusammenhängen von Theorie und Praxis

In diesem Kontext untersucht Goshal aus Sicht einer in der BWL unüblichen transdisziplinären Wissenschaftssicht kritisch die Wirkungskette von ökonomischer Theorie in den Business Schools und Universitäten bis hin zur Praxiswelt einschließlich ihrer Skandale. Dabei könnte Unternehmensberatung – und Ethik für Unternehmensberatung – über additiven „tokenism“

3.4 Ressource Beraterwissen: Vermittlung zwischen Theorie und Praxis

63

hinaus (Goshal 2005, S. 87) durch geeignetes Methodenwissen, Kernkompetenzen, Tugenden und Persönlichkeitseigenschaften eine vermittelnde Rolle zwischen Theorie und Praxis spielen. Negativ wirkt seit den 1960er Jahren die methodische Beeinflussung der Sozialwissenschaften durch die Naturwissenschaften, v.a. der Physik, Folgen sind: • Perspektivischer Wandel von der menschlichen Fähigkeit der Freiheit (Intentionalität), damit von Sinn und (moralischen) Werten zum Messen und Modellierung von Strukturen nach kausalen Gesetzen sowie • Über die Ausbildung Transferierung dieses verkürzten Denkens in die Unternehmenspraxis, wobei dies den Mathematisierern/Parametrisierern in einer ‚VWL und BWL ohne Menschen‘ aus ideologischen Gründen gerade recht ist • Unterschätzung der positiven, anzureizenden Eigenschaften von Menschen als Individuen und in Gruppen (dies wird von Goshal nicht behandelt) mit verheerenden Folgen für die Praxis: – Anknüpfen der Theorien in der Ausbildung an das Menschenbild des Homo oeconomicus: – Vorrang des individuellen Eigeninteresses auch zulasten Dritter – kein Zwang zum kooperativen Verhalten – Illusion der Entstehung allgemeinen Wohlstands, und sei es auf Umwegen. Letztlich kritisiert Goshal die theoretische Vernachlässigung der Menschen in ihrer produktiven Dimension in der Theorie, und indirekt auch das Herunterbrechen in verdinglichende Begriffe, d.h. • Die beratenden Menschen oder das Soziale versteckende Begriffe wie die Arbeit, das Kapital, die Organisation, das Management und • Dadurch ihre Reduktion auf „facts and figures“ (Ursachen-Wirkungsketten), ohne die ungeplanten und unerwünschten kollektiven Folgen der zusammenwirkenden intendierten Handlungen der individuellen Akteure in der Beratungspraxis bis auf Beratungsprojektebene zu berücksichtigen • Gründe: Fremdkontrolle, Demotivation und Misstrauen in wenig schlanken Strukturen, zur Spirale durch den Incentivetropf verstärkt. Trotz der Kritik an der problematischen Wechselwirkung zwischen Theorie und Praxis hat der Sachverhalt Bestand, dass betriebswirtschaftliches Wissen zur Verbesserung und Optimierung unternehmerischer Entscheidungen und wertschöpfender Geschäftsprozesse die Kern-Ressource des Unternehmensberatungs- und Kundenunternehmens ist: Es wird erzeugt, auf dem Markt angeboten und nachgefragt sowie – zumindest in der Vorbereitung – zur Lösung von Problemen transformiert, verbreitet, transferiert und angewandt. Unlösbar scheint dabei folgendes Problem zu sein, insofern Unternehmensberatung ein ethikfreier Raum bleibt und damit die Bedingungen fehlen „damit sich ein soziales Spiel entfalten kann, in dem die wahre Idee über Macht verfügt, weil die Mitspieler eher ein Interesse an der Wahrheit haben als dass sie die Wahrheit ihrer Interessen besitzen, wie das in anderen sozialen Spielen der Fall ist“ (Bourdieu 1976, S. 92). Die individuelle Beratungswissensproduktion und -verwendung stehen in einem strukturellen Konflikt mit den mächtigen institutionellen Rahmenbedingungen. Von produktiver Koexistenz also noch keine Spur!

4

Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

4.1

Worum es geht

Beratung setzt – allerdings selten unter Anwendung ethischer Prinzipien – auf die nachhaltige Verbesserung der Wertschöpfung beim Kunden: • Entwicklung und Erprobung spezifischen Beraterwissens (Informationen & persönliche Erfahrungen) aus den Wirtschafts-, Sozial- und Verhaltenswissenschaften, um konkrete Beratungsgegenstände zu bearbeiten • Dadurch auch Beeinflussung der Repräsentanten des Managements in der Wirtschaftspraxis, unter denen ehemalige Berater zu finden sind • Gestaltung der Unternehmensberatung durch Manager, die in das Consulting-Geschäft wechseln • Evolutionäre Herausbildung eines sprachlich-konzeptionellen Kernvokabulars aus der praktischen Zusammenarbeit von Beratern und Klienten vor Ort • In diesem Rahmen Bewältigung der heterogenen Vielfalt der Beratungsangebote im Zusammenhang mit ihrer Nachfrage. Aber die professionelle Problemlösung durch Unternehmensberatung hängt von Kundenwünschen ab. So sollen „Klienten von McKinsey weniger die konkrete Umsetzung und die Befriedigung von direkten, operativen Projekt-Bedürfnissen, sondern vor allem Internationalität, Legitimation, Reputation und Geltung nachfragen“ (Schneider, Amann 2006, S. 15).

4.2

Moral in der Wirtschaft

Der moralische Gehalt von wirtschaftlichen Abläufen lässt sich ethisch nur annäherungsweise nach dem Grad der Übereinstimmung mit übergeordneten Werten und Normen bewerten, weil nur hinsichtlich der in den Rechtsnormen verankerten Werte Konsens besteht. Der moralische IST-Zustand soll daher nur kurz am Beispiel der Wirtschaftskriminalität beleuchtet werden.

66

4.2.1

4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

Zur Wirtschaftskriminalität

Ob die Rationalität der Marktwirtschaft durchgängig moralisch einwandfrei und ethisch verantwortbar funktioniert, lässt sich nur erahnen. Nur illegale Gesetzesabweichungen lassen sich erfassen. Das zeigt allein schon der hohe Anteil von Management-Fraud an der Wirtschaftskriminalität als Gesamtheit der gewaltlos verübten Delikte. Voraussetzungen dazu sind fachliches Know-how und keine Skrupel, Vertrauen zu brechen. Hohe materielle und immaterielle Schäden sind die Folgen. Hinter diesem Tatbestand verbirgt sich eine Vielzahl (juristisch.) deliktischer Handlungen wie Unterschlagung/Diebstahl, Untreue, Betrug, Verletzung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, E-Kriminalität in Form der Zunahme der Cyberkriminalität, Verletzung von Urheberrechten, Fälschung von Jahresabschlüssen/Finanzinformationen, Geldwäsche, Kartellrechtsverstöße (siehe Service 2.1 Wirtschaftskriminalität). Die Zahlung von Schmiergeldern, manchmal in Bilanzen als Provisionen ausgewiesen, Steuerdelikte und unerlaubte Preisabsprachen fallen nach herrschender Rechts- und Berufsauffassung wohl weniger darunter als Vermögens- und Beschaffungsdelikte. Darauf deutet auch der unbestimmte Begriff „Wirtschaftsstraftaten“ nach § 74 c Abs. 1 GVG, Gerichtsverfassungsgesetz. Die globale Verschmelzung der Kapital- und Gütermärkte, die Welt umfassende Technisierung der Geschäftsprozesse durch das Internet sowie die Erhöhung der Komplexität und Intransparenz der Geschäftsabläufe haben die Entstehung dieses rechtlichen und „moralischen“ Vakuums begünstigt. Das Bundeskriminalamt (Zierke 2007), eine KPMG-Studie zur Wirtschaftskriminalität von 2006 sowie eine internationale Studie von Price Waterhouse Coopers und des Forums Economy & Crime Research Center der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg aus dem Jahre 2005 liefern einige Informationen zur wenig erstaunlichen Wirtschaftskriminalität. Ihre Dunkelziffer in Unternehmen schätzt die KPMG auf 83 % (KPMG 2006a, S. 7). Im Zuge der aktuelle Banken- und Finanzkrise ist das Finanzregelwerk Basel II (angeregt durch die USA, dort verschoben) des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht an der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ)), das seit dem 1. Jan. 2007 in der EU die gesamten Eigenkapitalvorschriften in den Kreditinstituten regeln soll, unter Beschuss geraten. Kritiker meinen, es hätte das regulatorische Kapital zur Verlagerung des Risikos von den Banken in andere Bereiche des Finanzsystems wie z.B. den Hedge-Fonds ermuntert. Befürworter meinen dagegen, Basel II hätte die Krise verhindern können, wäre es schon vollständig realisiert gewesen. Das Regelwerk Basel III soll daher nicht nur das Basel-II-Abkommen von 2007 ergänzen, sondern die Erfahrungen aus der weltweiten Finanzkrise verarbeiten. Es sollte wohl auf dem G-20-Gipfel in Korea im November 2010 verabschiedet werden. Folgendes kam zur Entgiftung des ethikfeindlichen Klimas auf den Prüfstand: • Die kontinuierliche Unterstützung der verstaatlichten Hypo Real Estate Bank (HRE) • Der schuldenbasierte Bankenschirm und Rettungspakete jeder Art zulasten des Steuerzahlers • Das Instrument der Bad-Banks zur Entsorgung von Risiko- oder Gift-Papieren (vgl. die 200 Mrd. aus der HRE für das FMS-Wertmanagement), das Grundsätze seriöser Bilanzierung über den Haufen wirft

4.2 Moral in der Wirtschaft

67

• Versprechen von zu hohen Renditen bei kreditfinanzierten Spekulationen und deren Besteuerung • Die konsequente Anwendung des Verursacherprinzips für High-Risk-Finanzgeschäfte • Ihre Transparenz trotz schneller Computerprogramme. Das Gedankenexperiment der gelb-schwarzen Regierung zu einem ‚Schattenhaushalt‘ hat schon Schlimmes erahnen lassen. So erhalten die Manager der HRE Boni in Höhe von 15 Mio., während die Hartz-IV-Sätze um 8,– € erhöht werden. Moral? Dass der Staat das Füllhorn ausgiebig über die Verantwortlichen ausschüttet und daher trotz der Konjunkturpakete für wichtige Zukunftsinvestitionen in Bildung, Umwelt, Gesundheit und Infrastruktur fehlt, lässt nur die Schere zwischen Arm und Reich (siehe den Armuts- und Reichtumsbericht von 2008) weiter auseinanderdriften. Die Kritik von Polanyi (1978, S. 88f.) an der Unterordnung sozialer Beziehungen unter das Diktat der Ökonomie gewinnt wieder an Aktualität. Er spricht von der „normativ enthemmten Ökonomisierung aller Lebensbereiche, der ganzen Welt (Globalisierung, ‚Deregulierung‘) und sogar des Denkens […]“. Dabei trägt die „Wissenschaft der Profiterzielung“ (Schneider 1990, S. 875) ungeschminkt zur Erhaltung einer ethikfreien Wirtschaft bei, zu der auch die Unternehmensberatung gehört. Erst jetzt erklärt Niedereichholz (2009, S. 97), Professorin für Unternehmensberatung und selbstständige Beraterin und Mitglied des BDU, den Gewinn ausschließlich über Wachstum (Umsatz) zu einem fragwürdigen Beratungsziel. Dafür hätten sich die Unternehmensberatungen bei ihren Kunden bis vor Kurzem ohne Wenn und Aber stark gemacht und trügen daher die Mitverantwortung für die Krise. Die „White collar crime“-Straftäter im Management besitzen jedenfalls ein hohes soziales Ansehen. Sie nutzen ihre berufliche Position für kriminelle Aktivitäten wie für einen Kick. Diesem „occupational crime“ hängt keine besondere soziale Auffälligkeit an (KPMG 2006a, S. 7). Diese Täter in grauen Nadelstreifenanzügen, die auf einem dünnen Drahtseil zwischen Legalität und Legitimität balancieren, lassen sich folgendermaßen beschreiben: • • • • • •

Kaum Vorstrafen Gering ausgeprägte operative Kriminalität im Vergleich zu Elends- oder Straßenkriminellen Höheres Einstiegsalter Höheres Bildungsniveau Geringer Anteil an Leistungseinbrüchen, der kriminelles Verhalten begünstigen würde Nach dem Leipziger Verlaufsmodell keine Verbreitung von extremem Alkohol- und Drogenkonsum (im Widerspruch zur bekannten Zunahme von Therapien gegen Workoholismus in Kombination mit dem Leiden an schweren psychischen Erkrankungen, Tablettenund Alkoholkonsum) • Offensichtlich durch Normverletzungen Ermöglichung des Auslebens und der Verstärkung vorhandener Einstellungen.

Jedenfalls attestieren die KPMG-Studie von 2006 und die Price Waterhouse Coopers-Studie von 2005 Managern als Unternehmensangestellten „mangelndes Wertebewusstsein“, letztere Studie zusätzlich „mangelndes Unrechtsbewusstsein“. „Die Kriminalität von Eliten beruht in erster Linie auf einem Missbrauch ihrer Machtposition, auf mangelndem Unrechtsbewusstsein sowie überzogenen Ansprüchen“ (PwC 2005, S. 26).

68

4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

Hinzuzufügen ist, dass der Nachweis an der Schwelle zwischen rechtlich illegalem und moralisch illegitimem Wirtschaftshandeln oft schwer fällt. Dies verdeutlichte im Jahr 2010 der Fall BP, bei dem wohl auch der Allgemeinheit und Politik die Hände gebunden sind.

4.2.2

Aktuelle Wertvorstellungen

Im Geltungsbereich von Gesetzen, Gesetzesvollzug und/oder verbindlichen Rechtsvorschriften lassen sich unzählige Beispiele illegalen, d.h. nicht regelkonformen, Wirtschaftshandelns finden, das gesetzlich sanktionierbar ist. Der Blick von Wissenschaftlern und Praktikern richtet sich dagegen selten auf „Tatbestände“, die zwar nach dem Gesetz legal, aber nach ethischen Bewertungsstandards wie gut–schlecht, richtig–falsch, gerecht–ungerecht, fair–unfair unmoralisch und daher illegitim sind. Sie können nicht gesetzlich sanktioniert, allenfalls sozial geächtet werden. Buß (2007) hat – unter Mitwirkung des Psephos-Instituts für Wahlforschung und Sozialwissenschaft in Hamburg bei der Organisation der Feldarbeit und Auswertung – leitfadengestützte Interviewgespräche zur Selbstbeschreibung durchgeführt und in einem ergänzenden schriftlichen Teil die Wertvorstellungen von 61 Spitzenmanagern aus der Wirtschaftselite (1. Führungsebene) untersucht. Sieht man von einer Reihe methodischer Defizite wie z.B. der fehlenden Repräsentativität der Stichprobe ab, eignen sich einige ausgewählte Befunde zu Moral und Ethik durchaus als gute Hypothesen, z.B.: • Wertprobleme: – insgesamt: Zunahme von individualistischem und egoistischem Verhalten – Unternehmer/Manager: Verortung des persönlichen Wertgerüsts und der eigenen Kraftquelle im Spaß und der Freude an der Arbeit sowie in der Gestaltungschance • Moral im wirtschaftlichen Handeln: – für knapp ein Drittel der Manager hohe Bedeutung – auch ambivalente Einstufung der Moral – auch Betonung eines gewissen notwendigen Maßes an Amoralität in der Wirtschaft sowie der Unvereinbarkeit von Wirtschaft und Moral – weitere Meinung: kein Nährboden für Moral in der Wirtschaft • Einstufung moralischer Werte im Alltag: – relativ niedrig – aber keine Gleichgültigkeit, unter welchen ethischen Randbedingungen agiert wird – nur zu ca. einem Viertel Zustimmung zum Item „Erfordernis der Entwicklung ethischer Leitlinien als Handlungskodex“ und „Moral ist an die Persönlichkeit der Führungskräfte gebunden“ – verbreitete Erkenntnis auch: besondere ethische Aspekte der Globalisierung – keine Zustimmung bzgl. des Zusammenhangs zwischen Moral, Macht und Einfluss • Moral: – zu gut einem Drittel Kritik der praktizierten Managermoral z.B. hinsichtlich menschenverachtenden Verhaltens, Eitelkeit, Selbstgefälligkeit – aber kaum Zustimmung zum Item „Keinen Bezug zur Realität“ (entgegen eigener Krisenprophylaxe z.B. in Form der Bildung von Rücklagen)

4.2 Moral in der Wirtschaft

69

gewichtiger Stellenwert der ‚Tugenden guten Lebens‘ von Aristoteles, v.a. Klugheit, Vernunft, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit; zu ca. 30 % Nennung der Tapferkeit (Zivilcourage) • Verantwortung: – Abhängigkeit des persönlichen Erfolgs, Lebenssinns, Stolzes und der Ehre von der Verantwortungspflicht gegenüber ihrem Unternehmen – über den Beruf hinaus Prägung des Selbstverständnisses dadurch, dass sie sich als Teil des demokratischen Gemeinwesens begreifen – zu fast 90 % Befürwortung der Verantwortungspflicht als Werthaltung gegenüber Familie und Ehe • Nach Meinung von ca. 50 % kein expliziter Grundkonsens unter Managern, aber ein gemeinsames Selbstverständnis. –

Diese Befunde zum moralischen Bewusstsein und Handeln von Spitzenmanagern sind ernüchternd. Nach repräsentativen Mitarbeiterbefragungen und Umfragen von Grunwald (2005a) verhalten sich ca. 15 bis 20 % dieser Akteure unmoralisch, 5 bis 10 % maximal moralisch sowie ca. 70 bis 80 % amoralisch. Diese Informationen sind Ausdruck einer erschreckenden ‚Bilanz‘ sozialer und ethisch-moralischer Kompetenz (siehe auch besonders drastisch für deutsche Konzernchefs: EMNID 2004 für das WEF bzw. Gallup International-Voice of the people). In diesem Zusammenhang soll auch ein neurobiologischer Erklärungsversuch für fehlende moralische Integrität erwähnt werden, um zum Nachdenken zu provozieren. Dieses Denkmodell setzt an den limbischen Funktionen Stimulanz, Dominanz, Balance an, die den Vitalbedürfnissen dienen. Im Vordergrund steht die Emotionalisierung des gesamten Gehirns, auch seines rationalen Teils. Mit Bezug zu bekannten Finanzskandalen heißt es bei Häusel zum Zusammenhalt einer Gruppe durch Moral (Werten): „Beim Hasardeur bzw. beim Betrüger ist (bei gleichzeitiger extrem hoher Ausprägung der Dominanz- und Stimulanz-Instruktion, M.H.) aufgrund der extrem niedrigen Balance-Instruktion das Sicherheitsbedürfnis sehr gering. Er hat deshalb auch weniger Angst davor, Regeln, sei es gemeinsame Werte oder auch Gesetze, zu verletzen“ (2003, S. 202 f., siehe auch 2000, S. 9–18). Der Autor macht es sich zu einfach, daraus eine genetische Anfälligkeit – in enger Ankopplung an beruflichen Erfolg – für Betrug ableiten zu wollen. Zum einen ist zwar bekannt, dass Entscheidungen aus dem Bauch heraus erfolgen (Weymayr 2009, S. 130). Zum anderen reduziert das Modell aber soziale Kommunikations- und Lernprozesse in der Psychogenese der Menschheit und Ontogenese des Einzelnen wie z.B. die Herausbildung moralischer Urteilsfähigkeit in der moralischen Entwicklung zum Erwachsenen auf neurobiologische Naturvorgänge. Das hat schwerwiegende Folgen: • Unseriöse Annahme einer ungebrochenen genetischen Disponierung vom BakterienDasein bis zum Menschen heute • Genetische Determination des beruflichen Erfolgs und der vielfältigen Motivation unabhängig von der Wechselbeziehung des einzelnen und der Gruppe zu seiner/ihrer Umwelt • Ignorierung und Neutralisierung sozialer Verantwortung • Unterschlagung der umgebungsbedingten großen Varianz der einzelnen limbischen Instruktionen sowie ihres Verhältnisses zueinander in der Persönlichkeit

70

4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

• Vernachlässigung der Funktion des Neokortex und Überdimensionierung der Emotionen (‚Reptilienhirn‘), die ersteren sogar in eine rationale Falle laufen lassen und so austricksen sollen (Häusel 2003, S. 211). Nach Meinung des Zellbiologen Stuart Newman vom New York Medical College „sollte man die genetischen Anlagen eher als Liste und Qualität der Zutaten, aber nicht als fertiges Rezept für einen Kuchen betrachten“ (Häusel 2003, S. 109). Alternativ könnte man den Begriff „genetische Anlagen“ durch den der „sozial erlernten Potentiale“ ersetzen. Dann wären die maßgeblich die Persönlichkeit beeinflussenden Instruktionen nicht genetisch vorgegeben, sondern würden bei variabler individueller Entwicklung nur als neurobiologische Trägerstruktur wirken (Potentiale). Ethik und Moral als Teil eines sozial-emotionalen „Möglichkeitsraums“ wären demnach primär individuell erlernt und (v)erlernbar. Dabei wirken die Dimensionen „Macht und Herrschaft“ strukturierend: ob legal und/oder legitim oder nicht.

4.3

Moral in der Unternehmensberatung

Die Unternehmensberatung ist Spiegelbild der moralischen Defizite der kapitalistischen Marktwirtschaft. Chomsky hat Friedmans „profit-making is the essence of democracy“ entgegen gehalten, dass das Gewinnstreben „eine auf bestimmten Strukturen basierende, krankhafte Erscheinung“ ist, die in einer „anständigen, moralischen Gesellschaft“ eine marginale Rolle spielt (2007). Entgegen idealistischen Annahmen zur Kooperation ist opportunistisches Verhalten der Normalfall (siehe die Spieltheorie). Verbreitet sind: • Globale Unehrlichkeit (Betrügen, Stehlen) und mangelnde Wahrheitsliebe (Täuschen) potentieller Vertragspartner (vgl. aber noch die KMU) • Dominanz von Vertrags- und Vertrauensbruch oder Verrat • Mangelnde Honorierung von Vertrauen • Bedeutungsverlust der Akteure, ihrem Gewissen zu folgen und die Folgen für andere zu achten • Diskreditierung altruistischen Verhaltens – ob aus Pflichtgefühl oder Mitgefühl – als Dummheit. Will Unternehmensberatung besser sein und sogar als Sinnvermittler wirken, muss sie sich ihrer besonderen moralischen Anfälligkeit bewusst werden. Ihre eigenen Skandale, Affären und Probleme sprechen für sich. Negativ wirkt dabei, dass der Beruf des Unternehmensberaters rechtlich nicht geschützt ist und es sich nicht um einen verkammerten Beratungsberuf handelt. Gleichwohl ist Talentmanagement zumindest für die Honorierung wichtig. Angesichts der ersatzweisen Notwendigkeit der Lösung von Berufs- und Expertenproblemen durch ethische Normen versuchen sich daran gerade Standesorganisationen. Dazu werden geeignete Instrumente wie z.B. Berufsgrundsätze (Verbandsregeln des BDU) oder EthikKodizes von einzelnen Beratungsunternehmen zur Steuerung des professionellen Handelns entwickelt. Im Berater-Klienten-Verhältnis haben diese ethischen Prinzipien keine Rechtsverbindlichkeit. Auf welche Zusammenhänge diese aber allgemein zielen sollen, zeigt die folgende Abbildung (integriert nach Wilhelm 1994, S. 173, S. 185):

4.3 Moral in der Unternehmensberatung

Wirkungen

Schützen/ Fördern

Steuernde Organisation: z.B. BerufsVerband v. Unternehmensberatern

Formuliert

Beratungskonzepte

Verstärken/ Begrenzen

Berufsethische Leitlinien

Organisation/ Kultur im BU; professionelle Kompetenzen

Reflektieren/ Verändern; Erhalten/ Erwerben

Management, Berater im Beruf (BU)

an

Beeinflussen

Führen zu

Beratungsbeding. von, Potentiale für

Vorgaben: Ethik u. Kompetenzen (Beruf/Unternehmen)

ric ht en

Werte von Betroffenen (Klienten)

71

BU = Beratungsunternehmen

Abb. 11: Zur professionell-ethischen Steuerung der Unternehmensberater

4.3.1

Fehlendes Berufsrecht und brüchiger Berufsregelungsrahmen

Größere Unternehmensberatungsfirmen versuchen, Beratungsprodukte als Suchgüter gleichermaßen für Käufer und Verkäufer aus der Erfahrung heraus zu definieren. Klienten können auch Beratungsleistungen als Erfahrungsgut antizipieren, wenn sie bei den gleichen Unternehmensberatung ähnliche Leistungen beauftragt haben. Weitgehend sind Beratungen als investive Dienstleistungen aber Vertragsgüter. Ihre mögliche Wirkungsqualität zur Lösung eines anstehenden Problems kann der Kunde meist vor Abschluss des Beratungsprojekts nur diffus beurteilen. Gründe dafür sind: • Das Zusammenfallen von Herstellen und Anwenden • Die interaktive Erfolgsverursachung • Eine relativ asymmetrische Beziehung zwischen professioneller Unternehmensberatung und dem Klienten • Die zeitliche Verzögerung und Kontrollierbarkeit der Bedingungen • Zudem keine Unterscheidung zwischen den Wirkungen der Projektergebnisse insgesamt, der Wirkung einzelner unmittelbarer Projektergebnisse und den mittelbaren Wirkungen. Da Beratungsleistungen Ergebnis der Zusammenarbeit und Kommunikation von Beratern und Klienten sind, lassen sich Erfolg und Misserfolg nur schwer zuordnen. Gerichte können

72

4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

sich nur an schlecht sanktionierbaren Tatbeständen im Schadensfall ausrichten. Das Fehlen einer rechtlich geschützten Berufsbezeichnung verstärkt dies. Opportunistischem und moralisch fragwürdigem Verhalten wird so Tor und Tür geöffnet. Wirksame branchenbezogene oder auf individuelle Beratungsprojekte bezogene ethische Regelungen der Beratungsmoral existieren meist (noch) nicht. Unternehmensberater gelten dennoch als Experten auf ihrem Gebiet, d.h. repräsentieren eine Profession als besondere Form von Beruf. Ihr systematisches, mehr oder weniger gesellschaftlich zur Lösung von Problemen unverzichtbares und exklusives Expertenwissen ist in einem hoch spezialisierten Arbeitsgebiet gebündelt. Ihre Leistungen (Produkte, Dienstleistungen) können Laien zwar in den seltensten Fällen beurteilen, sie müssen aber darauf vertrauen können. Voraussetzung dazu können Kontrollen auf Basis berufsethisch vereinbarter Normen sein, so dass die Laien, d.h. Klienten der Berater nicht ausgenutzt werden. Unternehmensberatung beansprucht daher eine Profession als Ergebnis einer Qualifikations- und Kompetenzbündelung zu sein, das mehr ist als ein Beruf. Dabei sind Fremd- und Selbstbild bei der Einschätzung zu unterscheiden: • Ein durchschnittlicher Beruf als institutionalisierte Berufstätigkeit: – ein historisch entstandenes Qualifikationsmuster oder Bündel von konstruierten positional-formalen Qualifikationen/Arbeitsfähigkeiten oder Qualifizierungen zum Tausch von Arbeitskraft – auf relativ niedrigem Niveau Verbindung bestimmter Qualifikationserwartungen mit spezifischen Arbeitsleistungen und Chancen der Versorgung durch Erwerbsarbeit • Profession (lat. von professio „Bekenntnis/Gewerbe/Beruf“): – Verbindung mit Kompetenzerwartungen an meist monopolisierte Arbeitsleistungen – Versorgung des Besitzers durch Erwerbsarbeit auf relativ hohem Niveau sowie – Status, Prestige oder sogar Einfluss in der Gesellschaft. Zwar gilt nicht mehr das Eigenschaftsmodell des 19. Jahrhunderts, das moderne soziostrukturelle Entwicklungsmuster zur weitergehenden Professionalisierung unberücksichtigt lässt. Offensichtlich wird aber Unternehmensberatung noch nicht als positionaler Berufsstand gesellschaftlich akzeptiert und auf Grundlage von bedarfsgerechten, spezialisierten Kompetenzen und Qualifikationen beschrieben, die auch wissenschaftlich fundiert sind und sich in einer eindeutigen Fachterminologie manifestieren. Kriterien dafür sind z.B.: • Zusammenschluss zu einer eindeutig bezeichneten Berufsposition mit einer klaren Einhaltung beruflicher Normen (Berufsstand) und Unterstützung der Selbstkontrolle durch Berufsverbände • Festlegung von Berufskarrieren • Spezialisierte Fertigkeiten, die in einer längeren akademischen Ausbildung über theoretische Kenntnisse oder intellektuelle Techniken unter Ablegung eines staatlich lizensierten Examens erworben werden • Berufsethische Vorschriften zur Regelung des Eigeninteresses, die ein Bewusstsein von Verantwortung gegenüber Klienten und Gesellschaft vermitteln • Kollektivitätsorientierung zur fachlich autonomen Berufsausübung und eine Art Berufsmonopol • Unerwünschte/erwünschte Sekundäreffekte: – Herausbildung einer echten, wissenschaftlich abgesicherten Fachterminologie

4.3 Moral in der Unternehmensberatung – – –

73

Einengung von Zugangschancen Konsolidierung eines Selbstverständnisses Herausbildung einer Berufsideologie für freie Berufe, die immaterielle und ideelle Dienstleistungen selbstständig und aus persönlicher Perspektive weisungsungebunden anbieten.

Wegen der rechtlich offenen Berufsbezeichnung ist nach Hörner (2008) Unternehmensberatung weniger eine Profession als ein institutionalisierter Arbeitszusammenhang, innerhalb dessen Unternehmensberatung als ökonomischer Kulturvermittler in Krisen und Wandlungsprozessen wirkt. Dies geschieht heute unter massivem Gegenwind: • Abnehmende Akzeptanz von Eigentümern und Managern als Kunden • Forderung des Erfolgsnachweises und des Nachweises des sozialen Nutzen • Zunehmende Kritik von Wissenschaft, Medien, Öffentlichkeit am Streben nach schnellem Geld (auch unter Aufstieg in eine Managementposition beim Kunden) • Nur rudimentäres Interesse der Unternehmensberatungsverantwortlichen selbst, sich mit Professionalisierungsproblemen auseinanderzusetzen. Im Gegensatz zum Beruf und den Dienstleistungen des Wirtschaftsprüfers, Rechts- und Steuerberaters unterliegt die ‚Profession‘ Unternehmensberatung in Deutschland (noch) keinem allgemeinverbindlichen, von berufsfremden Interessen getragenen (externen) Berufskonstruktionsprozess (z.B. Berufsbild) zur Sicherung von Qualifikationserwartungen. Es gibt noch keinen rechtlich geregelten Berufsschutz oder eine geltende amtliche Statistik oder ein Berufsregister mit einer klaren Berufsbezeichnung für betriebswirtschaftlich-kaufmännische Berater im Rahmen einer Berufsordnung. Im Zusammenhang damit stellt Unternehmensberatung keine gesetzliche Vorbehaltsleistung einer gesetzlich definierten Berufsgruppe dar, so dass nur diese eine Beratung durchführen dürfte. In Deutschland bestehen folglich – im Gegensatz z.B. zu Österreich oder Kanada – keine Zulassungsbeschränkungen aufgrund fehlender Qualifikationsvoraussetzungen. Aufwendige Gründungsvorbereitungen sind demnach nicht erforderlich (siehe z.B. www.selbststaendig.com). Die mangelnde Investition von Eigenkapital steht einem Markteintritt auch nicht im Wege. Jeder ‚Schuhputzer‘ mit Visitenkarte kann also beraten. Diesen selbstständigen Freiberufler scheint Folgendes auszuzeichnen: • Eigeninteresse oder sogar Eigennutz am schnellen Kundenfang • Geschickte Verknüpfung eines Mindestmaßes an theoretischen Kenntnissen, praktischen Erfahrungen und Rhetorik zu gebrauchsfähigem, nachfragbarem Wissen • Fähigkeit zur Selbstdarstellung • Beschaffung eines Gewerbescheins (sofern nicht in Wirtschaftswissenschaft promoviert) oder Anmeldung beim Finanzamt als selbstständig mit einer eigenen Einkommenssteuernummer und Umsatzsteuerpflichtigkeit. Im BDU e.V. sind nur ca. 5 % der praktizierenden Unternehmensberater Mitglied. Verbände, die nur eine relativ kleine Gruppe von ‚Berufsangehörigen‘ repräsentieren, können nur eingeschränkt eine flächendeckende Professionalisierung organisieren. Zudem wirkt folgender Kontext erschwerend für die Umsetzung verbindlicher ethischer Gestaltungsrichtlinien:

74

4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

• Niedriger Organisationsgrad mancher Unternehmensberatungsfirmen, so dass sie sich ohne störende Vorgaben auf ihre ‚Sahnestücke‘ ausrichten können • Wegen der chronisch angespannten Finanzlage des normalen Mitglieds Monopol- und Kontrollanspruch einer engagierten leitenden Kerngruppe, mögliche Folgen: – Auftragsusurpierung – Entstehung eines ausgelagerten Marketingspeers im Eigeninteresse • Formulierung von gereinigten Beratungsanforderungen aus Sicht dieser Kerngruppe: – fast bedenkenlose Akzeptanz bestehender Machtverhältnisse, als deren privilegierter Teil sie sich wohl auf den oberen Rängen verstehen – damit Ignoranz gegenüber den in diesem Rahmen erst möglichen Probleme. Es stellt sich allerdings die Frage, ob eine Verrechtlichung des Konstruktionsverfahrens und -ergebnisses (z.B. ein Berufsbild) Abhilfe schaffen würde. Rechtliche Normen, in denen sich Macht und Einfluss gesellschaftlicher Interessengruppen manifestiert, können Verhalten sanktionieren. Zusätzlich sollen sie die berufliche Freiheit garantieren (Art. 12 GG) und einen Interessenausgleich durch Kompromisse ermöglichen. Deren Grenze ist erreicht, wenn selbstständige Unternehmensberater in die ALG-II-Ordnung geraten. Im Anschluss an das Professionalisierungsproblem stellen sich folgende Fragen: • Reicht eine juristische Hermeneutik fern der Realität aus? • Steht die Forderung nach einem Beruf auf Dauer im Widerspruch zum Beruf als Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung? • Dient die Sicherung der individuellen Freiheit mehr dem Wechsel zwischen Verhaltensmustern als der beruflichen untypischen Selbstgestaltung sowie autonomen Gestaltung von Arbeitsleistungen und Qualifikationen? • Wer kontrolliert berufliche Regelungen so, dass die berufliche Freiheit gegenüber Qualifikationserwartungen und gegenüber der Monopolisierung von Arbeitsleistungen gewährleistet ist? In Österreich als einzigem Land in der EU gilt die Gewerbeordnung auch für eine selbstständige qualifizierte Unternehmensberatung, die dort schon eine institutionalisierte Profession ist: „§ 29. Für den Umfang der Gewerbeberechtigung ist der Wortlaut der Gewerbeanmeldung (§ 339) oder des Bescheides gemäß § 340 Abs. 2 im Zusammenhalt mit den einschlägigen Rechtsvorschriften maßgebend. Im Zweifelsfalle sind die den einzelnen Gewerben eigentümlichen Arbeitsvorgänge, die verwendeten Roh- und Hilfsstoffe sowie Werkzeuge und Maschinen, die historische Entwicklung und die in den beteiligten gewerblichen Kreisen bestehenden Anschauungen und Vereinbarungen zur Beurteilung des Umfanges der Gewerbeberechtigung heranzuziehen“ (Bundesrecht: Gesamte Rechtsvorschrift für Gewerbeordnung 1994). Gewerbe wie Ärzte, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater unterliegen in Deutschland Ordnungen mit vergleichbarer Geltung. In Deutschland stellt die Unternehmensberatung dagegen noch eine Quasiprofession auf dem Weg zur Professionalisierung dar, insofern die Öffentlichkeit sie als eigenständige Berufsgruppe wahrnimmt und sie sich selbst auch dort so darstellt (Hagenmeyer 2004, S. 137f.). Lediglich gemäß § 18 EStG und

4.3 Moral in der Unternehmensberatung

75

§ 1 PartGG gehört die Unternehmensberatung zur Gruppe der selbstständig ausgeübten wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstellerischen, unterrichtenden oder erzieherischen oder (sehr) ähnlich gelagerten Tätigkeiten. Laut § 18 (1) EStG sind demnach selbstständige Volksund Betriebswirte Freiberufler, sei es, dass sie selbst Unternehmer, in Unternehmensberatungsfirmen angestellt sind oder als Freelancer wirken. Damit wird ein betriebswirtschaftliches Hochschulstudium (Mindestniveau: der staatlich geprüfte Betriebswirt) Voraussetzung zur Ausübung der Tätigkeit eines Unternehmensberater. Daraus ließe sich ein mehr oder weniger abgrenzbares Berufsbild für den hauptberuflichen Unternehmensberater ableiten, würde diese Voraussetzung nicht – sieht man vom Fehlen einer gesetzlich geschützten Berufsbezeichnung ab – in der mangelhaft institutionalisierten Praxis aufgeweicht. Die Unternehmensberatung gehört statistisch zusammen mit Geschäftsführern und Wirtschaftsprüfern zum Berufsfeld 35, der Berufsgruppe 75 und der Berufsordnung 757 (Tiemann u.a. 1992/2008). Eine spezifische Berufsausbildung und Berufsweiterbildung/-fortbildung sowie damit auch Einstellungskriterien existieren nur in Konturen. Beratungsspezifisches Wissen lässt sich nicht ausweisen, wozu eine wissenschaftliche Fundierung gehört (siehe Service 6 Informationen über die Beratung, Aus- und Weiterbildung, Forschung zur Ethik): • Langfristig angelegte Ausbildungswege mit Zulassungsprüfungen existieren kaum. • Punktuell lassen sich Weiterbildungs- und Fortbildungsveranstaltungen beobachten. Wegen der Defizite in Ausbildung, Weiterbildung, und/oder des Fehlens ausreichender kompensierender Angebote (auch begleitend beim Beratereinsatz) erfolgt keine Absicherung professioneller Verantwortung für die Folgen von Unternehmensberatung nach den verbindlichen berufsethischen Grundsätzen (Ethik-Kodex) einer Standesorganisation. Die Unternehmensberatung bleibt meist fachfremd. Der Beruf kann daher nicht nach eindeutigen Regeln ausgeübt werden: • Entgegen dem Maßstab einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung in großen Unternehmensberatungsfirmen: – zu mehr als 50 % Einstellung von Physikern, Mathematikern, Psychologen und Medizinern ohne BWL-Hintergrund – v.a. nach dem Kriterium der besten Examensabschlüsse und oft schon mit einem Jahresgehalt von ca. 80.000,– € – Manchmal Kompensation dieses Defizits z.B. mit der Beherrschung von Projektmanagement-Methoden. • Selten eine dreijährige Berufserfahrung als zentrale Voraussetzung der Berufsausübung • Fehlen einer hauptberuflich beratenden Tätigkeit als durchgehender Bezugspunkt, z.B. 150 Beratungstage + 30 Tage Fortbildung im Jahr • Bei gegebener Zersplitterung der Verbandslandschaft Versuch des BDU e.V. – fokussiert auf die Interessen der anbietenden Mitgliedsfirmen (siehe dessen Marktstudien als Professionalisierungsersatz in Kap. 4.3.4) –, diese Defizite zu kompensieren, z.B. : – Verleihung des Titels Certified Management Consultant des BDU (Qualitätsnachweis des ICMCI, BDU ist dort Mitglied seit 1995) mit dementsprechendem Verhal-

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4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

tenskodex an nachweislich erfahrene Unternehmensberater mit speziellem Expertenwissen, exzellenten Leistungen, langjähriger Erfahrung und Verpflichtung zu ethischem Handeln – wegen der unspezifischen und vagen Formulierung von berufsethischen Beratungsgrundsätzen (vgl. auch Service 2.7, siehe aber die Anpassung der Beratungsgrundsätze des BDU an die EU-Dienstleistungsrichtlinien, z.B. § 4 Interessenkollision, § 9 Information gemäß § 2 DL-InfoV, da auch über Beschwerden beim Ehrenrat) – wegen des unbefriedigenden wissenschaftlichen Zugriffs auf die Unternehmensberatung noch kein Ausgleich der Regelungsdefizite der nicht-rechtlich normierten Profession bis auf Beratungsprojektebene (siehe aber Service 5) • Vielleicht infolge der Nutzung der Verbandsstrukturen als Akquisitionsplattform für eigene Beratungsaufträge auf den oberen Rängen mangelnde Erreichbarkeit einfacher Mitglieder, v.a. selbstständiger freiberuflich tätiger Klein- oder Kleinstunternehmer für Informationen, Hilfen, Instrumente: – zwar Seminarangebote des BDU für angehende Unternehmensberater: Vermittlung von Erfahrungen bis zu Honorarfragen durch gestandene Profis (vgl. auch Sommerlatte, Mirow, Niedereichholz, von Windau (Hrsg.) 2006, 2008), in Zusammenarbeit mit dem BDU) – aber Rückläufigkeit des Gründungsgeschehens gerade für die Umsatzklasse unter 250.000,– € per anno (m.E. auch noch sehr hoch gegriffen) – vgl. daher auch www.selbststaendige.de, www.beratungswelt.de, www.foerderdatenbank.de; vgl. die Autorisierung von eher technologisch ausgerichteten Beratungsunternehmen durch das BMWI-Förderprogramm Innovationsgutscheine go-inno: http://www.inno-beratung.de/foepro/go/go_beratungsunternehmen.php?navanchor= 1710020); vgl. UnternehmensführerscheinDE 2009. Bei der öffentlichen Existenzgründerberatung muss aber gerade aus Sicht kleinerer Unternehmensberater der Realitätsbezug gewahrt bleiben, sofern die Bewilligung von Fördergeldern von den wichtigen Businessplänen abhängig ist. Dabei wäre es kontraproduktiv, schon in der ersten Phase der Unternehmensgründung Fremdkapital in Form eines Bankkredits zur sofortigen Einstellung von Personal aufnehmen zu wollen. Dagegen gründen kleinere selbstständige Unternehmensberater erst ein Unternehmen und stellen dabei womöglich Personal ein, wenn der erste Auftrag erfolgreich erledigt, ein zweiter gesichert ist und die erreichbare Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben dies rechtfertigt. In diesem Zusammenhang ist natürlich öffentliche Unterstützung hilfreich. Neben der Wahl der Rechtsform und Personaleinstellung sind aber Fragen der Sozialversicherung für Selbstständige (Renten-, Krankenversicherung) und eine Berufshaftpflichtversicherung von besonderer Bedeutung (siehe Bremer Senior Service e.V., www.existenzgruendung-bremen.de; siehe auch die Verbraucherzentralen, www.verbraucherzentrale.de). Die möglichen moralischen Risiken der Berufsausübung bis auf die Ebene von Beratungsprojekten sind angesichts dieser defizitären institutionellen Rahmenbedingungen absehbar.

4.3 Moral in der Unternehmensberatung

4.3.2

77

Prinzipielle moralische Anfälligkeit

Beratungsunternehmen und Berater reflektieren wohl selten das Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlichem und moralischem Handeln und praktizieren selten verbindliches, kontrollierbares Ethikmanagement an den kritischen Zonen des Beratungsgeschäfts bis auf Projektebene. Eine aktuelle, wenn auch nicht repräsentative Untersuchung von Hauser (2009) in großen Managementberatungsgesellschaften – die auch der BDU ermöglicht hat – belegt trotz einer möglichen Zunahme einer Werteorientierung in der Wirtschaft „that the level of incorporating the principles of integrative consulting ethics in management consulting firms in Germany is generally low“ (Hauser 2009). Insofern schlägt auch die Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Unternehmensberatung durch, weil Vertrauen ihre Geschäftsgrundlage ist. Offensichtlich ist aber eine postkonventionelle Beratungsethik – wenn überhaupt – nur vage in Geschäftsprinzipien umgesetzt. Eine kritische Selbstreflexion der Branche fehlt noch (Hauser, Hagemeyer 2009). Ethik dümpelt an der Oberfläche, so dass weder das Management noch die Mitarbeiter Ethik tagtäglich einfordern. Ohne die ethische Korrektur bestehender Beratungsmoral entsteht weder eine brauchbare Problemlösung im Beratungsprozess noch Vertrauen beim Klienten. Klienten sind zwar im Umgang mit Beratung professioneller geworden und können den Nutzen von Ratschlägen genauer einschätzen und sogar Implementierungen verlangen. KMU, die über 99 % der Unternehmen ausmachen, bleiben aber wegen ihrer Unerfahrenheit anfällig gegenüber Unternehmensberatung. Sie sind zwar beratungsresistent, verfügen im Vergleich zu großen Unternehmen auch nicht über eigene Beratungsfirmen wie bspw. die Daimler Chrysler Managementberatung GmbH oder ausreichend internes Expertenwissen. Sie bleiben aber wegen des hohen objektiven Beratungsbedarfs über den Steuerberater hinaus auf externe Unternehmensberatung ihres Vertrauens angewiesen. Zu nennen sind kleinere ‚normale‘ handwerklich versierte und lösungsorientierte Unternehmensberatungsfirmen wie z.B. Plaut, CMG, Steria Mummert Consulting AG oder selbstständige freiberuflich tätige Unternehmensberater. Deren Honorare können sich im Jahresdurchschnitt auch nur auf ca. 40.000,– € belaufen und lassen sich daher nicht mit den großen Geldmaschinen vergleichen. Deren überhöhten Honorarforderungen bis zu 5500,– € Tagessatz stehen manchmal ja nur konzeptionelle Leistungen, also Papier, oder sogar erhebliche Leistungsdefizite gegenüber, für die sie zudem oft nicht haften müssen. Unter der Berücksichtigung, dass Indikatoren wie z.B. Größe, Art der Leitung/Führung, Grad der Unternehmenshierarchie und Wissensbasierung der Unternehmensberatung sowie die Art und Größe der Kundenunternehmens die Tagessätze beeinflussen, kann man dieses Missverhältnis zwischen exorbitant hohen Honoraren und der Qualität der erreichten Leistungen Abzockerei nennen. Wieland, Direktor des Zentrums für Wirtschaftsethik in Weingarten: „Erst der Umsatz und dann die Moral.“ Berichte von Aussteigern und Whistleblowern, engagierten kritischen Journalisten, branchenkundigen Experten in Zeitschriften und Zeitungen (siehe Verwendete Quellen und Service 7 Weitere Quellen) runden diesen strukturellen Missstand ab: • Öffentlich bekannte unseriöse Praktiken und Skandale, in die auch Unternehmensberatung aktiv involviert waren: z.B. ENRON, Bundesagentur für Arbeit, Deutsche Bahn AG, Grohe, Software LKW-Maut

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4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

• Reputations- und Vertrauensverlust durch überzogene Managergehälter, Boni, Abfindungen und Pensionszahlungen • Das Scheitern von mehr als 50 % der Beratungsprojekte (+ Dunkelziffer) infolge von Leistungsdefiziten • Anstatt Fachkompetenz und Erfahrung unredliche Vortäuschung von Kompetenzen und ‚Tugenden‘ vor dem Kunden: – Selbstvermarktung durch unfaire Inszenierung eines Pseudo-Profils: selbstbewusstes Auftreten, Outfit, Sprache (Anglizismen und symbolhafte Eigenerfindungen) – Akquisitionsgespräch durch erfahrenen Seniorberater und seine Kalkulation im Angebot, aber dann Einsatz von unausgebildeten, unqualifizierten, unerfahrenen, schlecht eingearbeiteten Hochschulabsolventen • Eine Folge: Überschwemmung des Beratermarkts mit Gurus, die rhetorisch begabt sind, sich Grundwissen angelesen haben und mit unausgereiften Konzepten, Firlefanz und Heilsverspechen Kunden abzocken und sich vor der Realisierung dann aus dem Staub machen. Die Finkstudie von 2004 (Fink, Knoblach 2004) bestätigt dieses negative Bild nicht. Sie kommt sogar zu gegenteiligen Ergebnissen hinsichtlich Umsetzbarkeit, Fach- und Methodenkompetenz, Know-how-Vermittlung an Kunden, Preis-Leistungs-Verhältnis, Seriosität und Internationalität. Die Zufriedenheit mit den Beratern scheint wohl wieder gestiegen zu sein. An der Spitze liegt dabei wohl die BCG (Boston Consulting Group). Diese empirischen Ungereimtheiten deuten auf Interessenlastigkeit und Social Networking zwischen Beratungsunternehmen und dem Management von Kundenunternehmen hin. Bei der Beurteilung fällt allerdings auch ins Gewicht, ob Beratungsunternehmen unangenehme Aufgaben übernehmen müssen. Als Beispiele sind zu nennen die Entwicklung eines Marketingkonzepts für Zigaretten, eine Analyse zur Bewertung der Entsorgung von Sondermüll, ein Lagerkonzept für Vorrichtungen in der Endmontage eines Kampfflugzeugs, eine Erfolgsstrategie für die Herstellung von Medikamenten mit hohen Nebenwirkungen, eine Reorganisationslösung zur Standortverlagerung und Personalfreisetzung oder die Entwicklung eines internetgestützten Spielcasinos. Durch Übernahme solcher Aufträge sind moralische Konflikte vorprogrammiert, wenn diese mit der sozialen Verantwortung gegenüber bestimmten Stakeholdern (Klienten, Gesellschaft bzw. Öffentlichkeit) nicht vereinbar sind: • Fehlen einer konsequenten Gemeinwohlorientierung in der Unternehmensberatung infolge moralloser Märkte, demokratischer Defizite in Wirtschaft und Unternehmen und poröser staatlicher Rahmenbedingungen (z.B. Hagenmeyer 2002) • Keine Übernahme von Verantwortung durch Berater bei Verfehlungen • Keine präventiven Nachweise der moralischen Legitimität ihres legalen wirtschaftlichen Handelns • Kontraproduktive Inkaufnahme einer negativen öffentlichen Meinung und eines Reputationsverlusts • Entgegen dem eigenen Selbstverständnis manchmal völlige Abhängigkeit vom Auftraggeber (siehe Tatort „Unter Druck“ in der ARD am 9.1.2011): – keine Handlungspflicht, sondern aus Opportunismus zu wenig Distanz zu den (versteckt) illegalen und/oder illegitimen Strategien des Auftragsgebers – Verzicht auf moralische Reflexion und nachhaltiges ethisches Raisonnement sowie Zivilcourage als Kennzeichnen einer demokratischen Zivilgesellschaft

4.3 Moral in der Unternehmensberatung

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• Keine klare Verantwortung, Selbstzuschreibung für die Haupt- und Nebenfolgen in der arbeitsteiligen Wertschöpfungskette bis auf die Ebene des Geschehens im einzelnen Beratungsprojektteam. Auch die Kunden als Empfänger der von der Unternehmensberatung gelieferten Beratungsvorschläge/-lösungen sind moralischen Konflikten ausgesetzt. Diese kommen darin zum Ausdruck: • Übersehen der Inkompetenz, des Fehlverhaltens und der mangelhaften Zielgenauigkeit der angebotenen Beratungsleistung, weil – der verantwortliche Manager in der Unternehmensberatungsfirma groß geworden ist oder – der Ansprechpartner dort im Kundenunternehmen beschäftigt war, oder – Führungskräfte im Kundenunternehmen ungeeignet sind • Infolge mangelnden Problembewusstseins vorschnelles Erteilen eines Auftrags • Arroganz infolge eines scheinbaren Überangebots von geeigneten Beratungsleistungen auf dem globalen Markt • Trotz ungenauer Information über Kompetenz und Erfahrungen der Unternehmensberatung Hinnahme der eigenen Rolle als Bedarfs-Dauerdurchlaufgröße, um die Verantwortung nach außen delegieren zu können • Aus Misstrauen Zurückhaltung wichtiger Informationen über das Unternehmen • Im Management keine Übernahme von Verantwortung für schon getroffene Entscheidungen oder fertige Lösungen, Folge: • Suche nach einer externen Legitimation (Scheinberatung), indem sie ein Gefälligkeitsgutachten beauftragen.

4.3.3

Moralische Risiken in Beratungsprojekten

Vertrauen ist die wesentliche Basis für die Kommunikation zwischen Beratungs- und Kundenunternehmen: von der Akquisitions-, Angebotphase bis zum Ende des Projekts. Offensichtlich muss dabei allerdings mit Vertrauensschwankungen gerechnet werden, so dass geeignete Maßnahmen dem vorbeugen müssen. Mit einer abrupten Abflachung der Vertrauenskurve muss bei moralischen oder ethischen Risiken zu jedem Zeitpunkt gerechnet werden. Es ist wohl inzwischen gerade durch die Wirksamkeit von Kick-Off-Veranstaltungen und regelmäßigen persönlichen Projektteamtreffen widerlegt, dass Vertrauen langsam wächst und schnell wieder zerstört werden kann (entgegen Vetter, Wiesenbauer 1995, S. 134). Für Beratungsprojekte – und v.a. solche in KMU – gilt diese Aussage nach wie vor nur eingeschränkt. Bis zum Abschluss des Beratungsvertrages geht es daher noch nicht um die konkrete Leistung, die ja noch Zukunft ist, sondern um den sorgfältigen, fairen und vertrauensvollen Umgang der potentiellen Vertragspartner miteinander. Der benötigt Zeit. Interessanterweise weist § 307 und § 122, § 179 II BGB darauf als Pflicht hin. Daraus lassen sich sogar Haftungsanforderungen bzw. Schadensansprüche des geschädigten Vertragspartners ableiten. Schon vor dem ersten entscheidenden Akquisitionsgespräch haben gerade Beratungsunternehmen besondere Pflichten zu erfüllen, denen allerdings auch einige Pflichten des potentiellen Auftraggebers trotz seiner relativen Machtstellung gegenübergestellt werden können. Im Fall der defizitären Entwicklung handfester technischer Systeme als Ausfluss von IT-

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4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

Beratung/-entwicklung existieren im Vergleich zu den ‚immateriellen‘ Beratungsprojekten schon verbindliche ethische Leitlinien. Daher fällt dort eine Haftpflichtversicherung für Beratungsunternehmen oder Einzelberater oder eine private Regelung der Haftpflichtrisiken nicht ins Bodenlose (nach Kooperation der GI mit dem Maklerunternehmen Seeliger & Co. GmbH). Bezugspunkt wären dabei die Kosten für Wiederherstellung gelöschter Daten, Nichtverfügbarkeit von Daten durch Implementierungs- oder Integrationsarbeiten, Mehrkosten nach fehlgeschlagener Installation. Ein Beratungsprojekt ist keine isolierte Wissensinsel, die eine erfolgreiche, durch Projektmanagement vermittelte Kommunikation zwischen Beratungsunternehmen und Beratungskunden bremsen würde (siehe Randolph, Posner 1988, S. 70). Innen- und Außenwirkungen von Beratungsprojekten hängen eng miteinander zusammen. Ihr Verhältnis prägt inhaltlich, ob ein eher abschreckungszentriertes, aus einer Misstrauenskultur in hierarchisch strukturierten Beratungsunternehmen gespeistes oder eine vertrauensbildende Umgebung in einer offenen Kultur dominiert. Im ersten Fall kann die Verfügbarkeit von Projektwissensmanagement, einschließlich des ethisch relevanten Wertewissens gefährdet sein. Im zweiten Fall reichen vielleicht Optimierungsmaßnahmen aus. Dabei hat das Ad-hoc-Vertrauen zwar wie in typischen anderen Projekten nach einer Initialzündung kurzzeitige Wirkung. Das langfristig wirkende Vertrauen – sei es wissens- oder identifikationsbasiert – ist aber gerade in KMU von besonderer Bedeutung für Beratungsprojekte: • Die Partner sind in Grenzen zur wechselseitigen Vorherbestimmung ihres Handelns fähig. • Ein gemeinsames gegenseitiges Verständnis kann inkorporiert werden. Dem immer wachsamen Projektmanagement-Experten sei gesagt, dass eine Behandlung der Phasen en détail den Rahmen sprengen würde. Dem klassischen konzeptionell arbeitenden Unternehmensberater sei aber empfohlen, mit dem realisierungsorientierten Projektmanagement endlich ernst zu machen. Vor diesem Hintergrund richtet sich die weitere Darstellung nach dem Projektlebenszyklus im Projektmanagement aus. Der Projektablauf wird in bestimmte Projektmanagement-Phasen mit Prozessen untergliedert. Die sachrationalen und personenbezogenen projektbegleitenden Maßnahmen sind dem zugeordnet. Dabei kommt dem Qualitätsmanagement als Rahmen für die Bearbeitung des Projektgegenstands (Prozesse, Ergebnis) und des Projektmanagements (Ergebnis, Prozess) eine besondere erfolgsrelevante Funktion zu. Übergreifende/begleitende professionell-moralische Risiken Schon mit der projektübergreifenden Kontaktphase entstehen Probleme, die bis auf die individuelle Projektkalkulation für das Angebot bzw. den Auftrag durchschlagen können. Insbesondere die professionell-moralischen Konfliktlagen und Risiken aus den Projektbeziehungen zwischen Beratungsunternehmen (Beratersystem) und Kundenunternehmen (Klientensystem) schlagen sich in diffusen und unvollständigen Standards des Qualitätsmanagements als Rahmen von Beratungsprojekten sowie in den begleitenden Querschnittsfunktionen des Vertrags-, Risiko-, Änderungs- und Informationsmanagements und dem übergreifenden Personal-/Teammanagement nieder. Vielfach finden Beratungsprojekte in dieser Hinsicht sogar ungeregelt statt, ethische oder ethisch relevante Aspekte sind ohnehin nicht Bestandteil von

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Projektmanagement-, Projekthandbüchern oder -akten. Service 2.2 stellt Beispiele dafür zusammen. Moralische Risiken in der Beratungsprojektvorphase Die Beratungsprojektvorphase gilt als steiniger Weg von einem erkannten Problem über eine vage Projektidee und einen tragfähigen Projektvorschlag zu einem vollständigen Projektauftrag. Sie wird oft unterschätzt. So entsteht auch eine Projektidee oder ein Vorschlag nicht einfach aus dem Nichts. In dieser Phase bestimmen die dafür Zuständigen aus Beratungsunternehmen und – hoffentlich – Kundenunternehmen den Projektbedarf und treffen auf Grundlage vorhandener oder zu erarbeitender Informationen die Entscheidung für oder gegen ein Projekt. Dabei spielen moralische Erwägungen meist keine Rolle. Weil die Ergebnisse dieser Phase den Projektstart präjudizieren, ist es gerechtfertigt, sie auch in dieser Hinsicht als eigenständige Phase auf dem Weg zur endgültigen Projektdefinition zu behandeln. Im Beratungsprojektvorfeld beginnt auch auf dem Weg zum Projektauftrag die systemische Projektplanung unter Einbezug der Analyse der Ausgangssituation. Diese setzt sich ab Projektstart (zumindest des Hauptprojekts) in der operativen Ziel- und Projektplanung fort. Selbst, wenn keine positive Entscheidung zustande kommt, können die Ergebnisse, sofern sie sorgfältig dokumentiert sind, für zukünftige Vorhaben genutzt werden. Ob bei der Auswahl eines Beratungsprojekts aus einem Projektportfolio, das in KMU sicherlich nicht die Regel ist oder der Einzelprojektentscheidung ist es ratsam, nicht auf eine KostenNutzen-Analyse zu verzichten. Es handelt sich dabei um einen Aufwand mittlerer Reichweite für beide Seiten. Oft helfen schon die richtigen Arbeitshilfen (Hesseler 2007a) oder zielsichere Informationen, denn der „Planungscharakter“ ist in dieser Projektentscheidungsphase noch relativ offen. Das verführt allerdings zu unsystematisch vorbereiteten Entscheidungen: • Flucht in bürokratische Standards oder Projektmanagement-Software als Allheilmittel oder • Die uferlose Beschaffung von Informationen und nackten Zahlen als Entscheidungsverhinderungsargument. Die absolute Sicherheit gibt es im Projektmanagement nicht, aber Arbeitshilfen verhindern individuelle Spielwiesen und bereiten den Ernstfall sinnvoll vor, d.h. so viel wie nötig und so wenig wie möglich (siehe Hesseler 2007a, CD). Die gemeinsame Verwendung von Arbeitshilfen, also durch Beratungs- und Kundenunternehmen, zielt auf eine Win-Win-Situation. Die systematische Ermittlung des Projektbedarfs ist ein wichtiger Schritt dazu. Service 2.2 stellt die professionell-moralischen Risiken in den Teilphasen des Projektentscheidungsvorfelds beispielhaft zusammen. – Akquisitionsphase – Im Selbstverständnis vieler Berater dominiert nach dem Auftrag die Bearbeitung des Projektleistungsgegenstandes „Konzeptentwicklung“, ohne dass diese mit Blick auf die Realisierung zusammen mit dem Endtermin und Kosten der Ressourcen im Detail geplant würde. Durchgängiges Projektmanagement verliert so an Gewicht. Da sich die Realisierung allenfalls in einer Realisierungsvorbereitung erschöpft, ggf. in Form eines Workshops bei Lean Consulting, verschiebt sich die Suche nach zumindest groben Planungsinformationen in die Akquisitions- und Angebotsphase, der auch eine langwierige Kontaktphase als Teil des überle-

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benswichtigen Beratungsmarketings vorgeschaltet ist. Man kann nun der Umsetzung und ihrer detaillierten Planung und Steuerung – nach seinen Erfahrungen mit innovativen Beratungsprojekten ohne Standardprozeduren – zwar ein größeres Gewicht verleihen. Hier soll aber auch hinsichtlich der Ablaufgliederung der Mainstream nicht unberücksichtigt bleiben. Die Akquisitionsphase schlägt sich in der Auftrags- und Vertragssituation nieder. Daher sind die einschlägigen moralischen Risiken trotz der objektiv feststellbaren Dominanz des Käufermarkts in dieser Phase deutlich zu benennen, wobei unabhängig davon bei Nicht-Vorliegen eines schriftlichen Auftrags diese Phase unter Akquisitionskosten oder Aufwand mitzufinanzierende Ausgaben fällt. Mit welchen Folgen ist ohne Maßnahmen zu rechnen? • Keine Entstehung einer Vertrauensbasis: – keine genaueren Informationen über das Problem und die Situation – keine gemeinsame Definition des Problems – kein Gespräch über die Umsetzungsrisiken bei Problemlösung durch Projekt – kein Einbau von gemeinsam zu bearbeitenden Arbeitshilfen zur Klärung der Problemsituation in der Präsentation des Beratungsträgers, dafür mehr Selbstdarstellung • Große Unsicherheit, ob aus Akquise eine Angebotsaufforderung wird – mit oder ohne Nachfassen • Keine Definition von besonderen moralischen Anforderungen, wenn Projekte den Wertschöpfungskern (größter Teil des Geschäftsvolumens) bei abnehmendem Routinegeschäft und schrumpfender Stammorganisation bilden. – Angebotsphase – Ein verbindliches oder unverbindliches („freibleibend“ nach DIN 69905) Angebot beschreibt die durch einen Auftragsnehmer bei Auftrag zu erbringenden Leistungen (Leistungsverzeichnis, Pflichtenheft; vgl. das Lastenheft bei Angebotsanfrage). In einer intransparenten Angebotskalkulation von Beratungsprojekten nach Kostenträger werden die professionellmoralischen Restriktionen meist nicht benannt. Diese gehen in den durch Auftraggeber zu zahlenden Preis somit nur indirekt ein. Erst unter Angabe dieser professionell-moralischen Risiken im Angebot dürfte ein Projektvorschlag abgelehnt, ein Vorhaben verschoben oder ein definiertes Projekt gestartet werden (intern nach bewilligtem Projektantrag), wobei der Projektstart in den einzelnen Projektarten unterschiedlich aufgefasst werden kann. Aus seiner Sicht müsste allerdings auch ein potentieller Projektauftraggeber diese moralischen Risiken schon bei der Anfrage eines Angebots oder der Einholung z.B. bei demjenigen, der die Voruntersuchung durchgeführt hat, kennen. Dies überfordert allerdings die technisch ausgerichteten Lasten- und Pflichtenhefte. – Auftragsphase – Allgemein impliziert der Begriff Auftrag (Order; Contract; Commission; Project Charter), dass ein Auftragsnehmer für einen Auftraggeber eine Tätigkeit durchführt. Nach § 662 BGB muss der Beauftragte das allein auf ihn übertragene Geschäft für den Auftraggeber unentgeltlich erledigen. Dafür enthält der BGB diverse Regelungen, die letztlich höchstens für ProBonoberatungen maßgeblich sind. Daher ist ein schriftlicher und vertraglich abgesicherter Projektauftrag wichtig, damit eine verbindliche und bindende Basis für die Übernahme von

4.3 Moral in der Unternehmensberatung

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Verantwortung für die Folgen der Projektausführung entsteht. Eine verbindliche Definition des Projektauftrags ist nicht bekannt. Der Begriff taucht im renommierten Online-Projektmagazin (www.projektmagazin.de) nicht auf, wohl aber der Auftrag, wenn man Abonnent ist. An dieser Stelle soll er daher analog der DIN 69905 verstanden werden. Sie setzt einen „Auftrag“ gleich mit dem „Vertrag über Lieferungen und Leistungen, dessen Zustandekommen das Einverständnis der Vertragsparteien voraussetzt.“ Die allgemeinen Auftragsbedingungen des BDU e.V. aus Sicht des Beratungsauftragsnehmers geben eine gewisse Handhabungsbasis (Niedereichholz 2004, S. 355–361). – Vertragsphase – Die Projektsituation mit ihrer Dynamik bestimmt in hohem Maße die Vorgehensweise. Patentrezepte oder Standardvorgehensweisen sind daher nicht sinnvoll. Sie wären auch kontraproduktiv. Eine kurze und sachliche Ursachenanalyse z.B. lässt sich nur auf Fakten gründen. Vorwürfe und langatmige Diskussionen von Schuldfragen helfen nicht, ein professionelles Claimmanagement aufzubauen. Im Gegenteil führt dies nur zu unnötigen Konflikten zwischen den Vertragsparteien und sogar zur Gefährdung der Auftragsabwicklung. Vielfach laufen die Projektgeschäfte einfach auf Grundlage mündlicher klarer Verabredungen („Vertrag“) an und ab, ohne dass Komplikationen auftreten müssen. Auf der anderen Seite beginnen Projekte erst, wenn Verträge alle ‚Eventualitäten‘ haarklein abgeklärt haben. Dies ist ohnehin nicht möglich und kann ein Interpretations-K(r)ampf ohne Ende werden. Im ersten Fall ist wechselseitiges Vertrauen der Motor und Erfolgsfaktor, im zweiten Fall unproduktives Misstrauen und Bürokratie. Fest steht, dass verträgliche und erträgliche Beratungsprojektverträge unabdingbar sind. Verträge nicht zu schließen birgt das höchste Risiko. Wenn alle Auftragsinformationen vorhanden sind, sollen Beratungsprojektverträge – sieht man von unklaren gesetzlichen Regelungen ab – die Rechte, Pflichten in der Beziehung zwischen zwei oder mehr eindeutig identifizierbaren und unterzeichnenden Personen/Parteien danach regeln, wer was an wen wie zu leisten hat. Professionell-moralische Risiken in der Projektstartphase Das Thema wurde erst relativ spät – Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre, in Deutschland ca. 1985 – in die Diskussion der Projektmanagementleistungen aufgenommen. Hervorzuheben ist das „INTERNET – Committee on Projekt Start-up“ 1984 durch M. Fangel in Kopenhagen. Absicht war es, dem Projekt Start-up – angetrieben auch durch die relativ hohe Projektmisserfolgsquote – die ihm gebührende Rolle im Projektmanagement-Gesamtleistungskonzept zuzuweisen. Mit Beratungsprojekt-Start-up wird daher die Projektmanagementleistung bezeichnet, welche (wie auch der bewusste Projektabschluss die Projektbeendigung) über komplexe Großprojekte hinaus das Auflegen/Aufsetzen eines Projekts erleichtern soll: • Den vorläufigen Projektstart für die Projektentscheidung • Den endgültigen beauftragten Projektstart nach Abschluss der Projektdefinitionsphase oder • Die Einleitung einer anderen Phase im Projektzyklus wie z.B. der Realisierungsphase. In allen Fällen handelt sich um einen Prozess mit begrenzter Dauer. Je nach den Besonderheiten des Projektes, den Beteiligten, den Zielen, dem Umfeld und vor allem dem Vorberei-

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tungsgrad kann der Zeitraum zwischen einem Tag, einer Woche und (sehr selten) sechs Monaten liegen. Der Hintergrund ist der, dass die Projektbeteiligten in der Praxis nur bedingt wissen, worauf sie sich einlassen. Die Bedeutung von konkreten Projektstartsitzungen als bewährte Kommunikationsinstrumente (neben flankierenden Einzelgesprächen und einem Planungsworkshop der Projektstart-Workshop und das Kick-off-Meeting mit ihren Themen, Zielen, Vorgehensweisen, Teilnehmern) wird gerade in der Beratungspraxis unterschätzt. Daher ist mit negativen Folgen eines unorganisierten und schleppenden Aufsetzens des Projekts zu rechnen. Service 2.2 stellt die professionell-moralischen Risiken beispielhaft zusammen. Professionell-moralische Risiken in der Zielvereinbarungsphase Der Zielsetzungsprozess – wie die gesamte Projektplanung – ist ein kommunikativer Prozess, d.h. Menschen verhandeln und entscheiden Ziele, identifizieren sich mit Zielen, orientieren sich daran, strukturieren ihre Problemlösungen und lassen sich motivieren. In vielen Beratungsprojekten dominiert allerdings die Perfektion der Mittel bei bestehender Konfusion der Ziele (Albert Einstein), woraus sich professionell-moralische Risiken speisen (siehe Service 2.2). Vom Beratungsprojektstart an können sich die Anforderungen und Rahmenbedingungen völlig verändern, weil z.B. der Hauptkonkurrent ein gleichwertiges Produkt entwickeln will oder die Rating-Experten der Bank das Risiko angesichts der Ertrags- und Finanzsituation des Unternehmens als zu hoch einschätzen. Entweder ist das Projekt zu stoppen oder die Kreditgewährung kann nachgebessert werden. In jedem Fall ist eine offene Auseinandersetzung mit dem Kunden zu empfehlen, auch wenn die Berater meinen, ihn über die Verzögerung des Planungs- oder des Realisierungsbeginns nicht informieren zu müssen. Praktiker neigen dazu, die Zieldefinitionen im Zielklärungsprozess zu unterschätzen. Sie tun dies sogar mit dem Hinweis ab, sie wüssten genau, was zu tun sei. Wem klingt nicht die ungeduldige Frage im Ohr: „Wann kann ich endlich anfangen zu programmieren?“ Es ist sicherlich ein Aufwand, Ziele zu konkretisieren und stetig überprüfen zu müssen: v.a., wenn damit die Beratung auf dem Spiel steht. Professionell-moralische Risiken in der Realisierungsplanungsphase Eine komplette Alternativplanung bei Beratungsprojektstart ist weder möglich (aktuelle Informationen) noch sinnvoll (Flexibilität). Ohne ordnende Detailplanung entsteht auch kein Rahmen für die wertschöpfende Beratungsprojektrealisierung unter veränderlichen Bedingungen. Die dokumentierten Planungsergebnisse aus der Projektstartphase (u.a. Auftragsinformationen) bilden nur eine Grundlage, die unter Beschaffung und Verwendung weiterer Informationen fortgeschrieben und detailliert werden müssen. Damit der rote Faden erhalten bleibt (Überblick, Transparenz), strukturiert das Projektteam die Bearbeitung des innovativen komplexen Leistungsgegenstands schrittweise durch. In der Projektrealisierungsphase entstehen immer wieder offene Situationen, die solide und aktuelle Planungsalternativen zur störungsfreien Erreichung des Projektsachziels in einem vernetzten transparenten Ablauf erfordern. Dabei nimmt der Präzisionsgrad der nach den Zielkriterien ausgewählten jeweiligen Planungslösung für zukünftige Aktivitäten im Zuge der integrierten Projektteilplanungen zu.

4.3 Moral in der Unternehmensberatung

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Der Prozess der Projektrealisierungsplanung ist daher mit der Arbeit eines Bildhauers bei der Erstellung einer Holzskulptur nach einem Entwurf vergleichbar, d.h. der Holzklotz kann zunächst nur sehr grob und erst mit fortschreitender Planung immer feiner und detaillierter bearbeitet werden. Der Großteil der Risiken in der Planungsphase entsteht durch eine unvollständige und/oder unangemessene Übernahme des vermeintlich universell bewährten Prozederes aus den klassischen Projektarten: • Beschränkung auf die Erarbeitung konzeptioneller Beratungsleistungen als so genannter Durchführungsphase mit vielen vorgeschalteten Analyseeinheiten: – Fehlen konkreter Angaben zu Aufgaben/Arbeitsabfolge, Zeitdauer, Terminen, Fristen und Kosten des Ressourceneinsatzes sowie zu ihrer Finanzierung – fließende Übergänge zwischen Grob- und Feinplanung – Folge: problematische Beschreibung des Vorhabens als Projekt • Übernahme der von den Menschen relativ unabhängigen Projektplanung als Herzstück klassischen Projektmanagements, die gern als durch eine spezifische Software unterstützt gesehen wird, Folgen: – trotz der Personenintensität von Beratungsprojekten keine Beteiligung aller an der Planung – dabei keine Mitwirkung des Kunden/Klienten, sondern eher seine Behandlung als nur zu kalkulierendes, Ärger machendes Objekt – Planung durch einen verantwortlichen Projektleiter (Regler) oder ein Projektkoordinationsteam unabhängig von den konkreten, namentlich zu nennenden, oft vom Kunden gewünschten Personen im Fachteam: (1) möglicherweise Notlösung für die Lösung von Problemen nebenher, (2) kein zweiter Projektleiter aufseiten des Kundenunternehmens, (3) Konflikte angesichts der zufälligen Zusammensetzung des Teams, (4) aufwendige Verzettelung. Besondere professionell-moralische Risiken in der Planung von Beratungsprojekten stellt Service 2.2 beispielhaft zusammen. Professionell-moralische Risiken in der Phase der Realisierung und Steuerung Die operative Beratungsprojektrealisierungs- oder -abwicklungsphase (Hauptphase) sollte das Herzstück von Projekten und Projektmanagement sein: nicht nur bezogen auf den Abgleich zwischen IST und SOLL. Dabei kommt der (integrierten) Beratungsprojektsteuerung eine zentrale, Probleme lösende und kommunikative Rolle zu. Unangemessen ist die Auffassung, die Projektsteuerung sei v.a. bei parallel laufender Akquise von weiteren Aufträgen notwendig. Meist wird die Steuerung der Projektteamarbeit bei gegebener Ideologie der Projektleitung als Regler ausgespart. Diese Phase ist vor allem durch die Stunde der Wahrheit gekennzeichnet, die eine brüchige Planungsbasis in sachrationaler und personenbezogener Hinsicht offenbart, gepaart mit der inneren Haltung eines muddling through und geschickten Marketings zulasten des Kunden (zu den professionell-moralischen Risiken siehe Service 2.2.6). In klassischen Veröffentlichungen dominiert die Projektplanung und erschöpft sich die Realisierungsphase meist im Projektcontrolling (dazu: Hesseler 2007b): • Die Projektüberwachung (Kontrolle) auf Grundlage von Statusanalysen (IST-Daten zu Kosten, Terminen, Leistung: Projektqualität)

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• Die Projektsteuerung zur Feinplanung, Bearbeitung von IST-SOLL-Abweichungen und Analyse ihrer Konsequenzen sowie Ausarbeitung von Vorschlägen/Anwendung angemessener Korrektur- und Steuerungsmaßnahmen und Aufstellung neuer Sollwerte • Dabei in besonderem Maße Informationsbeschaffung, -austausch und -verteilung an verschiedene Empfängergruppen sowie geregelte Berichterstattung, Genehmigung und Dokumentation. In Beratungsprojekten spielt diese Auffassung der Projektrealisierungsphase, außer dass eine gewisse Vorbereitung in Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber für die Umsetzung der vereinbarten Lösungskonzepte erfolgt, selten eine Rolle. Projektleiter oder ein Projektmanagement-Team koordinieren daher auch selten den Ablauf so, dass ein ausbalanciertes Verhältnis der Leistungsziele mit den Zielgrößen Kosten der Ressourcen und Terminen entsteht. Die sachrationale Überwachung und Steuerung der Projektrealisierung wird als wichtige Kernaufgabe in Beratungsprojekten aus strukturellen Gründen unterschätzt. Professionell-moralische Risiken in der Abschlussphase Beratungsprojekte sind ebenso bewusst abzuschließen, wie sie bewusst zu starten sind. Manchmal reicht das offizielle Projektende (Transfer/Anwendung der Projektergebnisse) in die Nutzungs- oder Betriebsphase hinein (Gewährleistung, Test/Optimierung etc.). Manchmal ist die Außerdienststellung in einem Lebenswegkonzept mitzudenken. Auch für Beratungsprojekte gilt die Erfahrung: der Projekterfolg hat viele Väter, der Misserfolg nur einen. Dabei hängt die erfolgreiche Abwicklung dieser Phase fallweise von der Zwangssituation ab, unbedingt einen Folgeauftrag generieren zu müssen. Dementsprechende professionell-moralische Risiken stellt Service 2.2 beispielhaft zusammen.

4.3.4

Professionalisierungsersatz: Umsatzorientierte Studien zum Unternehmensberatungsmarkt?

Markt stammt vom lat. mercatus Handel oder merx Ware. Der Markt ist der verdinglichte Ausdruck für den Ort, an dem Angebot und Nachfrage zusammentreffen: nicht selbstverständlich, wie die Nobelpreisträger in Wirtschaftswissenschaften gezeigt haben. Selten gerät in den Blick, dass Menschen Produkte oder Waren anbieten oder sie nachfragen. Menschen verkaufen, kaufen oder beschaffen sie. Der Unternehmensberatungsmarkt ist also keine geheimnisvolle mystische Größe, sondern symbolisiert den wechselseitigen Beeinflussungsprozess zwischen Unternehmensberatungsfirmen und Kundenunternehmen im Zuge eines generellen Trends zum tertiären Dienstleistungssektor. Kontext Primär an Wachstum und Umsatz ausgerichtete Unternehmensberatung passt sich immer wieder flexibel an, wie die kurze Skizzierung ihrer historische Entstehung und Entwicklung bis heute zeigt (siehe Service 2.3). Diese wirtschaftliche Dynamik in Form der Umsatz- und Marktentwicklung – erkennbar immer wieder an bestimmten Tendenzen – hat Unternehmensberatung durch Anwendung ihrer in Managementschulen entstandenen Konzepte selbst beeinflusst. Dabei ist von einem

4.3 Moral in der Unternehmensberatung

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untypischen im Sinne eines schlecht strukturierten Unternehmensberatungsmarkt auszugehen, auf dem sehr große, aber auch eine ungeheuer große Zahl von sehr kleinen „Playern“ agieren. Rahmenbedingungen – schwerpunktmäßig in Deutschland – sind z.B. Folgende: • Wegen der wachsenden Anzahl von Beratern auf dem Markt zunehmende Wettbewerbsintensivierung und damit verschärfte Konkurrenz um Aufträge: – über den Preis – über die Rekrutierung gut ausgebildeter und in der Lösung von Implementierungsproblemen erfahrener Mitarbeiter mit Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz sowie Branchenkenntnissen • Zunahme der Nachfrage nach Beratungsleistungen infolge des Outsourcing von Fachund Führungsleistungen aus Großunternehmen und der Bedarfsdeckung durch viele mittelgroße und kleinere Beratungsanbieter • Konzentration bei den TOP- Unternehmensberatungsgesellschaften infolge – der Zunahme der Internationalisierung der Klienten in Form von Fusionen/Übernahmen (siehe auch die Ausweitung des M&A-Marktvolumens) und damit Bündelung von Kräften in Form von One-stop-shopping – der Übernahme von mittleren oder kleineren Beratungsunternehmen durch große, um das Leistungsspektrum zu optimieren • Bei Fusionen und der Globalisierung Bildung von Kooperationsnetzwerken und strategischen Allianzen und somit Profilierung mit Hilfe der Ausschöpfung innovativer und interdisziplinärer Potentiale • Diversifizierungsdruck: – sowohl Zunahme der Anzahl der Spezialisten insbesondere in kleineren Beratungsfirmen nach Branchenkompetenz oder in Nischen – als auch von Generalisten aufseiten der größeren global agierenden Anbieter. Marktanalysen und Marktstudien Auf dem Unternehmensberatungsmarkt als realem oder virtuellem Ort treffen die angebotenen Beratungsleistungen regelmäßig mit der Nachfrage nach immateriellen Dienstleistungsgütern zusammen. Im Bedarfsfall handeln oder tauschen an diesem Handelsplatz Menschen Waren in geregelter Weise. Wissenschaftlich-methodisch abgesicherte Marktanalysen berechnen unter korrekter Angabe der Risikolastigkeit der angegebenen Zahlen nach Richtlinien und Vorschriften der IFRS und US-GAAP den Umsatz oder die Umsatzerlöse nach verallgemeinerungsfähigen, objektiv begründbaren und kommunizierbaren Merkmalen. Sie berücksichtigen dabei die wertmäßige Stichhaltigkeit der Angaben über den Umsatzzuwachs und die Anteile auf dem Unternehmensberatungsmarkt und in seinen einzelnen Segmenten: • Aus Sicht des Beratungsmarketings unabhängig vom Verkaufspreis den Umsatzzuwachs durch Produktinnovationen in Form von „mehr Verbrauchern und/oder mehr Verbrauch je Verbraucher“ (Schwarzecker, Spandel 1993, S. 224) • Auf dieser Grundlage die strategische (Neu-)Positionierung der Unternehmensberatung durch die Schließung strategischer Lücken: – umfassende Erfassung des objektiven Beratungsbedarfs, z.B. der Nachfrage in KMU

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– – –

keine schwammige Vergleichbarkeit für Trendaussagen wegen der ständigen Uminterpretation der Klassifizierung der Beratertätigkeiten, z.B. IT-Beratung als Teil der Managementberatung oder nicht Berücksichtigung qualitativer Größen, z.B. der Humanressourcen Offenlegung der Honorarbasis, z.B. Kalkulation eines Gewinnzuschlags im Angebot Auskunft über Moral und Ethik, z.B. zum Reputationsgewinn.

Marktstudien von Verbänden, aber auch unabhängige Markanalysen im Auftrag, die z.T. wie die Lünendonk GmbH Daten des BDU verwenden, sind dagegen weit von diesem Anspruch entfernt. Unternehmensberatung ist nicht nur keine rechtlich geschützte Berufsbezeichnung nach dem Vorbild verkammerter Berufe, sondern es existieren auch keine Registrierungs- und Mitgliedspflicht für Berater sowie amtliche Statistiken über den Unternehmensberatungsmarkt insgesamt. Marktstudien haben daher eher die Funktion eines Professionalisierungsersatzes, unterstützt durch die Zertifizierung ‚Unternehmensberater CMC/BDU‘ als Marke. Sie dienen der Stabilisierung des Selbstverständnisses von Verbandsmitgliedern. Marktstudien erschöpfen sich daher: • In subjektiven Schätzungen nach Tradition der Makrowissenschaft Volkswirtschaftslehre: – eigenwillige Verkürzung des Umsatzes oder des Umsatzerlöses auf den mengen- oder wertmäßigen Marktanteil einer Branche: Gesamtumsatzsumme der Unternehmen, projiziert auf ein Kalenderjahr – Branchenumsatz als Grundlage für die Berechnung von Marktanteilen, d.h.: (1) entweder als Umsatzanteil eines Unternehmens am Absatz im Sinne der verkauften Menge oder (2) als Umsatz im Sinne des anteiligen Marktvolumens der Unternehmensberatungsbranche • Marketing aus angebotsorientierter Sicht. Dabei kämpfen sie insbesondere mit folgenden Problemen: • Selektive Betrachtung des Markts insofern, als der Großteil der Berater nicht Gegenstand der Untersuchungen ist • Die Dominanz der Anbieterstruktur gerade in den Verbandsstudien (siehe aber auch Lünendonk, Streicher 2007, S. 38–42) • Nur Befragung der Berater (Management/Führungskräfte von Beratungsfirmen, seltener Mitarbeiter) danach, wie sie die Nachfrageseite (Kunden, Klienten) einschätzen, und Ableitung von Aussagen zur Vermarktung von Angeboten • Unterschwellige Annahme eines Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage, trotz – der Dominanz eines Verkäufermarkts: Stetige Erzeugung des Bedarfs nach sich selbst infolge der vermeintlichen Unersetzlichkeit der Unternehmensberatung als Fach- und Prozessexperte – dennoch Behauptung einer Nachfragesteuerung von Beratungsangeboten der bekannten meist größeren oder mittelgroßen Unternehmensberatungsfirmen • Wohl keine Befolgung des CASRO. Marktstudien erklären Probleme meist durch selektive Erklärungsmuster, die in aktuellen Marktsachzwängen gründen:

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• Interpretation des Niedergangs des Umsatz-Höhenflugs bis Ende der 1990er Jahre ausschließlich als Ergebnis einer konjunkturellen Abwärtsbewegung • Beschwörung, dass der Umsatzboom zumindest der großen Unternehmensberatungsfirmen vorbei ist und die Branche in einer triefen Krise steckt • Statistische Hochrechnung einer neuen Erfolgsspur, als ob nichts gewesen wäre und sich die Unternehmensberatung nicht grundlegend zu regenerieren hätte. Ausgewählte Ergebnisse zur Anbieterstruktur Die Angebote unternehmerischer Beratungsleistungen durch vielfältige beratende Personen oder Organisationen lassen sich wegen der geringen Markteintrittsbarrieren (z.B. Eigenkapital) und dem flexiblen organisatorischen Umgang mit Beratungswissen schwer quantitativ und qualitativ eingrenzen. Die Beratungsnachfrage im Sinne einer systematischen Beschaffung und Nutzung von Beratungsangeboten durch Einzelpersonen oder Personengruppen wie Unternehmen ließe sich wohl leichter erfassen. Dennoch bildet die Angebotsseite meist den Schwerpunkt von Verbandsstudien. Die Kernbranche auf der Angebotsseite erschöpft sich heute nicht mehr in Einzelberatern und Beratungsunternehmen mit den Fachgebieten Managementberatung, Personalberatung, ITBeratung und beratenden Ingenieuren. National wie global steht wenigen großen Anbietern eine unübersehbare intransparente Menge an mittleren und sehr vielen kleinen Anbietern von Beratungsdienstleistungen gegenüber. Zu diesen zählen auch Quereinsteiger aus Technologieunternehmen wie IBM oder dem Mediendesign, Marketing- und Personalagenturen der Branche. Marktstudien verwenden meist folgende Branchenkennziffern ausgewählter Anbietersegmente, die sie nach großen, mittelgroßen und kleineren Gesellschaften differenzieren: • Unternehmensgrößenklassen nach € p.a. • Unternehmensanzahl, mit Bezug zu – Gesamtumsatz/Segment in Mrd. € – Marktanteil in % – Anteil an Gesamtunternehmen in % – Anzahl der Berater – Umsatz pro Berater in € – Wachstum im Jahr n in % zum Vorjahr n–1. Diese institutionelle Klassifizierung ließe sich zusätzlich nach einer Beratungsleistungstypologie für Prozessberatung und reine Fachberatung oder auch nach einer funktional weitergehenden Klassifikation differenzieren. Dabei hat wohl seit ca. 2004 das Change Management als feste Größe im Investitionsvolumen von Kunden wieder Konjunktur. Entsprechend der groben Aufteilung entstehen zwischen den einzelnen Segmenten Bewegungen. Es scheiden z.B. Unternehmensberater als Angestellte aus Firmen aus oder werden selbstständige freie Berater. Nach Herkunft und Größe können Gruppen von Beratungsunternehmen unterschieden werden, wobei die Unternehmensberatungssurrogate (z.B. IHK, HK, RKW, IfM, Initiativen/ Netzwerke, FHG-Institute, wissenschaftliche Institute) ausgespart bleiben (siehe Service 2.4). Die Segmente der Managementberatung im weitesten Sinne lassen sich auch nach den Koordinaten „Umsatz pro Consultant“ und „Firmengröße (Anzahl Mitarbeiter)“ gruppieren

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(Menden, Seyfferth 2006). Dabei lassen sich die kleinen Unternehmen (Kleinunternehmen über und Kleinstunternehmen unter 145.000,– € Umsatz) und selbstständigen Freiberufler, die den größten Teil der Unternehmensberatung ausmachen, sowie die nebenberuflich tätigen Berater schlecht zuordnen. Als Segmente lassen sich vielfach die so genannten Full-ServiceBeratungen aus IT-Unternehmen oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, große internationale und mittelgroße Strategie-Beratungen (klassische Managementberatung der Generalisten), so genannte Beratungs-Boutiquen (kleinere bis mittelgroße Unternehmen) unterscheiden. Ein ergänzendes Segment repräsentieren Sourcing-Berater wie TPI, Gartner, PA-Consulting.

