Und Action, bitte! Method Acting für Manager: Vom Mitspieler zum Regisseur im Unternehmen [1. Aufl.] 9783658309862, 9783658309879

Als Verantwortlicher ein Unternehmen zu leiten, ein Team zu führen oder ein Projekt umzusetzen, hat viel gemeinsam mit d

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Und Action, bitte! Method Acting für Manager: Vom Mitspieler zum Regisseur im Unternehmen [1. Aufl.]
 9783658309862, 9783658309879

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XIX
Motivation oder Vor der Bühne (Gerd-Inno Spindler)....Pages 1-43
Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne (Gerd-Inno Spindler)....Pages 45-170
Umsetzung oder Hinter der Bühne (Gerd-Inno Spindler)....Pages 171-235
Back Matter ....Pages 237-242

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Gerd-Inno Spindler

Und Action, bitte! Method Acting für Manager Vom Mitspieler zum Regisseur im Unternehmen

Und Action, bitte! Method Acting für Manager

Gerd-Inno Spindler

Und Action, bitte! Method Acting für Manager Vom Mitspieler zum Regisseur im Unternehmen

Gerd-Inno Spindler Kahl am Main, Deutschland

ISBN 978-3-658-30986-2 ISBN 978-3-658-30987-9  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-30987-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Stefanie Winter Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort

Als Führungskraft in einem Unternehmen stehen Sie jeden Tag auf der Bühne des Unternehmens. Bei jedem Gespräch, bei jedem Vortrag, bei jeder Präsentation und jeder Teamsitzung werden Sie beobachtet und hinterlassen einen Eindruck bei Ihren Teammitgliedern, Ihren Kollegen und Zuhörern. Aber ist das auch der Eindruck, den Sie hinterlassen wollen oder wirken Sie durch Ihr Auftreten ganz anders als Sie beabsichtigen? Ein Schauspieler, der vor Publikum in einem Theaterstück auf der Bühne steht, hat die Aufgabe Eindruck zu machen, und er hat für seine Wirkung auf andere eine spezielle Schauspielausbildung durchlaufen. Als Verantwortlicher ein Unternehmen zu leiten, ein Team zu führen oder ein Projekt umzusetzen hat viel gemeinsam mit der Arbeit eines Regisseurs, ein Theaterstück oder einen Film zu inszenieren und mit der Arbeit eines Schauspielers vor Publikum genau den Eindruck zu vermitteln, den der Regisseur beabsichtigt. Es ist verblüffend, welche Parallelen es zwischen diesen so unterschiedlichen Bereichen und Tätigkeiten gibt. Die Arbeit auf und hinter der Bühne lässt sich sehr gut mit der Arbeit als Führungskraft im Unternehmen vergleichen. Lee Strasberg1, einer der bekanntesten Regisseure und Schauspiellehrer, verlangt durch sein Method Acting2 eine extrem hohe Identifikation des Schauspielers/in

1Lee

Strasberg (1901–1982) US-Theaterregisseur und Schauspieler, Begründer des Method Acting. 2Method Acting: Begründer der Lehrmethode war Lee Strasberg, die er auf Konstantin Stanislawski zurückführte. Schauspieler sollen im Sinne des Method Acting nicht etwas nachahmen oder sich darstellen, sondern auf selbst geschaffene bzw. aus der Erinnerung hervorgeholte Stimuli reagieren. Emotionen aus der Erinnerung sollen vom Schauspieler auf der Bühne reproduzierbar gemacht werden. Erinnerungs-, Entspannungs- und V

VI

Vorwort

mit der Rolle, die er darstellen soll. Viele Basics aus der Schauspielausbildung sollten ebenso Basics einer Führungskraft sein. Aus diesem Grund habe ich das Method Acting für Manager erstellt. Ich habe beide Seiten kennengelernt. Als Geschäftsführer habe ich Unternehmen geführt und nach einer mehrjährigen Schauspielausbildung in Theaterstücken als Schauspieler mitgewirkt. Die geforderten Handlungsweisen, Reaktionen auf Situationen und das Vorgehen für eine erfolgreiche Umsetzung sind so ähnlich und vergleichbar, dass es mich gereizt hat, ein Managementbuch zu schreiben, in dem diese Parallelen aufgezeigt werden. Viele Themenbereiche können durch den Vergleich anschaulicher als bisher verdeutlicht werden. Oft erkennt man die Art und Weise bestimmter Aktionen, deren Notwendigkeit und deren Auswirkungen viel leichter, wenn eine Analogie in einen völlig anderen Bereich des Lebens hergestellt wird. Jeder, der schon einmal im Theater oder im Kino war, wird diese Parallelen erkennen und im Berufsalltag als Anstoß nutzen können. Wobei ich hoffe, dass es einen „Alltag“ bei Ihnen im Beruf nicht gibt. Der Vergleich mit der Theaterwelt macht es möglich, das eigene Auftreten und Verhalten zu reflektieren und aus einem anderen Blickwinkel zu beobachten. Er hilft dabei das Verhalten anderer einzuschätzen, zu verstehen und darauf zu reagieren. Es würde mich freuen, wenn mein Method Acting für Manager Sie dabei unterstützen kann und Sie einiges davon im Unternehmen nutzen können, um damit erfolgreicher zu werden. Kahl am Main Juli 2020

Gerd-Inno Spindler

Konzentrationsübungen sind zentrale Punkte des Method Acting. Der Schauspieler soll sich vier Fragen zu seiner Figur und der aktuellen Situation, in der sie sich befindet, stellen: 1. 2. 3. 4.

Wer ist die Figur? Wo ist die Figur? Was tut sie dort? Was ist vorher geschehen?

Danksagung

Die Planung, die Recherche, die Gespräche, die Abstimmung, das Ausarbeiten der Übungen, das Erstellen der Abbildungen3 und Fotos4, das Schreiben des Textes und auch die Korrekturen haben viel Zeit gekostet und doch viel Spaß gemacht. Vielen Dank an meine Frau, die die vielen Ideen und Analogien abends beim Essen und an den Wochenenden endlos anhören musste. Sie war die erste Lektorin und erste Kritikerin. Danke für die engagierte Unterstützung. Besonderen Dank an Torsten Stoll, der so viele Ideen und Input für dieses Buch gebracht hat. Dein großes Wissen, Dein unermüdliches Engagement bei den Übungen, Fotos und natürlich Deine Insider Kenntnisse um die Theaterwelt, waren ein wichtiger Baustein des Buches. Ohne Dich wären diese wunderbaren Fotos nicht entstanden. Wertvolle Tipps verdanke ich Susanne und Udo Heckelsberger. Man spürt Eure große Erfahrung aus der obersten Unternehmensebene. Besonderen Dank an Steffen Strauss von engelbert strauss für unser inspirierendes und spannendes Gespräch mit vielen Beispielen aus der Welt eines erfolgreichen Unternehmens. Herzlichen Dank auch an das Ensemble des Ludwigstheaters, mit dem ich die herrlichen Stücke spielen durfte, die im Buch immer wieder als Beispiel genutzt werden. Besonderen Dank an Bettina Kurland, mit der ich so oft auf der Bühne stehen und so viele Theaterstücke produzieren durfte. Vielen Dank an Maike

3Alle

Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt ©Gerd-Inno Spindler (außer Abb. 1.7, 1.8 Quelle engelbert strauss, Abb. 2.124 - 2.127 Quelle Torsten Stoll). 4Alle Fotos sind urheberrechtlich geschützt ©Gerd-Inno Spindler und Torsten Stoll (außer Abb. 1.6 Quelle engelbert strauss, Abb. 3.4 Quelle Susanne Heckelsberger). VII

VIII

Danksagung

Mai und nochmals an Torsten Stoll, die einige unserer Stücke inszeniert und das Bühnenbild entworfen haben. Mein Dank geht auch an die vielen Autoren, die ich zitiert habe und deren Lektüre mich immer wieder neu inspiriert hat. Auch meinen ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Kolleginnen und Kollegen, möchte ich danken für die erfolgreiche Zusammenarbeit. Es hat trotz der vielen Arbeit viel Spaß mit Euch und Walburga Himmel gemacht. Wir haben etwas hinterlassen. Vielen Dank an Stefanie Winter vom Springer Gabler Verlag, die sich für dieses Projekt eingesetzt hat und mir als Lektorin so viel Unterstützung gegeben hat. Vielen Dank an den Springer Gabler Verlag, der dieses Projekt umgesetzt hat. Dieses ist nun schon unser viertes gemeinsames Buch.

Inhaltsverzeichnis

1 Motivation oder Vor der Bühne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Warten ist keine Strategie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.2 Ohne Ziel kommt man nicht an. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.3 Zehn Bälle in der Luft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.4 Wer keine Fehler macht lernt nichts dazu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.5 Wer will das eigentlich lesen?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.6 Viele Grüße an die Zukunft, wir kommen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1.7 Streben Sie keine Solokarriere an . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1.8 Erzeugen Sie ein neues Bühnenbild. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2 Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.1 Einen Drehpunkt schaffen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.2 Die Körpersprache ist eine laute Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2.2.1 Die zwei Hälften unseres Körpers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2.2.2 Augen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2.2.3 Mund und Lippen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2.2.4 Kopf und Hals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2.2.5 Schultern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2.2.6 Brust und Atmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2.2.7 Arme und Hände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2.2.8 Sitzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2.2.9 Stehen und Gehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2.2.10 Begrüßung und Distanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2.2.11 Revier markieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2.2.12 Gesprächssituationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2.2.13 Der Vortrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 IX

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Inhaltsverzeichnis

2.3 Wie Du wieder auftrittst!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2.4 Wenn Du gehört werden willst, sprich auch so. . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3 Umsetzung oder Hinter der Bühne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 3.1 Wer nicht entspannt, ist verspannt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 3.2 Am Schreibtisch lernt man nichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3.3 Bleibe hungrig, bleibe neugierig, bleibe im Angriffsmodus. . . . . . . 183 3.4 Nicht gesund reden, sondern handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3.5 Ohne Team wird das nichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 3.6 Ein Team muss für den Chef brennen und er für sie. . . . . . . . . . . . . 203 3.7 Zuhören statt reden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 3.8 Der Dominoeffekt (Handeln hat Konsequenzen). . . . . . . . . . . . . . . . 209 3.9 Führen heißt leiten, nicht befehlen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

Über den Autor und den Art Director

Über den Autor

Quelle: HHManz

Gerd-Inno Spindler hat in Göttingen Betriebswirtschaftslehre studiert und begann seine Karriere bei Blaupunkt in Hildesheim. Danach war er in leitenden Vertriebs- und Marketingpositionen, u. a. für Black & Decker und Nintendo of Europe tätig. Er wechselte später zur VEBA Oel AG (ab 2002 BP Europa SE), wo er zunächst die Geschäftsführung der Caramba Chemie GmbH, anschließend der Aral Wärme Service GmbH und später der aws WärmeService GmbH übernahm. Heute arbeitet Gerd-Inno Spindler als Autor und Unternehmensberater. Er leitet Seminare und Workshops zum Thema „Querdenken“ und „Anders denken als bisher“ und ist gefragter Referent und Keynote Speaker auf Marketing- und Strategiekonferenzen. Als Dozent für Marketing und Betriebswirtschaftslehre lehrt er an den Hochschulen EC Europa Campus in Frankfurt, Mannheim, Karlsruhe und der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mosbach und Heilbronn. Er hat zusammen mit dem Regisseur Torsten Stoll ein innovatives Vortrags- und Seminarkonzept entwickelt, bei dem das Gehörte durch „Zwischenrufe“ und Live „EinSpielungen“ aktiv erlebt und

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Über den Autor und den Art Director

verdeutlicht wird. Sein Buch „Querdenken im Marketing – Wie Sie die Regeln im Markt zu Ihrem Vorteil verändern“ ist mittlerweile in der 2. Auflage im Springer Gabler Verlag erschienen und ein vielbeachtetes Fachbuch zu diesem Thema. „Basiswissen Marketing“ und „Basiswissen Allgemeine Betriebswirtschaftslehre“ sind ebenfalls in der 2. Auflage veröffentlicht und gehören an vielen Hochschulen zu den Standardwerken. Gerd-Inno Spindler hat an der Actor‘s Company in Aschaffenburg unter der Leitung von Torsten Stoll Schauspielunterricht genommen und wirkt seitdem in Theaterproduktionen als Schauspieler mit. Zusammen mit einer Kollegin ist er für die Produktion zahlreicher Theaterstücke verantwortlich. www.gerd-inno-spindler.de [email protected]

Über den Art Director Torsten Stoll  Als anerkannter Schauspieler, Regisseur, Theaterleiter und Sprecher war Torsten Stoll zwanzig Jahre lang Leiter der ordentlich anerkannten Ausbildungsstätte für Schauspiel in Aschaffenburg. Er hat an der staatlichen Schauspielschule Manfred Riedel in Stuttgart seine Ausbildung absolviert. Es folgten Weiterbildungen im „Method Acting“ und Mental-Training in Rom, sowie Training für Sprache, Stimme und Moderation bei Prof. Dr. Brukbauer und Hubertus Petroll (ZDF Mainz). Als Mentaltrainer, Personal Coach und Sprechtrainer berät er regional und überregional Schauspieler, Sänger, Vorstände, Rechtsanwälte, Gymnasiallehrer, Schriftsteller, Führungskräfte und Manager aus allen Bereichen der Wirtschaft.

Über den Autor und den Art Director

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Als zertifizierter Absolvent des Paul Ekman International Trainingsprogramms zum Umgang mit Glaubwürdigkeit und Täuschung, berät er Führungskräfte in kritischen Gesprächssituationen und schult sie in Wahrnehmung, Kommunikation und Körpersprache. Als Hochschuldozent am EC Europa Campus in Frankfurt unterrichtet er das Modul: Angewandte Medien, Fach: „Darstellerische Grundlagen und Moderation“. Als Trainer für Führungskräfte in deutschen Banken und Unternehmen moderiert er Workshops und ist im Bereich Teambuilding tätig. Für das Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Paritätischen Gesamtverband arbeitet er für die Stadt Erlensee als Projektleiter im Rahmen von „Kultur macht stark“ im Bereich Integration. Aus dieser Arbeit entstand, unter seiner Regie, der Spielfilm „Verkehrte Welt“, der 2019 im Kinopolis Hanau Premiere feierte. Torsten Stoll hält außerdem Seminare und Vorträge zum Thema Körpersprache, Stimme und Sprache. www.torsten-stoll.com

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1.1 Abb. 1.2 Abb. 1.3 Abb. 1.4 Abb. 1.5 Abb. 1.6 Abb. 1.7 Abb. 1.8 Abb. 2.1 Abb. 2.2 Abb. 2.3 Abb. 2.4 Abb. 2.5 Abb. 2.6 Abb. 2.7 Abb. 2.8 Abb. 2.9 Abb. 2.10 Abb. 2.11 Abb. 2.12 Abb. 2.13 Abb. 2.14 Abb. 2.15 Abb. 2.16

Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Bühnenbild Theaterstück „Ladykillers“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Bühnenbild Theaterstück „Lügen für Fortgeschrittene“. . . . . . 33 Bühnenbild Theaterstück „Tour De Farce“. . . . . . . . . . . . . . . . 34 Priming -Effekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Steffen Strauss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Werte engelbert strauss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Werte Details engelbert strauss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Starre Haltung von Kopf und Augen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Arme Verschränkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Wer lacht?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Die zwei Hälften unseres Körpers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Augen links: Nachdenken – Visuelles Bild erinnern (Rationale Seite betont). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Augen rechts: Nachdenken – Visuelles Bild konstruieren (Emotionale Seite betont). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Augenbrauen hochziehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Große Augen machen, Erstaunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Kleine Augen machen, Konzentration. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Schockstarre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Stierer Blick, fixieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Augen wandern weg, Langeweile. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Augen drehen sich zur Seite, etwas umschiffen. . . . . . . . . . . . 61 Kopf weg, kurzer Blick, Interesse vortäuschen. . . . . . . . . . . . . 61 Blick nach oben, Ungeduld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Blick nach unten, scheu. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

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Abb. 2.17 Abb. 2.18 Abb. 2.19 Abb. 2.20 Abb. 2.21 Abb. 2.22 Abb. 2.23 Abb. 2.24 Abb. 2.25 Abb. 2.26 Abb. 2.27 Abb. 2.28 Abb. 2.29 Abb. 2.30 Abb. 2.31 Abb. 2.32 Abb. 2.33 Abb. 2.34 Abb. 2.35 Abb. 2.36 Abb. 2.37 Abb. 2.38 Abb. 2.39 Abb. 2.40 Abb. 2.41 Abb. 2.42 Abb. 2.43 Abb. 2.44 Abb. 2.45 Abb. 2.46 Abb. 2.47 Abb. 2.48 Abb. 2.49 Abb. 2.50 Abb. 2.51 Abb. 2.52

Abbildungsverzeichnis

Blick ins Leere. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Augen verschließen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Hand vor die Augen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Kurzer Blick, abschätzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Kein Blick, ignorieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Lippen zusammenpressen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Über die Lippen lecken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Auf die Zunge beißen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Lippen wölben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Mundwinkel nach oben, lächeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Mundwinkel nach unten, etwas passt uns nicht. . . . . . . . . . . . . 69 Hängender Unterkiefer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Offener Mund, Erstaunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Offener Mund, Überforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Neutral abwägen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Kritisch abwägen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Falsches Lächeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Kopf runter, Schulter hoch, Schutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Kopf runter, Schulter hoch, leicht erschrocken. . . . . . . . . . . . . 74 Kopf erhoben, Kehle frei, Überlegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Kopf hoch, Kehle frei, Arroganz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Kopf hoch, hochnäsig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Kopf geneigt, Vertrauen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Kopf geneigt, abwägen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Kopf geneigt, kompromissbereit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Kopf nach vorne, neugierig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Kopf nach hinten, Distanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Mit Kopf Zurückweichen, aufgeben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Schulter hoch, erschrocken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Schulter hoch, Abwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Schulter zucken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Gebeugte Haltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Entspannte Haltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Unterspannung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Tiefes Luftholen, Aktion folgt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Luft holen (li.) – gleich wieder ausatmen und resignieren (re.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

Abbildungsverzeichnis

Abb. 2.53 Abb. 2.54 Abb. 2.55 Abb. 2.56 Abb. 2.57 Abb. 2.58 Abb. 2.59 Abb. 2.60 Abb. 2.61 Abb. 2.62 Abb. 2.63 Abb. 2.64 Abb. 2.65 Abb. 2.66 Abb. 2.67 Abb. 2.68 Abb. 2.69 Abb. 2.70 Abb. 2.71 Abb. 2.72 Abb. 2.73 Abb. 2.74 Abb. 2.75 Abb. 2.76 Abb. 2.77 Abb. 2.78 Abb. 2.79 Abb. 2.80 Abb. 2.81 Abb. 2.82 Abb. 2.83 Abb. 2.84 Abb. 2.85 Abb. 2.86 Abb. 2.87

XVII

Stolz geschwellte Brust (li.) – Prahlhans (re.). . . . . . . . . . . . . . 86 Faust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Hand vor dem Mund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Hände zum Schutz erhoben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Arme hinter Kopf und Ellenbogen zum Schutz nach außen. . . 90 Hände hinter dem Rücken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Etwas wegschieben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Etwas von sich weisen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Offene Hände (li.) – geschlossene Hände (re.). . . . . . . . . . . . . 94 Handrücken nach außen (li.) – gefaltete Hände (re.). . . . . . . . . 94 Beschwichtigen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Von oben auf die Schulter klopfen, Dominanz. . . . . . . . . . . . . 95 Seitlich an den Arm klopfen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Der Zeigefinger zeigt auf etwas. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Der Zeigefinger zeigt auf Person. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Der erhobene Zeigefinger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Der peitschende Zeigefinger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Der bohrende Zeigefinger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Der hämmernde Zeigefinger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Daumen nach oben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Grenze mit erhobenen Daumen anzeigen. . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Hand am Revers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Finger verschlossen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Sich loben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Daumen verkriecht sich in der Hand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Etwas umschließen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Während des Vortrags am Pointer festhalten. . . . . . . . . . . . . . . 104 An etwas festhalten, z. B. an der Stuhllehne. . . . . . . . . . . . . . . 105 Sitzfläche ausnutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Vorne auf der Stuhlkante sitzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Halb auf der Sitzfläche sitzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Territorium sichern (li.) – Verkehrt herum auf dem Stuhl sitzen (re.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Füße hinter Stuhlbein verkrallen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Aufgestellter Fuß (li.) – Uninteressiert (Mi.) – Offene Sitzhaltung (re.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Hingeflegelt und Kontrolle verloren (li.) – Beobachterrolle (re.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

XVIII

Abb. 2.88 Abb. 2.89 Abb. 2.90 Abb. 2.91 Abb. 2.92 Abb. 2.93 Abb. 2.94 Abb. 2.95 Abb. 2.96 Abb. 2.97 Abb. 2.98 Abb. 2.99 Abb. 2.100 Abb. 2.101 Abb. 2.102 Abb. 2.103 Abb. 2.104 Abb. 2.105 Abb. 2.106 Abb. 2.107 Abb. 2.108 Abb. 2.109 Abb. 2.110 Abb. 2.111 Abb. 2.112 Abb. 2.113 Abb. 2.114 Abb. 2.115

Abbildungsverzeichnis

Kurzes Anheben des Körpers und wieder zurück. . . . . . . . . . . 111 Opferrolle (li.) – Breitbeiniges Sitzen (Mi.) – Wegdrehen (re.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Aufrecht stehen (li.) – Breitbeinig stehen (Mi.) – Strammstehen (re.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Position der Füße wechseln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Gehen mit hängenden (li.) und schwingenden Armen (re.) . . . 115 Kopf beim Gehen nach hinten (li.) und vorne (Mi.) gedrückt – Blick beim Gehen nach unten (re.). . . . . . . . . . . . . 116 Kopf beim Gehen nach links (li.) und rechts (re.). . . . . . . . . . . 117 Oberkörper beim Gehen vorgeschoben (li.) – Oberkörper beim Gehen zurückgehalten (re.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Handflächen parallel zur Richtung (li.) – Verkrampfte Hände beim Gehen (re.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Handrücken beim Gehen nach vorne gerichtet. . . . . . . . . . . . . 119 Arme hängen lassen und Schultern eingezogen . . . . . . . . . . . . 120 Kleine (li.) und große Schritte (re.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Dynamischer Gang (li.) – Stolzieren (re.). . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Watschelgang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Richtung der Fußspitzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Hinterer Fuß stößt noch mal ab (li.) – Fuß setzt flach auf (re.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Sich größer (li.) und kleiner (re.) machen. . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Herzlich Willkommen ernst (li.) und nicht ernst gemeint (re.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Ineinander gelegte Hände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Fester Händeruck (o. li.) – Lascher Händedruck (o. re.) – Fischflosse (u. li.) – Ausgestreckter Arm (u. re.). . . . 127 Distanz zu gering (li.) – passend zum Scannen (Mi.) – zu groß (re.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Sitzhaltung bei Distanz im Raum: unsicher (o. li.) – ausgestoßen (o. re.) – stiller Beobachter (u.). . . . . . . . . . . . . . . 128 Revier markieren im Restaurant. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Revier markieren im Büro. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Streit um die Armlehne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Warten an der Bürotür. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Hereinschneien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Unterlagen auf Schreibtisch schmeißen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

Abbildungsverzeichnis

Abb. 2.116 Abb. 2.117 Abb. 2.118 Abb. 2.119 Abb. 2.120 Abb. 2.121 Abb. 2.122 Abb. 2.123 Abb. 2.124 Abb. 2.125 Abb. 2.126 Abb. 2.127 Abb. 3.1 Abb. 3.2 Abb. 3.3 Abb. 3.4 Abb. 3.5 Abb. 3.6 Abb. 3.7 Abb. 3.8 Abb. 3.9 Abb. 3.10

XIX

Den Besucher an der Tür abholen und hereinbitten . . . . . . . . . 133 Von oben (li.) – Von unten (re.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Direkt gegenübersitzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Einer lehnt sich vor und der andere zurück. . . . . . . . . . . . . . . . 135 Weiter vorlehnen, Hand zum Gesicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Weiteres Vorlehnen, der andere ist verschreckt. . . . . . . . . . . . . 137 Stellungswechsel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Halo-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Mikromimik Übersicht – Überraschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Angst Zorn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Ekel Verachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Traurigkeit Freude. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Totes Pferd reiten 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Totes Pferd reiten 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Totes Pferd reiten 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Abb. Susanne Heckelsberger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Experiment Gratis 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Experiment Gratis 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Experiment Gratis 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Leadership. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Monika näherte sich der Bank. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Experiment „Was kostet …?“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

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Motivation oder Vor der Bühne

Zusammenfassung

In diesem Kapitel geht es um die erfolgreiche Umsetzung von Projekten im Unternehmen, analog der Umsetzung von Theaterprojekten bis diese auf der Bühne aufgeführt werden. In beiden Bereichen ist ein zielorientiertes Verhalten aller Beteiligten und insbesondere der Führungskraft oder des Regisseurs notwendig. Worauf kommt es an, ein Projekt und ein Theaterstück erfolgreich werden zu lassen? Fehler sollten vermieden werden und doch sind sie nicht falsch, sondern notwendig und eine Chance zur Entwicklung. Ziele sind wichtig, aber wie viele Ziele kann man gleichzeitig vertragen? Wer nur meckert und andere kritisiert, braucht die Anderen offensichtlich nicht und strebt damit eine Solokarriere an. Im Unternehmen haben Solokünstler allerdings nichts zu suchen. Die Suche nach dem Schuldigen können wir uns sparen, denn der ist im Spiegel zu sehen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 G.-I. Spindler, Und Action, bitte! Method Acting für Manager, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30987-9_1

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1  Motivation oder Vor der Bühne

1.1 Warten ist keine Strategie 

„Der ideale Tag wird nie kommen. Der ideale Tag ist heute, wenn wir ihn dazu machen.“ (Horaz1).

Ein neues Theaterstück oder ein neuer Film werden bis ins Detail geplant. Alle Voraussetzungen werden geprüft und die entsprechenden Maßnahmen ergriffen. Ein Autor wird verpflichtet oder die Lizenz an einem Stück vom Verlag erworben, ein Regisseur/in wird gesucht, Schauspieler2 werden verpflichtet, ein Bühnenbild wird entworfen und dann geht es erst los. Inszenierung, Proben, Bühnenbau und immer wieder Proben. Proben einzelner Szenen nur mit den an der Szene beteiligten Rollen und Proben des gesamten Stücks mit dem kompletten Ensemble wechseln sich ab. Diese Proben werden in der Theaterwelt Durchlauf genannt. Das ganze Stück wird noch einmal durchlaufen. Der Premierentermin steht fest und alle Aktivitäten werden auf diesen einen Zeitpunkt ausgerichtet. Noch ist völlig unklar wie das Publikum reagieren wird, ob das Stück ankommt oder durchfällt. Und trotzdem laufen die Arbeiten auf Hochtouren. Denn ohne Premiere wird der Regisseur, werden die Schauspieler nie erfahren, was an der Inszenierung und an ihrem Spiel noch zu verbessern wäre, damit es zum großen Erfolg wird. Warten darauf, dass diese Erkenntnis von alleine ohne Publikum kommt, wird nicht funktionieren. Abwarten klappt nicht als Strategie. Das Stück muss auf die Bühne. Es muss vor Publikum und muss diesen Test, diese Premiere erleben, um aus der Reaktion des Publikums für die nächsten Aufführungen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Theaterfachleute sagen, ein Stück braucht ungefähr sieben Vorstellungen, bis es auf der Bühne so gespielt wird, wie es sein soll. Im Film ist dies durch die Möglichkeiten Szenen neu zu drehen und zu schneiden anders. Klappe die fünfte, das geht beim Film. Auf der Theaterbühne und im Unternehmen allerdings ist alles live. Während einer Vorstellung sind Fehler nicht mehr zu korrigieren, gesagt ist gesagt und gespielt ist gespielt. Ein „Verzeihen Sie liebes Publikum, in der eben gespielten Szene war ein Fehler. Wir spielen die Szene darum noch einmal für Sie“ ist undenkbar. Das könnte ein langer Abend

1Horaz

(Quintus Horatius Flaccus), Römischer Dichter, v. Chr. Gründen der besseren Lesbarkeit wird meist die männliche Form stellvertretend für alle Geschlechteridentitäten verwendet.

2Aus

1.1  Warten ist keine Strategie

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für alle werden. Ein Schauspieler plant jede seiner Reaktionen und Emotionen auf der Bühne. Nie – außer bei einer Improvisation – geht er auf die Bühne und wartet ab, was passieren könnte. Der Schauspieler darf nicht auf den Zufall der Eingebung warten (Stanislawski 1996). Auch Ihre Präsentation im Unternehmen oder auf einer Tagung ist live vor Publikum. Auch Ihr Teamgespräch, Ihre Projektvorstellung sind live und ohne doppelten Boden. Dabei können Sie weder schneiden noch wiederholen. Im Unternehmen werden neue Ideen oft aufgeschoben. Die angeführten Gründe sind vielfältig, aber reduzieren sich auf „Hört sich gut an, aber noch zu vage“, „zu ungenau“, „noch nicht sicher genug“ oder „wer weiß schon, was noch kommen wird“. Projekte, die großen Erfolg versprechen, werden noch nicht umgesetzt, um das letzte Quäntchen Unsicherheit auszuschließen. Es wird versucht, 120 %ige Sicherheit zu bekommen, bevor ein Projekt gestartet wird. Diese Strategie kostet Zeit und wahrscheinlich den entscheidenden Vorsprung vor dem Wettbewerb. Zudem wird es diese 120 %ige Sicherheit auch nicht mit dem nächsten Test und dem nächsten Meeting geben. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, auch schon bei einem 80 %ig fertigen Projekt mit der Umsetzung zu beginnen. Die restlichen 20 % bekommen wir direkt auf der Bühne des Marktes, in dem wir uns bewegen. Wir lernen während der Umsetzung die letzten Dinge und das alles live vom Kunden. Der entscheidende Vorteil liegt in der schnelleren Umsetzung. Ich glaube nicht, dass diese letzten 20 % in der Theorie zu erreichen sind. Genau wie im Theater muss ein Projekt auf die Bühne, um die letzten Feinheiten, die eventuell noch zu tun sind, zu erkennen. Das geht in beiden Fällen nur vor dem Publikum bzw. dem Konsumenten. Jack Welch3 hat das einmal so beschreiben (Slater 1999): 

„My biggest mistake by far was not moving faster“ (Jack Welch).

Viel zu leicht verpasst man Gelegenheiten, wenn man zaudert. Es gehört dazu, dass auch einmal etwas nicht gelingt, dies ist jedoch das deutlich kleinere Übel. Wenn alles geregelt ist, bleibt kein Raum für Schnelligkeit und Kreativität. Der Formel 1 Rennfahrer Mario Andretti4 hat gesagt:

3Jack

Welch, US-amerikanischer Manager, langjähriger CEO von General Electric, gest. 2020. 4Mario Andretti, US-amerikanischer Rennfahrer.

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1  Motivation oder Vor der Bühne

„If everything seems under control, you are just not going fast enough.“ (Mario Andretti).

Ein Unternehmen muss sich auf sich verändernde Gegebenheiten einstellen. Das können Gesetze, ein verändertes Kaufverhalten oder Wettbewerberaktivitäten sein. Viele Einflüsse von außen oder vom Markt werden die Zukunft ändern und damit die Notwendigkeit, sich als Unternehmen darauf einzustellen. Es gibt keine unsterblichen Geschäftsmodelle. Irgendwann wird jemand kommen und in das eigene Kerngeschäftsfeld eindringen und die Regeln in diesem Markt ändern (Spindler 2016). Denken Sie an Apple und den iPod, der den Sony Walkman verdrängte oder an den Wechsel von der analogen zur digitalen Fotografie, die völlig neue Player in den Markt brachte. Firmen, die Speicherkarten produzieren und verkaufen, ersetzen Firmen wie Agfa oder Kodak, die Hersteller analoger Filme. Aktuell erleben wir dies im Bereich der Elektromobilität. Anbieter, die bisher mit dem Automobilbau nichts zu tun hatten, beginnen Autos zu bauen und fordern die etablierten Hersteller der Branche heraus. Alle die im Markt in ihren Gedanken und Aktivitäten stehen bleiben, werden ganz schnell von Anderen überholt. Schauen Sie nicht in den Rückspiegel, schauen Sie nach vorne. Das Denken und Handeln der Führungskraft geht nach vorne. Die Vergangenheit zu analysieren, schafft keine Marktanteile. Carmine Gallo schildert in seinem Buch über Steve Jobs5, wie sich Microsoft durch Zaudern und interne Kämpfe selbst behinderte, ein Tablet Produkt auf den Markt zu bringen. Apple hat mit dem iPad dann gezeigt, welche Chance Microsoft vertan hat (Carmien Gallo 2011). Der Regisseur wird immer eine Inszenierung umsetzen, die sich von Inszenierungen anderer Regisseure des gleichen Stücks unterscheidet. Denn warum sollte das Publikum ins Theater gehen und für eine Vorstellung bezahlen, wenn sich die Inszenierung nicht von anderen unterscheidet. Wäre das nicht so, könnten Theaterstücke nur einmal aufgeführt werden. Selbst Klassiker wie Hamlet oder Faust hätten dann kein Publikum mehr. Die Zuschauer würden nicht immer wieder Geld für etwas ausgeben, was sie schon gesehen haben. Sie wollen etwas Neues sehen für ihr Geld. Eine Führungskraft sollte in der Lage sein, das eigene Geschäftsmodell infrage zu stellen, bevor es ein Wettbewerber tut. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Daimler-Benz AG Jürgen Schrempp hat in einem Interview zur Positionierung

5Steve

Jobs, Gründer von Apple.

1.1  Warten ist keine Strategie

5

von Daimler gesagt: „Wir wollen ein Unternehmen sein, das den Wandel selbst gestaltet und nicht auf die Entscheidungen anderer wartet.“. 

Wer nur auf die Zukunft wartet, bekommt vor lauter Abwarten nicht mehr mit, wenn sie da ist.

Die Zukunft wartet nicht, sie kommt einfach. Lassen Sie sich nicht von guten Zahlen blenden. Es ist keine Leistung in einem steigenden Markt die Umsätze zu steigern. Das kann jeder. Es ist ebenfalls kein Grund zum Jubeln, wenn die Konjunktur oder eine gesetzliche Regelung Ihrem Unternehmen besondere Aufträge ermöglicht. Das geht allen in Ihrer Branche so. Hinterfragen Sie auch Ihre positiven Ergebnisse kritisch. Vielleicht hätten sie noch viel besser sein können. 

Die Flut hebt alle Boote hoch, selbst die mit einem Leck.

Ein Theater kann es sich nicht leisten, ein fertiges Stück nicht auf die Bühne zu bringen, ein Unternehmen auch nicht. Mit 80 % ist ein Projekt im Unternehmen „bühnenreif“. Einfach anfangen, etwas machen anstatt ewig darüber zu diskutieren, ob nicht doch etwas schiefgehen könnte. Die bessere Strategie ist zu überlegen, was geschehen muss, damit das Projekt erfolgreich ist und nicht was alles passieren könnte, warum es nicht funktioniert. Tipp

Wenn Sie eine Idee für ein neues Projekt haben, setzen Sie sich mit Ihrem Team zusammen und stellen folgende Aufgabe (Spindler 2016): • Wir haben an einem Projekt gearbeitet und es zu 80 % fertig entwickelt • Wir haben das Projekt umgesetzt • Wir befinden uns am heutigen Tag in der Zukunft und zwar sechs Monate nach der Umsetzung des Projekts • Das Projekt ist gnadenlos gescheitert • Jedes Teammitglied schreibt nun aus seiner Sicht die Gründe des Scheiterns auf ◄ Diese Übung, die im Vorfeld Gründe für ein mögliches Scheitern sucht, hilft Zeit zu gewinnen und Fehler zu vermeiden. Lassen Sie sich von Ihren Teammitgliedern erzählen, was geschehen ist. Nutzen Sie die Fantasie und die Sachkenntnis des

6

1  Motivation oder Vor der Bühne

Teams. Jeder wird seine eigene Geschichte kreieren, die allen und vor allem dem Projekt nutzen wird. Jack Welch hat rückblickend auf die tiefgreifenden Veränderungen bei General Electric durch ihn gesagt: „Der Wandel erfolgte weitaus schneller als die Reaktion der Unternehmen.“ (Robert Slater 1999). Setzen sie die Segel und los geht‘s. Seien Sie kein Zauderer, sondern ein Macher. Genau wie der Regisseur im Theater oder beim Film. Warten ist passiv, etwas bewegen ist aktiv. Sich anstrengen und auch sich quälen gehören dazu, wenn man Erfolg haben will. Denn nur im Wörterbuch steht „Erfolg“ vor „Fleiß“.“ (Sanders 2017, Daniel Sanders6). Oder glauben Sie, dass Ihr Geschäft in fünf Jahren noch so zu machen ist wie heute? In 20 Jahren werden Sie viel enttäuschter über die Dinge sein, die Sie nicht umgesetzt haben, als über die Dinge, die sie vielleicht falsch gemacht haben. Packen Sie neue Dinge an, wenn es dem Unternehmen gut geht. Sind die Zeiten schlecht, werden Sie dafür keine Zeit haben, dann wird es hektisch und das Geld knapp. Aber selbst in solchen Zeiten sollten Sie nicht aufgeben, denn 

„Wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, sollte man den Kopf nicht hängen lassen.“ (Josef Ackermann7).

Tun Sie etwas, es wird schon das Richtige dabei sein. „Die Uhr geht für alle gleich, aber die Zeit läuft für jeden anders.“ (Ernst Reinhardt8).

1.2 Ohne Ziel kommt man nicht an Ein Schauspieler lernt schon ganz zu Beginn seiner Ausbildung, dass alle seine Aktionen auf der Bühne ein Ziel, einen erkennbaren Grund für die Aktion haben müssen. Nach Stella Adler9 soll die Idee im Vordergrund stehen. Man muss die eigene Handlung begreifen. Der Schauspieler kennt die Handlung des Stückes und der einzelnen Szenen. Er weiß „was“ er tut, er weiß „wo“ er es tut und er weiß „warum“ er es tut (Adler 2018). Von einer Führungskraft erwarten wir

6Daniel

Sanders, Deutscher Lexikograf und Sprachforscher. ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank. 8Ernst Reinhardt, Schweizer Verleger und Publizist. 9Stella Adler, US-amerikanische Bühnen- und Filmschauspielerin, Schauspiellehrerin, gest. 1992. 7Josef Ackermann,

1.2  Ohne Ziel kommt man nicht an

7

das selbstverständlich auch. Jede Aktion auf der Bühne – sei es ein Gang über die Bühne zu einem Fenster oder einem Schrank, sei es eine Bewegung hin zu einer Person, eine Handbewegung oder eine Veränderung der Mimik – muss eine erkennbare Motivation haben, die die Handlung auslöst. Der Zuschauer muss diese Motivation erkennen, ansonsten wirkt das Spiel des Schauspielers ziel- und zusammenhanglos und unmotiviert. Aber nicht nur für den Zuschauer ist diese Motivation wichtig, sondern auch für den Schauspieler selbst und für die anderen Akteure, mit denen der Schauspieler auf der Bühne steht. Denn sie wiederum müssen auf Aktionen des Schauspielers reagieren, natürlich ebenso erkennbar und begründet für den Zuschauer und für die anderen Schauspieler auf der Bühne. Ein unmotiviertes und planloses Agieren auf der Bühne zerstört das beste Bühnenstück. Das passiert genau dann, wenn die Aktion des Akteurs kein Ziel hat oder kein Ziel erkennen lässt. Dann kommt er nicht beim Publikum oder den anderen Charakteren auf der Bühne an. „Bühnenhandlung bedeutet nicht, dass auf der Bühne herumgelaufen, sich bewegt, gestikuliert wird …“ (Stanislawski 1996). Wichtig ist, was ausgesagt wird. Die innere Handlung bestimmt die äußere Handlung durch Beine, Arme und Kopf. Ihre innere Überzeugung äußert sich in Ihrer Handlung. Eine äußere Handlung ohne den inneren Anstoß verliert ihre Überzeugung und vor allem ihre Wirkung. Erschaffen Sie eine Welt. Erschaffen Sie etwas, was Ihr Team erleben kann. Erschaffen Sie ein Erlebnis für sie. Zeigen Sie was „in Ihnen“ steckt. Hier passt die Redewendung perfekt. Stellen Sie sich eine Szene vor, in der ein Schauspieler auf einen Wutausbruch der Schauspielkollegin reagieren muss. Wenn diese aber ihren Wutausbruch unmotiviert und mit leiser Stimme und ohne Regung spielt, wie soll der Schauspieler darauf angemessen reagieren? Woher soll er seine Motivation für eine Reaktion nehmen? Die Aktion bestimmt die Reaktion. Fällt die Aktion schwach oder nicht erkennbar aus, wird auch die Reaktion schwach oder nicht erkennbar sein. Das löst eine wahre Kettenreaktion an unmotivierten Handlungen aus. Wie der Schauspieler muss der Manager auf Reize reagieren, muss in der Lage sein, Empathie zu entwickeln. Empathie entsteht durch Respekt gegenüber dem Anderen. Respekt und Empathie sind erlernbar. Eine Situation oder eine Regung eines Mitspielers/in auf der Bühne zu erkennen, sie wahrzunehmen, gelingt nur mit offenen Augen und durch unsere anderen Sinnesorgane. Der Schauspieler muss mit allen seinen Sinnen bereit sein, in einem bestimmten Moment etwas wahrzunehmen. Er muss denken und spüren können. Dafür muss er sich auf diesen Moment konzentrieren, er muss in diesem Moment sein. Für Führungskräfte gilt das gerade in Gesprächssituationen analog. Die Fähigkeit eines Menschen Signale aus der Umwelt wahrzunehmen, wird

8

1  Motivation oder Vor der Bühne

als seine kognitive Fähigkeit bezeichnet. Die Kognition ist seine geistige Wahrnehmung (Schweizer ). Wir sehen, schmecken, riechen, hören oder spüren etwas. In der Hektik unseres Berufsalttages haben wir verlernt, uns auf den Moment zu konzentrieren. Wir verlernen bei uns zu sein. Wir sind gedanklich schon bei dem nächsten Schritt, der nächsten Aktivität. Wenn wir sitzen, denken wir ans Aufstehen, stehen wir auf, denken wir schon ans Gehen, usw. Sind wir in einem Meeting, denken wir schon an das nächste. Telefonieren wir, schreiben wir nebenbei eine E-Mail. Aber wenn wir sitzen, sollten wir sitzen, wenn wir aufstehen, sollten wir aufstehen und wenn wir gehen, sollten wir gehen. Oft lassen wir den Anderen nicht ausreden, weil uns schon der nächste Satz auf der Zunge liegt oder unsere Körpersprache verrät, dass wir uns eigentlich schon von ihm abgewendet haben. Damit gehen uns vielleicht wichtige Informationen, die uns der Andere geben wollte, verloren. Vor allem sollten wir in einem Meeting nur in diesem Meeting sein und bei einem Telefonat uns voll darauf konzentrieren. Ich empfinde es immer als unhöflich und respektlos, wenn ich mit jemanden telefoniere und höre wie mein Gesprächspartner nebenbei auf seiner Computertastatur etwas tippt (vgl. Abschn. 1.6). Eine Übung aus der Schauspielausbildung hilft dabei, sich selbst wieder in die Gegenwart zu holen. Übungen Sehen – Spüren – Hören (Quelle: Torsten Stoll)

Setzen Sie sich auf einen Stuhl und gehen in sich. Nehmen Sie sich 60  s Zeit und nennen Sie fünf Dinge, die Sie heute auf dem Weg von der Wohnung ins Büro • gesehen, • gespürt und • gehört haben. ◄ Sind wir im Moment können wir, wenn wir mit einer Person sprechen oder an ihr vorbeigehen, z. B. riechen, ob diese Person gerade eine Zigarette geraucht hat, ob sie Angst hat, ob sie Sport getrieben hat, wir riechen ein Parfüm oder ob die Kleidung gerade frisch aus der Wäsche gekommen ist. Schauspieler kennen die einzelnen Szenen und den Text eines Theaterstücks, sie wissen was als nächstes passiert. Man sagt sie unterliegen damit immer einer Grundbefangenheit. Obwohl sie wissen was passiert und wie es passiert, sollen

1.2  Ohne Ziel kommt man nicht an

9

ihre Aktionen und Reaktionen auf der Bühne aber echt und unmittelbar wirken. Der Zuschauer soll den Eindruck haben, dass die Schauspieler die Situation gerade das erste Mal erleben. Wie können Schauspieler diese große Herausforderung schaffen? Unsere Aktionen, unsere Handlungen und Reaktionen beruhen auf der einfachen Formel: u Wichtig Erkennen – Bewerten – Reagieren

Nur, wenn wir sehen, spüren und hören, sind wir in der Lage eine Situation zu erkennen. Nur, wenn wir etwas erkennen, können wir es bewerten und darauf reagieren. Dieser Vorgang findet in unserem Leben permanent statt. Um uns das im Schauspieltraining wieder bewusst zu machen haben wir folgende Übung gemacht: Übung für ERKENNEN – BEWERTEN – REAGIEREN (Quelle: Torsten Stoll)

Die Gruppe der Schauspielschüler stellt sich in einem Halbkreis auf. Der Trainer wirft einem aus der Gruppe einen Wasserball zu. Logisch, dass derjenige den Ball fängt. Eine Sache von Sekunden. Anhand dieses einfachen Beispiels wird der der Vorgang: Erkennen, Bewerten, Reagieren deutlich gemacht. 1. Erkennen: Über das Sehen erkennt der Schüler, dass der Ball auf ihn zufliegt. 2. Bewerten: In Bruchteilen von Sekunden findet eine Bewertung statt: „Der Ball fliegt auf mich zu, ich sollte ihn fangen“. 3. Reagieren: Der Körper kommt in Bewegung, die Arme heben sich und er fängt den Ball. Wir erkennen über die Augen – das Sehen. Wir erkennen über die Ohren – das Hören. Wir erkennen über die Nase – das Riechen. Wir erkennen über den Mund – das Schmecken. Diese Ballübung und ähnliche Trainings sensibilisieren für den Moment, für den einzelnen Vorgang. Unsere Grundbefangenheit wird reduziert, um auf der Bühne authentisch zu bleiben, ohne durch falsches Timing dem Zuschauer zu früh zu verraten, was als nächstes passiert. Die Schauspieler werden damit in

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1  Motivation oder Vor der Bühne

die Lage versetzt, das was auf der Bühne passiert, wirklich jedes Mal wieder zu erleben. ◄ Die Bewertung einer Situation kann nur nach dem Erkennen erfolgen. Mit geschlossenen Augen hätten wir bei der Übung den Ball nicht gesehen und seine Flugbahn nicht bewerten können. Nach dem Erkennen erfolgt immer eine Bewertung. Nach der Bewertung einer Situation erfolgt immer eine Reaktion (vgl. auch Abschn. 1.8.). Das ist auf der Bühne so, das ist im Leben so und das ist natürlich auch im Geschäftsleben so. Wir erkennen über die Augen, die Ohren, die Nase und den Mund. Für den Schauspieler geht es darum eine Bewegung, ein Augenverdrehen, ein Licht, ein Geräusch oder einen Geruch zu registrieren. Im zweiten Schritt wird er das Wahrgenommene für sich bewerten, einen Gedanken dazu haben. Der Geruch im Zimmer hat sich verändert, er riecht etwas. Nun versucht er, diesen Geruch einzuordnen, zu bewerten. Droht von diesem Geruch eine Gefahr oder ist es ein angenehmer Geruch? Stammt der Geruch von einem leckeren Essen oder aber von einem brennenden Gegenstand im Zimmer? Im dritten Schritt wird er auf seine Bewertung hin reagieren. Bewertet er den Geruch als Gefahr, wird er vielleicht in Panik geraten und überstürzt das Zimmer verlassen. Bewertet er den Geruch als angenehm, ja verlockend, wird er sich auf die Mahlzeit freuen und beschwingt in die Küche gehen. 

