Unsichtbare Malerei: Reflexion und Sentimentalität in Bildern der Düsseldorfer Malerschule [2. Aufl.] 9783110793109, 9783110769425

Painting in Düsseldorf at the time when Wilhelm Schadow was director of the art academy was of world rank. Not a few con

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Unsichtbare Malerei: Reflexion und Sentimentalität in Bildern der Düsseldorfer Malerschule [2. Aufl.]
 9783110793109, 9783110769425

Table of contents :
Inhalt
Innen und Außen
„Wie malt man das Denken“?
Wie malt man Gefühle, Charakter und Seele?
Die Selbstverständlichkeit des Sichtbaren und das selbstverständliche Unsichtbare
Die Malerei und das „unsichtbare Auge“ der Dichtkunst
Die Düsseldorfer Malerschule im Jahr 1828
Carl Friedrich Lessing und das „stereotyp gewordene Brüten“
„Physiologische“ und politische Erklärungsmuster der „unsichtbaren Malerei“ der Düsseldorfer Malerschule
Ary Scheffers „unsichtbare Malerei“ und die „unsichtbare Malerei“ in Düsseldorf
„Seelenmalerei“ und Bildnis
Das Individuelle und das Christentum
Das „symbolische Porträt“
Das erzählende Bildnis
Verschweigen und Verallgemeinern
Vom Freundschaftsbild bis zu den „allgemeinsten Gegensätzen“
Die vergessene Frau Küntzel
Der verleugnete Goethe
„Hinter der Scene“
Wie malt man eine Lüge?
Abbildungsnachweise
Literaturverzeichnis

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Unsichtbare Malerei

Hans Körner

Unsichtbare Malerei Reflexion und Sentimentalität in Bildern der Düsseldorfer Malerschule

düsseldorf university press

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Kreis der Freunde des Instituts für Kunstgeschichte der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

K R E I SD E R

F R E U N D E D E SI N S T I T U T SF Ü RK U N S T G E S C H I C H T E D E RH E I N R I C H H E I N E U N I V E R S I T Ä TD Ü S S E L D O R F E . V .

ISBN 978-3-11-076942-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-079310-9 Library of Congress Control Number: 2022933859 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. 1. Auflage 2011 2., überarbeitete Auflage 2022 © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston d|u|p düsseldorf university press ist ein Imprint der Walter de Gruyter GmbH Einbandabbildung: Julius Hübner, Bildnis Pauline Charlotte Hübner, geb. Bendemann, Öl auf Leinwand, 189,5 × 130 cm, 1829, Berlin, Alte Nationalgalerie. Bildquellennachweis: akg-images Bildbearbeitung: Rüdiger Kern, Berlin Einbandgestaltung und Satz: Friedhelm Sowa, LATEX Gedruckt in der Europäischen Union www.degruyter.com dup.degruyter.com

Inhalt

Innen und Außen

7

„Wie malt man das Denken“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... .. .. ... .. ... .. .. ... .. ... .

7

Wie malt man Gefühle, Charakter und Seele? . . . . . ... .. .. ... .. ... .. .. ... .. ... . 19 Die Selbstverständlichkeit des Sichtbaren und das selbstverständliche Unsichtbare . . . . . . . . . . . .. ... .. ... .. ... .. .. ... .. ... . 38 Die Malerei und das „unsichtbare Auge“ der Dichtkunst

42

Die Düsseldorfer Malerschule im Jahr 1828 . . . . . . . ... .. .. ... .. ... .. .. ... .. ... . 42 Carl Friedrich Lessing und das „stereotyp gewordene Brüten“ . .. .. ... .. ... . 62 „Physiologische“ und politische Erklärungsmuster der „unsichtbaren Malerei“ der Düsseldorfer Malerschule . .. ... .. ... .. .. ... . 79 Ary Scheffers „unsichtbare Malerei“ und die „unsichtbare Malerei“ in Düsseldorf .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. ... .. ... .. ... .. .. ... .. ... . 93 „Seelenmalerei“ und Bildnis

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Das Individuelle und das Christentum . . . . . . . . . . . . . .. ... .. ... .. ... .. .. ... .. ... . 112 Das „symbolische Porträt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. ... .. ... .. ... .. .. ... .. ... . 114 Das erzählende Bildnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. ... .. ... .. ... .. .. ... .. ... . 120 Verschweigen und Verallgemeinern

135

Vom Freundschaftsbild bis zu den „allgemeinsten Gegensätzen“ . .. ... .. ... . 135 Die vergessene Frau Küntzel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. ... .. ... .. ... .. .. ... .. ... . 146 Der verleugnete Goethe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. ... .. ... .. ... .. .. ... .. ... . 157 „Hinter der Scene“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. ... .. ... .. ... .. .. ... .. ... . 164 Wie malt man eine Lüge?

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Abbildungsnachweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. ... .. ... .. ... .. .. ... .. ... . 179 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. ... .. ... .. ... .. .. ... .. ... . 182

„Haben die Sichtbaren und Energischen mit ihren Erwartungen in diese Welt irgend etwas zum Positiven verändert? Glaubst du das wirklich? (. . .) Das Wesentliche in dieser Welt ist unsichtbar, oder sind Gedanken und Worte sichtbar?“1

Innen und Außen „Wie malt man das Denken“? „Wie malt man das Denken“? Mit Blick auf Rembrandts „Gelehrten“ (Abb. 1) beantwortete der Publizist und sozialliberale Politiker Friedrich Naumann diese Frage in einem kleinen Artikel der „Zeit“ von 1902: Da „das Denken an sich“ Bildgegenstand sei, „mußte der Raum so groß und der Mann in ihm so klein sein.“ Vergleichbar dem Ansteigen der Wendeltreppe klettere „der begriffliche Gedanke von Stufe zu Stufe“. Die den Raum deckenden Kreuzgewölbe bedeuteten den „Druck, der auf allem formellen Denken liegt“. Getragen werde das Gewölbe von Pfeilern – „die Fundamentalbegriffe“, und insofern der Raum eine vordere und eine hintere „Gewölbeklammer“ habe, weise er den Denker als „Dualist“ aus. Auch die Lichtführung illustriere das Denken des Grübelnden: „Einige Teile seiner doppelten Welt sind hell, viele liegen halberkannt, große Partien sind völlig umnachtet. Unser Wissen ist Stückwerk. Der Sonnenstrahl sucht sich merkwürdige Wege, teils direkt, teils indirekt beleuchtend. So arbeitet das Denken.“ 2 Naumanns Interpretation ist geistreich. Ob und falls ja, wie weit man ihr zu folgen bereit ist, steht auf einem anderen Blatt. In jedem Fall ist die von Naumann gestellte Frage eine grundsätzliche: „Wie malt man das Denken“, wenn, wie im Falle des Rembrandt-Bildes, das Denken sich nicht in Attributen und Allegorien entäußert. Darf Denken überhaupt Gegenstand von Malerei sein? 1

Jeissing, 2007, 64. Naumann, 1909, 16. Friedrich Naumanns Frage wird derzeit auch von anderer Seite – ohne Referenz auf Naumann – wieder gestellt. Eine aktuelle Ausstellung in Lille zeigt Philosophenbildnisse des 17. Jh. Tapié / Cotentin, 2011. Siehe v. a. den Beitrag von Quignard, 2011, 17–36. 2

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Abb. 1: Rembrandt, Der Gelehrte, 1632, Paris, Musée du Louvre

Charles Baudelaire, auch hierin eine Gründerfigur der Moderne, verneinte dies schroff. Das Zeugnis des heiligen Augustinus, dass er gemeinsam mit seiner Mutter Monika Reflexionen über das ewige Leben angestellt habe, übersetzte der aus den Niederlanden stammende und in Paris tätige Maler Ary Scheffer in ein Gemälde. (Abb. 2) Wie Baudelaire diesen Versuch beurteilte, verrät hinreichend deutlich die entsprechende Kapitelüberschrift in seiner Kritik der Pariser Salonausstellung von 1846: „Von Ary Scheffer und den Affen des Sentiments“. „(F)olgende Stelle vor allem soll – mit Pinsel und Farbe – ausgedrückt werden: ‚Wir forschten gemeinsam, was jenes ewige Leben sein wird, das kein Auge gesehen, das kein Ohr gehört, und das in keines Menschen Herz gekommen ist!‘ Das ist der Gipfel der Albernheit. Es kommt mir vor, als sähe ich einen Tänzer eine mathematische Demonstration tanzen.“ Das 8

Publikum, das anfänglich Scheffer noch wohlgesonnen gewesen sei, sei „der unsichtbaren Malerei nach und nach überdrüssig geworden und ist Ary Scheffer gegenüber heute grausam und undankbar. Und es tut recht daran.“ 3 „Unsichtbare Malerei“, Sentimentalität – Baudelaires Polemik ist bereits in Texten vorweggenommen, die sich kritisch mit dem auseinandersetzen, was unter dem Markenzeichen der „Düsseldorfer Schule“ firmierte, als Markenzeichen auch vermarktet4 und später entsprechend pauschal verurteilt wurde: Der Vorwurf der Sentimentalität wurde seit den 1830er Jahren erhoben.5 Friedrich von Uechtritz, Chronist der Malerschule, und als Literat maßgeblich am Düsseldorfer Kunstleben beteiligt, gab zu, dass neben dem „Gesunden und Tüchtigen“, das die Schule bis zum Erscheinen seines Buches (1839) hervorgebracht habe, leider die „geleckte Sentimentalität so vieler Heiligen und Nichtheiligen“ käme, „kurz die ganze geist-, kraft- und saftlose Idealwelt eines einer schwächlichen Sinnlichkeit verfallenen Gefühles“.6 Im Vorjahr hatte der Berliner Humorist Adolf Glaßbrenner eine junge Besucherin der Berliner Kunstausstellung sich darüber beschweren lassen, dass die „Düsseldorfer Künstler nichts als Schmerz, und wieder Schmerz, dann etwas Unglück, Elend, Traurigkeit und wieder Schmerz (haben)“, und ihr künftiger Verlobter empfiehlt als Mittel gegen den „ewigen langweiligen Schmerz“: „Man müße mal den Herren Düsseldorfern von ihrem Senf ein großes Pflaster auf die Brust legen, daß es ihnen die Melancholie aus dem Herzen zöge“.7 Auch der korrespondierende Vorwurf, „unsichtbare Malerei“ zu praktizieren, die in unzulässiger Weise die Vorstellungskraft des Bildbetrachters 3

„De M. Ary Scheffer et des singes du sentiment“. „(. . .) il faut surtout exprimer le passage suivant – avec des pinceaux et de la couleur: – ‚Nous cherchions entre nous quelle sera cette vie éternelle qu l’oeil n’a pas vue, que l’oreille n’a pas entendu, et où n’atteint pas le coeur de l’homme!‘ C’est le comble de l’absurdité. Il me semble voir un danseur exécutant un pas de mathématiques!“ „(. . .) aussi s’est-il dégoûté peu à peu de la peinture invisible, et il est aujourd’hui, à l’endroit de M. Ary Scheffer, cruel et ingrat, comme tous les publics. Ma foi! Il fait bien.“ Baudelaire, 1962, 172. Dt. Übers. unter Verwendung von Baudelaire, 1977, 259. 4

Müller, 2010, passim. Eine affirmative Wüdigung der Sentimentalität als Bedingung der Möglichkeit der Herausbildung des „historischen Genrebilds“ bei Grewe, 1998. 6 Z. B. Uechtritz, 1839, 9. 7 Glaßbrenner, 1838, 13. 5

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Abb. 2: Scheffer, Ary, Augustinus und Monika, 1849, Dordrecht, Dordrechts Museum

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in die Pflicht nehme, begleitete die Rezeption der Düsseldorfer Malerschule von Beginn an: Der Triumph, den die Düsseldorfer 1828 zuerst lokal auf der Ausstellung in der Heimatstadt und dann mit größerer Wirkung auf der Berliner Akademieausstellung feierten, markiert auch den Beginn einer intensiven Diskussion über die Möglichkeiten der Malerei, Vorgaben der Dichtung zu visualisieren. Die Mehrzahl der an der Diskussion Beteiligten betonte die gattungsspezifische Differenz von Dichtung und Malerei und monierte, dass Theodor Hildebrandt, Julius Hübner, Carl Friedrich Sohn und insbesondere der Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie selbst, Wilhelm Schadow, mit ihren Ausstellungsexponaten die Gattungsgrenzen überschritten hätten und beim Versuch, Nichtdarstellbares darzustellen, ins Jenseits der Malerei geraten seien. Ein 1837 verfasster Text von Karl Gutzow ist im Ton milder als die fast ein Jahrzehnt jüngere Salonkritik Baudelaires, weist aber ähnlich entschieden die gemalte Reflexion zurück. Gutzkow wandte sich gegen die Düsseldorfer Maler, deren Sujets – Gutzkow nahm Bezug auf Lessings „Trauerndes Königspaar“ und auf Bendemanns „Jeremias auf den Trümmern Babylons“ – „erst durch Zuthaten von Seiten der Vernehmenden ergänzt werden müssen. Eine solche nothwendige Thätigkeit stört aber beim Gemälde die Einheit des Kunstwerkes (. . . ). (D)as alles sind im Grunde keine Gegenstände für die Malerei.“ 8 Nicht nur mit Blick von Außen wurde daran Anstoß genommen, dass in Hauptwerken der Düsseldorfer Malerschule der Inhalt im Bild anschaulich nicht vollständig repräsentiert sei, dass ein Rest an Unanschaulichem bleibe: So verschweigt der Artikel Immermanns im Schornschen „Kunst-Blatt“ des Jahrgangs 1830 nicht, dass Carl Friedrich Lessings „Trauerndes Königspaar“ „mehr der Sphäre der Dichtkunst, als dem eigentlich Plastischen angehöre“.9 In eben diesem Sinne schrieb Müller von Königswinter 1854 rückblickend über Sohns „Tasso und die beiden Leonoren“, dass es dem „Künstler nicht gelungen (sei), ein tiefes psychologisches Gemälde zu liefern. Die Größe der Dichtung besteht in ihrem dialektischen Zauber, in der feinen Ausprägung 8

Gutzkow, 1879, 253 f. Dazu Körner, 2000, 38. Vgl. Brandmüller, 2007, 88. Den Hinweis auf den lange übersehenene Text Gutzkows gab Wille, 1995, 316. 9 Immermann, 1830, 328.

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der Charaktere ohne besondere Thaten, in der eleganten Behandlung der unbefangenen Befangenheit eines Hoflebens.“ „Ist das Alles geeignet, um in der bildenden Kunst behandelt zu werden?“ Müller gab sich selbst umgehend die negative Antwort: „Ich glaube, wir stimmen darin überein, daß sich so etwas nicht malen läßt.“ 10 Das ist nur eine Auswahl an kritischen Stimmen, die sich ergänzen ließe und im weiteren Verlauf dieses Buches auch ergänzt werden wird. Positive Stimmen, Kunstliteraten, die zur Sentimentalität in der bildenden Kunst und zum Versuch, das Denken zu malen, sich affirmativ äußerten, gab es allerdings auch, und nicht allein in seiner Eigenschaft als gebürtiger Düsseldorfer soll Heinrich Heine als Erster zu Wort kommen: Heine fand zu einer sehr anderen Bewertung der „unsichtbaren Malerei“ Ary Scheffers als Baudelaire. In seiner Besprechung der Pariser Salonausstellung von 1831 im „Morgenblatt für gebildete Stände“ 11 war es für Heinrich Heine gerade die dem Bildbetrachter überantwortete Aufgabe, die Gefühle und die Gedanken von Scheffers „Faust“ (Abb. 3) zu ergründen, welche die Qualität des Gemäldes ausmache: Ary Scheffer habe Fausts Kopf in einer Weise gemalt, „daß der bloße Anblick desselben uns die Gefühle und Gedanken mitteilt, die sich in des Mannes Hirn und Herzen bewegen.“ 12 Und das Pendant, Scheffers „Gretchen“ (Abb. 4) „(. . . ) ist eine gemalte Seele“. Weil sie „mehr Gemüth als Gesicht“ habe, könne sie gar nicht beschrieben werden.13 Mehrfach begegneten Heine auf dieser Pariser Salonausstellung Gemälde, die Denken zum Bildgegenstand erhoben und die Fantasietätigkeit des Betrachters frei gesetzt hatten: Paul Delaroches nicht nur von Heine gefeierte Darstellung der „Ermordung der Söhne Eduards IV.“ (Abb. 5) lebt aus der Spannung des Sichtbaren mit dem Nichtsichtbaren. Das Gemälde bezog seinen Stoff aus Shakespeares „Tragödie von Richard III.“. 1483 war König Eduard IV. verstorben. Da von den beiden Söhnen Eduards der älteste erst 10

Müller von Königswinter, 1854, 175.

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Die gewöhnlich anachronistische Lektüre von Heines Salonkritik (das Bedauern, dass Heine nicht die Gelegenheit hatte, mit der Avantgarde der klassischen Moderne in Berührung gekommen zu sein), wird von France Nerlich (Heine, 2010, 102) zu Recht kritisiert. 12 Heine, 1980, 13. Vgl. Rasch, 1977, 238 f. 13 Heine, 1980, 14.

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Abb. 3: Scheffer, Ary, Faust, Salon 1831, Paris, Musée du Louvre

Abb. 4: Scheffer, Ary, Margarete, Salon 1831, Paris, Musée de la Vie romantique

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Abb. 5: Delaroche, Paul, Die Ermordung der Söhne Edwards IV., 1830, Salon 1831, Paris, Musée du Louvre

zwölf Jahre alt war, und beide überdies von Richard von Gloucester, dem Onkel der Königssöhne, für unehelich erklärt wurden, gelang es diesem, die Königsmacht an sich zu reißen und als König Richard III. den Thron zu besteigen. Im gleichen Jahr habe er, um die Thronansprüche der Söhne Eduards IV. ein für alle mal zu erledigen, die beiden Prinzen heimtückisch ermorden lassen. Dieser Meuchelmord an den im Tower eingesperrten Kindern ist historisch umstritten, ist aber zentrales Thema in Shakespeares Drama, auf das Delaroche sich denn auch bezog. Die Szene der Tötung der Prinzen brachte Shakespeare nicht auf die Bühne; wir erfahren von ihr nur aus dem Gespräch der beiden gedungenen Mörder. Der auf offener Bühne gespielte Kindermord wäre wohl zu krass gewesen. Ein Maler kann mehr zeigen als ein Theaterdichter. Man hätte also erwarten dürfen, dass Delaroche in seinem Gemälde den dramatischen Höhepunkt schildern würde, den Moment, in dem die Meuchelmörder über die wehrlosen Kinder herfallen. Eben das vermied Delaroche, malte stattdessen die Szene vor dem Höhepunkt des Dramas. Die Kinder sitzen auf dem Bett. Der jüngere schmiegt sich an den Bruder, der beunruhigt scheint. Ein Hündchen wendet sich zur Tür, die nur einen Spalt geöffnet ist und einen schmalen Streifen Licht sehen lässt. Alles andere, die Mörder hinter der Tür, die jeden Augenblick eintreten werden, den Mord, müssen wir uns denken. Die geringen Andeutungen genügten Delaroche, um sein Drama zu inszenieren. Aber weil es nur Andeutungen sind und die entscheidende Handlung dem Betrachter vorenthalten wird, sieht dieser sich provoziert, das unsichtbare Drama vor seinem inneren Auge zu reproduzieren.14 In seiner Würdigung des Gemäldes begnügte sich Heine allerdings nicht damit, auf das zukünftige, nicht sichtbare Drama hinzuweisen, er begab sich viel weiter ins Gebiet des Nichtsichtbaren, indem er sich von dem Bild zu einer traurigen Erinnerung leiten ließ: „Ach! Es hat mich noch um so mehr bewegt, da ich in dem Antlitz des unglücklichen Prinzen die lieben Freundesaugen entdeckte, die mir so oft zugelächelt, und mit noch lieberen Augen so lieblich verwandt waren. Wenn ich vor dem Gemälde des Delaroche stand, kam es mir 14

Hager verglich diese Weise der Bildinszenierung, die des Hinzu- und Weiterdenkens des Betrachters bedarf, mit „dem Ausschnitt aus einem imaginären Film“: Hager, 1989, 171.

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immer ins Gedächtniß, wie ich einst, auf einem schönen Schlosse im theuren Polen, vor dem Bilde des Freundes stand und mit seiner holden Schwester von ihm sprach und ihre Augen heimlich verglich mit den Augen des Freundes. (. . . ) ach! der liebe Freund selbst ist jetzt todt (. . . ) erschossen bey Praga, die holden Lichter der schönen Schwester sind ebenfalls erloschen, ihr Schloß abgebrannt.“ 15 Sentimentalität ist eine Weise des reflektierten Umgangs mit den eigenen Gefühlen und das sentimentale Bild ist zunächst das Angebot an den Betrachter, sich auf Brechungen des Sichtbaren im Unsichtbaren einzulassen. Im Blick des für den gewaltsamen Tod bestimmten (älteren) Prinzen erkannte Heine den Blick des gewaltsam getöteten Freundes und gebrochen über den gemalten (also medial bereits gebrochenen) Blick dieses Freundes sah sich Heine in der Rückschau wiederum angeblickt von den Augen der geliebten Frau. Was Heine hier literarisch durchspielte und was er vielleicht so auch vor dem Bild erfuhr, ist sentimentale Kunstbetrachtung in Reinkultur. Heinrich Heine hätte dies nicht als Vorwurf empfunden. Ary Scheffers „Gretchen“ sei „viel mehr sentimental als naiv“, bemerkte Heine anerkennend, und damit die Abkunft dieser Differenzierung nicht übersehen werde, vermerkte er, dass Scheffers „Liebes Kind“ zwar „Goethes Gretchen (sei), aber sie hat den ganzen Friedrich Schiller gelesen“.16 In seinem zweiten spektakulären Gemälde dieser Salonausstellung (Abb. 6) beeindruckte Delaroche ebenfalls durch eine Bildregie, die das Wesentliche des historischen Geschehens ausblendet. Nicht die Anklage gegen den katholischen König Karl I. durch das von dem Puritaner Cromwell gesäuberte so genannte „Rumpfkabinett“ wird gezeigt und nicht die Hinrichtung des Königs im Jahre 1649, sondern die Reflexionen Cromwells vor dem geöffneten Sarg des Enthaupteten. Der nachsinnende Cromwell inspirierte Heine seinerseits zum Nachsinnen über die Gedanken des späteren Lordprotektors. Nicht nur ihn, wenn wir Heine Glauben schenken: „Was die Beschauer des Cromwell am meisten beschäftigte, war die Entzifferung seiner Gedanken bei dem Sarge des todten Karl.“ 17 Es blieb nicht beim Nachsinnen 15

Heine, 1980, 37. Heine, 1980, 13. 17 Heine, 1980, 42. 16

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Abb. 6: Delaroche, Paul, Cromwell, 1831, Nîmes, Musée des Beaux-Arts

über das Nachsinnen. Die Gedanken Cromwells wurden in der Imagination Heines sogar hörbar: „Manchmal, wenn ich den Cromwell lang betrachtet und mich ganz in ihn versenkt hatte, (hörte) ich fast seine Gedanken“. Selbst die Mundart vernahm der Bildbetrachter Heine: „einsylbig harte Worte, verdrießlich hergebrummt und gezischt, im Charakter jener englischen Mundart, die dem fernen Grollen des Meeres und dem Schrillen der Sturmvögel gleicht“.18 Die von Heine gehörte Stimme Cromwells im Bild des Paul Delaroche lässt sich nicht in Dezibel messen, ebenso wenig wie der von Delaroche vor das innere Auge des Betrachters gebrachte Mord an den Kindern Eduards IV. sich fotografisch ablichten lässt. Doch für Heine waren Stimme und Mordszene auch als Abwesende sinnliche Erfahrungen, und zumindest hinsichtlich letzterer (wie viele die akustische Vorstellungsfähigkeit Heines geteilt haben, ist nicht zu eruieren) bestand, wie Heines Überblick über die unter18

Heine, 1980, 44.

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schiedlichen Interpretationen bestätigt, zwar nicht Konsens, aber doch eine stabile Basis für die intersubjektive Verständigung. Die Phänomenologie beschäftigt spätestens seit Merleau-Ponty die Verschränktheit von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit.19 Das Unsichtbare, so Merleau-Ponty 1959 in einer Arbeitsnotiz zu seinem späten, unabgeschlossen gebliebenen Buch über das „Sichtbare und das Unsichtbare“, „ist nicht das Gegenteil des Sichtbaren: das Sichtbare selbst hat eine Gliederung aus Unsichtbarem“. Als „geheime(s) Gegenstück zum Sichtbaren“ ist es „virtueller Brennpunkt des Sichtbaren, schreibt sich darin ein.“ 20 Wie es sehr unterschiedene Weisen des Sehens gibt, das konzentrierte Sehen, das flüchtige Sehen, den selektiven Blick u. a. m., so ist auch das „Gegenstück“ vielfältig.21 Anders ist das Unsichtbare, das ‚vor dem geistigen Auge‘ erscheint als das Übersehene am Sichtbaren, anders das latent Sichtbare (die Rückseite des Gebäudes, vor dem ich stehe) als der unanschauliche Begriff usw.22 Aufgabe der Kunstgeschichte könnte es sein, die diversen Weisen des Unsichtbaren im / am Kunstwerk zu differenzieren. Anders sind Sichtbares und Unsichtbares in der mittelalterlichen Kunst verschränkt, deren Anliegen es grundsätzlich war, körperlichen Augen Verborgenes zum Vorschein zu bringen, aber nicht im Sichtbaren aufgehen zu lassen,23 als beispielsweise in „Las Meninas“ von Velazquez. Der Betrachter sieht hier das Königspaar im Spiegelbild, nimmt es als im Bild nicht anwesendes wahr. Die Vermessung des unsichtbaren Feldes sollte auch deshalb eine Aufgabe des Faches Kunstgeschichte werden, weil nur daran sich auch der Anteil des Sichtbaren bemessen lässt. Eine schlichte Subtraktionsaufgabe ist das nicht. Das Sichtbare nimmt mit dem gesteigerten Anteil des Unsichtbaren nicht notwendig ab, es steht, um an Merleau-Pontys Diktum zu erinnern, nicht im Gegensatz zum Sichtbaren. Eine solche schlichte Subtraktionsrechnung gehört zur Ideologie der Klassischen Moderne, die gleichwohl nie dem Un19

Vgl. Waldenfels, 2009, passim. Merleau-Ponty, 1994, 275. 21 Schürmann, 2008, 242. 20

22 23

Vgl. Schürmann, 2008, 126 ff., Waldenfels, 2009, 13 ff. Ganz / Lentes, 2004, 7 ff.

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sichtbaren entkam. Zu Recht haben Sabine Haupt und Ulrich Stadler auf der Historizität auch des Unsichtbaren bestanden: „Was sichtbar und was unsichtbar erscheint, entscheiden Diskurse und Techniken des Sehens. Sichtbares und Unsichtbares sind historisch wandelbar.“ 24 In diesem Sinne reduziert sich die seit dem 18. Jh. geführte Diskussion über die Selbstverständlichkeit des Kunstwerks letztlich darauf, welche Bereiche des Unsichtbaren dem Selbstverständlichen zugeschlagen werden dürfen, und welche als Nichtselbstverständliche unsichtbar zu bleiben hatten. Das Unsichtbare in der Malerei ist also nicht nichts. Und auch für die Bilder der Düsseldorfer Malerschule, die in besonderem Maße die Kritik an der Darstellung des nicht Darstellbaren auf sich zogen, gilt: „(D)as Unsichtbare ist nicht das Gegenteil des Sichtbaren“. Was es jeweils sein kann, und wie es sich in der Wahrnehmung der Zeitgenossen manifestierte, soll in diesem Buch anhand weniger Beispiele aus den ersten Jahren der Düsseldorfer Malerschule diskutiert werden.

Wie malt man Gefühle, Charakter und Seele? Obwohl wir wissen, dass emotionsfreies Denken nur eine mentale Grenzmöglichkeit ist, legte die neuzeitliche Kunsttheorie Gefühl und Reflexion in der Regel auseinander. Die Sichtbarmachung von Gedanken wurde zumeist der Allegorie überantwortet, einer Darstellungsform, die bereits in ihrer ethymologischen Herkunft aus dem „Anders Sagen“ auf das Andere des Gezeigten verweist. Der Charakter eines Menschen und seine psychische Befindlichkeit sind ebenso wenig sichtbar wie ein abstrakter Begriff. Doch verhält sich Unsichtbares zum Sichtbaren im ersteren Fall anders als im letzteren. Für den Begriff der „Wahrheit“ beispielsweise steht seit Cesare Ripa das allegorische Bild einer nackten Frau, weil die Wahrheit, wie Ripa erläuterte, einfach und natürlich sei. Sie hält eine Sonne „um anzuzeigen, daß die Wahrheit die Freundin des Lichtes ist“. Und weshalb die Personifikation der Wahrheit in Ripas „Iconologia“ die Weltkugel zu ihren Füßen hat, erklärte der gelehrte Autor dadurch, dass die Wahrheit höher stehe als alle Dinge 24

Haupt / Stadler, 2006, 8.

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dieser Welt.25 Unsichtbares und Sichtbares verhalten sich also als Signifikat und Signifkant eines Zeichenverhältnis zueinander. Charakter und Psyche dagegen zeichnen sich als Spur im Sichtbaren (dem Körperbau, der Körperhaltung, der Physiognomie, der Mimik) ab. Sie werden im Sichtbaren ausgedrückt, deutlicher oder undeutlicher, eindeutiger oder unbestimmt. Fällt ersteres in das Aufgabengebiet der Ikonographie / Ikonologie, so letzteres in das der Ausdruckslehre. Affekte und Emotionen anschaulich zu machen, war spätestens dann zu einem vorrangigen Ziel der Maler geworden, als Leon Battista Albertis Malereitraktat (1435/36) – ausgehend von einer berühmten Stelle in der „Ars Poetica“ des Horaz26 – den Künstlern empfahl, Menschen in einem Geschichtsbild so darzustellen, dass sie „ihre eigenen seelischen Bewegungen ganz deutlich zu erkennen geben“. Dann vermöge es das Bild, „die Seele (zu) bewegen, (. . . ) dass wir weinen mit dem Weinenden, lachen mit dem Lachenden und leiden mit dem Leidenden“.27 Leonardos Karton der Mittelszene der Anghiari-Schlacht (Abb. 7) – so wie er in Nachbildungen überkommen ist – führt nicht nur beispielhaft vor Augen, wie das Problem des bewegten Körpers in der Flächenkunst der Malerei zu lösen war, er demonstriert auch, wie Hass, Wut, Zorn, Verzweiflung, also innere Bewegungen, die Körpersprache und Physiognomien der Krieger modellieren. Ein größeres Problem stellt sich, wenn diese innere Bewegung – der „movimento d’animo“ (Alberti) / der „moto della menta“ (Leonardo)28 – eine maßvolle, beruhigte ist. Was die am Kampf um die Fahne Beteiligten bewegt, ist an den Gesichtern hinreichend deutlich abzulesen, doch was bewegt Mona Lisa (Abb. 8) im Inneren? Reinhard Steiner zufolge sind die forcierten Asymmetrien ihres Gesichtes, die nicht zuletzt für das Lächeln der Gioconda verantwortlich sind, Leonardos Absicht verdankt, auch in der stillgestellten Aktion, im Bildnis, den „moto della mente“ an die beobachtbare und analysierbare Oberfläche zu holen. 25

Ripa 1993, 463.

26

Horaz, 1985, 546 (v. 99–104).

27

„Poi moverà l’istoria l’animo quando gli uomini ivi dipinti molto porgeranno suo proprio movimento d’animo. (. . .) que piagniamo con chi piange, e ridiamo con chi ride, e doglianci con chi si duole.“ Alberti, 2002, 130 f. 28 Alberti, 2002, 130, Leonardo, 1882, 298.

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Abb. 7: Rubens, Peter Paul, (nach Leonardo da Vinci), Anghiari-Schlacht (Der Kampf um die Fahne), 1600–1608, Paris, Musée du Louvre

Wenn dem so war, dann beweist eben das, was zuvörderst die Popularität dieses Porträts ausmacht – das Geheimnisvolle – das Scheitern von Leonardos Ambition.29 Bescheidener als Leonardo gestand sein älterer Florentiner Malerkollege Domenico Ghirlandaio die Unfähigkeit des Mediums Malerei ein, Seele und Charakter im Bildnis sichtbar machen zu können. Doch machte Ghirlandaio mit der neben das Profilbildnis der Giovanna Tornabuoni (Abb. 9) eingetragenen, Martial entlehnten Inschrift „Könntest du, o Kunst, auch Charakter und Tugend darstellen, dann gäbe es kein schöneres Bild auf Erden“ 30 gewiss nicht auf sein künstlerisches Unvermögen aufmerksam. Eher sollte das Manko, die unsichtbare Seele und mit ihr den Charakter des Modells unsichtbar lassen zu müssen, die Vollkommenheit in der Wiedergabe des Sichtbaren unterstreichen. 29 30

Steiner, 1982, 305 f. Zit. n. Sammlung Thyssen-Bornemisza, 1986, 116.

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Abb. 8: Leonardo da Vinci, Mona Lisa, um 1503–1506, Paris, Musée du Louvre

Abb. 9: Ghirlandaio, Domenico, Bildnis der Giovanna Tornabuoni, 1488, Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza

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Neben solchen Bescheidenheitstopoi taucht – sicher nicht unbeeinflusst von Leonardos Ambition – in der Künstlertopik der frühen Neuzeit der Anspruch auf, mehr als nur das Äußere sichtbar machen zu können. Pietro Aretino spendete Gemälden Tizians entsprechendes Lob: Die Farben im Bildnis des Francesco Maria delle Rovere enthüllten auch die Männlichkeit seiner Seele, und die Augen des von Tizian gemalten Kaisers Karl V. verrieten Gerechtigkeit und Milde.31 Solches und ähnliches Lob bleibt im Gemeinplatz; als solches ist es wichtig, aber es markiert kein konkretes Gestaltungsziel. Selten konnte auch das der Fall sein. Ein Gedicht des Richard Lovelace, geschrieben im Jahr der Hinrichtung des Königs 1649, rühmt Peter Lely, er habe in seinem Doppelporträt Karls I. mit seinem zweitältesten Sohn Jakob (Abb. 10) auch den „Geist“ erfasst: „Niemand als mein Lely zeichnete je den Geist.“ 32 Das Gemälde entstand 1647 in Auftrag des Herzogs von Northumberland, als Karl I. bereits in Hampton Court unter Arrest stand.33 Jakob überreichte dem Vater möglicherweise eben einen Brief – der Empfang von Briefen war dem König untersagt, gleichwohl konnte aufgrund der Bestechung von Bediensteten insbesondere der Briefverkehr mit der Königin Henrietta Maria aufrechterhalten werden, die von Paris aus für ihren Gemahl und gegen Cromwell agitierte. Die französische Adresse des Briefes in Karls linker Hand könnte auf einen Brief Henrietta Marias hinweisen. Michael Wiemers untersuchte die möglichen Entsprechungen von Lelys Gemälde und Lovelaces Bildgedicht, mit der zurückhaltend geäußerten Folgerung, dass der Dichter die Intentionen des Malers getroffen habe. Über ein Memorialbild für den königstreuen Herzog von Northumberland hinaus habe sich der Künstler darum bemüht, durch die königliche Würde hindurch die von Leid und Sorge „umwölkte Majestät“ 34 sichtbar zu machen. Das, was den König bewegt und als Seelenbewegung vom Betrachter nachgefühlt werden kann, ist freilich nur eingeschränkt an der Mimik ablesbar. Die von Wiemers konstatierten physiognomischen Differenzen zu Van 31

Vgl. Wiemers, 1987/88, S. 255 f. „None but my Lilly ever drew a Minde.“ Zit. u. dt. Übers. n. Wiemers, 1987/88, 250, 265. 33 Hierzu und zum folgenden Wiemers, 1987/88, 258 ff. 34 „clouded Majesty“. Zit. u. dt. Übers. n. Wiemers, 1987/88, 249, 265. 32

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Abb. 10: Lely, Peter, Charles I. mit Jakob, Herzog von York, 1647, Syon House, Slg. des Herzogs von Northumberland

Dycks „Porträt Karls I. in drei Ansichten“ (um 1635), die er als „Ausdruck besonderer psychischer Belastung“ interpretierte, ließen sich auch durch die zwölf Jahre Altersdifferenz begründen. In erster Linie ist es das vom Betrachter gewusste Unsichtbare – die Situation des gefangengesetzten Königs und über den Kenntnisstand Lelys hinausreichend seine zukünftige Hinrichtung – und der nichtsichtbare Text des Briefes, die dem inneren Auge Stoff liefern. Seelenmalerei ist notwendig „unsichtbare Malerei“. Zunehmend wurden Mittel erprobt, die Spuren des unsichtbaren Innen im Außen angemessen darstellen zu können. Ausgehend immer noch von Leonardos Ausdruckskunst unternahm Charles Le Brun in seinem berühmt gewordenen Vortrag vor der Pariser Kunstakademie im Jahr 1668 den Versuch einer Kategorisierung der „Passionen“. Er unterschied sechs elementa24

Abb. 11: Le Brun, Charles, Der Hass, in: Méthode pour apprendre à dessiner les passions..., Amsterdam 1702, Stich von Bernard Picart

Abb. 12: Le Brun, Charles, Der Zorn, in: Sur l‘expression generale et particulaire, Amsterdam / Paris, 1698, Stich von Bernard Picart

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Abb. 13: Le Brun, Charles, Das Entzücken, in: Caracteres des passions, Paris, 1696, Stich von Sébastien Le Clerc

Abb. 14: Le Brun, Charles, Bewunderung mit Erstaunen, Zeichnung, Paris, Musée du Louvre, Cabinet des Dessins

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Abb. 15: Le Brun, Charles, Die Familie des Darius vor Alexander, 1661, Châteaux de Versailles et de Trianon

re Passionen, die sich zu „gemischten Leidenschaften“ kombinieren ließen.35 Zur Veranschaulichung seiner Ausführungen über die „expressions des passions“ fertigte er Zeichnungen an, die den Sonnenkönig in Begeisterung versetzt haben sollen,36 die allerdings erst nach dem Tod des Künstlers im Stich vervielfältigt werden konnten.37 Neben heftigen inneren Bewegungen, wie „Ärger“, „Furcht“, „Hass“ (Abb. 11), „Schmerz“, „Verachtung“, „Zorn“ (Abb. 12), fand Le Brun bildliche Formeln auch für stille Passionen wie „Einfache Liebe“, „Entzücken“ oder „Bewunderung mit Erstaunen“. Es ist offensichtlich, dass erstere eindeutiger sind als letztere. Könnte der Frauenkopf, der das „Entzücken“ zum Ausdruck bringt, nicht ebenso gut für die „Einfache Liebe“ (Abb. 13) stehen? Inhaltlich konkret werden solche stilleren Bewegungen der Seele, wenn sie in einen Handlungszusammenhang eingebunden werden, sich im und aus dem Kontext heraus erklären. Die gemischte „Passion“ „Bewunderung mit Erstaunen“ („Admiration avec étonnement“) (Abb. 14) beispielsweise hatte Charles Le Brun für sein Gemälde der „Familie des Darius vor Alexander“ (1661) (Abb. 15) erfunden, ein Bild, das bis ins 19. Jh. hinein als gemaltes kunsttheoretisches Paradigma galt, und zwar nicht zuletzt wegen der Exemplifizierung der Ausdruckslehre. Als Alexander d. Gr. das Zelt betritt, in dem die Familie und die Diener des besiegten und toten Perserkönigs angsterfüllt ihr Schicksal erwarten, fällt die Mutter des Darius irrtümlich vor Alexanders Begleiter und Freund Hephaistion auf die Knie. Es ist die Großmut Alexanders, der „sagt, dass man sich nicht allzu sehr getäuscht habe, wenn man Hephaistion für ihn gehalten habe, da Hephaistion sein alter ego sei“ 38 , die die junge Frau am rechten Bildrand erstaunt und bewundernd blicken lässt. Le Bruns Ausdruckslehre wurde noch im 19. Jh. benutzt, befolgt, was für sich bereits Indiz für die Schwierigkeit des Unternehmens ist, die Spur des Charakters und der Psyche sichtbar werden zu lassen. Doch seit dem 35

Kirchner, 1991, 33 ff.