Merkmale ausgewählter Segmente der Managementberatung Full-Service-Beratungen aus IT-Unternehmen o. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften: • Generalisten: Restrukturierung und IT-Implementierung in Großprojekten unter Einsatz vieler Berater und damit mit niedrigeren Umsatzerwartungen pro Berater • IT-Unternehmen: Abgabe des Beratungsgeschäfts, um die neuen Anforderungen an innovative Qualifikationen und Kompetenzen in neuen flacheren Strukturen im Zuge des IT-Booms zu erfüllen • Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (siehe die zwielichtigen Rolle von Arthur Andersen Consulting beim ENRON-Skandal): grundsätzliche Trennung zwischen Wirtschaftsprüfung (Mutter) und Unternehmensberatung (Tochter), Folgen: – eine neue Gesetzgebung zur Vorbeugung des Interessenkonflikts – Verbot der Namensführung Andersen Consulting durch die NYSEC und Umwandlung in Accenture – Aufkauf der PWC Consulting durch IBM Business Consulting – Umbau von KPMG Consulting zu BearingPoint – Vereinigung der Consulting-Sparte von Ernst & Young mit Cap Gemini zu Cap Gemini Ernst & Young (CGEY) und – von EDS zur Muttergesellschaft von A.T. Kearney Große internationale u. mittelgroße Strategie-Beratungen (klassische Managementberatung von Generalisten): • Einsatz kleinerer Beraterteams als höher bezahlte Elite der Branche: – entweder mit mehr als 60 % von mehr als 500 Mio. € Gesamtumsatz: z.B. McKinsey & Company mit seinen Arbeitsprinzipien oder Erfolgsgeheimnissen oder – mit mehr als 60 % von mehr als 50 Mio. € Gesamtumsatz für die klassischen Beratungsleistungen Strategie, Organisation, Führung, Marketing: z.B. die internationale Droege & Comp., Arthur D. Little • 60- bis 90-stündiger Wochenarbeitsalltag inklusive der vom Kunden verlangten intensiven Reisetätigkeit

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So genannte Beratungs-Boutiquen (kleinere bis mittelgroße Unternehmen): • Angebot spezialisierter Beraterleistungen: – Fachwissen oder Branchenkenntnisse – spezialisierte Strategieberatung sowie – DV-Beratung, Individual-Software-Entwicklung und Systemintegration • Persönliche Arbeitsatmosphäre infolge einer übersichtlichen Struktur • Beispielfirmen: – Münchener Personalberatung Jack Russell Consulting (auch Mitglied bei International Search Partners Group ISPA aus Göteborg) – OC&C Strategy Consultants – Horváth & Partners Management Consultants Tab. 9: Merkmale von Segmenten der Managementberatung

Die Einstiegsgehälter in diesen Segmenten, sofern sie überhaupt transparent sind, schwanken in den Boutiquen nach oben, in weniger renommierten Firmen nach unten. Offensichtlich bewegen sich in den Naturwissenschaften Promovierte oft in der Top-Beratung und werden dementsprechend hoch dotiert. Die Tendenz zu großen externen Beratungsunternehmen hält wohl an. Gründe dafür sind folgende: • Globalisierung: Know-how über andere Länder und Kulturen • Zusammenhang der unternehmerischen Funktionen: integrierte Betrachtung durch eingespielte Spezialistenteams sowie Know-how in IuK • Steigender Beratungsbedarf z.B. in mittelgroßen Unternehmen: hohe Investitionen in den Einsatz, die Pflege von Beratungstools sowie deren Schulung • Faktischer Leistungsumfang: – immer mehr Realisierung – zumindest Projektmanagement für die Implementierung von Lösungen – Folge: Personal für länger dauernde Realisierungsprojekte • Zunahme von strategischen Allianzen und Kooperationsnetzwerken, z.B. ENEX, EMA, IMD • Dynamisches Wachstum der Angebotsseite infolge z.B. der weiteren Diversifizierung in den Beratungsmarkt aus immer mehr Branchen • Wirkungen aus Fusionen, Unternehmenskäufen und Beteiligungen • Weitere Ausweitung des IT-Bereichs: – in IT-freie Zonen sowie – IT (Internet) für alle Phasen des Wertschöpfungsprozesses in der Beratung als Dienstleistung • Neue Leistungsformen wie Franchising und Licensing • Neue Honorarformen wie z.B. Erfolgshonorare • Weitgehende Standardisierung von Methoden als Produkte, soweit es möglich ist • Teilhabe der Unternehmensberatung an F&E, z.B. Grundlagenforschung

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• Zunehmende Verflechtung von Beratungsunternehmen und IT-Anbietern, mögliche Folge: Gefahr des Verlusts der Unabhängigkeit. Die Inhouse-Beratung – in stetiger Konkurrenz zur externen Unternehmensberatung – nimmt im Vergleich dazu eine Sonderrolle ein (vgl. z.B. Deutsche Post Word Net Inhouse Consulting, Porsche Consulting, Siemens Management Consulting, Volkswagen Consulting). Verbandsstudien von BDU/FEACO (siehe Quellen und Service 7. Weitere Quellen) zeichnen sich durch einen fixen, von einer Wachstumsideologie geleiteten subjektiven Traum aus, der die objektiven Daten konterkarieren kann: • Impliziter Bezugspunkt der nachfolgenden Erfolgsmeldungen: – die vermeintlich konjunkturbedingte relative Wachstumsschwäche zwischen 2002 und 2004 – daher Unterbrechung des zweistelligen Wachstums im sehr dynamischen Beratungsmarkts (wie z.B. bis 2002) wohl nur durch geringfügiges oder sogar einstelliges Wachstum bei Konjunkturschwäche und in Krisenzeiten • Globaler Unternehmensberatungsmarkt als ein Multi-Billion-Dollar-Markt (übersetzt: Mrd.) infolge: – der beschleunigten, weitgehend nicht-regulierten Globalisierung der Märkte – der Zunahme von Mergers und Acquisitions – neuer Herausforderungen des Hightechzeitalters (allen voran der IuK) – eines innovativen Human-Resources-Managements (siehe auch den Wertewandel) sowie – der Deregulierung der Märkte, wenn auch im Zuge der Banken- und Finanzkrise konterkariert durch massive staatliche Regulierung und Interventionen. An dieser Stelle interessiert die von Wunschdenken geleitete Behandlung von ManagementFraud und der Banken- und Finanzkrise: • Weitgehende Ignorierung des unangenehmen Themas des gewachsenen Vertrauens- und Imageverlustes der Unternehmensberatung, insbesondere Aussparung der Enthüllung zweifelhafter Praktiken in der Unternehmensberatungsbranche • Zwar Eingehen auf Bilanzfälschungen unter Zuhilfenahme von Beratern bei Enron, WordCom, Halliburton, Parmalat, EM.TV sowie die Gegenmaßnahmen (vgl. die veränderte Rangfolge der 10 führenden Unternehmensberatungsfirmen 2003/2004 nach dem Consulting Survey von Vault 2003) • Aber keine intensive Diskussion der strukturellen Moralanfälligkeit der Unternehmensberatung, sondern vorsichtige Relativierung der Ausrichtung am Wachstum: entsprechend dem Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (1967) mit dem magischen Viereck Vollbeschäftigung, Preisstabilität, außenwirtschaftliches Gleichgewicht, Wachstum • Kein Eingehen des Managements in der Unternehmensberatung auf die zunehmende Kritik von Kunden an der Beratungseffizienz und -qualität. • Behandlung der aktuellen Krise als Modellfall einer Konjunkturkrise, der trotz einer Delle im letzten Quartal 2008 zu keinen gravierenden Umsatzeinbußen (siehe auch die Wachstumskrise in 2009, die 2010/2011 überwunden ist, BDU 2010/2011) führte

4.3 Moral in der Unternehmensberatung

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• Daher Umsatzplus nach den Facts & Figures des BDU (2008/2009) sowie dem aktuellen BDU-Geschäftsklimaindex von 700 Beratungsgesellschaften: – Soll des Gesamtmarkts: 3 % bis Ende 2009 – Wohl bei 10,7 % der mittleren Größenklassen zweistellig gestiegener Umsatz im Jahr 2008 auf 18,2 Mrd. € (2007: 16,4 Mrd. €) sowie – ab Februar 2009 positive Geschäftserwartung für 6 Monate um 12,4 Indexpunkte vor allem bei der Strategieberatung und HRM-Beratung – zum Vergleich: noch im Dezember 2008 mit 7,6 Punkten niedrigster Stand seit Sommer 2003, erster Rang bei Umsatzverteilung: Organisations- und Prozessberatung • Zukünftig Entstehung eines hohen Beratungsbedarf bei Projekten zur Kostenreduzierung, zum Risikomanagement sowie Differenzierung/Anpassung von Geschäftsmodellen. Die Erkenntnisse der Lünendonk GmbH (siehe Quellen und Service 7. Weitere Quellen) aus den Listen, Studien, Trendberichten, (neuerdings) Längsschnittuntersuchungen von 1997 bis 2007 liefern objektive Informationen, die z.T. auch für die Strategieentwicklung in der Unternehmensberatung relevant sind. Dabei orientiert sich das Unternehmen ebenfalls am klassischen Leitbild Wachstum, betreibt aber – neben unabhängigen Forschungsprojekten –: • Unabhängige Marktforschung • Unabhängige Marktanalysen • Unabhängige Managementberatung, wobei sie auch Umsetzungen begleitet. Die Untersuchungen verarbeiten dazu Selbstauskünfte und werten Schätzungen bilanzierter/wirtschaftlicher Umsätze in Deutschland aus (Fakturierung also nicht im Ausland). Die Tochtergesellschaften der großen multinationalen Managementberatungskonzerne wie McKinsey, Roland Berger, Boston Consult, Booz & Company und Oliver Wyman Group führen zwar das Umsatzranking an, die Lünendonk GmbH konzentriert sich aber auf das mittelständische und z.T. kleinere Management und IT-Beratungen, aber auch auf Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Deren Marktentwicklung kann hier nicht beurteilt werden, v.a. hinsichtlich der möglichen – auch versteckten – Managementberatungsanteile und der Anteile an IT-Beratung. Offensichtlich sind aber hier die Umsatzträger vor allem die BigFour PWC AG, KPMG AG, Ernst & Young und Deloitte & Touch, während die anderen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nur bescheiden zulegen konnten. Um die Untersuchungen zu verstehen, deren Ergebnisse für ca. 1800,– € (+ MWST, inkl. Versand) zu erstehen sind, sind die Aufnahmekriterien wichtig: • Management-Beratung (Top 10): – Hauptsitz in Deutschland – Erzielung von mehr als 60 % des Umsatzes mit klassischer Unternehmensberatung wie Strategie, Organisation, Führung und Marketing – unter 500 Mio. Gesamtumsatz (nach BDU wohl schon ab 45 Mio. € Einstufung als großes Unternehmen) – kein Konzernunternehmen.

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4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

• IT-Beratung oder seit 2008 Technologie-Beratung- und Engineering-Services-Unternehmen (Top 25): – 50 % des Umsatzes mit TBR und ES (inklusive Design/Konzeption, Testen/Validierung, Research & Innovation Consulting, Embedded Systems/Software, Projektmanagement, Scientific Simulations and Modelling, Systemintegration sowie Prozess- und IT-Beratung) – keine Angabe des Gesamtumsatzes – offensichtlich unter Einbezug von Konzernunternehmen oder keine gelistet • Wirtschaftsprüfungsgesellschaften – sowohl 25 Wirtschaftsprüfungsgesellschaften als auch (Top 10) der in Deutschland tätigen Netzwerke mit unabhängigen Mitgliedergesellschaften – Aufnahmekriterien der Top 10: (1) mehr als 50 % des Umsatzes aus Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs- und Rechtsberatungstätigkeiten, (2) nur selbstständig organisierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (keine Netzwerkgesellschaften) in der Haupttabelle. Die Ergebnisse zur Managementberatung beziehen sich da und dort auf das Zahlenwerk des BDU (2006); z.B. Marktvolumen von 11 Mrd. €, 14 000 Gesellschaften. Die Lünendonk GmbH untersucht jedes Jahr ca. 50 Unternehmen im Rahmen ihres „Strategic Data Research“ (SDR, vgl. auch Strategic Roadmap Requirements, SRR, und Strategic Transformation Services, STS). Darunter fallen auch die 25 größten in Deutschland tätigen Management- und Unternehmensberatungsgesellschaften. Ausgewählte Ergebnisse zum Jahr 2006 im Vergleich zu 2005 liefert die tabellarische Auflistung der Top 10 der großen Managementberatungen nach Umsatzstärke und Mitarbeiterzahl sowie nach dem Bezugspunkt spezialisiertes Leistungsspektrum und florierendes Auslandsgeschäft (Lünendonk GmbH 2007, in: Lünendonk, Streicher 2007, S. 40; vgl. auch 2009, Stand 2008, Vergleich mit 2007): • Rang 1: McKinsey Company, Düsseldorf (Umsatz in Deutschland: von 560 auf 600 Mio. €, steigend auf 645 Mio. im Jahr 2008; Mitarbeiterzahl: gleichbleibend 1900, gestiegen auf 2300 im Jahr 2008) • Rang 2: Roland Berger Strategy Consultants, München (z.T. geschätzter Umsatz: gleich geblieben bei 330 Mio. €, bis 2008 gestiegen auf 398 Mio.; z.T. geschätzte Mitarbeiterzahl von 670 auf 710, im Jahr 2008: 840). • Nur für The Boston Consulting Group GmbH (München) auf Rang 3 ist ein Gesamtumsatz für Deutschland ausgewiesen: von 550 Mio. auf 555 Mio. €. Auf die Ergebnisse anderer Studienarten kann hier nicht eingegangen werden (z.B. zum Interim Management). Erwähnt werden soll nur, dass sich Freiberufler (74000 IT-Berater) im Jahr 2010 wieder besser vermitteln ließen (nach Lünendonk-Liste: 11,7 % Umsatzplus, http://www.computerwoche.de/karriere/freiberufler/2350211/). Der Markt für IT-Beratung und Systemintegration spielt in Deutschland eine besondere Rolle, wobei der IT-Markt 2002 um ca. 20 % geschrumpft und der Markt für Managementberatung um 10 % gewachsen ist. Ergebnisse zu den Top Ten der IT-Beratungs- und System-

4.3 Moral in der Unternehmensberatung

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integrationsunternehmen in Deutschland sind für das Jahr 2006 nach Lünendonk, Streicher (2007, S. 41, weitere Ergebnisse: Lünendonk, Streicher 2008) z.B. Folgende: • Rang 1: IBM Global Business Services, Stuttgart (z.T. geschätzter Umsatz: von 1015 Mio. auf 1056 Mio. €; z.T. geschätzte Mitarbeiterzahl: von 3777 auf 3996) • Rang 2: Accenture GmbH, Kronberg (z.T. geschätzter Umsatz: von 645 Mio. auf 682 Mio. €; z.T. geschätzte Mitarbeiterzahl: von 3500 auf 3700). • Für Deutschland geschätzter Gesamtumsatz der Lufthansa Systems AG in Kelsterbach auf Rang 4, die sich auf Konsolidierungskreis umgestellt hat: von 634,7 auf 652,3 Mio. € (Gesamtumsatz auch bei SAP SI Systems Integration AG, Dresden, Softlab Group, München – ab August 2006 mit FAST – sowie msg systems ag in Ismaning). Besonders hervorzuheben ist der verschärfte Druck auf Projekte und Preise, wobei zwei Drittel der Zusammenarbeit mit Kundenunternehmen auf Projektbasis laufen. Ob nun die Management- und IT-Beratung immer mehr auf dem Markt ineinander greifen und so die Kunden erreichen, betrifft KMU wenig. In kleineren Unternehmen tauschen sich die Unternehmen aus, in größeren ist der Steuerberater vor Ort die feste Größe. Marktpräsenz und Kundenzufriedenheit Aus der größeren Marktpräsenz von Unternehmensberatung kann nur bedingt auf die Kundenzufriedenheit geschlossen werden. Diese fragen ja Studien meist nicht direkt ab, sondern erschließen sie im eigenen Interesse. Die 4. IMCS-Studie „Management Consulting 2004“ (Fink, Koblach 2004) gibt darüber mit Einschränkungen Auskunft: • Ermittlung von detaillierten Kennzahlen: – Zuordnung der schwer messbaren, nicht als Verhaltensdispositionen definierten Kompetenzen zu den härteren Erfolgskriterien sowie – z.T. Gleichsetzung von Zufriedenheit mit Erfolg • Nicht-repräsentative Befragung von 224 Führungskräften der obersten Ebenen aus mittelständischen Unternehmen, Großunternehmen und den Top 100-Unternehmen aller Branchen, davon: – 65 %: TME, – 61 %: Maschinen-/Anlagen- und Fahrzeugbau, – 40 %: Konsumgüter, – 34 %: Banken/Versicherungen, – 26 %: Chemie/Pharmazie, – 10 %: Sonstige. • Methodik: – nur Standardinterviews und – Auswertung der Daten wohl eher nach Plausiblitätskriterien. Nach der Lünendonk-Liste von 2004 wählte das IMCS die 10 umsatzstärksten klassischen Managementberatungsfirmen aus, die ca. 60 % Managementberatung betreiben. Die Detecon International ist wegen ihrer IT-Ausrichtung herausgefallen. Dafür rückte auf Platz 12 Arthur D. Little nach. Die IBM Unternehmensberatung auf Platz 11 war in IBM Business Consulting Services integriert. Bezüglich des bereichspezifischen Images bei der Berater-

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4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

auswahl, der Kundenzufriedenheit mit den Beraterleistungen, dem Beratererfolg nach spezifischen Kriterien und der bedarfsgerechten Budgetentwicklung schnitten die großen Beratungsunternehmen wohl positiv ab. Dabei hängt allerdings die Rangfolge davon ab, wie der Kennzahlen-Strang Awareness (Bekanntheitsgrad) – Lead (Kontaktquote) – Case (Beratungsquote) – Performance (Zufriedenheitsquote) interpretiert wird. An dieser Stelle interessiert v.a., welcher Image-Leader (vom Kunden wahrgenommene Kompetenz) branchenübergreifend die einschlägigen Beratungsbereiche dominiert: • • • • • • • • • • •

Shareholder Value (SHV): McKinsey & Company Wachstumsstrategien (WS): The Boston Consulting Group Business Process Reengineering (BPR): McKinsey & Company Total Quality Management (TQM): A.T. Kearney Wissensmanagement/Lernende Organisation (WM): The Boston Consulting Group Customer Relationship Management (CRM): The Boston Consulting Group E-Business (EB): Deloitte Consulting Kernkompetenzen (KKM): McKinsey & Company Lean Management (LM): McKinsey & Company Co-Kompetenzen(Co.K): A.T. Kearney Virtuelle Unternehmen (VU): Arthur D. Little.

Definition von Image-Beratungsbereichen • SHV: Konsequentes Ausrichten aller Aktivitäten eines Unternehmens an der Steigerung des Unternehmenswertes (das in Aktien verkörperte Eigentümervermögen) • WS: Strategien für ein balanciertes Wachstum von Umsatz und Profitabilität • BPR: Prozessorientierte Neuausrichtung eines Unternehmens aus Sicht funktionsübergreifender Geschäftsprozesse • TQM: Konsequente Ausrichtung der gesamten Organisation und aller Einzelprozesse am Qualitätsgedanken, dabei mentale Integration der Qualitätssicherung mit oberster Priorität • WM: Nachhaltige systematische Verbesserung von Individuen, Gruppen und der Organisation durch Erzeugung, Verarbeitung, Verknüpfung und Verteilung/Teilhabe von/an Informationen, Erkenntnissen, Erfahrungen • CRM: Ausrichten und Umgestalten aller Prozesse und Strukturen auf den (rentablen) Zielkunden • EB: Elektronische Abwicklung von Geschäften mit Kunden, Lieferanten, Partnerunternehmen und Behörden sowie interner Geschäftsprozesse über Telekommunikationsnetze, insbesondere über das Internet • KKM: Konzentration der Geschäftsaktivitäten auf die eigenen Kernfähigkeiten, somit Verzicht auf schwächere Bereiche • LM: Optimieren der Wertschöpfungsaktivitäten eines Unternehmens, d.h. Reduktion der Fertigungstiefe und/oder Auslagerung ganzer Fertigungsschritte an Lieferanten und Partnerunternehmen

4.3 Moral in der Unternehmensberatung

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• Co-K: Zur gemeinsamen Restrukturierung und Optimierung Auslagerung von Verwaltungsprozessen an einen externen Partner, z.B. im Rechnungs- oder Personalwesen, im Einkauf oder im Kundenservice • VU: Wirtschaftlich geschlossener Verbund rechtlich unabhängiger Unternehmen für ein Projekt, der wie ein „klassisches“ Unternehmen als Transaktionseinheit gegenüber Dritten agiert Tab. 10: Definition der Image-Beratungsbereiche

Die Ergebnisse haben sich in etwa nach der Management-Consulting-Studie 2007 mit 264 Führungskräften zur Reputation verstetigt (Fink, Knoblach 2007), während die Studie von 2009 (Fink, Knoblach 2009) erstmals abweichende Befunde erbracht hat. Die Zufriedenheit mit den Leistungen von Managementberatern hat erstmals seit 2003 leicht abgenommen. Die BCG lag knapp an Punkten vor McKinsey (siehe schon DGMF 2007). In diesem Zusammenhang äußerte Fink in einem Interview mit dem Manager Magazin, dass der Beratungsmarkt 2009 wohl um 15 % geschrumpft ist (Langer, Student, 2009). Das IMCS bzw. Prof. Fink befragte in einer weiteren Untersuchung 140 Vorstände und Geschäftsführer aller Branchen. Zudem führte es Interviews mit 45 Managern aus den 100 größten Unternehmen zusammen mit der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (Wiskow, Capital Nr. 4, 2003, S. 32–35), davon: • 53 %: Großunternehmen • 47 %: mittelständische Unternehmen. Diese Untersuchung schien wohl die bevorstehende Erfolgsmeldung zu konterkarieren. Zehn spezialisierte „Hidden Champions“ lagen zwar – siehe die zentralen zehn Beratungskriterien (z.B. Reputation) in den elf wichtigsten Beratungsdisziplinen in der Rangverteilung unten – im Bekanntheitsgrad zwischen 14 und 52 % weit hinter den Marktführern McKinsey & Company und Roland Berger, dennoch haben nach Wiskow (in: Capital Nr. 4, 2003, S. 32– 35) acht von ihnen eine Vorrangstellung erlangt. Die Besetzung der ersten Ränge bei den Kompetenzen will dabei nicht verhehlen, dass auch die beiden Großen in bestimmten Bereichen erste Ränge einnehmen können.

Ausgewählte Ergebnisse nach Kundenzufriedenheit mit Unternehmensberatung und Beratungskompetenz • •

Nach Bestnoten beim Zufriedenheitsindex (nicht Bekanntheitsgrad): – Rang 1 OC & C vor den beiden großen Beratungsgesellschaften – McKinsey & Company und Roland Berger Nach der Reputation als Auswahlkriterium erste Ränge dabei (alle weiteren Ränge bis auf die Ausnahmen von den Hidden Champions besetzt): – Umsetzungsgrad der Problemlösung: OC & C – Kommunikationsfähigkeit: PA

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4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral? Know-how-Vermittlung: Stern Stewart Teamfähigkeit: OC & C Methodenkompetenz: Stern Stewart (McKinsey & Company auf Rang 2) Kosten des Beratereinsatzes: OC & C ethisches Verhalten: OC & C Alter/Erfahrung der Berater (Seniorität): ME Internationalität: McKinsey & Company (Roland Berger auf Rang 5) Größe: McKinsey & Company (da folgt Roland Berger auf Rang 2) Die ersten Ränge bei den Kompetenzen besetzen (siehe/beachte zum Vergleich die Einnahme erster Ränge durch die beiden Großen in Bereichen, einschließlich McKinsey & Company und Roland Berger): – McKinsey & Company: Strategie (Rang 2: Roland Berger) – McKinsey & Company: Geschäftsprozessoptimierung (Rang 2: Roland Berger) – Diamond Cluster: IT-Management und IT-Strategie – PA: Innovationsmanagement – ME: Supply Chain Management – Roland Berger: Organisation (Rang 2: McKinsey & Company) – Roland Berger: Marketing und Vertrieb (Rang 2: Kurt Salomon Associates z.B. bei C&A und Unilever) – PA: Innovationsmanagement – Stern Stewart: wertorientiertes Management (z.B. bei Deutsche Telekom, Metro, Siemens; Rang 2: McKinsey & Company) – ME: Supply Chain Management – Cell: Vernetzte Wertschöpfungsketten (Rang 2: McKinsey & Company) – Horváth: Controlling – – – – – – – –

Tab. 11: Ergebnisse für Kundenzufriedenheit und Beratungskompetenz

Das Preis-Leistungs-Verhältnis nach Umsetzungsgrad der Problemlösung ist ein wichtiges Reputationsmerkmal. Damit werden die Kosten problematisch, da die Kunden (Vorstände, Geschäftsführer) wohl nur zu 50 % die Beratungsprojekte der beiden großen Unternehmensberatungsfirmen mit mindestens „überwiegend erfolgreich“ beurteilt haben: „Umgerechnet auf das Marktvolumen von sieben Milliarden Euro heißt das, die Unternehmen verschleudern mit Managementberatern mehr als drei Milliarden Euro pro Jahr. Viele Verantwortliche sind frustriert“ (Fink nach Wiskow 2003). Die Studie im Auftrag von Capital lässt eine Verstetigung der Ergebnisse im Jahr 2009 erkennen. Kleinere Beratungsfirmen (hidden champions) wie z.B. Barkawi Management Consultants im Bereich Distributionslogistik und Aftermarket Services können durchaus Nischen mit hoher Expertise und Praxiserfahrung besetzen, die die großen Unternehmensberatungsgesellschaften vernachlässigen. Defizitäre Nachfrage nach Beratungsleistungen in KMU Der Erfolg von Beratungsprojekten in KMU hängt weitgehend von der vertrauensvollen und intensiven Mitwirkung von Beratern und Klienten in allen Projektphasen ab. Voraussetzung dazu sind Folgende:

4.3 Moral in der Unternehmensberatung

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• Aufseiten des Beratungsträgers eine genaue Kenntnis der miteinander zusammenhängenden Sachbereiche, der aktuellen wirtschaftlichen Ausgangssituation vor Ort und der wechselnden Problemstellung in Abhängigkeit vom Lebenszyklus sowie • Ausreichend Informationen des Klienten (Beratungsadressaten) über Unternehmensberatung und Erfahrung mit ihr. So sieht oft die Praxis (nicht nur bei der Beratung von KMU) aus: „Als der Berater zu uns in das Unternehmen kam, waren wir verwirrt. Deswegen haben wir ihn geholt. Als er wieder ging, waren wir immer noch verirrt, aber jetzt auf einem viel höheren Niveau“ (Töpfer 1990, S. 60). Von daher gesehen ist es auch nicht erstaunlich, wie wenig KMU Unternehmensberatung regelmäßig in Anspruch nehmen (nach Scholz 2005, S. 48): • Zu 54 % keine Inanspruchnahme eines Unternehmensberaters • Zu knapp 20 % Heranziehen eines Unternehmensberaters, nur zu 8 % ihre konkrete Nutzung • Zwar zu 91,1 % regelmäßige Zusammenarbeit mit Steuerberatern, aber nur zu 17,5 % Inanspruchnahme von Unternehmensberatern, wobei diese Information noch nichts über die Nutzungsintensität aussagt • Offensichtlich aber in kleinen Unternehmen statt Unternehmensberatung Austausch der Unternehmer untereinander und in größeren Unternehmen Einbezug des Steuerberaters. Vor dem Hintergrund, dass die Unternehmensberatung in KMU zeitweilig sogar rückläufig sein kann, wird erkennbar, dass sich wirtschaftliche oder politische Veränderungen sowie handfeste Krisen weit mehr auf die Nachfrage nach Unternehmensberatung als z.B. auf die nach Steuerberatung auswirken. Trotz der im Vergleich zu Großunternehmen geringen Nutzungsintensität von Unternehmensberatung in KMU scheint in den KMU doch ein objektiver Beratungsbedarf erkennbar zu sein, dessen fehlender Deckung durch Unternehmensberatung nachgegangen werden muss. Aus Sicht des Beratungsadressaten sind folgende Gründe erkennbar: • Vorrang von Improvisation und Intuition vor systematischem Informationsmanagement infolge: – einer schmalen Informationsbasis über die Möglichkeiten und Arbeitsweise externer Unternehmensberatung – z.T. von Vorurteilen gegenüber Unternehmensberatungsleistungen, verstärkt durch schlechte Erfahrungen (zu 40 % negative Bewertung des Projekterfolgs: nach Hoffmann 1991) und generelles Misstrauen • Hemmnisse v.a. bei älteren Inhabern kleinerer Familienunternehmen • Zeitmangel infolge der zeitlichen Beanspruchung durch das Alltagsgeschäft • Unklare Vorstellungen über – das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Beratungsleistungen – z.B. falsche Einschätzung der Honororarhöhe, das aber auch mit der Kundenzufriedenheit zusammenhängt (siehe auch Unternehmensberatung in Großunternehmen).

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4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

Aus Sicht des Beratungsträgers sind folgende Gründe erkennbar: • Fälschliche Einschätzung des Kunden in KMU als professionellen Einkäufer von Beratungsleistungen, anstatt die Nachfrage nach einer Beratung als umfassende persönliche kommunikationsintensive Dienstleistung anzuerkennen • Trotz der Dominanz der Unternehmensberatung bei Wissenstransfer und Schulung (Kooperationslücke) fehlende Erfahrung mit Beratung aus der konkreten Zusammenarbeit mit dem Klienten als gleichberechtigtem Partner im Beratungsprojekt. Zur Klärung der Problemlage fehlen noch detaillierte empirische Untersuchungen. Diese müssten auch ethische Aspekte – mit Blick auf den sozialen Zusammenhang als ganzem – zur Verbesserung bestehender Moral enthalten. Darüber liefern bisherige Untersuchungen kaum Erkenntnisse. Man kann allerdings zur Formulierung der Anforderungen an Unternehmensberatung im Mittelstand von der folgenden Erfahrung mit der Integration von Organisationsstrukturen in kleinen und mittleren Unternehmen ausgehen: „Man fühlt sich dabei, als würde man mit Essbesteck einen Betonklotz meißeln“, äußert Herbert Baldeu, Geschäftsführer eines französischen Produktionsunternehmens für mikroelektronische Komponenten (nach: Göbbel 1999, S. 37). Offensichtlich greifen die bestehenden Werkzeuge der Unternehmensberatung in den KMU nicht oder nur dann, wenn sie punktgenau zu den besonderen quantitativen und qualitativen Bedingungen in KMU passen. Dies leisten viele kleinere selbstständige Einzelberater mit Spezialisierung. Inwieweit dabei auch folgende Einrichtungen Hilfe zur Selbsthilfe für KMU leisten, kann hier nicht beurteilt werden (siehe auch Service 6.): • Das IBWF-Beraternetzwerk für den Mittelstand mit eigenen Beratungs- und Qualitätsleitlinien • Die Existenzgründungsberatung (mit öffentlicher Teilfinanzierung, vgl. dazu z.B. Möller 1998) • Die Beratung zum Nachfolgemanagement (siehe das ifm; Hesseler, Ehrmann 2008) • Das wissenschaftlich eingebettete KMU-HSG an der Universität St. Gallen. Offensichtlich fragen Unternehmen häufiger Beratungen zur Verbesserung ihres Erscheinungsbildes und Akquisition von Fördermitteln nach als Beratungen zu Marktanalysen. Zumindest in der Schweiz versprechen sich aber KMUs von größeren erfahrenen internationalen Beratungsgesellschaften mehr Hilfen für globale Geschäfte. Vor diesem Hintergrund interessieren auch Informationen über den deutschsprachigen Beratungsmarkt in der Schweiz und Österreich zum Vergleich: • Einige beachtenswerte Besonderheiten: – Verankerung der Unternehmensberatung als Berufsbezeichnung in der österreichischen Gewerbeordnung – Dominanz kleinerer und mittlerer weniger global wirkender Beratungsunternehmen – Wegen Rekrutierungsschwierigkeiten von Best-and-Brightest-Beratern und aus Kostengründen mehr Zugriff der Kunden auf Berater aus den BRIC-Regionen (Brazil, Russia, India, China) • Erkenntnisse aus österreichischen Studien (Egger, W., Hasenzagl, R., Stocker, F., Wagner, C. (Hrsg.) 2006):

4.3 Moral in der Unternehmensberatung – – –

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Forderung einer genaueren Analyse der Segmente in der Wirtschaftsberatungsbranche und Aufgabe der Dominanz von großen Beratungsunternehmen in Untersuchungen Immerhin Abrufung von Wirtschaftsberatungsleistungen durch 80 % auf der Klientenseite (KMU).

Für viele größere Unternehmensberatungsfirmen, die in noch höherem Maße an der Erfüllung des Auslastungsgrads jedes einzelnen Beraters und auch der Finanzierung des Managements interessiert sind, lohnt sich jedoch das potentielle Auftragsvolumen in KMU zur Deckung der Kosten und des Erreichens einer gewissen Gewinnmarge selten. Das Bild ist allerdings nicht vollständig, da noch erhebliche Forschungslücken zur Unternehmensberatung in KMU bestehen. Die Forschung steht am Anfang. Die Surrogat-Unternehmensberatung von Lehrstuhlinhabern – eine freiberufliche Tätigkeit gilt bei Verbeamtung wohl nicht als anzeigepflichtige Nebentätigkeit – findet in KMU eher selten Gelegenheit zur eigenen Weiterentwicklung unter lukrativen Umständen. Auch der Dauer-Defizitbereich Drittmittel an Universitäten lässt sich wohl so nicht nachhaltig beheben. Einige Institutionen wie z.B. das WIFU an der Privatuniversität Witten/Herdecke stellen eine Ausnahme dar (vgl. z.B. von Schlippe, Nischak, El Hachimi (Hrsg.) 2008). Es hat sich explizit die Aufgabe gestellt, durch zielführende Analyse, Information und beratende Orientierung den Abwärtstrend von Familienunternehmen zu bremsen. Ansatzpunkt für die Chance zur Umsteuerung in Richtung Unternehmensberatung KMU ist zunächst die Wahrnehmung folgender Defizitbereiche: • Ohne Erfahrungen mit dem Innenleben und damit fehlendem taktischen Fingerspitzengefühl für KMU Angebot von Beratungsleistungen aus fremden Bereichen • Kein Aufbau eines Frühwarnsystems: – keine Entwicklung einer präventiven Organisationspolitik – keine Hilfe zur Selbsthilfe in Veränderungsprozessen – kontraproduktive Effekte durch unsensibles Klotzen anstatt vorsichtigem Kleckern • Kein realistisches Leistungsversprechen, so dass keine wertebasierten Vertrauenskultur als Basis für Dialoge im Beratungsprozess entsteht • Verschleierung der erreichten – oft nur konzeptionellen – Ergebnisse, so dass die Kunden in KMU den hinterlassenen Scherbenhaufen selbst mühsam aufräumen müssen. Wen wundert es dann, dass sich in KMU keine Unternehmensberatung über die dominierenden Steuerberater hinaus als ernst zu nehmender Partner etablieren kann und dies die aus berechtigtem Misstrauen geborene Resistenz gegenüber externen Beratern verstärkt! Resümee: Wandel zum Besseren? Laut BDU (2010/2011) arbeiten 2010 87000 Unternehmensberater in 13850 Unternehmensberatungsfirmen. 75 % von ihnen erwarten für 2011 eine positive Umsatzentwicklung. Nur wenige Unternehmensberatungsgesellschaften verfügen dabei über objektive und detaillierte Informationen über den eigenen Markt und über die Verflechtungen mit anderen Marktteilnehmern. Sie können daher wohl kaum angemessen auf die Dynamik und Veränderungen des Marktes, der nicht nur aus Anbietern besteht, reagieren oder ihnen sogar vorbeugen. Eine

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4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

strategische Um- oder Neupositionierung der Beratungsleistungen in oder zwischen den jeweiligen Beratungsfeldern oder eine Entscheidung für die Ausweitung oder Schrumpfung des Beratungsportfolios ist so kaum möglich. Es ist von dieser unkalkulierbaren Dynamik und der Methodik her kaum nachvollziehbar, wie aus vagen Angaben Wachstumsprognosen – sogar über Jahrzehnte – abgeleitet werden können. Es passt daher ins Bild, dass die Unternehmensberatung auf der Nachfrageseite mit Hilfe von Konzepten für Restrukturierung und Expansion den „faktischen Zwang zum Wachstum“ (PWC Tipps/Trends 04/2007) vorbehaltlos unterstützt haben. Damit konnten sie wohl Anforderungen an Shareholder Values, economies of scale, globale Lieferfähigkeit, kompensatorisches Umsatzwachstum und Innovationskompetenz erfüllen (Niedereichholz 2009, S. 97). Jenseits des BIP könnten Gewinne ohne Umsatzsteigerung über nachhaltiges Wirtschaften erzielt werden, wozu z.B. Verbesserungsstrategien für Umwelt und Lebensqualität zählen. (vgl. EU-Grundsatzpapier). Für den Bremer IT-Unternehmer Harald Rossol sind andere Kriterien als Wachstum für den wirtschaftlichen Erfolg wichtig, z.B. Mitarbeiterzufriedenheit (dazu z.B. http://www.format.at/articles/1001/525/259271/systemwechsel-wir-lebensstand-wachstum, 11.01.2010). Im Großteil der Wirtschaft und auch in Unternehmensberatungen ist diese Wirtschaftsweise sowohl hinsichtlich ihrer alternativen Innengestaltung als auch hinsichtlich alternativer Angebote von Beratungsleistungen relativ unbekannt. Unabhängig von der Systematik der Verarbeitung von Bilanzskandalen oder der Bankenund Finanzkrise sind selbstverpflichtende Ethik-Kodizes auch in der Unternehmensberatung wie Pilze aus dem Boden geschossen. Offensichtlich behandeln extern beauftragte Unternehmensberatungen lediglich ethisch relevante Teilaspekte, verfügen selten über professionelle Konzepte und strategische Frühwarnsysteme für interne Corporate Governance Kodizes und Ethik-Programme. Auch die Ethikberatung von Kunden gehört selten zum Kerngeschäft von Unternehmensberatern (Gegenbeispiel: Noll, Ortmann 2006, S. 168ff.). Dass Bedarf besteht, zeigen Beispiele wie DaimlerChrysler, Bremer Vulkan, Deutsche Telekom, Merkle, Schäffler, Porsche, Deutsche Bahn AG, Siemens AG, Karstadt-Quelle (Arcandor) etc. (siehe Service 2.1). Leider sehen potentielle Kunden aus mangelndem Problembewusstsein oder Eigeninteresse selten wirtschaftliches Handeln mit moralischem verknüpft, so dass „ethikbewusste“ Auftraggeber von Unternehmensberatungen in der Minderheit sind. Insofern fragen Kunden auch die Verankerung von ethischen Beratungsprinzipien in der Unternehmenskultur von Beratern als Auftragsbedingung nur mäßig nach. Wenn allerdings Berater in der Zukunft ihren positiven Einfluss als Vermittler von Kultur nicht nutzen, werden sie weiterhin für die entstandene, von struktureller, durch egoistische Gier, Machtstreben und Habsucht getriebener Schieflage (v.a.) in kapitalorientierten Großunternehmen mit verantwortlich sein. Dann dominiert wohl wieder nur die bigotte Heuchelei als Haltung die späte Einsicht nach ehrlichem Schock, und offizielle Verlautbarungen prägen weiterhin nur Annahmen, Mythen, Erklärungen und Entschuldigungen zum (relativ) abnehmenden Marktwachstum: • Ausschließlich extern verursachte wirtschaftliche Verschlechterungen wie die Ölkrise (1970er Jahre) oder der konjunkturelle Abschwung infolge der Banken- und Finanzkrise oder generell die Weltwirtschaftskrise • Investitionsfeindliche Stimmung

4.4 Defizite praktischen Ethikmanagements • • • •

103

Gesamtwirtschaftliche Flaute und dadurch Auftragszurückhaltung Investitionsstau Beschwörungsformel, dass ab letztem Quartal alles wieder besser geworden ist Globalisierung.

Die eigene Verantwortung wird dabei verdrängt • Für die z.B. zu späte Wahrnehmung von Bedarfsfeldern, • Für ihre Ignorierung, wenn es zu wenig zu holen gibt und man weiß, dass man nicht gewollt ist (z.B. bei KMU), oder • Für die Ablieferung schlechter Arbeitsergebnisse, die einen Reputationsverlust nach sich zieht Was wird aus den guten Vorsätzen angesichts des Wachstums in 2010/2011?

4.4

Defizite praktischen Ethikmanagements

Es existiert keine einheitliche Definition von Corporate Governance (CG). Die Deutungsvielfalt erhöht sich sogar, wenn man Corporate Governance empirisch als Wandel von Staat und Gesellschaft nachweist und nicht nur als ökonomisches Koordinationsinstrument begreift (siehe Wieland 2007, Werner o.J.). Wörtlich lässt sich CG mit „Regierung einer Körperschaft“ übersetzen. CG ist zwar als eine Reaktion auf die moralisch ungezügelte Globalisierung und vor allem die Bilanzskandale im Zuge der Liberalisierung der Kapitalmärkte zu verstehen. Das so genannte „Good Corporate Governance“ als regulatorisches Ziel lässt sich aber nicht eindeutig einordnen, auch wenn man die Dichotomie zwischen Staat und Markt außer Acht lässt. Es haben sich zudem im angloamerikanischen Raum verschiedene Definitionen herausgebildet, die bis heute zu Missverständnissen führen. So spiegelt sich im deutschen CG als „Unternehmensführung und -überwachung“ eine unangemessene Übersetzung des britischen Cadbury Committee aus dem Jahre 1992 wider. Ziel ist nämlich nicht die Regelung der Überwachung des Unternehmens, sondern die Überwachung der Unternehmensführung, die ihrerseits für das Controlling (Koordination, Lenkung, Regulierung) des Unternehmens verantwortlich ist. Insofern ist im deutschen Sprachraum CG auch zu einer Art ‚Lehre‘ für die optimale Unternehmensführung und Überwachung durch eben diese Unternehmensführung geworden. Vielfach wird dieses Verständnis erweitert um die Betrachtung der mit CG angesprochenen institutionalisierten Wechselbeziehungen zwischen allen unmittelbar und mittelbar an der unternehmerischen Entscheidungsfindung beteiligten Akteuren. Darunter fallen fast nie die Mitarbeiter. Stattdessen tritt infolge der Trennung von Eigentum und Verfügung der grundsätzliche Konflikt zwischen Unternehmensführung und Anteilseignern größerer börsennotierter Kapitalgesellschaften als zu lösendes Problem in den Vordergrund. Damit entstehen auch Bezüge zur internationalen Rechnungslegung (IAS, IFRS, US GAAP). Auch Unternehmen, NGOs, öffentliche Betriebe und Genossenschaften haben Richtlinien zum Governance entwickelt. Hier sollen aber v.a. die Regelwerke zur Corporate Governance auf Unternehmensebene interessieren, die vom Leitgedanken der Transparenz und neuen Zweckmäßigkeit der Unternehmensführung geprägt sind. Dabei

104

4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

entstehen in einer globalisierten Welt Bezüge zu Corporate Social Responsibilty (Lattemann 2010).

4.4.1

Corporate Governance als Rahmen

Corporate Governance (CG) entstand schon in den 1930er Jahren, als Aktionärsinteressen und Unternehmensführung zum ersten Mal in Konflikt miteinander gerieten. Über erste Veröffentlichungen in den 1970er Jahren und Praxisberichte in den 1990er Jahren hat sich das System CG entwickelt. Das Management gibt dabei zwar Leitlinien und Grundsätze (selten für die Mitarbeiter) vor, CG ist aber nicht mit Unternehmensführung identisch. Aufgabe der CG ist es, durch Verpflichtung auf langfristige Ziele im Unternehmen mögliche Konflikte zwischen Principal (Eigentümer) und Agent (Management) konstruktiv zu lösen und dabei einen vertretbaren Interessenausgleich möglichst aller Stakeholder – einschließlich des Sonderinteresses der Shareholder – zu erreichen. Langfristig zielt das Koordinationsmanagement aber auf die Erhöhung des Unternehmenswertes als Ganzem. Ziele sind eine funktionierende Leitung, Stakeholderorientierung, Zusammenarbeit des Managements, Controlling/Wirtschaftsprüfung, angemessenes Risk Management, Ausrichtung an Wertschöpfung. CG beinhaltet alle Unternehmenssteuerungsmaßnahmen nach rechtlich verbindlichen und sanktionierbaren Gesetzen und Verordnungen inklusive Kontrollen, Anreizen, Schulungen, manchmal erklärungsbedürfige Standardregelungen zur Selbstverpflichtung (Kodizes, Leitbildkonzepte, Ethikprogramme, organisatorische Absicherung) oder Empfehlungen. Service 2.5 gibt eine Übersicht über die nationalen und internationalen Beispiele, die auch positive Ansatzpunkte zur Gestaltung enthält. Unternehmen stehen in vielfältigen Beziehungen zu ihrem Umfeld und haben insbesondere lückenhafte Verträge mit unterschiedlichen Stakeholdern geschlossen. Von daher gesehen verfolgt CG als Gesamtheit von Unternehmensgrundsätzen den Anspruch, in Abstimmung mit der internen (auch ethischen) ‚Verfassung‘ und mit Hilfe von geeigneten Anreizen für mehr Stabilität zu sorgen. Dabei bewegt sich CG aber im Rahmen von gesetzlich geregelten Kodizes zur Leitung und Überwachung von schwerpunktmäßig börsennotierten Unternehmen. Kodizes sind schriftlich fixierte Handlungsgrundsätze, Normen, Hilfsmittel. Sie dienen letztlich der institutionellen Umsetzung einer wie auch immer ausformulierten Unternehmensethik. Kodexdokumente sollen helfen, moralische Normen im Sinne der inhaltlichen Festlegung dessen, was geboten, verboten und erlaubt ist (Prinzipien, Regeln), zu verbessern und so Verhalten zu beeinflussen. Kodizes geben aber auch Auskunft über das Wie der Implementierung, z.B. Präferenzen oder Restriktionen. Der Nachweis ihrer Wirkungen im vorfindlichen ökonomischen System steht jedoch noch aus. Insbesondere fehlen konsistente Ergebnisse hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Führung und Kontrolle auf Verhaltensebene. Erfahrungen zeigen jedoch, dass CG zur ausreichenden Information von Investoren oder Ausschüssen im Aufsichtsrat unter Einhaltung der Rahmenbedingungen noch nicht gelebt wird. Vor allem klaffen der Anspruch einer einwandfreien CG bezüglich der Berichterstattung und die Implementierung im Geschäftsalltag noch weit auseinander. Manche größeren Unternehmen betreiben zwar ein professionelles Audit Committee und können mit ausreichender Fachkompetenz ein faires Reporting sicherstellen. Ist aber das Unternehmensziel festgelegt, folgt die Gestaltung der Strukturen, Prozesse, Personaleinsatz v.a. top down,

4.4 Defizite praktischen Ethikmanagements

105

also nicht unter gleichberechtigter Beteiligung aller im Unternehmen zusammenarbeitender Menschen. Die institutionelle Corporate Governance (CG) in Deutschland lässt sich abschließend unter ethischem Blickwinkel daher noch folgendermaßen kritisieren (vgl. auch die Literatur beim WIFU): • Es erfolgt in erster Linie eine Konzentration auf die Aktionäre (Anleger/Shareholder), nur genannt werden andere Stakeholder wie Anleger, Kunden, Mitarbeiter, Öffentlichkeit. • Ethische Fragen wie z.B. Korruption, Menschen- und Persönlichkeitsrechte, social responsibility, individuelle Integrität und Werteverständnis werden ausgeklammert. • Es dominiert die institutionell-kollektive Sicht des Unternehmens (vgl. die Compliance Orientierung in der SOX), d.h. – die Verantwortung des individuellen Managers wird bei einem ‚kollektiven‘ Unternehmensstrafrecht noch vernachlässigt. – bislang werden nach § 331 HGB z.B. bei Verletzung von Buchführungspflichten nur die vertretungsberechtigten Organe als Täter erfasst. • Maßnahmen mit unterschiedlichem Grad an Verbindlichkeit sind: – Compliance im Sinne der Einhaltung von Gesetzen bis auf die unmittelbar darunter liegenden Regelwerke mit zu großen Interpretations- und Ermessensspielräumen – das Befolgen anerkannter Standards und Empfehlungen (soft law) für eine größere Gruppe von Unternehmen – die Entwicklung und das Befolgen individueller Unternehmensleitlinien – die Optimierung bestehender und Implementierung neuer Leitungs- und Kontrollstrukturen. Auch IT-Corporate Governance (ITCG) – ergänzt um aktives Management zur Risikoreduktion entsprechend den Unternehmenszielen und Qualitätsmanagement zur Wahrung von Kontinuität – ist kein Sonderfall mehr. Unternehmensführung wird weitgehend durch IT unterstützt, so dass über Datensicherheit und Datenschutz hinaus erhebliche Gefährdungspotentiale wie direkte, indirekte, persönliche und übergreifende Vertrauensschäden oder Reputationsverluste für Manager und Prüfer entstehen können (dazu Arbeitspapier Hesseler, Werner 2007, Ballwieser, Dobler 2003, S. 450). ITCG muss sich also auf die Schaffung eines kollektiv-institutionellen Rahmens richten, der die Zuständigkeiten, Entscheidungsrechte und Verantwortlichkeiten für den unternehmensspezifisch ‚richtigen‘ Umgang mit IT klar und eindeutig definiert. Das IT Governance Institute, das durch die ISACA und die ISACF gegründet wurde, definiert ITCG folgendermaßen: „IT governance is the responsibility of the board of directors and executive management. It is an integral part of enterprise governance and consists of the leadership and organizational structures and processes that ensure that the organization’s IT sustains and extends the organization’s strategies and objectives“ (ITGI 2003). Von daher gesehen helfen „Referenzmodelle“ wie COSO, CoBit oder ITIL oder ihre Integration möglicherweise bei der Implementierung von ITCG in konkreten IT-Systemen wie z.B. SAP R/3 weiter (vgl. Rüter, Schröder, Göldner 2010). Der Nachweis fehlt allerdings noch.

106

4.4.2

4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

Internes Ethikmanagement und externe Ordnungsversuche

Das Ethikmanagement zur ethischen Korrektur und Steuerung moralischer Problemlagen weist erhebliche Mängel auf. Seine Maßnahmen basieren in einer interessenlastigen Institutionenethik, die Ausdruck eines auf das Management verengten Problembewusstseins in Wissenschaft und Praxis ist. Dieses Ethikmanagement verankert trotz gegenteiliger Absicht die ethische Zwangssituation ‚Halte Dich an die moralischen Normen und erziele möglichst hohe Gewinne!‘ fest im Unternehmen. Das „zentrale Problem der Wechselbeziehung zwischen Individual- und Institutionenethik“ (Ulrich 2006, S. 301) bleibt daher weitgehend ortlos, also eine Utopie. Der Einzelne wird dadurch nur scheinbar entlastet, dass der Wettbewerb von belastender Moral zum Vorteil der „Machtträger“ freigehalten wird. Diese moralische Dilemmatastruktur schlägt sich im internen und externen Ethikmanagement nieder. Internes Compliance vor Integrity Gegenstand der Institutionalisierung von Ethikmanagement sind die wertorientierte Unternehmensführung (Controlling) und die Implementierung von vertrauensförderlichen Maßnahmen in den Unternehmensfunktionen Leistungserstellung, Beschaffung, Absatz. Dabei liegen die USA v.a. deshalb vorne, weil sie die politischen, d.h. normsetzenden Funktionen von Wirtschaft und Unternehmen traditionsgemäß stärker betont. Gründe sind: • Zusammentreffen vieler Kulturen in Unternehmen und Entstehung gemeinsamer Normen und Werte in einer einheitlichen Unternehmenskultur, vielleicht vergleichbar mit dem aktuellen sozio-kulturellen Zusammenwachsen in der EU unter Wahrung nationaler Besonderheiten • Eine soziale Rahmenordnung mit mehr Handlungsspielräumen für Unternehmen (z.B. Mitbestimmungsrechte) • Im Rechtssystem Verfolgung des Prinzips „Strengthening the ‚Good Citizen’ Corporation“: – Zwar Stellung hoher Schadensersatzansprüche im Fall von Vergehen gegenüber Einzelnen – Aber – bis vor Kurzem verstärkt durch die US-Sentencing Commission Guidelines of Organizations von 1991 (für Personen: 1987) –: (1) einerseits Ahndung nachgewiesenen Verschuldens der Organisation (Peitsche), (2) anderseits aktiver Einbezug in die Strafverfolgung (Zuckerbrot), (3) Folge ggf.: Zubilligung von Strafminderung im Fall nachzuweisender ethisch relevanter Maßnahmen. Auch wenn dieses Verfahren Vorbildfunktion für Europa und Deutschland gewonnen hat, muss sich Ethikmanagement in Wirtschaft und Unternehmen im Rahmen der hier bestehenden Gesetze und Verordnungen bewegen. Diese legen fest, welche Handlungen erlaubt, erwünscht, verboten oder unerwünscht sind. Um nicht nur erfolgsorientiertes, sondern auch verständigungsorientiertes Handeln zu fördern, reicht aber die Legitimation ethisch begründeter moralischer Handlungsnormen durch geltendes Recht nicht aus. Das europäische oder deutsche Recht ist z.T. zu lückenhaft (Dannecker 1998, S. 5ff.):

4.4 Defizite praktischen Ethikmanagements

107

• Völlig uneinheitliche Regelungen der Straf- oder Ahndbarkeit juristischer Personen in Europa: – Frankreich, England, Dänemark, Schottland, die Niederlande: Bestrafung von Unternehmen – Deutschland (nach § 30 OWIG, vgl. den Einfluss der Organtheorie), Finnland, Italien und Portugal sowie die EU selbst: Geldbußen – Belgien, Griechenland, Spanien: Favorisierung von Verwaltungssanktionen – Österreich: Definition der Haftung juristischer Personen für Geldstrafen nicht als Strafe, sondern zivilrechtlich als kriminelle Bürgschaft • Hauptproblem bei der Einführung von Kriminalstrafen für juristische Personen zur Definition strafrechtlicher Handlungs- und Schuldfähigkeit juristischer Personen und von Anforderungen an schuldhaftes Verhalten: der begrenzte Personenkreis, der das Kernverhalten der juristischen Person ausmacht. Weil ein Unternehmensstrafrecht gegen die organisierte Unverantwortlichkeit fehlt oder der Individualtäter nicht in das „Kollektiv“ eingebunden ist, lassen sich Unternehmenskontrolle und Führung des individuellen Managers nicht miteinander vermitteln. Die Folgen sind: • Diffuse Verwobenheit der kurzfristig angelegten Individual- und Unternehmensschuld und der mittel- bis längerfristig ausgelegten kollektiven Betriebsführungsschuld • Bei Verletzung von Buchführungspflichten Behandlung bestimmter individueller Täter wie z.B. der vertretungsberechtigten Organe nach § 331 HGB so, dass das Unternehmen als Kollektiv nicht haftet • Unberechenbarkeit von Strafen, insofern auch aus Sicht der aktuellen Dimensionen von Wirtschaftskriminalität der Schadensbegriff problematisch ist. Ohne eine alternative Unternehmenskultur, die die Primärhierarchie überwindet, bewirkt der Wandel zu ergänzenden sekundären, d.h. schlanken oder hierarchiearmen Organisationsstrukturen nicht automatisch eine Sensibilisierung. Wegen der ungelösten Vermittlung zwischen Institutionen- und Individualethik hat die Verankerung von Ethikmanagement zur Verbesserung der bestehenden Moral in Deutschland noch keine Tradition. Bisweilen erinnert daher die Implementierung von Ethik in Unternehmen, zu denen auch wenige Unternehmensberatungsfirmen sowie große Beratungs- und Prüfgesellschaften gehören, an blinden Aktionismus. Zudem sind das Compliance- und Integrity-Programm keine echten Alternativen. Zwar haben bisher keine langfristig angelegten Verlaufsstudien den Erfolg der beiden Ansätze vergleichend evaluiert. Offensichtlich gibt aber der Großteil des Managements aus Gründen der Systemkonformität der Compliance-Strategie den Vorzug vor der Integrity-Strategie, so dass die legalisierte Aufdeckung und Reduzierung von Gelegenheiten (Verfügbarkeit) bei der Bekämpfung von Management-Fraud vor dem Wertmanagement-Gedanken Priorität hat. Gewählt wird eben, was genehm ist. Dagegen ist eine echte Wahl notwendig, um die Geschäftsbeziehungen innerhalb des Unternehmens oder zu externen Tauschpartnern oder zum gesellschaftlichen/öffentlichen Umfeld nach eindeutigen, kalkulierbaren und akzeptierten moralischen Normen ethisch zu bewerten: z.B. hinsichtlich der Konflikte zwischen Funktionsfähigkeit und Vertrauen. Nach Beisswenger, Noll (2005 S. 38), Steinmann, Olbrich, Kustermann (1998, S. 113ff.), Matten (1998, S. 11ff.) fallen von daher gesehen folgende Unterschiede zwischen den beiden Ansätzen auf:

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4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral? Compliance- versus Integrity-Ansatz?

• •

• • •

• • •

• • •

Compliance-Ansatz (Doing the things right?): Menschenbild: Eigeninteresse und extrinsische Motivation, unter halbherziger Thematisierung moralisch verwerflichen Handelns Minimalziele: – kurzfristig wirksame konformistische Befolgung von Gesetzen zur rigorosen Verhinderung krimineller Handlungen oder Bestrafung von Gesetzesbrüchen – im schlimmsten Fall Sanktionierung von opportunistischem Verhalten als unmoralisch Verengung von autonomen Handlungsspielräumen durch dementsprechende zentralistische organisatorische Kontroll-Arrangements des Managements Regulierung anhand von Verhaltensvorgaben als Ergebnis von Anpassungsschulungen und Förderprogrammen Folgen: – keine Reflexion darüber, ob das, was legal ist, auch moralisch legitim ist, – keine Motivation von eigenverantwortlichen Professionals zur Entwicklung moralischer Kompetenz, um das eigene moralische Verhalten ethisch zu reflektieren und zu verbessern, – Dominanz anwaltlicher Straf- und Prozesssicht – Bevorzugung von Standard-Regelwerken Integrity-Ansatz (Doing the right things?): Menschenbild: Eigenverantwortlicher Mensch in Freiheit, der trotz möglichen moralischen Fehlverhaltens prinzipiell moralisch integer ist Ziel: über die Regelbefolgung hinaus moralisch verantwortungsvolles Verhalten Von daher gesehen intrinsische Motivation zum dauerhaften Handeln nach sozial-verantwortlichen moralischen Wertorientierungen – im Rahmen einzuhaltender Gesetze sowie darüber hinaus – eines Höchstmaßes an selbstbindenden eigenen Standards und Programmen Mehr dezentrale Handlungsspielräume für Selbstorganisation/-koordination sowie eine echte Identität mit dem Unternehmen Schulungen zur autonomen moralischen Urteilsbildung sowie Unterstützung durch ein moralisch-integres Management

Tab. 12: Unterschiede zwischen Compliance-Ansatz und Integrity- Ansatz

Manche Kritiker halten dem Compliance-Ansatz vor, er würde im Vergleich zum IntegrityAnsatz die Überwachung und Kontrolle überbetonen. Diese Einschätzung greift nicht. Es trifft dagegen ins Schwarze, dass der Compliance-Ansatz eher als Produktivitätsbremse wirken kann. Gründe sind: • Im Rahmen einer Misstrauenskultur konformistisches Verhalten nach autoritären Vorgaben von oben und Fremdkontrolle • Der Mangel an partizipativen Elementen.

4.4 Defizite praktischen Ethikmanagements

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In diesem Kontext zeigt eine Langzeitstudie des Ethics Resource Center (ERC, nach: Steinherr, Steinmann, Olbrich 1998, S. 182 ff., Palazzo 2007): • Seit 1994 Zunahme formeller Ethikprogramme – zu 32 % Ethik-Trainings, zu 19 % ,Codes‘ – in größeren Unternehmen mit heterogenen Strukturen • Zu 7 % Beobachtung einer Integration in die Mitarbeiterbeurteilung • Gemessen an beobachtbarem Missverhalten, dem Melden von Fehlverhalten, dem Druck, Standards zu umgehen, keine Veränderung des Levels ethischer Fehlleistungen • Offensichtliche Abnahme des Fehlverhaltens um 50 %, wenn sich das Top-Management vorbildhaft verhalten hat • Offensichtlicher Anstieg der Arbeitszufriedenheit um 32 % durch Programme. Der Trend zu Compliance-Programmen hält in größeren Unternehmen wie z.B. HP, BASF, HOCHTIEF an. Positive Beispiele sind trotz einiger Kritikpunkte (siehe auch die CSR-News) folgende: • Procter & Gamble: Diskurs über die Selbstmedikation • Tengelmann: Keine Herstellung von Produkten aus Frosch- und Schildkrötenfleisch in Verantwortung für Umwelt und Artenschutz • HypoVereinsbank (!), Credit Suisse Group, Deutsche Bank: Verbesserung des Erscheinungsbildes durch einen Code of Conduct • GM Europa mit dem europäischen Arbeitnehmerforum: Vereinbarung von Arbeitnehmerschutz im weitesten Sinne, Umweltstandards und freier/offener Wettbewerb • Sportartikelhersteller Puma sowie Modeartikelhersteller H&M (hier mit Umsetzungskontrolle): Code of Conduct (ohne Umsetzungskontrolle) zum Arbeitnehmerschutz, zur Einhaltung von Umweltstandards, Verurteilung von Kinderarbeit • Henkel und Sovello AG: Öko-/Nachhaltigkeitbilanzen/-berichte (vgl. dazu auch: Konzern-Nachhaltigkeitstag der Deutschen Telekom AG „Nachhaltigkeit – gemeinsam die Herausforderungen angehen“ in Bonn am 15. September 2004) • STEAG AG: Sozialbilanz-Praxis • Deutsche Shell AG und Migros-Genossenschaftsbund: Goal-Accounting Ansatz von Meinolf Dierkes • Fallstudie „Ethikmanagement bei der Küchentechnik Müller GmbH & Co. KG“ (nach Noll, Ortmann 2006 S. 168ff.): Im Rahmen einer stark ausgeprägten Unternehmenskultur Ethik-Audit nach dem Self Assessment and Improvement Prozess (SAIP) des Caux Round Table, das in einem Diskurs ein qualitatives „Moralcontrolling“ aus Sicht der widerstreitenden moralischen Ansprüche von Stakeholdern ermöglichen soll. Dem entgegen hat wohl in KMU mit ihren ausgeprägten klassischen Wertorientierungen und ihrer hohen Mitarbeiteridentifikation das Integrity-Modell größere Chancen (Palazzo 2007, vgl. aber auch Rossmann Drogeriemärkte). Dort könnten sich ethische Regelungswerke an einer „traditional corporation“ ausrichten. Danach wäre der Endgewinn nicht mehr der alleinige raison d’être, sondern privates Wirtschaften wäre automatisch gesellschaftlich verantwortlich und würde dafür belohnt. Die US-amerikanische Business Ethics, die mehr Moralökonomie als angewandte Unternehmensethik und Bestandteil von MBA-Studiengängen ist, sowie Corporate Governance als

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4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

interne Rahmenordnung mit ihrem „Wirtschafts- und Menschenbild“ haben Ethikmanagement-Maßnahmen beeinflusst. Diese sind in Deutschland weitgehend der Institutionenethik des Unternehmensmanagements verpflichtet und lassen somit Machtverhältnisse außen vor, so dass sich die Zumutbarkeitsprobleme einzelner Unternehmensmitglieder nicht erfolgreich lösen und so Unternehmen präventiv steuern lassen. Die folgenden – wie auch immer wirksamen oder erfolgreichen – Ethik-Maßnahmen müssen dementsprechend eingeordnet werden:

Ausgewählte Ethikmaßnahmen • ,Code of ethics‘ (Unternehmensleitlinien): Identitätsstiftung und Handlungsorientierung, z.T. Bestandteil des Arbeitsvertrages von Führungskräften • ‚Corporate ethics and business conduct office‘: – 1995 in einem Drittel von 100 US-amerikanischen Unternehmen – Leiter der Abteilung: ethics officer/business conduct officer – die 1992 gegründete „Ethics Officer Association“ als Berufsvereinigung • In Deutschland der Ethikbeauftragte meist aus dem Management: – interne Prüfung der Einhaltung der in Kodizes aufgeführten Werte – externe Kommunikation darüber • ‚Roundtables‘ (Gesprächskreise) mit externen Experten und Stakeholdern über aktuelle und unternehmensspezifische ethische Fragen • ‚Ethics hotline/open line‘ (vertrauliche interne/externe Telefonnummern): – zur anonymen Unterstützung im rechtlichen oder moralischen Zweifelsfall – zur Konfliktberatung • ‚Ethics committee of the board of directors‘ (mit je zwei ethics officers/Vorstandsmitgliedern) • In Deutschland meist außerhalb der Hierarchie etablierte Ethik-Kommissionen/ Ethik-Gremien für einen grundsätzlichen Ethik-Dialog • ‚Public interest directors‘ auch aus ethischer Sicht für Online-Netzwerke und Organisationsstrategien • Ombutsmann als Beschwerdestelle, durch EDV unterstützbar (vgl. das BKMSSystem bei der DB AG) • Interne Ethik-Audits als periodisch durchgeführtes Revisionsverfahren zum Vergleich zwischen ethischer Selbstverpflichtung (SOLL) und IST-Zustand der Organisation sowie (seltener) des Verhaltens (siehe dazu Zertifizierungsprogramme) • Übergreifendes Werte-Managementsystem des ZFW (Zentrum für Wirtschaftsethik): – Audit oder interner Revisionsprozess (siehe auch „Anwenderrat für WerteManagement“ von Firmen) – Ergänzung durch externe Auditierungs-, Evaluierungs- und Zertifizierungsprozesse von Ethikmanagementsystemen (EMS) • Als Reaktion von GE, als das Pentagon seine Lieferungen sperrte, der Zusammenschluss „Defence Industry Initiative on Business Ethics and Conduct (DII)“ zur Konzipierung und Umsetzung gemeinsamer Ethik-Richtlinien

4.4 Defizite praktischen Ethikmanagements

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• Bei Bedarf Ethik-Beratung z.B. : – nicht prophylaktisch durch PWC oder Ernst & Young – die Verfolgung wirtschaftskrimineller Straftaten durch BU wie der Prevent AG – Defence Industry Initiative on Business Ethics and Conduct (DII) zur gemeinsamen Ausarbeitung und Umsetzung von Ethik-Richtlinien – Aktivitäten von Business Schools oder freier Center for Ethics (z.B. ACF) Tab. 13: Ausgewählte Ethikmaßnahmen

Trotz des anhaltenden Trends zu Compliance-Praktiken sind die Ergebnisse durchwachsen (siehe Steinherr, Steinmann, Olbrich 1998, S. 182 ff. zur Implementierung in den US-amerikanischen Unternehmen). Zwar ließen sich in manchen US-Großunternehmen wie Boeing, HP, Xerox schwelende Konflikte mit kognitiv ausgerichteten Corporate Ethics-Programmen regeln. Doch außer in emotionalen Existenzkrisen dürfte sich moralisches Handeln von Erwachsenen – ohnehin höchstens bis zur Stufe Gesetz und Ordnung der moralischen Entwicklung ausgeprägt – kaum verändern lassen (Grunwald 2005a, S. 82, Grunwald 2005b). Göbel (2006) wischt allerdings die Kritik mit dem Argument vom Tisch, dass die individuelle Moralität oder moralisches Handeln in sozialer Interaktion nur unvollständig vereinnahmt werden könne und Compliance ja nur ein Überwachungs- und Kontrollsystem neben anderen sei. Nach Meinung der Autorin kann es sogar Bestandteil des Integrity-Ansatzes werden. Helfen soll dabei eine Balance zwischen abstrakten, zu wenig kommunizierten und nicht gelebten ethischen Leitlinien für Fairness, Nachhaltigkeit und Integrität und strafrechtlichen Verboten sowie das Vorbildverhalten des Managements. Mitarbeiter und Führungskräfte sollen also verbindlich und bindend für ihr Fehlverhalten zur Verantwortung gezogen werden können. Dieser Anspruch hängt jedoch praktisch in der Luft. Zu Recht kritisiert Göbel dabei den Compliance-Ansatz in der Hinsicht, dass es ihm wenig darauf ankommt zu reflektieren, ob das, was legal ist, auch moralisch legitim ist. Schließlich deckt die externe Ordnungsethik die in Beratungsobjekten erkennbaren Ermessensspielräume nicht ab. Von daher gesehen müssten dann Unternehmen in der Unternehmensberatung ihre eigenen moralischen Werte definieren und selbst aktiv werden, nachdem sie die bestehenden Machtverhältnisse thematisiert und auch Individualethik zugelassen haben. Es ist fraglich, ob dies die beiden besprochenen institutionellen Unternehmensethikansätze leisten können: • Hinnahme gegebener Machtverhältnisse im Unternehmen als Naturkonstante sowie systemkonforme und daher managementkompatible Gleichsetzung von moralischem Handeln mit Managementhandeln • Höchstens ihre wissenschaftliche Legitimation durch die Aufspaltung der institutionellen Schaffung individueller Werthaltungen in scheinbar partizipativen Strukturen: – in eine Individualethik für Führungskräfte und (davon abgeleitet) – in eine für Mitarbeiter, die ebenfalls institutionell abgesichert wird – keine Lösung der damit verbundenen existentiellen Probleme – für die ausführenden Bereichen Vorgabe der dem Management genehmen Ethik im legalen Rahmen: ob moralisch legitim oder nicht.

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4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

Auch für Unternehmensberatungsfirmen ist zu fragen, ob eine Überdehnung institutioneller Unternehmensethik-Ansätze mit Verortung im Management verursachungsgerecht sein kann. Schließlich laufen vor allem dort die gegensätzlichen Stränge zwischen rationalem Wettbewerb und ethischer Reflexion der Moral zusammen. Nach Erfahrungen mit dem Management Recruitement and Development weisen Manager polare Erfolgseigenschaften wie Kreativität, Zielorientierung, Flexibilität, Dominanzstreben und Risikobereitschaft auf, die gleichermaßen zu legalem oder nicht-legalem Handeln führen können. Der Unternehmensberatung bietet sich wohl von daher gesehen folgender tripolarer Lösungsraum an: • Einhaltung vereinbarter und/oder vorgegebener moralischer Werte aus Einsicht in ihre Richtigkeit • Anwendung moralischer Werte erst nach vorangegangener Transformation in ökonomische Anreize • Herstellung und Fruchtbarmachung der Wechselbeziehung zwischen Kontroll- und Vertrauenskonzepten im Rahmen eines sozialen Koordinationsmanagements, Voraussetzung: – Unternehmen als soziale und damit machtstrukturierte Figurationen begreifen – von daher gesehen Berücksichtigung der komplexen Bedingungs-Folgen-Zusammenhänge zwischen illegalem und illegitimem Handeln in der Wirtschaft. Es klingt bestechend, mit Hilfe einer klaren Verantwortungshierarchie ein effektives und sogar effizientes Ethikmanagement betreiben zu können und dann über den Vorzug der institutionellen Ordnungsethik vor der Individualethik (Gesinnung, Pflicht, Tugend) die Tür für eine Unternehmensethik offenzuhalten, die letztlich mit Führungsethik gleichgesetzt wird. Dieses Modell nimmt damit dem einzelnen Berater ein Stück Gewissen, Eigenverantwortung und Einspruchsmöglichkeiten weg. Ethische Unternehmensgrundsätze helfen zwar dem einzelnen Berater im Projekt als Grundlage für dementsprechende Gespräche. Letztlich ist aber der Beratungsprozess ein sehr persönlicher, so dass dem einzelnen Berater ein hohes Maß an Verantwortung obliegt. Er muss also auch selbst klar Stellung beziehen und dafür ein Höchstmaß an Handlungsspielräumen für die freie Berufsausübung erhalten. Die Präferenz für ein ordnungspolitisch motiviertes Ethikmanagement soll dagegen vor allem absichern, dass ethische Grundsätze letztlich im Wettbewerb verpuffen. Die ethisch zu markierende moralische Grenzüberschreitung der noch über die Marktversorgung legitimierbaren nachhaltigen Gewinnnorientierung bleibt daher außen vor oder wird zum bloßen Mittel. Mit institutionsethischen Maßnahmen hat das Management der Beratungsunternehmen gegenüber den einzelnen Beratern auch ein Kontrollinstrumentarium in der Hand, um berechtigte nicht-opportunistische Kritik, Appelle und Schuldvorwürfe an die Verantwortlichen abzuwehren. Letztlich leisten machtentleerte Grundsätze nur der Moralentleerung Vorschub. Der einzelne Berater muss aber die Chance haben, seinem Gewissen zu folgen und danach zu handeln, auch wenn dies mit einer Schwächung der Wettbewerbsposition einhergeht. Unternehmensberatungsfirmen, einzelne angestellte Berater oder selbstständige Einzelunternehmer bewegen sich ebenfalls in diesem widersprüchlichem Kontext, der nicht durch karitative Wohlfahrt, sondern durch Gewinnstreben gekennzeichnet ist. Allenfalls muss sich dort die häufig von außen erzwungene Ethik lohnen:

4.4 Defizite praktischen Ethikmanagements

113

• Belastung der Unternehmensethik: (und sei es symbolisch) in ethischer Hinsicht eine kompensatorische Rolle • Das auf Gesetzgebungsebene existierende, wirkungsvoll durch funktionierendes social networking zwischen Politik und Wirtschaft unterstützte moralische Vakuum: Garantie, genügend Handlungsspielräume für harmloses Ethikmanagement im wirtschaftlichen Eigeninteresse zu erhalten • Im Zuge der neuesten Entwicklung von CSR als (extern angestoßenes) Selbstbindungsprogramm: Entstehung einer Mehrgleisigkeit, wodurch Fairplay als moralische Forderung für alle Unternehmen auch zum Ablasshandel mit Hilfe sozialen Engagements verkommen kann. Das bedeutet: • Verschaffung einer „licence to operate“ oder eines Persilschein für das „Weiter so“ gerade durch diejenigen Unternehmen, die die Öffentlichkeit mit ihrer ethischen Kritik an internen moralischen Praktiken unter Druck setzt • Vielfach Ethikmanagement als bloßes Marketinginstrument • Selten Verwendung von Ethikmanagement als Differenzierungsmittel im Wettbewerb, verankert im operativen Wertschöpfungsprozess (wenn auch oft top-down).

4.4.3

Überbetrieblicher Rahmen

Angesichts der internen Defizite scheinen weitere überbetriebliche Kodizes und Konventionen erforderlich zu sein, wenn sie auch keine sanktionsbewährte Verbindlichkeit erzeugen und von der ethisch begründeten, praktizierten Moral der Akteure abhängen. Dabei hält die externe Ordnungsebene die Wirtschaft und den Wettbewerb von Moral frei oder nimmt sie per se als moralhaltig an oder behandelt nur extreme Abweichungsfälle. Externe Regelungswerke – insbesondere Gesetze – bilden also nur ein unterschiedlich engmaschiges Netz, das grob illegales Handeln für das interne Compliance-Programm auffängt und das illegitime Handeln abfedert. Unter Geltung des Prinzips der Sozialisierung der Kosten durch die Maschen kann es dabei auch durch die Maschen fallen (siehe Service 2.6 Externer Ethikrahmen). Die Grenzen ethikrelevanter Vereinbarungen zur kollektiven freiwilligen Selbstverpflichtung zwischen Unternehmen gleicher Branchen mag die unverrückbare Grundstruktur in der pharmazeutischen Industrie verdeutlichen. Medizinethische Einwände haben gegenüber privatwirtschaftlich motiviertem Eigeninteresse in Form der Verteidigung patentrechtlicher Bestimmungen keine Chance. Aufklärung versagt inzwischen. Beratungsunternehmen unterwerfen sich zwar immer häufiger einem gemeinsamen branchenbezogenen Berufs- und Ehrenkodex oder Code of Ethics wie z.B. dem der Association of Management Consulting Firms (AMCF) oder den Grundsätzen des BDU oder der Fachgruppe beratender Volks- und Betriebswirte im bdvb e.V. Das bloße Vorhandensein gemeinsamer kollektiver Selbstbindungs- und Regelungsversuche sagt allerdings wenig über ihre wirksame Implementierung bis auf Beratungsprojektebene und Kontrolle aus, da sie wohl größtenteils mit den in den Mitgliedsunternehmen entwickelten spezifischen Maßnahmen eines Ethikmanagements im Zusammenhang stehen. Berufsethische Grundsätze (Code of Conduct) sind ein wohl nur unspezifizierter Teil der Vereinbarung eines Uniform Body of Knowl-

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4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

edge zur Förderung von Qualitätsmaßstäben in der Beratung durch BDU, ASCO und FUD (Beraterverbände). Legte man einen vollständigen ‚Katalog‘ berufsethischer Normen an die Unternehmensberatungspraxis an, fielen die Beratungsgrundsätze des BDU (nur 4 % nationale/international Gesellschaften von 15000 Beratungsgesellschaften aller Größen bzw. 65000 Beratern: http://www.rub.org/index.php?id=53,17) eher dürftig aus (siehe Service 2.7). Zwar enthält der Grundsatz „Unvereinbarkeit“ (seltsamerweise ausgespart in Reinecke, Bock (Hrsg.) 2007, S. 43f.) von Tätigkeiten und Aufträgen – in enger Verbindung mit der Einhaltung der Berufspflichten – einen Hinweis auf die Verletzung von Grundsätzen ethischen Handelns bzw. auf die Gefährdung der Mindeststandards berufsethischen Handelns. Es wird m.E. nicht näher ausgeführt, worin diese inhaltlich bestehen und zu welchen echten Sanktionen Abweichung führt. Das ethische Prinzip der Integrität (Merkmale z.B. Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit, Fairness), das auf eine ganzheitliche Persönlichkeitsstruktur deutet und in enger Beziehung zur Authentizität steht, fehlt. Dieses Prinzip nennt z.B. die midCON Unternehmensberatung gegenüber ihren Kunden/Mandanten. Sie folgt damit auch den Vereinbarungen zur KMU-Beratung. Warum sie sich explizit von der Technologie Hubbards distanziert (Gründer von Scientology), stimmt m.E. eher misstrauisch. Auch die IWBF-Beratungsgrundsätze und Beratungsrichtlinien enthalten die Integrität als Persönlichkeitseigenschaft: „4.7 Der IBWF-Berater behält sich das Recht zum sofortigen Rücktritt von dem Beratungsauftrag vor, wenn seine Unabhängigkeit, seine Objektivität oder seine Integrität beeinträchtigt bzw. in Zweifel gezogen wird.“ Hier wird aber nicht explizit darauf verwiesen, dass sich der Berater selbst integer gegenüber seinen Klienten verhalten soll, wozu auch der Respekt vor seiner menschlichen Würde und Integrität gehört. Die Integrität des Beraters, der hier vor allem fachlich qualifiziert sein muss, wird als ethisches Faktum vorausgesetzt. HTM-Management ergänzt wohl bei ihren Grundsätzen lediglich fachliche Kompetenz in der Überschrift um Integrität, behandelt diese aber nicht weiter. Llawson Management & Business Consulting schreiben zwar Folgendes: „Dinge nur halb zu tun, ist wertlos. Es ist meist die andere Hälfte, die zählt.“ Die Ethik-Hälfte haben sie aber – wie viele andere Beratungsfirmen auch – ausgespart. Die Inhalte vieler Ethik-Grundsätze heben die Professionalität hervor und ergänzen dies durch die allgemeinen Gepflogenheiten im Verhalten des ehrbaren Kaufmanns. Vielfach übernehmen Berater und Beratungsunternehmen (auch die nicht organisierten) die BDUVerbandsgrundsätze unverändert, modifizieren und ergänzen sie höchstens. AGB’s, die sich ohnehin in einigen Beratungsfirmen mit den knapp gehaltenen Beratungsgrundsätzen fast decken, dürften daher – abgesichert durch HGB und BGB – verbindlicher sein. Es sei denn, man würde mit den Ethik-Argumenten des ASCO-Vorstandsvorsitzenden Gysi Ernst machen. Verbindlichere Konzepte wie ein corporate governance-Kodex oder CSR, die am konkreten Beratungsprojekt anzusetzen hätten und ihm nicht als Überbau überzustülpen sind, fehlen jedoch im Vergleich zu Berufsorganisationen in der Informatik (ACM, IFIP, GI) oder ingenieurwissenschaftlichen Kodizes. Ethische Normen werden hier sogar mit Rechtsnormen verbunden, denkt man an die Gewährleistungspflicht für die Anwendung/Nutzung entwickelter technischer Systeme. In der Unternehmensberatung ist wohl der folgende best case, wie er sicherlich für die Berater von KMU größtenteils anzutreffen ist, noch nicht Standard. Berater auf Zeit oder Interims-Manager, die mit weitreichender Handlungskompetenz und

4.4 Defizite praktischen Ethikmanagements

115

Handlungsverantwortung ausgestattet sein müssen, stellen die Rechnung meist erst nach erfolgreicher Umsetzung. Beratungsbeispiele sind: • Aufdeckung privater Investitionen (z.B. Eigenheim) in den Bilanzen • Entlassung des Geschäftsführers • Einsparung des Verwaltungsaufwands in Zentralfunktionen um ca. 30 % durch Outsourcing oder Prozessvereinfachung • Output-Steigerung in einer flexiblen Produktionsanlage in der Qualitätssicherung durch Organisationsverbesserung (Gruppenarbeit) in Form der Reduktion von Stillstandszeiten durch Teamarbeit um 50 % • Verbesserung der Wertschöpfungsquote durch Austausch, Entlassung/Freisetzung/Umsetzung von Führungskräften. Das Honorar bemisst sich nach getaner Arbeit und im Erfolgsfall entsprechend dem prozentualen Anteil an der Höhe der erreichten Verbesserung in Euro. Der ordnungspolitische ‚worst case‘, der ja auch Unterlassungen umfasst, sieht anders aus. Wohl wissend, dass sie lediglich bei nachweislich bewusst falschgegebenen Informationen für das gelieferte Produkt haften müssen, ist die Nicht-Mitwirkung der Unternehmensberatung an der Implementierung ein Freibrief. Dass manche Kundenunternehmen daran kein Interesse haben (Ramge 2009, S. 94ff.), bestärkt diese Einstellung leider. Es ist dann nicht verwunderlich, dass es manchmal bei einem Folgeauftrag ausreicht, das Titelblatt eines Gutachtens oder Projektberichts auszutauschen. Damit hat das Bertungsunternehmen die Grenze des Anstandes überschritten. Aber bekannterweise stinkt Geld (= Urin für die Ledergerbung) ja nicht, seitdem Kaiser Vespasian auf die Benutzung öffentlicher Toiletten eine spezielle Urinsteuer erhoben hat. Illegales wie illegitimes Verhalten wird bei Fehlen von Kontrolle und Sanktion gern mit dem moralfreien Menschenbild des Homo oeconomicus legitimiert. Der entstehende Handlungsrahmen ‚Gelegenheit + geringes Entdeckungsrisiko + wenig externe Anreize, anders zu handeln‘ lässt sich dann z.T. schamlos ausnutzen. „Der Gedanke, dass ein Mensch aus edlen Motiven und einer höheren inneren Moral der „richtigen“ Einsicht entsprechend handelt, ist in den meisten Fällen unzutreffend. Dafür gibt es nachvollziehbare Gründe. Seinen gesellschaftlichen und materiellen Status bestimmt der Erfolg im Wettbewerb. Dieser Wettbewerb ist zunächst eine ethikfreie Veranstaltung“ (Odenthal 2007). Weil die Forscher mit den moralischen Gründen z.B. für korruptives Verhalten nicht weitergekommen sind und/oder keine einheitlichen Wertmaßstäbe im Spektrum von edel bis verkommen gefunden haben, wird die moralische Verursachung von Korruption geleugnet. Der Unternehmensberater Odenthal sieht aber eine Chance darin, dass Ethikprogramme wirkungsvoll mit einer Reduktion von Gelegenheiten, einer Erhöhung des Entdeckungsrisikos sowie der Kontrolle und Bestrafung von Regelverstößen kombiniert werden können. Er vertraut dabei aber mehr auf die Prüfungssoftware ACL als auf die Entwicklung einer moralischen Persönlichkeit. Wie soll aber der entstandene Schaden bemessen werden, wenn sich das auf das Ordnungswidrigkeitsrecht reduzierte Kriminalstrafrecht weiterhin am Zerbrechen einer Vase orientiert? Den Verantwortlichen reicht vielfach die Berufung auf die kurzfristig angelegte ökonomische Rationalität aus, so dass z.B. Mitarbeiter innovative, Ethik fordernde Aufträge meist nur unter Nut-

116

4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

zung der informellen, vom Management als selbstverständlich erwarteten und nicht bezahlten Selbstorganisationspotentiale (Eh-Da-Kosten) erledigen können. Folgen sind: • Gerade bei Innovationen Stillstand, die Anforderungen an echte Veränderungen jeweils neu zu definieren • Herumkurieren an den Symptomen • Heißlaufen des Systems und Erzeugung kontraproduktiver Wirkungen • Absicherung der sich selbst erhaltenden Machtverhältnisse in der eigenen Gruppe • Veränderungsprogramme als Rituale, die wenig bewirken und verrauchen, ohne Schaden zu verursachen. Veränderungen, die auf die Integration moralischer Wertvorstellungen in Management-Entscheidungen zielen, sind wegen der subjektiven Verknüpfung von Erfahrungen und Emotionen nicht vor Fehlurteilen sicher. Sie scheitern daher infolge der Annahme rationaler Organisationsmodelle. „Aber Organisationen funktionieren nun einmal nicht so. Sie brauchen viel implizites Wissen, ungeregelte Räume und Irrationalität“ (Brunsson 2009, S. 105). Ob dabei Entwicklungsmöglichkeiten – bis zu welchem Prozentsatz auch immer – genetisch vorgegeben sind, ist ungeklärt. Nach wie vor ist es ein Buch mit sieben Siegeln, in welcher Reihenfolge die physische, soziale, kognitive und gnostische Ebene (Glauben) bei der Entwicklung und Wirkung von Ethik und Moral betroffen sind. Auch die Versicherungen haben auf das falsche Pferd gesetzt, weil ja der Nachweis der eindeutigen genetischen Verursachung jetzt nur für wenige Krankheiten nachgewiesen werden konnte. Auch bei Vorlage eindeutiger Forschungsergebnisse und praktischen Umsetzungsmaßmahmen wäre es fraglich, ob die Werbebranche oder das Beratungsmarketing auf ihre Vermarktungstricks verzichten. Dennoch ist die Suche nach exakten wissenschaftlich abgesicherten Erkenntnissen verständlich, wenn man sich vor Augen hält, wie uneinheitlich und widersprüchlich Ethik und Moral beschrieben werden und mit welchem moralisierenden Pathos sie angegangen werden: v.a. wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Meist bleibt es bei Appellen, Alibiveranstaltungen und beschönigenden Berichten sowie viel ‚falscher‘ Theorie. Auf Recht und Gesetz, das ja wohl nur vom Grundsatz her, aber nicht praktisch auf die Gemeinwohlverpflichtung des Privateigentums ausgerichtet ist, dürfen Betroffene jedenfalls nicht hoffen. „Das Recht schützt – auch bei uns die dunklen Geheimnisse der Mächtigen. Wer rechtswidrige oder gemeinschädliche Handlungen staatlicher Stellen oder seines Arbeitgebers offenlegt, verletzt regelmäßig Verschwiegenheitspflichten und setzt sich Maßregelungen aus. […] Ein tief verwurzeltes Ethos der Gefolgschaftstreue überlagert die Grundsätze einer aufgeklärten Ethik, die sein Verhalten gutheißt. Von Freunden gemieden, vom Recht verfolgt – das ist das gewöhnliche Schicksal dessen, der sich im Interesse von Frieden, Umwelt oder anderen höchstrangigen Rechtsgütern zum Bruch der Verschwiegenheit entschließt. Das darf nicht bleiben“ (Dr. Jürgen Kühlung, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht, anlässlich der ersten Verleihung des Whistleblower Preises 1999, nach: Tur 2007, o.S.).

4.4.4

Corporate Social Responsibility: Nonplusultra-Ethik?

CSR oder Verantwortung des Unternehmens ist Mitte der 1960er Jahre im angelsächsischen Raum entstanden, wenn auch die Sozialbilanzierung in Deutschland eine sechzigjährige Tradition hat (Berthoin Antal 2005, S. 74ff.). Wenn das Phänomen hinsichtlich der Wirkun-

4.4 Defizite praktischen Ethikmanagements

117

gen erforscht ist, dann mehr in größeren, international wirkenden Unternehmen als in KMU, in denen wohl Sponsoring und Spendenwesen dominieren. Die Bedeutungsähnlichkeit zwischen den Begriffen Corporate Governance (CG), Corporate Citizenship (CC), Nachhaltigkeit bzw. sustainable development (SD) und Corporate Social Responsibility (CSR) erschwert die Beurteilung:

Verständnis von Corporate Social Responsibility (CSR) im Vergleich zu Corporate Governance (CG), Corporate Citizenship (CC), Sustainable Development (SD) Corporate Governance: • Instrument der Unternehmensführung zur Leitung und Kontrolle vor allem hinsichtlich des Interessenausgleichs zwischen Management und Aktionären • Schaffung von Transparenz zur Kostensenkung Corporate Citizenship: • Bürgerliches Engagement in Form von ‚corporate giving und corporate volunteering‘ des Unternehmens über ökonomische Vorteile hinaus • Mehr Nähe zur externen Rahmenordnung/Gesellschaft/Öffentlichkeit • Mögliche Wirkungen auf Reputation und Region Nachhaltigkeit oder Sustainability bzw. Sustainable Management: • Nachhaltigkeit als Suchprozess: aktuelle Befriedigung von Bedürfnissen unter Berücksichtigung der zukünftigen Generationen • Geschäftsprozesse im grünen Unternehmen: – Schonung der natürlichen Ressourcen wie z.B. Wasser – Herstellung umweltfreundlicher Produkte – Einsatz nicht-fossiler Technologien zur Energieerzeugung – Problem in Deutschland z.B.: Venture Capital für innovative Start-ups • Instrumente: – die Sozialbilanz des Energieversorgungsunternehmens STEAG AG (siehe auch das erweiterte Modell des Arbeitskreises Sozialbilanz-Praxis) – der Global Accounting and Reporting-Ansatz bei der Deutschen Shell AG oder beim Genossenschaftsbund Migros • Erweiterung in Richtung CSR in Form des triple bottom line ‚globale Wirtschaft, Gesellschaft, Umwelt‘: – die Global Reporting Initiative (GRI), Beispiele: SVR bei BMW 2003/2004, Adidas-Salomon, VW AG, – der Global Compact als Initiative der UN von 1999/2000 (Unterzeichnung z.B. von ca. 30 deutschen Unternehmen, schwerpunktmäßig Multis, Mitgliedschaft anderer Organisationen wie der GIZ, vgl. www.link.csr-news.net/service1-9) • Probleme: – gesetzliche Verankerung der Berichtspflichten (siehe Frankreich) – Verifizierung der Berichte und so Abgrenzung zum Public Relations

118

4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral? –

• • •

• • •

Wirkung des Socially Responsible Investing von Börsen und Analysten wohl nur im Rahmen des Altersvermögensgesetzes (vgl. auch die Realität des zerstörerischen High-speed-trading)

Corporate Social Responsibility (siehe z.B. das Grünbuch der EU): Weniger orientiert an Gesetzen und Compliance als CG Interne und externe Maßnahmen stärkere Ausrichtung auf Ökonomie als CC (vgl. Netzwerk CSR360): – zusammen mit der Attraktivität auf der Ebene Sympathie ein Treiber für die Verbesserung der Reputation über Kundenbindung – mehr Einfluss, aber: Qualität und Performance auf Ebene Kompetenz Größere Schnittstelle mit Nachhaltigkeit (siehe Hannover Messe 2011) Betonung der Freiwilligkeit In inhaltlicher Hinsicht Anlehnung an das Drei-Säulen-Modell zur nachhaltigen Entwicklung: – das Verantwortung in den Bereichen oder Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales fordert und – dem Nachhaltigkeitsaspekte entsprechend dem Gibbsschen Dreieck (x + y + z = 100 %) zugeordnet werden müssen

Tab. 14: Corporate Social Responsibility im Vergleich

Gesellschaft und Umwelt sind wichtige Elemente von CSR, wie die folgende Abbildung zeigt. In den Unternehmenskulturen nehmen sie aktuell aber als Thema einen unteren Rang ein (Leitl, Sackmann 2010): Trotz des Trends zu CSR 2.0. Das Drei-Säulen-Modell

CSR Unternehmerische Verantwortung Ö K O N O M I E

?