Erkennen – Bewerten – Reagieren erfolgt immer in dieser Abfolge

Riechen wir im Badezimmer den Geruch von Sonnencreme, denken wir sofort an den letzten Urlaub und unsere Stimmung hellt sich auf. Spüren wir, dass unser Pullover kratzt oder das Hemd zu eng ist, ist uns das unangenehm und wir ziehen es wieder aus. Wir hören, wie unser Gesprächspartner klingt. Klingt er aggressiv oder nett, werden wir das entsprechend bewerten und uns darauf einstellen und reagieren. Wenn wir unseren Gesprächspartner nicht anschauen, können wir anhand seiner Mimik nicht bewerten, in welcher Verfassung er ist und nicht darauf reagieren. Eine Führungskraft im Unternehmen sollte Signale bei sich selbst und bei anderen erkennen, um sie bewerten zu können und dann darauf zu reagieren (vgl. dazu Abschn. 2.2). Trainieren Sie diese Fähigkeit indem Sie sich immer wieder Momente schaffen, in denen Sie sich dem Erkennen und Wahrnehmen widmen. Diese Fähigkeit hilft Ihnen in Gesprächen souverän und präsent zu sein.

1.2  Ohne Ziel kommt man nicht an

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Ein Regisseur würde einem Schauspieler nie die Anweisung „Gehen Sie zum Fenster“ geben. Er wird das Gehen immer spezifizieren, um ein Erkennen, Bewerten und Reagieren für ihn möglich zu machen. „Sie haben eine schlechte Nachricht erhalten. Gehen Sie bedrückt zum Fenster“, wäre eine Regieanweisung, die ein Schauspieler umsetzen kann. Auf der Bühne muss jede Handlung überzeugend und gerechtfertigt sein und die Möglichkeit bieten, einen oder mehrere Personen einzubeziehen. Die Rechtfertigung für eine Handlung liegt nicht in den Worten, sondern in der Art und Weise, wie diese Handlung erfolgt (Adler 2018). Im Unternehmen ist das nicht anders. Wenn die Führungskraft kein Ziel hat oder es für das Team nicht erkennbar ist, wie sollen sie ihm dann folgen? Dann agieren sie ziel- oder planlos. Artikulieren Sie Ihre Ziele klar und deutlich. Ihr gesamtes Handeln, Ihr Auftreten muss das Ziel erkennen lassen. Sie können nichts vermitteln, was Sie selbst nicht besitzen. Wie sollen Ziele realisiert werden, wenn sie nicht erkennbar sind? Aktivitäten im Unternehmen, die keinem Ziel folgen, sind sinnlos und Zeitverschwendung. 

Wenn Sie kein Ziel haben, wie wollen Sie es dann erreichen?

Sie werden Ihr Ziel nicht erreichen, wenn Sie keines haben oder das Ziel nicht kennen. Wenn Sie nicht wissen wohin Sie gehen wollen, können Sie auch gleich stehen bleiben. Das spart Energie und Kosten. Loszulaufen, ohne zu wissen in welche Richtung, hat keinen Sinn. Die Gefahr, die falsche Richtung zu nehmen ist viel zu groß. Nehmen Sie sich die Zeit, um Ihr Ziel kennenzulernen. Spezifizieren Sie Ihr Ziel. Oft sagen Unternehmensleiter in Interviews oder nennen als Ziel für alle im Unternehmen „Wir wollen den Marktanteil steigern“. Das ist kein Ziel mit dem man etwas anfangen kann. Viel zu ungenau und nur ein platter Spruch. „Wir wollen den Marktanteil um fünf Prozent steigern“ ist ein messbares und erkennbares Ziel, an dem sich alle orientieren können. Daraus lassen sich für alle Abteilungen konkrete Maßnahmen entwickeln. Der Schauspieler füllt die Bühne mit seiner Phantasie. Füttern Sie Ihr Projekt oder Ziel mit Ihrer Fantasie. Man muss erkennen, dass Sie etwas tun und vorhaben und nicht ziellos herumirren. Der Autor eines Stückes liefert den Handlungsrahmen, die Schauspieler erfüllen ihn mit Leben (Adler 2018[1]). Analog ist es im Unternehmen: Der Vorstand liefert die Strategie, die Richtung in die es gehen soll, das Management erfüllt den Strategieplan mit Maßnahmen. Ein Schauspieler hat es da etwas leichter, der Regisseur sagt ihm was zu tun ist. Im Unternehmen sind Sie dieser Regisseur. Stellen Sie sich ein Theaterstück vor, in dem die Schauspieler keine Regieanweisungen haben. Jeder wird so agieren, wie er es für richtig hält. Aber ein

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1  Motivation oder Vor der Bühne

zusammenhängendes, sinnvolles Stück mit einer Aussage wird nicht dabei herauskommen. Bei einer Improvisation ist das natürlich möglich. Aber ein Unternehmen wird nicht durch Improvisation geführt, auch wenn die manchmal nötig wird. Machen Sie es Ihrem Team leichter, indem Sie zeigen wohin die Reise geht. Dann können alle im Team diesem Weg folgen. Einige sind in der Lage etwas schneller zu gehen als andere. Einige im Team werden vorsichtiger gehen und dabei Dinge entdecken, die wichtig für die Zielerreichung sind. Und einige werden Abkürzungen finden, damit das Ziel schneller erreicht werden kann. Wenn aber jeder im Team in eine andere Richtung läuft, kommt das Team nie an. Sie sind der Regisseur, geben Sie die Richtung an. Das ist Ihre Rolle. Ihrer Aktion wird die Reaktion, die Aktion der Teammitglieder folgen. Geben Sie Ihrem Team die Möglichkeit ihr Ziel zu erkennen, es zu bewerten und darauf zu reagieren. Dafür müssen Sie aber das ganze „Stück“ kennen, nicht nur einen Teilaspekt und vor allem nicht nur Ihre Rolle. Ein Schauspieler, der nur seine Rolle in einem Stück kennt, nur seinen Text sprechen kann, der das ganze Stück nicht gelesen hat, wie soll er spielen? (Stanislawski 1996). Er kann nur abarbeiten. Er wird „haltlos“ agieren und wirken. Kein Vergnügen für das Publikum. Stellen Sie sich vor, Sie schneiden aus einem fröhlichen Urlaubsfoto, auf dem Ihre ganze Familie mit dem blauen Meer und der Sonne im Hintergrund abgebildet ist, eine Person heraus. Diesen Ausschnitt zeigen Sie einem Bekannten. Was wird er sehen? Wahrscheinlich nichts Besonderes, ein Foto einer Person. Aber die ganze Stimmung und der Ort des Vergnügens bleiben verborgen. Wird von dem neuen Porsche nur ein Bild eines Reifens gezeigt, wirkt das völlig emotionslos, ein Reifen eben. Aber weder bei dem Ausschnitt von dem Urlaubsfoto noch bei dem Bild des Reifens kommt Begeisterung auf. Begeisterung aber regt die Fantasie an. Das vollständige Urlaubsfoto wird einen in Urlaubsstimmung versetzen. Das Meer und die Luft sind zu spüren. Der Porsche wird in Gedanken über eine Landstraße brausen oder vor einem Eiscafé halten. Ohne zu wissen worum es geht, wird es nicht funktionieren, die richtige Stimmung und Motivation entstehen zu lassen. Ein Schauspieler, der auf der Bühne ein Abendessen in einem Restaurant darstellt, sieht den Kellner, den Tisch, das Besteck und das Essen, selbst wenn das alles nicht körperlich auf der Bühne ist. Er hat eine Vorstellung davon, wie der Restaurantaufenthalt ablaufen wird. Er wird die Zeit zwischen Hereinkommen und Gehen darstellen. Ein Manager sieht den Markt, die Kunden und den Wettbewerb. Auch er sollte nicht in ein Meeting nur rein- und rausgehen. Er sollte eine Vorstellung vom Ablauf des Meetings haben. Eine Vorstellung wie er sein Projekt mit Leben erfüllt und darstellt. Hat er keine Vorstellung wie das Meeting ablaufen soll, wird es unvorstellbar ablaufen.

1.3  Zehn Bälle in der Luft

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Jeder im Raum soll das sehen, was Sie sehen. Wenn jeder etwas anderes sieht, wie wollen Sie dann zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen? Man möchte gerne mehrere Ziele erreichen, vielleicht auch solche, die sich widersprechen. Z. B. ein ruhiges Leben führen und ein profitables Unternehmen aufbauen. Als Unternehmen die besten Techniker beschäftigen und die Personalkosten unter dem Branchenschnitt planen. Beide Ziele passen zumindest zeitgleich nicht zusammen. Es müssen dann Prioritäten unter den einzelnen Zielen gesetzt werden (vgl. Lasko 2000). Die gesteckten und veröffentlichten Ziele müssen allerdings realistisch sein. Sie sollten anspruchsvoll, aber erreichbar sein. Oft wird mit völlig überzogenen Zielen gearbeitet, von denen man vorher weiß, dass sie nicht erreicht werden können. Das torpediert die Motivation und den Sinn von Zielen. Es muss ebenfalls möglich sein, das Erreichen bzw. das Verfehlen von Zielen messbar und nachvollziehbar zu machen. Einen anderen Charakter haben Visionen im Unternehmen. Eine Vision sagt aus, was in den nächsten Jahren erreicht werden soll. Sie ist deutlich langfristiger angelegt als die Ziele, die sich aus einer Vision entwickeln bzw. ableiten (vgl. Gerd-Inno Spindler 2020). Lassen Sie in Ihrer Vision auch Träume zu, die Sie haben. Denn wie sollen sich Träume jemals erfüllen, wenn man keine hat. Zu viele Ziele können aber auch verwirren. Gibt der Regisseur zu viele Anweisungen, die sich auch noch widersprechen, dann droht Chaos auf der Bühne. Das Stück muss eine Linie haben und alle Schauspieler müssen dieser Linie folgen. Das Bühnenbild, die Kulisse muss genauso dieser Linie folgen und sie unterstützen. In ein Theaterstück, das um 1900 spielt gehören keine Smartphones oder Computer. Ein Manager in einem Unternehmen, das ausschließlich Elektroautos produziert und verkauft, sollte kein Auto mit einem Verbrennungsmotor fahren. Das Handeln sollte sich an den Zielen orientieren und diese Ziele auch verkörpern. Geben Sie allen im Team die Möglichkeit sie zu erkennen.

1.3 Zehn Bälle in der Luft Immer wieder taucht die Frage auf, an wie vielen Projekten gleichzeitig gearbeitet werden kann. Wichtig: Viele Projekte können ein und demselben Ziel dienen! Ist z. B. Kundenorientierung das Ziel eines Unternehmens, kann das Projekt „Vermeidung einer Anrufwarteschleife“ ein Bestandteil der Strategie sein, wie auch das Projekt für alle Beschäftigen „Helfen, nicht abwehren“, wenn sich ein Kunde beschwert. Aus meiner Erfahrung ist es sinnvoll, permanent mehrere Projekte gleichzeitig zu bearbeiten.

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1  Motivation oder Vor der Bühne

Es ist gut, immer mehrere Bälle in der Luft zu haben. Fällt einer der Bälle runter, bleiben immer noch genug Bälle in der Luft und damit im Spiel.



Es wird immer Projekte geben, die nicht umgesetzt werden können, weil sich Bedingungen geändert haben, der Markt sich bewegt hat oder sich Prioritäten im Unternehmen verschoben haben. Ist in diesem Fall nur ein Ball im Spiel, ist er abgestürzt und kein weiteres Projekt mehr auf der Agenda. Stillstand. Projekte oder auch Workshops zu verschiedenen Themen halten das Unternehmen auf Trab. Sie geben die Möglichkeit, Neues zu entdecken und dem alten Trott zu entfliehen. Die Mitarbeiter, die in einem Projekt oder in einem Workshop mitarbeiten, werden sich im Laufe der Arbeit entwickeln. Sie werden Neues hören und werden dadurch neue Ideen kreieren können. Die Teilnahme wird sie motivieren und ihnen wird Wertschätzung durch die Teilnahme entgegengebracht. Ihre Meinung wird gewünscht und gehört. Themen für solche Workshops gibt es im Unternehmen ohne Ende, es sei denn das Unternehmen möchte sich nicht entwickeln. Sie haben die Wahl zwischen aktuellen Themen oder Problemen, die zu lösen sind und Themen, die die Zukunft des Unternehmens betreffen. Produkte, Märkte, Kundensegmente, Vertriebskanäle, Partnerschaften etc., ein unendliches Feld.

Projekte oder Workshops:

• • • • • • • • • •

Beantworten Fragen Lösen Probleme Motivieren die Teammitglieder Erweitern und Verändern den Blickwinkel der Teilnehmer Nutzen internes Know-how Sind eine Ideen-Schmiede Sind eine Talent-Schmiede Entfliehen dem Alltagstrott Machen Spaß Fordern und fördern die Teilnehmer

Natürlich spielt auch die Mitarbeiterkapazität eine Rolle bei der Anzahl der zu bearbeitenden Projekte. Projekte müssen nicht immer mit vielen Personen bestückt sein, oft reichen zwei bis drei Personen für ein Projekt völlig aus. Es ist sinnvoller die Teams kleiner zu gestalten und dafür mehr Teams mit unterschiedlichen Projekten aufzustellen.

1.3  Zehn Bälle in der Luft

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Auch im Theater oder beim Film werden verschiedene Stücke parallel geprobt und einstudiert. Schauen Sie sich einmal den Spielplan des Deutschen Theaters in Berlin (2019), des Volkstheaters München (2019) oder des Thalia Theaters in Hamburg (2019) an. Viele der dort angekündigten Stücke wurden parallel geprobt und inszeniert. Ein Theater funktioniert nicht, wenn es nur häppchenweise nacheinander die Stücke entwickelt. Ein Ensemble muss „ausgelastet“ werden und für den Schauspieler ist völlig normal, mehrgleisig zu fahren. Es ist eine interessante Erfahrung an mehreren Stücken gleichzeitig zu arbeiten, dabei komplett unterschiedliche Rollen in verschiedenen Stücken einzustudieren, zu entwickeln und zu spielen. Für einen Schauspieler ist es wichtig, unterschiedliche Rollen zu spielen und nicht immer nur den gleichen oder einen ähnlichen Charakter. Ansonsten läuft er Gefahr auf einen Rollentypus festgelegt zu sein und keine Angebote mehr für andere Typen zu bekommen. Er würde sich in seinen Möglichkeiten erheblich einschränken. In dem Theaterstück „Tour de Farce“ von Kingsley Day und Philip LaZebnik habe ich mit einer Schauspielkollegin unter der Regie von Torsten Stoll10 ein Zehn-Personen-Stück gespielt. Jeder von uns hat fünf Personen mit völlig unterschiedlichen Charakteren gespielt. Eine wahnsinnig schnelle und lustige Komödie, die das Publikum begeistert hat. Einen Hotelpagen, einen Buchautor, einen US-Senator, einen schwedischen Kameramann und die Frau des USSenators zu spielen, war eine riesige Herausforderung. Zudem musste die Rolle, der Charakter, das Kostüm, die Sprache und das Auftreten hinter der Bühne, im sogenannten Off, blitzschnell gewechselt werden. Das bedeutete sich noch im Sprechen in der einen Rolle im Off schon auf eine andere Figur umzuziehen und die Bühne sofort wieder in der anderen Rolle zu betreten. Erschwerend kam hinzu, dass sich zwei von mir gespielte Personen unter einem Bett „trafen“ und sich unterhalten haben, verbunden mit einem Umzug auf eine andere Person. Einen solchen Text für fünf unterschiedliche Personen zu lernen und diese dann im richtigen Ablauf zu spielen, klappt nur, wenn man sich mit allen Rollen identifiziert und in sie hineinsteigt. Die Motivation jeder einzelnen Person habe ich mir zu eigen gemacht und sie „gelebt“. Nur dadurch war es auch möglich, falls notwendig, zu improvisieren. Ansonsten wäre ich hoffnungslos gescheitert. Mehrere Projekte im Unternehme zu bearbeiten, die alle dem gleichen Ziel dienen, hält ein Unternehmen und seine Mitarbeiter wach und flexibel. Jeder

10Torsten

Stoll, Deutscher Regisseur, Theaterleiter, Schauspieler und Personal Coach.

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1  Motivation oder Vor der Bühne

einzelne lernt damit unterschiedliche Blickwinkel und Ansichten kennen, die es erst möglich machen anders zu sein als die anderen Unternehmen in der gleichen Branche. Gerade die unterschiedlichen Blickwinkel, die man einnehmen kann, geben einem die Chance Dinge zu erkennen, die man vorher nicht gesehen hat. Andere Aspekte einer Sache zu entdecken unterscheidet einen von der Masse. Und Masse gibt es genug. Betrachtet man Dinge aus unterschiedlichen Blickwinkeln wird man anders agieren als bisher, man wird anders als die Anderen und anders als bisher sein (Spindler 2016). Tipp

Beantworten Sie die nachfolgenden Fragen: • Welche sind meine aktuellen Projekte? • Bis wann müssen sie abgeschlossen sein? • Welche Projekte greifen wir als nächstes auf? • An welchen Projekten würde ich gerne mitarbeiten? • In dieses Projekt würde ich meine ganze Kraft investieren … • Welches Projekt oder welchen Workshop wäre für unser Unternehmen revolutionär? • Welches Projekt oder welcher Workshop wäre für unsere Branche revolutionär? ◄

1.4 Wer keine Fehler macht lernt nichts dazu Mark Zuckerberg, der Gründer von Facebook hat zur Risikobereitschaft und Fehlerkultur von Unternehmen gesagt: 

„Das größte Risiko eines Unternehmens ist, keine einzugehen.“ (Mark Zuckerberg).

In vielen Unternehmen haftet Mitarbeitern, die einen Fehler gemacht haben, ein Makel an. Fehler macht man nicht und Fehler werden bestraft. Man fragt sich nur, wodurch ein Mitarbeiter dann etwas lernen soll? Fehler haben einen hohen Lerneffekt. Wer einen Fehler macht, wird ihn in der Regel nicht ein zweites Mal machen. Er wird sich daran erinnern und in einer vergleichbaren Situation besonders aufmerksam sein, um diesen Fehler nicht zu wiederholen. Er wird lernen und sich dadurch entwickeln. Leider ist diese „Fehlerkultur“ in Unternehmen nicht flächen-

1.4  Wer keine Fehler macht lernt nichts dazu

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deckend vorzufinden. Werden aber Fehler sanktioniert führt das unweigerlich dazu, dass sich die Mitarbeiter nicht mehr trauen, ein Risiko einzugehen. Sie werden Angst haben einen Fehler zu machen. Angst wird sie lähmen. Wo Angst herrscht kann es keine Kreativität geben. Sie werden lieber abwarten und die Entscheidung dem Vorgesetzten oder einem Kollegen überlassen. Sie werden keine Entscheidung treffen, also Stillstand bewahren. Vielleicht werden Fehler, die gemacht wurden, verschwiegen. Womit wichtige Zeit zur Korrektur verloren geht oder dies nicht mehr möglich ist. Ein Unternehmen mit dieser Kultur wird sich nicht weiterentwickeln können, weil es nicht lernt, weil kein Vertrauen vorhanden ist. Wenn keiner mehr bereit ist das Risiko eines möglichen Fehlers einzugehen, wird das Unternehmen stagnieren. Gerade, wenn sich ein Unternehmen in einen neuen Markt begeben will, den es bisher nicht bearbeitet hat, dort mit neuen Produkten auf neue Kunden stoßen wird, lassen sich Fehler nicht vermeiden. Können Sie sich vorstellen, dass Unternehmen wie Apple, Sony oder Amazon keine Fehler gemacht haben? Sie haben sich erst durch „Trial and Error“11 zu dem entwickelt, was sie heute sind. Die Historie ist voll davon. Manfred Maus,12, der Gründer und langjährige Chef der Baumarktkette OBI, wurde auf einer Strategietagung einmal gefragt, wie es OBI schafft fast immer die richtigen Entscheidungen zu treffen. Seine Antwort war sinngemäß „die falschen Entscheidungen davor“. Stella Adler (Adler 2018) vermittelt Ihren Schauspielschülern, dass sie kein Format gewinnen werden, wenn sie nicht zuvor scheitern. Wichtig ist aber, den Grund des Scheiterns zu erkennen und daraus zu lernen. Danach wird man ein Scheitern erkennen noch bevor man hineingerät. Nach Reinhard K. Sprenger13 sind Fehler reine Interpretation aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Fehler sind nach ihm meist Knotenpunkte hin zu einer neuen wichtigen Entwicklung. Als Beispiel zeigt er die von Edison entwickelte Glühbirne, von der die ersten 250 Birnen nicht funktionierten. 3M wollte einen Hochleistungskleber entwickeln und erfand dabei die Haftnotizen (Sprenger 1996). Sind nun die Haftnotizen ein Fehler? Eher nicht, sondern ein durch Fehler entstandenes revolutionäres Produkt. Die Nespresso Kapsel sollte ursprünglich für das B2B-Geschäft14 entwickelt werden und wurde im B2C-Bereich15 ein

11„Trial

and Error“: Versuch und Irrtum, Methode, um Problemlösungen zu finden. Maus, gründete 1970 die Baumarktkette OBI. 13Reinhard K. Sprenger, deutscher Autor von Manager- und Motivationsbüchern. 14B2B: Business to Business. 15B2C: Business to Consumer. 12Manfred

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1  Motivation oder Vor der Bühne

Riesenerfolg (Spindler 2016). Sprenger unterscheidet Fehler von absichtsvoll gemachten Fehlern, die bezeichnet er allerdings als Sabotage. 

„Erfolgreiche Produkte entstehen nicht über Nacht. Sie sind das Ergebnis vieler gescheiterter Versuche.“ (Matthias Schrader16 2019).

Auch die Wissenschaft kommt nicht durch die Wiederholung des immer Gleichen zu neuen Erkenntnissen, sondern durch Suchen neuer Lösungen, Probieren von Alternativen und Testen von Ideen oder Gedanken. Albert Einstein17 wird die folgende Aussage zugeschrieben: 

„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, immer das Gleiche zu tun und auf andere Ergebnisse zu hoffen.“ (Albert Einstein).

Wenn etwas bewegt werden soll, müssen Dinge anders gemacht werden als bisher. Werden Dinge geändert werden Fehler passieren, die den Fortschritt erst ermöglichen. Nur wenn man Fehler macht, weiß man wo sie stecken. Wie wird am Theater mit Fehlern umgegangen? Bevor ein Theaterstück vor Publikum Premiere hat, wird das Stück vom Regisseur mit dem Ensemble inszeniert. Und bevor das Ensemble endgültig steht, werden die Rollen besetzt. Wenn das Theater kein eigenes Ensemble hat, schreibt es die einzelnen Rollen aus, vergleichbar mit der Stellenanzeige eines Unternehmens. Meist geschieht dies online. Die Schauspieler schicken eine Bewerbung an das Theater und dann beginnt, wie bei jeder Bewerbung das Warten und Hoffen für die Bewerber. Das Theater oder eine Kommission des Theaters wählt aus dem Kreis der Bewerber geeignet erscheinende Kandidaten/innen aus und lädt diese zum Vorsprechen ins Theater ein. Vergleichbar mit Bewerbungsgesprächen oder einem Assessment Center. Die Schauspieler bereiten sich mit eingeübten Rollen auf das Vorsprechen vor, außerdem wird von Ihnen auch das spontane Interpretieren eines neuen Textes erwartet. Erfüllen Sie die Erwartungen oder übertreffen diese, werden sie für dieses eine Stück oder für das Ensemble engagiert. Danach erfolgt die sogenannte Leseprobe, bei der die Schauspieler den Text des Stückes zusammen mit den übrigen Mitwirkenden in dem Stück und dem Regisseur lesen. Jeder liest

16Matthias 17Albert

Schrader, deutscher Manager und Unternehmer. Einstein, deutscher Physiker, gest. 1955.

1.4  Wer keine Fehler macht lernt nichts dazu

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seine ihm vom Regisseur nach dem Vorsprechen zugedachte Rolle. Danach wird die Rollenverteilung endgültig vorgenommen. Dann beginnt die Arbeit am Stück. Diese ist von Regisseur zu Regisseur sehr unterschiedlich. Die meisten Regisseure lesen das komplette Stück vor der Inszenierung. Andere lassen sich, sollte das Stück nicht bekannt sein, vom Ensemble über das Stück informieren und holen sich ihre Inspiration für die Regiearbeit durch die Leseprobe. Jedes Mitglied des Ensembles beginnt mit einer Szene nach seinen Vorstellungen und der Regisseur greift dann ein oder lässt es laufen. Dadurch bekommt der Regisseur eine Idee von den einzelnen Figuren des Stücks und vertieft sie im Laufe der Proben immer weiter. Egal nach welcher Methode ein Regisseur vorgeht, ist die erste Probe in der Regel nicht identisch mit der Endfassung, die schließlich aufgeführt wird. Trifft ein Schauspieler mit seiner Darstellung einer Szene nicht genaue die Vorstellung des Regisseurs, wird unterbrochen, erklärt, manchmal vorgeführt und die Szene immer und immer wieder geprobt. Es gibt Fehler in der Interpretation einer Rolle, die der Regisseur so nicht gewollt hat. Einzelne bringen ihren Text durcheinander. Die Akteure spielen auf der Bühne ein virtuelles Fenster an unterschiedlichen Stellen an. Das Bühnenbild ist nicht stimmig, z. B. wenn der Zuschauer von seinem Platz in der ersten Reihe durch eine Tür hinter die Kulissen schauen kann. Einige Szenen sind falsch ausgeleuchtet. Sie sind zu dunkel, zu hell oder der Beleuchter folgt mit dem Scheinwerfer der Hauptfigur nicht über die Bühne, ist zu schnell oder zu langsam. Und selbst im Text des Stückes entdeckt man manchmal logische Fehler oder Unstimmigkeiten, die der Autor übersehen hat. Die Generalprobe eines Stücks ist die Nagelprobe. Alles wird genauso gemacht, wie es bei der Premiere und danach laufen soll. Die Darsteller spielen in ihren finalen Kostümen, sie spielen unter echter Motivation, das Bühnenbild ist komplett aufgebaut, die Technik wird wie bei der Premiere eingerichtet. Alles ist wie bei einer Vorstellung, nur eben ohne zahlendes Publikum. Um dennoch Reaktionen aus dem Zuschauerraum zu bekommen und eine Live-Atmosphäre zu erzeugen, werden zur Generalprobe oft Gäste eingeladen. Freunde der Ensemblemitglieder oder Schauspielkollegen. Unterbrochen wird bei einer Generalprobe nur selten, sie hat den Charakter einer wirklichen Vorstellung. 

Es ist wichtig, dass mögliche Fehler vor der Premiere gemacht und entdeckt werden, denn zu diesem Zeitpunkt können sie noch korrigiert und abgestellt werden.

Stellen Sie sich vor, alle diese möglichen Fehler werden nicht in den Proben, sondern erst bei einer Premiere vor Publikum gemacht oder sie werden erst dann

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1  Motivation oder Vor der Bühne

entdeckt. Das zahlende Publikum würde sich mit Recht beschweren oder sogar das Geld für die Eintrittskarten zurückfordern. Erstellen Sie eine Liste mit Antworten auf die folgenden Fragen:

• Welche größeren Fehler habe ich in meiner Karriere schon gemacht? • Was habe ich aus diesen Fehlern gelernt? • Ist aus diesen Fehlern etwas Neues entstanden bzw. haben sie etwas verändert? • Welche Fehler habe ich mehr als einmal gemacht? • Warum habe ich diese Fehler mehrmals gemacht? • Würde ich diese Fehler wieder machen? ◄

1.5 Wer will das eigentlich lesen? Das kennen wir alle: Im Unternehmen werden Analysen, Aufstellungen, Charts und Präsentationen produziert, als wäre das der eigentliche Geschäftszweck. Die meisten Charts schaffen es sogar in die Hitliste der monatlich produzierten Charts und diese Liste wächst Monat um Monat. Viele Manager lieben es, immer neue und aufwendigere Charts zu produzieren oder anfertigen zu lassen. Die monatlichen Meetings sind vollgestopft mit Unterlagen, so dass ein viel zu großer Zeitanteil nur für die Präsentation verloren geht. Die Zeit für die inhaltliche Diskussion und vor allem für den Beschluss von notwendigen Veränderungen kommt dabei deutlich zu kurz. 

Ein Meeting ohne die Worte „Kunde“ und „Zukunft“ kann nie zu einem Ergebnis kommen.

Die gesamten Unterlagen, tägliche, wöchentliche, monatliche, quartalsweise und alle Sonderauswertungen erstellen sich nicht von alleine. Mitarbeiter investieren einen erheblichen Zeit- und Kostenaufwand in die Produktion dieser Unterlagen. Ganze Abteilungen sind damit beschäftigt und werden zum Monatsende aufgrund der umfangreichen Anforderungen lahmgelegt. Dazu kommen noch ­ Beirats-, Aufsichtsrats-, Geschäftsführungs-, Vorstands-, Abteilungs-, Betriebsrats-, Marketing-, Vertriebs- und Strategiemeetings. Sie werden wahrscheinlich noch viele weitere kennen. Oft sind die Tagungsunterlagen so dick und umfangreich, dass sie vor einer Veranstaltung gar nicht gelesen werden können. Danach natürlich auch nicht, denn dann kommt ja schon das Protokoll. Wird das zumindest

1.5  Wer will das eigentlich lesen?

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am Abend der Tagung oder am nächsten Tag verteilt, besteht eventuell sogar die Möglichkeit, dass es gelesen wird und nicht sofort in der Ablage gesichert wird. Ein Phänomen, dass Unterlagen, wenn sie aktuell sind – gibt es die überhaupt? – nicht gelesen aber abgelegt werden. Nach dem Motto „Vielleicht will ich das Aktuelle von heute im nächsten Monat noch lesen“, was sicher nicht passieren wird, da die Ablage in den nächsten Tagen weiter anwachsen wird. Die Tageszeitung von gestern würden wir bestimmt nicht mehr lesen. Wir entwickeln uns zu Ablage-Messis. Das alles für Unterlagen, die alt und überholt sind. Das macht auch eine elektronische Ablage und das Scannen der Charts nicht besser. Als Führungskraft haben wir auch die Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern, sie nicht mit überflüssigen Unterlagen, auch wenn sie noch so schön sind und dazu noch von uns selbst entworfen, „zuzumüllen“. Ein Mitarbeiter von Ihnen wird immer versuchen, die regelmäßigen Unterlagen durchzuarbeiten, verliert damit aber u. U. viel Zeit für die wesentlich wichtigeren Themen im Unternehmen. Die Frage ist „Wer soll das alles lesen?“. Und selbst, wenn es gelesen wird, was dann? Wird nachgefasst oder entwickeln sich daraus Veränderungen? Stellen Sie einmal zusammen, welche regelmäßigen und unregelmäßigen Unterlagen in Ihrem Unternehmen oder Ihrer Abteilung erstellt werden. Sie werden erstaunt sein. Erstellen Sie eine Liste mit allen Analysen, Auswertungen und Präsentationen in Ihrem Unternehmen oder Ihrer Abteilung

Gliedern Sie sie nach täglich, wöchentlich, monatlich, etc. Danach markieren Sie alle Unterlagen in der Liste: a. bei denen regelmäßig eine Nachfrage Ihres Vorgesetzten kommt b. die Sie für Ihre Arbeit wirklich benötigen und streichen alle, die Sie regelmäßig durcharbeiten, aber eigentlich nicht benötigen. Wieviel Prozent der Unterlagen sind überflüssig? ◄ Mit der Entrümpelung der regelmäßig produzierten Unterlagen, gewinnen Sie und Ihr Team Zeit, sparen Energie und Kosten. Das alles mit Unterlagen, die sowieso nur den Blick in die Vergangenheit werfen, die schon vorbei ist und sich nicht mehr ändern lässt. Aber Vorne spielt die Musik. Dort können wir Dinge beeinflussen. Arbeiten Sie mit „Forward-Daten“. Daten, die nach vorne gerichtet sind, Trends, Entwicklungen, Neuerungen, Veränderung im Kauf- und ­Konsumverhalten

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1  Motivation oder Vor der Bühne

und nutzen diese für Ihre Strategie. Entwickeln Sie ein Frühwarnsystem für kritische Kennzahlen in einem „handel“-baren System. Legen Sie als Vorgesetzter fest, wie die Meetingstruktur im Unternehmen aussehen soll. Definieren Sie wie oft sich die Geschäftsführung, Vertrieb und Marketing, Führungskräfte aus dem Finanz-, Produktions-, Einkaufs- und Entwicklungsbereich und anderer Abteilungen austauschen sollen. Definieren Sie ein Grundgerüst an Marktdaten, Ergebnissen, Abweichungen und Forwarddaten, lassen Sie Raum für kreative Gedanken. Verheimlichen Sie keine Information, wenn umsetzbare Ideen gefragt sind. Information ist Motivation. Steuern Sie mit Zielen. Im Theater nennt man das zeitliche Zusammenraffen einer Handlung „forcieren“. Während einer Vorstellung fehlt die Zeit, bestimmte Handlungen komplett auszuführen. Darum wird die Handlung gekürzt oder verändert, so dass der Zuschauer immer noch versteht worum es geht, aber durch die Handlung nicht gelangweilt wird (Adler 2018). Die Handlung wird auf das Wesentliche reduziert. In dem Theaterstück „Lügen für Fortgeschrittene“ von Cordula Polster hole ich mir in einer Szene ein Buch aus einem Regal, um es dann auf dem Sofa zu lesen. Das Buch steht schon griffbereit im Regal am vordersten Platz. Ein Griff und ich habe das richtige Buch in der Hand. Eine Taschenlampe oder ein Glas, das in einer Szene benötigt wird, muss nicht auf der Bühne bzw. im Zimmer gesucht werden, sondern wird beim Aufbau der Bühne schon so platziert, dass der Griff den Gegenstand zu nehmen schnell geht. Das Geschirr, um den Tisch für das Essen einzudecken, steht bereit, die Gläser werden schon vor der Vorstellung gefüllt. Die eigentliche Handlung wird dadurch forciert und dem Zuschauer gehen trotzdem keine Informationen verloren. Auch im Unternehmen lassen sich die auszudruckenden und zu lesenden Informationen forcieren. Ein Schauspieler arbeitet mit seinem Textbuch. Er notiert sich darin die notwendigen Regieanweisungen, Textstreichungen und Textergänzungen. In einigen Theatern und Produktionen übernimmt ein Regieassistent/in diese Aufgaben und überträgt alle Anweisungen des Regisseurs und die Textänderungen in den Originaltext. Die Bühnenbauer haben ihre eigene Unterlage, die Lichttechniker und Tontechniker auch. Sie alle greifen auf den Originaltext inkl. der Änderungen zu und erstellen daraus exakt die Unterlage, die sie für ihre Aufgabe benötigen. Damit haben alle ihr Handwerkszeug, um ihren Job zu machen. Ein und dieselbe Unterlage für alle Beteiligten ist undenkbar. Die Darsteller würde es irritieren, die kompletten Anweisungen für die Lichttechnik oder Tontechnik in ihren Unterlagen zu finden. Sie müssten permanent während der Inszenierung selektiv ihren Text bearbeiten und viele Anweisungen ausblenden oder überspringen, die sie

1.6  Viele Grüße an die Zukunft, wir kommen!

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nicht betreffen. Auch die Textunterlagen der anderen Ensemblemitglieder, mit den, die jeweilige Rolle betreffenden Anweisungen und Anmerkungen, schaut sich ein Schauspieler nicht an. Für ihn ist nur seine individuelle Unterlage wichtig. Nur mit ihr arbeitet er. Das Vergangene spielt im Theater keine Rolle. Die Regieanweisung, die sich geändert hat, ist passé. Kein Blick zurück. Nichts ist im Theater unbrauchbarer als die Unterlage von gestern. Eine abgespielte Szene ist vorbei und erledigt. Der Fokus geht nach vorne.

1.6 Viele Grüße an die Zukunft, wir kommen! Viele Führungskräfte verbringen zu viel Zeit damit Dinge, die in der Vergangenheit liegen zu analysieren: Die Zahlen des letzten Monats, die Quartalsanalyse oder das Protokoll der letzten Sitzung. Meist geht der Blick nach hinten. „Das machen wir schon immer so“, ein Satz, den wir immer wieder hören, ist für mich das deutlichste Zeichen, etwas für die Zukunft ändern zu müssen. Die Zukunft liegt vor uns. Nach hinten schauen und nach vorne gehen, endet oft im Stolpern. Die meisten glauben wirklich den richtigen Weg in die Zukunft zu finden, indem sie in das längst Vergangene schauen. Der nächste Schritt sollte nach vorne gehen und nicht nach hinten. Wir verbringen zu viel Zeit mit Dingen, die wir nicht mehr ändern können. Die Zukunft können wir gestalten und beeinflussen. Sicher ist es wichtig aus der Vergangenheit die richtigen Lehren zu ziehen, um Fehler nicht zu wiederholen. Auch ist es motivierend sich ab und zu, wenn das Team mal wieder im Tagesgeschäft „unterzugehen“ droht und die Projekte sich gegenseitig von der Prioritätenliste drängen, an das Erreichte zu erinnern. Gerade dann, wenn das Gefühl aufkommt, in den letzten Wochen nicht wirklich Gutes erreicht zu haben oder erfolgreich gearbeitet zu haben. Von unserer kostbaren Zeit sollten wir nicht mehr als zehn Prozent für die Analyse der Vergangenheit aufbringen. Denn auch die Gegenwart, in Form vom Tagesgeschäft, frisst an der zur Verfügung stehenden Zeit und kostet uns Energie und Kraft. Es ist bequem sich mit dem Gestern zu beschäftigen, da sind alle Informationen und Daten verfügbar und Unsicherheiten bestehen nicht. Von der Zukunft wissen wir wenig und sie ist etwas Unsicheres, also unbequemer. Die Zukunft ist keine Fortschreibung der Vergangenheit und sie wird anders sein als die Vergangenheit. Darauf sollte unser Fokus liegen. Es gehört Mut dazu so zu handeln und es ist anders als bisher. Die Mitarbeiter und die Kollegen werden das merken. Nur unter Termindruck zu arbeiten, ermöglicht keinen klaren Kopf, der für Entscheidungen gebraucht wird. Termindruck entsteht, wenn uns zu viele Dinge beschäftigen. Das kann man ändern.

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1  Motivation oder Vor der Bühne

Führungskräfte, die im Tagesgeschäft „untergehen“ haben keine Zeit, ihr Unternehmen fit für die Zukunft zu machen.

Neue Kunden, neue Produkte, neue Märkte, eine sich verändernde Konjunktur, neue Kundenwünsche, neue Wettbewerber, neue Gesetze, diese Themen lassen sich nicht mit einem knappen Zeitbudget behandeln. Sie verlangen die volle Konzentration und den Einsatz aller Mittel. Wer sich von der Vergangenheit oder der Gegenwart „auffressen“ lässt, wird seiner Aufgabe nicht gerecht. Die besteht darin, das Unternehmen zukunftssicher zu gestalten, wettbewerbsfähig im Markt aufzustellen und Arbeitsplätze zu sichern. Was gestern war zählt nicht mehr. Marktführer wird man nicht durchs Tagesgeschäft. Und nicht durch das, was früher einmal war. Wir dürfen uns nicht mit der Gegenwart begnügen. Wir sollten nie mit der Gegenwart zufrieden sein. Wir sollten nicht zulassen, dass die Gegenwart die Zukunft diktiert (Abb. 1.1). Wir haben die Wahl. Auch der Moment eines Erfolges ist zu genießen und nicht zu verdrängen. Ohne ihn geht es nicht weiter. Lassen Sie es nicht zu, dass Sie immer weiter und weiter gehetzt werden. Übernehmen Sie selbst die Verantwortung für Ihr Tempo und lassen es nicht zu, dass Momente einfach verfliegen. 

Lernen Sie den Moment zu lieben.

Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft Die Gegenwart gibt es nicht ohne die Vergangenheit

Vergangenheit

Gegenwart

Zukunft

Die Zukunft gibt es nicht ohne die Gegenwart Abb. 1.1   Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft

1.6  Viele Grüße an die Zukunft, wir kommen!

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Sie schaffen sich damit die oben beschriebenen Motivationsmomente, die Sie, wenn nötig aus Ihrer Erinnerung wieder hervorholen können. Ein Schauspieler nutzt diesen Umstand permanent auf der Bühne. Stanislawski fordert vom Schauspieler „Setzen Sie die Erinnerungen in Handlungen um.“ (Stanislawski 1996). Ein Schauspieler, der in einem voll besetzten Theater auf der Bühne steht, muss sich zwingend mit der aktuellen Szene und nicht mit der davor, die bereits gespielt ist, beschäftigen. Er würde völlig aus dem Konzept kommen und den Faden für die folgenden Handlungen verlieren. Im Hinterkopf muss er vielmehr schon die folgende Szene haben, ohne die aktuelle Szene zu vernachlässigen. Es ist eine Kunst, das bereits Gespielte auszublenden. In meinem ersten Stück habe ich das schnell lernen müssen. Ist man noch unerfahren, neigt man dazu einen Fehler oder Texthänger, der gerade passiert ist, zu analysieren. Manchmal weiß man gar nicht, ob es an einem selbst oder an einem Mitspieler/in gelegen hat, dass man leicht ins Schwimmen geraten ist. Nun aber – während die Handlung weiterläuft – herausfinden zu wollen wo der Fehler lag, wäre für den Schauspieler, die Mitspieler und das Stück eine Katastrophe. Er muss sich mit allen seinen Sinnen und Gedanken auf die aktuelle Handlung konzentrieren und seine Figur darstellen, die ja wiederum die Kollegen benötigen, um ihren Part richtig auszufüllen. Dabei parallel Fehler herausfinden zu wollen, bringt ihn aus der Rolle raus, er vergisst den nächsten Anschluss, das nächste Stichwort für eine andere Person und das Stück kommt so aus dem Tritt, dass es das Publikum mitbekommt. Ein absolutes „No-Go“. Nach der Vorstellung ist es wichtig die Fehlerquelle herauszubekommen, in Ruhe und gemeinsam mit dem Ensemble. Ein Schauspieler muss während einer Vorstellung auf der Bühne weiterspielen und den Fehler ignorieren, als wäre er nicht passiert. Sich auf der Bühne mit der Vergangenheit zu beschäftigen, gefährdet, wie im Unternehmen, den Fortlauf des kompletten Stücks. 