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Kirchner, 1991, 37. Kirchner, 1991, 33. 38 „c’est le moment où Alexandre dit qu’on ne s’est pas beaucoup trompé en prenant Ephestion pour luy, parce que Ephestion est un autre luy-mesme.“ Perrault, I, 1688, 226 f. Vgl. Körner, 1989, 145. 37

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späten 18. Jh. war nicht nur ein neues und gesteigertes Interesse an diesem Unternehmen entstanden, sondern auch das Bedürfnis nach mehr Differenziertheit. Die von Johann Caspar Lavater angefachte Leidenschaft für die Physiognomik hatte, unabhängig von der kontroversen Diskussion darüber, ob der Autor tatsächlich, wie im Titel versprochen „zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe“ beitrage, die Sensibilität für Nuancen im Gesichtsausdruck geschärft. Die Wirkung, die Lavaters zwischen 1775 und 1778 publizierten „Physiognomische Fragmente“ auf die bildende Kunst ausübten, hat auch darin seinen Grund, dass Lavater seine Kompetenz bevorzugt an Werken der bildenden Kunst erprobte. Über sein reichhaltiges Bildmaterial verfügte er dabei sehr frei. Aus Rembrandts vielfiguriger Ecce homo-Darstellung beispielsweise (der Zeichner Lavaters wird entweder das heute in der National Gallery, London befindliche Gemälde oder die ein Jahr später datierte Radierung vor Augen gehabt haben) ließ Lavater Christus und sechs der ihn Verspottenden herauslösen und auf dem Blatt eng zusammendrängen (Abb. 16, 17). Im Aufbrechen der räumlichen und narrativen Bezüge traten dank der Isolierung die Physiognomien als einziger Gegenstand der ausführlichen Bildanalyse hervor.39 Sauerländer wies darauf hin, dass sowohl mit solchen Strategien der Entkontextualisierung und Entthematisierung als auch mit der emphatischen Hervorhebung der Ausdrucksfähigkeit von Details im Guten wie im Schlechten Vorbereitungsarbeit für die Auslegungs- und Beschreibungspraxis der Wissenschaftsdisziplin Kunstgeschichte geleistet war.40 Bezeichnend (und zukunftsweisend) für eine gesteigerte Sensibilität auch angesichts von physiognomischen Nuancen war schließlich die Methode Lavaters, gelegentlich zwei oder mehr Varianten einer druckgraphischen Reproduktion abzubilden und die notwendig im Kopierprozess sich einschleichenden Veränderungen der Vorlage ihrerseits physiognomisch zu analysieren. Der zweite Band der „Physiognomischen Fragmente“ enthält ein Blatt mit vier Radierungen nach einem Christuskopf der Slg. Burkhard (Abb. 18). Lavater hatte seinen Zeichner angewiesen, so getreu wie irgend möglich 39 40

Lavater, I, 1775, 86–89. Sauerländer, 1989, passim.

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Abb. 16: Lavater, Johann Caspar, Nach Rembrandt, Ecce homo, in: Lavater, Johann Caspar, Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe, Bd. 1, Leipzig / Winterthur 1775, vor S. 85

Abb. 17: Rembrandt, Ecce homo, 1634, London, The National Gallery

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Abb. 18: Lavater, Johann Caspar, Vier Christusköpfe, in: Lavater, Johann Caspar, Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe, Bd. 2, Leipzig / Winterthur 1776, vor S. 21

viermal denselben Kopf abzuzeichnen und dann nach diesen Zeichnungen Druckgraphiken herzustellen. Die von Lavater bei diesem Auftrag bewusst eingerechnete unüberwindliche Schwierigkeit der perfekten Kopie bewies „wie oft da Unähnlichkeiten sind, wo man ohne scharfe Beobachtung die genaueste Ähnlichkeit zu sehen vermeynt.“ 41 Derartige Experimente hatten den Zweck, zu beweisen, dass selbst kaum merkliche Abweichungen den Ausdruck eines Gesichtes verändern können. Auch Lavater bildete Ausdrucksköpfe Le Bruns ab. Nicht dieser Rückgriff des Physiognomikers auf die Ausdrucksrhetorik der französischen Klassik ist innovativ; ungewöhnlich und zukunftsträchtig war auch in diesem 41

Lavater, II, 1776, 22.

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Abb. 19: Lavater, Johann Caspar, Nach Le Brun, Veneration, Variante 1, in: Lavater, Johann Caspar, Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe, Bd. 1, Leipzig / Winterthur 1775, vor S. 202

Abb. 20: Lavater, Johann Caspar, Nach Le Brun, Veneration, Variante 2, in: Lavater, Johann Caspar, Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe, Bd. 1, Leipzig / Winterthur 1775, vor S. 203

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Fall der Umgang mit den Bildbeispielen. Die „Ehrfurcht“ Le Bruns ist mit zwei Stichvarianten in Lavaters „Physiognomische Fragmente“ aufgenommen (Abb. 19, 20). Der aufmerksame Betrachter Lavater notierte, dass im zweiten Blatt die „Augenbraun (. . . ) merklich weniger expressif“ seien; das Feld zwischen den Augenbrauen sei so um Geringes erweitert, was „der Stirn etwas mehr Größe“ gäbe.42 Dass in dieser zweiten Stichkopie der Frauenkopf intelligenter erscheine, werde unterstützt dadurch, dass der „äußerste Umriss der Nase hier etwas weniger stumpf“ sei, was „noch etwas mehr Verstand und Gemüthsfestigkeit auszudrücken (scheint).“ Auch jungfräulicher sehe der fromme Kopf im zweiten Stich aus, weil der Mund „von vorne anzusehen schmäler, zugleich (. . . ) die Oberlippe weniger hart (ist)“. Allerdings nehme „die durch die Gewalt des Aezwassers gewirkte Härte und Schwärze zwischen beyden Lippen“ diesem Kopf „alle Anmuth.“ 43 Lavater war Aufklärer, und die aufklärerische Aufgabe, dem Dunklen so viel als möglich an Sichtbarem zu entreißen, wurde von ihm in paradigmatischer Weise geleistet. Lavaters Physiognomik radikalisierte das alte Anliegen, das Innerliche und als Inneres Unsichtbare zum sichtbaren Außen zu machen. Doch das nun so radikal dem Projekt der Sichtbarmachung Unterworfene büßte seine Unsichtbarkeit bei dieser Unterwerfung nicht ein; es kam im Gegenzug sogar zu einer neuen Betonung der Unsichtbarkeit des Unsichtbaren. Die nicht eindeutigen, die Wahrnehmung und die künstlerische Umsetzung dieser Wahrnehmung deshalb besonders herausfordernden „anmuthigen Leiden“ – den Begriff hatte Bobrik 1834 vorgeschlagen, um die Ähnlichkeit und Differenz der sentimentalen Rührung und des Pathetischen zu benennen44 – hatten Konjunktur, deshalb weil sie der erstrebten Modellierung der Leidenschaften zum Gemäßigten hin entsprachen, aber auch deshalb, weil sie komplexer, uneindeutiger waren, als ‚laute‘ Affekte wie Wut, Zorn, Hass, Neid usw. In Gang gebracht hatte Lavater eine Leidenschaft für mimische Nuancen, die die Differenzierung soweit trieb, dass man sich 42

Lavater, I, 1775, 202. Lavater, I, 1775, 203. 44 Bobrik, 1834, 205. 43

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bereits fragen kann, ob die Ambition des Sichtbarmachens des Unsichtbaren gelegentlich nicht ins nicht mehr anschaulich Nachvollziehbare geführt wurde, soweit, dass die pathognomische und / oder physiognomische Ambition sich selbst widerlegt. Nur ein Beispiel dafür, wie die Radikalisierung des Anliegens der Sichtbarmachung des Unsichtbaren dazu tendiert, sich selbst aufzuheben, soll im folgenden vorgestellt werden. In der sprachlich umständlichen „Theatik“ Johann Paesters (1807) wird nach der „leidenschaftslose(n) Basis“,45 d. h., dem Zustand der mimischen Leidenschaftslosigkeit gesucht, denn nur von dieser neutralen „Basis“ aus ließen sich selbst minimale Abweichungen als Expressionen erkennen. Und um die totale Erkenntnis des Inneren im Äußeren ging es. „(E)ingedrungen zu seyn in die Verborgenheit jeder Seelenbezeichnung“46 – diese Exkursion ins verborgene Innere setze „eine Sehkunst der Sehkunst“ voraus, in die die „Theatik“ Paesters einführen will. Das ambitionierte Projekt des Verfassers reduzierte sich auf „das einzige Menschen-Angesicht (. . . ), welches in dem einfachen und scheinbar beschraenkten Kreise seiner Grundzüge dem Sehsinn unerschoepfliche Rede gewaehrt, Regung und Seelenbewegung vom leisesten Beginnen an bis zur leidenschaftlichen Hoehe“.47 Doch selbst in diesem „beschraenkten Kreise“ verengte sich die Ambition des Autors wiederum darauf, das Verhältnis des oberen und unteren Augenlids und die jeweilige Beziehung zur Augenbraue zu analysieren. Exakt müsse beobachtet werden, „ob, vom aeußern und hoechsten Schnitte des obern Augenliedes an bis zur Bogenlinie der Augenbraue, ein Sechstheil oder ein Fünftheil einer Augenlaenge, mehr und weniger des eines oder des andern Theils, anzunehmen sey; und zweitens, ob jene Bogenlinie, in gedachten beiden Punkten, nicht mit gedachten beiden Punkten der Augenwinkel abwaerts wenigstens gleichweit entfernt, wo nicht in jenem Punkte oberhalb dem aeußern Augenwinkel etwas gesenkt zu waehlen sey: denn ausser Zweifel koennte ohne genaue Berichtigung dieser Verhältnisse die leidenschaftliche Sprache des menschlichen Auges in der Kunst nicht anders als unbestimmt und ohne kritische Leitung bleiben.“ 48 45

Paester, 1807, 116. Paester, 1807, 110. 47 Paester, 1807, 112 f. 48 Paester, 1807, 119 f. 46

34

Die Analyse ist von ermüdender Ausführlichkeit, aber sie erlaubt u. a. – nach Auskunft des Verfassers – die genauere Wahrnehmung der „Blicke der Liebe und der Sympathie“, die sich in der Weise zu erkennen gäben, „wie das untere Augenlied in zarter Stufe sich aufschmiege, das obere Augenlied sich niederschmiege (um) die schoenste Versinnlichung zu bilden.“ 49 Anschaulich nachvollziehbar dürften solche Nuancen kaum mehr sein. Nicht allein die Komplexität der Physiognomie und der Pathognomie ließ das Sichtbare ins Unsichtbare umschlagen. Das Geschäft der „Seelenmalerei“ als solches kollidierte im Anspruch mit dem ontologischen Status der Seele. Als „Schleyer und Werkzeug der abgebildeten Gottheit“ hatte Lavater den menschlichen Körper gepriesen. Im „menschlichen Antlitz“ offenbare sich „wie in einem Zauberspiegel, die gegenwärtige, aber verborgne Gottheit“.50 Diese Offenbarung Gottes in der menschlichen Physiognomie verglich Lavater mit dem Lichtstrahl der „unanschaubare(n) Sonne im kleinen trüben Wassertropfen“. Nur getrübt, oder wie er im folgenden Satz variierte, „verschattet“, bringt die „grobe Erdgestalt“ des (irdischen) Menschen das Göttliche zur Erscheinung. Wie Ernst Benz überzeugend darlegte, ist die in solchen Aussagen unverkennbar religiöse Ambition von Lavaters „Physiognomische Fragmente“ nachhaltig von den Offenbarungen des „Geistersehers“ Swedenborg geprägt worden.51 Die Entsprechungen, die zwischen dem Geisterreich und der für uns sichtbaren Welt walten, verglich Swedenborg mit den physiognomischen Entsprechungen zwischen dem Innen des „Gemüthes“ und dem Außen des „Antlitzes“.52 Mit dem Vergleich stellte Swedenborg mehr als nur eine Analogie her: der Unvollkommenheit der sichtbaren Welt im Verhältnis zur Vollkommenheit der jenseitigen, unsichtbaren korrespondiert die Unmöglichkeit, im Diesseits die physiognomischen Entsprechungen von Innen und Außen vollständig wahrnehmen zu können. Erst im Jenseits zeige sich im feinstofflichen Antlitz das wahre Gesicht. „Dieses wahre Gesicht stellt das Endergebnis seiner inneren Entwick49

Paester, 1807, 121. Lavater, I, 1775, 4. 51 Benz, 1938, passim. Vgl. Herrmann, 1994, 8. 52 Benz, 1938, 163 f. 50

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lung dar, das sämtliche Entwicklungsstufen in sich enthält. Eben dies ist das Gericht.“ (Benz)53 Mit einiger Notwendigkeit musste Lavater deshalb den wissenschaftlichen Anspruch seiner Physiognomik auf der höchsten Stufe transzendieren: Die Physiognomik „wird werden die Wissenschaft der Wissenschaften, und dann keine Wissenschaft mehr seyn – sondern Empfindung, schnelles Menschengefühl!“ 54 Wer diesen transwissenschaftlichen Schritt nicht gehen kann, dem kann die „sichtbare Oberfläche mit dem unsichtbaren Inhalt“ 55 nicht in vollständiger Deckung erscheinen. Überhaupt stellt sich der Eindruck ein, dass die verstärkten Bemühungen der Physiognomen, aber auch ihres Gegners Lichtenberg – nur eben mit der Betonung der Pathognomik – um die Aufdeckung des Innerlichen im Außen, einhergehen mit einer zunehmenden Mystifizierung eben dieses Innen-Außen-Verhältnisses. „Was für ein unermesslicher Sprung von der Oberfläche des Leibes zum Innern der Seele!“ (Lichtenberg)56 . Friedrich Schlegel sah es als wichtigste Verpflichtung des Malers, „das beseelte Gefühl (. . . ) klar an das Licht hervortreten“ zu lassen. „(D)ie Seele muß so zu sagen, selbst leuchtend und als ein Licht sichtbar werden.“ 57 Doch dieses „Licht der Seele“ ist unsichtbar; es entzieht sich dem „sinnliche(n) Auge“ ebenso wie dem „Gedanke(n)“. „Jenes Licht der Seele (. . . ) ist nur der wahren Liebe zugänglich“.58 In diesem Sinne forderte zwar auch Carl Seidel, der Porträtist müsse den „physiognomischen Ausdruck“ als Entsprechung zum „inneren Grundwesen der dargestellten Person“ erfassen, doch dem „an der äußeren Form gleichsam wie blind tappende(n) leibliche(n) Auge“ würden „die charakteristischen Züge der Seele“ eben gerade nicht sichtbar, sondern „durchaus nur einer lichteren Seele“.59 53

Benz, 1938, 193. Lavater, I, 1775, 55. 55 Lavater, I, 1775, 13 54

56

Lichtenberg, 1972, 260. Schlegel, Friedrich, Über die deutsche Kunstausstellung, 1959, 260. 58 Schlegel, Friedrich, Über die deutsche Kunstausstellung, 1959, 262. 59 Seidel, II, 1828, 588. 57

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Gleich seinem Lehrer Hegel sah es Heinrich Gustav Hotho als Aufgabe nicht der Skulptur, sondern der „modernen“ Gattung der Malerei an, „denjenigen Ausdruck des Gemüths (. . . ) faßbar zu machen, welcher vom Innersten her durch Blick, Spiel der Lippen und feinste Seelenzüge überhaupt herausdringt“.60 Descartes, dem Charles Le Bruns Ausdruckslehre verpflichtet war, hatte diesen Vorgang mechanistisch – als Wirkung der in der Zirbeldrüse beheimateten „Lebensgeister“ – beschrieben,61 hatte andererseits aber auf der substantiellen Differenz der unsichtbaren und immateriellen Seele zum sichtbaren materiellen Körper bestanden. Wie anders liest es sich, wenn Hotho „die innersten Gemüthszustände, wie ein Duft der Seele, um die ganze Gestalt“ „schweben“ sieht. Die physiognomisch verkörperte und malerisch darzustellende Entsprechung von Innen und Außen ist zugleich das Indiz ihrer Trennung: Ausdruck „umschwebt“ „(. . . ) die ganze Gestalt als ein geistiger Hauch der vom Leibe freiwerdenden Seele.“ 62 Zu konstatieren ist also kein einliniger Fortschritt im Prozess der Visualisierung des Nichtsichtbaren, sondern eine wechselseitige Steigerung von Visualisierung und Verbergung. Diese Dialektik setzte die junge Düsseldorfer Malerschule durchaus konsequent in bildkünstlerische Spannung um. À la longue wurde die Konsequenz nicht gewürdigt. Die Kunst der Klassischen Moderne beschrieb sich auf ein Telos hin, das sich im Rückfall auf das faktisch Sichtbare erfüllt. Das Unsichtbare in der Kunst aufzuheben, dies vorweg, gelang auch und gerade der sich selbstbezüglich gerierenden Klassischen Moderne nicht, aber es gelang ihr zumindest ansatzweise, das Unsichtbare unsichtbar werden zu lassen. Die Strategie war nicht zuletzt deshalb erfolgreich, weil sie sich rückversichern konnte in der Deutschen Klassik. Eingespannt zwischen dem modernen Postulat der Selbstreferentialität der künstlerischen Mittel und Goethes Postulat einer selbstverständlichen künstlerischen Symbolsprache musste es für die Düsseldorfer Malerschule ungemütlich werden.

60

Hotho, 1842, 51. Vgl. Kirchner, 1991, 35. 62 Hotho, 1842, 51. 61

37

Die Selbstverständlichkeit des Sichtbaren und das selbstverständliche Unsichtbare „Mein Gemälde beruht auf der Tatsache, dass nur dasjenige anwesend ist, was auch gesehen werden kann.“ 63 Frank Stellas Bekenntnis zur Selbstbezüglichkeit des Kunstwerks ist gleichermaßen ein Bekenntnis zur Autonomie des Kunstwerks. Beides fungiert als Ausschlusskriterium. Autonomie des Kunstwerks fordert Ausschluss von Fremdbezügen, Selbstbezüglichkeit schließt das Unsichtbare im Sichtbaren aus. Besser gesagt: Ästhetische Autonomiebehauptung und künstlerische Selbstreferentialität sollen sich ausschließen. Es ist vermutlich immer noch richtig, dass „niemand bei klarem Verstand (. . . ) ein Kunstmuseum (besucht), um irgend etwas anderes zu verehren als Kunst oder um irgend etwas anderes als Kunst zu erfahren.“ 64 (Ad Reinhardt) Doch „Kunst als Kunst“ (Reinhardt) ist keine Tautologie, sondern ein Referenzsystem. Ohne Heteronomie, ohne Verweis auf ein Anderes des anwesend Sichtbaren ist Kunst nicht Kunst. Voraussetzungen für die Diskriminierung des Unsichtbaren in der Moderne liefert Johann Heinrich Meyers und Johann Wolfgang von Goethes programmatischer Aufsatz in den „Propyläen“: „Ein Bild rührt uns, als Kunstwerk betrachtet, nur durch das, was wirklich dargestellt ist. Was wir uns dabey denken, gehört nicht ihm, sondern uns an.“ 65 Meyer und Goethe waren sich im Klaren, dass ein Kunstwerk nicht radikal mit sich selbst zusammenfallen kann; nicht alles was nicht Kunst ist, schlossen sie deshalb aus dem Verweisungszusammenhang aus, sondern alles, was nicht im Umkreis des Allgemein-Menschlichen liege, somit inhaltlich nicht soweit allgemein-verbindlich und allgemein-gewusst sei, dass Form mit Inhalt sich im Symbol treffen könne: „Man fordert von einem jeden Kunstwerke, daß es ein Ganzes für sich ausmache, und von einem Werke der bildenden Kunst besonders, daß es sich selbst ganz ausspreche. Es muß unabhängig seyn, die vorgestellte Handlung, der Gegenstand muß, im Wesentlichen, ohne äussere Beyhülfe, ohne Nebener63

Zit. n. Brough, 2009, 210. Reinhardt, 2003, 995. 65 Meyer / Goethe, I, 2, 1965, 59. 64

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klärung, die man aus einem Dichter oder Geschichtsschreiber schöpfen müßte, gefaßt und verstanden werden.“ 66 „(O)hne Nebenerklärung“ verständlich durften am ehesten Bildthemen gelten, die selbstverständlicher Teil der Alltagserfahrung aller waren. Das Madonnenbild nahm für Meyer und Goethe deshalb einen bevorzugten Platz unter „allen uns bekannten Mythen der bildenden Kunst“ ein. Im „Symbol der Mutterliebe, des gemüthlichsten, reinsten und zartesten Triebes im Menschen“ fallen Signifikant und Signifikat zusammen, „denn wir haben ja von der Mutterliebe keinen höhern, keinen schönern Begriff als die Mutterliebe selbst.“ 67 So schrumpfte denn für Goethe bereits das Bedeutungsspektrum eines Correggio zugeschriebenen Marienbildes (Abb. 21), das er am 22. März 1787 in Neapel sah, auf das Thema der „Entwöhnung Christi“ zusammen, da „das Kind (. . . ) zwischen der Mutter Brust und einigen Birnen, die ihm ein Engelchen darreicht, zweifelhaft ist.“ 68 Unabhängig davon, dass auch die Erlösungshoffnung, die sich in einer Darstellung der „Madonna del Latte“ an das Motiv der entblößten Mutterbrust band, eine existenzielle ist, darf man zweifeln, ob der beschworene „reinste und zarteste Trieb (. . . ) im Menschen“ ausreicht, um in Correggios Gemälde eine Mutter in der Phase des Abstillens erkennen zu können. Diese Interpretation „gehört“ doch wohl sehr viel weniger „ihm“, dem Kunstwerk, als vielmehr Goethe selbst an. Und vollends als hinfällig erwies sich das Ideal des sich selbst aussprechenden Bildes in den mit dem Adjektiv „gesucht“ noch freundlich charakterisierten Bildthemen, die Goethe von 1799 bis 1805 in den „Propyläen“ für die „Weimarer Preisaufgaben“ vorgab. „(O)hne äussere Beyhülfe, ohne Nebenerklärung“ konnten die Aufgaben von den sich um den Preis Bewerbenden nicht gelöst, und die eingereichten Zeichnungen nicht verstanden werden.69 Meyers und Goethes Postulat einer selbstverständlichen Malerei in den „Propyläen“ blieb nicht unwidersprochen. In seinen „Vorlesungen über die Meyer / Goethe, I, 1, 1965, 21. Meyer / Goethe, I, 1, 1965, 51. 68 Goethe, Italienische Reise, 1981, 217 f. Vgl. Scholl, 2007, 262. 69 Vgl. Busch, 1985, 25 f. 66 67

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Abb. 21: Correggio, Madonna del Latte, um 1525, Budapest, Szépmuvészeti Múzeum

Ästhetik“ verwarf es August Wilhelm Schlegel als „irrig“.70 Die Bezugnahme der Malerei auf etwas außerhalb ihrer selbst Liegendes sei kein Argument gegen die Selbständigkeit des Bildes als gemaltes Bild. „Alle nachbildende Kunst bezieht sich ja auf die Bekanntschaft mit ihren Vorbildern in der Natur“, weshalb eine Landschaftsdarstellung Ruysdaels für den notwendig unverständlich bleibe, der nie einen wirklichen Baum gesehen hat.71 Schlegels Vergleich scheint zwingend, doch übertragen auf die Historienmalerei impliziert dieser Vergleich, dass das vom Künstler dargestellte Thema dem 70 71

Schlegel, August Wilhelm, 1989, 353. Schlegel, August Wilhelm, 1989, 354.

40

Betrachter ähnlich vertraut sein müsse, wie der Baum als Gegenstand der natürlichen Umwelt des Menschen. Diese Bedingung sah August Wilhelm Schlegel nur in der Mythologie erfüllt. Die „Mythologie (. . . ) ist eine wahre Erweiterung unserer Weltansicht, eine poetische Natur in der realen“. Da quasi ‚natürlich‘ dürfe die Kenntnis der mythologischen Stoffe vorausgesetzt werden – die Referenz des Malers auf das Außerbildliche sei bei der Mythologie ebenso zulässig wie die Referenz des Landschaftsmalers auf den natürlichen Baum. Mit dieser Analogisierung von Mythologie und Natur ließ sich selbst die Darstellung wenig geläufiger Stoffe aus der Mythologie rechtfertigen: So wie wir „mit Leichtigkeit“ „Naturgegenstände“, die uns unvertraut sind, zumindest „ungefähr“ gattungsmäßig zuordnen können, so gelingt uns das auch, wie Schlegel versichert, vor unvertrauten mythologischen Geschichten.72 Insofern trafen sich August Wilhelm Schlegel und die von ihm kritisierten Autoren der „Propyläen“ darin, dass sie jeweils, wenn auch jeweils anders, das Unsichtbare im Kunstwerk als das Natürliche legitimierten. August Wilhelm Schlegels Glaube an das „Natürliche“ und insofern Selbstverständliche des Mythos wird heute wohl von niemandem mehr geteilt. Mythologie ist Bildungsgut, und unter den Bildungsgütern nicht einmal mehr ein sonderlich prominentes. Das Problem, das Schlegel gegen Goethe in die Debatte brachte, ist gleichwohl ungebrochen aktuell. Bilder verweisen, insofern sie Bilder sind. Ein monochromes Bild, das im 20. Jh. wiederholt erfunden wurde, fällt – anders als es ein reaktionärer Vorwurf will – mit der einfarbigen Tapete nicht zusammen. Die Differenz ist nicht notwendig eine sichtbare: Monochrome Kunst ist nicht einfarbig, sondern verweist auf Farbe. Anders als die Tapete ist das monochrome Gemälde Teil der „Kunstwelt“ (Arthur Danto). Es ist nicht etwas faktisch Gegebenes, sondern etwas, das immer schon von etwas anderem handelt. „Aboutness“ stiftet die Nichtidentität.73 Das sich selbst aussprechende Bild hat es nie gegeben.

72 73

Schlegel, August Wilhelm, 1989, 354 f. Danto, 1991, 20, 207 f.

41

Frank Stella bestand gleichwohl darauf: „Mein Gemälde beruht auf der Tatsache, dass nur dasjenige anwesend ist, was auch gesehen werden kann.“ 74 Er konnte nur deshalb so weit gehen, weil ihm die „Kunstwelt“ eine ähnlich natürliche war wie für Goethe (und Meyer) das Allgemein-Menschliche und für Schlegel die Welt des Mythos. Insofern Stella die unsichtbare Anwesenheit der „Kunstwelt“ nicht reflektierte, sondern Identität behauptete – Identität des faktisch Anschaulichen und des ästhetisch Wahrnehmbaren – verweigerte er sich der Einsicht, dass auch und gerade die angemessene ästhetische Wahrnehmung seiner Werke nur gelingen kann, wenn sie sich auf das „Spiel zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren“ 75 einlässt. Akzeptiert man, dass die dem ‚Reinheitsgebot‘ verpflichtete Autonomieästhetik der klassischen Moderne76 auf einer Täuschung über das Angewiesensein der Objekte der Kunst auf die „Kunstwelt“ (Danto) bzw. auf das Kunstsystem (Luhmann) beruht, dann darf man den Vorwurf der „unsichtbaren Malerei“ auch dann affirmativ umkehren, wenn das Unsichtbare sich nicht gegen den Willen des Künstlers in der Kunsterfahrung meldet, sondern genuiner Bestandteil der künstlerischen Konzeption ist.

Die Malerei und das „unsichtbare Auge“ der Dichtkunst Die Düsseldorfer Malerschule im Jahr 1828 Alberti hatte, als er die deutliche Ausformulierung der „seelischen Bewegungen“ forderte, vom Historienbild („istoria“) gesprochen. In diesem Sinne dachte noch Hegel psychischen Ausdruck in der Kunst und Geschichtsbild zusammen. Die eigentliche Aufgabe der Malerei fange dann an, „wenn sie aus der beziehungslosen Selbstständigkeit ihrer Figuren und dem Mangel an Bestimmtheit der Situation herausgeht um in die lebendige Bewegung menschlicher Zustände, Leidenschaften, Konflikte, Handlungen in stetem Verhältniß zu der äußeren Umgebung ein(zu)treten (. . . ).“ Daher die Forderung an die 74

Zit. n. u. vgl. Brough, 2009, 210. Vgl. Brough, 2009, 212. 76 Cheetham, 1991. 75

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Malerei, „daß sie die Darstellung der Charaktere, der Seele, des Innern nicht so zu liefern habe, wie sich diese innere Welt unmittelbar in ihrer äußeren Gestalt zu erkennen giebt, sondern durch Handlungen das, was sie ist, entwickelt und äußert.“ 77 Hegels Forderung hatte einen Adressaten: die junge „sogenannte düsseldorfer Schule“, die 1828, ein Jahr vor Hegels Vorlesungen über die Ästhetik, in Düsseldorf, in Leipzig, vor allem aber in Berlin für Aufsehen gesorgt hatte.78 Die sentimentale Malerei und die „unsichtbare Malerei“ der Düsseldorfer begann eine führende Rolle im Diskurs über die Kunst zu übernehmen, blieb aber von Beginn an umstritten. Mit Johann Christian August Grohmann, Professor der Philosophie in Hamburg, hatten die Düsseldorfer zwar einen Verteidiger der Sentimentalität gefunden,79 hinsichtlich der seit 1828 kritisch diskutierten Adaption dichterischer Vorwürfe in der Malerei stand auch Grohmann auf der anderen Seite. Die „unendlichen Bilder der dichterischen Einbildungskraft“ könnten, wie Grohmann Schiller paraphrasierte, keinesfalls von einer „räumlich begrenzten Kunst“ wie der Malerei „wiedergegeben werden“: „Das unsichtbare Auge der Dichtung ist ein anderes, als das sichtbare der Malerei.“ 80 Grohmanns Opposition ist semantisch unscharf. Man kann vom „unsichtbare(n) Auge der Dichtkunst“ sprechen, insofern es kein äußeres, sondern ein nach innen gerichtetes ist, doch gemeint ist wohl eher, dass das Auge der Dichtkunst Unsichtbares wahrnimmt und wahrnehmbar macht, wohingegen das Auge der Malerei – ohne für sich selbst, d. h., für den Maler, sichtbar zu sein – Sichtbares zum Gegenstand hat. Wenn bei einem geachteten Gelehrten wie Grohmann Subjekt und Objekt, Sichtbarsein und Unsichtbarsein derart durcheinander geraten, dann ist diese Un77

Hegel, 1928, 82. Vgl. Pochat, 1986, 511. Hegel, 1928, 84. Nicht diskutiert wird an dieser Stelle die Frage, ob, und wenn ja in welchem Maße Heinrich Gustav Hotho als Herausgeber von Hegels Ästhetik bei der Bewertung der „Düsseldorfer Malerschlule“ sein eigenes Urteil in den Vorlesungstext des Lehrers hineinschrieb. Dazu: Gethmann-Siefert, 1984, passim. 79 Grohmann, 1830, 154 ff. Die Rehabilitierung sentimentaler Malerei ist längst fällig. Von Solomons polemischer, gleichwohl berechtigter Verteidigung des Sentimentalen in der Literatur (Solomon, 2004) ließe sich Manches für die Verteidigung der sentimentalen Malerei borgen. 80 Grohmann, 1830, 214. 78

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schärfe auch ein Indiz für die Subjektivierung des Objektiven, bzw. für die Objektivierung des Subjektiven, mithin für die Nähe des Sichtbaren und Unsichtbaren. Mit der Düsseldorfer Akademieausstellung vom August 1828 legte Schadow Rechenschaft über das seit seinem Amtsantritt im Jahr 1826 Geleistete ab; sie fungierte zudem als Generalprobe für den Auftritt der Düsseldorfer Malerschule bei der Ausstellung, die für den September 1828 in Berlin angesetzt war. Mit dieser Akademieausstellung in der Preußischen Hauptstadt war die Reputation der Malerschule gesichert.81 In Gang gesetzt war aber auch eine kontroverse Diskussion über das Unsichtbare in der Malerei, d. h. über den Überschuss, den die Lektüre eines Werks der Dichtung gegenüber dem aus der dichterischen Vorlage herausgegriffenen, in seiner Signifikanz notwendig beschnittenen gemalten Moment hat, und über die Darstellbarkeit von Ausdruck bei ganz oder annähernd stillgestellter Handlung. Welcher Begriff von Malerei steht dahinter, wenn sich das „unsichtbare Auge der Dichtkunst“ und das „sichtbare der Malerei“ verbünden? Gefühlsausdruck war für Hegel nicht ein antikes, sondern ein „modernes“ Kunstproblem und insofern Angelegenheit der „modernen“ Kunst der Malerei. Die Malerei war für Hegel ihren höchsten Bestimmung nach Historienmalerei; emotionaler Ausdruck als Darstellungsgegenstand durfte deshalb seinen Ort nur in der Bilderzählung haben. Unternahm es die Malerei, die gattungsspezifische Handlungsarmut der „antiken“ Skulptur mit dem „modernen“ Postulat einer expressiven Kunst zu verbinden, musste Hegel das als Widerspruch empfinden. „(B)loße Innerlichkeit“ sei in der Moderne „ausschließlich nur für die Poesie darstellbar“. Das nicht berücksichtigt zu haben, warf Hegel den Düsseldorfern vor. „Gewöhnlich stellten die vorzüglichten Gemälde je ein Liebespaar dar, Romeo und Julia z. B., Rinald und Armide, ohne nähere Situation, so daß jene Paare gar nichts thun und ausdrücken, als ineinander verliebt zu seyn, also sich zu einander hinneigen und recht verliebt einander anzusehen, recht verliebt dreinzublicken. Da muß sich denn natürlich der Hauptausdruck in Mund und Auge konzentrieren, und besonders hat 81

Immermann, 2002, 29 f.

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Abb. 22: Sohn, Carl Ferdinand, Rinaldo und Armida, 1828, Düsseldorf, Museum Kunstpalast

Rinaldo eine Stellung mit seinen langen Beinen, bei der er eigentlich, so wie sie daliegen, nicht recht weiß, wo er mit hin soll.“ 82 Die Kritik Hegels betraf Carl Ferdinand Sohns „Rinaldo und Armida“ (Abb. 22), das sich an die folgende Passage aus dem Epos Tassos hält: „Der laue West theilt ihres Busens Schleier, / und Zephir spielt in ihrem Haar, das ihn umschwebt. / Sie schmachtet sanft und die entflammten Wangen / bleicht 82

Hegel, 1928, 84 f.

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holder Schweiß, der ihr Gesicht belebt. / Im feuchten Augen funkelt voll Verlangen / ein Lächeln, wie der Strahl im Wasser lebt. / Sie beugt sich über ihn, der seine Augen voll Glut erhebt, die Schönheit einzusaugen.“ 83 Ist das mit dem Pinsel sichtbar zu machen, und falls ja, welchen Anteil nimmt der im Bild notwendig unsichtbar bleibende literarische Kontext? Zeitgenossen scheuten nicht davor zurück, Carl Ferdinand Sohn mit dem größten venezianischen Meister der Farbe, mit Tizian, zu vergleichen. Soweit muss man nicht gehen, um Sohn konzedieren zu dürfen, dass er in diesem Gemälde nicht nur bemerkenswerte koloristische Qualitäten entfaltete, sondern darüber hinaus in seiner Farbgestaltung ein Äquivalent zum Bildinhalt gefunden hat. In die Landschaft sind die Körper Rinaldos und der bestrickenden Zauberin Armida eingebettet. Aus diesem schattengrünen Farbgrund entfaltet sich in zunehmender Steigerung – vom kühlen Blau im Gewand Rinaldos über das warmfarbige Inkarnat bis zum glühenden Rot der Zauberin – das Kolorit, wobei diese Steigerung durchaus inhaltlich, nämlich als Entfaltung der Liebe, die Armida in Rinaldo erweckt, erfahren werden kann. Für Hegel und die Mehrzahl seiner kunstliterarischen Zeitgenossen wären solche koloristischen Äquivalenzen, wenn sie denn wahrgenommen worden wären, nicht zureichend gewesen. Die Diskrepanz zwischen der reicheren Vorstellung, die sich der Leser von der Liebesszene in Torquato Tassos „Gerusalemme liberata“ aufbaut, und dem Gemälde wurde von Ernst Toelken trotz seiner offenkundigen Eingenommenheit für Sohns Bild notiert und als Schwächung des ästhetischen Eindrucks moniert. „Tasso begeisterte ihn zu einer Darstellung zweier Liebenden: diese ist ihm gelungen; nur lag darin kein Grund, sie Rinaldo und Armide zu nennen.“ 84 Das Unsichtbare, der Kontext, in den Tasso in seinem Epos die Liebeszene einfügte, hätte also als glückliche Anregung zurückgelassen und in der Imagination des Betrachters ausgeblendet bleiben sollen. Nur wenn wir, was Goethe grundsätzlich verworfen hatte, „uns dabey denken“, dass Armida mit ihren Zauberkünsten Rinaldo bezirzt hat, öffnet sich die anonyme Liebesszene auf das konkre83 84

Tasso, 1800–1803. Zit. n. Die Düsseldorfer Malerschule, 1979, 441 f. Toelken,1828, 252 f.

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te literarische Liebespaar. Toelken schlug vor, diese Öffnung durch Verallgemeinerung und Entkontextualisierung zu schließen, Amalie von Helvig plädierte demgegenüber für den Versuch der Konkretisierung. Sie stimmte denjenigen zu, die den Vorwurf erhoben, „daß weder Armida noch Rinaldo zu erkennen sey. Am wenigsten scheint mir die erste der Vorstellung einer liebenden, aber auch mächtigen Zauberin zu entsprechen.“ Die Kritikerin gab dem Maler die Empfehlung, er hätte das literarische Thema zumindest „in den Beywerken“ andeuten sollen.85 Auf ein weiteres Unsichtbares kam Toelken nebenher zu sprechen: In welchem Maße er die Liebesszene als erotisch erfuhr, macht seine Bildbeschreibung hinreichend deutlich: Rinaldo „schlingt sehnsüchtig Arm und Hand um ihre Hüften“, sein Gesicht trage den „Ausdruck des glühendsten Verlangens“, die Körperhaltung des Liebenden verrate „das ganze Feuer (. . . ) welches ihn verzehrt“. „(W)eiblich gemildert“ wiederhole sich der leidenschaftliche Ausdruck bei Armida. „(Z)war sucht ihr Auge nicht so brünstig das seinige, aber sichtbar freut sie sich der Leidenschaft, die sie einflößt“. Gleichwohl, „die sittsame Kleidung nimmt der Gruppe das Schlüpfrige“. Diese Entschärfung gilt dem Kritiker zufolge freilich nur für die „Darstellung, aber keinesfalls für die Phantasie, was indess hier zu der Aufgabe gehört.“ 86 Schicklichkeit verbannt zu deutliche sexuelle Hinweise in das Gebiet des Unsichtbaren, aus dem diese gleichermaßen anregend wie entlastend zum Bildbetrachter zurückkommt. Dass das Unsichtbare in der Malerei nicht nichts ist, bedarf vor erotischen Bildern keiner weiteren Bekräftigung. Angreifbar waren die Exponate der Düsseldorfer auch deshalb geworden, weil Dichtung, „moderne“ Dichtung zumindest, als nicht allgemein verständlich galt. Unabhängig von der antiromantischen oder romantischen Grundhaltung der Kritiker, stimmte die Referenz der Düsseldorfer Bilder des Jahres 1828 auf Poesie weder zur Forderung nach dem selbstverständlichen Kunstwerk in der Programmschrift Goethes und Meyers noch zu August Wilhelm Schlegels Apologie des Mythos. Sie stimmte ebenso wenig zu Friedrich Schillers System, das „Alte“ und „Moderne“, das „Naive“ und 85 86

Helvig, 1829, 34 f. Toelken,1828, 252.

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das „Sentimentale“, „Begrenztheit“ und „Unbegrenztheit“, „Bildende Kunst“ und „Dichtung“ ausbalanciert. Schiller hatte das grundsätzliche Problem des Begrenzten und des Unbegrenzten im Kunstwerk reflektiert, in Korrespondenz zum Naiven und zum Sentimentalen gesetzt, die Dichotomie wiederum zum Unterscheidungskriterium von Antike und Moderne, wobei Schiller allerdings die Möglichkeit des Naiven in der Moderne nicht ganz ausschloss. „(D)ie Stärke des alten Künstlers (bestehet) in der Begrenzung“. Eben daraus erklärt sich nach Schiller „der hohe Vorzug, den die bildende Kunst des Altertums über die der neueren Zeit behauptet, und überhaupt das ungleiche Verhältniß des Werths, in welchem moderne Dichtkunst und moderne bildende Kunst zu beyden Kunstgattungen im Altertum stehen. Ein Werk für das Auge findet nur in der Begrenzung seine Vollkommenheit; ein Werk für die Einbildungskraft kann sie auch durch das Unbegrenzte erreichen.“ 87 Insofern Schiller der Kunst des „alten“ („naiven“) Künstlers Begrenztheit attestierte, dem „modernen“ („sentimentalen“) Künstler Unbegrenztheit, brachte er „alte“ und „moderne“ bildende Kunst und Dichtkunst in eine je andere Relation. Da Bilder begrenzt sind, muss die Begrenztheit des „naiven“ Bildkünstlers notwendig den Vorrang über den „sentimentalen“ haben, wohingegen die gattungsspezifische Potenz der Dichtkunst, die Einbildungskraft des Lesers in Unendliche zu entgrenzen, der „modernen“ Dichtkunst – trotz Homer – den Vorsprung sichert. Auch von dieser Position her musste der Versuch der Düsseldorfer auf den Ausstellungen des Jahres 1828 kritisch gesehen werden. Andererseits ließ sich aus Schillers Abwertung der begrenzten „modernen“ Bildkunst im Gegenzug auch die Handlungsanweisung zur Konzeption einer unbegrenzten „modernen“ Bildkunst ableiten. Dieser Konzeption wird die „unsichtbare Malerei“ der Düsseldorfer Malerschule verpflichtet sein. Dazu später. Kritisch sieht Toelkens Bericht über die Berliner Kunstausstellung von 1828 die eingestandene und dem Bildbetrachter als Mitwissen aufgenötigte Verbildlichung eines literarischen Stoffes auch in Theodor Hildebrandts 87

Schiller, 1962, 440.