Ö K O L O G I E

?

? Abb. 12: Das Drei-Säulen-Modell von CSR (nach EU-Grünbuch 2001)

S O Z I A L E S

4.4 Defizite praktischen Ethikmanagements

119

Sicherlich haben sich Unternehmer und Unternehmen in der Vergangenheit auch gegenüber der Gesellschaft verantwortlich gefühlt, sofern es in ihrem gewinnorientierten Eigeninteresse gelegen hat. Von sich aus sind sie aber erst in Reaktion auf die Shareholder-Value-Problematik und Reputationseinbrüche aktiv geworden. Geholfen haben auch die Innovationsförderprogramme der EU für KMU. So scheinen sich KMU, die corporate social responsibility betreiben, innovativer zu verhalten (CSR, 6. November 2002, S. 4). Eine einheitliche Linie ist jedoch nicht erkennbar. Die Arbeitgeberverbände pflegen ihre Globalisierungsparanoia und sprechen sich daher gegen Standards aus. Nur kurzzeitig wirkt öffentlicher Druck wie die Initiative von Greenpeace zur Ölplattform Brent Spar von Shell zeigt. Das Unternehmen hat nur aus Eigeninteresse nachgegeben. Der Sieg gegen Shell ist nur ein Pyrrhussieg. Zudem gilt: Aus den Medien aus dem Sinn (siehe BP/Haliburton/Transocean). CSR kann kein einheitliches Konzept sein, weil es die Interessen unterschiedlicher interner (z.B. Arbeitnehmer) und externe Stakeholder (z.B. Shareholder) in unterschiedlichem Maße berührt und in die unternehmerische Verantwortung einbezieht. So ist CSR in angloamerikanischen Ländern oft identisch mit Corporate Citizenship. Ähnlich wie die Definition im Grünbuch der Europäischen Kommission 2001 und erweitert um ökonomische Aspekte lässt sich aber CSR als Triple Bottle-Line-Model definieren, das alle „sozialen, ökologischen und ökonomischen Beiträge eines Unternehmens zur freiwilligen Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung, die über die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen (Compliance) hinausgehen“ umfasst (Meffert, Münstermann 2005, S. 20 f.; siehe aber auch Herchen 2007 und die Praxisberichte in CSR-News, www.csr-directory.net). Dabei soll der Gesamtzusammenhang gemessen werden. Dies ergibt sich auch daraus, dass vom Ressourcenaspekt her ein Teilbereich jeweils auch die beiden anderen Bereiche betrifft (vgl. die Nachhaltigkeit für sich allein). Ziel von CSR ist es, dass Unternehmen der Forderung der Gesellschaft, Verantwortung zu übernehmen, in ihrem Eigeninteresse nachgehen sollen. Diese abstrakte Subjektsicht muss aufgelöst werden. Dabei ist aber die Gesellschaft ebenso wenig ein kollektives Subjekt wie das Unternehmen. Nur Menschen können sozial verantwortlich handeln: Welche Menschen fordern von welchen was und/oder sind wie dazu autorisiert? Auch vor dem Hintergrund der Einsichten und Überlegungen in vorangegangen Abschnitten scheint CSR nicht mehr zu sein als ein Mittel zum Zweck des kurzfristigen Gewinnstrebens oder sogar der mittel- und langfristiger Profitmaximierung. Keiner verlangt von den Verantwortlichen in Unternehmen, diesem Interesse nicht mehr zu folgen. Das ist ihnen sogar gesetzlich zugesagt. Sie sind sogar im Rahmen ihres Gewinnstrebens zur Schaffung allgemeinen Wohlstands verpflichtet. In diesem Sinne müssen sie im Eigeninteresse handeln, können nicht idealistisch-altruistisch vorgehen. Dies würde den wirtschaftlichen Erfolg gefährden. Vor diesem Hintergrund muss die Frage beantwortet werden, ob und wie der Zusammenhang von Wirtschaft und Moral allein mit Hilfe von Ethikmanagement und insbesondere von CSR nachhaltig innovativ gestaltet werden kann. Ein „ethischer Flächenbrand“ im positiven Sinne lässt sich durch bestehende Standardisierungen kaum erwarten. Weiter führt ggf. der Dialog über best practices innovativer, d.h. auch ethisch relevanter CSR-Maßnahmen, die auf der Gleichbehandlung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Güterwerten basieren und diese wirklich integrieren. Dazu muss auch ein anderes moralisches Klima als wirksamer sozialer Kontext

120

4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

des Alltagsgeschäfts im Unternehmen vorhanden sein, wozu eine veränderte Unternehmenskultur die Grundlage ist. Die Hoffnung stirbt aber zuletzt: so auch, dass Glaubwürdigkeit selbst im äußerst aggressiven globalen Wettbewerb, der an eine unfaire, zum Teil latente Schlammschlacht von Steinzeitmenschen erinnert, zu wirtschaftlichem Erfolg führen soll. Wie soll denn CSR als globale Ethik wirken, wenn dieser Ansatz die zugrunde liegenden Machtverhältnisse globalen Wettbewerbs nicht thematisiert? Die Wirtschaftspraxis ist weitgehend ethikfrei. „The business of business is business.“ Es geht ausschließlich um die Erzielung eines möglichst großen Gewinns. Es ist daher schwierig, unbequem, manchmal verpönt, in immaterielle Vermögenswerte, zu der auch Moral und Ethik gehören, zu investieren. Zudem fällt die Messung methodisch schwer. Das dreijährige EU-Projekt „Rhetoric and Realities – Analysing Corporate Social Responsibility in Europe“ (RARE), ein Forschungsverbund unter Koordination des ÖkoInstituts e.V., nährte die Hoffnung auf ein positives Ergebnis hinsichtlich der Bereiche Umwelt, Ressourcenmanagement, Geschlechtergleichheit und Korruptionsbekämpfung. Dabei sollten folgende komplementäre Methoden erprobt werden (nach http://www.oeko.de/epaper/archiv/dok/443.php#04, 20.09.2009): • CSR Impact Assessment Instrument: – Ziele: Identifizierung tatsächlicher kausaler Zusammenhänge zwischen CSRAktivitäten und Nachhaltigkeitswirkungen – methodische Basis: zwei komplementäre Methoden zur Messung von „relativer Verbesserung“ und „Zielerreichung“ • Ein Modell von CSR-Erfolgsfaktoren: – aufbauend auf einem organisationsanalytischen Ansatz und – Bestimmung unternehmensinterner und -externer Erfolgsfaktoren von CSR auf der Akteurs- und der institutionellen Ebene. Laut Barth, Wolf (Hrsg.) 2009 ist dagegen CSR wohl nicht mehr als Rhetorik. Verleger Swen Murmann (auch Vice-Chairman im Aufsichtsrat von Sauer-Danfoss) sprach in einem Expertenforum zur Chance einer neuen Unternehmenskultur von „a nice piece of paper“ (KN-Online, 3.5.3009). Dies bestätigt indirekt auch eine Befragung von 500 Managern durch die Bertelsmannstiftung. Diese hat erbracht, dass 2/3 der Unternehmen keine CSR-Stelle eingerichtet haben. Möglicherweise kann aber der Stakeholder-Dialog (v.a.) in KMU ein Anfang sein. Zudem könnte der Zwang zur radikalen Umkehr nach der Banken- und Finanzkrise eine Trendwende bewirken. Immerhin liegt im Good Company Ranking der größten Unternehmen, die eine Expertengruppe im Rahmen der Kirchhoff Consult AG bewertet, die Hypo Real Estate Holding 2009 auf Platz 90 (seit 2007 mit Hilfe des Steuerzahlers um 19 Plätze verbessert). Auf Patz 1 liegt BASF. Hier ist die Performance oder der Anlageerfolg ein weiteres CSR-Kriterium. Positive Ansatzpunkte und Beispiele, die sich an der CSRRelevanz im weitesten Sinne ausrichten, finden sich in Service 2.8). Der CSR-Ansatz (vgl. 10. CSR-Konferenz am 3.–4.5.11 in London) unterscheidet sich von Business Ethics, wobei sich beide allerdings in Ausbildung und Forschung überschneiden und auch miteinander konkurrieren (dazu: Brinkmann 2005):

4.4 Defizite praktischen Ethikmanagements

121

• Business Ethics, also letztlich Unternehmensethik, bewertet als akademische Disziplin die Verantwortungsfolgen wirtschaftlichen Handelns nach gut und schlecht, richtig und falsch. Gerade bezogen auf den sozialen Austausch und die Interaktion wären dagegen Kriterien wie Fairness und Gerechtigkeit angebracht. Gegebenenfalls bringt das erdverbundenere Konzept der morality, das am sozialen Kontext, dem moralischen Klima, ansetzt, weiter. • Im Vergleich dazu ist nach Brinkmann (2005, S. 4) CSR Folgendes: „Corporate social responsibility refers to an organization’s obligation to maximize its positive impact on stakeholders […] and to minimize its negative impact. There are four kinds of social responsibility: legal, ethical, economic and philanthropic […]“ (Ferrell et al., 2002, p. 73). Unternehmen verfolgen mit CSR wohl eher branchenspezifische Marketingziele gegenüber den Stakeholdern und definieren so CSR. Ihre Stakeholder erwarten unter CSR ggf. etwas völlig anderes. Die folgende Tabelle zeigt einige Antinomien zwischen consumer und marketing ethics auf, innerhalb deren CSR seinen Platz hat (Brinkmann 2005, p. 16): Consumer and Marketing ethics Consumer ethics

Marketing ethics

Shopping and shopping pattern/life-style ethicalness

Ethicalness of selling and marketing)

Consumer Social Responsibility

Corporate Social Responsibility

Consumer initiatives

Business and industry initiatives

Non-profit fair trade initiatives (idealism)

No-loss or for-profit marketing of fair trade (realism, perhaps cynicism)

Broad or life-style focus

Narrow or one-product-type focus

Tab. 15: Antinomien ‚consumer ethics and marketing ethics‘

Auf Aspekte von CSR gehen insbesondere das Kapitel 6 zur Berufsethik (Berufsnormen, Rollen, Kompetenzen, Tugenden) und das Umsetzungskapitel 7 mit Blick auf ethische Leitbilder für Beratungsprojekte ein. Dabei wird die Frage zu beantworten sein, inwieweit sich „Unwissen, Inkompetenz, Ignoranz, Opportunismus, vorauseilender Gehorsam und/oder rücksichtsloser Karriererismus“ (Grunwald 2005a, S. 74) auch in der Unternehmensberatung durch Ethik-Programme regulieren oder ethisch korrigieren lassen. Hilft eine ISO 26000 zu CSR/Nachhaltigkeitsmanagement, dies zu verhindern?

122

4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

4.5

Die Mär vom rationalen wirtschaftlichen Handeln

Der Trugschluss von Wirtschaftswissenschaftlern besteht nicht nur darin, die ökonomische Rationalität mit dem rationalen = vernünftigen sozialen Handeln gleichzusetzen, dessen Teil das moralische ist. Im Ergebnis schließen sie beides mit der ethischen Verantwortbarkeit seiner Folgen im Sinne einer praktischen Vernunft kognitiv kurz. Nach Hagenmeyers Rationalitätsverständnis führt dann die kritische Reflexion von Beratungshandeln nicht zum konkreten Faktenwissen, sondern zum prozessuralen Orientierungswissen (2004, S. 67). Danach geht es nicht darum zu beurteilen, was das Gute einer einzelnen Handlung konkret ist, sondern darum, wie man dazu kommt, etwas als moralisch gut zu beurteilen. Ethik nimmt sozusagen einen unparteiischen Standpunkt der Moral auf der Metaebene ein und analysiert nur von dort formal die Besonderheiten moralischer Urteile über Handlungen. Ihr materiales Geltendmachen geht letztlich im Rahmen der unverrückbaren strukturell-systemischen Führung durch Kontextgestaltung als ‚Naturkonstante‘ unter (Wunderer 2003). Dabei belegen praktische Erfahrungen, dass die Rationalität der Richtigkeit die der Verständlichkeit für alle voraussetzt. Die Wirtschaftswissenschaft (VWL/BWL) und die Wirtschaft selbst trennen daher die subjektiv-formale Rationalität immer noch von der objektiv-formalen. Dies hat durchschlagende Wirkung für jeden rationalen Begründungsversuch in der Unternehmensethik:

Paradoxe Rationalität in wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen • • •





Nach wirtschaftlichen Zwecken unterschwellige Konstituierung und Verobjektivierung des irrationalen = weichen Unterbaus menschlicher Entscheidungen wie z.B. von Emotionen, geistiger Intuition, biologischen Bedürfnissen Abstimmung der verobjektivierenden Rationalität mit den strukturell verankerten individuellen Zielen und Wertsystemen des Managements (Identität) Voraussetzungen: – gedankliche Unterscheidung von Rationalität und Wertsystem im Handeln – logische Abstimmung der prozessbedingten Ziele und situationsangemessene Anpassung der Ziele an die (individuellen) Wertsysteme ‚Kalkulation‘ des ungewissen, jeweils wahrscheinlichsten Zusammenhangs zwischen ökonomischem Rationalprinzip und rationalem Handeln: – Erkennbarkeit des ökonomischen Prinzips an den materialen Inhalten der Entscheidungsresultate und Übersetzbarkeit in konkrete Handlungsmaximen – Beispiel: (1) Mittelbare Konkretisierung technologischer Maßnahmen anhand einer vorgegebenen betriebstechnischen Norm, (2) aus deren Über- oder Unterschreitung Ableitung der Wirtschaftlichkeit Im Rahmen unvollständiger Information konkrete organisatorische Vorkehrungen nach dem Prinzip gewinnorientierter Wirtschaftlichkeit: – Abhängigkeit der Höhe der Festlegung von Maxima im Verhältnis von Aufwand und Ertrag: (1) von deren Umgebungsbedingungen und (2) der Definition eines angemessenen, gerechten ‚Nutzens‘ nach Norm-Vorstellungen

4.5 Die Mär vom rationalen wirtschaftlichen Handeln

123

dabei zwar keine wesensmäßige Verbindung zwischen rationalem Handeln und diesen beiden Wirtschaftlichkeitsformen, aber Erfordernis, sie herbeizuführen, (1) neben den persönlichen Zielen aus dem individuellen Wertsystem und (2) neben den Zwecken aus dem Prozessvollzug Konsequenz im hermeneutischen Sinne: – Wandel der Rationalität als ökonomisches Prinzip zu einem Quasiziel Dabei im Fall subjektiv und objektiv ungewisser Erwartungen organisatorische Abhängigkeit vom verfügbaren fachlichen Wissen und von der Fähigkeit der zeitkritischen Information, um Entscheidungen an veränderliche Umgebungsbedingungen anzupassen



• •

Tab. 16: Paradoxe Rationalität

Die Legitimation der Rationalität besteht darin, dass sie „ganz allgemein die Fähigkeit und der Maßstab zu einem vernunftgemäßen Verhalten im Erkennen (Methoden) und Handeln“ (Höffe 2008, S. 253) wissenschaftlich begründet: und zwar als Ergebnis individuellen oder diskursiven Erkennens und Denkens. Die Maxime, dass das wirtschaftliche Handeln im Ergebnis vernünftig wie nach logisch-schlüssigen Ableitungsregeln durchdacht sein soll, hängt in mehrfacher Hinsicht in der Luft: • Die Bedeutung von Emotionen für Handeln und Entscheiden ist empirisch belegt. Im Spiegel-Streitgespräch zwischen dem Philosophen Precht und dem Hirnforscher Roth heißt es, dass die Ratio allein überhaupt nichts bewegt. „Die Ratio hält inne, den Impuls zu handeln gibt sie aber nicht“ (DER SPIEGEL, Wissen, Nr. 1/2009, S. 22). • Es bleibt ausgeblendet, ob die wirtschaftliche Zweck-Mittel-Rationalität, Verfahrensrationalität oder Entscheidungsrationalität „schon zu mehr Lebensorientierung verschaffender (substanzieller, materialer) Rationalität der Wertentscheidung und politisch-sozialen Problemlösung geführt hat“ (Hartfiel, Hillmann 1982, S. 626). Dabei kann Rationalität als Orientierungsprinzip für individuelles und soziales Handeln gelten. Die konfliktäre Entscheidungssituationen in der Wirtschaftspraxis sind nicht Ergebnis des rein rational handelnden, nach Nutzen strebenden Entscheiders, sondern im höchsten Fall das Ergebnis begrenzt-rationaler, fehleranfälliger und emotional bestimmter Handlungsmuster sowie eines erfahrungsabhängigen, prozeduralen inkrementalistischen Muddling-Through ohne vorgeordnete Ziele. Das rational begrenzte Suchverhalten der Entscheider nach lediglich befriedigenden Lösungen ist weniger Ergebnis eines Konsenses aus asymmetrischen Verhandlungsprozessen als von organisierter ‚Anarchie‘. Vor diesem Hintergrund muss auch folgender Sachverhalt überdacht werden: • Die Entscheider versuchen, mit Hilfe des geeigneten rationalen Wissens Irrationalität vertretbar zu beherrschen und damit einen versachlichenden Beitrag für den wirtschaftlichen Fortschritt zu leisten. • Dabei entsteht die paradoxe Situation, dass sich gleichzeitig die Orientierungen, die den rationalen Prozess in Gang gesetzt haben, wieder auflösen.

124

4 Wirtschaft und Unternehmensberatung: Rationalität ohne Moral?

Diesen widerstreitenden Mechanismus des Perspektivenwechsels hat der Soziologe und Wissenschaftstheoretiker Max Weber (1966) mit seiner Unterscheidung zwischen zwei Arten der Rationalität sozialen Handelns folgendermaßen benannt: • Der Zweck- oder instrumentelle Rationalitätstyp – Abhängigkeit der Mittelrichtigkeit für beliebige Zwecke von der leitenden Ziel- und Zweckrichtigkeit (morality) – Bedeutung zweckrationalen Handelns: „wer sein Handeln nach Zweck, Mitteln und Nebenfolgen orientiert und dabei sowohl die Mittel gegen die Zwecke, wie die Zwecke gegen die Nebenfolgen, wie endlich auch die verschiedenen möglichen Zwecke gegeneinander rational abwägt (d.h. weder affektuell-emotional noch durch Tradition gesteuert handelt“ (nach Hartfiel, Hill, 1982, S. 626) – Folge: der Zweifel, ob Manager verantwortlich im ethischen Sinne handeln können. • Der wertrational konstruierte Rationalitätstyp – Bedeutung: „wer ohne Rücksicht auf die vorauszusehenden Folgen handelt im Dienst seiner Überzeugungen von dem, was Pflicht, Würde, Schönheit, religiöse Weisung, Pietät oder die Wichtigkeit einer „Sache“ gleichviel welcher Art ihm zu gebieten scheinen“ (ebd.) – Folge: der Zweifel, ob Manager um der Sache willen ohne auf die Folgen achten zu müssen, handeln können – Beispiel aus anderer Sicht der Stakeholder: Der Whistleblower, der aus Gewissensgründen seiner Gesinnung folgt und sich hinsichtlich der sozialen Folgen verantwortlich verhält. Einstellungen können aus gemeinsam akzeptierten Orientierungswerten zu eigennützigen Interessen werden. Eine Folge ist z.B., dass Manager in Dissens-Situationen in die strategisch wirksame Position des einsam Handelnden fliehen. Dem entgegen erfordern komplexe Entscheidungssituationen heute, im Rahmen von Mehrpersonenzielsetzungsprozessen zusammen nach gemeinsamen Werten zu handeln. Dies hat in mehrfacher Hinsicht auch Konsequenzen für Ethikmanagement, das heute weitgehend – Freemann folgend (1984) – auf das institutionelle Management einzelner Stakeholder und ihres Interdependenzgefüges reduziert ist. Operativ macht diese rational widersprüchliche Entscheidungssituation auch nicht vor der Festlegung von Unternehmenszielen Halt. Die Unternehmensziele sind Ergebnis des komplexen Zusammenwirkens menschlicher = sozialer Bestimmungsgrößen der Werthaltungen, Grundsätze und Leitbilder, Motive, Ansprüche, Interessen der unmittelbaren Unternehmensträger, Stakeholder oder gesellschaftlichen Gruppen sowie der jeweiligen Existenzbedingungen des Unternehmens. Dabei sagt – bei zahlreichen Vorteilen in Innen- und Außenraum – die bloße Legalität eines Organisationsziels wenig über seine gesellschaftliche Wertschätzung aus. Daher nehmen Unternehmen mehr und mehr die moralische Legitimität von Unternehmenszielen in den Blick, die für die Reputation von gleicher, wenn nicht höherer Bedeutung ist. Ansonsten müssen sie Nachteile wie z.B. die Gefährdung öffentlicher Finanzmittel in Kauf nehmen. Man muss allerdings berücksichtigen, das auch Unternehmen ihre Umgebung direkt (Stichworte: Lobbyismus, Public Relations, Werbung) oder indirekt (Stichworte: Spenden, Sponsoring, Veranstaltungen, Veröffentlichungen, mediale Präsenz, Networking) prägen und beeinflussen.

4.5 Die Mär vom rationalen wirtschaftlichen Handeln

125

Wenn aber Entscheidungsträger unter Nutzung legaler Ermessenspielräume und/oder mit krimineller Energie amoralisch im ausschließlichen Eigeninteresse handeln würden und würden sie dabei rational vorgehen, ist unter gegebenen Handlungsbedingungen mit ungeplanten, ihren ursprünglichen Intentionen zuwiderlaufenden Folgen zu rechnen wie im umgekehrten Fall. Rationale Entscheidungen für ein Mehr an ethischer Reflexion und für eine Verbesserung der Moral im wirtschaftlichen Handeln müssen ebenso damit rechnen. Irrationalität ist Geschäftsalltag. So sind ja manchmal Rationalisierungen nur ein Ausdruck dafür, dass bei der letzten Reorganisation – emotional bedingt – Fehler unterlaufen sind. Dabei handelt es sich meist um unkontrollierte Individualentscheidungen, die zwar weniger zeitaufwendig und kostengünstiger erscheinen, aber anders als ‚kollektive‘ Entscheidungssituationen mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit der Problemlösung und mit der Schaffung alternativer Lösungsräume einhergehen. Manager – favorisiert vom Aufsichtsrat, der oft aus dem Management stammt – erhalten dabei oft eine zweite Chance. Staehles Situationsbeschreibung in Kap. 1 (1991a, S. 581) zur mangelnden moralischen Urteilsfähigkeit von Managern drückt daher das Dilemma aus, sich der moralischen IST-Situation emotional und gemeinsam zu stellen oder ihr trotz möglicher mittel- oder langfristiger Reputationsverluste rational auszuweichen und dies von oben zu legitimieren. In dieser Zwickmühle stecken auch Beratungsunternehmen. Ziele der folgenden Kapitel (siehe auch Service 3.) sind die Beschreibung und ethische Sensibilisierung aus Sicht der Praxis. Die Leser können sich die Frage stellen, ob sie die praktizierte Moral unreflektiert hinnehmen oder ob sie entsprechend ihrer Ethik frei sind, sie offen und ehrlich zu reflektieren und anders zu handeln. Sie können bewusst ja oder nein zu einer moralischen Regel in ihrem sozialen Kontext sagen. Möglicherweise steht dem die gewohnte IST-Unternehmenskultur im Geschäftsleben entgegen. Zu prüfen ist dabei auch, ob die behandelten wissenschaftlichen Ethik-Ansätze zur Konstitution von Unternehmensethiken taugen und daraus unter bestimmten kulturellen Voraussetzungen eine angemessene Berufsund Beratungsethik bis auf Projektebene entstehen kann. Das Kapitel 5 fasst die Ansätze der allgemeinen Ethik (siehe auch Service 3.1 und 3.2) und der Unternehmensethik zusammen (siehe auch Service 3.3). Sie bilden die Bausteine einer Beratungsethik aus Sicht des Beraterberufs in Kapitel 6 (siehe auch Service 4.). Kapitel 7 setzt sich mit der Umsetzung bis auf die Ebene von Beratungsprojekten aus Sicht eines angemessenen sozialen Kontexts (kooperative moralische Unternehmenskultur und Klima) auseinander und entwickelt professionell-ethische Maßahmen für die Bewältigung der in Kap. 4.3.3 beschriebenen moralischen Risiken (zu Kapitel 6 und 7 siehe auch Service 4., zur Beratungsprojektebene: Service 5.).

5

Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

5.1

Worum es geht

5.1.1

Verortung in der Aufklärung

In der nikomachischen Ethik von Aristoteles bilden Ethik, Politik und die Lehre von der „Haushaltsführung“ (Ökonomik) noch eine Einheit als Philosophie des Handelns. Tugendhaftigkeit im Sinne der vernünftigen Lebenshaltung einer Persönlichkeit strebt wie bei Epikur – dort ohne Bezug auf den Nächsten – nach individueller Glückseligkeit und befriedigt das Bedürfnis des Gemeinwesens nach Gütern. Albach nennt es die Wohlfahrt der Gesellschaft (2008, S. 9). Das ethische Ziel von individueller Vorzüglichkeit oder Bestheit als Tugend (Übersetzung von griechisch ¢ret» = arete) geht also mit dem Erstreben von Gütern, mit der Vorbereitung und Erreichung des allgemeinen Wohlstands einher. Gerade in den letzten 200 Jahren zerfällt diese Einheit von Politik, Ethik (auch der theologischen) und Ökonomik: genauso wie die Wirtschaft sich von traditionellen Bindungen löst und die individuelle Freiheit zum Angelpunkt des Lebens und Wirtschaftens wird. Die realen guten Werke für sich und – zumindest dem Anspruch nach – andere gewinnen Vorrang vor der privaten Innerlichkeit individuellen Denkens (cogito ergo sum), vor bloßem Glauben an eine göttliche Instanz und individuellem Nutzenstreben. Der Interessenbegriff hat sich dabei gewandelt (Fisch, Orth, Kosellek 1982, S. 305–365): • Von „dabei sein“, „es ist daran gelegen“ • Über die Vergütung im kirchlichen Bereich und den Zins im Zusammenhang mit dem Schadensersatz im Rechtsbereich • Zur Bedeutung von Nutzen und Vorteil in der frühen Neuzeit, Egoismus und Selbstsucht als Angelpunkt der Vernunft, aber auch von zwischenmenschlicher Anteilnahme. Im Zuge der dargestellten Entwicklung bilden sich auch die unterschiedlichen Fachdisziplinen heraus, von denen die Wirtschaftswissenschaften – zuerst moral science für gutes und gerechtes Leben sowie politische Ökonomie, dann reine Ökonomik – eine dominierende Rolle als scheinbar wertneutral arbeitender Wissenslieferant für das Wirtschaften übernimmt. Dabei wird Ethik zum Spiegelbild der Moral und des Wirtschaftsethos des Marktes und unterwirft sich den dort scheinbar herrschenden so genannten rationalen Sachzwängen. Die folgende Tabelle gibt die Merkmale der Ethik im Zuge der Modernisierung wieder (siehe auch die moralischen Regeln in der Aufklärung nach dtv-Atlas 2005, S. 120):

128

5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik Merkmale der modernen Ethik







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Wandel der bis ins Mittelalter geltenden Aristotelischen Ethik: Aristoteles: – Erziehung oder Gewöhnung zum guten Menschen – Streben der Person nach Glück: mit Hilfe tauglicher Mittel zum guten Leben, das die sinnliche Lustempfindung einschließt Einfluss christlicher Moralvorstellungen und Reaktion: – Missinterpretation der wissensgebundenen Glückseligkeit im Sinne eines geglückten Lebens als reine Sinneserfahrung – protestantische Befreiung von traditionellen Autoritäten – Wandel aller Gewissheit und moralischen Urteilens Die Kantsche formale Vernunftethik: Keine ethische Rechtfertigung bestehender Moral aus dem bloßen Glauben eines Individuums: – Ablösung des mittelalterlichen ‚Gottes‘ als dem materialen Gesetzgeber durch Wissenschaft und – ‚Transplantation‘ des moralischen Gesetzes in jedem Einzelnen Unterwerfung des im Eigeninteresse handelnden Individuums unter Koordinationsregeln im Rahmen von formal ethisch begründeten Kantschen Staatsgesetzen Materiale Vermeidung des Hobbes’schen Krieges aller gegen alle Ergebnis: Wertneutrale, von besonderen Interessen befreite wissenschaftliche Ethik, die Moral nicht als sozial und in ihrer natürlichen Umgebung eingebettet anerkennt Entstehung eines Gegensatzes zwischen einer Ethik mit explizit im sozio-kulturellen Zusammenhang verorteten Moralinteressen (Faktenaussagen) und einer impliziten wissenschaftlichen Ethik, die ihre moralische Denkform als Gegenstand nicht mitreflektiert Folgen z.B.: Unterschwellig ideologische Auffassungen über Menschen und Natur, Gesellschaft, Wirtschaft in ihren „Theorien“ Keine explizite Verobjektivierung der im Gegenstand implizit vorhandenen moralischen Handlungsregeln und der menschlichen Freiheit ihrer Nutzung Anpassermoral ohne faktenbezogene moralische Kritik an wissenschaftlichem Denken, das auch in sozialen Machtstrukturen verankert ist Zurückführung auf physische Begebenheiten und naturwissenschaftliche Erklärungsmuster Keine durch Tatsachenaussagen belegte Bestimmung des Guten als Eigenschaft eines Gegenstandes, somit negative Definition des Guten Verkennen der nicht wertfreien Erfahrungsgrundlagen von alltäglicher Wissenschaft als Ergebnis geschichtlicher Entwicklung und Produkt aktueller Tätigkeit Verkennen der Nicht-Unterscheidbarkeit und Überschneidung von IST-Sätzen (Fakten) und Normsätzen (Werten) sowie fehlende Anerkennung von Wahrheitswerten in theoretischen Urteilen zum Sollen (Ja oder Nein)

Tab. 17: Merkmale der modernen Ethik

5.1 Worum es geht

129

Die individuellen oder kollektiv ausgerichteten Ethik-Ansätze lassen sich nach rein philosophischen oder philosophiegestützten, gesellschaftsbezogenen oder sozialwissenschaftlich argumentierenden Ansätzen, rechtsbezogenen Ansätzen sowie theologischen oder theologiegeleiteten Ansätzen gruppieren:

Gruppierung allgemeiner Ethikansätze Reine philosophische, philosophiegestützte und allgemein-ethische wiss. Ansätze: • Ableitung konkreter Handlungsanweisungen aus ‚philosophischen‘ Prinzipien • Nach allg. Regeln (ohne Diskurse, gesunden Menschenverstand, Lebenserfahrung) Gesellschaftsbezogene oder sozialwissenschaftlich argumentierende Ansätze: • Ausgangspunkt: Strukturen (z.B. Macht- und Lebenschancen), Prozessen, Entwicklungsmöglichkeiten der sozialen Realität und Praxis • Untersuchung moralischer Interessenkonflikte in sozialen Gruppen/Organ./Institutionen Rechtsbezogene Ansätze mit Bezug auf rechtlich verbindliche ethische Normen (Ausdruck von ethisch reflektierten oder nicht reflektierten moralischen Normen): • In einer parlamentarischen Demokratie keine politisch wirksame Gesetzgebung außerhalb der Willensbildung und damit Normsetzung des einzelnen Bürgers • Wegen des Versagens relativ unverbindlicher Selbstbindungsversuche in der Wirtschaftspraxis zunehmende Bedeutung von ethischen Rechtsnormen • Selten Erbringung einer innovativen Vorleistung, z.B. einer ordnungspolitischen Gestaltung ungerechter sozialer Machtverhältnisse nach Rechten und Pflichten Theologische oder theologiegeleitete Ansätze: • Die Religion zur Vermeidung eines negativen Individualismus/Egoismus mit Hilfe persönlicher Glaubensgewissheit über das Jenseits • Missbrauch der Religion durch dogmatischen Wertbezug: – Ethisch festgelegter absoluter Ausgangspunkt ohne faktischen Diesseitsbezug – Wegen des metaphysischen unverhandelbaren Anspruchs kein allgemeinverbindlicher, intersubjektiv überprüfbarer Bezugsrahmen für ethische Reflexion – Inhärente Intoleranz gegenüber anderen Glaubensansätzen • Spannungsverhältnis zwischen Fundamentalismus und Fundamentorientierung Tab. 18: Gruppierung allgemeiner ethischer Ansätze

Die allgemeine Ethik oder Philosophie distanziert sich in ihrem wissenschaftlichen Selbstverständnis von Ansätzen, die im Grundsatz bestimmte Werte- und Normensystemen verabsolutieren und sie als Bestandteil einer individuellen Gesinnung für konkrete Normsetzungsprozesse vorgeben (siehe u.a. Kreikebaum 1996, S. 142–154). Absolute wertorientierte Ansätze fallen daher aus dieser Systematik heraus, allen voran die christliche Ethik, die bis heute trotz des zunehmenden Einflusses des Islams noch einen maßgeblichen Einfluss in unserem Kulturkreis hat (siehe die Präambel des Grundgesetzes). Immerhin glauben nach einer neuesten Untersuchung noch 41 % der Bevölkerung daran, dass Jesus der Sohn Gottes

130

5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

ist (DER SPIEGEL vom 18.5.2002, S. 198). Es spricht viel dafür, dass gerade in KMU christliche Wertvorstellungen durchaus noch Kernbestandteil konservativer Pflicht- und Akzeptanzwerte sind. Sie basieren zum einen auf den 10 Geboten (Mosaische Gesetze) aus dem Alten Testament und zum anderen auf Aussagen zur praktischen Liebes-Ethik im Neuen Testament wie z.B. die Bergpredigt (Liebe im Sinne des Annehmen-Könnens (ΑΓΑΠΗ = agapē)). Jemand ist Christ, wenn er glaubt, dass Jesus Christus für ihn am Kreuz gestorben ist und ihm dadurch seine Sünden vergeben sind (siehe z.B. Römer 4, 24–25, Johannes 20, 31). Diese individuelle Glaubensgewissheit lässt sich weder empirisch belegen noch widerlegen. Christliche Ethik ist in weiten Teilen eine Individualethik, von der Handlungsmotivation her eine Pseudo-Gesinnungsethik. Sie ist sich dabei der Folgen und Nebenwirkungen ihres Handelns durchaus bewusst. In der christlichen Ethik heiligen unheilige Mittel allerdings nicht unbedingt den Zweck. Mit Blick auf die soziale Ausrichtung ist sie also eine Verantwortungsethik. Im Gegensatz zu humanistischen Strömungen in der Sozialethik, für die die Menschen im Kern gut sind, hält die christliche Ethik Menschen gottgegeben für böse: Sie leben von Gott getrennt, d.h. von ihm abgesondert oder in Sünde (siehe IVCG 1988, S. 53ff.). Die Bibel (das ‚Wort des Herrn‘) hat in Bezug auf Gott die absolute Wahrheit. Auf dieser Basis leiten die Mitglieder einer kommunikativen Gemeinschaft (Gemeinde, Kirche, Gruppierung) ethische Leitlinien und Prinzipien für das moralische Handeln in Unternehmen und Wirtschaft ab (Kreikebaum 1991). Nach dem Matthäus-Evangelium sollen Führungskräfte so ihren Mitarbeitern dienen. Führungsmotto von Prof. Bullinger, Präsident der FhG und Manager des Jahres 2009, ist daher: „Der Größte unter Euch soll euer Diener sein“ (mm 12/09, S. 74.). Seltsam, dass sich dies nur selten am Inhalt des Portemonnaies zeigt. Zudem wird Ungleichheit zu einem wunderbaren und daher notwendigen Ergebnis der Schöpfung (siehe Lammert über Moral in der Wirtschaft, in TAZ vom 19.6.2008; siehe aber auch IVCG 1988). Diese wird ähnlich wie Führung dogmatisch zu einer für den Wettbewerb notwendigen Anreizkonstante hochstilisiert (zu den realen Bildungs- und Lebenschancen dagegen: Lauterbach 2007). Die wissenschaftliche Ethik hat sich aus dieser metaphysischen Tradition widersprüchlich befreit (siehe auch WK vom 17.4.11, S. 2): • Zwar Kritik der ethischen Ansätze der Aufklärung an Gott als dem materialen, unwahren/unrichtigen Gesetzgeber • Aber verkürzte ideologische Projektion „Gott“, da er nur ein anderer formaler Ausdruck für „das Ganze“ ist: – das – nur partiell vom Einzelnen erkennbar – als das Andere zu ihm zurückkehrt – das also als eine explizite ethische Reflexion von Moralinteressen im sozialen Zusammenhang aufzufassen ist. Die Doppelbödigkeit der Ethik der Moderne besteht ganz im Sinne der Aufklärung darin, dass ein freies, autonom denkendes Überindividuum wie eine ‚gottähnliche Gestalt‘ (cogito ergo sum) formal die Moral erzeugt, indem es moralisches Urteilen wissenschaftlich als Gegenstand reflektiert und aus der Perspektive einer letzten Instanz begründet. Scheinbar wertneutral erzeugt die wissenschaftliche Ethik, zu der auch die Unternehmensethik gehört, Moral. Ethik erscheint dabei befreit von partikularen Interessen. Als implizite Konsensethik mit konformistischem Potential eignet sie sich vorzüglich zur Legitimation der bestehenden Machtverhältnisse. Es scheint daher wenig erstaunlich, dass diese geistige Entwicklung mit der industriellen wirtschaftlichen Entwicklung korrespondiert:

5.1 Worum es geht

131

• Zunehmende Umsortierung des sozialen Denkens über die Welt der Dinge nach dem individuellen Geldmaßstab ‚entweder tauschbar = nützlich oder nicht-tauschbar = nichtnützlich‘, Folge: • Entstehung einer utilitaristischen Metaphysik als einer bis heute wirkenden materialen Ethik der Ökonomie (z.B. Hayek: Moral schafft Ethik).

5.1.2

Metaethik, deskriptive und normative Ethik

Die folgende Abbildung dient der Orientierung:

Philosophische PhilosophischeEthik Ethik (Moralphilosophie) (Moralphilosophie) Praktische

Philosophie

Metaethik Allgemeine wissenschaftliche Ethik

Angewandte Ethik Normative Ethik Deskriptive Ethik

Deskriptive RealitätEthik Empirische Fakten

Gegenstand: Ethik

Gegenstand: Moral/ Ethos Bezug der Ethiken?

Begründung Sollen

Methoden (wie) Wahrheitsfähige Aussagen (z.B. sprachlich)

Abb. 13: Bereiche wissenschaftlicher Ethik

Die so genannte Metaethik beschäftigt sich damit, inwieweit sich moralische Überzeugungen von anderen unterscheiden und wie sich moralisches Handeln nach normativen, nicht deskriptiv-empirischen Kriterien für richtig oder falsch begründen lassen (zur Übersicht: Düwell, Hübenthal, Werner (Hrsg.) 2006, S. 11ff.). Dabei beschäftigt sie sich weniger mit konkreten ethischen Begriffe und Aussagen, sondern mit der Sprachanalyse ethischer Positionen. Metaethik und normative Ethik kommen ohne inhaltlichen Bezug und damit ohne deskriptive Empirie (Fakten) aus und erheben auch keine konkreten Diskursansprüche an die sprachliche Form von Sollens-Aussagen. Innerhalb ihres historisch gewachsenen relativ geschlossenen ethischen Systems prägt die Metaethik und normative Ethik der universalistische Umgang mit den partikularen Interessen der Gegenwart. Der Maßstab zur Berechtigung moralischer Forderungen (Geltungsansprüche) hängt nicht vom Ansatz des sozial Guten ab. Ohne die kognitiven Schranken ethischen Handelns infolge seiner sozialen Verortung

132

5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

aus Sicht des Einzelnen diskutiert zu haben, setzen Metaethik und normative Ethik meist die kognitive Gültigkeit/Nichtgültigkeit und Begründbarkeit moralischer Urteile voraus. Es ist aber auch ein gegenteiliger Trend zu beobachten, wobei Querverbindungen und Überschneidungen zu bedenken sind.

5.1.3

Materiale und formale Verfahrenweisen ethischer Reflexion

Die Unterscheidung zwischen material und formal geht auf Aristoteles zurück. Materiale oder inhaltlich geprägte Ethiken sowie formale Ethiken haben unterschiedliche Auffassungen darüber, ob und wie der Bestimmungsgrund menschliches Handeln und Begehrens sittlich qualifiziert werden kann (Höffe 2008, S. 80): Materiale Ethiken: • Moralische Inhalte von Normen: – Manifestation am Erkennen, Fühlen, Wollen und Verfolgen von außermoralischen, an sich guten Zwecken – Beispiele: Güter wie Glück, Ehre Gottes, Seinsordnung • Anerkennung intendierter inhaltlicher Handlungsregeln und Werte Formale Ethiken (seit Kant) • Ausgangspunkt: – Idee der Pflicht als unbedingte und allgemeingültige Forderung – keine Ableitung ethischer Prinzipien aus vorgegebenen empirisch feststellbaren Interessen, Wünschen, Bedürfnissen, Zielen, Werten oder Gütern – stattdessen Ableitung aus der sittlichen Selbstgesetzgebung moralischen Handelns: (1) fast wie ein Ding als formale Grundstruktur á priori vorhanden und (2) kognitiv zugänglich • In diesem transzendentalen empirisch unbedingten Grund universell geltender Anspruch, wie ein vernünftiges Wesen denken soll: • Voraussetzungen: Freiheit, Selbstbestimmung und Autonomie des Einzelnen sowie Handlungs- und Willensfreiheit als Vermögen. Die so genannte formale Ethik – ob in Monologen, Verträgen, Diskursen, abstrakter Handlungsfähigkeit – dominiert heute die allgemeinen und Unternehmensethiken. Folgen sind: • Ablenkung vom sozialen Zusammenhalt des Ganzen und partikularen Interessen • Abstraktion von empirischen Fakten und formalrechtlich begründete Unterstellung gleicher Freiheit für alle in der Gesellschaft und Wirtschaft • Ausklammerung, Beschönigung, Umdeutung des Problems der sozialen Gerechtigkeit.

5.1 Worum es geht

133

Weitere Kritikpunkte sind folgende:

Formale, monologische Ethik Moralität • Ausgangspunkt: – Ersetzen des absoluten Dogmas göttlichen Willens durch das theoretische Postulat einer endlichen Vernunft in praktischer Absicht – Idee der Pflicht u. der sittlichen Gesetze als unbedingte, allgemeingültige Forderung • Universell geltende Rekonstruktion des transzendentalen Grundes eines vernünftigen ‚Wesens‘ • Konstituierung allein über eine bestimmte Qualifikation der freien Subjektivität, begründet in der vernünftigen Form ihres Begehrens (Kant): – Handlungsfreiheit als Möglichkeit zu handeln oder auch nicht – Willensfreiheit als Vermögen, einen Zustand selbst anzufangen • Ablehnung: materialethische Ableitung aus gegebenen empirisch feststellbaren ‚Erscheinungen‘ oder Interessen, Wünschen, Bedürfnissen, Zielen, Werten oder Gütern als Verstandeserkenntnis • Betonung der formalethischen (nicht-inhaltlichen) Ableitung: als reine praktische Vernunft wie ein ‚Ding‘ aus dem a priori gegebenen Gesetz des moralischen Handelns (kategorischer Imperativ) • Folge: – zwar Reflexion der äußeren Funktion moralischer Regeln für den sozialen Zusammenhalt, aber – aus Sicht eines vernünftig denkenden Individuums oder eines argumentativen Diskurses oder Gesellschaftsvertrags keine weise Harmonie zwischen sozialer Ordnung (formale Ethik) und materialem Gehalt (als Teil des Ganzen = ethische Regeln) Musterbeispiel für eine monologische Ethik: • Annahme eines internen, einsamen Monologs mit Hilfe des formal vorgegebenen kategorischen Imperativs als Moralprinzip • Prüfung, ob die individuellen Maximen sittlich gerechtfertigt sind • Folgen: – im moralischen Standpunkt der Einzelnen formale Manifestation eines Gesellschaftsvertrags als Funktion des vereinigten Willens des Volkes, Folge: dem angemessene zu erlassene Gesetze – keine eigene individuelle Entscheidung über die moralische Richtigkeit seines Handelns – stattdessen Konstruktion unbedingter Vorgaben als Pflicht zur Gewinnung eines unparteiischen Standpunkts

134

5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

• Bezug zum nie irrenden Gewissen als leidvolle Vernunftleistung und interne Gerichtsinstanz (innere Stimme) zur Bindung der bloßen Gesinnung sowie im Rahmen moralischen Könnens: – als Fähigkeit, gut und böse zu unterscheiden – dies auf die konkrete moralische Beurteilung in einer Handlungssituation anzuwenden und – als selbstbezügliches Bewusstsein darüber Kritik: • Wegen der Unterentwicklung materialer Ethik fälschlicherweise Gleichsetzung von Metaethik und formaler (= übergreifenden) Ethik • Keine Identität des gemeinten Inhalts im moralischen Urteil mit der erkannten formalen Struktur • Siehe zur Alternative Abb. 14 Tab. 19: Kritik der formalen monologischen Ethik

Ansatzpunkte dafür, Ethiken auch material zu verstehen, können folgende Überlegungen sein (nach Brodbeck 2003): • Der materiale Gehalt ethischer Regeln ist mehr als die bloße Funktion von Moral (z.B. als gewohnheitsmäßiges ‚man‘). • Die Inhalte sind aber auch insofern etwas anderes, als sich das Ganze in ihm als Teil widerspiegelt. • In der ethischen Regel macht sich eine soziale Handlungsstruktur in zweifacher Hinsicht bemerkbar: – als Wert im individuellen Handeln und – als Wert, der auf den sozialen Zusammenhalt als Gesellschaft verweist (vgl. auch die Bindestrich-Ethiken) – als Wert, der darüber hinaus weist (Einbettung in Natur).

5.1.4

Aufgliederung der normativen Ethiken

Grundlagen der Behandlung der gängigen normativen wissenschaftlichen Ethik-Ansätze ist neben ausgewählten Orginalquellen v.a. folgende Literatur: Petermann, Graf von Westphalen 1985, Stegmüller 1969, Haupt, Lachmann (Hrsg.) 1998, dtv-Atlas Philosophie 2005, Zittlau 2004, Philosophie 2002, Göbel 2006, Düwell, Hübenthal, Werner (Hrsg.) 2006, Brodbeck 2003, Höffe 2008. Dabei sind die allgemeinen Basisethiken aus der Moderne miteinander verzahnt und weisen unzählige Varianten auf, worüber es wiederum divergierende Ansichten und Zuordnungen gibt. Der Großteil pflegt als eher philosophische Ethik – in der Tradition Kants stehend – einen problematischen Umgang mit der sozialen Realität und dem Praxisbezug. Die empirische/deskiptive Ethik (Moralwissenschaft) bleibt ebenso außen vor wie die Ethik in der Praxis. Die normativen Ethiken lassen sich zur Orientierung in teleologische, deontologische und ergänzende Ethiken einteilen, wobei die Abgrenzung schwerfällt:

5.1 Worum es geht

135

aus begrifflich-logischen Gründen, wegen kultureller Differenzen, unterschiedlicher Wissenschaftstraditionen und sprachlicher Abhängigkeiten. Teleologische Ansätze Die Bezeichnung teleologisch (von griechisch τελος = télos „Zweck, Ziel, Ende, Erfüllung, Vollendung“ und λογος = lógos „Lehre“) geht auf Aristoteles zurück. Danach strebt jede Handlung nach dem Guten im Sinne einer außermoralischen Gutheit. Ihre moralische Richtigkeit hängt vom Maß der Zielerreichung ab. Es lassen sich eine enge und erweiterte Auffassung voneinander unterscheiden, wenn auch mit fließenden Grenzen. Im klassischen Sinne verfolgen Handlungen Zwecke oder Ziele, die der einzelne Akteur von seinem Standpunkt aus im Handlungsvollzug für gut hält. Jede Handlung zielt also auf das Gute. Moralische Forderung ist, Handlungen zu verfolgen, die in einem übergeordneten Verständnis als gut einzustufen sind: nach subjektiv stabiler Einschätzung oder objektiver Feststellung. Es ist dabei wohl irrelevant, nach welchen Kriterien sich Ziele inhaltlich bestimmen. Ausgehend von der Trennung zwischen moralischer Richtigkeit und außermoralischer Gutheit, bestimmen heute die eng argumentierenden teleologischen Ansätze das moralisch Richtige dadurch, dass es das außermoralisch Gute bestmöglich fördert. Der klassische Utilitarismus von Bentham (1748–1832) und Mill (1806–1873) verfolgt als einziges außermoralisches Ziel die Maximierung des Gesamtnutzens durch jeden einzelnen, das im größten Glück der größten Zahl besteht. Diesen stuft der Ansatz als gut im Sinne von instrinsisch wertvoll ein. Zum Problem würde diese enge Auffassung erst, wenn sie die mit ihrer Gut-RichtigUnterscheidung schon fast deontologisch zu nennen ist, ausgebaut würde. Dafür steht z.B. die Wandlung von Rawls als Teleologen zum Deontologen, der keine Unterscheidung mehr zwischen moralisch gut/richtig treffen muss. Die reinen Konsequentialisten wie Frankena oder Nida-Rümelin gehen weiter. Für sie ist eine Ethik teleogisch, wenn das moralisch Richtige eine Funktion des vormoralisch Guten ist und so zur Maximierung eines vormoralisch Guten beiträgt. Das betrifft z.B. die Gesundheit, aber nicht die Rechtschaffenheit. Der moralische Wert einer Handlung bemisst sich also nach dem Wert ihrer Folgen. Ob Werte wie in teleologischen Ansätzen dabei außermoralischen oder moralischen Status haben, ist unwichtig. Nach dieser engen Fassung würden telelogisch-ontologische oder klassisch-teleologische Ansätze wie der von Aristoteles aus der Definition herausfallen. Tugend- oder eudaimonistische Ethiken könnten dagegen der Gruppe der deontologischen Ethiken zugeschlagen werden. Dies würde allerdings der Ausrichtung des klugheitsethisch Ratsamen widersprechen. Es muss offen bleiben, ob sich eine auf die rigide Interpretation der aristotelischen Ethik zurückzuführende Trennung zwischen diesen EthikVarianten heute noch durchhalten lässt. Deontologische Ansätze Deontologisch kommt vom griechischen δεον´= déon, das Erforderliche, die Pflicht. Die Pflichtethik, sofern es um den Vorrang des Rechten vor dem Guten geht, hat sich von ca. 300 v. Chr. bis ins 18. Jahrhundert entwickelt. Heute verbreiten sich dabei Vermutungen über die Stärken deontologischer Ethiken im Vergleich zu teleologischen. Offensichtlich können deontologische Ethikbegründungen z.B. Folgenüberlegungen integrieren, sofern die

136

5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

Verbindlichkeit deontologisch begründbarer moralischer Verpflichtungen nicht verlorengeht. Dies gelingt aber zwangsläufig nach der Integration in eine zweckrationale Handlungsstruktur nicht mehr so ohne Weiteres. Das individuell Gute kann in einen Widerspruch zum moralisch Rechten geraten, der im nicht-egoistischen Fall grundsätzlich zugunsten des letzteren aufgelöst wird. Ärzte können z.B. Patienten auf verschiedene Art und Weise helfen, d.h. es entstehen unterschiedliche situationsspezifische Handlungsverpflichtungen. Dies bedeutet aber nicht unbedingt die Aufgabe einer regelontologischen Betrachtungsweise zugunsten einer aktdeontologischen. Praktiker halten manche Handlungsweisen, die nicht zur Maximierung des Guten führen, fallweise für moralisch geboten. Das wirft theoretische Probleme auf, deren Lösung Praktiker nicht unbedingt interessieren muss.

5.2

Merkmale allgemeiner Ethikansätze

Der Service 3.1 beschreibt ausführlich die folgenden allgemeinen Ethiken und prüft sie auf Verwendbarkeit für spezifische Unternehmensethiken in der Unternehmensberatung (Vorund Nachteile, Chancen, Risiken): • Teleologische Ethiken im weitesten Sinne (Ansätze 1–4 in der tabellarischen Darstellung): – die nach Gütern strebende Tugendethik oder Strebensethik nach Aristoteles, die die Person in den Mittelpunkt stellt – die Wertethik, die manchmal der Güterethik zugeordnet wird – die Gesinnungsethik, der die Folgen relativ gleichgültig sind, und – der in der Unternehmensethik verbreitetete Utilitarismus • Deontologische Ethiken (Ansätze 5–8 ebd.): – die Pflichtethik Kants, die die Pflicht aus individueller Vernunft in den Mittelpunkt stellt – die Diskursethik, die die wissenschaftliche Argumentation und den Konsens betont – die Kontraktethik von Rawls, der aus Gerechtigkeitserwägungen den Gesellschaftsvertrag zwischen gleichen Partner konstruiert – ein Ansatz, der die Moral aus der Perspektive der ethischen Reflexion rudimentärer Handlungsfähigkeit betrachtet. Die behandelten allgemeinen ethischen Basisansätze lassen sich ergänzen. Ethiken lassen sich nämlich nicht immer eindeutig teleologischen oder deontologischen Konzept-Familien der Handlungsethik oder einer möglichen dritten Gruppierung wie z.B. der Tugendethik zuordnen. Dogmatische Aufteilungen werden durch dazwischen liegende Teilfamilien kontinuierlich aufgeweicht oder die inflationäre Definitionsvielfalt ist nicht mehr sinnvoll. Von daher gesehen lassen sich alternative ergänzende Ansätze ausmachen, die sich entweder einer konventionellen Gruppe von Ethikkonzepten nicht eindeutig oder gar nicht zuordnen lassen.

5.3 Von Einzel-Moralen zur Ethik des sozialen Ganzen

137

Ergänzende Ethiken sind (Ansätze 9–13 ebd.): • Der Kohärentismus, der auch nicht-moralische Überzeugungen zulässt • Die hermeneutische oder narrative Ethik, die die verstehende Interpretation im Leben in den Vordergrund stellt • Die Klugheitsethik, die Aristoteles fortführt und pragmatische Ratschläge gibt • Der Kommuntarismus, der auf dezentrale Gemeinschaften oder Netzwerke setzt • Die konstruktive Ethik als eher sprachanalytisch ausgerichtete Metaethik. Die Ethik-Kritik folgt weitgehend Brodbeck (2003).

5.3

Von Einzel-Moralen zur Ethik des sozialen Ganzen

Die dargestellten Ethiken fassen das, was ethisch relevantes Wissen ausmacht, sehr unbestimmt. Sie setzen das sprachliche, d.h. im Denken und Sprechen vermittelte Wissen als eine Entität oder Ding voraus. Zu diesem Gegenstand verhalten sich dann diejenigen, die individuell Ethik treiben. Dabei wollen sie schon a priori über Wissen verfügen, als ob so das ethische Sollen das moralische Sein schaffen könnte. Manche positivistisch eingestellten Vertreter glauben allerdings, über dieses Wissen erst in grauer Zukunft verfügen zu können. Es hilft auch nicht anzunehmen, dass sich ethisches Wissen quasi unter Umgehung des individuellen Bewusstseins evolutionär als objektiver transsubjektiver Prozess vollzieht. Beim Wirtschaftswissenschaftler Hayek schafft das Sein der Moral das Sollen der Ethik. Die meisten Ethikansätze übersehen einen neuralgischen Punkt. Es wirken in der Lebenspraxis schon viele Einzelmoralen, die ein individuelles Handeln und Denken übergreifendes soziales Regelwerk (Moral) unterschwellig koordiniert. Es besteht daher ein realer Zusammenhang • Zwischen dem sozial-kommunikativen Wissen, das Individuen übergreift, und dem funktional dort eingebundenen individuellen Denken sowie • Der individuellen Operation des Sozialen im jeweiligen individuellen Bewusstsein. „Diese Einbindung ist die formale Struktur der Ethik, welche Inhalte auch immer darin gedacht werden mögen“ (Brodbeck 2003, S. 98). Das Ganze wirkt als „sprachvermittelte“ Denkform an der Seite der faktischen Handlungen, die tradiert wird und als ethisches Regelsystem im einzelnen Bewusstsein und in der einzelnen Handlung zurückkehrt (siehe das folgende vereinfachte Modell von Brodbeck 2003):

138

5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik Latente Struktur der Arbeitsteilung (tacid knowlegde, implizites Handlungswissen für alle sozialen Handlungsbereiche, angedeutet durch dicke Pfeile)

Handlung 1

‚E‘ H1 H2

Ethik H5

H4

‚E‘

H2

H3 H5

Handlung 5 ‚E‘

‚E‘: Ethik als soziale Handlungsstruktur 2 in individueller Handlung (als bewusste Denkform oder Regel)

Handlung 2

H1

H4

H3

Handlung 4 ‚E‘

Handlung 3 ‚E‘

Soziale Handlungsstruktur 1 (Moral) in Anschauung, Nachahmung, Gruppenprozessen als „taktile Tradition“

Gemeinsame ethische Reflexion einiger dieser moralischen Regeln in sozialer Kommunikation, als Sprachund Denkform symbolisiert und tradiert

Abb. 14: Zur sozialen Handlungsstruktur von Moral und Ethik

In der realen Kommunikationsgemeinschaft entsteht also Ethik als das allgemeine Ganze aus den vielen individuellen Moralen oder aus dem jeweiligen individuellen Denken vieler, das über die soziale Handlungsform moralisch geregelt wird. Ethische Begründungen lassen sich nicht von dieser Moral abspalten. Ethik erfüllt so in der Praxis eine besondere Aufgabe, die der Großteil der wissenschaftlichen Ethikansätze nicht erkennt: • Rückführung des „sozialen Gesamtzusammenhangs“ als Regeln in die einzelne Handlung, so dass jene zur Gegenwart der ganzen Gesellschaft in der vereinzelten Handlungssituation werden • Indem die Gesellschaftsmitglieder moralischen Regeln folgen, Tradierung und Erhalt der Gesellschaft. Dies ist auch bitter nötig, denn die Gesellschaft ist ein komplexer sozialer Handlungszusammenhang, der für den Einzelnen unübersehbar und schlecht durchschaubar ist. Der Einzelne kann nicht wie in einfachen Gemeinschaften alles wissen. Die allen Ortens postulierte Freiheit des Handelns des Einzelnen basiert daher auch auf einem strukturellen Nicht-Wissen. Das individuelle Bewusstsein kann nicht mehr inhaltlich die ganze Gesellschaft (noch dazu im Zusammenhang mit der Natur) in sich repräsentieren oder ausmachen, sondern höchstens formal reproduzieren. Die gesamte soziale Handlungsstruktur bleibt jedem Einzelnen – auch dem, der wissenschaftlich Ethik treibt – ontologisch gesehen verborgen. Sie wird ledig-

5.3 Von Einzel-Moralen zur Ethik des sozialen Ganzen

139

lich als implizites Wissen in den einzelnen Handlungen tradiert. Sie ist nicht automatisch wie eine Gebrauchsweisung (Know-how) bewusst, sondern wird meist durch Nachahmen oder Erfahrung erlernt. Ethische Reflexion bleibt aber dabei immer von der Realität der sozial koordinierten Handlungen, der wirksamen moralischen Struktur, verschieden. Dennoch wirkt die Moral in einem offenen sozialen Umfeld, so dass sie sich auch durch ethische Reflexion der Gesellschaftsmitglieder in vielen Kommunikationsprozessen oder arbeitsteiligen Diskursen wandeln kann. Indem aber die wissenschaftlichen Ethikansätze Diskurse von der realen Kommunikationsgemeinschaft als Sinn- und Bedeutungszusammenhang abkoppeln und die ethische Begründung von der Reproduktion der Moral einer Gesellschaft trennen, können sie die Vernetztheit der einzelnen Veränderungen als ganze nicht antizipieren. Mit anderen Worten stellt in einem echten ethischen Diskurs das logische Geltend-Machen-Wollen und RechtBehalten-Wollen nur die theoretische Form des Egoismus dar, den nur die ethische Kommunikation vieler Individuen mit ihrer Vielfalt kritisieren kann. Moral hindert den Einzelnen nicht unbedingt daran, seinen egoistischen Geltungsanspruch aufzugeben. Er beschränkt diesen Anspruch vielleicht nur vorläufig aus Klugheitserwägungen. Nur in der ethischen Reflexion in der Gemeinschaft, die über den Einzelnen hinaus auf das Ganze verweist und die Schranken erkennt, kann der Einzelne seinen egoistischen Geltungsanspruch aufgeben. Ein Konsens, der auch einen moralischen Wert darstellt, ist erreicht, wenn kein egoistisch handelnder und denkender Kommunikationsteilnehmer auf seinem Geltungsanspruch besteht und das gemeinsam Erkannte als wahr gilt. Ethik zielt letztlich aus Sicht des sozialen Ganzen auf die Kritik des Egos, das in der Wirtschaft inhaltlich der Homo oeconomicus ist. Seine Merkmale sind Erwartungsnutzenmaximierung und Konsequenz autonomer Wirtschaftssubjekte. Der Erforschung sozialer Gerechtigkeit mit Hilfe von Lorenzkurven und Gini-Koeffizienten, bei der zudem oft der prozedurale Gerechtigkeitsaspekt fehlt, ist dies meist unbekannt. Wirtschaftswissenschaft ist nur eine zu dieser Weltanschauung passende Denkform, die als unbegründete Morallehre implizit einen ethischen Anspruch verfolgt. Insofern man die soziale Handlungsstruktur durch Teilnahme an gesellschaftlicher Arbeitsteilung und Kommunikation und – als Teil davon – an einem wissenschaftlichen Diskurs erkennt, handelt man ethisch (zu den konzeptionellen Bausteinen siehe Service 3.2). Sofern moralische Regeln mehr sind als nur pragmatische Spielregeln, erfüllen sie eine soziale Funktion. Sie fordern also als generelle Imperative zu bestimmten Handlungen auf. Dann kann man sie als vernünftig einsehen und akzeptieren. Sie gewinnen an Geltung und können (müssen aber nicht) befolgt werden. Geltung oder Gültigkeit als Grundlage des Anerkanntseins von Werten und Normen bzw. moralischen Regeln, Sätzen oder Gesetzen wird so zur Voraussetzung der funktionierenden Intersubjektivität: sei es in Bezug auf ihre faktische soziale Geltung, sei es als Inkraftgesetzt-Sein (rechtliche Geltung). Einsicht ist demnach stets in der menschlichen Freiheit verankert, so dass Geltung aus einer inneren Rationalität heraus nie universell sein kann. Zur sozialen Wirklichkeit des Geltens von moralischen Regeln gehört daher nicht, ihnen immer folgen zu müssen. Die ethische Wahrheit im pragmatischen Sinne zielt weniger auf richtig oder falsch, als auf Sicherheit, Gewissheit, Kontrolle. Jene ist somit Ergebnis der freien Entscheidung vieler, einer gültigen Regel zu folgen oder nicht. Dafür dürfte es auch vielfältige ethische Begründungen für das Geboten-

140

5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

sein, Verbote oder Erlaubtsein von sozialen Handlungen geben. Idealerweise können Begründungen von Normen, die von ihrer Analyse und Erklärung zu trennen sind, Vorschläge sein, die in Zeiten der Unsicherheit und Uneinigkeit vernünftig sein sollen: • Die situationsangemessene Anwendung einer Handlungsregel (Maxime oder Norm) • Die Sittlichkeit der Regel oder • Das Kriterium und Prinzip der Sittlichkeit, d.h. die Frage, warum sich überhaupt auf den Standpunkt der Sittlichkeit stellen und nicht auf dem des Selbstinteresses verharren (Problem jeder Unternehmensethik). Im Anschluss daran wird Normenbegründung nur in dem Fall hinfällig, in dem man glaubt, sittliche Urteile aufstellen zu können, ohne sie selbst oder ihre Kriterien zu überprüfen. Das ist beim Dogmatismus und autoritärem Verhalten der Fall. In unterschiedlichen ethischen Systemen treten faktisch dieselben moralischen Regeln auf. Dies könnte zur Illusion verleiten, als gemeinsamen Nenner ein globales allgemein gültiges ethisches System zu schaffen: über einen wie auch möglichen globalen ethischen Diskurs. Jedenfalls treffen Ethiken und ihre Prinzipien sowie Ethikkritik (auch wenn es so erscheint) nicht auf ein moralisches Nirwana oder Vakuum, das nur befüllt werden muss. Ethiken treffen im globalen Maßstab auf vorhandene, z.T. im Wettbewerb stehende, sich unterschiedlich tolerierende Moralsysteme, so dass jene das Gegebene jeweils unterschiedlich interpretieren können. Es stellt sich daher abschließend die Frage, ob ein ethischer Diskurs im Rahmen des Wettbewerbs der Moralsysteme in einer – interorganisatorisch betrachtet – moralisch relativ ungeregelten globalisierten Welt weiterbringt und global wirkende gültige Normen überhaupt aufgestellt werden können. Damit könnte man nicht mehr so tun, als ob die schon implizit ethisch begründeten moralischen Normen im Rahmen der US-amerikanischen Sachzwanglogik (neuerdings einer chinesischen oder amerikanisch-chinesischen) universell gelten. Vom weltweiten sozialen Ganzen her gesehen hat Ethik in der Tat die praktische Aufgabe, die imperiale Maßlosigkeitskultur mit ihren globalen moralischen Geltungsansprüchen sowie ihre Sachzwang-Beschwörungsethik zu kritisieren. Die jahrelang verborgene oder von Politikern und Medien gedeckelte materielle Gier von Schlüssel-Akteuren in der Wirtschaft, die immer noch eine naive und/oder eigennützige Wirtschaftswissenschaft vielfältig-sublim legitimiert, hat sich ja in der laufenden Banken- und Finanzkrise Bahn gebrochen. Änderungen oder tiefgreifender Wandel hängen daher davon ab, ob ethische ‚Diskurse‘ • Zwischen neoliberalen Werte-Positionen, die formal in der wirtschaftswissenschaftlich geprägten impliziten Ethik präsent sind und – material verkürzt auf die egoistische Nutzenmaximierung aller menschlichen Handlungen – die bestehende Unmoral legitimieren, sowie • Positionen um Werte wie Nächstenliebe, Solidarität, Wahrhaftigkeit, Achtung vor der menschlichen Würde, prosoziales Verhalten und soziale Gerechtigkeit organisiert werden können. Meines Erachtens stehen diese beiden Moralsysteme, wie auch immer ethisch reflektiert, bislang in einem unauflösbaren Gegensatz zueinander. Die allgemeine wissenschaftliche Ethik thematisiert dies nicht und trägt daher wenig zur konkreten moralischen Orientierung in der Praxis bei. Dies betrifft den Großteil der oben dargestellten allgemeinen Schlüsselethi-

5.4 Unternehmensethik

141

ken (erste Gruppe) und am wenigsten die ergänzenden, schlecht zuordenbaren Ethiken (zweite Gruppe). Die erste Gruppe beherrscht die Unternehmensethikansätze, sofern sich überhaupt detailliert mit Ethik befassen. Dabei besteht eine Tendenz zur formalen Diskursethik aus institutioneller Sicht, die als implizite Ethik ebenfalls die bestehenden Machtverhältnisse in der Gesellschaft, Wirtschaft und Unternehmen nicht thematisiert, sondern schönt und kleinredet und als naturgegeben legitimiert. Den Dreh- und Angelpunkt des Großteils der Unternehmensethiken bildet in der Tat das nach Gesetz und Recht freie, ökonomisch handelnde einzelne Unternehmen/Management als ein kollektives – wenn auch methodologisch auf das Individuum reduziertes – rationales Vernunftwesen. Die soziale Ungleichheit und soziale Ungerechtigkeit werden so zum Problem der Bürgergesellschaft (siehe auch zur Situationsbeschreibung Staehle 1991a, S. 581).

5.4

Unternehmensethik

5.4.1

Der Homo oeconomicus als anthropologische Konstante

VWL und BWL setzen den Idealtypus des Homo oeconomicus von J. St. Mill, der rechtlich ungehindert waltet, mit dem nach dem Rationalprinzip handelnden Wirtschaftssubjekt gleich. Dies soll dadurch geschehen, dass er sich rational verhält, indem er unter gegebenen Bedingungen nach dem privaten höchsten Nutzen und Gewinn strebt. Dieses empirisch unscharfe ideologisches Konstrukt legitimiert als löchriges Leitbild den Status quo des Wirtschaftshandelns. Die Wirtschaftswissenschaften verkürzen menschliches Entscheidungshandeln in Wirtschaftsunternehmungen unzulässig auf einen begrenzten Ausschnitt sozialer Wirklichkeit. Dieses verengende disziplinäre Wissen vermitteln VWL und BWL zukünftigen Managern für ihren praktischen Handlungsrahmen des Homo oeconomicus. Transdisziplinäre Aspekte überlassen sie eher dem practice-based knowledge aus der unparzellierten Wirklichkeit. Wie ein Katalysator transferiert der Geist des Homo oeconomicus den ökonomisch rationalen Handlungszweck aus Eigeninteresse in eine anthropologische Konstante. So lässt sich der Automatismus behaupten, dass die legal verbürgte individuelle Verfolgung des Eigeninteresses dem allgemeinen Wohlstand aller Bürger und – sieht man von einer dementsprechenden Verteilung ab – jedes Einzelnen dient (siehe folgende Abbildung nach Ulrich 1993, S. 12). Dabei ist das Gemeinwohl aber kein Selbstzweck, sondern die einzelne Person ist Mittelpunkt, Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen. Danach ist das Gemeinwohl von unten nach oben aufgebaut, fördert erst so die individuelle Freiheit des wirtschaftlich Handelnden und ermöglicht gleichzeitig das moralische Streben nach Glück, Erfolg und die Wohlfahrt der Gesellschaft. Selbstverwirklichung heißt dabei wohl, den anderen so anzunehmen wie sich selbst, also nicht mehr als sich selbst. Das einzelne Wirtschaftssubjekt ist sogar verpflichtet, ausreichend für sich selbst zu sorgen, wobei es sich – idealtypisch betrachtet – zwischen Extremen bewegt:

142

5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

Annahme gemeinsam geteilter liberaler Wertvorstellungen Einfluss

Verantwortung für extern erklärte ökonomische, soziale, kulturelle Effekte (Folgen)

(legal/ legitim,

zu fällig?)

Ökonomismus

Verantwortung für extern erklärte ökonomische, soziale, kulturelle Effekte (Folgen)

Input: Wirtschaftliches Handeln nach individuellem Eigeninteresse

Formalziel Gewinn ???

Automatik, Wunder?

Ökonomisch rationaler Mittel einsatz GemeinFiktiver wohl Output

Abb. 15: Der magische Trichter des Homo oecomicus

• Ein erstes Extrem: die ausschließliche Sorge für sich selbst und dabei die Nutzung von anderen als Mittel für diesen Zweck; Beispiel der Habgier: alte Autos mit gefälschten Papieren als neue verkaufen und dabei, ohne nach links und rechts zu blicken, aufs Gas treten • Ein zweites Extrem: Vorrang der Nächstenliebe vor der Eigenliebe: – jeweils Versorgung von anderen durch jeden Einzelnen – Folge: wirtschaftlich ineffiziente Bedürfnisbefriedigung und Ressourcenvergeudung, da nur jeder selbst seine Bedürfnisse genau kennen kann • Ein drittes Extrem: eine selbstlose, desinteressierte Moral, die für sich allein und formal ebenso versagen würde • Ein viertes Extrem: eine Persönlichkeit, die sich vorbehaltlos an ein gesellschaftliches undemokratisches ‚Kollektiv‘ abgibt • Ein fünftes Extrem: das Versprechen der demokratischen Machtelite, sich ohne soziale Gestaltung von Machtverhältnissen vorbehaltlos für das Volk einsetzen zu wollen. Von daher gesehen sollen Institutionen – faire Markt- und Wettbewerbsbedingungen sowie soziale Gerechtigkeitsprinzipien vorausgesetzt – eine wirtschaftliche Balance zwischen Eigen-, Gruppen- und Gesamtinteresse gewährleisten und dabei Eigeninteresse in Gemeinwohl um-

5.4 Unternehmensethik

143

wandeln. Die Filterfunktion der Institutionen bedeutet aber nicht, Verantwortung völlig an den Staat abzugeben: „Nichts ist in der Regel unsozialer als der sog. Wohlfahrtsstaat, der menschliche Verantwortung erschlaffen und die individuelle Leistung absinken lässt“ (Ludwig Ehrhardt, in: Die Zeit, 15.08.1958). Dies lässt sich nicht mit einer genehmen und bequemen Strategie aushebeln: Alle Menschen sind vor dem Gesetz zwar formal gleich, sie haben aber unterschiedliche ‚Begabungen‘. „Wenn alles Geld auf der Welt gleichzeitig verteilt würde, sagen wir um 15 Uhr, dann gäbe es um 15.30 Uhr merkliche Unterschiede in den finanziellen Verhältnissen der Empfänger“ (Ghetty nach Naber u.a. 2002, S. 239). Man kann sich darüber streiten, ob die Gewinne von Unternehmen nach Schätzungen bei 20 bis 30 % oder wie in KMU bei durchschnittlich 2 % liegen. Der Homo oeconomicus ist als Steuerungsmittel gleichwohl überall präsent. Er lässt sich unter bestimmten Bedingungen gleichsetzen mit schrankenlosem Egoismus ohne soziale Verantwortung. Der verantwortliche Unternehmer geht dagegen so vor: „Der Chef mit sozialer Verantwortung sollte allerdings nicht dem heiligen Martin nacheifern, der seinen Mantel mit einem Bettler teilte. Handelt ein Unternehmer klug, wird er vielmehr zu einer ganz anderen Lösung kommen: Er wird eine Fabrik bauen, die dem Bettler einen Arbeitsplatz verschafft, damit er sein Kleiderproblem selbst lösen kann. Armut nur zu verwalten, ist ein schlechter Ratgeber. Die Ethik des Teilens, auch eine Art Sozialismus, kann nur in kleinen Gruppen und auf freiwilliger Basis praktiziert werden“ (Naber u.a. 2002, S. 20). Wie passen die ins Uferlose gestiegenen Managergehälter und Boni (z.B. für die HRE) sowie die Auszahlung von Dividenden in Krisenzeiten zur Gemeinwohlverpflichtung des Privateigentums? Zweifelhaft ist jedenfalls, dass Markt und Wettbewerb das ausschließliche Mittel zum Interessenausgleich sein sollen. Die ‚Normalverteilung‘ zwischen Moral und Nichtmoral gerät ohne eine rechtlich funktionierende Rahmenordnung und moralisch-ethische Kompetenz aus den Fugen. Sie muss Folgendes gewährleisten: • Im Rahmen gesellschaftlich akzeptabler Kooperation Vorrang des guten gesellschaftlichen Ergebnisses als Angelpunkt einer Verantwortungsethik vor dem Gewinn als erklärtem Willen aus Eigeninteresse, Folge: – freier Austausch aller Menschen auf dem Markt und im Wettbewerb – damit Verantwortungsübernahme • Regelung selbstsüchtigen opportunistischen Verhaltens nach dem Grundprinzip ‚Was du nicht willst, das man dir tue, das füge auch keinem anderen zu‘ (siehe Kungfu-tse; das für den anderen geltende Eudaimonia-Verständnis von Aristoteles; das christliche Liebesgebot; den kategorische Imperativ von Kants Vernunftethik) • Vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Menschen guten Willens, Wissens und Gewissens, um den fairen und anständigen, in wechselseitiger Reputation gründenden Austausch zu ermöglichen. Trotz des unmoralischen Gesamtzustands globalen Wirtschaftens lässt sich auf folgenden Handlungsebenen Moralfähigkeit positiv unterstellen: • Wirtschaftsindividuen: Stakeholder wie Produzenten, Konsumenten, Investoren • Unternehmen als so genannte kollektive Moral-Subjekte mit einer einzelwirtschaftlichen institutionellen Rahmenordnung für ihre Organisationsmitglieder

144

5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

• Die institutionellen Rahmenbedingungen des Wirtschaftens (Markt, Wettbewerb, staatliche/ überstaatliche Rahmenordnung), wobei ordnungspolitisch Recht und Gesetz eine zentrale Bedeutung haben. Die Wirtschaftspraxis spricht nicht dafür, dass ein „Korridor für erfolgreiche Unternehmensstrategien […] [besteht, M.H.], die auf wahrhafter Geschäftintegrität basieren“ (Osterloh 1996, S. 218). Explizit beschäftigen sich die verantwortlichen Wirtschaftsakteure größerer Unternehmungen meist nur in Krisen, die öffentlichen Druck erzeugen, mit Moral und Ethik: • Nicht nur zur verbindlichen Verbesserung der am rechtlich verbürgten Eigeninteresse ausgerichteten Moral wirtschaftlichen Handelns, • Sondern auch zum messbaren wirtschaftlichen Erfolg. Wirtschafts- und Unternehmensethiken als angewandte normative Bereichsethiken zielen dagegen zunächst auf das gute, gerechte Zusammenleben und das verantwortliche Handeln in der Wirtschaft. Dafür entwickeln sie wissenschaftliche, wie auch immer anwendbare Theorien. Das Grundproblem der Verbindung einer institutionellen Unternehmensethik und einer individuellen Berufs- und Beratungsethik für die Unternehmensberatung bleibt dabei die graduelle Unvereinbarkeit von wirtschaftlichem Gewinnstreben und der nach ethischen Grundsätzen verbindlich geregelten Moral. Unternehmensethiken können dieses Problem weder erklären noch lösen, wenn sie der Tradition der allgemeinen modernen Ethik folgen. Wirtschaftswissenschaften mit ihren expliziten und impliziten Unternehmensethik-Theorien können Moral nur als Gegenstand reflektieren, verlieren also den Zusammenhang von Moral und Ethik in der Praxis aus dem Blick. Das kulturelle Selbstverständnis der Wirtschaftswissenschaften und der Unternehmensethik als Bestandteil derselben lässt wohl nur realitätsferne abstrakte ethische Letztbegründungen zur Legitimation der bestehenden Moral im Interesse von Eigentümern/Managern zu. Das Verständnis von Unternehmung und Recht wirken dabei als Filter für Moral und Ethik, so dass der Homo oeconomicus – in welchem Ausprägungsgrad auch immer – im Rahmen strukturell-systemischer Führung durch Kontextgestaltung wirken kann. Die Individualmoral und die ethische Reflexion auf individuelles Handeln sollen so institutionell beeinflusst werden, dass die Machtverhältnisse zwischen Führenden und Ausführenden stabilisiert werden. Unternehmensethiken liefern dazu nur die wissenschaftliche Legitimation.

5.4.2

Die Unternehmung

Die rein ökonomische Definition der Unternehmung in der BWL als Funktionszusammenhang wirkt verengend. Sie schließt die zusammenarbeitenden Menschen, ihre Kultur und ihre tragenden Werte und Normen aus. Die Legalisierung der Unternehmensverfassung durch das bestehende Recht bereitet dabei den Boden für das ungehinderte Walten des Homo oeconomicus. Die BWL behandelt das Soziale höchstens aus Sicht einer Klasse von Menschen, die der Eigentümer und Manager, z.B. des Managementsystems gegenüber dem ausführenden System oder dem frei disponierbaren Personal (Mitarbeiter). Damit bleiben Machtverhältnisse wiederum als zentrale Struktureigentümlichkeit des Sozialen ausgespart.

5.4 Unternehmensethik

145

Rechtsnormen schreiben dies letztlich formal fest. Danach sind zwar alle Menschen formal frei und gleich, aber nur eine kleine Gruppe individueller Wirtschaftsbürger sind es auch faktisch. Für alternative ethische Reflexionen moralischer Werte und Normen ist kein Platz. Das Glück, das der heitere Verzicht auf selbstsüchtige Habgier und die Freiheit von Alltagsstress ausmachen, kommt daher für die meisten Menschen in der Arbeitswelt nicht als Wert in den Blick. Dabei fördert Glück aus sozialen Beziehungen – im Übrigen gar nicht so unähnlich dem 5000 Jahre alten chinesischen Geschäftsgebaren – wohl die Lebenszufriedenheit weit mehr als der Eigensinn. Merkmale Die BWL ist Teil der Sozialwissenschaften. Eine grundlegende Unsicherheit besteht in der BWL dennoch darin, zwischen der individuellen und ‚kollektiven‘ (Gruppe, Organisation) Ebene zu unterscheiden. Ökonomische Theorien berücksichtigen daher nur sehr einschränkt verhaltenswissenschaftliche oder handlungstheoretische Aspekte bei der Beschreibung des Organisationstypen ‚Unternehmung‘: • Die mikroökonomischen Property-Rights-, Transaktionskosten-, Principal-AgentAnsätze: weitgehende Ausrichtung am methodologischen Individualismus: – Schließen vom individuellen Verhalten auf soziale Gruppen und große Organisationen – Erklärung des Verhaltens in Organisationen aus den ihren Nutzen maximierenden Individuen • Selten sind holistische Betrachtungen von Unternehmungen: soziale oder sozio-technische Systeme oder Sozialverbänden, die sich als ‚Kollektiv‘ entwickeln und lernen • Der industrie-ökonomische Ansatz: – auf einer Quasi-Makroebene Aussparung des Verhaltens der Organisationsmitglieder – lediglich Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Marktstruktur, unternehmerischem Verhalten und Marktergebnis, um Optimierungsvorschläge zu unterbreiten. Die Formalwissenschaftler und Quantifizierer ergänzen die ökonomische Theorie der Unternehmung gern durch wirtschaftsmathematisches Know-how. Eine konsequente Erweiterung um Verhaltensaspekte (ohne Zielorientierung) oder Handlungsaspekte (mit Zielorientierung) würde dagegen wohl die Identität der BWL gefährden. Die Thematisierung von Machtbeziehungen zwischen Organisationsmitgliedern würde möglicherweise den Blick für Folgendes schärfen: • Die Unternehmensführung und v.a. die Stellung des Managements in der Hierarchie ist keine Naturkonstante • Dies wird nur vage durch Rechtsnormen legalisiert und • Weist daher erhebliche Legitimitätslücken auf. Aber auch die Transparenz von Machtverhältnissen in der Wissenschaft selbst könnte die Position der lehrenden und forschenden ‚Machtträger‘ gefährden. Nur sehr eingeschränkt akzeptiert die BWL sozialwissenschaftliche Positionen, wobei analog zur Managementpraxis die dogmatische Kritik an der Rolle der Menschen in der klassischen Unternehmung vorherrscht (Einzelkaufleute, Personen- und Kapitalgesellschaften):

146

5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

• Schneider (1987) hat z.B. denjenigen BWLern Dilettantismus vorgeworfen, die sich mehr mit Aspekten des Sozialgebildes Unternehmung als mit dem Einkommensaspekt beschäftigen. • Staehle, der das angelsächsische verhaltenswissenschaftlich geprägte Human-Resource-Management in die deutsche BWL eingeführt hat, wurde wohl dafür gemobbt. • Die BWL akzeptiert soziale Aspekte aus den Verhaltenswissenschaften (z.B. der Organisationspsychologie) nur als Inputvariable für die Anwendung, wenn sie sich modifizieren und so als Erkenntnisse in die BWL integrieren lassen. Im Gegensatz dazu konzentriert sich die Betriebs-, Industrie-, Organisationssoziologie u.a. auf die Analyse und Interpretation des organisierten innerbetrieblichen zwischenmenschlichen Geschehens von Unternehmen oder Betrieben, die sich im Kontext der inneren (Macht-) Struktur und des gesellschaftlichen Umfeldes bewegen (z.B. Fürstenberg 1975, Littek 1983, Hirsch-Kreinsen 2005). Die speziellen Soziologien ergänzen die betriebswirtschaftliche Reduktion der Unternehmung auf ökonomische Zweckrationalität um eine soziale Sicht, so dass das Unternehmen eher zu einem sozio-ökonomischen Gebilde unter gegebenen wirtschaftlichen, normativen und kulturellen Rahmenbedingungen wird. Nur so kann auch die personenhafte Qualität des Beratungssystems im kommunikativen Zusammenwirken von Berater- und Klientensystem im Kontext von Beratungs- und Kundenunternehmen voll zum Tragen kommen. Das Buch konzentriert sich auf die Moral und Ethik in privatwirtschaftlichen Unternehmungen, behandelt aber auch die Situation freiberuflich tätiger Einzelunternehmer oder Freelancer. Es muss daher nicht nur eine Abgrenzung vom Betrieb (s.u.), sondern auch vom Unternehmer als Eigentümer erfolgen: • Entweder Zusammenfallen von Unternehmen und Unternehmer, sofern in einem Familienunternehmen z.B. der Inhaber die Leitung innehat und die Belegschaft nur aus mithelfenden Familienmitgliedern oder anderen Mitgliedern besteht • Oder Ausdifferenzierung von Leitung (Management) und Eigentum wie in einer Aktiengesellschaft. Die Wirtschaftseinheit Unternehmung grenzt die BWL von den privaten Haushalten, den öffentlichen Betrieben und Verwaltungen ab. Die Gleichsetzung mit Betrieb im nichtinstitutionellen Sinne wäre dabei eine Verkürzung auf systemindifferente Tauschbeziehungen im Innenverhältnis. Diese zielen auf die Kombination der Produktionsfaktoren unter Wahrung der Wirtschaftlichkeit und des ökonomischen Gleichgewichts. Diese Abgrenzung erfolgt nicht einheitlich: • • • •

Im Steuerrecht: keine eindeutige Unterscheidung zwischen Unternehmung und Betrieb Unterschiedliche Verfahrensweisen in Gesetzen mit spezialisiertem Geltungsbereich Uneinheitliche Behandlung in einem Gesetz In der Abgabenordnung und dem Umsatzsteuergesetz: Favorisierung der Unternehmung, wobei bei Fehlen des Merkmals der Selbstständigkeit aus einer Unternehmung ein Betrieb wird (Organschaft).

5.4 Unternehmensethik

147

Es herrschen zwei Sichtweisen zur Bestimmung von Unternehmungen im Wirtschaftskreislauf vor, die sich im Rahmen der externen institutionellen Ordnung (Gesetze) bewegen und daher Konsequenzen für den Austausch von Rechten und Pflichten haben. Nach Gutenberg (1983) sind Betriebe sowohl in der Marktwirtschaft als auch in der zentral geleiteten Wirtschaft Wirtschaftseinheiten. Unabhängig vom konkreten Wirtschaftssystem decken Betriebe einen fremden Bedarf, indem sie Produktionsfaktoren kombinieren sowie den Prinzipien der Wirtschaftlichkeit und des finanziellen Gleichgewichts folgen. Die Unternehmung als spezieller Betriebstyp ist aber an das marktwirtschaftliche System gebunden und lässt sich nach folgenden organisatorischen und produktionswirtschaftlichen Prinzipien beschreiben: • Grundlagen des Autonomieprinzips: – die an die bestehende horizontale Arbeitsteilung und damit Verantwortungsteilung gebundene Verfassung – die unverrückbare, nicht verhandelbare vertikale Arbeitsteilung als Rahmen für das Zusammenwirken von Eigenkapitalgeber, vertretendem Management und Ausführenden – unabhängige Entscheidungen durch Unternehmer bzw. Geschäftsführung/Management darüber, wie welche integrierbaren Sachmittel und personellen Ressourcen nach dem Maßstab wirtschaftlicher Rationalität zu kombinieren sind (Faktorensystem) • Nach dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip: Übernahme der Eigenverantwortung durch den Eigenkapitalgeber selbst im Rahmen der vom geltenden Gesetz zugestandenen erwerbswirtschaftlichen Freiheit: – von der Zielfestlegung für das letzte Gewinn- und Verlustrisiko angefangen – am stärksten für die Gewinnmaximierung auf vollständigen unendlichen Kunden- und Lieferantenmärkten – für die Maximierung des langfristigen Gewinns, dem unter Einhaltung eines finanziellen Gleichgewichts kurz- und mittelfristig angelegte erwerbswirtschaftliche Ziele wie z.B. Marktanteilsmaximierung dienen • Das Prinzip des (erweiterten) Privateigentums im Außen- und Innenraum: – Vertragsfreiheit nach außen – im Innenraum aus dem Prinzip des Privateigentums abgeleitete Alleinbestimmung durch den Eigentümer (Eigenkapitalgeber) oder seines Beauftragten, und zwar unter Ausschluss der Mitbestimmung staatlicher Organe und der Unternehmensmitbestimmung der Arbeitnehmer. Das Verständnis von Kosiol (1972) stellt zwar nur eine Erweiterung der o.g. Auffassung dar. Sie nimmt entgegen Gutenberg aber die absolute Geltung des erwerbswirtschaftlichen und des Prinzips des Privateigentums von den konstitutiven Merkmalen aus, um neben privaten ökonomischen Gebilden auch öffentlichen gerecht zu werden. Schierenbeck (2003, S. 24) beschreibt die Merkmale genauer. Das folgende Verständnis stellt einen Kompromiss dar: „Unternehmung, dauerhafte organisatorische Einheit, in der wirtschaftliche Aufgaben (Produktion von Sachgütern, Bereitstellung von Dienstleistungen) zum Zweck der Erfolgserzielung (v.a. Gewinnstreben) erfüllt werden. Nach dem Träger des Eigentums werden private, öffentliche und gemischtwirtschaftliche Unternehmen, nach der Rechtsform z.B. Einzel-Unternehmen, Personen- und Kapitalgesellschaften, nach der

148

5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

Größe Klein-, mittelständische und Groß-Unternehmen unterschieden“ (Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus 2004).