Ein Schauspieler schaut auf der Bühne nicht zurück Selbst bei einem Fehler spielt er weiter, ignoriert ihn und blendet ihn völlig aus, um die Zukunft der Vorstellung nicht zu gefährden. Bei weiterlaufender Handlung hat die Analyse eines Fehlers auf der Bühne nichts zu suchen.

Der Schauspieler Woody Allen18 hat einmal gesagt „Ich denke viel an die Zukunft, weil das der Ort ist, an dem ich den Rest meines Lebens verbringen

18Woody Allen,

US-amerikanischer Schauspieler, Regisseur, Autor und Musiker.

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1  Motivation oder Vor der Bühne

werde.“ Jeder Tag ist neu, man kann Tage nicht kopieren. Glücklicherweise, denn das wäre ein eher langweiliges Leben. Erleben und genießen kann man jeden Tag neu.

1.7 Streben Sie keine Solokarriere an Ein Regisseur im Theater oder beim Film ist der Herrscher über alles: Die Kulisse, das Bühnenbild, das Licht, die Inszenierung und die Schauspieler. Er sagt, was getan werden muss. Alle Aktionen, alle Wege und Handlungen der Schauspieler sollen genauso umgesetzt werden, wie er es sich vorstellt. Er hat ein Bild des Stücks oder des Films im Kopf. Dieses Bild zu erreichen ist sein Ziel. Es gibt Regisseure, die keinen Widerspruch dulden, die keine andere Meinung gelten lassen. Sie machen die Mitglieder des Ensembles bewusst klein, indem sie an allen Aktionen der Schauspieler herumkritisieren und oft auch persönlich in ihrer Kritik werden. Dieses Image wird gepflegt, es soll die eigene Rolle stärken und die meisten Schauspieler ertragen das. Sie haben Angst ihre Anstellung zu verlieren. Angst, dass der Regisseur in der Öffentlichkeit schlecht über ihre schauspielerischen Qualitäten redet, ihre Rolle umbesetzt oder sie bei einem neuen Stück nicht mehr berücksichtigt. Ein Schauspieler, der permanent kritisiert wird, nicht gelobt wird und sogar vor dem gesamten Ensemble immer wieder verbessert wird, kann niemals selbstbewusst auf der Bühne stehen und souverän seine Rolle interpretieren. Er wird immer wieder zu seinem Regisseur schauen, ob ihm alles recht ist oder er wieder etwas falsch gemacht hat. Wie soll ein Schauspieler in dieser Situation auf der Bühne einem Kollegen helfen, der einmal einen Texthänger hat. Er hat genug damit zu tun, sich selbst zu retten. Das Publikum wird das merken und den Schauspieler für schlecht halten. Das ist oft schwer zu ertragen und extrem anstrengend für das gesamte Ensemble. Eine angenehme Arbeitsatmosphäre entsteht so nicht. Ein gutes Stück kommt so nicht auf die Bühne. Der so agierende Regisseur wird es schwer haben, die besten Schauspieler für ein neues Projekt zu gewinnen. Allerdings dauert eine Inszenierung auch nur einige Wochen, oft auch weniger. Also ertragen die meisten Schauspieler diese Attitüden, zumal beim nächsten Stück schon wieder ein anderer Regisseur die Leitung übernehmen kann. Aber kitzelt der Regisseur auf diese Art das ganze Können aus dem Ensemble heraus? Ist das ein Ansporn für die Schauspieler, sich voll und ganz der Rolle hinzugeben? Eher nicht. Ein Regisseur, der die Schauspieler zu einer Topleistung „treiben“ will, wird anders mit seinem Ensemble arbeiten. Er wird auf die Fähigkeiten und Stärken der Einzelnen eingehen, er wird hilfreiche Anregungen

1.7  Streben Sie keine Solokarriere an

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geben und seine Inszenierung den bestmöglichen Leistungen seiner Darsteller anpassen. Er wird sich mit jedem Einzelnen beschäftigen, mit ihm arbeiten und Unterstützung bei Schwächen anbieten oder vermitteln. Er wird die Leistung kritisieren, aber nie die Person. Er wird ihnen „Spielraum“ lassen. 

Leistung kann man kritisieren, den Menschen nicht.

Eine Führungskraft, die ihr Team diktatorisch führt, wird kein kreatives Team haben. Wenn jeder Arbeitsschritt in einem Projekt bis aufs Kleinste vom Vorgesetzten vorgegeben wird, wird sich ein kreativer Mitarbeiter dort nicht wohl fühlen. Wenn der Vorgesetzte immer meckert, Teammitglieder permanent kritisiert und nie mit der erbrachten Leistung zufrieden ist, wird das Projekt nicht vorankommen. Keiner aus dem Team wird sich mehr vorwagen und Verbesserungsvorschläge unterbreiten oder sich mit großem Engagement in das Projekt stürzen. Mitarbeitern, die einen solchen Vorgesetzten haben, regieren wie die Schauspieler. Auch sie werden nicht mehr für das Projektziel kämpfen, sondern versuchen sich auf Dauer aus der „Schusslinie“ zu nehmen. Ein aktives Vorangehen und auch die Bereitschaft ein Risiko einzugehen, darf der Vorgesetzte von ihm nicht erwarten. Ziele sind nicht erreichbar, wenn Teammitglieder auf die Bremse treten und der eigene Schutz vor dem Vorgesetzten Vorrang vor den Zielen des Unternehmens hat. Ein Team wird einen Chef „Meckerkopf“ nicht unterstützen, sie werden sich nicht für ihn zerreißen. Er wird das in schwierigen Situationen im Projekt merken, er wird die Unterstützung durch sein Team verlieren. Allerdings ist verwunderlich, dass ein Vorgesetzter mit einem Mitarbeiter so unzufrieden ist, den er selbst eingestellt hat. Wo liegt da der Fehler? 

Kreativität wird sich unter Druck nicht entfalten, sie wird verborgen bleiben. Es folgt der Dienst nach Vorschrift.

Klare Ansagen und kritische Betrachtungen der Projektfortschritte müssen sein, berechtigte Kritik ist notwendig. Aber sie darf nie die Persönlichkeit des Mitarbeiters betreffen, sie darf nie persönlich sein. Alle Mitarbeiter werden Familie oder Freunde haben, die nach dem Beruf fragen. Kritik an der eigenen Person zu Hause erzählen zu müssen tut weh und man wird sich dafür schämen. Sich dann für den Chef einzusetzen, erscheint einem wenig attraktiv. Da kommen eher ganz andere Gefühle auf. Manche Vorgesetzte reagieren dem kritisierten Mitarbeiter gegenüber mit „Liebesentzug“. Den anderen zu ignorieren, ihm verachtend gegenüberzutreten oder ihn nicht respektvoll zu behandeln, sind schwache Reaktionen eines Vor-

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1  Motivation oder Vor der Bühne

gesetzten. Sarkasmus gegenüber anderen ist ein Zeichen von Schwäche, nicht von Stärke (Adler 2018). Stark und souverän ist, mit dem Kritisierten darüber zu reden und aktiv die eigenen Gefühle anzusprechen. Vielleicht gibt es bei der betreffenden Person einen Grund für ihr Verhalten, den man gemeinsam aus dem Weg räumen kann. Ein Vorgesetzter sollte merken, wenn er einen Mitarbeiter durch seine ewige Nörgelei in dessen Kreativität behindert. Ein verunsicherter Mitarbeiter wird sich in Besprechungen immer wieder mit einem Seitenblick beim Vorgesetzten vergewissern, ob er etwas Falsches gesagt hat. Das führt meist dazu, dass alle die Meinung des Vorgesetzten vertreten. Da spart man sich die spätere Kritik. Kreativität und das Vertreten einer eigenen Meinung gehen anders. Ein Meeting, in dem alle die Meinung des Vorgesetzten vertreten und keiner wagt, seine Meinung zu äußern ist verlorene Zeit. Auch in Trainings und Assessment Centern ist der Seitenblick weit verbreitet. Er erfolgt ganz automatisch, um sich zu vergewissern, dass die eigenen Worte auch die richtigen sind. Richtig im Sinne von „hoffentlich habe ich nicht etwas gesagt, was dem Chef nicht gefällt.“ Es ist schwer diesen Blick zu vermeiden. Souveräne und selbstbewusste Mitarbeiter benötigen ihn nicht.  Tipp  Alte Gewohnheiten Oft ist es nur eine Angewohnheit, wenn dieser Seitenblick erfolgt. Beobachten Sie sich und andere, wann und wie oft er erfolgt. Fragen Sie sich warum habe ich das gerade gemacht und warum ist das gerade jetzt passiert? Konzentrieren Sie sich zu einhundert Prozent auf Ihre Worte und tragen Sie diese selbstbewusst vor. Sie haben eine Meinung, vertreten Sie sie.

Anja Förster und Peter Kreuz beschreiben die Aufgabe eines Vorgesetzten treffend, wenn sie schreiben, „…, dass die Vorgesetzten alles dafür tun müssen, ihre Leute zu Stars zu machen“(Anja Förster u. Peter Kreuz 2007). Denken Sie an die genialen Fußballer Christiano Ronaldo19 oder Lionel Messi20. Beide können mit dem Ball alles machen, schießen unvergleichliche Tore und sind die absoluten

19Christiano 20Lionel

Ronaldo, Fußballnationalspieler Portugal. Messi, Fußballnationalspieler Argentinien.

1.7  Streben Sie keine Solokarriere an

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Superstars ihrer Mannschaften. Aber was wären sie ohne ihre Mannschaft? Immer noch geniale Fußballer, aber keiner würde es bemerken. Eine Meisterschaft oder einen Pokal gewinnt nicht ein einzelner Spieler, egal wie gut er ist. Der Vorgesetzte, der alleine im Vordergrund stehen will, sollte eine Solokarriere anstreben. 

Spielen Sie nicht für das Publikum, nicht um Komplimente zu erhalten, kein „Fishing for Compliments“.

Ein „schaut mich an“ darf nie im Vordergrund stehen. Nicht nur Vorgesetzte, auch Kollegen können einen auf die Palme bringen. Überall gibt es einen Kollegen der sich permanent in fremde Kompetenzbereiche einmischt. In Meetings sieht er die Ursache für eine negative Entwicklung immer in einem anderen Bereich, nur weit weg von seinem eigenen Verantwortungsbereich. Der Vertriebsverantwortliche, der die Gründe für eine schlechte Umsatzentwicklung in den schwachen Marketingmaßnahmen sieht. Der Marketingverantwortliche, der immer den Vertrieb als Schwachstelle sieht, denn die setzen seine Konzepte nicht richtig um. Wie in einem Theaterstück ist ein Unternehmen ein Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure, die alle ihr Bestes geben wollen und sollen. Neigt einer aus dem Team aber zu einer Solo-Karriere, braucht er die anderen Teammitglieder nur als Staffage, um selbst besser zur Geltung zu kommen. Den Teamgeist wird er damit zerstören, Teamwork wird so nicht entstehen können. Im Theater gibt es das leider auch. Den Schauspielkollegen, der auf der Bühne anderen den Gag wegnimmt, indem er einfach weiterredet, anstatt Raum für eine Reaktion des anderen zu lassen. Oder den Text so ändert, dass ein inszenierter Lacher nicht mehr wirkt. Im Theater gibt es vom Regisseur dafür klare Regieanweisungen, mit denen er eingreift. Im Berufsleben ist das schwieriger. Aber auch hier wird der starke Vorgesetzte eingreifen. Tut er das nicht, greifen Sie ein und positionieren sich. Eine Reaktion ist besser, als das Abwarten und sich immer wieder über den anderen zu ärgern. Das nagt am Selbstbewusstsein und verdirbt die eigene Stimmung und die eigene Leistung. Ihre Reaktion zeigt dem Anderen, dass Sie ihn und sein Verhalten wahrgenommen haben. Sagen Sie ihm deutlich, aber sachlich, was Sie bei seinem Verhalten empfinden. 

Den Sündenbock sieht man im Spiegel.

Wenn ein Theaterstück floppt und beim Publikum durchfällt versuchen alle Beteiligten die Gründe dafür zu finden. Davon kann es eine ganze Reihe

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1  Motivation oder Vor der Bühne

u­nterschiedlicher Art geben. Das Stück war nicht gut genug. Die Schauspieler haben ihre Rollen nicht verkörpern können. Das Publikum hat nicht verstanden, was die Inszenierung ausdrücken wollte. Das Bühnenbild war zu karg, die Beleuchtung oder der Ton hat nicht gestimmt. Die Kostüme haben nicht zur Rolle gepasst und vieles mehr. Gründe und Ursachen kann es viele geben. Verantwortung nur eine. Der Regisseur hat das Stück aus einer Vielzahl von möglichen Stücken ausgesucht. Er hat die Schauspieler nach einem Vorsprechen rekrutiert und sich für dieses Ensemble entschieden. Er hat das Stück inszeniert und die Bewegungen auf der Bühne vorgegeben. Er hat die Handlungsstränge vorgegeben, einige Stellen im Stück hervorgehoben, bestimmte Handlungen speziell in Szene gesetzt. Er hat sich für ein Bühnenbild entschieden, das seinen Visionen entsprochen hat. Er hat entschieden welches Licht auf der Bühne eingesetzt werden soll, welcher Scheinwerfer wann wem auf der Bühne folgen soll und er hat entschieden welche Musik oder tontechnische Einspielungen genutzt werden sollen. Der Regisseur hat diese Entscheidungen getroffen und ist damit verantwortlich für den Erfolg oder Misserfolg eines Stückes. Er hätte eingreifen und korrigieren können, sobald er merkt, dass etwas nicht passt. Im Unternehmen ist das nicht anders. Wenn eine Abteilung nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt, ein Projekt floppt oder ein Unternehmen nicht erfolgreich am Markt agiert, gibt es sicher viele Gründe. Jemanden der das Dilemma ausgelöst hat. Aber auch hier gibt es nur einen der die Verantwortung trägt. Das ist derjenige der das Team ausgewählt hat, der die Richtung und das Tempo vorgegeben hat. Er kann personelle Wechsel vornehmen, das Projekt beschleunigen oder Ruhephasen einlegen. Derjenige, der eingreift oder nicht eingreift, wenn es zu kritischen Situationen kommt. Derjenige, der das Team motiviert und anstachelt oder es demotiviert seine Arbeit machen lässt. Es ist der Vorgesetzte, der nicht erkennt, wann ein Point of No-Return verpasst wurde. Das ist sicherlich unangenehm für den Vorgesetzten, aber nicht zu diskutieren. Die Verantwortung, die eine Führungskraft zu tragen hat, wird in der Regel auch gut bezahlt. 

Wer das Geld nimmt, nimmt auch die möglichen Konsequenzen.

Jeder, der Verantwortung übernommen hat, sieht den Sündenbock, wenn er in den Spiegel schaut. Verantwortung heißt auch inhaltliche Korrekturen vorzunehmen, genau wie es der Regisseur auch tut. Die Suche nach „Schuldigen“ kostet Zeit und Energie, die besser eingesetzt wird, um notwendige Korrekturen einzuleiten. Es ist wichtiger, sobald es notwendig ist, Korrekturen vorzunehmen, als herauszufinden, wer die Schuld trägt. Jeder der eine verantwortliche Position übernehmen

1.8  Erzeugen Sie ein neues Bühnenbild

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möchte, muss sich darüber im Klaren sein. Nur die Vorteile, wie mehr Gehalt, ein größeres Auto, einen eigenen Assistenten/in, anzunehmen, sich feiern zu lassen, wenn es positiv läuft, aber sich der Verantwortung zu entziehen, wenn es schwierig wird, geht nicht. Rosinen picken nicht erlaubt.

1.8 Erzeugen Sie ein neues Bühnenbild Eine Theatervorstellung auf leerer Bühne ist unvorstellbar. Es muss auf der Bühne etwas passieren, sonst kommt kein Zuschauer. Wenn ein Theater ein neues Stück in den Veranstaltungskalender aufnehmen möchte, wird das passende Stück aus einem riesigen Katalog an Stücken ausgesucht und vom Theaterverlag, der die Rechte an dem betreffenden Stück besitzt, die Lizenz erworben. In der Regel berechnen sich die Lizenzgebühren nach einem Prozentsatz an den Zuschauereinnahmen pro Vorführung. Die Lizenz wird für eine Spielzeit, meist zwölf Monate, erworben. Ein Stück läuft gewöhnlich eine Spielzeit, dann folgt ein neues. Cats21 oder andere Stücke, die über viele Spielzeiten aufgeführt werden, sind eher die Ausnahme. Wird ein neues Stück inszeniert wird das Ensemble zusammengestellt, das Bühnenbild entworfen und die Ton- und Lichttechnik wird geplant. Das neue Bühnenbild wird sich vom vorherigen Stück komplett unterscheiden. Wo gestern noch eine Tür war, könnte nun ein Fenster oder eine Mauer sein. Wo ein Sofa stand, könnte eine Badewanne oder eine Treppe in einen anderen Raum stehen. Die Bühne ist in völlig andere Farben getaucht. Die Materialien der Kulissen variieren von Holz, Stoff, Metall bis Stein. Für den Zuschauer wird eine komplett andere Welt als im abgespielten Stück erzeugt. Er soll sich mit seinen Gedanken einzig auf das neue Stück fixieren und das alte Stück komplett aus dem Kopf verschwinden lassen. Er soll sich auf das Neue konzentrieren können. Oder können Sie sich vorstellen, dass z. B. „Der Gott des Gemetzels22“ und „Honig im Kopf23“ im gleichen Bühnenbild spielen?

21Cats,

Musical von 1981, dass immer noch aufgeführt wird. Gott des Gemetzels“, Theaterstück von Yasmina Reza, verfilmt von Roman Polánski. 23„Honig im Kopf“, Theaterstück von Florian Battermann nach dem Film von Til Schweiger 22„Der

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1  Motivation oder Vor der Bühne

Spielt an einem Theater ein festes Ensemble, werden die Darsteller zum Teil dieselben sein wie im letzten Stück, aber in ganz anderen Rollen. Wechseln die Schauspieler von einem zum nächsten Stück, müssen sie das bisherige, gerade abgespielte Stück vergessen und komplett ausblenden. Sie müssen sich die bisherige Rolle, die bisherigen Regieanweisungen regelrecht abtrainieren, um in die neue Rolle schlüpfen zu können. Sobald das Stück abgespielt ist, verbannen sie es aus ihren Gedanken. Sie beschäftigen sich mit anderen Themen, lesen ein Buch oder treiben Sport. Der Kopf ist frei für etwas Neues. Sie tauchen dann in ihre neue Rolle ein, lesen und lernen den Text. Ein neues Bühnenbild, die geänderte räumliche Aufteilung der Bühne, neue Farben, neue Gegenstände und Kulissen und natürlich neue Kostüme helfen dabei. Sie unterstützen die Darsteller beim Abtrainieren und helfen, die Konzentration auf das neue Stück zu fokussieren. Vielleicht hat der Schauspieler im letzten Stück einen alten, gebrechlichen Mann in einem Wohnheim gespielt und soll nun die Rolle eines sportlichen Mannes mittleren Alters in einem Fitnessstudio übernehmen. Die Kleidung, die Körpersprache und die Ausdrucksweise werden sich komplett unterscheiden. Alleine die Kleidungsstücke, die der Darstellende nun trägt, verändern sein Wesen, seinen Charakter auf der Bühne. Eine andere Hose, ein anderes Kleid oder eine Perücke fokussieren ihn permanent auf das neue Stück. Die Schauspielkollegen sind ebenfalls in andere Rollen auf der Bühne geschlüpft. Die „alte“ Welt vergessen und volle Konzentration auf das Neue. Es wird eine Atmosphäre für etwas Neues geschaffen. Wie sich die Bühne mit einem anderen Bühnenbild verändert zeigen die Bühnenbilder aus den Theaterstücken „Ladykillers (Abb. 1.2)“24, Lügen für Fortgeschrittene (Abb. 1.3)“ und „Tour de Farce (Abb. 1.4) – Ehe währt für immer“, die alle auf der Bühne des Ludwigstheaters in Aschaffenburg gespielt wurden. Ein Raum wirkt auf uns. Denken Sie an Ihren letzten Besuch im Einkaufszentrum, wie unterschiedlich dort die einzelnen Läden auf sie wirken. Die Modeboutique, Tchibo, das Cafe oder das Kaufhaus. Wie unterschiedlich wirken die Drogeriemärkte dm oder Rossmann auf uns, wie unterschiedlich Edeka, Rewe, Aldi oder Lidl.. Einzelne Geschäfte in der Umgebung strahlen eine kühle und aufgeräumte Atmosphäre aus, andere sind eher dunkel und muffig, wieder andere wirken etwas chaotisch oder gar unsauber. Jeder Eindruck beeinflusst uns. Wenn Sie das aufgeräumte Büro eines Kollegen betreten, werden Sie sich anders verhalten, als wenn Sie ein unaufgeräumtes Chaos betreten. Sie werden den

24Ladykillers:

Kriminalkomödie von Elke Körber und Maria Caleita nach William Rose.

1.8  Erzeugen Sie ein neues Bühnenbild

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Abb. 1.2   Bühnenbild Theaterstück „Ladykillers“

Abb. 1.3   Bühnenbild Theaterstück „Lügen für Fortgeschrittene“

Kollegen anders begrüßen, Ihre Tasche anders abstellen und die angebotene Tasse Kaffee anders anfassen. Jeder Raum löst bei uns eine Stimmung aus. Achten Sie einmal darauf. Wie sieht die Atmosphäre für etwas Neues in Unternehmen aus? Die meisten strategischen Entscheidungen werden in den gewohnten Besprechungsräumen der Unternehmen getroffen. Die sind praktisch eingerichtet. Flipchart, Beamer, Leinwand oder Smartscreen etc., alles vorhanden. Alles gleich. Ein Raum unterscheidet sich vom anderen meistens nur durch die Größe. Stühle, Tische, die Anordnung der Sitzplätze unterscheiden sich kaum. An den Wänden hängen

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1  Motivation oder Vor der Bühne

Abb. 1.4   Bühnenbild Theaterstück „Tour De Farce“

Bilder von Produkten des Unternehmens, der Produktionshalle oder des Firmengründers. Ein Foto des Raumes von vor zehn Jahren, würde sich bis auf die Technik wohl nicht von einem aktuellen Foto des Raumes unterscheiden. Es ist natürlich sehr bequem, immer den nächstgelegenen Meetingraum zu nutzen. Durch die kurzen internen Wege verliert man keine Zeit und alle kennen den Raum. Die Sitzordnung der Teilnehmer ist selbstverständlich auch immer die gleiche. Der Chef sitzt am Kopfende, daneben sein Assistent/in, dann Marketing, dann Vertrieb usw. Alles immer gleich. Die Kleidung nicht zu vergessen. Business natürlich. Wir sind ja im Unternehmen. Grauer Anzug oder Kostüm, weißes Hemd oder Bluse und schwarze Schuhe. Wer etwas wagt, trägt ein blaues Hemd oder eine blaue Bluse, hellblau natürlich. Krawattenzwang herrscht nicht, aber das haben nicht alle mitbekommen. Nur die Kreativen aus dem Marketing, aber die haben sowieso nie eine getragen. Bei denen gehört das ja zum Job. So oder ähnlich werden Sie das kennen. So richtig fängt das Meeting noch nicht an und schon wird einer der Teilnehmer durch einen wichtigen Anruf unterbrochen. Er oder sie muss mit einer kurzen entschuldigenden Handbewegung kurz raus. Nach 10 min kommt er/sie zurück, ist aber nicht mehr auf der gleichen Informationshöhe der anderen. Denn das Meeting ging natürlich weiter. Abhängig von der Stellung des Abwesenden im Unternehmen, wird nun erstmal das wiederholt, was in den letzten zehn Minuten besprochen wurde. Dann sind alle wieder auf gleicher Höhe. Bis der nächste Anruf folgt. Rechnen Sie einmal die Gehälter der Personen aus, die in einem solchen Meeting am Tisch sitzen. Wahrscheinlich geht es in dem Meeting auch noch um Kosteneinsparungen. Eine bietet sich sofort an: Solche Meetings kann man sich sparen.

1.8  Erzeugen Sie ein neues Bühnenbild

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In einer solchen Atmosphäre kann keine Kreativität aufkommen. Alles ist geregelt und viele sind nicht wirklich anwesend und doch wird hier über eine neue Strategie oder Millionen Euro gesprochen. Eigentlich weiß auch jeder Teilnehmer, was der andere sagen wird. Das Alphatier wird ein Statement abgeben, das aber ja schon jeder kennt, die „Ruhigen“ werden das durch Kopfnicken unterstützen, die „Mutigen“ werden verbal zustimmen und die „Überlegenen“ werden wie immer schweigen. Sie melden sich dann wie immer erst später. Man könnte das Protokoll des Meetings schon vor dem Beginn schreiben und verteilen. Viel Zeit und Geld gespart. Eine Atmosphäre für etwas Neues ist das mit Sicherheit nicht. Und doch soll hier die Strategie für die nächsten zehn Jahre erarbeitet werden, über komplett neue Märkte und Produkte entschieden werden. Es ist so leicht daran etwas zu ändern und eine andere, kreativere Atmosphäre zu schaffen und auch die Unbeteiligten endlich zu beteiligen. Das Theater zeigt uns wie es geht. Ein kreatives Meeting sollte nicht im eigenen Unternehmen stattfinden. Nicht in den allen bekannten und immer gleichen Meeting- oder Tagungsräumen. Nutzen Sie die Möglichkeiten in einem Hotel oder Tagungscenter. Ein fremder Raum, eine fremde Umgebung ändert nicht nur das bisher Gewohnte, sondern auch die Perspektive und konzentriert die Gedanken auf die eigentliche Zielsetzung. Die Kosten dafür sind zu vernachlässigen. Die Hemmschwelle für Störungen ist ungleich höher, als wenn man nur mal eben eine Treppe runter gehen muss, um einen Teilnehmer zu „stören“. Nutzen Sie die Atmosphäre anderer Räume, einer anderen Umgebung für Ihre Tagung. Sie und die Teilnehmer werden es spüren. Wechseln Sie die gewohnte Sitzordnung. Meist sitzen alle an ihrem angestammten Platz im Besprechungsraum und selbst in einer anderen Umgebung wird man versucht sein die alte, gewohnte Sitzordnung wieder zu finden. Dann ist schon bei der Sitzordnung alles wie immer. Das Denken wird dann auch gleichbleiben. Verändern Sie die Sitzordnung, nehmen auch Sie einen anderen Platz ein. Die Teilnehmer und sie selbst wechseln damit auch ihre Perspektive auf das Geschehen. 

Wer immer auf seinem alten Stuhl sitzen bleibt, bleibt auch auf seinen alten Ideen sitzen.

Oft wird wertvolle Zeit in einem Meeting vergeudet, weil nicht allen klar ist, welches Thema besprochen werden soll. Gehen Sie mit einer klaren Agenda und Fragestellung in eine Besprechung, wenn Sie einen bestimmten ­Themenblock

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1  Motivation oder Vor der Bühne

diskutieren und eine Entscheidung treffen wollen. Damit auch von allen ein Statement abgegeben wird und auch die eher Ruhigen in einem Meeting zu Wort kommen, fragen Sie vor dem Beginn des Meetings schriftlich die Meinung oder Vorschläge aller Teilnehmer ab. Keiner kann sich mehr verstecken und Sie bekommen von allen ihre persönlichen Ansätze. 

Wollen Sie andere Ergebnisse als bisher, verändern Sie die Gegebenheiten in einem Meeting, ändern Sie das Gewohnte. Brechen Sie es auf. Denn das Gewohnte bringt auch immer das gewohnte Ergebnis.

Machen Sie etwas Außergewöhnliches, wenn Sie außergewöhnliche Ergebnisse erzielen wollen. Ändern Sie ganz bewusst die Kleiderordnung für Ihre Besprechung. Keine Businesskleidung, sondern Sportkleidung oder Jeans und T-Shirt. Jeder Teilnehmer zieht seine Lieblingskleidung an, egal wie sie aussieht. Oder geben Sie ein Motto vor: Bergsteigen, Gartenarbeit oder Hausbau. Sie werden sehen, dass die Teilnehmer mit der Kleidung auch eine komplett andere Rolle als bisher einnehmen. Sie entkleiden sich von dem Gewohnten, dem Normalen. Sie werden andere Ideen und Gedanken entwickeln. Es funktioniert. Bitten Sie die Teilnehmer zum nächsten Meeting einen ganz speziellen Gegenstand mitzubringen und ihn vor sich auf den Tisch zu stellen. Ein Werkzeug, ein Küchengerät, ein Kleidungsstück, ein altes Spielzeug, die Lieblings-CD oder ein besonderes Buch. Sie schaffen damit eine neue Umgebung, eine neue andere Atmosphäre, in der man sich auch anders verhält und in der anders als bisher gedacht wird. Lassen Sie jeden Teilnehmer mit dem Stift des Sitznachbarn schreiben. Auch so werden Perspektiven und Rollen gewechselt. Das andere Meeting

a. Anderer Tagungsort und –raum b. Sitzordnung im Raum ändern c. Klare Agenda für ein Meeting d. Neue Kleiderordnung e. Lieblingsgegenstand mitnehmen ◄ Probieren Sie die Vorschläge und Sie werden erstaunt über den Ablauf und die Ergebnisse Ihres nächsten Meetings sein, wenn Sie das Bühnenbild für Ihre nächste Tagung geändert haben.

1.8  Erzeugen Sie ein neues Bühnenbild

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So wie die äußeren Einflüsse uns beeinflussen, schafft auch Musik eine Stimmung in uns und beeinflusst unser Tun. Versuchen Sie es selbst: Musiktest

Gehen Sie quer durch Ihr Wohnzimmer. Lassen Sie dabei Musik laufen: • • • • •

Zuerst ein klassisches Stück, dann ein melodisches Liebeslied, einen deutschen Schlager, etwas Rockiges, Ihr Lieblingslied.

Sie werden feststellen, dass Sie bei jeder Musik anders durch den Raum gehen werden. Einmal langsamer, dann beschwingter oder zielstrebiger. Sie werden jedes Mal andere Gedanken im Kopf haben, obwohl Sie doch jedes Mal nur einmal quer durch Ihr Wohnzimmer gehen. Sogar simple Tätigkeiten, wie z. B. das Aufräumen, werden durch äußere Einflüsse verändert. Legen Sie zu Hause mehrere Kissen und Decken auf Ihr Sofa. Dann lassen Sie wieder die unterschiedlichen Musikstücke laufen und räumen dabei das Sofa auf. Sie werden jedesmal ein anderes Ergebnis haben. Sogar Ihr Empfinden für Ordnung lässt sich beeinflussen. ◄ 

Eine andere Umgebung erzeugt andere Gedanken, andere Gedanken erzeugen andere Handlungen.

Daniel Kahneman25 beschreibt in seinem Buch (Kahneman 2011) eine Studie von John Bargh26 und dessen Team, die als „Florida-Effekt“ bekannt geworden ist. Dabei geht es um das „Priming“, die Beeinflussung der Verarbeitung von Reizen. John Bargh und seine Mitarbeiter baten Studenten in New York aus vorgegebenen Worten, z. B. „findet“, „er“, „es“, „gelb“ und „sofort“, kurze Sätze zu

25Daniel

Kahneman, israelisch-US-amerikanischer Psychologe, emeritierter Hochschullehrer, 2002 Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften. 26John Bargh, US-amerikanischer Psychologe.

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1  Motivation oder Vor der Bühne

Experiment: Priming-Effekt Gruppen von Studenten sollen aus fünf Wörtern Vier-Wort-Sätze bilden. A: „findet“, „er“, „es“, „gelb“, „sofort“ B: „Florida“, „vergesslich“, „glatzköpfig“, „grau“, „Falte“ Danach Gang zu einem anderen Experiment

Gruppe A

Gruppe B

Geht dort „normal“ hin

Geht erheblich langsamer Studie John Bargh, Universität New York

Abb. 1.5   Priming -Effekt

bilden. Eine Gruppe erhielt die Worte „Florida“, „vergesslich“, „glatzköpfig“, „grau“ und „Falte“. Alles Worte, die man in den USA mit älteren Menschen in Beziehung setzt. Nachdem die Studenten ihre Sätze gebildet hatten wurden sie gebeten, in einen anderen Raum zu gehen. Dies war das eigentliche Experiment. Die Studenten, denen Worte vorgegeben wurden, die man mit älteren Menschen assoziiert, gingen deutlich langsamer und behäbiger in den anderen Raum, als die zweite Gruppe. Die Worte und die Sätze, die die Studenten bilden sollten, haben ihr Verhalten „geprimt“ (geprägt) und zwar in Richtung älter, langsamer und beschwerlicher. Eben typisch für ältere Menschen. Die Studenten waren übrigens in beiden Gruppen 18 und 22 Jahre alt und beteuerten, dass die Art ihres Gehens nicht von den Wörtern beeinflusst worden sei. Die Vorstellung „älter“ war ihnen nicht bewusst und hat doch ihr Verhalten beeinflusst (Abb. 1.5). Dan Ariely27 beschreibt ein weiteres Experiment (Dan Ariely 2008) von John Bargh, bei dem die Wortgruppen aus „aggressiv“, „grob“, „unangenehm“ und

27Dan

Ariely, US-amerikanischer-israelischer Professor für Verhaltensökonomie am MIT (Massachusetts Institute of Technology).

1.8  Erzeugen Sie ein neues Bühnenbild

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„stören“, bei der Parallelgruppe aus „Ehre“, „taktvoll“, „höflich“ und „sensibel“ bestanden. Beide Gruppen wurden dann wieder gebeten ins Labor zu gehen, in dem eine weitere Aufgabe zu lösen wäre. Im Labor war gerade der Versuchsleiter damit beschäftigt, einem Studenten etwas zu erklären, der dies aber nur sehr schwer zu begreifen schien. Dieser Student war in Wirklichkeit ein Assistent des Versuchsleiters. Der Aufenthalt und das Verhalten der Gruppe im Labor waren das eigentliche Experiment. Es ging darum zu ermitteln, wie lange es dauert, bis die Studenten das Gespräch des Versuchsleiters mit seinem vermeintlichen Studenten unterbrechen würden. Die Gruppe mit den Worten für ein unhöfliches Verhalten wartete nur ungefähr halb so lange, wie die Gruppe mit den Worten für ein höfliches Verhalten. Ihr Verhalten wurde durch die Umgebung, in diesem Fall die Worte und die gebildeten Sätze, beeinflusst. Zeigen Sie Ihrem Team die Möglichkeiten ihrer Arbeit oder des Projektes. Machen Sie für sie bildlich verschiedene Türen auf und lassen Sie alle hereinschauen. Machen Sie hinter der Tür das Licht an, dann sieht man besser. Fragen Sie das Team, was es hinter der Tür sieht. Sie erhalten wahrscheinlich die nächsten Schritte im Projekt, die nächsten Chancen. Bestimmt wird Ihr Team Ihnen im Gegenzug neue Türen zeigen, die man öffnen und dann dahinter das Licht anmachen kann. Wie ein ganzes Unternehmen ein neues Bühnenbild für seine Mitarbeiter geschaffen hat, hat mir Steffen Strauss28 (Abb. 1.6), Geschäftsführer von engelbert strauss29, erzählt30. Steffen Strauss hat seinen beruflichen Werdegang bei einem führenden deutschen Versandhaus begonnen. Anschließend verbrachte er einige Zeit in den USA, wo er bei großen „Mailorder“-Retailern umfangreiche Erfahrungen sammelte. Von der dortigen Unternehmenskultur und der ausgeprägten Kundenorientierung begeistert, kam er um die Jahrtausendwende zurück nach Deutschland und brachte die Eindrücke aus Nordamerika in das Familienunternehmen ein. Heute kümmert sich Steffen Strauss insbesondere um das operative Geschäft und die Bereiche Personal und Vertrieb. In seinem täglichen Tun steht der Mensch im Mittelpunkt – egal ob Kunde, Mitarbeiter oder Geschäftspartner. So war er es auch, der den Startschuss für die WerteWerkstatt gegeben hat.

28Steffen

Strauss, Geschäftsführer engelbert strauss. strauss GmbH & Co. KG, Biebergemünd, deutsches Versand- und Einzelhandelsunternehmen für Berufsbekleidung, Arbeitsschuhe, Berufs- und Industriebedarf. 30Gespräch mit Steffen Strauss, 16. März 2020. 29engelbert

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1  Motivation oder Vor der Bühne

Abb. 1.6   Steffen Strauss. (Quelle: engelbert strauss)

Projekt „WerteWerkstatt“ bei engelbert strauss

engelbert strauss hat Workshops und Umfragen zu den Werten des Unternehmens durchgeführt, an denen sich alle Mitarbeiter aus allen Hierarchien einbringen konnten. Das Projekt stand unter den beiden Fragen: • Wie sind wir? • Was ist das Besondere an uns? Der Prozess dauerte circa ein Jahr und das Team hat die folgenden fünf kraftvollen Wertebegriffe ausgearbeitet, die den besonderen Strauss-Spirit greifbar machen (Abb. 1.7, 1.8): 1. Begeisterung 2. Wertschätzung 3. Einsatzfreude 4. Gemeinschaft 5. Pioniergeist Nachfolgend gab es für jeden einzelnen Begriff einen Wertemonat, in dem unterschiedliche Aktionen und Maßnahmen, wie z. B. Wertefrühstücke mit der Geschäftsleitung und den Führungskräften, stattfanden. ◄

1.8  Erzeugen Sie ein neues Bühnenbild

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Abb. 1.7   Werte engelbert strauss. (Quelle: engelbert strauss)

Wichtig war, Dinge zu entwickeln, die jeder in seinem Bereich umsetzen kann. In Gesprächen mit Mitarbeitern von engelbert strauss kann man die Begeisterung und Einsatzfreude förmlich spüren. Die Wertschätzung, Einsatzfreude und Gemeinschaft erkennt man, wenn man bei engelbert strauss anruft oder in einem der workwearstores®31 einkauft. Die neue CI-Factory, eine Fabrik für individuelle Berufsbekleidung, in der Nähe von Fulda demonstriert den Pioniergeist eindrucksvoll. Für Steffen Strauss ist eine offene Fehlerkultur (vgl. Abschn. 1.4) eng verbunden mit der Wertschätzung der Mitarbeiter und einer wertschätzenden Kommunikation untereinander. Keiner wird bei einem Fehler an den Pranger gestellt, sondern Fehler kommen offen auf den Tisch und werden gemeinsam gelöst. Motivation und ein positives Menschenbild machen das möglich32. Neue Auszubildende kommen schnell in Berührung mit dem neuen Bühnenbild, das bei engelbert strauss geschaffen wurde. Sie werden von Steffen Strauss persönlich begrüßt, wobei er die Grundphilosophie des Unternehmens vermittelt. Die Auszubildenden können sich für fünf Reisen nach Uganda bewerben.

31workwearstore®: Retailkonzept von engelbert strauss auf 3.000 qm mit über 40.000 Artikeln. 32Gespräch mit Steffen Strauss, 16. März 2020.

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1  Motivation oder Vor der Bühne

Abb. 1.8   Werte Details engelbert strauss. (Quelle: engelbert strauss)

Literatur

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In Uganda arbeiten die Auszubildenden eine Woche in sozialen Projekten mit, die engelbert strauss dort unterstützt. Das Projekt hilft, die Persönlichkeit und ein positives Menschenbild der Teilnehmer zu entwickeln und einen anderen Blickwinkel auf das zu bekommen, was wirklich wichtig ist.

Literatur Adler, Stella (2018), Die Schule der Schauspielkunst – The Art of Acting, Henschel Verlag, Leipzig Ariely, Dan (2008), Denken hilft zwar, nützt aber nichts, Droemer Verlag, München Ariely, Dan (2015), Wer denken will, muss fühlen, Droemer Verlag, München Deutsches Theater Berlin (2019) Spielplan, www.deutschestheater.de/programm/spielplan, Zugegriffen: 30.09.2019 Gallo, Carmine (2011), Was wir von Steve Jobs lernen können, Redline, München Kahneman, Daniel (2011) Schnelles Denken, langsames Denken, Siedler Verlag, München Lasko, Wolf W. 2000, Dream Team, Gabler Verlag Wiesbaden Sanders, Daniel (2017), https://sprache.hypotheses.org/478, Zugegriffen: 12.03.2020 Schrader, Matthias (2019), So schaffen Unternehmen die digitale Transformation, Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 31.12.2019 Schweizer, Elian, Kognitive Fähigkeiten des Menschen, https://www.medien.ifi.lmu.de/ lehre/ws0506/mmi1/kognitive-faehigkeiten.xhtml, Zugegriffen: 13.02.2020 Slater, Robert (1999), Wer führt, muss nicht managen. Die unschlagbaren Erfolgsstrategien von Jack Welch, Verlag Moderne Industrie, Landsberg Spindler, Gerd-Inno (2016) Querdenken im Marketing – Wie Sie die Regeln im Markt zu Ihrem Vorteil verändern, 2. Aufl. Springer Gabler, Wiesbaden Spindler, Gerd-Inno (2020) Basiswissen Marketing, Springer Gabler, Wiesbaden Sprenger, Reinhard K. (1996), Das Prinzip Selbstverantwortung, Campus Verlag, Frankfurt Stanislawski, Konstantin Sergejewitsch (1996), Die Arbeit des Schauspielers an der Rolle, Zweitausendeins, Frankfurt Thalia Theater Hamburg (2019) Kalendern, www.thalia-theater.de/programm/kalender, Zugegriffen: 30.09.2019 Volkstheater München (2019) Spielplan, www.muenchner-volkstheater.de/spielplan, Zugegriffen: 30.09.2019

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Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Zusammenfassung

Das Auftreten im Unternehmen gegenüber den Mitarbeitern und den Kollegen ist enorm wichtig und sagt viel, wenn nicht alles, über den Vorgesetzten aus. Seine Zielsetzung und seine Durchsetzungsfähigkeit werden durch sein Auftreten oft erst wahrgenommen, zumindest aber intensiv verstärkt. Im positiven und auch im negativen Sinne. Genauso ist es auf der Bühne. Dort wird das Auftreten, das Gehen und das Sprechen intensiv trainiert und gehört zur Ausbildung eines Schauspielers. Bei einem Kind ist die Körpersprache am natürlichsten und am ehrlichsten. Später fangen wir an uns zu verstellen und doch verrät unsere Haltung die wahren Motive unseres Handelns.

2.1 Einen Drehpunkt schaffen Zeigt unser Gesprächspartner eine starre Haltung von Kopf und Augen, signalisiert er, dass er nicht mehr mit sich reden lässt (Abb. 2.1). Er beharrt starr auf seiner Meinung. Er sucht eher die Konfrontation. Stehen wir einem Menschen mit dieser Körperhaltung gegenüber, ist es schwer mit ihm zu sprechen. Wir müssen ihn zu einer Haltungsänderung bewegen. Wir müssen ihn mit unseren Worten und unserer Haltung berühren. Wenn wir ihn aus seiner Haltung lösen, verändert er sich. Dann verändert er seinen Standpunkt. Im Theater spricht man von einem Drehpunkt. Ein Drehpunkt ist der Moment, in dem sich das Verhalten eines Menschen ändert, das was passiert wird unterbrochen. Schaffen wir das nicht, wird er seinen Standpunkt auch nicht verändern, er bleibt dabei. Er bleibt im Körper und in Gedanken unbeweglich. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 G.-I. Spindler, Und Action, bitte! Method Acting für Manager, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30987-9_2

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.1   Starre Haltung von Kopf und Augen

Nach einem Drehpunkt geht es nicht weiter wie bisher. Es wird etwas passieren, was vorher nicht passiert wäre. Einen Drehpunkt können wir aktiv und bewusst herbeiführen. Wir können den Gesprächsinhalt kurzfristig auf etwas positives wie den letzten Urlaub oder ein tolles Fußballspiel verlagern, um diese Haltungsänderung zu erreichen. Wenn wir den Gesprächspartner bitten uns eine Flasche Wasser zu geben, muss er sich bewegen und seinen körperlichen Standpunkt verlassen. Wir können ihn bitten, uns etwas am Flip-Chart zu erklären. Etwas was ihn zu einer Haltungsänderung zwingt. Sie brauchen in einer solchen Situation einen Rhythmuswechsel. Verändern Sie Ihr Sprechtempo. Dadurch verändert er auch seine Gedanken, seinen gedanklichen Standpunkt. Jede Bewegung schafft einen Perspektivwechsel und eröffnet einen neuen Blickwinkel. Darum ist es gut in solchen Patt-Situationen eine kleine Toilettenpause einzulegen und die Fenster zu öffnen. Damit bringen Sie Bewegung in die Diskussion. Die Teilnehmer müssen sich bewegen und ihren Standpunkt verlassen. Dazu müssen wir den Anderen verstehen und seine Körpersignale deuten können. Wenn beide Gesprächspartner eine starre Haltung einnehmen, z. B. die Arme verschränken, blockieren sie sich gegenseitig. Beide reden aneinander vorbei, die Haltung beider verstärkt sich (Molcho 1996)1. Wenn wir bei uns selbst merken, dass wir in eine starre und geschlossene Haltung gleiten, indem wir anfangen unsere

1Samy

Molcho, geb. in Israel, Pantomime, Regisseur, emeritierter Professor und Autor.