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„Abschied Romeos von Julia“. Mehr noch als bei Sohns Gemälde nach Goethes „Tasso“ „stört hier die Erinnerung (an die literarische Vorlage, d. V.) den Genuss.“ Zwei Liebende, aber nicht Romeo und nicht Julia, seien dargestellt.88 Julius Hübners „Der Fischerknabe und die Nixe“ (Abb. 23) nach Goethes Gedicht „Der Fischer“ erschien Toelken als „eine der schwierigsten (Aufgaben)“, doch sah er die Aufgabe in diesem Fall „glücklich gelöst.“89 Nicht alle teilten das positive Urteil des Herausgebers des „Berliner-Kunstblattes“, brachte doch gerade Hübners Gemälde als Übersetzung von Dichtung in Malerei die autonomen Sprachmöglichkeiten der Malerei an ihre Grenze. Vorlage war Goethes „Fischer“, den das Sprechen und Singen der Nixe bezaubert und den, weil er die „Fischlein“ mit „Menschenwitz und Menschenlist hinauf in Todesglut“ gelockt hatte, nun seinerseits das „feuchte Weib“ in die nasse Tiefe lockt. „Das Wasser rauscht, das Wasser schwoll, / Netzt ihm den nackten Fuß; / Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll / Wie bei der Liebsten Gruß. / Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm, / Da war’s um ihn geschehn: / Halb zog sie ihn, halb sank er hin / Und ward nicht mehr gesehn.“ 90 Neben Wilhelm Schadows „Mignon“ und Carl Ferdinand Sohns „Rinaldo und Armida“ wurde Hübners „Fischerknabe“ zum Hauptgegenstand der kunstliterarischen Auseinandersetzung. In seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Berliner Kunstvereins berichtete Wilhelm von Humboldt vom „gerechte(n) und ungetheilte(n) Beifall, den die Bilder des Herrn Hübners und Herrn Sohn auf der akademischen Kunstausstellung gefunden haben“.91 „Er dichtet, wie je ein Maler, sein Fischer ist ein schönes sinnvolles Gedicht“, rühmte Willibald Alexis im „Kunst-Blatt“ das Werk des jungen Malers, setzte aber einschränkend hinzu, „aber nun und nimmermehr Goethe’s Fischer“.92 Dass ein Gedicht nicht restlos in ein gemaltes Bild aufgehen kann, daran konnte für keinen der Rezensenten Zweifel herrschen. Zur 88

Toelken,1828, 252. Toelken,1828, 251. 90 Goethe, I, 1981, 153 f. 89

91 92

Humboldt, Kunstvereinsbericht vom 30. Dezember 1828, VI, 1907, 90. Alexis (= Höring), 1829, 98.

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Abb. 23: Hübner, Julius, Der Fischerknabe und die Nixe, 1827/28, Berlin, Alte Nationalgalerie

Frage stand, wie viel der Maler sichtbar machen konnte und ob es überhaupt im handlungsarmen Zweifigurenbild sichtbar zu machen war. Die Diskussion in der Kunstkritik der Ausstellung von 1828 über Hübners „Fischer“ soll im folgenden zusammengefasst werden. Das erzwingt eine langatmige Reihung von Quellentexten, vermittelt aber einen Eindruck vom Umgang der zeitgenössischen Kunstbetrachter mit den Problemen und den Möglichkeiten der „unsichtbaren Malerei“ der Düsseldorfer Malerschule. Der Vorzug der Malerei vor der Skulptur, „dieß reiche Moment des Ausdrucks (ergreifen)“ zu können, dürfe nicht dazu verführen, den Ausdruck als Ausdruck zu isolieren, also „nicht das Feuer oder die schwimmende Mattigkeit und Sehnsüchtigkeit des Auges oder die süßliche Freundlichkeit des Mundes sich ohne alle Motive zum Hauptaugenmerk des Ausdrucks (zu) machen“. (Hegel) Dieser Gefahr sei, wie Hegel rügte, Hübner bei der Übertragung von Goethes Gedicht erlegen.93 Anstelle der „unbestimmten Sehnsucht nach der Ruhe, Kühlung und Reinheit des Wassers“ zeigten die beiden Bildfiguren „nichts als die Nervengereiztheit, Schmächtigkeit und Krankhaftigkeit der Liebe und Empfindung überhaupt, die man nicht reproduciert sehen, sondern von der man wie im Leben so auch in der Kunst vielmehr gern verschont bleiben will.“ 94 Als Hegel in seiner Ästhetik-Vorlesung auf die Ausstellung des Vorjahres zurückblickte, wird er die Lektüre eines wenig älteren Textes mitbedacht haben.95 Romeo Maurenbrecher, der seine Rezension der „Gemäldeausstellung in Düsseldorf im August 1828“ mit der Initiale M. signierte, hielt den Versuch Hübners, die bei Goethe sich zunehmend bis zum Untergang des Jünglings steigernde Lockung der Nixe in Malerei zu bringen, für „gänzlich verfehlt. Die Nixe hätte zu diesem Ende mehr als feuchte Liebessehnsucht und jene fatale, lüsterne Geschlechtssentimentalität in Blick und Geberde tragen müssen.“ 96 Hegels Ekel war hier vorformuliert. Deutlicher als Hegel meldete Maurenbrecher die Desiderata an: „Durch die glatten Züge ihrer Freundlichkeit mußte nothwendig die Schadenfreude und das Gefühl (der Rache, d. V.) durchleuch93

Hegel, 1928, 85. Hegel, 1928, 85. 95 Vgl. Monschau-Schmittmann, 1993, 141. 96 Maurenbrecher, 1828, 328. 94

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ten (. . . ). Statt dessen ist eine üppigschöne schmachtende, verlangende Blondine (dargestellt, d. V.). (. . . ) Das feuchte Weib taucht bis an die Hüften aus dem bewegten Wasser hervor, und sich nach dem Fischer hinneigend, nezt sie mit der Rechten seinen nackten Fuß, sucht sie mit der Linken ihn zu haschen.“ 97 Muss man notwendig den Blick und die Geste der Nixe so verstehen? Spricht aus ihrem Blick nur ungemischtes sexuelles Verlangen, und ist der Griff ihrer linken Hand ein „(H)aschen“, dem das Herunterziehen in die feuchte Tiefe unmittelbar folgen wird? Nimmt der Jüngling in Hübners Bild die Wasserfrau überhaupt körperlich wahr – in Goethes Gedicht ziehen ihn nur das Sprechen und Singen an und hinab? Dass eine sehr andere und affirmative Bildbeschreibung im Rahmen des Möglichen war, bestätigt die Ausstellungsbesprechung Ernst Heinrich Toelkens: Nicht „haschen“ sah er die Nixe nach dem Jüngling, sondern „das leiseste (. . . ) Anfassen“. „Ein zarteres Nahen ist sicherlich kaum denkbar, wenigstens nicht darzustellen“. Welchem Beobachter will man Recht geben? Anders als Maurenbrecher sah Toelken im Antlitz der schönen Nixe keineswegs nur „die glatten Züge ihrer Freundlichkeit“: „So einladend ihr Antlitz auf den Knaben gerichtet ist, blitzt doch aus den Augen ein Feuer, das verräth, sie drohe Gewalt, wenn er nicht freiwillig folge.“ „Krankhaftigkeit der Liebe und Empfindung“ (Hegel) und „feuchte Liebessehnsucht und (. . . ) lüsterne Geschlechtssentimentalität“ (Maurenbrecher) vermochte Toelken auch nicht zu erkennen; gerade dies, „den Schein zu vermeiden, als sei hier ein Annähern der Liebe dargestellt“, lobte der Rezensent als Hauptverdienst Hübners: „(K)ein Irrtum ist möglich. Der Knabe blickt nicht auf die Nymphe sondern scheint nur mit innerer Lust auf ihre Lockung zu hören; ihre Züge sprechen auch keine Liebe aus: der Mund ist mehr zum Singen als zur Rede geöffnet, besonders aber ist jenes leise leichte Berühren des Knaben bedeutsam. Die Liebe faßt ihren Gegenstand mit ganz anderer Innigkeit.“ 98 97

Maurenbrecher, 1828, 328. Karl Immermann verteidigte die Düsseldorfer Exponate gegen die Kritik. In den Gemälden Schadows und seiner Schüler auf der Ausstellung von 1828 sehe „der mit gesundem Blick begabte Beschauer etwas mehr (. . .), als Herrn M’s ‚süßliche Sentimentalität‘ und ‚Modellstudium‘“. Immermann, 1829, 12. 98 Toelken, 1828, 251.

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Amalie von Helvig versprach „vermittelst einfach genauer Schilderung“ dem Leser des Schornschen „Kunst-Blattes“ ein unabhängiges Urteil zu ermöglichen. Sie sah die Nixe den Fuß des Knaben „zugleich mit der leichten Welle leis berührend, indeß ihre erhobene Linke die seine schmeichelnd ergreift.“ Des Fischers Gesichtsausdruck und die „holdnachlässige (. . . ) Stellung (. . . ) lassen uns billig im Zweifel ob der der Erscheinung selbst, oder nur des allmächtigen Zaubers ihrer Nähe bewußt sey“.99 Im weiteren Verlauf der Besprechung tendiert die Verfasserin zu Letzterem: „(D)er Knabe scheint nur die laue Luft zu fühlen, die ihren bläulichen Schleier bläht“, und „(i)hr leuchtendes Auge blinkt ihm vielleicht nur als Welle, worin sich die Sonne spiegelt“.100 Das von Teilen des Publikums kritisch angemerkte sehr jugendliche Alter des Fischers rechtfertigte Amalie von Helvig als gelungenen Versuch des Malers, in der Darstellung den von Hegel und Maurenbrecher verurteilten sexuellen Appell zu verdecken:„Schwerlich wäre der Nixe Annäherung uns so geistig zart, so hold schmeichlerisch und züchtig zugleich erschienen, wenn des Fischers Alter nicht jene Unbefangenheit zuließe, die über das Ganze gleichsam einen jungfräulichen Schleier breitet.“ 101 Die gelegentlich sogar widersprüchlichen Beobachtungen, die die Ausstellungsbesprechungen zu Julius Hübners „Fischerknaben“ mitteilen, wecken Zweifel, ob Hübner die Aufgabe, Goethes Gedicht eine gemalte Entsprechung zu geben, tatsächlich „glücklich gelöst“102 habe, wie es Heinrich Toelken behauptet hatte. Wie Toelkens Lob vermutlich zu verstehen ist, verdeutlichte Carl Seidel im 10. Heft von Toelkens „Berliner-Kunstblatt“. Seidel bekräftigte das positive Urteil Toelkens, formulierte aber eine wichtige Einschränkung. Bilder wie Hübners „Fischerknabe und Nixe“ werde dem Betrachter sehr wohl „auch ohne nähere Kenntniss der Dichtung verständlich“, doch dies nur unter der Bedingung der Emanzipation des Gemäldes von der Dichtung und der Verallgemeinerung des Dargestellten. Aus Goethes „Fischer“ gehe „eine selbständige malerische Dichtung“ hervor, „etwa unter 99

Helvig, 1829, 33. 1829, 34. 101 Helvig, 1829, 34. 102 Toelken,1828, 251. 100 Helvig,

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dem Namen ‚die Nymphe und der Fischer‘.“ 103 Goethes Insistieren auf dem von sich her verständlichen Werk der bildenden Kunst motivierte also wohl auch die affirmativen Kritiker zu ihren deskriptiven Anstrengungen, dem Sichtbaren so viele Informationen als irgend möglich unter Ausblendung der ‚unsichtbaren‘ poetischen Quelle zu entlocken. Die zitierten Beschreibungen müssen sich deshalb zunächst, ehe das Unsichtbare die Verbindlichkeiten aufhebt, vor dem Bild bewähren: Was den Griff der Nixe an die Hand des Fischers betrifft, ist zuzugeben, dass sich ein „zarteres Nahen“ recht gut vorstellen lässt – auch in gemalter Form. Doch ob ihre Linke dabei ist, den Fischer zu „haschen“ (Maurenbrecher) oder ob sie seine Hand doch nur „schmeichelnd ergreift“ (Helvig) muss offen bleiben. Was die Blickrichtung des Fischers anbelangt – der Knabe blickt an der Nixe vorbei, scheint tatsächlich von ihrer Stimme, nicht von ihrem Körper angezogen, doch eine Wette darauf wird man wohl nicht eingehen wollen. Vollends dem subjektiven Ermessen fällt anheim, ob man den Blick der Nixe als nur freundlich, verliebt, lüstern, versteckt schadenfroh oder rachsüchtig deuten will. Im Blick der Nixe sammelt sich die Unbestimmtheit des Bildes, die zugleich Öffnung ist, Öffnung für die Phantasie des Bildbetrachters, Ort des Nachvollzugs des Nichtanschaulichen in der Sprache der Kunstliteratur. Dass die Diskussion der Möglichkeit oder Unmöglichkeit der malerischen Umsetzung von Dichtung sich noch vor Hübners „Fischerknaben“ und vor Sohns „Rinaldo und Armida“ auf Schadows „Mignon“ (Abb. 24, 25) konzentrierte, hat nicht allein mit Schadows Rolle als chef d’école zu tun. Schadow hatte die Messlatte hoch gelegt. Nicht nur die Übersetzung von Poesie in Malerei hatte er sich zur Aufgabe gestellt, sondern die Übersetzung eines im literarischen Vorwurf nicht nur mehrdeutigen, sogar widersprüchlichen Charakters. Wilhelm Meister kauft einer Seiltänzergruppe die ungebärdige, als Knabe gekleidete Kindfrau Mignon ab, die ihren Retter liebt, ohne wiedergeliebt zu werden. Spät wird aufgedeckt, dass der in Wilhelms Theatergruppe aufgenommene Harfner Mignon unwissentlich im inzestuösen Verkehr mit 103 Seidel,

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Ueber W. Schadow’s Mignon, 1828, 284.

Abb. 24: Kopie nach Schadow, Wilhelm, Mignon, um 1828, Berlin, Schloss Charlottenburg, Schinkel-Pavillon

seiner Schwester gezeugt hatte. Mignon, bereits dem Tode nahe, wird von Natalie ausersehen, eine Rolle im Rahmen einer Geburtstagsfeier zu spielen. Verkleidet als Engel soll Mignon die Geschenke überbringen und auf diesem Wege gleichzeitig darüber aufklären, dass das, was die beiden Zwillingsmädchen „aus dem Munde der Bauerkinder (. . . ) von Engeln, vom Knechte Ruprecht, vom heiligen Christe vernommen, die zu gewissen Zeiten in Person erscheinen, gute Kinder beschenken und unartige bestrafen sollen“, seine natürliche Ursache in Verkleidungen habe. Mignon, die diese Verkleidungen mit ihrer Verkleidung entlarven soll, verwandelt sich dabei selbst. Gekleidet in ein „langes, leichtes, weißes Gewand“, versehen mit „ein(em) Paar großer goldener Schwingen“ und „einer Lilie in der einen und mit einem Körbchen in der anderen“ erlebt Mignon ihre Verkleidung als Vorschein ihres Todes und des 55

Abb. 25: Schadow, Wilhelm, Mignon, 1828, Leipzig, Museum für bildende Künste

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jenseitigen Lebens. Obwohl das Interesse der Kinder an der Travestie bald nachlässt, will sie sich nicht von ihrem Kostüm trennen, nimmt ihre Zither und singt: „So laßt mich scheinen, bis ich werde, / Zieht mir das weiße Kleid nicht aus! / Ich eile von der schönen Erde / Hinab in jenes feste Haus.“ 104 Mit der als Engel maskierten Mignon die ganze Geschichte dieser vielschichtigen Figur und dieser komplexen Szene in Malerei zu übersetzen, darf als kühnes Unterfangen bezeichnet werden, und es spricht für die Ambitionen des neuen Düsseldorfer Akademiedirektors, sich mit eben dieser Aufgabe in diesem für seine Schule entscheidenden Jahr 1828 positioniert zu haben. Die Mehrzahl der zeitgenössischen Besprechungen standen dem Unternehmen kritisch bis ablehnend gegenüber.105 A. Wendt zufolge, der 1828 in Leipzig die von Maximilian Speck von Sternburg bestellte erste Fassung (gemalt Ende 1827 oder Anfang 1828106 ) sah, lag die grundsätzliche „Schwierigkeit“ darin, „das, was dem Dichter im Werden und in der Entwicklung vollkommen zu schildern verstattet ist, als ein Gewordenes zu zeigen“.107 Aller Anerkennung für Schadows Leistung zum Trotz konstatierte Wendt, dass sich die von Goethe in die Gestalt der Mignon hineingelegten Widersprüche eben doch nur sukzessive, und das heißt, im Medium der Dichtung und nicht in der Malerei angemessen darstellen ließen.108 In einer zweiten, für Michael Beer gemalten, heute verlorenen Fassung des Themas hatte Schadow seiner Mignon eine Schriftrolle mit der ersten Liedzeile („So laßt mich scheinen, bis ich werde“) in die Hand gegeben. Romeo Maurenbrecher zufolge, der diese Fassung der „Mignon“ anlässlich der Akademieausstellung 1828 in Düsseldorf besprach, tat der Maler dies mit der Absicht, „unserer Imagination ziemlich schwerfällig nachzuhelfen“. Unnachsichtiger als Wendt konstatierte Maurenbrecher Schadows Scheitern bei dem Versuch, dem komplexen Charakter der Mignon und der Komplexität der Situation ein anschauliches Analogon zu geben: Die „höchst schwie104 Goethe,

Wilhelm Meisters Lehrjahre, 1981, 514 f. Übersicht über die zeigenössischen Stellungsnahmen gibt Grewe, 2002, 318 ff. 106 Grewe, 2002, 318. 105 Eine

107 Wendt, 108 Wendt,

1828, 406. 1828, 406.

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rige Aufgabe (. . . ) (war) der Maler nur unvollkommen zu lösen im Stande“. Und dass Schadow zudem noch „glaubt (. . . ) Mignon’s Stimmung, die ihr Gesicht nicht deutlich verrathen konnte, dadurch allegorisch andeuten zu müssen, daß er eine geknickte Lilie zu ihren Füßen stellt“, beweise nur, „welche Noth bey Erfindung dieses Bildes war.“ 109 Hegel schließlich, der sein Urteil ebenfalls vor der für Beer gefertigten Replik und anlässlich der Berliner Akademieausstellung dieses Jahres 1828 fällte,110 befand, ein „solches volles Konvolut (an widerstreitenden Leidenschaften, an widersprüchlichen, Mignon selbst nur unzureichend bewussten Empfindungen, d. V.) kann nun wohl vor unserer Phantasie stehn, aber die Malerei kann es nicht, wie Schadow es gewollt hat, so ohne Bestimmtheit der Situation und der Handlung einfach durch Mignon’s Gestalt und Physiognomie darstellen.“ 111 Willibald Alexis (Höring) nahm das Bild – auch er bezog sich auf die in Berlin gezeigte Fassung – gegen die Kritiker in Schutz: „Der Tadel, gegründet oder ungegründet, nimmt ihm nicht die Poesie, welche aus dem Himmelsgesichte spricht“. Das Poetische sah er nur gestört durch prosaische Details, wie die Oberfläche der Gitarre und vor allem „die schweren Flügel, die das Kind drücken, statt zu erheben“.112 Nun ist aber gerade letzteres Goethes Text durchaus konform: Natalie, die die Travestie inszenierte, wollte „(a)nfangs (. . . ) die Flügel weglassen, doch bestanden die Frauenzimmer, die sie anputzten, auf ein Paar großer goldner Schwingen an denen sie recht ihre Kunst zeigen wollten.“ Und Mignon selbst beantwortet die Frage der Kinder nach ihren Flügeln mit dem Hinweis auf die unvollkommene Entsprechung von Zeichen und Bedeutung: „Sie stellen schönere vor, die noch nicht entfaltet sind.“ 113 Weiß man das, dann entschärft das die Kritik, aber man muss es eben wissen. So wie überhaupt Schadows „Mignon“ weniger noch als die als gemalte Literatur kritisierten Gemälde seiner Schüler von der Text109 Maurenbrecher,

1828, 323. sei, dass auch hinsichtlich des negativen Urteils, das die Druckfassung der „Vorlesungen über die Ästhetik“ über Schadows „Mignon“ fällt, Gethmann-Siefert zufolge die Urheberschaft bei Hotho liegt. Gethmann-Siefert, 1984, 267 f. 111 Hegel, 1928, 85 f. Vgl. Grewe, 2002, 319, Grewe, 2004, 188 ff. 110 Notiert

112 Alexis,

1829, 98. Wilhelm Meisters Lehrjahre, 1981, 515.

113 Goethe,

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vorlage abgekoppelt werden kann. Die Forderung Seidels, die im Gemälde dargestellten „Situationen (müssen) rein für sich dem Schauer, auch ohne nähere Kenntniss der Dichtung, verständlich werden können, und einer großen Verallgemeinerung fähig sein“, ist von Schadows „Mignon“ nicht zu erfüllen. Seidels Hinweis auf die Strategie der Verallgemeinerung als Bedingung der Möglichkeit der Selbst-Verständlichkeit des im Bild Dargestellten paraphrasiert Meyers und Goethes Grundsatzerklärung einer symbolischen Kunst, und eben deshalb (und vermutlich mit Referenz auf die – ungesicherte – Mitteilung Amalie von Helvigs, Goethe sei die zweite, ganzfigurige Version als Geschenk zugekommen, und der Dichter habe „selbst sich mit des Künstlers Leistung als vollkommen einverstanden erklärt“ 114 ) musste er soweit gehen zu sagen, dass selbst wenn Goethe „damit zufrieden sei“, das von der Dichtung gestaltete „Seelenbild“ der Mignon doch „unmöglich“ sich „dem ganzen Umfang nach wiederfinde in dem einen räumlichen Momente der Malerei.“ 115 Die 1828 ausgestellten Bilder der Düsseldorfer stehen im Zeichen der künstlerischen Veröffentlichung psychischer Zustände bei weitgehend stillgestellter Handlung. Und sie waren „ohne äussere Beyhülfe, ohne Nebenerklärung, die man aus einem Dichter oder Geschichtsschreiber schöpfen müßte“ 116 (Goethe), schwer zu würdigen. Beides läuft in Parallelaktion auf ein künstlerisches Projekt hinaus, das Unsichtbarkeit als Teil des Sichtbaren am Kunstwerk nicht allein – mehr oder weniger notgedrungen – zulässt, sondern ausdrücklich thematisiert. Die Zustimmung, die die Bilder beim Publikum gefunden hatten, die Zustimmung schließlich von Seiten des Berliner Kunstvereins, dessen Erster Vorsitzender, Wilhelm von Humboldt, vom „gerechte(n) und ungeteilte(n) Beifall“ berichtete, „welchen die Bilder der Herrn Hübner und Herrn Sohn auf der akademischen Kunstausstellung gefunden haben“, und der bedauerte, dass der Kunstverein diese Werke nicht erwerben konnte,117 haben ermutigt, die ablehnenden Urteile haben nicht entmutigt, das Projekt weiterzuverfolgen. 114 Helvig,

1829, 33. Ueber W. Schadow’s Mignon, 1828, 284, Seidel, Charinomos, II, 1828, 530. 116 Meyer / Goethe, I, 1, 1965, 21. 117 Humboldt, Kunstvereinsbericht vom 30. Dezember 1828, VI, 1907, 90 f. 115 Seidel,

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Das Bild über seine Grenzen hinaus zu aktivieren, diese Unternehmung hatte sich gegen mächtige Gegner zu behaupten. Sie stand gegen die Selbstbesinnung der Bildkünste auf ihre Grenzen, die Gotthold Ephraim Lessing eingezogen hatte („Laokoon oder Über die Grenzen der Malerei und Poesie“, 1766)118 , gegen Goethes Postulat einer Malerei, die sich selber ausspreche, nicht erst dann „gefaßt und verstanden werden“ könne, wenn man „Dichter oder Geschichtsschreiber“ konsultieren müsse; sie stand gegen August Wilhelm Schlegels Glaube an ein gleichsam natürliches Themenfeld, auf das Malerei unbedenklich referieren dürfe. Und sie stand eben auch gegen die alte und von Hegel und den Seinen wiederbelebte Forderung, dass die „Darstellung der Charaktere, der Seele, des Innern“ nur in der höchsten Gattung der Malerei, der Historienmalerei, und nur als Vollzug von Handlung angemessen sei. Cordula Grewe plädierte für die klandestine Modernität Wilhelm Schadows und seiner ersten Schülergeneration in Düsseldorf, weil sie sich mit ihren gemalten Dichtungen für eine „hybride“ Konzeption von Kunst entschieden, sich so in Opposition zur klassizistischen Doktrin der zu respektierenden Gattungsreinheit gesetzt hätten.119 Auf diesem Seitenweg der Moderne ließ sich die Antinomie von Antike und Moderne, von Schiller gefasst in die Antinomie von begrenzt und unabgeschlossen, von plastisch und poetisch, aufheben: Aus Schillers Bestimmungen des Naiven und des Sentimentalischen ergab sich, wie erwähnt, mit einiger Notwendigkeit die Vorstellung von der Überlegenheit der Antike in der Bildenden Kunst und einem Vorzug der Neueren auf dem Feld der Poesie. Im „Reichthum des Stoffes, in dem, was undarstellbar und unaussprechlich ist“, lassen die „sentimentalischen“ neueren Dichter die „alten“ hinter sich.120 Schellings Ästhetik greift Schillers Unterscheidung des begrenzten sichtbaren und des unbegrenzten poetischen Kunstwerks auf und lässt die Gegensätze koinzidieren: Insofern es Synthese von Natur und Freiheit, bewusster und bewusstloser Tätigkeit ist, ist in der Begrenztheit des Kunstwerks „gleichsam eine Unendlichkeit dar118 Dazu

v. a. Grewe, 2002, 308 ff. 2002, 309 ff. 120 Schiller, 1962, 440. 119 Grewe,

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gestellt, welche ganz zu entwickeln kein endlicher Verstand fähig ist.“ 121 Daraus folgt die grundsätzliche Unabgeschlossenheit des Verstehens von Kunst. „So ist es mit jedem wahren Kunstwerk, indem jedes als ob eine Unendlichkeit von Absichten darin wäre, einer unendlichen Auslegung fähig ist, wobei man doch nie sagen kann, ob diese Unendlichkeit im Künstler selbst gelegen habe, oder aber bloß im Kunstwerke liege.“ 122 Wenn man Schillers und Schellings ästhetiktheoretische Reflexionen bezogen auf eine mögliche künstlerische Praxis las, und wie anders sollten Künstler solche Texte auch gelesen haben, dann ergab sich die oben angedeutete mögliche Handlungsanweisung: 1. die Konzeption eines im allgemeinen und im besonderen Sinne poetischen Bildes, das begrenztes Bildwerk und das unbegrenzte „Werk für die Einbildungskraft“ in eins bildet. 2. die Erfindung von bedeutungsoffenen Bildern, die wenn auch nicht gerade unendlich viele Interpretationen, aber ersatzweise zumindest mehrere zulassen. Die „poetischen“ Gemälde, mit der die Düsseldorfer Maler 1828 Aufsehen und Kritik erregten, lassen sich in diesem Sinne als Versuch der Überführung von Schellings Definition des „Charakter(s) des Kunstprodukts“ in konkrete Bilder verstehen, als Versuch somit, auch in der künstlerischen Praxis Schillers Abwertung der („modernen“) begrenzten Bildkunst zu widerlegen. Dieser Variante der Moderne war kein langes Nachleben beschieden. Die Selbstbezüglichkeit der künstlerischen Mittel, die für die „Klassische Moderne“ konstitutiv werde sollte, errichtete weitaus rigidere Schranken zwischen Wort und Bild als Lessings „Laokoon“. Wenn also die klassizistische Selbstbesinnung der Bildkünste auf ihre Grenzen die Düsseldorfer „Seelenmalerei“ problematisch erscheinen ließ, so musste sich das ästhetische ‚Reinheitsgebot‘ der „Klassischen Moderne“ für die fortuna critica der Düsseldorfer Malerschule verheerend auswirken. Die „Klassische Moderne“ ist längst (Kunst-)Geschichte geworden. Was danach kam – wie immer man diese andauernde Phase der nachklassischen Moderne benennen will –, favorisiert 121 Schelling, 122 Schelling,

1927, 619. 1927, 620.

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Entgrenzung bis hin zur Transgression und zur Hybridität, steht insofern unbefangen der Begegnung von Wort und Bild gegenüber. Und war es nicht bereits in der Endphase der „Klassischen Moderne“, zu der man die Conceptual Art doch wohl noch rechnen darf, dass die Sorge, das materielle Kunstprodukt hinke dem Denken nach, radikal zugunsten des Denkens entsorgt wurde? Die zu erwartende Aufwertung der „unsichtbaren Malerei“ der Düsseldorfer hat bislang allerdings weder die Conceptual Art noch die Postmoderne geleistet.

Carl Friedrich Lessing und das „stereotyp gewordene Brüten“ Im Winter 1828/29 hatte der erst zwanzigjährige Carl Friedrich Lessing mit Vorarbeiten für das „Trauernde Königspaar“ (Abb. 26) begonnen, das er 1830 vollendete. Gemalt wurde das großformatige Bild in Auftrag des Preußischen Kunstvereins zu Berlin. 1831 kaufte es die russische Zarin Feodora. Welchen Eindruck das Werk des frühreifen Schadow-Schülers hinterließ, dafür spricht bereits die Reaktion des Berliner Kunstpublikums, als die Meldung eintraf, ein schweres Feuer habe im Petersburger Winterpalast gewütet. Die erste Frage sei gewesen, so erfahren wir von Adolf Rosenberg, ob Lessings „Trauerndes Königspaar“ zerstört worden sei.123 Eine aufschließende und aufschlussreiche Beschreibung des Bildes unternahm Graf Athanasius Raczynski 1836 im ersten Band seiner „Geschichte der neueren deutschen Kunst“: „In einer Halle von schwerer Byzantinischer Architektur sitzen auf einer Steinbank, die mit der Wand einer Nische zusammenhängt, König und Königin; der greise erhabene Fürst etwas gewendet, ganz aufrecht, die Hände im Schooß übereinander schlagend, stier vor sich hinschauend. Das ist gewaltiger, wilder, aber starrer Schmerz, löwenartiger Grimm, Hader mit dem Schicksal, dessen Unbegreiflichkeit es nur erträglich macht. Sein Gemahl, sprachlos neben ihm sitzend, mit geneigtem Antlitz im Schmerz für sich vertieft, lehnt sich an ihn, legt ihre Hand über die seinen, tröstend und Trost suchend. Stiller aber tiefer ist ihr Schmerz, dessen Starrheit sich schon in Nachsinnen und Wehmut löst. Aber die Gedanken sind brennend, sie stehen still und verwirren sich in dem schönen, schweren Haupt; an das umflorte Haupt drückt 123 Rosenberg,

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1889, 371.

Abb. 26: Lessing, Carl Friedrich, Das trauernde Königspaar, 1830, St. Petersburg, Eremitage

die Königin schmerzlich ihre Hand, gleichsam um innen dem Druck und Gewühl dumpfer Gedanken zu wehren. So tief und wahr ist das Bild empfunden, der Beschauer muß von einer Empfindung ergriffen werden, selbst wenn sie ihm noch fremd sollte geblieben sein. Mehr Concentration des Geistes auf Einen Punkt hat man nie, kaum in einem alten Bilde gesehen. – Aber warum trauert 63

das fürstliche Paar? Hinten, wo sich die Halle auf die in schwachem Abendroth erhellte See öffnet, sieht man in einem Corridor einen Katafalk stehen; ein Myrtenkranz ruht darauf, kein Wort zur Erklärung wird weiter vermißt (. . . )“.124 Die Beschreibung Raczynskis ist bemerkenswert, weil sie scheinbar traditionelle Bestimmungen und Leistungen der Historienmalerei auf dieses Gemälde bezieht: Den Betrachter zum Mitfühlen anzuregen, ist eine auf Alberti zurückreichende Leistung und Anforderung des Historienbildes; die „Concentration (. . . ) auf Einen Punkt“, die Athanasius Raczynski vor dem Gemälde rühmte, gehört ebenso zur traditionellen Fassung der Historienmalerei wie die letztlich der Dramentheorie des Aristoteles verdankte Ganzheit und Vollständigkeit der Erzählung: „(K)ein Wort zur Erklärung wird weiter vermißt“. Solche Bestimmungen finden hier jedoch Anwendung auf eine Darstellung, die die Verpflichtungen gegenüber der Tradition des von Alberti zuerst theoretisch formulierten Historienbildes aufgekündigt hat. Zum Mitfühlen regt das Bild den Betrachter in der Tat an, aber es ist ein Mitfühlen mit Gefühlen, die bei sich bleiben, die also nicht einen Handlungszusammenhang motivieren. Konzentriert „auf Einen Punkt“ ist das Bild sicher, aber bei Lessing ist es die Einheit der Stimmung und des Gefühls. „(K)ein Wort zur Erklärung“ von Lessings Gemälde hatte Graf Raczynski „vermißt“. Anderen ging das anders. Karl Gutzkow kritisierte, dass die „Situation (. . . ) nur verstanden werden (konnte), wenn man Uhland’s Gedicht als Commentar dazu nahm.“ 125 Karl Immermann lieferte auf Vermittlung von Heinrich Heine126 1833 für die Zeitschrift „L’Europe littéraire“ den französischen Lesern einen Überblick über die deutsche Malerei des 19. Jh. – gipfelnd in der „Ecole de Dusseldorf“.127 Lessing wurde in dieser Publikation als „eminente plastische Begabung“ charakterisiert.128 Seiner Beschreibung des 124 Raczynski,

1836, S. 125 f. 1879, 253. 126 Karge, 1997, 133. 125 Gutzkow,

127 Immermann, 128 „un

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2002, 26 ff.

talent éminemment plastique“. Immermann, 2002, 29.

„Trauernden Königspaares“ gab Immermann die letzten Strophen von Wilhelm Uhlands Gedicht „Das Schloss am Meer“ in deutsch und in französischer Übersetzung mit: „Sahest du oben gehen / Den König und sein Gemahl? / Der roten Mäntel Wehen, / Der goldnen Kronen Strahl? // Führten sie nicht mit Wonne / Eine schöne Jungfrau dar, Herrlich wie eine Sonne, / Strahlend im goldnen Haar? // Wohl sah ich die Eltern beide, Ohne der Kronen Licht, / Im schwarzen Trauerkleide; / Die Jungfrau sah ich nicht.“ 129 Diese Verse sind, so Immermann, der Gedanke, dem Lessing mit den Mitteln seiner Kunst Ausdruck gegeben habe.130 Trotz dieser Hilfestellung rätselte Hippolyte Fortoul, der 1841 für seine französischen Landsleute eine Geschichte der Kunst in Deutschland verfasste, darüber nach, wer wohl im Sarg liegen könne. Der Sohn des Königspaars?131 Aufgabe könnte es nun sein, eine ikonographische Klärung durchzuführen. Man könnte auf den Artikel von Lucanus im Schornschen „Kunst-Blatt“ hinweisen,132 auf Wilhelm Füsslis Beschreibung der „wichtigsten Städte am Mittel- und Niederrhein“ 133 , die ebenfalls Uhlands Gedicht als Anregung für Lessings Gemälde nennen. Zu nennen wäre auch Thiersch, der sich mit dem Gemälde im Rahmen seiner Besprechung der Berliner Akademieausstellung im „Kunst-Blatt“ auseinandersetzte. Thiersch kam auf das Problem der Übersetzung von Dichtung in Malerei zu sprechen, das zwei Jahre vorher von den Düsseldorfern aufgeworfen worden war und nun mit Lessings großformatigem Bild erneut zur Diskussion stand: „Das Bild ist nach Uhlands Gedicht ‚Das Schloß am Meere‘ gemacht, und eben dieses ist daran zu tadeln.“134 Es gab nur wenige, die sich diesem Tadel anschlossen. Stattdessen wurde in der Mehrzahl der Texte zur Akademieausstellung von 1830 die Relevanz von Uhlands Gedicht für das Gemälde relativiert.

129 Uhland,

2008, 26 f.

130 Immermann,

2002, 29 f.

131 Fortoul,

1841, 471. 132 Lucanus, 1839, 186 f. 133 Füssli,

1843, 593. 1831, 15.

134 Thiersch,

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„Wenn man das Uhlandsche Gedicht liest, so fragt man sich mit Verwunderung, wie daraus ein Bild entstehen könne?“ 135 Der Vorsitzende des Preußischen Kunstvereins, Wilhelm von Humboldt, beantwortete seine Frage umgehend, indem er Lessing gleich Sohn (der mit dem „Raub des Hylas“ an den Erfolg von Hübners „Fischerknaben“ anknüpfen wollte) das Lob spendete, dass er „diese Schwierigkeit auf eine Weise überwunden (hat), die nicht einmal ahnden lässt dass sie vorhanden war.“ 136 Die Lösung bestand für Humboldt und für andere wohlwollende Kritiken dieser Berliner Akademieausstellung in der Marginalisierung der poetischen Vorlage. „Er (Lessing, d. V.) hat nicht gesucht, die Lücke, welche die darstellende Kunst in dem Gedichte finden konnte, durch andere Mittel zu ersetzen; er ist ganz in den Dichter eingegangen, und hat nichts als den Schmerz, concentriert und vereinzelt, hingestellt. Des andeutenden Sarges hätte er leicht entrathen können, die Ausicht auf das Meer knüpft sein Bild nur lose an das Gedicht an, das Verständnis der Darstellung, wie der Eindruck selbst kommt allein von der stummen Trauer des sitzenden Paares.“ 137 Ganz im Sinne Humboldts verwies Adolf Schöll auf die Anregung von Uhlands Gedicht, nahm die Abhängigkeitsbehauptung aber umgehend zurück mit der Bemerkung, Lessing habe sich malend sein eigenes Gedicht gedichtet.138 Und so ließ auch Graf Raczynski das Uhlandsche Gedicht nur als Inspiration gelten, das für die Rezeption aber unerheblich sei: das Bild, „das der Katalog ein traurendes Königspaar nennt, (ist) in der That unter diesem Titel und durch sich selbst auch ohne das Gedicht verständlich.“ 139 Das alles sind Argumentationsstrategien, die Lessings Gemälde vom Verdacht reinigen sollen, „unsichtbare Malerei“ zu sein. Und irgendwann ging Uhlands Gedicht tatsächlich in der Rezeption des Lessingschen Bildes verloren. Nicht nur aus dem fernen französischen Blickwinkel Hippolyte Fortouls. Auch der einflussreiche Münchner Kunstkritiker Friedrich Pecht schrieb vom Tod des Thronfolgers als Grund der Trauer des königlichen 135 Humboldt,

Kunstvereinsbericht vom 15. Januar 1831, VI, 1907, 551. Kunstvereinsbericht vom 15. Januar 1831, VI, 1907, 551. 137 Humboldt, Kunstvereinsbericht vom 15. Januar 1831, VI, 1907, 552. 136 Humboldt, 138 Schöll,

1835, 20. 1836, 125.