5.4.3

Das Recht

Die Unternehmensverfassung und die Institution Recht Zwar lässt sich die juristische Logik des Rechts als Normensystem kaum von seiner soziologischen Erklärung als Regulator sozialen Lebens trennen. Dennoch soll an dieser Stelle das Recht als eine in besonderer Weise institutionalisierte Form sozialer Ordnung im Vordergrund stehen, die von anderen Formen wie Moral, Brauch, Sitte und Konvention abzugrenzen ist. An dieser Stelle ist kein Raum für juristische Haarspalterei bzw. um tief in die Materie vorzudringen. Bei ca. 1,1 Mio. Einzelnormen von Bund, EU und Ländern, außerdem Verwaltungsvorschriften, Verordnungen, Tarifverträgen u.v.m. sowie den ca. 800.000 Urteilen aller Gerichtsbarkeiten und Instanzen wäre dies schier unmöglich. Die Ausführungen versuchen allerdings, zwischen der vorgegebenen Rechtsidealität (SOLL als verbindliche Gebarenserwartung für jeden Bürger) und der im Nachhinein feststellbaren Rechtsrealität als IST-Zustand (faktische Geltung, Rechtsbefolgung/Rechtsbruch, gegebene Rechtsgewissheit und Vertrauen, Verlagerung auf nicht-staatliche autonome Machtgruppen) zu unterscheiden. Die Unternehmensverfassung ist ein organisatorisch gebrochenes Spiegelbild der Wirtschaftsverfassung, die die Ordnung nach innen sowie nach außen dem geschäftlichen und gesellschaftlichen Umfeld gegenüber regelt. Unternehmen regeln zwar nicht selbst die wirtschaftlichen Marktbeziehungen. Im Rahmen gegebener Gesetze können sie aber ihre Binnenbeziehungen relativ frei gestalten. Dies umfasst aber kaum die Mitarbeiter als Stakeholder. Sie nehmen eine relativ schwache Machtposition im Vergleich zu Eigentümern (Aktionären) und Managern ein. Beschränken daher Lohnforderungen der aktuellen Belegschaft den „Selbstfinanzierungsspielraum von Investitionen“ (Albach 2008, S. 8), die die Verteilungschancen der zukünftigen Generation verbessern sollen. Es herrscht eine monistische Verfassungsordnung mit ihren Privilegien bei der Entscheidungsfindung und der nicht-pluralistischen Organisationsverfassung vor. Daher sind die Annahmen von Koalitionstheorien, nach denen auch die subjektiven Vorstellungen der einzelnen Organisationsmitglieder in die Zielsetzung und Entscheidungsfindung eingehen sollen, utopisch. Ausnahme ist nur, dass Gruppen aufgrund ihrer Marktstellung (Monopol) oder Organisationsposition (Manager) eine Machtposition erringen können. Verfassungsreformen müssten die Interessen der Eigenkapitalgeber, Arbeitnehmer, leitenden Angestellten, Gläubiger, der Allgemeinheit oder Öffentlichkeit und des Unternehmens harmonisieren. Die Integration des interessenmonistischen Gesellschaftsrechts, des interessendualistischen Mitbestimmungsrechts (Kapital und Arbeit) und die Integration der Interessen im Montanmitbestimmungsgesetz (Kapital, Arbeit und öffentliches Interesse) zu einem neuen Unternehmens- oder Gesellschaftsrecht sind bislang gescheitert. Es bleibt bei punktuellen Verbesserungen. So gilt seit dem 1. November 2008 das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), das Unternehmensgründungen erleichtert und Vorteile gegenüber der englischen limited bietet.

5.4 Unternehmensethik

149

Unabhängig von der Dominanz einer symmetrischen oder asymmetrischen Organisationsverfassung bleibt allerdings die Billigkeit der Beteiligung an Entscheidungsprozessen das Problem. Die Art und Qualität der Beiträge und Bindungen der einzelnen Organisationsmitglieder an das Unternehmen sind nämlich – auch gemäß den geschlossenen Verträgen – sehr unterschiedlich. Zudem müssen noch andere Aspekte berücksichtigt werden. Die Interessendurchsetzung und das dabei entstehende Konfliktgeschehen hängen dabei nicht nur von den gesetzlich verbürgten Mitbestimmungsmöglichkeiten, sondern auch von den zugrunde liegenden Wertschätzungen ab. Es muss also die Frage beantwortet werden, ob die praktizierten Leitmaximen für alle gelten, d.h. auf Gegenseitigkeit beruhen. Dazu dient dem Anspruch nach ein gesellschaftlicher Grundkonsens unter den Beteiligten, der nicht auf ethischer Wahrheit, sondern auf normativ als gültig gesetzten Werturteilen bezüglich wirtschaftlicher Ziele, Zielpräferenzen und Mittel der Zielerreichung beruht. Er umfasst die Wertschätzung • Der Funktion des Unternehmens in der Marktwirtschaft und der demokratisch verfassten Gesellschaft • Der vorgegebene hierarchischen Verantwortungsverteilung und der • Damit akzeptierten Regeln und Handlungsnormen wirtschaftlicher Tätigkeit. Darin kommt auch zum Ausdruck, dass Unternehmen zunehmend eine politische Funktion erfüllen müssen: • Bei der Wahl der Mittel der Einkommenserzielung Berücksichtigung der sozialen Nebenfolgen unternehmerischen Handelns • Bei der Auseinandersetzung mit den Betroffenen. Damit werden Unternehmen zu Teilnehmern an sozial-gestalterischen Normsetzungsprozessen: über beeinflussenden Lobbyismus hinaus (vgl. z.B. Übernahme der Thyssen AG durch die Krupp-Hoesch AG). Es ginge aber zu weit, daraus wegen des angeblichen Versagens der spezialisierten politischen Institutionen eine generelle politische Funktion des Unternehmens abzuleiten. Steinmann begründet so die Existenzberechtigung der Unternehmensethik (2008. S. 339), als ob Moral oder Moralkapital eine Ressource wären und sich so fern von sozialer Gerechtigkeit die ordnungspolitische Richtigkeit des Gewinnprinzips argumentativ begründen ließe. In einer alternativen Unternehmensverfassung stünde dagegen die Beseitigung der Diskrepanz zwischen Ist (Moral) und Soll (Ethik) sowie der Konflikt zwischen Gewinnstreben und Moral zur Disposition. Dabei müsste folgende Grundfrage beantwortet werden: Wie sind die individuellen Akteure mit den Strukturen (Machtverhältnissen) verknüpft, in denen sie handeln? Dabei existieren ‚Organisationen‘ nicht eigenständig, sondern nur „durch die besonderen Ziele und Rationalitäten der in ihrem Rahmen agierenden Individuen und Gruppen“ (Crozier, Friedberg 1979, S. 57). Von diesem Verständnis ist selbst eine dynamische Auffassung der Unternehmung in der BWL, die auch Basis der wissenschaftlichen Unternehmensethiken ist und den Erwartungen aus der Wirtschafts- und Managementpraxis entspricht, weit entfernt. Offensichtlich bietet aber auch das Recht nur wenige Interpretationsspielräume, auch wenn ihre juristisch-dogmatische Funktion zur Schaffung von Ordnung und Beziehung immer zur Disposition steht.

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5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

Objektiv betrachtet besteht das Recht aus einem verbindlich anerkannten System von Rechtsnormen, das die Konflikte zwischen den einzelnen Mitgliedern einer Gesellschaft (Rechtsgemeinschaft) formell regeln soll und sich auch in Strukturen und Handlungen manifestiert. Es gilt das geschriebene Gesetz oder bei Lücken das ungeschriebene subjektive Gewohnheitsrecht (z.B. für Gruppen wie Beruf, Gewerbe, Stand) oder das Richterrecht. Zunächst unabhängig davon, ob das Recht selbst nach ethischen oder rechtsphilosophischen Maßstäben gut und gerecht ist, legen die Rechtsnormen einer objektiven bürgerlichen Freiheits- und Rechtsordnung die Handlungsspielräume der Personen und Institutionen für den Gebrauch von Rechten fest: • Was jene tun oder unterlassen dürfen • Was ihnen erlaubt ist, Gewährleistung bietet oder für sie rechtlich durchsetzbar ist • Wie selbstbestimmt sie von ihren verbürgten Rechten Gebrauch machen können (z.B. vertraglich). Das moderne Recht erfüllt eine sozialgestaltende Funktion, es ist daher positives Recht. Im Gegensatz zur persönlichen Sittlichkeit regelt es vor allem das äußere Verhalten und nicht die Gesinnung, indem sie z.B. die Gerechtigkeit oder Solidarität als Tugenden vorschreiben würde. Es bestehen zwar weitere Beziehungen zum Gewohnheitsrecht oder zu Moral und Sitte. Dies findet sich z.B. im Vertragsrecht als Treu und Glauben, Arglist, gute Sitten wieder. Das heutige Recht regelt aber vor allem formale staatliche Akte wie Verfassungs- und Gesetzgebung, Rechtsprechung, Exekutivorgane, Organe zur Kontrolle der Befolgung und Bestrafung bei Übertretung des Rechts. Die zentralen Merkmale des Rechts wie Positivität, ethische Funktion, Rechtsgemeinschaft, Grundsätze, Rechtsgebiete können an dieser Stelle nicht behandelt werden. Aus Sicht einer risikoorientierten Rechtsethik, die Teil angewandter Ethik und Rechtsphilosophie ist, bildet die Frage „Welches Recht ist gerecht?“ (v. d. Pfordten 1996, S. 202) das so genannte „normative Herzstück“ (ebd., S. 204). Sie scheint wohl nur zu beantworten sein, wenn man das Verhältnis zwischen Recht und Moral näher betrachtet. Kant z.B. hat den Zusammenhang zwischen Legalität und Moralität rigide unterdrückt, indem er die Gesinnung aus dem Recht verdammte: • Ignorierung der Gesinnung, mit der die Rechtspflicht erfüllt wird • Zufriedenheit mit dem legalen Verhalten ohne erkennbare gute Gesinnung • Anerkennung fremden Eigentums nicht aus Pflicht, sondern aus Furcht vor Strafe, z.B. keinen Diebstahl begehen zu dürfen. Die Folgen für die heutige Rechtsauffassung sind: • Auch Regelung eines inneren Zustands, obwohl dieser die Schutzbedürftigkeit der Freiheit anderer nicht berührt • Keine Bestrafung des Ausschwitzleugnens, wenn sein Agitationscharakter nicht nachzuweisen ist • Keine Geltung einer schlechten Gesinnung als strafwürdig, sondern nur Bestrafung rechtwidrigen Verhaltens, obwohl das Strafrecht Gesinnungsmerkmale wie böswillig erwähnt und niedrige Beweggründe als Motivmerkmale anführt.

5.4 Unternehmensethik

151

Die gängige Rechtsauffassung steckt bei der konstruktiven Lösung des Konflikts zwischen Recht und Moral in der Zwickmühle: • Schafft eine politische Gemeinschaft Recht (gerechte Titel durch Begründung nach Regeln) oder • Entsteht Recht aus dem bloßen „Mensch-Sein“, das die Klärung des Verhältnisses zwischen Rechtsnormen und sittlichen Normen voraussetzt? Zwar ist das Sittengesetz weitgehend aus der Verfassung verbannt, aber es erfolgen (siehe oben) nach wie vor umständliche Verweise auf Sitte und Moral:

Sittlichkeit, Moral, Recht Die im Recht verwendeten Begriffe und die Kriterien zur Festlegung der Vorrangigkeit zwischen Rechten: • Unmöglichkeit ihrer Herleitung aus dem Recht selbst • Keine harmonische Einheit von Recht und Moral, weil das Recht eine Friedens- und Zwangsordnung ist • Verankerung der sittlichen Pflicht durch eine Rechtsordnung zum gesellschaftlichen Frieden, Gemeinwohl und Schutz von Freiheitsräumen in einer Gesellschaft • Verbleibende Fragen: – Kann Recht auch Böses erlauben? – Ist die Moralität auf ein Gut ausgerichtet, das sich nur in einer freiheitlichen Ordnung erreichen lässt und nur das Gute wollen kann, und – ist daher die Übereinstimmung der Menschen mit dem Sittengesetz das Ziel? Unterschiedliche Quellen des Sittengesetzes je nach Weltsicht/Glaube: • Die rechtlichen Überzeugungen der Rechtsgemeinschaft, mögliche Folge: Notwendigkeit des Ordnens konkurrierender Ethiken • Im Vergleich zum Recht: – Unmöglichkeit, freies sittliches Handeln zu erzwingen – kein Zuviel oder Zuwenig bei Forderungen der Moralität • Versuch der Rechtsordnung, eine ausgewogene Balance zwischen Über- und Untermaß zu erreichen • Unabhängigkeit der Aufstellung moralischer Forderungen davon, ob die Verpflichteten ihnen folgen • Abhängigkeit des Bestands von Rechten davon (Ausnahme: Menschenrechte) • Gegenstand des moralischen Rechtsbegriffs (wenn auch nicht im Sinne von Art. 15 GG): – die sittlichen Voraussetzungen der Rechtsausübung, d.h. Respektieren anderer als Personen nur durch Rechtsträger, die sich selbst als Personen anerkennen können – Wandelbarkeit als gesellschaftliches Konstrukt und Produkt Tab. 20: Verweise auf Sitte und Moral im Recht

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5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

Das berührt auch das Problem, dass das Recht illegitime Moral im Wirtschaftssystem nicht sanktioniert, wenn diese legal ist. Allerdings kann man von der Gesetzgebung erwarten, mit Hilfe der allgemeinen Ethik in Form von Rechtsnormen als Rahmen, die gegebene Moral in Wirtschaft und Unternehmen zu verbessern: vorausgesetzt, es eröffnet neue Spielräume, vermeidet weitere Lücken und die Akteure sind moralfähig. Wirtschafts- und Unternehmensrecht Die Entstehung und Weiterentwicklung des Wirtschafts- und Unternehmensrechts hängt von mehreren Faktoren ab: • Übernahme von Verantwortung durch den Staat, z.B. im Zuge krisenhafter Ereignisse • Im Zusammenhang damit Verfolgung von Gerechtigkeitsvorstellungen, sozialen Zielen • Erzeugung von Druck auf den Staat durch öffentliche Meinung (Medien/Bürger, gradmäßig abgestuft nach Machtposition), z.B. in der Banken- und Finanzkrise, bei Stuttgart 21, in der Promotionsaffäre von zu Guttenberg, beim Atomausstieg… Das Wirtschaftsrecht beschäftigt sich weitgehend mit der Lenkung von Wirtschaft und Unternehmen. Die folgende Tabelle gibt seine Bereiche wieder (siehe Kruse-Heun 1977, Kießling 2007, Ullrich 2004):

Bereiche des Wirtschaftsrechts Wirtschaftsprivatrecht: • BGB, HGB, Wettbewerbsrecht (Kartellbildung, Fusionen, Preisbildung, Verfahren der Kartellbehörden) • Patentrecht und Arbeitsrecht im BGB/HGB (z.B. Arbeitsvertragsrecht) • Europäisches Wirtschaftsrecht (z.B. europäische AG) • Handelsrechtliche Sondergesetze (z.B. im Wettbewerbsrecht) • Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (Fair Play, rechtliche Monopole wie Urheberrecht und gewerblicher Rechtsschutz etc.) Wirtschaftsverfassungsrecht (öffentliches Recht): • Staats- und Verwaltungsrecht (z.B: Art. 2 GG: Garantie der Gestaltungsfreiheit durch die Grundrechte zum Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 12 GG: Berufsfreiheit, Art. 14: Privateigentum) • Straf- und Prozessrecht (z.B. StGB, OWIG, StPO, ZPO) • Wirtschafts- und Steuerrecht (z.B. EStG) • Arbeitsrecht (z.B. in Form des Arbeitsschutzrechts) Wirtschaftsverwaltungsrecht zur Regelung der Bedingungen der Mitwirkung der öffentlichen Verwaltung in d. Wirtschaft nach Kontrolle, Einflussnahme, Beteiligung: • Subventionsrecht (Wirtschaftsförderung) • Monopolverwaltung

5.4 Unternehmensethik

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• Wirtschaftslenkungsrecht zur Bewirtschaftung des Markts in einzelnen Wirtschaftszweigen und Gesamtwirtschaft sowie seiner Überwachung zur Gefahrenabwehr (z.B. Verwaltungskontrolle durch Gewerbeordnung nach Gewerberecht) • Recht des öffentlichen Staatsunternehmens (Privatrechtsform, öffentliche Rechtsform) Tab. 21: Bereiche des Wirtschaftsrechts

Dabei ist von einer funktionalen Differenzierung in der Gesellschaft auszugehen, die eine Kopplung zwischen Wirtschaften und Recht voraussetzt. Staatliche Aktivitäten sind: • Setzen von globalen Rahmendaten • Im Kontinuum zwischen Ordo-Liberalismus und sozialer Marktwirtschaft Zubilligung eines großen Freiraums für Unternehmen, indem das Recht den legalen Rahmen eines sozialen Beziehungssystems für die soziale Macht- und Güterverteilung garantiert • Nur im Ausnahmefall Intervention in das wirtschaftliche Alltagsgeschäft: – Ausschöpfung der privat- und öffentlich-rechtlichen Möglichkeiten des Wirtschaftsund Unternehmensrecht – dabei neutrales Verhalten des GG gegenüber der Wirtschaftsform: weder Ausschluss der Sozialisierung der Urgüter nach Art. 15 noch Favorisierung der Wirtschaftsverfassung der sozialen Marktwirtschaft (vgl. die soziale Bindung des Privateigentums entsprechend den Gemeinwohlanforderungen und damit der Übernahme der Mitverantwortung für das Wirtschaften) • Überforderung durch globale Informations- und Kompetenzanforderungen: Nachhaltige Delegation durch den Staat an die schon vorhandene legitime Steuerungskapazität von Unternehmen. Dabei verwenden die Rechts- und Wirtschaftwissenschaften einen unterschiedlichen Unternehmensbegriff und haben damit auch ein anderes Verständnis der Verantwortung einer Unternehmung als ‚kollektive Entität‘:

Unternehmensbegriff in den Wirtschafts- und Rechtswissenschaften Wirtschaftswissenschaft: • Wegen der Ausklammerung der gemeinsam wirtschaftenden Menschen kein geeignetes Verständnis der Unternehmung für die Behandlung von ethischen, moralischen Fragen • Höchstens Herstellung eines Organisationsbezugs (Handlungskompetenz/-verantwortung) • Verwendung bei der formalen Bestimmung der Organisationsform Rechtswissenschaft: • Im zivilrechtlichen Unternehmens- und Gesellschaftsrecht: Organisationsform wie z.B. eine Einzelfirma

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5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

• Im öffentlichen Wirtschaftsrecht: Unternehmen als Adressat behördlicher Ordnungsverfügungen oder Empfänger von staatlichen Leistungen • Im Kriminalstrafrecht: Bestimmung der Tätereigenschaft (im Gegensatz z.B. zum Ordnungswidrigkeitsrecht) • Im Verfassungsrecht: für unspezifizierte gewinnorientierte Kooperationen nach Maßgabe unterschiedlicher Trägerschaft und Form im Rahmen der Verfassungsordnung des GG: – entweder in der Funktion eines unitaristischen kollektiven Akteurs anlog zum Individuum (Verbandsstrafrecht, Organisationsverschulden) oder – Ablösung der materiell-rechtlichen Auffassung von der Verantwortung durch die prozessrechtliche Verantwortung, die zivilrechtliche Haftung und die strafrechtliche Schuld einer Person • Im rein öffentlichen Recht: – Verantwortung des Bürgers für Störungen der öffentlichen Ordnung nach Polizeirecht oder – Verantwortung des Staates für Technikrisiken oder neuerdings für privat verursachte Finanzkrisen Tab. 22: Unternehmensbegriff in Rechts- und Wirtschaftswissenschaft

In einer langen historischen Entwicklung hat sich das Verständnis von Verantwortung als „Eintreten(-Müssen) eines Subjekts für ein Objekt“ (Fetzer 2004, S. 88) gewandelt: von dem Verstärkt-Antworten und vor-Gericht-Fragen-beantworten bis zum Für-Etwas-Einstehen. Offensichtlich musste derjenige, der Freiheit beanspruchte, bereit sein, Fragen bezüglich der Folgen seines eigeninteressierten Handelns und z.T. des Tuns von anderen zu beantworten. Dagegen impliziert heute die Pflichtübernahme nur die Entscheidung, diese prinzipiell leisten oder unterlassen zu wollen. Dabei ist die moralphilosophische von der rechtlichen Position zu unterscheiden. Bei der ersten Position handelt es sich um eine primäre Aufgaben- und Handlungsverantwortung. Diese ist der sekundären Rechenschaftsverantwortung und tertiären Haftungsverantwortung vorgeordnet und eignet sich damit auch als organisatorischer Bezugspunkt in Unternehmen. Formale Ebenen der primären Verantwortung sind folgende, wobei die Übernahme von Verantwortung im Rahmen der Zuschreibung von Gerechtigkeit offengelassen wird: • Accountability oder der Zwang zur zielorientierten Erfüllung von Aufgaben durch eine Person, wenn auch untergeordnete Tätigkeiten delegierbar sind • Die Zuweisung der organisatorischen Handlungskompetenz (Zuständigkeit, Befugnis, Rechte) und Handlungsverantwortlichkeit (Selbst-, Fremdverantwortung, Pflichten), so dass die Person bei Fehlern für die Folgen einstehen muss, d.h. Übernahme von – Handlungsverantwortung: Rechenschaftspflicht hinsichtlich der Art der Aufgabendurchführung – Ergebnisverantwortung: Rechenschaftspflicht hinsichtlich der Zielerreichung – Führungsverantwortung: Rechenschaftspflicht hinsichtlich der wahrgenommenen Führungsaufgaben.

5.4 Unternehmensethik

155

Die externe Verantwortlichkeit gilt: • Gegenüber dem Staat, insofern als einzelne Bürger Gesetze einhalten müssen • Gegenüber den Mitbestimmungsgruppen, v.a. Arbeitgeber-, Arbeitnehmervertretern, aber auch anderen Repräsentanten der Öffentlichkeit • Gegenüber der Öffentlichkeit und dem Staat, insofern jemand zur Unternehmensleitung gehört Die interne Verantwortlichkeit gilt: • Gegenüber dem Betriebsrat als Mitbestimmungsorgan • Gegenüber den ausführenden Mitarbeitern trotz und entgegen den Machtverhältnissen, insofern jemand Manager ist (ergänzend zu Ulrich, da weggelassen). Ulrich (1977, S. 224) begreift diese Ebenen affirmativ als aufeinander aufbauend und aufeinander folgend von oben nach unten. Dabei gilt wohl noch die historisch belastete konstituierende Rechtsidee des suum cuique tribuere (jedem das Seine) für das normative zwischenmenschliche Beziehungssystem als räumlich, zeitlich und personell bestimmte Kollektiveinheit, und zwar hinsichtlich: • Der Zuordnung von Menschen • Der Auferlegung von Pflichten sowie • Der Garantie von Rechten durch maßgebende Instanzen. In der folgenden alternativen Systematik, die die Beziehungen von Verantwortungssubjekt und -objekt, ihre Wirkungen und Verantwortungsinstanzen behandelt, ist auch eine umgekehrte Reihenfolge denkbar:

Empirische Bausteine einer alternativen Verantwortungsethik Subjekt der Verantwortung (Rechtspersönlichkeit): • Faktisch beobachtbare handelnde natürliche Person im Unternehmen (einzelner Wirtschaftsakteur) oder • Das Unternehmen als juristische Person und kollektives Handlungssubjekt, wobei eine BGB-Gesellschaft nur als Gruppe seiner Mitglieder Verträge schließen kann, also keine eigene Rechtsperson hat • Nachgewiesene und zugerechnete Verantwortung eines Unternehmens: – für die von seinen individuellen Trägern erzeugten Folgen bei gegebener vertikal wie horizontal stark arbeitsteiliger Aufgabenerfüllung oder – im Fall der individuellen Nicht-Zuschreibbarkeit Entstehung einer organisierten Unverantwortlichkeit und/oder – (Mit-)Verantwortung anderer Subjekte, die indirekt auf unternehmerisches Handeln Einfluss ausüben (z.B. Politiker, Verbraucher, Kreditgeber)

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5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

Verantwortungsobjekt: • Festhalten der normativen Bestimmung • Danach Einordnen unterschiedlicher subjektiver Grade der Verantwortlichkeit, wenn Entscheidungen, Handlungen, aber auch Unterlassungen Folgen für Adressaten haben Wirkungen (Einfluss) des Verantwortungssubjekts auf das Verantwortungsobjekt: • Eine bewusst nachvollziehbare und sogar kausal identifizierbare Relation • Moralische Bewertungen für beide Seiten • Freiwilliger Akt der Verantwortungsübernahme oder Zuschreibung Verantwortung vor einer Instanz: • Formen: Gesetz, Mitmenschen, eigenes Gewissen, Vernunft, Öffentlichkeit, Gott • Merkmale: – Inhalte – Reichweite – Bewertungskriterien – Objektfall, indem die Instanz z.B. über die Legitimität von Ansprüchen Betroffener entscheidet Kriterien nach Komplexitätsgrad der Aufgabe, für die das Subjekt Verantwortung übernimmt: • Einfache Aufgaben: Gewissenhaftigkeit • Strukturell komplexe und schlecht definierbare arbeitsteilige Aufgaben • Begleitet von Interessenkonflikten • Anforderung an einen höheren Grad von Verantwortungsübernahme und höherstufige moralische Urteilskraft der Verantwortungsträger (Eigentümer, Management, Unternehmung als moralisches Subjekt oder System mit Moral) Unterstützung durch ethische Rechtsnormen: • Möglichkeit der Selbstverpflichtung: Übernahme moralischer Eigenverantwortung für die Folgen des Handelns und Nicht-Handelns gegenüber externen und internen Akteuren • Bereitschaft dazu • Zwang kraft rechtlicher Rahmenbedingungen und/oder anderer Regelungen Tab. 23: Alternative Verantwortungssystematik

In einschlägigen juristischen Werken taucht dagegen der Begriff Verantwortung entweder nur unter dem Begriff Haftung im Privatrecht oder unter dem Begriff der Schuld im Strafrecht auf. Haftung und Schuld sind mögliche rechtsrelevante Tatbestände mit Blick auf die Übernahme von Verantwortung für die Handlungsfolgen. Dabei dürfen Verantwortung, Haftung und Schuld nicht miteinander vermischt werden: • Zurückführbarkeit der Haftung und Schuld – bei Unsicherheit über die Planbarkeit zukünftiger Folgen (Kontingenz) – auf einen bewussten Vorsatz, Folge z.B.: kaum eine Möglichkeit der Anklage auf vorsätzliche Untreue bei der Verfolgung der für die Banken- und Finanzkrise primär Verantwortlichen

5.4 Unternehmensethik

157

• Im moralphilosophischen Sinne auch Übernahme von Handlungsverantwortung durch die Akteure für die negativen Folgen korrekten geplanten Handelns, daraus Entstehung folgendes, rechtlich kaum zu regelnden Problemkomplexes: – verantwortungsloses Handeln kann zum Erfolg führen (siehe die Milliardengewinne an der Wall Street mit Hilfe staatlicher Hilfen). – verantwortungsvolles Handeln kann zum Misserfolg führen („Der Ehrliche – vor allem in der Hierarchie unten – ist der Dumme“). Ohne dass die Rechtsnormen dies schon widerspiegeln oder dies sogar begünstigen würden, haben sich wohl die klassischen Verantwortungsbereiche im Zuge des Wandels von der traditional corporation zur gesellschaftlichen Verantwortung (metro cooperation) verändert oder sogar erweitert. Nach dem ‚iron law of responsibility‘ scheint jetzt jedes Unternehmen an Macht einzubüßen, wenn es sich nicht verantwortungsvoll verhält. Ohne dass dies mit strukturellen internen Änderungen einhergeht, streben Unternehmen daher nach sozialem Engagement und Gemeinnützigkeit. Sie erfüllen dabei aber immer die Anforderungen der für sie wichtigen starken Stakeholder, der Region, der Gesellschaft, Umwelt und des globalen Wirtschaftens. Es wäre aber ein Missverständnis, diese Unternehmensverantwortung mit Bürgerverantwortung im Sinne der Verantwortung einzelner Bürger gleichzusetzen. Diese Auffassung vertritt oder hat nur die US-Sentencing Reform Acts und Federal Sentencing Guidelines als Konsequenz des Falls ENRON (in Deutschland Vorbild) vertreten. Im Grundsatz lassen sich die formalrechtlich verbindlichen Federal Sentencing Guidelines, als sie noch galten, allerdings kritisieren: • Möglichkeit für Unternehmen, sich von Haftung oder Schuld freizukaufen • Wegen der geringen abschreckenden Wirkung keine Prävention • Wegen des möglichen Einflusses auf die Strafverfolgung bei Management Froud – Verpuffung der unternehmenstrafrechtliche Ausweitung, insofern sie ausschließlich Adressaten aus dem Management betrifft – keine institutionelle Stärkung informeller Whistleblowing-Netzwerke. Am 13. Januar 2005 entschied der United States v. Booker, US Supreme Court, dass die rechtlich verbindliche Natur der FSG mit dem 6. Amendment (right to a jury trial) unvereinbar ist. Die FSG sollten nur noch „beratend“ (advisory) bei der Strafzumessung herangezogen werden (nach: ZStW 2006). Indiz für die Tragweite dieser Entscheidung ist vielleicht die aktuelle Banken- und Finanzkrise. Privat- und öffentliches Recht Es sollen Aspekte des öffentliches Ordnungs- und Kriminalrechts sowie verfassungsrechtliche Aspekte behandelt werden. – Aspekte des öffentliches Ordnungs- und Kriminalrechts – Die US-amerikanischen Rechtsverhältnisse hätten sich nicht auf die Rechtsverhältnisse in Europa oder die in Deutschland 1 : 1 übertragen lassen. Dabei bleibt es durchaus ein berechtigtes Ansinnen, Unternehmen rechtlich im Prinzip als juristische Person zu behandeln:

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5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

• Im zivilrechtlichen oder privatrechtlichen Sinne: Unterschreiben von Arbeitsverträgen durch Unternehmer (Eigentümer) oder einen von ihm oder einer Organisation beauftragten und befugten Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied • Anstellung von Arbeitnehmern oder Managern beim Unternehmen, von dem sie ihr Entgelt erhalten. Das Problem steckt in der Art der Sanktionierung, wenn Abweichungen von Gesetz und Recht zu beobachten sind: • Bei Brechung der Bestimmungen des Kartellrechts durch das Bundeskartellamt: Nur nach dem Ordnungswidrigkeitsrecht Verhängen von Geldbußen (keine Geldstrafen) gegen die beteiligten Unternehmen • Bei Delikten der Vorteilsnahme und Korruption: – keine Anwendung des Kriminalstrafrechts als Teil des öffentlichen Rechts – trotz eines Vergehens im Interesse eines größeren Unternehmens und Zuordnungsproblemen individuelle Verantwortung im Sinne der Haftung nach Privatrecht und v.a. der Schuld nach Strafrecht als Ultima Ratio staatlichen Handels, z.B. bei Unterstellung sittlich fehlerhaften Verhaltens (höheres Unwerturteil) – abschreckende Wirkung durch die drastische Einschränkung von Freiheitsrechten • Anwendbarkeit auf juristische Personen nach gängiger Rechtsauffassung: keine Verantwortlichkeit im Sinne der ‚persönlichen‘ Schuldzuschreibung für eine Straftat • Konsequenz angesichts der anwachsenden Zahl von Fällen der Wirtschaftskriminalität in Unternehmen: Schaffung und Geltung eines Unternehmensstrafrechts, sofern Individuen nicht verantwortlich sind oder verantwortbar gemacht werden können (siehe die Geltung der ethischen Komponente des Schuldprinzips in Artikel 103 GG bei Schuldfähigkeit). Viele europäische Länder haben ein Unternehmensstrafrecht. Juristen in Deutschland unter sich halten die Strafbarkeit von Unternehmen für undenkbar: „societas delinquere non potest.“ Danach können nur einzelne Menschen, nicht ein „abstraktes Kollektiv“ der Freiheit beraubt und ins Gefängnis gesperrt werden. Diese ‚Naturgegebenheit‘ führt allerdings weitgehend dazu, dass die für Unternehmensdelikte verantwortlichen Einzelpersonen, da nur vertretungsberechtigt, die Schuldfrage gern auf das Unternehmen und damit den/die Eigentümer als Subjekt von Primärverantwortung und Objekt von Strafbarkeit delegieren. Dabei gilt doch organisatorisch Folgendes: „Und unter dem Verantwortungsbegriff verstehe ich die rechtlich, organisatorisch oder moralisch begründete Pflicht eines Sozialverbandes, Organisationsmitglieds oder Individuums, unter Berücksichtigung seiner Aufgabe bzw. Rolle und seiner Handlungsmöglichkeiten für die Folgen seines tatsächlichen (Aufgabenerfüllungs-)Handelns in adäquater Weise einzutreten, was als Mindestanforderung die Rechenschaft über sein Tun und Lassen einschließt“ (Schwiering 1996, S. 95). Dies führt zu folgenden Interpretationsschwierigkeiten: • Die Übertragung von Befugnis ist Ergebnis selbst- und fremdbestimmter Regelung. • Die organisationale Eigenverantwortung besteht aus den Elementen der Selbst- und Fremdverantwortung.

5.4 Unternehmensethik

159

Juristen ignorieren meist diese Organisationssicht, wie sie auch die moralphilosophische Sicht der Unternehmensverantwortung ignorieren. Dies kommt der traditionellen Zweiteilung des Strafrechts als Teil des öffentlichen Rechts in Ordnungsstrafrecht und Kriminalstrafrecht entgegen: • Bleibender Bestand des Individualstrafrechts auf Mikroebene • Höchstens Ergänzung um mesostrafrechtliche Elemente zur Erfassung gemeingefährlicher Delikte des ‚Täters über dem Täter‘ im Rahmen eines kollektiven Haftungsmodells • Wegen der Zurechnungsdichte Schwierigkeit der Übersetzung der kollektiven Betriebsführungsschuld oder des Organisationsverschuldens in das Verhalten von Personen • Meist nur Anwendung ordnungsstrafrechtlicher Verwaltungsregelungen auf stellvertretende normale Individualverstöße (Geldstrafe, da Gefängnisstrafe nur für Personen gilt) • Praktische Folgen: – kein Zwang, Ordnungswidrigkeiten nachzugehen. – zum Vergleich: u.Ust. härtere Bestrafung von Fahrraddiebstahl als von Korruption. Das Ordnungswidrigkeitsgesetz besteht aus dem materiellen Recht und dem Verfahrensrecht der Ordnungswidrigkeiten (Bußgeldverfahren). §§ 1–34 OWIG im Allgemeinen Teil stimmt größtenteils mit dem Strafrecht überein. Im besonderen Teil (§§ 111–130) stehen aus dem Strafrecht eliminierte Übertretungen. Der überwiegende Teil wird jedoch dort – auf zahlreiche Einzelgesetze verteilt – behandelt. Die Merkmale der OWIG und die Besonderheiten des OWIG im Vergleich zum Kriminalstraftrecht, das immerhin die Täterbeteiligung kennt, können hier nicht behandelt werden. Wegen der noch andauernden Vernachlässigung der kriminalstrafrechtlichen Verantwortung des Unternehmen muss aber das OWIG für die Einflussnahme der Rechtsordnung auf Unternehmen allein geradestehen. Allein zwischen 1968 und 1994 wurde daher die Verbandsgeldbuße im Ordnungswidrigkeitsrecht weiter entwickelt oder umgestaltet. Diese Neuordnung steht nicht nur in der Tradition einer Kaskade von Änderungen infolge nachträglich erkannter Fallsituationen und gesetzestechnischer Fehler. Sie muss auch im Kontext folgender Probleme bei der Sicherung objektiver Interessen bewertet werden: • Trend: nicht mehr gleichzeitige Geltung von Regelungen der Einzelverantwortung und Gesamtverantwortung, sondern Behandlung des Unternehmenssubjekts v.a. als Gegenstand der OWI-Gesetzgebung • Keine zielgenaue Trennung von Zivilrecht und Strafrecht, wenn das zivilrechtliche Haftungsrecht präventive Steuerungsaufgaben übernimmt • Gewichtverlust des öffentlichen Rechts bei der legalen Steuerung, insofern als Unternehmen und Behörden immer häufiger Lösungen aushandeln (Flexibilisierung von Beteiligungen, Aufgabe des Vertrauens auf die Bestandskraft der Ergebnisse) • Verlust der Tragfähigkeit rechtlicher Instrumente für eigenverantwortlich handelnde Unternehmen. Zwar wäre die Anwendung des Kriminalstrafrechts auf Unternehmen, also auf systemisch und strukturell verfasste juristische Personen prinzipiell möglich. Aber da ihnen keine moralische Verantwortung nach verbindlichen ethischen Grundsätzen zugesprochen werden könnte, dürfte die verbindliche Anwendung kollektiver Haftungsmodelle mit legitimierter Zwangs-

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5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

durchsetzung schwerfallen. Dennoch ist zumindest zu prüfen, ob die immer wieder geforderte Verschärfung der Strafverfolgung gegenüber Unternehmen als juristischen Personen Sinn macht. Dabei ist aber abzuwägen, ob nicht eine persönliche Haftbarmachung (Individuum als Mikrosubjekt) zumindest zusätzlich beibehalten werden sollte: wenn auch auf gesetzlich verschärfter Grundlage. Korruptionsexperten wie z.B. Wolfgang Schaupensteiner (Chief Compliance Officer bei der Deutschen Bahn) oder Wolfgang Hetzer (Berater der europäischen Antibetrugsbehörde Olaf) sind sich in Folgendem einig: Das Strafrecht darf nicht weiter an ein System der Korruption angepasst werden, das wohl inzwischen zum globalen Geschäftsalltag gehört. Dagegen pochen Juristen weiterhin auf das individuelle Schuldprinzip, das sich aus dem ethischen Ansatz des §§ 113 GG ableitet. Die Behandlung von Unternehmensdelikten im Rahmen des Ordnungswidrigkeits- anstatt des genuinen Kriminalstrafrechts tut dann ihr übriges: Eine Straftat (z.B. entsprechend der Generalverantwortung der Unternehmensleitung nach §§ 130 OWIG) kann, muss ja nicht verfolgt werden! Zudem muss die Verantwortung durch organisatorische Maßnahmen wie z.B. die Verantwortungsvereinfachung bei Mehrfachverantwortung, oder die ordnungsgemäße Dokumentationspflicht wie z.B. im Rahmen einer entsprechenden Bilanzgesetzgebung oder Qualitätsmanagement sichergestellt sein. Dann könnte man sogar Pflichtverletzungen durch Unterlassungen vorbeugen. Letztlich greifen aber Gesetze nicht nur deswegen nicht, weil die Machtträger kundige Rechtsanwälte für ihre Sache anheuern können. Entscheidender sind die erlernte moralische Urteilsfähigkeit und das moralische Handeln in einem ethisch wirkungsvoll unterstützten Kontext, der der Ausschöpfung krimineller und unmoralischer Energie keine Chance gibt. Teil des Kontextes wäre die Geltung des Leistungsprinzips überall in der Hierarchie, auch oben. ,Der Fisch beginnt immer am Kopf zu stinken.‘ Kann moralische Kompetenz aber im Erwachsenenalter noch korrigiert oder verbessert werden? – Verfassungsrechtliche Aspekte – Das Verfassungsrecht nach Grundgesetz (GG) ist das einer demokratischen Gesellschaft von und für Bürger, einer Republik also. Von daher könnte man sich fragen, inwieweit Unternehmen demokratisch verfasst sind und ein republikanisch oder freiheitlich konzipiertes Unternehmensrecht praktisch wirken könnte. Oft wird dabei vergessen, dass es sich beim Verhältnis zwischen Staat und Bürger nicht um ein Verhältnis zwischen Obrigkeitsstaat und Untertan handelt, sondern dass es „nur noch Rechtsverhältnisse als Verhältnis mit prinzipieller Gleichordnung der in ihr bestehenden Rechte- und Pflichtpositionen“ (Gröschner 1998, S. 62) gibt. Das GG als Ausdruck einer Rechtsordnung basiert auf dem Art. 1 Abs. 3, so dass staatliche Gewalt an die Grundrechte und damit an die Freiheitsrechte gebunden ist. Die Urrechte höherer Dignität (Kompetenzpräsumtion) des Obrigkeitsstaates wandelt sich zugunsten einer „Vermutung für die Freiheit der Bürger“ (ebd., S. 63). Dies führt allerdings im Verhältnis zwischen dem Staat und dem einzelnen Bürger weniger zu Problemen als in mehrseitigen Rechtsgeschäften des öffentlichen Rechts. Gröschner nennt das Verhältnis zwischen Arzneimittelhersteller, Arzneimittelüberwachungsbehörde und Arzneimittelverbraucher als Beispiel. Hier stellt sich im Interessenkonfliktfall die Frage, inwieweit ein „gesetzlich geregelter, am öffentlichen Interesse ausgerichteter Ausgleich in

5.4 Unternehmensethik

161

den Rechte- und Pflichten- und damit Verantwortungsverhältnissen der Arzneimittelüberwachung [möglich ist,] selbst gestaltet, gemeinwohlorientiert und rechtsverhältnisbezogen“. Die Bestrebungen der aktuellen Regierung gegenüber dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWG) zeigen, worum es dabei geht. Die Einführung des Standortfaktors als zusätzliche Qualitätsdimension soll wohl bewirken, dass die Pharmaindustrie weiterhin wenig innovative und gesundheitlich wirksame Produkte zu überhöhten Preisen verkaufen darf: zulasten des Patienten und der gesetzlichen Krankenkassen. Das Institut soll daher umstrukturiert werden. Der unbequeme Leiter hat sich allerdings selbst durch seine inkorrekte Reisekostenabrechnung lahm gelegt. Ist also ein republikanisch konzipiertes Unternehmensrecht machbar und sinnvoll, das sich • Auch strafrechtlich umsetzen ließe und • Mit den privatrechtlichen, ebenfalls verfassungsrechtlich fundierten Regelungen z.B. im BGB und HGB harmoniert? Wesentliche Vorgaben des GG finden sich in den Passagen zur Menschenwürde, zu den Freiheitsrechten und zur Pflicht des Eigentums (siehe Service 3.3 Verfassungsrechtlich relevante Regelungen). Je mehr sich die materielle Gleichheit in der praktischen Umsetzung auf formale Chancengleichheit verkürzt, desto wahrscheinlicher ist es, dass Unternehmungen auf Profitmaximierung aus sind. Die soziale Verantwortung für die Wohlstandsvermehrung zugunsten möglichst vieler Gesellschaftsmitglieder kann dann ins Leere laufen. In diesem Ordnungsrahmen lässt sich keine rechtliche Grundlage für die Geltendmachung der viel zu wenig geforderten Sozialpflicht des Eigentums nach Art. 14 Absatz 2 GG (auch vertretungsweise über das Management) und damit für die Umsetzbarkeit einer stärker an der Friedensstiftung ausgerichteten republikanischen Unternehmensethik gewinnen. Sie wirkt in den Ansätzen von Ulrich, Steinmann und Löhr daher idealistisch (siehe Ansätze 6,7,8 im Service 3.4). Wissenschaftlich ist sozialer Ungleichheit, insbesondere wenn Machtverhältnisse tabuisiert und die rechtlichen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft werden, nicht beizukommen. Ermöglicht nicht erst eine angemessene Vergütung für alle die Freiheit für jede(n)? Gehört dazu ein bedingungsloses Grundeinkommen? Offensichtlich scheint wegen der Personen- und Mitarbeiterorientierung in Familienunternehmen, die sich in einer kooperativen Unternehmenskultur und moralischem Klima zeigt, der Konflikt zwischen Gewinnstreben und Moral ethisch lösbarer als in größeren Kapitalgesellschaften zu sein: Wenn der Eigentümer will und vergleichsweise Strukturen dafür vorhanden sind (siehe z.B. CSR im Mittelstand, Vertrauen auf Basis von Prinzipien des ehrbaren Kaufmanns).

5.4.4

Ausgewählte Ansätze der Unternehmensethik

Wissenschaftlicher Gegenstand normativer Unternehmensethiken ist das sittliche Wollen und Handeln in der Wirtschaft/dem Unternehmen. Meist fehlt der empirische Bezug einer deskriptiven Ethik (Moralwissenschaft). Die eigenständige praktische Ethik – unabhängig von den normativen Wirtschaftswissenschaften – klammern jene meist aus. Von daher gesehen

162

5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

lassen sich Unternehmensethiken grob und meist unverbunden in individuelle Handlungsethiken und Institutionenethiken aufteilen, die mehr oder weniger dominieren (Ausnahme z.B.: Pfriem 2008, S. 65ff.). Öffentlichkeits- oder Medienethiken fallen meist aus diesem Raster heraus, obwohl Marketing- und PR-Abteilungen von Unternehmen ihr Bild in der Öffentlichkeit und ihre Reputation nachhaltig positiv zu beeinflussen suchen. Eine grobe Übersicht zur Einordnung der Ansätze liefert die folgende Abbildung (siehe auch Wieland 1996). Meist relevant für Führungskräfte, selten für Mitarbeiter

Unternehmensethiken in der BWL

Implizit v.a. für Eigentümer/ Management

? Individualethik (Mikroebene) Sittlichkeit im Handeln/ Per son Pflichten*, Verantwortung, Tugenden, Gesinnung

Vermittlung: „Echte“ Sozialethik für alle

Inhalte?

Institutionenethik (Makro-/Mesoebene) Sittlichkeit in der Struktur der Bezie hungen Vorgegebene Ordnung nach moralischen/ ethischen Rechtsnormen

Kultur/Gesellschaft Interesse, Motivation, Wertorientierungen, Gewissen, Fähigkeit

Inhalte?

?

? * gegenüber sich selbst, anderen, der Natur

Verfassung, Organisation, Standards für ökonomische Leistungen, Stabilisierung, Machterhalt

Öffentlichkeits- und Medienethik

Abb. 16: Ebenen der Wirtschafts- und Unternehmensethik

Die Zuordnung fällt schwer, weil der Großteil der Unternehmensethiken Unternehmungen nicht als soziale Gebilde behandeln. Die organisiert zusammenarbeitenden Menschen und damit auch die Machtverhältnisse nehmen sie nicht in den Blick. Unternehmen sollen sogar wie Handlungssubjekte handeln können, womit fälschlicherweise die Vorstellung der juristischen Person als Personenvereinigung oder Vermögensmasse übernommen wird. Diese ist ja nicht nur rechts-, sondern auch handlungsfähig. Dies kann aber nicht mit dem wirtschaftlichen Handeln von Individuen gleichgesetzt werden, das Teil sozialen Handelns ist. Es ist von daher gesehen müßig zu klären, ob die Wirtschaft eine Ethik nötig hat, ob eine möglich ist und in welchem Verhältnis ökonomische Rationalität (Welt 1) und Ethik (Welt 2) aus Sicht der BWL als der Welt 3 stehen.

5.4 Unternehmensethik

163

Der Service 3.4 gibt den inhaltlichen Gehalt der einzelnen unternehmensethischen Konzeptionen, die nicht immer von wirtschaftsethischen zu trennen sind, wieder, vergleicht sie miteinander und bestimmt ihrer Verwendungstauglichkeit für eine Beratungs- und Berufsethik: • Nach einer Unternehmensethik als angewandte Notfallethik (Ansatz 1) handeln Manager unternehmerisch und schon sozial verantwortlich, wenn sie nach wirtschaftlichem Erfolg, nach Gewinn und sogar nach seiner Maximierung streben. „The social responsibility of business is to increase its profit“ (Friedman 1970, S. 32) oder „The business of business and the social responsibility of a company is to maximise profits for its shareholders“ (zitiert in Grunwald 2005a, S. 82). Angesichts ökonomischer Sachzwänge scheint daher Unternehmensethik unmöglich zu sein. • Ausgangspunkt des ökonomischen Reduktionismus ist, dass Unternehmensethik unnötig ist. Dazu zählen vor allem die – der Gemeinwohlfiktion des Marktes folgenden – Vorstellungen von Albach (Ansatz 2), für den das Gewinnstreben auf dem Markt allgemeine Ethik ist, und von Homann, dessen Ordnungs- und Institutionenethik auf die moralischethische Entlastung durch die ökonomische Rahmenordnung in Markt, Unternehmen und Staat setzt (Ansatz 3). • Für die organisationsökonomische Governance-Ethik von Wieland (Ansatz 4) ist der Opportunismus unmoralisch und muss bestraft werden. Er ergänzt aus Sicht soziologischer Systemtheorie die institutionen-ökonomische Metatheorie um das organisatorische Interdependenzgefüge oder Netzwerke – neuerdings erweitert um Aspekte des Kohärentismus als Teil einer ergänzenden allgemeinen Ethik. • Die entscheidungsorientierte Unternehmensethik von Kreikebaum (Ansatz 5) geht davon aus, dass die von wirtschaftlichem Zweck bestimmten Bereiche Vertrauensbeziehungen zwischen Vertrauensgeber (Principal) und Vertrauensnehmer (Agent) kennzeichnen. Nur so lassen sich Erwartungen unter unsicheren Wettbewerbsbedingungen stabilisieren und Handlungskomplexität verringern. Seiner christlichen Überzeugung nach gründen jene im Interesse am Wohl des anderen. • Im integrativen Ansatz von Ulrich (Ansatz 6) hat die ethische Legitimität Vorrang vor dem ökonomischen Erfolg. Ulrich hält konsequent seinen Standpunkt vom vernunftbegabten Menschen in Diskursen auf Formalzielebene durch. Ihm geht es um eine methodisch disziplinierte ethische Reflexion, die vor allem an sozioökonomischen und politischen Gegebenheiten (demokratischen) ansetzt. • Die funktionale dialogorientierte Unternehmensethik von Steinmann (Ansatz 7) verbindet den eindimensionalen zu einem zweidimensionalen strategischen Managementansatz für Entscheidungsprozesse. Ein dialogfähiges Unternehmen kann das auf betriebswirtschaftliche Rationalität ausgerichtete Erfolgshandeln und das verständigungsorientierte, auf Konsens angelegte ethisch verantwortliche Managementhandeln wirkungsvoll miteinander im strategische Management kombinieren. • Die Unternehmensethik von Steinmann, Löhr setzt auf die friedvolle Kommunikation von Bürgern (Ansatz 8). Sie zielen auf die moralische Verantwortung als ordnungspolitische Pflicht der Unternehmensführung. Der diskursethische Ansatz versucht, auf Sachzielebene die machtpolitische Durchsetzung von Interessen mit der friedvollen Lösung gesellschaftlicher Konflikte strategisch zu verbinden.

164

5.4.5

5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

Individual-, Institutionen-, Sozial- und Öffentlichkeitsethik als Problem

Es hat Tradition, Ethiken auch nach dem Ort der Moral oder dem Anwendungsbereich von moralischen Normen und Zielen einzuordnen und durch formale Verfahrensethiken zu ergänzen. Danach können Individualethiken (Mikroebene), deren Personenbezug oft auf Führungsethik reduziert wird, Institutionenethiken (Mesoebene: Unternehmen, Wirtschaft), Gesellschaftsethiken (aggregiertes Zusammenwirken von Individuen auf Makroebene) sowie neuerdings Öffentlichkeits- und Medienethiken (übergreifende und Querschnittsebene oder Mix) und vielleicht in grauer Zukunft Globalisierungsethiken unterschieden werden. Auch Unternehmensethiken scheinen ihren Ort gefunden zu haben. Meist handelt es sich um Institutionenethiken, ergänzt um führungsethische Betrachtungen. Dabei geht es um die Zurechenbarkeit der moralischen Ansprüche und Verantwortlichkeiten der beteiligten Akteure: auf individueller und – konstruiert – kollektiver Ebene. Nimmt man fatalistisch an, dass die relevanten Wirtschaftsakteure in die Sachzwänge globalen markwirtschaftlichen Wettbewerbs unauflöslich verstrickt sind, können die wechselseitigen Beziehungen zwischen Individual- und Institutionenethik an unterschiedlichen Orten zum Problem werden (Ulrich 2006, S. 301). Eine Folge dürfte sein, dass der positive Kern einer normativen Sozialethik in eine institutionelle Ordnungsethik (intern, extern) verkehrt wird und damit Individualethik auf Mitarbeiterebene ausgebremst wird. Eine Öffentlichkeits- und Medienethik (auch über das Internet) könnte dem Trend nach eine neue vermittelnde demokratische Rolle übernehmen: national und global. Manche Repräsentanten von Unternehmensethiken freuen sich über die vermeintliche Überwindung vergangener Individualethik, z.B. der Tugendethik. Darunter fällt nicht die institutionelle Legitimation des Managements, für die eine auf das individuelle Eigeninteresse zugeschnittene Individualethik durchaus gelten darf. In den ausführenden Bereichen stört allerdings der individuelle Standpunkt erheblich, so dass Eigentümer/Management institutionelle Vorkehrungen treffen. In der BWL dominieren daher institutionell zugeschnittene Konzepte und Gestaltungsvorschläge formaler Art. Selbst der fortschrittliche P. Ulrich spricht von einer ethisch unsichtbaren Unternehmensführung. Dabei ist natürlich berechtigt anzuerkennen, dass individuelle Akteure in organisierten Zusammenhängen geregelt arbeiten. Unternehmensethik macht dies jedoch zu einer ordnungspolitischen Aufgabe im Auftrag des Managements und klammert die informelle nicht-institutionelle Seite oft aus. Dem entgegen steht ein Trend in Richtung Gerechtigkeitsphilosophie, in dem sich auch die Sozialethik zu einer sozialen Ethik mit formaler Funktion zu wandeln beginnt. Dabei werden Gerechtigkeitsleitbilder nicht mehr bereichspezifisch eingegrenzt, sondern zu Möglichkeitsbedingungen für ein individuelles gutes Leben auf Sollensebene erhoben. Auf diese Weise entsteht eine neue Verbindung zwischen individueller Strebensethik und Sozialethik als Ethik der Institutionen, die Verantwortungsträger und -objekte sind. Dabei interessiert die neue Sozialethik auch, wie Macht bei gegebener Diffusion im System institutionell zugewiesen wird. Sie geht dabei davon aus, dass Personen allein oder in ihren Beziehungen nicht mehr Macht über Institutionen ausüben. Sozialethik in diesem Sinne erhält die übergreifende

5.4 Unternehmensethik

165

Funktion einer normativen Ethik, aus deren Position heraus sich auch die beherrschende Macht der Führungsethik kritisieren ließe. Unternehmensethik ist heute ohne Öffentlichkeit nicht denkbar, deren Druck Unternehmen auch fürchten und die sie zu beeinflussen suchen (siehe z.B. BP). Die öffentliche Meinungsbildung im öffentlichen Raum – auch zu ethischen Fragen – ist medial vermittelt: • Durch klassische Massenmedien oder • Digitalisierung via Internet in Form von Alltagsmanagement, Kontaktpflege, OnlineNutzung, Web 2.0, Nutzung als Medienzentrum. Im Zuge des Zwangs der Diktatur des Publikumsgeschmacks hat der so genannte Machtpol des journalistischen, nach Professionalität und Qualität strebenden Feldes auf allen Kommunikationskanälen an Bedeutung gewonnen. Gemessen an den prozentualen Marktanteilen in Form von Zuschauerquoten hat es das Leitmedium TV fast geschlagen. Zum Machtpol gehören inzwischen im Online-Format z.B. DER SPIEGEL, Focus, Stern, mit Abstrichen die Bildzeitung, überregionale Tageszeitungen wie Süddeutsche, FAZ, Die Zeit, Die Welt, Financial Times Deutschland und das Handelsblatt (dazu fundiert: Meyen 2009).

5.4.6

Einige Konsequenzen für Unternehmensberatung

Die PR-Arbeit von Unternehmensberatungsfirmen – ebenso die Presse- und Medienarbeit der Medienorganisationen selbst (dazu Szyszka 2009) – nutzt die alten und neuen Medien bewusst für ihre reputationsförderliche Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit: als Informationsquellen und interne/externe kommunikative Plattformen. Da die massenmedial vermittelte öffentliche Kommunikation auch Gesellschaft, Politik, Kultur und Moral beeinflusst, ist dies auch für Unternehmensberatungsfirmen ein neuralgischer Punkt im existentiellethischen Sinne: • Wegen der Enthüllungen von Skandalen und moralischen Ungereimtheiten durch Journalisten oder Whistleblower, die sich von daher gesehen sozialen Druck, Aufklärung und stellvertretende Interessenvertretung gegenüber der Öffentlichkeit allgemein oder einem spezifischen Publikum versprechen • Wegen der Unsicherheit, ob die Einflussnahme der PR auf alle Angebote und Formate im eigenen Interesse gelingt: – aus praktischen Moral- und Ethikerwägungen heraus (selbstbindenden verantwortbaren Prinzipien) oder – diese z.T. konterkarierend – – aus ökonomischer (zumutbarer) Erfolgssicht. Unternehmen bewegen sich dabei in einem Spannungsverhältnis. Die Medien haben die soziale Qualität von Realität, zu der Moral und Ethik gehören (siehe auch den Ethikrat der Akademie für Publizistik in Hamburg, Schicha, Brosda (Hrsg.) 2010, vgl. DGPuK 2009, zum neuen Ethikkodex für Multimediaberufe: http://multimediaethik.wordpress.com) und damit auch die von Unternehmen radikal verändert. Insofern Unternehmen auch über ihre Öffentlichkeitsarbeit eine gesellschaftliche Funktion wahrnehmen, verändern sie selbst die Realität.

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5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

Ein komplexer Ethik-Ansatz kann die individuelle soziale Handlungsverantwortung einzelner Akteure, deren Arbeit ja notwendigerweise mit moralischen Zweifeln verbunden ist, mit den ethischen Maximen der Organisation zusammenbringen. Obwohl die systemischen Wirkungen auch durch eine Institutionenethik zu thematisieren sind, darf diese das individuelle soziale Handeln auf Mikroebene nicht vereinnahmen. Doch auch in diesem Bereich ist aus kommerziellen Erwägungen die Versuchung groß, mit einer Verkürzung auf Führungsethik Managern zu große Handlungsspielräume bei der ethischen Gestaltung von Moral zu gewähren. Dennoch ist zu sehen, dass die Arbeit einzelner Berater sich nicht mit einer rein individuellen Handlungsethik regeln lässt, weil sie sich in einem organisatorisch technischen Kontext bewegen: zugeschnitten auf den Beratungskunden. Zudem wirken Beratungsunternehmen immer in die Öffentlichkeit hinein. Sofern sie aber bewusste PR ihr gegenüber betreiben, werden die Wirkungen diffus. Öffentlichkeit ist kein Gebilde, das sich so konkret wie einen Kunden greifen lässt. Öffentlichkeit hat dabei im Kern vierfache Bedeutung: • Erstens bedeutet öffentlich offen wahrnehmbar oder bekannt (siehe auch die innere Öffentlichkeit in Unternehmen oder die im Rahmen eines Diskurses). • Zweitens ist sie im weitesten Sinne auf das Gemeinwesen, also auf die Allgemeinheit als Gesamtheit der Bürger bezogen. • Drittens verweist sie auf die allgemeine Zugänglichkeit von Institutionen, Vorgängen etc. • Viertens ist sie gleichbedeutend mit der universalen Kommunikationsgemeinschaft aller vernünftig Argumentierenden, die dies auch können. Ohne die öffentliche Meinung ist aber der öffentliche Raum eine leere Menge, so dass die Dimensionierung der öffentlichen Meinungsbildung in einem öffentlichen Phasenraum (dazu: Stöber 2009) nach Verortung, Trägerschaft, Thema, Modus und Zweck mit dementsprechend vielen kombinierbaren Ausprägungen notwendig wird. Aus allen Möglichkeiten ergeben sich für Stöber sechs Kombinationen von Öffentlichkeit und öffentlicher Meinung, die wohl auch für Unternehmensberatungen – anders als wohl aktuell BP – Wahlmöglichkeiten bieten und/oder ein Spannungsverhältnis bedeuten: • • • •

Das desintegrative Konzept (sogar keine öffentliche Meinung) Das emotionale Konzept (allgemeine Stimmungen, vgl. das Atom-Moratorium) Das Nomos-Konzept (gesellschaftliche Integration über Sitten/Gewohnheiten) Das sozialpsychologisch-gesellschaftsintegrative Konzept (diskursive Entscheidungen, politische Handlungsfähigkeit in Demokratie, das bessere Argument nach dem Mehrheitsprinzip; vgl. den öffentlichen Diskurs über Stuttgart 21 auf Phönix und die Internet-Recherche bzgl. der Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg sowie die Rolle des Internets bei der demokratischen Revolution in den arabischen Ländern) • Das autoritativ-gleichgeschaltete Öffentlichkeitsmodell (anschließbar an das Nomos-Modell, Medien als Führungsmittel; Propaganda in Pseudoöffentlichkeit). In die Publizistik oder Kommunikationswissenschaften (fundiert nach Raabe 2009) hat die Medienethik nur zögerlich Eingang gefunden, ca. ein Viertel der Institute haben sie in ihren Lehrplan integriert. Zudem haben sich wohl zwei Lager, nämlich die Individualethik und Mediensystemethik gebildet. Es scheint, dass immer noch mehr Theologen und Philosophen sowie die Medienpraktiker und Journalisten an der Thematik interessiert sind. Die wissen-

5.5 Ethische Kritik aus sozio-kultureller Sicht

167

schaftlichen Unternehmensethiken in der BWL beschäftigen sich selten mit der (auch medial vermittelten) Öffentlichkeitsethik, wohl aber mit der demokratischen Öffentlichkeitswirkamkeit im Rahmen einer republikanischen Ethik. Sofern Öffentlichkeits- und Medienethik Gegenstand der Unternehmensethik werden würden, hätte diese mit folgender institutionen- und ordnungsethischer Problemlage zu kämpfen: • Mangelhafte nachhaltige Verarbeitung der Praxis in empirisch bewährten Theorien oder Szenarien: Scheitern der Forderung nach der Machbarkeit von Zukunft • Kaum Behandlung als Teil gesellschaftlicher Kommunikation, wie sie sich auch in Unternehmen zeigt, zudem kaum Behandlung als ein von Hierarchien abhängiges Phänomen • In diesem Zusammenhang selten Methodenadaption aus der Kommunikationswissenschaft, z.B. zur schwierigen Analyse der Einstellungen von Kommunikatoren gegenüber Einstellungsobjekten/Kommunikanden (siehe u.a. die Osgoodsche Evaluative Assertion Analysis) • Tabuisierung von Machtverhältnissen als vorgegebene, unantastbare Naturkonstante (wie ‚gottgewollt‘): – keine kritische Befragung der systembedingten Erzeugung von öffentlichkeitswirksamen normativen und damit moralischen Probleme durch Unternehmen und/oder – Nicht-Eingehen auf öffentliche Meinungen, Forderungen • Kein Mut zu einer öffentlich positiv wirkenden provisorischen Ethik, um durch das positive Zusammenwirken individualethischer und institutionenethischer Ansätze in Medien und Gesellschaft Moral in Richtung ethisch reflektierter Langzeitverantwortung zu verbessern • Allenfalls ihre institutionelle Instrumentalisierung für kurzfristiges Gewinnstreben. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wo Wissenschaftler (aber auch Journalisten) waren, als schon 1994 VW einen mit Elektroantrieb ausgestatteten Golf entworfen hat. Meines Erachtens sind doch Prototypen lange Zeit störungsfrei gefahren. Sie können auch fragen, warum das Management von Tepco die Öffentlichkeit so lange über die Katastrophe im Kernkraftwerk Fukushima täuschen konnte. Der Service 3.5 gibt die Merkmale der Individual-, Institutionen-, Öffentlichkeits- und Medienethik wieder.

5.5

Ethische Kritik aus sozio-kultureller Sicht

Nach wie vor dominiert die ökonomische Rationalität die (scheinbar) außer-ökonomische Moral, woran die Unternehmensethik in den Wirtschaftswissenschaften ihren expliziten und v.a. impliziten Anteil hat. Ideologiekritik gehört leider noch nicht zu ihrer Selbstreflexion (Ausnahme: Brodbeck 2003).

168

5.5.1

5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

Kulturethische Voraussetzungen

Der Kulturbegriff in der Ethik hat eine Geschichte:

Kulturbegriffe in der Ethik Einflussfaktoren angemessener Kulturbegriffe: • Unterschiedliche Rahmenbedingungen (z.B. Nationalkultur) und Zielsetzungen • Kultur im Rahmen von Geschichtsphilosophie bis ins 18. Jahrhundert: Ausbildung der leiblichen, seelischen und geistigen Fähigkeiten • Kultur im Rahmen einer eigenständigen Kulturgeschichte der Aufklärung: Verlust des Genetivs im klassischen Wort für Kultur (cultura) • Daraus und vermittelt durch Kultur-Kontakt Entstehung einer eigenständigen moralisch-ergologischen Thematik, ergänzt um den sozialen Aspekt der verpflichtenden Gemeinschaft und um historische Aspekte Kant (normativ): • Definition von Kultur im Sinne der Tauglichkeit eines vernünftigen Wesens • Kritisch-normative Beurteilung der faktischen Entwicklung der Naturkräfte aus ihrer natürlichen Rohheit Herder (deskriptiv): • Kultur als die Blüte eines Volkes (noch unheilige Allianz mit nationaler Identität) • Empirische Beschreibung von Kultur/ihrer eigenständigen Prinzipien unter Entlehnung von Begriffen aus der Natur In der Folgezeit: • Zögerliche Ablösung des in der Ethik dominierenden kognitiven Kulturbegriffs durch einen handlungsbezogenen • Folge: Entwicklung von Kultur zum Normensystem für die handelnden Menschen • Problem: keine Verankerung des Kulturbegriffs in der Kontingenz aller Lebensformen, sondern weitestgehende Absolutsetzung und Abschottung des eigenen Gegenstand von Kultur als normativem Begriff bei ethischen o. Wertfragen: • Gesamtphänomen menschlichen Zusammenlebens • Loslösung von der traditionellen Verankerung in Normativität, Hierarchie, Nation • Als Vergleichsbegriff tendenziell keine ausschließliche Ausrichtung mehr auf Authentizität, Moralität und inhärente Richtigkeit • Hintergrund: im Zuge der Globalisierung trotz diverser imperialer Kultivierungsversuche von Nationen Zerbrechen des Zusammenhangs zwischen geographischem Territorium und Macht • Vager Kulturbegriff als Vermittlungsbegriff zwischen Individuum und Gesellschaft: – Beschäftigung mit Ethik in Zivilisation: Teil des jeweiligen geistigen = nicht-instrumentellen, nicht-natürlichen Ganzen eines gesellschaftlichen Lebensraums, geschaffen durch das zweckvolle Handeln von Menschen

5.5 Ethische Kritik aus sozio-kultureller Sicht –

169

Reichweite: (1) alle tradierbaren und weiterentwickelten Leistungen, Wert- und Sinnsysteme, moralische Anschauungen, Sitten/Gewohnheiten, Lebensformen aus der kompetenten Auseinandersetzung der Menschen mit ihrer Umwelt, (2) Fortentwicklung ihrer eigenen „Natur“, (3) materielle Gestaltungsformen der Umwelt wie z.B. Werkzeuge, Wissenschaft und Technik, (4) Methoden und Institutionen des Zusammenlebens.

Tab. 24: Kulturbegriff in der Ethik

Bezugspunkt der Unternehmensethik in der Wirtschaftswissenschaft ist nicht das Unternehmen als soziales Gebilde. Daher untersucht sie nur eingeschränkt die informelle Unternehmenskultur mit ihren moralischen Werthaltungen, die wirtschaftliches Handelns reguliert und moralisches Handeln sichtbar für alle Stakeholder materiell oder immateriell belohnen kann. Dem entgegen sind für Lutz von Rosenstiel (z.B. 1984) Unternehmen Organisationen, die geradezu Pflicht- und Akzeptanzwerte symbolisieren. Diese Institutionen bilden daher „geronnene Werte“ oder erstarrte Strukturen, mit denen die einzelnen Organisationsmitglieder in Konflikt geraten können. In der Unternehmenskultur (Wertesystem, Corporate Identity) und damit im Entscheidungsverhalten manifestieren sich inhaltlich die aktuellen Werte. Der Unternehmenserfolg wird nicht mehr nur vom Gewinn, sondern auch von der Lebensdienstlichkeit und ganzheitlichen Wertsteigerung abhängig gesehen. Damit rücken die Potentiale und das moralische, ethisch verantwortbare Wirtschaftshandeln der Menschen, die das Unternehmen bilden oder ausmachen und gemeinsam wirtschaften, in das Blickfeld. Die Unternehmensmitglieder haben unterschiedliche Auffassungen über das Ziel, den Sinn unternehmerischer Aktivitäten und den (Stellen-)Wert, den Personen dabei faktisch einnehmen sollen, dürfen, müssen, können. Das betrifft auch ihre ethische Position. Dies kommt in einer gebündelten Auseinandersetzung um steuernde Werte in einer Unternehmenskultur zum Tragen, sofern echte Beteiligung gegeben ist. Autoritäre Festlegungen von oben, traditionelle Gewohnheiten und religiöse Dogmen bilden für die praktische Moralkommunikation keine konsens- oder kompromissträchtige Basis. Die Unternehmensethik setzt sich damit kaum auseinander (siehe aber Pfriem 2008). Offensichtlich ist in der allgemeinen und Unternehmensethik, sofern sie sich vom realen sozialen Leben abschotten, die Versuchung groß, mit einem eigenständigen Kulturbegriff aufzuwarten. Dabei wird nicht immer klar zwischen anthropologisch-soziologischen Deutungen und institutionellen Auffassungen unterschieden, wenn auch letztere Perspektive gerade mit Blick auf den Erfolgsfaktor Unternehmenskultur lange Zeit dominierte. Aspekte sind z.B. folgende: • Im Gegensatz zum ökonomischen oder technischen Handeln Orientierung des sozialen Handelns an moralisch-sittlichen Normen • In Überwindung des traditionellen Kulturbegriffs Entstehung der Forderung „[…] dass im funktionalen Zusammenhang menschlicher Fähigkeiten und Leistungen sowohl im instrumentalen wie im kommunikativen Handeln notwendig sittliche und humane Normen anerkannt und gültig sein müssen, damit jenen Leistungen kultureller Wert und Sinn beigemessen werden kann. Sittliche Normen sind danach Grundaxiome und Kriterien der Kultur als menschlicher Lebensform […]“ (Höffe 2008, S. 172).

170

5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

Die zunehmende Aktualität des ethischen Kulturbegriffes für Unternehmensethik als Vergleichsbegriff besteht darin, dass Kultur der Prüfung und dem Vollzug zugleich dienen kann: • System von Symbolen und Bedeutungen sozialen Lebens, das sich reflexiv vergleichen lässt • Gleichzeitig Praxis der in diesem System lebenden Menschen, die so auch das System reproduzieren, dynamisieren, optimieren. Auf Grundlage dieses Verständnisses ermöglicht Kultur die mitlaufende prüfende Beobachtung, um aus der Position eines bewertenden Dritten einfache Binaritäten wie z.B. richtige oder falsche moralische Werte zu erkennen, zu verstehen, zu relativieren. Folge ist die Entstehung eines ‚kollektiven‘ Gedächtnisses, das alte Kulturprogramme im Licht neuer Information evaluiert: • Betrachtung nach dem Grad ihrer Tauglichkeit im jeweiligen Kontext: Kultur als KulturMoral sowie • Lernprogramm zur Bildung von Identität und Stabilisierung in Krisen, das von außen oder selbst initiiert ist. Mögliche Konsequenz dieser doppelten Sichtweise von Kultur ist, dass die Bedeutung des Kulturbegriffs im normativen Sinne geschwächt wird. Infolge abnehmender kultureller Identität und Abgrenzung bildet sich nämlich eine spezifische integrierende Kulturethik heraus: • Als Teil der Kultur, die sie erhalten oder ändern kann • Als ethisch reflektierte Standortbestimmung, die zur normativen Voraussetzung von Ideologiekritik, Institutionenkritik und Kritik der Kommunikationsform in einem System werden kann, sowie • Als „Evaluationsinstanz“, um ethische Urteile über Kulturen nach normativen und Kriterien guten Lebens zu ermöglichen. Es bildet sich ein globaler auf alle Menschen gerichteter und als institutionalisierte NichtEinmischung konzipiertes Ethos heraus. In diesem Rahmen wird kulturelle Vielfalt unter dem Blickwinkel interkultureller Konflikte und Verständnis als neue ethische Aufgabe verarbeitet, die den normativen Chauvinismus, Romantizismus oder kritischen Skeptizismus ablöst. Dadurch wandeln sich alle Ethiken zu Kulturethiken und lassen sich innerhalb des Wissenschaftsgebäudes als Teil der Kulturwissenschaften einordnen. Dabei entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaft, z.B. zwischen der soziologischen Gesellschaftstheorie, die nicht normativ, sondern auf die Wahrheit bzw. Unwahrheit ihrer Aussagen ausgerichtet ist, und Ethik als Theorie der Reflexion von Moral. Im Systembezug auf sich selbst muss sie die Bewertung nach gut und schlecht vornehmen und kann daher nur das Gute wollen. Folgen sind u.a.: • Auseinandersetzung mit dem eigenen Standort und seinen manifesten und latenten normativen Voraussetzungen • Verlust der selbst erdachten objektiv-deskriptiven Unschuld und • Korrektur des Selbstverständnisses

5.5 Ethische Kritik aus sozio-kultureller Sicht

171

Welt 1

Welt 2

Ufer der ‚reinen‘ ökonomischen Rationalität

Ufer der ‚reinen‘ außerrationalen Moralität

Domäne der ‚autonomen‘ Ökonomik (wertfrei, objektiv)

Ökonomische SACHLICHKEIT (Effizienz)

Zusammenhang? Grad der Verbindung/ Trennung? Möglichkeit der Integration?

Außenwissenschaftliche Sphäre der privaten Gewissensethik (werthaft, subjektiv) Nicht-ökonomische ‚MENSCHENGERECHTIGKEIT‘ (Humanität)

Abb. 17: Die Zwei-Welten-Konzeption von Wirtschaftstheorie und Praxis

• Nach List (1999) dreifacher Perspektivenwechsel: – auf Ebene des theoretischen Begründungszusammenhangs Wandel der abstrakt wissenschaftlichen Texte zu empirisch festzumachenden konkreten sozialen Kontexten, damit vom (abstrakten) Subjekt der reinen Vernunft zum realen sozialen Akteur – sowohl auf Ebene der sozialen Entstehung als auch der der Verwendung wissenschaftlichen Wissens Wandel der reinen Theorie zur wiederkehrenden Behandlung von partikularen Interessen und Perspektiven. – über den Problemlösungsaspekt hinaus Möglichkeit der Kritik des jeweiligen Konzepts durch Ethik als Wissenschaft und dessen Gestaltung. Über mögliche Kulturen der Ethik hinaus lässt sich auch die Kultur der Ethik und der Ethiker selbst thematisieren, d.h. ihr Verständnis von kultureller Ethik und der Tätigkeit dahinter. Fragen auch für die Unternehmensethiker können daher folgende sein: • Reflektieren Ethiker/-innen ihren eigenen Standort als Ausgangspunkt und Basis ihrer wissenschaftlichen Arbeit? • Erkennen sie die Ideologeme, die – z.T. ja versteckt – der Theoriebildung zugrunde liegen? • Reflektieren sie Institutionen und Organisationen, die sich mit Ethik befassen, in ethischer Hinsicht kritisch?

172

5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

• Kritisieren sie die sozialen Kommunikationsstrukturen (und letztlich Machtverhältnisse) innerhalb des Ethik-Gebäudes nach ethischen Gesichtspunkten? • Lässt sich ein kulturethischer ‚Diskurs‘ unter Beteiligung möglichst vieler etablieren, der über die Bearbeitung konkreter Themenfelder hinaus die Kultur des Faches selbst hinterfragt? Ob dies gelingt, hängt vom Blick auf die Wirtschaftswelt in den Unternehmensethiken ab. Zur Orientierung dient die umseitige Abbildung (nach Ulrich 1993, S. 3).

5.5.2

Dominanz der Welt 1

Der folgende Vergleich mag angesichts der Dominanz der „Lauwarmen“ (Bibel, Offenbarung 3:16,) oder der „Jenachdemer“ (Wilhelm Busch) opportun sein (lat.: opportunus = günstig): „Die darwinsche Evolutionstheorie beschreibt beispielsweise ein opportunistisches Prinzip in der Natur. In der Ökologie bezeichnet Opportunismus ein Verhalten von an sich harmlosen Parasiten, die bei einer Abwehrschwäche des Wirtes zu gefährlichen Krankheitserregern werden (siehe unter Parasitismus)“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Opportunismus). Die Rahmenordnung, die in Rechtsnormen moralische Werte quasi interessenfrei implementiert und mit ihren Gesetzeslücken auch Gelegenheiten schafft, reicht für manche Ansätze als Ort der Moral aus. Daher lässt sich der ethische Konflikt zwischen unverzichtbar ungehemmtem Erfolgshandeln und sozialer Verantwortbarkeit gemäß den legitimen Interessen aller Stakeholder nicht lösen. Die ökonomische und ethische Welt bleiben nicht nur unverbunden, sondern angesichts der erdrückenden moralischen Fakten spannt das rechtlich verbürgte Gewinnstreben in der dominierenden Welt 1 die Ethik aus der extern erscheinenden Welt 2 vor ihren Karren. Dem freien Spiel der losgelassenen Marktkräfte genügt das Steuerungsprinzip: ‚Der Markt (Handlungsssubjekt?) wird alles selbst richten.‘ Das ethisch unreflektierte ökonomische rationale Erfolgshandeln, dem die Moral nach dem Gesetz ausreicht, antizipiert selten die sozialen Folgen des Wirtschaftens. Da der Großteil der Unternehmensethiken in der BWL mehr die Bestandserhaltung in der Wirtschaft legitimiert, als tragfähige alternative ethische Konzepte zu entwickeln, fordern sie die Sozialverpflichtung des Privateigentums nicht konsequent ein. Dann bleibt fallweise lediglich der staatlich vermittelte öffentliche Druck einer Zivilgesellschaft als Mittel, um eine republikanische Zweite-WeltEthik für das Allgemeinwohl, d.h. den Großteil der Bürger, einzufordern. Die Unternehmensethiken bewegen sich meist in dieser Welt 1. Dies betrifft auch die so genannten formalen Diskursethiken. Sie vertreten zwar theoretisch eine Welt 2, kritisieren die bestehenden Machtverhältnisse aber nicht. Daher sind sie weit davon entfernt, einen echten Beitrag zum organisatorischen Abbau von internen Verantwortungsbarrieren zu leisten (siehe Hesseler 1999). Voraussetzung dazu ist folgendes: • Organisations- und Personalentwicklungsmaßnahmen zum Erlernen von Zivilcourage als innovative Veränderungskompetenz (Dovermann, Frech, Gugel (Hrsg.), 2004) und die Transformation von gelerntem opportunistischem in nicht-opportunistisches Handeln

5.5 Ethische Kritik aus sozio-kultureller Sicht

173

• Aufhebung der unglückseligen Verkopplung Principal (Vorgesetzter) und Agent (Mitarbeiter) und des Misstrauenskreislaufs durch systematische Reaktivierung verschütteter Werte und moralischer Kompetenz (siehe Retzmann 1997, Brinkmann, Steenbuck 2002). Zweifel daran sind berechtigt. Insofern gleicht der folgende Abschnitt einer konkreten Utopie, von der einige Unternehmensethiker in gesicherter wissenschaftlicher Position wie von zugelassenen Erinnerungen träumen. Ethik lediglich als wissenschaftlicher Weichspüler für ökonomisch ungeregeltes Handeln?

5.5.3

Außerökonomische Ethik als konkrete Utopie

Zwar geht es nicht ohne einen gesetzlichen Rahmen, d.h. die verfassungsrechtlichen Vorgaben eines republikanisch konzipierten Unternehmensrechts (Gröschner 1998, S. 64ff.). Insbesondere aber, wenn die privaten Gewinne oder Verluste ins Uferlose steigen, fordert die Bürgergesellschaft eine kürzere rechtliche Leine. Ein zunehmender Grad staatlicher Regulierung oder rechtlicher Eingriffe auf Grundlage längst notwendiger Reformen des Unternehmensrechts gelten in der Praxis dagegen als unökonomische Störfaktoren. Dabei bleiben zu ergreifende ethische Maßnahmen doch kontraproduktiv, wenn sie das alte System mit seiner alten (Un-)Moral unangetastet lassen oder allenfalls oberflächliche Korrekturen zur wirtschaftlichen Optimierung und Dynamisierung vorschlagen: „Geboten ist die strikte Abkehr von der neoliberalen Deregulierungspolitik, die am Finanzmarkt ins Fiasko und am Arbeitsmarkt in die Ausbreitung des Hungerlohns geführt hat. Es braucht Regeln und verlässliche Kontrolle, um zu verhindern, das Gewinne stets privat eingestrichen, Verluste aber der Allgemeinheit aufgedrückt werden“ (Bsirske 2008, S. 3). Die ethische Verbesserung der bestehenden Moral bedarf zwar der sozialen Gestaltung von Machtverhältnissen und ihrer Ausbalancierung, aber auch immer noch der Macht. Die ‚Guten‘ haben sie wohl nicht. Zwar wusste z.B. das BIZ schon Jahre vor der Banken- und Finanzkrise Bescheid, konnte sich aber nicht gegen den Chefideologen Greenspan, der mit seiner Niedrigzinspolitik den Boden für die Krise mit vorbereitet hat, durchsetzen. Die Umsteuerung zur ethischen Reflexion und Gestaltung der Welt 1 durch die Welt 2 dürfte in diesem Rahmen noch eine Utopie bleiben. Merkmale wären z.B. folgende:

Merkmale der Welt 2 als konkrete Utopie • Ablösung des Menschen als Mittel (disponibles Personal): – Verengung der ökonomischen Sichtweise menschlicher Eigenschaften auf reine Bedürfnisbefriedigung, d.h. Vorherrschen des ökonomischen Äquivalenzprinzips „Einsatz der Human Resources“ gegen Bezahlung unter dem vorgegebenen Zwang „Arbeit-Leben-Arbeit“ – im Rahmen einer instrumentellen Zweck-Mittel-Strategie versüßende materielle oder immaterielle Anreize sowie Bindungsmaßnahmen zur Aktivierung einer WirKultur (wir gehören alle zu einer Familie)

174

5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik legalisierter ‚Sozialklimbim‘ an der Oberfläche, ohne bestehende Machtverhältnisse mit dem Ziel einer ernsthaften demokratisch legitimierten sozialen Korrektur zu ändern – nur ethisches Ausbalancieren des Verhältnisses zwischen Unternehmen (Eigentümer, Management) und dem einzelnen Unternehmensmitglied Relativierung der instrumentellen Auffassung von der Befriedigung beliebiger ökonomischer Bedürfnisse: – nach dem Maximierungsprinzip – unabhängig von den Einstellungen, Wertorientierungen, Kompetenzen, moralischer Urteilskraft Verwirklichung eines höheren Maßes an Selbstverwirklichung und Lebenschancen für Privilegierte und Nicht-Privilegierte Stärkung der wirtschaftlich handelnden menschlichen Individuen als moralische Person, v.a. durch interne Aufwertung/Förderung moralischer Fähigkeiten Voraussetzung: faktische Geltung von Werten wie Freiheit, Würde und Annahme der einzelnen Person, sozialer Gemeinschaftlichkeit nicht nur im Rahmen formaler Arbeitsteilung, sondern Freiheit zur Selbstbestimmung und Autonomie für alle Folgen: – unter passenden Rahmenbedingungen Entwicklung eines jedes Individuums zu einem selbstständigen unveräußerlichen handlungsfähigen Subjekt und Persönlichkeit mit moralischer Verantwortungsübernahme – keine Haftbarmachung von abstrakten Rechtssubjekten ohne Ansehen der Person wie von Eigentümern, sie vertretenden Managern und letztlich Mitarbeitern –



• • • •

Tab. 25: Merkmale der Welt 2 als konkrete Utopie

Die Chancen einer 2. Welt (ob als Gegenwelt oder gleichberechtigter Part in der 1.) wachsen umgekehrt proportional dazu, ob die Machtträger per Einsicht, schlechtem Gewissen, Gemeinwohlverpflichtung und Vernunft Macht abgeben. Es äußern sich ja – wohl ungehört von Politikern – auch Milliardäre, die gern mehr Steuern für das Gemeinwohl zahlen würden. Manager und Eigentümer von Unternehmen müssten mehrheitlich zustimmen, eine alternative, mehr Kooperation und Beteiligung ermöglichende Unternehmenskultur zu schaffen. Dazu müsste eine gemeinsame kritische Auseinandersetzung mit der eigenen fragwürdig gewordenen IST-Kultur, die z.B. folgende Merkmale kennzeichnet, ausgehandelt werden: • • • • • • •

Macht ohne Maß Mangelnde Solidarität Soziale Ungerechtigkeit Herstellung umwelt- und gesundheitsschädlicher Produkte Fehlinformation des Kunden Bilanzkosmetik Egozentrische Interessendurchsetzung.

5.5 Ethische Kritik aus sozio-kultureller Sicht

175

Sofern eine umfassende Beteiligung Voraussetzung für das Verhandeln einer neuen SOLLUnternehmenskultur wäre, deutet Vieles darauf hin, dass sich eine 2. Welt wohl nicht ohne Konflikte etablieren lässt. Dabei können ethische Verbesserungen entlang eines Mehr an Personalität und Würde doch auch aus ökonomischen Erwägungen Sinn machen. Dann würde eine wie auch immer von außen initiierte Ethik die bestehende Moral so verbessern, dass im Vergleich zum Nichtstun nachweislich ein höherer wirtschaftlicher Erfolg entstehen könnte. Entgegen einer realitätsfernen Kantschen Vernunftethik würde dazu durchaus die Einhaltung eines empirisch interessenoffenen Standpunkts beitragen können. Dabei ist aber erst einmal von der Realität auszugehen, dass der business case Vorrang vor dem moral case hat (entgegen Beloe et al. 2004, S. 38). Erst auf dieser Basis lässt sich der Normalfall der problemlosen Verfolgung ökonomischer Ziele, den gegebene Gesetze, Verträge, Zwang, Existenzdruck absichern, öffentlich thematisieren: • Das dem Gemeinwohl verpflichtete Eigentum als Rahmen für die Selbstbestimmung aller in der Wirtschaft • Die besondere Achtung der Würde und Berufsfähigkeit jedes Menschen • Die vollständige Ausschöpfung von Potentialen aller faktisch und nicht nur formal freien und gleichen Menschen, da bisher nur Bruchteile ihrer menschlichen Möglichkeiten, nämlich die für die Gewinnsteigerung, verwertet werden • Ihre hierarchiearme informelle Zusammenarbeit. Kann dabei „Ethik“ ohne angemessene ethische Rahmenbedingungen durch ökonomische Rationalität hindurch wirken? Der Innensicht verpflichtete Ethik-Programme, für deren Entwicklung vielleicht sogar externe Beratungsleistungen eingekauft werden müssen, kleistern ja z.T. wie ein ideologischer Überbau die Machtverhältnisse zu: v.a. im Gewand von Führungsethiken. So kann das gute Leben des Großteils der „konsumierenden“ Bürger (und Kunden) nicht zum höchsten Ziel ökonomischen Handelns werden.

5.5.4

Kulturelles Potential von Reziprozitätsbeziehungen

Im Grunde genommen lässt sich die Verträglichkeit der zwei Welten oder die Einsicht darin, dass es womöglich nur eine Welt gibt, nur beurteilen, indem man die konkrete soziale Handlungskonstellation in Unternehmen untersucht. Im Zuge einer radikalen kulturethischen Betrachtung wird man dann darauf stoßen, dass das ökonomische Äquivalenzprinzip nicht uneingeschränkt herrscht: trotz der Rückbildung von Gesellschaft in Unternehmen im Sinne der Abnahme der normativen Verbindlichkeit sozialer Beziehungen. In vormodernen Formen des Wirtschaftens dominieren noch in Reziprozitätsbeziehungen Solidarität, Freundschaft, Vertrauen, Engagement: selbst auf illegalen Märkten. Doch auch unter heutigen industriellen Produktivitätsbedingungen ist das ökonomische Äquivalenzprinzip noch latent durchsetzt von sozialen Beziehungen: vor allem in KMU. Es ist social embedded, so dass nicht nur materielle Beweggründe Wirtschaften diktieren (Polyani). Gerade KMU proklamieren hartnäckig das Leitbild vom ehrbaren, hanseatischen, Güter vermittelnden Kaufmann (auch des Bankiers). Seine Ehre hängt von seinem wirtschaftlichen Ruf und damit von seiner Vertragsmoral per ‚Handschlag‘ (Klink 2007, 2008) und der Geltung des Prinzips des anständigen und redlichen Handelns nach Treu und Glauben ab (§ 242 BGB). Gerade in den KMU dominiert wohl nicht uneingeschränkt der untersozialisierte oder asoziale Homo oeconomicus.

176

5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

Dass das Gegenteil für sich allein funktional ist, wäre naiv. Übersozialisierte moralische Werte und Normen allein können nicht Mittel zur der Situation angemessenen Schaffung sozialer Institutionen wie z.B. Unternehmen sein. Offensichtlich besteht der Kompromiss darin, ethisch auf die moralische Selbstreferenzialität des ökonomischen Systems zu setzen. Dies hat die sozio-ökonomische Netzwerkforschung bereits nachgewiesen und forciert (Hesseler, Werner 2008). Sie richtet die Aufmerksamkeit zunächst auf die persönlichen, auf Reziprozität angelegten sozialen Beziehungen, aus denen sich formalisierte Tausch- und Kooperationsbeziehungen ergeben, aber eben auch hierarchisch strukturierte Kooperationsbeziehungen und Interessenverhältnisse. Aus Letzterem darf nicht gefolgert werden, dass sich Organisation als geistiges Bewusstseinsphänomen von den zusammen handelnden Akteuren trennen ließe. Schließlich sind organisierte ökonomische Transaktionen in fortlaufenden sozialen Beziehungen eingebettet, die über den Augenblick hinweg bindend sind. Reziprozität als wechselseitiges Geben und Nehmen von Leistungen und Gegenleistungen bestimmt sozusagen als universales Prinzip sozialen Handelns die andere Welt. Hier werden also nicht kurzfristig im Rahmen eines einmaligen vertraglich geregelten Vorgangs gleichwertige Waren nach dem einheitlichen Maß Geld und ausgehandeltem Preis ausgetauscht. Stattdessen geht es um eine angemessene, ungefähr gleichwertige Gegenleistung für Leistungen, die Bestand hat und auf stabilen vertrauensvollen und verlässlichen Beziehungen basiert. Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit sind Voraussetzungen dafür. Dadurch entstehen erst sozialmoralische Bindemittel im Sinne von verbindlichen wechselseitigen Verpflichtungen. Gerade die Zunahme von netzwerkähnlichen ökonomischen Strukturen bietet eine Chance dazu, ökonomisches Handeln mehr auf Reziprozität und vertrauensvolle Kooperationsbeziehungen als auf Macht und Hierarchie auszurichten. Beide Organisationsformen sind allerdings von Koordination und Information abhängig. Dies könnte ein autonomes und selbstbestimmtes Management von Beratungsprojekten gewährleisten. Über reine Kosmetik hinaus bedeutet dies die Reanimierung des alten Weges, endlich wieder mit den informellen inner- und zwischenbetrieblichen Netzwerken ernst zu machen und den Wert des Sozial- und Vertrauenskapitals angemessen zu berücksichtigen.