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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­ rgumente in einer Besprechung zu wiederholen, sollten wir physisch den StandA punkt ändern. Wir können uns selbst einen Drehpunkt schaffen. Ein paar Schritte durch den Raum gehen und wir spüren neue Gedanken durch den veränderten Standpunkt. Merke ich, dass ich bei einem Vortrag ins Stocken gerate, gehe ich ein paar Schritte im Raum herum. Zum Pult, zum Wasserglas oder zum Flipchart. Mir hilft es beim Nachdenken oder kreativen Arbeiten herumzugehen. Nicht hektisch oder zappelig, sondern nur ruhig in der Bewegung. Den Text für neue Theaterstücke lerne ich so am besten. Ich spreche den Text im Gehen oder auch beim Joggen im Wald gehe ich den Text gedanklich durch. Ein guter Nebeneffekt ist, dass dadurch der Text nicht nur in einer starren Position am Tisch funktioniert, sondern auch wenn sich auf der Bühne etwas Ungewöhnliches ereignen sollte. Das gleiche mache ich mit dem Inhalt eines Vortrages, den ich halten werde. Nutzen wir für unsere Planung nur Worte wie „morgen“, „müssen“, „muss ich schaffen“ oder „wichtig“, machen wir uns selbst Stress. Stress entsteht, wenn wir nicht entscheiden und sich so Entscheidungen aufstauen. Das setzt uns unter Druck. Es tut uns gut nach Alternativen für solche Worte zu suchen, die uns selbst keinen Druck machen. Lösen wir den Stau auf, indem wir Prioritäten setzen und danach handeln. Jede erfolgte Handlung oder Entscheidung löst den Stau auf. Manchmal muss man auch eine Umleitung nehmen und kleine Dinge direkt erledigen und sich so auch ein Erfolgserlebnis zu schaffen. Positive Gedanken machen, anstatt in den negativen unterzugehen. Auch so kann man sich selbst Drehpunkte schaffen.

2.2 Die Körpersprache ist eine laute Sprache In der Schauspielausbildung wird großen Wert auf die Körpersprache gelegt. Sie unterstützt die Handlung und macht für den Zuschauer auf den ersten Blick optisch deutlich, wie sich die Person auf der Bühne fühlt. Auch der Partner auf der Bühne erhält mit der Körpersprache einen Hinweis, wie sich der Schauspieler gerade fühlt. Darum ist es in der Ausbildung so wichtig, verschiedene Ausdrucksweisen unseres Körpers zu trainieren. Genauso werden das Lesen und Erkennen der Körpersprache eines Anderen trainiert. Die Übung „Erkennen – Bewerten – Reagieren“ haben wir uns schon angeschaut Abschn. 1.2. Sie sollen kein Experte in der Analyse der Mikroexpression oder Mikromimik werden, wie sie z. B. Dr. Paul Ekman2 lehrt. Aber meine Erfahrung aus der Schauspielausbildung

2Paul

Ekman, Dr. US-amerikanischer Psychologe und Spezialist für Facial Expression und Body Movements.

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

und meiner Managementtätigkeit, können im Berufsleben dabei unterstützen, jemanden besser einzuschätzen. Es geht in diesem Kapitel um Wahrnehmen, nicht um Urteilen. Gerade im Berufsleben ist gerade das Wahrnehmen von Veränderungen im aktuellen Verhalten eines Menschen, im Vergleich zu seinem Normalverhalten, wichtig (Navarro 2020). Monika Matschnig bezeichnet das Normalverhalten als Baseline eines Menschen, das wir kennen bzw. beobachtet haben müssen, um Veränderungen daran wahrzunehmen (Matschnig 2019). Werfen wir einen Blick darauf. In unserem Grundverhalten sind wir unbefangen. Ein Kind macht sich über seine Außenwirkung und Körperhaltung keine Gedanken. Es reagiert ganz natürlich und intuitiv. Wir erkennen bei einem Kind sofort die Stimmungslage. Bei Erwachsenen ist das anders. Sie versuchen oft Eindruck durch eine vorgetäuschte Körperhaltung zu machen. Aber es ist deutlich schwieriger seinen Körper zu verstellen, als seine Worte (Molcho 2013). Eindruck machen Sie durch Ausdruck. Ein Schauspieler lernt in seiner Ausbildung, seine Körpersprache gezielt einzusetzen. Er darf nicht absichtslos wirken, er muss auf der Bühne Gefühle und Emotionen dem Publikum glaubhaft vermitteln können. Führungskräfte in Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass ihre Körpersprache deutliche Signale an andere aussendet. Und sie sollten in der Lage sein, Körpersignale anderer aufzunehmen und sie zu deuten. Wir kommunizieren auf zwei Ebenen mit anderen Menschen. Einmal über das gesprochene Wort und zum anderen über unsere Körpersprache. Die Sprache und die Sprache des Körpers, also Mimik, Gestik, Körperhaltung und Körperbewegung, verstärken oder betonen das Gesprochene und schaffen damit eine Realität für die anderen (Molcho 1996). Durch unsere Körpersprache drücken wir Gefühle und unsere Einstellung zu etwas aus. Nehmen wir nur einmal unsere Hand. Sie kann so viele unterschiedliche Dinge und Wertungen ausdrücken. Wenn wir die Hand nach hinten „abwerfen“, wie es Franz Beckenbauer3 auf dem Fußballplatz so schön konnte, zeigen wir, dass wir frustriert oder enttäuscht von etwas sind. Wir werfen bildlich einen Gedanken einfach weg. Die erhobene Hand mit der geöffneten Innenfläche nach außen, signalisiert ein „Stop“. Ein Schutzmechanismus. Wir alle kennen den erhobenen Daumen, um etwas positiv zu bewerten oder den ausgestreckten Mittelfinger, der Verachtung ausdrückt. Wir bringen unsere Gefühle durch unseren Körper zum Ausdruck. Wenn wir

3Franz

Beckenbauer, deutscher Fußballweltmeister als Spieler und Trainer.

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.2   Arme Verschränkt

die Arme verschränken, drücken wir Unsicherheit oder Unentschlossenheit aus (Abb. 2.2). Viele Experten sehen allerdings die verschlossenen Arme einfach als bequeme und lässige Körperhaltung an. Die linke Hand liegt im Ellenbogen des rechten Arms und die rechte Hand im Ellenbogen des linken Arms. In dieser Haltung kann man lange bequem stehen oder sitzen. Es ist wichtig gerade bei dieser Körperhaltung auf weitere Signale zu achten, die eine Interpretation bestärken (Matschnig 2019). Es reicht nicht die Interpretation von Einzelsignalen auswendig zu lernen, um Körpersprache zu verstehen (Verra4 2015). Die offenen Arme, die man einer anderen Person gegenüber ausgestreckt, zeigen unsere Freude den anderen zu sehen. Wir wollen ihn umarmen. Wippen wir mit dem Fuß, bringen wir unsere Ungeduld zum Ausdruck. Ist jemand ungeduldig, sind lange Erklärungen sinnlos. Er wird sie nicht aufnehmen. Unsere Kopfbewegung kann bejahen und verneinen. Und manchmal können wir nur den Kopf

4Stefan Verra,

österreichischer Autor und Experte für Körpersprache.

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

über etwas schütteln. Jede Körperaktion bringt uns in einen Gemütszustand und bei unserem Gegenüber erzeugt sie eine Reaktion (Molcho 1996). Ein kurzes Nicken mit dem Kopf, kann den Gesprächspartner beruhigen und ihn ermuntern. Das positive Signal bedeutet für ihn Anerkennung und zeigt, dass ihm zugehört wird (Matschnig 2019). Gerade im Zusammenspiel von Gesten und Worten ist es wichtig, dass beide synchron erfolgen. Eine bejahende Antwort und ein verzögertes Kopfnicken sind nicht synchron und deuten auf eine Ungereimtheit hin (Navarro 2020). Lange Pausen zwischen den Worten, ein Versprecher oder ein ganz kurzer Gesichtsausdruck, eine micro facial expression, können verräterische Gesten sein (Ekman 2018). Aber erst im Zusammenspiel unserer Körperteile können wir die wahre Einstellung oder Stimmung eines Menschen erkennen. Schauen wir z. B. nur auf die Augen, erkennen wir zwischen zwei möglichen Gemütsverfassungen eines Menschen nur schwer einen Unterschied. Sehen Sie in der Abbildung Abb. 2.3 in den oberen Gesichtern eine Person die lächelt? Schauen wir auf die Augen und den Mund, sehen wir viel klarer. Sofort wird deutlich, ob die Person gut oder schlecht gelaunt ist. Das Zusammenspiel zwischen Augen und Mund lässt uns den richtigen Eindruck wahrnehmen. (Molcho 1996). Denken Sie an den

Abb. 2.3   Wer lacht?

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Vorspann der Krimireihe Tatort5, die sonntags in der ARD ausgestrahlt wird. Wir sehen ein Augenpaar erkennen aber nicht, ob der Mensch lächelt oder übel gelaunt ist. Die Musik dazu lässt uns zumindest vermuten, dass er erschreckt und auf der Hut ist. Stehen unsere Worte und unsere Körpersprache im Widerspruch, wirken wir nicht authentisch. Etwas passt dann für die anderen nicht. Wenn wir im Restaurant im militärischen Befehlston unser Essen bestellen, haben wir die falsche Kombination gewählt. Unser Gegenüber, in diesem Beispiel der Kellner, wird auf uns reagieren. Sein Körper reagiert auf unsere Worte, auf unsere Körperhaltung und die Umgebung. Er wird sich versteifen und seine Reaktionen werden knapper ausfallen. Gibt ein Offizier seinen Soldaten einen Befehl und spielt nervös mit seinen Fingern und dreht verlegen seinen Kopf zur Seite, wirkt das eher komisch. Der Befehl kommt mit Sicherheit nicht bei den Adressaten an.

 Hintergrund Wie unser Körper reagiert (vgl. u. a. Molcho 2013) Unser Nervensystem empfängt Meldungen oder Signale und gibt sie an unser Gehirn weiter. Meldungen empfangen wir durch unsere Sinnesorgane. Wir sehen, riechen oder fühlen etwas. Unser Gehirn gibt daraufhin entsprechende Meldungen an unseren Organismus weiter. Diese Meldungen können Bedürfnisse oder Handlungen, also Muskelbewegungen, sein. Empfinden wir Hunger, wollen wir etwas essen. Empfinden wir Angst, wollen wir uns schützen oder weglaufen. Wir sprechen in diesem Buch oft von Gefühlen und von Emotionen. Sowohl auf der Bühne, im privaten oder beruflichen Leben. Wissenschaftlich wird über den Unterschied zwischen Gefühlen und Emotionen diskutiert, ohne dass sich eine einheitliche Meinung dazu zeigt. Darum werden wir die Unterschiede an dieser Stelle nicht vertiefen. Ein Gefühl ist etwas das wir fühlen. Gefühle wie z. B. Frieren oder Schwitzen erfolgen quasi automatisch, ohne unser Zutun. Wir können sie nicht verhindern, aber wir können durch eine bewusste Handlung darauf reagieren. Es ist uns kalt oder warm. Wir fühlen Sympathie oder Antipathie. Wir fühlen uns wohl oder schlecht. Ist uns kalt ziehen wir einen Mantel an, ist uns jemand nicht sympathisch, meiden wir ihn. Bei einer Emotion spüren wir deutlich wahrnehmbar eine physische Veränderung bei uns. Unsere Muskulatur, unser Herzschlag und unsere Atmung reagieren. Bei einer Emotion reagiert unser Nervensystem sofort auf etwas, was 5Tatort;

Deutsche Kriminalfilmreihe im Fernsehprogramm der ARD.

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

wir empfinden. In dem Moment, in dem wir ein Ungleichgewicht empfinden, zeigen wir eine Emotion. Wir haben Angst, sind enttäuscht oder überglücklich. Etwas in uns löst diese Emotion aus und wir können in der Regel nichts dagegen tun. Wir entscheiden uns nicht bewusst dafür, es stößt uns zu (Ekman 2018). Verdrängen wir sie, kommen sie zeitversetzt umso stärker zurück. Unser ganzer Körper reagiert und verändert sich. Unterdrücken oder blockieren wir Emotionen macht uns das krank. Ein Magengeschwür oder permanente Kopfschmerzen können folgen. Oft ist es gut, diesen Emotionen einmal Luft zu machen und eine Blockade zu verhindern. Solange kein anderer beeinträchtigt wird, kann es helfen seine Emotion laut herauszuschreien oder sich durch körperliche Anstrengung abzureagieren. Einmal die Tür richtig zuzuschlagen und seine Emotionen raus zu lassen, hilft manchmal mehr als den Ärger runterzuschlucken. Dazu gehört auch, sich gegenüber anderen nicht zu verstellen und seine Meinung nicht zu unterdrücken. Wir lernen, wenn wir bestimmte Situationen mehrmals durchlaufen. Eine heiße Herdplatte fassen wir normalerweise nur einmal an, denn wir wissen es tut weh, wenn wir uns verbrennen. Wir können dieses Gefühl übertragen. Wenn wir ein Feuer sehen, werden wir ihm nicht zu nah kommen. Wir lernen worüber wir uns aufregen und wir in Atemnot geraten. Wir lernen wogegen wir allergisch sind und reagieren entsprechend. Wir haben auch gelernt, dass wenn wir verkrampfen, wir keine weiteren Informationen von außen aufnehmen können, denn wir sind dafür blockiert. Haben wir Angst, beruflichen oder privaten Druck, spannen sich unsere Muskeln an. Unser Gehirn und unser Körper benötigen die gesamte Kraft, um diesen Krampf zu lösen, da ist kein Platz für weiteres. Wir verschließen uns vor allem anderen. Löst sich die Muskelverspannung, werden wir wieder locker und sind bereit Informationen aufzunehmen. Die Verarbeitung von Emotionen übernimmt in unserem Gehirn das limbische System. Es ist das Zentrum unserer Emotionen und gibt Steuerungssignale an unsere Körperteile. Darum werden auch unsere Füße als die ehrlichsten Körperteile bezeichnet, da sie am weitesten vom Gehirn entfernt sind und wir somit am wenigsten Einfluss auf sie haben (Matschnig6 2019). Die Reaktionen des limbischen Systems sind nicht erlernt oder anerzogen worden (Navarro 2020). Wir werden das an späterer Stelle vertiefen. Die Umgebung, in der wir uns gerade befinden, beeinflusst unser Verhalten und unsere Körperhaltung. Unser Gehirn ist ständig aufnahmebereit und reagiert auf jede Veränderung um uns herum (Verra 2015). Achten Sie einmal darauf, wie Sie 6Monika

Matschnig, österreichische Psychologin und Expertin für Körpersprache, ehemalige Volleyballnationalspielerin.

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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sich zu Hause oder im Büro bewegen und verhalten. Spielen Sie vielleicht im Büro eine Rolle, wollen jemand anderes sein, als Sie sind? Im Restaurant verhalten Sie sich anders als in einer Imbissbude. Auf dem Sportplatz wieder anders als in einer Kirche. Finden wir jemanden sympathisch gehen wir anders auf ihn zu als auf jemanden, den wir nicht besonders mögen. Auf unseren Chef gehen wir anders zu als auf unsere Mitarbeiter. Haben wir Respekt vor einer Person, nähern wir uns ihr auf eine andere Art, als wenn wir ihn verachten würden. Können Sie sich noch an Ihr erstes Rendezvous erinnern? Sie haben sich sicher etwas verlegen über das Haar gestrichen und leicht in der Hüfte gewiegt. Sie wollten Eindruck machen und waren locker. Ein typisches Balzverhalten. Ihr Gegenüber hat dies bestimmt auch als solches aufgenommen und ebenso reagiert oder aber schnell das Gesprächsthema gewechselt (Molcho 1996). Wir verändern uns durch unsere Körperhaltung. Unsere Stimme und unsere Stimmung verändern sich. Bestimmte Körperhaltungen verändern unsere Mimik und umgekehrt. Probieren Sie es einfach aus: Wie fühlen Sie sich, wenn sie sich

• Über die Lippen lecken • Die Zunge zwischen Ihre Lippen haben • Mit den Füßen wippen • Mit übergeschlagenen Beinen sitzen • Gähnen • Lachen • Die Stirn runzeln • Große Augen machen ◄ Sie merken, dass sich sogar Ihre Gedanken ändern. Unsere Gedanken und unser Körper sind untrennbar miteinander verbunden. Permanent senden wir damit Signale aus, an uns und andere. Ein Schauspieler muss seine Rolle, die zu darzustellende Person verstehen, um dem Publikum durch seine Körpersprache zu verdeutlichen, was die Person gerade denkt und wie sie sich fühlt. Seien auch Sie sich Ihrer Körpersprache bewusst. Wirken Sie im Berufsleben nicht absichtslos. Verändern Sie Ihre Körperhaltung, wenn sich Ihre Einstellung ändern soll. Nehmen Sie die Körperhaltung ein, bei der Sie sich wohlfühlen. Die nächsten Kapitel sollen Ihnen dabei helfen, positive und negative Körpersignale zu erkennen.

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

2.2.1 Die zwei Hälften unseres Körpers Unser Körper hat zwei Hälften. Die linke Seite unseres Körpers, Beine, Füße, Arme und Hände empfangen ihre Signale von unserer rechten Gehirnhälfte. Die rechte Gehirnhälfte steht für Gefühl und Emotion. Die rechte Seite unseres Körpers wird von unserer linken Gehirnhälfte gesteuert. Die linke Gehirnhälfte steht für rationales Denken, Logik und Sprache (Abb. 2.4). Menschen, die primär auf dem linken Fuß stehen, handeln eher gefühlsbetont und intuitiv. Die, die eher auf dem rechten Fuß stehen und die rechte Körperhälfte betonen, handeln eher rational (Molcho 2013). Die Augen unseres Gesprächspartners verraten seine Motivation in vielen Situationen. In einem Gespräch oder einer Verhandlung ist es hilfreich zu beobachten, welche Seite unseres Gesprächspartners die aktive Körperseite ist. Ein Blick mit seinen Augen – von ihm aus gesehen – nach links zeigt uns, dass er überlegt, kalkuliert oder abwägt, die rationale Seite ist betont (Abb. 2.5). Der Blick nach rechts zeigt ihn eher im emotionalen Bereich, er konstruiert ein visuelles Bild (Abb. 2.6). Auch Blicke nach oben, unten oder waagerecht zu

Abb. 2.4   Die zwei Hälften unseres Körpers. (Quelle: Torsten Stoll)

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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einer Seite sind unterschiedlich zu deuten. Die dominierende Seite wird in einem Gespräch wechseln. Wir merken, wenn sich Menschen mit ihrer Entscheidung schwertun. Sie pendeln zwischen einer aktiven linken und rechten Körperhälfte. Sie bleiben nicht auf einem Bein stehen. Allerdings dürfen wir diese Signale nicht überbewerten, vielleicht möchte der andere einfach nur bequemer stehen und bewegt sich deswegen.

Abb. 2.5   Augen links: Nachdenken – Visuelles Bild erinnern (Rationale Seite betont)

Abb. 2.6   Augen rechts: Nachdenken – Visuelles Bild konstruieren (Emotionale Seite betont)

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Der Blick nach links oder rechts kann Ihnen auch zeigen, ob Ihr Gesprächspartner gerade die Wahrheit sagt oder Ihnen nicht ganz ehrlich antwortet. Testen Sie ihn mit einer Frage, bei der er keine Notwendigkeit sieht nicht die Wahrheit zu sagen, aber schon überlegen muss. „Sind Sie über die Autobahn hierhergefahren?“ Keine Frage bei der er lügen müsste. Gehen seine Augen dabei nach links ist das seine „Wahrheitsseite“. Bei den nächsten Fragen im Gespräch wird es dann besonders interessant, wenn die Augen nach rechts gehen. Dann ist Vorsicht mit der Antwort geboten. Aus diesem Grund tragen viele Pokerspieler während eines Spiels eine Sonnenbrille. Sie wissen ihre Augen könnten verraten, ob sie gerade bluffen oder nicht (Molcho 2013). Generell ziehen Lügner vor etwas zu verheimlichen, als etwas zu verfälschen. Verheimlichen ist leichter als Verfälschen (Ekman 2018). Die Bilder in den folgenden Kapiteln basieren auf den Dingen, die ein Schauspieler in seiner Ausbildung zur Körpersprache und zur Haltung lernt. Er lernt das, um dem Publikum seine Haltung zu verdeutlichen und eine beabsichtigte Wirkung zu erzielen. Wir haben diese Dinge auf unterschiedliche Situationen im Berufsleben adaptiert und z. T. auch übertrieben dargestellt, um die Wirkung von uns auf Andere und die Wirkung Anderer auf uns bildhaft zu machen. Die Signale der Körpersprache zu erkennen gibt uns zudem die Möglichkeit, gezielter auf Andere zu reagieren.

2.2.2 Augen Wir schauen unseren Gesprächspartnern meist automatisch zuerst in die Augen. Darum ist es für mich immer ein eigenartiges Gefühl mit jemandem zu sprechen, der eine Sonnenbrille trägt, so dass ich die Augen der Person nicht sehen kann. Es fühlt sich an, als wolle sie etwas vor mir verbergen. Sind die Augen zu sehen, können wir aus ihnen lesen. Darum ist es aber auch wichtig, dass Sie auf die Sichtbarkeit Ihrer Augen achten (Verra 2015). Sonst ist Ihr Gegenüber irritiert. Wenn Sie die Augenbrauen hochziehen, wollen Sie Informationen haben, Sie wollen etwas wissen. In diesem Moment wollen Sie keine Entscheidung treffen, sie werden es nicht einmal können (Abb. 2.7). Stellen Sie sich einmal den aggressivsten Bösewicht vor, den Sie aus dem Kino oder dem Fernsehen kennen. Etwa wie Klaus Kinski7 in einem Interview oder wie Joaquin Phoenix8 in dem

7Klaus

Kinski, deutscher Schauspieler, gest. 1991. Phoenix, US-amerikanischer Schauspieler.

8Joaquin

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.7   Augenbrauen hochziehen

Film Joker9. Nun ziehen Sie Ihre Augenbrauen hoch und versuchen so böse und aggressiv zu sein, wie der Schauspieler in der Rolle. Es wird nicht gelingen. Aggressivität ist eine Entscheidung, sie aber wollen Informationen haben und keine Entscheidung treffen (Molcho 1996). Wenn wir erstaunt über etwas sind, öffnen sich unsere Augen und unsere Pupillen werden groß. Wir machen große Augen über das was wir gesehen haben. Diese Reaktion zeigen unsere Pupillen auch, wenn sie auf veränderte Lichtverhältnisse reagieren. Ist es uns zu hell, kneifen wir die Augen zusammen, die Pupillen werden kleiner. Ist es uns zu dunkel, werden die Pupillen größer, da wir uns mehr konzentrieren müssen etwas zu sehen. Sehen wir etwas, was uns zutiefst erstaunt, werden nicht nur unsere Pupillen groß, auch unsere Beine blockieren. Wir bleiben stehen und harren in unserer Bewegung (Abb. 2.8). Unsere Augen funktionieren als Frühwarnsystem. Wir müssen erst das Gesehene prüfen, bevor wir weitergehen. Wir verfallen in eine Art Schockstarre. Versuchen Sie mit großen Augen Ihren Lebenslauf zu erzählen. Sie sind völlig von der Überraschung abgelenkt, die großen Augen verlangen Ihre ganze Anstrengung, da bleibt kein Platz mehr für den Abruf von Daten aus Ihrem Leben. Wenn wir in einem Gespräch unserem Partner etwas erzählen und der macht plötzlich große Augen, dann haben wir seine Aufmerksamkeit geweckt. Was wir

9Joker,

US-amerikanische Comicverfilmung 2019.

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.8   Große Augen machen, Erstaunen

Abb. 2.9   Kleine Augen machen, Konzentration

gesagt haben interessiert ihn (Abb. 2.9). Seine Pupillen werden sich verkleinern, wenn ihn etwas abstößt oder er aggressive Gefühle hat. Zieht jemand seine Augen zusammen, konzentriert er sich. Er denkt nach und möchte weitere Details von uns wissen (Abb. 2.10). Schaut uns jemand mit starren Augen an, dann fixiert er uns regelrecht. Sein Nacken ist steif und seine Augen stieren direkt in unsere

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.10   Schockstarre

Abb. 2.11   Stierer Blick, fixieren

Pupillen (Abb. 2.11). Wir empfinden das als Bedrohung und oft ist das auch so beabsichtigt. Wir spüren seine Aggression. Werden wir angestarrt ist unsere Informationsaufnahme blockiert, wir konzentrieren uns auf die Abwehr. Manche Menschen neigen dazu, andere mit einem intensiven Blick anzuschauen, was zu Irritationen führen kann. Darum ist es wichtig, in einem Gespräch diesen Blick

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.12   Augen wandern weg, Langeweile

nicht zu übertreiben und immer wieder einmal kurz wegzusehen, um die Aufnahmefähigkeit des anderen wieder zu ermöglichen. Aus unserer Jugend kennen wir vielleicht noch dieses Kräftemessen, sich mit starren Augen direkt anzuschauen. Wer als erster wegschaut oder lacht, hat verloren. Natürlich deutet unser Gesprächspartner unsere Haltung und Reaktion ganz genauso. Wandern die Augen unseres Gesprächspartners im Laufe des Gesprächs für längere Zeit von uns weg, dann flieht er aus dem Gespräch. Offensichtlich langweilen oder überfordern wir ihn mit unseren Informationen (Abb. 2.12). Seine Augen drehen sich zur Seite, wenn er etwas umschiffen will (Abb. 2.13). Vielleicht entspricht seine Antwort in dem Moment nicht ganz der Wahrheit. Kinder können ihren Eltern nicht in die Augen schauen, wenn sie nicht die Wahrheit sagen (Verra 2015). Joe Navarro10, ein ehemaliger FBI-Agent, schildert die Befragung eines des Mordes Verdächtigen, der sich durch das Wegschauen verrät. Navarro nannte dem Verdächtigen unterschiedliche Waffen und fragte ihn, welche er bei einem Mord benutzen würde. Als Navarro die echte Mordwaffe nannte, die der Öffentlichkeit nicht bekannt war, senkte der Verdächtige die Augen und hielt sie solange geschlossen, bis Navarro die nächste Waffe nannte (Navarro 2020).

10Joe

Navarro, US-amerikanischer ehemaliger FBI-Agent in der Spionageabwehr und Spezialist für Körpersprache, Autor und Lehrbeauftragter an Universitäten.

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.13   Augen drehen sich zur Seite, etwas umschiffen

Abb. 2.14   Kopf weg, kurzer Blick, Interesse vortäuschen

Dreht sich der Kopf vom Gesprächspartner weg und nur die Augen schauen ihn ab und zu an, dann täuschen wir Interesse vor. Wir sind nicht wirklich interessiert, wollen aber den Schein wahren (Abb. 2.14). Ein Blick nach oben, deutet Hilfesuche, Verzweiflung oder Ungeduld an (Abb. 2.15). Scheue Menschen schauen oft auf den Boden und die eigenen Fußspitzen. Sie meiden das Neue und suchen Sicherheit in dem Bewährten. Sie wollen auf sicherem Terrain, sicherem Boden

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.15   Blick nach oben, Ungeduld

Abb. 2.16   Blick nach unten, scheu

stehen (Abb. 2.16). Der Blick nach vorne ohne Orientierung, der ins Leere geht, deutet auf einen Menschen hin, der noch nicht zufrieden ist. Er sucht in der Zukunft nach etwas (Abb. 2.17). Vor etwas, was wir nicht wollen oder es nicht einsehen verschließen wir die Augen. Unsere Augenlider senken sich kurz (Abb. 2.18). Aber auch wenn uns die erhaltenen Informationen überfordern, wenn uns das Gespräch ermüdet, schließen wir die Augen (Molcho 2013). Wenn wir

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.17   Blick ins Leere

Abb. 2.18   Augen verschließen

eine Information nicht haben wollen, reagiert unser Gehirn sofort und sendet das Schließsignal an die Augen (Verra 2015). Kinder, die Angst vor etwas haben, halten sich die Hände vor die Augen, damit sie das, was sie ängstlich macht, nicht mehr sehen müssen. Sehen Erwachsene im Kino eine brutale Szene, handeln sie genauso (Abb. 2.19). Sie verschließen die Augen vor der Realität. Analog dem Fotografen, der abblendet, also die Blendenöffnung verkleinert, damit weniger

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.19   Hand vor die Augen

Abb. 2.20   Kurzer Blick, abschätzen

Licht durch die Linse eintritt. Ein Kollege oder Vorgesetzter, der sich eine Hand vor die Augen hält, kann nicht glauben, was er gerade gehört oder gesehen hat. Sind wir in einem kleinen, engen Raum und jemand tritt hinzu, werden wir einen kurzen Blick riskieren und den anderen damit wahrnehmen und einschätzen. Wir checken, ob von ihm eine Gefahr ausgeht oder nicht (Abb. 2.20).

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.21   Kein Blick, ignorieren

Ignorieren wir den Hereingekommenen und würdigen ihn keines Blickes, wirkt das unhöflich, desinteressiert und arrogant (Abb. 2.21). Im Fahrstuhl oder an der Supermarktkasse können wir das häufig erleben. Anders auf der Toilette, da schauen wir oft schamvoll stur geradeaus. Allerdings sind diese Blickrituale kulturabhängig und damit in anderen Kulturkreisen anders zu interpretieren.

2.2.3 Mund und Lippen 

„Man lügt wohl mit dem Munde, aber mit dem Maule, das man dabei macht, sagt man doch die Wahrheit“ (Friedrich Nietzsche11, Matschnig 2019).

Unsere Lippen und unser Mund drücken viel von unserer Stimmung und Einstellung aus, auch wenn wir nicht sprechen. Andauernd senden sie Signale über uns aus. Pressen wir die Lippen aufeinander, deutet das auf Schwierigkeiten hin. Wir sperren uns für weitere Informationen (Abb. 2.22). Als Kind haben wir damit signalisiert, dass wir keinen Hunger mehr haben. Wir wollen etwas nicht

11Friedrich

Nietzsche, deutscher Philologe und Philosoph, gest. 1900.

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.22   Lippen zusammenpressen

Abb. 2.23   Über die Lippen lecken

kommentieren, wir haben nichts mehr zu sagen, wenn wir die Lippen zusammenpressen. Wir streichen mit der Zunge genüsslich über unsere Lippen, wenn uns etwas schmeckt, wenn uns etwas gefallen hat (Abb. 2.23). Allerdings benetzen wir unsere trockenen Lippen auch in Stresssituationen mit der feuchten Zunge (Matschnig 2019). Haben wir eine Information erhalten, die uns gefällt, fängt die Zunge schon an die Lippen zu suchen. Wollen wir uns eine Antwort verkneifen, beißen wir uns lieber auf die Zunge, als etwas zu sagen (Abb. 2.24). Ein kurzes

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.24   Auf die Zunge beißen

Abb. 2.25   Lippen wölben

Hervorblitzen der Zunge sieht man manchmal nach einer Verhandlung, wenn derjenige zufrieden mit dem Ergebnis ist und das Gefühl hat noch einmal davon gekommen zu sein (Navarro 2020). Wenn wir bei einer Antwort noch unentschieden sind, noch überlegen, wölben sich unsere Lippen spitz nach vorne; unser Mund bleibt aber geschlossen (Abb. 2.25). Tun wir das, sind wir mit dem Gehörten noch nicht ganz

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.26   Mundwinkel nach oben, lächeln

einverstanden oder haben noch Ergänzungen dazu. Sehen wir das Lippenschürzen in einer Verhandlung bei unserem Gesprächspartner, wissen wir, wir müssen unser Angebot noch verbessern. Sehen wir das in einer Diskussion bei einem der Teilnehmer, können wir eingreifen (Navarro 2020). Öffnet sich der Mund bei dieser Geste, deuten wir einen Kuss an (Molcho 1996). Wenn wir lächeln, ziehen sich unsere Mundwinkel nach oben; unser Mund öffnet sich, wenn wir lachen (Abb. 2.26). Wir ziehen die Mundwinkel nach unten, wenn uns etwas nicht passt (Abb. 2.27). Haben wir jemanden mit hängendem Unterkiefer und geöffnetem Mund gegenüber, ist derjenige am Überlegen. Er ist gedanklich nicht bei uns. Es lohnt sich nicht, ihm komplizierte Dinge oder Zusammenhänge eines Projekts zu erklären. Er wird sie nicht „hören“. Er ist blockiert (Abb. 2.28). Versuchen Sie mal mit hängendem Kiefer daran zu denken, was Sie alles tun müssen, wenn Sie ein neues Betriebssystem auf Ihren Rechner spielen müssen. Das wird zäh oder gar nicht funktionieren (Molcho 1996). Ein offener Mund kann Staunen (Abb. 2.29), Erschöpfung oder Überforderung (Abb. 2.30) signalisieren. Wir versuchen, einen großen Happen der Information aufzunehmen, aber der Brocken ist im Moment zu groß für uns. Auch bei dieser Körperhaltung unseres Gesprächspartners sollten wir unsere Gesprächsinhalte dosieren. Er ist abgelenkt und mit sich selbst beschäftigt. Merken wir den offenen Mund bei uns selbst, sollten wir entspannen und die Anstrengung lösen. Probieren Sie einmal aus bei offenem Mund die Geburtstage Ihrer

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.27   Mundwinkel nach unten, etwas passt uns nicht

Abb. 2.28   Hängender Unterkiefer

Familienmitglieder aus dem Gedächtnis wiederzugeben. Es wird schwer, denn unser Gehirn blendet weitere Aktivitäten weitestgehend aus, wenn es mit etwas anderem beschäftigt ist. Darum zeigen Personen, die auf einem Werbeplakat abgebildet sind, meist einen leicht geöffneten Mund, damit sie offener wirken (Verra 2015).

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.29   Offener Mund, Erstaunen

Abb. 2.30   Offener Mund, Überforderung

Wenn wir das gerade Gehörte abwägen, es aber durchaus in Erwägung ziehen, verschließen wir den Mund, unsere Lippen sind ein wenig spitz und wir schauen zur Seite. Wir wollen noch nichts dazu sagen und überlegen noch (Abb. 2.31). Schätzen wir das Gehörte eher kritisch ein, wölben sich dabei unsere Mundwinkel bei geschlossenen Lippen leicht nach unten. Entschieden sind wir noch nicht, Tendenz aber eher negativ (Abb. 2.32).

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.31   Neutral abwägen

Abb. 2.32   Kritisch abwägen

Will unser Mund ein Gefühl vortäuschen, dann verraten uns unsere Augen. Wir empfinden es als irritierend, wenn beides nicht zusammenpasst. Der Mund lächelt und die Augen lächeln nicht mit. Ein ehrliches Lächeln erfolgt in Millisekunden als unbewusste Reaktion auf etwas. Zwei Muskeln im Gesicht sind dafür verantwortlich. Einmal ein Muskel, der sich vom Mundwinkel bis zum

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.33   Falsches Lächeln

Wangenknochen erstreckt, der große Jochbeinmuskel (Ekman 2018). Er ist verantwortlich für die Krähenfüße, die wir beim Lächeln sehen und ist zum anderen der Muskel, der das Auge umgibt (Navarro 2020). Die äußeren Augenmuskeln bewegen sich deutlich und die Mundwinkel ziehen sich synchron zu den Augenmuskeln nach oben, wenn wir spontan über etwas lächeln. Ein Lächeln verschwindet langsam aus unserem Gesicht. Ein echtes Lächeln wirkt in einem Gespräch als wahre Wunderwaffe. Ist die Bewegung von Augen und Mund nicht synchron, die Augenmuskeln zeigen nur eine leichte Reaktion oder ein Lächeln verschwindet abrupt, nehmen wir ein solches Lächeln als falsch wahr (Abb. 2.33). Das Timing ist entscheidend (Ekman 2018). Wir können es manchmal bei der Begrüßung von zwei Menschen registrieren. Die Freude wird nur vorgetäuscht, weil man ja bei einer Begrüßung freundlich sein muss. Ziehen die Muskeln die Mundwinkel fast übertrieben nach oben, die Muskeln um die Augen sind aber nicht aktiv, wird aus dem falschen Lächeln ein abfälliges Grinsen. Eine respektlose Geste. Wollen wir bewusst über unseren Mund Signale aussenden, sollten die Bartträger unter uns darauf achten, diese besonders deutlich und groß zu machen, damit sie erkannt werden (Verra 2015). Ein Schauspieler lernt Gesten und Mimik auf der Bühne größer zu machen, manchmal bis hin zur leichten Übertreibung, damit sie auch noch in der letzten Reihe erkannt werden können.

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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2.2.4 Kopf und Hals Kopf und Hals sind untrennbar miteinander verbunden. Dabei sorgt der Hals für die Beweglichkeit des Kopfes. Halsschlagader und Kehle sind schlecht geschützte, aber lebenswichtige Teile unseres Körpers. Wollen wir unseren Hals schützen, weil wir Angst vor etwas haben (Abb. 2.34) oder über etwas erschrocken sind (Abb. 2.35), ziehen wir die Schultern hoch. Wir verstärken diesen Schutz, wenn wir zusätzlich unser Kinn senken und den Kopf nach unten halten. Auch der Hals signalisiert bestimmte Gemütsverfassungen. Hier sehen wir Parallelen zur Tierwelt. Ein erhobener Kopf gibt die Kehle frei und zeigt Überlegenheit (Abb. 2.36) oder Arroganz (Abb. 2.37). Nach dem Motto „Greif mich nur an. Da wirst Du schon sehen“. Wir sind für eine Konfrontation bereit und provozieren unseren Gegenüber. Vielleicht tragen wir unsere Nase dabei sehr hoch und wirken dadurch hochnäsig (Abb. 2.38). Derjenige, dem wir diese Haltung zeigen, fühlt sich dadurch von oben herab behandelt. Oft kommt es zu Irritationen und Missverständnissen, wenn jemand aus Gewohnheit die Nase etwas höher trägt (Molcho 1996). Alles was er sagt, kann falsch ankommen und den anderen wiederum provozieren. Allerdings ist bei der Interpretation Vorsicht geboten. Kleinere Menschen richten generell ihren Kopf und damit die Nase nach oben, wenn sie mit größeren Menschen sprechen, ohne hochnäsig zu sein. Im Gegenteil, oft fühlen sie sich in dieser Situation auch klein und schwach.

Abb. 2.34   Kopf runter, Schulter hoch, Schutz

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.35   Kopf runter, Schulter hoch, leicht erschrocken

Abb. 2.36   Kopf erhoben, Kehle frei, Überlegenheit

Und umgekehrt gilt das auch. Größere Menschen müssen unweigerlich auf kleinere runterschauen, wenn sie mit ihnen sprechen. Sie sind dann natürlich nicht herablassend. Setzen sich alle an einen Tisch, relativiert sich dies wieder. Der gleiche Effekt wird erzielt, wenn sich Beide ein Stück voneinander entfernen.

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.37   Kopf hoch, Kehle frei, Arroganz

Abb. 2.38   Kopf hoch, hochnäsig

Zeigen Sie Ihren Hals seitlich und drehen den Kopf, steht dies für Vertrauen (Abb. 2.39), aber auch für Demut. Sie bieten Ihren offenen Hals an. Hören wir zu und sind interessiert, neigt sich unser Kopf meist leicht zur Seite und richtet sich sofort wieder auf, wenn wir etwas nicht verstehen oder anderer Meinung sind (Molcho 1996). Wir wägen noch ab (Abb. 2.40). Neigen wir unseren Kopf sind

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.39   Kopf geneigt, Vertrauen

Abb. 2.40   Kopf geneigt, abwägen

wir kompromissbereit, wir lassen mit uns reden (Abb. 2.41). Rollen wir mit den Augen oder blicken bei geneigtem Kopf zur Seite, sind wir anderen gegenüber argwöhnisch. Wir wissen noch nicht, ob wir ihm glauben können, wir blicken ihn schief an (Navarro 2020).

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.41   Kopf geneigt, kompromissbereit

Abb. 2.42   Kopf nach vorne, neugierig

Schiebt Ihr Gegenüber seinen Kopf nach vorne, ohne dass der Körper folgt, ist er neugierig oder einfach nur gierig auf Informationen (Abb. 2.42). Er will Sie „ausspionieren“. Lehnt er den Kopf zurück und versteift den Nacken, ist er aus dem Gespräch raus. Er hat sich von Ihnen entfernt und geht auf Distanz zu Ihnen

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.43   Kopf nach hinten, Distanz

Abb. 2.44   Mit Kopf Zurückweichen, aufgeben

(Abb. 2.43). Sagt er etwas und Sie weichen mit Schulter und Oberkörper zurück, weiß er, er hat leichtes Spiel mit Ihnen. Sie haben aufgegeben (vgl. Molcho 1996 und Molcho 2013) (Abb. 2.44).

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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2.2.5 Schultern Unsere Schultern machen einen Großteil unserer Körperhaltung aus und geben Auskunft über unseren aktuellen Gefühlsstatus. Wir ziehen die Schultern in der Sekunde des Schrecks plötzlich hoch, wir zucken kurz zusammen (Abb. 2.45). Es ist ein Moment des Schrecks. Hochgezogene Schultern zeigen eine Abwehrhaltung (Abb. 2.46), oft verbunden mit erhobenen Händen, die zu Fäusten geballt sind. Wie ein Boxer, der einen Angriff abwehren will. Wir zucken kurz mit beiden Schultern, wenn wir etwas nicht wissen und nonverbal antworten (Abb. 2.47). Wenn wir etwas nicht zugeben wollen und uns noch ein Hintertürchen offenhalten wollen, zucken wir oft nur mit einer Schulter. Oft verbunden mit einem „naja, egal“. Wir versuchen einer Antwort auszuweichen oder sogar den anderen zu täuschen (Navarro 2020). Nicht vollständig ausgeführte Bewegungen, wie das Zucken nur mit einer Schulter, sind für Paul Ekman Ausrutscher bei der Körperbewegung, die eine Unstimmigkeit deutlich werden lassen, die die Person verheimlichen wollte (Ekman 2018). Die gebeugte Schulter ist eine unterwürfige Haltung und ein deutliches Signal für Schwäche (Abb. 2.48). Wollen wir uns schützen, aktivieren wir automatisch unsere Beuger. In höchster Gefahr würden wir uns wie eine Kugel verschließen wollen, um unsere inneren Organe zu schützen und weniger Angriffsfläche zu bieten. Vielleicht werden zusätzlich noch die Fußspitzen nach innen gedreht.

Abb. 2.45    Schulter hoch, erschrocken

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.46   Schulter hoch, Abwehr

Abb. 2.47   Schulter zucken

Stefan Verra meint dazu „Angst aktiviert Beuger.“ (Verra 2015). Ein Igel rollt sich so zusammen, wenn er Gefahr spürt. Ein Verbrecher versucht sich durch das Beugen der Schulter klein zu machen, um nicht sofort entdeckt zu werden (Navarro 2020). Je weniger wir unsere Beuger aktivieren, desto wohler fühlen

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.48   Gebeugte Haltung

wir uns. Ist unsere Muskulatur entspannt, sind wir auch entspannt. Wir gehen in aufrechter Haltung, die Schultern fallen losgelassen herunter und unser Körper streckt sich nach oben. Wir fühlen uns stark und selbstbewusst (Abb. 2.49). Hängende Schultern zeigen wir, wenn wir unterspannt sind, gelangweilt, lustlos oder mutlos (Abb. 2.50). Vielleicht erinnern sich einige noch an das Foto von Uwe Seeler nach12 dem verlorenen Endspiel um die Fußball Weltmeisterschaft 1966 im Wembley Stadion in London. Trauer, Enttäuschung und Mutlosigkeit signalisiert dieses Sportfoto des Jahrhunderts des deutschen Fotografen und Journalisten Sven Simon13, das nach dem Finale der Fußball-Weltmeisterschaft 1966 in England aufgenommen wurde. Versuchen Sie einmal darauf zu achten, wie sich Ihre Schulterhaltung in bestimmten Situationen ändert. Versuchen Sie sich selbst zu entschlüsseln.

12Uwe 13Sven

Seeler, deutscher Fußballnationalspieler. Simon, deutscher Fotograf und Journalist, gest. 1980.

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Abb. 2.49   Entspannte Haltung

Abb. 2.50   Unterspannung

2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Sakkos oder Jacken werden auch deshalb gerne in Unternehmen getragen, weil sie verräterische Schulterbewegungen und -haltung verbergen. Zudem wirkt die Schulter dann breiter (Matschnig 2019). 