139 Raczynski,

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Paares in Lessings Gemälde. Doch Pecht erinnerte an die alte, Uhland verpflichtete Ikonographie und weder das eine noch das andere entschuldigte für ihn die „unsichtbare Malerei“ Lessings: „Daß die beiden um den einigen Sohn trauern sollen – früher hieß es eine Tochter –, der dort auf der Bahre liege, mußte man freilich in dem Catalog lesen, denn zu sehen ist es absolut nicht.“ 140 Die „unsichtbare Malerei“ der Düsseldorfer Malerschule wurde seit den späten 1830er Jahren zunehmend als problematisch empfunden und die Kritik schlug auf den Akademiedirektor zurück: Auch aus persönlich größer gewordener Distanz zu seinem vormaligen Freund Wilhelm Schadow fand Karl Immermann kurz vor seinem Tod 1840 zu folgender Bewertung: „Kläglich dreht sich das Urteil über die Werke dieses Mannes, von dem wir reden, krümmt sich und windet sich, um das öffentliche Geheimnis nicht laut werden zu lassen: daß Schadow kein Genie sei.“ 141 So wie das Urteil über die Kunst Schadows sich gedreht habe, so sei insgesamt der Abstieg der Düsseldorfer Malerschule abzusehen: „Jetzt beginnt das Blatt sich zu wenden. Eine Umstimmung der Meinung naht ganz sichtbar an. Zwar bestellen und kaufen die Liebhaber noch reichlich, aber das Urteil der Stimmführer spricht doch schon seit einigen Jahren häufig vom Düsseldorfer Schmerz, von der Weichlichkeit, vom stereotyp gewordenen Brüten.“ 142 Die von Immermann im Rückblick als „stereotyp“ markierten trauernden Figuren in Werken der Düsseldorfer Malerschule haben ihren Anfang in Carl Friedrich Lessings „Trauerndem Königspaar“. Doch Lessings Gemälde begründete nicht einen lokalen Sonderweg, sondern lenkte die „Malerschule“ in das Gleis einer bildgeschichtlichen Tradition, die im 18. Jh. einsetzte und die zum Zeitpunkt der Konzeption des Gemäldes immer noch Avantgarde war. Seit dem späteren 18. Jh. emanzipierte sich die Kunst des Ausdrucks von der Gattung des Historienbildes, zumindest emanzipierte sie sich vom Historienbild, wie es traditionell definiert wurde. Nicht nur Lavater in den von ihm verantworteten Manipulationen der druckgraphischen Reproduktionen von Kunstwerken, auch Künstler des späteren 18. Jh. arre140 Pecht,

1881, 303. 1973, 641 f. 142 Immermann, 1973, 646. 141 Immermann,

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Abb. 27: Füßli, Johann Heinrich, Ezzelin Bracciaferro brütet an der Leiche seiner Gemahlin Meduna, die er wegen ihrer Untreue während seiner Abwesenheit auf einem Kreuzzug getötet hat, um 1780, London, Sir John Soane’s Museum

tierten Handlungszusammenhänge zugunsten isolierter Ausdrucksfiguren. Das Motiv des schwermütig Brütenden, der die dramatische Handlung im Unsichtbaren lässt, aber nachdrücklich vor das innere Auge ruft, wurde zu einem Leitmotiv. Johann Heinrichs Füßlis Bild des Gattenmörders Ezzelin Bracciaferro (Abb. 27), der, den Kopf schwer auf die Hand gestützt, den düsteren Blick auf die vor ihm liegende Frauenleiche heftet, ist eines der frühen Bilder, die an die Stelle der Aktion die – hier düstere – Reflexion setzen. Die Handlung hat sich in den nun allerdings ausführlichen Bildtitel zu rückgezogen: „Ezzelin Bracciaferro brütend an der Leiche seiner Gemahlin Meduna, die er wegen ihrer Untreue während seiner Abwesenheit auf einem 68

Kreuzzug getötet hat“. Solche Bilder antworteten auf das Bedürfnis eines Publikums, sich in das Innenleben von Bildfiguren einzufühlen, ein Bedürfnis, das Füßlis Freund Johann Caspar Lavater nachhaltig befördert hatte. Lavater gab selbst das Beispiel, welch differenzierte, gemischte, ja sich in Widerspruch setzende Empfindungen aus dem dumpf brütenden Ezzelin herausgesehen oder in ihn hineingesehen werden konnten: „Es ist ein Ritter, der soeben seine Geliebte ermordet hat. Gekettet von seinen Gewissensbissen, angeklagt durch die Gegenwart seines Opfers, bedauert er seine Raserei, bereut sie jedoch nicht; er haßt diese Frau und beglückwünscht sich noch immer zu seiner Tat. Ein Charakter von solcher Stärke war fähig, kaltblütig ein vorsätzliches Verbrechen zu begehen. Ehe er sich daran machte, erschaute er es noch nicht in seiner ganzen Schwärze; und selbst nach dem verhängnisvollen Gewaltstreich fühlt er noch nicht dessen ganze Ungeheuerlichkeit.“ 143 Der Zusammenhang von Füßlis Gemälde mit der historischen Überlieferung ist lose. Mit dem Mörder referierte Füßli zwar auf die historische Gestalt des Tyrannen Ezzelino da Romano aus dem italienischen 13. Jh., doch die ermordete Gattin stammt aus einem sehr anderen Zusammenhang: aus einem Gedicht Füßlis, in dem Meduna von dem Korsar von Tunis getötet wird.144 Der freie Umgang mit dem historischen Kontext lässt die Stelle frei, die die Einfühlung des Bildbetrachters besetzen kann. Allenthalben gilt für die seit dem späten 18. Jh. sich häufenden Bilderfindungen, die an die Stelle der Narration die Reflexion setzen,145 dass dem Mehr an Innerlichkeit, das in solchen Ausdrucksfiguren sichtbar gemacht wird, das Unsichtbarwerden des dramatischen Zusammenhangs die Waage hält. Mit weit aufgerissenen Augen starrt der in Dantes „Hölle“ verdammte Graf Ugolino ins Leere (Abb. 28). „Ich weinte nicht, mein Herz fühlt ich ersteinen“.146 Joshua Reynolds thematisierte diese Textstelle147 und gab es dem Betrachter auf, das stumme Selbstgespräch Ugolinos zu imaginieren. 143 Zit.

n. Melancholie, 2005, 308. 2005, 308. 145 Germer, 1990, Busch, 1993, 137 ff., Thimann, 2006, 354. 144 Melancholie, 146 „Io

non piangeva, sì dentro impetrai“. Dante, o. J., 188. (Inferno, Canto XXXIII). Dt. Übers. n. Dante, o. J., 189. 147 Sie ist abgedruckt im Katalog der Royal Academy von 1773. Katalog Reynolds, 1985, 190.

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Abb. 28: Reynolds, Joshua, Ugolino, 1773, Knole, Slg. Lord Sackville

Abb. 29: Füßli, Johann Heinrich, Ugolino, 1806, Stich von Moses Haughton, 1811

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In Reynolds zieht der im Leid Verstummte die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich, doch zur Seite gerückt, lässt Ugolino noch ausreichend Platz im Bild, um die hungernden Kinder dramatisch agieren zu lassen, und um den Jüngsten aufblicken und „Was stierst du Vater, so? Sprich zu den Deinen!“ fragen zu lassen.148 Die narrative Struktur des traditionellen Historienbildes ist also nicht zur Gänze der Ausdrucksfigur geopfert. Weiter ging Füßli mit seiner Version des Ugolino-Stoffes.149 (Abb. 29) Das von Füßli gewählte Hochformat zeigt von den noch lebenden Söhnen nur noch einen in Profilansicht im Hintergrund, dem eine vom Rahmen überschnittene Hand entgegengestreckt wird. So konzentriert sich alles auf die zentrale Figur des düster blickenden Grafen mit der Leiche auf dem Schoß. Der wahnsinnige Blick Ugolinos starrt nun unverwandt auf den Bildbetrachter, nimmt ihn in einer Weise gefangen, dass die gegenüber dem Vorgängerbild Reynolds’ bereits stark reduzierten Angaben zum historischen und räumlichen Kontext fast zur Gänze ausgeblendet werden.150 Diese Dialektik – die Zurücknahme der von der Bilderzählung zu leistenden Bestimmtheit der Bildfiguren bei zunehmender Komplexität der vom Bildbetrachter erkannten, erfühlten, vermuteten Ausdrucksspuren – wird in der Rezeption von Pierre Narcisse Guérins „Rückkehr des Marcus Sextus“ (Abb. 30) offensichtlich. Das Gemälde war in der Pariser Salonausstellung von 1799 zu einer veritablen Konkurrenz für Jacques-Louis Davids „Sabinerinnen“ geworden und konkurrierte mit Davids Bild auch darin, die römische Geschichte für ein aktuelles gesellschaftliches und politisches Problem, die Rückkehr der Emigrierten nach dem Ende des „Terreur“, zu instrumentalisieren. Als der von Sulla verbannte Marcus Sextus – so die Information, die der Livret des Salons den Ausstellungsbesuchern an die Hand gab – nach dem Sturz des Diktators zurückkehrt, findet er seine Frau getötet und seine Tochter in Verzweiflung vor. Eine römische Tragödie mit einem fiktiven Helden, der eben deshalb, weil er keine historische Referenz hat, die 148 „Tu

guarrdi sì, padre: che hai?“ Dante, o. J., 188 (Inferno, Canto XXXIII). Dt. Übers. n. Dante, o. J., 189. 149 Zum Vergleich der beiden Bilder v. a. Busch, 1985, 210 ff. 150 Busch, 1985, 212.

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Abb. 30: Guérin, Pierre-Narcisse, Die Rückkehr des Marcus Sextus, 1797–99, Paris, Musée du Louvre

Transposition in die Gegenwart des Directoire und die Einfühlung in seine Empfindungen erlaubte. Guérins Seelenmalerei überwältigte die Zeitgenossen. Der Kunstkritiker Pierre-Jean-Baptiste Chaussard erhob seine Unfähigkeit, kritisch Stellung zu beziehen, zum Qualitätskriterium: „Ich wollte kritisieren, ich konnte nur fühlen“.151 Doch Chaussard fühlte viel, und dies sehr differenziert: „Dieser in sublimer Weise ausdrucksvolle Kopf zeigt nicht nur die Last von Schmerz und Verzweiflung, wie von oberflächlichen Betrachtern geschrieben wird.“ 152 Einen „Krampf, eine innerliche Konvulsion“ nahm er im Gesicht des Marcus Sextus wahr, die „Raserei“ dessen, dem die letzte Hoffnung geschwunden ist, „stumme Wut“.153 Er sei nahe daran, in wilde Raserei auszubrechen. „Alle Leidenschaften sind da, ohne noch zum Ausbruch gekommen zu sein: doch wie furchtbar wird der Ausbruch sein!“ 154 Das Bild bewegte selbst dann noch, als es selbst unsichtbar geworden war: August Kotzebue berichtete in den Erinnerungen an seinen Paris-Aufenthalt im Jahr 1804, dass ihm in der Gemäldesammlung Lucien Bonapartes der unglückliche Ehemann und Vater auf Guérins Gemälde zu Tränen gerührt habe. „Großer Gott! Es ist nicht möglich eine Minute vor diesem Bilde zu verweilen, ohne dass Einem die Thränen aus den Augen stürzen; und wenn man es schon längst verließ, erblickt man noch lange in jedem Winkel die herzzerreißende Gestalt; selbst jetzt, indem ich dieses schreibe, steht sie lebhaft vor mir und durchschauert mich mit unnennbarer Wehmuth“.155 In dieser im vorhergehenden skizzierten Tradition des Rückzugs des Historienbildes auf eine bildbestimmende „Reflexionsfigur“ (Busch)156 gründet 151 „Je

voulais critiquer, je ne puis que sentir“. Zit. n. Korchane, 2003, 122. Zur Rezeption des Marcus Sextus vgl. Kitschen, 2010, passim. 152 „Cette

tête sublime d’expression ne présente pas seulement l’accablement de la douleur et du désespoir, ainsi que s’écrient les observateurs superficiels“. Zit. n. Korchane, 2003, 127. 153 „(. . .) le spasme, la convulsion intérieure (. . .)“. „(. . .) le délire (. . .)“. „(. . .) la fureur muette (. . .)“. Zit. n. Korchane, 2003, 127. 154 „(. . .) toutes les passions sont là sans éclater encore: mais que leur explosion sera terrible!“ Zit. n. Korchane, 2003, 128. 155 Kotzebue, 1804, 145. 156 Zum Begriff der „Reflexionsfigur“: Busch, 1993, 147 ff.

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Carl Friedrich Lessings „Trauerndes Königspaar“, und in dieser Tradition haben vermittelt über Lessings Bilderfindung die Bilder der Düsseldorfer Malerschule, auf die bezogen Karl Immermann 1840 despektierlich vom „stereotyp gewordenen Brüten“ schrieb,157 ihre Voraussetzung. Mit der Wirkungsgeschichte von Guérins Meisterwerk verbindet die Nachfolgewerke der Düsseldorfer die Rührung des Betrachters. Vor solchen Bildern weinten die Düsseldorfer Künstler, wie uns Müller von Königswinter überlieferte.158 Die provozierte Rührung, die den Abstieg der Düsseldorfer in der Gunst der professionellen und nichtprofessionellen Kunstöffentlichkeit so sehr beschleunigt hatte, ist also ein internationales Phänomen. Wir sollten deshalb unabhängig von unserer wie auch immer begründeten Geschmacksformation zugestehen, dass, wenn wir eine tränenfördernde Kunst nicht mögen, wir zumindest diese tränenfördernde Kunst nicht als Provinzialismus deklassieren dürfen. Von den genannten Werken unterscheidet sich das „Trauernde Königspaar“ durch die Passivität des Leidens. Ezzelino und Ugolino sind Täter, die ihr schreckliches Tun hinter oder vor sich haben. Marcus Sextus ist Opfer, doch wenn wir Chaussards pathognomischer Analyse glauben, rast in ihm „stumme Wut“. Ein „furchtbarer (. . . ) Ausbruch“ ist bei dem trauernden Paar Lessings nicht zu erwarten. Ein derartiger Ausbruch des Seelenlebens in gewalttätige Aktion ist bei dem leidenden Hiob in Eberhard Wächters Gemälde „Hiob und seine Freunde“ (Abb. 31), das als Vorbild für Lessings „Trauerndes Königspaar“ genannt wurde,159 mit Sicherheit auch nicht zu gewärtigen. Aber Hiobs passives Dulden ist Gottvertrauen, wohingegen, glaubt man Friedrich von Uechtritz, die Verzweiflung des königlichen Paars sich sogar den Tröstungen der Religion verweigert.160 Die nicht durch eine vorangegangene oder folgende Aktivität und nicht durch innere Stärke flankierte Passivität des Leidens, wie sie sich in Lessings „Trauendem Königspaar“ manifestiert, wurde ästhetiktheoretisch als „lyrisch“ und im Genderdiskurs als 157 Zit.

n. Mai, Düsseldorfer Malerschule, 1979, 27. 1995, 16. 159 U. a. Krey, 2003, 105. 160 Uechtritz, 1839, 327. 158 Hütt,

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Abb. 31: Wächter, Eberhard, Hiob und seine Freunde, 1793/94–1824, Stuttgart, Staatsgalerie

„weiblich“ charakterisiert.161 Letztere Charakterisierung lässt absehen, welchen Verlauf die Rezeptionsgeschichte von Lessings frühem Meisterwerk und der davon beeinflussten Gemälde der Düsseldorfer Malerschule nehmen wird. Es macht einen Unterschied, ob das Unsichtbare des Kunstwerks auf Viriles oder auf Feminines verweist. Doch selbst die häufig als feminin und im übrigen auch als jüdisch162 diskriminierte Passivität des Leidens mancher Düsseldorfer Bildfiguren steht in einem internationalen Kontext. Zu erwägen wäre nämlich, ob den kunsthistorischen Weg von Pierre-Narcisse Guérins „Rückkehr des Marcus Sextus“ zu Karl-Friedrich Lessings „Trauerndem Königspaar“ nicht Werke des so genannten „style troubadour“ säumen, der die besondere Protektion Kaiserin 161 Leuschner nannte als Vorbilder neben Wächters „Hiob“ und den „Ugolino“ Kochs noch die

„Trauernde Hekuba“ von Cornelius. Leuschner, 1979, 89. 162 So bei Schaarschmidt, 1902, 79, Koetschau, 1926, 43.

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Abb. 32: Richard, Fleury-François, Valentine de Milan trauert über den Tod ihres Ehemanns, des Herzogs von Orléans, Salon von 1802, St. Petersburg, Eremitage

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Joséphines genoss. Hingewiesen sei hier nur auf Fleury-François Richards Bild der italienischen Prinzessin Valentine von Mailand, deren Gatte, der Herzog von Orléans, von seinem Rivalen, Johann I. von Burgund, ermordet wurde (Abb. 32). In Fleury Richards Gemälde sitzt die trauernde Witwe vor einem fast ganz mit dem Vorhang geschlossenen Fenster, dessen Licht nur das Buch auf dem Fensterbrett und den Oberkörper Valentines bescheint, das Gesicht aber im Zwielicht lässt. In der Lichtregie bilden sich die düsteren Empfindungen Valentines ab. Das Bild bescherte dem Künstler großen Erfolg, als er es 1802 im „Salon“ zeigte. Neben der favorablen Aufnahme von Seiten der Salonkritik163 verdient als Beleg für die Popularität der Bilderfindung erwähnt zu werden, dass in der unmittelbaren Folge der Salonausstellung auffällig viele französische Kinder auf den Namen Valentine getauft wurden.164 Eugène de Beauharnais, der Adoptivsohn Napoleons und Erbe Joséphines hatte, wie wir dank der Recherchen von France Nerlich wissen, nach der Hochzeit mit Prinzessin Auguste Amalie von Bayern, die ihn zum Schwager des späteren bayerischen Königs Ludwig I. machte, in seinem Münchner Palais eine bedeutende Kunstsammlung zusammengestellt. Fleury-François Richards Gemälde gehörte zu den Exponaten dieser ersten öffentlich zugänglichen Privatgalerie in München.165 Ein direkter Einfluss auf Lessings „Trauerndes Königspaar“ sei trotzdem nicht behauptet – einen solchen sollte man für Hasenclevers „Sentimentale“ (Abb. 33) diskutieren –, doch es ist die elegische Stimmung, es ist das den Düsseldorfern später vorgeworfene passive (weibliche) Trauern, mit der sich Richards Gemälde vom Pathos des „Marcus Sextus“ abgrenzt, und die eben auch die Differenz zwischen Guérins Bild und Lessings Bild ausmacht. Mit Carl Friedrich Lessings Konzeption von „unsichtbarer Malerei“, mit den Vorgängerwerken in England und Frankreich und mit den insbesondere den Düsseldorfern verdankten Nachfolgewerken war ein Bildbegriff formuliert worden, der die traditionellen Grenzen der Bildgattungen nicht mehr 163 Pupil,

1985, 125. 1972, 9. 165 Nerlich, La Peinture française, 2010, 21 ff., v. a. 30. 164 Schurr,

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Abb. 33: Hasenclever, Johann Peter, Die Sentimentale, 1846, Düsseldorf, Museum Kunstpalast

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respektierte. Lessings „Trauerndes Königspaar“ überführte die Bilderzählung ins „rein psychologisch (S)ubjektive“ (Vischer). Reflexion ersetzt die Handlung, und der traditionell der Bilderzählung überantwortete Handlungshöhepunkt ist in die Gestimmtheit der Bildfiguren und in die Gestimmtheit der Bildbetrachter zurückgebogen. Ist das noch ein Historiengemälde?166 Die Zeitgenossen hatten klassifikatorische Probleme. Heinrich Püttmann wusste 1839 das „Trauernde Königspaar“ weder in die hergebrachte Genremalerei noch in die hergebrachte Historienmalerei einzuordnen. Er behalf sich mit der Klassifikation als „charakteristisches Lebensbild“.167 Friedrich Theodor Vischers Definition des zum „Lyrischen“ tendierenden „Situationsbildes“ als „Nachklang einer vorhergehenden Handlung und tiefe Empfindung des Schicksals“,168 beschreibt vielleicht besser noch das Besondere der von Lessings „Trauerndem Königspaar“ repräsentierten und maßgeblich initiierten Darstellungsweise. Erst ein Jahr nach der Vollendung von Carl Friedrich Lessings Gemälde wird in Paris die Salonausstellung von 1831 mit den Bildern des Paul Delaroche die Bildgattung ins Licht stellen, die Püttmann auf den Begriff des „charakteristischen Lebensbildes“ und Vischer auf den des „Situationsbildes“ brachte. Der Weg, den Lessing mit dem St. Petersburger Gemälde der Düsseldorfer Malerschule vorzeichnete, war also kein regionaler Sonderweg, und Lessing war auf diesem Weg kein Nachzügler. Die „unsichtbare Malerei“ der Düsseldorfer war Avantgarde-Malerei.

„Physiologische“ und politische Erklärungsmuster der „unsichtbaren Malerei“ der Düsseldorfer Malerschule Als Avantgarde-Kunst, die sich gleichwohl an den höchsten Ansprüchen der kunsthistorischen Tradition messen ließ, wurde das bedeutendste Nachfolgewerk von Lessings „Trauerndem Königspaar“ von den Zeitgenossen aufge166 Es

ist bemerkenswert, dass noch in der Dissertation von Ingrid Jenderko-Sichelschmidt (1973) das Bild nur nebenher erwähnt (S. 24 f.), nicht aber eingehender als Historienbild thematisiert wird. 167 Püttmann,

1839, S. 33 ff. Allgemein zum Begriffs des „Charakters“ und des „Charakteristischen“ in der deutschen Kunstliteratur um 1800: Schönwälder, 1995. 168 Vischer, 1923, S. 404.

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Abb. 34: Bendemann, Eduard, Die trauernden Juden in Babylon, 1832, Köln, Wallraf-Richartz-Museum

nommen. Wilhelm von Humboldt schrieb 1833 optimistisch zum Stand der deutschen Malerei: „Wenn es keine selbstgefällige Täuschung ist, dass die Kunst sich in unseren Tagen und gerade in Deutschland mehr ihrem wahren Standpunkt genähert hat, so liegt das Verdienst daran unstreitig in unsrer gesammten geistigen Bildung.“ Humboldt schrieb diesen Satz mit Blick auf Eduard Bendemanns „Trauernde Juden in Babylon“ (Abb. 34).169 Doch nicht nur in Deutschland erfuhr Bendemanns Bild eine solche Resonanz. Auch das Ausland spendete Lob. François Gérard, einer der besten Schüler Davids und zeitweise der international begehrteste Porträtmaler, gratulierte Deutschland zu diesem Bild und zu diesem Künstler; „seit Raphaels Zeiten kenne er nicht solche Compositionen, und er wünsche von Herzen dem Lande Glück, das solche Künstler besitzt.“ 170 So hoch hing man damals dieses Bild und so tief stürzte es und mit ihm die anderen Hauptwerke der Malerschule in der Gunst der Kunstkritker und Kunsthistoriker ab. Als sensibler Seismograph notierte Karl Immermann bereits im Jahr 1840, dass seit einiger Zeit bei den tonangebenden Kunstexperten kritisch „vom Düsseldorfer Schmerz, von der Weichlichkeit“ 171 die Rede sei. Weichlichkeit ist weiblich, und weichliche Männer sind weibische Männer – so die stereotypische Zuweisung, die das Renommee der Düsseldorfer Malerschule im allgemeinen und das Renommee von Bendemanns Werk nachhaltig beschädigte. Vernichtend war bereits das Verdikt, das der Hegelschüler Hotho aussprach: Die Düsseldorfer hätten an die Stelle des „Tragische(n)“ das „Triste“, an die der „tiefen Klagen der Menschenbrust“ das „Klägliche (. . . )“ gesetzt, hätten „Süße“ mit „Süßlichkeit“, „flache Sentimentalität“ mit „Leidenschaft“ verwechselt, kurz: „die Männlichkeit ist es, an der es gebricht (. . . ). Die Grundelemente aller Kunst sind am wenigsten vorhanden. Daher das Weibische und Energielose, Traurige und Kümmerliche, Minnige und Hohle, Kindelnde und Spielende, das nur den Unmündigen zusagen kann (. . . ).“ 172 Hothos abschließendes Urteil ist radikal: Nicht die Frage, ob „besser oder schlechter“ stehe 169 Zit.n.

Krey, 2003, 14. Krey, 2003, 15. 171 Zit. n. Mai, Katalog, 1979, 27. 172 Hotho, 1842, 3. 170 Zit.n.

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zur Debatte, sondern die nach „wahrer und falscher Kunst“.173 „Der Kitsch ist nicht etwa ‚schlechte Kunst‘, er bildet ein eigenes, und zwar geschlossenes System, das wie ein Fremdkörper im Gesamtsystem der Kunst sitzt oder, wenn Sie wollen, neben ihm sich befindet: es läßt sich – und das ist keine bloße Metapher – mit dem System des Antichrist in seinem Verhältnis zu dem des Christ vergleichen.“ (Hermann Broch)174 Die Parallelen von Hothos Polemik gegen die Düsseldorfer Malerschule und Brochs Dämonisierung des Kitsches sind auffällig. Ähnlich radikal, wenn auch noch ohne die dämonologische Grundierung, verweigerte Hotho den differenzierten Vergleich. Die Düsseldorfer Malerschule war ihm das Jenseits der Kunst. Die Geschichte der Kitschkritik beginnt mit Hotho, und von Beginn an ist das Unmännliche, das Weiblich-Weibische das zentrale Kriterium.175 Die Fortuna critica der Düsseldorfer Malerschule muss insofern auch als Gender-Diskurs gelesen werden. Richard Muthers „Geschichte der Malerei im XIX. Jahrhundert“, erschienen 1893, hat für ein Gemälde wie Bendemanns „Trauernde Juden“, für die Düsseldorfer insgesamt, nur noch Spott übrig. „Die Scala des Schmerzes von der trüben Melancholie bis zum qualvollen Leiden ist (. . . ) die Spezialität der Düsseldorfer gewesen. (. . . ) Dem heutigen Geschlechte wird es – Gott sei Dank – recht schwer überhaupt noch die Stimmung zu verstehen, aus der diese Erzeugnisse hervorgingen. (. . . ) Die Düsseldorfer sind (. . . ) die echten Vertreter dieses Zeitalters der Sentimentalität. Eine Generation, die sich in thränenseligen Träumereien verlor, musste (. . . ) durch Dinge, die heute nur ein Lächeln oder Achselzucken hervorrufen, bis zu Thränen gerührt werden. (. . . ) Ohne Anlehnung an den Dichter hätten ihre süsslich faden Figuren von Anfang an nicht stehen können. Denn es ist an diesen Romankönigen, Phantasierittern, Juden und Theaterprinzessinnen (. . . ) nichts lebensfähig, absonderlich und eigenthümlich, alles generalisierend, allgemein menschlich. (. . . ) Selbst die Räuber sind generalisierte Musterknaben.“ 176 Das also sind die Höhen und Tiefen der Düs173 Hotho,

1842, 5. 1955, 305 f. 175 Allgemein zur Zuordnung von Weiblichkeit und Kitsch: Kämpf-Jansen, Helga, Kitsch – oder ist die Antithese der Kunst weiblich?, in: Breu / Barta u.a. (Hg.), 1987, 322–341. 176 Muther, 1893, 234–236. 174 Broch,

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seldorfer Malerschule. Auf der einen Seite auf Augenhöhe mit Raffael, auf der anderen Seite süßlich, fade. „Die trauernden Juden in Babylon“ des jungen Eduard Bendemann wurden geradezu zum Emblem der Düsseldorfer sentimentalen Malerei.177 597 vor Chr. hatte Nebukadnezar Jerusalem erobert und den israelitischen König, seine Familie und die Oberschicht nach Babylon verschleppt. Zehn Jahre später zerstörte Nebukadnezar Jerusalem; er zerstörte auch den Tempel und die Bundeslade und zwang zehntausende von Juden in die babylonische Gefangenschaft. 70 Jahre lang – den Historikern zufolge waren es 49178 – harrte das auserwählte Volk in Babylon aus, bis der Perserkönig Kyros den Juden gestattete, in ihr Land zurückzukehren. Der 137. Psalm überliefert die Klage der Exilierten und ihre Sehnsucht nach der Heimat: „An den Wassern zu Babylon sassen wir und weineten, wenn wir an Zion gedachten“. Dieser 137. Psalm ist als Motto zu dem Gemälde in die Zwickel des Rahmens eingetragen. Bendemann hätte auch folgende Strophe auf den Rahmen schreiben können: „Wein’ über die, die weinen fern in Babel, / Ihr Tempel brach, ihr Land ward, ach! zur Fabel! / Wein‘! es erstarb der heil’gen Harfe Ton, / Im Haus Jehovas haust der Spötter Hohn.“ 179 Friedrich von Uechtritz, für die Düsseldorfer Künstler der wichtigste Vermittler von Dichtung und Geschichtswissenschaft, hatte ein Drama über die „Babylonier in Jerusalem“ verfasst und auf die Bühne gebracht. Das Drama endet mit der zitierten Strophe. Die von Lessing vorbereitete Abkehr vom traditionellen Historienbild, hin zum „lyrischen Situationsbild“ 180 ist vollzogen. Gezeigt wird nicht eine biblische Szene, suggeriert wird Stimmung. Trauer, die aber im Ton gedämpft bleibt, nicht ins Laute ausbricht. So war es schon in Lessings „Trauerndem Königspaar“ gewesen. Vor dem Inhalt des Bildes, ja sogar vor der Benennung der Ursache von Trauer, ist Trauer als Bildstimmung selber zum Hauptgegenstand geworden. Anders traurig ist der Bärtige, der angekettet 177 Zum

historischen und bildgeschichtlichen Kontext des Gemäldes: Brandmüller, 2007, pas-

sim. 178 Matz,

2004, 11. Muther, 1893, 233. 180 Zum Begriff des „lyrischen Situationsbildes“ Vischer, 1923, 404 f. 179 Zit.n.

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ist und die Harfe abgestellt hat; anders die Mutter mit ihrem Kind, die sorgenvoll ins Weite blickt; wieder anders die junge Frau zur Linken des Bärtigen. Nur die Jüngste wird vom Schmerz überwältigt, aber da sie ihr Gesicht verbirgt, stört auch ihr Schmerz nicht die auf stille Sentimentalität gestimmte Bildwirkung. Gesehen wurde von den Zeitgenossen auch das Exemplarische dieser Darstellung. Diese Gestalten, deren Gruppierung dem rahmenden Bogen entspricht, sollen das im Exil leidende jüdische Volk in seiner Ganzheit verkörpern. Alter, Mutterschaft, Jugend, Kindheit. Deutlich gesehen wurde auch, dass Bendemann am entschiedendsten von allen Düsseldorfern die Erzählstrategie des Lessingschen „Trauernden Königspaares“ aufgriff. Gegen die Tradition der Historienmalerei gibt es keine Historie, die im Bild erzählt wird. Die Historie, die Verschleppung der Juden und ihre endliche Rückkehr in die Heimat, liegt als sentimentale Reflexion vor oder hinter der Zeit des Bildes. August Hagen hat dies 1855/56 präzise benannt: „Was bei anderen Gemälden (. . . ) Mittelpunkt ist, ist hier der Umfang der Vorstellung.“ 181 An den Erfolg der „Trauernden Juden in Babylon“ knüpfte Bendemann drei Jahre später erneut mit einem jüdischen Thema an (Abb. 35). Im Leineschloss Hannover verbrannte die Leinwand im letzten Weltkrieg. Der preußische Kronprinz hatte sich wenigstens eine Kopie der „Trauernden Juden in Babylon“ gewünscht, nachdem er das Original nicht bekommen hatte. Bendemann bot ihm stattdessen ein neues Bild an, größer als die „Trauernden Juden“ – über vier Meter breit. Im Bild trauert der Prophet Jeremias in den Ruinen der Stadt, umgeben von denen, die die Babylonier zurückgelassen haben, umgeben von Verzweifelten, dem tödlich verletzten jungen Mann, dem das Schwert entglitten ist und den vergebens ein Junge aufrichten will, den Frauen, die um ihr totes Kind oder Enkelkind weinen, der Frau mit dem im Arm liegenden Kind und im Hintergrund den Frauen, die einen Alten, wohl ihren Vater, zu Grabe tragen. Die ganze Palette des Leids wird ausgebreitet, aber das Leid bleibt seltsam abstrakt. Es wird in diesem Bild nichts erzählt.182 Die Verzweifelten 181 Hagen, 182 Vgl.

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1857, 346.

Brandmüller, 2007, 120.

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Abb. 35: Weiß, Bonaventura, nach: Bendemann, Julius, Jeremias auf den Trümmern von Jerusalem, 1835, Berlin, Preußischer Kulturbesitz

sind für Bendemann Explikationen dessen, was sich in der monumentalen auf den Trümmern sitzenden Prophetengestalt ereignet. Das, was sich ereignet, ereignet sich innerlich. Es ist schwer für uns, sich die Wirkung eines solchen Bildes auf die Zeitgenossen vorzustellen. Nur staunen können wir, was sie alles in dem Bild sahen, bzw. welche Bilder die „unsichtbare Malerei“ Bendemanns vor das innere Auge zu rufen vermochte. Die junge Mutter beispielsweise, die am linken Rand der großformatigen Leinwand über die Ruinen steigt, scheint vordergründig betrachtet die am wenigsten Mitleiderregende. Sie ist schön, scheint besinnlich vor sich hin zu blicken. Sehr anders sah der Historiker und Kunsthistoriker Franz Kugler 1836 diese Figur oder besser gesagt: Kugler sah Anderes und mehr in dieser Figur, weil die Ursache des Leidens und der Trauer in dieser Figur am wenigsten konkretisiert ist. Das unsichtbare Leid potenzierte sich in inneren Bildern: „Alles andere Interesse aber schweigt, wenn wir uns endlich der Gruppe zur äußersten Linken zuwenden. Entsetzt, in dumpfer bewusstloser Angst flüchtet jenes junge Weib, das den reizenden, vor Mattigkeit eingeschlafenen Knaben im Arme trägt, zu den Uebrigen empor. Sie hat Furchtbares gelitten; die Blässe eines namenlosen Grauens ist über diese schönen Glieder, über Gesicht, Schultern und Hände, ausgegossen. Ihr Auge hat keine Thränen mehr, halb gebrochen starrt es, wie das Auge einer Wahnsinnigen, vor sich hin, sie sieht nicht, welchen Weg ihre Füße sie führen. Das bitterste Leiden liegt um diesen lechzend geöffneten Mund; es ist jener unergründliche Zug des Schmerzes, wo die Winkel des Mundes sich nicht senken, vielmehr die Erinnerung an das holde Lächeln beibehalten, das in glücklicheren Tagen alle Leidenschaft der Liebe zu erwecken wusste. Es spielt wie ein geheimer Zauber um diese wunderbaren Züge – fast wie in jenem Kopfe der Rondanini’schen Meduse, in dem auch Schmerz, Lust und Grauen des Wahnsinns, wenn freilich in andrer Weise gemischt sind. Dies Weib wird sinken, ehe noch das schöne Kind, das sie an sich presst, verschmachtet ist; dann wird der Knabe das Loos des kleinen Gespielen theilen, zu dem sich sein Arm bereits, wie vorahnend, niedersenkt.“ 183 Eine solche Beschreibung evoziert zu haben, gehört zu den Qualitäten guter „unsichtbarer Malerei“. Zur Definition „unsichtbarer Malerei“ gehört 183 Kugler,

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1854, 159.

es aber auch, dass sie Deutungen nicht erzwingt. So konnten vor der jungen Mutter mit Kind am linken Bildrand sogar gegensätzliche innere Bilder aufsteigen. Carl Gustav Carus, als Naturforscher und Maler gewiss für anschauliche Phänomene nicht weniger sensibel als der Kunsthistoriker Kugler, sah diese Figur sehr anders: Carus sah in ihr „das Wiedererstehen des tief zu Boden geworfenen Volkes und das Heil seiner künftigen Generationen“. Dementsprechend trage diese Frau das „gerettete“ Kind.184 Es ist keine Frage der richtigen Interpretation, ob man das Bild mit den Augen Kuglers oder mit denen von Carus sieht, sondern eine Frage der Ausrichtung des inneren Auges. Auf Evidenz hat „unsichtbare Malerei“ keinen Anspruch. Bilder wie Lessings „Trauerndes Königspaar“ und Bendemanns „Jeremias auf den Trümmern Babylons“ müssen nun einmal, wie bereits zitiert, „erst durch Zuthaten von Seiten der Vernehmenden ergänzt werden“. So Karl Gutzkow, für den diese Feststellung an sich schon hinreichend für ein negatives Kunsturteil war: „Eine solche nothwendige Thätigkeit stört aber beim Gemälde die Einheit des Kunstwerkes (. . . ). (D)as alles sind im Grunde keine Gegenstände für die Malerei.“ 185 Trotz solcher Gegenstimmen war der Erfolg von Bendemanns „Jeremias auf den Trümmern Babylons“ gewaltig. Graf Raczynski erzählte, er habe Wilhelm Schadow „in Hinsicht auf Bendemanns Jeremias sagen gehört, dass seit Rafael und Michel Angelo nichts besseres gemacht worden, nichts das mehr Adel und einen reineren Geschmack verkündigte.“ 186 Berlin zeigte das Gemälde 1836 in der ersten Einzelbildausstellung, die in Preußen stattgefunden hatte. Anschließend wurde es auf eine Ausstellungstournee geschickt. Auch in Paris war Bendemanns riesiges Bild zu sehen und wurde vom französischen König Louis Philippe mit einer Goldmedaille belohnt.187 Nicht nur für Uechtritz, auch für andere, für bedeutendere Dichter wie Lord Byron war das Schicksal des auserwählten Volkes ein aktuelles Thema gewesen. Für Bendemann dürfte das ein Grund für die Themenwahl seiner 184 Carus,

1837, 114. 1879, 253 f. 186 Raczyinski, 1836, 119. 187 Krey, 2003, 137. 185 Gutzkow,

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beiden frühen Hauptwerke gewesen sein. Ein zusätzlicher Grund für die Themenwahl war gewiss auch die jüdische Herkunft des Künstlers. Bendemann war evangelisch getauft worden, seine jüdischen Wurzeln beschäftigten ihn jedoch nachhaltig. Zeitgenossen erkannten oder unterstellten einen aktuellen Bezug. Püttmann brachte die Bilder in unmittelbarem Zusammenhang mit der Diskussion über die Emanzipation der Juden in Deutschland und prophezeite: „Bendemanns Judenbilder sprechen ein tiefernstes Wort hinein in die Tagesdebatten über Emancipation des unglücklichen Volkes, und wenn es denn zu hoffen und auch zu glauben ist, so könnten diese Bilder statt des besten Plaidoyers dienen.“ 188 Mit seiner Hoffnung und seinem Glauben lag Püttmann daneben. Die Nationalsozialisten diffamierten nicht nur die so genannte „Entartete Kunst“, sie diffamierten auch den Maler Eduard Bendemann. Als das Kölner Wallraf-Richartz-Museum 1942 einen Katalog publizierte, nahm es die „Trauernden Juden“ nicht auf.189 Schon in den ersten Jahren nach der Fertigstellung des Gemäldes mischten sich antisemitische Stimmen in die sonst allgemein affirmative Rezeption: 1839 polemisierte Arnold Ruge gegen Püttmann und spottete, Püttmann habe sich vom Maler des Bildes „wie so mancher Narr dieser Frist, das Unglück auch der heutigen Juden, dieser Maden in dem Käse der Christenheit (. . . ) weiß machen“ lassen.190 Als Schopenhauer „Die Welt als Wille und Vorstellung“ schrieb, gab es die Düsseldorfer Malerschule noch nicht, doch die antisemitische Polemik wurde von ihm vorbereitet. Schopenhauer hatte die Historienmaler davor gewarnt, ihre Inhalte aus einem „an malerischen und bedeutenden Gegenständen“ armen Themenfeld zu nehmen, wobei Schopenhauer als im negativen Sinne beispielhaft „auf die Geschichte eines kleinen, abgesonderten, eigensinnigen, hierarchisch d. h. durch Wahn beherrschten, von den gleichzeitigen großen Völkern des Orients und Occidents verachteten Winkelvolks“ hinwies – „die Juden“.191

188 Püttmann,

1939, 43 f., vgl. Die Düsseldorfer Malerschule, 1979, 263, Brandmüller, 2007, 74. 2003, 20. 190 Zit. n. Krey, 2003, 16. 191 Schopenhauer, 1949, 274. 189 Krey,

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Die antisemitische Komponente der Kritik an der Düsseldorfer Malerschule gibt dem Vorwurf der Weichlichkeit, Passivität und Sentimentalität eine besonders perfide Note. In den beiden grundlegenden frühen kunsthistorischen Texten zur Düsseldorfer Malerschule, dem Überblickswerk von Friedrich Schaarschmidt von 1902 und dem von Karl Koetschau herausgegebenen und in großen Teilen auch verfassten Buch über Wilhelm Schadow und seinen Umkreis (1926) muss als Begründung für das Überwiegen der Reflexion über das ‚eigentliche‘ Geschäft der Malerei und die sentimentale Grundhaltung („die Weichheit“), aber auch für das taktische Geschick des Schulhauptes das Jüdische herhalten.192 (Gottfried Schadow hatte in erster Ehe die Wiener Jüdin Marianne Devidels geehelicht). Schaarschmidt brachte sogar die Konversion der Nazarener Philipp Veit und Wilhelm Schadow zum Katholizismus mit den jüdischen Wurzeln der Künstler in Zusammenhang: Die „gesündesten und kaftvollsten“ unter den Nazarenern, Cornelius und Schnorr, seien ihrer Konfession treu geblieben; die Konversion Veits und Schadows sei demgegenüber „auch ein Zeichen für die fremden geistigen und Rassen-Elemente, die der Kunst und dem Glauben der Andern (Veit und Schadow, d. V.) beigemischt waren.“ 193 „Diese Mischung von Melancholie und Süßlichkeit, die (bei Bendemann, d. V.) wie bei Schadow, in dem jüdischen Ursprung Beider ihre physiologische Erklärung finden mag, die bei Schadow durch den vom Vater ererbten Berliner Geist einigermaßen in den Hintergrund gedrängt wurde, kam bei Bendemann zur vollsten Geltung.“ In der „Unfähigkeit wirkliche Tragik darzustellen“, in der Ersetzung „activer Leidenschaften“ durch „das Schwelgen in passiven Leiden“ und „das Spielen mit schwächlichen Gefühlen“ träfe sich Bendemann „mit dem Schaffen zweier ihm stammesverwandter Künstler jener Zeit, mit der Dichtung Heines und der Musik Meyerbeers.“ 194 Dass der Vergleich Bendemanns mit dem „stammesverwandten“ Dichter und Komponisten nicht als Kompliment gemeint war, versteht sich von selbst.