Zur Verankerung von Moral und Ethik in sozialen Netzwerken Merkmale sozialer Netzwerke: • Freiwillige Mitgliedschaft von meist miteinander persönlich gut bekannten Menschen in produktiven und kreativen ‚Blindzonen‘ hinter formalen Strukturen • Nicht öffentliche Aktionszentren oder Verhandlungsarenen im Rahmen einer funktionierenden Unternehmenskultur (Form sozialer Figuration) • Hierarchiearme dezentrale Struktur, d.h. Selbstorganisation (Dynamik durch Selbstveränderung), Selbstreferenz und Selbstreflexion, Folge: Vertrauen als Mittel der Selbstkoordination, wenn auch mit Tendenz zur Desintegration • Symmetrische Verteilung von Möglichkeiten (explizites, implizites Wissen), sich aktiv einzubringen sowie miteinander zu kommunizieren und zu lernen, Folge: Auflösung des Konflikts zwischen Kompetenzen und Hierarchie

5.5 Ethische Kritik aus sozio-kultureller Sicht

177

• Schaffung einer gemeinsamen Wirklichkeit, indem eigenständige Einheiten (Individuen, Gruppen, Beziehungen) zu einem für alle Beteiligten vorteilhaften Netz verknüpft werden, Folge: Eigenverantwortung für den Kernprozess des Wissensmanagements • Sozialkompetenzen wie z.B. Fähigkeit und Bereitschaft zur vernetzten Kooperation und Kommunikation als ein zentrales Mittel der Transaktion, Folge: Entstehung von Sozial- oder Beziehungskapital: – einerseits als gemeinsam geteilte Erfahrung, das hinsichtlich Produktivität und Sozialverträglichkeit nach seiner Gleichverteilung im Zeitablauf gewichtet werden kann, sowie – andererseits als Brücke zwischen den internen – am Gemeinsinn und prosozialem Verhalten ausgerichteten – Bindungen in der Community of Practice (bonding) und dem wertschöpfungsorientierten Geschäftsalltag (bridging) Bedingungen der erfolgreichen Aktivierung von implizitem Wissen in sozialen Netzwerken: • Weniger die enge Vermittlung von aufgabenbezogenen Qualifikationen als die perspektivische Entwicklung übergreifender Kompetenzen: – Zusammenwirken von Wissens- und Wertanteilen (Sachwissen, Wertwissen wie z.B. Einstellungen und Wertorientierungen) – Folge: mit Hilfe der Externalisierung von implizitem Erfahrungswissen Entwicklung kontextabhängigen Handlungswissens (z.B. Fähigkeiten, Fertigkeiten, Bereitschaft) • Förderung sozialer Netzwerkkompetenzen (Sozialkapital) als deklarative und prozedurale Schlüsselkompetenzen für eine sozial vernetzte „Wertschöpfungswelt“ • Ausrichtung auf das gemeinsame Erreichen von Handlungszielen, damit Werte und Wissen in der personalen Motivationsstruktur zusammenwirken Ausgewählte Maßnahmebausteine auf Ebene der Wissensidentifizierung (Bedarfsanalyse impliziter Sozialkompetenzen): • Analyse von Texten aus Sprechhandlungen (Gesprächen) unter Berücksichtigung des auf körperlich-sinnlichen Erfahrungen beruhenden Erfahrungswissens sowie Mimik und Gestik • Tätigkeitsbezogene Beobachtungsinterviews zur Erfassung der geistigen Arbeitsanforderungen an Individuen und Gruppen, z.B. Erfahrungswissen für Kooperation/Kommunikation bei Auftragerfüllung • Narrative „Leitfadeninterviews“ in verteilten Rollen als „Experte“ und „Unwissender“ im Rahmen von Job-Rotation, Aufzeichnung des Gesprächs und Auswertung durch „Unwissende“, qualitative Inhaltsanalyse, Abspeichern in Datenbank mit Regelung der Zugriffsrechte • Identifikation des impliziten Erfahrungswissens durch die Analyse des Metaphergebrauchs in selbstbezogenen Aussagen (Selbstaufschreibung) Tab. 26: Vorzüge sozialer Netzwerke für Moral und Ethik

178

5 Allgemeine Ethik und Unternehmensethik

Diese soziale, d.h. an Menschen ausgerichtete Perspektive auf Unternehmen ist der Ausgangspunkt für eine Beratungsethik: für Consulting-Firmen und für den Beruf des Unternehmensberaters. Unternehmensethik hat bislang die indirekte strukturell-systemische Führung durch Kontextgestaltung nicht in Frage gestellt (Wunderer 2003). Diese Haltung führt dazu, dass Umsetzungsmodelle jenseits der Wertschöpfung zu reinen institutionellen Instrumenten werden, die die Ausführenden interessenlastig beeinflussen und damit dem Machterhalt dienen. Die positiven Errungenschaften des Netzwerkgedankens würden verpuffen, sieht man davon ab, dass auch informelle soziale Beziehungen durch ein Nebeneinander von Sicherheit, Stabilität und Abhängigkeiten gekennzeichnet sind: • Kein Bezugspunkt für die Reduktion von Unsicherheit in Unternehmen: – die informellen interdependenten, auch moralisch normierten Verflechtungen von Menschen – die Auschöpfung der Problemlösungskapazitäten nach innen und außen. • Nur funktionale Rationalität, d.h. Abflachen der Beschaffung, des Einsatzes und der Pflege informeller Ressourcen wie z.B. von Wissenskapital • Verspielen von Zukunft infolge fehlender nachhaltiger Kooperationsbeziehungen • Infolge des Vorrangs von starken formal geregelten Bindungen keine Förderung individueller Autonomie der Austauschpartner • Anstatt der Bildung von vertrauensvollen Beziehungen sowie damit gemeinsamen Lernens durch Kommunikation im Wandel Dominanz einer individuellen Interessenauseinandersetzung als Mittel der Reduktion von Komplexität, Folgen: – weiterhin Lösung von Konflikte durch Macht und weniger durch Kooperation und Kommunikation – Entfallen dementsprechender organisatorischer Vorkehrungen (z.B. Teamorganisation von Beratung).

6

Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

Die folgenden Abschnitte gehen positiv davon aus, dass sich die Unternehmensberatung von einer Quasi-Profession (siehe Kap. 4.3.1) zu einer Profession entwickeln kann.

6.1

Worum es geht

Eine Profession kennzeichnet einen funktionierenden Wechselwirkungszusammenhang zwischen berufsethischen und berufsrechtlichen Normen, die sich gegenseitig unterstützen: • Erfüllung oder Unterstützung berufsethischer Anforderungen durch ein Berufsrecht • Wenn dem Gesetzgeber die erforderliche Fachkompetenz im Praxisfeld fehlt und/oder der Verrechtlichungsdruck nicht ausgeprägt ist, Vereinbarung ergänzender berufsethischer Normen als ‚Soft-Law‘ • Verwendung berufsethischer Normen für die Interpretation von Generalklauseln im Berufsrecht oder der beruflich relevanten Gesetzgebung. Eine berufsrechtlich abgesicherte Berufsbezeichnung Unternehmensberatung fehlt. Daher müssen berufsethische Normen Beratungsdienstleistungen allein legitimieren, also die konkrete Arbeit des Beraters im Beratungs- und Kundenunternehmen. Um welchen Wirkungsund Gestaltungszusammenhang es geht, verdeutlicht die folgende Abbildung. Ersatzweise kann sich Unternehmensberatung auch am Berufsstand von Ärzten oder Wirtschaftsprüfern oder an den Ethikkodizes von Ingenieuren oder Informatikern orientieren, deren Produkte aber materiell fassbarer sind. Dafür werden die Anforderungen an die Beratungsqualität (Effizienz, Effektivität, Reputation) und ein organisatorischer Rahmen für die Umsetzung in Rollen, Tugenden, Kompetenzen entwickelt.

Wettbewerbssituation:

6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf Übersicht professionell-ethische Regelungen und Umsetzung in Beratungsprojekte Vorher

Fortschritt der Veränderung der Projektkultur und des moralischen Klimas

Nachher

Gemeinsam geteilte berufsethische Regelungen und berufliche Kompetenzen als Vorgaben

Moralische Kompetenzen als Input

Menschen haben vorher:

$ Moralischen Reifegrad $ Erfahrungen, Werte-/Sach-/ Handlungswissen $ Motivationen (Einstellungen, Werte, Interessen) $ Medienkompetenzen $ Potentiale/Vermögen $ Zweckrationales Wissen (vernetzte Wissensinhalte, Informationen/Daten)

Veränderungsgegenstand „Nachhaltige Initiierung einer ethischen Verbesserung bestehender Berufsmoral in Beratungsprojekten“

Maßnahmen $ Systematische Vorbereitung, Prozessbegleitung, Nachbereitung entsprechend Berufsrollen $ Etablierung einer kooperativen Projektkultur und moralischen Klimas (Leitbildprozess) $ Unterstützung durch schlanke Projektorganisation, klare Rollenverteilung, Kommunikationsmöglichkeiten im Team $ Zielgenaues „ethisches Konfliktlernen“ (Bildung, Förderung) nach moralischen Dilemmata- bzw. $ Zwangssituationen im Beratungsgeschäft

Moralische Kompetenzen als Output

Menschen haben nachher:

Beständige Transferwirkungen

Anforderungen des Beratungskunden

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$Moralischen Reifegrad $Erfahrungen, Werte-/Sach-/ $Handlungswissen $Motivationen (Einstellungen, (Werte, Interessen ) $Medienkompetenzen $Potentiale/Vermögen $Zweckrationales Wissen (vernetzte Wissensinhalte, Informationen, Daten

Mehrfaches iteratives Durchlaufen

Abb. 18: Worum es bei der Umsetzung in Beratungsprojekte geht

6.2

Berufsnormen zur professionell-ethischen Steuerung und Unternehmensethik

6.2.1

Unternehmensethik und Berufsethik

Berufsgrundsätze und dementsprechende Kodizes – wie auch immer in Unternehmen institutionalisiert – richten sich meist an individuelle Berufstätige. In Beratungsunternehmen handeln zwar auch einzelne Berater. Ihre individuellen Handlungen werden allerdings in einem (vertikal, horizontal) arbeitsteiligen Zusammenhang organisiert und führen so schrittweise zu einem kollektiven Handlungsergebnis in Form eines Produkts für Kunden. Die Qualität des Beratungsprodukts und die Folgen der Anwendung der Beratungslösung beim Kunden lassen sich daher den einzelnen Fachberatern oder Managern in der Beratung als Handlungssubjekte schwer zurechnen. Dies gilt auch, insoweit dabei ethische Kriterien zur Bewertung der Beratungsmoral Eingang gefunden haben. Dies hat für die institutionelle Verantwortungsethik von Beratungsunternehmen die Konsequenz, dass Verantwortung einem systematischen Verwässerungseffekt unterliegt:

6.2 Berufsnormen zur professionell-ethischen Steuerung und Unternehmensethik

181

• Mitverantwortung: Verringerung der individuellen Verantwortung durch – meist – hierarchische Aufteilung von Zuständigkeiten • Potenzierung durch den risky shift-Effekt: häufigeres Treffen von riskanteren Entscheidungen in „Gruppen“ oder in einem Gruppenverband als durch Einzelne • Diffuse Lösungsansätze als Folgeproblem: – Nur für Individuen als eigenständige Handlungs- und Verantwortungssubjekte – Für Unternehmen als Handlungssubjekte ohne Verantwortung – Für handlungs- und verantwortungsfähige Unternehmen – Stellvertretende Handlungs- und Verantwortungsfähigkeit für die Führungskräfteebene (Management als Institution, einzelne Manager). Unter Berücksichtigung der Konkretisierung oder Setzung anerkannter oder anerkennungswerter ethischer Normen für bestimmte Handlungsbereiche muss man sich daher erst einmal der Unterschiede zwischen Unternehmens- und Berufsethik vergewissern: • Handlungsbereich Unternehmensethik: nach der Diagnose unmoralischen Beratungshandelns und moralischer Konflikte Erarbeitung ethischer Konzepte für die Verbesserung der bestehenden Moral in der jeweiligen Praxissituation – zur Steuerung des Handelns der zusammenarbeitenden Individuen sowie – in ordnungspolitischer Absicht zum ethischen Ausgleich der Gesetzeslücken durch eigene Institutionalisierungsversuche • Handlungsbereich Berufsethik: Nach der Diagnose individuellen moralischen Fehlverhaltens oder moralischer Gewissenskonflikte Entwicklung ethischer Konzepte zur situationsangemessenen Verbesserung – der Ausübung eines Berufs und – individueller Aufgabenerfüllung im Unternehmenskontext. Voraussetzung einer möglichen Integration ist die Unabhängigkeit moralisch normativer Prinzipien der externen und internen Rahmenordnung: • Sowohl gegenüber der ethischen Vernunft • Als auch dem ökonomischem Gewinnstreben (Rationalität) gegenüber. Dann können ethische Normen und Rechtsnormen gemeinsam einen abgestimmten Beitrag zur Legitimation individueller, am Eigeninteresse ausgerichteter Handlungsorientierungen im Beratungsunternehmen leisten sowie handlungswirksam die normativen Grenzen für diese Interessenverfolgung festlegen. Insofern Wissen darüber in die Entwicklung geeigneter Ethikmanagement-Maßnahmen münden soll, müssen inhaltlich konkrete unternehmens- und berufsethische Anforderungen an die Stakeholder (Aufgaben, Rollen) formuliert werden. Sie sollen die Entwicklung und Wirkungen (z.B. Arbeitsqualität, Werte der Betroffenen, Selbstbestimmung) von professionell und moralisch verantwortbaren Beratungsleistungen im Beratungsunternehmen selbst (Berater, Organisation) und im Kundenunternehmen (einzelner Klient, Organisation) steuern. Leitend ist dabei die soziale Verantwortungsethik, die sich in der Beziehung zwischen dem Unternehmensberater als Verantwortungssubjekt (Management, Projektteam, einzelner Berater) und dem Kunden/Klienten (mittelbarer/unmittelbarer Nutzen der Beratungsleistung) als Verantwortungsobjekt manifestiert.

182

6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

Welche Unterstützung leisten dabei für die Umsetzung inhaltlich die eher institutionell angelegten Unternehmensethiken angesichts der obigen grundsätzlichen Kritik? Bei der Zuschreibung von ethischer Verantwortung ist auf Folgendes zu achten: • Gemeinschaftliches Handeln und Verantwortung aus der Summe individueller Beiträge, auch wenn die Beratungsziele ohne Kommunikation erreicht werden könnten • Wegen des arbeitsteiligen Projektgefüges nur ungenügender Nachweis des Zusammenhangs zwischen der Berufsausübung eines einzelnen Projektmitglieds und den entstehenden (kollektiven) Wirkungen. Beratungsprojekte sind aber in mehrfacher Hinsicht gemeinschaftlich angelegt: • • • •

Verständigung der Berater innerhalb des Beratungsunternehmens Verständigung der abgestellten Mitarbeiter innerhalb des Klientenunternehmens Verständigung beider Seiten im Projektteam Verständigung der Berater und auch Projektteammitglieder aus dem Kundenunternehmen mit den Nutzern der Projektergebnisse dort oder anderswo.

Das einzelne Projektteammitglied kann zwar nicht die individuelle Verantwortung für die gemeinschaftlich erstellte Beratungsleistung allein übernehmen. Aber einzelne Beratern konzipieren im Projektteam Beratungsdienstleistungsanteile, indem sie Arbeitspakete individuell bearbeiten und im Rahmen des Gesamtprojekts fachlich verantworten. Dies ist im Zusammenhang mit der Behandlung von möglichen Änderungen, dem Risiko- und Fehlermanagement und den Wirkungen für die Gesamtlösung zu sehen. Insgesamt sind alle Projektteammitglieder – in Abhängigkeit von den gegenseitigen Rahmenbedingungen auf beiden Seiten – für die Gesamtberatungsleistung verantwortlich. Dass in der Beratungspraxis das Management einzelnen Beratern die Schuld für den Eintritt eines Schadens zuschieben kann, ist bekannt. Vor diesem Hintergrund kann individuelle Verantwortungsübernahme auch bedeuten, dass der einzelne Berater sich aus ethischen Erwägungen nicht mehr mit der Gesamtlösung identifizieren und daher ihren produktiven Beitrag verweigern: offen oder versteckt. Dies ist allerdings durch die Einlagerung in vertraglich geregelte Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen erschwert, d.h. eine konsequent berufsethische Haltung gegen institutionelle Vorgaben durchzusetzen ist kaum möglich und/oder verlangt ein hohes Maß an Zivilcourage.

6.2.2

Berufsrechtliche und berufsethische Normen

Im Gegensatz zu berufsethischen Normen lassen sich berufsrechtliche Normen, die eine gemeinsame produktive Vereinigungsmenge mit berufsethischen Normen bilden sollten, folgendermaßen beschreiben: • Durch die Staatsgewalt in einem geregelten demokratischen Verfahren Festsetzung berufsrechtlicher Normen • Zuständigkeit staatlich anerkannter Organe für ihre Durchsetzung • Formelle Sanktionen bei der Verletzung berufsrechtlicher Normen.

6.2 Berufsnormen zur professionell-ethischen Steuerung und Unternehmensethik

183

Rechtsnormen müssen der gesellschaftlichen Entwicklung nicht hinterherhinken, sondern können auch initiierende oder dynamisierende Wirkungen entfalten. Der Gesetzgeber könnte also auch wie z.B. in Österreich oder Kanada ein Berufsrecht für Unternehmensberater schaffen. Stößt dies auf ungeteilte Akzeptanz bei allen quasi-professionell arbeitenden Beratern? Könnte jeder seinen Beruf dann noch guten Gewissens ausüben? Im Fall der Unternehmensberatung verweist der deutsche Gesetzgeber anstatt auf berufsrechtliche Regelungen auf den Fundus professionellen Wissens im BGB (§ 276 Abs. 1: Sorgfaltspflicht; § 138 Abs. 1: gute Sitten). In einer Quasi-Profession wird die ethisch normative Selbstregulation daher zu einem moralischen Risikofaktor. Sieht man von ihrem problematischen Verhältnis ab, zielen sowohl Rechts- als auch ethische Normen auf gesollte moralische Handlungen. Es gibt aber Handlungen, die zwar gegen ethische Normen verstoßen, aber nicht rechtswidrig sind. Dazu zählt z.B. unkooperatives, nur dem Eigennutz dienendes und der materiellen Gier geschuldetes Verhalten. Rechtsnormen regeln z.B. den Straßenverkehr, dies ist aber nicht Gegenstand ethischer Normen. Bestimmte Verhaltensweisen wie mitmenschliches, solidarisches, an Gerechtigkeit orientiertes oder mutiges Verhalten (Zivilcourage) entzieht sich rechtlichen Regelungen. Wirtschaftliches Handeln kann, nach ethischen Normen bewertet, unmoralisch sein, obwohl Rechtsnormen jenes legalisieren. Man muss allerdings auch festhalten, dass Rechtsnormen oft Ergebnis einer Verrechtlichung allgemein anerkannter zentraler, d.h. für das Zusammenleben notwendiger ethischer Normen ist, wenn ihre Durchsetzung sich als unmöglich erweist. Die Gesellschaftsmitglieder erreichen so auf dem Wege der Staatsgewalt wenigstens ein ethisches Minimum für ihr Zusammenleben und Überleben. Es ist allerdings auch eine Machtfrage, ob im Falle einer drohenden Umweltkatastrophe der Autoverkehr wegen des CO2-Ausstoßes am Wochenende verboten wird. Ethische Normen gewinnen auf der einen Seite in rechtlichem Gewand Verbindlichkeit und Einheitlichkeit, gelten für alle Bürger gleichermaßen. Auf der anderen Seite muss die Rechtsdurchsetzung wiederum die im GG manifestierten ethischen Normen beachten. Außerdem können manche Rechtsnormen nur mit dem Verweis auf ethische Normen ausgelegt werden. Berufsethische Normen lassen sich in diesem Zusammenhang folgendermaßen kennzeichnen: • • • •

Appell- und Empfehlungscharakter ohne Gehorsamspflicht wie in Ge- und Verboten Abhängigkeit ihrer Einhaltung vom Glauben an ihre Richtigkeit Definition der Adressaten als Vernunftwesen mit freiem moralischen Willen Ermöglichung informeller Sanktionen in Form von Mitteln sozialer Anerkennung oder Ächtung • Infolge ihrer Pluralität keine Erreichung eines gesellschaftlichen Konsenses über die verbindliche Geltung von Kriterien im Normal- und Konfliktfall • Vertrauen auf die freiwillige Einhaltung ohne Zwang.

Berufsethische Normen enthalten Anforderungen, wie Experten einer Profession – in diesem Fall des Beratungsberufs – ihr spezielles Fachwissen verwenden sollen. Die Frage muss also beantwortet werden, welche Handlungsweisen erlaubt, geboten und welche zu unterlassen sind, aber auch wie man klugerweise handelt. Gerade aber wenn moralische Risse im

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

Gebäude von Professionen ins Auge fallen oder sich nachweisen lassen, schaffen ethische Normen eine nachhaltige Basis: • Für die praktische Verbesserung bestehender moralischer Normen (morality) bzw. • Für eine Abkehr von unmoralischen Praktiken wie z.B. unseriöser, da nicht leistungsangemessener Honorarforderungen. Ein wichtiger Zwischenschritt ist die Reflexion über diesen Zusammenhang, wobei operationalisiertes unternehmensethisches Orientierungswissen – z.B. der Tugend- und Klugheitsethik – helfen kann. Insbesondere der Unternehmensberatung muss es darum gehen, über die eigene Verantwortung nachzudenken, die sie aufgrund ihrer Expertenmacht gegenüber Nicht-Experten hat. In einer nutzenorientierten Verantwortungsethik lässt sich die Praxis des „Für-etwas-Rede-und-Antwort-Stehens“ dabei auf folgende „Formel“ herunterbrechen: „Jemand (Subjekt) ist für etwas [Gegenstand = Folgen, M.H.] vor oder gegenüber jemandem (Instanz) aufgrund bestimmter normativer Standards (Normhintergrund) – prospektiv – verantwortlich. Bzw.: Jemand (Subjekt) verantwortet sich – retrospektiv – für etwas [Gegenstand = Folgen, M.H.] vor oder gegenüber jemandem (Instanz) unter Berufung auf bestimmte normative Standards (Normhintergrund)“ (Werner 2006, S. 543; Unterstreichungen im Orginalttext kursiv, M.H.). Dabei muss die Frage beantwortet werden, welcher Verantwortungsträger die legale und legitime Macht hat: • Die Verantwortung für die Handlungsfolgen subjektiv nicht zu übernehmen • Sie zu ignorieren, zu delegieren, zu neutralisieren, umzubiegen oder zu vertagen. Dabei ist auch die Sozialpsychologie gefragt, um die Attributionen als Interpretationsmuster der Erfahrungswelt in Projekten besser verstehen zu können. Es wäre nämlich wichtig, in Gruppen den Zusammenhang zwischen den Ursachen von Handlungen (Tatsache, dass jemand diesen Grund besaß), Rechtsgründen (Inhalte von Überschreitungen bei Handlungen) und Folgen zu klären. Die zu Beratenden sollen jedenfalls einen Vertrauensvorschuss geben. Insofern dient die Vereinbarung berufsethischer Normen der Entwicklung vertrauensbildender Maßnahmen zwischen Beratern und Kunden/Klienten, die die Arbeit von Beratern meist nur ungenau einschätzen können. Gerade eine systematisch kodifizierte Berufsethik kann ein verallgemeinertes Vertrauen bei den „Laien“, die Stakeholder ohne spezialisiertes Fachwissen im Gegenstandsbereich sind, gegenüber der Gruppe der Unternehmensberater insgesamt bewirken. Von diesem Vertrauen profitieren: • Einzelne Berater • Der Berufsstand der Berater in der Gesellschaft sowie • Unternehmen und Einzelberater als Unternehmer, die sich daran orientieren können und/oder als Grundlage für eigene ethische Grundsätze verwenden können. Dabei werden folgende Probleme erkennbar: • Selten Verfügbarkeit verlässlicher Beratungsgrundsätze, an denen sich konkrete Erwartungen an die Profession ablesen lassen (siehe aber Änderungen in den aktuellen Berufsgrundsätzen des BDU)

6.2 Berufsnormen zur professionell-ethischen Steuerung und Unternehmensethik

185

• Keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür, dass sich die Stakeholder auf die Einhaltung berufsethischer reputationswürdiger Normen verlassen können • Durch den Berufstand/Berufsverband keine Garantie von Sanktionen im Fall der Verletzung von möglichen berufsethischen Normen und/oder der moralischen Gefährdung professionellen Handelns • Kein sozialer Druck durch moralisch abweichendes, nicht-kooperatives (opportunistisches) oder die Interessen anderer existentiell tangierendes Verhalten • Wegen des nicht erkennbaren Nutzens selten Spezifizierung von berufsethischen Grundsätzen für die einzelnen Beratungsunternehmen in ihren konkreten Beratungssituationen, die moralische Zwänge hervorrufen • Kein öffentlicher Druck, die berufsethischen Normen in einem berufsrechtlich verbindlichen Rahmen zu verankern. Beratungsgrundsätze müssen demnach vor allem Zuordnungsprobleme zwischen einer Berufsethik für den einzelnen Berufstätigen im Unternehmen (und damit in Beratungsprojekten) und einer Unternehmensethik für das wirtschaftliche Handeln einer Institution lösen. Von daher hilft die Identifizierung von Anforderungen aus kommunikativer Sicht weiter, um die Erstellung von Beratungsleistungen und damit ihre Wirkungen auch nach ethischen Prinzipien steuern zu können. Dabei müssen die bekannten Probleme, die sich auf der Vermittlungsebene Management zeigen, berücksichtigt werden. Zu verhandelnde und umzusetzende berufsethische Basisnormen werden im folgenden Kapitel dargelegt.

6.2.3

Berufsethische Basisnormen

Die folgenden Basisnormen stehen in einem Zusammenhang. Glaubwürdigkeit Hier steht die Frage im Mittelpunkt, ob z.B. ein Kunde einer Person (z.B. einem Berater), d.h. seinen Worten, Fähigkeiten und Taten, glauben kann oder bereit dazu ist. Davon hängt der Handlungserfolg ab, beginnend bei den Erwartungen bzgl. der Handlungsabsichten, der Einschätzung des Wahrheitsgehalts der Aussagen, der Kompetenz und Erfahrung, der Einhaltung von Versprechen oder Sanktionen. Mit Abnahme der Glaubwürdigkeit (engl. credibility) sinkt die positive Beeinflussbarkeit erheblich. Daher ist es nicht nur wichtig, selbstbindende Verpflichtungen einzugehen und einzuhalten, sondern dies auch wirkungsvoll zu kommunizieren. Ein offenes ernsthaftes und transparentes ‚Spiel‘ gegen Bluff und falsche Anreize in Richtung eines opportunistischen Verhaltens ist dabei hilfreich. Unter Umständen dürften auch Verträge als Instrument eher die Glaubwürdigkeit untergraben, wenn sie bloßer Ausdruck einer Misstrauenskultur sind. In China ist ein vertrauensvolles Geschäft gleichbedeutend mit dem Erfahrungsgrundsatz, in sozialen Beziehungen/Netzwerken mit persönlichen Einflussmöglichkeiten (guanxi) das Gesicht zu wahren und den anderen sein Gesicht wahren zu lassen. Dabei ist ‚mianzi‘ mit dem sozialen Status und Prestige verbunden, ‚lian‘ mit moralischer Integrität und Sozialverhalten als Ausdruck von absolutem Respekt. Dies hat sehr viel mit Ehre und sich Schämen sowie dem Streben nach sozialer Anerkennung zu

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

tun. Indiz dafür kann auch sein, ein schriftliches Agreement für die partnerschaftliche Zusammenarbeit in einem internationalen Projekt zu akzeptieren, das keine Unterschriften trägt. „Face is to Man what bark is to trees.“ Vertrauenswürdigkeit Die Definition von Vertrauenswürdigkeit im Sinne des Vertrauens würdig führt zu einem bestimmten Verständnis, das zwischen Vertrauen als Fürsorgeleistung, als potentieller Schuld infolge der Zurechenbarkeit einer Pflicht und als Legitimation aufgrund eines Images liegt. Vereinfacht ausgedrückt, ist Vertrauen zwar begründet durch Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Authentizität, wirkt sich aber auf zukünftige Ergebnisse aus. Dabei besteht Vertrauen nicht nur in der Hoffnung auf positive Entwicklungen in der Zukunft, sondern – bei bestehender Handlungsalternative – in der Erwartung, dass sich die zukünftigen Handlungen von Personen im Rahmen von gemeinsam geteilten moralischen Normen bewegen werden. Die einschlägige Gesetzgebung muss oft als Rahmen ausreichen. Pragmatische Versuche hat das Marketing unternommen (zum Wissensmanagement: Hesseler, Sanders 2005). Es existiert aber keine einheitliche Theorie des Vertrauens, schon gar nicht in den Wirtschaftswissenschaften. Gerade die systemische Beratung und Therapie lehnt sich gern an die abstrakte Systemtheorie von Luhmann an (2000). Unter Ausklammerung der Einzelnen versteht er Vertrauen als einen „Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität“ und dabei als „riskante Vorleistung“ infolge eines Planungs- und Informationslags. Dies führt insofern nicht weiter, als Systeme wie z.B. Unternehmen keine Handlungssubjekte sind. Nur Menschen, Personen, Individuen können vertrauen oder misstrauen. Sie gehören nicht zur Umgebung eines Systems. Zuverlässigkeit Der Bedeutungsbereich kann sich auf jede Art von Verlässlichkeit von Personen beziehen. Unzuverlässig sind wankelmütige Personen. Zum Beispiel kann ein Auftraggeber auf Grundlage ihm bekannter Tatsachen für sich eine Prognose erstellen, um die Verlässlichkeit eines bestimmten Auftragsnehmers zu prüfen. Dabei werden vor allem die Risiken und Chancen abgeschätzt, die die Tätigkeit oder Leistungen des potentiellen Auftragsnehmers erwarten lassen. Grundfrage ist, ob – unter Angabe bestimmter Einflussfaktoren – der Zusammenhang zwischen Leistungen und Wirkungen erwartet werden kann und von welcher Qualität im Zeitverlauf auszugehen ist. Um Zuverlässigkeit genau zu erfassen, sind Indikatoren wichtig. Verantwortung Verantwortung wird hier nur im berufsethischen Sinne zusammengefasst und dabei hinsichtlich des moralischen Werteaspekts ergänzt. Verantwortung bedeutet allgemein, dass bei vorliegender minimal richtiger Gesinnung und moralischer Haltung sowie aufgabenbedingter Kompetenz (Zuständigkeit) ein Handlungssubjekt, Individuum oder eine Person für die Folgen oder Konsequenzen wie z.B. Erfolg/Misserfolg, Anerkennung, Verdienst, Schuld, Strafe, Schaden eigener oder fremder Handlungen geradestehen oder sogar Rechenschaft ablegen muss. Jemand ist nicht nur für das Eintreten, Nicht-Eintreten bei geplanten Folgen, er ist auch für mögliche negative Konsequenzen verantwortlich, auch wenn er moralisch korrekt gehandelt oder entschieden hat. Der Verantwortliche kann und muss alle möglichen Folgen

6.2 Berufsnormen zur professionell-ethischen Steuerung und Unternehmensethik

187

vorausdenken, vor allem wenn Verantwortung zur Pflicht wird. Dann begleitet ein Verantwortungsgefühl nachhaltig seine Handlungen. Voraussetzung dazu sind die Fähigkeit und Bereitschaft des Handelnden, Verantwortung zu übernehmen und dementsprechend angemessene Entscheidungen zu treffen. Es sollen ja die möglichst gewünschten Konsequenzen eintreten. Das ist allerdings insofern Interpretationssache, als sich das Verantwortungsgeschehen nicht auf Zweck-Mittel-Folgen-Zusammenhänge reduzieren lässt. Wie schon erwähnt, kann ja auch verantwortungsloses Handeln zu positiven Ergebnissen führen. Das sollte man allerdings nicht festschreiben, damit es noch auf die Moral ankommt und Verantwortung eine moralisch positive Größe bleibt. Wer verantwortlich handelt, kann also anderen Menschen schaden oder für sie Nutzen stiften oder Gutes tun. Gibt Geld jemandem nur die Freiheit, für andere Gutes zu tun? Es ist schwierig, Indikatoren oder Indizien für nachhaltig verantwortungsvolles Handeln zu finden, das sich wegen der Annahme freien Handelns nur wenig determinieren lässt. Von daher gesehen fällt es auch in bestimmten Managementpositionen trotz anderer Festlegungen leicht, eine echte Verantwortungsübernahme zu vermeiden oder dies dem Zufall zu überlassen. Dies hängt allerdings von Folgendem ab: • Wirksamkeit einer inneren oder äußeren Instanz, welche die genuine Folgenverantwortung und dabei auch die Selbst- und Mitverantwortung steuert • Geltung bestimmter sozialer Handlungsorientierungen für Verantwortung als zurechenbare und legitimierbare Metaleistung: – zur Erfüllung von Funktionen oder Zielen mit Bezug auf unterschiedliche Stakeholder – zum Abrufen bestimmter Werte im Motivationsgeschehen. Interessant wäre es zu klären, ob die Entscheidungen von Managern in Beratungsunternehmen eine betriebswirtschaftliche Austauschorientierung, die von Inhabern (Einzelunternehmer, selbstständige Berater) eher eine soziale Orientierung prägt. Dabei sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: • Einheitlichkeit der den Entscheidungen zugrunde liegenden Werte • Grad der Abschätzbarkeit der Folgen auch unter Berücksichtigung, dass sich die Folgen nicht umkehren lassen (höchstens verdrängen, schönen, umwidmen), sowie • Gegebene Handlungszwänge (z.B. Ressourcenverfügbarkeit). Seit (globaler) Reichtum nicht allein Ergebnis der Investition in ökonomisches Kapital ist, sondern immer häufiger das Ergebnis der Investition in soziales und ökologisches Kapital, gewinnt der Begriff soziale Verantwortungsübernahme jedenfalls für Unternehmen und deren Handlungsakteure an zunehmender Bedeutung. Berufswürdigkeit Vorbild für die Unternehmensberatung kann auch die WPO sein. Demzufolge ist das Vertrauen, das die Öffentlichkeit und die Mandanten in den Wirtschaftsprüfer setzen, ihr Kapital. Sieht man von der streng formal geregelten fachlichen Ausbildung bis zum Leisten eines Berufseids ab, ist das Verhalten der Wirtschaftsprüfer einem strengen Berufsrecht unterworfen. Seit ca. 15 Jahren gibt es eine zentrale Kontrollbehörde. Die Verhaltenserwartungen gegenüber dem Wirtschaftsprüfer haben sich in der WPO, in den diese auslegenden und konkretisierenden Richtlinien für die Berufsausübung der Wirtschaftsprüfer und zum Teil in

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

den §§ 319, 323 HGB niedergeschlagen. „Richtungsweisende Feststellungen“ schreiben die Verhaltensnormen aufgrund der Erfahrungen aus Rechtsprechung und Verwaltungsarbeit fort. Neben den Berufsgrundsätzen Unabhängigkeit und Unbefangenheit, Gewissenhaftigkeit, Verschwiegenheit, Eigenverantwortlichkeit und Unparteilichkeit soll dies auch der Grundsatz des berufswürdigen Verhaltens regeln. Entsprechend § 13 der Berufssatzung heißt berufswürdiges Verhalten Folgendes: (1) WP/vBP haben sich sachlich zu äußern. (2) WP/vBP sind verpflichtet, ihre Auftraggeber auf Gesetzesverstöße, die sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben festgestellt haben, aufmerksam zu machen. (3) WP/vBP dürfen die Verwendung ihres Namens und/oder ihrer Qualifikation zu gewerblichen Zwecken nur zulassen, wenn die Werbung in Bezug auf das Produkt oder die Dienstleistung und Durchführung mit dem Ansehen des Berufs vereinbar ist. Die Vorschriften des Vierten Teils bleiben unberührt. Wie andere Standesorganisationen hat auch die Standesorganisation der Wirtschaftsprüfer ein besonderes Interesse an der Wahrung ihres Ansehens. Die WPO bekräftigt daher die Verpflichtung der Berufsangehörigen zu berufswürdigem Verhalten. Wirtschaftsprüfer haben sich im Umgang mit ihren Kollegen kollegial zu verhalten. Mögliche Gesetzesverstöße, auf welche der Mandant aufmerksam zu machen ist, sind bspw. Steuerhinterziehungen. Insbesondere sind Tätigkeiten zu vermeiden, die dem Berufsstand schaden. Verwunderlich bleibt aber, dass auch diese Standesorganisation kaum Bestrafungen z.B. in Form sozialer Missachtung initiiert und/oder berufliche Verfehlungen mit öffentlicher Namensnennung versieht. Damit wird letztlich Zivilcourage als wesentliches Mittel gegen das unmoralische Trittbrettfahrersyndrom (Opportunismus) untergraben. Verfehlungen werden wohl weniger als Übertreten einer moralischen Norm, das zu Schuldgefühlen führen kann, verstanden. Sie werden als die Nicht-Einhaltung einer Konvention behandelt, die nur mit Verlegenheitsgefühlen einhergeht. Integrität Bezogen auf die Wirtschaftsprüfung bedeutet Integrität nach dem IFAC Code of Ethics (2007, Section 100.4 (a) und Section 110), dass sich Prüfer in Geschäftsbeziehungen offen und ehrlich verhalten sollen. Integrität (lat. integritas „Unversehrtheit“, „Intaktheit“, „Vollständigkeit“, aber auch Makellosigkeit, Unbescholtenheit, Unbestechlichkeit) ist ein ethisches Prinzip, das auf die Übereinstimmung zwischen idealen moralischen Werten und Normen mit der tatsächlichen lebenspraktischen Situation insgesamt zielt. Die persönliche Integrität decken z.B. Werte wie Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit und Fairness ab, die in Überzeugungen und Verhaltensmaßstäben ihren Ausdruck finden. Das Gegenteil ist korrumpierbares, d.h. negativ von außen gelenktes Verhalten. Integrität entsteht und wirkt in einem Wechselspiel zwischen eigenverantwortlichem Handeln und Lernen sowie der Bewertung und Anerkennung durch die Umgebung und dem Einfluss der Lebensumstände. Diese werden jedoch manchmal als billige Entschuldigung dafür verwandt, man habe nicht anders als korrupt handeln können. Unbestechlichkeit ist jedenfalls eine tief in der Persönlichkeit verankerte Eigenschaft. Diesem Extrem entspricht das absolute Vertrauen, das diesen Personen entgegengebracht wird (z.B. Schlichtern nach Fakten). Beim geringsten Verdacht des Abweichens von der idealen

6.3 Effizienz und Effektivität: Beratungsqualität als Professionalisierungsfaktor

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moralischen Norm z.B. in Form von erkennbarer Korrumpierbarkeit, Fehlverhalten, Pflichtverletzung und Machtmissbrauch kann dies ins Gegenteil kippen. Objektivität Bezogen auf die Wirtschaftsprüfung bedeutet nach dem IFAC Code of Ethics (2007, 100.4 (b) und Section 120) Objektivität als zentrales ethisches Prinzip, dass diese Berufsgruppe ihre Urteile unvoreingenommen, frei von Interessenkonflikten und angemessenen Einflüssen von anderen fällt. Experten sollen danach Sachverhalte (Objekte = Gegenstände), aber auch Personen möglichst unabhängig vom eigenen Urteil beschreiben. Mit anderen Worten sind subjektive Beurteilungen wie Vorurteile und Ideologisierung zu vermeiden, weil sie bei fehlender Distanzierung einseitig und gefühlsgeladen sind. Da dies kaum messbar ist, drängt sich eine eher pragmatische Sichtweise auf, nach der das als objektiv angesehen wird, was sich in der sozialen Kommunikation bewährt hat: also intersubjektiv im Sinne unter den beteiligten Handlungssubjekten. Subjektiv wird dann das genannt, was nicht auf Zustimmung stößt. Die dargestellten ethischen Grundprinzipien bilden den Inhalt für die Dimensionierung des moralischen Klimas und werden in einem Leitbildprozess zu Handlungsmaximen und Grundsätzen konkretisiert (Kap. 7.4).

6.3

Effizienz und Effektivität: Beratungsqualität als Professionalisierungsfaktor

Es gibt einen Dissens darüber, ob der Stakeholder als Beratungskunde im normalen Geschäftsfall eine geschäftsethische Legitimität über Recht und Gesetz hinaus nachfragt oder nicht. Offensichtlich bewegen sich kapitalorientierte Beratungsunternehmen weit mehr in einem ethikfreien Raum, als mittelständische und familiengeführte. Dass Entscheidungen – zumal im Beratungsmarketing – auch Werte zugrunde liegen, hat mit Ethik zunächst wenig zu tun. Die Implementierung von CSR und Nachhaltigkeit zum Gegenstand eines ISO-Prozesses zu erklären (ISO 26000), ist begrüßenswert. Der BBU kritisiert dieses von Wirtschaftsprüfungs- und Unternehmensberatungsfimen ausgestellte ISO-Zertifikat als Unternehmenszertifikat ‚light‘ (CSR-News vom 30.9.2010). Unternehmen können aber auch auf eine CSR-Software zurückgreifen. Offensichtlich stellt die ethische Reflexion von Werten einen Anreiz dar, wenn es sich für beide Seiten des Beratungsprozesses nachweislich lohnt oder auszahlt. Schon die Unternehmenskultur hatte für die strategische Erfolgspositionierung, SEP, große Bedeutung. Ebenso könnten moralische Werte und Normen als ihr Kern in der Beratung zum Erfolgsfaktor werden, insofern Ethik dafür Verbesserungsvorschläge liefert. Zwar werden auch Moral und Ethik nicht wie ein Produkt produziert und an Kunden verkauft, um damit Gewinn zu erzielen. Folgt man jedoch praktischen Erfahrungen über die Reputation bei Kunden, zeitigen Moral und Ethik als nicht-harte Erfolgsfaktoren mittel- und langfristige positive Wirkun-

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

gen, insofern sie in die Qualität mit eingehen. Theoretisch können dabei als Anwendungsfeld folgende Typen von Beratungsunternehmen unterschieden werden: • Typ 1: schwacher Nutzen der Beratungsleistung bei hohen Kosten bzw. Aufwand für ihre Erstellung, Gründe z.B.: keine schlanken Organisationsstrukturen, mangelhafte Serviceauffassung, unprofessionelles Projektmanagement • Typ 2: Einsparung von Leistungserstellungskosten (Ausgabenkontrolle) bei mangelnder Potentialausschöpfung in Geschäftsprozessen infolge passiven Entscheidungsverhaltens der Verantwortlichen • Typ 3: überdurchschnittlicher Nutzen der Beratungsleistungen bei überproportionalem Aufwand für ihre Erstellung wegen scheinbarer Spezialisierungsvorteile • Typ 4: Erreichung eines sehr guten Nutzens der Beratungsleistungen bei vergleichsweise niedrigen Kosten bzw. Aufwand für ihre Erstellung infolge einer ausgeprägten Professionalität und Dienstleistungsorientierung im Prozess. Über die übliche verbale Beschreibung des Beratungserfolgs hinaus, die auf jegliche Quantifizierung verzichtet, lassen sich aus organisatorisch-institutioneller Sicht Beratungseffizienz und -effektivität als Wirkungsgrößen unterscheiden. In der Unternehmensberatung werden diese allerdings selten auseinandergehalten.

6.3.1

Beratungsqualität und Effizienz

Verbesserungen der Effizienz und Effektivität wirken sich auf den Unternehmenserfolg unterschiedlich aus. Offensichtlich sind Effizienzverbesserungen gemessen an RenditeFinanzindikatoren in der Wirkung schwächer als Effektivitätsverbesserungen, die auf sinnvolle Prozessunterstützung nach Differenzierungsgesichtspunkten setzen und so auch Wachstum fördern. Verständnis von Effizienz Effizienz (von lat. efficere „zustande bringen“) kann gemeinhin mit „die richtigen Dinge tun“ umschrieben werden. Im engeren Sinne drückt Effizienz das Verhältnis zwischen den operativen Kosten bei der Bearbeitung des Beratungsleistungsgegenstandes auf der Inputseite (z.B. bezahltes Honorar) und des durch die erzielten (angewandten) Beratungsleistungen erreichten Nutzens im operativen Geschäft auf der Outputseite (z.B. Wirtschaftlichkeit im Sinne des Verhältnisses von Aufwand und Ertrag) aus. Meist werden Qualitätskosten von Beratungsprojektarbeit als Abweichung zwischen PLAN-SOLL und IST gemessen. Aus Sicht des ökonomischen oder Wirtschaftlichkeitsprinzips bedeutet Effizienz nach Scholz (2005), dass Leistungsergebnisse (Output, Güterertrag) mit einem möglichst geringen Mitteleinsatz (Input, Produktionsfaktoren) oder ein möglichst großer Output bei einem gegebenen Input erzielt werden. Effizienz kann also in Anlehnung an die Definition der Produktivität oder Wirtschaftlichkeit als Input-Output-Verhältnis verstanden werden. Die Präzisierung der Beratungseffizienz im Rahmen eines komplexen Erklärungsmodells dürfte zwar schwerfallen, denn die Zurechenbarkeit des moralischen, ethisch reflektierten Anteils am Projektgeschäft und damit des Beratungsprojekterfolgs aus Verhältnis Input–Out-

6.3 Effizienz und Effektivität: Beratungsqualität als Professionalisierungsfaktor

191

put wird kaum zu leisten sein. Dennoch sind strategische und operative Kosten-NutzenÜberlegungen für die Verhandlungen zwischen Beratungsträger und Beratungsadressat aus mehreren Gründen zu empfehlen: • Klärung der Übernahme des Risikos der Aufwandsschätzung durch den Beratungsträger bei Festpreisverträgen, durch den Beratungsadressaten beim Personalbereitstellungsvertrag • Unter Berücksichtigung des Pyramidenmodells bei der Beratungsangebotserstellung (Consultants, Manager, Partner): – Geltung marktunabhängiger ‚theoretischer‘ Kostenstrukturen und Gewinn- und Verlustrechnungen, so dass z.B. die High Potentials im Fall einer geringen Konvertierungsrate zwischen der Unterdeckung bei Managern und Partnern sowie der Überdeckung bei Consultants einen Verlust an Attraktivität erleben – Wettbewerb zwischen externen und internen Beratungsunternehmen um qualifizierte Mitarbeiter wegen ihres Methoden-Know-hows und Erfahrungswissens. Das Marketing – und noch mehr das sich verbreitende Kundenmanagement der Geschäftsbeziehungen zwischen Berater und Klient – zwingt die Unternehmensberatung, die Dienstleistungsqualität zu messen. Die strategische Qualitätsführerschaft durch Dienstleistungen hat schon das PIMS-Projekt nachgewiesen (Jeschke 2004, S. 295; vgl. als informelles Beispiel die Inbox des Potsdamer Bauprojekts). Gründe dafür sind folgende: • Wegen der Intransparenz auf dem Beratungsmarkt und des Faktums eines gesetzlich nicht geschützten Berufsstandes erfolgt durch den Kunden eine sehr ungenaue Abschätzung der Beratungsqualifikationen von Beratungsunternehmen vor Erteilung seines Mandats • Gestiegene Qualitätsanforderungen des Klienten (Auftraggeber), so dass sich der Qualitätswettbewerb unter den Anbietern von Beratungsdienstleistungen (Auftragsnehmern) verschärft • Infolge der Qualitätsrisiken der Unternehmensberatungsleistungen Entstehung erheblicher Beschaffungsrisiken der Klientenunternehmen, so dass Beratungsunternehmen besondere Anforderungen an das Qualitätsmanagement erfüllen müssen. Die Beratungseffizienz als zahlenmäßiges Verhältnis (Bruch) zwischen Beratungskosten (Zähler) und der Beratungsqualität (Nenner) ist ein für den Klienten wahrnehmbarer Indikator des Beratungserfolgs. Es stellt sich die Frage, ob sich angesichts der Ausgaben (bewertete Kosten = Aufwand) im Ergebnis die Beauftragung des Beratungsprojekts für den Kunden gelohnt hat (Nutzen). Grundlage dafür ist die (möglichst monetäre) Quantifizierung des Verhältnisses der Nutzenschaffung aus der Umsetzung der Beratungsleistung im Vergleich zum Aufwand der Leistungserstellung. Darauf muss das Beratungsunternehmen bei der Projektkalkulation (Angebotserstellung), aber auch während des gesamten Projektgeschäfts die Aufmerksamkeit richten. Beratungsunternehmen können in diesem Rahmen den Projekterfolg erreichen, indem sie das: • Minimalprinzip: Reduktion der Beratungskosten bei konstanter Beratungsqualität • Maximalprinzip: Verbesserung der Beratungsqualität bei konstanten Beratungskosten

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

• Kombinationsprinzip: gleichzeitige Verringerung der Beratungskosten und Optimierung der Beratungsqualität verfolgen. Input: Kostenkalkulation und Honorierung Die klassischen Verfahren der Projektkalkulation müssen an die Besonderheiten von Beratungsprojekten angepasst werden. Bezugspunkt für die Diskrepanz zwischen Vor- und Nachkalkulation kann die Realisierungsberatung für die IT- oder auch Baubranche sein (Stichworte: Bedeutung der Sachmittelkosten und ‚Daumenwerte‘). Zudem kann beim Folgeautrag der – möglicherweise unterfinanzierte – Aufwand wegen der Abhängigkeit vom ersten Projektauftrag größer sein. (1) Zur Kalkulation von Beratungsprojekten Beratungsadressaten erteilen Beratungsträgern Aufträge vor allem aus folgenden Gründen (in dieser Reihenfolge): • Höhe der Vergütung und des Verkaufspreises • Reputation • Kompetenz, Qualifikation, Erfahrungen. Ethisch reflektierte moralische Kompetenz wird zwar explizit nicht nachgefragt, geht aber in die Reputation ein. In jedem Fall muss der Beratungskunde nicht nur von einer professionellen, sondern nach ethischen Kriterien moralisch vertretbaren Projektkalkulation in der Unternehmensberatung ausgehen können. Die Anforderungen an die Verfahrensweise sind allerdings selten in einem übergreifenden Projektmanagement-Handbuch und dort im Qualitätsmanagement als Projektrahmen für jedes Einzelprojekt festgehalten (dazu Hesseler 2007a, CD; Niedereichholz 2004, S. 291ff.). Kalkulationen der Beratungskosten können nicht der reinen Lehre in der BWL folgen. Daher sind Klugheit und Können angebracht: • Unabhängig von der gemeinsamen Problemaufnahme Einstieg mit Hilfe eines so genannten Fünf-Minuten-Budget, das langjährige Erfahrungen voraussetzt • Danach pragmatische Schätzung der verfügbaren Betriebsdaten, unter Berücksichtigung der moralischen Projektrisiken, um einseitigen Entscheidungen ausschließlich nach der Auslastungsquote eines Beraters vorzubeugen • Im Akquisitionsgespräch mit dem Kunden und/oder im Projektteam Behandlung der voraussichtlich anfallenden Kosten unter Prognose der Finanzierung der Ausgaben (Aufwand) und der Geschäftskennzahlen aus Beratungsprojekterfahrungen (lessons learnt). Hochkomplexe Detailkalkulationen dürften vor allem in der IT-Beratung weiterbringen, sofern ein Werk erstellt wird. Höchst unprofessionell und leichtsinnig wäre es, die Kalkulation der Gesamtkosten für ein Budget auf die Berechnung der Personalkosten in Form der Multiplikation „Zeitaufwand pro Arbeitsschritt × Tagessatz“ zu beschränken, ohne zumindest grob die Kosten pro Arbeitspaket (Projektstrukturplan = PSP vorausgesetzt) bis zum Ende des Gesamtprojekts und/oder des gesamten Projektlebenszyklus bis Außerdienststellung zu berücksichtigen. Manchmal ist die Kalkulation der Kosten pro Phase oder Teilpro-

6.3 Effizienz und Effektivität: Beratungsqualität als Professionalisierungsfaktor

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jekt strategisch sinnvoll. Berater geraten ansonsten schnell in die Verlustzone, weil der Angebotspreis unter die Selbstkosten sinkt. Zudem müssen sich die Berater darauf einstellen, dass ein geringer Planungsgrad die Phase der Vorkalkulation kennzeichnet. Beratern stehen nämlich noch keine genauen Informationen aus Analysen als Vorgaben zur Verfügung. Den für die Ausgaben relevanten wahrscheinlichen Aufwand und ihre Budgetfinanzierung können sie nur grob schätzen. Daher sind immer wieder auf Basis von Zwischenkalkulationen – systematische Kostenverfolgung vorausgesetzt – Kostenanpassungen empfehlenswert. Ansonsten dürften die Vor- und Nachkalkulation überdimensional – vergleichbar mit Bauprojekten – auseinanderklaffen. Zudem sind Beratungsprojekte sehr dynamisch ausgelegt, insbesondere vollständige Organisationsentwicklungsprojekte oder Projekte mit OE-Anteilen. Auch um später die geschätzten Kosten dem Nutzen des Beratungsprojekts gegenüberstellen zu können, greifen Auftraggeber und Auftragnehmer auf eine Projektkalkulation als Kostenträgerrechnung zurück: • Auftraggeber: – Damit Begründung der Projektwürdigkeit eines externen Projektauftrags oder eines internen nach einem Projektantrag – Projektkalkulation als grobe Vorgabe für ein Lastenheft. • Auftragnehmer: Angebotskalkulation zur Ermittlung der Selbstkosten als Grundlage für die Kalkulation des (Netto-)Verkaufspreises bei nicht einheitlichen Marktpreisen: – Aufsummierung der einzelnen errechneten Arbeitspakete aus dem Projektstrukturplan und Kalkulation des gesamten Projekts als Kostenträger (ausreichend für kleinere Beratungsprojekte oder von der Projektvorphase bis zur Projektstartphase) – Berechnung des zeitlichen Kostenanfalls der Arbeitspaketkosten im Projektablauf als Planungsgrundlage für die Finanzierung der Projektausgaben (Zahlungsmittelbereitstellung nach Zahlungsplan) und die Projektsteuerung. Die Ermittlung der Herstell- und Selbstkosten in Projekten ist schwierig, weil sich die Kostenarten nicht immer verursachungsgerecht den Kostenträgern (Beratungsprojekt insgesamt, Arbeitspakete) zuordnen lassen und zudem die Kostenstellenrechung für Projekte oft halbherzig organisiert ist. Die Bestandsbewertung, die Bestimmung der Verrechnungspreise und die Kostenplanung stehen manchmal auf tönernen Füßen: • Schlechte oder gar keine monetäre Bewertung mancher Kosten • Nur ihre grobe Abschätzung • Kostenveränderung im kommunikationsintensiven Projektverlauf. Die Kalkulation der Beratungskosten für den Angebotspreis erfasst meist nur die des externen Beratungsunternehmens. Der Kunde behandelt ja die im Beratungsprojekt eingesetzten Mitarbeiter oft nur als Eh-Da-Kosten, dem das Beratungsunternehmen dann folgt. Alternativ müsste die Erfassung der Beratungskosten wegen der Kommunikationsintensität von typischen Beratungsprojekten aber sowohl die des Beratungsträgers als auch die des Beratungsadressaten umfassen. Aus Ressourcen-, Erfahrungs- und Informationsgründen müsste in diesem Fall wahrscheinlich der Beratungsträger stellvertretend die Beratungskosten für den Beratungsadressaten (v.a. KMU) miterfassen. Die Realität der Kalkulation prägt dagegen eine Erfassung der Kosten des externen Beratungsträgers. Dem Mainstream folgend liegen

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

dieser Kalkulation meist folgende Eckdaten zugrunde (nach: Niedereichholz 2004, S. 302), wobei die Kostenarten z.T. in der Beratungsszene unterschiedlich interpretiert werden: • Acht- bis zehnstündiger Arbeitstag • Jahresgehalt von insgesamt 175.000,– €, inklusive aller anderen Kosten und des Gewinnzuschlags sowie • 240 unreine und 180 reine (magische 75 %) Arbeitstage. Zudem können die indirekt zuordenbaren Kosten erheblichen Einfluss auf das Nachfrageverhalten und die Effizienz haben. Meist legen Beratungsunternehmen die Kalkulationsposten nicht nach ethischen Grundsätzen offen. Das betrifft insbesondere versteckte Gewinnmargen im Angebotspreis. Das Muster einer Kostenkalkulation nach Kostenarten für Beratungsprojekte in Service 4.1 versucht dagegen, auch ethische, dem Kunden dienende Aspekte zu berücksichtigen. Dabei geht es um die ethisch vertretbare, von Wirtschaftsprüfern abzunehmende Differenz zwischen Herstellkosten und Verkaufspreis, die wesentlich durch die Risiko-, Vertriebs- und Gewinnzuschläge bestimmt wird. Die Vorgehensweisen zur Honorierung variieren. Voraussetzung dafür sind die Festlegung der Ziele zur Steuerung (traction Energie, Bonussystem der CAP GmbH) sowie ihre Vereinbarung als Leistungs- und Erfolgsgrößen. Dann kann der Erfolg (Ergebnisse) als Bezugsebene im Vordergrund stehen und daher die Anreizwirkung für die variable Vergütung dominieren. Dies hängt immer davon ab, welches Honorar der Kunde bereit ist zu zahlen und welchen Preis er akzeptiert. In jedem Fall muss er von einer professionellen Projektkalkulation in der Unternehmensberatung ausgehen können. Die Anforderungen an die Verfahrensweise sind allerdings selten in einem übergreifenden Projektmanagement-Handbuch und dort im Qualitätsmanagement als Projektrahmen für jedes Einzelprojekt festgehalten. Die folgende Tabelle bietet Vorgehensalternativen prinzipiell für Beratungsprojekte an (nach Niedereichholz 2004):

Vorgehensalternativen bei der Kalkulation von Beratungsprojekten Vorgehensweise 1: • Direkte Zuordnung alle direkten Kosten zum Projekt • Pauschalierte Zurechnung aller sonstigen Kosten zur Gesamtsumme Vorgehensweise 2: • Gleiches Vorgehen bzgl. der direkten Kosten wie unter 1 • Lediglich Zurechnung des allgemeinen Verwaltungsaufwands im Verhältnis zu den direkten Personalkosten und • Zuschlag des sonstigen Aufwands zu den direkten Gesamtkosten

6.3 Effizienz und Effektivität: Beratungsqualität als Professionalisierungsfaktor

195

Vorgehensweise 3 (dominiert wohl in Praxis): • Handhabung der weiteren direkten Kosten wie bei der Verfahrensweise 1 und 2 • Handhabung des allgemeinen Verwaltungsaufwand wie bei 2 • Selbstkosten aus der Summe dieser Kostenarten, denen der sonstige Aufwand zugeordnet wird. Verfahrensweise 4: • Variante von 3 • Lediglich Detaillierung der weiteren direkten Kosten danach Verfahrensweise 5: • Arbeiten mit einem Risikozuschlag im Interesse von Beratungsträger und Beratungsadressat • Manövrieren des Beratungsträgers mit einem Gewinnzuschlag, den er gegenüber dem Beratungsadressaten nicht offenlegt • Demzufolge eigene Erfassung des Verhältnisses der anfallenden Kosten (vgl. z.B. der Einsatz von Personal des Beratungsadressaten) und des zu erwartenden Nutzens bei der Auftragsentscheidung Tab. 27: Fünf Vorgehensalternativen in der Beratungsprojektkalkulation

(2) Zur Honorierung von Beratungsleistungen Ohne auf die Dialektik zwischen „Wunsch und Wahn“ einzugehen, wird mit Bezug auf „Consultant“ vom 12. April 2006 unter der Überschrift „1.500 Euro für einen Beratertag“ berichtet: „Die Honorare für Beratungsleistungen sind im Jahr 2005 im Vergleich zum Vorjahr durchschnittlich um vier Prozent gestiegen, meldet der BDU. Dabei variiert die Höhe der Tageshonorare unter anderem je nach Qualifikation, Know-how oder Problemlösungskompetenz zwischen 600 und 5.000 Euro [!!!, M.H.]. Für ein in der Consultingbranche übliches Tageshonorar fakturiert ein Einzelberater mit längerer Berufserfahrung im Schnitt 1.405 Euro. Für einen Berater im Senior-Status bei einer großen Beratungsgesellschaft wird in den Projekten ein Tageshonorar von 1.850 Euro angesetzt. Diese Ergebnisse gehen aus der aktuellen Honoraruntersuchung des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. hervor.“ (http://www.bdu.de/?s_kurzname=artikel_200406). Über Kosten und v.a. Honorare reden gerade die großen Beratungsfirmen nicht gern, steigen sie doch fast linear mit dem Umsatz an. Der BDU (2006) nimmt selbst für kleine Unternehmensberatungsfirmen und Einzelberater einen Umsatz von 200.000,– € pro Jahr bei einem Tagessatz von 750 bis 2500,– € an. Er registriert eine Honorarsteigerung von 5 bis 8 % im Vergleich zum Vorjahr. Dies ist m.E. für den normalen grund(an)ständigen und handwerklich arbeitenden Unternehmensberater in KMU unüblich, obwohl für diesen der Nutzen, den der Auftrag dem Kunden bis auf Realisierungsebene wirklich bringt, maßgeblich im Sinne von existentiell notwendig ist. Bei der ProFirma vom 27. April 2006 heißt es nach http://www.bdu.de/?s_kurzname=artikel_200406 „Neues Urteil erschwert unseriöse Unternehmensberatung“: „In einer jetzt veröffentlichten Entscheidung hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf (Urteil vom 2. November 2005 – 15 U 117/04) die Rechte mangelhaft

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

beratener Unternehmen gestärkt. Danach stellen „völlig unbrauchbare“ Beratungsleistungen einen Schaden dar, der dem Vergütungsanspruch des Consultants unter Umständen unmittelbar entgegengehalten werden kann. Auf dieses aktuelle Urteil weist der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU hin.“ Dies stärkt die Rechte gegenüber mangelhaft beratenden Unternehmen. Danach stellen völlig unbrauchbare Beratungsleistungen, d.h. keine genauen IST- und Schwachstellen-Analysen, keine konkreten Verbesserungsvorschläge, die Aneinanderreihung von Selbstverständlichkeiten, Leerformen, einen Schaden dar, der dem Vergütungsanspruch des Consultants unter Umständen unmittelbar entgegengehalten werden kann. Auf aktuelle Urteile weist der BDU natürlich hin (siehe z.B. Abdruck eines Berichts des Handelsblattes vom 23.Juni 2006 auf http://www.bdu.de/?s_kurzname=artikel_200606). Fallweise muss geprüft werden, ob auch im BDU unseriöse Unternehmensberater organisiert sind. Dies könnte man dann nicht mehr mit unbegründeten Vorurteilen aus Fremdbildsicht abtun, um der ‚Profession‘ der Unternehmensberatung in der Öffentlichkeit zu schaden. Die Honorierung ist von besonderer Bedeutung für die ethische Bewertung der Moral in den sozialen auf Vertrauen basierenden Beziehungen von Beratungsprojekten. Die Honorarformen oder -modelle zur Berechnung oder annäherungsweisen Bestimmung schwanken in der Praxis. Der Service 4.2 fasst die Merkmale sowie Vor- und Nachteile der Pauschalvergütung (Festpreis), Vergütung nach Zeithonorar, des Erfolgshonorars und der Anteilsvergütung zusammen. Die Vergütungsformen der Beratungsdienstleistung – beeinflusst durch unterschiedliche dienstleistungs-, verhaltens- und ergebnisbezogene Parameter und im Vorfeld determiniert – eignen sich für die verschiedenen Beratungsprojekttypen in unterschiedlichem Maß (nach Lünendonk GmbH 2003):

Vergütungsform

Charakterisierung der Vergütungsform

Vergütung auf Zeitbasis

• Grundlage ist die tatsächlich in Anspruch genommene Zeit • Bezug der Einheit auf Stunden, Tage oder Wochen • Je nach Fach-Know-how des Beratungsunternehmens Angebot verschiedener Tagessätze • Vorteil: klare Risikoteilung zwischen Klient und Berater • Nachteil: Vorhersehbarkeit der benötigten Zeit und die fehlende Anreizwirkung

Pauschalvergütung

• Einsatz bei gut zu analysierenden Aufgaben • Klare Transparenz bzgl. der Kostenhöhe • Vorteil: höhere Ergebnisorientierung als bei der Vergütung auf Zeitbasis • Nachteil: Risiko liegt allein beim Beratungsunternehmen

6.3 Effizienz und Effektivität: Beratungsqualität als Professionalisierungsfaktor

197

Erfolgsorientierte Vergütung

• Vergütung bei Erfüllung festgelegter Ziele und durchgeführter Leistungen • Abhängigkeit der Vergütungshöhe vom Ausmaß der Ergebnisse • Vorteil: Förderung von Innovation, Unternehmertum und Risikobereitschaft • Nachteile: (1) Messbarkeit und Verantwortlichkeit der Ergebnisse und Förderung suboptimaler Lösungen, (2) keine Operationalisierung der langfristig eintretenden Ergebnisse

Anteilsvergütung (Consulting of Equity)

• Bemessung der Vergütungshöhe nach dem tatsächlichen Wert der geschäftlichen Transaktion • Kombinierbarkeit mit pauschalen Vergütungen • Beratungsunternehmen im Vordergrund. • Vorteil: wegen relativ hoher Vergütungshöhe Einsatz dieser Form der Vergütung vorwiegend bei Beratungsunternehmen mit besonderen Fertigkeiten (z.B. bei der M&A-Beratung) • Nachteil: Risiko liegt allein beim Beratungsunternehmen

Tab. 28: Charakterisierung verschiedener Vergütungsformen

Je nach Honorarabsprache und Beratungsvertrag – dieser ist hinsichtlich der Wahl der Honorarform abzustimmen – fallen die Berechnungsmodi für die direkten Personalkosten, Auslagen und nicht direkt abrechenbaren Leistungen unterschiedlich aus. Ratsam ist es zudem, dass sich Beratungskunden hinsichtlich der Honorierung von unabhängigen Finanzberatern beraten lassen. Denen ist keine Provision, sondern ebenfalls ein Honorar nach Aufwand zu zahlen (siehe www.wertefinanz.com). Es gibt keine kostenfreie (Finanz-)Beratung. Nach praktischen Erfahrungen ist der Angebotspreis bei gleicher Fachkompetenz entscheidend (siehe dagegen Niedereichholz 2010). Auch ,nearshoring‘ hilft wohl nicht. Nutzen als Output: Beratungsqualität Die ISO 9000:2000 (3.4.2 Anm.2) definiert als Dienstleistung „das Ergebnis mindestens einer Tätigkeit, die notwendigerweise an der Schnittstelle zwischen dem Lieferanten und dem Kunden ausgeführt wird und üblicherweise immateriell ist.“ Als Bezugspunkt für die Dienstleistungsqualität in der Beratung dient die folgende Abbildung 19 (Jeschke 2004, S. 302). Von daher gesehen bietet sich eine erweiterte Fassung an: „Dienstleistungen sind Produkte, die des direkten Kontakts zwischen Anbieter und Nachfrager bedürfen und sich vor, während und nach dem Kontakt als überwiegend intangible darstellen“ (Hentschel 1992, S. 26). Die Unternehmensberatung gehört dabei wohl zu den wichtigen professional services, die ein relativ hoher Grad an Interaktivität und Individualisierung kennzeichnet. Dabei scheint für die Projektentscheidungsphase wohl das Potential des Beraters ein wichtiges Auswahlkriterium zu sein: weniger nach internen Anforderungen als nach Kundenangemessenheit. Der Einsatz dieser Potentiale im Beratungsprozess und das Ergebnis der Bearbeitung des Projektleistungsgegenstandes (Beratungsleistung) sind wichtige Erfolgsgrößen. Sich unabhängig da-

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

Steuerungsansätze der Beratungsqualität Potentialmerkmale

Prozessmerkmale

Ergebnismerkmale

Technokratische Ansätze

Standards bei Mitarbeiterakquisition, Leistungsbewertung

Strukturorientierte Ansätze

‚practice group‘, Machtpromotoren, Teamorientierung Fachpromotoren TQM-Teams

Kulturorientierte Ansätze

Qualitätsphilosophie

Standardisierte Analyseprozeduren, Beratungstools

Standardisierte Formen der Ergebnispräsentation

Wissensschulung, ImplementierungsPersonalentwicklung Verhaltensschulung verpflichtung

Abb. 19: Merkmale der Beratungsqualität in Steuerungsansätzen

von entweder nur auf die Prozess- oder nur auf die Ergebnisphase bei der Bewertung der Dienstleistungsqualität zu verlegen, ist verkürzt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass in Beratungsprojekten weitergelernt wird. Den Qualitätsbegriff hat lange Zeit die Phase der Herstellung geprägt. Dies würde eine Einschränkung der Dienstleistung als professional service auf den Service-Shop und die Service-Factory-Funktion bedeuten. Nach der Norm DIN-EN-ISO 9000:2000 ist „Qualität: Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt“ (Abschnitt 3.1.1). Qualitätsmanagement bezieht sich auf Produkte, Dienstleistungen, Prozesse und Systeme, Kunden und allgemein auf Gesellschaft. Nach der o.g. Norm Abschnitt 2.2.8 bedeutet Qualitätsmanagement „Aufeinander abgestimmte Tätigkeiten zum Leiten und Lenken einer Organisation bezüglich Qualität“. Für das Qualitätsmanagement von Beratungsprojekten stellt sich die Frage, ob Qualitätsdimensionen akzeptabel, objektiv, vollständig und operativ ausgerichtet sind. Von daher sind die Dimensionen alternativer DienstleistungsqualitätsmanagementModelle zu bewerten. Die Eingangsfrage ist dabei, welche Qualitätseigenschaften unternehmensinterne und externe Stakeholder wahrnehmen. Leider existiert noch kein einheitlicher Begriff der Beratungsqualität, der auf eine empirisch überprüfte Theorie zurückzuführen wäre. Erschwerend kommt hinzu, dass die Konzentration auf rein herstellungsorientierte Ansätzen (TQM) die Erfassung der Qualitätskosten ohne Klärung der Verursachung von Qualitätsmängeln befördert hat. Der Zusammenhang von Qualität und Kundenzufriedenheit wird dabei nicht betrachtet. Daher verwenden produkt-/leistungsbezogene und kundenbezogene Ansätze keine einheitlichen objektiven Quali-

6.3 Effizienz und Effektivität: Beratungsqualität als Professionalisierungsfaktor

199

tätsstandards zur Bewertung der Geschäftsbeziehungen und Kommunikation zwischen Berater und Klienten, z.B. nach den wechselseitigen Rollenerwartungen. Dies betrifft natürlich in besonderem Maß die ethische Bewertung der – vom moralischen Klima abhängigen – morality in den sozialen Beziehungen zwischen Beratern und Klienten. Dabei existiert folgende Problemlage: • Infolge einer fehlenden Theorie der Unternehmensberatung, damit des Beratungsprojekts sowie – darauf bezogen – der Beratungsmoral und -ethik, keine zufriedenstellende Erfassung, Bewertung und Neugestaltung der komplexen Dienstleistungsqualität von Unternehmensberatung • Nur modellhafte Erfassung der immateriellen Dienstleistungsqualität in der Unternehmensberatung, so dass sich die Output- oder Nutzenseite im Sinne von Messen, Wiegen, Zählen nicht quantifizieren lässt • In der z.T. überlangen Akquisitions- und Angebotsphase nur sehr unkonkrete Antizipation der Beratungsergebnisse als ‚Produkte‘, da sie sich im Versprechen einer zukünftigen immateriellen Beratungsleistung erschöpfen • Entstehung von umsetzbaren Beratungsleistungen erst nach der vollständigen Bearbeitung des Beratungsobjekts • Fast völlige Ausklammerung des (monetär) quantifizierten Outputs (Nutzen): – keine Zuordnung der direkt abhängigen Outputgrößen wie z.B. Gewinn, Kosten und/oder Umsatz zum Beratungsergebnis und – unter Kontrolle des Einflusses der externen intervenierenden Kontextgrößen auf die Zielerreichung – – kein Nachweis ihrer kurzfristigen, mittel- bis langfristigen Wirkungen in Form von Veränderungen der internen Größen. Wegen dieser eingeschränkten Bedingungen muss der Absolutheitsanspruch aufgegeben werden, die Beratungseffizienz über die Größe Beratungsqualität (Output) messen zu wollen. Es ist aber anzustreben, auf der Ebene der Effektivität eine quantifizierende Betrachtung der übergreifenden Reputationswirkungen und der Projektqualität nicht zu vernachlässigen. In diesem Kontext empfehlen sich einige Überlegungen zur Operationalisierung der Beratungsleistungen:

Zur Operationalisierung der Beratungsqualität Ansatzpunkte zur Überwindung der Unsicherheit bezüglich der Einschätzung der Klientenzufriedenheit: • Zuordnung von Suchqualitäten vor und während der Leistungserstellung • Zuordnung von Erfahrungsqualitäten während und nach der Leistungserstellung • Dimensionierung und vertragliche Festschreibung von Vertrauensqualitäten •

Ansätze zur Operationalisierung von Beratungsdienstleistungen: Dimensionierung in Qualitätsmerkmale: – potentialbezogene: Reputation, Qualifikation und Wissen, technische Ausstattung – prozessbezogene: Kontaktstil, Beratungsverlauf – ergebnisbezogene: Zwischen- und Endergebnisse

200 •

6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf Identifizierung von Key-Erfolgsfaktoren mit Blick auf die Beeinflussung der Wirkungsqualität (Zielerreichungsgrad), aufgeteilt nach: – Annehmlichkeit der tangibles: z.B. seriöses Auftreten – Verlässlichkeit: z.B. Erprobtheit der Beratungsmethoden – Einsatzbereitschaft: z.B. schnelle Reaktion auf Veränderungen – Leistungskompetenz: z.B. Angemessenheit der vorgeschlagenen Problemlösung –

• • •



Einfühlungsvermögen: z.B. bewusste Integration der Klienten in den Beratungsprozess

Zur Erfassung der Klientenerwartungen: Als Maßstab subjektiv empfundener Beratungsqualität Dabei Analyse der Arbeitszufriedenheit (noch kein bewährtes Konstrukt): – keine gelungene Integration quantitativer und qualitativer Faktoren – ungeklärter Bezug zu Leistung und Motivation In Beratungsforschung/Ausbildung von Beratern kein Know-how zur Kundenzufriedenheit: – Dimensionierung der Beratungsqualität – Multipersonalität/Organisationalität – Dynamik der Beziehungen – Projektion auf die Art der Beratung Folge: keine Herstellung einer Verbindung zwischen professionell-ethisch überzeugenden Beratungsleistungen und Kundenzufriedenheit sowie der Beratungsreputation

Merkmale der Kundenzufriedenheit (Einstellung zum ‚Lieferanten‘ von Leistungen): Confirmation/Disconfirmation-Modell als Paradigma (C/D): Erfassung der Übereinstimmung zwischen tatsächlichen Produktleistungen und subjektiv erlebter Beratungssituation (Erwartungen/Enttäuschungen) • Wichtige Einflussgrößen: Vertrauen und Commitment • Über die Wirkung auf die individuelle Psyche hinaus: Erfassung der Auswirkungen auf das Kundenverhalten (z.B. bei eCRM über die Personalisierung im Internet) und damit auf die Preisgestaltung, Marktanteile etc. • Vergessener Einflusszusammenhang zwischen der Zufriedenheit mit der Leistung eines Beratungsprojekts und der mit den Geschäftsbeziehungen insgesamt



Tab. 29: Zur Operationalisierung der Beratungsqualität

Wichtig scheint dabei auch zu sein, zwischen unternehmens- und kundenorientierten Verfahren der Messung der Qualität von Beratungsprojekten zu unterscheiden und sie zusammenzubringen: • Unternehmensorientierung: – Managementorientierung: Qualitätsaudit, -kostenanalysen, -benchmarking – Mitarbeiterorientierung: merkmalorientierte Qualitätsbeurteilung, interne Qualitätsmessung • Kundenorientierung (meist subjektive Messansätze): – Merkmalorientierung bezogen auf die Gesamtzufriedenheit – Ergebnisorientierung z.B. durch Projekt-Review.

6.3 Effizienz und Effektivität: Beratungsqualität als Professionalisierungsfaktor

201

Die Qualitätswahrnehmung von Beratern und Klienten weicht so voneinander ab, dass die regelmäßige Analyse der Abweichungen empfehlenswert ist. Beide Geschäftspartner haben deren Ergebnis mit Hilfe von unternehmens- und kundenorientierten Verfahren der Qualitätsbeurteilung zu evaluieren: • Einzelne Beratungsprojekte: klassische Erfolgsmessung, Implementierungskontrollen, ergebnisorientierte Instrumente • Globalzufriedenheit mit Beratungsunternehmen: merkmalorientierte Verfahren aus dem Wissenstransfer zwischen Berater und Klienten sowie dem hohen Anteil von Erfahrungsund Vertrauensqualitäten • Verobjektivierung: unter aktivem Einbezug der Klienten in Beratungsprozesse Einflussnahme auf Qualität. Trotz der beschrieben Schwierigkeiten müssen die Kosten- und Nutzenseite zusammengeführt werden (siehe Jeschke 2004, Scholz 2005): Kosten von Zusatzdiensten, z.B. IKT

Leistungserstellungskosten, z.B. Personalk.

AgencyKosten, z.B. Garantiek.

Direkte Kosten

Transaktionskosten, z.B. ex post Tk.

Indirekte Kosten

Beratungskosten Beratungseffizienz Beratungsqualität*

Image Beratungsträger

Beratungspotentialqualität

Beratungspotentialqualität des Beratungsträgers, z.B. Kontaktpotentiale

Beratungsergebnisqualität

Beratungspotentialqualität des Beratungsadressaten, z.B. Interaktionspotentiale

* Interpretierbar als Nutzen, Problem:

Qualität des prozessualen Endergebnisses, z.B. inhaltliche Qualität

Folgequalität, z.B. Qualität der Übermittlung

(monetäre) Quantifizierung

! Effektivität (‚Messung‘ des Zielerreichungsgrads)

Image Beratungsträger

Beratungsprozessqualität

BeratungsprozessQualität seitens des Beratungsadressaten, z.B. Prozessverhalten bzgl. Integrationspot.

Beratungsprozessqualität seitens des Beratungsträgers, z.B. Prozessverhalten bzgl. Spezifizierungspotentiale

Abb. 20: Operationalisierung der Qualitätskosten und des Qualitätsnutzens in der Unternehmensberatung

Die nach Potential-, Prozess- und Ergebnismerkmalen dimensionierten Konzepte zur Steuerung der Beratungsqualität kennzeichnet dabei der Konflikt • Zwischen der ganzheitlichen Sicherstellung der Beratungsqualität während des gesamten Leistungserstellungsprozess und • Der Erreichung des Gewinnziels des Beratungsunternehmens.

202

6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

Sinnvoll ist daher die Entwicklung eines Maßstabs zur Wirtschaftlichkeit durch die Kombination von Qualitätskosten- und -nutzen-Analysen:

Zur Erfassung der Qualitätskosten und des Qualitätsnutzens Erfassung der negativen und positiven Qualitätskosten in Form: • Der Qualitätssicherungs- und Erstellungskosten (z.B. Fehlerverhütung) • Der Kosten der Nicht-Qualität durch Untererfüllung von Kundenerwartungen in Form von – internen und externen Fehlerkosten – entgangenen Erlösen durch Abbruch der Beziehungen – Reputationsverlusten durch negative Imageeffekte Erfassung des Qualitätsnutzens als Ergebnis der Kundenreaktionen auf Maßnahmen des Qualitätsmanagements durch das Beratungsunternehmen: • Direkte Nutzenwirkungen in Form von Kundenbindungsnutzen: – Durch Sicherung der Klientenbindung sowie – Ausbau der Reputation und Referenzpotentiale im Sinne von gesteigerter Empfehlungsbereitschaft zufriedengestellter Klientenunternehmen – Kauffrequenzsteigerungsnutzen sowie – Kommunikationsnutzen • Indirekte Nutzenwirkungen in Form positiver Umsatz- und Gewinnänderungen: – durch Effizienzverbesserung (Kostensenkungseffekte) zentraler Wertschöpfungsprozesse der Leistungsentwicklung – Auftragsgewinnung und Leistungserstellung sowie durch – eine Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit und -loyalität Tab. 30: Möglichkeiten der Analyse der Qualitätskosten und des Qualitätsnutzens

Von daher gesehen können Kosten-Nutzen-Analyen des Qualitätsmanagements auf Basis von Kennzahlensystemen, Qualitätsbilanzen sowie qualitätsbezogenen Wirtschaftlichkeitsrechnungen durchgeführt werden: • Die sichtbar notwendigen Qualitätskosten sind durch Kontrollkosten, Personalschulungskosten, Kosten für zusätzliches Personal, Prozesskosten verursacht. Daher werden die Erfassung und Zuordnung auf messtechnische und kostenrechnerische Probleme stoßen. Es dürfte also gewagt sein, im Zusammenhang von Qualitätskosten und Qualitätserlösen bei plausiblen Kostenverläufen von sinkenden Qualitätskosten auszugehen: trotz richtiger Unterkompensationsannahme durch Fehlerkosten. Abgesehen von pauschalen Kalkulationen als Prozentwerten des Gewinns/Umsatzes muss dies erst einmal empirisch nachgewiesen werden. • Bei der Bewertung des Qualitätsnutzens fällt es schwer, die direkten und indirekten Nutzenwirkungen Qualitätsmanagement-Maßnahmen oder QM-Programmen zuzuordnen. Möglicherweise läge ein Ausweg in der Entscheidung für eine schlanke Unterneh-

6.3 Effizienz und Effektivität: Beratungsqualität als Professionalisierungsfaktor

203

mensorganisation und Verankerung des Qualitätsmanagementgedankens in ihrer Unternehmens- und Projektkultur, wobei das notwendige Big Controlling als Pendant v.a. hinsichtlich der ethischen Bewertung der moralischen Kosten und des moralischen Nutzens kaum möglich wäre (vgl. schon das Problem der Kosten-Nutzenbestimmung der immateriellen assets: Hesseler 2005).

6.3.2

Beratungsqualität und Effektivität

Angesichts der ernüchternden Erkenntnis, dass sich die Beratungsqualität im Verhältnis zu den Kosten und damit die Beratungseffizienz kaum messen lassen, wird letztlich nur die Beratungseffektivität maßgeblich für die Einschätzung des Beratungserfolgs. Verständnis von Effektivität Effektivität (von lat. effectivus „bewirkend“) lässt sich gemeinhin danach umschreiben, nach Auswahl einer Alternative die Dinge richtig zu tun. Dies wird oft mit der Effizienz vermischt, gleichgesetzt oder ergänzt diese (aber dann meist ohne Kosten- und Aufwandsschätzung). Die Effektivität lässt sich nicht einheitlich beschreiben: Ermittlung des Grads der Erreichung der zwischen Berater und Klienten vereinbarten Ziele, indem die geplanten Beratungsziele oder Ergebniserwartungen mit den tatsächlich erreichten Beratungsergebnissen bezogen auf Durchführung der Beratung verglichen werden: • quantitativ: Ausweitung von Marktanteilen • qualitativ: Steigerung der Kundenzufriedenheit, des Imagegewinns oder Verbesserung des Prozesses • Funktionalität der Beratungslösungen, ihre Verfügbarkeit, tatsächlicher Nutzungsgrad • Indirekte Erfassung über qualitative (vernetzte) Indikatoren zur Prozessleistung, zu den operativen Kernprozessen und administrativen Anteilen sowie deren Quantifizierung durch Kennzahlen • Manchmal unabhängig vom zur Zielerreichung faktischen Aufwand Erfassung des Ausmaßes, in dem beabsichtigte Wirkungen erreicht werden, und danach Wahl der Alternative mit dem vermeintlich geringsten Aufwand. Ungeplante (individuelle, kollektive, gewünschte oder nichtgewünschte Wirkungen) werden meist nicht berücksichtigt, obwohl ihre kontraproduktiven Wirkungen auch in der Unternehmensberatung wirtschaftlich relevant sind. Vergessene Qualitätsdimension: Verdiente Reputation aus Geschäftsbeziehungen Der Handel auf den Finanzmärktem folgt den Gesetzen des Krieges, nur wird mit bewusst unverständlich gehaltenen Finanzprodukten geschossen. Es geht um das nackte Überleben auf Schachbrettfeldern, durch Kapital- und Machtmonopole, Abhängigkeitsverhältnisse mit Befehls- und Gehorsamketten. Um das Gemeinwohl oder die Sozialverpflichtung des Eigentums geht es fast nie. Die Politik und die Politiker wagen sich an wirksame Änderungen nicht heran. Die Zeche zahlt das Volk, der Bürger, Steuerzahler. Immerhin sind Manager von Goldman & Sachs wegen Betrugs vor dem US-Kongress angeklagt.

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

Zumindest in der Realwirtschaft halten die Verantwortlichen dagegen Reputation und moralisches Klima für Erfolgsgrößen. Der Marktwert eines Unternehmens ist ja zu mehr als 50 % immaterieller Herkunft und kann sich daher inzwischen nicht mehr auf den materiellen Buchwert beschränken. Auch Beratungsunternehmen sollten keine windigen Pseudoprodukte vermarkten und gerade unerfahrene Kunden in KMU als AundD-Kunden (alt und doof) einstufen. Ob dieses System der Unmoral auf Beratungsunternehmen faktisch abfärbt, lässt sich nur im Einzelfall abklären: bei Interesse an Transparenz und Öffentlichkeit. Die folgende Formelzusammensetzung dieser Systemeigenschaft dürfte aber kontraproduktiv für jede republikanische Ethik in der Wirtschaft sein: • • • • •

Ein gehöriges Maß an handwerklicher Professionalität Das Risikobewusstsein des Hazadeurs Ein Schuss krimineller Energie Der Hang zum megalomanen Machtmissbrauch sowie Nachhaltige Habgier.

Interne oder externe Symbolpolitik, die die Krisen lediglich abschwächt, tut dabei den für die Krise verantwortlichen Machtträgern nicht weh. Gewichtige Bankenabgaben, eine internationale Transaktionssteuer für Anlageprodukte (das den kleinen Sparer ausnimmt), ein globales (nicht nur nationales) Verbot von Aktien-Leerverkäufen im Nicht-Besitz sowie eine wirksamere Regulierung von Boni/Provisionen würde vielleicht weiterführen (siehe auch die weichen EU-Beschlüsse zur Regulierung der Finanzmärkte, aber auch das 750-Mrd.-Rettungspaket zur Stabilisierung der Euro-Zone). Etymologisch betrachtet stammt das Wort Reputation vom lateinischen reputatio, das in etwa die Erwägung oder die Berechnung bedeutet. Daraus hat sich die Bedeutung Ruf eines Menschen, Unternehmens, öffentlicher Einrichtung entwickelt. Eine hohe Reputation wird meist mit einem guten Ruf gleichgesetzt. Mit Referenzen kann man diesen grob nachweisen. Neuerdings unterstützen spezielle Tools das Reputationsmanagement (vgl. Reputation 2.0: http://karrierebibel.de/reputation-20-dienste-fuer-einen-besseren-ruf/ oder Software wie z.B. SEO für Online-Reputation Management). Zusammen mit dem Issue Management, dem Management von Unternehmenswerten und dem Corporate Citizenship gehört es zum integrierten Kommunikationsmanagement. Sieht man einmal von der objektiven Messbarkeit ab, setzt der Kunde in KMU eine hohe Reputation des Anbieters von Beratungsprodukten mit seinem guten Ruf gleich. Ihm kann man vertrauen, er ist glaubwürdig, er wird nachhaltig für berechenbar gehalten, so dass die Entscheidungen für einen potentiellen Auftrag befördert werden. Nebeneffekt ist auch die Bindung fähiger Mitarbeiter. Exakte wissenschaftliche Definitionen für diesen auf einem Vertrauensbonus basierenden kompetitiven Erfolgsfaktor gibt es nicht. Es handelt sich um ein immaterielles Vermögen oder Sozial- und Kulturkapital, auf das allenfalls Indikatoren wie z.B. Patent- und Markenrechte, Erfahrungswissen, Vorzeigeprojekte, best-practice verweisen. Der Reputationsnehmer versucht, das Potential des Reputationsgebers (Beratungskunden, Klienten als Individuen, Stakeholder, diffuse Bürgeröffentlichkeit, Medien) zu beeinflussen. Dieser bewertet ja entlang der vergangenen und zu erwartenden Erfahrungen den Reputationsnehmer. Dies äußert sich in der Veränderung seines Erfahrungswissens, seiner Einstellungen, Wertorientierungen, Emotionen und seines Sachwissens. Der Reputationsnehmer will daher, dass der Reputationsgeber ihn zukünftig

6.3 Effizienz und Effektivität: Beratungsqualität als Professionalisierungsfaktor

205

positiv einschätzt: insofern der Reputationsgeber mögliche Auswirkungen auf seine Bedürfnisse wahrnimmt. Meines Erachtens verschwimmen dabei Aspekte des Corporate Image von Personen mit der Corporate Reputation als kollektiver Repräsentation in einer Art wertneutralem Netzwerkgut. Reputation ist dabei in besonderem Maß abhängig von der soziokulturellen und wirtschaftlichen Dynamik im Umfeld, so dass das Corporate Identity (SOLL) zum IST der Reputation und damit zum Erfolgsindikator für Issue Management werden kann. Eine positive, wenn auch nur schwer quantifizierbare und subjektiv gefärbte Reputation lässt sich durch folgende Dimensionen oder Ausstrahlungseffekte mit Blick auf den Einfluss- und Wirkungsbereich „integre Ethik“ kennzeichnen (Ingenhoff 2004, S. 7):

Strategie & Führung

Produkte & Dienstleistungen

Issues Management Innovationsstärke

Finanzstärke

Corporate Reputation

Organisationskultur

….