Die Wirkung der Körperhaltung können Sie selbst spüren, wenn Sie sich fragen, ob Sie einem „zusammengerollten Igel“ oder einem angriffslustigen Tiger ein verantwortungsvolles Projekt anvertrauen würden.

Bei der Interpretation der Schulterhaltung ist natürlich zu berücksichtigen, dass sie auch durch Krankheit und Muskelschwäche begründet sein kann.

2.2.6 Brust und Atmung Unser Brustkorb mit den Rippen schützt die lebenswichtigen Organe Herz und Lunge. Beim Einatmen befördern wir Sauerstoff ins Blut unseres ­Lungenkreislaufes. Von dort gelangt der Sauerstoff in unsere Körperzellen. Dort entsteht durch den Stoffwechsel Kohlendioxid, das wir wieder über den Lungenkreislauf beim Ausatmen abgeben. Ist unser Brustkorb frei und nicht verspannt, haben wir Kraft und signalisieren das auch. Atmen wir ein, fühlen wir uns stark, freuen uns. Konzentrieren wir uns oder sind aufgeregt, halten wir oft die Luft an. Uns stockt vor Aufregung der Atem. Bei einer Bedrohung halten wir unbewusst kurz die Luft an oder fangen an flach zu atmen (Navarro 2020). Beim Ausatmen lassen wir die Luft raus. Wir atmen erleichtert aus oder pusten ein Problem weg. Wir konzentrieren unsere Kräfte. Beim Ausatmen brauchen wir keine Muskelanstrengung, unser Zwergfell entspannt sich und wölbt sich nach oben. Dadurch werden der Brustkorb und die Lunge kleiner, so dass die Luft darin herausgepresst wird. Darum atmen wir bei einer Kraftanstrengung im Sport aus und nicht ein. Versorgen wir uns durch flaches Atmen mit wenig Sauerstoff, macht uns das müde und inaktiv. Wollen wir aktiv werden, holen wir erst einmal tief Luft. Bereiten wir uns auf einen Kampf oder die Flucht vor, signalisiert unser limbisches System viel Sauerstoff aufzunehmen und wir atmen tief ein oder fangen an zu hecheln (Navarro 2020). Werfen wir einen Blick in die Theaterwelt. Viele zeigen durch tiefes Luftholen, dass sie etwas sagen wollen. Sie holen Luft für ihre Worte. Das Luftholen, bevor man anfängt zu sprechen, ist auf der Bühne ein „No-Go“. Bei dieser Atemtechnik haben wir kaum genug Stimmvolumen, um den Theatersaal zu beschallen. Bei einem längeren Satz müssen wir immer wieder das Sprechen kurz durch Luftholen unterbrechen. Dieses nach Luft schnappen wirkt auf die Zuhörer

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

nervös und unsicher und es stört den Redefluss und die Handlung. Diese Atemtechnik wird auch als Schnappatmung bezeichnet. Angeboren ist uns die Zwerchfellatmung oder auch Bauchatmung genannt, so wie Babys und kleine Kinder atmen. Leider ist uns Erwachsenen dies wieder abhandengekommen. Ein Schauspieler lernt in seiner Ausbildung die Zwergfellatmung wieder zu beherrschen. Er wird beginnen zu sprechen, wenn er fast ausgeatmet hat. Das Luftholen erfolgt bei der Zwergfellatmung quasi automatisch ohne aktiv darauf zu achten. Übung Zwerchfellatmung (Quelle: Torsten Stoll)

• Legen Sie sich auf den Boden. • Gehen Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit durch Ihren Körper. • Beginnen Sie bei den Füßen. • Spüren Sie Ihre Fersen auf dem Boden. • Wandern Sie jetzt auf diese Weise weiter in die Waden, Knie, Oberschenkel, Becken, Rücken, Schultern, Arme, Hände. • Spüren Sie Ihren Hinterkopf auf dem Boden/Kissen liegen. • Gehen Sie jetzt mit Ihrer Aufmerksamkeit in die Nase. • Sie nehmen wahr, dass kühle Luft einfließt und warme Luft wieder ausströmt. • Dabei können sie spüren, wie sich Ihre Bauchdecke von ganz alleine hebt und senkt. • Jetzt befinden Sie sich in der Permanentatmung, ähnlich wie beim Schlafen. • Jetzt bitte ich Sie, ganz sanft, mehrmals hintereinander, zu husten. • Sie spüren eine starke Bewegung im Bauch. • Das ist das Zwerchfell. Der zweitstärkste Muskel im Körper bewegt sich in Richtung Brustkorb und drückt die Luft aus der Lunge zum Husten nach außen. • Jetzt ersetzen Sie das Husten durch ein entspanntes Ausstoßen der Silbe „Ha“. • Versuchen Sie dies auch in regelmäßigen Intervallen. Ha, ha, ha, ha…. • Wenn Sie spüren, dass sich dabei die Bauchdecke/das Zwerchfell kraftvoll bewegt, befinden Sie sich in der Zwerchfell- bzw. Bauchatmung. • Statt der Silbe „Ha“ können Sie jetzt auch einzelne Worte probieren oder ganze Sätze bilden.

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

85

• ENTSCHEIDEND IST, DASS SIE VOR DEM AUSSPRECHEN KEINE LUFT AKTIV EINATMEN. • Einfach den Mund öffnen und anfangen zu sprechen. Auf diese Weise beginnt das Zwerchfell zu arbeiten. ◄ Diese Übung ist nicht leicht, ich weiß noch genau, wie schwer ich mich damit getan habe. Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn es nicht gleich funktioniert. Die Übung macht auch hier den Meister. Ein tiefes Einatmen kann auch auf eine entstehende Aggression hindeuten. Meist steht dann eine Konfrontation kurz bevor (Abb. 2.51). Holt jemand kurz Luft und lässt sie dann schnell wieder raus, hat er aufgegeben. Zumindest bei dem davor gehörten Argument. Vielleicht hat er sogar komplett resigniert (Abb. 2.52). Erkennen wir in einer Gesprächsrunde diese Verhaltensweisen, können wir auf sie reagieren. Begegnen wir jemandem, der seine Brust aufbläht und hoch trägt, ist er stolz auf sich und möchte sich zeigen. Er geht mit stolzgeschwellter Brust. Vielleicht ist er aber auch nur ein Prahlhans (Molcho 2013) (Abb. 2.53).

Abb. 2.51   Tiefes Luftholen, Aktion folgt

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.52   Luft holen (li.) – gleich wieder ausatmen und resignieren (re.)

Abb. 2.53    Stolz geschwellte Brust (li.) – Prahlhans (re.)

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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2.2.7 Arme und Hände Wenn Sie in einen Vortrag halten müssen oder in einem Meeting Ihr Team begeistern wollen, ist es wichtig, die Zusammenhänge von Körperhaltung und Wirkung zu kennen. Ihr ganzer Körper muss da mitspielen, sonst kommen Sie ins Schleudern. Wenn Ihre Worte und Ihre Körpersprache nicht zusammenpassen, erzielen Sie keine Wirkung. Reden oder argumentieren wir ohne die Unterstützung unserer Arme und Hände, wirkt das steif und unbeholfen. Das hat für den Zuschauer nicht Hand, nicht Fuß. Es wirkt leblos. Verändern Sie Ihre Körperhaltung, wenn Sie bei sich selbst merken, da passt etwas nicht. Unsere Arme sind Illustratoren und wir müssen unsere Muskulatur einschalten, um sie zu benutzen. Ballen Sie einmal Ihre Hände zu Fäusten. Sie merken wie Aggressivität und negative Gedanken sich in Ihnen breit machen. Vielleicht kommen Sie während einer Diskussion in so eine Situation, wenn die permanenten Nachfragen eines Teilnehmers zunehmend nerven. Sie merken er will Sie provozieren, sie fühlen schon wie Ihr Blutdruck steigt, sich Ihre Hände verkrampfen. Es dauert nicht mehr lange und Sie ballen sie zu Fäusten. Eine Faust signalisiert Ärger und die Bereitschaft zum Kampf (Abb. 2.54). Sagen Sie einmal zu Ihrer Frau „Ich liebe Dich“ und ballen dabei Ihre Hände zu Fäusten. Ihr Bekenntnis kommt mit Sicherheit nicht richtig an. Sie werden nicht überzeugend sein. Entkrampfen Sie sich ganz bewusst, gehen mit Ihren Händen in eine offene einladende Haltung. Öffnen Sie Ihre Hände und Sie merken, wie sich der Druck löst und Sie wieder souverän reagieren können. In dieser Haltung bleibt kein Platz für Aggression. Lächeln Sie den Störenfried einfach weg. Eine Faust bedeutet immer Aggression, ein „dafür werde ich kämpfen“. Bei demjenigen, dem sie gezeigt wird, ruft sie entsprechende aggressive Reaktionen hervor. Eine schwierige Situation entsteht. Unsere Hände sind unser ausdruckstärkstes Medium. Wir können etwas begreifen, berühren oder abwehren. Wir nehmen die Hand vor den Mund, wenn wir etwas nicht sagen wollen, etwas zurückhalten wollen oder wenn wir über etwas nachdenken (Abb. 2.55). Empfinden wir etwas als unangenehm neigen wir zu sogenannten Selbstintimitäten (Matschnig 2019). Wir berühren uns im Gesicht, streichen uns über den Nacken, den Arm oder berühren uns am Ohrläppchen. Die Berührung soll uns wieder Wohlbefinden bereiten, uns beruhigen und den Normalzustand wiederherstellen. Manche beruhigen sich auch durch pfeifen oder durch unentwegtes reden. Andere neigen zu einer Selbstumarmung, indem sie die Arme verschränken und sich, als würden sie frieren, die Schultern reiben, Auch das Berühren der Fingerspitzen, wenn die Finger gespreizt sind,

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.54   Faust

ist eine solche Geste. Steigt der Stress bei der Person, geht das sanfte Berühren der Fingerspitzen in ein Reiben der Hände über (Navarro 2020). Männer greifen sich aus diesem Grund auch oft an den Krawattenknoten oder die Hemdärmel und richten sie neu oder spielen mit den Manschettenknöpfen (Navarro 2020). Gerade auf diese Gesten der Selbstintimität sollten wir achten, sie erfolgen meistens unbewusst, wenn wir aufgeregt sind (Navarro 2020). Wollen wir uns schützen erheben wir die Arme und Hände, halten sie dann auch manchmal wie ein Boxer vor den Oberkörper (Abb. 2.56). Auch die Arme hinter dem Kopf, die Hände im Nacken und die Ellenbogen über dem Kopf nach vorne gerichtet, schützen unseren Nacken (Molcho 1996) (Abb. 2.57). Wir gehen in Deckung. Unser limbisches System lässt uns sogar die Hände zum Schutz erheben, wenn wir uns vor einer Pistolenkugel schützen wollen, obwohl das natürlich völlig sinnlos ist (Navarro 2020). Sitzt uns jemand gegenüber, der die Hände hinter dem Kopf verschränkt und seine Ellenborgen zeigen nach außen, möchte er sichtbarer werden. Er verbreitert seine Körperfläche. Für ihn die Argumentation vorbei. Er hat alles, was er sagen wollte gesagt, mehr gibt es für ihn dazu nicht zu sagen.

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

Abb. 2.55   Hand vor dem Mund

Abb. 2.56   Hände zum Schutz erhoben

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.57   Arme hinter Kopf und Ellenbogen zum Schutz nach außen

Er möchte seine Überlegenheit demonstrieren (Matschnig 2019). Er schützt sich mit den Ellenborgen nach links und rechts, signalisiert uns aber gleichzeitig „Ich habe Recht, da muss euch schon etwas viel Besseres einfallen.“ Diese Pose wirkt auf uns überheblich. Für Navarro ähnelt sie einer Kobra, die ihr Nackenschild spreizt, um andere Tiere zu beeindrucken und sie vor ihrer Macht und Stärke warnen will (Navarro 2020). Gerade bei der Haltung der Arme und Hände gibt es aber deutliche kulturelle Unterschiede. Südeuropäer argumentieren „lautstark“ mit ihren Armen und Händen, Nordeuropäer reden eher mit knappen Bewegungen der Arme und Hände. Ein Gesprächsteilnehmer, der beide Arme hinter dem Rücken verschränkt, ist in einer passiven Beobachterrolle. Er zeigt, er will nicht eingreifen, er ist zurückhaltend (Abb. 2.58). Noch deutlicher wird diese Haltung, wenn eine Hand die andere festhält, die Person wird keine Aktivität übernehmen, sie hält sich zwanghaft aus dem Spiel. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Arme hinter dem

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.58   Hände hinter dem Rücken

Rücken oder vor dem Bauch verschränkt sind. Hinter dem Rücken verschränkte Arme signalisieren auch deutlich „Fass mich nicht an“. Die Person möchte nicht berührt werden, sie möchte keinen körperlichen Kontakt (Navarro 2020). Ist uns ein Thema zu heiß, reißen wir die Arme mit gespreizten Fingern ruckartig nach oben. Bloß nicht anfassen. Verbrennungsgefahr. Wollen wir etwas nicht haben, einen Gegenstand oder eine Aufgabe, schieben wir sie von uns weg. Mit beiden Armen und Händen, wobei die Handinnenflächen nach außen zeigen, schieben wir imaginär den Gegenstand weg (Abb. 2.59). Dabei kann es sich auch um eine Person handeln, die wir wegschicken. Sie kommt uns zu nahe. Wir bauen eine Distanz auf. Erfolgt diese Bewegung mit dem Handrücken nach außen und in schnellen Bewegungen, quasi mit den Fingern, ist das schon eine herablassende Geste dem anderen gegenüber (Abb. 2.60). Ein auf dem Schreibtisch stehender Locher, der nach vorne geschoben wird, ein Glas Wasser, das weggeschoben wird, signalisiert ebenso ein Wegschieben eines Problems. Einige befällt plötzlich ein Ordnungsfimmel, sie ordnen und sortieren die Dinge auf ihrem S ­ chreibtisch

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.59   Etwas wegschieben

oder dem Konferenztisch. Sie wollen erstmal Ordnung in die eben gehörte Sache bringen, bevor es weitergeht. Andere wiederum bauen richtige Barrieren mit den Gegenständen auf dem Tisch auf. Sie ziehen eine Grenze und isolieren die anderen bzw. sich selbst. Offene Hände, so dass die sensiblen Handinnenflächen zu sehen sind, zeigen Offenheit, Vertrauen und Ehrlichkeit. Die Person hat nichts zu verbergen, sie fühlt sich wohl (Verra 2015). Alles liegt auf der Hand. In den alten US-Western im Kino war das immer die Geste für einen friedlichen Besuch. Die Besucher kamen mit offenen Händen, keine Waffen. Geschlossene Hände deuten darauf hin, dass etwas verborgen werden soll (Abb. 2.61). Dem Angebot eines Verkäufers mit geschlossenen Händen sollten Sie misstrauen, es könnte unseriös sein. Er sagt nicht die ganze Wahrheit. Zeigt der Handrücken zum Gesprächspartner, werden die sensiblen Handinnenflächen geschützt. Die Person lässt sich nicht in die Karten schauen. Sagt Ihnen jemand mit gefalteten Händen „Lassen

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.60   Etwas von sich weisen

Sie uns offen sprechen“, erwartet er dies zwar von Ihnen, er selbst ist dagegen nicht offen (Abb. 2.62). Seine Hände verraten ihn. Auch die Hände, die auf den eigenen Oberschenkeln oder auf dem Tisch liegen und der Handrücken zeigt nach oben, sind so zu deuten. (Molcho 1996). Machtmenschen wollen dominieren. Wir erkennen dies an Ihrer Körperhaltung und an ihrem Verhalten. Die Bewegung der Arme von oben nach unten mit verdeckter Handinnenfläche soll beschwichtigen (Abb. 2.63). „Ich will, dass jetzt Ruhe ist“. Oft kann man diese Geste bei Politikern oder bei einem Vortrag während eines Applauses sehen. In der Situation ist es reine Effekthascherei nach noch mehr Applaus. Klopft Ihnen Ihr Vorgesetzte von oben auf die Schulter oder stützt er sich gar auf Ihnen ab, ist das ein klares Zeichen von „Ich bin hier der Chef und Du mein Untergebener“. Er ist distanzlos und übergriffig in seiner Handlung (Abb. 2.64). Ein dabei gesprochenes Lob kommt nicht von Herzen. Ein Klopfer auf die Schulter, verbunden mit einem Satz wie „Das ist

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.61   Offene Hände (li.) – geschlossene Hände (re.)

Abb. 2.62   Handrücken nach außen (li.) – gefaltete Hände (re.)

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

Abb. 2.63   Beschwichtigen

Abb. 2.64   Von oben auf die Schulter klopfen, Dominanz

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.65   Seitlich an den Arm klopfen

doch auch Ihre Meinung, oder?“ ist eine Haltung, die keinen Widerspruch duldet. Eine rein rhetorische Frage. Er behandelt Sie von oben herab. Ein lobendes ­Schulterklopfen, wenn es denn sein muss, erfolgt besser von der Seite auf den Arm oder den Rücken des anderen (Abb. 2.65). Diese Bewegung deutet fast eine Umarmung an, führt sie aber nicht zu Ende aus. Ein ernst gemeintes Lob. Unseren Zeigefinger nutzen wir, um auf etwas hinzudeuten oder etwas zu erklären (Abb. 2.66, 2.67). Wir setzen ihn ein, wenn es um Details geht. Wir nutzen ihn aber auch, um jemanden zurechtzuweisen. Nutzt Ihr Gesprächspartner oft den erhobenen Zeigefinger während er spricht, wie der Lehrer früher in der Schule, drückt er seine Dominanz aus und lässt dem Anderen bei der Antwort keine Wahl (Molcho 2013). Er zeigt eine Drohgebärde (Abb. 2.68). Er erhebt den Zeigefinger zur Betonung eines Befehls oder er zeigt auf eine Person, die etwas erledigen muss. Eltern schimpfen auf diese Art mit Ihrem Kind. Ein Vorgesetzter sollte diese Geste meiden. Eine Redewendung sagt „man zeigt nicht mit nackten Fingern auf angezogene Leute.“ Wenn diese Geste verstärkt werden soll, wird der ausgestreckte Zeigefinger zusätzlich von oben nach unten bewegt. Wie Indiana

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

Abb. 2.66   Der Zeigefinger zeigt auf etwas

Abb. 2.67   Der Zeigefinger zeigt auf Person

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.68   Der erhobene Zeigefinger

Jones14 seine Peitsche benutzt (Abb. 2.69). Der Zeigefinger kann so richtig in „Wunden bohren“, wenn er wie ein Bohrer hin und her gedreht wird (Abb. 2.70). Oder er verteilt kleine Hammerschläge in Form des Tippens auf eine Person. Verbunden mit einem „Sie machen das jetzt bitte sofort“ ist dies eine sehr respektlose Geste (Abb. 2.71). Wenn dabei auch noch der Körper mit den kleinen Hammerschlägen berührt wird, ist das für den Getroffenen erniedrigend. Unser Daumen spielt eine besondere Rolle. Er ist der Dominator unter den Fingern. Wir kennen die Geste den Daumen nach oben zu strecken, wenn alles ok ist. Er zeigt nach oben, wenn uns etwas gefällt (Abb. 2.72). Der Daumen bestärkt bestimmte Gesten. Wollen wir eine Grenze aufzeigen, bis wohin jemand in einer Verhandlung gehen kann, dann berühren sich die Mittelfinger beider Hände und bilden einen Zaun. Geht dabei der Daumen nach oben, deutet das eine ­unverrückbare Grenze an (Abb. 2.73). Männer halten sich manchmal mit den Händen am Revers des Sakkos fest (Abb. 2.74). Lehnen sie sich dabei

14Indiana

Jones: US-Amerikanische Abenteuerfilme von George Lucas, mit Harrison Ford als Indiana Jones.

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

Abb. 2.69   Der peitschende Zeigefinger

Abb. 2.70   Der bohrende Zeigefinger

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Abb. 2.71   Der hämmernde Zeigefinger

Abb. 2.72   Daumen nach oben

2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

Abb. 2.73   Grenze mit erhobenen Daumen anzeigen

Abb. 2.74   Hand am Revers

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Abb. 2.75   Finger verschlossen

Abb. 2.76   Sich loben

2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.77   Daumen verkriecht sich in der Hand

zurück, sind sie mit sich zufrieden. Zeigen dabei die Daumen nach oben, sehen wir Selbstzufriedenheit. Der Daumen zeigt immer Dominanz, wenn er nach oben zeigt. Selbst, wenn die Finger ineinander verschlossen sind, zeigen bei einem Dominator die Daumen nach oben (Abb. 2.75). Jemand, der sich selbst ständig lobt und seine Leistungen anpreist, tut dies oft mit erhobenem Daumen (Abb. 2.76). Anderseits verkriecht sich bei unsicheren Personen der Daumen gern in der Hand (Navarro 2020) (Abb. 2.77). Wollen wir etwas fassen oder festhalten, schließen sich unsere Finger um den Gegenstand. Wir schließen unsere Hände um ihn (Abb. 2.78). Auch wenn wir etwas überlegen, tun wir das. Wir wollen einen Gedanken fassen und festhalten. Unsere Hand schließt sich. Um ihn. Fühlen wir uns unsicher, suchen wir irgendwo Halt. Wir halten uns an unserer Aktentasche oder unseren Unterlagen fest. Darum hilft es uns während wir einen Vortrag halten, einen Stift oder den Pointer in der Hand zu halten. Das gibt uns Sicherheit, wir können uns daran festhalten (Abb. 2.79). Hält sich jemand während eines Gesprächs mit seinem Vorgesetzten z. B. am Stuhl fest, ist der Vorgesetzte zu dominant, er erschreckt ihn. Er sucht einen Halt, um in diesem Gespräch zu bestehen (Abb. 2.80).

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.78   Etwas umschließen

Abb. 2.79   Während des Vortrags am Pointer festhalten

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.80    An etwas festhalten, z. B. an der Stuhllehne

Im übertragenen Sinne, halten sich Politiker oft an ihren Ämtern oder Vorgesetzte an ihren Jobs fest. Ohne dieses Amt oder diese Funktion würden sie ins Nichts fallen. Sie haben Angst vor dem, was danach kommen könnte. Generell sollten wir unsere Hände von unserem Gesicht fernhalten, meist sind das nämlich nur Verlegenheitsgesten. Solche Verlegenheitsgesten erfolgen meist unbewusst, wenn wir Stress in einem Gespräch empfinden. Wir kratzen uns am Hinterkopf oder an der Nase, Schütteln unser Haar oder nehmen häufig unsere Brille ab und setzen sie wieder auf. Brauchen wir in einem Meeting unsere Hände nicht, können wir sie offen auf den Tisch oder unsere Oberschenkel legen. Wir sollten vermeiden auf ihnen zu sitzen, sie also unter unseren Oberschenkeln abzulegen (Matschnig 2019). Dass uns unsere Hände auch verraten können, wenn wir die Unwahrheit sagen, schildert Joe Navarro an einem Beispiel. Als er einen möglichen Täter zur Anwesenheit am Tatort befragte, sagte der sehr überzeugend, dass er an einer Kreuzung in die vom Tatort entgegengesetzte Richtung gefahren sei. Allerdings zeigt dabei eine seiner Hände in die andere Richtung, die die zum Tatort führte (Navarro 2020).

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

2.2.8 Sitzen Auch die Art und Weise wie jemand auf dem Stuhl sitzt, spricht über ihn. So wie ich sitze, so werde ich auch gesehen. Die optimale Sitzhaltung hat man, wenn man mit gestrecktem, geradem Rücken auf dem Stuhl sitzt und die Füße fest auf dem Boden stehen, man geerdet ist (Matschnig 2019). Analog gilt das beim Stehen (vgl. Abschn. 2.2.9). Sitzt jemand mitten auf der Stuhlfläche und nutzt die gesamte Sitzfläche aus, sagt er damit, dass er Position bezogen hat und sich nur schwer bewegen lässt. Hier bin ich, hier bleibe ich (Abb. 2.81). Sitzt einer vorne auf der Stuhlkante und seine Füße stehen auf den Ballen, ist er in der Lage jederzeit aufzustehen. Er ist entweder unsicher oder fluchtbereit (Abb. 2.82). Die Fluchtpose wird ganz deutlich, wenn er sich dazu noch an beide Knie fasst und den Oberkörper nach vorne beugt (Matschnig 2019 ). Für Navarro ein klares Zeichen, dass sich derjenige mental vorbereitet das Gespräch zu beenden und zu gehen (Navarro 2020). Wird nur die halbe Sitzfläche in Anspruch genommen, deutet das auf Unsicherheit hin. Vielleicht wird ja mein Stuhl noch für jemand anderen gebraucht. Ich mache schon mal Platz und nehme eine Opferrolle ein (Abb. 2.83).

Abb. 2.81   Sitzfläche ausnutzen

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

Abb. 2.82   Vorne auf der Stuhlkante sitzen

Abb. 2.83   Halb auf der Sitzfläche sitzen

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.84   Territorium sichern (li.) – Verkehrt herum auf dem Stuhl sitzen (re.)

Ein lang ausgestrecktes Bein unter dem Tisch sichert auch im Sitzen das beanspruchte Territorium (Abb. 2.84). Verstecken oder verkrallen sich die Füße hinter den Stuhlbeinen, ist man auch in seiner Position und Meinung verkrallt, angespannt und unsicher (Abb. 2.85). Oft ist das bei Personen zu sehen, die sich unter Druck gesetzt fühlen (Navarro 2020). Gerade bei jüngeren Menschen lässt sich beobachten, dass sie manchmal verkehrt herum auf dem Stuhl sitzen. Die Rückenlehne nach vorne gerichtet und dann breitbeinig auf dem Stuhl sitzend. Die Arme und Hände liegen auf der Lehne. Es soll locker und cool wirken, zeigt aber ein starkes Schutzbedürfnis. Die Lehne wird als Schutzschild gegenüber anderen genutzt. Würde ein souveräner Chef so sitzen? (Abb. 2.84). Eine Person lehnt sich aus oder in ein Gespräch. Lehnt sich jemand während eines Gespräches auf seinem Stuhl zurück, signalisiert er, dass er kein Interesse hat an dem was gesagt wird. Überschlagene Beine oder verschränkte Arme zeigen deutlich „Ich bin unbeweglich in meiner Meinung. Was Sie sagen sehe ich kritisch und bin nicht interessiert.“ Die überschlagenen Beine blockieren die

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.85   Füße hinter Stuhlbein verkrallen

Bewegungsmöglichkeiten und so fühlt sich die Person auch. Sie will sich nicht bewegen. Ein aufgestellter Fuß in Richtung des Gesprächspartners macht die Blockade noch deutlicher. Häufig werden die übereinander geschlagenen Beine aber auch als Zeichen für Wohlfühlen interpretiert. Wichtig ist dabei zu erkennen, in welche Richtung der Fuß des überschlagenen Beins zeigt. Deutet es auf den Gesprächspartner, ist dies ein Zeichen von Zuwendung und Interesse. Zeigt die Fußspitze zur Tür oder zu einem Fenster, fühlt sich diese Person in dem Gespräch unwohl, sie möchte lieber aus dem Gespräch flüchten. Wippt er mit dem überschlagenen Bein, während Sie sprechen, möchte er eigentlich lieber gehen (Matschnig 2019). Aber Vorsicht bei der Interpretation, vielleicht hat derjenige ja auch nur eine favorisierte Art die Beine übereinanderzuschlagen. Probieren Sie es an sich aus: Setzen Sie sich auf einen Stuhl und schlagen die Beine übereinander. Und nun wechseln Sie und überschlagen das andere Bein. Wahrscheinlich für Sie zwei völlig unterschiedliche Situationen (Verra 2015). Und achten Sie dabei auf Ihre Fußspitzen, was machen die? Zeigen sie in eine andere Richtung oder doch in dieselbe? Fängt eine Person im Sitzen an leicht mit den Füßen zu wippen und wird dies immer stärker, ist das ein Zeichen dafür, dass diese Person gerade etwas

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.86   Aufgestellter Fuß (li.) – Uninteressiert (Mi.) – Offene Sitzhaltung (re.)

für sie Negatives gesehen oder gehört hat (Navarro 2020). Schaut Ihr Gegenüber während Sie sprechen in der Gegend herum oder aus dem Fenster, berühren Sie ihn nicht mit Ihren Worten. Er ist gelangweilt. Vielleicht spielt er mit seinen Fingern oder ordnet nebenbei die Gläser und Flaschen auf dem Tisch. Ist es für ihn interessant, beugt er sich vor und signalisiert „Ich bin dabei“ (Abb. 2.86). Sitzt jemand hingeflegelt auf seinem Stuhl soll das vielleicht locker und überlegen wirken. Doch derjenige hat die Kontrolle über sich verloren. Er ist gelangweilt oder überfordert, auf jeden Fall unkontrolliert. In einer typischen Beobachterrolle sitzt jemand unangespannt auf dem Stuhl. Er hat nicht vor in die Diskussion einzugreifen, will aber auch nicht angesprochen werden, wenn er zusätzlich zum Schutz ein Bein überschlägt (Abb. 2.87). Wenn sich ein Gesprächspartner auf seinem Stuhl während eines Gesprächs mehrmals kurz erhebt ohne wirklich aufzustehen, fühlt er sich nicht wohl in seiner Rolle. Er möchte am liebsten weg von hier. Meist erfolgt diese Bewegung unbewusst, ausgelöst durch einen unangenehmen Reiz (Abb. 2.88). Vielleicht kennen Sie das, wenn Sie auf einem Stuhl sitzend ein spannendes Fußballspiel verfolgen. Der

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

Abb. 2.87   Hingeflegelt und Kontrolle verloren (li.) – Beobachterrolle (re.)

Abb. 2.88   Kurzes Anheben des Körpers und wieder zurück

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.89   Opferrolle (li.) – Breitbeiniges Sitzen (Mi.) – Wegdrehen (re.)

Stürmer schießt aufs Tor, jetzt muss endlich das ersehnte Tor fallen und dann geht der Schuss doch daneben, kein Tor. Jemand der unruhig ist, wippt auf dem Stuhl hin und her (Matschnig 2019). Eine breitbeinige Sitzhaltung zeigt Aggression. Die geöffneten Beine signalisieren dem Gegenüber die Bereitschaft zu kämpfen. Wenn Sie sich jetzt klein auf Ihrem Stuhl machen, gehen Sie in die Opferrolle und machen deutlich „Ich bin unterlegen.“. Drehen Sie sich einfach seitwärts, damit nehmen Sie sich aus der „Schusslinie“ (Abb. 2.89). Eine gute Methode ist es, die Bewegungen der anderen Teilnehmer an einem Meeting aufzunehmen. Nicht sie nachzuäffen, aber mit ihren Bewegungen zu schwingen. Wenn sich die anderen z. B. nach vorne lehnen, tun sie das auch. Menschen mit gleichen Gesten schätzen sich eher als sympathisch ein. Das „spiegeln“ von Bewegungen hilft dabei (Matschnig 2019).

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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2.2.9 Stehen und Gehen Steht jemand aufrecht mit beiden Beinen fest auf dem Boden, die Füße leicht geöffnet, strahlt er Sicherheit aus. Er hat einen festen Standpunkt und signalisiert Aufrichtigkeit. Aufrecht stehend fällt es schwer nicht die Wahrheit zu sagen und aufrecht stehend kann man auch viel weiter blicken, hat einen größeren Überblick (Verra 2015). Steht jemand breitbeinig da, beansprucht er eine große Standfläche. Er ist besitzergreifend. Breitbeiniges Stehen lässt Selbstüberschätzung und Prahlerei vermuten. Stellen Sie sich den Filmschauspieler John Wayne15 in einem seiner Western vor. Stehen auf kleiner Standfläche mit aneinander stehenden Füßen zeigt Unsicherheit. Diese Person steht stramm und wartet voller Ehrfurcht darauf, einen Befehl entgegen nehmen zu dürfen (Molcho 2013) (Abb. 2.90). Wechselt jemand oft die Position der Füße, hat er keinen festen Standpunkt oder eine feste Meinung. Er ist unsicher und wird keine klare Position beziehen (Abb. 2.91).

Abb. 2.90   Aufrecht stehen (li.) – Breitbeinig stehen (Mi.) – Strammstehen (re.)

15John

Wayne, US-amerikanischer Filmschauspieler, Produzent und Regisseur, gest. 1979.

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.91   Position der Füße wechseln

Hebt sich beim Stehen die Ferse eines Fußes und das Gewicht wird auf den Fußballen verlagert, ist das ein Hinweis darauf, dass die Person vorhat etwas zu tun, was eine Bewegung des Fußes erfordert. Im Zusammenhang mit anderen Körpersignalen wird klar, ob sie sich nähern oder gehen will (Navarro 2020). Der Gang eines Menschen ist meist typisch für ihn. Wir können jemanden an seinem Gang erkennen. Sein Gang charakterisiert ihn und uns natürlich genauso. Unser Gang gibt Auskunft über uns und unsere Stimmung. Aber Vorsicht, nach Morris gibt es etwa vierzig unterschiedliche Arten zu gehen (Morris 1985). Denken wir an verschiedene Schauspieler und ihren typischen Gang wie John Wayne, Charlie Chaplin16 oder Dan Aykroyd17(Navarro 2020). Die Bewegung von Armen und Beinen bildet den Gang eines Menschen. Probieren Sie einmal mit bewusst steif nach unten gehaltenen Armen zu gehen. Es wird sich eigenartig anfühlen, etwas fehlt. Nun entspannen Sie Ihre Schultern

16Charlie 17Dan

1980).

Chaplin, englischer Schauspieler und Regisseur, gest. 1977. Aykroyd, kanadischer Schauspieler, Hauptrolle im Kinofilm „Blues Brothers“ (USA

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.92   Gehen mit hängenden (li.) und schwingenden Armen (re.)

und gehen ein paar Schritte. Jetzt schwingen die Arme von ganz alleine. Schwingen Sie nun die Arme einmal mehr und einmal weniger stark. Sie verändern Ihren Gang. Denken Sie während des Gehens an den letzten Urlaub. Sie werden beschwingter gehen. Denken Sie an das aktuelle Problem im Büro. Sie werden langsamer und bedächtiger gehen (Abb. 2.92). Wie Musik, die Sie gerade hören, Ihren Gang verändert, haben wir in Abschn. 1.8 gezeigt. Bei einer ausgeglichenen Ganghaltung unterstützen die Arme parallel zur Gangrichtung locker die Beinbewegung. Bewegen sich die Arme schneller, wird auch der Gang schneller und umgekehrt. Unser Blick geht dabei nach vorne und Kopf und Hals sind nicht angestrengt. Sie bewegen sich locker. Wir sind bereit, Informationen vor und neben uns aufzunehmen. Gehen wir so, wirken wir locker und sicher. Wird der Kopf beim Gehen nach hinten gedrückt, blockieren wir die Bewegungsfreiheit von Hals und Kopf. Die Augen starren nach vorne und der Mensch wirkt starr und steif, als wenn er auf einer Linie entlanglaufen würde. Was um ihn herum passiert registriert er nicht, will es auch nicht. Er hält sich an seine Linie, auch streng an Richtlinien, der Rest interessiert nicht. Offen für Neues ist er nicht (Molcho 1996). „Betriebsblind“ arbeitet er im Unternehmen

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.93   Kopf beim Gehen nach hinten (li.) und vorne (Mi.) gedrückt – Blick beim Gehen nach unten (re.)

und sieht Möglichkeiten, die sich bieten, nicht. Ähnlich wie ein Pferd mit Scheuklappen, das stur geradeaus läuft oder dorthin, wohin man es steuert. Wird dagegen der Kopf nach vorne gedrückt, ist derjenige eher vorsichtig. Der Kopf und der Blick sind vor dem Körper, so dass noch etwas mehr Reaktionszeit bleibt, wenn etwas im Weg ist. Aber auch hier sind Kopf und Nacken etwas blockiert. Geht der Blick nach unten auf den Boden, wird der Weg vor sich auf mögliche Hindernisse geprüft (Abb. 2.93). Die Person ist sehr vorsichtig. Sie liebt das Gewohnte und scheut das Risiko. Bewegt sich der Kopf locker hin und her, schaut nach links und nach rechts, sind diese Menschen neugierig und offen für Neues. Sie sind interessiert an den Dingen, die um sie herum geschehen (Abb. 2.94). Schiebt sich der Oberkörper beim Gehen nach vorne, zeigt das einen Menschen, der ehrgeizig ist, der eigentlich noch schneller am Ziel sein möchte. Er ist sich selbst schon voraus. Er steht unter Zeitdruck, Kleinigkeiten sind nebensächlich. Nimmt jemand den Oberkörper beim Gehen zurück, will er eigentlich gar nicht ankommen. Er hält sich selbst zurück. Er hat keine Lust. Ehrgeizig ist er nicht. Ist der Brustkorb dazu noch eingefallen, sehen wir einen Menschen, der sehr bedrückt ist. Aktionen erfolgen nur widerwillig (Molcho 2013) (Abb. 2.95).

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.94   Kopf beim Gehen nach links (li.) und rechts (re.)

Abb. 2.95   Oberkörper beim Gehen vorgeschoben (li.) – Oberkörper beim Gehen zurückgehalten (re.)

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.96   Handflächen parallel zur Richtung (li.) – Verkrampfte Hände beim Gehen (re.)

Wir haben schon gesehen, wie die Arme den Gang unterstützen. Die Hände tun dies genauso. Schwingen die Arme beim Gehen, ist derjenige aktiv und aufgeschlossen. Im natürlichen Gang sind die Handflächen parallel zur Gangrichtung. Oft kann man auch beobachten, dass jemand beim Gehen die Hände verkrampft bzw. in einer angespannten Position hält. Diese Person ist nervös oder unsicher (Abb. 2.96). Halten wir unsere Handrücken beim Gehen nach vorne, sind wir eher vorsichtig vgl. Abschn. 2.2.7 (Abb. 2.97). Wenn Sie es ­ausprobieren, merken Sie, wie sich andere Körperteile beim Gehen blockieren. Unser Becken und unsere Schultern fühlen sich steif an und so wirkt unser Gang auch. Es hemmt uns etwas. Wenn wir merken, dass wir in einer starren oder verkrampften Haltung gehen, sollten wir das ändern. In dem Moment, in dem es uns auffällt, können wir durch ein Nase putzen diese Haltung ändern (vgl. Abschn. 2.1). Samy Molcho schlägt vor, sich genüsslich mit der Zunge über die Lippen zu streichen. Schon verändern sich unsere Gedanken und unser Gang (Molcho 1996). Wird beim Gehen eine Schulterseite leicht versetzt gehalten, möchte derjenige sich aus der Schusslinie bewegen (vgl. Abschn. 2.2.8). Er möchte weniger Angriffsfläche bieten.

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.97   Handrücken beim Gehen nach vorne gerichtet

Er wird aber auch versuchen, einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen und Anstrengungen zu vermeiden (Molcho 2013). Ein zielstrebiger Gang unterscheidet sich von einem zurückhaltenden, vorsichtigen Gang. Sie fühlen es, wenn Sie mit hängenden Armen und eingezogenen Schultern in langsamen Schritten auf jemanden zugehen (Abb. 2.98). Sie machen sich klein, um keine Angriffsfläche zu liefern. Geht jemand in kleinen, schnellen Schritten herum, könnte er ein Pedant sein und sich an Kleinigkeiten oder auch Nebensächlichkeiten festhalten. Er wird Sachverhalte intensiv prüfen. Ihm sollten wir Details vermitteln und auf einzelne Projektschritte hinweisen. Es wird sich für die Meinung von Fachleuten interessieren. Große Schritte deuten auf wenig Detailverliebtheit hin, das Ziel sollte schnell erreicht werden. Bei ihm würden Details nur stören, er fühlt sich dadurch aufgehalten sein Ziel zu erreichen (Abb. 2.99). Anatomisch bedingt muss er beim Gehen den Schwerpunkt seines Körpers nach vorne legen, was ein Ausbalancieren erschwert. Dieser Mensch ist bereit ein Risiko einzugehen, wenn es bei der Zielerreichung hilft. Geht er in dynamischen Schritten auf etwas zu, wirkt er selbstbewusst. Er ist motiviert und

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.98   Arme hängen lassen und Schultern eingezogen

Abb. 2.99   Kleine (li.) und große Schritte (re.)

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.100   Dynamischer Gang (li.) – Stolzieren (re.)

voller Tatendrang. Wird der Gang deutlich durch die schwingenden Arme unterstützt, sind wir risikofreudig und fühlen uns stark. Wir gehen ohne Deckung und wollen schon nach dem Folgenden greifen (Molcho 1996). Gehen wir bewusst langsam, so dass man uns gut beobachten kann, stolzieren wir. Wir stellen uns zur Schau (Abb. 2.100). Bei Politikern, bei Schauspielern oder bei Menschen, die zu einem Mikrofon schreiten, können wir dies beobachten. Erwarten wir einen Angriff, sind wir vorsichtig und abschätzend, unsere Arme schwingen deutlich kürzer. Sie bewegen sich primär aus dem Ellenbogen, vielleicht ziehen wir auch die Hände ein wenig hoch zum Kopf. Wir wirken schüchtern auf unsere Beobachter. Wir gehen wie ein Boxer in Deckung. Tragen wir eine große berufliche oder private Last, lassen wir die Schultern hängen. Als wenn wir einen Sack Kartoffeln auf unseren Schultern tragen müssten. Sind wir ein wankelmütiger Mensch, der sich nur schwer entscheiden kann, „watscheln“ wir beim Gehen. Wir pendeln nach links und nach rechts (Abb. 2.101). Wir schwanken zwischen Ratio und Gefühl (Molcho 2013). Interessant ist auch, was unsere Füße beim Gehen machen. Zeigen die Füße nach vorne, signalisiert dies Zielstrebigkeit und Persönlichkeit. Neigen sich die Fußspitzen beim Gehen nach innen, deutet das auf Unsicherheit, vielleicht sogar

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.101   Watschelgang

Angst hin. Zeigen die Fußspitzen nach außen, ist die Person noch unentschlossen, die Richtung ist noch nicht klar (Abb. 2.102). Bei der Interpretation der Fußstellung sollten wir jedoch berücksichtigen, dass es auch krankhaft bedingte Veränderungen gibt. Normalerweise rollen die Füße beim Gehen von der Ferse über den Fußballen vollständig ab. So lernt es auch der Schauspieler für seine Bühnenarbeit. Man kann bei einigen Menschen beobachten, dass sie den hinteren Fuß beim Gehen noch mal kurz vom Fußballen abstoßen. Der ganze Körper bekommt noch einen Kick nach vorne. Dies kann ein Hinweis auf versteckten Ehrgeiz sein. Molcho meint, dass solche Menschen in Verhandlungen noch ganz zum Schluss mit einer unerwarteten Forderung kommen. Sie geben zum Schluss nochmal richtig Gas. Rollt der Fuß nicht komplett ab, sondern setzt flach auf den Boden auf, spricht das für einen sehr vorsichtigen Menschen. Er prüft im letzten Moment noch einmal den Boden (Abb. 2.103). Setzt dagegen der Fuß mit gehobenem Ballen vor dem Abrollen mit der Ferse auf, deutet das auf einen ehrgeizigen Menschen hin, den aber schnell der Mut verlässt. Sie starten stark in ein Projekt, verlieren aber im Laufe des Projekts den Mut. Sie bremsen sich. Oft mehr Schein als Sein (Molcho 2013).

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

Abb. 2.102   Richtung der Fußspitzen

Abb. 2.103   Hinterer Fuß stößt noch mal ab (li.) – Fuß setzt flach auf (re.)

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.104   Sich größer (li.) und kleiner (re.) machen

Wenn sich Menschen größer machen wollen, als Sie sind, stehen sie auf ihren Zehenspitzen. Oft gehen sie auch sehr nahe an ihren größeren Gesprächspartner heran, um Stärke zu demonstrieren und zu zeigen, dass sie keine Angst vor dem anderen haben. Jemand der kleiner wirken möchte, als er ist, geht leicht in die Knie und sinkt regelrecht ein, um diese Wirkung zu erzielen (Abb. 2.104). Ein Zeichen für Selbstbewusstsein und Überzeugung ist, wenn jemand auf den Füßen wippt, indem er auf den Fußballen steht und dann wieder auf den Fuß zurückrollt (Matschnig 2019). Manche betonen allerdings ihr Selbstbewusstsein durch das Wippen so stark, dass es schon wieder übertrieben und nervend wirkt. Alle diese Signale lassen sich selbstverständlich nur bei gesunden Menschen deuten. Ist jemand krank oder in fortgeschrittenem Alter, ändert sich der Gang aus eben diesen Gründen. 

Wie ändert sich meine Stimmung? Probieren Sie das einmal selbst aus. Gehen sie mit gesenktem Kopf auf und ab und danach mit erhobenem Kopf. Wie ändert sich Ihre Stimmung dabei, wie fühlen Sie sich?