192 Koetschau,

1926, 43. 1902, 79. 194 Schaarschmidt, 1902, 79. 193 Schaarschmidt,

89

Die thematische Bevorzugung von trauernden und reflektierenden Figuren, d. h. von Passivität, Sentimentalität und Unanschaulichkeit wurde auch und vor allem den politischen Rahmenbedingungen angelastet. Zu den Leistungen der Schule in ihren „Anfängen“, die Karl Immermann begleitet und kunstkritisch verteidigt hatte, stand er noch 1840, jetzt aber mit der Rechtfertigung, die sentimentale Grundhaltung sei Ausdruck der allgemeinen Passivität dieser Jahre gewesen: „Die Stärken der Schule haben aber unleugbar eine allgemeine geistige Stimmung der Nation, von welcher sie sich in ihrem Bewußtsein erst jetzt loszumachen beginnt, in Form und Farbe gebracht. Und wenn diese Stimmung eben die sentimental-romantische war, und wenn darin das Weiche, Ferne, Musikalische, Kontemplative anstatt des Starken, Nahen, Plastischen, Handelnden vorwaltete, warum scheltet ihr die Malerei, da ihr die Poesie gelobt habt“.195 Als Müller von Königswinter 1854 seine „Kunstgeschichtlichen Briefe“ über „Düsseldorfer Künstler der letzten fünfundzwanzig Jahre“ publizierte, war zu der aus Immermanns Text herausklingenden Trauer über die nicht eingelösten nationalen Hoffnungen der „Befreiungskriege“ die Resignation über das Scheitern der mit der Revolution von 1848 eng verknüpften Hoffnung auf das einige Deutsche Reich hinzugekommen. Sein Urteil über die Historienmalerei der Düsseldorfer Malerschule nimmt insofern nachdrücklicher noch als das Immermanns auf ‚handlungsarme‘ deutsche Geschichte Bezug: Den Kritikern wollte Müller von Königswinter nicht widersprechen, die den Historienbildern Carl Friedrich Lessings den Vorwurf der Nähe zur Genremalerei machten, da zumindest in den Historien vor den Hussitenbildern tatsächlich „(v)on eigentlichen historischen Conflicten (. . . ) keine Spur zu finden“ sei.196 Nicht persönliche Schwäche Lessings und anderer Vertreter des genrehaften Historienbildes sei dies, sondern das grundsätzliche Problem Deutschlands. „Leider aber trifft dieser Tadel nicht allein die Künstler, er trifft das ganze deutsche Leben. Unser Vaterland hat seit einigen Jahrhunder-

195 Immermann, 196 Müller

90

1973, 646.

von Königswinter, 1854, 125, vgl. Gurock, 1990, 122.

ten so zu sagen keine Geschichte gehabt. Woher also soll der geschichtliche Sinn aufwachsen?“ 197 Diese Verknüpfung hatte Jacob Burckhardt vorgegeben. Gleich Müller von Königswinter konzedierte Burckhardt der belgischen und französischen Malerei einen Vorsprung vor der deutschen, weil Belgien und Frankreich eben auch in der Nationenbildung voraus seien. Die Hoffnungen Burckhardt gingen auf die „neue Geschichtsperiode“, die für Deutschland den „nationalen Aufschwung (verheiße)“ und mit ihm den ersehnten neuen „hystorischen Stil“ ermögliche.198 Konkret auf die Anfänge der Düsseldorfer Malerschule bezog sich dann Friedrich Pechts Vorwurf, sie habe auf die gescheiterte Bildung einer Deutschen Nation mit einer „Poesie der Resignation“ geantwortet.199 Insbesondere in „Norddeutschland“ seien die 1820er Jahre die „Zeit der bornirtesten, religiösen und politischen Reaktion“ gewesen. Daraus habe, „wenn man nicht den mannhaften Weg des Cornelius gehen wollte“ „nur Krankes oder das Ungesunde in der Kunst erwachsen“ können; „große Kunst“ erwachse „immer nur auf dem Grunde eines großen nationalen Lebens“, wozu „im Deutschland der Restauration die ersten Bedingungen“ fehlten.200 Es ist bemerkenswert, in welchem Maß sich diese Verknüpfung von politischer Resignation mit der Ästhetik des Sentimentalen durchhielt. Friedrich Schaarschmidt machte nicht nur den „jüdischen Ursprung“ Eduard Bendemanns für die „Melancholie und Süßlichkeit“ seiner Bilder verantwortlich, er vergaß auch nicht die „feige (. . . ) Zeit, der von Polizei wegen jedes Aufsichselbstbesinnen, jede kraftvolle Aeußerung in socialen und politischen Dingen untersagt war“, für die „sinnliche aber haltlose Lyrik Heines, die lärmende aber hohle Musik Meyerbeers und die glänzende aber sentimentale Malerei Bendemanns“ mitverantwortlich zu machen.201 In Wolfgang Hütts 1984 publizierter Geschichte der „Düsseldorfer Malerschule“ (und noch in der Ausga197 Müller

von Königswinter, 1854, 163, vgl. Gurock, 1990, 123. 1843, 2. 199 Pecht, 1881, 266, vgl. Krey, 2003, 18. 198 Burckhardt, 200 Pecht,

1881, 265. 1902, 79.

201 Schaarschmidt,

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be von 1995) wird Immermanns Andeutung, die politische Resignation sei verantwortlich für die Düsseldorfer Sentimentalität gewesen, unterstrichen: „Es hat in der Tat kaum eine Epoche in der Geschichte Deutschlands gegeben, in der das Volk mehr Ursache gehabt hätte, das Scheitern seiner Zukunftsträume zu beklagen.“ Dem korrespondiere „die Abwendung von der Gegenwart“ in der Kunst.202 Elke von Radziewsky erkannte allgemein in der Rezeptionshaltung der 1830er Jahre eine „Heroisierung der Resignation“.203 Daran anschließend sah Guido Krey in der Trauer der Juden und im Fehlen „eines jungen virilen Mannes“ die Wehmut der Zeitgenossen, die nun, aus zeitlichem Abstand, die unerfüllten Hoffnungen der nachnapoleonischen Zeit beklagten.204 Gegen die antisemitische Kritik an der Düsseldorfer Malerschule muss man nicht mehr argumentativ angehen, diese Kritik ist glücklicherweise verstummt. Die Zusammenhänge mit der politischen Resignation in der Zeit der Restauration sind aber weiterhin virulent. Aufklärend kann diesbezüglich der Blick über den regionalen Tellerrand sein. Bereits die oben angedeutete Ableitung von Lessings so ungemein folgenreichem frühen Meisterwerk „Das trauernde Königspaar“ von Tendenzen der europäischen Avantgarde205 muss skeptisch machen gegenüber der notorischen Behauptung, die uneingelösten nationalen Hoffnungen in der Restauration hätten in der deutschen Malerei (in der Düsseldorfer vorzüglich) zur Dominanz des Passiven, Sentimentalen, zur Krise des Historienbildes insgesamt, geführt.206 Die Entsprechungen von Politik und Kunst dürften komplexer sein. Bevor man das „stereotyp gewordene Brüten“ nationalisiert oder auf Düsseldorf verengt regionalisiert, sollte man es zuerst und zunächst als das sehen, was es historisch war: ein internationales kunsthistorisches Phänomen. Das legen 202 Hütt,

1984, 23, Hütt, 1995, 35. 1983, 65. 204 Krey, 2003, 117. 205 Lessings „Trauerndes Königspaar“ dürfte von der Malerei in Paris aber nicht nur genommen haben. Zu einer möglichen Wirkung von Lessings Gemälde auf Jean-Paul Laurens’ „Exkommunikation Roberts des Frommen“ (1875): Körner, 2000, 36. 203 Radziewsky,

206 Immermann, 1973, 646, Burckhardt, 1843, 1 f., Pecht, 1881, 265 f., vgl. Krey, 2003, 18, Hütt,

1984, 23, Hütt, 1995, 35.

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auch die Analogien zwischen der „unsichtbaren Malerei“ der Düsseldorfer und der „unsichtbaren Malerei“ des in Paris erfolgreich tätigen Ary Scheffer nahe, die Gegenstand des nächsten Kapitels sein werden.

Ary Scheffers „unsichtbare Malerei“ und die „unsichtbare Malerei“ in Düsseldorf Ary Scheffer wurde 1795 im holländischen Dordrecht geboren. Seit 1810 lebte er in Paris und lernte im Atelier von Pierre Narcisse Guérin, dem Autors des „Marcus Sextus“. Mit seinen Mitschülern, Théodore Géricault und Eugène Delacroix, wird Ary Scheffer maßgeblich in die „Bataille romantique“ eingreifen. Dass er Deutsch lesen und sprechen konnte, dürfte nicht zuletzt seinem Vater, einem gebürtigen Hessen, verdankt sein.207 Anlässlich der Präsentation von Werken des Künstlers 1846 in Berlin charakterisierte ihn der französische Kunstliterat Viardot als „Deutscher der Herkunft her“ und als Franzose „im Geiste“.208 Nachdem seine Kunst sich von den dramatisch-romantischen Anfängen auf den Salonausstellungen von 1824 und 1827 abkehrte und sich der sentimentalen Seelenmalerei zuneigte, fiel den Zeitgenossen auch die stilistische Nähe zur Kunst des Nachbarlandes ins Auge. Im Rahmen seines Berichts „Ueber die neueste Malerei in Paris“ (1836) betonte Matthaei im „Kunstblatt“ den „deutschen Zug seines (Scheffers, d. V.) Geistes“ und „die Kenntniß von unserer Sprache, die ihm eher und reicher als allen französischen Künstlern die Werke Schiller’s und Goethe’s erschloß“.209 Dem Vorwurf an Scheffer, ein Nachahmer Overbecks und Bendemanns zu sein – seitdem von Bendemann 1837 das großformatige Gemälde „Jeremias auf den Trümmern Jerusalems“ auf dem Pariser Salon zu sehen war, galt Bendemann neben Overbeck als Protagonist der zeitgenössischen deutschen Malerei – glaubte Bourjot 1837 im „Journal des Artistes“ entgegnen zu müssen, wobei Bourjot zwar auf die geringere „Strenge“ von Scheffers „gemalter Poesie“ hinwies, die Ähnlichkeiten aber ansonsten bestätigte.210 Tatsächlich 207 Brem,

1989, 22. Allemand par l’origine“. „(. . .) par l’esprit“. Zit. n. Nerlich, Marcher, 2010, 334. 209 Matthaei, 1836, 405. 210 „C’est une poésie moins sévère“. Zit. n. Kolb, 1937, 369. 208 „(. . .)

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besaß Ary Scheffer Reproduktionen nach Zeichnungen Overbecks,211 und er pflegte Kontakt zu deutschen Künstlern. Peter Cornelius traf er 1838 in Paris. Wilhelm Schadow wohnte 1846 bei Ary Scheffer; in der Salonausstellung dieses Jahres war Schadows „Ecce-Homo“-Gemälde ausgestellt.212 Es bietet sich insofern an, diesen von Baudelaire sowohl seiner Sentimentalität als auch seiner „unsichtbaren Malerei“ wegen verspotteten Künstler auf Analogien zu, vielleicht sogar auf Abhängigkeiten von der „unsichtbaren Malerei“ der Düsseldorfer hin zu befragen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Scheffers „Mignon“ (Abb. 36) von Schadows „Mignon“ (Abb. 24, 25) angeregt wurde. Eine andere Szene und ein anderes Gedicht aus Goethes „Wilhelm Meister“ standen Scheffer vor Augen – Mignon, die sich in der Sehnsucht nach Italien verzehrt („Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühn . . . “),213 doch die Problematik der Übersetzung einer komplexen poetischen Vorlage übernahm Scheffer und mit ihr das offensive Bekenntnis zur „unsichtbaren Malerei“ der Düsseldorfer. Erwartungsgemäß erntete er in der Salonkritik den Vorwurf, in der Bildidee vage geblieben zu sein, ein „obskures“ Thema gewählt zu haben, und insgesamt aus den Grenzen seiner Kunst herausgeschritten zu sein: „Seien Sie meinetwillen Dichter, aber seien Sie es innerhalb der Grenzen der Kunst, die Sie sich gewählt haben, um Ihre Eingebungen zu interpretieren.“ (Barbier)214 Die von Anne-Marie de Brem 1989 nachgezeichnete Entstehungsgeschichte von Ary Scheffers „Greiner“ (Le Larmoyeur) macht die Strategie „sentimentaler“ Kunst durchsichtig215 und soll deshalb ausführlicher behandelt werden. Einmal mehr griff Ary Scheffer nach einem Thema aus der deutschen Dichtung. In seine „Anthologie auf das Jahr 1782“ hatte Friedrich Schiller die Ballade „Graf Eberhard der Greiner von Wirtemberg“ aufge211 Ewals, 212 Ewals,

1987, 82. 1987, 81.

213 Goethe,

Wilhelm Meisters Lehrjahre, 1981, 145. obscurité du sujet (. . .)“. „Soyez poëte, je le veux bien; mais soyez-le dans les limites de l’art que vous avez choisi pour être l’interprète de vos inspirations.“ Barbier, 1839, 48 f. Vgl. Ewals, 1987, 186. 215 Brem, 1989. 214 „(. . .)

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Abb. 36: Scheffer, Ary, Mignon sehnt sich nach ihrem Vaterland, 1836, Dordrecht, Dordrechts Museum

nommen.216 Eberhard II. von Württemberg, der gegen die Reichsstädte des Schwäbischen Städtebundes seine Grafschaft auszuweiten suchte, siegte 1388 bei Döffingen, verlor in dieser Schlacht aber seinen zur Nachfolge bestimmten Sohn Ulrich. Schiller verjüngte den zum Zeitpunkt seines Todes 53-jährigen zum „junge(n) Graf“, pries Eberhard, der die Bestürzung und Mutlosigkeit seiner Krieger beim Tod Ulrichs mit dem Wort „Mein Sohn ist wie ein andrer Mann“ überwand, bedichtete den Sieg der Württemberger, das anschließende Siegesfest, dem der vor der Leiche des Sohnes trauernde Graf fern blieb, und endete mit der Apotheose des schwäbischen Helden im Allgemeinen. 216 Schiller,

1943, 128–130.

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Der Ballade Schillers folgend ließ auch Scheffer Ulrich als Jüngling sterben. Auf die Siegesfeier aus Schillers viertletzter Strophe gibt in Scheffers Gemälde die Zeltöffnung den Blick frei. „Doch unser Grav – was thät er itzt? – / Vor ihm der todte Sohn. / Allein in seinem Zelte sizt / Der Grav, und eine Thräne blizt / Im Aug auf seinen Sohn.“ Scheffer übertrug diese drittletzte Strophe in sein Bild und vergaß auch nicht, die Träne im Auge Eberhards blitzen zu lassen. Der Kontrast des hellen Tageslichts, das über dem frohen Fest vor dem Zelt liegt, zum Dunkel, das die Szene der Trauer einhüllt, ist das malerische Mittel, um die einsame Trauer des Vaters noch ausdrücklicher zu machen, und der von Schiller nicht erwähnte Hund, den Scheffer zu Eberhard aufblicken ließ, gibt der Anteilnahme des Betrachters die Richtung. Heinrich von Kleist fand vor Caspar David Friedrichs „Mönch am Meer“, das, „was ich in dem Bilde selbst finden sollte (. . . ) erst zwischen mir und dem Bilde.“ 217 Wenn dementsprechend sich auch das Erlebnis von Ary Scheffers sentimentaler Malerei nicht im Bild, sondern im Zwischenraum als dem Ort der Reflexion konstituiert, dann ist davon auszugehen, dass das Bild sich verändert, wenn dieser Zwischenraum sich ändert. Und da der von Kleist aufgerufene Zwischenraum unsichtbar ist, kann selbst eine nachhaltige Veränderung eines Bildes unsichtbar bleiben. Das vom französischen Staat angekaufte, heute im Louvre aufbewahrte Gemälde des „Larmoyeur“ (Abb. 37) war nach wenigen Jahren – wegen der ausgiebigen Verwendung von Asphalt – zu einer Ruine geworden. Nachdem Scheffer schon 1836 eine Replik des Salonexponats angefertigt hatte (Abb. 38), nahm er sich 1853 das Thema erneut vor (Abb. 39). Im Vergleich mit der Erstfassung distanzierte sich Scheffer in der zweiten Version vom Rembrandtschen Helldunkel, die Farboberfläche glättete sich, die Konturen wurden deutlicher markiert, das Bildformat ist in die Breite gezogen.218 Diese formalen Änderungen in Verbindung mit der ausgeprägteren Kopfneigung Eberhards können nicht der Anlass zu einer andersgerichteten sentimentalen Wahrnehmung des Gemäldes sein. Doch die zweite Fassung des 217 Brinkmann, 218 Brem,

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1981, 181, 184.

1989, 39.

Abb. 37: Scheffer, Ary, Eberhard der Greiner (1. Fassung), 1832, Paris, Musée du Louvre

Abb. 38: Scheffer, Ary, Eberhard der Greiner (Replik der 1. Fassung), 1836, Privatsammlung

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Abb. 39: Scheffer, Ary, Eberhard der Greiner (2. Fassung), 1853, Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen

Abb. 40: Scheffer, Ary, Das zerschnittene Tischtuch, 1851, Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen

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Gemäldes wurde von einem Salonkritiker in einer Weise wahrgenommen, wie dies allein mit Schillers Gedicht als poetischer Referenz im ‚Zwischenraum‘ nicht denkbar ist. Louis Vitet erkannte 1860 in Scheffers Gemälde einen „hochmütigen Greis, verzehrt von Gewissensbissen und Tränen“.219 Die von Schiller angedeutete Vorgeschichte von Ulrichs Tod – „Er griff sie an – und siegte nicht, / Und kam gepantscht nach Haus, / Der Vater schnitt ein falsch Gesicht, / Der junge Kriegsmann floh das Licht, / Und Thränen drangen raus“ 220 – war von Ludwig Uhland erweitert, der bei Schiller merklich humoristische Ton herausgenommen, die Situation dramatisiert worden.221 Genesen trotz fast tödlicher Verwundung bei der verlorenen Schlacht von Reutlingen kehrt Ulrich zu seinem Vater nach Stuttgart zurück: „Er trifft den alten Vater, allein am Mittagsmahl, / Ein frostiger Willkomm! kein Wort ertönt im Saal. / Dem Vater gegenüber sitzt Ulrich an dem Tisch, / Er schlägt die Augen nieder, man bringt ihm Wein und Fisch; / Da faßt der Greis ein Messer, und spricht kein Wort dabei, / Und schneidet zwischen Beiden das Tafeltuch entzwei.“ 222 Ary Scheffer antwortete auf Uhlands Vorgabe mit dem 1851 gemalten Bild „Le coupeur de Nappes“ (Abb. 40), welches das sprichwörtlich gewordene zerschnittene Tischtuch veranschaulicht. Kennt man diese Szene, in der der in seinem Kriegerstolz verhärtete Alte das Am-Leben-Sein des besiegten Sohnes mit dieser symbolischen Scheidung beantwortete, dann wird man vermutlich die psychische Verfassung Eberhards vor der Leiche Ulrichs anders wahrnehmen, als wenn man nur Schillers launige Zeilen im Ohr hat. Die Trauer musste dem kundigen Bildbetrachter jetzt notwendig durchmischt erscheinen mit der Reflexion des Vaters über seinen grausamen Stolz, der den Sohn angetrieben hatte, in der Schlacht bei Döffingen Todesmut mit entsprechendem Ausgang zu beweisen. Anne-Marie de Brem ging davon aus, dass Scheffer Uhlands Gedicht „Graf Eberhard der Rauschebart“ in der Ausgabe der „Alten hoch- und nieder219 „(. . .)

cet orgueilleux vieillard dévoré de regrets et de larmes“. Zit. n. Brem, 1989, 42.

220 Schiller,

1943, 128.

221 Neben Uhlands Gedicht wird Scheffer von der Prosa-Erzählung Uhlands im Journal „L’Illu-

stration“ (1852) Kenntnis genommen haben. Brem, 1989, 27 ff. 222 Uhland,

1980, 235. Der Bericht in Christian Friedrich Sattlers „Geschichte des Herzogthums Würtenberg“ dürfte Uhland inspiriert haben. Vgl. Schiller, 1991, 122.

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deutschen Volkslieder“ von 1844 kennengelernt hatte.223 Doch erschienen ist Uhlands Ballade bereits 1815. In der Schwierigkeit, die sich dem Historiker stellt, den Zeitpunkt von Scheffers Lektüre der Uhlandschen Ballade genauer bestimmen zu können, manifestiert sich das Problem von Scheffers „unsichtbarer Malerei“. Gilt Vitets Wahrnehmung eines „hochmütigen Greis(es), verzehrt von Gewissensbissen und Tränen“ erst für die zweite Fassung des „Greiners“? Die Frage ist zumindest für die Rezeption bedeutungslos. Selbst wenn die erste Fassung des Themas noch ausschließlich auf Schillers Gedicht basieren würde, hätte sich die Uhlandsche Ballade auf die Erstfassung zurückspiegeln lassen. Und so war es auch: Eduard Collow, der Pariser Korrespondent von Schorn „Kunst-Blatt“, interpretierte Scheffers Bild auf der Salonausstellung von 1834 selbstverständlich vor dem Fond von Uhlands Ballade.224 Das Trauern Eberhards vor der Leiche des Sohnes hat ihre Parallele im „Düsseldorfer Schmerz, (. . . ) der Weichlichkeit, (dem) stereotyp gewordenen Brüten“, von dem sich Immermann gegen Ende seines Lebens in seinem Rückblick auf die „Düsseldorfer Anfänge“ distanzierte.225 Wusste Ary Scheffer von Lessings inzwischen in St. Petersburg befindlicher Uhland-Rezeption oder entwickelte Scheffer seine Bilderfindung ohne Kenntnis des „Trauernden Königspaars“ aus der Traditionsreihe, die von Füßli zu Guérins „Marcus Sextus“ führt? Das durch eine Ölskizze vorbereitete, aber erst 1835 ausgeführte Gemälde „Die Schatten der Francesca da Rimini und des Paolo erscheinen Dante und Virgil“ 226 (Abb. 41) ist ein Paradebeispiel der sentimentalen Malerei der französischen Romantik. Doch selbst in Hinblick auf dieses Werk Ary 223 Brem,

1989, 25.

224 Collow,

1834, 160. 1973, 646.

225 Immermann, 226 Gelegentlich

findet sich der Vermerk, daß die Komposition dieses Bildes auf ein Exponat Scheffers im Salon von 1822 zurückgehe. (U. a. Sterling / Adhémar, 1961, 20 u. Cuzin, 1982, 114). Weder das 1822 noch das 1824 im Livret des Salons aufgeführte Bild dieses Titels ist nachweisbar. Es ist wahrscheinlich, dass sowohl 1822 als auch 1824 Scheffer die Ausstellung eines Bildes mit der Paolo und Francesca-Thematik angekündigt, die heute in Dordrecht aufbewahrte Ölskizze angefertigt, das Bild aber nie zur Ausführung gebracht hat. Siehe hierzu: Ewals, 1980, 11, Ewals, 1987, 60 f., 77.

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Abb. 41: Scheffer, Ary, Paolo und Francesca (1835), 1854, Hamburg, Kunsthalle

Abb. 42: Flaxman, John, The Lovers Punished, Dante, Inf. V, Stecher: Tomaso Piroli, 1793

Scheffers sind die ästhetischen Möglichkeiten des Sentimentalen nicht hinreichend gewürdigt worden.227 Der Stoff bietet sich für eine gerührte Wahrnehmung an, und er hatte ja bereits Dante gerührt. Die unglückselige Francesca, die die gemeinsame Lektüre zum Ehebruch mit dem Bruder ihres Gatten verführte, die ertappt, vom betrogenen Ehemann zusammen mit Paolo getötet wurde und nun für alle Ewigkeit aber vereint mit dem Geliebten in der Hölle herumwirbelt, erzählt Dante ihre Geschichte, dem das Mitleid die Sinne raubt. Ohnmächtig zu Boden gesunken, so zeigt ihn Flaxmans Illustration (Abb. 42), die Scheffer angeregt haben muss, von der er sich aber, wie von der ikonographischen Tradition insgesamt, abgrenzte. Ary Scheffers Dante bricht nicht zusammen, sondern kontempliert gemeinsam mit seinem Führer Vergil das verdammte, verzweifelte Liebespaar.228 Leidet der 227 Zum

folgenden Körner, 2000, 33 f. 2002, 88, 91.

228 Soennecker,

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Dante dieses Gemäldes tatsächlich nicht (Irène de Vasconsellos), ist er nur der „neutral-analysierende (. . . ) Betrachter (. . . )“ (Soennecker)?229 Man könnte zur Verteidigung des Dichters darauf verweisen, dass ein zeitgenössischer Betrachter „ein Antlitz“ wahrnahm, das „ein tieffühlendes Herz zurückspiegelt“,230 doch signifikant ist bereits, dass man das Bild eben so, wie zitiert, auch wahrnehmen konnte. Zudem andere Zeitgenossen den Gesichtsausdruck als eher distanziert beurteilten: „In Dante beherrscht der Verstand die Bewegung der Seele; im Virgil umgekehrt.“ 231 Dante und Vergil treten in keiner Weise in Interaktion mit den Schatten. Die Bilderzählung wird an dieser Stelle zum Stillstand gebracht, wird in Reflexion überführt, und das gilt nicht nur für Dante und Vergil, sondern gleichermaßen für den Bildbetrachter, der vom Liebespaar gerührt wird, dessen Rührung aber im Bild gebrochen wird durch die beiden Dichter, die ihrerseits den Betrachter anstiften, Reflexionen anzustellen, worüber Dante und Vergil reflektieren und darüber, ob und in welchem Maße die Dichter sich von den bestraften Liebenden rühren lassen. Das ist mehr als die zweite Träne, die für Milan Kundera den Kitsch zum Kitsch macht,232 doch diese zusätzliche Träne markiert die Reflektiertheit des Gerührtseins, und das entspricht eben auch der Bestimmung des Sentimentalischen / Sentimentalen als positive ästhetische Qualität bei Schiller und Jean Paul.233 Die eben begonnene Diskussion der Frage, ob und in welchem Maße der die Liebenden betrachtende Dante in Scheffers Bild eher von rationalen Erwägungen oder von Mitleiden erfüllt ist, erübrigt sich weitgehend. Die Frage muss offen bleiben, weil Unsichtbares sich im Mienenspiel nur eingeschränkt veröffentlichen lässt. Den uneingelösten Rest darf man mit Baudelaire als „unsichtbare Malerei“ verspotten; man darf in diesem unbestimmten Raum aber auch einen Freiraum für die Fantasie des Betrachters sehen, und man kann diese Offenheit als Qualitätskriterium akzeptieren. 229 Soennecker,

2002, 88 f. 1835, 131. 231 P. . . . e, 1835, 134. 230 Collow,

232 Kritisch 233 Zur

zu Kunderas Kitsch-Begriff: Solomon, 2004, 13.

„Rührung“ in Jean Pauls „Vorschule der Ästhetik“ Liessmann, 2009, 45 f.

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Eben das tat der Salonkritiker der Pariser Zeitschrift „Temps“, dessen Kritik in Franz Kuglers „Museum“ in deutscher Übersetzung nachgelesen werden konnte. Nachdem der Kritiker die Empfindungen von Vergil und Dante als „Gegensatz“ zwischen „sanfter Melancholie“ (Vergil) und der Dominanz des Verstandes (Dante) interpretiert hatte, relativierte er seine Interpretation umgehend: „Vielleicht irre ich mich in meiner Erklärung; aber selbst ein solcher Irrthum würde nur ein Lob für den Künstler und eine neue Garantie für das Verdienst seiner Werke enthalten: es ist den schönen Kunstwerken eigen, dass sie der Einbildungskraft zahlreiche Gesichtspunkte darbieten, während die mittelmässigen nur von einer Seite zu betrachten sind.“ 234 Hatte der Autor Schellings Apologie des auf eine „Unendlichkeit von Absichten“ hin entworfenen „wahren Kunstwerks“, das deshalb auch für die „unendliche (. . . ) Auslegung“ offen stehe,235 im Sinn? Falls nicht, dann zeigt die beiläufige Konzession an die hermeneutische Libertinage die allgemeine Neigung an, den Sinn von Bildern offen zu halten. Es gibt kein Gemälde der Düsseldorfer Malerschule, das sich unmittelbar mit Scheffers „Paolo und Francesca“ in Zusammenhang bringen ließe, doch wie nahe im Allgemeinen Scheffers Inszenierung des Unsichtbaren in diesem Gemälde den Bildstrategien der Düsseldorfer kommt, bestätigt ein 1839 entstandenes Gemälde Carl Ferdinand Sohns (Abb. 43), das in sehr verwandter Weise Reflexion zum Gegenstand von Malerei erhebt. Torquato Tasso, an der Quelle lagernd, hingegeben der Dichtkunst, wird von den im Park flanierenden Freundinnen Leonora d’Este und Leonora Sanvitale betrachtet. Der in Gedanken versunkene Dichter, die wiederum sehr unterschiedlich über den Dichter, aber auch über sich selbst nachsinnenden Frauen, und – im Falle der blonden Leonore – die über die Gedanken der Freundin Nachdenkende, all das verstrickt den Bildbetrachter in ein hochkomplexes Spiel, das freilich nur der recht mitspielen kann, dem die literarische Vorlage, Goethes Schauspiel, geläufig ist. Wie bei Scheffer ist der Handlungszusammenhang unterbrochen; Zusammenhang entsteht auf andere Weise als im traditionellen Historienbild. Es ist, um mit Uechtritz zu sprechen, das 234 P.

. . . e, 1835, 134. 1927, 620.

235 Schelling,

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Abb. 43: Sohn, Carl Ferdinand, Tasso und die beiden Leonoren, 1839, Düsseldorf, Museum Kunstpalast

„bloße Gefühl (. . . ), das als Einheitsklammer“ 236 Sohns und Scheffers Gemälde vereinheitlicht. Es ist von daher nicht ganz überraschend, dass Sohns Gemälde „Tasso und die beiden Leonoren“ 1839 positive Aufnahme beim Pariser Salonpublikum fand.237 Die Düsseldorfer Malerschule verhielt sich der Pariser Kunstszene gegenüber in Vielem als der nehmende Teil. Gelegentlich gibt es allerdings Gründe für die Annahme, dass Paris auch von Düsseldorf genommen hat. Wenn man hinsichtlich der Wirkung von Lessings „Trauerndem Königspaar“ auf Ary Scheffers Auseinandersetzung mit Friedrich Schillers „Graf Eberhard der Greiner von Wirtemberg“ und Ludwig Uhlands „Graf Eberhard der Rauschebart“ wegen des raschen Verkaufs des Bildes an die russische Zarin und wegen des erst mit jahrelanger Verspätung publizierten Reproduktionsstichs238 vorsichtig sein sollte, im folgenden Fall ist an der Vorbildfunktion der „unsichtbaren Malerei“ eines Vertreters der Düsseldorfer Malerschule kaum zu zweifeln. Der mit seiner Verantwortung einsam im Lebenskampf stehende Mann und das unschuldige Kind, für das er Verantwortung trägt, um das er sich sorgt, auf dieses Rührung garantierende Rezept griff Theodor Hildebrandt in seinem Gemälde „Der kranke Ratsherr“ (Abb. 44) des Rheinischen Landesmuseums Bonn zurück. Gegenstände im Bild, Mimik und die Interaktion der Bildfiguren explizieren das Bildthema nicht vollständig, sondern deuten es nur an: Der Vorhang gibt den Blick auf ein Bett frei, das man dann, aber erst dann als Krankenlager erkennen wird, wenn das Verstehen des Bildes eine bestimmte Richtung genommen hat. Auf dem Tischchen, auf das der „kranke Ratsherr“ den Arm auflegt, steht eine Arzneiflasche. Seine Haltung wirkt müde, und obwohl er in der Stube ist, hat er sich den dicken pelzbesetzten Mantel angezogen und das Barett aufgesetzt. Seine Hand liegt 236 Uechtritz,

1840, 199.

237 Markowitz,

1969, 335.

238 Die unglückliche Geschichte der Reproduktion von Lessings „Trauerndem Königspaar“ be-

richtete Humboldt (Kunstvereinsbericht vom 1. Mai 1832, 1907, 577). Angesichts der Verspätung, mit der die druckgraphische Nachbildung lieferbar war, erledigt sich wohl die von mir an früherer Stelle (Körner, 2000, 34) geäußerte Vermutung, Paul Delaroche könne zum Zeitpunkt des Salons von 1831 Lessings Gemälde über eine solche Reproduktion gekannt haben.

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auf dem Scheitel der Tochter, die ihn mit großen Kinderaugen ansieht. Der Rosenkranz in der linken Hand könnte darauf verweisen, dass das Mädchen für den kranken Vater gebetet hat. Der Ehering des Ratsherrn ist auf das Porträt der in spätmittelalterlicher Tracht gemalten Ehefrau hinter dem Lehnsessel zu beziehen. Sie ist verstorben, wie der Kranz über der linken Rahmenecke anzeigt.239 Und so fügt sich für den Betrachter der Sinn zusammen, so wird die Stimmung des Bildes produziert und diese Stimmung wiederum produziert im Betrachter Rührung. Stirbt der kranke Ratsherr, muss er seine kleine Tochter als Waise zurücklassen. Deshalb der zutiefst traurige Blick, der auf den fragenden Blick des Mädchens antwortet. Die drei letzten Strophen von Franz Freiherr Gaudys Bildgedicht, als „Kopie des Laien“ niedergeschrieben gelegentlich der Berliner Kunstausstellung von 1834, fasst die von der Mehrzahl der Betrachter so verstandene Aussage von Hildebrandts Gemälde zusammen: „Bald du armes Kind, du einz’ges / Werd’ ich bei der Mutter sein, / Und dann stehst du ganz verlassen / In der weiten Welt allein. // Bald, vielleicht nach wenig Wochen / Schwankt der düstre Zug hinaus, / Und dich führt die Hand des Fremdlings / Aus dem wüsten Trauerhaus. // Dann wenn deine ros’gen Wänglein / Salz’ge Thräne überströmt, / Ahnst du wohl des Vaters Kummer, / Und was ihn so tief gegrämt.“ 240 Einen Monat nach dem Tod seiner Mutter (1839) malte Ary Scheffer ein Gedächtnisbild: „Cornelia Scheffer-Lamme segnet ihre Enkel“ (Abb. 45). Die dem Sterben nahe Mutter des Künstlers im Lehnsessel blickt ernst – wegen ihres nahen Endes, wegen der ungewissen Zukunft der Enkel –, und sie legt ihre Hände auf die Köpfe der beiden Kinder. Ary Scheffer muss das 1833 gemalte Bild Hildebrandts gekannt haben. Mit dem Mädchen, das gerührt zu der hinfälligen Großmutter aufblickt, übernahm Scheffer in nur wenig variierter Form und seitenvertauscht die Tochter von Hildebrandts „Krankem Ratsherr“. Neben diesem Bildzitat ist es die Weise der kummervollen Zuwendung, ist es insgesamt die Bildstimmung, die Ary Scheffer aus Düsseldorf borgte. Die allgemeine (poetische) Thematisierung von Krankheit, 239 Goldkuhle 240 Gaudy,

/ Krueger / Schmidt, 1982, 218.

1835, 75. Vgl. Krueger, 1979, 38.

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Abb. 44: Hildebrandt, Theodor, Der kranke Ratsherr, 1833, Bonn, Rheinisches Landesmuseum

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Abb. 45: Scheffer, Ary, Cornelia Scheffer-Lamme segnet ihre Enkel, 1839, Dordrecht, Dordrechts Museum

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nahem Tod und der Sorge um das Kind bei Hildebrandt wurde von Scheffer als Porträt individualisiert, ohne den allgemeinen Anspruch – manifest im Segensmotiv, mit dem Scheffer an das biblische Motiv des Jakobssegens bei Rembrandt anspielte – preiszugeben. Es ist gewiss kein Zufall, dass der von Baudelaire später als Hervorbringer „unsichtbarer Malerei“ verspottete Ary Scheffer seine Affinität zur Düsseldorfer Malerschule auf diese Weise bekannte. Das stumme Gespräch des Ratsherrn mit seiner Tochter, bei dem (unsichtbar, aber als Bild im Bild anwesend) die tote Mutter mitspricht, ist in Hinblick auf den Anteil des Unsichtbaren am Sichtbaren des Gemäldes soweit nicht entfernt von den einträchtigen Reflexionen, die der hl. Augustinus und seine Mutter 1847 auf dem Pariser Salon anstellen werden. Jeweils manifestiert sich im Nichtgezeigten entweder ein Mangel oder eine produktive Spannung. Je nachdem. Produktive Spannung, das meint zuerst und zunächst die Anregung für den Bildbetrachter, sich die nur angedeutete Bildgeschichte vor- und zurückzuerzählen. Und insofern „unsichtbare Malerei“ im Guten wie im Schlechten inhaltlich nicht festgestellt bleiben kann, gibt es bestenfalls angemessenere, plausiblere, aber keine ‚richtige‘ Interpretation. So überrascht es nicht, dass auch die oben gegebene und von der Mehrzahl der Zeitgenossen geteilte Sichtweise auf das Bild Hildebrandts nicht die einzige bleiben konnte. Der Rezensent, der das in Berlin 1834 ausgestellte Gemälde besprach, offerierte andere Erzählungen vom Unsichtbaren in dieser Bildgeschichte: „War das Kind der Preis des mütterlichen Lebens? Oder kommt es aus der Kirche und der trübe Blick des Vaters bemitleidet seinen frommen Wahn?“ Ein Streit über die ‚richtige‘ Interpretation wäre müßig und so lässt der Rezensent seine Bildbetrachtung denn auch von einem dazwischen tretenden Fräulein brüsk beenden: „Um Gotteswillen, lassen Sie uns forteilen von diesem traurigen Bilde – meine Freundin weint schon“.241 Die rührende Wirkung zumindest stand außerhalb jeder Diskussion. Ary Scheffer liess sich von Theodor Hildebrandts Bilderfindung für das Porträt seiner Mutter anregen. Für eine solche Anregung hatte sich Hildebrandts Gemälde schon deshalb angeboten, weil es zwar kein Porträt ist, 241 S.,

110

1834, 308.

aber auf die Zeitgenossen ausgesprochen porträthaft wirkte. Das verbindet den „Kranken Ratsherrn“ mit anderen Hauptwerken der jungen Düsseldorfer Malerschule; das ist abkünftig von der ästhetiktheoretischen und kunstpädagogischen Sonderrolle, die Schadow dem Modellstudium und dem Porträt einräumte; das hat zusätzlichen Stoff für Polemik gegen den Bildbegriff der frühen Düsseldorfer Malerschule geliefert; das macht aber auch den Raum zwischen den Polen des Allgemeinen und des Individuellen weit und gespannt. In diesen Spannungsraum konnte der Bildbetrachter seine Erzählungen einschreiben. Für die Besprechung der Berliner Akademieausstellung von 1834 in den „Blättern für bildende Kunst“ bot die Porträthaftigkeit von Vater und Tochter in Hildebrandts rührendem Gemälde Gelegenheit, grundsätzlich gegen die Einteilung der Malerei in Gattungen Stellung zu beziehen – Hildebrandts „Kranker Ratsherr“ könne „beliebig über das Portrait oder unter die Historie“ gestellt werden.242 Adolf Schöll brachte die produktive Spannung von Besonderem und Allgemeinem in einem fiktiven Zwiegespräch zum Ausdruck. Die forciertem Modellstudium verdankte scheinbare Porträtabsicht setzte er in Widerspruch zur Allgemeinheit des Genrebildes: Die „starke Individualität dieser einfachen Familiengruppe“ sowie das Bildformat zeigten, dass der Künstler über Reichweite und Rang des üblichen Genrebildes hinausgreife.243 Notwendig müsse man „glauben, man habe ein Porträt vor sich. Wahrscheinlich habe der arme, absterbende Rathsherr, im Vorgefühl des Todes, gewünscht, das Abbild seiner Trauer und des väterlichen Segens, mit dem er von seinem Kinde scheidet, diesem und der Welt zu hinterlassen.“ Der fiktive Gesprächspartner macht demgegenüber auf den Umstand aufmerksam, dass es sich doch nur um ein Genrebild handle, der Mann, seine Krankheit, seine Tochter seien „bloß erfunden“. Auf die Frage, woher der Gesprächspartner die Gewissheit beziehe, kein Porträt vor sich zu haben, wird auf das historische Kostüm verwiesen, und nachdem derjenige, der den „Kranken Ratsherrn“ für ein Porträt hält, insistiert, es gäbe ja auch verkleidete Porträts, beendet der eine der beiden fiktiven Gesprächspartner die Ausein242 S.,

1834, 307. 1834, 175.