Strategische Allianzen & Geschäftsbeziehungen

Mitarbeiter & Management

Ethik & Integrität

Emotional Appeal

Abb. 21: Corporate Reputation: Einfluss- und Wirkungsbereich

Eine dementsprechende Unternehmenskultur und moralisches Klima vorausgesetzt, umfasst Reputationsmanagement die Gesamtheit aller systematischen Unternehmensaktivitäten, die dem Aufbau, der Erhaltung und Verbesserung einer positiven Unternehmensreputation im Sinne der Einhaltung dieser Grundsätze dienen. Offen bleibt allerdings, inwieweit eine Verpflichtung zu einer verantwortungsvollen Kommunikation mit allen Interessensgruppen zu einer nachhaltigen Steigerung des Unternehmenswerts führt, denn diese müsste über eine oberflächliche und kurzzeitig angelegte Marketingmaßnahme zur Imagebildung hinausgehen und die Mitarbeiter einbeziehen. Organisierte Reputation für die Corporate Identity, deren Kosten als sehr hoch eingeschätzt werden, hat einen Anteil von 20 bis 90 % der Marktkapitalisierung (Ciucci 2006). Reputation als positives Ergebnis der ethischen Bewertung moralischen Handelns durch den Kun-

206

6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

den kann das Beratungsunternehmen und sollte es sich verdienen. Morality als Teil sozialer Kompetenz und Persönlichkeitseigenschaft ist dabei neben fachlich-methodischem Knowhow eine wichtige Erfolgsgröße, die in die Erstellung einer Beratungslösung einfließt. Folgendes Beispiel verdeutlicht das dabei ethisch zu lösende moralische Problem: „Zum Beispiel impliziter Werte als Verkaufshindernis: In den frühen Zeiten der Allfinanz-Idee vereinbarten eine Universalbank und eine Lebensversicherung ein CrossSelling-Konzept: Die Bank sollte ihren Firmenkunden Vorsorgelösungen verkaufen, und die Versicherung im Gegenzug Firmenkredite vermitteln. Das fast völlige Ausbleiben des Erfolgs veranlasste die Bank zu einer neutralen, qualitativen Untersuchung. Dabei kam heraus, dass das Selbstverständnis der Kreditberater einem aktiven und glaubwürdigen Verkaufen von Versicherungsprodukten im Wege stand. Versicherungsvertretern wurde nach ihrer Auffassung eine relativ geringe Wertschätzung entgegengebracht. Dementsprechend befürchteten sie, ihre Reputation als Bankiers würde unter diesem Cross-Selling leiden, und so sprachen sie das Thema mit den Kunden nur vorsichtig an oder vermieden es ganz“ (Burla, Schmidlin 2003, S. 3). Einige Untersuchungen und Praxiserfahrungen zeigen, dass Stakeholder – z.B. Kunden der Berater – nicht erwarten, sich bedingungslos an ihren „Erwartungen“ auszurichten. Gerade Unternehmer oder Geschäftsführer von KMU erwarten aber, auf die integre Führung der Geschäfte ihrer Partner vertrauen zu können. Leider zeigen Erfahrungen mit Beratung, dass die Klienten aus KMU oft nicht merken, dass es Beratungsunternehmen nicht so ernst mit Moral und Ethik meinen. Bei der Erfüllung ihrer Aufklärungspflichten, die einige wohl als Zumutung empfinden, blocken sie manchmal ab. Dabei sind KMU aufklärungsbedürftig, wollen wissen, worauf sie sich bei einem Beratungsauftrag einlassen: v.a., wenn sie auf Kundeninformationen, Referenzen, Präsentationen über bloße Imagepolitik hinaus angewiesen sind. Vor dem Abschluss eines Beratungsprojektvertrags, aus dem Berater im Gegensatz zum Auftrag im engeren Sinne (siehe § 662 BGB) Honorarforderungen ableiten können, existiert ja nur ein Leistungsversprechen des potentiellen Auftragsnehmers. Dies speist die Leistungserwartungen des Auftraggebers. Vielleicht ahnen die Kunden von Beratern, dass – sofern kein fest umrissenes Werk vereinbart ist – der geschlossene Beratungsvertrag den Berater grundsätzlich aus der Haftung für einen aus seiner Erfüllung zu erwartenden Erfolg entlässt (siehe der Palandt bzw. Palandt/Sprau Kurzkommentar zum BGB und einigen Nebengesetzen). Sofern sich Berater ehrlich und fair gegenüber ihren Kunden verhalten und ethische Vorsorge für die integre Abwicklung des Beratungsgeschäfts getroffen haben, schleicht sich schnell das Missverständnis ein, dass sich das in Heller und Pfennig auszahlen müsse. Geschäftsintegrität wird dann lediglich als Basis für den Unternehmenserfolg betrachtet, also als ein weiterer Erfolgsfaktor. So wird wiederum der ‚moral case‘ im business case gerettet (siehe John Elington, www.sustainability.com) und die Falle der Renditeabhängigkeit klappt zu. Reputation lässt sich nicht nach klassischen Wirtschaftlichkeitsverfahren messen. Das Konzept der verdienten Reputation kann daher nur in seiner qualitativen Eigenschaft die instrumentalistische und opportunistische Sichtweise ergänzen: „Wir möchten nur in legitimer und ethisch verantwortbarer Weise Gewinne erzielen bzw. zumindest von der Gewinnmaximierung auf ethisch verträgliches Gewinnstreben umschalten.“ Dieser Gedanke setzt an der Erfahrungstatsache an, dass illegitime Geschäftspraktiken keinen Markt finden. Es

6.3 Effizienz und Effektivität: Beratungsqualität als Professionalisierungsfaktor

207

gibt eine Dynamik der Moral oder der ethischen Verbesserung bestehender Unmoral in der Wirtschaft, der sich Unternehmen schwer entziehen können (raising the bar). Der empirische Nachweis eines flächendeckenden Ethikwettbewerbs steht allerdings noch aus. Positive Beispiele sind z.B. Migros, Coop oder Rossmann Drogeriemärkte. Nachhaltigkeit hängt dabei davon ab, ob man ohne Akzeptanz- oder Opportunismus-Hürden Reputationsrisiken wie z.B. ethical risks nach der Maßgabe Wahrheitsgehalt vorbeugen kann. Die Umsetzung des Prinzips ‚durch Ethik verbesserte Geschäftsmoral oder Unternehmenshandeln (auch) aus Integrität‘ bedeutet jenseits der blind machenden Sackgasse idealistischer Sozialromantik, dass es um „die ethische Fundierung, um den verallgemeinerungsfähigen Grund des Unternehmenserfolgs [geht, M.H.]: eben erfolgreich zu sein, weil man integer wirtschaftet und darum den Stakeholder-Support, den man erhält, tatsächlich verdient“ (Thielemann 2008, S. 249). Vorausgesetzt, eine relevante Gruppe von Akteuren hätte die dafür notwendige moralische und ethische Urteilskraft, würden die bestehenden Machtverhältnisse im Unternehmen ethische Verbesserungen denn zulassen oder sie top-down filtern? Oder haben dafür nur einzelne Berufstätige oder Whistleblower mit Zivilcourage eine Chance? Möglicherweise verändern sich im Zuge der Banken- und Finanzkrise die Rahmenbedingungen für verdiente Reputation: • Etablierung einer geeigneten Unternehmenskultur und eines moralischen Klimas • Beitrag zur Konfliktsteuerung und Einpassung in eine sozialverträglich gestaltete Lebenswelt • Vereinbarung von Regeln für die verbindliche und nachhaltige Umsetzung und Erhaltung werden • Ethical displacement zum Schutz und zur Belohnung der Verantwortungsbewussten im Wettbewerb • Initiierung spezifischer Branchenvereinbarungen • Globaler Ordnungsrahmens, innerhalb dessen zumindest die größeren global agierenden Beratungsunternehmen auf allen Ebenen eine ordnungspolitische Mitverantwortung im ethisch wohlverstandenen Eigeninteresse frühzeitig übernehmen • Anstatt allgemein vom Staatsversagen zu reden und auf vage freiwillige Selbstverpflichtung ohne echte CSR zu setzen, sanktionsbewehrte Optimierung des Rechts gegen negative Reputation aufgrund: – unwahrhaftiger Kommunikation – unglaubwürdigen Handelns – mangelnder Integrität im Umgang mit Wert- und Interessenkonflikten. So kann im unternehmensethischen Sinne seriöse und nicht allein auf PR-Effekte angelegte verdiente Reputation Ergebnis eines nach innen und außen nachhaltig sozial verantwortlichen Handelns werden, das einen schlecht imitierbaren Wettbewerbsvorteil darstellt. Die Veränderung der Corporate Reputation lässt sich mit unterschiedlichen Verfahren als Indikator für erfolgreiches Issue Management messen, der aus Kommunikationszielen abzuleiten ist. Meist herrscht die Stakeholder-Befragung vor. Nach „komtrast“ (August 2008) lassen sich unter der Voraussetzung, dass Kompetenz, emotionale Attraktivität, Sozialverantwortung gegeben sind, unterschiedliche Messverfahren finden:

208 • • • •

6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

Im Zusammenhang mit der Bewertung von Unternehmen, Marken und Branchen Hinsichtlich des Einflusses der Reputation auf den wirtschaftlichen Erfolg Im Kontext der Optimierung der Unternehmenskommunikation Durch Reputationsmanagement, obwohl es sich um ein immaterielles Vermögen handelt.

Vor diesem Hintergrund bieten sich unterschiedliche Vergleichsstudien als Verfahren an wie z.B.: • • • • •

Der Fortune AMAC Der Fortune GMAC Ähnlich die Erfassung der Gesamtreputation nach Manager Magazin sowie Der RQ und Der ECRS Reputation Monitor (siehe www.communicationcontrolling.de).

Diese Verfahren sind in den USA wohl zu 57 % – im Vergleich zu nur 33 % in Deutschland – verbreitet (Helm 2007). Gerade eindimensionale Umfragen ohne klare Konstrukte und mit ihren zahlreichen Indizes und Rankings (siehe auch diverse Fachzeitschriften) führen nach Ansicht von Prof. Dr. Manfred Schwaiger vom ECRS in die Irre, wenn nur die „Branchen-Insider“ (Vorstände, Geschäftsführer und Manager) und nicht die relevanten Stakeholder der bewerteten Unternehmen befragt werden. Auch von daher gesehen haben die beiden ergebnisorientierten Verfahren, der Reputation Quotient (RQ) und der Reputation Monitor European Center for Reputation Studies (ECRS) marktwissenschaftliche Schwächen wie z.B. das Fehlen einer echten Treiberanalyse. Der Service fasst sie zusammen. Wie schon angedeutet, bringen integrierte Reputationsmessungen wie Medienresonanzanalyse, Stakeholderbefragung und Analyse des gereinigten Aktienkurses weiter. Insbesondere eine Reputationsanalyse, die Medienresonanz- und Stakeholderanalyse als Einzelanalysen integriert (siehe auch Integrations-Tools wie Web-Qualitätsmanagement), scheinen Erkenntnisse über den quantifizierbaren Einfluss der Reputation auf das Verhalten, das Entdecken von Diskrepanzen und ihrer Verursachung zu ermöglichen sowie tragfähige Handlungsempfehlungen zu ergeben (siehe folgende Abbildung, modifiziert nach Ingenhoff 2004). Man kann sich darüber streiten, ob v.a. der ungeregelte Wettbewerb der Motor der Marktwirtschaft ist und von daher gesehen Reputation der Treibstoff. Alan Greenspan, der mit seiner Zinspolitik den Boden für das aktuelle Spekulationsdesaster gelegt hat, hat als Chairman of the US Federal Reserve diese Aussage unterstrichen (nach Vortrag an der Harvard University vom 10. Juni 2000): „In today’s world, where ideas are increasingly displacing the physical in the production of economic value, competition for reputation becomes a significant driving force, propelling our economy forward. Manufactured goods often can be evaluated before the completion of a transaction. Service providers, on the other hand, usually can offer only their reputations.“ Von der aktuellen Finanzkrise her betrachtet allerdings zweifelhaft, ob Reputationsmanagement zu Initiativen und Botschaften führen kann und dabei mit den Alleinstellungsmerkmalen

6.3 Effizienz und Effektivität: Beratungsqualität als Professionalisierungsfaktor

209

Integration von Einzelanalysen /Datenquellen) der Medien- und Stakeholder-Reputation zur Quantifizierung der Corporate Reputation

Kommunikative Einflussfaktoren

Zielgrößen

Reputationswirksame Inhalte kommuniziert von/durch, z.B. Umwelt - Presseberichte

Reputation allgemeine U-spezifische

MedienresonanzAnalyse

Erfolgsindikatoren Verhalten (sintention)

*

•Aktienkauf (-empfehlung) •Produktkauf (-empfehlung)

Stakeholderbefragung

(Messung von Output- und Zielgrößen - zwecks Datenvergleich - in den relev. Medien gegenüber def. Benchmarks in def. Märkten)

(Messung von Output- und Zielgrößen in den rel. Medien gegenüber definierten Benchmarks in def. Märkten)

Welche Wirkungen haben die Massenmedien auf die Wahrnehmung von Wirtschaftsunternehmen? * Problem z.B.: u.a. vermittelt das „Emotional Appeal“ den Einfluss der Reputation auf das Verhalten (über Produktkauf, Intention & Weitempfehlung oder Bewerbung, Intention & Weiterempfehlung), d.h. die Erreichung sozialer und ökologischer Verantwortung als Reputationsziel

Abb. 22: Zur integrierten Reputationsmessung

‚Werte, Unternehmensidentität‘ von Unternehmen korrespondiert, die bis in alle Unternehmensbestandteile und für alle Stakeholder-Gruppen operationalisiert werden müssen. Die Fragen bleiben also: • Hat das profitorientierte Eigeninteresse unverrückbare Priorität? • Welche Bedeutung spielt die ethische Bewältigung der moralischen Risiken für die Reputation in der Unternehmensberatung bis auf die Projektebene? Positiver Ansatzpunkt könnte sein – im gewissen Widerspruch zur wenig ausgeprägten moralischen Kompetenz der durch Macht dèformation professionelle (Bönisch 2007) –, dass Konsumenten die in CSR engagierten Unternehmen durchaus belohnen, sogar einen höheren Preis für ihre Produkte zahlen würden (www.mori.com, Bunk 2003, S. 28, imug nach managerSeminare 2004, 72, S. 22f.). Erfolg in Beratungsprojekten Es wäre zu kurz gegriffen, Erfolg als ein wie immer geartetes positives Ergebnis zu definieren. Stattdessen ist entsprechend den festgelegten Zielen ein Maßstab anzugeben. Aus der Sicht der Nutzer von Beratungslösungen sind Beratungsdienstleistungen – beginnend in der Kontakt-, Akquisitions- und Angebotsphase – entsprechend dem Grad der Beratungsprojektzielerreichung effektiv. Die Grundfrage ist, welche zentralen Erfolgsfaktoren – quantifiziert als Erfolgsindikatoren zur Prüfung von Wirkungshypothesen – wirken so auf Beratungspro-

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

jekte ein, dass ihre Ziele nachweislich erreicht werden. Erfassungsmodelle sollen dabei nicht nur einen Blick hinter den Vorhang des Offensichtlichen gewähren (Kühn, Quelle 2005). Unabhängig von Professionalisierungstendenzen oder „Machtspielchen“ erhoffen sich Praktiker Antworten darauf, wie Erfolgspotentiale durch kritische Erfolgsfaktoren aktiviert werden können und inwieweit dies gemessen an Erfolgsindikatoren gelingt: • Unter welchen Voraussetzungen entsteht durch die Erreichung der geplanten Beratungsprojektleistungsziele (Projekterfolg in Form von Projektergebnissen) konkreter Nutzen? • Welche Bedeutung kommt dabei dem Projektmanagement unter dem Blickwinkel von Standards und Handlungsspielräumen für kreative Beratungsprojektarbeit zu? • Lassen sich Erfolgsfaktoren und Faktoren, welche den Prozess der Projektzielerreichung positiv beeinflussen sowie nach Transfer und Anwendung der Projektergebnisse Nutzen stiften, identifizieren? Die Schlüsselfaktoren, die den Erfolg oder Misserfolg von betrieblichen Entscheidungen, Aktivitäten, Prozessen auch in Beratungsprojekten maßgeblich beeinflussen, sind noch nicht empirisch ermittelt. Gründe für die schwere Erfassung des Erfolgs und die Messung des strategischen Beitrags zum Unternehmenserfolg in Beratungsprojekten, die auch einen Rahmen für mögliche moralische Dilemmata oder Zwänge bilden, sind z.B. folgende: • Unbestimmtheit der Ziele und ihre mangelnde Abstimmung • Relativ geringer Planungsgrad der Zielerreichung wegen hoher kommunikationsbedingter Dynamik und Veränderlichkeit des Projektgeschehens • Ungenügende Abgrenzbarkeit des Beratungserfolgs von erfolgsrelevanten Umgebungsfaktoren • Vernebelung und Intransparenz des Beratungsgeschäfts • Unklare Verteilung der Verantwortung für das Beratungsprojekt und den Beratungserfolg wegen der engen Zusammenarbeit zwischen Berater und Klienten • In Abhängigkeit vom Beratungstyp (z.B. bei Strategieberatung mehr als bei IT-Beratung) zeitlich z.T. starke Verzögerung der Auswirkungen der Umsetzung der Beratungsergebnisse, die auch eine Erfolgshonorierung erschwert. Hinsichtlich einer methodisch durchdachten empirischen Untersuchung von Erfolgsfaktoren der Unternehmensberatung bleiben folgende hypothetische Fragen, wobei die Unternehmens- und Personenebene sowie Beratungsunternehmen und Beratungsprojekte miteinander zu verknüpfen sind: • Ist das klientenorientierte Leistungsangebot erfolgsentscheidend? • Ist die räumliche und persönliche Nähe zum Klientenunternehmen ein Schlüsselfaktor? Von der Beantwortung sind auch erfolgreiches Marketingmanagement von Beratungsunternehmen und ihr Projektmarketing abgängig. Die Beratungsprojektpraxis zeigt zudem, dass der Klient – mit oder ohne Kommunikation mit dem Berater im Prozess – eine gewichtige Erfolgsgröße von Ex-post-Evaluierungen darstellt. Dies setzt jedoch eine weitgehende Klientenprofessionalisierung als rationalen, wissensbasierten und wirtschaftlich fundierten Umgang mit Beratung voraus, die in KMU selten gegeben ist (Bamberger, Wrona 1996 a, b sowie 2004). Aus dem Blickwinkel der

6.3 Effizienz und Effektivität: Beratungsqualität als Professionalisierungsfaktor

211

Metaberatung heraus betrachtet, kann dennoch der Einbezug der Perspektiven, Erwartungen, Betroffenheit und Fähigkeiten der Klienten in die Unternehmensberatung über den reinen Sachbezug hinaus erfolgsentscheidend für das Gewinnen eines Projektauftrags und daher klug sein. Meist überwiegen dabei aber auftragstaktische Überlegungen. Ist das Beratungsprojekt zustande gekommen – in KMU eine Vertrauensfrage – und wirkt die Kommunikation zwischen Berater und Klienten schon, muss für eine gleichberechtigte symmetrische Partnerschaft gesorgt werden. Ansonsten wird der Experte leicht dazu verführt, das Vertrauen wieder zu verspielen und den Klienten zu untervorteilen. Von daher gesehen sind gerade die gemeinsam im Beratungsprojekt festzulegenden, zu verfolgenden und zu erreichenden Beratungsleistungsziele Angelpunkte zur Gewinnung von Erfolgskriterien als Prinzipien oder Standards zur Bewertung des Fortschritts in der Bearbeitung des Beratungsleistungsgegenstandes, sofern: • Konkrete Messgrößen für die Projektzielerreichung (Leistungsebene) zusammen mit dem Stakeholder Kunde definiert und • Quantifizierbare Toleranzwerte für Abweichungen vereinbart sind sowie • Die Beteiligten das enge Zusammenwirken von unmittelbaren harten und weichen Erfolgsfaktoren im Projektmanagement-Gebäude und die besondere Bedeutung der ‚Menschen im Projekt‘ für den wirtschaftlichen Erfolg erkennen, z.B.: – die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft – Zufriedenheit des Projektteams, v.a. auch – die Annahme der Projektergebnisse beim Kunden als mitwirkendem Klienten – Ausbalancieren des – auch durch moralische Zwänge gekennzeichneten – Arbeitsstresses, der das Geschäft in wissensintensiven Beratungsprojekten beiderseitig erheblich beeinflusst (Hesseler 2002c). Erst so sind die Bearbeitungsziele von Beratungsprojekten während des Projektablaufs zu erreichen: • Unter Einsatz geeigneter Ressourcen im Rahmen des vorgegebenen Budgets, d.h. minimalen Kosten • Unter Einhaltung der gegebenen Rahmenbedingungen und Ansprüche des Umfelds (Kunden, Stakeholder), d.h. bei optimaler Leistungszielerfüllung • Bis zum definierten Endtermin, d.h. bei kürzesten Terminen. Dies gilt v.a. für klassische Projekte. Dort ist Erfolg erreicht, wenn die im Projektvorfeld oder bei Projektstart (möglichst vertraglich) festgelegten Erfolgskriterien (Zielparameter) Leistung (Ergebnis/Output/Produkt), Termine und Kosten (Aufwand durch Ressourceneinsatz/Input) so miteinander kombiniert werden, dass z.B. die Projektdurchlaufzeit verkürzt sowie bei Projektabschluss bzw. beim Transfer der Projektergebnisse eine optimale Gesamtprojektqualität entstanden ist. Für Beratungsprojekte, die die Realisierungsphase oft ja nicht erreichen und für die schlecht kalkulierbare Risiken kennzeichnend sind, müssen dagegen wohl subjektive Erfolgsstories der Projektbeteiligten ausreichen. Insofern können noch keine über Indikatoren und Kennzahlen messbaren Erfolgsfaktoren eine Grundlage zur Bestimmung der Anforderungen an die Projektentscheidung im Projektvorfeld bilden (durch Qualitätsmanagement abgesichertes Skope-Management). Es bleibt daher im Einzelfall die

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

Frage offen, ob und inwieweit sich bei der Bestimmung der Würdigkeit eines Beratungsprojekts der Erfolg antizipieren lässt – noch dazu angesichts der zu kommunizierenden moralische Risiken, denen allerdings mit professionell-ethischen Maßnahmen vorgebeugt werden kann (siehe Service 5. Professionell-ethische Maßnahmen und Empfehlungen für Beratungsprojekte). Zur annäherungsweisen Bestimmung des Beratungsprojekterfolgs, den potenzielle Abweichungen des IST vom geplanten SOLL unter Umfeldbedingungen (vereinbarte Qualität), muss manchmal folgende Herangehensweise ausreichen: • Chance: günstiger Fall wie z.B. Erreichung des vereinbarten Meilensteintermins oder • Risiko: ungünstiger Fall wie z.B. nicht vereinbarte Kostenüberschreitung bei einer konzeptionellen Kernleistung wegen erheblicher Terminüberschreitung.

6.4

Berater als Rollenträger

Der Großteil vorhandener Ethik-Kodizes betont den institutionellen Aspekt (das Unternehmen) und ist auf die bestehende Hierarchie ausgerichtet (Management). Letzteres betrifft insbesondere interne Regelungen. Inhaltlich stellen sie den kleinsten gemeinsamen Nenner mit der bestehenden, wenn auch lückenhaften Gesetzgebung her, die allerdings ein Berufsrecht für Unternehmensberater ausschließt. Die BDU-Grundsätze z.B. sind vor allem auf professionelle Seriosität und Fachkompetenz ausgerichtet. Allein auf dieser Ebene bleibt oft unklar, • Wer welche Beratungsleistung oder Teile davon erstellt, grob oder fein konzipiert hat, • Welche Annahmen aus dem Beratungskontext und insbesondere der Klienten vorliegen. Mit anderen Worten bei der Erstellung der Beratungsleistungsleistung sind die individuellen, aber auch unternehmerischen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten lückenlos zu dokumentieren. Ethische Prinzipien wie z.B. moralische Urteilsfähigkeit, Zivilcourage oder soziale Verantwortung werden dabei selten aufseiten des einzelnen Unternehmensmitglieds und aufseiten des Unternehmens als Institution behandelt. Auf letzterer Ebene erfüllen sie oft nur eine Alibifunktion, die eine vorhandene positive individuelle Berufsmoral sogar konterkarieren kann. Was sind die Voraussetzungen und woraus ergeben sich die Anforderungen wirksamen Ethikmanagements in der Unternehmensberatung?

6.4.1

Rollen in der Unternehmensberatung

Nach Wiswede (1977, S. 18) sind „Rollen […] relativ konsistente, mitunter interpretationsbedürftige Bündel von Erwartungen, die an eine soziale Position gerichtet sind und die als zusammengehörig empfunden werden […]“ (ähnlich Strasser 1993, S. 83). Offensichtlich eignen sich Rollentheorien zur Beschreibung der gegenseitigen Anpassungsprozesse zwischen Individuum und Organisation, die in positionale Rollen zur Normierung sozialen Verhaltens des Einzelnen und sozialer Gruppen münden.

6.4 Berater als Rollenträger

213

Basisrollen als Ergebnis der Sozialisation Sozialisation ist der Interaktionsprozess zwischen Sozialisator und Sozialisand in einem sozialen Kontext. Es handelt sich um einen Lern- und Beeinflussungsprozess. Die kollektive Vermittlung von Inhalten (Wissen, Werten, Normen, Regeln etc.) wird dabei oft ausgespart, und damit auch die Doppelseitigkeit von Sozialisationsfolgen: Sachwissen für die Problemlösung und Stabilisierung von Sozialverhältnissen. Dabei sind unterschiedliche den Einfluss stärkende oder mindernde Sozialisationsstrategien zu beachten, die auch miteinander kombiniert werden können (van Maanen, Schein 1979). Wie man Rollen als Set von Positionen, Status, Erwartungen möglichst gut erfüllen kann, ihre Inhalte oder sogar ganze Rollen erneuert, hängt von Sozialisationsstrategien ab. Menschen spielen lebenslang unterschiedliche Rollen. Individuelle Sinn- und Identitätskonflikte können das Rollenhandeln in unterschiedlichen Lebensaltern, Sozialgruppen, Arbeitsgruppen kennzeichnen, gerade wenn ihren Trägern Rollen bewusst sind und sie Rollendistanz üben können. Die Lösung kann im Aufbau einer Patchwork-Identität liegen, d.h. im Rollengefüge existieren mehrere, parallele Identitäten ohne Verlust an Persönlichkeit. Die Ausprägung von Rollenkonflikten hängt dabei auch von den Persönlichkeitseigenschaften der Rolleninhaber und den Handlungsspielräumen des sozialen Kontextes sowie von den zugewiesenen Gruppenrollen ab, darstellbar durch ein Rollogramm. Die relative Persönlichkeitsstärke im sozialen Rollengefüge kann z.B. nach den Kriterien des „Sense of Coherence“-Konzeptes erfasst werden (Antonovsky 1979, Kliem 1990): • Verständlichkeit (Wissen): Leitsatz „Ich verstehe meine Welt“ • Machbarkeit (Können, Macht, Machbarkeit): Leitsatz „Ich kann meine Welt gestalten“ • Sinngebungsfähigkeit: Leitsatz „Was ich tue, ist für mich sinnvoll.“ Je nach Ausprägung wird ein Persönlichkeitstyp im Lebens- und Arbeitsalltag unterschiedlich wahrgenommen. Dazu Folgendes: • Nr. 1: Offensichtlich verfügt eine Gruppe von Menschen mit einer sehr hohen Ausprägung auf allen Ebenen über ein relativ widerspruchsfreies Weltbild (Selbst-, Welterfassung). Sie scheinen stabil und widerstandsfähig zu sein. Ihre Werte können bei anderen Menschen Widerspruch hervorrufen. Vermutlich gehören moralische Persönlichkeiten in diese Gruppe (vgl. Whistleblower mit Zivilcourage). • Nr. 2: Es gibt nicht viele Macher, sie erfüllen v.a. die Kriterien der Machbarkeit und Sinngebungsfähigkeit in hohem Maße. Sie müssen ihre eigene Welt nicht unbedingt reflektieren und verstehen. • Nr. 3: Menschen, bei denen man eine relativ hohe Ausprägung auf der Ebene Verständlichkeit und Sinngebungsfähigkeit beobachten kann, haben keine Macht. Ist dies entwicklungsfähig? Betrifft dies die Mehrheit in Unternehmen? • Nr. 4: Manche Menschen, die lediglich über eine Sinngebungsfähigkeit verfügen, können hinzulernen, wenn sie dies erkennen. Selbstbescheidung bleibt wohl ihr Markenzeichen. • Nr. 5: Menschen, die weder ihrem Wissen noch ihrem Können vertrauen, könnten ihre Potentiale verspielen. • Nr. 6: Wer nur seine Welt versteht, dessen Hoffnung auf Lebenssinn und Veränderung kann schwinden.

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

• Nr. 7: Selten findet man Menschen vor, die nur meinen, ihre Welt gestalten zu können, ohne sie zu verstehen und dies für sinnvoll zu halten. Rebellen mit nihilistischen Vorstellungen? Terroristen? • Nr. 8: Menschen, die sich kaum verstehen, ihre Welt nicht gestalten können und in dem, was sie tun, überhaupt keinen Sinn sehen, wirken niedergeschlagen, hoffnungslos. Darin sind sie stabil. Wie lässt sich dies verallgemeinern?: • Offensichtlich ist die Sinngebungsfähigkeit eine Schlüsselkomponente. Machbarkeit und Verständlichkeit würde ohne sie keine nachhaltigen Wirkungen entfalten. • Jemand, der seine Welt gestalten kann, muss sie zunächst einmal verstehen. • Vertrauen Menschen nur auf ihre Ressourcen, ohne Macht zu haben, schlägt dies durch auf die Sinngebungsfähigkeit. Dies kann eine realitätsorientierte Auseinandersetzung mit Problemen gefährden. • Menschen, die nur durchblicken, bekommen nicht unbedingt ihre Probleme in den Griff (Typ 3 und 6: inhärent stabil). Änderung ja, aber wohin? Lassen sich Unternehmensberater dem Typ 2 als Sozialisationsergebnis zuordnen? Lassen sich im Vergleich dazu viele Menschen dem Typ 4 zuordnen? Diese suchen Verständigung und Gestaltung, erkennen aber an, dass ihnen die Voraussetzungen zunächst dafür fehlen. Diese zu erwerben wird zum Ziel eines existentiellen Selbstmanagements für die Zukunft. Moral wird auch in Rollen gelernt. Nach dem Zwei-Aspekte-Modell von Lind (1993) muss dabei die Frage beantwortet werden, ob: • An Werte gebundene moralische Fähigkeiten in ‚pädagogischen‘ Institutionen (Familie, Kindergarten/Vorschule, Schule, peers groups) entstehen • Sich die Akteure im Alltag dann entweder bewusst für diese moralischen Wertorientierungen entscheiden oder diese unterschwellig wirken • Jene sie nachhaltig situationsspezifisch anwenden bzw. sie wirken. Dabei ist je nach Sozialisationsergebnis von einem möglichen Bruch zwischen moralischem Urteilen und Handeln auszugehen, der sich bis ins Erwachsenen- bzw. Berufsleben hinziehen sowie dort selten oder nur mit Mühe gekittet werden kann. Verantwortungsbewusstsein, Selbstkonsistenz als intervenierende Variable sowie Bewältigungsmechanismen als modifizierende Variablen vermitteln zwischen moralischem Denken und Handeln. Moralisches Selbst bedeutet dabei konzeptionell Folgendes: • Handlungsimpuls in der Überzeugung vom Richtigen, d.h. Beeinflussung des moralisch relevanten Verhaltens durch ein vorangegangenes Urteil: – positives Ergebnis bei moralisch als gut oder richtig bewertet: Handeln nach Übereinstimmung mit diesem moralischen Urteil – negatives Ergebnis bei moralisch als schlecht oder falsch bewertet: Handeln danach. • Schlussfolgerung: Integration des Erkennens der moralischen Bedeutung einer Handlung und der Motivation, entsprechend seinem Verstehen zu handeln.

6.4 Berater als Rollenträger

215

Vor allem Kohlberg hat sich mit der durch Denken vermittelten Moralentwicklung beschäftigt. Dabei hat er die Entwicklung der Begründungen normativer Urteile und der diese leitenden Orientierungen (Prinzipien) als gestufte Prozesse untersucht. Er legt dabei das Gewicht auf die „Begründungen von Normen anhand moralischer Dilemmata, also Konflikten zwischen zwei moralischen Ansprüchen“ (Standop 2005, S. 43). Diese erinnern nur anfangs an Konflikte zwischen Pflicht und Neigung. Bei der Entstehung von Werthaltungen müssen nämlich der Wandel der Bezugsperson, der Erziehungsstil, die Auswirkungen der sozioökonomischen Situation und die Vielfalt der individuellen Entwicklungsformen mitgedacht werden. Es entsteht eine zunehmende Komplexität im Verhaltensrepertoire, begleitet von Krisen: • Kontinuität im Zusammenhang mit sozialem Lernen • Zunahme persönlicher Autonomie in den Überzeugungen • Abbau eines ethischen Rigorismus und Zunahme einer realistischeren und liberaleren Haltung. Erklärungsansätze basieren meist auf dem Moralbegriff Piagets (beruft sich auf Kant und Durkheim) und v.a. auf dem Modell der moralischen Entwicklungsstufen von Kohlberg (siehe seine Dissertation 1958):

Entwicklungsmodelle von Piaget und Kohlberg Jean Piaget (1896–1980): • Moralbegriff: – ein System von Regeln als Kern jeder Sittlichkeit – Achtung, die das Individuum für diese Regeln empfindet – Respekt gegenüber ihrer scheinbaren ‚Unverletzlichkeit‘ • Erkenntnisse : – Wiederholung der Strukturen moralischen Urteilens: (1) im Sinne eines Regelverständnisses und der Regelbeachtung sowie (2) hinsichtlich Gut und Böse und der Strafwürdigkeit verschiedener Handlungen – allgemeine Abfolge in der Entwicklung der kognitiven Denkstruktur moralischen Urteilens, d.h. Ablösung des amoralischen Stadiums (autoritätsbestimmte heteronome Moral) durch ein Stadium des moralischen Realismus (selbstbestimmte autonome Moral) Lawrence Kohlberg (1927–1987): • Progressive Stufen (Reihenfolge) der moralischen Entwicklung mit Krisen: – Veränderung in Form eines höheren Grads an Differenzierung und Integration des Denkens – Zunahme der Reversibilität und Äquilibriertheit operationalen moralischen Verstehens und Entscheidens sowie – des Gesellschaftsbezugs im Rahmen eines sozialen Verpflichtungsmodells

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

• Untersuchung der Denk-Prinzipien hinter den normativen Entscheidungen: – anhand der operativen Lösung sozio-moralischer Konflikte – Abhängigkeit des moralischen Fortschritts vom logischen Fortschritt • Konzentration v.a. auf Internalisierung von sozialen Normen in der Sozialisation und ihre Einhaltung im Normalfall: – trotz Übertretungsversuchungen, Kontrolle oder Sanktionen sowie – unter Wirksamkeit eines Schuldgefühls als selbstbestrafende oder selbstkritische Empfindung von Reue und Angst – im Zuge dieser Entwicklung schrittweise Entstehung der Fähigkeit des Einzelnen, aufgrund der erworbenen Regeln (moralische) Urteile über eigenes und fremdes Verhalten zu fällen (z.B. Gerechtigkeit) • Einflussfaktoren der Persönlichkeit als Problem wie z.B.: – die Intelligenz – die Fähigkeit zum Bedürfnisaufschub – die Aufmerksamkeit hinsichtlich der Ehrlichkeit und – die aktuellen Situationen, die auch nicht-moralisches Verhalten mitbestimmen Tab. 31: Entwicklungsmodelle von Piaget und Kohlberg

Nach dem ‚erfolgreichen‘ Durchlaufen der vorangegangenen Stufen entwickelt sich ein postkonventionelles Stadium mit den Stufen 5 und 6. Drei Kriterien gelten dort für eine ‚reife‘ Erwachsenenmoral, die allerdings empirische Untersuchungen in der Normalbevölkerung – und dann noch projiziert auf Rollenhandeln – noch nicht nachweisen konnten: • Die Internalisierung von Normen: – das Erleben des Sollens oder der normativen Verpflichtung, ohne äußere Kontrolle, Zwänge und Anreize einer selbstvertretenen universellen Leitlinie (Prinzipien) formal zu entsprechen – Beispiel v.a.: Prinzip der Achtung vor dem Menschen, • Das Gerechtigkeitsempfinden aus einer legalistischen Vertragsorientierung: Verständnis für Regeln der Verteilung und des Austauschs von Gütern bzw. von Belohnungen und Bestrafungen in einem sozialen System • Identifizierung mit dem Prinzip gegenseitiger Verantwortung: – Zurückstellung eigener Bedürfnisse und Interessen gegenüber anderen – Anzeichen: Erleben von Mitgefühl, Schuld oder Unterstützung des anderen, anstatt ihm zu schaden. Der individualpsychologische, d.h. soziale Interaktion und Kommunikation ausklammernde Ansatz von Kohlberg stößt bei Wissenschaftlern auf Kritik:

6.4 Berater als Rollenträger

217

Kritik an Kohlbergs Ansatz Ungenaue Bestimmung der Struktur:

• Invariante Stufenfolge • Kein Zugestehen mehrerer Entwicklungspfade von einem Zustand A zu einem Zustand B, insbesondere sowohl mit Blick auf die divergente als auch konvergente Entwicklung • Keine Klärung des jeweils bestimmenden Verhältnisses zwischen Denken, Fühlen, Handeln für die fortschreitende Entwicklung des Wertebewusstseins und der Handlungsfähigkeit einer reifen mündigen Persönlichkeit In jedem Fall Behauptung der Unterlegenheit von Kindern/Jugendlichen gegenüber Erwachsenen: • Erst auf höherer Stufe Verständnis der Argumente auf den darunterliegenden Stufen, nicht aber umgekehrt • Keine inhaltliche Bestimmung der asymmetrischen Beziehungen, sondern eine strukturelle Ausschließliche Konzentration auf Gerechtigkeit und Rechtsansprüche: • Deduktive Logik gegenseitiger Rechte und Pflichten in sozialen Beziehungen: an Gewaltlosigkeit und Nicht-Verletztsein-Wollen ausgerichtete Moral der Verantwortung sowie Empathie mit anderen • Mangelnde Vereinigung der genannten Logiken, d.h. der gerechtigkeitsorientierten (Rigidität) und fürsorgeorientierten Moral (Flexibilität) • Vernachlässigung der Bedeutung von moralischen Dilemmata im wirklichen Leben, z.B. im Ethiktraining für die Kommunikation in Beratungsprojekten Keine Verankerung in der sozialen Interaktion von Lernendem (Sozialisand) und Lehrendem (Sozialisator): • Vernachlässigung der Zusammenhänge zwischen Bewusstsein, (begrifflichem) Denken und Sprechen entlang der dominanten Tätigkeiten • Ausklammerung der Bedeutung der „Zone der nächsten Entwicklung“ (Lew S. Vygotskij, 1896–1934) Tab. 32: Kritik an Kohlbergs Ansatz

Unklar bleibt dabei auch Folgendes: • Ist das Erreichen der Stufe 5 bereits ein befriedigender Endpunkt moralischer Entwicklung (siehe Utilitarismus)? • Ist die Forderung realistisch, den monologischen kategorischen Imperativ von Stufe 6 diskursethisch um die Stufe 7 zu erweitern? • Gibt es genügend Handlungsspielräume, die eigenen Werteinstellungen kritisch zu hinterfragen, d.h. – sacheneinsichtig (Sachkompetenz, intellektuelle Mündigkeit)

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

sozialeinsichtig (Sozialkompetenz und soziale Mündigkeit) und werteinsichtig (Selbstkompetenz und moralische Mündigkeit) zu handeln? • Sind nicht Anreize für die Erhaltung und Weiterentwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit im Erwachsenenleben erforderlich? – –

Gerade die Stufe 6 (oder auch 7) hat mit seinem Aufforderungs- und unbedingten Charakter pädagogische Relevanz, d.h. als teleologisches Leitziel der Erziehung zur moralischen Urteilsfähigkeit. Dabei steht wohl im Vergleich zu den Utilitaristen (eigenes und allgemeines Wohlergehen) und Diskursethikern (Argumentation/Verhandeln im Diskurs) in Entwicklungsmodellen das „Prinzip Freiheit“ an oberster Stelle: „[…] die moralische Entwicklung eines Menschen oder einer Gesellschaft, insbesondere einer Rechts- und Staatsordnung, kann erst dann als abgeschlossen gelten, wenn sie das Prinzip Freiheit als Maßstab der moralischen Beurteilung des persönlichen und des öffentlichen Handelns […] anerkannt hat“ (Höffe 1986, S. 61). Aus praktischer Sicht ist im Zusammenhang damit vielleicht die Verkürzung auf 5 Stufen empfehlenswert (siehe Reidenbach, Robin 1991, S. 274): Ausgeglichenes Geschäft

Geschäft für Profit/Gewinn (ökonomische Vorteile)

5: Ausgeprägte ethische Entwicklungsstufe: Moralisches, ethisch verbindliches Handeln

Im Erwachsenenalter noch nachlernbar?

4: Ethische Entwicklungsstufe: Sichtbar-Werden ethischer Grundsätze (Vorstufe) 3: Entwicklungsstufe „Auf-Jemanden-Eingehen-Können“: Ansprechbarkeit, Empfänglichkeit, Aufgeschlossenheit 2: Legalistische Entwicklungsstufe: Recht/Unrecht

1: Amoralische Entwicklungsstufe: Ohne Moral, Moral noch nicht relevant

Rückfall möglich?

Unausgeglichenes Geschäft

Abb. 23: Fünf Entwicklungsstufen zum ethisch reflektierten moralischen Handeln

Neben der Sozialisation/Erziehung zu Wertebewusstsein wird daher die Entwicklung der „Haltung der Achtung vor dem anderen um seinetwillen“ (Speck 1996, S. 49) Teil der Moral. Dies ist zu verstehen als Verantwortung des Selbst für den anderen und für gegenseitige Achtung, die von Bedingungen frei ist. Moral wirkt als Schutzvorrichtung:

6.4 Berater als Rollenträger • • • •

219

Selbstregelung als Maßstab Toleranz unter Angabe der Grenzen für die Selbstgewissheiten Relative Autonomie als Selbsteinbindung Selbstachtung und Achtung des Nächsten.

Die Praxis wirkt dagegen ernüchternd: Der Großteil der Erwachsenen befindet sich höchstens auf der Stufe 4. Dies kommt durchaus dem Compliance-Gedanken entgegen. Dieser bietet Schlupflöcher und ermöglicht eine Balance zwischen Profit und Ethik, sofern sich diese auszahlt. Seitdem der Turbokapitalismus ohne Maske und politisch ungebremst wirkt, fallen viele Manager und Eigentümer sogar auf die Stufe 3 oder weiter zurück. Ethik-Maßnahmen – ohnehin unverbindlich und Teil von PR – werden dann zur Makulatur. Daraus ergeben sich unterschiedliche Fragen an Beratungsprojekte: • Dominieren stabile Persönlichkeiten mit den Merkmalen zuverlässig, gelassen, belastbar und engagiert bei allen Sachaufgaben und in sozialen Beziehungen? Bestimmt dies ihr Rollenhandeln? • Fühlen sich Berater einem unmittelbaren sozialen Umfeld sowie seiner Kultur verpflichtet? • Sind ihre Werte widerspruchsfrei, führen sie zu Sinn jenseits des Zufalls und zur Lebensgestaltung? • Sind sie geistig autark? • Oktroyieren sie ihre sinngebenden Werte anderen auf oder stellen sie eine vorbildliche Autorität dar? Beraterhandeln in Berufsrollen Die in der Sozialisation erlernten Basisrollen gehen ein: • In die beruflichen Unternehmensberatungsrollen, die als Ergebnis organisatorischer Sozialisation eine gewisse Spezifik aufweisen und in höchstem Maß Teamrollen sind, und – davon abgeleitet – • In die auf den Projekttyp zugeschnittenen Rollen. Das wird in Unternehmen nur reibungslos gelingen, wenn das Personalmanagement die Vereinbarkeit von Berufsrollen mit den sozialen Rollen außerhalb des Unternehmens, wie z.B. in Familie und Privatleben, ab Einstellung und Eingliederung der Berater als Mitglieder der Organisation ‚Unternehmensberatungsunternehmen‘ berücksichtigt (vgl. z.B. die Wirkungen des Burnout-Syndroms mit einem erheblich stressabhängigen depressiven Anteil). Dabei spielt auch ein anderer grundlegender Konflikt hinein, nämlich der: • Zwischen den Arbeitsaufgaben, dem Rang, der Bezahlung, den Rechten und Pflichten als Vorgaben des Unternehmens, die die wechselseitigen Rollenerwartungen formell legitimieren, und • Dem persönlichen Anteil des Rolleninhabers/-trägers aus ihrer Annahme, Interpretation, Geltung. In der Praxis wirkt dabei ein Spannungsverhältnis zwischen konformistischem Role-Taking (funktionaler Rollenansatz aus Sicht der Klientenerwartungen) und Role-Making. Merkmale des Role-Taking sind:

220

6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

• Sowohl Verankerung des Rollenhandelns in der Organisation des Unternehmens als auch dem Projekt, womit die vernachlässigten Klientenrollen in den Blick geraten • Schlecht antizipierbare Erwartungen des Rat suchenden Kundenunternehmens an den Positionsinhaber ‚Berater‘ in der Rat gebenden Institution Beratungsunternehmen • Geordnet nach Problemdruck sowie Lernmotivation und Veränderungsbereitschaft Klassifizierung der Klienten in die vier Kliententypen Getriebener, Krisenbewältiger, kooperativer Problemlöser und Imagepfleger • Entsprechend der Koordinaten ‚Art der Beratung‘ (Fach-/Prozessberatung) und ‚Beraterverhalten‘ (direktiv und nicht-direktiv) Unterscheidung von acht Beraterrollen (Abbildung, modifiziert nach Hoffmann 1991): Fachberatung (Fachinformation)

Realisator

Gutachter Informationslieferant

Problemlöser

Sachorientierter Beratungsstil (sachorientierte Beraterrollen)

Art der Beratung (Vermittlungscharakter)

sp Au Prozessberatung (Prozessinformation)

Direktiv



ng gu

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n

Trainer

Personenorientierter Beratungsstil (sachorientierte Beraterrollen) Katalysator/ Moderator

Prozesspromotor

lle

Beraterverhalten (Direktivität)

Coach

Nicht-direktiv

Abb. 24: Funktionales Rollenmodell in der Unternehmensberatung

Empirische Untersuchungen deuten auf die Verbreitung eines organisatorischen Konservatismus hin (Staehle 1991b, Hoffmann 1991), wenn man das Konzept einer relativ stabilen dispositiven Orientierung des Individuums zugrunde legt: • Kein durchgehender Fit zwischen qualitativer Beratungsnachfrage und -angebot • Bei deutschen Klienten unter geringem Problemdruck und mit wenig Lernbereitschaft wohl Verinnerlichung des Alltagsbilds des Managements von der Organisation als reparierbarer „Maschine“, Folge: Favorisierung des Problemlösers als Beratungsprofil

6.4 Berater als Rollenträger

221

• Bei Klienten unter hohem Problemdruck und mit geringer Lern- und Kooperationswilligkeit kaum Motivation zur Kooperation mit dem Berater • Abbröckeln des Beratungsprofils der Fachberatung (Arzt-Patienten-Verhältnis) zugunsten eines personenorientierten Beratungsstils, den die Übernahme nicht-direktiver Funktionen als Katalysator und Moderator im Realisierungsprozess kennzeichnen. In diesem Zusammenhang wirken die drei Modelle von Schein (1987), die gern auf die Unternehmensberatung übertragen werden, zu oberflächlich: • Beratung als Beschaffung von Expertenwissen • Beratung analog der Arzt-Patienten-Beziehung und • Prozessberatung. Andere Wissenschaftler haben diesen Ansatz für die Strategieberatung weiterentwickelt und aufgabenspezifisch modifiziert. Eine situationsspezifische Erweiterung hat McKinsey versucht. Auf Beratungsprojekte und vor allem Projektteams von zusammenarbeitenden Beratern und Klienten werden allerdings Rollenmodelle selten angewandt. Dabei spricht die empirische Ausgangssituation für Folgendes: • Top-Management-Ebenen beider Unternehmen: Einschätzung der Beziehungen zwischen Berater und Klient nach einem analogen Normen- und Werteverständnis (Erwartungsmuster, Leitbilder, Organisationseinstellung, Menschenbild) • Mittlere und untere Ebenen: Auseinanderfallen der wechselseitigen Rollenerwartungen, Folgen: – Entstehung von Implementierungsproblemen, sofern die Top-Down-Strategie des Bombenwurfs vorherrscht – Austragung der entstehenden Konflikte im Beratungsprojekt bzw. Beratungssystem im engeren Sinne, geprägt durch Projektmanagement nach dem Prinzip der Koordination durch Hierarchie. Je mehr Beratung zu einem interaktiven Prozess zwischen gleichberechtigten Partnern wird, desto mehr löst die Vorstellung der passiven Übernahme vorgegebener Rollen (role-taking) das Verständnis von der aktiven innovativen Rollengestaltung auf beiden Seiten ab (rolemaking). Berater und Klienten gestalten ihre Rollenbeziehungen in einem kommunikativen Prozess selbst. Konzeptionelle Anforderungen an das aktive Rollenhandeln sind z.B.: • Kontext: z.B. Einsatz des richtigen Personals, vollständige Information der Akteure über die Beratungssituation sowie Eröffnung von Handlungsspielräumen • Über die bisherige Konzentration auf das Verhalten von Individuen hinaus Berücksichtigung der konkreten sozialen Rollenverteilung im Kunden-/Beratungsunternehmen und Beratungsprojekt, dabei – Unterscheidung der Beziehungen in einem Einzelprojekt von – den projektunabhängigen Geschäftsbeziehungen zwischen Beratern und Klienten, deren Vertrauen, Verpflichtung und Zufriedenheit erst die nachhaltige Grundlage für das ethisch verantwortbare bzw. moralische Handeln in Projekten bilden. • Dynamik (Konflikte, Lernen) aus der wechselseitigen Beeinflussung von Beratern und Klienten: z.B. Potentiale der Klienten unter gegebenem wechselseitigen Rollendruck

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

• Mehrdimensionalität zur Verbesserung der Erklärungs- und Gestaltungskraft von Rollenkonzepten und zur Prüfung, ob die Anwendung dieses Wissens zur Optimierung des Rollenverhaltens führt. Berufsrollen und daher auch Unternehmensberaterrollen sind sehr komplex und vielschichtig. Sie manifestieren sich in allgemein menschlichen, vorher in Sozialisationsagenturen erlernten Rollen sowie in spezifischen Rollen in Beratungsunternehmen und -projekten. So fungieren Rollen mit ihrer typischen Bündelung von Werten, Normen, Vorerfahrungen, Interessen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnissen und Kompetenzen, Einstellungen und Wertorientierungen auf der Vermittlungsebene zwischen sozialen Strukturen und individuellen Personen/Persönlichkeiten. Rollen bilden so einen Filter für die Aufgabenerfüllung. Dabei erwächst das Kontinuum der Beraterrollen nicht allein aus dem Berater-Kunden-Verhältnis bzw. der Berater-Klient-Interaktion im Projektteam (Wohlgemuth 1983). Aus Sicht des bewussten Selbstmanagements eines Systemmitglieds wirken Rollen auch als Geflecht von personalen, institutionell-organisatorischen und aufgabenspezifischen Beziehungen in den Beratungssituationen von Projektarbeitsgruppen. Rollenträger – ob nach einem Selbstoder Fremdbild – können Folgende sein: • • • • • • • • • • • • • • •

Krisenmanager, Mediator Problemlöser, konstruktiver Kritiker, Konzeptlieferant Prozessberater Neutraler Dritter, Bezugsperson Wissensvermittler, Fachspezialist Manager, Koordinator, Entscheidungsträger Eingreifer Kontrolleur ‚Selbermacher‘ Motivator Moderator, Vermittler Freund Coach, Mentor, Anleiter Alleskönner Auslöser.

Die Teamrollenspezifik kann dies ergänzen (nach dem TBF von Kienbaum, Personalberatung 1992): • Grad der Ausprägung des Arbeitsstils nach den Rollenfunktionen Tatkraft, Kontakt, Initiative, Analyse, die am Anfang wohl dominiert • Grad des Teamstils nach den Rollenfunktionen Kontakt, Einfühlung, Dominanz, Stabilität, Kooperation, die in späteren Projektphasen wohl in enger Verbindung mit Zielorientierung und kritischer Reflexion des Analytikers dominiert • Ergebnisprofil Teamorientierung: – aus der Kombination des Ausprägungsgrads Arbeitsstil nach den Rollenfunktionen Organisation/Entscheidung, Analyse/Synthese, Flexibilität/Kreativität und

6.4 Berater als Rollenträger

223

des Ausprägungsgrads persönlicher Stil nach Motivation/Integration, Kooperation/ Durchsetzung, Einfühlung/Überzeugung • Teamorientierungstypen z.B.: ordnungsorientierter Analytiker, Realisierer mit sozialem Geschick, ideenreicher Visionär • Ergänzung (siehe Hesseler 2007a, S. 63): – neben den bearbeitenden (z.B. Initiator), begleitenden (z.B. Beobachter) und bewahrenden Rollen im Projektteam (z.B. ‚Moralist‘) – die störenden Anti-Teamrollen wie Dominator, Blockierer, Verweigerer, Geltungssüchtiger und Angeber – die störenden Persönlichkeitstypen mit unangemessenen Gedankenmustern (Stavemann 1995) wie (1) Selbstschutzexperten und Punktkämpfer, (2) verantwortlose Untertanen und erwachsene Küken, (3) Schwarz-Weiß-Maler, Generalisierer und MenschenwertBestimmer, (4) Absolutes Fordernde und Gerechtigkeitsapostel (Muss), (5) Null-Verzicht-Übende, (6) Applausfetichisten, (7) Meinungen-und-Tatsachenaussagen-Vermengende, und (8) Interpretationsspezialisten, die willkürliche und unlogische Schlussfolgerungen ziehen. –

Normiertes Rollenhandeln als Sozialisationsmedium, in das auch Extreme hineinwirken, schlägt eine Brücke zwischen Individuen und der Organisation als dem aggregierten sozialen Kollektiv: • Indikatoren für Individuen: Arbeitszufriedenheit, wahrgenommene Arbeitssituation, Zufriedenheit mit Organisation, wahrgenommene Organisation • Indikatoren für Organisation: Rollenmoral/-klima am festen Arbeitsplatz sowie Organisationsmoral/Organisationsklima im Gesamtunternehmen und Subsystem Beratungsprojekt. In diesem Zusammenhang entwickeln Brinkmann, Steenbuck (2002) moralische Rollen für den Berufsalltag nach Schillers Theaterstück „Der Parasit“ (neuerdings Brinkmann, 2009 anhand von Ibsens Theaterstück „A doll’s house“). Dieses handelt von Hofintrigen, Karrierestrategien und Karrieremoral. Die Autoren nehmen die Rollenverteilung hinsichtlich der ‚morality‘ dort als Ausgangspunkt für die Erziehung zu moralischem Handeln. Danach könnte man im moralischen Theater „Unternehmensberatung“ idealtypisch folgendes zentrale Kontrast-Rollenset unterscheiden: Die Figur Selicour repräsentiert beispielhaft opportunistisches Rollenhandeln; Merkmale sind: • Rhetorisch zweckdienlicher Einsatz verschiedener Mittel für seine Karriere je nach Situation, z.B. Schmeicheln, Meinungsänderung, Entstellung von Wahrheiten zu Halbwahrheiten, sich in das rechte Licht setzen, Verbergen seiner fachlichen wie persönlichen Schwächen • Ausgeben der Leistungen anderer als die eigenen, geschickte Informationspolitik, Ausnutzen der Schwächen anderer (Macht) • Positionssicherung durch Pflege und Nutzung informeller Kontakte zu wichtigen Akteuren im sozialen Umfeld.

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

Die Figur Firmin repräsentiert beispielhaft integres Rollenhandeln; Merkmale sind: • Ordentliche und gewissenhafte, z.T. pedantische Ausführung ihm gegebener Aufgaben, Motivation nicht nur durch den persönlichen Erfolg, sondern durch das gute Ergebnis • Kooperatives Verhalten • Naive Idealisierung wechselseitigen Austauschs unter Verkennung der jeweiligen individuellen Interessen anderer • Vermeidung, sich als Person zu exponieren, fast eine Scheu vor Konkurrenzverhalten. Die Figur La Roche repräsentiert beispielhaft intrigierendes Rollenhandeln; Merkmale sind: • Oft Ausgangspunkt in Unternehmensberatungssituationen: „Opportunismus und Integrität als gegensätzliche Karrieretypen können solange friedlich koexistieren, wie Parasiten Mitspieler finden, die sich manipulieren und ausnutzen lassen. Karrieren handeln allerdings normalerweise vom Sieg über Konkurrenten im Wettbewerb um knappe Positionen. So ist es in Schillers Stück wie auch im wirklichen Leben. In Schillers Komödie sorgt nicht der integre Gegenspieler als Propagist guter Arbeits- und Organisationsmoral für Spannung, sondern ein intriganter Konkurrent in Sachen Karriere“ (Brinkmann, Steenbuck 2002, S. 4). • Verwendete Mittel: – aus Rache Verwendung der gleichen, zuvor verurteilten Mittel für den eigenen Erfolg – Kritik an Opportunisten – Schlechtreden seines Kontrahenten – Ersinnen von Fallen für ihn – Verfälschung der Wahrheit durch geschickte Rhetorik – sich als Opfer der Verhältnisse präsentieren – Spaß an der Intrige – Favorisierung von „Spitzbüberei“ vor Ehrlichkeit. Die Figur des Ministers Narbonne repräsentiert beispielhaft autoritäres Rollenhandeln: • • • •

Verfolgung des Prinzips der „Pflicht“ als höheres Ziel bei sich und Untergebenen Messung der Untergebenen an der Qualität ihrer Ergebnisse und an ihrem Verhalten Verantwortung für das Gute, sofern man es nicht tut, und das Böse, sofern man es zulässt Neutrales und faires Verhalten im Konfliktfall gegenüber allen Rollenträgern, d.h. jeder muss zu Wort kommen dürfen • Empfehlung zur Klugheit: allen gleichermaßen vertrauen, solange es sich als gerechtfertigt erweist, und anderenfalls Konsequenzen ziehen. Die Autoren resümieren: „Diesmal hat das Verdienst den Sieg behalten. Nicht immer ist es so. Das Gespinst der Lüge umstrickt den Besten, der Redliche kann nicht durchdringen, die kriechende Mittelmäßigkeit kommt weiter als das geflügelte Talent, der Schein regiert die Welt, und die Gerechtigkeit ist nur auf der Bühne“ (ebd., S. 69).

6.4 Berater als Rollenträger

225

Dieser Abschluss gibt noch einmal in stark verdichteter Form die Kernaussage des ganzen Stückes oder die Situation in nicht wenigen Beratungsprojekten und deren Umfeld wieder. Rollenhandeln in Beratungsprojekten und moralische Konflikte Moralische Kompetenz lässt sich vielleicht mit dem „Moralisches Urteil Test“ (MUT) von Lind (2003) vor und nach einem Projekt messen, sofern: • Sich überhaupt die abrufbare moralische Urteilsfähigkeit eines Erwachsenen herausgebildet hat und • Anreize zu ihrer Aktivierung gegeben sind. Als Basis von Lernprogrammen können z.B. reale Dilemmata- oder Zwangssituationen dienen, in denen akzeptierte moralische Grundsätze fast zwanghaft in einen Konflikt geraten. Kompetent begleitet, können Dilemmatadiskussionen auch das Projektlernen von erwachsenen Beratern fördern: • Ziele: – Wahrzunehmung sozialer Dilemmata unter Berücksichtigung des situativen Kontextes und zum Nachdenken über gerechte Lösungen – Förderung der Fähigkeit einer sozialen Perspektivenübernahme und daher – Handeln nach moralisch vertretbaren Maßstäben trotz möglicher höherer Kosten und/oder sozialen Drucks • Basis für die Umsetzung: – durch herausforderndes moralisches Denken Anreiz zu moralischem Handeln: sich Argumenten und Meinungen aussetzen, die sich von eigenen Argumenten und Meinungen unterscheiden oder ihnen sogar widersprechen – bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit auf die moralischen Dilemmata im Projektalltag – (Neu-)Lernen moralischer Urteilsfähigkeit durch Umgang mit sozialen Fallen bei der Wahl zwischen Handlungsalternativen: (1) die sowohl zu kooperativem als auch zu egoistischem und wettbewerbsorientiertem Verhalten anreizen, (2) die je nach personellen Voraussetzungen und Situation gegen die eigenen moralischen Prinzipien verstoßen. Wenn in realen Beratungsprojekten überhaupt moralische Dilemmata entstehen, unterdrücken sie die Berater automatisch selbst oder sie werden vom Management dazugezwungen. Dies betrifft auch die Seite des Kundenunternehmens. Meist erfolgt kein bewusster Umgang mit moralischen Konflikten, um daraus moralische Kompetenz zu entwickeln: die moralische Fähigkeit, verfügbares moralisches Wissen zu aktivieren, weiterzuentwickeln und im realen Alttag anzuwenden. Bei Schiller macht der bescheidene und tüchtige Firmin aufgrund seines Verdienstes Karriere, so dass die Gerechtigkeit wieder hergestellt zu sein scheint. In der Unternehmensberatung ist aber gegenüber dem moralischen Idealismus der Redlichkeit Skepsis angebracht (nach Brinkmann, Steenbuck 2002): • Gute Arbeit wird nicht immer auch belohnt, sogar manchmal bestraft, wenn man z.B. nicht auf den Chef hört. Wickert (1994) würde sagen, der Ehrliche ist der Dumme. • Der Intrigant macht als schlechte Kopie Karriere, wie auch immer durch Mitläufer unterstützt, oder

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

• Er wird immer wieder gefördert und löst eine Konkurrenzverhaltensspirale aufseiten des Guten aus, der sich langsam zum Parasiten wandelt (wie auch immer über die Zwischenstufe des Opportunisten oder mit Unterstützung von Opportunisten). Nun ist es aufgrund einer unbefriedigenden Beraterdefinition schwer, aus dem oben beschriebenen Rollenhandeln typische Beraterrollen für Projekte zu erzeugen und die Folgen für moralisches Handeln aufzuzeigen. Die Behandlung folgender Anforderungen hilft vielleicht weiter, deren Erfüllung auch das Spannungsverhältnis zwischen Betriebsberater und Managementberater sowie die Kompromisssuche durch das Management von Beratungsprojekten beeinflusst: • Nachdenken über das eigene Selbstverständnis als Berater, z.B. Überwindung der Pseudoberatung, die zu 99 % dem Kunden in Form von Umlernen und Entscheidung auf Basis veränderten Wissens den Erfolg/Misserfolg zuschreibt • Anstatt des unscharfen Sammelsuriums unterschiedlicher Tätigkeiten bewusste Rollenübernahme in der Interaktion Berater/Klient sowie gemeimsame Kompetenzentwicklung • Erkennen, dass Kunden auch irrationale Entscheidungen bei der Auftragsvergabe treffen • Beim Umgang mit Rollenerwartungen bewusste Vorabklärung der Wirkung von Interventionen • Durch den Kunden Erwartung der Aufgabe bloßer Konzeptentwicklung und Überzeugungsarbeit zugunsten einer soliden, zu realisierenden Problemlösung. Die hohe Intensität der Kommunikation zwischen Klienten und Berater im Kontext des Beratungs- und Kundenunternehmens legt eine enge Verbindung zwischen sachbezogenem und personenbezogenem Management von Beratungsprojekten im Leistungserstellungsprozess nahe. Dabei lässt sich das Ausmaß der Berater- und Klientenaktivitäten schwer abschätzen und fällt auch je nach Projekttyp unterschiedlich aus (siehe zur Orientierung die Skala von Lippitt, Lippitt (1999, S. 84) im Koordinatensystem Beratungstätigkeiten und Beraterrollen). Die konstruierbaren Rollen für Unternehmensberatung schließen sich nicht aus, sondern können im Beratungsprozess und im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen flexibel gestaltet werden. Die folgende Tabelle stellt mögliche Berufsrollen für Beratungsprojekte zusammen (auch nach Ramge 2009, S. 90ff.), die aber z.T. um des Lernens willen ein Berater-Bashing konterkarieren sollte (Regber 2010, Coach der Festo Didactic GmbH):

Beraterrollen im Grenzland Erfolgssuggerierer

Grenzwanderung zwischen der Reflexion und Kritik von Entscheidungen sowie dem Verkauf von Pseudo-Effekten

‚Manipulator‘

Grenzwanderung zwischen professionell aufbereiteten Lösungsanboten ohne Problembezug sowie impliziter Entscheidungslegitimation, Präsentation unangenehmer Wahrheiten und Umsetzung von Veränderungen ohne breiten Konsens

6.4 Berater als Rollenträger

227

Pseudounternehmer

Grenzwanderung zwischen der Motivation der Verantwortlichen durch Konzepte und Verschleierung von Fehlberatung infolge mangelnder Beteiligung und Verantwortungsübernahme

Methodenliefererant

Grenzwanderung zwischen dem Scheitern trotz exzessivem Ressourceneinsatz sowie tragfähigen Lösungsansätzen im dynamischen sozialen Kontext

Tab. 33: Zentrale Berufsrollen in der Unternehmensberatung

Die zielgerichtete Lösung von Problemen wird dabei zum Bestandteil einer persönlichen Beziehung zwischen Personen und ihrem Rollenhandeln. Diese gestalten den Leistungserstellungsprozess gemeinsam: Sieht man davon ab, ob Klienten ihre Verantwortung gern nach außen delegieren und Berater keine Verantwortung anstelle des Entscheiders übernehmen wollen. Gerade in Realisierungsprojekten müssen daher die Kompetenzen der Berater und Klienten wie Sachkompetenz, Expertise, Feldkompetenz, kommunikative Kompetenz im vorhandenen oder zu schaffenden institutionellen Beratungskontext beider Unternehmen praktisch zusammenwirken. Daraus ergeben sich folgende Fragen an das Rollenhandeln in Beratungsprojekten:

Checkliste Rollenhandeln in Beratungsprojekten • • • • • • • • • • • •

Was wird wie objektiv gemacht? Wie schätzen dies die Akteure subjektiv ein? Was erwarten Klienten von Beratern, die sich für Beratung entschieden haben? Was leisten Berater aus ihrem Pool an Expertenwissen, Beobachtungen, weitergehender Unterstützung bis zur Lösungsimplementierung im Prozess im Team? Übernehmen und gestalten die Berater und zu Beratenden ihre Rollen bewusst und gemeinsam im leistungsbezogenen Beratungskommunikationsprozess? Kennen und verstehen die Beteiligten ihre Rollenmöglichkeiten wie die eigenen Kompetenzen und den persönlichen Arbeitsstil? Setzen sie diese transparent und präzise ein und können sie dies benennen? Ist das Rollenhandling vielseitig genug, um sich auch in schwierigen Situationen flexibel bewegen zu können? Beobachten die Klienten das Beraterverhalten, teilen sie das Ergebnis mit und stellen sie sich nur selbst wichtige Fragen dazu? Beobachten und begleiten Berater nur das Arbeits- und Problemlösungsverhalten der Klienten im Projektteam? Kommentieren die Berater dies nur oder geben sie Feedbacks dazu, stellen sie ihre eigene Sichtweise dem Klienten gegenüber zur Diskussion? Sprechen daraufhin Berater Empfehlungen aus?

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

• Sammeln und analysieren Berater zu diesem Zweck Informationen des Kundenunternehmens, präsentieren sie die Ergebnisse dem Klienten oder unterstützen und organisieren sie nur die laufenden Auswertungsprozesse? • Suchen Berater nach Problemlösungsalternativen und Instrumenten für die Klienten, präsentieren sie die Ergebnisse und geben sie hinsichtlich der Einschätzung der Konsequenzen Unterstützung? • Untersuchen Berater verschiedene Lösungswege, evaluieren sie diese zusammen mit den Klienten? • Schlagen sie auf dieser Grundlage Handlungsmöglichkeiten vor oder beteiligen sie sich am Entscheidungsprozess der Klienten und ggf. an der Umsetzung? • Geben Berater Hilfe zur Selbsthilfe in kritischen Situationen? • Welcher Output ergibt sich aus der Bewertung des Kundenunternehmens, der Gutachten, Entscheidungsvorlagen und der konkreten Handlungsanweisungen? • Überzeugen Berater die Kunden von einer konzeptionellen Lösung und einem Umsetzungsverfahren und lenken sie den Prozess der Problemlösung gezielt? Tab. 34: Checkliste Rollenhandeln in Beratungsprojekten

Das Rollenhandeln in Beratungsprojekten ist nicht konfliktfrei. Es wirkt ein Spannungsverhältnis zwischen mindestens zwei voneinander abhängigen Parteien, von der jede mit Nachdruck ihren Plan zu realisieren sucht. Widerstreitende interne und externe Kräfte prallen infolge unvereinbarer Gewohnheiten, Wertmaßstäbe, Vorurteile, Traditionen, Einstellungen, Meinungen und Wünsche aufeinander und manifestieren sich in tatsächlichen oder nur vermuteten Verhaltenserwartungen oder Anforderungen an das Handeln in Unternehmensberater-Rollen:

Konflikte in Beratungsprojekten Sachbezogene Konflikte: • Zielkonflikte: in derselben Beratungssituation Zusammenwirken gegensätzlicher Zielsetzungen und Ergebniserwartungen • Entscheidungskonflikte: Diskrepanzen bei der Bewertung und Auswahl von Handlungsalternativen wegen unterschiedlicher Wertorientierungen, Einstellungen und Normen sowie Wahrnehmungsdifferenzen und persönlicher Erfahrungen • Verteilungskonflikte: Wettbewerb um Arbeitsplatz, Aufstiegschancen, Profilierung über Aufgaben und Honorierung Austragung sachbezogener Konflikte auf Ebene interpersoneller (sozialer) Beziehungen: • Formen: Persönlichkeitskonflikte, z.T. ungeklärte Beziehungs- und Rollenkonflikte, Rollenambiguität, Rollenüberlastung • Rollenkonflikte als Ergebnis des Spannungsverhältnisses zwischen äußerer Rollenerwartung und persönlicher Rollenauffassung: – Intra-Rollen-Konflikt: (1) Konflikt zwischen Rolle als Projektleiter und als normaler weisungsgebundener Mitarbeiter, (2) Konflikt infolge des Aussetzens ein und dersel-

6.4 Berater als Rollenträger

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ben Rolle mit unvereinbaren und widersprüchlichen Erwartungen (Beratungsunternehmen: Erhöhung der Auslastungsquote, Kundenunternehmen: Vertrauen auf Problemlösung, Projektteam: erträglicher Arbeitsstress), (3) Konflikt aus sich widersprechenden Erwartungen des Projektleiters an das Verhalten eines Projektteammitglieds in vergleichbaren Situationen, (4) Unvereinbarkeit des zugemuteten Rollenverhaltens eines Projektteammitglieds in einem Rationalisierungsprojekt mit den eigenen Wertvorstellungen und dem eigenen Selbstbild – Inter-Rollenkonflikt: einzelnes Projektteammitglied als Träger mehrerer Rollen mit unterschiedlichen Erwartungsspektren, z.B. Beratungsunternehmen: infolge Vorteilsnahme Durchziehen eines gewinnträchtigen Scheinauftrags, im Privatleben: Engagement für Transparency International. • Rollenambiguität: Erzeugung mehrdeutiger Verhaltenserwartungen an das Projektteam z.B. durch widersprüchliche Informationen durch Beratungs- und Kundenunternehmen • Rollenüberlastung: Ergebnis quantitativer Überforderung (Arbeitsmenge), wenn der Projektleiter trotz widerspruchsfreier Erwartungen und trotz Kompatibilität mit dem eigenen Wertsystem, und ohne aus Kompetenzgründen qualitativ überfordert zu sein, unter Disstress gerät (negativer Stress) Tab. 35: Konflikte in Unternehmensberaterrollen

Die moralischen Projektzwänge bewirken soziale Rollenkonflikte auf den Ebenen des Verstandes, Gefühls, Wissens und Könnens, deren Komplexität nicht mit einfachen Lösungen zu begegnen ist. Das Problem moralischen Rollenhandelns in Beratungsprojekten besteht dabei vor allem darin, dass die eigenen Wert- und Moralbegriffe meist nicht bekannt sind und/oder sie nicht von den übernommenen unterschieden werden können. Es fehlen oft die Fähigkeit und die Bereitschaft zur Konflikterkenntnis. Zudem wirken Abwehrmechanismen wie z.B. eine an einen Minimal-Konsens gebundene Kompromisshaltung. Dabei werden an den Berater höchste moralische Anforderungen gestellt, weil er mit der Erstellung und Umsetzung der Beratungsleistung Verantwortung für das Handeln vieler Menschen übernimmt. Anstatt methodisch an der Grenze zur Manipulation zu intervenieren, muss Beratung dafür sorgen, dass sich die moralischen Vorstellungen der Projektakteure an vertrauensvollen, offenen und authentischen sozialen Beziehungen ausrichten. Formuliert als Handlungsempfehlung im Sinne des Klugheitsgebots: „Es ist ratsam…“. Die traditionellen Maßstäbe an die Rollenträger richten sich dagegen daran aus, was sie tun müssen oder sollen und was sich dabei schickt, was sie nicht tun dürfen, was sich also für sie nicht gehört und was sie tun können, was niemanden stört. Strukturell gesehen basiert das individuelle Rollenhandeln in Beratungsunternehmen noch nicht auf reflektierten moralischen Werten, die interpersonelles Vertrauen rechtfertigen. Oft akzeptieren Beratungsunternehmen unhinterfragt eine darwiportunistische Arbeitswelt (systemimmanenter Darwinismus + individueller Opportunismus; nach Scholz 2000). Dies führt nicht zu Problemen, wenn das Kundenunternehmen diese Ideologie teilt. Dann reicht es aus, dass alle Beteiligten ihre innere Logik kennen und mit konsequenten Rollen darauf reagieren, in denen kein Platz für die Erfüllung moralischer Erwartungen an sozial verantwort-

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

liches Handeln ist. Diese Sichtweise setzt wohl eher auf eine Misstrauenskultur in Unternehmen mit einer festgefügten Hierarchie an. Es handelt sich dabei um eine Machtkultur oder autokratische Organisationskultur, die eine an Variation, Selektion, Retention und Egoismus ausgerichtete Personalpolitik im Dienste des Managements festschreibt. Daher ist selten Platz für die Förderung einer von allen Beteiligten getragenen Rollenkultur für Beratungsprojekte, die durch Elemente einer Aufgabenkultur und individuumzentrierten Kultur angereichert ist. Als Spiegelbild der praktischen Erfahrungen in einer Misstrauenskultur ergibt sich die so genannte Lasterliste der Berater: • • • • • •

Rettungsphantasien Vorschnelle (!) Ratschläge oder Tipps Ausweisen von nicht vorhandenen Kompetenzen (Schein erzeugen) Vortäuschen, sich mit dem Problem aufgrund eigenen Erlebens identifizieren zu können Einholen von Sekundärinformationen von Dritten und Missbrauch für Projektakquise Kunden und Klienten rhetorisch in den Boden stampfen, gepaart mit einem Gemisch aus „Besserwisserei“, subtiler Drohung und Bevormundung Riskantes Herunterspielen, Bagatellisierung und Verharmlosung des Problems Vorschnelles, da jeder Analyse entbehrendes In-Aussicht-Stellen einer Lösung Unterdrückung der Ideen, Konzeptvorschläge und Bedenken des Klienten Moralisieren hinsichtlich Mitbewerbern, globalen Wettbewerbsbedingungen, staatlichen Rahmenbedingungen Vermeidung einer klaren Stellungnahme Projektion der eigenen Unsicherheit in den Prozess Konstruktion eines Problems von außen, das nicht oder nicht in dieser Form existiert, sowie sich als einzigen Problemlöser dieses Problems anbieten Flucht vor der Umsetzung, dafür vor der Realisierung Reden vom Honorar Vertreten eines unrealistischen Preis-Leistungs-Verhältnisses.

• • • • • • • • •

In Umkehrung dieser Laster lassen sich die Kriterien an eine gute, d.h. seriöse und integre Beratung entsprechend den an der Produktivität orientierten Projektteamrollen ableiten, die dann zu Tugenden und Kompetenzen gebündelt werden können:

Kriterien an ‚gute‘ Unternehmensberatung aus Sicht der Klugheitsethik • • • • •

Problemsicht: Langfristig ausgerichteter kritischer Umgang Unbefangenes, von Betriebsblindheit freies Engagement Aufrechterhaltung emotionaler Distanz (keine Kumpanei) Entwicklung einer anforderungsgerechten und legitimen Konzeption: Hineindenken in das Kundenunternehmen, anstatt ihnen fremde Standardlösungen überzustülpen Verwendung vielfältiger Erfahrungen aus unterschiedlichen Unternehmen

6.4 Berater als Rollenträger •





231

Evolutionäres Vorgehen zum wechselseitigen Vertraut-Werden zwischen Berater und Klienten als Partner: – Verständigung über vertrauenswürdige Zusammenarbeit mit den Eigenschaften Diskretion, Zuwendung/Aufmerksamkeit, Anerkennung, Akzeptanz – Gemeinsame Prüfung des Grads der Wertvorstellungen zwischen Beratungs- und Kundenunternehmen – Möglichst gemeinsame Analyse und Bewertung der Situation sowie – Erarbeitung von Lösungsvorschlägen möglichst zusammen mit Unternehmer/GF, Führungskräften, Mitarbeitern Wertschöpfungsorientiertes Arbeiten: Basis: – Anwendung sachlich-methodischer Kompetenz – Anerkennung der Grenzen der eigenen Beratungskompetenz – Folgenbewertung im Interesse einer Gesamtlösung (Inhalt, Prozess) Auf Beratungsprozessebene normative Reflexion der Balance zwischen Macht- und Fachpromotoren, z.B.: – Bezugsgruppenanwalt oder outside pressure type: (1) höchste Kongruenz zwischen erklärter Werthaltung, Handlungsziel, getroffenen Maßnahmen und tatsächlichem Beratungshandeln sowie Theorie und Praxis, (2) größte Diskrepanzen bei den Sozialtechno-

ogen sowie der Verbesserung der Effizienz durch OE-Beratung trotz Vorgabe von „humanzentrierten“ Zielen – (Top-)Managementberatung: (1) Kongruenz zwischen Werten und Handlungen, (2) Diskrepanzen zwischen „Theorie/Konzept“ und realisiertem Plan • Eingriff in Machtverhältnisse und Mut zur Umsetzung von einschneidenden, z.T. auch an Humanzielen ausgerichteten Maßnahmen • • • • • •

Schaffung eines geregelten, aber sanktionsfreien Projektraums: Bereitschaft zur Konfrontation (rechtzeitig Nein sagen) Authentizität im Sinne des Kongruenz von Handeln und Denken Offenlegung von Parteilichkeit Ausstrahlung von Zuversicht und Sicherheit ohne aufgesetztes Positiv-Reden Entlastung der Klienten durch professionelles Verhalten Aktueller Überblick über Vorgehensweise

Tab. 36: ‚Gute‘ Unternehmensberatung aus Klugheits- und Tugendsicht

Das auf moralischen Werten basierende Rollenhandeln, ohne das keine praktische Ethisierung des wirtschaftlichen Handelns möglich ist, hängt von exzellenten vertrauensvollen Kooperationsbeziehungen in schlanken Unternehmensberatungsstrukturen ab (Hesseler, Sanders 2005). Bedingungen sind: • • • •

Vorhersehbarkeit und Verlässlichkeit des persönlichen Beraterhandelns Einhalten von Versprechen In der Interaktion wahrnehmbare und erlebte Fairness Authentische Kompetenz (ich weiß, dass ich nichts weiß)

232

6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf Kultur des Vertrauens in und zwischen exzellenten Organisationen/Beratungsprojekten‚ Netzwerken Misstrauenskultur

Vertrauenskultur

$ Zunahme von Kontrollaktivitäten $ Abnahme intrinsischer eigenverantwortlicher Motivation $ Anstieg des Grenznutzens opportunistischen Verhalten $ Kein ‚vernünftiger‘ normaler Umgang miteinander $ Revierdenken, Vorrang des Eigeninteresses $ Zunahme von Schuldzuweisungen $ Keine Bildung von Vertrauenskonten (Vertrauensvorschuss) $ Kein Abbau von Altlasten $ Mangelnde Belastbarkeit von Vertrauen $ Anstatt Win-win-Situationen (tit-for-tat) alles oder nichts oder Trittbrettfahren $ Zu viele Nettigkeiten, kleine Tricks und mangelnde Redlichkeit $ Kein faires und konstruktives Konfliktverhalten, Verdrängen unangenehmer Wahrheiten $ Ablehnung von Kooperationsangeboten $ Missgunst, Neid, Bereitschaft zum Mobbing

$ Gemeinsames Wissen vor individuellabgrenzendem Wissen $ Stabile Leistungsbereitschaft $ Erfolgreiche Aufgabenbewältigung $ Dienendes Management in Verbindung mit professioneller Unbeirrbarkeit $ Vorrang der Person vor der Sache bei gleichzeitigem Eingehen auf brutale Tatsachen $ Kultur der Disziplin $ Offene Kommunikation $ Dominanz informeller Vereinbarungen vor formalen Verträgen $ Sozialverantwortliches Handeln und Innovationsfähigkeit $ Lessons learned als Selbstverständlichkeit $ Risikobewusste Bereitschaft, bei Gewissheit des persönlichen Nutzens auf das gemeinsame Vertrauenskonto einzuzahlen $ Schrittweise Erweiterung des übergreifenden Wissens- und Kompetenzhorizonts der einzelnen $ Entblockierung der eigenen Stärken/ Fachkompetenzen

Viele unbestimmte und stetige Transformation

Bedingungen

Veränderungen

Verschlankung

Bildung kleiner überschaubarer Einheiten/Teams, auf lebenslanges Lernen, Teilen und Vermehren von Wissen ausgerichtete Arbeitsabläufe, Verfügbarhaltung von Wissen im Unternehmen in beliebigen Köpfen on the job, keine Kontrolle von „Geheimnissen“ durch Dritte; sozialverträgliche und transparente WM-Systeme

Einstellungen, Verhalten

Vorhersehbarkeit und Verlässlichkeit, Einhalten von Versprechen, wahrgenommene und erlebte Fairness, Toleranz, Sachlichkeit, Ehrlichkeit und Integrität, Wohlwollen, diskrete Behandlung persönlicher Probleme, Erfüllung von Equity im Rahmen gegenseitiger (reziproker) Beziehungen, Solidarität/Hilfsbereitschaft/Mitgefühl

Abb. 25: Zur Ökonomie des Vertrauens in Beratungsprojekten

• • • •

Ehrlichkeit und Integrität Wohlwollende Haltung gegenüber anderen Diskrete Behandlung persönlicher Probleme und Informationen Erfüllung von Equity im Rahmen gegenseitiger (reziproker) Beziehungen.

Nur bei Umsetzung dieser Bedingungen kann Vertrauen als Grundlage einer exzellent funktionierenden und innovationsfähigen Geschäftsbeziehung entstehen (siehe die vorstehende Abbildung nach Hesseler, Sanders 2005), d.h.: • Leistungsbereitschaft unter Güterabwägung, z.B.: Grundrechte, persönliche Wertsetzungen als gewissenhafter Professioneller und zivilcouragierter Vorbehalt bei moralisch existentiellen Fragen, der auf einer klugheitsorientierten Tugendethik und/oder gewissensorientierten Gesinnungsethik basiert • Erfolgreiche Situationsbewältigung inklusive Verantwortungsübernahme • Am anderen Menschen ausgerichtetes Projektmanagement in Verbindung mit professioneller Unbeirrbarkeit • Vorrang der Person vor der Sache bei gleichzeitigem Eingehen auf brutale Tatsachen

6.4 Berater als Rollenträger

233

• Kultur der Disziplin • Offene Kommunikation • Dominanz informeller Vereinbarungen vor formalen Verträgen: Austauschgerechtigkeit auf Grundlage eines sozialen Kontrakts zwischen den professionellen Interaktionspartnern Berater–Klient • Sozialverantwortliches Handeln nach innen und außen unter Einholung erforderlicher Informationen und Einschalten neutraler Instanzen im Konfliktfall. Ansonsten wird zum Problem: • • • •

Worauf man konkret vertrauen kann, Wem man trauen kann, In welcher Situation und Wem man was dabei zutraut.