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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2.2.10 Begrüßung und Distanz Die linke Hand ist verbunden mit der rechten Gehirnhälfte, die für die Emotionen steht. Die rechte Hand ist mit der linken Gehirnhälfte verbunden und steht für rationales Verhalten und das Überlegen (vgl. Abschn. 2.2.1). Achten Sie bei jemandem, den Sie begrüßen, darauf, was seine Hände machen. Ist die linke oder die rechte Hand des Anderen aktiv? Was machen Ihre Hände, was signalisieren Sie? Passen die Handbewegung zum Gesagten? Ein „Herzlich Willkommen“ mit einer einladenden Geste der rechten Hand, wobei die linke Hand, die für die Emotionen, steif am Körper bleibt, ist nicht wirklich eine herzliche Begrüßung. Da liegt noch etwas im Argen. Ein ernst gemeintes Willkommen erfolgt mit geöffneten Armen und Händen. Sie gehen mit einem Lächeln im Gesicht und geöffneten Armen auf jemanden zu (Abb. 2.105). Probieren Sie zu Hause eine Begrüßung mit einem Lächeln und offenen Armen und danach eine Begrüßung bei der Sie ernst schauen, die Augenbrauen sich zusammenziehen und Ihre Arme am Körper bleiben. Sie werden genau das spüren, was auch der Begrüßte in den beiden Situationen empfindet. Er wird seinerseits entsprechen reagieren. Hält Ihr Gesprächspartner bei der Begrüßung Ihre Hand ein wenig zu lange, will er etwas von Ihnen. Er will etwas aus Ihnen herausquetschen. Leicht ineinander gelegte Hände signalisieren, dass derjenige etwas wissen möchte, etwas plant (Abb. 2.106). Der Händedruck bei einer Begrüßung ist ein ständiges Thema. Wir kennen sie, die Menschen, die uns fast die Hand zerquetschen, wenn sie uns begrüßen. Das baut bei uns unwillkürlich eine Blockade auf, wir fühlen uns unterdrückt und bedrückt. Obwohl wahrscheinlich der feste Drücker eine Person ist, die die eigene

Abb. 2.105   Herzlich Willkommen ernst (li.) und nicht ernst gemeint (re.)

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.106   Ineinander gelegte Hände

Unsicherheit gezielt überspielen will. Und die anderen, bei denen man nicht merkt, dass sie einem die Hand gegeben haben, weil man sie nicht spürt. Wir spüren direkt die Unsicherheit des anderen. Er will absolut nicht auffallen oder etwas falsch machen. Ganz ausgeprägt bei denen man das Gefühl hat, eine Fischflosse in der Hand zu haben. Keine Spannung, kein Selbstvertrauen. Kommt uns jemand bei der Begrüßung mit ausgestrecktem Arm entgegen, möchte er Distanz wahren und uns nicht so nah an sich heranlassen. Sein Oberkörper zeigt Zurückhaltung (Abb. 2.107). Wir wirken selbstsicher und freundlich, wenn wir bei der Begrüßung die gesamte Hand des Anderen fassen. Je größer die Berührungsfläche, desto stärker wird diese Wirkung auf ihn (Matschnig 2019). Sie können Ihrem Gegenüber auch zu nahekommen oder er Ihnen. Bei einer Begrüßung gilt es Distanz zu wahren, es sei denn Sie kennen sich so gut, dass Sie einander umarmen wollen. Ist die Distanz zu gering, wirkt das auf den anderen bedrohlich. Ist sie zu groß, kommt man sich nicht nahe. Das wirkt dann zurückhaltend, voller Respekt oder ängstlich und voller Vorsicht. Als passend empfinden wir den Abstand, der notwendig ist, um den anderen komplett zu scannen, also von Kopf bis Fuß anschauen zu können. Dieses Empfinden rührt aus der Vergangenheit. Mit diesem Abstand ist es möglich zu erkennen, ob der andere eine Waffe trägt. Stehe ich direkt vor ihm und sehe ihm in die Augen, kann ich nicht erkennen, ob eine Pistole in seinem Gürtel steckt oder er eine Hand hinter dem Rücken verbirgt, in der er ein Messer versteckt hält. Dieser Abstand ist auch genau richtig sich zur Begrüßung die Hände zu schütteln. Allerdings ist er auch genauso groß, um den anderen mit der Faust zu treffen (Abb. 2.108). Jede Distanz wird je nach Empfinden wiederum eine Reaktion des Gegenübers hervorrufen.

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.107   Fester Händeruck (o. li.) – Lascher Händedruck (o. re.) – Fischflosse (u. li.) – Ausgestreckter Arm (u. re.)

Abb. 2.108   Distanz zu gering (li.) – passend zum Scannen (Mi.) – zu groß (re.)

Sitzen in einem Raum mehrere Personen und eine von ihnen sitzt abseits von den anderen, herrscht eine gewisse Distanz zwischen den Anwesenden im Raum. Diese distanzierte Person kann neu im Unternehmen sein, also noch nicht bekannt mit den anderen. Sie ist noch unsicher und vorsichtig. Wird die Distanz zu ihr von den anderen gesucht, ist sie aus der Gruppe ausgestoßen. Oder sie ist der Chef, dem die anderen nicht zu nahekommen wollen. Vielleicht ist sie auch nur ein stiller Beobachter einer Diskussion. Es könnte aber auch sein, dass sie eine anwesende Person und deren Verhalten genau beobachtet. (Abb. 2.109).

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.109   Sitzhaltung bei Distanz im Raum: unsicher (o. li.) – ausgestoßen (o. re.) – stiller Beobachter (u.)

2.2.11 Revier markieren Oft fällt mir im Restaurant auf, dass ein Gast hereinkommt und die erste Handlung an seinem Tisch ist, die Autoschlüssel und das Smartphone auf dem Tisch – meist sogar geräuschvoll – zu platzieren (Abb. 2.110). Damit macht er seinen territorialen Anspruch deutlich. „Hier bin jetzt ich und kein anderer“. Gleiches können wir zu Beginn eines Meetings beobachten, wenn jemand hereinkommt und als erstes seine Unterlagen und natürlich sein Smartphone auf den Tisch legt, um seinen Platz zu sichern. Er markiert sein Revier (Abb. 2.111). Dann wird erst noch ein Kaffee geholt, der Platz ist ja gesichert. Später im Meeting ist das ähnlich, auch der Schreibblock und der Stift zum Schreiben werden gerne genutzt, um seinen Bereich zu markieren. Im Urlaub treffen wir immer wieder auf die „Handtuchreservierer“. Morgens vor dem Frühstück gehen sie flott zum Swimmingpool und sichern für sich und die Familie die besten Liegen. Dann geht es gemütlich zum Frühstück und am Nachmittag werden die Liegen dann auch benutzt. Treffen im Hotel zwei Handtuchreservierer aufeinander, treiben sie sich

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

Abb. 2.110   Revier markieren im Restaurant

Abb. 2.111   Revier markieren im Büro

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.112   Streit um die Armlehne

täglich zu früheren Aufstehzeiten. Man kann sich nach dem Belegen der Liegen ja wieder ins Bett legen. Besitzergreifende Menschen verletzten durch ihre Handlungen oft die Schutzzone bzw. Privatsphäre des anderen. Der Verletzte reagiert selbstverständlich durch Ergreifen von Gegenmaßnahmen, um seine Schutzzone wiederherzustellen. Wir kennen das aus dem Flugzeug, dem Kino oder dem Theater, wenn sich zwei Menschen die Armlehne teilen müssen (Abb. 2.112). Treffen dort zwei dominante Menschen aufeinander, wird es einen Streit um die Benutzung der Armlehne geben. Trifft der Dominante auf einen unsicheren Sitznachbarn, wird er versuchen sein Territorium stückweise, zu Lasten des Nachbarn, zu erweitern. Im Flugzeug sitze ich bevorzugt auf dem Sitzplatz am Gang. Das Problem der Armlehne taucht nur einmal auf und ich kann mich Richtung Gang beugen, ohne meinen Sitznachbarn anzustoßen. Allerdings droht dann Gefahr von hinten durch das Servicepersonal, das den Getränketrolley durch den Gang schiebt. Die Schutzzone anderer müssen wir akzeptieren und respektieren. Auch im Büro ist dies häufig ein Thema, das für Aufregung sorgt. Für den Vorgesetzten ist es selbstverständlich, dass ein Mitarbeiter an seine Tür klopft und wartet bis er hereingebeten wird (Abb. 2.113). Genauso selbstverständlich sollte es auch andersherum sein. Aber oft betritt ein Vorgesetzter ohne anzuklopfen das Büro eines seiner Mitarbeiter, er schneit förmlich herein (Abb. 2.114). Einem Mitarbeiter eine Unterlage einfach auf dessen Schreibtisch zu legen, damit er sie sofort annehmen muss, ist ein respektloses Verhalten (Abb. 2.115). Der Mitarbeiter organisiert seine Arbeit, hält Ordnung auf seinem Schreibtisch, die nun zerstört wird.

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

Abb. 2.113   Warten an der Bürotür

Abb. 2.114   Hereinschneien

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.115   Unterlagen auf Schreibtisch schmeißen

Der Besucher, der vor der Bürotür wartet, wird ein fremdes Terrain betreten. Dort ist er nicht zu Hause und damit unsicher. Oft hört der Wartende nur ein gebrülltes „Herein“ oder „Reinkommen“. Deutlicher kann man eine geringe Wertschätzung für den Hereinkommenden kaum ausdrücken. Höflich und respektvoll ist, wenn der Hausherr den Besucher an der Tür abholt und begrüßt (Abb. 2.116). Er drückt damit seine Wertschätzung für den Eintretenden aus. Spannend ist es für den Eintretenden darauf zu achten, ob die Begrüßungs-Geste mit der linken oder rechten Hand erfolgt (vgl. Abschn. 2.2.1). Ein nicht respektvolles Verhalten kann man oft auch beobachten, wenn ein Gespräch gestört wird. Sind zwei Menschen in eine Unterhaltung vertieft und das Telefon des einen klingelt, wird der Anruf oft mit den Worten „Ich kann jetzt nicht“ angenommen und sogleich wieder beendet, anstatt sich auf die Unterhaltung und den Gesprächspartner zu konzentrieren. Drei Signale sind gesendet worden: 1. Die Unterhaltung war bis jetzt nicht so spannend, ich lass mich gerne stören 2. Der Anruf ist mir wichtiger als mein Gesprächspartner 3. Der Anrufende ist mir auch nicht wichtig, denn ich gebe ihm eine unnötige Information. Dass ich jetzt nicht gestört werden möchte, hätte er auch gemerkt, wäre der Anruf nicht angenommen worden.

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Abb. 2.116   Den Besucher an der Tür abholen und hereinbitten

2.2.12 Gesprächssituationen Wir hatten schon über die Begrüßung einer anderen Person gesprochen. Folgt danach ein Gespräch z. B. im Büro eines Geschäftspartners oder Kollegen, wird der „Hausherr“ dem Besucher einen Platz anbieten. Rückt der Besucher den Stuhl noch ein wenig zur Seite bevor er sich setzt, zeugt das von Selbstbewusstsein, denn er hat eine Situation erkannt, bewertet und reagiert. Steht der angebotene Stuhl vor dem Schreibtisch des Einladenden und der setzt sich hinter seinen Schreibtisch, möchte er das Gespräch dominieren. Er bestimmt was geschieht. Er schafft eine Barriere zwischen sich und dem Besucher. Er will ihn einschüchtern und auf seinen Standpunkt festnageln. Wir kennen das aus Kriminalfilmen, wenn der Verdächtige vom Kommissar verhört wird. Der Verdächtige wird mit Fragen träge gemacht und eingekreist. Vielleicht blendet ihn zusätzlich noch eine Lampe. Ist der angebotene Stuhl vor dem Schreibtisch auch noch unbequem und niedrig, muss der Besucher zu seinem Gesprächspartner aufschauen und der schaut auf ihn herab. Keine Situation auf Augenhöhe. Manchmal aber bewusst zur Einschüchterung des Anderen herbeigeführt. Im Kameratraining für Interviews, wie es Unternehmen für Führungskräfte anbieten, lernt man wie wichtig es ist, direkt in das Kameraobjektiv zu schauen. Die Kamera sollte einen nie von oben

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

filmen. Der Interviewte wirkt dann klein und strahlt wenig Kompetenz aus. Filmt die Kamera hingegen von unten, wirkt das für die Zuschauer später arrogant und von oben herab (Abb. 2.117). Sitzt man sich in einem Gespräch im Büro direkt gegenüber ist die Gefahr groß, dass beide Partner eine Konfrontationshaltung einnehmen (Abb. 2.118). Direkt gegenüber oder getrennt durch einen Schreibtisch, ist die Bewegungsfreiheit beider eingeschränkt und es gibt wenig Möglichkeiten für einen Stellungswechsel bzw. Drehpunkt und damit einen Standpunktwechsel. Aber es gibt sie.

Abb. 2.117   Von oben (li.) – Von unten (re.)

Abb. 2.118   Direkt gegenübersitzen

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

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Derjenige hinter dem Schreibtisch hat die Möglichkeit, sich in seinen Akten zu verstecken, wenn die Gesprächssituation einmal brenzlig wird. Oder er nutzt andere Utensilien auf dem Schreibtisch, um sich zu beschäftigen. Bleibt Ihr Gesprächspartner stur hinter seinem Schreibtisch sitzen und bewegt sich nicht, ändern Sie aktiv die Situation. Stehen Sie auf und bewundern ein Bild an der Wand des Büros. Sie ändern Ihren Standpunkt und Ihr Gegenüber muss reagieren. Eine Sitzecke mit einem Tisch bietet die Möglichkeit, seitwärts zueinander gewandt zu sprechen, auf dem Tisch seine Unterlagen und einen Stift abzulegen, den man sich später für einen notwendigen Stellungswechsel zurechtlegt. Man kann dort seine Sitzposition ändern, aufstehen und so Drehpunkte schaffen (vgl. Abschn. 2.1). Lehnt sich ein Gesprächspartner zurück, kann das den anderen ermuntern sich weiter vorzubeugen, dominanter zu werden (Abb. 2.119). Die Hände, z. B. erhobene Daumen bestärken diese Haltung und deren Wirkung wiederum auf den anderen. Der bleibt, da er sich unwohl und unter Druck gesetzt fühlt, bei seiner ablehnenden Haltung und setzt seinerseits Arme und Hände ein um abzuwehren. Vielleicht erhebt er nur die Hand kurz zum Gesicht oder zur Brille, aber sendet damit das Signal aus (Abb. 2.120). Kommt der Gegenüber nun noch weiter nach vorne und beugt sich deutlich über den Tisch, zieht sich der andere immer weiter

Abb. 2.119   Einer lehnt sich vor und der andere zurück

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Abb. 2.120   Weiter vorlehnen, Hand zum Gesicht

zurück, weicht mit seinem Körper aus oder verschränkt die Arme. Ist keiner bereit seine Position zu ändern, wird das Gespräch keinen guten Abschluss finden (Abb. 2.121). Würde einer der Gesprächspartner die Signale des anderen erkennen und darauf eingehen oder ihn zu einem Stellungswechsel animieren, könnte das Gespräch einen anderen Verlauf nehmen. Einer der beiden könnte seine Sitzposition verändern, dem anderen einen Kaffee anbieten oder ihm eine Unterlage über den Tisch reichen, die er annehmen muss (Abb. 2.122). Einer kann zum Fenster gehen und es öffnen oder die Aussicht bewundern. Es gibt viele Möglichkeiten aktiv einen Drehpunkt zu schaffen. Für mich war es immer angenehmer Mitarbeiter nicht in mein Büro zu „bestellen“, sondern zu ihnen an ihren Arbeitsplatz zu gehen. Ich wollte ihnen, gerade in schwierigen Gesprächssituationen, ein „Heimspiel“ geben und kein Auswärtsspiel in meinem Büro aufzwingen. Hürden abbauen anstatt Hürden aufbauen. Zudem ermöglichte mir der Gang zum anderen Büro bei weiteren Mitarbeitern vorbeizuschauen und nach aktuellen Projektständen zu fragen. Zu motivieren oder auch Knackpunkte und Stimmungsänderungen zu erkennen. Im Büro eines Mitarbeiters erfährt man mehr von dem Menschen. Wie ist der

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

Abb. 2.121   Weiteres Vorlehnen, der andere ist verschreckt

Abb. 2.122   Stellungswechsel

137

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Schreibtisch organisiert, welche Bilder hängen an der Wand? Gibt es Pflanzen oder persönliche Dinge im Büro? (vgl. Abschn. 3.7). Mit einem Coach lassen sich die unterschiedlichsten Gesprächssituationen durchspielen. Ich war davon so begeistert, dass ich meinen Direct Reports im Rahmen einer Zielvereinbarung angeboten habe, für ein Jahr einen Private Coach zu nutzen. Für den Mitarbeiter war das ein deutliches Zeichen meiner Wertschätzung und meines Interesses an seiner weiteren Entwicklung. Für mich bedeutete es, einen hochengagierten Mitarbeiter zu haben, der sich weiterentwickeln wollte. Selbstverständlich waren alle Gespräche zwischen Mitarbeiter und seinem Coach für mich tabu. Ich wollte auch keinen Bericht oder Ähnliches haben, weder vom Mitarbeiter noch vom Coach. Während eines Coachings ist es möglich, die eigene Wirkung auf andere zu testen, zu spüren, was beim anderen passiert. Man lernt Verhalten zu erkennen und zu verstehen und warum eine bestimmte Verhaltensreaktion des anderen erfolgt. Im Coaching können verschiedene eigene Verhaltensweisen ausprobiert werden, um zu erkennen, ob eine andere Haltung nicht vielleicht besser angebracht wäre. Der Gecoachte kann aus seinem Rollenverhalten ausbrechen und ohne Gesichtsverlust im Training seine eigenen Entwicklungspotenziale erkennen. Er lernt wie und warum andere unterschiedlich auf seine Verhaltensweisen reagieren. Er entwickelt Verständnis für sich und andere. Er kann sich selbst erleben. Wer sich nicht ändert, ändert auch nichts. Die Reaktionen der anderen werden dann immer die gleichen bleiben. 

„Wenn Sie immer das tun, was sie bisher getan haben, werden Sie auch immer das bekommen, was Sie bisher bekommen haben.“ (Henry Ford18)

2.2.13 Der Vortrag Wohin mit den eigenen Händen während eines Vortrages? Ihre Hände hängen an Ihren Armen. Sie sind plötzlich bleischwer und hängen am Körper herunter. Gerade am Anfang eines Vortrages haben viele dieses Gefühl. Manche Vortragende stecken eine Hand in die Hosentasche, dann ist schon einmal eine von beiden weg und in Sicherheit. Auf die Zuhörer wirkt das allerdings genauso wie

18Henry

Ford, US-amerikanischer Gründer des Automobilherstellers Ford Motor Company, gest. 1947.

2.2  Die Körpersprache ist eine laute Sprache

139

Sie sich fühlen. Es strahlt Unsicherheit aus, obwohl es doch genau das Gegenteil bewirken soll. Die Hände vor dem Bauch zu falten, wirkt satt und unbeweglich. Sie hinter dem Rücken zu halten, erweckt die Erinnerung an Lehrer aus der Vergangenheit. Wenn Sie sie einfach an den Armen hängen lassen, dann lassen Sie sich hängen. Halten Sie sich nicht am Rednerpult fest, das wirkt steif und leblos. Sie versetzen sich damit in eine starre und monotone Stimmung. Wie wollen Sie eine aktive Körperhaltung ausstrahlen, wenn Sie sich hinter dem Pult verstecken. Keiner sieht Sie. Sie nehmen sich damit viele Ausdrucksmittel. Bewegen Sie sich, zeigen Sie Ihren Körper, Ihre Person. Versetzen Sie sich in eine aktive und positive Stimmung für Ihren Vortrag. Denken Sie nicht an Ihre Hände, dann benehmen Sie sich auch ganz natürlich. Ihre Hände wissen schon was zu tun ist. Wenn Sie spazieren gehen, im Restaurant sind oder mit Freunden sprechen taucht das Problem gar nicht auf. Sie sind nicht unsicher und denken nicht darüber nach. Einige Vortragende nutzen Notizkärtchen auf denen sie die wichtigsten Inhaltspunkte des Vortrages vermerkt haben und halten sie in beiden Händen. So kann man wichtige Punkte nicht vergessen und hat gleichzeitig seine Hände im Griff. Aber würden Sie wichtige Punkte in Ihrem Vortrag vergessen? Dann wären Sie schlecht vorbereitet. Zudem sind mit dem Halten der Notizzettel eine oder sogar beide Hände besetzt, nicht mehr frei für unterstützende Gesten. Dann ist es besser irgendwo, am Pult, neben Ihrem Laptop oder neben dem obligatorischen Wasserglas, einen Zettel mit den wichtigsten Punkten zu platzieren. Zu ihm können Sie dann bei Bedarf immer wieder hingehen, um z. B. einen Schluck Wasser zu trinken und dabei auf Ihre Notizen zu schauen. Sie haben damit Ihre Hände frei, bewegen sich und denken an die notwendige Flüssigkeitsaufnahme. Helfen kann auch ein Pointer oder ein Stift, an dem man sich festhalten kann. Mit der anderen Hand unterstützen Sie das Gesagte. Lassen Sie ihr freien Lauf. Eine gute Lösung kann auch sein, die Hände vor dem Körper locker ineinander zu legen. Dann sind sie frei und Sie können sie bei Bedarf sofort einsetzen und ihre Hände haben doch eine feste „Parkposition“. Die liegt in der Mitte des Körpers, also nicht zu hoch und nicht zu niedrig. Machen Sie die Bewegungen nicht aus einem Arm, der fest an Ihrer Seite klebt. Geben Sie sich die Bewegungsfreiheit. Ihre Hände gehören zu Ihren Armen. Zeigen Sie Ihre Gesten seitlich von Ihrem Körper (Matschnig 2019). Sie werden besser gesehen und Sie verbreitern Ihre Körperfläche, sind präsenter.

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Der Vortrag des Anderen (vgl. Spindler 2016) Halten Sie Ihren Vortrag oder Ihre Präsentation als eine andere Person. Nehmen Sie Ihre Notizen oder Charts und tun so, als seien Sie ein bekannter Politiker, den Sie gerade im Fernsehen gesehen haben. Halten Sie Ihren Vortrag doch einmal als Steve Jobs oder als Florian Silbereisen19. Sie sollen diese Personen nicht imitieren, Sie sollen nur deren Gestalt annehmen und sich von sich selbst lösen. Sie werden merken, dass Sie als jemand anderes nicht nervös und unsicher sein werden. Ihre Hände, Ihre Körperhaltung werden automatisch das Richtige tun.



Ihre Unsicherheit kommt vom Kopf aus Ihren Gedanken. Sind Sie jemand anderes, haben Sie diese Gedanken nicht. Diese Übung hilft zu merken, woher die Unsicherheit kommt und vor allem zu realisieren, dass es keine wirklichen Gründe dafür gibt.

Versuchen Sie Ihren Vortrag in unterschiedlichen Stimmungen zu üben. Was macht das mit Ihnen und Ihrer Körpersprache, Ihrem Ausdruck? Machen Sie die Übung, Sie werden es spüren. Bewegung macht attraktiv. Geben Sie Ihren Zuhörern das, was sie als attraktiv empfinden (Verra 2015). Machen Sie es ihnen leichter, Sie zu mögen. Der Vortrag in unterschiedlichen Stimmungen

Halten Sie Ihren Vortrag zur Übung in unterschiedlichen Stimmungen, Sie werden spüren wie sich Ihre Körperhaltung verändert. Sie werden merken, dass sich eine positive Stimmung positiv auf Ihren Ausdruck auswirkt. Probieren Sie es mit: • • • • •

Einer übertrieben fröhlichen Stimmung Einer übertrieben ärgerlichen Stimmung Einer neutralen Stimmung Lassen Sie sich hängen und Ihre Arme dazu Setzen Sie bewusst Arme und Hände ein ◄

Klaus Maria Brandauer20 hat zur Schauspielerei gesagt, man solle sich nicht auf den Text reduzieren lassen, das sei ja vollkommen unwichtig (Brandauer 2019). 19Florian 20Klaus

Silbereisen, deutscher Fernsehmoderator, Sänger und Schauspieler. Maria Brandauer, österreichischer Schauspieler und Regisseur.

2.3  Wie Du wieder auftrittst!

141

Die Gesten, mit denen Sie Ihren Vortrag unterstützen wollen, wirken dann besonders stark, wenn sie vor Ihren Worten erfolgen. Also nicht zeitlich parallel oder nach Ihren Worten. Das nonverbale Signal, sollte vor der verbalen Aussage erfolgen. Ihre Handbewegungen sollten oberhalb der Taille erfolgen, sie wirken positiver. Handbewegungen unterhalb der Taille wirken negative, sie signalisieren Gleichgültigkeit oder Unsicherheit (Matschnig 2019). Machen Sie Ihre Bewegung groß, deuten Sie sie nicht nur kurz an, sondern lassen Sie sie länger im Raum stehen (Verra 2015). Genauso, wie es der Schauspieler auf der Bühne macht, damit die Zuschauer seine Bewegungen sehen. Denken Sie bei Ihrem nächsten Vortrag daran.

2.3 Wie Du wieder auftrittst! Der erste Eindruck, den man hinterlässt – egal ob als Schauspieler oder als Manager – ist prägend und nur schwer korrigierbar. Sofort erfolgt eine Einordnung bzw. Typisierung. Wir stempeln den Anderen unmittelbar ab. Wir empfinden Sympathie oder Antipathie, Gefallen oder Nichtgefallen, Gefahr, Freude, Interesse, oder Rivalität (Molcho 1996). Stanislawski sagt, der erste Eindruck ist wie ein Saatkorn (Stanislawski 1996). Es wächst stetig und wir sind bemüht, diesen ersten Eindruck, den wir von jemandem haben, auch immer wieder bestätigt zu sehen. In der Wissenschaft wird das als kognitive Dissonanz bezeichnet. Wir interpretieren alle Handlungen und Worte einer Person in die Richtung des ersten Eindrucks, selbst dann, wenn es nicht immer passt. Im Marketing finden wir kognitive Dissonanz, wenn sich der Käufer eines Produktes auch nach dem Kauf noch immer Testergebnisse dieses Produktes anschaut, um im Nachhinein seinen Kauf vor sich und anderen zu bestätigen. Viele gehen mit dem ersten Eindruck, den sie hinterlassen, sehr leichtsinnig um und sind sich dessen Wirkung nicht bewusst. Es wird später äußerst schwierig diesen ersten Eindruck zu korrigieren. Wie leicht wir aber unsere Sympathie für jemanden vergeben, zeigt Daniel Kahneman (Kahnemann 2011) an einem Experiment von Solomon Asch21. Asch präsentierte seinen Probanden Beschreibungen von zwei Personen, Alan und Ben: Alan: intelligent – fleißig – impulsiv – kritisch – eigensinnig – neidisch. Ben: neidisch – eigensinnig – kritisch – impulsiv – fleißig – intelligent.

21Solomon Asch,

Polnischer Psychologe, gest. 1996.

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Die Probanden sollten nun die Persönlichkeit der beiden Personen beurteilen. Die meisten Teilnehmer an diesem Experiment hatten eine deutlich positivere Meinung über Alan, als über Ben. Die zu Anfang stehenden Merkmale der Beschreibung verändern die Bedeutung der danach folgenden Merkmale. Bei Alan wirken die negativen Eigenschaften nicht so stark wie bei Ben, bei dessen Beschreibung sie am Anfang stehen. Alan ist eigensinnig, und neidisch, aber er ist ja sonst ein intelligenter und fleißiger Mensch. Wir entschuldigen seine negativen Merkmale. Sie zerstören nicht unser positives Bild von Alan. Bei Ben hingegen wirken die ersten negativen Merkmale so stark, dass die folgenden positiven Merkmale unsere Meinung nicht mehr ändern. Bei Ben wirkt die zum Schluss genannte Intelligenz eher gefährlich für eine neidische und eigensinnige Person. Wir interpretieren die später genannten Eigenschaften im Kontext zu den erst genannten. Wir wollen unseren ersten Eindruck immer wieder bestätigen und nehmen spätere Eindrücke, die das Bild stören könnten, verzerrt war. Darum ist es so schwer einen ersten Eindruck zu widerlegen. Diese kognitive Verzerrung wird Halo-Effekt22 genannt (Abb. 2.123).

Abb. 2.123   Halo-Effekt 22Halo-Effekt,

aus dem Englischen „Halo“ = Heiligenschein.

2.3  Wie Du wieder auftrittst!

143

Darum ist es wichtig an unserem Auftritt zu arbeiten. In der Schauspielausbildung wird der Auftritt, der Gang über die Bühne geübt und trainiert. Wie geht ein Schauspieler über die Bühne? Sein Gang ist immer zielgerichtet, d. h. er hat eine Motivation einen bestimmten Gang oder eine bestimmte Handlung zu machen. Dies muss der Zuschauer erkennen können. Sich diese Motivation zu schaffen, ist ein wesentlicher Bestandteil der Schauspielausbildung nach Lee Strasberg und Konstatin Stanislawski. Schauen Sie sich Marlon Brando23 in seiner Rolle in „Der Pate“24 oder einen Film mit Jack Nicholson25, Johnny Deep26 oder Al Pacino27 an. Immer ist die Motivation zu einer Handlung erkennbar, niemals fragt man sich, warum macht er das gerade. Die große Kunst liegt darin, sich diese Motivation aus der eigenen Erinnerung zu holen oder sich durch eigene Vorstellung und Gedankenbilder zu schaffen und in der Szene einzusetzen. Die großen Künstler schaffen dies auch bei der hundertsten Vorstellung immer wieder und dies quasi auf Knopfdruck. Über unsere Körpersprache haben wir schon gesprochen (Abschn. 2.2). Als Manager ist man sich der Wirkung allein des Gehens durch einen Raum oder zum Mikrofon selten bewusst. Ich hätte mir vor der Schauspielausbildung nicht denken können, dass ich vielleicht „falsch“ gehe oder stehe. Aber wie gehe ich überhaupt richtig? Der Fuß muss richtig abrollen, nicht auf der Ferse gehen, nicht auf den Zehen trippeln. Der hintere Fuß schleift beim Gehen nicht über den Boden. Bestandteil des Gehens ist auch die Armhaltung bzw. Armbewegung. Normalerweise bewegen sich beide Arme beim Gehen asynchron, also ein Arm schwingt nach vorne, der andere zurück. Und dies entgegengesetzt zur Beinbewegung. Geht also das rechte Bein nach vorne, schwingt der linke Arm nach vorne. Versuchen Sie es einmal ganz bewusst und ändern dann das Armschwingen parallel zur Beinbewegung. Das fühlt sich unnatürlich an. Oft sieht man Menschen, die beim Gehen nur einen Arm schwingen lassen, der andere bleibt stur in der Nähe der Hüfte. Wenn es keine gesundheitlichen Gründe hat, blockiert die Person entweder die emotionale oder die rationale Ebene (vgl. Abschn. 2.2.1). Der Kopf ist beim Gehen oder auch beim Stehen

23Marlon

Brando (1924–2004), ­US-amerikanischer Schauspieler. Pate, ­US-amerikanischer Spielfilm 1972 von Francis Ford Coppola. 25Jack Nicholson (geb. 1937), US-amerikanischer Schauspieler, Regisseur, Produzent und Autor. 26Johnny Deep (geb. 1963), ­US-amerikanischer Schauspieler und Rockmusiker. 27Al Pacino (geb. 1940), US-amerikanischer Schauspieler, Regisseur und Produzent. 24Der

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

waagerecht geradeaus, wie an einer Schnur von oben gezogen. Stellen Sie sich eine Marionette aus der Augsburger Puppenkiste vor. An dieser Schnur hängt der gesamte Körper, Kopf, Hals, Rückgrat, Bauch, Beine, Po und Füße. Der Kopf ist waagerecht nach vorne gerichtet, der Blick dorthin, wohin man geht. Wenn der Kopf nach oben gerichtet wird, richtet sich automatisch die Nase nach oben. Jemand der so geht, wirkt „hochnäsig“ und arrogant. Neigt man den Kopf nach unten, richtet sich der Blick nach unten und man muss die Augen aufschlagen, um nach vorne zu schauen. Das wiederum wirkt unsicher und nicht souverän. Zum Auftritt eines Schauspielers und eines Managers gehört genauso der Stand auf der Bühne oder in einem Raum. Dabei sind beide Füße fest auf dem Boden, man wird eins mit dem Boden, nichts kann einen erschüttern. So sieht Standhaftigkeit aus und so wirkt sie dann auch. Sie haben „Boden unter den Füßen“, eine Bodenhaftung und werden vom Boden getragen. Wer auf sicherem Boden steht, kann sich auch sicher bewegen. Sie haben einen festen Standpunkt und vertreten den auch. Aus Unsicherheit treten manche Menschen von einem auf den anderen Fuß oder von einem auf das andere Bein. Das wirkt auf andere „wankelmütig“, unsicher und nicht standfest. Genauso würde ein Schauspieler auf der Bühne eine unsichere Person darstellen. Der Schauspieler hat eine Wirkung auf der Bühne. Er erzeugt mit dem vermeintlich simplen Stehen oder Gehen eine Assoziation beim Zuschauer. Der Schauspieler muss mit seinem Körper, seiner Stimme und seinen Gesten den Raum ausfüllen. Er muss Größe entwickeln. Und das unabhängig von der Größe des Raumes. Ein Manager sollte dazu genauso in der Lage sein. Egal, ob in einem Vier-Augengespräch in einem 10 qm großen Raum oder in einer Präsentation vor 500 Zuhörern in einer Stadthalle. Bei Bewerbern für eine Führungsaufgabe unterstütze ich gerne unterschiedliche Coachings. In Rollenspielen übernehme ich die unterschiedlichsten Mitarbeiterrollen, den Unzufriedenen, den Demotivierten, den sich selbst Überschätzenden oder den Querulanten. Schon bei der Begrüßung eines Besuchers bleiben zu Beginn des Coachings viele Bewerber auf ihrem Schreibtischstuhl sitzen und ein lautes „Herein“ zur Tür gerufen, hat eine unpersönliche und wenig wertschätzende Wirkung auf den Eintretenden. Er wird sich gleich als Störenfried fühlen. Gleiches gilt, wenn der Bewerber für eine Führungsposition auf seinem Chefsessel sitzen bleibt, kein Händedruck erfolgt oder er sich Hals über Kopf in das Gespräch stürzt. So kommt Unruhe auf. Für ein sensibles Gespräch denkbar ungeeignet. Guckt der Bewerber seinen Gesprächspartner an oder „flüchten“ seine Augen vor ihm und irren unsicher im Raum herum? Wie sitzt der Bewerber als Vorgesetzter auf seinem Stuhl? Ist der Stuhl überhaupt für ein solches Gespräch geeignet? Zwingt der Stuhl den darauf Sitzenden nach hinten in eine bequeme Konsumentenhaltung, passt das

2.3  Wie Du wieder auftrittst!

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nicht zu einem schwierigen Gespräch, in dem auch Führung gezeigt werden soll. Eine solche Sitzhaltung wirkt passiv, konsumierend und nicht souverän. Auf einem Stuhl, bei dem die Sitzfläche leicht schräg nach hinten abfällt, ist es in einem Mitarbeitergespräch sinnvoll, sich auf die vordere Stuhlkante zu setzen. Diese Sitzhaltung zwingt den Körper automatisch in eine aufrechte Position, die Haltung eines aktiv Zuhörenden und Interessierten. 

Übung Gehen (Quelle: Torsten Stoll)  Hier geht es darum, ein Bewusstsein für unseren Körper zu schaffen. Der Körper ist unser erstes Hauptinstrument. Durch die Fähigkeit in jedem Augenblick des Bühnengeschehens präsent zu sein, vermeiden wir überflüssige Handlungen. Wir reduzieren damit unser Handeln auf das Wesentliche.

Die Übung ist einfach, hat aber eine große Wirkung: • Stehen (Stehen ist stehen) • Objekt fixieren (Sehen ist sehen) • Entscheiden auf das Objekt zu zugehen • Losgehen • Gehen (Gehen ist gehen) • Zum Stehen kommen • Stehen (Stehen ist stehen) • Objekt fixieren (Sehen ist sehen) • Drehen (Drehen ist drehen) • Stehen (Stehen ist Stehen) • Objekt fixieren (Sehen ist sehen)



Übung Stehen (Quelle: Torsten Stoll) Stellen Sie sich in den Raum und achten Sie darauf, dass Ihre Füße etwa schulterbreit und parallel, am Boden stehen. Lassen Sie sich Zeit für diese Bodyscan-Übung. Schließen Sie die Augen und gehen Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit in Ihre Füße. Spüren Sie das Gewicht Ihres Körpers in den Füßen. Wandern Sie jetzt nach oben in die Fußgelenke, dann weiter in die Waden, von dort aus in die Knie. Jetzt schenken Sie die Aufmerksamkeit Ihren Oberschenkeln und wandern wieder weiter in Ihr Becken. Das ist Ihre Mitte. Von dort aus geht es weiter nach oben. Wirbel für Wirbel wandern Sie die Wirbelsäule nach oben bis in den Nacken. Dort

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

angekommen geht die Wahrnehmung in die Schultern, dann weiter nach unten in die Ellenbogen, jetzt in die Unterarme bis in die Hände. Am Ende gehen Sie gedanklich in den Hinterkopf. Stellen Sie sich vor, ein Faden würde Ihren Hinterkopf sanft nach oben, in Richtung Zimmerdecke ziehen. Bleiben Sie so stehen und öffnen Sie Ihre Augen. Fixieren Sie Ihren Blick horizontal in Augenhöhe nach vorne auf einen Punkt. Halten Sie das einfach mal 30 s aus. Jetzt sind Sie präsent. Sie müssen nicht exakt auf diese Weise im Meeting stehen. Diese Übung hilft Ihr Bewusstsein für Ihren Körper zu sensibilisierten. Wenn Ihnen bewusst ist wie sie stehen und dass Sie stehen, sind Sie schon einen Schritt weiter. Die Übung als Ganzes dauert ca. 3–5 min. Nehmen Sie sich täglich Zeit dafür. Sie benötigen dafür nicht immer 5 min. Das geht auch schneller. Gut trainierte Schauspieler rufen diese Präsenz innerhalb von Sekunden auf. Immer wieder mal einen Bodyscan zwischendurch. Das kann man prima im Aufzug, in einer Warteschlange oder alleine im Büro machen.

Ich habe mir als Geschäftsführer nie Gedanken über meinen Auftritt gemacht. Das schien mir nicht wichtig, da gab es viele Dinge zu überlegen und zu entscheiden, da blieb keine Zeit für solche Themen. Alle Projekte und Strategien werden bis ins Kleinste geplant und die eigene Wirkung auf die Mitarbeiter total ausgeblendet. Ein Millionenprojekt wird vor der Belegschaft verkündet, wichtige personelle Entscheidungen bekannt gemacht, auf Betriebsrats- oder Gesellschafterversammlungen präsentiert, externe Vorträge gehalten und das alles, ohne sich Gedanken über die Wirkung des eigenen Auftritts bei so banalen Dingen wie Gehen, Stehen oder Sitzen zu machen. Bei einem „falschen“ Auftritt und wenn Worte und Auftritt nicht zusammenpassen, wird viel verschenkt. Stellen Sie sich vor, Sie haben die Möglichkeit, Ihren Gesellschaftern Ihr neues Projekt vorzustellen, bahnbrechend aus Ihrer Sicht, Sie würden alles dafür geben. Und dann schlurfen Sie durch den Meetingraum, wirken unsicher, stellen sich von einem Bein auf das andere, stellen einen Fuß auf den anderen oder haben ein Bein etwas angewinkelt. Sie wirken wie ein Schüler, der das erste Mal vor Leuten spricht. Ihre ganze Kompetenz, Ihr Knowhow und Ihre Kreativität kommen einfach nicht rüber. Der Zuhörer nimmt den Inhalt Ihrer Worte nicht wahr, weil Ihr Auftritt Ihre Worte nicht unterstützt. Ein Schauspieler muss sich auf seine Rollen, seinen Auftritt konzentrieren. Er geht schon bevor der Vorhang aufgeht in seine Rolle hinein. Nicht erst im Moment, in dem er die Bühne betritt. Das wäre zu spät, er bräuchte einen

2.3  Wie Du wieder auftrittst!

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Moment die Rolle auszufüllen. Aber, sobald er die Bühne betritt, muss er voll in seiner Rolle sein. Der Zuschauer wäre sonst irritiert. Auch die Führungskraft im Unternehmen muss in ihrer Rolle sein, sobald sie die Unternehmensbühne betritt. Die Mitarbeiter wären sonst irritiert. Es gibt unterschiedliche Methoden sich zu konzentrieren und jeder Schauspieler hat seine eigene. Es ist wichtig, sich nicht von der Konzentration leiten zu lassen, sondern die Konzentration dorthin zu leiten, wo man sie haben will. Auf die Atmung, auf den Herzschlag, auf die Sinnesorgane oder auf die erste Szene (Strasberg 2007). Ich gehe, bei geschlossenem Vorhang, während das Publikum noch im Bistro oder der Eingangshalle ist, auf die Bühne. Dort laufe ich auf einer gedachten Linie oder einer Linie, die ich auf dem Boden erkennen kann und spreche Textpassagen. Auf der Linie zu bleiben und Text zu sprechen erfordert meine Konzentration. Ich gehe nie „kalt“ auf die Bühne. Auch, wenn ich während der Vorführung hinter der Bühne noch auf meinen Auftritt warten muss, bin ich in der Rolle und bewege mich schon wie der Charakter, den ich spiele. Ich will Präsenz zeigen. Das kann ich nicht, wenn ich an andere Dinge denke, an das Mittagessen, die nächste Rolle oder Dinge, die ich morgen erledigen möchte. Das würde meine Konzentration stören und ich bräuchte einige Sekunden oder gar Minuten auf der Bühne, um mich in der Rolle zu finden. Ich gehe immer vorbereitet auf die Bühne und in ein Meeting oder eine Präsentation. Auch im Berufsleben ist es ratsam alle die Dinge, die gerade jetzt im Augenblick des Meetings oder der Präsentation nicht relevant sind, auszublenden. Wie wirken Sie auf Ihre Zuhörer, wenn Sie permanent mit Ihren Gedanken woanders sind, Ihre Mails checken oder auf das Telefon schauen. Glaubwürdig und respektvoll wirken Sie dann nicht. Sie strahlen genau das aus was Sie in dem Moment sind, nicht bei der Sache. Viele Menschen neigen dazu, während sie sprechen immer wieder ein „äh“ oder „ähm“ einzustreuen. Für Paul Ekman sind solche Nichtwörter oder auch Wiederholungen Hinweise auf Täuschungen (Ekman 2018). Einige beginnen einen Satz gerne mit einem „ja“ oder beenden ihn mit einem „ok“. Solche Füllworte kommen meist unbewusst, nerven jedoch den Gesprächspartner gewaltig. Eine Angewohnheit, die man sich abtrainieren sollte. Sie wirkt unsicher und nicht sattelfest. Das gleiche gilt für Gesten, wie sich permanent die Brille zu richten, an das Kinn zu fassen oder mit den Haaren zu spielen. Manchmal kann man die Uhr danach stellen, wann ein Redner wieder eine seiner unbewussten Gesten einsetzt. Versuchen Sie sich selbst zu beobachten und Ihren Auftritt aus der Sicht Ihres Gegenübers zu bewerten. Wie wirke ich auf ihn? Sowohl der Schauspieler, als auch der Manager müssen sich die Frage stellen, wie sie auf der Theater- oder der Unternehmensbühne gesehen werden wollen?