243 Schöll,

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andersetzung mit dem Hinweis darauf, dass er das Modell für den kranken Ratsherrn kenne, das „gottlob noch lebt und bei viel glücklicherem Befinden ist.“ 244

„Seelenmalerei“ und Bildnis Das Individuelle und das Christentum Als junger Künstler in Berlin hatte sich Wilhelm Schadow auf dem Gebiet der Porträtmalerei Anerkennung erworben. Noch vor seiner Abreise nach Rom im Jahr 1810 konnte er in Berlin seine Position als renommierter Porträtist mit dem posthumen Bildnis Königin Luises festigen. Trotz der andersgerichteten Vorgaben seiner Künstlerfreunde blieb das Bildnis auch in den römischen Jahren Schadows die bevorzugte Bildgattung. Als er schließlich 1819 als Nazarener und Katholik nach Berlin zurückkehrte, waren es insbesondere seine Porträts des preußischen Adels, die ihm Ruhm, Ehre und Geld eintrugen, und die ihm nicht zuletzt zu seinem Direktorsposten in Düsseldorf verhalfen. Einen wichtigen Platz räumte Schadow dem Modellstudium im allgemeinen und der Porträtmalerei im Besonderen innerhalb der Düsseldorfer Akademieausbildung ein. Programmatisch formulierte Schadow in den „Gedanken über eine folgerichtige Ausbildung des Malers“ die Notwendigkeit des Naturporträts. Bereits in der „Vorbereitenden Klasse“ müsse neben das unabdingbare Antikenstudium das Naturstudium treten. „Regelmäßigkeit und geniale Freiheit soll der echte Künstler in sich verbinden. Zu jener erzieht das vollendete Musterbild (darunter verstand Schadow das antike Vorbild, d. V.), diese empfängt Anregung, Stoff und Kraft immer nur aus dem Studium der Natur, und aus der unmittelbaren Berührung mit ihr. Die Antike giebt dem Künstler genug, daß er einen festen Anhaltspunkt für die Gebilde seiner Phantasie habe; aber sie giebt ihm nicht so viel, daß er seine volle Individualität in diese Gebilde legen könnte. Gerade das Charakteristische und Individuelle verleiht einem Kunstwerke den höchsten Reiz, und nie kann dieser erreicht werden, wenn die Production sich nur auf die Nachahmung bereits vorhandener 244 Schöll,

112

1834, 175.

Musterformen beschränkt. (. . . ) Ich halte es deshalb für durchaus nothwendig, den werdenden Künstler schon früh zu der zweiten Hauptquelle aller seiner Bildung, zu der Natur, hinzuführen.“ 245 Angesichts der Bedeutung, die Schadow dem Naturstudium zuschreibt, verwundert es nicht, dass auch das Porträt im engeren Sinne eine Aufwertung erfahren musste. Schadow schreibt denn auch vor, die Akademieschüler müssten gute Porträts kopieren, und zu den Aufgaben der Akademieschüler der „Ersten Klasse“ gehört es, „ein gutes Bildnis (zu) malen“.246 Friedrich von Uechtritz ging 1840 so weit, das Porträt als Ausgangspunkt der gesamten Düsseldorfer Malerschule zu bezeichnen.247 Die Bedeutung des Porträts beschränkte sich für Schadow nicht auf den propädeutischen Nutzen und nicht darauf, notwendiges Komplement des Ideals in der Kunst zu sein. Auch deshalb spielte das Porträt für Schadow eine so große Rolle, weil sich daran der grundsätzliche Unterschied der modernen, also der christlichen Kunst, zur antiken Kunst festmachen ließ. Wilhelm von Schadows Straßburger Vortrag „Ueber den Einfluss des Christentums auf die bildende Kunst“ sieht das Gemeinsame von antik-heidnischer und christlicher Kunst im zeitlichen und qualitativen Vorrang des Idealismus vor dem Naturalismus. Ausgang und Ziel beider seien jedoch verschieden. Wohingegen die antiken Götter vervollkommnete Menschen gewesen seien, die antike Kunst folglich „die Idealisierung der äussern, in der Sinnenwelt vorhandenen Erscheinungen bezweckte“, habe „die christliche Kunst der übersinnlichen Ideenwelt menschliche Gestalt, Form und Farbe“ verliehen. Die grundsätzlich andere Einstellung zur menschlichen Physiognomie resultiere daraus. Die Antike habe den Körper ins Zentrum gestellt, dafür „das Antlitz, welches am meisten die Bewegungen der Seele bezeichnet, minder beachtend“.248 Demgegenüber habe die christliche Kunst bereits in ihren rohen Anfängen das menschliche Antlitz aufgewertet: Dem allgemeinen Verfall der Kunst im 5. und 6. Jh. n. Chr. entspreche die „Nachahmung von Redner245 Schadow,

1836, 321. 1836, 322 f. 247 Vgl. Hütt, 1995, 50. 248 Schadow, 1842, 4. 246 Schadow,

113

figuren schlechtesten Styls“ in den Mosaiken der frühchristlichen Basiliken, „denen man Köpfe eines St. Peters oder Pauls oder anderer Apostel aufgesetzt“ habe. Die Physiognomien dieser Köpfe wirkten „nichts desto weniger höchst belebt“. Das menschliche Antlitz, das die Antike marginalisiert hatte, weil es auf ein Unsichtbares, auf die Seele, verweist, musste aus eben diesem Grund ins Zentrum der christlichen Kunst rücken.249 Moderne (christliche) Malerei ist Seelenmalerei.

Das „symbolische Porträt“ Bereits etymologisch gründet das Porträt (von lat. protrahere – hervor-, ans Licht ziehen) im Sichtbar werden lassen und der Begriff Konterfei (von lat. contrafacere – nachmachen) weist dem Bildnis die Imitation des Sichtbaren zu. Im späteren 18. Jh. wurde der zuvor gelegentlich gestellte Anspruch an den Porträtisten, über das ‚Nachmachen‘ der Oberfläche hinausgehend Seelenmaler zu sein, Allgemeingut, und man meinte es jetzt auch allgemein ernst. Johann Georg Sulzer hatte im Artikel „Portrait“ seiner „Allgemeinen Theorie der schönen Künste“, das Anforderungsprofil, welches jetzt an die Gattung des Bildnisses angelegt wurde, definiert: Da „wir aus der Gestalt des Menschen, vorzüglich aus ihrer Gesichtsbildung etwas von dem erkennen, was in ihrer Seele vorgeht“, müsse der Porträtmaler „das scharfe Auge des Geistes haben, die Seele ganz in dem Körper zu sehen“.250 Dieser forcierte Anspruch an den Porträtisten, auch Unsichtbares „ans Licht zu ziehen“, konfrontierte, wie oben angemerkt, den Bildbetrachter nicht mit einem Weniger, sondern mit einem Mehr an Unsichtbarkeit. Friedrich Schlegel hatte seinen Porträtbegriff, der zugleich auf eine Verabschiedung des Porträts als eigenständige Gattung zielte, aus der Voraussetzung entwickelt, dass „die verborgene Seele in dem Antlitz des Menschen“ sich in der Regel nicht „klar“ zu erkennen gebe; sie „schimmert nur verstohlen durch“. „Symbole“ müssten deshalb unterstützend hinzutreten, will der Künstler „dieses Höchste im menschlichen Antlitz so viel als möglich darstellen“. Es sei der „landschaftliche (. . . ) Hintergrund aus Meer, Gebirgen und 249 Schadow, 250 Sulzer,

114

1842, 7.

1794, 719 f. Vgl. Kanz, 1993, 102 f., Kanz, 1998, 225 f.

Luft“, der aus der „Mona Lisa“ Leonardos (Abb. 8) ein „symbolisches Porträt“ mache. Der Landschaftsgrund sei „gleichsam die verdoppelte und höhere Abspiegelung“ des Gesichtes.251 Insofern die Landschaft die nur trübe Erscheinung der unsichtbaren Seele symbolisch klärt, führt sie Schlegel zufolge das Bildnis „sofort aus der Sphäre der Gattung (. . . ) heraus.“ Es steige auf die höchste Stufe des Historienbildes, denn auch wenn das „symbolische Porträt“ nicht im engeren Sinne erzählend sei, so erscheine es doch als „Bruchstück“ eines „historische(n) Gemälde(s)“.252 Dem Porträtmaler wie dem Porträttheoretiker Wilhelm Schadow musste die von Friedrich Schlegel gewiesene Möglichkeit vom beschränkten, nur auf die Mimesis der Gesichtszüge angewiesenen Konterfei zum „symbolischen Porträt“ aufsteigen zu können, sehr entsprochen haben.253 Nur ein Bildbeispiel soll Schadows Kunst des „symbolischen Porträts“ exemplifizieren und vergleichend soll es neben ein Bildnis des Düsseldorfer Porträtmalers gestellt werden, dessen Werke am ehesten sich in die „gewöhnlichste und in gewissem Sinne auch wohl niedrigste“ Gattung einordnen lassen, weil sie entsprechend der von Schlegel erläuternd herangezogenen Porträtauffassung Holbeins d. J. „auf die treueste, tiefste Wahrheit und Objektivität“ aus sind. Der gebürtige Düsseldorfer Heinrich Christoph Kolbe hatte noch an der alten Kunstakademie unter Johann Peter Langer studiert. 1801 war Kolbe mit Künstlerfreunden über Antwerpen und Brüssel nach Paris gereist, wo er sich bei Francois-André Vincent und Pierre-Paul Prud’hon sowie in den Ateliers von Jacques-Louis Davids Meisterschülern Francois Gérard und Antoine-Jean Gros weiterbildete. Übersetzt ins Biedermeierliche importierte Kolbe den nüchtern auf die sichtbare Wirklichkeit zugreifenden Porträtstil Davids und seiner Schule an die Düsseldorfer Kunstakademie, als er von Peter Cornelius 1822 zum Professor berufen wurde.254 Cornelius 251 Schlegel,

Friedrich, 1959, 36 f. Friedrich, 1959, 37. 253 Allg. zu Schadows „symbolischen Porträts Wartmann, 1996, 47 ff. 252 Schlegel, 254 Vgl.

Gödecke-Behnke, 1983, 27, Hütt, 1995, 49 f., Wartmann, 1996, 97. Allgemein zum Einfluss auf die deutschen Maler, die Anfang des 19. Jh. Paris besuchten: Becker, 1971, 79.

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kehrte Düsseldorf 1825 Münchens und Bayerns Königs wegen den Rücken und nahm seine besten Schüler mit in den Süden. Kolbe blieb in Düsseldorf zurück. Das Verhältnis zum neuen Direktor Wilhelm Schadow, der zu Beginn seiner Düsseldorfer Zeit sogar einige Wochen Wohnung bei Kolbe bezogen hatte, kühlte sich rasch ab. Schließlich erreichten die Animositäten zwischen Kolbe und Schadow ein solches Maß, dass Kolbe als Professor beurlaubt und dann in den Ruhestand versetzt wurde.255 Idealisierung in Verschränkung mit Naturstudium, so lautete Schadows Porträtformel, mit der er sich von der von Kolbe in Düsseldorf vertretenen Porträttradition absetzte. In einem seiner schönsten Bilder und einem der schönsten Kinderbildnisse des 19. Jahrhunderts porträtierte Wilhelm Schadow seine Tochter Sophie und seinen Sohn Rudolf Johann Gottfried im Alter von sechs und vier Jahren (Abb. 46). Die Kinder haben sich auf einer Rasenbank niedergelassen. Die ältere Schwester in weißem Kleid, dem das rote Band um die Taille einen dezent bunten Akzent gibt, ist nicht nur größer gewachsen als der Bruder, sie wirkt noch größer, weil sie ihr rechtes Bein gerade abstreckt, Bodenhaftung hat. Rudolf Johann Gottfried zieht sein rechtes Bein an. Das linke ist angewinkelt. Verlängert man das rechte Bein Sophies und das linke des kleinen Bruders jeweils mit Linien zum unteren Bildrand hin, bilden sie die Schenkel eines Dreiecks, das der Komposition eine außerordentliche Festigkeit gibt und zugleich auf ein kunsthistorisches Vorbild verweist. Schadow muss bei seiner Komposition Raffaels Wiener „Madonna im Grünen“ (Abb. 47) vor Augen gestanden haben. Raffaels Muttergottes stellt ihren rechten Fuß ähnlich in die untere Bildecke wie die Tochter Schadows, und auch bei Raffael verankert diese Fuß- und Beinstellung die Figurenkonstellation, stabilisiert sie. Diese Dreieckskomposition ist bei Raffael einerseits weniger streng – dem Fuß Mariens korrespondiert auf der linken Bildseite das Knie des Johannesknaben –, andererseits schließt das Dreieck unten annähernd gerade ab. Schadows Figurenkomposition erscheint demgegenüber schematischer, denn die aufsteigenden Dreiecksschenkel werden nur 255 Hütt,

116

1995, 49 f.

Abb. 46: Schadow, Wilhelm von, Die Kinder des Künstlers, 1830, Düsseldorf, Museum Kunstpalast

117

Abb. 47: Raffael, Madonna im Grünen, 1506, Wien, Kunsthistorisches Museum

von Beinen gebildet. Doch weil der Bruder kleiner ist, weil er sein linkes Bein stärker angewinkelt hat, wird der starre pyramidenförmige Aufbau gelockert. Dem korrespondiert die Haltung der Köpfe. Bei Raffael gipfelt der Figurenaufbau im Kopf der Maria; Schadow durchbricht an dieser Stelle die schematische Dreieckskomposition, indem er analog zu den beiden Beinen, die Köpfe sich nach rechts und links neigen lässt. 118

Hebt bereits diese kunsthistorische Referenz, die die „Gliederung aus Unsichtbarem“ (Merleau-Ponty) mitkonstituiert, das Kinderbild auf ein höheres Anspruchsniveau, so führt Schadow zudem im Sinne Friedrich Schlegels das Bild aus den Grenzen der Gattung des Porträts hinaus durch eine Landschaft, die die Kinder nicht nur foliiert, ihnen einen Ort gibt, sondern in ihrem Verhältnis zueinander charakterisiert. Kompositorisch dominiert die große Schwester, doch subtil tariert Schadow das Gleichgewicht im Landschaftsgrund wieder aus. Hinter den Kindern steigt das Gelände nach rechts an, die drei Baumstämme neigen sich jedoch nach links, sorgen dafür, dass der kleine Junge anschaulich seine Position im Bildgefüge sichert. Nicht zu übersehen ist zudem, dass die in der Ferne verblaute Landschaft links das Blau des Knabenkleidchens wieder aufnimmt, dem kleineren Kind auch auf diesem Weg mehr Gewicht gibt. Großen Wert legte Schadow auf die psychologische Differenzierung, die hier selbstverständlich auch eine psychologische Stereotypisierung im Sinne hergebrachter Geschlechter-Klischees ist. Sie, obwohl die ältere, größere, schmiegt sich an ihren kleinen Bruder, der außerdem entschieden kecker den Betrachter in den Blick nimmt. Als Mädchen ist sie auf Anlehnungsbedürfnis, Zurückhaltung konditioniert. Dem entspricht der seelenvolle Blick, dem entspricht die nach hinten gestellte linke Hand und die nach innen geführte rechte Hand. Der kleine Bruder demonstriert nicht nur mit dem offeneren, aktiveren Blick die erwachende Männlichkeit; auch sein linker Arm geht nach außen. Und die Geste ist maskulin, ergreifend, zupackend. Er fasst die Wiesenblumen, vielleicht wird er sie ausrupfen. Die Geste der Schwester gilt demgegenüber dem weißen Kaninchen, das sie streichelt. Maskulin und Feminin, Aktiv und Passiv, Groß und Klein, Natürlichkeit und Künstlichkeit sind in Spannung und in Ausgleich gebracht. Landschaftsstimmung und Figurenausdruck gehen zusammen. Und zur „symbolischen“ Landschaft kommen weitere Symbole, in denen das Unsichtbare durchscheint. Das weiße Gewand des Mädchens steht für Unschuld; das frische Quellwasser, das von rechts unten ins Bild sprudelt und über den linken Fuß der Tochter fließt, entspricht der kindlichen Frische, dem Anfang. Ob man darüber hinaus die Quelle und das Kaninchen auch christologisch 119

auslegen darf, wie von Barbara Tucholski vorgeschlagen,256 muss hier nicht diskutiert werden. Das thematisch, aber eben nur thematisch verwandte Gemälde Heinrich Christoph Kolbes wurde um 1820 gemalt (Abb. 48); gleich Schadow porträtierte Kolbe seine beiden Kinder, die Tochter Louise und den kleineren Bruder Etienne. Kolbes Doppelbildnis seiner Kinder ist ein bemerkenswertes Gemälde, doch für Schadow verkörperte sich in einem solchen Bild eine Kunstauffassung, in der der „Naturalismus“ rein, ohne Mischung mit dem Idealen sich manifestiert. Und das musste ihn abstoßen. Sprechen wir heute von „Naturalismus“ in der bildenden Kunst, dann stehen uns Bilder vor Augen, die in sehr viel härterer, vielleicht sogar schockierender Weise nach der Wirklichkeit greifen, als das idyllische Kinderbild, das Kolbe hinterlassen hat. Doch wir müssen uns zumindest darum bemühen, die anders gelagerte Sensibilität der Zeitgenossen vor solchen Bildern nachvollziehen zu können. Und wenn wir uns darum bemühen, dann erweist sich, um wie viel prosaischer und sachlicher Kolbes Bild neben dem Bild seines späteren Direktors, seines späteren Freundes und seines noch späteren Widersachers ist. Schadows Kinder erscheinen neben dem nüchternen Kinderbild Kolbes wie Engel aus einem Raffaelbild. Es verwundert deshalb nicht, dass Schadow seine Kinder als veritable Engel auch darstellen konnte: In einem Bild des Düsseldorfer Stadtmuseums erscheinen Sophie und Rudolf Johann Gottfried als Schutzengel (Abb. 49).

Das erzählende Bildnis August Wilhelm Schlegel führte die von seinem Bruder Friedrich markierte unklare Erscheinung des Innen im Außen des menschlichen Gesichts zu der Behauptung, dass man von einem „gelungenen Porträt (. . . ) ohne Paradoxie sagen (könne), daß es dem Menschen ähnlicher seyn wird, als er sich selbst.“ 257 Radikaler lässt sich die Dialektik von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit im Seelenbildnis kaum formulieren. Das Unsichtbare, die Seele, kann nur sichtbar werden, wenn das gegebene Sichtbare sich zurückzieht. Wie Friedrich Schle256 Tucholski, 257 Schlegel,

120

1984, 98 f. Vgl. Wartmann, 1996, 51.

August Wilhelm, 1989, 347.

Abb. 48: Kolbe, Heinrich Christoph, Bildnis der Kinder des Künstlers, Louise und Etienne, um 1830, Wuppertal, Von der Heydt-Museum

121

Abb. 49: Schadow, Wilhelm von, Sohn und Tochter des Künstlers als Schutzengel, um 1832, Düsseldorf, Stadtmuseum

122

gel plädierte auch August Wilhelm für einen die Gattungsgrenzen überschreitenden Begriff von Porträtmalerei. „Ein ächt künstlerisches Porträt“ zeige die „Tendenz zur höchsten (Bildgattung, d. V.), welche dramatisch darstellt.“ „Ein Charakter kann (. . . ) durch eine angemessene Handlung noch besser entfaltet werden“, allerdings müsse sich der Bildnismaler „dabey wohl hüten, die Gränzen zu überschreiten.“ Friedrich Schlegel wollte die Unmöglichkeit der Seele, ganz ins Sichtbare treten zu können, durch Symbole wettmachen; sein Bruder forderte demgegenüber eine Porträtauffassung, die das notwendig Unsichtbare durch Handlung kompensiert, wobei freilich dafür gesorgt sein müsse, „daß die Handlung (. . . ) dem Charakter ganz und gar untergeordnet“ bleibe.258 Die von beiden Schlegels angesprochene prekäre Balance von Porträt und Historie in der „Seelenmalerei“, gegründet in der Unmöglichkeit einer „Seelenmalerei“ im wörtlichen Verstande, war zuerst in Frankreich ausgehalten worden. Wohl schon 1805 war der Auftrag an Pierre-Paul Prud’hon ergangen, Kaiserin Joséphine zu porträtieren (Abb. 50). Die Fertigstellung des Bildes zog sich lange hin. In seiner nach dem Ableben des Malers verfassten „Notice historique“ merkte Jacques-Philippe Voïart an, dass es „erst vollendet wurde, als das Glück das Modell verlassen hatte.“ 259 Voïart spielte an auf die Auflösung der Ehe mit dem Kaiser am 15. Dezember 1809, ausgesprochen, weil Napoleon keine Hoffnung mehr sah, mit Joséphine einen Thronfolger zu zeugen und weil die durch die Trennung möglich gewordene Ehe mit einer Habsburgerin sein Ansehen unter den europäischen Monarchen zu heben versprach. In melancholischer Pose, mit nach innen gekehrtem ernsten Blick, der an den Kopf geführten linken Hand, die – als verbreitete Denkerpose – die Reflektiertheit der Melancholikerin anzeigt,260 lagert Joséphine einsam auf moosbewachsenen Felsen unter Bäumen und vor Büschen, die sie einfassen und vom Getriebe der Welt abschirmen. Trauert in Prud’hons Gemälde 258 Schlegel,

August Wilhelm, 1989, 347 f.

259 „(. . .) qui ne fut terminée qu’à une époque où la fortune avait abandonnée le modèle.“ Zit. n.

Laveissière, 1997, 184. Vgl. DeLorme, 2005, 30. 260 Zu

Entsprechungen von Prud’hons Porträt zu Allegorien der Melancholie: Guégan, 2005,

290.

123

Abb. 50: Prud’hon, Pierre-Paul, Kaiserin Joséphine, 1805–09, Paris, Musée du Louvre

124

Joséphine im Schlosspark von Malmaison um den Verlust ihrer großen Liebe? Das Gemälde fordert diese Deutung geradezu heraus. Voïart hielt sich noch an Äußerliches: Joséphine ist im Bild mit einem hellen Musselinkleid und einem großen roten Schal bekleidet. Dass die Porträtierte auf den Habit der Kaiserin verzichte, schrieb Voïart „einer Art von Vorahnung“ zu.261 Für Eugène Delacroix, der 1846 in der „Revue des Deux-Mondes“ Prud’hon seinen Respekt bezeugte, war es nicht allein eine Kostümfrage, sondern der Bildausdruck insgesamt, der auf das traurige Los der vom Kaiser Geschiedenen vorausweise: „Die Kaiserin sitzt unter den Bäumen von Malmaison. Die Melancholie des Ausdrucks scheint das Schicksal zu verkünden.“ 262 Die neuere kunstgeschichtliche Literatur geht weiterhin davon aus, dass die befürchtete Trennung von Napoleon für die Bildstimmung und die melancholische Pose der Porträtierten verantwortlich sei. Der Katalog der 1997 zuerst im Grand Palais, Paris gezeigten Prud’hon-Ausstellung führt wie schon Voïart trübe Vorahnungen als Grund für die melancholische Pose der Kaiserin an. Schon die auf Drängen von Papst Pius VII. vor der Kaiserkrönung erfolgte kirchliche Trauung von Napoleon Bonaparte mit Joséphine Beauharnais habe Joséphine beunruhigt. „Verspürte Prud’hon diese Beunruhigung, als sie ( Joséphine, d. V.) Modell saß?“.263 Die Frage ist zu verneinen. Für einen Porträtmaler des Empire wäre es kaum schicklich, es wäre vielmehr ganz unangemessen gewesen, solche Vorahnungen zu veröffentlichen, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass Prud’hon seinem seit Jahren vorbereiteten Porträt erst gegen Ende die für den Bildausdruck so entscheidende melancholische Stimmung verliehen haben soll. Ikonographisch bleibt das Gemälde ein Porträt der Kaiserin: Rechts unten malte Prud’hon eine Pflanze, die nach Joséphine, und zwar nach der Kaiserin Josephine, benannt wurde: „Josephina imperatricis“.264 Erwähnt sei auch, dass die Reproduktionsgraphik, 261 „(. . .)

une sorte de pressentiment (. . .)“ Zit. n. Laveissière, 1997, 184. Vgl. DeLorme, 2005,

30. 262 „Elle

est assise sous les bosquets de la Malmaison. La mélancholie de l’expression fait pressentir ses malheurs.“ Delacroix, 1923, 144. Dt. Übers. Delacroix, 1912, 127. 263 Lavessière, 264 Kiefer,

1997, 183.

2005, 5.

125

Abb. 51: Blanchard, Auguste, Stich nach: Prud’hon, Pierre-Paul, Bildnis Joséphine Beauharnais

die Auguste Blanchard für den „Artiste“ angefertigt hatte (Abb. 51), in der Bildunterschrift Joséphine als „Impératrice des Français“ ausweist. Die Melancholie Joséphines ist nur Attitüde, ist die dekorative Pose einer nicht nur mächtigen, sondern reflektierten und deshalb notwendig melancholischen schönen Frau. Alle Mutmaßungen, das Gemälde weise voraus auf die einsame geliebte, trotzdem verstoßene Frau in Malmaison, sind verfehlt, und sie sind trotzdem wichtig (wenn auch nicht richtig), weil sie ein Teilgebiet des Spielraums durchmessen, den das ‚Seelenporträt‘ öffnet. Und weil sie eine Wahrnehmung des Bildes beschreiben, die nachträglich wohl die gewünschte war. Denn das Porträt einer Seele ist dieses Porträt der Kaiserin von Pierre-Paul Prud’hon, gerade weil es unbestimmt bleibt. 126

Abb. 52: Kolbe, Heinrich Christoph, Bildnis Goethes, nach 1826, Köln, WallrafRichartz-Museum & Fondation Corboud

Prud’hons andeutend erzählendes Bildnis hat Nachfolge in Düsseldorf gefunden. Julius Hübner, dessen „Fischerknabe“ 1828 zu Diskussionen über die Möglichkeit der Visualisierung des Unsichtbaren Anlass gab, beeindruckte das Kunstpublikum im folgenden Jahr erneut. 1829 stellte er ein Bildnis aus, das Anregungen aus Prud’hons Joséphine-Porträt aufnahm und in dem Konsequenzen aus dem Porträtbegriff der Brüder Schlegel gezogen sind. Die Besonderheit auch dieses Bildnisses gibt sich deutlicher zu erkennen, wenn man es vergleichend neben ein Bildnis Heinrich Christoph Kolbes hält. Heinrich Christoph Kolbe wurde berühmt durch seine Porträts Goethes (Abb. 52), mit dem er im übrigen auch einen Briefwechsel führte. Diese Beziehung ist signifikant. Denn der erste und mächtigste Feind der „unsichtbaren Malerei“ war niemand anders als Goethe gewesen. „Ein Bild rührt uns, als Kunstwerk betrachtet, nur durch das, was wirklich dargestellt ist. Was wir 127

uns dabey denken, gehört nicht ihm, sondern uns an.“265 So hatten es, wie oben bereits erwähnt, Goethe und sein Adlatus Meyer apodiktisch formuliert. Wenn es vor Rethel einen Düsseldorfer Maler gab, der sich an dieses Bekenntnis zu einer Malerei hielt, die das innere Auge so weit als möglich ausschaltet zugunsten dessen, „was wirklich dargestellt ist“, dann war es Kolbe. Um 1825 porträtierte Kolbe seine Tochter Louise (Abb. 53), die er etwa fünf Jahre vorher in dem genannten Doppelbildnis gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder Etienne gemalt hatte. Louise sitzt schräg im Bild und wendet dem Betrachter den Kopf zu. Diese Sitzhaltung und diese Weise der unmittelbaren Zuwendung findet man ähnlich in Bildern des führenden französischen Malers Jacques-Louis David, eine für sein Werk insgesamt maßgebliche künstlerische Bezugnahme, die maßgeblich zum Zerwürfnis mit Schadow und zu seiner Entlassung als Akademieprofessor beitrug. Bereits im Februar 1832 hatte der Geheime Regierungsrat Jacobi im Namen des Kuratoriums auf den „inneren Widerspruch“ hingewiesen, in den sich Kolbe „wegen „seiner der französischen Schule angehörenden künstlerischen Richtung und Weise“ sowohl zu Cornelius als auch zu dessen Nachfolger Schadow gesetzt habe. Insofern Kolbe diese „französische Schule“ überdies „als das Höchste“ anerkenne, stehe er „der Anstalt wie ebenso unseren Ansichten entgegen“.266 Nahe kommt Kolbes Porträt der Tochter insbesondere dem von David 1799 gemalten Porträt der Mme de Verninac (Abb. 54). Kolbe wendete das elegante Directoire-Porträt Davids ins Biedermeierliche – man achte auf die Puffärmel, die biedermeierliche Frisur mit den hochgesteckten Haaren. Doch bei allen Unterschieden übernahm Kolbe von seinem französischen Vorbild die Klarheit und die bei aller Eleganz doch nüchterne Wiedergabe des dargestellten Individuums. Louise hat Platz genommen vor einem runden Tischchen, auf dem mit Nadelkissen, Schere, Fingerhut u. a. Utensilien zum Sticken liegen. Mit ihrer linken Hand fasst Louise an den Spitzenstoff auf ihrem Schoß. In der blauen Farbe des Tischtuchs ist hin265 Meyer 266 Zit.

128

/ Goethe, I, 2, 1965, 59.

n. Hütt, 1984, 307.

Abb. 53: Kolbe, Heinrich Christoph, Bildnis der Tochter des Künstlers, Louise, um 1825, Wuppertal, Von der Heydt-Museum

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Abb. 54: David, Jaques-Louis, Portrait Mme. de Verninac, 1799, Paris, Musée du Louvre

ter der Dargestellten ein Vorhang gerafft und gibt den Blick frei auf eine Landschaft mit Fluss, Wiese, grasendem Rindvieh und Bergkette. Auch im Falle des von Julius Hübner 1829 fertig gestellten Porträts besteht eine familiäre Nähe zwischen Maler und Modell. Julius Hübner malte seine junge Frau Pauline Charlotte, die Schwester seines Freundes und Malerkollegen Eduard Bendemann. Die Verlobung hatte am 21. Dezember 1828 in Berlin stattgefunden. Zurückgekehrt von einer mehrwöchigen Reise nach Breslau begann Hübner mit der Ausführung des Gemäldes (Abb. 55), für das er nach der Verlobung eine Vorzeichnung angefertigt hatte (Abb. 56). Wenige Zeit nach der Eheschließung am 21. Mai 1829 und kurz vor der Hochzeitsreise vollendete Hübner das lebensgroße Bildnis. Pauline Hübner sitzt gleich Louise Kolbe schräg auf dem Stuhl und wendet den Kopf, um 130

Abb. 55: Hübner, Julius, Bildnis Pauline Charlotte Hübner, geb. Bendemann, 1829, Berlin, Alte Nationalgalerie

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Abb. 56: Hübner, Julius, Pauline Bendemann, Zeichnung, 1828, Berlin, Staatliche Museen

uns anzublicken. Auch Pauline hat ein Tischchen bei sich, und vergleichbar dem Porträt von Kolbes Tochter Louise ist hinter Pauline Hübner ein jetzt roter Vorhang zur Seite geschoben. Doch damit schon genug der Gemeinsamkeiten. Das aufrechte Sitzen von Louise Kolbe verrät die wohlerzogene Tochter. Ihre rechte Hand ruht auf dem Nadelkissen. Pauline demgegenüber neigt sich nach vorne und stützt sich leger mit dem Arm auf den Tisch. Die andere Sitzhaltung fordert eine andere Kopfhaltung. Pauline muss den Kopf zur Seite legen, um den Bildbetrachter anzusehen, und dieser Blick kommt leicht von unten her. Beides, die Kopfneigung und das Aufblicken, erzeugt bereits eine erotische Spannung, die Kolbes Tochter ganz und gar fremd ist. Beide Frauen haben Dinge bei sich, die ihre Weiblichkeit unterstreichen: Louise Kolbe die zu bestickende Schleife und die Stickutensilien; Pauline Hübner ein geöffnetes Schmuckkästchen, in dem ein Blatt Papier steckt. Neben Pauline Hübner kauert ein Hund. Hunde sind übliche Attribute in 132

Frauendarstellungen, ist doch der Hund seit altersher ein Symbol der Treue. Diesen Sinn hat das Tier auf dem Teppich gewiss immer noch, doch geht es in seiner attributiven Funktion nicht auf. In gespannter Aufmerksamkeit beobachtet der Hund das Schmuckkästchen und repräsentiert damit auch den Bildbetrachter, denn auch für diesen ist dieses Schmuckkästchen ein Gegenstand des Interesses: Wir möchten wissen, warum Pauline Hübner das Kästchen geöffnet hat, möchten den Zettel auseinanderfalten, der ja doch wohl ein Brief sein wird. Hängen Bild und Schmuck und Brief zusammen? Ist die sicher kostbare Kette, die Pauline Hübner durch die Finger gleiten lässt, ein Geschenk ihres Mannes? Ein Verlobungsgeschenk, ein Hochzeitsgeschenk? Ist der Brief ein Liebesbrief? Denkt Pauline an die erwachende Liebe zurück, sinnt sie über ihr zukünftiges oder bereits aktuelles eheliches Glück nach (je nach dem, ob man die Stimmung der Dargestellten auf die Zeit der Arbeit am Bild bezieht – die Verlobungszeit – oder auf den Zeitpunkt der Vollendung des Bildes – die wenig vorher geschlossene Hochzeit)? Denn glücklich ist sie, und wie der schmachtende Blick deutlich signalisiert, glücklich kann sich der Maler Julius Hübner schätzen, dem dieser Blick aus dem Bild zuvörderst gilt. Vergleichbare Gedanken stellen sich vor Kolbes Porträt der Tochter nicht ein. Das Stickzeug ist geheimnislos; es interessiert nicht, ob Louise für sich oder für die Mutter oder für eine Freundin stickt. Das Sticken wird ohnedies nicht als Tätigkeit gezeigt, bei der sie der Maler unterbrochen hätte. Sticken ist Frauenarbeit und galt lange als hochschichtige Frauenarbeit. Insofern distinguiert das Attribut die Dargestellte, aber es führt keine mögliche Erzählung vor das innere Auge, wie es so ganz anders das Schmuckkästchen in Hübners Porträt tut. Gedanken machen wir uns auch nicht über die Gedanken der dargestellten jungen Frau. Sie sitzt da, um gemalt zu werden. Zum emotionalen Austausch mit dem Maler und oder dem Bildbetrachter kommt es nicht. Eben darin besteht auch eine Qualität von Kolbes Porträt. Nüchtern, ehrlich hat der Vater die Tochter aufgenommen; er hat sie in ihrem schönsten Kleid und prächtig frisiert gemalt, aber dass Louise keine große Schönheit ist, das hat der Vater nicht unterschlagen.

133

Pauline Hübner war wohl tatsächlich schöner als Kolbes Tochter, aber dass sie so sehr viel attraktiver erscheint, ist wohl zuerst und zunächst dem Maler und seiner so ganz anderen Inszenierung von Weiblichkeit verdankt. Das Bildnis, bei Kolbe eine ehrliche Bestandsaufnahme, geeignet, um späteren Generationen vorzuführen, wie die Mutter, die Großmutter, die Urgroßmutter aussah, als sie jung war, ist bei Hübner zu einer Liebeserklärung geworden, zu einer Liebeserklärung des Malers, die vom Modell offenkundig erwidert wird. Ihr schmachtender Blick, ihre träumerischen Gedanken, die mit dem Öffnen des Kästchen wohl erweckt wurden, gelten dem geliebten Mann. Dass das Bild ein Bild der ehelichen Liebe ist, das machte der Maler explizit: Von der Wandvertäfelung des Zimmers sehen wir hinter dem zurückgeschlagenen Vorhang einen mit einem Arabeskenornament gefüllten Pilaster. Das Ornament schließt ein Wappenschild ein mit der Inschrift: „Carissimam conjugem aet: 19 annis depinxit Jul. Hübner amoris sui monumentum 1829 (Julius Hübner malte 1829 die überaus geliebte Gattin im Alter von 19 Jahren als Denkmal seiner Liebe)“. Nun bleibt aber ein Bild nicht die private Angelegenheit eines Künstlers, und das schon gar nicht, wenn dieses Bild fast 1,90 m auf 1,30 m groß ist. Dieses „monumentum“ der Liebe des Malers Hübner ist zunächst ein Kunstwerk und war als solches ein Ausstellungsgegenstand. Und da ist es dann nicht mehr der Maler allein, der sich angeblickt weiß, sondern wir, wir die Bildbetrachter. Wir alle werden einbezogen in die Intimität einer amourösen Beziehung. Kolbes Bildnis der Tochter Louise ist als Erinnerungsbild gemalt und funktioniert als Erinnerungsbild. Julius Hübners Porträt der frisch Angetrauten knüpft dagegen eine unmittelbare, emotionale Beziehung zwischen Dargestellter und Betrachter, und es provoziert den Betrachter, das Bild zu aktivieren, aus dem nur angedeuteten Unsichtbaren eine Geschichte zu entfalten. Kolbes Bildnisse unterscheiden sich von denen des Schadowkreises schon insofern, als sie – von den kunsthistorischen abgesehen – keine Fragen aufwerfen. Undenkbar, dass ein König gefesselt vor einem Porträt Kolbes innegehalten und gespannt nach der Identität des / der Dargestellten geforscht hätte. Eben dies widerfuhr dem Bildnis Pauline Hübners. Johann Gottfried Schadow erinnerte sich an den Eindruck, 134

den des Bild auf der Berliner Akademieausstellung von 1830 hinterließ: „Am 29. September beehrte Seine Majestät die Ausstellung. Das lebensgroße Porträt der Frau des Malers Julius Hübner (. . . ) veranlaßte Seine Majestät zu fragen, – wer das sei.“ 267 Das Unsichtbare, das, was wir uns bei einem solchen Gemälde denken müssen, was wir vielleicht auch nur vermuten können, all das, was nur vor unser inneres Auge tritt, macht Hübners Gemälde nicht ärmer. Im Gegenteil, es macht es reicher. Auch und besonders für die Bildnisse der Düsseldorfer Malerschule gilt das Wort Merleau-Pontys: „(D)as Unsichtbare ist nicht das Gegenteil des Sichtbaren“.