6.4.2

Schlüsseltugenden und Kompetenzen des Beraters

Tugend kommt von taugen im Sinne einer allgemeinen Tauglichkeit. Ob dies die richtige Übertragung der Bedeutung von lat. virtus oder griech. ἀρετή (arete) ist, muss man erst einmal so stehen lassen. Danach wäre Tugend eine Fähigkeit und innere Haltung, das Gute mit innerer Neigung, d.h. leicht und mit Freude zu tun. Damit ist eine moralische Untadeligkeit gemeint, die sich in einer vorbildhaften praktischen Haltung eines Menschen zeigt. Zur Einordnung: Charakter und Persönlichkeit Früher gehörte die Tugend zum Charakter, den die typischen Verhaltensweisen eines Individuums oder einzelne Charaktereigenschaften nach Wesen, Verhaltensweise und Leistung ausmachten. Der Charakter bestand aus dem Mitgegebenen, Gewordenen und Werdenden zugleich. Er setzte sich aus unspezifischen Stärken, Schwächen, einem guten und schlechten Teil zusammen, ohne dass er Fehler aufwies. Der Mensch macht aber Fehler. Auch wurde im Charakter das Gewissen nicht bewusst gesteuert. Nachteilig war, dass sich im Charakter nur die allumfassenden bürgerlichen Tugenden wie Ordnungsliebe, Sparsamkeit, Fleiß, Reinlichkeit und Pünktlichkeit, Gehorsamkeit, Treue, Disziplin, Bescheidenheit, Pflichterfüllung (Pflicht- und Akzeptanzwerte) manifestieren sollten, und dabei häufig eine heilige Allianz mit den konservativ ausgelegten absoluten christlichen Werten eingingen. Diese Werte als Nonplusultra des Sollens erfüllten so nicht nur eine soziale Funktion zur praktischen Bewältigung des Alltags, sondern legitimierten v.a. die Art und Weise der Sicherung wirtschaftlicher Existenz im gegebenen hierarchischen Gefüge der Gesellschaft. Mit anderen Worten galten sie – in Verbindung mit dem Gewaltmonopol des bürgerlichen Staates – in besonderem Maße in den mittleren und unteren Rängen der Gesellschaft, damit angesichts der sozialen Ungleichverteilung von Geld und Macht der soziale Friede gewahrt blieb. Erst im Zuge des Wertewandels, der nicht wirklich die Ablösung des Materialismus durch den Postmaterialismus brachte, sondern dessen Optimierung, änderte sich die Dominanz bürgerlicher Tugenden. Selbstentfaltungswerte traten an ihre Seite, und es entstand eine Wertemischung. Zu nennen sind Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung, Grundrechte für alle, Streben nach Genuss/Abenteuer/Abwechslung/Spaß, Eigenständigkeit, Kreativität und Spontaneität. Auf

234

6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

ihrem Boden lässt sich eine Ablösung des Begriffs Charakter durch den der Persönlichkeit beobachten, zu der auch Tugenden als Besitz einer positiven Eigenschaft zählen. Eine echte Persönlichkeit ist nicht nur einfach ein Mensch, geformt wie eine bekannte Masse, sondern eine „besondere Person mit überragender Individualität, überlegenen inneren Werten, besonnener mutiger Eigenwilligkeit, faszinierender Ausstrahlung und charakterlicher Festigkeit und ‚vorbildlicher‘ Prägung“ (Bruno Neckermann, nmc-management 1988). Um eine Persönlichkeit zu sein, muss man erst eine werden. Unverrückbare Persönlichkeitsdimensionen, vielleicht an psychiatrische Krankheitsbilder angelehnt, würden aber der Dynamik von Beratungssituationen nicht gerecht. Vor allem Persönlichkeitseigenschaften beeinflussen zusammen mit der Arbeitssituation, dem Gruppen- und Teamgeschehen und der Institution die Ausübung von Berufsrollen hinsichtlich des Grads des eigenverantwortlichen Handelns. Unabhängig von den relativ konstanten Erwartungen an seine aktuelle Berufsrolle als Person bringt der einzelne Berater seine Persönlichkeit, im Sinne von ihn charakterisierenden Verhaltensdispositionen (Kompetenzen) in die Beratungsarbeit ein. Sie sind weder vorprogrammiert noch gottgegeben, noch unveränderlich, sondern entwickeln sich im Zuge von sozialen Lernerfahrungen weiter. Sie bilden die Substanz von Verhaltensstrategien, um wiederkehrende typische Problemsituationen zu bewältigen. Hemmfaktoren für das selbstinitiierte Lernen (auch von Moral) sind aber: 1. Lernergebnis: • Angst vor Leistung und Furcht vor Misserfolg infolge des Erlebens von Handlungsmisserfolgen und der Entwicklung einer Misserfolgsvermeidungsstrategie • Folge ab einer bestimmten Schwelle: Verminderung der Erfahrungsoffenheit, Kreativität, Innovation 2. Lernergebnis: • Erleben der Nicht-Einhaltung von Versprechen, Doppelzüngigkeit, interessenlastigen Vortäuschens von Offenheit und Freundlichkeit sowie des Hinter-Dem-Rücken-Redens • Folgen: (1) Misstrauen, Argwohn, Skepsis, Opposition und Widerstand, (2) Vorsicht beim Weitergeben von Informationen, Reserviertheit gegenüber Offenheit und Kommunikation, wenig Bereitschaft zum partizipativen Lernen 3. Lernergebnis: • Machtstreben über andere, Durchsetzung, Dominanz und grundlegende Wettbewerbshaltung und Leistungsethos infolge des Erlebens erfolgreicher Machtausübung über andere und der Zwang, der Erste sein zu müssen • Folgen ggf.: Neigung zum Taktieren, Manipulieren, autokratische Verhaltensweisen (Führungspositionen), fehlendes konstruktives Konfliktlösungsverhalten, Bekämpfung kooperativer Einstellungen 4. Lernergebnis: • Fremdbestimmtheit bzw. Mangel an Autonomie und Selbstverantwortlichkeit infolge des Erlebens, die Konsequenzen des eigenen Tuns nicht unter Kontrolle zu haben und Willkür ausgesetzt zu sein

6.4 Berater als Rollenträger

235

• Folgen ggf.: geringe Leistungsorientierung, wenig Zukunftsoptimismus, Resignation bei Schwierigkeiten (geringes Selbstwertgefühl), Sich-Manipulieren-Lassen, Neigung zu Depressionen und neurotischen Symptomen, mangelnde Informationssuche, geringerer Aktivitätsradius und Engagement. Unternehmensberater sind in hohem Maße leistungs- und wettbewerbsorientiert. Für das Personalmanagement von Beratungsunternehmen kann daher die freie Disponibilität von Personal nicht mehr alleiniger Maßstab sein. Maßstab wird die individuelle Persönlichkeit der Berater als Menschen. Diese zu entwickelnden Eigenschaften auf hohem Niveau könnten allerdings umgekehrt proportional dazu sein, inwieweit sich Berater sittlichen Verhaltensgrundsätzen und moralischen, vom sozialen Ganzen her ethisch begründeten Verpflichtungen unterwerfen. Offensichtlich ist die Banalität des Guten angesichts der aktuellen Finanzkrise nicht mehr ausreichend, denn die jener zugrunde liegende substantielle Sittlichkeit ist wohl endgültig verschwunden. Das alte Selbstsein des einzelnen Beraters erschöpft sich auch in der Unternehmensberatung wohl noch darin, zu allererst seinen individuellen Nutzen zu suchen und seinen Mantel nach dem Wind zu hängen: manchmal auch zu Lasten des Klienten. Tugenden (insbesondere Zivilcourage) als Grundqualifikationen/-kompetenzen des moralischen Handelns von Persönlichkeiten bereiten besser auf den Ernstfall vor, helfen, eine moralischer Existenz im Sinne, dass gut sein besser sein bedeutet, zu verwirklichen. Tugenden erleichtern es, unabhängig von Anmutungen und Zumutungen handeln zu können. Dies geht bis zum Widerstand gegen Beratungsbedingungen, sofern Berater sie nach ethischen Kriterien für unmoralisch halten. Die Betroffenen nehmen dabei Loyalitätskonflikte in Kauf. Letztlich geht es um den Mut zu einem neuen Selbstsein, das hierarchisch strukturierte Gesellschaften und Arbeitsbereiche begrenzen. Mut zum neuen Selbstsein drückt sich folgendermaßen aus (der idealtypische Ablauf von Latané u. Darley nach Ernst 1994, S. 43): „– die Erkenntnis: irgendetwas stimmt hier nicht! – die Interpretation der Situation: Ein Mensch braucht Hilfe. – die Bereitschaft, Verantwortung für diese Hilfe zu übernehmen. – Die Wahl der geeigneten Hilfsmittel (was ist zu tun?). – Die Entscheidung zu helfen und die Durchführung der Hilfsaktion.“ Dies lässt sich auf die Moral in Beratungsprojekten übertragen, setzt man für Mensch einfach Kunde ein. Wie schon erläutert, ist dabei die Methodologie der Tugendethik als Moraltheorie nicht die Handlung, sondern der Akteur mit seiner Haltung. Es geht darum, welche klugen Empfehlungen jene einer Person geben kann, um zu erkennen: Wie will ich sein, wie will ich leben: • Überdenken des flächendeckend verbreiteten Untugenden-Komplexes ‚materielle Gier‘ in Verbindung mit Selbstüberschätzung, Arroganz, Ignoranz und Intoleranz gegenüber dem anderen, der wohl in der privilegierten Machtelite verankert ist • Relativierung/Ergänzung der moralischen Pflichtethik (Sollen) durch eine praktische, an Tugenden ausgerichtete Moral, die Teil von Sozialkompetenz für die Zusammenarbeit, Gemeinschaft und das gemeinsame Überleben ist

236

6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

• Ratsame Tugenden: Bescheidenheit, Fairness, Verantwortungsbereitschaft, Integrität, Seriosität im Rahmen einer Veränderung der Rationalitätsprofile faktischer (Un-)Moral. Dabei ist nicht von vorgefassten Konzepten des Guten, Richtigen, Vernünftigen, sondern von moralischem Wissen und Können als Merkmale von Persönlichkeitsstärke in den Alltagserfahrungen auszugehen. Ein Katalog von Tugenden ist somit Teil des individuellen Rollenrepertoirs, d.h. der Rollenerwartungen und Pflichten nach sozialer Position in Unternehmen. Projekte bedürfen daher Maßnahmen zur Wahrung von Rollenidentität in Problemsituationen. Welche Tugenden sind in welcher gemeinschaftlichen Beratungssituation angemessen?: • Ermöglichen Beraterprojekte durch die Verwirklichung inhärenter Güter (also nicht nur kontingenter wie Geld, Prestige und Status) Rollenidentität? • Haben die Akteure dabei eine Wahl und • Wirkt sich dies positiv auf die Projektgemeinschaft aus? • Wie lassen sich die daraus abzuleitenden Maßnahmen zur Erreichung von Vortrefflichkeit – die Anerkennung der Autorität in den inhärenten Maßnahmen vorausgesetzt – etablieren, z.B. durch die Entdeckung, Weckung und Entfaltung bestimmter Kompetenzen? Während also im praktischen Kontext unmittelbar sichtbar wird, dass eine Handlung falsch oder richtig ist, erweist sich ein guter Mensch als solcher nur daran, wie er sein Leben gestaltet und seine Rollen ausfüllt. Dabei wird der Maßstab der Vortrefflichkeit entdeckt, wobei sich Rollenidentität allerdings auch durch kontingente Güter erreichen lässt. Inhärente Güter anzustreben ist also schon Ergebnis tugendhaften Verhaltens. Dieser Zusammenhang ist nicht das Ergebnis naturgegebener Fakten, sondern letztlich führt moralische Erziehung, die Vernunft in praktischer Absicht überformt und so modifiziert, zu tugendhaften Entscheidungen. Diese zweite Natur (McDowell 1984) öffnet Menschen die Augen für relevante Handlungsgründe. Es reicht nicht aus, Tugenden und Pflichten zu erkennen und irgendwie zu Ethik-Kodizes zusammenzuführen. Es sind auch moralische, ethisch bewertbare Dispositionen erforderlich, um wählen zu können. Ratschläge und Empfehlungen basieren darauf, erzeugen aber Tugenden nicht. Offensichtlich ist auch eine Ursache für die aktuelle Finanzkrise darin zu sehen, dass die Verantwortlichen – in Loyalitäts- und Interessenkonflikten verstrickt – die o.g. zweite Natur nicht kennen wollen oder ignorieren. Dass tugendhaftes Verhalten Vernunft verlangt, kann Wölfe mit natürlichem Jagdbedürfnis im Rudel kaum beeindrucken. Meist fehlen die Anreize: • Entwicklung angemessener Strukturen für die Bedingungen der Möglichkeit von Tugenden in der Wirtschaft (Unternehmenskultur) • Identifikation anzureizender Schlüsseltugenden in der Unternehmensberatung • Förderung der Motivation zum moralischen Handeln, um das als richtig Erkannte (klare Inhalte) trotz persönlicher Nachteile umzusetzen. Tugenden dienen in jeder Gesellschaft der Optimierung und Verbesserung der morality, werden so gelernt bzw. trainiert. Die Tugenden für Unternehmensberatung können aus folgenden ethisch geprägten Schlüsseltugenden oder spezifischen Charakterstärken in Richtung Lebenszufriedenheit abgeleitet werden (vgl. den Values-in-action-Test des Instituts für Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik der Universität Zürich: www.charakterstaerken.org; den Charaktertest „Values in Action-Inventory of Strengths“ („VIA-IS“) von Peterson, Se-

6.4 Berater als Rollenträger

237

ligman (2004); den Engagementindex Q12 der Positiven Psychologie in der Media-SaturnHolding nach Schiessl 2009, S. 106ff.). In ihrer Aufzählung sind die Defizite hervorgehoben: • Wissen mit den Charakterstärken Kreativität, Neugierde, Urteilsvermögen (nicht moralisches), Liebe zum Lernen und Weisheit • Mut mit den Charaktereigenschaften Authentizität, Tapferkeit, Ausdauer und Enthusiasmus • Menschlichkeit mit den Charaktereigenschaften Freundlichkeit, Bindungsfähigkeit, soziale Intelligenz, • Gerechtigkeit mit den Charaktereigenschaften Fairness, Teamwork und Führungsvermögen • Mäßigung mit den Charaktereigenschaften Vergebungsbereitschaft, Bescheidenheit, Vorsicht, Selbstregulation • Transzendenz mit den Charaktereigenschaften auf Metaebene, die Sinnstiften, wie Dankbarkeit, Hoffnung, Humor, Spiritualität und der Sinn für das Schöne. Ein Repräsentant der positiven Psychologie, Seligman, hat diese Tugenden entdeckt und erkannt, dass Eigenschaften wie Neugier, Bindungsfähigkeit, Dankbarkeit, Humor, Ausdauer und Enthusiasmus Voraussetzung für Glück sind. Es muss offenbleiben, ob dieser Ansatz in der Wirtschaftspraxis Erfolg haben kann. Kritisch ist nämlich anzumerken, dass der Umsatz in der oben genannten Elektronik-Kette nach Aussetzen der Stärkentrainings „2008 um 10 % auf die Rekordmarke von 19 Milliarden Euro“ (Schiessl 2009, S. 111) stieg. Offensichtlich waren die Tugenden nicht nachhaltig in Sozialkompetenzen verankert. Handlungskompetenzen für Beratungsprojekte Moralische Handlungskompetenzen in Beratungsprojekten wirken v.a. als Teil von Sozialkompetenzen. Das Verständnis von Kompetenz und Qualifikation ist nach wie vor diffus. Kompetenz wird im staatsrechtlichen Bereich und in der Organisationstheorie und -praxis als „sachliche Zuständigkeit“ definiert. Dieses letzte Verständnis, das auch im Alltag verbreitet ist, beherrscht auch die Auseinandersetzung mit Formen der Projektorganisation. Die Pädagogik hat den Begriff Kompetenz aus der Syntaxtheorie der Linguistik sowie soziologischen Theorien übernommen und so zunächst auf die kommunikative Kompetenz im Sinne der übergreifenden Fähigkeit, in der Erziehung kommunikativ zu handeln, ausgerichtet. Die Diskussion, Verwendung und Modifizierung des Begriffs Schlüsselqualifikationen seit 1974 führte dann dazu, für die Arbeit funktionale Kompetenzen nach Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz zu unterscheiden. Wie der jeweilige Systematisierungsversuch auch aussehen mag, Kompetenz ist ein fachübergreifender Dispositions- bzw. Verhaltensbegriff. Von daher gesehen lässt er sich vom Qualifikationsbegriff, der sich im Kern auf formale Positionen bezieht und oft Bestandteil/Ergebnis von Zertifizierungen ist, abgrenzen. Die Interpretation von Qualifikationen als Handlungspotentiale bzw. Mittel der Interessendurchsetzung, der um Verhaltensaspekte zu ergänzen ist und dann letztlich auch zum Kompetenzbegriff führt, geht über den unmittelbaren Aufgabenbereich weit hinaus. Die Abgrenzung Qualifikationen und Kompetenzen bleibt zwar schwierig. Die beliebige Verwendung von Begriffen in manchen Veröffentlichungen zum Thema Projektmanagement ist allerdings erschreckend. Auch das Westfalenmodell der Lernzielebenen scheint unbekannt zu sein. Es beschreibt Qualifikationen oft mit den Dimensionen Wissen und Können:

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

• Wissensstufen: Einblick, Überblick, Kenntnis, Vertrautheit • Könnensstufen: Fähigkeit, Fertigkeit, Beherrschung. Mit den zusätzlichen Dimensionen Erkennen (Stufen: Bewusstsein, Einsicht, Verständnis/Begreifen) und Werten (Stufen: Bereitschaft, Freude/Interesse), die in den Einstellungsund Verhaltensbereich hineinragen, nähert man sich dann wiederum dem Kompetenzbegriff stark an (praktisch dazu das wegweisende BMBW-Projekt „Mikroelektronik und berufliche Bildung“, siehe Bullinger (Hrsg.) MIBB 1985–1990). Ein wichtiges Kriterium für die Zusammensetzung des Beratungsprojektteams sind Erfahrungen, Kompetenzen, Qualifikationen sowie das explizite und implizite Wissen der Projektakteure. Die Lernforschung weist darauf hin. Daher dürften die für moralische Kompetenz relevanten impliziten Wissens- und Werteanteile von besonderer Bedeutung sein (Hesseler, Ehrmann 2008). Der Bedarf an (moralischen) Kompetenzen und Qualifikationen im Beratungsprojektteam: • Lässt sich mit Bezug auf die Arbeitsinhalte insgesamt aus dem Abgleich zwischen den inhaltlichen Anforderungen (Soll) an Kompetenzen und Qualifikationen und den aktuell verfügbaren Kompetenzen und Qualifikationen (Ist) sowie • In Abhängigkeit von der Arbeitsorganisation im Projekt für einzelne Projektteammitglieder spezifizieren (Projektpersonalgruppen) ableiten. Empfehlenswert ist es, wenn die Projektbeteiligten in einer moderierten Sitzung die erforderlichen dispositiven Projektfach-, leitungs- und -führungsaufgaben und Handlungskompetenzen insgesamt und für die Projektpersonalgruppen erarbeiten und das Ergebnis systematisch festhalten: • Handlungskompetenzen für Projektteams insgesamt (Was): Die Fach-, Organisationsund Informationsverarbeitungs-, Methoden-, Sozial-, Entscheidungs-, Selbstmanagementkompetenzen insgesamt • Qualifikationen und Kompetenzen für Projektpersonalgruppen (Wer was): Im Rahmen der Form der Arbeitsorganisation im Projekt Festlegung, wer über welche Kompetenzen und Qualifikationen verfügen soll, d.h. wer für die Erfüllung der Projektfach-, -leitungsund -führungsaufgaben individuell geeignet ist • Deckung des Bedarfs durch Führungs- und Personalentwicklungsmaßnahmen on the job oder wenigstens nahe beim Arbeitsplatz, ohne sich ausschließlich auf das Learning by Doing zu verlassen (Stichwort: Werteerziehung). Klammert man die Variante ,aufgabenbezogene Befugnis/Zuständigkeit auf Führungs- und Ausführungsebene (feste Stellen und Positionen)‘ aus, empfiehlt sich folgendes Verständnis für Beratungsprojekte: • Kompetenz als an (Beratungs-)Aufgaben orientierte Fähigkeit: – Fach-/Sachkompetenz auf Basis professionellen Know-hows für den Leistungsprozess + Praxiserfahrung (knowledge) – Methodenkompetenz (skills) zum Finden von Problemlösungswegen und ihre Umsetzung in der Sachaufgabe

6.4 Berater als Rollenträger

239

Systematik zur Analyse des Bedarfs an Beratungsqualifikationen/-kompetenzen Ermittlung der Anforderungen an Qualifikationen/ Kompetenzen* aus Arbeitsinhalten von Beratungsprojekten (SOLL)

Abgleich

Ermittlung der verfügbaren Qualifikationen/ Kompetenzen aus Arbeitsinhalten von Beratungsprojekten (IST)

Differenz Maßnahmen zur Bedarfsdeckung**

‚best case‘: Qualifizierung und Kompetenzentwicklung

‚worst case‘: Learning by doing

Ermittlung des Bedarfs an Kompetenzen/ Qualifikationen für die Beratungsprojektarbeit insgesamt (1)

Ermittlung des Bedarfs an Kompetenzen/Qualifikationen für Beratungsfunktionsträgergruppen (2)

* z.B. moralische Kompetenz als Teil von sozialer Verhaltensdisposition

Verteilung der Beratungsprojektarbeitsinhalte auf Funktionsträger (Beratungsprojektarbeitsorganisation)

** Ausweichmaßnahme: Externe Beschaffung des passenden Beraters (Problem: Professionell-ethische Kompetenz)

Abb. 26: Systematik zur Ermittlung des Kompetenz- und Qualifikationsbedarfs

Fach- und positionsübergreifende (extrafunktionale) Sozialkompetenz oder attitudes: (1) mit besonderen interpersonellen Anteilen bezogen z.B. auf das Verhältnis von Führungskräften und Mitarbeitern oder (2) Teilfähigkeiten, über die alle Projektakteure verfügen • Interkulturelle Kompetenz: – Basis: kulturelle Sensibilität, emotionale Intelligenz, Kenntnis sowie praktische Erfahrungen – Fähigkeit, mit Menschen anderer Kulturen zufriedenstellend umgehen und an einer Aufgabe gemeinsam arbeiten zu können • Individualkompetenz (personale Kompetenz): individuelles Leistungspotential als Persönlichkeitsmerkmal für Lebenstauglichkeit • Kollektive Kompetenzen als marktorientierte Fähigkeiten (Kernkompetenzen, core compencies): – Hintergrund: Lean Management bzw. meist Lean Production – Basiselement, das der praktischen Umsetzung mit Hilfe der Identifizierung von KernUnternehmensfähigkeiten dient: (1) beim strategischen Management und (2) der Organisationsentwicklung. –

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

Sozial- und Individualkompetenzen sind für die Verankerung moralischer Kompetenz insbesondere für Beratungsprojekte bedeutsam, wobei wohl viele Projektmitarbeiter mit der sozialen Kompetenz ihrer Vorgesetzten besonders unzufrieden sind (Walter, Kanning 2003, S. 152ff.). • Sozialkompetenzen für die interpersonelle Kommunikation und Interaktion mit Partnern im jeweiligen Beratungsprojekt, mit denen soziale Beziehungen bestehen, insbesondere hinsichtlich: – der Sensibilität gegenüber den Anforderungen und Zielsetzungen, der Kooperationsfähigkeit – der Berücksichtigung der Störfälle und Interessenkonflikte im Kooperationszusammenhang – der Durchsetzungsfähigkeit von Lösungen gegenüber Machtgruppen – der Selbstreflexion (kurze Auszeit) – des Umgangs mit so genannten Führungskräften – des zwischenmenschlichen Gedanken- und Erfahrungsaustauschs – des sozialen Zusammenhalts (gemeinsame Zielverfolgung, Entscheidung und Verantwortung) der Projektgruppe – der Antizipation der sozialen Folgen, Selbstorganisation und -koordination – Moderation – interkultureller Zusammenhänge (Wissen über andere Kulturen/Mentalität, Sensibilität, Toleranz, verbale/nonverbale Kommunikationsfähigkeit, multikulturelle Zusammenarbeit) • Individualkompetenzen als zentrale Fähigkeiten, um nicht in sozialen Zusammenhängen als Einzelner unterzugehen (Stichwort: Gruppenzwang und -druck), z.B.: – Durchsetzungsfähigkeit, nicht nur im Sinne des Erfüllungsgehilfen für Vorgesetzte, sondern z.B. hinsichtlich eigener Überzeugungen, Ideen, Entscheidungen), Belastbarkeit (Stressresistenz) – Frustrationstoleranz – Bewältigung von Rollenkonflikten (innere, zwischenmenschliche, Überlastung und Ambiguität) – Fähigkeit zum strategisch-analytischen Denken – Selbstlernkompetenz – Fähigkeit zur systematischen (disziplinierten) Arbeit – geschickte Handhabung von Informationen – Innnovationsfähigkeit/Kreativität, Problemlösungsfähigkeit, Kritikfähigkeit, emotionale Intelligenz – die Tugend Zivilcourage als ein wichtiger Indikator moralischer Kompetenz (siehe das Beispiel des Whistleblowers). Kompetenzen müssen immer auf das jeweilige Unternehmensberatungsunternehmen zugeschnitten sein. Frühwacht (1994) zählt daher aus Sicht der Führungskraft als Personalentwickler zu den System- oder Unternehmenskompetenzen Kenntnisse über das Unternehmen (Gesamtunternehmen/Einzelunternehmen bei Konzernen) wie z.B. Unternehmensleitbilder, Bereichskultur/Sozialklima, Verantwortungsbereiche, Mitarbeiter, Personalmanagementinstrumente.

6.4 Berater als Rollenträger

241

Die Zivilcourage eines Whistleblowers als Kompetenzbeispiel Als Einstieg kann man den Fall des von Ford entwickelten Kleinwagens Pinto Mitte der 1970er Jahre wählen (nach Faulstich 1994, S. 3, Wilhelm 1994, S. 122): Der Benzintank des Pinto war ungünstig positioniert, dass bei Auffahrunfällen von hinten der Tank ausgerissen werden konnte. Das hätte wegen des auslaufenden Benzins mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Brand führen können. Dem Management von Ford war dies bekannt. Dennoch weigerte es sich, durch die von Ingenieuren vorgeschlagenen Sicherheitsvorkehrungen (z.B. den Einbau von Plastikpufferungen) die Brandgefahr bei Unfällen zu verringern. Ausschlaggebend für die Weigerung waren wirtschaftliche Gründe, weil der Pinto angesichts der Konkurrenz mit VW zu knapp kalkuliert worden war. Und man muss hinzufügen: die Gefährdung ihrer eigenen Aktienrendite für ihren variablen Gehaltsanteil. Die Folgen waren „dass bis 1977 fast zwanzig Millionen der absolut gefährlichen Kleinwagen ausgeliefert wurden und das bei Auffahr-Brandunfällen häufig Todes- und Verbrennungsfolgen eintraten (rund 9000 Todessopfer in vier Jahren!)“ (Lenk 1987, S. 198f.). Die verantwortlichen Konstruktionsingenieure kannten die Gefahr, unterließen es aber, die Öffentlichkeit zu warnen. Sie befürchteten, entlassen zu werden (Information aus Sicht eines beteiligten Ingenieurs). Auch die Autohändler wussten wohl Bescheid. Mit diesem Szenario (vgl. auch das Verpfeifen der Schweizer Swatch-Gruppe wegen Diskriminierung am Arbeitsplatz und Steuerhinterziehung) hätte auch die Unternehmensberatung zu kämpfen, wenn sie mehr fassbare Produkte realisieren würde. Aber auch die Entwicklung von Lösungskonzepten verlangt von einzelnen Beratern von Fall zu Fall Zivilcourage. Dies steht mit der arbeitsvertraglich festgelegten Loyalität von Führungskräften und Mitarbeitern im Widerspruch. Die Beschwerderechte des BetrVG sehen keine personenunabhängige Popularbeschwerde für Mutige vor. Seit 1999 schützt aber z.B. des Public Interest Discloser Act (PIDA 1998) Whistleblower. Dem Vorbild des Sarbane-Oxley-Act von 2002 in den USA folgend breiten sich in der EU Antikorruptionsrichtlinien aus, die dies ermöglichen. Es fällt schon schwer genug, sich im Arbeitsalltag argumentativ mit kritischen Vorgängen auseinanderzusetzen und Zivilcourage, d.h. auch Integrität und Solidarität, zu zeigen. Schwerer dürfte es den Betroffenen bei illegitimem oder sogar illegalem Verhalten der Verantwortlichen fallen, von gedankenlosem Gehorsam und opportunistischem Mitlaufen zum eigenen Vorteil Abstand zu nehmen. In keinem Arbeitsvertrag steht aber geschrieben, dass Mitarbeiter oder Führungskräfte (zumeist auf mittlerer und unterer Ebene) moralisch ihr Gewissen belastende Konflikte hinnehmen müssen. Eine individualethische Handlungsstrategie mit sozialethischem Anspruch ließe sich also fallweise subversiv praktizieren. Whistleblowing muss nur berechtigt sein, da ansonsten Unternehmen Schadenersatz verlangen können. Whistleblowing verbindet nämlich zwei gegensätzlich wirkende Moralsysteme: eines zur Macht oppositionelles und eines an Macht angepasstes, wie auch immer rechtlich abgestütztes und Grauzonen ausnutzendes System. Das Phänomen Whistleblowing = verpfeifen von whistleblower „Pfeifenbläser“ haben v.a. angelsächsischen Länder auf den Begriff gebracht und zum festen Bestandteil ihrer politischen Kultur erhoben. Dort wird es bereits durch Ge-

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6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

setze geschützt (siehe z.B. den Whistleblower Protection Act). Das US-Magazin Time hat das Jahr 2002 zum „Year of the Whistleblower“ ausgerufen und den drei Whistleblowern Cynthia Cooper (WordCom), Coleen Rowley (FBI) und Sherron Watkins (Enron) gemeinsam den Titel „Persons of the Year“ verliehen (Time vom 28.12.2002/6.1.2003, S. 36f.). ‚Widerstandskämpfer‘ mit Zivilcourage scheinen wohl in Deutschland insbesondere die etablierten Machtverhältnisse und damit die Managermacht zu gefährden, obwohl dies der strukturellen Weiterentwicklung der demokratischen Kultur dienen würde. Deshalb gilt in der Praxis Folgendes: „Proditio amatur, sed proditor non – Man liebt den Verrat, aber nicht den Verräter“, sagt der Volksmund. Schon Deserteure gegen den totalen Krieg der Nazis und Denunzianten galten im Volk als Verräter. „Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant“, dichtete August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Verfasser des Textes des Deutschlandliedes. Oder Carl von Ossietzky: „In Deutschland gilt derjenige als viel gefährlicher, der auf den Schmutz hinweist, als der, der ihn gemacht hat“. Der Umgang der Politik mit der Banken- und Finanzkrise bestätigt diese Unkultur (siehe auch den Umgang mit ärmeren Bürgern). Wirkt hier eine politische Kultur nach, die mit dem Begriff der autoritären Persönlichkeit oder mit der Behandlung von Deserteuren im 2. Weltkrieg als Verbrecher noch bis in die 1990er Jahre umschrieben werden kann? Neue Forschungsergebnisse dazu sind in der Sozialpsychologie gerade hinsichtlich der situativen Aspekte selten, wobei auf ethische Legitimität bei Experimenten zu achten ist. „Gescheiterte differentialpsychologische Unterschiede zwischen Gehorsamen und Ungehorsamen wären gerade in pädagogischer und politischer Hinsicht relevant, etwa für eine partielle Erziehung zum Ungehorsam („Zivilcourage“)“ (Günther 1997, S. 449). Trotz vielfältiger internationaler Initiativen (Criminal Law and Civil Law Conventions on Corruption des Europarats von 1998 bis 1999, SOX von 2002, ICC von 2008) und der Unterstützung des BDI im Gegensatz zum BDA kann wohl das Gesetz bisher Whistleblower im Arbeitsverhältnis noch nicht einmal bei Korruption schützen: „Spätestens nach der Bundestagswahl im September sollte der Whistleblower-Schutz wieder auf der Tagesordnung von Regierung und Parlament stehen. An einer gesetzlichen Regelung führt kein Weg vorbei. Der neue § 612a BGB [Anzeigenrecht, M.H.] muss kommen“ (Transparency, August 2009, S. 7). Nun, deren aktuelles Ergebnis gibt kaum Veranlassung zu Optimismus. Es bleibt also dabei, nur die Verschwiegenheitspflicht für Beamte bei begründeten Verdachtsfällen zu Korruption einzuschränken (§ 38 Abs. 2 Nr. 3 Beamtenstatusgesetz, April 2009). Dabei machen sich Beteiligte strafbar, wenn sie bei Korruption schweigen (StGB § 138). Dabei ist wiederum vom Verbot der Informationsweitergabe z.B. bei Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs (StGB §§ 201 ff) abzusehen. In Deutschland konnten Whistleblower lediglich einige große Prozesse gewinnen. Damit treten sie aber ans Licht der Öffentlichkeit und verlieren ihre Anonymität (nur 28 % bleiben nach KPMG 2006a anonym): mit z.T. gravierenden materiellen und sozialen Folgen. Whistleblower gelten als ethische Dissidenten aus Gewissensgründen (siehe Gewissensfreiheit Art. 4 Abs. 1 GG), als unbelehrbare Abweichler und Rebellen. Der Bezugsrahmen für die Unternehmensberatung ist folgende Vorgehensweise:

6.4 Berater als Rollenträger

243

Vorgehensweise von Whistleblowern

• • • •

Politische Grundeinstellung des „serving the public interest“ unter Ausschluss persönlicher Rachsucht: Kein geduldiges Hinnehmen von Missständen als unveränderlich Motivation zu zivilcouragiertem Handeln aus loyaler Absicht im Namen einer öffentlichen Moral oder Ethik Aktiver Einsatz für sittliche Ziele jeder Art, z.B. Menschen- und Persönlichkeitsrechte, Umweltschutz, Tierschutz Immunität gegen zu erwartende Sanktionen oder offene Repressalien

Vorliegen einer brisanten Enthüllung („revealing wrongdoing“), z.B.: • Insiderhandel, Geldwäsche • Bestechung von Kunden (Korruption) „als missbräuchliche Ausnutzung einer Position für private Zwecke“, Regelungen dazu über Gesetze hinaus: – „United Nations Declaration Against Corruption and Bribery in International Commercional Transactions“ (1996) – „United Nations Convention Against Corruption“ (2000–2003) – „Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung von ausländischen Amtsträgern im internationalen Geschäftsverkehr“, OECD von 1997 – die NGO „Transparency International Deutschland“ zur Unterstützung der Initiative für eine stärkere europäische Antikorruptionspolitik – Bilanzmanipulation oder Aufschub ihrer Aufdeckung durch Erschwindelung eines Kredits unter erschwerten Bedingungen • Suchtverhalten des Geschäftsführers • Insolvenzverschleppung, • Stellenbesetzung nur auf Grundlage von Vitamin B (z.B. im Aufsichtsrat) • Verschleierung von Managementfehlern in so genannten „Eigenbetrieben“ (Verwaltungseinheiten) • Sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz in Verbindung mit erpresserischem Verhalten • Mobbing von Kollegen, die eine eigene (Lehr-)Meinung haben, in keine Gewerkschaft eintreten oder in der falschen Partei sind, zu viel über die Leitung wissen oder an Alkoholsucht leiden • Schwammige Regelsysteme für Branchen (vgl. Pharmaindustrie, vgl. auch die neue bis 2012 zu implementierende Beipackzettelregelung der EU „Readability“; vgl. auch das IQWiG zum tatsächlichen Nutzen von Medikamenten und Transparenz in der Pharmaindustrie) • Mit Pestizid oder Dioxin verseuchte Lebensmittel • Vertrieb von Gammelfleisch • Ersatz-Kodizes für Berufsgruppen wie z.B. Grundsätze ärztlicher Ethik gegen Kunstfehler • Wettbewerbsverzerrung: siehe Embargo-Bestimmungen, Marktmanipulation, Kartellvergehen

244

6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

Inkaufnehmen einer für die eigene „risking reaction“ Folge des going outside: • Information des Vorgesetzten oder • Einschalten einer vermittelnden (internen, externen) Stelle • Herstellung einer medialen Öffentlichkeit (empfehlenswert bei Management-Fraud) sowie • Karriereknick und Gehaltseinbußen • Kündungsgefahr Tab. 37: Vorgehensweise von Whistleblowern in der Unternehmensberatung

Zum Grad der Aufdeckung von Missständen bieten folgende Daten einen Einblick: • Misserfolgsindikator: – nur Aufdeckungsrate von 14 bis 24 % durch die innere Revision bei mangelndem Einbezug externer Strafverfolgungsbehörden – im Vergleich dazu: Aufdeckung der Taten zu zwei Dritteln (69 %) durch zufällige Hinweise und/oder Hinweisgeber (23 % interne nach PWC 2005) • Ländervergleich: – in Deutschland: zu 55 % Anzeigen während der Geschäftszeiten, 45 % außerhalb – in den USA: 61 % über Telefon und 39 % über Web-System – anderswo: 69 % über Web und 31 % über Telefon. Für manche Unternehmen bietet sich die Einführung institutioneller Whistleblowing-Systeme (Bussmann, Salvenmoser 2006) als Ausweg an. Meines Erachtens kann allerdings die Integration von Whistleblowing in die bestehenden asymmetrischen Kontroll- und Entdeckungssysteme zur Vorbeugung strafbarer Handlungen, d.h. schon bei Verdachtsmomenten, kontraproduktiv sein. In den USA ist gesetzlich geschütztes Whistleblowing schon zu 70 % Realität. Offensichtlich fällt deswegen in Deutschland die Aufklärungsrate niedriger aus (34 % im Vergleich zu 26 %). Die Verbreitung hängt damit zusammen, ob den Whistleblowern Anonymität zugesichert werden kann: in Deutschland wohl nach mehrfacher Nachfrage nur zu 9 %. Trotz des erheblichen Dunkelfelds scheinen bis zu 15 % der Delikte (v.a. aber Korruption) zum ersten Mal entdeckt worden zu sein. Die bessere Steuerung der Kommunikationswege und damit die Eröffnung von niedrigschwelligen Informationswegen haben wohl zur Senkung des Anteils von zufälligen Hinweisen um 20 % geführt. Das in Unternehmen institutionalisierte Whistleblowing folgt der ‚Regie‘ des Unternehmensmanagements. Whistleblowing wird daher meist nur im Rahmen einer ComplianceStrategie institutionell unterstützt, z.B. mit einem dem CEO zugeordneten Ombudsmann. Die gegebenen strukturellen Zwänge verhindern daher echte Beteiligung und Selbstbestimmung. Gründe dafür sind z.B.: • Verbreitete IST-Unternehmenskultur: Misstrauenskultur, die – ohne strukturgebundene vollständige Anonymität und Schutz – in fremdbestimmten Sanktionen gründet und in denen Whistleblower als Überbringer schlechter Nachrichten reine Denunzianten oder Nestbeschmutzer bleiben

6.4 Berater als Rollenträger

245

• Fehlen einer alternativen SOLL-Unternehmenskultur mit dialog- oder verständigungsorientierten ethischen Leitlinien: keine Freisetzung oppositioneller, auf Zivilcourage basierender Widerstandspotentiale • Im Fall von Management-Fraud nur Wirken eines „therapeutischen Programms“ • Interne Anwendung eines formal von oben vorgeschriebenen Verfahrens, um den Umgang mit den Verhaltensunsicherheiten aus klassischen moralischen DilemmataSituationen bezüglich doloser Handlungen zu erlernen • Nach KPMG bzw. SOX, Sec. 301 Whistleblowing als Pflicht für die Entdeckung, nicht für die Verhinderung oder Prävention • Organisatorisches Inseldasein von Instrumenten (semipermeables): – vertrauliche, nicht über Telefon-/Fax-Nummern, E-Mail-Adressen oder IP-Nummern (Internet-Protokoll) zurückverfolgbare Hinweisgebersystem und Hotline-ReportingSysteme mit Hilfe von Spezial-Software wie IDEA, ALC, ENCASE (siehe Bosch auf Basis von CASE) – BKMS® als internetbasierte Kommunikationsplattform zur sicheren Abgabe und Annahme von Hinweisen hinsichtlich Korruption und Wirtschaftskriminalität – verantwortliche Spezial-Stellen wie einen autonomen Ombudsmann als Präventionsinstrument. Darüber hinaus weisen wohl folgende Verfahren weiterführende Wege auf: • In zwei Dritteln der börsennotierten Unternehmen in den USA und angelsächsischen Ländern Beauftragung einer externen Firma wie z.B. InTouch, die z.B. ein Londoner Stahl- und Aluminiumkonzern beauftragt hat (Dielmann 2005, S. 9), vgl. auch das EventManagement-System von Ethics Point • Externes Whistleblower-Netzwerk e.V. einschließlich des Blogs (vgl. auch die Resolution der internationalen Sektion von Transparency International, die über § 612a n.F. BGB hinausgeht und die Ratifizierung des Art. 33 der UNCAC verlangt), das bei nicht gesetzlicher Unterstützung empfehlenswert ist. Der subversiv investigative Whistleblower – der neue Begriff Hinweisgeber wirkt verharmlosend – muss über Zivilcourage oder die Kardinaltugend Tapferkeit für eine gerechte Sache verfügen, die mit Information + Erfahrung = Wissen zu verbinden ist. „Tapferkeit [Zivilcourage, M.H.] ist die Tugend des Mutes, der um sittliche Ziele willen die Empfindungen der Angst, der Furcht und des Schmerzes zu überwinden vermag, und ist insofern der Feigheit entgegen gesetzt; sie ist als Tugend an vernünftige Überlegung und sittliche Einsicht gebunden und insofern von unbedachter Kühnheit unterschieden“ (Forschner 2008, S. 308). Das muss ja nicht wie in historischen Zeiten mit dem Tod, kann aber heute mit dem Arbeitsplatzverlust enden. Es existieren zwar eine Reihe von Erfahrungsberichten zur Zivilcourage in der Geschichte. Aber es handelt sich dabei noch um ein weitgehend unerforschtes Phänomen (siehe aber Meyer, Herrmann 1999, Heuer 2002, www.psychologie.unizh.ch/ motivation/zivilcourageportal/links.html) und in der Praxis ungeliebtes Kind. Die Vertreter des Wirtschaftsliberalismus halten diese Tugend nicht für gefährlich, weil sie Tapfere für ‚Dumme‘ halten. Anders verhält es sich, wenn Zivilcourage zu einem moralischen, vom Gewissen geleiteten Handlungsprofil geworden ist, in dem Handeln-Können, Selbstsein, die

246

6 Professionell-ethische Regelungen für den Consulting-Beruf

beständige Verpflichtung zur Wahrheit, die Überwindung der Feigheit und der Wille zur Einmischung zusammenwirken. Es wäre eine Illusion zu glauben, Zivilcourage könne in dieser Ausprägung in offizielle ethische Unternehmensleitlinien Eingang finden. Auf den vorgegebenen Karrierewegen in Unternehmen geht Zivilcourage, wenn sie überhaupt gelernt wurde, schnell verloren. Opportunistisches Verhalten ist die Richtschnur für den Erfolg im Berufs- und Wirtschaftsleben, aber auch für die Zufriedenheit im Privatleben. Insofern hängt nach Meinung des Compliance-Magazins 2009 die Erfüllung folgender Anforderungen an Whistleblowing-Systeme – ob anonyme externe oder effektive interne – in der Luft (vgl. auch Whitepaper: Interne Hotline im Vergleich zu Drittanbietersystemen, Ethics Point 2008): „Vertrauen der Mitarbeiter in das System Möglichkeit zu anonymem Feedback Einhaltung, d.h. die Compliance von nationalen und internationalen gesetzlichen Datenschutzanforderungen Einschränkung der Haftbarkeit unterstützenden Mechanismen zur Bearbeitung und Lösung berichteter Probleme Fähigkeit zur Beurteilung und Bewertung der Effizienz des Reporting-Systems Datensicherheit bei Reporting und Nachverfolgung Dokumentation und sichere Aufbewahrung aller Informationen laufende Berichtverteilung und weitere operative Kosten“ Offensichtlich bieten externe – also nicht im Intranet implementierte – Netzwerke beim Versagen formalisierter Regelungen oder bei halbherzigen Compliance-Versuchen einen alternativen Kommunikationskanal für die betroffenen Whistleblower unterschiedlicher Unternehmen. Diese erarbeiten sich autonom und diskursiv eigene Regeln und eine wirksame Wenn-Dann-Heuristik (vgl. z.B. Leisinger 2003 a,b; Löhr 2001; Whistleblower-Netzwerk e.V.: http://www.whistleblower-net.de/content/blogcategory/3/6/lang.de). Whistleblowing erfüllt daher solidarische Widerstandsfunktionen und eignet sich wahrscheinlich nicht für die formale Vereinnahmung durch das Management in klassische Unternehmensstrukturen, um so Delikte oder illegitime Handlungen sozial verantwortlich zu bekämpfen. Alle Whistleblowing-Systeme stehen aber vor dem methodischen Problem, dass bei Aufdeckung kurzfristige Schäden sichtbar werden und darauf reagiert werden muss, aber Gegenmaßnahmen nur langfristig zu positiven Wirkungen führen.

7

Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

7.1

Worum es geht

Der informelle Veränderungsdruck erwächst aus dem Gegensatz zwischen alter Hierarchie und einem neuen geistig-emotional zu den Akteuren passenden schlanken Organisationsmodell. Voraussetzung des Wandels ist die ethische Entscheidung für eine neue Unternehmenskultur bis auf die Ebene des moralischen Klimas als sozialem Kontext von Beratungsprojekten. Dabei müssten allerdings gerade die größeren Unternehmenberatungsgesellschaften ihren Top-down-Ansatz aufgeben und eine breite Beteiligung sicherstellen. Diese nehmen ja dem Trend nach zu, wenn auch ohne Rückgang der mittelständischen und kleineren Consultingfirmen (Lünendonk, Streicher 2007, S. 42). Dass Märkte auch nachhaltig nach ethisch reflektierten moralischen Grundprinzipien funktionieren sollen, wie Edgar Geoffrey (1997) für die Verkäuferpersönlichkeit im Vertrieb annimmt, ist angesichts des bruchstückhaften Erlernens ethisch-kulturell begründeter Entscheidungsmuster durch Manager mehr als zweifelhaft. Dennoch verbergen sich hinter vielen Entscheidungen, Verhandlungen, Konflikten etc. moralische Positionen, Werte oder ‚irrationale Wertsysteme‘. In verbindlichen sozialen Normen wie Brauch, Sitte, Charakter, Gesinnung und Gewohnheitsrecht verankert, nehmen sie auch in Unternehmen eine kulturelle Gestalt an. Ethische Leitbilder oder Leitlinien, die die Werte und Normen der Unternehmenskultur repräsentieren, sind Ergebnis eines Kompromisses zwischen einer Gesinnung, die Vertrauensbeziehungen individuell rechtfertigen kann (vgl. die Gebote des ehrbaren Kaufmanns im HGB oder das GG, Art. 1 und 2), und überindividuellen Regelungen auf institutioneller Ebene. Sie vermitteln moralische Orientierung für das, was im Unternehmen als sittlich gut und richtig und was als unsittlich und falsch gelten soll. Geld, Gewinn und Wohlstand sollen auf ehrenwerte Weise und in Verantwortung für das Gemeinwohl erworben werden. Bestechung wäre dann einer solchen kollektiven Ethik abträglich. Zunehmend wird sich daher das Beratungsmarketing zu einem echten Kundenmanagement wandeln müssen. Das betrifft auch die Unternehmenskultur selbst, die sich bislang eher auf die interne, die Mitarbeiter ausgerichtete Gestaltung beschränkt hat. Insofern, als Werte die soziale Verhaltenssicherheit und daher Moralentscheidungen im sozialen Kontext beeinflussen, sind moralische Werte und Normen zentrales Element von Kultur: • Kulturtypisierung hinsichtlich Art und Ausprägung sowie Handlungsfunktion

248

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

• Kulturprägung (Leitbild) und Manifestation in den moralischen Normen eines moralischen Klimas auf Interaktionsebene • Basis von Entscheidungen, organisatorische Handlungsspielräume für ihre professionellethisch sinnvolle Nutzung im Beratungsleistungsprozess zu eröffnen • Aktivierung mit Hilfe geeigneter Personalmanagementmaßnahmen unter Berücksichtigung der Sozialisationsergebnisse aus Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter. Erst die sich daraus ergebenen Handlungsmaximen wirken in dem Sinne handlungsordnend, als sie ethisch reflektiertes Handeln in kooperativ operierenden Unternehmen und Projekten begründen. Diese sind aber im Berufsleben nicht selbstverständlich, sondern betreffen im Wesentlichen den Umgang der Menschen miteinander: • Reflexion der eigenen Interessen • Erkennen der eigenen Fähigkeiten, Gefühle und Bedürfnisse • Zusammen mit den Interaktionspartnern Begreifen der sozialen Konstellationen in Beratungsprojekten und Herstellen eines Bezugs zu den Rahmenbedingungen • Dabei bewusste Hinnahme des Kompromisses zwischen individueller Selbstverwirklichung und sozialer Verantwortung, der sich aus dem Zusammenwirken zwischen eigener und fremder Interessenverfolgung im jeweiligen Kontext ergibt. Die folgenden Abschnitte gliedern sich nach den Maßnahmebündeln auf Ebene der Infrastruktur (Unternehmenskultur, Leitbildprozess, moralisches Klima), des Personalmanagements (z.B. organisatorische Sozialisation für die Eingliederung, Training Selbstkonzeptwandel, Teamfähigkeit, Kreativität, Selbststeuerung) und des Beratungsprojekts auf:

Übersicht über professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen Leitbildprozess für Lean Organization u. eine kooperative Unternehmenskultur: • Ethische Perspektive • Grundsätze und Handlungsmaximen Initiierung eines moralischen Klimas: • Sozialisationsmedium für Beratungsprojekte • Dimensionen Personalmanagement zur Aktivierung moralischer Wertekompetenz: • Organisatorische Sozialisation • Selbstkonzeptentwicklung Professionell-ethische Maßnahmen für Beratungsprojekte (siehe Service 5.): • übergreifende, begleitende Maßnahmen • Maßnahmen für die einzelnen Beratungsprojektmanagementphasen Tab. 38: Übersicht zu Maßnahmen

7.2 Unternehmenskultur und Leitbildprozess

7.2

249

Unternehmenskultur und Leitbildprozess

Wird Unternehmenskultur (und dies gilt auch für das moralische Klima als operatives normatives „Sozialisationsmedium“) auch über die moralischen Werte definiert, wird dies manchmal zum Konzept der wertorientierten Unternehmensführung kurzgeschlossen. Dies steht hier nicht im Vordergrund. Diesen strategischen Managementansatz hat auch Wieland im Rahmen seines Wertemanagementsystems zur Governanceethik aufgegriffen. Dabei steht aber die Erreichung eines höheren (materiellen = wirtschaftlich messbaren) Kundenwerts als Teil des Wertschöpfungsprozesses durch dementsprechende Maßnahmen im Vordergrund. Das Konzept der werteorientierten Unternehmensführung unterscheidet dabei zwischen der materiellen Rückkopplung über den Faktor Geld und der immateriellen Rückkopplung über den Faktor Resonanz (beides im Marktzusammenhang). Dabei lassen sich die so genannten immateriellen Vermögenswerte im Rahmen der neuen IFRS-Anforderungen immer noch nicht messen oder bilanzieren, wie auch die Versuche von Banken mit dem IAS/IFRSAbschluss bzgl. von einfacher Software als Vermögensgegenstand schon zeigen.

7.2.1

Rahmenentscheidung für Lean Organization

Die ordnenden globalen Strukturen prägen die Entscheidungen für eine kooperative Unternehmenskultur in einem auf beherrschte Unordnung setzenden schlanken Consultingunternehmen (siehe Hesseler 1999). Die Grundsatzentscheidung der Unternehmensführung zielt langfristig auf die Prinzipien von Lean Organization als verdichtetem Systemmodell im Beratungsunternehmen, das nicht im Kundenunternehmen gelten und daher abgestimmt werden muss. Aufeinander abzustimmende Organisationsprinzipien sind v.a. Dezentralisierung, Simultaneisierung, Handeln in vernetzten Teams, echte Kundenorientierung und Kostensenkung, worauf leider oft genug das Schwergewicht liegt. Die funktionale, divisionale oder nach Matrixstruktur organisierte Führungsspitze trifft dazu die Rahmenentscheidungen, initiiert Veränderungs- und Lernprozesse und fördert die Partizipation am Changemanagement. Zwar sind Verschlankungen dieser obersten Ebene denkbar (vgl. auch die Holdingüberlegungen). Aber die Führungsspitze, die – oft arbeitsteilig – die dominierende Organisationsideologie repräsentiert, bleibt meist unverändert. Die Qualität der Veränderungsimpulse, die auch einer unvorhersehbaren Eigenlogik folgen, ist aber abhängig vom situationsabhängigen Grad der Distanz zwischen Unternehmensspitze und darunter liegenden Führungsebenen (vgl. auch den Projektleiter) und vor allem den Ausführungsebenen zwischen den beteiligten Unternehmen in Beratungsprojekten. Im Zuge eines von der Unternehmensspitze gewollten organisatorischen Zusammenwachsens der Führungsund Ausführungssysteme dürften auch die der Realisierungsfunktion vorgelagerten Managementfunktionen in die Umsetzung von Entscheidungen hineinwachsen (Kommunikationsausweitung). Institutionell gesehen nimmt Teamarbeit im und zwischen mittlerem und unterem Management zu und es entstehen neue Karrierewege. Die Entscheidung für beherrschte Unordnung bedeutet die Entscheidung für ein Mehr an Selbstkoordination und Selbstorganisation und damit für ein Weniger an verbleibender präsituativen Fremdkoordination bis auf höchste Ebene. Dabei handelt es sich um bewusste Ent-

250

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

scheidungen der Unternehmensführung für oder gegen Koordinationsinstrumente, dem „Subsidaritätsprinzip“ folgend. Sie bewegen sich in einem Spannungsverhältnis zwischen Rationalisierung (Personalabbau, hierarchischer Zentralisierung dispositiver Arbeit) und Humanzentrierung (Dezentralisierung, Innovation, Partizipation). Ob Grundsatzentscheidungen in der Unternehmensspitze gleichermaßen von Kriterien der ökonomischen Effizienz und sozialen Effektivität geprägt sind und so auch durch ein Controlling zu unterstützen sind, hängt vom verbreiteten Organisations- und Menschenbild ab. Die Vermeidung bzw. Rückführung der Komplexität gewachsener Strukturen, z.B. die Vereinfachung von Abläufen im Unternehmen oder der konsequente Sprung in selbstorganisierte Netzwerke, werden zu wichtigen Erfolgspotentialen. Folgende Probleme müssen dabei kommunikativ zwischen dem Auftraggeber und Auftragsnehmer der Beratung auf dem Weg zum schlanken Unternehmen bis auf Projektebene gelöst werden: • Kompromiss zwischen zwanghafter Ordnung, Freiheit und Selbstbestimmung • Hierarchiearmer intensiver Informationsaustausch und partnerschaftliche Kommunikation • Kommunikation und Information als Fundament eines sozialen und menschenwürdigen Lebens in Unternehmen und wichtiger Koordinationsmechanismus in teamfähigen netzwerkartigen Selbststeuerungsprozessen • Vermittlung kurzfristig sicherer Leistungsfähigkeit mit langfristig verbesserter Wirtschaftlichkeit, die wesentlich auf die ungebrochene Kreativität und Innovation von Mitarbeitern gründen.

7.3

Unternehmenskultur: Vom Ist zum Soll

7.3.1

Definitionsversuch

Werte bilden Kultur. Diese befinden sich nicht in den Joghurts der Unternehmenskantine und beschränkt sich nicht auf werbewirksame Imagepflege und Public Relations. Für die Behandlung der ca. 170 Definitionsversuche für den Begriff Kultur ist hier kein Platz (nach Kroeber, Kluckhohn schon 1952 ca. 150 Definitionen). Weiterführend können die zwei Begriffsstränge „anthropologisch-soziologische Deutung von Kultur“ und „Kultur im institutionellen Sinne“ sein (siehe Service 4.4). Die Unternehmenskultur, die sich diesen aber nicht eins zu eins zuordnen lässt, weist danach folgende Merkmale auf: • In der Unternehmung als soziale Gruppe: – Sozialisation und Erlernen unternehmensspezifischer, kollektiv geteilter Werte und Normen und ethischer Handlungsmaximen oder – Verhaltensrichtlinien für Leistungsbereiche, die Zusammenarbeit und das Management • Erhaltung als überindividuelle, kollektive dominante Hauptkultur, die die wertorientierten Einstellungen z.B. zu Aufgaben, Stakeholdern, Veränderungen und Verhaltensweisen prägen

7.3 Unternehmenskultur: Vom Ist zum Soll

251

• Manifestation in kulturellen Artefakten wie z.B. Sprachregelungen, Umgangsformen, Kleidung, Ritualen • Wechselseitige Beeinflussung der Landes- und Unternehmenskultur, wenn auch Mitglieder bei Eintritt ins Unternehmen schon durch die Landeskultur geprägt sind • Kulturunterschiede in Bezug auf basale Annahmen und/oder Werte/Normen oder Verhaltensweisen. Das Problem ist bis heute die Integration der beiden folgenden Sichtweisen: • Unternehmen (auch mit Branchen- und Länderbezug) haben nach funktionaler Perspektive Kultur und werden erst so zu differenzierbaren, konkret existierenden sozialen Gemeinschaften und Systemen oder • sind sogar Kultur (siehe auch die anthropologisch-soziologische Perspektive). Der anthropologische Begriff Kultur hat auch in die Definition der entscheidungsorientierten BWL Eingang gefunden: „[…] ein Gerüst und ein Vorrat an Sinnstrukturen und Handlungsmustern, aus welchen heraus Situationen, Handlungen und Einstellungen des Unternehmensalltags einer bewertenden Interpretation hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Unternehmung als Ganzes zugänglich werden“ (Heinen, Fank 1997, S. 25). Nach diesem kognitiven Kulturverständnis erlernen die Organisationsmitglieder in Sozialisationsprozesse die Grundmuster zur Wahrnehmung und Interpretation der Wirklichkeit. Zudem teilen sie die Glaubensgrundsätze und Handlungsvorschriften einer Gesellschaft. Im Mittelpunkt steht die Erfahrung, dass Menschen nach Integration streben, so dass gemeinsame Spielregeln, kognitive Denkmuster, Werte, Symbole zu verbindenden Elementen von Mitgliedern einer sozialen Gruppe werden: • In der Unternehmens- oder Organisationskultur Entstehung einer bindenden Corporate Identity zur gemeinsamen Lösung von Problemen in Gruppen und interner Integration • Übernahme dieses stabilen rational und emotional korrekten Musters auch durch Neulinge wie Junior Consultants (Voraussetzung: Enkulturation ist gelungen). Unternehmenskultur ist ein ernst zu nehmendes Thema, das nach Vorläufern aus den 1920er Jahren, in den 1980er Jahren in den USA als Gegengewicht zu technisch-rationalen Führungskonzepten entdeckt und populärwissenschaftlich zu Rezepten für die Beratung im Geflecht von individuellen und institutionellen Interessen bearbeitet wurde (vgl. z.B. Peters, Waterman 1982). Im Anschluss an Erfahrungen von Kenichi Ohmae (Peters, Waterman 1994, S. 64), Leiter des McKinsey-Büros in Tokio, entstand das Konzept, nachdem die starke Solidarität der Mitarbeiter untereinander einen zentralen Erfolgsfaktor darstellt (Bertelsmannstiftung 2003; zur internen Erfolgssteuerung: z.B. Pümpin, Kobi, Wüthrich 1985). Menschen werden mehr und mehr als wichtigstes Betriebskapital angesehen, zumindest bis Business Reengineering kommt und das Nasenzählen zu dominieren beginnt. Der empirische Zugang lässt sich folgendermaßen strukturieren: • Hypothese: positiver Zusammenhang zwischen Ideen/Kreativität/Innovation und Unternehmenskultur • Differenzierte Erfassung ihrer Facetten, um eine normative Grundlage für erfolgreiches unternehmerisches Handeln zu schaffen

252

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

• Prüfung, ob die Belegschaftsmitglieder über eine gemeinsame soziale Wahrnehmung im Sinne des Konstrukts Unternehmenskultur verfügen • Von daher gesehen Erfassung von Stärken und Schwächen unterschiedlicher Unternehmenskultur und Ableitung praktischer Maßnahmen. Der praktische Sinn besteht darin, dass Unternehmenskultur Spielräume überbrücken kann (Kilian, Saxton, Serpa 1985). Diese entstehen aus der Diskrepanz: • Zwischen formalen Regelungen und Verantwortlichkeiten (Rahmenkompetenz), die sich ausschließlich an wirtschaftlichen Erfordernissen ausrichten und • Ihrer individuellen Auslegung nach gegebenen sozialen Fähigkeiten, die sich an menschlichen Bedürfnissen orientieren (informelle subkulturelle soziale Beziehungen). Unklarheit besteht darüber, ob fusionierte Unternehmen wie z.B. DaimlerChrysler über ein unverwechselbares Gesamtbild von Vorstellungen und Verhaltensweisen verfügen. Offensichtlich konnte man aus zwei eigenständigen Unternehmenskulturen keine Gesamtunternehmenskultur erzeugen. Mit der zunehmenden Internationalisierung der Weltwirtschaft und der Privatunternehmen (internationale Unternehmen/multinationale Konzerne) hat sich auch die Unternehmenskultur als national geprägte Managementkultur im Comparative Management Research stabilisiert. Von besonderem Interesse waren und sind die empirischen Befunde aus dem Vergleich der westlichen, individualistisch ausgerichteten und japanischen, kollektivistisch ausgerichteten (Unternehmens-)Kultur als Erfolgsfaktor, die heute um den Vergleich mit der noch nicht breit erforschten chinesischen Unternehmenskultur im Zuge globalen Wirtschaftens zu ergänzen ist (siehe Hesseler 2007a, CD; Graham, Lam 2004). Schließlich scheitern aus westlicher Sicht nicht wenige Joint-Ventures mit chinesischen Partnern, wobei diese allerdings mit der Zusammenarbeit zufrieden zu sein scheinen. Westliche subjektive Bewertungsmuster, Arbeitsorientierungen, Verhaltensweisen, Lebensstile erscheinen dabei als Ergebnis einer „Enttraditionalisierung“ in Form der Erosion traditioneller Regulationsstrukturen (Bullinger, Warnecke 1996, S. 165). Merkmale sind z.B.: • • • • • • •

Entbürokratisierung Entberuflichung Enttaylorisierung Enthierarchisierung Gravierende Änderung gewerkschaftlicher Interessenvertretungsformen Nivellierung der Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten Höhere Ergebnisverantwortlichkeit der Beschäftigten und mehr Entscheidungsmöglichkeiten für Profitcenter, Qualitätszirkel, Gruppenarbeit • Bereichsübergreifende Koordinierung durch Projektgruppen mit dementsprechenden Zielvereinbarungen • Höhere organisatorische Transparenz im Rahmen von Informationstechnologien und Controlling etc. • Höhere Anforderungen an die Reflexivität und Selbststeuerungsfähigkeit der Beschäftigten auf Basis postkonventioneller Arbeitseinstellungen.

7.3 Unternehmenskultur: Vom Ist zum Soll

253

Es wird die Frage zu beantworten sein, wie diese Eigenschaften im Rahmen globaler Zusammenarbeit mit den Werteinhalten anderer Unternehmenskulturen zusammenwirken. Die Entwicklung einer auf die ethische Verbesserung bestehender Moral abzielender SOLLKultur basiert auf einer Bestandsaufnahme der IST-Unternehmenskultur.

7.3.2

IST-Unternehmenskultur

Umsetzungen hängen auch davon ab, ob und wie der IST-Zustand erfasst werden kann. Dabei ist auch folgendes Problem zu lösen: „Organisationen sind zwar in eine Kultur (als externe Variable) eingebettet, schaffen aber ihrerseits selbst Kultur (als interne Variable)“ (Staehle (1991a, S. 479) Insofern manifestiert sich die externe Kultur auch in der internen Unternehmenskultur. Daher ist die Unterscheidung zwischen Organisationskultur und Unternehmenskultur nicht trennscharf zu leisten (dazu z.B. Stüdlein 1997). In der Verbindung der beiden konträren Sichtweisen könnte die Lösung zu suchen sein:

Zur Verbindung der funktionalen und kommunikativen Perspektive der Unternehmenskultur I. Der funktionale Ansatz in der BWL und Managementliteratur allgemein: • Unternehmen: (variable) Kultur mit integrativen, koordinierenden, motivierenden Funktionen • Beeinflussung im Rahmen eines strategischen Managements (siehe z.B. eine HighTech-Firma im Silicon-Valley) • Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor: – kein durchschlagenden Erfolg hinsichtlich der Entstehung eines Wir-Gefühls bei unverrückbarer Hierarchie – lediglich Zunahme der Kundenbestellungen oder des Umsatzes II. Die alternative kommunikative Sichtweise in Anthropologie und Soziologie: • Unternehmen selbst als Kulturen (Kultur als Metapher) • Schwergewicht: weniger darauf, Unternehmenskultur zu gestalten, zu entwickeln (von IST- nach SOLL-UK) oder zu erhalten, sondern sie – zu verstehen und zu interpretieren und dadurch – gemeinsames Handeln in einer Sinngemeinschaft zu ermöglichen • Anwendung weniger von Wettbewerbsanalysen wie z.B. von Swot- oder BusinessCase-Analysen als von subjektiv-interpretierenden Methoden mit Bezug auf die Lebenswelt wie z.B. der Self-Q-Technique von Bourgon oder der interaktiven Analyse von Schein • Kritik angesichts fehlender Bewertung: – Verwandlung der Gestaltung zum schlecht planbaren kommunikativen Prozess mit vielen Iterationen und Wiederholungen, – zu wählender Ausgangspunkt: die jeweilige Kommunikationskultur

254

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

III. Unternehmenskultur als dynamisches Konstrukt: • Kompromiss zwischen Struktur- und Entwicklungsperspektive (Variablen- und Metapheransatz): – Unternehmen als Kultur schaffende und entwickelnde Systeme – dadurch partielle zeitintensive Beeinflussung/Prägung der Interaktionen und Interpretationen der Organisationsmitglieder • Kritik an der Konsequenz dieses Integrationsversuchs: – Praktiker und BWL-Theoretiker in Fortführung der vergangenen Managementliteratur: Betrachtung der Unternehmenskultur unter dem Blickwinkel von Integration, Stärke und Homogenität – Soziologen: Konzentration auf den Subkulturaspekt wie z.B. eine bestimmte Berufsgruppe Tab. 39: Verbindung des funktionalen und kommunikativen Ansatzes der Unternehmenskultur

Die neuere, interdisziplinärer ausgerichtete Forschung legt daher vorsichtig nahe, Unternehmenskultur als komplexes Konstrukt zu behandeln. Daraus folgt: • Theoretisch-empirische Perspektive der Unternehmenskultur: Bestand von unterschiedlichen Komponenten mit unterschiedlichem Gewicht wie Artefakte, Praktiken, Normen, Werte, grundlegende Überzeugungen, sense making, Annahmen • Unterschiedlich viele Dimensionen und Typen der Unternehmenskultur (Sackmann 2007). Zudem bieten sich unterschiedliche einzelne Erfassungsmethoden an: • Zur deduktiv-empirischen Prüfung der aus Theorien abgeleiteten Hypothesen oder • Zur induktiv-explorativen Entdeckung von Hypothesen/Theorien. Diese Verfahren lassen sich kombinieren, um der Komplexität (Mehrdimensionalität, Dynamik und Zielsetzung des Unternehmenskulturkonzepts) gerade mit Blick auf Leistung/Erfolg gerecht zu werden. Die Komponenten oder Ebenen (z.B. Werte) sind nicht leicht zu operationalisieren. Es könnte daher sinnvoll sein, diese mit Hilfe der Merkmale wechselseitiges Vertrauen, gutes Betriebsklima, Erhaltung des Unternehmens, selbstständiges Handeln und unternehmerisches Denken zu erfassen. Bei der Methodenauswahl ist eine Differenzierung nach Anwendungsfall erforderlich, z.B. Investition in eine Kulturentwicklungsmaßnahme zur Initiierung eines moralischen Klimas für Beratungsprojekte oder Kennenlernen der bestehenden Unternehmenskultur. Dabei bleibt aber das Problem bestehen, ob die erfassten moralischen Normen und Werte mit dem tatsächlichen Verhalten übereinstimmen sowie alle Stakeholder-Perspektiven Berücksichtigung finden. Dahinter wird allerdings schamhaft verborgen, dass lediglich gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse geliefert werden sollen, um die Anpassung der ausführenden Subkulturen an die vom Management gewollte Hauptunternehmensberatungskultur zu verbessern und diese einzufrieren. Diese wird ja mit der für das Unternehmen notwendigen Hauptkultur (Corporate Identity oder Wir-Gefühl) gleichgesetzt. Welche Antworten dabei zu erwarten sind, darüber gibt z.B. eine empirische Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Auskunft (nach: Hüchtemann, Lenske 1992, S. 8).

7.3 Unternehmenskultur: Vom Ist zum Soll

255

Die aktuelle IST-Unternehmenskultur ist die dominante Hauptkultur, die das Management repräsentiert: ungeachtet möglicher, wie auch immer störender Subkulturen z.B. in Beratungsprojekten. Als erfolgreich gilt nur solche, die folgende beliebigen und unverbindlichen Merkmale aufweist (Faulstich 1995, S. 11): • • • • •

Grundkonsens, Beteiligungstraditionen, Führungspersönlichkeiten, Konfliktlösungen, Gestaltungschancen.

Eine gemeinsame dominante IST-Unternehmenshauptkultur (Selbstverständnis, Arbeitsweise, Werte) im Sozialverband Unternehmen bildet sich heraus, wenn die Werte und Normen der Organisationssubkulturen und die des jeweiligen Managements in etwa deckungsgleich geworden sind. Dann entsteht eine eigene unverwechselbare Corporate Identity als ‚kollektive Persönlichkeit mit eigenem Gesicht‘. Sie ist das jeweilige Ergebnis des Zusammenwirkens der individuellen Identitäten der Organisationsmitglieder, das sie so gemeinsam teilen. Sie wirkt wie ein kollektives Sinn-Programm für den Zusammenhalt im Unternehmen, d.h. sie ist sozialer Klebstoff für die konstante Wiedererkennung, Akzeptanz und das Vertrauen untereinander. Die bestehende Unternehmenshauptkultur ist selten bewusst nach einem SOLL geplant, so dass z.B. reputationsförderliche Ethik-Konzepte in den Geschäftsprozessen, d.h. Beratungsprojekten, kulturell verankert werden könnten. Meist entsteht sie quasi naturwüchsig entlang wirksamer Wertorientierungen in einem langatmigen Veränderungsprozess. Die IST-Kultur lässt sich wie auch die SOLL-Kultur schlecht messen. Nach einer der neusten Studien (Leitl, Sackmann 2010, S. 36 ff., zusammen mit der Kienbaum Unternehmensberatung) sollen ein Drittel der Elemente von Unternehmenskultur den Finanzerfolg beeinflussen. Voraussetzung ist die Umsetzung von Leitbildern, wovon die befragten Führungskräfte ausgehen (Selbstbild). Die Fremdbildeinschätzungen weichen davon oft ab. Mitarbeiter wurden wohl wieder einmal nicht befragt, sie können und dürfen ja auch externe Berater nicht beauftragen. Zwar produzieren Unternehmen Kulturen nicht wie Sach- oder Dienstleistungsgüter. Dennoch existieren sie und entfalten als unsichtbare soziale Tatsache ihre positiven wie negativen Wirkungen hinter dem Rücken der Akteure. Viele deutsche Unternehmen sind eher technokratisch oder erfolgsorientiert-materialistisch ausgerichtet. Unternehmenskulturen setzen weniger auf Mitarbeiterorientierung (IAO, Jahresbericht 1994), auf Zugeständnisse an „individuelle Selbstentfaltung und Würde“ und auf den hierarchieübergreifenden Dialog als auf die Delegation ohne echte Verantwortung und die fachlich-technische Kompetenz des Einzelnen. Management-Entscheidungen richten sich eher nach den Prinzipien der Auslese, Mutation bzw. Konkurrenz- und Leistungsfähigkeit der Starken, Gesunden, Reichen, Durchsetzungsfähigen aus, so dass nur Leistung Glück schafft. Die Ökonomisierung der menschlichen Beziehungen, der Kooperation und Kommunikation dominiert. Menschliche Leistungen in Unternehmen werden ausschließlich nach dem Marktwert bemessen, so dass die Beschäftigten „zum gesichtslosen Lieferanten der Ressource Arbeit“ verkümmern können (Giudici 1999, S. 7). Der Wettbewerb forciert aggressive Unternehmenskulturen in Verbindung mit einer bloßen Imagebildung und Kosmetik für einen ,Krieg ohne Kugeln‘, wie z.B. Slogans „Management

256

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

by walking around (HP)“ oder „Kill Procter & Gamble“ (Kaos), „Schlagt Matsushita, was immer passiert“ (Sony), „der Gesellschafter ist König“ (Hanson), „Mach die Pyramide platt“ (SAS) belegen.

7.3.3

SOLL-Kultur

Unternehmenskulturen prägt meist noch nicht das Prinzip der Ausschöpfung der Potentiale aller Menschen im Unternehmen, sondern ihr hierarchischer Zuschnitt. Auch authentisches Identitätsmanagement, auf das Unternehmenskultur oft reduziert wird, ist nur insofern positiv einzuschätzen, als es sich vom aggressiven Marketing wegbewegt hat. Allerdings erschöpft es sich heute meist in der Handhabung personenbezogener Daten, von Berechtigungen und Zugriffsrechten (vgl. identity layer im Rahmen von social software für das Web 2.0). Beispiele für das marketingrelevante Identitätsmanagement sind das der RWE Solutions AG oder von Projekten bei T-Systems, ABB und der mittelständischen Unternehmensgruppe UNGER AG (vgl. auch Ketchup, Trendbüro – Beratungsunternehmen für gesellschaftlichen Wandel GmbH). Mit Blick auf den Erfolg des japanischen, neuerdings des chinesischen Wertesystems wird eine Unternehmenskultur zu einem Wettbewerbsvorteil, die konsequent auch auf eine ‚productivity through people‘ setzt und für Innovationen offen ist: • Materiell: Kapitalbeteiligung, Erfolgsbeteiligung, sonstiger Erfolg wie Aktienoptionen • Immateriell: Kooperative Ausrichtung, Beteiligungsorientierung wie gesetzliche Mitbestimmung, freiwillige Partizipation, echtes Empowerment. In den Blick gerät so auch zwangsläufig die Verkleinerung der unwürdigen Schere zwischen ‚Kopf- und Handarbeit‘. Der konfliktreiche Changemanagement-Projektzusammenhang bei der Kromschröder AG war über ca. zehn Jahre hinweg ein Beleg für die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit führender und ausführender Akteure (Hesseler 1999). Nicht nur in diesem Unternehmen können folgende Restriktionen die erforderliche Transformation der jeweiligen Unternehmens-IST-Kultur in eine kooperative SOLL-Unternehmenskultur blockieren: • • • • • •

Situationsabhängige kurzfristig angelegte Business-Erfolgskonzepte Globaler Wettbewerb, Zusammenarbeit und Kommunikation Austauschbarkeit von Menschen sowie von Menschen und Sachen Hinnahme von Sachzwängen Überhang einer maßgeschneiderten Produktion Favorisierung von zielgruppenspezifischem Marketing ohne flächendeckende Dienstleistungsqualität (Service-Engineering).

Die Herausbildung einer gemeinsamen neuen dominanten Unternehmenshauptkultur (SOLL), wobei auch das Kräfteverhältnis zwischen Teilkulturen hineinwirkt, hängt von folgendem Maßnahmekomplex ab: • Klar funktionierende und von möglichst vielen Organisationsmitgliedern geteilte Wertemuster, um in unsicheren, ungewissen und unregelbaren Situationen erfolgreich handeln zu können

7.3 Unternehmenskultur: Vom Ist zum Soll • • • • • • • • • • • • • • •

257

Optimierung der Kommunikations- und Informationsflüsse durch einheitliche Werte Beschleunigung der Entscheidungs- und Problemlösungsprozesse Entstehung von Kompromissen aus Konflikten Vorhandensein einheitlicher Leitbilder zur Forcierung der erfolgreichen Umsetzung von Planungsergebnissen Reduktion des Aufwands für Fremdkontrolle Erleichterung der Identifikation mit dem Unternehmen, Verbesserung der Motivation und des Engagements Stabilisierung des Arbeitsverhaltens Vorbeugung von Isolationserscheinungen Bildung von Unternehmensidentität als eine wichtige Basis für Innovationen Partizipation der Unternehmensleitung für die Umsetzung neuer Ideen Innovative Instrumente und Verfahren für Projekte Verhinderung von Vermeidungshandlungen durch kritische Distanz zum Status quo Von der Unterordnung der Organisationsmitglieder unter Unternehmenskultur (Fremdsteuerung) zu ihrer selbstbestimmten Repräsentation Flexibilisierung von starken Kulturen durch Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit ‚Kulturelle Landkarten‘ in multinational agierenden Unternehmen und Konzernen für den Umgang mit fremden Kulturen (vgl. z.B. die USA-Tochter der schwedischen Firma L.M. Ericsson).

Das Dilemma dabei ist, dass die feste, für die meisten Organisationsmitglieder verbindlichen Werte- und Orientierungsmuster leicht in Konflikt mit den neuen innovativen Werten geraten können. Zur Vermeidung von unkontrollierbarem Chaos müssen sich dann die Kräfte, die die Stabilität fördern, und die Kräfte, die die Instabilität verstärken, in der Unternehmenskultur die Waage halten. Dies kann auch auf die Beratungsprojektkultur, die den Austauschprozess zweier Unternehmen umfasst, durchschlagen. Die Beratungsprojektarbeit ist nicht nur ein schlanker Wertschöpfungsprozess, sondern wechselseitiger soziokultureller Beeinflussungsprozess, den Wertekonflikte kennzeichnen. Wissensbedingte Machtasymmetrie kann zu ‚kulturellen‘ Abhängigkeiten und Benachteiligungen führen (Stichwort: fremdbestimmte Kultur eines ‚Eroberers‘ und subversive Überlebenskultur des ‚Verlierers‘). In „Familien“ wird auch gestritten, werden Konflikte offen ausgetragen oder unter den ‚kollektiven‘ Teppich gekehrt, wie die IST-Kulturen ungeschminkt zeigen. Eine nachhaltig kooperative Projektkultur, die auch auf die neugierige Erprobung als Voraussetzung ständiger Innovation setzt (vgl. dazu den früheren Vorstandsvorsitzende von Adidas, Pierre Dreyfuss; vgl. dagegen the German angst) hängt vom Wandel der hierarchischen Verteilung von Handlungskompetenz und -verantwortung im Rahmen selbstorganisierter, hierarchiearmer Geschäftsprozesse ab. Merkmale sind: • Echtes Wir-Gefühl: Gemeinsamkeit, Zugehörigkeit zum Unternehmen, Verständigungsund Konsensfähigkeit, Organisation ad personam • Gemeinsames Verbesserungsstreben ohne individuelle Schuldzuweisung sowie • Neue umfassenden ‚sozial-kulturelle Logik‘ für das ökonomische Überleben.

258

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

Eine kooperative Unternehmens- und Projektkultur, die dann auf Ebene sozialer Interaktion zur Grundlage eines moralischen Klimas als Kontext für Beratungsprojekte werden kann, bringt dies auf den Punkt:

Kooperative Beratungsprojektkultur Veränderungs- und Verbesserung: • Entwicklung/Aktivierung der Humanressourcen von Führungskräften und Mitarbeitern • Motivation zur/nachhaltige Optimierung von Teamarbeit und persönlichem Einsatz • Ablösung der statischen, nur mit Standards arbeitenden Macht- und Misstrauenskultur durch eine neue auf wechselseitiges Vertrauen gründende Fehlerkultur, dadurch – schonungsloses Zulassen von Fehlern und deren gemeinsame Reduktion, dafür – Förderung permanenten Lernens und Offenheit – unter Verzicht negativer Sanktionen (Abschieben, Schuldzuweisung und Vorwürfe) – Folge: Abbau kostenintensiver, oft zu später Kontrollen und Nacharbeit • Etablierung einer neuen teamorientierten „Erdmännchen-“Aufgabenkultur; – Organisation: (1) Handlungsspielräume für Eigenverantwortung, (2) dynamische Arbeitsteilung und (3) Job-Rotation (auch der Projektleitung) – neue Rollenkultur mit einem Mindestmaß an Ausführungsanweisungen/Kontrollen – Bewältigung von Konflikten aus individuumzentrierten Zwängen Konsequente Mitarbeiterorientierung: • Akzeptanz als gleichberechtigte Partner der Unternehmensführung und aktiver Träger zentraler Wertschöpfungsprozesse • Nachhaltige organisatorische Veränderungsorientierung für kalkuliertes Risiko • Persönlichkeitseigenschaften wie wechselseitige Toleranz, Kritikfähigkeit und Fehlersensibilität • Unter Wahrung sozialverträglicher/-verantwortlicher Lösungskonzepte nachhaltige Performanceverbesserung für individuelle und Gruppenergebnisse Optimale Kundenorientierung: • Bestimmung der Höhe des Mehrwerts durch den vom Kunden zahlbaren Preis • Wandel von einer schlauen Marketingstrategie zu einem integralen kulturellen Prinzip in sozialen gleichberechtigten Austauschbeziehungen • Kundennutzen im Mittelpunkt: z.B. Berücksichtigung kaufentscheidender Kundenbedürfnisse, passgenauer Lösungen, Reduktion der Änderungskosten von Produkt/Prozess • Folge: Reduktion des Aufwands in der Entwicklung von Beratungsdienstleistungen Konsequente Prozessorientierung und -optimierung: • Gemeinsame Neuorganisation/Koordination des eigentlichen Wertschöpfungsprozesses nach dem Prinzip der Beschaffung, Verarbeitung, Weitergabe der besten ‚Dienstleistungskomponenten‘ • Akzeptanz der wechselseitigen Verpflichtung und Abhängigkeit in Verbindung mit bereichsübergreifender Fehleraufdeckung an der Quelle, damit Beurteilung:

7.3 Unternehmenskultur: Vom Ist zum Soll

259

des Zeitaufwands zur Erreichung von Ergebnissen des tatsächlichen Ergebnisses der Arbeit • Sinnvolle Unterstützung der Projektgeschäftsprozessorganisation durch geeignete IuK – –

Handlung nach verständigungsorientierten ethischen Prinzipien: • Bewusste Verantwortungsübernahme des Managements gegenüber – dem internen Kunden (Stichwort: Beteiligung von Mitarbeitern) – dem externen Kunden (Klienten) – der Region (Stichwort: verkehrsberuhigte Zonen) – der Gesellschaft (Stichwort: positive Umwelteffekte) • Strategiewandel: – Ersatz von ‚machtspielorientierten‘ Taktiken durch tragfähige kooperative Strategien – Gewährleistung eines friedensstiftenden Machtgebrauchs (vgl. die soziale Ethik der Metro-Corporation): institutionelle Einbindung des erfolgsorientierten Handelns in individuum-/gruppenzentrierte Netzwerke • Vereinheitlichung des komplexen und aufwendigen Wildwuchses in der Moral: – Akzeptanz der sozialen Tatsache ausgeübter wirtschaftlicher, sozialer und politischer Macht als quasiöffentlicher Vorgang – keine Hinnahme des Einsatzes von Kapital und Arbeit in Unternehmungen als Privatangelegenheit weniger Kapitaleigner und Manager – Weiterentwicklung zum ausschließlich gesellschaftlich verantwortlichen Zweck der Leistungserstellung und -verwertung – eine Folge: Veränderung der Selektions- und Belohnungskriterien Tab. 40: Kooperative Beratungsprojektkultur

Über eine Unternehmenskultur verfügt jedes Unternehmen, ob es will oder nicht. Über eine Projektkultur verfügen projektorientierte Beratungsunternehmen. Zum Problem wird Kultur erst, wenn die Veränderungen der Wettbewerbssituation die grundlegende Erneuerung der Unternehmensstrukturen erzwingen. Dann wird sich auch die bestehende Unternehmenskultur verändern müssen. Praxiserfahrungen bestätigen, dass Hierarchieabbau und Verlagerung von Verantwortung an den Ort des Geschehens durchaus eine Steigerung der Leistungsfähigkeit der Organisation und Ausschöpfung von Verbesserungspotentialen bewirken können, die den Kunden erreichen. Inwieweit eine kooperative Kultur sich auf die Kooperation zwischen Beratungs- und Kundenunternehmen in Beratungsprojekten übertragen lässt, hängt auch davon ab, ob ein geeignetes Big Controlling eine schlanke Projektvertrauenskultur begleitet. Diese vertrauenswürdige Kontrollkultur müsste Ergebnis der Vereinbarung/Verhandlung freier und gleichberechtigter Mitglieder beider Unternehmen im Beratungsprojekt sein. Dabei müssen die Beteiligten den Abgleich SOLL–IST immer wieder neu vornehmen, um ggf. umsteuern zu können.

260

7.4

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

Leitbildprozess

Das globale Wirtschaften hat über die interkulturelle Problematik Unternehmenskultur als soziale Tatsache eindrücklich in das Bewusstsein gebracht und drängt zur Umsetzung.

7.4.1

Zur Einordnung

Unternehmen definieren und praktizieren Leitbilder ganz unterschiedlich. Alle bleiben aber Ergebnis unbestimmter Reflexions-, Kommunikations- und Aushandlungsprozesse der Beteiligten, die nicht einem sequentiellen Ablauf folgen, sondern viele iterative Schleifen durchlaufen müssen. Statt ‚intuitiver Prozessberatung‘ empfiehlt sich zur Initiierung der Grunderneuerung ein professionelles Veränderungsprojekt, das alle erforderlichen Schritte über einen Zeitraum von 6 bis 24 Monaten hinweg mit Projekt- und Teammanagementmethoden plant, durchführt und steuert (siehe Hesseler 2002b, 2004). Leitbildprozesse, die auf Selbstorganisations- und Lernpotentialen vertrauen und bauen, sichern das Überleben in globalen Wertschöpfungsprozessen ab. Grundlage dafür sind ethische, d.h. an der „Ressource Mensch“ und sozialer Verantwortung ausgerichtete Leitwerte für: • Die vertrauensvolle Zusammenarbeit im global vernetzten Geschäftsalltag • Eine neue kulturelle Identität mit Gemeinschaftssinn und • Nachhaltiges Innovationsverhalten (Flexibilität). Diese bewirken einen sicheren Umgang mit Wert- und Interessenkonflikten. Der kann von den externen und internen Kunden, Shareholdern und Stakeholdern, Führungskräften und Mitarbeitern sowie Kooperationspartnern als fair angenommen werden sowie den guten Ruf des Unternehmens mehren: • Ergebnis einer maroden Unternehmenskultur und damit auch der mangelhaften Verankerung von sozial verantwortlichen Wertorientierungen im Management (u.a. nach Arthur Levitt, ehemaliger Chairman der Security and Exchange Commission (SEC), VDINachrichten vom 05.07.02): Skandale, kriminelle Machenschaften, aber auch fehlende Seriosität, Ehrlichkeit, Fairness und Professionalität • Nachgewiesener positiver Zusammenhang zwischen einer sozial-verantwortlichen Unternehmenskultur und marktgerechtem Innovationsverhalten. Voraussetzungen der Etablierung echter Leitbildprozesse über Controlling und Zahlenkosmetik hinaus sind daher folgende (siehe auch PWC 2000/2001): • Verantwortung ethisch begründeter Leitbildprozesse durch eine breite Mehrheit • Mit Hilfe operativ verbindlicher Leitlinien für die Zielerreichung (Ethik-Programm als Kompass) Transformation der neuen Leitbilder zu „living papers“ • Entwicklung von Führungskräften und Mitarbeitern zu veränderungsfähigen und veränderungsbereiten ‚professionals‘ und Persönlichkeiten • Erkennen des Nutzens des Leitbildprozesses durch alle Beteiligten, insofern dieser ‚kulturelle‘ Veränderungsprozess selbst evolutionär und unter Beteiligung aller Betroffenen abläuft.

7.4 Leitbildprozess

261

Gegenstand des Veränderungsprojekts

Leitbildprozess (1) Verständigung/ Beteiligung (Wer), Erfassung IST-Situation

(2) Analyse/Bewertung der IST-UKKultur/mor. Klima

(3) Anforderungen an SOLL-Unternehmenskultur/mor. Klima (6) Veränderungsziele für schlanke Wissensorganisation (Was)

(4) (5) Mission (Warum); Visionen/ Leitbilder (Wohin)

W

(7) (8) Professionell-ethische Leitplanken für Umsetzung; Leitlinien

I

Kontrollierte Verankerung im Beratungsgeschäft

E

(9) (10) Schlanke Beratungsprojekte; professionell-ethische PE-/OEMaßnahmen.

Legende: UK = Unternehmenskultur PE = Personalentwicklung OE = Organisationsentwicklung

Abb. 27: Übersicht Leitbildprozess für Veränderungen (Bausteine)

Erfolgreiche Leitbildprozesse hängen dabei von Folgendem ab: • Nutzung von Informationsquellen (Kennzahlen) • Ergänzung der aus Sicht des Managements ausschließlichen Ausrichtung an den Mitarbeitern durch eine Kundenorientierung • Keine Verzögerung des Starts des Veränderungsprozesses • Nachweis der Umsetzung von Leitbildern im Geschäftsalltag. Konzepte lassen allerdings weitgehend offen, ob und inwieweit erst das moralische Klima als Sozialisationsmedium auf interaktiver Ebene eine nachhaltige Basis für die Verankerung der Handlungsmaximen einer Beratungsethik in Beratungsprojekten ist.