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Mein Auftritt

• Wie wirke ich auf Andere? • Habe ich eine konsumierende Sitzhaltung oder wirke ich aktiv und interessiert? • Bin ich „standfest“ bei einer Ansprache oder Präsentation? • Gehe ich zielgerichtet bei einer Präsentation im Raum herum oder klebe ich an einem Standpunkt fest? • Gibt es Gesten, die ich unbewusst mache? • Neige ich dazu öfter ein „äh“ einzubauen? • Bekomme ich Feedback zu meinen „Auftritten“? • Was könnte ich ändern? ◄ Ein Schauspieler benutzt solche Gesten oder Füllwörter selten, da er im Schauspielunterricht gelernt hat, alle Handlungen zielorientiert und bewusst zu machen. Das geht ihm in Fleisch und Blut über. Im Training wird er immer wieder vom Trainer damit konfrontiert und fängt an darauf zu achten. In welchen Augenblicken erfolgen sie und was ist der Auslöser? Mir hat geholfen, wenn mein Regisseur mitten in eine Spielszene immer und immer wieder ein „Schulter“ reingerufen hat, da ich dazu neige beim Spielen meine Schultern hochzuziehen. Es war ganz einfach nur die Anspannung, die sich bei mir darin gezeigt hat. Auch Führungskräfte sollten sich einen Coach oder ein Training dieser Art gönnen. Auf sich allein gestellt ist es schwierig, sich diese Marotten abzugewöhnen. John Costopoulos, aus New York, ein Schüler von Lee Strasberg, hat in einem Interview gesagt, es sei wichtig zu erkennen, dass man selbst sein Instrument ist (vgl. Strasberg 2007). Dieses Instrument muss man lernen zu „spielen“. Dazu muss man sich selbst kennen, seine Schalter und Knöpfe kennenlernen und erfahren, wie sie funktionieren. Ihre Kanäle der Kommunikation sind neben der Stimme, der Sprachstil, der Sprachinhalt, die Körpersprache und der Gesichtsausdruck. Alles wirkt auf den Zuhörer bzw. Zuschauer, egal ob im Theater oder auf der Unternehmensbühne. Ein Buch von Konstantin Stanislawski, dem Erfinder des Method Acting heißt „Die Arbeit des Schauspielers an der Rolle“ (Stanislawski 1996). Er beschreibt dort die einzelnen Abschnitte der Schauspielausbildung und der Arbeit an einer Rolle. Auch der Manager muss an seiner Rolle immer wieder arbeiten und sich überprüfen. Stanislawski betont, dass ein Schauspieler nicht in seinem Tun eingefahren sein darf. Er sollte in seinem Auftreten und Verhalten auf der Bühne keine Klischees bedienen, auch, wenn das einfacher zu sein scheint, als selbst

2.3  Wie Du wieder auftrittst!

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seine Rolle zu finden. Klischees zu bedienen ist simpel. Der Bösewicht guckt böse, der Heiratsschwindler schaut verschmitzt und hinterhältig und der Manager ist immer ernst und trägt Anzug und Krawatte. Klischees zu bedienen bedeutet nichts anderes, als seine eigene Rolle noch nicht gefunden zu haben. Klischees bedienen wirkt auf das Publikum und auch auf die Mitarbeiter wie ein „Nachäffen“ von etwas, was man selbst nicht sein kann. Das wirkt nach Stanislawski dann oft im wahrsten Sinne des Wortes „theatralisch“, zu dick aufgetragen und damit wenig überzeugend (Stanislawski 1996). Nutzen Sie als Führungskraft kein Kostüm für Ihre Rolle, seien Sie Sie selbst. Kleben Sie sich keinen Bart an. Sie sollen Ihre Rolle nicht „spielen“, sondern sein. Sind Sie kein guter Schauspieler halten Sie das „falsche“ Rollenspiel nicht durch. Darum legt der Regisseur bei mehreren Rollen, die ein Schauspieler in einem Stück spielt, die Hauptfigur immer nah am „Original“ des Schauspielers an. Emotionen spielen bei einem Auftritt eine große Rolle. Auch im Berufsleben ist es normal, Emotionen zu zeigen. Gut ist allerdings, wenn man sie unter Kontrolle hat und weiß, was der eigene Gesichtsausdruck seinem Gegenüber offenbart. Ein Schauspieler lernt seine Emotionen auf der Bühne gezielt einzusetzen, so wie es die jeweilige Rolle verlangt. Kanäle der Kommunikation

• Stimme • Sprachstil/Ausdrucksweise • Sprachinhalt • Körpersprache • Gesichtsausdruck

Man unterscheidet sieben Arten Emotionen auszudrücken: (Quelle: Torsten Stoll)

Emotion  primärer Auslöser 1. Überraschung Unerwartetes geschieht 2. Angst Drohender Schaden 3. Zorn Behinderung bei Zielerreichung 4. Ekel Wiederwärtiges, Beleidigendes

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

5. Verachtung Unmoralische Handlung 6. Traurigkeit Verlust 7. Freude Vergnügen, Freundlichkeit, keine Bedrohung

Emotionen erfolgen immer schnell. Sie sind im Körper koordiniert und organisiert. Sie haben einen Anfang, einen Höhepunkt und ein Ende. Sie sind an zuverlässigen Signalen im Gesicht zu erkennen. Dafür sorgen vierzig relevante Muskeln im Gesicht. Sie beeinflussen unser Verhalten (Abb. 2.124, 2.125, 2.126, 2.127). Wenn jemand die Augen rollt deutet das auf Unstetigkeit, Hektik oder Widerspenstigkeit. Glühende Augen entstehen durch Zorn und Wut. Ruhige und stille Augen zeugen von Liebe und Freundschaft. (Strasberg 2007). Gefühle brauchen Worte, um ausgedrückt zu werden. Worte brauchen Stimme, um gehört zu werden. Stimme braucht Gesten, um unterstützt zu werden. (vgl. Stanislawski 1996).

Zusammenspiel

• Gefühle brauchen Worte • Worte brauchen Stimme • Stimme braucht Gesten

Abb. 2.124   Mikromimik Übersicht – Überraschung. (Quelle: Torsten Stoll)

2.3  Wie Du wieder auftrittst!

Abb. 2.125   Angst Zorn

Abb. 2.126   Ekel Verachtung

Abb. 2.127   Traurigkeit Freude

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Setzen Sie Gesten ganz bewusst ein. Aber vermeiden Sie unnütze und belanglose Gesten, sie stören beim Reden. Gesten sollten rund sein, nicht abgehackt (Adler 2018). Gesten und Mimik auswendig zu lernen und sie dann bei Bedarf einzusetzen, um eine bestimmte Wirkung bei den Zuhörern zu erzielen, geht schnell nach hinten los. Das Verhalten und die Körpersprache wirken aufgesetzt und unnatürlich. Seien Sie sich Ihrer Emotionen bewusst und lassen ihnen freien Lauf. Wer Emotionen für sich zulässt und sie nicht unterdrückt, wird normalerweise als eher stärkere Persönlichkeit angesehen. Der Respekt steigt (Matschnig 2019). Die Kopfhaltung und die Augen drücken etwas aus. Stellen Sie sich einen Helden in einem Theaterstück oder Film vor, der mit gesenktem Haupt und hängender Schulter spielt. Oder einen Verlierer, der mit erhobenem Kopf über die Bühne geht. Hier passen Haltung und Rolle nicht zusammen. Ein gesenkter Kopf zeigt Sorge und Schwäche. Ein erhobener Kopf signalisiert Stolz und Überlegenheit, zuweilen aber auch Überheblichkeit. (Strasberg 2007). Genauso falsch wirkt es, wenn bei einer Präsentation der Vortragende mit hängendem Kopf über Motivation oder die neue Strategie des Unternehmens spricht. Shakespeare28 „sieht lebendiges Schauspiel immer durch Handlung und Figur bedingt, nicht als Schau-Spielen und Blöken“ (Strasberg 2007). Er verlangt „passt die Gebärde dem Wort, das Wort der Gebärde an.“ Er verabscheut das „Stolzieren“ eines Schauspielers auf der Bühne. Seine Schauspieler sollen nicht auf die Bühne, um sich darzustellen oder nach Applaus zu heischen, sondern um für die Zuschauer Bilder zu erschaffen (Strasberg 2007). Auch in Unternehmen schafft eine Führungskraft es nicht ein Team zu gewinnen, wenn sie als Showman auftritt. Showmen wollen sich immer in der ersten Reihe produzieren, sie lassen neben sich keinen Platz für andere. Die Schauspielerin Claire Eames29 hat die Schauspielerei in drei Dimensionen eingeteilt (Strasberg 2007): 1. Der durchschnittliche Schauspieler liefert auf der Bühne den Text, den seine Figur sprechen soll, ab. 2. Der gute Schauspieler spielt nicht nur den Text, sondern auch das, was die Figur denkt, während sie spricht.

28William 29Claire

Shakespeare, Englischer Dramatiker, Lyriker, Schauspieler, gest. 1616. Eames, US-amerikanische Schauspielerin und Regisseurin, gest. 1930.

2.3  Wie Du wieder auftrittst!

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3. In der dritten Dimension zeigt er das unterbewusste Leben der Figur. Denn bei uns allen stecken hinter unseren Worten nicht nur bewusste, sondern auch unterbewusste emotionale Gedanken. Wie wichtig das Denken während einer Vorstellung ist, zeigt eine Übung von Lee Strasberg, die man gut selbst ausprobieren kann. 

Gehen und Denken



Bitten Sie einen Kollegen, einen Freund oder ein Familienmitglied aufzustehen und im Raum umherzugehen. Sie erklären der Person vorher natürlich nicht, was Sie vorhaben. Die Person wird unsicher umhergehen, befangen wird sie ihre Augen immer wieder zu Ihnen wenden. Sie ist unsicher, ob sie schnell oder langsam gehen soll. Vielleicht wird die Person auch energisch gehen, weil sie besonders selbstbewusst wirken will. Sie wird so tun, als wäre sie unbefangen. Alles wirkt irgendwie künstlich. Nun bitten Sie die Person während des Gehens über ein Buch nachzudenken, das sie kürzlich gelesen hat. Einen Kollegen können Sie bitten, über das letzte Projekt noch einmal nachzudenken. Sie werden eine magische Wandlung der Person und des Gehens feststellen. Der Körper ist entspannter und die Gesichtszüge werden ausdrucksvoll. Je nachdem woran die Person denkt, wird sie schneller oder langsamer gehen. Aber sie wirkt natürlich, nicht gekünstelt. Ihre Augen werden bei sich bleiben und nicht mehr herumwandern. Nun sehen wir eine überzeugende Person, die im Raum geht. (Strasberg 2007). Die Lehre für den Schauspieler aus dieser Übung ist, nicht eine Aktivität zu spielen, sondern sie wirklich zu tun.

Der Schauspieler muss „sich innerlich von den Umständen aufwühlen lassen, um sie zur Triebfeder des Handels zu machen“ (Adler 2018). Aber genau das ist schwierig. Schnüren Sie sich einmal die Schuhe zu, ohne welche anzuhaben. Wie ging das nochmal, linke Hand ein Ende des Schnürsenkels, in der rechten Hand das andere Ende und nun? Welche Muskeln muss ich bewegen um den Schuh zu schnüren? Der Schauspieler muss sich in dieser Szene den Ablauf genau vor Augen führen, er muss die Aktion direkt noch einmal erleben. Aus der Erinnerung heraus, ohne den betreffenden Gegenstand. Noch anspruchsvoller wird es, wenn der Schauspieler eine Person darstellt, die Rauch riecht. Das kann er nur, wenn er sich über die Erinnerung an ein Feuer, das er irgendwann einmal

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

erlebt hat, den Geruch des Rauchs in die Nase holt. Er muss den Rauch wirklich spüren, dann lebt die Szene. Ein Schauspieler muss sich Reize schaffen, denn im Gegensatz zum wahren Leben, fehlen diese auf der Bühne. Sonst wirken selbst einfache Handlungen wie Trinken, Gehen, Fenster öffnen oder Schuhe anziehen künstlich. Er nutzt dafür sein „Sense Memory“ oder „Memory of Experience“, sein Sinnes- und Erfahrungsgedächtnis. Dadurch kann er alles auf der Bühne noch einmal erleben bzw. durchleben (Strasberg 2007). Stanislawski nennt das sein „affektives Gedächtnis“ (Stanislawski 1996) (nicht effektives Gedächtnis). Dabei geht es um das „Fühlen“, nicht um das bloße Erinnern. Nicht abstrakt, sondern ganz konkret. Strasberg bezeichnet es als eine „bewusst herbeigeführte Inspiration“, die Sensorik und Emotion umfasst. Was war in einer bestimmten Situation damals genau passiert? Soll der Schauspieler auf der Bühne stolpern, stürzen und sich am Bein verletzen, fragt er sich wo habe ich damals den Schmerz empfunden, was habe ich dabei gedacht? Hört der Schauspieler auf der Bühne einen Zug, kann er es spielen und es wird unecht wirken. Holt er sich allerdings aus seiner Erinnerung einen vorbeifahrenden Zug ins Gedächtnis, ist er in der Situation. Er hört den Zug und verhält sich auch so. Kann man „Musik hören“ spielen? Man ist versucht, dabei Grimassen zu schneiden, um den Charakter der Musik zu verdeutlichen. Aber würde man das wirklich tun? Hören Sie im Geist Ihren Lieblingssong, das fühlt sich völlig anders an. Wir müssen spüren, was bestimmte Dinge und Handlungen mit uns und anderen machen. Dass das affektive Erinnern funktioniert, können Sie an sich selbst testen: Beispiel

Überlegen Sie, was mit Ihnen passiert, wenn Sie: • an eine gelbe Zitrone denken und nun gedanklich in die Zitrone beißen. • Nehmen Sie gedanklich ein scharfes Messer und eine Glasscheibe in die Hand. Nun schneiden Sie mit dem Messer auf einer der Kanten der Glasscheibe. ◄ Bei der Zitrone wird sich Ihr Mund zusammenziehen und bei dem Messer wird es Ihnen kalt den Rücken runterlaufen. Die Konzentration sollte auf dem Objekt liegen und nicht auf der Reaktion. Sonst nehmen wir Dinge vorweg, bevor sie passiert sind. Beim Schmecken einer Zitrone, würden wir dann übertrieben den Mund verziehen, um das „sauer“ zu zeigen. Konzentrieren wir uns aber auf das Objekt, hier die Zitrone, kommt der Geschmack schon in unseren Mund und wir brauchen nicht mehr zu spielen,

2.3  Wie Du wieder auftrittst!

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sondern nur „rauszulassen“ was wir spüren (Strasberg 2007). Ein Nachahmen wird immer gekünstelt wirken. Nach Strasberg beschreibt Jewgeni Wachtangow30 – ein Schüler von Stanislawski –, dass diese Erinnerungen erinnerte Gefühle sind, denn die lassen sich vom Schauspieler kontrollieren. Der Schauspieler weiß ja, wie diese Situation ausgegangen ist. Einen echten Gefühlsausbruch auf der Bühne, wovon auch immer ausgelöst, lässt sich dagegen nicht kontrollieren, er würde unkontrollierbar. Das erinnerte Gefühl ist jeden Abend auf der Bühne mit bekanntem Ausgang reproduzierbar, also immer wieder abrufbar. Ein bewusstes Benutzen der Erinnerung. Stella Adler geht etwas weiter und bezeichnet dieses als ein adaptiertes Erinnern, da jede Emotion abhängig von der Situation ist. Nach ihr muss die Vorstellungskraft die Führung übernehmen (Adler 2018). Jack Nicholson hat sich auf seine Rolle des McMurphy in dem Kinofilm „Einer flog über das Kuckucksnest31“ durch einen mehrmonatigen Aufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt vorbereitet. Er und die übrigen Crewmitglieder nahmen sogar an Therapiesitzungen teil, um sich Situationen zu schaffen, aus denen die Worte und Handlungen dann kommen. Jack Nicholson hat den Wahnsinn durch seinen Aufenthalt in der Anstalt für seine Rolle studiert. Für seine Rolle wurde er 1975 mit dem Oscar für den besten Hauptdarsteller ausgezeichnet. Rami Malek32, der 2019 für seine Rolle des Queen33 Sängers Freddy Mercury34 in dem Film „Bohemian Rhapsody“35“ mit dem Oscar belohnt wurde, hat nicht nur alles was es an Material über Queen und Freddy Mercury gab studiert. Er sagte in einem Interview mit Spiegel Online „Was ich unbedingt erreichen wollte, war, mich zu jeder Zeit, in jeder einzelnen Szene des Films exakt wie er zu bewegen, mühelos, …. Ich brauchte also jemanden, der mir dabei helfen würde, seine einzigartige Körpersprache nicht nur nachzuahmen, sondern auch zu verstehen, was er mit ihr artikulieren wollte.“ (Spiegel Online 2018).

30Jewgeni Bagrationowitsch Wachtangow, Russischer Schauspieler und Theaterregisseur, gest. 1922. 31„Einer flog über das Kuckucksnest“, ­ US-amerikanischer Kinofilm, von Miloš Forman, 1975. Der Film spielt in einer psychiatrischen Anstalt, in die sich der kleinkriminelle McMurphy einweisen lässt, um einer Gefängnisstrafe zu entgehen. 32Rami Malek, US-amerikanischer Schauspieler, Oscar Preisträger 2019. 33Queen, 1970 gegründete britische Rockband. 34Freddy Mercury, britischer Musiker, Komponist. Sänger der Gruppe Queen und Solokünstler, gest. 1991. 35„Bohemian Rhapsody“, US-amerikanisch-, britischer Kinofilm über den Sänger Freddy Mercury, 2018.

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Wenn ich den Text einer Rolle lerne, bin ich schon beim Textlernen die darzustellende Person. Dann kann ich als diese Person Angst, Ärger oder Freude zeigen, die der Zuschauer glaubt. Und nebenbei, kann ich dann als diese Person auch Text einbauen oder verändern, sollte es einmal nötig sein. Das Stück und die Handlung kenne ich nach dem Lesen, was passiert und wie es ausgeht ist dann bekannt. Jetzt „erlebe“ ich das Stück als die Person, die ich darstelle. Was soll mir da auf der Bühne schon passieren? Auf jede Aktion erfolgt eine Reaktion meiner Figur, die ich dann selbst bin. Wenn Sie als Vorgesetzter sich selbst „spielen“, sind Sie in allen Situation Herr der Lage. Spielen Sie einen Vorgesetzten, weil Sie ihn besonders mögen oder zu ihm aufschauen, sind Sie das nicht. Beim kleinsten Gegenwind fällt Ihre Interpretation zusammen. Wie der Schauspieler sollten Sie einen glaubhaften Charakter erschaffen. Der verhält sich logisch und wahrhaftig. Ganz einfach, wenn man sich selbst „spielt“. Viel zu schwierig bis unmöglich bei der Imitation eines Anderen. Üben Sie – wie der Schauspieler – eine überlegene, souveräne Person zu sein. Wie bewegt die sich, was macht der Körper dabei mit Ihnen? Wie ändert sich Ihre Körperhaltung? Strafft sich Ihr Rücken? Was machen Ihre Hände? Ihr Kopf? Entwickeln Sie ein Muskelgedächtnis für Ihre Körperhaltung. Nutzen Sie den ganzen Raum, die ganze Bühne. Bleiben Sie nicht stur am Rednerpult stehen, kleben Sie nicht an ihm. Das wirkt statisch und unbeweglich. Wandern sie während Ihres Vortrages von der einen Bühnenseite zur anderen. So bringen Sie Bewegung in Ihre Worte. Gehen Sie auf die Zuhörer zu. Scheuen Sie sich nicht auf die Menschen, die in der ersten Reihe sitzen, zuzugehen. Am Rand der Sitzreihen haben Sie Platz sich zu zeigen und Ihre Worte direkt zu den Zuhörern zu tragen. Nutzen Sie die Requisiten, die im Raum vorhanden sind. Sind keine vorhanden, holen Sie sich welche. Wissen Sie nicht wohin mit Ihren Händen, nehmen Sie einen Stift oder Pointer in die Hand. Daran kann man sich prima festhalten und die Hände wissen genau was sie zu tun haben. Vermeiden Sie aber, mit dem Stift oder Pointer auf Personen zu zeigen oder damit herumzufuchteln (Matschnig 2019) (vgl. Abschn. 2.2.7). Machen Sie bewusst eine Trinkpause indem Sie aus dem Wasserglas trinken, das auf dem Pult oder einem Tisch steht. Gießen Sie sich Wasser aus einer Flasche in Ihr Glas. Alles das sind kleine Verschnaufpausen, in denen Sie sich wieder sammeln und wenn nötig neu konzentrieren können, sollten Sie einmal den Faden verlieren. Bevor ein Theaterstück auf die Bühne kommt sind die Kostüme für jede Figur festzulegen. Regisseur und Darsteller bestimmen als erstes die grobe Optik und

2.3  Wie Du wieder auftrittst!

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dann jedes einzelne Kleidungsstück für die jeweiligen Rollen. Welche Hose, welche Schuhe, welches Hemd oder Bluse, welche Jacke und welche Kopfbedeckung passen am besten zur Rolle? Alle Kleidungsstücke werden sorgfältig ausgesucht und kombiniert. Sobald der Vorhang für die Zuschauer aufgeht, wirkt die Kleidung auf sie und trifft eine Aussage über die Person auf der Bühne. Ein Arzt trägt einen weißen Kittel, der Richter eine Perücke, der Soldat eine Uniform, der Bademeister eine Badehose und der Priester eine schwarze Kutte. Darum kann der Schauspieler solche Stilmittel gut einsetzen, wenn er eine Rolle interpretiert. In der Unternehmenswelt ist das nicht anders, auch hier trifft die Kleidung eine Aussage über denjenigen, der sie trägt. Darum ist es auch hier wichtig die Kleidung bewusst zu wählen. Sprechen Sie über Innovationen, lassen Sie die Krawatte weg. Ist die zukünftige Strategie Ihr Thema, tragen Sie keine Kleidung, die das „alte“ symbolisiert. Haben Sie den Mut weg vom grauen Anzug und dem weißen Hemd zu gehen. Ihre Kleidung erzählt Anderen etwas über Sie. Kontrollieren Sie Ihre Kleidung, bevor Sie anderen gegenübertreten. Ist das Sakko, das Sie tragen zu groß, füllen Sie Ihre Rolle wohl nicht aus. Ist es zu klein, sind Sie in eine Aufgabe hineingezwängt. Natürlich prüfen Sie die Sauberkeit Ihrer Kleidung. Sie können nicht in staubigen Schuhen auf der Bühne herumgehen. Welche Aussage trifft Ihre Frisur zu Ihrer Person. Zu langes Haar wirkt schnell unordentlich. Zu kurzes Haar wird als zackig, drahtig, bestimmend interpretiert. Tragen Sie altmodische Kleidung, wird man Ihnen den Aufbruch zu Neuem nicht abnehmen. Wählen Sie eine Kleidung, in der Sie sich wohlfühlen. Denn die Kleidung wirkt sich auf Innenleben und Ihr Denken aus. Ihre Kleidung muss zur Situation passen, sonst wird sie falsch interpretiert. Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein Auto kaufen und der Verkäufer im Autohaus kommt in kurzen Hosen auf Sie zu. Sie wären irritiert. Treffen Sie ihn auf dem Fußballplatz wäre seine Kleidung völlig in Ordnung (vgl. Molcho 1996). Auf dem Tennisplatz kann man kurze Hosen tragen, in einem Kundengespräch nicht. Es sei denn, es gibt ein besonderes Motto, z. B. für eine Besprechung, um beim Denken alte Pfade zu verlassen. Ein bis zum Hals zugeknöpftes Hemd bei einem Mann, früher ein absolutes Muss im Büro oder bei geschäftlichen Terminen, wirkt heute eher hausbacken, unmodern und im wahrsten Sinne des Wortes zugeknöpft. Ist es allerdings bis zum Bauchnabel aufgeknöpft, wirken Sie wie im Urlaub in einem Strandlokal. Auch Ihre Hände und deren Pflegezustand sprechen über Sie. Prüfen Sie Ihre Hände und Fingernägel vor einem Auftritt. Dieser Rat hört sich sicher für viele total überflüssig an. Aber achten Sie einmal im Fernsehen auf solche Dinge, Sie werden erstaunt sein, was Sie dort alles zu sehen bekommen. Politiker, Stars oder Wirtschaftsbosse mit ungepflegten Händen oder Zähnen.

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Als Geschäftsführer bin ich nie ohne Papier, Stift, Laptop oder Tablet in ein Meeting gegangen. Auch das gehört zu einem Auftritt. Es hat mich immer wieder verwundert, wenn ein Mitarbeiter oder ein Lieferant in einer Besprechung mit mir saß und keine Schreibutensilien dabeihatte. Auf mich wirkte das desinteressiert. Es wurden offensichtlich keine Informationen erwartet. Ich habe dann gerne mit einem Teil meiner Unterlagen ausgeholfen. Die Gedanken, die ich mir vor dem Meeting gemacht habe, habe ich natürlich auf einem Papier dabei. Ich erwarte auch von anderen, dass sie sich auf ein Gespräch mit mir vorbereiten. Viele Manager legen Wert auf sogenannte Statussymbole. Sie gehören untrennbar zu ihrer Person und ihrem Auftritt. Das kann die Größe des Schreibtisches sein, das Einzelbüro, die Größe des Büros, der Dienstwagen oder das separate Kasino für bestimmte Personenkreise im Unternehmen. Die diesbezüglichen Reglungen, die das Unternehmen aufstellt, bestimmen dann auch die Handlungsweisen der Mitarbeiter. Ich habe diese Dinge selbst erfahren und sie waren nach einiger Zeit mehr unangenehm denn ein Ansporn. Ich hatte mir schon angewöhnt nach der Schreibtischgröße von Kollegen zu schauen. Ich habe schon davon geträumt, die Stellwände im Großraumbüro nach einer Beförderung weiter auseinander stellen zu dürfen. Irgendwann schienen mir die unterschiedlichen Schreibtischgrößen, die zwischen meinem aktuellen Schreibtisch und einem Einzelbüro liegen, nicht mehr als sinnvolles Ziel. Es war mir unangenehm so gedacht zu haben und in so eine Denkweise geraten zu sein. Ich habe den Arbeitgeber gewechselt und einen Drehpunkt für mich geschaffen. Dass die vermeintlichen Statussymbole auch ihre Grenzen haben, hat mir einer meiner späteren Mitarbeiter vor Augen geführt. Auf einer gemeinsamen Reise in den neuen Bundesländern fragte ich ihn, welchen neuen Firmenwagen er denn demnächst bestellen würde. Normalerweise ist eine solche Frage der Auftakt für einen „fachmännischen Austausch“. Ich war stolz darauf eine neue, wie ich dachte, motivierende Dienstwagenregelung implementiert zu haben. Diesmal aber war der Mitarbeiter überhaupt nicht glücklich mit unserer neuen Regelung. Nicht immer größer und teurer war sein Ziel, sondern die Sorge, wie das neue Auto bei den Nachbarn ankommt. Was sollen denn die Nachbarn dann von mir denken, ich gehöre dann nicht mehr dazu. Eine solche Einstellung hatte ich bis dahin nicht bei meinen Überlegungen berücksichtigt. Sein Wunsch war es, kein Modell einer Nobelmarke zu bekommen, sondern eins, was sich seine Nachbarn auch leisten konnten. In der Vorstandskantine mit einem Vorstand Mittag zu essen, war etwas ganz Besonderes. Kellner in weißer Kleidung bedienten uns am Tisch. Wie in einem teuren Restaurant. Aber was für sinnlose und teure Statussymbole das doch waren habe ich gemerkt, als ich selbst für die Kosten eines Unternehmens verantwortlich war.

2.4  Wenn Du gehört werden willst, sprich auch so

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Für einige muss ein Schreibtisch im Büro nach viel Arbeit aussehen, der Chef könnte ja vorbeikommen. Er ist vollgepackt mit Stapeln von Unterlagen, Stiften und Notizzetteln. Die Signale, die von so einem Schreibtisch ausgehen, kann man sich selbst am besten beantworten. • „Wie würden Sie den Schreibtisch einer souveränen Person darstellen, die alles im Griff hat?“ • „Wie stellen Sie den Schreibtisch eines unkoordinierten, überforderten Menschen dar?“ Einen Menschen wirklich kennenzulernen ist schwierig. Sucht ein Unternehmen eine Führungskraft, die ein vorhandenes Team entwickeln soll, die emphatisch ist und die Mitarbeiter respektvoll führt, ist ein Bewerbungsgespräch im Unternehmen nicht aussagefähig genug. Ein Assessment Center über zwei Tage ist schon deutlich aussagefähiger. Aber auch ein Assessment Center ist für eine gestandene Führungskraft kein Problem, wenn sie sich verstellen möchte. Für mich der beste Ort jemanden kennenzulernen, zu spüren, wie er sich in verschiedenen Situationen verhält, ist ein gemeinsames Mittagessen in einem Restaurant. Der Bewerber wird sich auf das Gespräch konzentrieren und alle anderen Dinge unbemerkt und wie immer erledigen. Sie sehen, wie er mit dem Servicepersonal umgeht. Ist er freundlich und respektvoll oder von oben herab. Bedankt er sich, wenn der Kellner ihm ein Glas Wasser eingießt oder das Essen serviert? Wie beantwortet er die Frage, ob das Essen geschmeckt hat? Wie sitzt er auf seinem Stuhl? Wie sind allgemein seine Manieren beim Essen? Da der Bewerber sich völlig unbeobachtet fühlt, seine Stresssituation sind das Gespräch und der Gesprächsinhalt, wird er sich auf seine natürliche Art und Weise verhalten. So wie man isst, so ist man. Der perfekte Test.

2.4 Wenn Du gehört werden willst, sprich auch so Dem Zuhörer bleibt mehr das „wie“ eine Präsentation vorgetragen wurde in Erinnerung, als die einzelnen Worte oder der Inhalt. Die stärkste Wirkung in einem Vortrag hat das „wie“ und nicht das „was“. Der Klang und der Ton Ihrer Stimme, die Sprache und Ihre Stimmung geben eine Information weiter. Passt das nicht zusammen sagen wir auch „Da stimmt etwas nicht“ (Molcho 1996). Ein „Ich vermisse Dich“ gelangweilt dahingesagt, klingt nicht überzeugend. Damit, wie Sie etwas sagen, erzeugen Sie Reaktionen. Liest jemand seinen Vortrag ab, wirkt das nicht überzeugend. Egal was gesagt wird, das permanente Nachschauen auf dem Manuskript lenkt vom Zuhören ab. Beim Ablesen fehlen meist die Emotionen. Denken Sie an ein Telefongespräch. Man hört nicht nur Ihre Stimme

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

und Ihre Worte. Auch Ihre Gefühle und Stimmung sind zu spüren. Ein Schauspieler muss das auf der Bühne zeigen. Stellen Sie sich das Telefongespräch eines Italieners vor, wie er gestenreich und mit aller Emotion seine Worte unterstützt. Auch ohne ihn zu sehen, spürt man was er fühlt. Mir ist das erst durch den Schauspielunterreicht klar geworden. Anfangs lächelt man über bestimmte Übungen wie Atmen, Vokale mit dem Mund „formulieren“, die richtige Lautstärke, Emotion einbringen. Aber alles auf der Bühne Gesagte soll im Sinne des Regisseurs bzw. Autors beim Publikum klar und unmissverständlich ankommen. Stellen Sie sich vor, der Schauspieler spricht so undeutlich, dass das Publikum für das Stück entscheidende Worte nicht versteht. Alle weiteren Szenen und Handlungen im Stück hängen dann quasi ohne Zusammenhang in der Luft. „Sie können auf der Bühne nicht so sprechen wie im Alltag. Das geht einfach nicht.“ Stella Adler fordert von ihren Schülern/in, nicht in dem gewöhnlichen Tonfall zu sprechen. Der ist meist zu schnell, um ihn richtig zu verstehen. Er ist zu beherrscht und nicht mutig genug (Adler 2018). Grundvoraussetzung für einen Schauspieler, speziell im Theater, ist seine deutliche Aussprache. Die Zuschauer sollen nicht rätseln was er gesagt hat oder sich anstrengen müssen ihn zu verstehen. Sprechübungen bzw. richtiges Sprechen, gehören daher schon zu den ersten Einheiten des Schauspielunterrichts. Das Publikum kann mit einem nuschelnden Schauspieler nichts anfangen. Versteht der Zuschauer den Schauspieler schlecht, muss er sich zu stark auf die einzelnen Worte konzentrieren und kann so der Handlung des Stücks nicht mehr folgen. Das kann an der undeutlichen Aussprache liegen, aber auch an einem zu hohen oder zu langsamen Sprechtempo. Selbst die Stimmlage kann die Konzentration auf den Inhalt des Stücks stören. Die Schauspieler eines Stückes müssen einen gemeinsamen Rhythmus finden, auch mit dem Publikum. Im Berufsleben müssen Sie das mit Ihrem Team oder Ihren Kunden, bei einer Präsentation oder einem Vortrag mit Ihren Zuhörern.

Sprache • Stimme • Stimmlage • Sprechtempo • Lautstärke • Betonung • Aussprache

2.4  Wenn Du gehört werden willst, sprich auch so

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Bei diesem Thema gelangen wir in den Bereich der Phonetik36. Phonetik erfordert ein intensives und langes Training. Für jemanden, der sich intensiver mit diesem Thema beschäftigen möchte, ist es empfehlenswert, die richtige Phonetik mit Unterstützung eines Sprachtrainers zu lernen bzw. zu verbessern. Wir wollen an dieser Stelle wieder einen Blick in die Schauspielausbildung werfen und uns hier ein paar Tipps für eine verständliche Aussprache holen. Für das Theater lernt der Schauspieler die deutsche Bühnenhochsprache. Dabei werden bestimmte Buchstaben auf eine spezielle Art gesprochen. Endet ein Wort auf die Buchstaben „ig“, z. B. bei dem Wort „richtig“, wird das „G“ nicht hart, sondern wie ein weiches „ch“ gesprochen. Das Wort „richtig“ wird als „richtich“ ausgesprochen. Ein Text mit vielen „G“s ist für den Zuhörer nervend und strengt ihn beim Zuhören an. Ein „T“ am Ende eines Wortes wird deutlich ausgesprochen und nicht verschluckt. Ein „E“ z. B. im Wort „warten“ wird im Theater nicht artikuliert. Aus „warten“ wird „wartn“, aus „denken“ wird „denkn“, aus „suchen“ wird „suchn“. Würde das „E“ ausgesprochen hört sich das im Laufe einer Vorstellung spitz und überbetont an. Ein „S“ in einem Wort wird vor und zwischen Selbstlauten stimmhaft gesprochen. Stehen die Buchstaben „Ei“ am Anfang eines Wortes werden sie wie „AE“ ausgesprochen, probieren Sie es mit dem Wort „Eisenbahn“. Ein „EU“ am Anfang eines Wortes wird wie „OE“ ausgesprochen, versuchen Sie es einmal mit dem Wort „Europa“. Schauspielschüler, die aus Gegenden in denen Dialekt gesprochen wird, stammen, kämpfen mit den Buchstaben „P“, der oft wie ein „B“ ausgesprochen wird. Dann wird aus einem „Professor“ schnell ein „Brofessor“. Bei einem „T“, der bei einigen sich wie ein „D“ anhört, wird aus einem „Trinker“ auch mal ein „Drinker“. Manchen kommt ein „ich“ auch mehr als ein „isch“ heraus. Das wird ganz schwierig, wenn dem „ich“ ein Wort mit dem Anfangsbuchstaben „h“ folgt. Aus „ich heiße …“ wird dann leider ganz schnell „isch heiße …“. Sprechen Sie das bitte zehnmal ganz schnell hintereinander, dann verstehen Sie, was ich meine. Für alle, die im Film, Funk und Fernsehen sprechen gibt es eine verbindlich Aussprachenorm. Sie ist im Duden-Aussprachewörterbuch zusammengefasst (Duden 2015).

36Phonetik:

Gegenstand der Wissenschaft ist die gesprochene Sprache unter den Aspekten Spracherzeugung, Sprachakustik und Sprachwahrnehmung.

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Übersicht Aussprache von Buchstaben (Filliés37 1997) „ig“, „igs“, „igt“, „igst“ werden wie der Ich-Laut gesprochen. Könich (König), Ludwichshafen (Ludwigshafen), Predicht (Predigt). Wird das „g“ stimmhaft gesprochen, ist das für den Zuhörer zu hart, zumal wenn diese Worte gehäuft auftreten. Dehnungs-e und Dehnungs-i (Filliés 1997) Das „E“ dient dazu, den davorstehenden Buchstaben zu dehnen, z. B. in Soest und Fliegen. Bei beiden wird das „E“ nicht gesprochen, sondern längt das „o“ bzw. das „i“. Analog dazu das „i“ als Dehnungs-i z. B. in Troisdorf, gesprochen als Trosdorf mit langem „o“, das „i“ bleibt stumm. „E“ entfällt“ Ein „E“ am Wortende wird nicht gesprochen, z. B. gehn (gehen), wartn (warten). „Ei“ – „AE“ Ein „Ei“ wird wie „AE“ gesprochen. „EU“ – „OE“ Ein „EU“ wird wie „OE“ gesprochen. Stimmhaftes „S“ (Filliés 1997) Das „S“ vor den Selbstlauten a, e, i, o, u und zwischen zwei Selbstlauten wird stimmhaft gesprochen. Z. B. Sonne, singen, sorgen, Rose, Hose, Kasino. Wobei bei dem Wort Kasino oder auch Kaserne man vermehrt ein stimmloses „s“ hört. Aber auch das Gegenteil, ein stimmhaftes „S“ wo es nicht hingehört, wird gesprochen, z. B. bei Moslem, Bosnien. Was wiederum oft zu falschen Schreibweisen führt. „T“/„D“ Ein „T“ nicht wie ein „D“ sprechen.

37Joachim

Filliés, deutscher Sprecher im Hörfunk und Fernsehen, Lehrbeauftragter für Logopädie, Trainer für Rhetorik und Sprecherziehung.

2.4  Wenn Du gehört werden willst, sprich auch so

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„P“/„B“ „P“ nicht wie ein „B“ sprechen. „T“ Am Ende eines Wortes wird deutlich ausgesprochen und nicht verschluckt. Betonung (Filliés 1997) Oft gibt es Probleme bei der Betonung zusammengesetzter Worte. Bei „Sozialstaat“ geht um sozial, nicht um Staat. Darum liegt die Betonung auf dem ersten Wort. Und nicht auf „Staat“. Bei „Schauspieler“ geht es um die Schau nicht um den Spieler. Bei „Notwendigkeit“ um die Not, nicht um die Wendigkeit. Analog gilt das für zusammengesetzte Substantive. Filliés beschreibt das an den Worten Stasiunterlagengesetz, bei dem es um die Stasiunterlagen geht und um das entsprechende Gesetz. Oder auch bei dem Wort Einkommenssteuergesetz. Es geht um die Einkommenssteuer. Dies gilt allerdings für deutsche Worte, nicht für Worte, die aus anderen Sprachen kommen, wie z. B. Telefon.

Ein Schauspieler geht nicht unvorbereitet auf die Bühne. Wenn er in einer Szene am Tisch zu Abend essen soll, wird er vorher kontrollieren, ob der Teller und das Besteck an seinem Platz liegen. Wenn ich im Stück „Tee mit Zimt“ von Lars Lienen unter der Regie von Maike Mai38 den Regisseur Lewis Westcastle spiele und er in einer Szene mit einer Rose auf die Bühne kommt, kontrolliere ich natürlich vor der Vorstellung noch einmal, ob ich die Rose im Off an ihren Platz gelegt habe. Das Risiko, dass sie nicht an ihrem festen Platz liegt, würde ich nicht eingehen. Vor einem Vortrag wird jeder Manager noch einmal die Technik prüfen und checken, ob der Laptop und der Beamer sich verstehen. Zudem bereiten Schauspieler auch ihre Stimme vor. Sie stimmen sich vor jeder Aufführung ein. Sie sprechen Text, sie formulieren Vokale mit den Lippen und ihrer Stimme, sie summen, um die Stimmbänder zu lockern, sie massieren ihre Lippen, damit sie locker werden. Sie tun dies, damit sie auf der Bühne gehört und verstanden werden. Ein Manager würde nie inhaltlich unvorbereitet eine wichtige Rede halten. Er wird sich mit dem Inhalt seiner Rede, was er seinen Zuhörern vermitteln möchte,

38Maike

Mai, Deutsche Regisseurin und Schauspielerin.

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

seinen einzelnen Worten intensiv beschäftigen. Er wird an den Sätzen feilen, die richtige Reihenfolge der Aussagen treffen, plakative Aussagen einbauen, er möchte die Zuhörer mitreißen und eine intensive Stimmung erzeugen wollen. Oft wird sogar die PR-Abteilung oder ein Redenschreiber gebeten, die Rede zu formulieren oder zu optimieren. Viel Aufwand wird beim Schreiben einer Rede betrieben. Seine Stimme, seine Aussprache, das Medium mit dem er seine exakt ausgewählten Worte transportieren wird, trainiert er nicht. Aber er kann genauso wenig wie im Alltag sprechen, wie der Schauspieler auf der Bühne. Meistens ist man sich der eigenen Sprache aber nicht bewusst oder erkennt die eigenen Schwächen nicht. Ein Manager spricht oft und viel vor und mit seinen Mitarbeitern oder bei Präsentationen und Pressekonferenzen vor größerem Publikum. Die meisten tun dies ohne Übung der Sprache, der Stimme und der Atmung. Man spricht eben wie man spricht. Wir kennen das alle, eine Person spricht viel zu schnell, so dass man nicht folgen kann, eine andere spricht so langsam, dass man einschläft, eine ist zu laut, die andere zu leise. Einige sprechen Sätze nicht zu Ende, sondern fangen schon mit dem nächsten an, ohne dass der vorherige Satz beendet wurde. Sie verschlucken regelrecht einen Teil ihrer Aussage. Und manchen spielt einfach die Aufregung oder Nervosität einen Streich. Einige sprechen so undeutlich, dass an ein Verstehen nicht zu denken ist. Man reimt sich dann einiges zusammen, aber inhaltlich folgen klappt leider nicht mehr. Wieder andere haben eine so angenehme Stimme, da ist es fast egal was gesagt wird. Wenn der nächste Vortrag oder die nächste Präsentation ansteht, versuchen Sie auch einmal, Ihre Stimme vorzubereiten. Nutzen Sie die Übung aus der Schauspielausbildung. Damit auch Sie gehört werden. Es hilft und unterstützt zudem sich zu konzentrieren. Als Rechtshänder können Sie auch ein paar Worte mit der linken Hand schreiben oder ein paar Worte rückwärts sprechen. So brechen Sie alte Gewohnheiten und konzentrieren sich. 

Vor der Rede oder Präsentation Zur Einstimmung auf eine Rede oder eine Präsentation, können wir die Vokale nutzen. Wir sprechen dabei laut und mit deutlichem Einsatz unseres Mundes die Buchstaben: A – E – I – O – U. Wenn wir summen, lockern sich unsere Stimmbänder. Wir machen uns sprachlich warm. Um unsere Lippen zu lockern können wir sie mit unseren Fingern massieren und so die Blutzirkulation in ihnen erhöhen.

2.4  Wenn Du gehört werden willst, sprich auch so

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Ihre Stimme braucht Volumen, ansonsten klingt alles was Sie sagen langweilig (Adler 2018). Im Theater muss auch der Zuschauer in der letzten Reihe am äußersten Platz verstehen können, was auf der Bühne gesprochen wird. Im Schauspielunterricht hat uns der Coach Torsten Stoll immer wieder dazu angehalten lauter zu sprechen, ja zu überziehen. Ein Stimmvolumen im Laufe der Proben zu verringern ist leichter, als es später aufzubauen. Das ist im Unternehmen nicht anders. Wie soll ein Mitarbeiter Ihre Anmerkungen oder Maßnahmen umsetzen, wenn er sie nicht einmal akustisch verstehen kann. Im Theater oder Film ist das für uns absolut klar, wir erwarten sogar mit Recht eine Sprache, die wir verstehen. Alles andere wäre undenkbar, wir würden unser Geld zurückverlangen. Aber im Unternehmen machen wir uns keine Gedanken darüber. Wir erwarten, dass unsere Worte verstanden und umgesetzt werden. Dann sollten wir auch so sprechen, dass wir verstanden werden. Wer kann schon sprechen, ohne den Mund zu öffnen. Ein Phänomen, das sogar im Fernsehen bei Interviews beobachtet werden kann. Politiker, die sprechen und dabei den Mund kaum öffnen. Damit wird Inhalt verschenkt, denn die Worte können im wahrsten Sinne des Wortes den Mund kaum verlassen. Wie soll sie dann jemand verstehen? Wenn Sie gehört werden wollen, machen Sie den Mund auf. Bringen Sie Ihre Zähne auseinander. Bewegen Sie Ihren Mund beim Sprechen, dann wird klarer was Sie sagen wollen. Man muss sehen, dass Sie sprechen. Wir hatten schon gesagt, dass Bewegung attraktiv macht (vgl. Abschn. 2.2.13). Wenn Sie mit jemand anderem sprechen geht das Sprechen nach außen, nicht nach innen in Sie hinein. Sie wollen ja gehört werden. Wenn Sie einem Menschen „Guten Tag“ sagen, strecken Sie auch Ihre Hand aus und ziehen sie nicht zurück. Ihre Bewegung geht nach außen. Das ist Kommunikation. Stella Adler vergleicht das mit einem Baum, der auch nach außen wächst und nicht in sich hinein (Adler 2018). Stimmvolumen trainieren: (vgl. Adler 2018)

Bitte beachten Sie bei dieser Übung die Hinweise zur Zwerchfellatmung Abschn. 2.2.6 und sprechen aus dem Bauch und pressen die Worte nicht heraus. Atmen Sie vor der Übung nicht ein. • Lesen Sie einen Artikel aus der Zeitung mit Ihrer normalen Stimme vor • Jetzt lesen Sie ihn noch einmal mit einer lauteren, stärkeren Stimme vor • Und noch einmal lauter. Achten Sie bitte darauf die Tonlage nicht zu erhöhen (nicht rufen).