Verschweigen und Verallgemeinern Vom Freundschaftsbild bis zu den „allgemeinsten Gegensätzen“ Das Jahr des überaus erfolgreichen, aber wie gesehen bereits kritisch diskutierten erstmaligen Auftritts der Düsseldorfer auf der Berliner Akademieausstellung von 1828 war auch das Jahr, in dem Johann Friedrich Overbeck ein lange vorher konzipiertes Gemälde fertig stellte (Abb. 57). Die Probleme, die vor den Bildern der Düsseldorfer in Berlin verhandelt wurden – die Inkongruenz des gedanklichen Gehalts mit dem, was anschaulich gegeben werden konnte, die Frage nach dem angemessen Sehen und Verstehen der Bilder, schließlich das von einigen Rezensenten gemachte Angebot der ikonographischen Verallgemeinerung des mitunter zu konkreten Bildthemas (im Sinne von Goethes Symbolbegriff) – alle diese Probleme und Lösungsversuche sind in Overbecks berühmtestes Gemälde eingegangen. Während der langen Entstehungsgeschichte sah sich der Künstler zu Veränderungen gedrängt, die ihren Ort zwar weitgehend im Unsichtbaren haben, die gleichwohl die Wirklichkeit des Bildes grundlegend und nachhaltig veränderten. Die Privatisierung der Ikonographie ist ein Phänomen, das zwar nicht mit der Romantik geboren wurde, aber in der Romantik aus dem kunstgeschichtlichen Hintergrund in den Vordergrund rückte. Sieht man diesen 267 Schadow,

1849, 249.

135

Abb. 57: Overbeck, Johann Friedrich, Italia und Germania, 1828, München, Neue Pinakothek

Prozess der Aufgabe allgemeinverbindlicher und allgemeinverständlicher inhaltlicher Codes zusammen mit dem annähernd gleichzeitig gewachsenen universellen Anspruch des Künstlergenius – paradigmatisch steht dafür Asmus Jakob Carstens Brief an den Minister von Heinitz vom 2. Februar 1796, in dem er die Mitgliedschaft in der Berliner Akademie mit der Begründung aufkündigte, nicht der Akademie, sondern der Menschheit anzugehören268 –, und sieht man diesen Prozess weiterhin zusammen mit dem Rückgang der Auftragskunst gegenüber einem Kunstbetrieb, in dem der 268 Vgl.

136

Lankheit, 1952, 85.

Abb. 58: Overbeck, Johann Friedrich, Sulamith und Maria (Karton), 1812, Lübeck, Museen für Kunst und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck

Adressat zunehmend zu einem anonymen wurde,269 dann wird das Spannungsfeld abmessbar, in dem sich Bilder fortan einzurichten hatten. Privat ist der Entstehungsgrund und privat ist die Ikonographie des heute in Lübeck aufbewahrten, 1812 gezeichneten Kartons (Abb. 58). Das mit dieser Zeichnung vorbereitete Gemälde Overbecks sollte auf das kleine Diptychon Franz Pforrs „Sulamith und Maria“ (Abb. 59) antworten, das Pforrs freundschaftliche und künstlerische Beziehung zu Overbeck über die Charakterisierung zweier Frauen formuliert. Das Hohelied Salomonis ist Liebeslyrik. Der Bräutigam feiert seine Braut Sulamith in metaphernreicher Sprache. Aufgenommen unter die heiligen Schriften wurde dieser erotische Text, weil die christliche Exegese in der Sulamith das noch verhüllte Bild der neutestamentlichen Muttergottes erkannte. Die rühmenden Metaphern, die der Schönheit und Keuschheit der Sulamith galten, wurden auf Maria bezogen. Sulamiths Keuschheit wird im Hohenlied u. a. in der Metapher des „verschlossenen Gartens“ symbolisiert. Zutritt in den verschlossenen Garten der Sulamith hat in der linken Hälfte von Pforrs Bild allerdings ein junger Mann im blauen Mantel – Friedrich Overbeck, wie der erläutern269 Zu

den Anfängen einer bürgerlichen Kunstöffentlichkeit im französischen 18. Jh. und dem damit erwachsenden Problem des Verstehens der im Bild dargestellten Themen: Schneemann, 1994, 58 f.

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Abb. 59: Pforr, Franz, Sulamith und Maria, 1811/12, Schweinfurt, Museum Georg Schäfer

de Brief Pforrs an Freund Overbeck erläutert.270 Die Frau im Garten ist Mutter. Overbeck wird heiraten, deshalb die Zuordnung des Malerfreundes zur alttestamentarischen Sulamith. Und da Overbecks Kunstauffassung an der italienische Kunst und da vor und über allem an der religiösen Malerei Raffaels orientiert war, gab Pforr Sulamith ein unverkennbar raffaelisches Aussehen und ließ hinter der Gartenmauer den Blick auf eine italienische Landschaft gehen. Franz Pforr war zum Zeitpunkt der Entstehung des kleinen Bildes bereits an Tuberkulose erkrankt. Er wusste, dass ihm kein langes Leben beschieden sein wird; er wusste, dass Eheglück und Kindersegen nicht seine Zukunft seine konnten. Sein Frauenideal, wie es die rechte Hälfte des Diptychons zeigt, ist deshalb das jungfräuliche Mädchen Maria, das einsam in seiner Kammer sitzt. Den Gegensätzen Mutterschaft und Jungfernschaft, Öffnung zur Außenwelt und Innerlichkeit entspricht das unterschiedliche 270 Lehr,

138

1924, 286 ff.

Ambiente. Sulamith ist in Italien, Maria in einer engen altdeutschen Stube mit Butzenscheiben. Das wiederum verweist auf Pforrs ästhetisches Ideal. Anders als sein italophiler Freund orientierte sich Pforr an der altdeutschen Malerei und dabei zuerst an Albrecht Dürer. Friedrich Overbeck antwortete auf Pforrs Freundschaftsbild mit seiner Begegnung der beiden Bräute, arbeitete aber, als der Künstlerfreund 1812 im Alter von nur 24 Jahren an der Krankheit starb, das Ölgemälde nicht aus. 1815 beauftragte Johann Friedrich Wenner Overbeck mit der Ausführung des Ölbildes und der Anfertigung eines Pendants. Der Adressat war ein anderer geworden, ein potentiell beliebiger, denn der Auftraggeber Wenner war ein Frankfurter Buch- und Kunsthändler. Das bildliche Zwiegespräch mit dem Freund musste notwendig einem allgemeinen Thema weichen, das von jedem, der das Bild bei Wenner erwerben sollte, verstanden werden konnte. In einem Brief an Ludwig Vogel teilte Overbeck mit, dass das geplante Gemälde jetzt die „irdische“ Liebe vorstelle und zum Gegenstück eine Darstellung der „himmlischen Liebe“ erhalten solle (wobei Overbeck noch unschlüssig war, ob er für die „himmlische Liebe“ „die Vermählung der hl. Caterina mit dem Kristkindlein“ wählen werde oder die Szene, „wie der Engel der hl. Cäcilia und ihrem Bräutigam Kränze bringt, sie als himmlische Verlobte zu schmücken.“271 ) Zur Erfüllung dieses Auftrags kam es vorerst nicht; erst 1828 lieferte Overbeck das Gemälde an Wenner (der Händler konnte das Gemälde vier Jahre später an den bayerischen König Ludwig I. verkaufen), das nun auch nicht mehr eine Allegorie der „irdischen Liebe“ darstellte. Noch weiter abgerückt war die ursprüngliche Funktion und der ursprüngliche Inhalt. Freund Pforr lag seit 16 Jahren unter der Erde. Nur das allgemeinere kunsttheoretische Bekenntnis ließ sich unter Abzug des Dialogs mit den kunstgeschichtlichen Präferenzen Pforrs herauslösen und aktualisieren. Was 1812 im bildlichen Dialog mit dem Freund nur ein Thema sein konnte – die Beziehung der italienischen und deutschen Kunst – wurde von Overbeck jetzt zum alleinigen Thema erhoben und manifestierte sich im jetzt gefundenen Bildtitel „Italia und Germania“. „Daß ich nun aber gerade die Idee einer Germa271 Zit.

n. Lankheit, 1952, 135.

139

nia und Italia wählte, darüber gibt mein besonderer Standpunkt hier als Deutscher in Italien Aufschluß. Es sind die beiden Elemente (. . . ), die (. . . ) zu verschmelzen nun einmal meine Aufgabe, wenigstens in der äußeren Form meines Schaffens, ist und bleiben soll, und die ich deshalb hier in schöner inniger Befreundung mir denke (. . . ).“ 272 Das neue Thema wurde im ausgeführten Bild insofern konkreter gemacht, als zum einen dank Farbigkeit sich die raffaelische Schöne als Brünette noch deutlicher als Italienerin und die neben ihr Sitzende sich mit ihrer altdeutschen Tracht als Blondine noch deutlicher als deutsches Gretchen ausweisen können, was zum zweiten mit der gegenüber dem Karton veränderten Hintergrundsgestaltung sozusagen unterstrichen wurde: Hinter der Brünetten steht ein italienisches Bauernhaus, und es erstrecken sich die sanften Hügel toskanischer oder umbrischer Landschaften. Nach rechts zu setzt sich der Hintergrund mit der Ansicht eines engen mittelalterliches Städtchen fort, das überragt wird von einem gotischen Kirchturm. In dem Schreiben, in dem Overbeck die neue Ikonographie des Bildes begründete, kamen ihm aber bereits Zweifel, ob nicht auch die Thematisierung seines Künstlertums wieder zu privat sei, also zu hermetisch für den Kunstmarkt, in den er sein Gemälde entlassen hatte. Deshalb, „wenn es allgemeiner ausgesprochen werden soll“, könne man in dem Gemälde auch die „Sehnsucht“ dargestellt sehen, „die den Norden beständig zum Süden hinzieht“. Weil sich Overbeck aber immer noch unschlüssig war, „ob aber diese Erklärung nun auch Andern klar gemacht, was ich gewollt“, gestand er letztendlich zu, dass „man das Bild denn auch schlechtweg die Freundschaft nennen (mag), wenn ihm einmal ein Name gegeben werden soll.“ 273 Dass selbst das weitgehendste Angebot an den Bildbetrachter Missverständnisse nicht verhinderte, weil sich Bildbetrachter von „unsichtbarer Malerei“ nun einmal nicht festlegen lassen, dürfte Overbeck klar geworden sein, falls er von der Besprechung seines Bildes in dem Buch Fortouls über die aktuelle Kunst in Deutschland Kenntnis genommen haben sollte. Ganz im Gegensatz zu Overbecks künstlerischem Bekenntnis zur Vorbildfunk272 Zit. 273 Zit.

140

n. Lankheit, 1952, 136. n. Lankheit, 1952, 136.

tion der italienischen Malerei muss sich Italia in dem von Fortoul imaginierten Gespräch der beiden Bildfiguren den Vorwurf der Germania, Poesie und Kunst und überhaupt die Rolle als Lehrerin aller Nationen eingebüßt zu haben, gefallen lassen. Italia gesteht: „Alles hab’ ich dahinschwinden gesehen. Mein Herz bewahrt nur die Trümmer von Allem, was einst so schön war. Mein Geist ist eine Wüste, meine Seele ist leer, und das Andenken meines vergangenen Ruhmes ist ein neues Herzeleid zu all meinem Kummer.“ 274 Die im Werkprozess und im Titelfindungsprozess sich ereignende ikonographische Transformation bestimmte jeweils neu den Ort des Overbeckschen Bildes im Spannungsfeld zwischen der privaten und der öffentlichen Rezeption. Das hat mit der Geschichte des Bildes zu tun, seinem Weg vom privaten Freundschaftsbild zum öffentlichen Kunstwerk. Die junge Düsseldorfer Malerschule hatte bei ihren Hauptwerken im vorhinein die Öffentlichkeit der Ausstellung und die Öffentlichkeit des Marktes sowie die Anonymität des durch Verlosung bestimmten Besitzers des von den Kunstvereinen erworbenen Gemäldes, aber auch die potentielle Privatisierung ihrer Werke im Blick. Das Spannungsfeld war deshalb in aller Regel im vorhinein auf die Mobilität der in ihm verorteten Werke angelegt. Entsprechend lose hatte die Verortung zu sein. Die Tendenz „alles generalisierend, allgemein menschlich“ anzulegen, die Richard Muther 1893 den Düsseldorfern zum Vorwurf machen wird, erleichterte die Verkehrsmöglichkeiten im Spannungsfeld. Richard Muther bedachte auch eine Gruppe von Bildern der Düsseldorfer Malerschule mit milder Ironie, die ihre Spannung aus dem Zusammensein zweier unterschiedlich charakterisierter Frauen beziehen. „Bei den beliebten Zweifigurenbildern (. . . ) bewegt sich die Charakteristik in den allgemeinsten Gegensätzen: die Brünette in rothem Kleid mit weissen Aermeln, die sanfte Blondine mit dem dazu gehörigen blasslilafarbenen Kleid, die eine in üppiger Fülle, die andere in schmächtiger Zartheit.“ 275 Muther wird an Carl Ferdinand Sohns „Leonoren“, insbesondere aber an das Zweifigurenbild gedacht haben, das Eduard Bendemann 1833 malte (Abb. 60). Zwei Mädchen sitzen 274 Fortoul,

1841, 270 f. Dt. Übers. Förster, 1843, 53.

275 Muther,

1893, 236.

141

142

Abb. 60: Bendemann, Eduard, Zwei Mädchen, 1833, Düsseldorf, Museum Kunstpalast

am Brunnen. Beide so, wie von Muther beschrieben. Hinzufügen kann man den unterschiedlichen Habitus. Die Brünette ist außenorientiert. Offenen Blicks hebt sie den Kopf und öffnet einladend die linke Hand. Die Blondine senkt Kopf und Blick, bleibt in sich verschlossen und sucht Halt bei der lebhafteren und selbstbewussteren Nachbarin. In der Rechten fasst die Dunkelhaarige ein Saiteninstrument. Sie ist Musikerin, während die Blondine lieber träumt und denkt (oder trauert?). Der Rückbezug auf Overbecks „Italia und Germania“ ist unverstellt deutlich. Bendemann kann zwar das Gemälde während seiner gemeinsamen Romreise mit Schadow, Hildebrandt, Hübner und Sohn nicht gesehen haben, da es bereits in Frankfurt, im Besitz Wenners war, doch in Lübeck war der Karton zu besichtigten, und von Hoff lag bereits eine lithographische Reproduktion vor.276 Dass man mit Grund den sehr allgemeinen Titel „Zwei Mädchen“ beibehält und nicht auch den Titel des Overbeckschen Gemäldes überträgt, das liegt daran, dass im Unterschied zu Overbecks Abstieg von einem sehr besonderen zu einem allgemeinen Sinnangebot Bendemann den umgekehrten Weg ging. Richard Muther hatte durchaus Recht, als er die vorzügliche Intention eines solchen Bild darin sah, „allgemeinste Gegensätze“ darzustellen. Die spezifischeren kunsttheoretischen Implikationen und das Nationenklischee sind latent, lassen sich von einem entsprechend disponierten Bildbetrachter aktivieren, müssen aber nicht aktiviert werden. Das Bild ließ sich auch in allgemeinster Weise als Darstellung der „Geschichte des (weiblichen) Geschlechts“ interpretieren.277 Das tat der Autor der in Briefform abgefassten Besprechung der Berliner Ausstellung von 1834, dem das Bild von dieser sehr allgemeinen Warte aus gleichwohl eine sehr besondere Geschichte erzählte: Das verklungene Lied habe die jüngere der beiden Frauen tief bewegt und den „ersten Schmerz der Liebe“ wieder spürbar werden lassen. Vorbei ist die „erröthende, scheuaufblickende Freude, wenn er kam, und träumerisches Harren, bis er wiederkam (. . . ) das ist nun fort“. Die lebenserfahrene Brünette hat den Seufzer der Freundin vernommen, spricht zu ihr. Sie kennt diesen Schmerz, den kein Trost aufheben kann und den nur die Zeit nur 276 Krey, 277 M.,

2003, 126, „An den Wassern Babylons saßen wir“, 2009, 114.

1834, 376.

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soweit zu lindern vermag, dass „von unserem Leide nichts uns bleibt als das süsse Bedürfnis des Mittleides und eine zu theuer erkaufte Erfahrung. Diess alles hat der treffliche Künstler in seinem Bilde besprochen“.278 Hat er das? Zumindest war dem Rezensenten, der das Bild im Vorjahr ebenfalls für Kuglers „Blätter für bildende Kunst“ besprochen hatte, diese Geschichte verschlossen geblieben. Zwar deutete auch er den gesenkten Kopf des blonden Mädchens als Zeichen dafür, dass das verklungene Lied ihrer Freundin „manch eine Erinnerung, manch eine Ahnung geweckt“ habe, doch woran sie sich erinnere, konnte er nicht angeben und äußerte deshalb den dringlichen Wunsch: „Wüßten wir doch den Inhalt des Liedes! Es muß bedeutsam geklungen haben.“ 279 Der Autor berichtete von einem „Besuch in Bendemann’s Atelier“. Hätte er bei dieser Gelegenheit nicht den Maler um Auskunft bitten können? Inhaltliche Bestimmtheit lag weder im Wollen des Malers noch im Wollen seines Besuchers.280 Auch Anton Fahne wollte es nicht so genau wissen. Fahne, der sich zu den schärfsten Kritikern Bendemanns rechnete, gestand, dass er „zu der Zeit“ als er „noch gar nichts von Malerei (verstand)“, vor Bendemanns Gemälde „jene unendliche Sehnsucht“ entdeckte, „welche an mir zehrte“.281 Ausschließlich Projektionsfläche eigener Empfindungen war ihm das Bild, dessen Ikonographie folglich auch als so unbestimmt wie irgend möglich erfahren wurde: „liebe (. . . ), fromme (. . . ) Mädchen mit lebhaften Farben“.282 Das erste was erfahren wurde, die Stimmung des Bildes, blieb oft auch das, was man zuletzt als ästhetisches Erlebnis mitnahm: Es ist, wie Karl Schnaase seinen Eindruck resümierte, der „Ton der Versöhnung der Ausgleichung alles Gegensatzes, der in der Seele des Beschauers fortklingt, und ihr gleiche Stimmung gibt.“ Schnaase bestätigte, dass der im Ausstellungskatalog verzeichnete allgemeine Titel „Zwei Mädchen am Brunnen“ dem Bild entsprechender sei „als ein anderer Name, der allegorische oder historische Bezie278 M.,

1834, 375. 1833, 213. 280 Zur Offenheit des Gemäldes für subjektive Projektionen des Bildbetrachters: Krey, 2003, 123, „An den Wassern Babylons saßen wir“, 2009, 114, 116. 281 Fahne, 1837, 171. 282 Fahne, 1837, 171. Vgl. Krey, 2003, 133. 279 Anonym,

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hungen hätte (. . . ). Es ist wirklich nur der Gegensatz weiblicher Charaktere, der sich nach einer Naturnothwendigkeit überall wiederholt, nämlich zwischen der edleren und der sanfteren.“ 283 Sosehr sich bei Schnaase die Bildaussage zur simplen Begegnung zweier unterschiedlicher Frauencharaktere verallgemeinert hat, so anspruchsvoll konnte dieses Allgemeine wiederum aufgeladen werden: zur Aussage über das Verhältnis des passiven Menschen zum Tatmenschen (wobei im „Drama“ des wirklichen Lebens die aktivere Brünette zur „Heldin“ aufsteigt) oder aber zur religiös motivierten Aussage über den Vorrang der „vita contemplativa“ (Maria) vor der „vita activa“ (Martha). Insofern Schnaase einen „mittleren Standpunkt“ bei der Wahrnehmung des Bendemannschen Bildes einnahm, hob er diese auf eine Metaebene.284 An solche Aufladungen des Allgemeinen wird sich Heinrich von Treitschke erinnert haben, als er darüber spottete, dass in den hohen Jahren der Düsseldorfer Malerschule „manche (. . . ) zu glauben (schienen), daß der einfache Gegensatz von Brünetten und Blonden, verwitterten Männern und rosigen Jünglingen den ganzen Reichtum des Menschenlebens erschöpfe.“ 285 Die neuere kunsthistorische Forschung bemüht sich, dem Bild präzisere Aussagen zu entlocken. Bendemanns jüdische Abkunft, die Herleitung des Bildes von Overbecks freundschaftlicher Begegnung der altestamentarischen Sulamith mit der neutestamentlichen Maria und das von Krey gesehene Davidssternmuster im Kopftuch der Dunkelhaarigen ermutigten zu der Interpretation der beiden Mädchen als Begegnung des Alten und des Neuen Bundes.286 Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass Bendemann bei der Konzeption seines Bildes auch daran gedacht haben mag, und es kann keinem Bildbetrachter verwehrt werden, solche Gedanken in das Bild hineinzutragen oder herauszulesen. Die „lieben, frommen Mädchen mit lebhaften Farben“ (Fahne) mussten jedenfalls nicht wie ihr nazarenisches Vorbild vom Besonderen ins Allgemeine überführt werden, um allgemeinverständlich zu sein, 283 Schnaase,

1833, 356. 1833, 356. 285 Treitschke, 1927, 458. 286 Sitt, 1999, 96, Krey, 2003, 127 f. 284 Schnaase,

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sie waren so allgemeinverständlich, dass Besonderes fast beliebig eingetragen und wieder gelöscht werden konnte und kann. Doch nicht immer wurde die Verallgemeinerung (und mit ihr die Verunklärung ikonographischer Bestimmtheit) vom Künstler betrieben. Im Falle von Eduard Bendemanns berühmtestem Gemälde (Abb. 34) versuchte der Künstler dem sogar durch das Insistieren auf einem konkreteren Bildtitel entgegenzuwirken. In dem von Bendemann angelegten Verzeichnis seiner Gemälde findet sich der Eintrag: „Gefangene Juden in Babylon 1832 (diesen Titel hatte ich dem Bild gegeben, welches ‚trauernde Juden‘ genannt wird und mit diesem letzten Titel gar nichts besagte)“.287 Das Publikum und die Kunstliteratur blieb in diesem Fall gegen den Wunsch des Künstlers im Allgemeinen, und Bendemann hätte dafür dankbar sein dürfen, denn eben die Verallgemeinerung, welche die Geschichtlichkeit des Dargestellten unscharf werden ließ und ins Allgemein-Menschliche aufhob, ließ sein Werk zur Projektionsfläche sentimentaler Betrachtung werden. Die in der Verallgemeinerung gewonnene Offenheit der Ikonographie rückte den Stimmungswert des Bild in den Vordergrund und sprach auf Seiten des Kunstpublikums deshalb eine größere Allgemeinheit an.288 So konnte Ernst August Hagen denn auch die Juden ohne weiteres zugunsten des „rein Menschliche(n)“ streichen: „nicht Juden, er hat die Summe menschlicher Erfahrungen“ gemalt.289

Die vergessene Frau Küntzel Wenn die Zeitgenossen auch darüber streiten konnten, welcher „Malerschule“ künstlerisch der erste Rang zuzuerkennen sei, der Berliner, der Münchner oder der Düsseldorfer, hinsichtlich der Modernität der Vermarktungsstrategien standen die Düsseldorfer fraglos an der Spitze. Zwar wurde der „Kunstverein für die Rheinlande und Westphalen“ erst 1829 gegründet – Darmstadt und Karlsruhe (beide 1818), München (1824), Berlin (1825) und Dresden (1828) waren vorangegangen –,290 doch er arbeitete unter seinem 287 Zit.

n. Krey, 2003, 95. 2003, 95. 289 Zit. n. Krey, 2003, 114. 290 Einen Nürnberger Kunstverein gab es sogar schon 1792. Börsch-Supan, 1972, 10. 288 Krey,

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ersten Vorsitzenden, dem Akademiedirektor Wilhelm Schadow, später dank der kunsttheoretischen und kunsthistorischen Kompetenz Karl Schnaases sehr effizient und mit großer Außenwirkung. Es zeugt für den Erfolg der Vereinsarbeit, dass sich innerhalb von drei Jahren nach Gründung des Vereins die Bildproduktion der Düsseldorfer Künstler verdoppelte.291 Außenwirksam waren insbesondere die Ausstellungsaktivitäten. Nach dem Vorbild der Akademieausstellungen in Dresden (ab 1765), München (ab 1780) und Berlin (ab 1786)292 organisierte der Düsseldorfer Verein alljährlich Kunstausstellungen, die der Produktion der Malerschule in Düsseldorf Präsenz verschafften,293 und konsequent schickte er Bilder Düsseldorfer Künstler auf Reisen. Arbeiten der Düsseldorfer Malerschule waren auf Ausstellungen in Berlin, Dresden, Halberstadt, Halle, Hannover, Königsberg, Leipzig, Lübeck, Magdeburg und ab 1837 auch auf dem Pariser „Salon“ zu sehen. Außerordentlich hoch – vergleichbar nur der Produktion in Paris – war die Zahl der Graphiken in den ersten Jahrzehnten der Schule.294 Die Reproduktionsgraphiken nach Gemälden der Düsseldorfer Künstler, die der Kunstverein als Trostpreise für die Mitglieder hat fertigen lassen, die bei den Verlosungen leer ausgingen, waren möglicherweise für das Bekanntwerden und das Renommee der Malerschule noch wichtiger als das rege Ausstellungswesen.295 Schließlich: Die Zusammenfassung der im Rahmen und im Umfeld der Düsseldorfer Kunstakademie tätigen Künstler zur „Düsseldorfer Malerschule“ hatte zwar zunächst mit der romantischen Sehnsucht nach einem Kunstleben zu tun, das sich nicht in autonome Künstlersubjekte aufsplittert, die weil bindungslos, „willkürliche Manieren (. . . ) wie Moden aufeinander folgen“ lassen.296 Entsprechend der Schulbildung bei den Alten Meistern versprach die „Schule“ stilistische, persönliche und geographische Bindung, wobei die 291 Mai,

Kunstpolitik, 1979, 20 f. Wirth, 1990, 36. 293 Dazu u. a. Sitt, 1997, 10. 294 Schaarschmidt nannte „fast 100 Lithographien und Kupferstiche“, die im 19. Jh. in Auftrag des Kunstvereins als Prämienblätter ausgegeben wurden. Schaarschmidt, 1902, 67. 295 Rudolph, 1979, 351. 296 Toelken, 1828, 248. 292 Vgl.

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Schulbildungen in Berlin, München und Düsseldorf auf die nazarenische Utopie einer Wiederbelebung der Schule Raffaels antworteten.297 Es hatte auch mit den neuen museologischen Klassifikationen zu tun: Maßgeblich auf Betreiben Gustav Friedrich Waagens wurde der Bestand der 1830 eröffneten Berliner Gemäldegalerie konsequent nach kunsthistorischen Richtlinien, und das heißt nach Schulen, sortiert. Düsseldorf war vorangegangen: als 1763 die Bilder der kurfürstlichen Gemäldegalerie aus Mannheim nach Düsseldorf zurückkehrten, mussten sie im Galeriegebäude neu präsentiert werden. Lambert Krahe, als Galeriedirektor für das System der Hängung verantwortlich, hatte schon damals nach Kunstschulen geordnet.298 Anders als die Berliner und die Münchner „Malerschulen“ aber nutzten die Düsseldorfer den Schulbegriff zudem vermarktungsstrategisch. Sie kultivierten, wie Nadine Müller zeigen konnte, mittels Festen, Vereinsaktivitäten, gemeinsamen Ateliers, gemeinsamen Modellen, dem gemeinsamen Malen, forciertem Freundschaftskult und vor allem mit den wiedererkennbaren stilistischen Schuleigenschaften die Bezeichnung „Düsseldorfer Schule“ als „Dachmarke“.299 Der Adressatenkreis wurde vielfältig. Der Appell der Bilder konnte im Falle eines Auftrags oder einer Freundesgabe einen individuellen Adressaten haben oder verkaufsstrategisch auf einen anonymen Markt ausgerichtet sein. Und da individuell adressierte Bilder auch von einem allgemeinen Publikum wahrgenommen wurden und wahrgenommen werden sollten, da auch in ihrer Funktion konkretisierte Werke häufig vom Künstler wiederholt oder von anderen kopiert wurden und als Repliken oder Kopien in anderen, allgemeineren oder neu konkretisierten Zusammenhängen zu funktionieren hatten, bot es sich an, die inhaltliche Botschaft flexibel zu halten. Auf ein Beispiel für diese ikonographische Flexibilität eines der erfolgreichsten Gemälde der Düsseldorfer Malerschule will ich näher eingehen. So berühmt und populär wurde das Bild der „Kirchgängerin“, dass Louis Ammy Blanc 1837 und 1839 Repliken malte (Abb. 61), dass Reproduktio297 Vgl.

Hütt, 1995, 11. 1973, 6. 299 Müller, 2010, 85 ff. 298 Peters,

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Abb. 61: Blanc, Louis Ammy, Die Kirchgängerin (1834), 1837, Bonn, Rheinisches Landesmuseum

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nen in Holzschnitt, Kupferstich und Lithographie verbreitet wurden und dass das eingängige Bildmotiv sich auf Kaffeetassen, auf populäre Druckgraphiken, auch auf Wandteppiche, Stickereien, sogar auf silberne Tortenheber und auf Broschen niederließ.300 Untrüglicher Ausweis der Popularität einer Bilderfindung ist die Parodie. Eine solche ist beschrieben in Adolf Glaßbrenners (Pseudonym: Brennglas) „Herr Buffey in der Berliner Kunstausstellung“, eine vierteilige Publikation, die sich um eine humoristische Version der Ausstellungskritik bemüht: „Referendarius (. . . ): Bei dieser Gelegenheit fällt mir ein, daß ein hiesiger, talentvoller Maler, Namens Glüer, ein sehr hübsches Bild: die Tapagiegängerin, eine Art Parodie der berühmten Kirchengängerin von Louis Blanc, vollendet hat. Sie ist ebenfalls sehr aufgeputzt, blickt sehnsüchtig nach der Tapagie, läßt die Kirche rechts liegen, trägt in ihrem Pompadour ein Paar große Tanzschuh und eilt, trotz Regen und Sturm, ihrem Ziel entgegen.“ 301 Das parodierte Gemälde malte Blanc in einer ersten Fassung 1834 und zeigte es noch im selben Jahr auf der Düsseldorfer und der Berliner Akademieausstellung. Eine junge Frau in Renaissancekleidung, oder, wie man im 19. Jh. zu sagen pflegte, in altdeutscher Tracht, hält den Kopf gesenkt; die Augenlider sind niedergeschlagen. Ein Buch presst sie an ihr Herz, und wenn wir den Bildtitel „Die Kirchgängerin“ einrechnen, muss es sich um ein Gebetbuch handeln. Im Hintergrund ragt der unvollendete Kölner Dom empor. 1248 war der Grundstein für den gotischen Dom gelegt worden; 1322 konnte der Chor geweiht werden.302 Danach aber ging es nur noch zögerlich weiter: Um 1350 erst konnte mit der Westfront und den nördlichen Seitenschiffen begonnen werden. Ein Jahrhundert später sah die Westfront dann so aus, wie es ein Stich nach Wilhelm von Abbema dokumentiert (Abb. 62). Von wenigen Bauarbeiten an den Umfassungsmauern des Langhauses abgesehen, blieb der Kölner Dom in diesem Zustand bis ins 19. Jh. hinein. Für die Romantiker rückte der Dom neu ins Blickfeld. Er wurde Objekt der romantischen Mittelalterbegeisterung und Identifikationsobjekt deutschna/ Krueger / Schmidt, 1982, 68. 1938, 16. 302 Die Baugeschichte des Kölner Doms hier nach: Hootz, 1958, 367 f. 300 Goldkuhle

301 Glaßbrenner,

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Abb. 62: Köln, Dom, Beginn des Weiterbaus, Stich nach W. Abbema, 1842

tionaler Sehnsüchte. Spätestens seit Goethes Aufsatz über die Fassade des Straßburger Münsters galt die gotische Architektur (kunsthistorisch zu Unrecht) als deutscher Baustil. Früh, zuerst wohl 1814 von Joseph Görres, wurde die Forderung erhoben, den Torso des Kölner Doms weiter- und zu Ende zu bauen. Das unvollendete Bauwerk war ihm Symbol des ungeeinten Deutschlands und dementsprechend sah er im Wiederaufbau des Kölner Doms ein Vorbild für den Wiederaufbau des Deutschen Reiches.303 303 Im

Jahr der Entstehung der Entstehung der „Kirchgängerin“ begann Philipp Veit für das Frankfurter Städel-Museum das Triptychon der „Einführung der Künste in Deutschland durch das Christentum“. Das rechte Seitenbild zeigt zu Füßen der Personifikation der Germania die Kaiserkrone und als Verweis auf die Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches im Hintergrund Bauarbeiten am Kölner Dom. Vgl. Shokan, 2009, 46 f.

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Grundlage für die architektonische Konkretisierung der nationalen Utopie waren die Bauuntersuchungen des Jahres 1811 und der glückliche Fund der mittelalterlichen Fassadenrisse in den Jahren 1814 und 1816 gewesen. 1842 nahm man die Baumaßnahmen zur Vollendung des Doms auf. 1880 stand der Dom in seiner heutigen Gestalt da. Den Zustand vor Beginn der Aufbauarbeiten brachte Blanc ins Bild. Mit Korrekturen: Die mittelalterlichen Bauarbeiten am Südturm waren eingestellt worden, als der Turm zu einem vergleichsweise geraden oberen Abschluss gediehen war. Diese Regelmäßigkeit erschien Blanc wohl als zu wenig pittoresk, als zu wenig mittelalterlich. Louis Ammy Blancs Gemälde zeigt das in die deutsche Geschichte rückprojizierte Bildnis von Gertraud Küntzel, geborene Breidenbach, der Tochter des Gründers des Breidenbacher Hofs in Düsseldorf.304 1833 ehelichte sie den Düsseldorfer Rittmeister Küntzel, doch bereits im Jahr nach der Eheschließung – nach der Geburt des ersten Kindes – starb sie jung, keine 25 Jahr alt. Ein zu früh beendetes, ein unvollendetes Leben. Deshalb die Verbindung von Porträt und Kölner Dom. Das unvollendete Bauwerk und das unvollendete Leben werden in eine poetische Entsprechung gesetzt; und gewiss sollte auch das exemplarische deutsche Bauwerk in der exemplarischen altdeutschen Schönheit – im Gretchentypus – eine Analogie finden. In ingeniöser Weise bereicherte Blanc in seinem berühmtesten Bild die Gattung des Porträts, in dem er um das Porträt eine ergreifende Geschichte spann und indem er das Porträt historisch und poetisch überhöhte. Die Möglichkeit, sich durch das Bild zu melancholischen Träumereien anregen zu lassen, haben diesem Werk Louis Ammy Blancs seine ungemeine Popularität gesichert. Die reale Person, die verstorbene Frau Küntzel, verschwand dabei hinter dem, was sie evozierte.305 Dass zwar wiederholt, auch, wie man später sehen wird, kritisch, auf den porträthaften Charakter dieses Gemäldes hingewiesen wurde, dabei aber keiner – zumindest keiner der mir bekannten zeitgenössischen Texte – das Bild über das „Porträthafte“ hinaus als Porträt eines konkreten Individuums erkannte, ist nur so zu erklären, dass weder den betroffenen Familien Breidenbach und Küntzel noch und zum folgenden: Die Düsseldorfer Malerschule, 1979, 269, Goldkuhle / Krueger / Schmidt, 1982, 68, Schreiner, I, 1990, 28 ff. 305 Vgl. Grewe, 1998, 2299.

304 Hierzu

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dem verantwortlichen Maler an Aufklärung gelegen war. Die Auflösung des Bildrätsels ist erst einem Brief Dr. jur. Küntzels vom 28. Januar 1935 verdankt.306 Der überlegene kunsthistorische Standpunkt – überlegen dank der Information des Nachfahren der Porträtierten – nimmt die genannten persönlichen und politischen Bezüge in den Blick, doch er verengt andererseits den Blick auf das Bild. Es ist nun einmal nicht beiläufig, dass Blanc zumindest nicht plakativ das Bild als Porträt auswies, es ist nicht beiläufig, dass die zeitgenössischen Kunstliteraten gerade diese Dimension des Bildes ausklammerten: Anton Fahne lobte anlässlich der Düsseldorfer Ausstellung des Jahres 1834 die treffliche Darstellung „kindliche(r) Frömmigkeit“.307 Karl Schnaases Wort „‚Halb Kinderspiele, halb Gott im Herzen‘, vielleicht die erste Hälfte schon mehr herangereift“ 308 lässt ebenfalls nicht auf Kenntnis der Biographie der Dargestellten schließen. In den Augen des Grafen Raczynski stellte das Gemälde im Besonderen „ein Fräulein in altdeutscher Tracht, mit dem Gebetbuch in der Hand zur Kirche gehend“ und im Allgemeinen Ausdruck von „Frömmigkeit, Unschuld und Andacht“ dar.309 Als Adolph Schöll die „Kirchgängerin“ in seiner Ausstellungskritik für Schorns „Kunst-Blatt“ besprach, deutete er den geneigten Kopf und den gesenkten Blick als Zeichen der Scham und der Bescheidenheit, „denn sie scheint zu sagen: ich will nicht stolz thun mit meinem brokierten Kleide; ich trage es nur, weil ich’s habe.“ 310 Das Porträt hielt er nur für ein „erfundenes“;311 folglich blieb ihm der bildliche Verweis auf den Tod der Dargestellten verschlossen, und das Beziehungsnetz, das der unvollendete Kölner Dom im Bild spinnt, sah Schöll schon deshalb nicht, weil er vom fernen Berlin her das Bauwerk nicht zu identifizieren wusste: „Was übrigens die kleine Kirchenruine unter ihr soll, weiß ich nicht.“312 306 Schreiner,

1990, 29. 1837, 59. 308 Schnaase, 1834, 285. 307 Fahne,

309 Raczynski,

1836, 215. 1835, 161. 311 Schöll, 1835, 159. 312 Schöll, 1835, 161. 310 Schöll,

153

Abb. 63: Naeke, Gustav Heinrich, Faust und Gretchen, um 1830

Schon gar nicht beiläufig ist es, dass die Familie Küntzel nur im Besitz einer Kopie des Bildes war. Das Original kaufte der „Kunstverein für die Rheinlande und Westphalen“ an; es fiel in der Verlosung an einen Soester Kunstliebhaber. Die Replik von 1837 wurde für die Herzogin von Cambridge gemalt. Vom Königsberger Kunstverein war die vermutlich verbrannte dritte Fassung der „Kirchgängerin“ in Auftrag gegeben worden.313 Auftragsgeschichte und Wirkungsgeschichte eines Porträts sehen anders aus. Deshalb muss die Frage nach der Bedeutung dieses populären Gemäldes neu gestellt werden, wobei unter dem Strich nicht die abschließende Interpretation steht – die ohnedies längst geleistet ist –, sondern der Verweis auf die Schatten, die die Interpretation für die Zeitgenossen unscharf werden ließen. Die Schatten sind Bestandteil des Bildes. Das weite Spektrum an Interpretationsmöglichkeiten der „Kirchgängerin“ ist in gewisser Hinsicht auch das Resultat der Mischung unterschiedlicher Bildquellen, auf die Blanc (vermutlich) Bezug nahm. Ein Gemälde 313 Schreiner,

154

1990, 28 f.

Abb. 64: Stieler, Josef, Bildnis Anna Hillmayer, 1829, München, Schloss Nymphenburg

des in Dresden und Rom tätigen Gustav Heinrich Naeke (Abb. 63) zeigt Goethes Gretchen, dem sich Faust galant nähert. Die Szene spielt auf einem von „altdeutschen“ Gebäuden gesäumten Platz. Hinter dem Paar GretchenFaust erhebt sich der Kapellenanbau einer gotischen Kirche. Die Bildfiguren wurden von Blanc auf eine reduziert, doch die Narration schwingt in der Seitwärtswendung, die ein (vom Bildtitel bestätigtes) Gehen andeutet, mit. Bedeutet die von Blanc gefundene Bildform eine Verzuständlichung der Bilderzählung Naekes, dann verlebendigt sie auf der anderen Seite ein Porträt Josef Stielers. Das 1829 gemalte Bildnis Anna Hillmayers (Abb. 64), der Tochter eines Münchner Wildprethändlers, macht die von König Ludwig I. geforderte, wenn auch vielleicht nicht in jedem Fall geförderte Jungfräulichkeit der Schönheiten in seiner „Schönheitsgalerie“ 314 durch sprechende Zeichen explizit: Anna Hillermayer hält den Blick bescheiden gesenkt. Ihre Linke fasst 314 Als

„gemaltes Serail“ verspottete Heinrich Heine Ludwigs „Schönheitengalerie“. Zit. n. Hojer, 2006, 41. Kritisch dazu: Hojer, 2006, 15.