7.4.2

Ethische Perspektive

Was bedeutet dies für sozial verantwortungsvolles Handeln in Beratungsprojekten, wenn man davon ausgeht, dass der Unternehmensauftrag im Schnittfeld von Gestalten, Leisten und Verhalten den Kern der Auftragskultur ausmacht (siehe den Fall des Gerling-Konzerns)?:

262

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

• Das Hierarchiedilemma der Beratungsprojektarbeit: – Scheitern der Realisierung eines Wandels in Richtung ethischer Verbesserung der Projektmoral, wenn in Beratungsprojekten ausschließlich das Prinzip der Koordination durch Hierarchie gilt – Anforderung an permanente kontinuierliche Veränderungen im Projektteam und damit an seine Selbstorganisation/-koordination • Widersprüche in der Arbeit und Karriere einzelner Berater: – kein Fortkommen mehr auf verbindlichen ausgetretenen Berufspfaden, um gemeinsamen Erfolg zu haben – stattdessen Entwicklung eines General-Positioning-Systems, um zu lernen, sich ständig auf fremden Territorien zu bewegen • Hilfsmittel sind oder werden dem Trend nach: – Projektmanagement – dosierte Anwendung individual- und sozialpsychologischen Know-hows – darauf abgestimmtes prophylaktisch-antizipatorisches Personalmanagement, gerade in KMU (die DGFP Deutsche Gesellschaft für Personalführung betreut sie kaum), auch – zusammen mit dem Rechnungswesen und Controlling – endlich für das Projektgeschäft – Maßnahmen: (1) zur geschlossenen Verbindung individualistisch-persönlicher Grundwerte ohne Egoismus mit solchen des Gemeinsinns in einer Gemeinschaft, (2) unter Rückgriff auf ‚critical skills‘ wie z.B. emotionale Intelligenz und Integrität, Offenheit, Verantwortung, Zivilcourage, vereinfachtes Vorgehen, Vertrauen, Gestaltung, Sinnvermittlung, ökonomische Nutzung von Energiequellen, Erzeugung von Synergieeffekten, angstfreie Vermittlung von Zukunft etc. In diesem Rahmen bilden ethisch begründete Handlungskompetenzen einen Ausweg aus der Konfliktsituation zwischen einer individuellen Erfolgsorientierung nach Eigeninteresse und einem humanzentrierten Gemeinsinn:

Ethische Kompetenzen für kooperative Unternehmenskultur A: Ausgangssituation • Defizite moralischer Grundwerte: – Pluralismus: keine verbindliche Wahrheit, Beliebigkeit, Konfusion – Mobilität: kein verbindlicher Standort, Flucht, Oberflächlichkeit – Anonymität: kein verbindliches Gegenüber, Selbstwertverlust, Depression – Individualismus: keine verbindliche Autorität, Egoismus, Realitätsverlust • Sozialer Druck in der Belegschaft: – schnelllebige Zeit: Zunahme benötigter Zeit für Komplexität, Abnahme zulässiger Zeit dafür – wachsender Leistungsdruck bei unterqualifizierten Schönwetterkapitänen unten und Hasardeuren oben – Suche nach zu einfachen Lösungen – deformierte Persönlichkeitsprofile (Entfremdung)

7.4 Leitbildprozess

263

B: Anforderungen an ‚moralisch‘ begründetes Handeln: • Bekämpfung der Orientierungslosigkeit: – Fähigkeit, positive Gefühle zu zeigen – sich mehr um andere sorgen – über eigene Probleme nachdenken – Suche und Entwicklung tragfähiger Freundschaften – persönlich wichtige Fragen mit persönlichen Antworten zusammenführen – Ablösung des Berufsverständnisses vom bloßen Funktionieren – Streben nach Geistkapital (vor allem emotionale Intelligenz) als Ressource – Lebensplanung – Beratung dafür • Erforderliche Persönlichkeitseigenschaften: – Sozialkompetenz ohne Manipulation – keine ausschließliche Beschäftigung nur mit sich selbst, sondern eine friedvollproduktive mit anderen – sich als wertvoll akzeptieren (sich nicht beweisen müssen, Kritik annehmen ohne zurückzuschlagen) – wahrhaftige partnerschaftliche Nächstenliebe als kollegiale Energie – keine Zukunftsangst: mehr Kraft für kreative Gestaltung, keine Verdrängung von Zukunft, Energie für Gestaltung Tab. 41: Ethische Kompetenzen für Beratungsprojekte

Entsprechend der kollektiven oder kontextualistischen Rahmenbedingungen lassen sich daraus mögliche Anforderungen aus Sicht von Gemeinsinn und Gemeinschaftlichkeit im Vergleich zum reinen Individualismus finden:

Anforderungen an Maximen klugen Gemeinsinns und Gemeinschaftlichkeit für Beratungsprojekte Beteiligung: • Rahmen: – Beteiligung der ausführend Beschäftigten an der Aufstellung gemeinsamer Spielregeln, Belohnungen und Sanktionen – Sicherstellung der Ergebnisverantwortung auf Basis der funktionsbezogenen Übereinstimmung von Zuständigkeit und Verantwortung • Hingabe an ein gemeinsames Ziel • Einigkeit unter den Beteiligten • Effektives Kommunikationssystem unter Einbezug der Betroffenen (kommunikative Rationalität) • Auch ‚moralisch‘ motivierter Konsens, d.h.: – Verpflichtung der gesamten Organisation hinsichtlich der ethischen Grundprinzipien für das gemeinsame Tun

264

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen –

danach Geltung und Befolgung übergeordneter Maßstäbe der Vernunft (Ethik), die nicht einfach aus den praktizierten Normen (Moral) abgeleitet werden

Perspektivenwandel: • Aufgabe der Ideologie der rein kompensatorischen Gewinnverwendung • stattdessen die persönliche, öffentlich kontrollierte Selbstverpflichtung, die sich nicht in Compliance erschöpft Kreative Erschaffung der Zukunft: • Nutzung ethischer Spielräume in der Geld- und Wettbewerbswirtschaft • Grundsatz: „Sollen impliziert Können“ Verantwortung: • Zurückgabe der Verantwortung für das Produkt und den Prozess an Mitarbeiter • Basis: wechselseitige Selbstverpflichtung unter horizontal Gleichen in echten, d.h. hierarchiefreien Arbeitsgruppen Antizipation positiver Folgen: • Bessere Identifikation mit der Arbeit und erhöhter Einsatz • Steigerung der Effektivität und Effizienz durch Qualifizierungs- und Motivierungsmaßnahmen • Förderung von Eigenverantwortung und Kreativität durch Job Enrichment • Einblick in neue Arbeitsfelder durch Job Rotation • Ständige Verbesserung als Unternehmer für interne und externe Kunden • Optimale Ergebnissicherung und Herstellung von Harmonie ohne Ausgrenzung der Leistungsschwachen in Arbeitsgruppen Vertrauen: • Entstehung wechselseitigen Vertrauens im Rahmen von Unternehmensleitung: engere Verbindung zwischen Leben und Vorleben des Managements sowie Arbeitsplatzgarantie • Kein Ausweichmanöver wie beim technikzentrierten und wenig humanzentrierten Business Reengineering • • • •

Macht: Verständigung über positiven Machtansatz Ein sozial verantwortlicher Umgang mit Macht, d.h. Abgabe echter Machtchancen top-down (Selbstorganisation/-koordination) Keine Symbolik wie die Einrichtung von KVP-Parkplätzen als Belohnung

• • • •

Ehrlichkeit Offenheit Selbstvertrauen und Zivilcourage

,Tugenden‘ als Persönlichkeitsprofil:

Tab. 42: Anforderungen an klugen Gemeinsinn und Gemeinschaftlichkeit

7.4 Leitbildprozess

265

An Kohlberg angelehnte Überlegungen zur moralischen Entwicklung geben mögliche Hinweise für kulturelle Veränderungen bis auf die Ebene des moralischen Klimas in Beratungsprojekten: 1. Punishment-Obedience-Orientation: Ausrichtung an Regeln und Autoritäten, Einhaltung der Regeln aus Angst vor Strafe 2. Personal-Reward-Orientation: andere Menschen sind von Bedeutung, wenn sie langfristig nutzen, oder eine Hand wäscht die andere (Handelsmentalität) 3. Good-Boy-Orientation: der Handelnde möchte den Erwartungen des Gegenübers entsprechen und sucht nach Anerkennung über Regeleinhaltung 4. Society-Orientation: Ausrichtung am Funktionieren der Gesellschaft, weil sie einem selbst nützt 5. Social-Contract-Orientation: Existenz von grundlegenden Werten, die nicht zur Disposition stehen dürfen (z.B. Freiheit), sowie Akzeptanz anderer Werte, solange sie nicht den Grundwerten widersprechen 6. Universal-Ethical-Principles-Orientation: auf Basis einer breiten Kenntnis universeller Prinzipien und Reflexion der Auswahl nach eigenem Standpunkt Ausrichtung an selbst gewählten Prinzipien. Welche dieser Prinzipien in der Beratungspraxis einzeln, mit welcher Gewichtung und kombiniert gelten, hängt von dem jeweiligen empirisch feststellbaren moralischen Klima ab. Dabei existieren zwei Optionen, zwischen denen moralische Dilemmata oder Zwänge aus ethischer Sicht entstehen können: • Kein konsequent ethischer Standpunkt: Dominanz der Strategie, sich ausschließlich eigene Vorteile zu sichern: – der andere als Mittel zum Zweck – Tue, was Dir nützt, es muss nicht für das Ganze sinnvoll sein. • Konsequent ethischer Standpunkt: Weg von den moralischen Standpunkten Einzelner und ihrer additiven Zusammenschau zur allgemeinen ethischen Perspektive vom sozialen Ganzen her (meist ausgespart in der allgemeinen und Unternehmensethik), alte ‚Weisheiten‘ dazu: – ‚Was Du nicht willst, dass man Dir tut, das füg’ auch keinen anderen zu‘ (Goldene Regel im Volksmund) oder „Alles, was ihr für euch von den Menschen erwartet, das tut ihnen auch“ (Bibel, Matthäus 7, 12). – „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie allgemeines Gesetz werde“ (Kant in seiner Metaphysik der Sitten). – Beispiel: Verhaltenskodex des Internet-Auktionshauses Ebay: ‚Wir fordern jeden dazu auf, sich anderen gegenüber so zu verhalten, wie er von ihnen behandelt werden möchte.‘

7.4.3

Handlungsmaximen und Grundsätze

Handlungsmaximen (Grundwerte und Leitlinien) wirken als ethische Basiswerte für das Zusammenleben und Zusammenarbeiten im Unternehmen und Projekten. Zu nennen sind z.B. Integrität, Fairness, Leistungswille, Verantwortung. Zentrale Frage ist, wie sich die –

266

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

das Unternehmen bildenden und es ausmachenden Menschen – verhalten sollen und welche Leitlinien dafür gelten. Bei der Beantwortung der Frage müssen heute ökonomische, ökologische, soziale und – gerade im Zuge der aktuellen Finanzkrise – politisch-öffentliche Erfordernisse gleichrangig erfüllt werden. Dabei kommt es auch zu einer neuen Interpretation des globalen Markt- und Wettbewerbsdrucks. Welche Werte sollen nun gelten, d.h. wie lassen sie sich auf Grundlage des Selbstverständnisses und der Visionen des Unternehmens strategisch bewerten und in Grundwerte und Leitlinien gießen? Es muss ja ein Rahmen für das Beratungsgeschäft und diese tragende Persönlichkeiten im Schnittfeld sozialer Rollen und Aufgabenhandelns entstehen, um den Unternehmenswert zu steigern (Nutzenaspekt). Dies kann in einer Art Präambel mit Bezug auf das konkrete Unternehmen stehen: • Selbstverständnis: – den („unseren“) Stakeholdern und Shareholdern als Menschen weltweit mit „unseren Produkten und Dienstleistungen“ Nutzen bringen – dabei erfolgreich wirtschaften und damit Gewinn machen (wird in Präambeln oft schamhaft verschwiegen) • Mission: – 10 Jahre „unser“ leistungsfähigster Anbieter im globalen Wettbewerb: mit hohem Beliebtheitsgrad bei Kunden und anderen Partnern, hoher Rendite des eingesetzten Kapitals, Kernkompetenzen, Chancenmanagement – der Branche X, d.h. hier Unternehmensberatung – basierend auf offenzulegenden Zielen als Grundlage strategischer Entscheidungen, deren Erreichung die Schaffung des gemeinsamen (Führungskräfte und Mitarbeiter) Erfolgs bedeutet • Grundwerte (Wertorientierungen): – Beschreibung der Einstellungen des Unternehmens („unsere Einstellungen“) sowie – der Art und Weise, wie Ziele erreicht werden („wir erreichen wollen“). • Vision: – Rahmen für Entscheidungen und Handlungen – Orientierung bis auf operative Ebene – Input für („unsere“) Unternehmenskultur. • Leitlinien: konkrete Beschreibung, wie die Beteiligten im Arbeitsalltag handeln („Wie wir handeln wollen“). Zum einen kann aber in derartigen Präambeln „wir“ die Erzeugung einer Kollektivität unter ungleichen Partnern bedeuten, wenn sie das Management, die Führungskräften im Unternehmensinteresse zum eigenen Vorteil erzeugt. Damit wird echte Partizipation im Rahmen hierarchischer Bestandswahrung reduziert und fremdbestimmt bleiben. Dies wird nicht wirklich begründet, sondern im Rahmen eines bestimmten Menschenbildes als gegeben proklamiert und unten in der Hierarchie wie ein Naturzustand hingenommen: obwohl dort die eigentliche Arbeit stattfindet. Das war und ist auch der Hintergrund für Lean Management, um durch die Schaffung hierarchiearmer Strukturen (Selbstorganisation/-koordination) bis auf die oberste Ebene Organisationskosten einzusparen und die Effektivität zu steigern. In

7.4 Leitbildprozess

267

der Praxis kam es dazu meist nicht, weil Lean Management auf Lean Production reduziert wurde. Zudem wurde Lean Management zu schnell durch Rationalisierungskonzepte wie Business Reengineering, das ohne Menschen auskommt, abgelöst. Zum anderen will das Management einen hohen Anspruch erfüllen, auch wenn dies unter gegebenen Rahmenbedingungen immer schwer sein dürfte. Es fühlt sich dazu verpflichtet, selbstgesetzte Standards zu erfüllen und das Ansehen (Reputation) des Unternehmens zu mehren. Damit die Mitarbeiter mitziehen, muss das Management Macht abgeben und geeignete Anreizsysteme zur Motivation schaffen. Ist dies mit dem individuellen Interesse des Managements vereinbar? In diesem Rahmen sind Handlungsmaximen als Richtschnur für eine SOLL-Unternehmenskultur vorstellbar (siehe Service 4.4), die mit den faktisch praktizierten Denk- und Verhaltensgewohnheiten abzustimmen sind (IST-Unternehmenskultur). Die Trennung der individualethischen und institutionenethischen Perspektiven sowie die Auffassung von Ethik-Kodizes als Bestandteil der letzteren bildet eine Barriere für die Umsetzung der Grundsätze: • Festschreibung eines sozialen Ungleichgewichts und Störung der Balance zwischen Leistung und Gegenleistung • Vage Legalisierung • Weitgehendes Offenlassen von Fragen zur moralischen Rechtfertigung nach sozialen Gerechtigkeitskriterien. Die einzelnen Unternehmens-/Projektmitglieder schaffen sich ihre ethischen Beratungsgrundsätze und den institutionellen Rahmen für ihr ethisch legitimierbares Handeln (in Abstimmung mit bestehenden Gesetzen) selbst. Alle Beteiligten sind gleichberechtigte Partner und haben gleiche Rechte und Pflichten bezogen auf die beauftragte und vertraglich geregelte Erstellung der Beratungsleistung (Prozess, Endergebnis) und die Verantwortung für die Folgen der Verwendung/Anwendung. Die in Service 4.4 aufgeführten ethischen Beratungsleitlinien (Beratungsgrundsätze) sind von daher gesehen mit dem Ziel „ich will/wir wollen“ zu empfehlen. Für die Umsetzung von Ethik-Grundsätzen gilt insbesondere Folgendes: Normen sind nicht dadurch konkretisiert, dass sie nach Themenstruktur und formaler Gestaltung (Talaulicar 2006) gesammelt werden. Es geht um mehr: • Klare Unterscheidung in der Regelbasierung – zwischen konkreten Geboten und – der Steuerung durch Prinzipien, die gebieten, sich im breiten Anwendungsbereich ideal konstruierten Zuständen anzunähern • Ihre Mischung in bestimmten homogenen Problemsituationen sowie • Schaffen einer Unternehmens-/Projektkultur und eines konkreten moralischen Klimas (Bezug: morality) als zentralem Implementierungskonzept ,mit zwei gegensätzlichen Alternativen‘:

268

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

nur Implementierung bestehender Unternehmensethik durch Kodizes im Rahmen einer Misstrauenskultur, die die hierarchische Verfasstheit des Unternehmens als naturgegeben hinnimmt – darüber hinausweisende Implementierung echten Lean Managements mit hierarchiearmen Strukturen, Machtabgabe nach unten, Partizipation der das Unternehmen bildenden und aktiv tragenden Menschen, teamartiger Organisation, Persönlichkeitsentwicklung aller und einer vertrauensorientierten Kooperationskultur für die Lösung moralischer Probleme in Beruf und Unternehmensberatung mit Hilfe ethischer Konzepte (codes) • Klärung und Beurteilung des Zusammenwirkens: – Zusammenhang der kodifizierungsbezogenen Normierungsstrategien, der übergeordneten Ethisierungsstrategie des Unternehmens (Projekte) und der unterschwellig ablaufenden Ethisierungsprozesse sowie – Bewertung danach, ob gängige, vom Management verantwortete Ethik-Konzepte vor allem dem Marketing und der Imagepflege dienen oder echte partizipative Elemente enthalten. –

7.5

Moralisches Beratungsprojektklima

7.5.1

Sozialer Kontext

Der Begriff moralisches Klima ist aus dem naturwissenschaftlichen Bereich und/oder dem Alltagsleben entlehnt. Bildhafte Vereinfachungen und Psychologismen – verdeckt durch eine statistische Korrelationsjonglistik – sind daher an der Tagesordnung. Naturwissenschaftliche Definitionen lassen sich schlecht auf Unternehmen oder Projekte übertragen (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Klima). Eine wirtschaftlich orientierte Klimatologie, in der Mensch oder Menschen den zentralen ‚Klimafaktor‘ darstellen, gibt es also nicht. Ein Modell dafür könnte eine Auffassung von den Menschen sein (das Soziale), die gleichzeitig als nicht wechselseitig aufeinander reduzierbare Einzelmenschen und interdependente Individuen in Beziehungen (z.B. Gruppen) oder Bindungen zu anderen Menschen in einer Umgebung agieren. Insofern wird wirtschaftliches Handeln Teil des sozialen Zusammenseins in bestimmten Konstellationen (Elias 1939/1992, 1970, Hesseler 2004, Korte, Hesseler, Leinenbach 1982) wie z.B. Unternehmen als Figurationen. Diese sind soziale dynamische Netzwerke oder Beziehungsflechtwerke oder Gemeinschaften. Bausteine dieses handlungsanleitenden Referenzmodells sind folgende: • Bildung des „Unternehmens als Figuration“ durch Menschen: gleichzeitig als Individuen und in ihren Beziehungen insgesamt (Definition von Sozial = „die Menschen im Plural“), die miteinander verflochten, aufeinander angewiesen und voneinander abhängig sind • Organisierte Zusammenarbeit der Menschen unter der verteilten Verwendung ihres Wissens, ihrer Wertvorstellungen, Erfahrungen, ihrer Qualifikationen/Kompetenzen, ihrer ganzen Person in Unternehmen:

7.5 Moralisches Beratungsprojektklima

269

Repräsentation der ‚Organisation‘ im jeweiligen individuellen Bewusstsein als Ordnungsmuster, das der übergreifenden kollektiven Koordinierung sozialen Handelns dient – Vereinbarung/Aushandeln situationsangemessener normativer Regeln für ihre „Interdependenzen“ durch die beteiligten Menschen und ihre praktische Erprobung – Verinnerlichung von Moral oder Sitte (soziale Normen) als emotionales Band, wobei die Moral für soziale Persönlichkeiten auch monopolisiert werden kann • Mehr Möglichkeiten einer Gruppe von Menschen (das Management/Eigentümer/Unternehmer), ihre Interessen durchzusetzen: – in diesem Rahmen (Struktur, Prozess) Machtchancen, sich einzubringen oder eigene Interessen in Spielsituationen durchzusetzen (Stichwort: oligopole Spielmodelle) – Vorgaben von Ordnungsregeln an ausführende Gruppen, die diese akzeptieren müssen • Annahmen: – evolutionäre Veränderung von Machtbalancen als notwendige Struktureigentümlichkeit des Sozialen und/oder – Schaffung sozialer Ausgleichmaßnahmen • In Abhängigkeit von Beharrungs-, Wandlungstendenzen und Strukturzwängen Selbstentwicklung oder Reproduktion der Menschen: – selbstorganisiertes und geregeltes Erlernen und Anwendung von Werten/Wissen/Fähigkeiten in ihrer Zusammenarbeit und Kommunikation – gemeinsame Entwicklung und/oder Nutzung technischer Systeme zur Unterstützung ihrer Zusammenarbeit und zur Problemlösung. –

Von daher gesehen belegen praktische Erfahrungen (Brinkmann 2005), dass ein in einer sozialen Gruppe (z.B. Beratungsprojektteam) wirtschaftender Akteur anders handelt als allein. Moralisch integer und professionell arbeitende Personen lernen sich auf Dauer an eine unmoralisch und schludrig arbeitende Umgebung anzupassen und können sogar gegenteiliges Verhalten zeigen. Umgekehrt können moralisch nicht integer und unprofessionell arbeitende Individuen in einer moralisch und professionell exzellenten Umgebung nach einer gewissen Übergangszeit ihr Verhalten ins Gegenteil verkehren. Allgemeine und Unternehmensethiken ignorieren diese soziale Tatsache und beschäftigen sich – dem methodologischen Individualismus folgend – bis auf die Ebene des Unternehmens als Pseudo-Subjekt nur mit dem individuellen Verhalten („actor bias“-Sicht). Würden sie sich mit den real handelnden Menschen und ihren Interdependenzen beschäftigen, würden sie erkennen, dass „social system-level and moral climate factors often are more important than micro-level an personality factors“ (Brinkmann 2005, S. 1). Erst dieser alternative Denkansatz öffnet einen unverdinglichten Zugang zur morality und moral climate im Geschäftsalltag von Beratungs- und Kundenunternehmen oder Beratungsprojekten im Rahmen einer geeigneten Unternehmenskultur. Dadurch kann möglicherweise auch die Überlappung zwischen business ethics und CSR aufgenommen und verarbeitet werden: „Ethics [Unterstreichung anstatt kursiv, M.H.] most often refers to a domain of inquiry, a discipline, in which matters of right and wrong, good and evil, virtue and vice, are systematically examined. Morality, by contrast, is most often used to refer not to a discipline but to patterns of thought and action that are actually operative in

270

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

everyday life. In this sense, morality is what the discipline of ethics is about. And so business morality is what business ethics is about“ (Goodpaster 1992, S. 111). „Corporate social responsibility refers to an organization’s obligation to maximize its positive impact on stakeholders […] and to minimize its negative impact. There are four kinds of social responsibility: legal, ethical, economic and philanthropic […]“ (Ferrell et al. 2002, S. 73). Die kulturelle Verankerung von ethisch reflektierter sozial-verantwortlicher Moral erhält so als normiertes Spielmodell im moralischen Klima von Beratungsprojekten mehr gestalterisches und koordinierendes Gewicht.

7.5.2

Sozialisationskonzept moralisches Klima

Das Interesse der deutschen soziologischen Erforschung des Betriebsklimas ist wegen des Überhangs subjektiver Vorstellungen und der konfusen Begriffsbildung verflogen. Vielleicht ist das betriebliche Intrigenspiel bis zum Mobbing noch ein dankenswerter Untersuchungsgegenstand (vgl. Meschkutat, Stackelbeck, Langenhoff 2002). Das Interesse an der Erforschung des Organisationsklimas z.B. durch amerikanische Psychologen reicht in die 1930er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück, während die der Unternehmenskultur erst in den 1980er Jahre begann, und dagegen Bestand hat (siehe Service 4.4). Dabei steht m.E. immer noch die Analyse der Auswirkungen des jeweiligen Führungsstils auf die Arbeitszufriedenheit im Vordergrund. Dabei ist auch von Bedeutung, dass wohl Führungskompetenzen und Führungsstil zu 70 % der Varianz und vermittelt über das Organisations-/Arbeitsklima zu 30 % der Varianz den Geschäftserfolg beeinflussen (siehe den „Global Pulse Survey“ (GPS)/ „Employee Satisfaction Index“ (ESI) von IBM, www.skolamed.de/hot/hot2008/v_traut.pdfI). Empirische Befunde aus interdisziplinärer Sicht deuten darauf hin, dass die moralische Atmosphäre (moralisches Klima) einer Gruppe oder Institution sehr entscheidend für die Herausbildung von moralischen Überzeugungen (Verpflichtungen) auf einer operativen Ebene ist: • Für die moralische Urteilsbildung in der ontogenetischen Entwicklung und • In der moralischen Werteerziehung. Die moralische Atmosphäre stellt neben der moralischen Urteilskompetenz auf individueller Ebene eine zweite notwendige Bedingung für moralisch legitimierbare Handlungen auf interaktiver Ebene dar. Moralpsychologisch ausgerichtete Entwicklungsansätze, die das Verhalten einzelner zu sozialen Kollektiven hoch aggregieren, trennen allerdings emotionale von kognitiven Prozessen. Dabei erfolgt eine Konzentration auf leicht handhabbare kognitive moralische Dimensionen wie Empathie, Schuld, moralisches Urteilen unter Ausklammerung emotionaler moralischer Erfahrungen oder Deutungsmuster. Diese einseitige Vorgehensweise begünstigt zudem bei der Erfassung der Struktur des moralischen Urteilens eher hypothetische Dilemmata als wirklichen Zwangssituationen des Lebens zu verwenden. So geht die Bedeutung des subjektiven Erlebens eines moralischen Konfliktes für den moralischen Urteilsprozess, der zuallererst jene kognitiven Strukturen hervorbringt, verloren. Offensichtlich sind moralisches Urteilen und moralisches Verhalten nicht unabhängig voneinander. Daher bestimmt auch die motivationelle Einbettung des moralischen Urteilens im mora-

7.5 Moralisches Beratungsprojektklima

271

lischen Klima, ob und in welchem Ausmaß dieser Zusammenhang verhaltenswirksam oder handlungsrelevant wird (Schreiner 1983). Folgt man den Überlegungen von Wimalasiri, Pavri, Jalil (1996, Schein folgend), die allerdings noch managerlastig sind, bleibt eine wichtige Erkenntnis haften: Moralische Wertesysteme werden nicht einmal erworben oder entwickelt und dann unabhängig von den aktuellen sozialen Beziehungen und Situationen angewandt. Übertragen auf Beratungsprojekte, bedeutet dies, dass die professionellen Rollen der Projektbeteiligten erst noch situationsspezifisch definiert werden. Erst daraus ergeben sich: • Die primären Handlungsverantwortlichkeiten der beteiligten Projektakteure • Die Konfliktsituationen, in denen voneinander abweichenden moralischen Wertvorstellungen nach Rang, Position im Arbeitsgefüge, Alter, Berufserfahrung, • Die moralischen Verantwortlichkeiten entstehen • Das Know-how über moralische Dilemmata/Zwangssituationen • Die Verhaltenstypen in terms of the client relationship involved. Konzepte zum moralischen Klima (Ideale, Werte) bewegen sich nach dem Eisberg-Kommunikations-Modell auf informeller Ebene, vielleicht nach der Pareto-Verteilung: (1) 20 % sichtbarer formeller Teil, (2) 80 % unsichtbarer informeller Teil. Prinzipien, Kodizes, Politiken, Gesetze können vielleicht eine Vermittlung zur formalen Ebene leisten. Offensichtlich existieren schon messbare Konzepte des moralischen Klimas, wenn auch eine Verobjektivierung schwer fällt. So definieren z.B. Wimbusch, Shepard (1994, S. 636, nach Brinkmann 2005, S. 1) – abgeleitet von einer Arbeitsklimadefinition – moralisches Klima als „stable psychologically meaningful shared perceptions employees hold concerning ethical procedures and policies exsisting in their organizations.“ Das Konzept moralisches Klima ist „a wide umbrella term for a profession’s normative socialization environment“. Das Konzept soll den Vorteil eines ganzheitlichen Ansatzes bieten, der – entsprechend operationalisiert – die kombinierte ‚Messung‘ qualitativer und quantitativer Daten ermöglichen soll. Unter dieser Voraussetzung besteht sein Vorteil in Folgendem: „Moral climates can prevent and handle moral conflict and can be learned by newcomers together with rules and roles. Climates are more or less dependent on and interact with ethical codes. Role players produce and reproduce moral climates. Many moral conflicts can be understood as role conflicts, codes describe role rights and duties, etc“ (Brinkmann 2005, S. 3). Nach einer ultimativen Werteposition sollen die Projektakteure nur das tun, was für ihr Unternehmen gut ist. Das Konzept des moralischen Klimas ermöglicht die Entdeckung anderer wichtiger moralischer Werte. Man kann dabei z.B. vom vermeintlich unmoralischen Verhalten ausgehen: • Herausfinden, was bei dem dafür Verantwortlichen vorgeht (Stichwort: Gewissen), der davon unfairerweise profitiert, und • Herausfinden, was bei dem Betroffenen geschieht, der unfairerweise darunter leidet • Beispiel: das Gewissen eines Personalverantwortlichen in einem Beratungsunternehmen, der einen fachlich hervorragenden und beim Klienten anerkannten Projektberater feuert, weil er entweder Zivilcourage gezeigt hat oder sein Abbau die Rendite des Beratungsunternehmens verbessert

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

Ethic Approach

Level

A Macro

B Meso (local) organization rules and procedures

1 Deontolology (principle)

laws and professional codes

2 Utilitarism (benevolence)

social responsibility

team interest

efficiency

organization profit

1 Egoism

C Micro

moral maturity?

272

personal morality

friendship

self-interest

social interaction/ sozialization

soulsearching e.

h i g e r

qualityseeking e. regulated ethos membersonly ethos advantagedriven e. fear-ridden ethos

l o w e r

Organizational ethical climate types Abb. 28: Typen von moralischem Klima (nach Brinkmann 2005)

• Mögliche Zwangssituation für Berater: – Erkennen, dass manche Manager Ungehorsam gegenüber dem unmoralischen Erfolgshandeln unter globalen Wettbewerbsbedingungen als Gefahr ansehen – Erkennen, dass die ‚Mehrheit‘ der Betroffenen dieses Verhalten als unmoralisch empfindet. Das Konzept kann auch Nachteile mit sich bringen: • Individualisierung moralischer Werte/Normen • Verwässerung durch die unterschwellige Annahme eines Wertekonsensus • Doppeldeutigkeit mancher gewählter und behandelter Dimensionen (z.B. Selbstinteresse oder Instrumentarismus versus persönliche Moral). Wenn man dies in den Griff bekommt, bietet das Konzept eine Gestaltungsgrundlage. Die in Beratungssituationen interagierenden Rollen-Spieler werden durch moralische, mit ethischen ,Codes‘ zusammenhängende typische Klimata als Sozialisationsmedia beeinflusst. In diesem Rahmen gehen die Akteure mit moralischen Konflikten unterschiedlich um, so dass sich der Grad der Reife der morality von Unternehmen/Projekten in einem organisatorischen Kontinuum von amoralisch, legalistisch, verantwortlich bis Ethik erzeugend und entwickelnd bewegen kann (Reidenbach, Robin 1991, Snell 1993, 2000, Snell u.a. 1999). Dies müssten auch

7.5 Moralisches Beratungsprojektklima

273

Sozio-ökonomische, soziokulturelle, Gesetzes- und natürliche Umgebung.

Moralisches Klima prüfen Berufsund Geschäftspraxis

Moralische Konflikte

ggf. berufliche Kodizes

gehandhabt von

prüfen

vermitteln & regulieren Moralisch relevantes Verhalten

ergänzen, produzieren, reproduzieren

vermitteln & regulieren

Berufsrollen Mehr oder weniger rollenfreie, individualpsychologische Umgebung Abb. 29: Idealtypisches Design des moralischen Klimas

Instrumente zur Erfassung des kooperativen moralischen Projektklimas berücksichtigen, sofern sie sich nicht Projektmanagement als Koordination durch Hierarchie unterwerfen und so der Projektleiter nur bedingt zum Team zählt. Brinkmann (2005) hat einen typologischen Weg gesucht, der eine Brücke zwischen Theorie und Empirie baut. Dabei kann die Landeskultur als gefilterte Unternehmenskultur angesehen werden. An dieser Stelle ist nur das Untersuchungsdesign von Interesse, das sich für die Analyse und Gestaltung in Beratungsunternehmen und Beratungsprojekten verallgemeinern lässt (siehe vorstehende Abb. 29). Die Ergebnisse der empirischen Studien von Brinkmann, die zur Gewinnung einer Prozessperspektive noch durch qualitative Metaanalysen ergänzt werden müssen (z.B. Umgang der Medien mit dem Thema, Gruppendiskussionen über Stärken und Schwächen, Vergleiche der Reputation), gibt Service 4.4 wieder.

274

7.5.3

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

Zentrale Dimensionen eines moralischen Klimas

Professionell-ethisches Basiskonzept Insofern sich Beratungsprojektteams an Gleichheit als ethischem Prinzip ausrichten, ist es ratsam, die aktuellen Probleme im situativen Beratungshandeln aufzugreifen und sich ggf. daran anzupassen. Unter Beteiligung aller Projektmitglieder aufseiten des Beratungs- und Klientenunternehmens entwickelt sich das Ethikkonzept in und für ein Beratungsprojekt evolutionär. Richtige Anwendung heißt nicht nur, formale Bedingungen zu erfüllen oder Regeln einzuhalten; denn die Konzeptumsetzung ist zunächst als Situation wirksam, als Organisationsbedingung. Als Instrument formt dieses sich selbst erst bei seiner Anwendung wie ein sich selbst organisierendes lernendes System und wächst schrittweise, also evolutionär: • Herausbildung klarer Zielsetzungen im Beratungsprojektverlauf • Verlust des Charakters des Diffusen in der ethischen Ausrichtung der Aufgaben • Sichabwenden der Projektbeteiligten von fertigen Hand- und Rezeptbüchern für Ethik und Konzentration auf das „doing“ • Entwicklung ethischer Handlungsspielräume durch die Befreiung von den Zwängen der Hierarchie und des Managements. Handlungskompetenzen für Projektmanagement vorausgesetzt, bilden sich – darin eingelagert – moralische Kompetenzen im Beratungsprozess heraus oder verfestigen sich. Zumindest die begleitende ethische Aktivierung und Verbesserung moralischen Beratungshandelns ist dafür erforderlich. Die Anwendung von Ethik-Konzepten im Beratungsprojektmanagement erfordert wegen möglicher Widerstände Rückgrat. Unter Kritik der bestehenden opportunistischen Projektkultur (Moral) und der Vermeidung von moralischer Prinzipienreiterei soll ein ethisch richtiges, wahrhaftiges, kluges Projektgeschäft entstehen. Indem moralische Prinzipien in eine kluge Taktik je nach Gelegenheit eingehen, wird zukunftsgerichtetes Projekthandeln zum Ausdruck einer angemessenen ethischen Geisteshaltung. Indem Ethik und Taktik, Ethik und Situation im Projektgeschäft zusammenfallen, wird es zum maßvollen sozial verantwortlichen Handeln. Quelle ist dabei die Wertegemeinschaft auf beiden Seiten, wie sie in der konkreten Situation für die Erstellung einer Beratungsleistung zum Tragen kommt: • Im Rahmen eines moralischen Orientierungsrahmens gemeinsame Definition ethischer Werte für die Zusammenarbeit • Bei Bedarf Setzung neuer Werte, dabei • Vermittlung zwischen Interessen und Herstellung eines Erfolgsbezug • Schaffung von Werteidentität und Verantwortung. Dabei besteht folgender Problemzusammenhang: • Quantifizierbarkeit und Beeinflussbarkeit des Werts des Unternehmens, z.B. als Börsenwert einer AG (Aktienkurs × Aktienzahl) • Keine Quantifizierbarkeit moralischer/ethischer Werte von Unternehmen als finanzwirtschaftliche Kenngrößen und ihre ungewisse Beeinflussbarkeit • Folge: als substantielles Gerüst von Ethik-Kodizes (Moraldokumenten) schlecht beschreibbarer Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Erfolg

7.5 Moralisches Beratungsprojektklima

275

• Lösungsversuch: Einbettung als Beratungsgrundsätze in eine Unternehmensstrategie: für eine neue Arbeitsmoral als Gemisch von Geld-, Spaß-, Zeit-, Sinn- und Status-Arbeit im Rahmen einer ,Freizeit‘-Arbeitsethik von Selbstständigen/Freiberuflern/Unternehmern (siehe z.B. Opaschowski 1993). In dieser Form stellen schriftlich formulierte Berufs- oder Beratungsgrundsätze ein einzulösendes Versprechen dar. Worauf ist zu achten? • Akzeptieren die Projektakteure die Werte? • Finden die Projektmitglieder ihre eigenen Wünsche und Visionen in den Unternehmensvisionen wieder? Suchen sie nach Resonanz? • Erleben sie Zielkonflikte? • Bestimmen die Werte, wie die Projektmitglieder aus dem Beratungsunternehmen ihre Aufgaben erfüllen und dabei die Klienten einbeziehen? • Wirkt die Übereinstimmung mit den Werten auf den Kunden schon überzeugend, auch wenn dieser direkt im Projekt involviert ist und nicht nur informiert wird? Läuft ein offenes Spiel ab? Oder findet ein Theaterstück auf der Bühne ,Projekt‘ wie hinter einem geschlossenen Vorhang statt? • Kennt der Kunde die Werte des Beratungsunternehmens überhaupt und welche insbesondere? Wie kommen sie bei ihm an? Kann er echte von unechten unterscheiden? Welche vertritt er selbst? • Was kann das Beratungsunternehmen tun, damit sich Intransparenz verbessert, was das Kundenunternehmen, um sich Klarheit zu verschaffen? • Wie kann die veränderliche Projektmoral in eine immer wieder überprüfte und beständige ethische Grundhaltung überführt werden, so dass sich auch noch in Krisen Fragen nach dem soll ich/soll ich nicht für die beteiligten Individuen und Unternehmen beantworten lassen? Wertebereich Leistung und Arbeit Beratung verlangt im Sinne von Kundennähe exzellente Leistungen. Diese kennzeichnet ein innovatives Alleinstellungsmerkmal, Performance-Getriebenheit auf dem Markt, Qualität und Integrität. Ziele sind Selbstverpflichtung der Projektmitglieder im Geiste der Sache „Projektgeschäft“ sowie persönliche Eigenschaften wie Überzeugungskraft, Lernwilligkeit, Innovationsbereitschaft, Berechenbarkeit. Arbeit ist die Lebens- und Handlungsgrundlage für Leistung, aber auch Persönlichkeitsbildung. Wegen der arbeitsteiligen Leistungserstellung in Beratungsprojekten geht allerdings das Bewusstsein vom Lebensbezug des eigenen Werks oft verloren und damit der Beitrag der eigenen Arbeit für den wirtschaftlichen Erfolg und die Gesellschaft. Dabei wird die Motivation, Qualität zu erzeugen, zur ernst zu nehmenden Handlungsnorm für die Projekttätigkeit während des gesamten Projektverlaufs. Dabei darf auch der wechselseitige Zusammenhang zwischen Berufs- und Privatleben nicht ausgeklammert werden. Identifikationsförderlich wirkt die vollbrachte Leistung, das Werk, mit diversen Zwischenschritten zum endgültigen Ergebnis. Bleibendes zu schaffen setzt voraus, im Rahmen der Arbeitsteilung im Projekt selbstbe-

276

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

stimmt Regeln zu vereinbaren und zielorientiert anzuwenden. Erst die Identifikation mit dem eigenen Produkt schafft Sinn und Freiheit. Das Problem bleibt, eine objektivierbare konstruktive Sachlichkeit zu erreichen, um nachhaltig subjektiven Arbeitsschwankungen entgegenzuwirken. Die Leistungsmoral (Werte, Normen als veränderliche Grundhaltung) umfasst Nutzen, Leistungsbereitschaft, Kompetenz und Innovationsorientierung im Sinne der Verbindung von nachhaltigem Erfolg und Dienst am Kunden, wofür die einzelnen Projektmitglieder ihren Beitrag leisten. Worauf ist zu achten? • • • • •

Schlagen sich Zielkonflikte negativ in der Projektarbeit nieder? Können die Projektmitglieder dies untereinander im Projektteam klären? Steht dies im Zusammenhang mit dem bewussten beruflichen Rollenhandeln im Projekt? Verändert sich dieses, muss es zukünftig angepasst werden? Wie sollen sich Individuen – und damit Unternehmen – am Markt behaupten, welche ethischen Werte sind dabei wichtig?

Macht, Interesse, Maß Ausdruck von Verantwortung ist das rechte Maß, dass mit egomanem Machtstreben und v.a. Machtmissbrauch im Eigeninteresse unvereinbar ist. Beratungsprojekte, in denen sozial unausbalancierte Machtverhältnisse herrschen, sind nicht funktionsfähig. Eine Abkehr davon ist eine Voraussetzung dafür, dass jedes Projektmitglied nach Maßgabe der gegebenen Umstände und Auffassung als Person das erhält, was ihr zusteht. Werte wie Chancengleichheit, Gerechtigkeit, Transparenz, Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung, Zusammenwirken der Teile mit dem Ganzen sichern zu, dass das Maß nicht verloren geht. Macht kann ja ein Verlegenheitsmittel sein, wenn den Machtträgern nichts Besseres einfällt. Dann stufen sie die Machtbetroffenen automatisch als prinzipiell ‚schlecht‘ ein bzw. deren Verhalten als ‚falsch‘. Man kann zwar gespaltener Meinung dazu sein, ob Macht überhaupt ein effektives Mittel der ordnungsgemäßen Koordination der im Beratungsprojekt Handelnden sein kann. Projekte benötigen aber einen Ordnungsrahmen, von dem jedes Projektmitglied profitiert, aber innerhalb dessen er auch individuelle Verantwortung übernimmt, schafft oder erhält. Dazugehören dementsprechende Einstellungen zu Leistung, Arbeit, Macht und Maß, die sich nicht auf eine kleine Gruppe von Führungskräften oder die Projektleitung beschränkt. Demnach hängt der Erfolg von Beratungsprojekten auch von klaren Entscheidungen im Rahmen einer sinnvollen Arbeitsteilung ab. Gerade Beratungsprojekte sind durch Ungewissheit und Risiko gekennzeichnet, die unter Abwägung aller Einflussgrößen von allen Projektbeteiligten gemeinsam zu prüfen sind. Maßstab ist dabei die unternehmerische Aufgabenerfüllung auf beiden Seiten und wie sie sich in der Projektwirklichkeit manifestiert: unter Heranziehung der Ziele der Unternehmen und der Projektmitarbeiter nachvollziehbar und akzeptabel sowie verbindlich. Dafür ist Transparenz erforderlich, die aber in der Abwägung von Informationsbedürfnissen und -erwartungen ihre Grenze findet (vgl. die Vertraulichkeit, Geheimhaltung). Dabei ist die Bewertung des Projekterfolgs nach den ethischen Prinzipien der Gerechtigkeit, Fairness, Loyalität, Partnerschaft, Vertrauen insgesamt auch auf das übergeordnete Ganze zu transferieren: über die Beratungsprojekte in den beteiligten Unterneh-

7.5 Moralisches Beratungsprojektklima

277

men hinaus mit Blick auf gesellschaftliche Verantwortung und die Einhaltung von Gesetzen. So wird das Maß für Projekttätigkeit zur Angemessenheit für alle Ebenen. Es gelten daher für alle Projektbeteiligten (als Projektion der Unternehmenswerte) Macht ausgleichende und verbindende Kooperationswerte wie: • • • •

Loyalität unter Identifizierung der handlungsorientierten Transparenz Suche von Interessenausgleich trotz Unsicherheit Antizipierende Integration von Horizonten Teamgeist (Kooperationsbereitschaft) und Konfliktfähigkeit (d.h. Dissens nicht in Machtkämpfen eskalieren lassen) • Vor dem Ausbruch von ,Krieg‘ oder ‚gegenseitiger Vernichtung‘ Toleranz im Sinne von Ertragen des Andersseins • Offenheit bei der Beseitigung von Ratlosigkeit • Erreichen einer konsistenten Entscheidungshaltung (Integration verschiedener Entscheidungsaspekte). Worauf ist dabei zu achten? • Kann eine zu definierende relativ kleine Gruppe von Menschen im Projekt ihre Interessen der größeren Gruppe gegenüber besser durchsetzen und worauf basiert die Ausübung von Macht? • Sind erfolgsabhängige Verschiebungen der Machtbalancen erkennbar und mit welcher Wirkung? • Entscheiden Projektmitglieder schon wie Unternehmer? • Behalten sie das Ganze im Auge? • Werden gegenseitige Interessen unter Wahrung wechselseitiger Wertschätzung abgewogen? • Entscheiden sie gemeinsam unter Transparenz, wird dies an Informationen und Handeln sichtbar? • Vertreten sie die genannten Prinzipien aktiv und offen im Umgang mit anderen im Projekt? • Wie soll sich Zusammenarbeit gestalten? Operative Gemeinschaftlichkeit Die Arbeits- und Kommunikationsbeziehungen zwischen Berater und Klient in Projekten leben von folgenden Gemeinschaftswerten, die mit den übergeordneten Kooperationswerten korrespondieren: • • • • • • • • •

Interaktionsbereitschaft Kollegialität Kommunikationsbereitschaft und -wille gemeinsames Durchsetzungsstreben Akzeptanz eines Grundkonsens Reflexion über Störfaktoren und Flop-Potentiale Fairness Kritikbereitschaft Sensibilität

278

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

• Engagement auch bei ungewissem Ausgang • Gemeinsame Verarbeitung von Rückschlägen/Misserfolg (Solidarität) • Achtung vor der Menschenwürde, Mut und Autorität. Sicherheitsbedürfnisse und Misstrauen sind dagegen im Ergebnis kontraproduktiv. Folgen sind: • • • • • • • • • •

Bereichs- oder Inseldenken Rivalitäten Aufsplitterungstendenzen Überzogene Selbstprofilierung Dominanzstreben Hang zur Routine (Dienst nach Vorschrift) Harmonisierung von Konflikten Ausrichtung der Gruppenarbeit nach der geringsten Kompetenz Erdrückender Grad an Zusammenhalt unter Hintanstellung von individueller Autonomie Eine wenig förderliche Kommunikationsdichte und kritische Distanz der Beteiligten sowie Informationszurückhaltung oder Nicht-Handeln.

Verstärkend wirkt, dass ein Projektteam meist noch keine echte Arbeitsgruppe ist, zudem fremde Kräfte (Berater, Klient) zusammenwirken und daher Beratungsprojekte auf einer wackligen Vertrauensbasis im operativen Doing stehen. Ein verbesserter Umgang mit Fakten und mit den Schwächen anderer kann vielleicht Abhilfe schaffen. Voraussetzung ist eine ausgeprägte Achtung vor der Kompetenz und Person des anderen. Dieser Vertrauensvorschuss in Beratungsprojekten fördert eine starke Gemeinschaft, Innovationsgeist und die Ausschöpfung der qualitativen Leistungspotentiale. Ethik ist zwar auch eine Sache des individuellen Gewissens, aber kann weder im Alltagsgeschäft noch in Beratungsprojekten eine Privatsache sein. Dabei stellt sich die Frage, ob und inwieweit sich gegenseitige Wertschätzung im Kontext persönlicher Ethik mit dem notwendigen Leistungswettbewerb und Ehrgeiz im Sinne einer sanften Karrierehaltung vermitteln lässt. Worauf ist dabei zu achten? • Beruht nicht die Wertschätzung und Achtung auf einer besonderen Art von Gegenseitigkeit, da der Selbstwert erst über den Fremdwert zustande kommt? • Sind nicht Beratungsprojekte über Toleranz und Fairness hinaus durch ein aktives zielorientiertes Miteinander geprägt, das in gegenseitiger Wertschätzung und Vertrauen gründet? • Entwickelt sich die Wertschätzung nicht von der auf einzelne Verhaltensweisen, Handlungen, Eigenschaften gerichteten zu einer, die die gesamte Persönlichkeit im Kern umfasst? • Werden also die Spontaneität, Einmaligkeit, emotionale Befindlichkeit, Authentizität, individuellen Bedürfnisse, Einstellungen, Körpersprache, Wording von Personen als Wert anerkannt? • Warum behandelt dann das Personalmanagement die Menschen auf ausführender Ebene nur als frei disponible Masse, also nicht als Menschen mit eigener Persönlichkeit bzw. beschränkt die ethische Perspektive leistungsunabhängig auf die privilegierten Führungskräfte?

7.5 Moralisches Beratungsprojektklima

279

• Stört der Leistungswettbewerb das Geflecht persönlicher Wertschätzungen oder lässt jener sich dennoch konstruktiv und leistungsförderlich nutzen? • Wie können auf Basis der gemeinsamen Wertebasis seine destruktiven Aspekte für den Leistungswillen, die Effizienz und Kreativität erkannt und positiv in Verständigung und Identifikation mit der Sache umgeleitet werden? • Führt dies nicht unter Bedingungen von Hierarchie in Projekten zu einer Bevorteilung der Führungsgruppen? • Wie sollen also Menschen, die alle zusammen Unternehmen bilden und dort organisiert zusammenarbeiten, miteinander umgehen?

7.5.4

Ausgewählte Personalmanagementmaßnahmen zur Aktivierung moralischer Wertekompetenz

Im Vordergrund stehen die Wirkungen der Konfliktsituationen in der Beratung auf die Psyche des einzelnen Beraters und seiner Werthaltungen sowie die Rückwirkung individuellen Wertwandels auf die soziale Beratungssituation. Organisatorische Sozialisation zur Eingliederung und Bindung Dem intensiven Recruitment von qualifiziertem und entwicklungsfähigem Personal kommt große Bedeutung zu. Es tobt ein Kampf um die High Professionals, für den mehr oder weniger befriedigende Auswahlkriterien entwickelt werden. Allein aus datenschutzrechtlichen Gründen scheiden auch die direkte biografische Analyse oder indirekte über Bezugspersonen im Privatbereich aus. Völlig abwegig scheint es zu sein, im Vorfeld durch geeignete Personalauswahlmaßnahmen herausfinden zu wollen, ob ein Kandidat ethisch-moralisch geeignet für Unternehmensberatung ist. Es muss aber die Frage beantwortet werden, was die Analyse des komplexen Selbstkonzepts als Teil der Persönlichkeit des Kandidaten aus ethischer Perspektive für die Moralfähigkeit hergibt. Mit Hilfe von simulierten kritischen Ereignissen in Assessment-Centern kann nur der allgemeine Umgang mit Konfliktsituationen getestet werden, moralische Dilemmatasituationen sind nicht Gegenstand. Dazu muss man Folgendes wissen: • Die Vermittlung von Wissen und Entwicklung von Fähigkeiten im engeren Sinn reichen nicht aus. Die Werteanteile in den Kompetenzen (Verhaltensdispositionen) müssen aktiviert werden. • Werte sind nicht lernbar, sondern nur trainierbar. Dabei muss ein relativ unsicherer individueller Selbstorganisationsprozess von außen in Gang gesetzt werden. Mit Psychotherapie hat dies nichts zu tun. • Die klassische Personalentwicklung reicht nicht aus, da spezifisches individual- und sozialspsychologisches Know-how angewandt werden muss. • Maßnahmen werden für alle Beratergruppen wichtig, die von ihrer emotionalen und motivationalen Grundlage her eigentlich in den Bereich der Führungskräfteentwicklung gehören.

280

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

• Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, wird man angemessene Konzepte und Instrumente zur Auswahl und Potentialerkennung, die auch im Zusammenhang mit Entwicklungsmaßnahmen stehen, finden. Die Einstellungspraxis ist dagegen ernüchternd. Sie zeigt v.a., dass der Notendurchschnitt des universitären Absolventen maßgeblich ist. Ethik ist zudem kein Pflichtbereich im BWL-Studium. Es bleibt also die Beweiskraft der im Selbstmarketingverfahren erstellten Bewerbungsunterlagen. Es spricht viel dafür, dass in der Unternehmensberatung moralische Kompetenz auf einer relativ hohen Stufe noch kein Einstellungskriterium ist oder sogar der zweifelhafte Umgang mit Unmoral Erfolg versprechender erscheint. Mir ist jedenfalls kein Arbeitsvertrag bekannt, in dem auf explizite Ethik-Regeln Bezug genommen wird. Im negativen wie positiven Fall bleibt aber das Problem der Operationalisierung, z.B. zu Personalkennzahlen (vgl. Klingler 2009). Dabei kommt dem antizipatorischen Personalmanagement eine allgemeine Funktion zur Steuerung des Produktivkapitals zu, das vor allem aus dem Wissen der Berater in Form von Kenntnissen, Know-how, Erfahrungen, Potentialen besteht. Wie auch die relativ hohe Fluktuationsrate – meist nicht Krankenstand und Absentismusgrad – zeigt, kommt der Phase der Eingliederung noch wenig Beachtung zu. Hier einige Zahlen: • Nach Gottschall (1983): – neue Mitarbeiter insgesamt: 6 Mio. – davon schon ca. 40 % innerhalb des ersten Jahres ausgeschieden – selbst entschiedene Trennung jeder 3. Führungskraft von seinem Arbeitgeber innerhalb der Probezeit • Rate der Fluktuation als freiwilliger vorzeitiger Personalabgang und Desinvestition innerhalb der ersten sechs bis zwölf Monate: 30 bis 60 % (z.B. Fischer 1992). • Fluktuationskosten: je nach Qualifikationsstufe bis zu 100.000,– € pro Fall, bei Führungskräften mehr • Zusammensetzung nach Streim (1982) auf Basis der Kapitalwertmethode: – Minderleistung des Mitarbeiters – Anwerbung – Auswahl und Einstellung eines neuen Mitarbeiters sowie – Aufwendungen für dessen Einarbeitung • Seit den 1990 Jahren: kaum deutsche Veröffentlichungen zur Eingliederung/Einarbeitung. Dass gerade die großen Beratungsunternehmen mit hohen Personalfluktuationsraten kämpfen müssen (vgl. auch Deininger Unternehmensberatung GmbH, Personalberater, im Rahmen der Vereinbarung zur Beteiligung am Stammkapital im Ausscheidungsfall) deutet auf zweierlei hin: • Immer wieder neue Besetzung von Projektteams (Storbeck 2007), Folgen: – zu geringe Vertrautheit der Mitglieder untereinander, keine offene Gesprächskultur – Unsicherheit oder sogar Angst des Einzelnen als Erfolgsgift – kein gemeinsames Lernen und Performance • Bei der Mitarbeiterbindungsstrategie ein Missverhältnis zwischen vorhandenem Anreizsystem und dem Nutzen der Weiterbeschäftigung.

7.5 Moralisches Beratungsprojektklima

281

In diesem Zusammenhang ist gerade die – gegenüber der Phase der Einstellung – weit vernachlässigte organisatorische Sozialisation in der Phase der Eingliederung von Beratern wichtig. Meist übt das Beratungsunternehmen wenig bewussten Einfluss auf die eigenen Mitarbeiter in dieser Etablierungsphase zwischen ca. 22 und 28 Jahren aus, die durch neue Anforderungen, Werte/Normen, Unsicherheit, Rollenunklarheit und typische Fehler gekennzeichnet ist. Wenn Einfluss ausgeübt wird, dann zögerlich, unsystematisch und inkonsequent. Mangelnde Betreuung und Mentoring betrifft aber auch die darauf folgende Phase, in der manche Berater noch suchen und fragen. Die meisten machen per Learning by Doing Karriere (ab 33 oder ab 50), wobei es dann nur noch auf wechselseitige Akzeptanz ankommt. Gerade von Beratern wird Rolleninnovation verlangt (Moser 2004). Sozialisationstaktiken dürfen daher bei kreativer Wissensarbeit weder auf konformistische Wirkungen angelegt sein noch sich auf die Erfüllung vorgegebener Rollen oder Inhaltsinnovation beschränken: • Auf Konformismus zielende Sozialisationstaktiken (nach Hartmann 1979, S. 501): – formelle (Kontext: Einzelner getrennt von anderen) – kollektive (Gruppe als Kontext) – systematisch geordnete (kumulative Inhalte) – chronologisch unbestimmte (variable Inhalte) – nur auf die unternehmensinternen Anforderungen bezogene (serielle, ‚inzüchtige‘ soziale Aspekte) und – auf eher radikale Einstellungs- und Verhaltensänderung ausgerichtete (umerziehende soziale Aspekte) • Auf die gute Erfüllung von Rollen zielende formelle, kollektive, sequenzielle, variable, serielle, neu entwickelnde Sozialisationstaktiken • Auf Inhaltsinnovation zielende formale, kollektive, zufällige (gewürfelte), fixierte (kalendarische), disjunktive (weltoffene), sich weiterentwickelnde (bestätigende oder aufbauende) Sozialisationstaktiken • Auf Rolleninnovation zielende informelle (durch erfahrene Mentoren begleitet), individuelle (on-the-job), zufällige (Schritte nicht vorhersehbar, Veränderlichkeit), variable, disjunktive und weiterentwickelnde Sozialisationstaktiken, wobei zu positive Verstärkung oder Bequemlichkeit am Anfang traditionelle Rolleninterpretationen fördern können. Es bleiben folgende Fragen: • Können Berater in einem alternativen Kontext unter Konfliktdruck (Krise) Rolleninnovation erlernen und Rollen inhaltlich und sozial in der jeweiligen Beratungssituation ausbalancieren? • Können z.B. ein Integrity-Spiel und Schulungen (siehe KPMG 2006b, S. 17f.) moralische Dilemmatasituationen simulieren? • Sind bei Bedarf formelle Sozialisationstaktiken zur Gefahrenabwehr erforderlich? Die folgende Abbildung 30 dient der Übersicht (nach Moser 2004). Bisher orientiert sich Karriereplanung an der materiellen Existenzsicherung und materiellen Anreizsystemen in der Personalvergütung. Es gelten die typischen Karrieremuster mit ihren negativen Folgen des Up-or-out und Grow-and-go. Die Beratungsarbeit ist aber vor allem

282

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

Sozialisationstaktiken Formal: Hervorhebung der Rolle als Neuling in Sozialisation

Informell: Lernen innerhalb arbeitsalltäglichem u. sozialem Umfeld

Individuell: Sozialisation des Einzelnen

Kollektiv: Sozialisation in ‚Gruppen‘

Sequenziell: Sozialisation in identifizierbaren Stufen

Zufällig: Zufällige Sozialisation in der Übergangsphase

Fixiert: Bei Sozialisation Festlegung der Dauer eines bestimmten Schrittes

Variabel: Bei der Sozialisation keine genaue Angaben zum Übergangszeitplan

Seriell: Im Sozialisationsprozess Einstimmung von Neulingen auf ähnliche Rollen durch erfahrene Mitglieder

Diskunktiv: Im Sozialisationsprozess keine Verfügbarkeit von Vorgängern für Neulinge

Weiterentwickelnd: Anknüpfen des Sozialisationsprozesses an das, was die Person mitbringt

Neuentwickelnd: Infragestellung der anfänglichen Identität des Neulings durch Sozialisationsprozess

Eher in der Unternehmensberatung? Abb. 30: Mögliche Sozialisationstaktiken für die Eingliederung von Beratern

sinn- und identitätsförderlich und trägt zur Persönlichkeitsentwicklung bei. Dafür sind personenzentrierte Laufbahnregelungen, Personaltrainings zur Einarbeitung off-the-job und kontinuierliche Kompetenzentwicklung on-the-job sowie insbesondere ethisch reflektiertes moralisches Wertetraining erforderlich. Selbstkonzept: Moralischer Wertewandel über Konflikte Das Selbst drückt das selbstorganisisierte Wesen des Psychischen aus. Das Selbstkonzept bezieht sich auf die Invarianten psychischer Selbstorganisation in Form überdauernden Wissens und Überzeugungen einer Person. Trainingsrelevante, miteinander zusammenhängende Merkmale sind: • Autonomie- und sinnstiftende Selbstidentität (Grundwerte), die auch einen Schutz in Konflikt- und Krisensituationen bietet • Selbstreflexivität auf Basis des Bewusstseins dieser Identität, so dass das Selbst sich selbst analysieren kann (Selbstwertbestimmung) • Dafür Verbindung relativ überdauernder, miteinander in Beziehung stehender zentraler Persönlichkeitseigenschaften (Einstellungen) in einer Selbststruktur (Wertesystem)

7.5 Moralisches Beratungsprojektklima

283

• Gleichzeitig selbstdynamische Veränderungen von Eigenschaften und Verhaltensweisen, die sich – interiorisiert – als individueller Wertewandel zeigt. Auf die Diagnose der objektiven und subjektiven Ausgangssituation (z.B. von Werthaltungsdefiziten als Teil des Selbstkonzepts) kann hier nicht eingegangen werden. Trainingsziel ist jedenfalls die aktive Aneignung von Wertekompetenz, d.h. Entwicklung der Fähigkeit: • Den eigenen individuellen Wertewandel als Selbstkonzeptwandel zu managen • Auch im Vergleich Vorher–Nachher die Selbstmotivierung und gegenseitige Motivierung zu verbessern. Das Selbstkonzept enthält Wissen über das Selbst (Stärken, Schwächen) und von der Welt. Dies dient als Grundlage einer Identität und sinnstiftenden Werthaltung, die das Selbstwertgefühl umfasst und wie es seine soziale (Einzelne, Gruppe) und physische Umwelt emotional bewertet und welche Folgen dies für die Motivation hat. Trainings zielen also auf einen Motivationswandel, der weniger von Anreizsituationen als auf die Schubwirkung eines veränderten Selbstkonzepts setzt. Der Wandel individueller Werthaltungen ist zu erreichen: • Mit der Vermittlung fundierter Kenntnisse der moralischen Konflikte in der Beratungssituation: – Konflikte aus der Bearbeitung des Beratungsgegenstands – institutionelle Konflikte mit den beteiligten Unternehmen und dem Projektteam – Kommunikationskonflikte mit Kollegen, Gruppenmitgliedern, Vorgesetzten • Im Zuge der Intensivierung der Selbst- und Fremdwahrnehmung mit Hilfe der Vermittlung von Methodenwissen, wobei das Schwergewicht auf Blockaden im Rollenhandeln liegt • Mit der Förderung von Selbsterfahrungen und Mut, wobei sich das eigene Erleben in den anderen spiegelt • Mit Hilfe der Rekapitulierung der alten vergangenen Moral, der kritischen Prüfung der Gegenwart und des mentalen Durchspielens zukünftigen moralischen Handelns. Der Trainingsablauf in Ergebnisworkshops oder Gruppentrainings zielt auf Folgendes (vgl. den Idealablauf in Abb. 31): • Die individuelle Entwicklung von Fähigkeiten am Problem und • Die Entwicklung der Vermittlungsfähigkeit selbst durch die Lernorganisation. Dabei kann man dem folgen Begleiten können diesen Wandel der Bewertungsmuster die Förderung des Selbststeuerungspotentials und Entwicklung einer Selbstreferentalität im Projektteam. Die moralische Selbstreflexionsfähigkeit einzelner Projektteammitglieder ist die Voraussetzung für die Lernfähigkeit des sozialen Systems Projektteam. Katalysator kann dabei die kreative Fähigkeit sein, in Problemsituationen moralische Dilemmata zu erkennen, sich damit kritisch auseinanderzusetzen und sie konstruktiv (schöpferisch) zu bewältigen. Möglicherweise kann dies innovativ wirken. Dabei geht es nicht nur darum, die rationale, an Fachkompetenz gebundene Kreativität methodisch zu sichern, sondern vor allem um soziale Kreativität. Neue Moral soll ja innovatives Verhalten (individuell, in der Gruppe) fördern, so dass soziale Kreativität normbildend wird.

284

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

Bewertungs-/moralische Konflikte im Beratungsprojekt Fortschritt durch

ISTMoral

Aktuelle verinnerlichte Bewertungsmuster hinsichtlich des Umgangs mit moralischen Konflikten

Selbstkonzept/Sozialkompetenz Bearbeitung der Konflikte IST/SOLLMoral

SOLLMoral

Zukünftige verinnerlichte Bewertungsmuster hinsichtlich des Umgangs mit moralischen Konflikten

Grobe Schrittfolge des Konfliktlösungsprozesses 1. Erkennen der Nachwirkungen vergangener (latenter) Konflikte aus Lebensgeschichte/Beruf, Indikatoren: Spannungen z.B. mit Vorsetzten, Abwehrmechanismen wie Mitmachen wider besseren Gewissens 2. Beginn der Umorganisation des Selbstkonzepts durch Bearbeitung der Diskrepanz zwischen gefühlten und wahrgenommenen (kalten) Konflikten 3. Anwendung ethischer Prinzipien zur Entwicklung neuer personaler/sozialer Identität 4. Verfestigung durch Ansprechen/Benennung, so dass moralische Konflikte manifest werden 5. Anwendung der neuen moralischen Bewertungsmuster in der Beratungsarbeit, Instrumente: Formen der Konfliktregulierung wie Kompromisssuche 6. Festhalten der Veränderungen (Wirkungen) und ggf. Durchlaufen eines neuen Zyklus

Abb. 31: Prozedere der konfliktorientierten Werteerziehung

Wenn man allgemein Risiken Chancen nennt, ändert sich wenig. Mentale Selbststeuerung, wie auch immer durch Mentoren oder Coachs unterstützt, wird in moralischen Konflikt- oder sogar Krisensituationen nicht automatisch zu einem eingreifenden Denken in Bezug auf einen Gegenstand. Neues moralisches Handeln kann – positiv verinnerlicht – nur zu einem selbst organisierten schöpferischen Akt werden, wenn es selbst entdeckt und erlebt wird. Dann ist es ein sozialer Gewinn. Der neuen Sinn und Deutungen schaffende Beeinflussungsprozess für Selbstveränderung zielt auf Neugierde und Erprobung ab. In stressanfälligen Beratungsprojekten dürften Reflexionsräume dafür und Zeit, sie zu nutzen, selten sein. Meist sind Beratungsunternehmen keine vernetzt lernenden Systeme mit einer ‚laborähnlichen‘ kreativen Kultur für innovatives Handeln. Die Entwicklung oder Aktivierung moralischer Kompetenz im Dauerkonflikt zwischen Organisation und individuellen erwachsenen Beratern ist eine wichtige Basis, um konflikthaltige Veränderungsprozesse sensibel wahrnehmen, beurteilen sowie motiviert handhaben zu können. Im Rahmen einer auf Gleichheit angelegten Geschäftskultur (Fink, Knoblach 2003, S. 216f.) gelten dabei folgende am ethischen Leitbild der gerechten Gemeinschaft ausgerichtete Ziele der Prozessbegleitung für das Konfliktlernen in Beratungsprojekten:

7.5 Moralisches Beratungsprojektklima

285

• Anregung von moralischer Urteilsbildung am realen Beispiel, um den Zusammenhang zwischen Urteilen und Handeln zu verbessern und dabei gemeinsam Normen und Entscheidungsmacht teilen zu lernen • Unterstützung der Praktizierung der Rolleninterpretation und aktiven Rollenübernahme • Förderung der Überzeugung der eigenen Selbstwirksamkeit, um Veränderungen mittragen zu können • Unter kompetenter Begleitung Organisation des Lernprozesses, sich Mitverantwortung wechselseitig zutrauen zu können • Gemeinsames Erlernen von Gemeinsinn, Autonomie und gegenseitiger Unterstützung. Von zentraler Bedeutung – wenn auch meist vernachlässigt – ist dabei die Integration der Sichtweisen Weltbild, Mentalität, Einstellungen in die Maßnahmen (Erpenbeck, Weinberg 1993, S. 54):

Zu berücksichtigende Sichtweise als Anker für Lernen • •





• • • • • •

Weltbild: Objektivierte Sicht eines Subjekts, d.h. Einzelner Menschen, Gruppen, Schichten, Klassen, Völker etc. auf die Welt, zu der sie selbst gehören Menschenbild: Objektivierte Sicht/Vorstellungen von Menschen (einzelner oder Gruppen) in der Welt: – über sich selbst – über andere – über ihre gegenseitigen Beziehungen und ihre Stellung in der Welt Bestandteile: – Alltagserfahrungen – Wissen und Werte (wie auch immer wissenschaftlich oder philosophisch gestützte) – Weltbilder Mentalität: Objektivierte Sicht eines Beobachters auf das irreduzible Gefüge von Wissens- und Wertanteilen eines Subjekts als Produkt sozialhistorischer Entwicklung und individueller Sozialisation Inhalte: Werteanteile von Subjekten oder Individuen (Wertungen, Wertungsrichtungen, Wertungsarten) und implizite/explizite Wissensanteile sowie ihr Zusammenhang Abhängigkeit von sozialen, ökonomischen, historischen und kulturellen Bedingungen Einstellungen: Objektivierte Sicht eines Beobachters auf das hierarchische, reduzible Gefüge von Wertund Wissenskomponenten eines Subjekts Inhalte: hierarchisch angeordnete Wissens- und Werteanteile sowie ihr Zusammenhang Grundlegende Einstellungen: in Form von Wertorientierungen

Tab. 43: Berücksichtigung unterschiedlicher Sichtweisen in Ethikmaßnahmen

286

7 Professionell-ethische Umsetzungsmaßnahmen

Moralische Wertekompetenz in Beratungsprojekten kann nur gefördert werden, wenn Maßnahmen die o.g. Differenzierung bei der Selbstkonzeptentwicklung treffen (siehe auch Service 5.1). Die Feststellung der allgemeinen Tauglichkeit reicht demnach nicht aus. Die produktiven Leistungsziele sollen ja mit den zur persönlichen Zufriedenheit beitragenden Zielen so verknüpft werden, dass die Akteure individuelle Schwellenängste bei der Entwicklung von moralischer Kompetenz ohne innere Verletzungen und Kränkungen überstehen können. Schwierig dürfte es bleiben, einen sozialen Lernprozess in oder nahe von Beratungsprojekten zu organisieren, der auf die Entwicklung einer sozialverantwortlichen, innovationsfähigen und -bereiten Persönlichkeit zielt (vgl. z.B. die „European Academy of Corporate Social Responsibility“): • Die Freisetzung der für die selbstorganisierte Veränderung von Moral wichtigen Motivationen sowie produktiven (Organisator, Initiator, Datensammler, Förderer, Bewerter) und bewahrenden Rollenleistungen (Nachfolger, Moderator, Beschützer, „Dienender“) • Die Vorbeugung von Absentismus, Fluktuation, (psychischen) Erkrankungen, Frühverrentung aufgrund von Arbeitsunfähigkeit (z.B. infolge von Dauerstress) etc. Meines Erachtens dürfte es schwierig sein, über die kognitive Ebene hinaus ethische ‚Erziehungsmaßnahmen‘ durchführen zu wollen. Das Problem des Auseinanderklaffens von Einstellungen und Verhaltensweisen kann nur durch den Einbezug von Emotionen als komplexe Bewertungsysteme gelöst werden. Zudem treffen Maßnahmen auf eingeschliffenes moralisches Verhalten, gerade hinsichtlich von ‚Fehlern‘, so dass der Anspruch des Veroder Umlernens durch wiederholte Übung ins Leere laufen kann. Die moderne informelle Weiterbildung über eLearning oder Blended Learning – auch via Weblogs oder Blogs, Wikis und Podcasts im Zuge der social software im Rahmen von web 2.0 (Gamböck, Pichler 2006, S. 54 ff.; vgl. auch http://www.weiterbildungsblog.de/tag/weblogs/) – bewegt sich dagegen nur auf der Wissensebene. Professionell-ethische Maßnahmen für Beratungsprojekte und Empfehlungen, die die typischen moralischen Risiken in Beratungsprojekten steuern helfen (Kap. 4.3.3), liefert der umfassende Service 5., übergreifend und entlang dem Projektmanagement-Zyklus. Die folgende Abbildung 32 verdeutlicht die diesen Maßnahmen zugrunde liegende Systematik. Der Service 6. Informationen über Beratung, Aus- und Weiterbildung, Forschung zur Ethik ergänzt diese Systematik (siehe auch die weiteren Quellen im Service 7.).

7.5 Moralisches Beratungsprojektklima

287

Professionell-ethische Maßnahmen für Beratungsprojekte Objektiv vorgegebene Seite

Professionell-ethische Maßnahmen als KONTEXT (Input)

Identifizierbare typische Konfliktsituationen im Beratungsprozess:

Konfliktlösung als Potential

Moralische Risiken

Anfor derungen

Information über Veränderungen

Ver gleich

Verbesserte implizite Berufsmoral (Output) Ethisch integre Auftragsdurchführung

Verstehen und Verarbeitung der Information (Konfliktthema): ‚Bilanz‘ aus Erwartungen u. Anforderungen $ Bewertung $ Entscheidung: Neu-/Redefinition $ Reflexion

Transformation (Bündelung)

Persönliche Zufriedenheit

Ankerfunktion von explizitem Fach-/Methodenwissen

Abb. 32: Zur professionell-ethischen Verbesserung aktueller Moral

Subjektive Seite (Individuum, Gruppe)

Wert- und Wissensanteile sozialer Kompetenzen:

Moralische Kompetenzen im Projektteam

Kommunika tion u. Lernen Jeweilige Veränderung über Situationsneubewertung

8

Resümee und Aussichten

Angesichts der erkennbaren moralischen Risiken in der Beratungspraxis bis auf Projektebene ist die nachhaltige ethische Verbesserung der aktuellen Moral (Werte, Normen) im Rahmen einer geeigneten Unternehmenskultur wirtschaftlich existentiell. Dazu müssen ethische Leitbildprozesse für ein sozial verantwortliches und innovatives moralisches Klima der Zusammenarbeit in schlanken Strukturen etabliert sein. Dies leistet auch einen wichtigen Beitrag, um globale Wettbewerbsbedingungen flexibel zu beherrschen und um scheinbar auswegslose Krisen zu bewältigen. Die wirtschaftwissenschaftliche Theorie und Ausbildung sowie die Wirtschaftspraxis und auch die Politik sehen in der einseitig ökonomischen Instrumentalisierung durch institutionelle Arrangements einen Weg oder verwenden sie für eine weltanschauliche Legitimation von Missständen. Offensichtlich besitzen moralische und ethische Themen gerade an der Spitze hierarchisch geprägter Organisationen eine soziale Sprengkraft, weil die Beantwortung von Fragen nach dem richtigen oder falschen, guten oder schlechten, fairen oder unfairen, gerechten oder ungerechten moralischen Handeln angesichts der Dominanz des Gewinnstrebens Unbehagen auslöst. Wirtschaftswissenschaft beschäftigt sich zwar damit, bietet aber vor allem praxisferne, institutionell ausgerichtete Unternehmensethikkonzepte an. Ihre Theorien dienen als implizite Ethik zur Legitimation bestehender Machtverhältnisse in der Wirtschaft. Das Buch hat daher versucht, dies zu problematisieren und neben institutionellen Überlegungen auch individual- und berufsethische Aspekte bis hinein in die – im Mainstream weitgehend vernachlässigte – Beratungsprojektebene zu berücksichtigen. Offensichtlich sind aber die Chancen für Ethikmaßnahmen in KMU größer als in kapitalorientierten Unternehmen, die ohnehin größtenteils Kunden größerer Beratungsunternehmen sind. Deren Ethikmaßnahmen stehen oft auf tönernen Füßen, weil Beratung nicht berufsrechtlich geschützt ist und noch keinen empirisch klar beschreibbaren Beruf bezeichnet. Allgemein gewährleisten Gesetz und Recht – ohnehin lückenhaft – Legalität und nicht moralische Legitimität. Meist bleibt es wohl Aufgabe der publizistischen Medien, stellvertretend als „apostulus diaboli“ den Dialog über die starre Trennung zwischen Öffentlichem (Gemeinwohl) und Privatem (Gewinnorientierung) zu führen. Als Zukunftsperspektive bleibt Folgendes: • Unternehmensethik und Unternehmenskultur erfüllen wichtige soziale Funktionen nach innen, sofern sich in ihnen ein mehr oder weniger exaktes Wissen über alle (nicht nur Eigentümer/Manager) organisiert zusammenarbeitenden und das Unternehmen bildenden Menschen zeigen würde.

290

8 Resümee und Aussichten

• Unternehmensberatung kann sich nicht darauf beschränken, nur irgendwie einen Beitrag für eine dem Kunden „dienende“ Wertschöpfung zu leisten. Der Kunde hat zwar immer seinen Spaß, aber die Kellner oft nichts zu lachen. Es wäre daher ratsam, dass sich beide Partner in Beratungsprojekten an einen Tisch setzen. Dies kennzeichnet ja – trotz wechselseitiger Bedenken – das Erfolgspotential dieser Projektart. • Der komplexe Wirkungszusammenhang zwischen einer sozialen Verantwortungsethik sowie Innovationsfähigkeit und der Produktivität geleisteter Arbeitsstunden muss verstärkt zur Aufgabe zukünftiger angewandter Forschung werden. Das betrifft auch das Reputationsmanagement. • Der Initiierung, Etablierung und Stabilisierung eines geeigneten moralischen Projektklimas für Beratung kommt dabei eine besondere Aufgabe als ethisches Sozialisationsmedium zu, um die Berater- und Klientenrollen professionell und sozial-verantwortlich zu gestalten. Möglicherweise lässt sich so die Fluktuationsrate verbessern, sofern geeignete Beraterbindungsprogramme dies begleiten. • Partizipative Organisationsgestaltung für schlanke Beratungs- und Kundenunternehmen eröffnet allen Projektbeteiligten Spielräume für echte Mitwirkung und Mitentscheidung. Dies bedeutet einerseits „Machtabgabe nach unten“, andererseits die Fähigkeit/ Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme. Nur in diesem Rahmen kann die Kommunikation in Beratungsprojekten funktionieren. Meines Erachtens ist Beteiligung auf Dauer auf Sand gebaut, wenn sie top-down initiiert bleibt und das Personalmanagement materielle Anreize für die unteren Ränge dabei ausklammert.

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Stichwortverzeichnis Änderungs-/Dokumentationsmanagement 50, 80, 86 Allgemeine Ethik 2, 50, 80, 86, 127, 129… Akquisition 52, 81, 101, 199, 209 Banken- und Finanzkrise 66, 92, 102, 120, 140, 152, 156, 173, 207, 242 Beraterrollen 16, 19, 32, 38, 39, 220, 222, 226, 229 Beratung 2, 15, 17, 24, 77, 31, 39, 41, 58, 85, 73, 75, 99, 114, 200, 275, 286 Beratungsadressat 16, 23, 24, 25, 31, 36, 45, 59, 99, 191, 192, 193, 195, 201 Beratungsangebot 24, 26, 39, 42, 49, 65, 82, 88, 89, 199, 209 Beratungsauftrag 76, 82, 83, 114, 216 Beratungserfolg 19, 20, 21, 29, 36, 38, 42, 190, 191, 203, 210 Beratungsethik 1, 2, 19, 46, 77, 125, 144, 178, 261 Beratungsforschung 1, 16, 24, 25, 36, 200 Beratungsgrundsätze 76, 114, 184, 267, 275 Beratungskonzept 39, 40, 41, 45, 58, 71 Beratungskosten 191, 192, 201 Beratungsleistungen 23, 24, 25, 26, 28, 37, 43, 45, 51, 62, 71, 79, 85, 87, 89, 90, 98, 101, 102, 175, 181, 185, 190, 191, 195, 199 Beratungsmarketing 57, 82, 87, 116, 189 Beratungsmethoden 24, 44, 57, 200 Beratungsobjekt 16, 23, 30, 31, 32, 59, 111, 199 Beratungsorganisation 18, 23, 34, 37 Beratungsqualität 179, 189, 190, 191, 192, 197, 198, 199, 200, 201, 203 Beratungssystem 23, 36, 37, 146, 221

Beratungsträger 16, 20, 22, 23, 24, 25, 26, 31, 36, 44, 45, 59, 82, 99, 100, 191, 192, 193, 195, 201 Beratungsvertrag 52, 79, 83, 197, 206 Beruf 2, 17, 69, 70, 71, 72, 74, 75, 88, 125, 150, 178, 179, 183, 187 Berufsbezeichnung 88, 101, 180, 72, 73, 75 Berufsbild 7, 17, 61, 73, 74, 18, 73, 74, 75 Berufsgruppe 75, 189, 243, 254 Berufsrollen 180, 219, 222, 226, 234, 273 Berufsethik 2, 121, 163, 180, 181, 184, 185 Berufsmoral 180, 212, 287 Berufsrecht 180, 182, 183, 185, 187, 212, 289 Betriebswirtschaftslehre (BWL) 29, 61, 62, 63, 122, 141, 144, 145, 146, 149, 162, 164, 167, 172, 192, 251, 253, 254, 280 Change Management 17, 32, 38, 40, 42, 89 Compliance 105, 106, 107, 108, 109, 111, 113, 118, 119, 160, 219, 244, 246, 264 Consulting 2, 17, 18, 20, 29, 37, 58, 59, 61, 66, 77, 81, 180, 195, 197, 247, 249 Corporate Citizenship 117, 119, 204 Corporate Governance 102, 103, 104, 105, 109, 114, 117 Corporate Social Responsibility 1, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 270, 286 Dienstleistung 15, 16, 18, 23, 26, 30, 33, 34, 42, 43, 44, 45, 60, 71, 72, 73, 76, 86, 87, 89, 91, 100, 147, 179, 183, 188, 190, 191, 196, 197, 198, 199, 205, 209, 255, 256, 258, 259, 266 Diskursethik 4, 136, 141, 172, 218

316 Eingliederung 219, 248, 279, 280, 281, 182 Ethik 1, 2, 3, 4, 6, 7, 8, 11, 12, 22, 26, 42, 68, 70, 71, 75, 77, 88, 101, 108, 110, 111, 112, 114, 116, 120, 122, 125, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 138, 143, 146, 149, 152, 164, 165, 168, 170, 172, 176, 189, 204, 205, 219, 243, 246, 164, 272, 278, 280, 286, 288 Ethikberatung 58, 102 Ethik-Kodizes 70, 102, 212, 236, 267, 274 Ethikmanagement 22, 26, 33, 77, 103, 106, 107, 109, 110, 112, 113, 114, 119, 124, 181, 212 Ethik-Training 217 Ethische Kompetenz 143, 239, 262 Ethische Leitlinien 71, 80, 130 Ethos 2, 3, 4, 5, 6, 7, 116, 127, 131, 170, 334, 272 Experten(Fach)beratung 19, 28, 30, 39, 89, 220, 221 Fluktuation 28, 48, 280, 286, 290 Freiberufler 73, 75, 90, 94, 275 Gerechtigkeit 1, 8, 12, 55, 69, 121, 132, 136, 139, 140, 141, 142, 149, 150, 152, 154, 164, 174, 183, 216, 217, 223, 224, 225, 233, 237, 267, 276 Gesinnungsethik 1, 130, 136, 232 Haftung 79, 107, 154, 156, 157, 158, 159, 206 Handlungsfolgen 156, 184 Handlungskompetenz 49, 114, 154, 237, 238, 257, 262, 274 Handlungsmaximen 12, 122, 189, 248, 250, 261, 265, 267 Hermeneutik 74 Honorierung 70, 192, 194, 195, 196, 197, 210, 228 Individualethik 107, 111, 112, 130, 162, 164, 166 Informationsmanagement 31, 32, 80, 99 Institutionenethik 106, 110, 162, 163, 164, 166 IT-Corporate Governance 105

Stichwortverzeichnis Klugheitsethik 2, 4, 137, 184, 230 Kohärentismus 137, 163 Konstruktive Ethik 137 Kontraktethik 136 Kostenträgerrechnung 193 Kultur 173, 174, 175, 204, 219, 230, 232, 233, 241, 142, 244, 247, 250, 251, 153, 284 Leitbild 93, 104, 121, 125, 141, 176, 180, 189, 221, 240, 248, 249, 255, 257, 260, 261, 284, 289 Managementberatung 18, 30, 32, 41, 60, 77, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 231 Moral 2, 3, 4, 5, 6, 7, 10, 26, 65, 67, 68, 70, 72, 77, 88, 100, 106, 107, 112, 113, 115, 116, 119, 120, 122, 125, 127, 128, 130, 131, 134, 136, 137, 138, 139, 142, 143, 144, 145, 146, 148, 149, 150, 156, 161, 164, 165, 166, 167, 170, 172, 173, 175, 176, 180, 187, 189, 196, 201, 206, 207, 214, 217, 218, 234, 235, 243, 253, 259, 264, 269, 284, 287, 289 Moralische Dilemmata 10, 106, 210, 225, 265, 271, 299, 281 Moralische Kompetenz 54, 160, 180, 192, 225, 238, 239, 274, 280, 287 Moralisches Klima 119, 204, 205, 248, 268, 270, 271, 273, 289 Moralische Konflikte 78, 225, 273, 284 Moralische Normen 12, 104 Moralische Risiken 79, 80, 81, 83, 84, 85, 86, 212, 287 Moralische Zwangssituationen 10, 180, 225, 270, 271 Moralische Werte 170, 172, 176, 189, 247, 271, 286 Morality/Moralität 3, 4, 5, 10, 68, 111, 121, 124, 133, 150, 151, 168, 171, 184, 199, 206, 224, 236, 267, 269, 270, 272 Nachfrage 24, 25, 26, 27, 28, 43, 45, 62, 65, 86, 87, 88, 89, 98, 99, 100, 102, 194, 197, 220

Stichwortverzeichnis

317

Öffentlichkeits- und Medienethik 162, 164, 167 Opportunismus 78, 121, 163, 172, 188, 207, 224, 229 Ordnungsethik 111, 112, 164 Ordnungswidrigkeitsrecht 115, 154, 158, 159 Organisationsberatung 17, 18 Organisationsentwicklung 17, 30, 38, 40, 42, 193, 239, 261 Organisatorische Sozialisation 248, 279, 281

Qualifikation 18, 21, 44, 48, 72, 73, 74, 90, 133, 177, 188, 191, 192, 195, 199, 235, 237, 238, 239, 268, 280 Qualität 21, 26, 43, 45, 49, 50, 70, 71, 75, 77, 85, 92, 96, 100, 102, 114, 115, 118, 146, 149, 161, 165, 179, 180, 181, 186, 189, 190, 191, 192, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 211, 212, 224, 249, 252, 256, 274 Qualitätsmanagement 31, 32, 33, 57, 80, 105, 160, 191, 192, 194, 197, 198, 202, 208

Personalmanagement 32, 44, 49, 50, 219, 235, 240, 248, 262, 278, 279, 280, 290 Persönlichkeit 2, 9, 11, 18, 21, 63, 68, 70, 74, 114, 115, 127, 142, 174, 188, 206, 213, 216, 217, 219, 222, 23, 228, 233, 234, 235, 236, 239, 242, 255, 258, 260, 262, 263, 264, 266, 268, 269, 275, 278, 279, 282, 286 Phasenablauf 51, 57 Pflichtethik 135, 136, 235 Profession 12, 15, 43, 44, 72, 73, 74, 75, 76, 86, 88, 108, 114, 165, 183, 184, 189, 190, 196, 198, 204, 209, 210, 260, 271, 280 Projektkalkulation 80, 191, 192, 193, 194, 195 Projektkultur 47, 49, 180, 203, 257, 258, 259, 260, 267, 274 Projektlebenszyklus 80, 192 Projektleistungsgegenstand 16, 31, 46, 47, 50, 51, 81, 198 Projektmanagement 19, 31, 32, 34, 35, 36, 41, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 56, 57, 58, 61, 75, 80. 81, 82, 83, 85, 86, 91, 94, 190, 192, 194, 210, 211, 221, 232, 237, 262, 273, 274, 286 Projektmanagementphasen 248 Projektorganisation 34, 35, 36, 47, 180, 237 Projektteam 10, 16, 19, 21, 35, 36, 39, 47, 50, 54, 56, 58, 79, 84, 85, 181, 182, 192, 211, 221, 222, 223, 227, 229, 230, 238, 262, 269, 274, 276, 278, 280, 283, 287 Prozessberatung 18, 28, 30, 32, 39, 41, 49, 53, 61, 89, 98, 220, 221, 260

Rahmenordnung 106, 110, 117, 143, 144, 163, 172, 181 Recht 5, 8, 12, 13, 65, 74, 106, 114, 116, 127, 129, 141, 144, 145, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 161, 162, 172, 173, 181, 183, 189, 207, 218, 289 Republikanische Ethik 204 Reputation(smanagement) 2, 16, 21, 22, 28, 33, 60, 65, 78, 88, 97, 98, 103, 105, 117, 118, 119, 124, 125, 143, 162, 165, 179, 185, 189, 192, 199, 200, 202, 203, 204, 205, 206, 207, 208, 209, 255, 267, 273, 290 Return on Consulting 20, 29 Risikomanagement 93 Rollenhandeln 9, 213, 216, 219, 220, 221, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 231, 276, 283 Sitte/Sittlichkeit 3, 4, 5, 6, 12, 140, 148, 150, 151, 162, 166, 169, 183, 215, 235, 247, 265, 269 Sozialethik 130, 162, 164 Soziale Verantwortung 143, 161, 181, 187, 212 Sozialisationstaktiken 281, 282 Sozialkompetenz 21, 54, 61, 87, 177, 218, 235, 237, 239, 240, 263, 284 Strategieberatung 30, 60, 91, 93, 210, 221 Systemische Beratung 30, 42, 186 Tapferkeit 69, 237, 245 Teammanagement 80, 260

318 Tugend(ethik) 112, 121, 127, 135, 136, 150, 162, 164, 179, 184, 230, 231, 232, 234, 235, 236, 237, 240, 245, 264 Unternehmensberatungsmarkt 86, 87, 88, 92 Unternehmenskultur 29, 102, 106, 107, 109, 118, 120, 125, 161, 169, 174, 175, 176, 189, 205, 207, 236, 244, 245, 247, 248, 249, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 259, 260, 261, 262, 266, 267, 269, 270, 273, 289 Unternehmensstrafrecht 5, 105, 107, 158 Utilitarismus 4, 135, 136, 217 Verantwortung(sethik) 6, 10, 11, 13, 18, 19, 20, 22, 26, 39, 40, 50, 60, 67, 69, 72, 75, 78, 79, 83, 103, 105, 109, 111, 112, 115, 116, 118, 119, 121, 130, 142, 143, 147, 149, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 161, 162, 163, 164, 172, 174, 177, 180, 181, 182, 184, 186, 187, 207, 209, 210, 212, 214, 216, 217, 218, 224, 227, 229, 232, 235, 236, 240, 247, 255, 257, 258, 259, 260, 262, 263, 264, 265, 267, 274, 276, 277, 285, 290

Stichwortverzeichnis Verfassungsrecht 152, 154, 157, 160, 161, 173 Vergütungsformen 196, 197 Vernunftethik 128, 143, 175 Wertekompetenz 248, 279, 283, 286 Wertewandel 16, 92, 233, 282, 283 Wirtschaftskriminalität 65, 67, 107, 158, 245 Wirtschaftswissenschaft 43, 57, 61, 73, 86, 122, 127, 137, 139, 140, 141, 144, 153, 154, 161, 167, 169, 186, 289 Whistleblower/-blowing 2, 77, 116, 124, 157, 165, 207, 213, 240, 241, 242, 243, 244, 245, 246 Zivilcourage 2, 69, 78, 172, 182, 183, 188, 207, 212, 213, 235, 240, 241, 242, 245, 246, 262, 264, 271

Übersicht über die Inhalte des Service-Teils *

Service für die Ethik in Beratungsprojekten 1

Verständnis: Methoden, Techniken, Verfahren und Tools

2

Moral in Wirtschaft und Unternehmensberatung: Beispiele

2.1

Wirtschaftskriminalität

2.2

Professionell-moralische Risiken in Beratungsprojekten

2.3

Entstehung und Entwicklung der Unternehmensberatung

2.4

Gruppen von Unternehmensberatungen

2.5

Nationale und internationale Beispiele zur Corporate Governance

2.6

Externer Ethikrahmen

2.7

Kommentierte Beratungsgrundsätze BDU

2.8

Corporate Social Responsibility

3

Ausgewählte Informationen zur Ethik

3.1

Allgemeine Ethikansätze

3.2

Soziale Handlungsethik

3.3

Verfassungsrechtlich relevante Regelungen

3.4

Ausgewählte Ansätze der Unternehmensethik

3.5

Individual-, Sozial-, Öffentlichkeits- und Medienethik

*

Download unter http://www.oldenbourg-verlag.de/wissenschaftsverlag/unternehmensethik-und-consulting/9783486586893

Übersicht über die Inhalte des Service-Teils

320 4

Berufs- und Beratungsethik

4.1

Muster einer ‚ethischen‘ Kostenkalkulation

4.2

Honorarformen

4.3

Reputationsmessung

4.4

Umsetzung in Unternehmenskultur und moralisches Klima

5

Professionell-ethische Maßnahmen und Empfehlungen für Beratungsprojekte

5.1

Qualitäts-, Vertrags-, Risiko-, Änderungs-, Informations-, Teammanagement

5.2

Maßnahmen im Projektvorfeld

5.3

Maßnahmen in der Startphase

5.4

Maßnahmen in der Zielvereinbarungsphase

5.5

Maßnahmen in der Realisierungsplanungsphase

5.6

Maßnahmen in der Realisierungs- und Steuerungsphase

5.7

Maßnahmen in der Abschlussphase

6

Informationen über Beratung, Aus-/Weiterbildung, Forschung zur Ethik

6.1

Ausgewählte Beratungsangebote CSR/Ethics

6.2

Ausbildung, Lehrgänge, Programme Ethik

6.3

Ausgewählte Weiterbildungs-/Schulungsveranstaltungen

6.4

Ausgewählte Forschungsaktivitäten zu CSR, Ethik, Beratung

7

Weitere Quellen

Entlang der Wertschopfungskette alle Beteiligten einbinden Jurgen Rothlauf Total Quality Management in Theorie und Praxis Zum ganzheitlichen Unternehmensverstandnis 2010 I 649 Seiten I gebunden I € 59,80 ISBN 978-3-486-59687-6 Wer im internationalen Wettbewerb bestehen will, benotigt eine umfassende Sichtweise auf alle unternehmerischen Aktivitaten. Das ganzheitlich ausgerichtete Total Quality Management (TQM) entspricht dieser Erwartungshaltung, denn es bezieht alle Beteiligten entlang der Wertschopfungskette mit ein. In dieses Buch fließen Ergebnisse aus wissenschaftlichen Untersuchungen ein, die zu den TQM-Teilberechen wie Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, Beschwerdeund Ideenmanagement oder European Quality Award in mehr als 120 Unternehmen durchgefuhrt wurden – darunter Siemens, Daimler, Lufthansa, Duravit oder Datev. Auf die unterschiedlichsten unternehmerischen Herausforderungen gibt dieses Buch folglich eine wissenschaftlich fundierte aber vor allem auch praxisorientierte Antwort. Dieses Werk wendet sich an Personen, die im Rahmen ihrer Unternehmenstatigkeit mit Total Quality Management Uberlegungen konfrontiert sind oder sich im Studium dafur qualifizieren mochten. Prof. Dr. rer. pol. Jurgen Rothlauf lehrt am Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Stralsund.

Bestellen Sie in Ihrer Fachbuchhandlung oder direkt bei uns: Tel: 089/45051-248, Fax: 089/45051-333 [email protected]

Unternehmensführung aus unterschiedlichen Perspektiven Hans-Erich Muller Unternehmensfuhrung Strategien – Konzepte – Praxisbeispiele 2010 I XII, 287 Seiten I gebunden I € 34,80 ISBN 978-3-486-59729-5 Bis zur jungsten Finanz- und Wirtschaftskrise dominierte eine eindimensionale Sicht zur Unternehmensfuhrung: die Orientierung am Gewinn, am Kapitalmarkt und Shareholder-Value. Kritiker hoben demgegenuber die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens hervor. Allerdings scheint keine der beiden Seiten allein recht zu haben. Entscheidungstrager mussen heute integrierte Losungen in komplexen und dynamischen Situationen entwickeln. Das Buch betrachtet ein Thema aus gegensatzlichen Perspektiven und entwickelt damit ein realitatsnaheres Bild. Der Leser gewinnt dadurch vertiefte analytische Kenntnisse und denkt in Alternativen und Handlungsspielraumen. Daruber hinaus lasst sich der Text durch den klaren, traditionellen Aufbau und der zahlreichen Praxisbeispiele gut lesen. Dieses Buch bietet einen neuen, integrierten Ansatz und ist dennoch anschaulich kompakt und praxisorientiert. Es ist sowohl als studienbegleitender Text in der Managementlehre, als auch fur das Selbststudium und die Unternehmenspraxis geeignet. Prof. Dr. Hans-Erich Muller ist Professor fur Unternehmensfuhrung und Organisation an der Hochschule fur Wirtschaft und Recht Berlin. Er hat langjahrige berufliche Erfahrungen als Unternehmensberater fur international tatige Unternehmen, in Aufsichtsraten sowie in der Managementforschung und -lehre. Bestellen Sie in Ihrer Fachbuchhandlung oder direkt bei uns: Tel: 089/45051-248, Fax: 089/45051-333 [email protected]