155

das Gebetbuch. Die Porträtierte wird foliiert von einer gotischen Kirche. Anders als Anna Hillmayer wendet sich Gertraud Küntzel zur Seite, vermeidet die zu offensichtliche Porträtpose, deutet im historistisch verkleideten Bildnis ein Bewegungsmotiv an. Die so in Gang gesetzte Bilderzählung nähert das Porträt Blancs dem Genrebild, von dem es – falls Naekes Bild tatsächlich eine der von Blanc verarbeiteten Bildquellen gewesen war – von der anderen Seite ja auch herkam. Für den in die private Ikonographie des Gemäldes eingeweihten Bildbetrachter verwiesen der Bauzustand des Doms und vielleicht auch die Dimension des Transitorischen (in der Figurendarstellung) im allgemeinen auf die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens und im besonderen auf das frühe Ende der schönen Gertraud Küntzel. Welchen Stellenwert diese private Ikonographie hatte, wie weit der Kreis der mit dieser privaten Ikonographie vertrauten Bildbetrachter gezogen war, ob es etwa unter den Berliner Ausstellungsbesuchen, die Blancs Gemälde auf der Akademieausstellung von 1834 sahen, ‚eingeweihte‘ Bildbetrachter gab, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Es können jedenfalls nicht viele gewesen sein, wenn selbst die Düsseldorfer Fachleute (Fahne / Schnaase) den Zusammenhang übersahen oder ausblendeten. Zumindest hatte dieses Wissen seinen Ort unterhalb des kunstkritischen Diskurses. Die vom Künstler wohl nicht nur zugelassene, sondern provozierte Unschärfe in der Wahrnehmung der Ikonographie der „Kirchgängerin“ gestattete die vielfältigen emotionalen Aneignungen des Gemäldes. Gattungsspezifisches Analogon dieser Unschärfe ist die Zwischenstellung zwischen Porträt und Genregemälde, und diese Zwischenstellung wurde in der Kunstkritik deutlich gesehen. Adolph Schölls Ausstellungskritik bespricht Blancs Gemälde unter dem Kapitel „Porträt“. Lebensgroße Darstellung und Isolierung der Bildfigur dränge den Betrachter von Blancs Bild zu der Annahme, „eine spezielle Person, ein empirisches Subjekt, vor sich zu haben. (. . . ) (S)olche Stücke (wirken), ihre Bedeutung sey noch so verschieden, porträtartig. Es fragt sich, ob das gut sey.“ 315 Ausgehend von der Annahme, die „Kirchgängerin“ sei „ein bloß scheinbares 315 Schöll,

156

1835, 159.

Porträt“ entwickelte Scholl seine Porträttheorie: „In dem wir es (das Porträt d. V.) betrachten und heimlich zurückbeziehen auf ein Original, wird uns nicht nur das Produkt der Kunst, sondern ihre Thätigkeit selbst, ihr reinigender, erhebender, befreiender Geist gegenwärtig, und auf diesem Gefühl eben, daß die Kunst durch reine Aneignung und Isolierung der Erscheinung diese selbst veredelt, beruht der Kunstwerth des Porträts. Die Realität dieses Verhältnisses fällt aber weg, sobald das Vorgestellte erfunden und nicht porträtiert ist. Dadurch wird der Schein der Übertragung, den das isolierte lebensgroße Hinstellen erzeugt, zwecklos und falsch. Die Figuren werden zu Figuranten“.316 Schölls Porträttheorie bewegt sich auf höherem ästhetiktheoretischem Reflexionsniveau, verfehlt aber den Anlass der Entstehung des Bildes. Doch Schöll verfehlte nicht notwendig Blancs Bild. Die ikonographische Verschattung verdunkelt zwar die fraglos rührende Geschichte vom frühen Tod der Porträtierten, erlaubt aber vielfältige Weisen der Einfühlung in die innere Befindlichkeit der jungen Frau und Möglichkeiten der Weitererzählung der nur angestoßenen Bildgeschichte. Letzteres leistet ein „bloß scheinbares Porträt“ eher als ein tatsächliches; deshalb und sicher nicht allein aus Diskretion gegenüber den betroffenen Familien Küntzel und Breidenbach ließ Blanc dieses (produktive) Missverständnis zu.

Der verleugnete Goethe Ebenfalls auf der Berliner Akademieausstellung von 1834 hatte Carl Ferdinand Sohn ein vielbeachtetes Gemälde unspezifisch als Darstellung einer blonden und einer braunen Frau ausgewiesen (Abb. 65). Graf Athanasius Raczynski, der 1836 von Sohn eine Wiederholung des heute im Bonner Landesmuseums aufbewahrten Bildes für seine Kunstsammlung bestellte, sah sich bemüßigt, die Dinge zurechtzurücken. „Dieses Gemälde ist durch Goethe’s Tasso veranlaßt, und hieß anfangs die beiden Leonoren. Es hatte gar keinen Übelstand, ihm diese Benennung zu lassen, welche ich hiemit herstelle.“ 317 Wie im Falle von Blancs „Kirchgängerin“ drängt sich die Frage auf: Weshalb diese Informationsverweigerung von Seiten des Malers? Schließ316 Schöll,

1835, 159. 1836, 199.

317 Raczynski,

157

Abb. 65: Sohn, Carl Ferdinand, Die beiden Leonoren (1834), 1836, Poznan, Nationalmuseum

158

lich ist das Wissen um die Referenz Sohns auf Goethes Bühnenstück für das Verständnis des Bildes durchaus aufschlussreich. Torquato Tasso, dem Goethe sein 1807 in Weimar uraufgeführtes Schauspiel widmete, beendete sein Leben in geistiger Umnachtung. Goethes Drama thematisiert dieses Ende nicht, deutet es aber bereits an. Das Misstrauen, das Tasso seinen Gastgebern in immer stärkerem Maße entgegenbringt, verhindert alle Versuche, die persönlichen Missverständnisse aufzuklären und die Feindseligkeiten beizulegen. Tasso weilt auf dem Schloss der Este, wo er seinem Förderer, Herzog Alfons, sein dichterisches Hauptwerk, die „Gerusalemme liberata“, widmet. Schwärmerisch überreicht die Schwester des Fürsten, Prinzessin Leonora, dem Dichter den Lorbeerkranz. Tasso glaubt sich geliebt, muss aber der Fürstin versichern, dass seine Zuneigung „geziemend“, somit nur freundschaftlich, bleiben werde. Der Wunsch der Fürstin, dass Tasso in Freundschaft auch dem Freund der Fürstenfamilie, Antonio, verbunden sein solle, führt zu einem Gespräch, das im Unfrieden endet. Der weltgewandte und weltkluge Staatsmann Antonio und der auf gesellschaftlichem Parkett unsichere Tasso geraten in Streit, in dem Tasso den Degen zieht, worauf ihm der hinzugekommene Herzog zur Strafe Zimmerarrest gibt. Prinzessin Leonora d’Este ist in Gesellschaft ihrer Freundin Leonora Sanvitale. Um wie sie sagt, „auf sein Gemüt als eine Freundin (zu) wirken“,318 schlägt diese vor, Tasso solle das Schloss der Este eine Zeitlang verlassen, solle zu ihr an ihren Hof in Florenz kommen. Mit dem Rat verfolgt Leonora Sanvitale durchaus selbstsüchtige Absichten. Sie will den Dichter und seine Kunst für sich gewinnen. Tasso missversteht sowohl die vorgeblich gute, als auch die heimlich egoistische Absicht und vermutet darin nur die Absicht der Fürstenfamilie, ihn loszuwerden. Es gelingt der Prinzessin Leonora d’Este, die sich zunehmend ihre Gefühle für Tasso eingesteht, vor der Abreise des Dichters ein klärendes Gespräch zu führen. Doch Tasso überwältigen bei diesem Gespräch seine Gefühle; stürmisch will er die Fürstin in seine Arme nehmen. Das verletzt offen den gesellschaftlichen Konsens, das ist gegen das Geziemende; der Herzog und die Prinzessin reisen ab und 318 Goethe,

Torquato Tasso, 1981, 120.

159

lassen den an den gesellschaftlichen Konventionen und wegen seines zunehmenden Realitätsverlusts Gescheiterten verzweifelt zurück. Im 2. Auftritt des Dritten Aufzugs führen die beiden Leonoren das Gespräch, in dem Leonora Sanvitale ihrer Freundin den Vorschlag unterbreitet, Tasso für einige Zeit zu ihr nach Florenz zu schicken. Leonora d’Este weist den Vorschlag erst zurück: „Du willst dich in Genuß, o Freundin, setzen, / Ich soll entbehren; heißt das billig sein?“. Leonora Sanvitale darauf: „Entbehren wirst du nichts, als was du doch / In diesem Falle nicht genießen könntest.“ Und als Prinzessin Leonora verzweifelt fragt: „So ruhig soll ich einen Freund verbannen?“, da tröstet sie die Freundin mit der Hoffnung auf eine Lösung des Problems und auf die Rückkehr des Dichters. Resigniert stimmt die Prinzessin schließlich dem Vorschlag der Freundin zu: „So nimm ihn weg, und, soll ich ihn entbehren, / Vor allen andern sei er dir gegönnt!“ 319 Es hätte in der Tat „gar keinen Übelstand“, wenn Sohn die Textgrundlage nicht verschwiegen hätte: In Goethes Szene der Begegnung der beiden Leonoren dürfte der Bildbetrachter die Textgrundlage wieder erkennen. Im Niederschlagen der Augen und im gesenkten Kopf der Brünetten würde ihm Leonora d’Estes Trauer der Entsagung anschaulich. Die linke Hand, die Leonora d’Este auf die Schulter der Leonora Sanvitale legt, ist die Geste, die man vielleicht mit dem Satz „So nimm ihn weg, und, soll ich ihn entbehren, / Vor allen andern sei er dir gegönnt!“ unterlegen kann. Aktiv, frisch demgegenüber die blonde Leonora. Aufmunternd, aber auch dominant ergreift sie die Hand der Freundin. Aufmunternd wendet sie sich zu ihr um. Und aufmunternd weist sie über das Geländer nach unten, wohl, um sie mit der baldigen Rückkehr des Dichters zu trösten. Nehmen wir den Text zu Hilfe, dann erschließt sich die psychologische Dimension des Bildes zumindest als eine potentiell komplexe. Denn es sind bei Goethe ja keine holzschnittartigen Charaktere. Eleonora d’Este liebt Tasso, aber die Liebe ist durch die höfische Konvention und durch die Liebe zur Kunst so gebrochen, dass sie selbst sich keine Klarheit über ihre Gefühle geben kann, noch weniger kann sie Klarheit über ihre Gefühle dem Dichter vermitteln. Leonora Sanvitale handelt eigennützig – sie gesteht sich 319 Goethe,

160

Torquato Tasso, 1981, 120 f.

im folgenden Monolog ein, dass sie „in seinem schönen Geist (. . . ) sich selber bespiegeln will“, doch sie stellt sich auch die Frage, ob nicht allein Liebe von ihrer Seite im Spiel ist. Und keineswegs kann sie kalten Herzens über das Leid der Freundin hinwegsehen. „Wie jammert mich das edle schöne Herz!“ 320 So kann man, wenn man will, auch in Sohns Bild in der frischen Zuwendung der Blonden zur Brünetten Täuschung aus egoistischen Gründen sehen, man sieht es aber nicht notwendig, und auch die Textgrundlage macht das Bild nicht eindeutig; die blonde Leonora ist ja weiterhin die gute Freundin, und wie der dieser Szene nachfolgende Monolog beweist, ist sie sich über ihre Absichten und Motive selbst alles andere als klar. Vergegenwärtigt man sich die Szene in Goethes Schauspiel, auf die Sohn malerisch antwortete, bereichert sich einerseits die Bildlektüre, andererseits wird offensichtlich, dass Sohn die psychologische Komplexität andeuten, aber eben nur andeuten konnte. Dass Leonore von Este niedergeschlagen ist, das sieht man; dass sie eines Mannes wegen traurig ist, ist nur insofern naheliegend, als im 19. Jh. im Bild trauernde junge Frauen in den meisten Fällen Liebeskummer haben. Doch das komplexe Spannungsfeld, das Goethe aufmacht, kann der Maler nicht vollständig ausdrücken. Und die Motivation hinter dem Wunsch der Leonora Sanvitale, Tasso vom Schloss der Este an ihren Hof in Florenz zu locken, eine Motivation, die sie selbst kaum entwirren kann, weil sie gemischt ist aus Liebe, Eitelkeit und echter freundschaftlicher Zuwendung zu Leonora d’Este, verschließt sich gänzlich dem Medium der Malerei. Diese Inkongruenz von Dichtung und Malerei war von Beginn an, d. h. seit der erstmaligen Präsentation von Bildern der von Schadow neuorientierten Düsseldorfer Malerei in der Berliner Akademieausstellung von 1828, vorherrschendes Diskussionsthema gewesen, und es war die Überzeugung einiger Rezensenten und eben auch von Autoritäten wie Hegel, dass Malerei sich nur zu ihren Ungunsten auf diese Übersetzungsarbeit einlassen könne, die den ansonsten sensationellen Erfolg der jungen Düsseldorfer Malerschule in Berlin trübte. Vermutlich suchte Sohn mit seiner unspezifischen Etikettierung seines Gemäldes entsprechend kritischen Auslassungen 320 Goethe,

Torquato Tasso, 1981, 125.

161

zuvorzukommen. Den ‚eingeweihten‘ Bildbetrachtern lieferte er auf diese Weise einerseits einen privilegierten Zugang zum Werk und transformierte andererseits die konkrete poetische Vorgabe in eine allgemein-menschliche Szene, so wie dies – angelehnt an Goethes Begriff des symbolischen, weil allgemein-menschlichen und deshalb allgemeinverständlichen Gemäldes – in der Diskussion um die Düsseldorfer Bilder auf der Ausstellung von 1828 gelegentlich vorgeschlagen oder gefordert worden war. Weil er so unbekümmert und inkonsequent sich dem Bild näherte, zog der anonyme Berichterstatter für Kuglers „Blätter für bildende Kunst“ vielleicht den meisten Gewinn: Er beschrieb die Fürstin, die es nicht „vermag (. . . ) das schmerzlich heisse Empfinden in gleichgültiger höfischer Form zu verbergen“ und verriet bereits dadurch die Kenntnis der Textvorlage. Dass die trostspendende Freundin die „einzige“ sei, „die ihr nahe und doch so fern steht“, das und manches andere mehr, von dem der Autor sprach, setzt ebenfalls Goethes komplexe Charakterisierung der beiden Frauen und den Kontext des Dramas voraus.321 Trotzdem warnte der Autor dieser Ausstellungsbesprechung davor, das Gemälde vor dem Hintergrund des Goetheschen „Tasso“ zu betrachten. Zu „reich, zu entwickelt in sich“ sei das Gemälde, „um sich in so bekannte Anschauungen (. . . ) ganz zu fügen.“ Lieber solle man also die von Goethe auf die Bühne gebrachten „historischen Verhältnisse vergessen (. . . ), um sich ganz in diese Gestalt (der Fürstin, d. V.) zu vertiefen.“ 322 Das Besondere, das die Kenntnis der Textvorlage dem Bild anzutragen erlaubt, und das Allgemein-Menschliche, das sich für Projektionen öffnet und Stimmungen allgemeiner Art evoziert, beides musste sich also nicht wechselseitig ausschließen. Verlässt man die neutrale rezeptionsgeschichtliche Ebene, kann man Sohns Verleugnung Goethes als Eingeständnis des Scheiterns bewerten und darf sich mit der mediale Selbstreferentialität postulierenden Ästhetik der klassischen Moderne einig wissen. Doch bedarf es der Leugnung der Inkongruenz von Textvorlage und Gemälde, um Sohn neu würdigen zu können, oder muss man sich Sohns Versuch der ikonographischen Verschattung so321 M., 322 M.,

162

1834, 375. 1834, 376.

weit fügen, dass Goethes „Tasso“ hinter dem Allgemein-Menschlichen der Begegnung einer Blonden und einer Brünetten verschwindet? Kann nicht auch das Unsichtbare in der Malerei ästhetisch produktiv sein? Vielleicht bereichert das Wissen um das, was Goethe auf die Bühne brachte, die Wahrnehmung von Sohns Gemälde nicht trotz, sondern gerade weil der Text im Bild nicht vollständig eingelöst werden konnte? Die unaufgelöste Spannung zwischen Text und Bild kann für den Bildbetrachter eine produktive Spannung sein. Eben weil das Gemälde den Gedanken des Betrachters über die Gedanken der beiden Freundinnen nur einen eher allgemeinen Rahmen bieten kann, hat ersterer die Möglichkeit, das Bild lebendiger und vielschichtiger zu machen, als es von sich her ist. In der offenen und unabgeschlossenen Wahrnehmung kommt die spezifische Qualität der „unsichtbaren Malerei“ zur Geltung, die erst im Dialog mit der Bildung und mit der Imaginationsfähigkeit des Betrachters sich voll entfalten kann. Bevor auf dem Umweg über ein Lob der „unsichtbaren Malerei“ doch wieder für eine textorientierte Interpretation geworben wird, ist die Alternative zu bedenken, die Sohn mit einer unbestimmten Auskunft, das Gemälde zeige eine blonde und eine brünette Frau, angeboten hat. Als autonomes Kunstwerk ist Sohns Gemälde auch dann nicht wahrnehmbar, doch ästhetische Autonomie ist ohnedies eine haltlose Fiktion. Die Referenz, die Sohn als Alternative zu Goethes „Tasso“ anbot, war eine kunsthistorische und eine, die im Systemzusammenhang der „Schule“ sprechend wurde: Der runde Bogen, den die Düsseldorfer gerne als Bildformat wählten, verbindet die beiden jungen Frauen zusätzlich. Es sind offensichtlich Freundinnen, die sich nahe stehen, aber doch auch sehr anders sind. Die von Overbeck für seine „Italia“ und für seine „Germania“ und von Bendemann für die „Zwei Mädchen am Brunnen“ getroffene Differenzierung der Freundinnen ist von Sohn weitgehend, aber nicht ganz übernommen worden. Sehr ruhig erscheint auch hier die Brünette, doch man wird sie nicht mehr als selbstbewusst charakterisieren dürfen. Der gesenkte Blick verrät Traurigkeit, Resignation. Viel lebhafter und weltoffener ist diesmal die Blondine, die sich zur Freundin umwendet, ihre Hand ergreift und mit der Linken über das Geländer nach unten weist. 163

Als dieses Gemälde auf der Berliner Akademieausstellung von 1834 zu sehen war, wurde es selbstverständlich als Pendant mit Bendemanns einem Jahr älteren Gemälde der „Zwei Mädchen am Brunnen“ (Abb. 60) zusammen gesehen und damit ebenfalls in die Filiation von Overbecks Meisterwerk (Abb. 57) eingereiht. Friedrich Overbeck hatte sein Bild der „Bräute“, der „Irdischen Liebe“, „Italia und Germania“, der „Sehnsucht“, der „Freundschaft“ zunehmend von einer komplexen, weil privaten Ikonographie in eine allgemeinere und allgemeinverständlichere überführt. Eduard Bendemanns „Zwei Mädchen am Brunnen“ sind zunächst und zuerst zwei sehr allgemeine („liebe“) Mädchen, deren Allgemeinheit dank des Wissens um die Abkünftigkeit von Overbecks berühmtem Gemälde zumindest bis zur allgemeinen Konkretheit der Begegnung von „Italia“ und „Germania“, damit zu einer Aussage über das Verhältnis der deutschen Kunst zur italienischen, herabsteigen konnte. In anderer Weise ponderierte Sohn die Spannung zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen. Auf der einen Seite geriet das Allgemeine noch allgemeiner als in den Vorgängerbildern (eine blonde und eine braunhaarige Frau, und beide sind Italienerinnen323 ), andererseits gab Sohn dem Raum des Unsichtbaren in diesem Gemälde mit Goethes „Tasso“ einen festen Rahmen. Sohns Bild antwortet auf das des Freundes Bendemann, und wenn die Zuschreibung einer kleinen Kopie der „beiden Leonoren“ Carl Ferdinand Sohns an Eduard Bendemann324 standhalten sollte, dann hätte Bendemann auf die Antwort Sohns auf seine Antwort auf Overbeck seinerseits anerkennend geantwortet.

„Hinter der Scene“ Die Rolle des Unsichtbaren in der Malerei kann zu einer dominanten werden, dann, wenn der dramatische Höhepunkt durch zeitliche Verschiebung (in die Zukunft / in die Vergangenheit) aus dem Blick genommen, eben dadurch aber nachdrücklich und eindringlich evoziert wird. Schopenhauer hatte vor solchen Bildstrategien gewarnt: Nur solche Themen solle sich 323 Der Katalog der Sammlung Raczynski behauptet die Ikonographie der freundschaftlichen Begegnung von Italia und Germania weiterhin. Sammlung Graf Raczynski, 1992, Kat. Nr. 40. 324 „An den Wassern Babylons saßen wir“, 2009, 120.

164

Abb. 66: Carstens, Asmus Jakob, Der schwermütige Ajax, 1789, Weimar, Kunstsammlungen

der Historienmaler wählen, „wo die Hauptsache wirklich darstellbar ist und nicht bloß hinzugedacht werden muss (. . . ). Wenn schon auf der Bühne es nicht taugt, daß (wie im französischen Trauerspiele), die Hauptsache hinter der Scene vorgeht; so ist es im Bilde offenbar ein noch weit größerer Fehler.“ 325 Schopenhauer mag an die oben genannten „Ugolino“-Bilder von Joshua Reynolds (Abb. 28) und Johann Heinrich Füßli (Abb. 29), an den „Ezzelino“ Füßlis (Abb. 27), an Jacques-Louis Davids „Brutus“, an Narcisse Guérins Erfolgsbild der „Rückkehr des Marcus Sextus“ (Abb. 30) gedacht haben, vielleicht auch an Asmus Jakob Carstens’ aquarellierte Zeichnung der „Schwermut des Ajax“ (Abb. 66), für die Carstens nicht das Rasen, nicht die Selbsttötung, sondern das dem Wüten gegen die Schafe nachfolgende und dem Selbstmord vorangehende Brüten des entehrten Helden zum Thema gewählt hatte.326 Das, woran Ajax zurückdenkt und das Schicksal, das er für sich bestimmt, 325 Schopenhauer, 326 Vgl.

1949, 273 f.

Busch, 1993, 156.

165

findet sozusagen „hinter der Scene“ statt, so wie der Kannibalismus Ugolinos, der Eifersuchtsmord Ezzelinos an Meduna, Verurteilung und Hinrichtung der Söhne des Brutus oder das Sterben der Gattin des Marcus Sextus vor oder nach dem im Bild Gezeigten, sich „hinter der Scene“ ereigneten. Sollte Paul Delaroche die ästhetiktheoretischen Ausführungen, die Schopenhauer seinem frühen Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ (1818) mitgab, gelesen haben, dann hat er die Warnung Schopenhauers nicht nur nicht beherzigt, sondern sogar als Aufforderung genommen. Der von Richard III. befohlene Mord an den im Tower eingekerkerten Kindern Eduards IV. findet in Delaroches auf dem Pariser Salon von 1831 nicht nur von Heinrich Heine bewundertem Gemälde (Abb. 5) „hinter der Scene“ statt, so wie es ja tatsächlich im literarischen Vorbild, der Tragödie Shakespeares, der Fall war. Was sich vor den Augen der Theaterbesucher verborgen „hinter der Scene“ ereignete, erfahren sie im Nachhinein aus dem Gespräch der beiden Mörder: „‚O‘, so sprach Dighton, ‚lag das zarte Paar‘; / ‚So, so‘, sprach Forrest, ‚sich einander gürtend / Mit den unschuld’gen Alabaster-Armen: / Vier Rosen eines Stengels ihre Lippen, / Die sich in ihrer Sommerschönheit küßten. / Und ein Gebetbuch lag auf ihrem Kissen. / Das wandte fast‘, sprach Forrest, ‚meinen Sinn; / Doch o! Der Teufel‘ – dabei stockt der Bube, / Und Dighton fuhr so fort: ‚Wir würgten hin / Das völligst süße Werk, so die Natur / Seit Anbeginn der Schöpfung je gebildet.‘ – Drauf gingen beyde voll Gewissensbisse.“ 327 1835 nahm sich Ferdinand Theodor Hildebrandt des Themas (Abb. 67) an. Er wird das Gemälde von Delaroche, zumindest aber die Lithographie von Hippolyte Prudhomme nach diesem Gemälde, gesehen haben.328 Hildebrandt ließ sich sicher auch von dem 1785 für John Boydell geschaffenen Gemälde James Northcotes (Abb. 68) anregen, von dem die Stichreproduktion leicht zugänglich war,329 und er führte seine Inspirationsquellen zu einer für die Fassung des Historienbildes in der frühen Düsseldorfer Malerschule bezeichnenden Lösung zusammen. Die Erfindung von Delaroche, die Mörder in den Türspalt, in den schmalen Lichtschein, in das ängstliche 327 Shakespeare,

1810, 150. 1969, 133. 329 Wright, 1981, 129–133, Ruthmann, 1990/91, 135. 328 Markowitz,

166

167

Abb. 67: Hildebrandt, Theodor, Die Ermordung der Söhne Eduards IV. im Tower, 1835, Düsseldorf, Museum Kunstpalast

Abb. 68: Nach Northcote, James, Die Ermordung der Kinder Eduards IV (1785), 1803

Hündchen hineinzuverschlüsseln, ist bei Hildebrandt aufgegeben. Die beiden Mörder sind – wie von Northcote vorformuliert – bereits ans Bett der Kinder getreten. Sie zögern, sie halten inne vor dem, was sie tun sollen, wollen, nicht mehr wollen, müssen. Diese Spannung halten die Figuren im Bild aus; diese Spannung muss der Bildbetrachter aushalten oder als Spannung ästhetisch genießen. Uneingelöstes, Unentschiedenes wird anders, aber nicht weniger intensiv als bei Paul Delaroche zum Bildthema. Paul Delaroche hatte die Forderung Gotthold Ephraim Lessings nach der Darstellung des auf die nahe Vergangenheit und auf das Kommende gleichermaßen aufgeschlossenen „fruchtbaren Moments“ radikalisiert – wenn diese Radikalisierung auch gewiss nicht im Sinne Gotthold Ephraim Lessings gewesen sein dürfte –, indem er an die Stelle von Handlung Spannung 168

setzte und indem er die im Bild verweigerte Handlung der Phantasie des Betrachters überantwortete.330 Theodor Hildebrandt rezipierte diese neue Weise des Erzählens und wurde deshalb von den Zeitgenossen in die Nähe der „Manier der neu-französischen Schule“ (Püttmann) gerückt.331 Müller von Königswinter hob gegenüber Delaroche die größere Treue Hildebrandts gegenüber der Skakespeareschen Textvorlage hervor,332 doch die wesentlichen Differenzen liegen woanders: Man sah seit langem, dass die spezifische Umformulierung des Bildes von Delaroche durch Hildebrandt der in Düsseldorf verbreiteten Neigung zur Malerei der „Seelenstimmung“ entspricht.333 Die Hildebrandtsche „Seelenmalerei“ bedeutet eine nicht weniger entschiedene Absage an die traditionellen Prämissen der Historienmalerei. Doch von Hildebrandt wird der Bruch zwischen dem Gezeigten und dem vom Betrachter zu Imaginierenden im Bild selbst inszeniert. Die Spannung, die bei Delaroche eine nur temporäre war, ist bei Hildebrandt vorzüglich eine psychologische geworden. Folglich ist die Zeitstruktur bei Hildebrandt eine andere. Hildebrandts Bild ist im Wortsinn verhaltener. Man könnte mutmaßen, dass das Unsichtbare mehr Anteil an der Bilderfindung Delaroches als an der Hildebrandts hat. Hildebrandt zeigte zwar auch nicht die Tat, aber doch Handelnde und Opfer. Vielleicht ersetzte Hildebrandt aber nur das Unsichtbare in Delaroches Gemälde durch ein anderes Unsichtbares. Indiz dafür ist eine Holzschnittreproduktion des Gemäldes von Girardet (Abb. 69), die das „Magasin pittoresque“ 1842 einem Artikel mitgab, der darüber handelt, dass die Ermordung der beiden Prinzen auf Geheiß Richards III. historisch keineswegs gesichert sei. Man fragt sich, weshalb das „Magasin pittoresque“ dafür nicht auf eine Reproduktion nach dem in Frankreich entschieden bekannteren Gemälde von Paul Delaroche zurückgriff. Ließ Hildebrandt den Ausgang des Geschehens offener als Delaroche? Hildebrandt überführte, wie gesagt, die bei Delaroche temporäre Spannung in eine psychologische. Und diese psychologische Spannung, 330 Das

folgende entspricht weitgehend Körner, 2000, 32 f. Mai, Düsseldorfer Malerschule, 1979, 26. 332 Müller von Königswinter, 1854, 182. 333 Die Düsseldorfer Malerschule, Katalog der Ausstellung, 1979, 338. 331 Vgl.

169

Abb. 69: Girardet, Karl nach: Hildebrandt, Theodor, Die Ermordung der Kinder Eduards IV., in: Magasin pittoresque, 1842

das Zögern der gedungenen Mörder, der innere Konflikt, in den sie angesichts der unschuldigen Kinder geraten sind, wird im Bild nicht aufgelöst. Entgegen der Aussage des Textes blieb so die Möglichkeit nicht versperrt, dass der gerührte Bildbetrachter Dighton und Forrest zumindest im Imaginären noch umstimmen könne. Delaroche beließ mehr im Unbestimmten und blieb eben deshalb bestimmter.334 Hildebrandt engte den Spielraum für die Imagination des Bildbetrachters ein und entgrenzte sie. Der Lichtstreifen unter der Tür bei Delaroche ist in dem, was er zeigt (nicht zeigt) unbestimmter als das Zaudern der Mörder in Hildebrandts Bild, aber das Urteil des Lichtstreifens hinsichtlich des Schicksals der Prinzen ist definitiver. Jeweils anders machen Delaroche und Hildebrandt das Unsichtbare zum Bildthema und markieren so auch zwei Möglichkeiten der neuen Bildgattung, die sich geradezu durch das Unsichtbarbleiben des dramatischen Höhepunkts – der im Bild als aufgeschobener oder als bereits geschehener vor dem inneren Auge sichtbar wird – definiert: Die Gemälde von Paul Delaroche und Theodor Hildebrandt entsprechen der in der „Aesthetik“ Fried334 Auch wenn Stephen Bann das sehr anders beurteilte. Er sah die Absicht des Zeitungsartikels durch den Abdruck der Reproduktion des Hildebrandt-Gemäldes „slightly compromised“. Bann, 1997, 104.

170

rich Theodor Vischers gegebenen Definition des „Situationsbildes“, das „sich zwar auf den Schauplatz der Handlung (stellt)“, aber seinen Stoff gewinnt aus „Taten und Schicksalen, die ihrer Natur nach eine zur Beobachtung des Seelenlebens einladende Dauer zeigen“.335 Nach oben – zum Geschichtsbild, wie nach unten – zum Sittenbild – kann das „Situationsbild“ Übergänge bilden. Da Vischer die „geschichtliche Malerei“ als „im wesentlichen dramatisch“ definierte,336 ist das „Situationsbild“ der Historienmalerei dann nahe, wenn die gezeigte Situation nahe am dramatischen Höhepunkt ist, was zumeist für „Empfindungszustände“ gilt, „welche entscheidenden Taten und Schicksalen unmittelbar vorhergehen“.337 Kommen dagegen „Momente“ zur Darstellung, „die nicht unmittelbar zur Handlung gespannt, vielmehr meist als Nachklang einer vorhergehenden Handlung und tiefe Empfindung des Schicksals erscheinen“, gerät das „Situationsbild“ in das Gebiet des „Lyrischen“, d. h., in das „rein psychologisch subjektive Gebiet“. Dies steht dem Anspruch des Historienbildes entgegen, weshalb „lyrische Stoffe (. . . ) weit mehr dem Sittenbilde an(gehören)“.338 Hildebrandts Gemälde der „Ermordung der Söhne Eduards IV.“ beansprucht, wenn man sich nach den Bestimmungen Vischers ausrichtet, noch die Zugehörigkeit zu dem dramatischen, dem Historienbild nahen „Situationsbild“. Doch ist es entschieden weiter als das französische Vorbild in das „psychologisch subjektive Gebiet“ eingerückt. In jedem Fall ist Hildebrandt ein ungemein spannendes, vielschichtiges Bild gelungen, das den Betrachter nicht schlicht mit dem Sichtbaren konfrontiert, sondern den Betrachter einbezieht, ihn in die Bildgeschichte verwickelt, und ihm gerade, weil Unsichtbares Thema ist, mehr Freiheit, mehr Eigentätigkeit lässt, als Bilder, die auf der Selbstverständlichkeit des Sichtbaren bestehen.

335 Vischer,

1923, 404. 1923, 396. 337 Vischer, 1923, 405. 338 Vischer, 1923, 404 f. 336 Vischer,

171

Wie malt man eine Lüge? Zwischen 1833 und 1835 malte Alfred Rethel seine Mutter Johanna Rethel (Abb. 70). Im Jahr nach Vollendung des Bildnisses, 1836, wird Rethel dann die Düsseldorfer Kunstakademie und die Stadt Düsseldorf in Richtung Frankfurt am Main verlassen. Dass Rethel der Abschied von Schadow und den Schadowschülern nicht schwer gefallen sein wird, kann man auch und gerade an diesem Bildnis ablesen. Bemerkenswert ist die Nüchternheit, mit der Rethel seine Mutter wiedergab. Er legte Wert auf Details: prächtig sind der gemusterte Umhang und die Spitzenhaube geraten. Doch in der Genauigkeit der Wiedergabe der stofflichen Oberfläche ließ Rethel auch nicht nach, als es darum ging, die Gesichtszüge der Mutter zu malen. Die GleichGültigkeit von belebten und unbelebten Oberflächen verstärkt beides im Wechsel. Die aufwendigen Kleidungsstücke unterstreichen die Sachlichkeit und Direktheit, mit der die Physiognomie erfasst ist. So ist ein ungewöhnlich realistisches Bildnis entstanden, ein Bildnis, dessen Maler sich nicht scheute, die Spuren des Alters aufzunehmen und zuzulassen, dass die Porträtierte keineswegs gewinnend, eher sogar kühl, misstrauisch dreinblickt. An Schadows Porträtauffassung und den anlässlich der Ausstellungsbeteiligungen der Düsseldorfer allenthalben gerühmten und als Sonderleistung der Schule anerkannten Bildnissen Eduard Bendemanns, Julius Hübners, Theodor Hildebrandts (Abb. 71) und Carl Ferdinand Sohns konnte sich Rethel beim Porträt der Mutter nicht orientiert haben. Nicht Schadow, nicht die erste Generation der Schadowschule war Maßstab für Rethels Porträt der Mutter, sondern zunächst sein alter Aachener Kunstlehrer Bastiné. Hält man ein Bildnis Bastinés wie das der Frau Hasselbach (Abb. 72) neben Rethels Bildnis der Mutter, werden die Parallelen deutlich, doch auch die Qualitätsunterschiede. Bastiné gerät das Bemühen um Verismus im Porträt fast zur Karikatur. Bei Rethel verleiht dagegen gerade der ungeschönte Realismus der Dargestellten Würde, eine Würde, die nicht der Idealisierung bedarf. Näher noch als der Porträtauffassung seines ersten Kunstlehrers in Aachen ist Rethels Porträtstil Heinrich Christoph Kolbe verpflichtet (Abb. 73). Kolbe hatte, nachdem die Differenzen mit Schadow unüberbrückbar geworden waren, 1831 seine Professur an der Düsseldorfer 172

Abb. 70: Rethel, Alfred, Die Mutter des Künstlers, 1833–35, Berlin, Alte Nationalgalerie

173

Abb. 71: Hildebrandt, Theodor / Pistorius, Eduard, Prinzessin Luise Wilhelmine von Preußen mit ihren Söhnen Alexander und Georg, 1829, Düsseldorf, Stadtmuseum

174

Abb. 72: Bastiné, Johann Baptist Joseph, Frau Hasselbach, um 1820, Köln, Wallraf-Richartz-Museum

Abb. 73: Kolbe, Heinrich Christoph, Bildnis Elisabeth Gertrud de Werth, 1825, Wuppertal, Von der Heydt-Museum

175

Kunstakademie niederlegen müssen. Rethels Auffassung des Porträts, die nüchtern, unsentimental, direkt, ungeschönt ist, ist der biedermeierlichen Sachlichkeit Kolbes verwandt, stand aber diametral dem Postulat Schadows gegenüber, Naturalismus und Idealismus zu verbinden. Rethels Bekenntnis zur Kunst seines Düsseldorfers Lehrers in der Porträtmalerei, und das nach dem erzwungenen Rücktritt Kolbes von seinem Amt, war auch ein Bekenntnis gegen Schadow. Es waren nicht allein persönliche Differenzen und auch nicht nur seine weiterreichenden realistischen Ansprüche an die Kunst, die Rethel fremd im Kreis der Düsseldorfer Malerschule werden ließen und ihn bewegten, 1836 die Meisterklasse Schadows zu verlassen und zu Philipp Veit nach Frankfurt zu gehen. Die Forderung Hegels an die Malerei, die die Kritik an den Düsseldorfer Gemälden auf der Berliner Akademieausstellung von 1828 einschloss, „daß sie die Darstellung der Charaktere, der Seele, des Innern nicht so zu liefern habe, wie sich diese innere Welt unmittelbar in ihrer äußeren Gestalt zu erkennen giebt, sondern durch Handlungen das, was sie ist, entwickelt und äußert“,339 betraf Rethel nicht. Bezeichnend dafür ist bereits eine Begebenheit und eine Graphik, die aufschlussreich für Rethels Verständnis von „unsichtbarer Malerei“ ist. Die Frage Friedrich Naumanns „Wie malt man das Denken“, lässt sich in die enger gefasste Frage übersetzen: Wie malt man die Lüge? Diese Frage wurde im „Komponierverein“ der Düsseldorfer Akademie aufgeworfen und von Rethel mit einer Bilderfindung zu einem Thema aus der alttestamentarischen Josephsgeschichte (Die Brüder zeigen Jakob den blutigen Rock Josephs) beantwortet. Auf die Frage des Vaters, wo sie den blutigen Rock des angeblich von einem wilden Tier gerissenen jüngsten Bruders aufgefunden hätten, weisen die beiden Überbringer des Rockes in unterschiedliche Richtungen, entlarven sich so als Lügner.340 Auf diese kompositorische Invention geht vermutlich eine Radierung Rethels aus dem Jahr 1839 zurück (Abb. 74). Erschüttert weicht Vater Jakob vor dem blutigen Kleidungsstück des totgeglaubten Lieblingssohnes zurück; 339 Hegel,

1928, 82. 1997, 334.

340 Hoffmann,

176

177

Abb. 74: Rethel, Alfred, Die Brüder zeigen Jakob den blutigen Rock Josephs, 1839, Radierung

sein Stock fällt, als er an sein Gewand greift, um es zu zerreissen; es ist weniger die Mimik Jakobs, es ist die Aktion des Gewandzerreissens und seine in die Narration der Historie eingebundene Körpersprache, von der sich die emotionale Reaktion ablesen lässt. Die lügnerischen Brüder sind zwar physiognomisch so negativ als möglich charakterisiert (den „Ausdruck eines schlechten Gewissens“ sah Müller von Königswinter in den „zerstörten Gesichtern“,341 womit er mehr in die Gesichter hineinlegte, als heraus zu sehen ist), doch die Lüge manifestiert sich ausschließlich in den sich widersprechenden Zeigegesten. Wenn man einmal davon absieht, dass jedes Bild immer auch schon Unsichtbares thematisiert, Wissen voraussetzt oder zumindest die Kontextualisierung als selbstverständliches Kunstwerk, was ebenfalls als Konzept unsichtbar ist, dann leistete Rethel mit seiner Radierung und vermutlich bereits mit seiner Komposition im „Düsseldorfer Komponierverein“ das, was im 19. Jh. dem Goetheschen Konzept des sich selbst aussprechenden Bildes besonders nahe kam. Man muss, wenn man Rethels Leistung würdigt, diese Würdigung nicht gegen andere Konzepte, das Unsichtbare zum Thema von Bildender Kunst zu machen, ausspielen. Man darf schon auch fragen, ob Rethels Antwort auf die bezeichnende Frage – bezeichnend, weil sie sich dem Konzept einer „sentimentalen“ Malerei des Unsichtbaren regelrecht aufdrängt – ‚Wie malt man die Lüge¿ nicht zu schlicht ist. Um 1800 und spätestens mit Gustav Carus’ Apologie unbewussten „Seelenlebens“ war ein komplexeres Verständnis der Psyche gefordert. Es ist nicht ausgemacht, ob die Aufhebung der individuellen psychischen Verfasstheit in Handlungszusammenhänge dem neuen psychologischen Verstehen gemäßer ist als die „Seelenmalerei“ der Düsseldorfer, von der sich Rethel mit seiner ingeniösen, gleichwohl bildgeschichtlich traditionellen Komposition abgegrenzt hatte.

341 Müller

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von Königswinter, 1861, 66 f.

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