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

• Nun lesen Sie den Artikel so laut vor, dass ihn jemand, der fünf Meter von Ihnen entfernt ist, gut hören kann • 10 m • In einem anderen Raum • Auf der anderen Straßenseite Ihre Stimmbänder werden wärmer und werden kraftvoller. ◄ Wenn ein Schauspieler auf der Bühne eine Szene zu spielen hat, in der eine bestimmte Emotion gefordert ist, wird er sich als Unterstützung einen eigenen Subtext geben. Ein kleiner Satz, der nur in Gedanken „gesprochen“ wird, der aber eine Stimmung in ihm erzeugt. Er hilft ihm seine Motivation zu finden. Muss er in seiner Rolle z. B. wütend auf einen Partner auf der Bühne sein, wird er sich den Subtext „Du hast mich belogen und betrogen, Du falscher Hund.“ geben und dann agieren. Er wird sich seine kleine Story für diesen Augenblick erzeugen, die ihn in die Lage versetzt entsprechend zu spielen. Strasberg beschreibt in seinem Buch eine Übung für seine Schauspielschüler/ in, die verdeutlicht wie die Umgebung bzw. eine Situation Sprache, Artikulation und Stimmung beeinflusst, selbst wenn die einzelnen Worte sich nicht verändern (Strasberg 2007). Ich habe die Übung auf eine Situation im Unternehmen übertragen: Worte und Situation

Ausgangslage: Die Abteilungsleiterin für Marketing kommt nach einer Dienstreise gegen 19.00 Uhr ins Büro zurück. Dort trifft sie auf einen ihrer Mitarbeiter. Worte: Sie sagt: „Guten Abend. Ich bin überrascht Sie um diese Zeit im Büro zu treffen. Wie ist Ihr Tag gelaufen? Was gibt es Neues zu unserer Werbeaktion?“

2.4  Wenn Du gehört werden willst, sprich auch so

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Situationen: A. Die beiden haben ein gutes berufliches Verhältnis und schätzen sich gegenseitig. B. Sie wurde heute vom Vorstand abgemahnt. Einer ihrer Mitarbeiter hat sie wegen ihres Führungsstils angeschwärzt. C. Er wurde heute entlassen, da er interne Informationen über die neue Werbeaktion an die Konkurrenz weitergegeben hat. D. Sie wurde heute in den Vorstand berufen. Ihre Abteilung hat in den letzten Jahren hervorragende Ergebnisse erzielt. Diese Übung zeigt, dass selbst, wenn die Worte dieselben bleiben, sich die Bedeutung der Worte, das Geschehen und die Reaktionen verändern. Dieselben Worte erzeugen in unterschiedlichen Situationen eine andere Handlung. Mimik, Gestik, Betonung, Lautstärke und die daraus resultierende Stimmung sind völlig unterschiedlich (vgl. Strasberg 2007). Beide Personen haben in den unterschiedlichen Szenen völlig verschiedene Auftritte. ◄ Ein Schauspieler, der eine Szene spielt, fragt sich was geschehen sein muss, um dies Szene für sich spielbar zu machen. Für ihn ist entscheidend sich der Rolle anzunähern (vgl. Strasberg 2007). Die Annäherung an die Rolle

Der Schauspieler soll sich zu seiner Rolle folgende Fragen beantworten können: • • • • • •

Wer ist er? (Figur) Wo ist er ? (Ort) Was macht er dort? (Handlung) Was ist vorher passiert? (Umstände) Warum tut er es? (Motivation) Unter welchen Umständen tut er es? (Anpassung) ◄

„Wo“ man sei, bestimme „was“ man sei und „wie“ man sein könnte (nach Stanislawski, vgl. Adler 2018). Er nutzt seine Vorstellungskraft, um auf ähnliche Handlungen zurückgreifen zu können. Ein Schauspieler schafft es so, Figuren zu erschaffen und nicht auf der Bühne zu posieren und nur auswendig gelernten Text vorzutragen. Er schafft sich einen Hintergrund für seine Darstellung, der ihm hilft

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

die Szene zu erschaffen. Stella Adler hat in Ihrem Buch ausgeführt, dass wenn ein Schauspieler zu kühl ist, eigne er sich besser zum Manager statt zum Schauspieler (Adler 2018). Dem widerspreche ich heftig. Das mag in den 1950er und 1960er Jahren so gewesen sein, aber heute muss ein Manager voller Leidenschaft seine Ideen vertreten. Auch eine Führungskraft kann sich mit diesen Fragen ihrer Rolle annähern. Ein Vortrag und eine Präsentation haben eine Handlung, die wahrheitsgemäß umgesetzt wird. Sie haben eine logische Abfolge, die es ermöglicht eine Situation zu beschreiben, ein Problem zu verdeutlichen und eine mögliche Lösung anzubieten. Die Abfolge muss wachsen und sich nachvollziehbar entwickeln. Einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Das, was Sie zu erzählen haben, muss andere interessieren, sie begeistern, ansonsten stiehlt es nur ihre Zeit. Klaus Maria Brandauer hat in einer Talkshow zum Thema Text für die legendäre zehnstündige Wallenstein39 Aufführung zu lernen bemerkt: „Man muss das was man macht, ganz ernst nehmen. Man muss das Gefühl haben, kann mir dieser Text etwas selber bringen. Denn, wenn es mir nichts bringt, wenn es mich nicht berührt, wie soll es denn das die Kollegen am Set oder gar die Menschen im Kino?“ (Brandauer 2019). Es muss erzählenswert sein. Warum sollten Sie es auch sonst erzählen? Robert McKee40, der Bücher über das „Storytelling“ geschrieben hat, zeigt die Struktur und den Aufbau einer guten Story. Hintergrundinformation

Storytelling nach Robert McKee: (McKee 2001) Struktur und Aufbau: 1. Auslösendes Ereignis Dies ist die Hauptursache für alles was danach folgt. In diesem Teil wird gezeigt, was alles in Bewegung gesetzt hat. Dieses Ereignis sollte etwas Dynamisches sein. Ein auslösendes Ereignis bringt die bestehenden Kräfteverhältnisse radikal durcheinander. Ein Gleichgewicht wird gestört. Bei einem Vortrag oder einer Präsentation können dies Regeln, Abläufe im Unternehmen oder Veränderungen im Markt bzw. Wettbewerberumfeld sein. Der Focus liegt auf dem Element, was die Veränderung ausgelöst hat. Der Wunsch nach einer Reaktion auf das auslösende Ereignis muss gegeben sein. Der Zuhörer oder Zuschauer muss berührt sein. Es muss ihn packen.

39Wallenstein, 40Robert

Drama-Trilogie von Friedrich Schiller. McKee, US-amerikanischer Lehrer für das Drehbuchschreiben, Drehbuchautor.

2.4  Wenn Du gehört werden willst, sprich auch so

169

2. Fortschreitende Komplikation Das auslösende Ereignis macht die Situation zunehmend kompliziert. Immer mehr Konflikte werden erzeugt. Es wird auf einen „Point of no Return41“ zugesteuert. Die Anstrengungen sich dagegen zu wehren nehmen zu. 3. Krise Die Komplikationen nehmen weiter zu, es wird auf eine Krise zugesteuert. Es bleibt die Möglichkeit zu einer letzten Handlung. Der Zuhörer ist gespannt welche das sein wird. Er fiebert mit. 4. Höhepunkt Die letzte Handlung leitet den Umschwung ein. Er wird zum Wendepunkt und ist das Kernstück der Story. Ohne ihn gäbe es die Story nicht, bzw. sie wäre hier unerwähnenswert zu Ende. Jetzt wird quasi das Schlüsselbild der Story erschaffen. 5. Auflösung Hier kommt wieder etwas Ruhe rein. Die Story wird nach dem Wendepunkt mit der letzten Handlung weitergeführt. Die Auswirkungen werden gezeigt. Ein Blick in die Zukunft. Der Vorhang fällt.

Der Storytelling Leitfaden lässt sich gut für Vorträge oder Präsentationen nutzen. Übertragen sind es dann die Bestandteile Einführung, Problembeschreibung, Auswirkungen, Lösungsmöglichkeiten und Vorschlag. „Gutes Schreiben setzt den Schwerpunkt auf Reaktionen.“ (McKee 2001). Es ist sicher ein Zeichen von der eigenen Bedeutung im Unternehmen, wenn man seine Reden schreiben lässt, einen eigenen Redenschreiber hat. Oft macht das auch jemand aus der PR-Abteilung oder aus dem Marketing. Ich würde diese Möglichkeit allerdings nicht nutzen. Lassen Sie keine Reden schreiben, wenn Sie gehört werden wollen, denn dann degradieren Sie sich zum Vorleser. Wie sollten Sie auch die Worte anderer mit „Leben“ füllen? Lassen Sie sich weder von Punkt und Kommata oder von anderen leiten (Adler 2018). In Ihrem eigenen Text setzen Sie die Pausen und Punkte intuitiv ganz von alleine richtig. „Führen“ Sie Ihren Vortrag auf. Ein Schauspieler darf nicht auf der Bühne reden ohne seine Worte ernst zu nehmen. Für eine Führungskraft sollte das ebenso selbstverständlich sein. Es freut mich, wenn ich in der Schauspielschule Manager treffe, die vor einem größeren Event oder Vortrag Sprechunterricht nehmen. Die Entwicklung der Person während des Coachings ist immer wieder verblüffend.

41Point

of no Return: Ab diesem Punkt, gibt es kein Zurück mehr. Wichtig, ihn frühzeitig zu erkennen, um reagieren zu können.

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2  Auftritt und Wirkung oder Auf der Bühne

Literatur Stella Adler 2018 Die Schule der Schauspielkunst – The Art of Acting Henschel Verlag Leipzig Brandauer, Klaus Maria, 3 nach 9, Talkshow von Radio Bremen, 23.08.2019 Duden 1-12 (2015), Das Aussprachewörterbuch, Dudenverlag, Berlin Ekman, Paul (2018), Ich weiß, dass Du lügst – Was Gesichter verraten, Rowohlt Verlag, Hamburg Filliés, Joachim (1997), Die größten Aussprachefehler der Moderatoren, Ruge, Nina/ Wachtel, Stefan (1997), Achtung Aufnahme, Econ Verlag, Düsseldorf Förster, Anja: Kreuz Peter (2007), Alles, außer gewöhnlich, Econ Verlag, Berlin Kahneman, Daniel (2011) Schnelles Denken, langsames Denken, Siedler Verlag, München Matschnig, Monika (2019), Körpersprache. Macht. Erfolg., Gabal Verlag, Offenbach McKee, Robert (2001, Story – Die Prinzipien des Drehbuchschreibens, Alexander Verlag, Berlin Molcho, Samy (1996), Körpersprache im Beruf, Mosaik Verlag, München Molcho, Samy (2013), Körpersprache, Goldmann Verlag, München Morris, Desmond (1985), Bodywatching, Crown Publisher, New York Navarro, Joe (2020), Menschen lesen, mvg Verlag, München Spiegel Online, (2019), www.spiegel.de/kultur/kino/rami-malek-ueber-freddie-mercuryund-bohemian-rhapsody-a-1236099.html, Zugegriffen: 13.12.2019 Spindler, Gerd-Inno (2016) Querdenken im Marketing – Wie Sie die Regeln im Markt zu Ihrem Vorteil verändern, 2. Aufl. Springer Gabler, Wiesbaden Strasberg, Lee (2007), Schauspielen und das Training des Schauspielers, Alexander Verlag, Berlin Stanislawski, Konstantin Sergejewitsch (1996), Die Arbeit des Schauspielers an der Rolle, Zweitausendeins, Frankfurt Verra, Stefan (2015), Hey, dein Körper spricht! Edel Books, Hamburg

3

Umsetzung oder Hinter der Bühne

Zusammenfassung

Zuhören ist wichtiger als Reden, Entspannen wichtiger als Verspannen. Das gilt für beide Bühnen, die des Theaters und die des Unternehmens. Der Schreibtisch erzählt keine Geschichten, das Reisen zum neuen Lieferanten schon. Für die Weiterentwicklung von Unternehmen ist es wichtig, nicht temporär, sondern permanent im Angriffsmodus zu bleiben. Satte Unternehmen entwickeln sich nicht weiter. Oft wird im Unternehmen viel Zeit vergeudet, um Dinge gesund zu reden, die nicht gesund sind. In dieser Zeit wäre besser gehandelt statt geredet worden. Viel zu oft haben Kunden das Gefühl, dass Unternehmen bei Fehlern nicht helfen, sondern nur abwehren wollen. Der dadurch entstehende Schaden und Imageverlust sind riesengroß. Die Zusammenstellung eines Teams, die Führung und Motivation der Mitarbeiter sind entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung von Projekten und die Entwicklung eines Unternehmens. Wer das unterschätzt, wer sein Team nicht hinter sich bringt, wird seine Projekte nicht erfolgreich umsetzen können. Was bedeutet eigentlich Führung? Wer nur Anweisungen verteilt, führt nicht. Ein Vorgesetzter führt dann, wenn es auch ohne ihn geht und er seinen Mitarbeitern Wertschätzung entgegenbringt. Wer zuhört, lernt und erweitert seinen Wissenshorizont. Wer nur redet, macht die Anderen stumm und die Quelle des Lernens trocknet aus, genauso wie die eigene Stimme. Jede Handlung hat Folgen, wie bei dem Spiel Domino, wenn ein Stein fällt. Dies sollte man vor jeder Entscheidung bedenken. Es ist Zeitverschwendung eine getroffene Entscheidung permanent zu hinterfragen und den Entscheidern nicht zu trauen. Sollte man die eigenen Stärken stärken oder besser die eigenen Schwächen schwächen?

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 G.-I. Spindler, Und Action, bitte! Method Acting für Manager, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30987-9_3

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

3.1 Wer nicht entspannt, ist verspannt Unsere Muskeln spannen sich z. B. bei Gefahr an, unser Puls steigt und wir haben nur noch unseren Fluchtpunkt im Fokus, alles andere wird ausgeschaltet. Schauspieler müssen auf der Bühne permanent unter Spannung stehen, der Körper, der Auftritt muss das dem Publikum signalisieren. Aber verspannt wird kein Schauspieler auf die Bühne gehen und sich dem Publikum präsentieren. Jede physische oder psychische Anspannung hindert den Schauspieler daran zu denken und zu fühlen (nach Strasberg 2007). Er wird entspannt die Bühne betreten und die inszenierten Szenen spielen. Ist er verspannt, wird er seine Rolle nicht interpretieren können. Seine Konzentration auf die Rolle wird durch die Verspannung geblockt, sein Körper wirkt steif und wird sich während der Vorstellung immer weiter verspannen. Die Arme, die Beine, der Rücken und der Nacken sträuben sich weiterzuspielen und verkrampfen. Ist der Körper nicht entspannt, ist man verspannt. Verspannung ist nicht nur lästig und schmerzt, sie lenkt auch beim Denken ab und behindert den Entscheidungsprozess. Sollen schwierige Entscheidungen, bei denen es um viel Geld, die Zukunft Ihrer Mitarbeiter oder des Unternehmens geht, in einem verspannten Zustand getroffen werden? Ist der Hals verspannt, die Schultern hochgezogen, ist der ganze Körper verspannt. Versuchen Sie einmal in dieser Körperhaltung eine schwierige Rechenaufgabe zu lösen. Es wird Ihnen nur unter Schwierigkeiten gelingen. Wer denken will oder eine Entscheidung treffen muss, sollte dies nicht in einer verspannten Körperhaltung tun, sondern sich vorher entspannen. Sicherlich noch im Gedächtnis ist die Notlandung des US-Airways Fluges 1549 auf dem Hudson River am 15. Januar 2009. Flugkapitän dieses Fluges von New York nach Seattle war Chesley B. Sullenberger, ein erfahrener Pilot, der bei der US-Airforce ausgebildet wurde. Kurz nach dem Start vom Flughafen LaGuardia in New York wurden Gänse von den Triebwerken des Flugzeuges eingesogen. Beide Triebwerke fielen aus, während die Maschine in circa 1000 m Höhe noch im Steigflug war. Eine ungeheure Stresssituation für die Piloten um Chesley B. Sullenberger. Die Maschine war mit 150 Passagieren und fünf Besatzungsmitglieder besetzt. Sie meldeten den Vogelschlag und den Ausfall der Triebwerke

3.1  Wer nicht entspannt, ist verspannt

173

der Flugsicherung und brachten die Maschine in den Gleitflug. Die Flugsicherung machte umgehend Vorschläge für eine Notlandung in der nahen Umgebung. Sullivan meldete zurück, dass sie das nicht mehr schaffen würden. Es waren innerhalb von Sekunden eine katastrophale Situation zu verarbeiten, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und Entscheidungen zu treffen, die nicht mehr korrigierbar wären. Für 155 Menschen ging es um Leben und Tod. Wie hätte eine verspannte Crew um ihren Kapitän das meistern sollen? Lösungen, die die Flugsicherung anbot, mussten abgelehnt werden. Eine bessere Entscheidung getroffen werden. Sullenberger entschied sich dafür, auf dem Hudson River in New York zu landen. Es hatte bisher in der Geschichte der Luftfahrt nur drei Notwasserungen eines Düsenflugzeuges gegeben, bei denen keine Menschen ihr Leben verloren. Etwa sechs Minuten nach dem Start setzte die Maschine auf dem Hudson River auf. Den Piloten gelang es, die Maschine so zu steuern, dass sie beim Wasserkontakt nicht zerbarst. Die Rettungsmaßnahmen wurden sofort eingeleitet, es gab keine Panik an Bord. Alle Menschen an Bord konnten gerettet werden und Kapitän Sullenberger verließ die Maschine erst, nachdem er sich durch eine Begehung davon überzeugt hatte, dass niemand mehr an Bord war (Wikipedia 2020). Hätten eine verspannte Crew und ein verspannter Flugkapitän in Sekundenschnelle alle möglichen Alternativen einer Notlandung durchspielen und diese Entscheidungen treffen können? Der Film „Sully1“ mit Tom Hanks2 in der Hauptrolle unter der Regie von Clint Eastwood3 handelt von den Ereignissen um diesen Flug. Übung: Verspannung und Denken

Sie können auf einfache Weise testen, wie schwer es fällt zu denken, wenn man verspannt ist. Ballen Sie Ihre Hände so fest wie möglich zu Fäusten und ziehen die Schultern hoch. Bleiben Sie in dieser Haltung und beantworten die folgenden Fragen:

1Sully,

US-amerikanischer Spielfilm aus 2016 von Clint Eastwood mit Tom Hanks in der Hauptrolle. 2Tom Hanks, US-amerikanischer Schauspieler und Regisseur. 3Clint Eastwood, US-amerikanischer Schauspieler und Regisseur.

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

• Wieviel ist 176 mal 8? • Wann hat Ihre Mutter Geburtstag? • Wann sind Sie das erste Mal umgezogen? ◄ Unter Stress und angespannt in eine Betriebsratssitzung oder ein Meeting zu gehen, sollte ein Manager vermeiden. Er wird dort verklemmt und inkompetent wirken. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Stärken, was sollte denn schiefgehen? Sie sind der Fachmann. Sie sind gut. Haben Sie Mut. Lernen Sie auch schwierige Momente zu lieben. Wenn ich schwierige Passagen in einem Theaterstück habe, in die ich einfach nicht hineinkomme, vor denen mir immer der Puls nach oben steigt, gehe ich sie stoisch immer wieder durch. Ich versuche mir die Passage in kleinere Blöcke zu zerlegen, die einfach und überschaubar sind. Aus einer großen schwierigen Passage, werden so viele kleine leichte Passagen. Ich baue mir gedanklich eine Situation, die mir gefällt, die ich mag und die ich gerne spiele. Die Angst vor der schwierigen Passage verschwindet, ich mache etwas, was ich mag. Ich lerne die schwierige Situation zu „lieben“. Dabei verspanne ich nicht, obwohl mein Körper unter Spannung steht, Körperspannung zeigt. Meine Konzentration lege ich auf das „gerne Mögen“, nicht auf das „Vermeiden von Schwierigkeiten“. 

Ich lege meine Konzentration auf das „gerne Mögen“, nicht auf das „Vermeiden von Schwierigkeiten“.

Sind Sie nicht locker in Ihrer Muskulatur nehmen Sie zudem weniger oder sogar keine Informationen auf, die Sie erhalten. Sie spüren bestimmte Einflüsse nicht mehr, sie kommen nicht mehr zu Ihnen durch. Verspannung wirkt informationshemmend. Wenn Sie einen Kartoffelsack auf dem Rücken tragen und damit ein paar Meter gehen, ist Ihr Rücken von der Last gebeugt. Sie gehen krumm (Molcho 1996; Stein 2017). Versuchen Sie mit dieser Last, die sie tragen, wahrzunehmen, wer vor Ihnen geht oder aus welchen Städten die Autos kommen, die an Ihnen vorbeifahren. Nahezu unmöglich. Auch psychische Belastungen im Beruf haben diese Wirkung. Stress, Ärger mit dem Chef oder Kollegen, ein Projekt, das nicht gelingen will, verspannen und belasten, wie ein Kartoffelsack. Entledigen Sie sich davon, um gedanklich wieder für die Informationsaufnahme und die Lösung schwieriger Sachverhalte frei zu sein. Übung: Verspannung und Fühlen (vgl. Molcho 1996; Stein 2017)

1. Streichen Sie mit starrer Hand über Ihren nackten Arm. • Was spüren Sie?

3.1  Wer nicht entspannt, ist verspannt

175

• Was fühlen Sie? • Welche Informationen bekommen Sie? 2. Streichen Sie mir lockerer Hand über Ihren nackten Arm • Was spüren Sie? • Was fühlen Sie? • Welche Informationen bekommen Sie? ◄ Der Neurowissenschaftler und Autor Jonah Lehrer4 schreibt „… sind Menschen in guter Stimmung eher in der Lage, schwierige Probleme zu lösen, für die Kreativität erforderlich ist.“ (Lehrer 2009). In einem entspannten Zustand treffen Sie auch entspannte Entscheidungen, ohne Druck von innen oder außen zu spüren. Und trotzdem kann Ihr Körper unter positiver Spannung stehen, die Sie wiederum benötigen um alle Einflüsse von außen und aus dem Markt aufnehmen zu können. Entspannung für Körper und Geist ist notwendig. Sie löst Druck und Denkblockaden. Leider vergisst man das zu oft in der Hektik des Tages. Suchen Sie sich Ihre Entspannungsphasen innerhalb des Tages und der Woche. Sie, Ihr Körper und Ihr Geist brauchen sie. Diese Phasen werden umso wichtiger, wenn Sie viele Kilometer mit dem Auto fahren müssen. Im Auto ist die Sitzposition meist angespannt. Auch lesen, spazieren gehen, im Restaurant essen oder ein Hobby ausüben kann entspannen und den Kopf freimachen.

Der Entspannungskreislauf:

• Man ist nicht konzentriert, wenn man nicht denken kann. • Man kann nicht denken, wenn man nicht entspannt ist. • Ist man nicht entspannt, kann man sich nicht konzentrieren. (vgl. Stanislawski 1966 und Strasberg 2007).

Spüren Sie einmal was entspannen ist: Spannen Sie Ihre Muskeln an, dann lassen Sie sie wieder locker. So können Sie erleben, was entspannen im wahrsten Sinne des Wortes ist. 4Jonah

Lehrer, ­US-amerikanischer Autor, studierte Theologie, Literatur und Neurowissenschaften.

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

„Entspannung spüren“

• • • •

Spannen Sie Ihre Muskeln in den Armen und den Schultern an Bleiben Sie ein paar Sekunden so Lassen Sie die Muskeln nun wieder locker Sie spüren „Entspannung“ ◄

Ein Schauspieler bereitet sich durch Lockerungsübungen auf die Vorstellung vor. Er dehnt seine Muskeln und entspannt sich. Auch ein Manager sollte dies vor einer wichtigen Präsentation oder Rede tun. Denn das ist seine Vorstellung.  Entspannungsübungen  Sobald Sie spüren, dass Sie sich anspannen, z. B. wenn Sie die Zehen zusammenrollen, die Hände zu Fäusten ballen oder sich fest an einer Stuhllehne festhalten, gehen Sie bewusst in die Entspannung und machen Ihre Muskeln wieder locker. Jede Form des autogenen Trainings hilft Ihnen dabei. Sie können auch die Übung zur Zwerchfellatmung durchführen und damit einen kleinen Bodyscan zur Entspannung durchführen (vgl. Abschn. 2.2.6). Wenn Sie mutig sind, schalten Sie Ihre Lieblingsmusik ein und bewegen sich zur Musik. Tanzen Sie nicht, sondern lassen sich durch die Musik bewegen.

Im Theater wie im Unternehmen ist der Tag vollgepackt mit Aktivitäten. Bühnenbau, Proben, Schminken, Anweisungen vom Regisseur, Gespräche mit Kollegen im Theater etc. Im Unternehmen sind es Gespräche mit dem Vorgesetzten, mit dem Team, das Telefon klingelt, Termine werden geplant und wieder storniert usw. Da fällt es schwer, sich einen geeigneten Platz für die Entspannung zu suchen. Strasberg lässt seine Schüler/in auf einem unbequemen Stuhl entspannen, um zu lernen, sich auch in turbulenten Situationen entspannen und wieder konzentrieren zu können. Ein unbequemer Stuhl oder Platz lässt sich überall finden (Strasberg 2007). Bei Lampenfieber vor einer Vorstellung oder einem Vortrag hilft es, sich kurz vorher in einen privaten Moment zurückzuziehen. Gemeint ist, sich an einen schönen Moment im Leben zu erinnern, in dem man sich richtig wohl und stark gefühlt hat. Das kann eine Urlaubserinnerung, ein sportlicher Erfolg,

3.1  Wer nicht entspannt, ist verspannt

177

eine Situation, in der man jemandem geholfen hat oder auch eine erfolgreiche Situation im Beruf sein. Sich wieder in das Gefühl dieses Moments zu versetzen, lässt uns entspannen und selbstbewusster werden. Die Aufregung verfliegt. Als Schauspieler konzentriere ich mich auf mich in meiner zu spielenden Rolle. Ich spiele nicht, ich bin. Stress im Unternehmen entsteht auch dadurch, eine Rolle zu spielen, die man selbst nicht ist. Das sollten wir Schauspielern überlassen. Nachahmen erfordert Konzentration an der falschen Stelle. Am besten bin ich, wenn ich „ich bin“. Das kann keiner besser als ich selbst. Beim Imitieren einer anderen Person kann ich nur gegen das Original verlieren. Wer echt ist, braucht nichts vorzutäuschen, nicht spielen „als ob“. In einer lustigen Situation habe ich gemerkt wie schwierig es werden kann, wenn man etwas vortäuscht. Ich war dabei, die italienische Sprache zu lernen und habe ein Wochenende mit meiner Frau in Florenz verbracht. Welche Chance zu glänzen. Im Hotel bin ich direkt zur Rezeption gegangen und habe nach einem netten „Buonasera“ des Hotelmitarbeiters losgelegt. „Buonasera. Mi chiamo Spindler. Ho prenotato una camera per due per fine settimana.“5 Ich war total stolz, meine Frau staunte und der Italienische Hotelangestellte hat mich offenbar gut verstanden. Sofort sprach er in schnellem italienisch weiter, fragte ein paar Dinge und erwartete von mir eine direkte Antwort, da ich ja wohl der Sprache mächtig war. Allerdings reichten meine Italienischkenntnisse überhaupt nicht aus und ich musste kleinlaut ins Englische wechseln. Ein Schauspieler nutzt das Leben, um künstlerischen Erfolg zu erzielen (Strasberg 2007). Der Wille etwas zu ersinnen muss da sein, sonst wird das nichts auf der Bühne. Der Schauspieler muss an sich und sein Spiel glauben. Wenn er zweifelt, ist er nicht mehr die Person, die er darstellen will. Dann imitiert er vielleicht sogar sich selbst. Ein Manager nutzt das Leben und seine Erfahrungen aus anderen Unternehmen, um wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. Er lebt seine Erfahrungen. Genau wie der Schauspieler sollte er nicht so tun, als wäre er jemand, nicht so tun als ob, sondern „einfach“ machen. Ein Manager ist nur dann authentisch, nur dann glaubwürdig und wahrhaftig, wenn er sich nicht verstellt, wenn er nicht „schauspielert“.

5Guten

Abend. Mein Name ist Spindler. Ich habe ein Doppelzimmer für dieses Wochenende reserviert.

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

3.2 Am Schreibtisch lernt man nichts Ein Leader in der Wirtschaft, der nur im Büro am Schreibtisch sitzt, wird sicher einen guten Job machen und seine Aufgabe erfüllen können. Er wird das Unternehmen wirtschaftlicher machen können, aber er wird am Schreibtisch nicht die Nähe zu den Kunden und den Mitarbeitern erreichen. Er wird sein Unternehmen nicht revolutionieren können. Das funktioniert am Schreibtisch nicht. Eine Führungskraft, egal aus welchem Bereich im Unternehmen, braucht die Nähe und den Kontakt zu Kunden und Mitarbeitern des Unternehmens. Je nach Bereich etwas mehr oder weniger. Ohne diesen Kontakt wird der Manager/in die Kunden und den Markt, in dem das Unternehmen tätig ist, nicht verstehen. Wird der Kunde nicht verstanden, wie sollen dann Produkte und Services in seinem Sinne angeboten werden? Steve Jobs hat die Produkte von Apple immer aus der Sicht des Kunden entwickelt (Carmine Gallo 2011). Die Fragestellung war: Was benötigt der Kunde, was macht ihm das Leben leichter? So entstanden Produkte wie iPod und iPhone. Die Kunden werden nicht an den Schreibtisch des Managers/in kommen. Er muss zu ihnen kommen. Fehlt der Kontakt eines Vorgesetzten zu den Mitarbeitern, wie soll dann eine Identifizierung mit den Zielen des Vorgesetzten entstehen? Mitarbeiter wollen ihren Chef auch sehen, hören und spüren. Nutzen Sie das. Die eigenen Ziele und Ideen zu transportieren wird lange dauern, wenn alle an Ihren Schreibtisch kommen müssen. Gehen Sie durch Ihre Abteilung, durch Ihr Unternehmen und sprechen Sie mit den Leuten. Interessieren Sie sich für ihre Arbeit, fragen Sie nach, was gerade gemacht wird. Fragen Sie nach, was besonders gut gelaufen ist. Fragen Sie nach, was besonders schlecht gelaufen ist. Loben Sie, kritisieren Sie konstruktiv, geben Sie Anregungen, stellen Sie Fragen. Zeigen Sie Interesse. Zeigen Sie Wertschätzung. Sie erreichen damit drei wichtige Dinge: • Sie hören in Ihr Unternehmen • Sie vermitteln Ihre Ziele • Ihre Mitarbeiter fühlen sich wertgeschätzt Ein „Schulterklopfen“ (vgl. Abschn. 2.2.7), ein anerkennendes Wort, eine Begrüßung sind wertvoll und motivierend für Ihre Mitarbeiter. Ist eine Führungskraft der Meinung, dass sich der Kontakt zum Mitarbeiter auf die jährliche Leistungsbeurteilung beschränken kann, ist das nach Jack Welch eine gravierende Fehleinschätzung (Welch 2005). Frei nach Jack Welch sollte der Kontakt zum Mitarbeiter täglich stattfinden und „integraler Bestandteil des R ­ outinebetriebs“

3.2  Am Schreibtisch lernt man nichts

179

werden. Aus meiner Sicht sollte Routine zwar nicht vorkommen, aber die Beschreibung trifft es sehr gut. Jede Gelegenheit zur Kommunikation sollte genutzt werden. Eitelkeit und eine permanente Selbstdarstellung allerdings verhindern das Wertschätzen anderer und wirken respektlos. Eine Wirkung haben sie allerdings auch. 

Die Meinung anderer ist wichtig für Sie, Ihre eigene kennen Sie doch.

Bei jeder Inszenierung eines Theaterstückes oder der Produktion eines Filmes wird versucht, vorab das Zuschauerinteresse einzuschätzen. Der Regisseur wird mit seiner Arbeit, seiner Art der Inszenierung versuchen, die Reaktion des Publikums zu erreichen, die er sich vorstellt. Will er zum Nachdenken anregen, wird seine Regiearbeit dem Publikum Fragen anbieten. Er wird durch die Schauspieler Szenen darstellen lassen, die das Publikum kritisch inspirieren sollen. Möchte er dem Publikum einen lustigen und entspannenden Abend bieten, wird er witzige Szenen inszenieren, er wird die Lacher der Zuschauer provozieren. Damit ein Regisseur diese Fähigkeit erreicht, muss er das Publikum einschätzen können, er muss vorausahnen, wie es reagieren wird. Dies schaffte er nicht, indem er im stillen Kämmerlein Theorien entwickelt. Dies schafft er nur, indem er eine Nähe zum Publikum entwickelt, Vorstellungen anschaut und registriert, wie und warum die Reaktionen der Zuschauer in bestimmten Szenen so oder anders ausfallen. Am Schreibtisch wird der Regisseur diese Erfahrung nicht machen. Auch ein Schauspieler registriert sehr genau, wie das Publikum sich verhält. Schon wenn sich die Türen des Theaters öffnen und das Publikum aus dem Foyer hereinkommt und seine Plätze aufsucht, spürt er die Atmosphäre „wie das Publikum drauf ist“. Reagiert das Publikum bei der Begrüßung eher ruhig oder sehr engagiert? Als Schauspieler probiere ich während der Vorstellungen ständig Dinge aus. Nie ist eine Vorstellung wie die andere, jede Vorstellung ist ein Unikat. Selbst, wenn ein und dasselbe Stück schon zum zwanzigsten Mal aufgeführt wird, ist es eine Herausforderung, wieder eine Variante des Spiels zu probieren. Im Ludwigstheater6 in Aschaffenburg, einem Theater mit circa 100 Sitzplätzen, sitzen die Zuschauer in der ersten Reihe nur einen Meter von der Bühne entfernt. Der

6Ludwigstheater Aschaffenburg:

Ludwigstr. 7, 63.739 Aschaffenburg.

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

Zuschauer ist quasi mit auf der Bühne. Ich bekomme jede Gefühlsregung der Zuschauer mit, „höre“ sogar ein Lächeln. Jede Reaktion, ob laut oder leise, ob positiv oder negativ, auf der Bühne „höre“ ich sie, auch ohne den Zuschauer zu sehen, was durch die die Bühne ausleuchtenden Scheinwerfer nicht möglich ist. Bei jeder Vorführung wird man ein wenig mutiger in seinem Spiel. Neue Varianten eines Gags werden ausprobiert oder neue eingebaut und in emotionalen Szenen versuche ich die Reaktion des Publikums jedes Mal zu steigern. Meistens gelingt es, manchmal auch nicht. Klaus Maria Brandauer nennt das „Luft unter die Flügel“ des Schauspielers blasen (Brandauer 2019). Ohne Publikum kann das nicht ausprobiert werden, es muss live sein. Eine Trockenübung bietet das nicht. Bei der Inszenierung des Stückes, bei den Proben einzelner Szenen und bei den Durchläufen, die meistens ohne Publikum stattfinden, kann man auch probieren, aber es fehlt die spontane Rückkopplung des Publikums. Auf der Bühne aber kommt die Rückkopplung direkt, ungefiltert und unwiderrufbar. Genau wie die Reaktion des Publikums im Theater die Schauspieler pusht, sollten im Unternehmen das Feedback aus dem Markt und das der Mitarbeiter, Führungskräfte pushen. Sich pushen lassen

• Lassen Sie sich von Ihren Kunden pushen, gehen Sie zu ihnen • Lassen Sie sich von Ihren Mitarbeitern pushen, gehen Sie zu ihnen • Reisen bildet auch im Job. ◄ In der Ausbildung eines Schauspielers nach Stanislawski ist „Die Arbeit an sich selbst“ ein entscheidender Part. Sie unterteilt sich in die drei Teile: Geistige Arbeit, physische Arbeit und emotionale Arbeit (Strasberg 2007). Die geistige Arbeit beinhaltet das Wissen. Das Wissen, das der Schauspieler sich aneignet, soll ein Anwendungswissen sein, kein Fachwissen über bestimmte Daten aus der Historie oder Fakten aus einem Technikkatalog. „Das Leben erleben“, so nenne ich es, bedeutet Unterschiede zwischen Dingen erkennen und Auswirkungen von Handlungsweisen erleben und erkennen. Eine neue Sprache kann man mit Büchern lernen oder sie in dem Land selbst „erleben“. Jeder kann sich vorstellen, dass drei Wochen in einem Land zu leben, dabei die Sprache täglich zu hören, die Menschen des Landes zu sehen, wie sie artikulieren, Hände und Kopf bewegen, wie sie lachen oder weinen und die Sprache dort selbst zu sprechen, die bessere Möglichkeit ist, eine Sprache zu lernen, als drei Wochen in Bücher zu schauen. Jede Rückkopplung der Menschen auf die eigenen Sprechversuche bringt mehr, als im Lexikon nachzuschlagen. Nach drei Wochen

3.2  Am Schreibtisch lernt man nichts

181

­ örterbuch wird man Vokabeln gelernt haben, nach drei Wochen im Land wird W man sich unterhalten können. 

Daten und Fakten ersetzen das Erleben nicht.

Sehen, bewerten, reagieren, kann man nicht aus Büchern lernen. Stellen Sie sich eine Stunde Autofahrt vor. Einmal in einem norddeutschen Dorf, zum anderen in Rom. Sehen, bewerten, reagieren, wird grundlegend verschieden sein. Einmal eher ruhig und gemütlich, vielleicht sogar langweilig, zum anderen hektisch, laut, nervös und rasend schnell in der Reaktion. Nur vom Hörensagen wird man sich beides nicht richtig vorstellen können. Für Manager hat dies eine genauso große Bedeutung. Überlegen Sie nicht ewig über eine bestimmte Marketingaktion, machen Sie einfach. Probieren statt theoretisieren. Darum ist es ein wichtiger Bestandteil, Karrieren von Mitarbeitern zu planen. Sie „erleben“ zu lassen. In Tochtergesellschaften, im Ausland, in anderen Funktionen, mit anderen Vorgesetzten und Kollegen. Die physische Arbeit beinhaltet die Körperarbeit und die Stimmarbeit. Lesen Sie hierzu die entsprechenden Kapitel Kap. 2. Der Schauspieler trainiert in der physischen Arbeit seine Aussprache, trainiert einen eventuell vorhandenen Dialekt ab, beseitigt mögliche Sprachfehler und trainiert die Resonanz seiner Stimme. Die Schauspielausbildung umfasst auch ein Körpertraining, um Muskeln und Bewegungen zu schulen und zu entwickeln. Denn Körper und Stimme drücken Gefühle und Handlungen aus, bzw. unterstützen sie (Strasberg 2007). Für bestimmte Rollen trainiert sich der Schauspieler weitere Fähigkeiten an. Wie sollte ein Darsteller einen Tennisspieler spielen ohne jemals Tennis gespielt zu haben. Er würde sicher unnatürliche oder lustige Bewegungsabläufe zeigen. Diese körperliche Arbeit kann eine Tortur werden, so schildert es die Schauspielerin Renée Zellweger7 in einem Interview zu ihrer Rolle als Judy Garland in dem Film „Judy8“ (Kino & Co 2019). Ein Jahr lang hat sie mit ihren Coaches für diese Rolle speziell ihre Stimme trainiert. Von diesen Anstrengungen hätte sie vorher keine Ahnung gehabt, sagt Reneé Zellweger. In der Kriminalkomödie

7Reneé

Zellweger, US-amerikanische Schauspielerin, Oscar für die beste weibliche Hauptrolle in „Judy“ 2020 und für die beste NebenDarsteller 2004. 8Judy, Film über die Sängerin Judy Garland (US-amerikanische Filmschauspielerinn und Sängerin, gest. 1969).

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

„Fisch zu Viert“ von Wolfgang Kohlhaase9 und Rita Zimmer10 spiele ich unter der Regie von Maike Mai den Diener Rudolf im Haus dreier Schwestern, die eine Brauerei geerbt haben. In einer Szene spielt Rudolf einen Walzer am Klavier. Da ich völlig unmusikalisch bin, keine Noten lesen kann und schon gar kein Instrument spielen kann, haben Maike Mai und ich lange überlegt, wie wir diese Szene umsetzen sollen. Wir hätten die Musik einspielen können, ich hätte am Klavier gesessen und hätte so getan als ob ich selbst spiele. Ich habe das vor einem Spiegel probiert. Es wirkte fürchterlich, eben genauso, als könnte ich es nicht und die Musik müsste darum für mich eingespielt werden. Ich habe mich damit komplett unwohl gefühlt. Für mich gab es nur den Ausweg: Klavierspielen zu lernen, zumindest diesen Walzer. Ich habe Klavierunterricht genommen und geübt. Es hat funktioniert und ich konnte auf der Bühne frei spielen und den klavierspielenden Rudolf glaubhaft darstellen. Meine Familie, Freunde und Bekannte, die das Stück im Theater gesehen haben, konnten nicht glauben, dass ich selbst gespielt habe und waren höchst erstaunt. Ich war hungrig und neugierig darauf, es selbst zu können und die Szene nicht zu faken. Begeisterung auf der Bühne oder im Beruf nur zu spielen ist nicht möglich. Man muss begeistert sein. Was fehlt muss gelernt werden, das ist im Beruf nicht anders. Der dritte Teil, die emotionale Arbeit, öffnet den Schauspieler zum „Durchleben der Seelenzustände“, wie es der Schauspieler Richard Boleslawski11 genannt hat (Strasberg 2007). Er lernt Emotionen überhaupt erst einmal zu zeigen. Freude, Ärger, Angst, Lust, das konnte ich mir noch vorstellen. Für Marlon Brando bedeutet es „… wie man die eigenen emotionalen Abläufe und damit auch die der Anderen versteht.“ (Adler 2018). Aber Todesangst, Entsetzen oder Weinen auf der Bühne und im Unterricht vor Anderen zu zeigen, das war eine komplett neue Erfahrung für mich und hat viel Überwindung gekostet. Ohne dies zu trainieren, sich zu öffnen, würde ein Spiel auf der Bühne unnatürlich und eben „gespielt“ wirken. Riechen, schmecken, fühlen, da weiß natürlich jeder wie das geht, das macht jeder von uns täglich. Aber auf der Bühne? So an einer Blume zu riechen, dass der Zuschauer den Duft ebenso verspürt, ist dann doch etwas anderes. Jeder kann eine Jacke anziehen, natürlich. Ziehen Sie mal eine virtuelle Jacke an. Dabei merken Sie, wie wenig man über diesen simplen, immer wieder gemachten Bewegungsablauf eigentlich weiß. Wie ging das nochmal?

9Wolfgang

Kohlhaase, deutscher Drehbuchautor und Schriftsteller. Zimmer, deutsche Schriftstellerin. 11Richard Boleslawski, russischer Schauspieler, gest. 1937. 10Rita

3.3  Bleibe hungrig, bleibe neugierig, bleibe im Angriffsmodus

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Erst den rechten Arm oder war es der linke Arm? Nein, erst muss ich mir die Jacke einmal holen, aber wo fasse ich sie an, was macht dann die andere Hand. Unglaublich. Das hat mir gezeigt, wie wenig konzentriert ich bestimmte Dinge getan habe. Ich konnte nicht einmal einem anderen zeigen oder sagen, wie man eine Jacke anzieht. Sobald man mir eine Jacke in die Hand gegeben hat, war es wieder ganz leicht. Genauso ist es, wenn ein Schauspieler auf der Bühne trinken soll, hat aber kein Glas in der Hand. Oder ein simples Gähnen. Wie oft gähnen wir am Abend und doch fällt es schwer es auf Kommando zu tun. Es gelingt nur, wenn man sich in eine „Gähnsituation“ versetzt, vielleicht die vom gestrigen Abend. Emotionale Situationen kann ein Schauspieler nicht spielen, er muss sie erleben, um glaubwürdig zu sein und kein „Schau-Spieler“.

3.3 Bleibe hungrig, bleibe neugierig, bleibe im Angriffsmodus Beispiel

Ein Tier hat verschiedene Möglichkeiten, wenn es angegriffen wird, es kann: • Weglaufen (kapitulieren) • Sich totstellen (weitermachen wie bisher) • Oder angreifen (agieren) ◄ Im Unternehmen haben wir die gleichen Möglichkeiten. Viel zu oft wird eine der ersten beiden Alternativen gewählt. Also keine Aktivität, kein Aufbäumen gegen eine Entwicklung. Es ist wichtig im Markt aktiv zu sein und als Spielmacher zu agieren. Mitspieler reagieren nur. „Wenn Sie die Nummer 4 oder 5 auf einem Markt sind, bekommen Sie Lungenentzündung, sobald die Nummer 1 hustet. Wenn Sie Nummer 1 sind haben Sie Ihr Schicksal selbst in der Hand.“ (Welch, Slater 1999). Oder derbe von dem ehemaligen Fußballprofi Erik Meijer12 ausgedrückt: „Nichts ist scheißer als Platz zwei.“ Die Nummer 1 im Markt wird man nicht, wenn man permanent nur den Wettbewerb im Fokus hat und ihn kopieren

12Erik

Meijer, ehemaliger Fußballprofi bei Bayer Leverkusen.

184

3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

oder gegen ihn agieren will. „Es lohnt sich niemals, negativ zu agieren. Wer im Wirtschaftsleben seine Energie darauf verwendet, Wettbewerber zu behindern anstatt ihnen etwas Konstruktives entgegenzusetzen, der macht einen großen Fehler.“ (Ingvar Kamprad13, Jungbluth 2006). Wir machen unseren Job schon lange, wir kennen alles was passieren kann und wir wissen, wie wir uns im Notfall verhalten müssen. Das hat Vorteile. Leider aber auch gravierende Nachteile. Wir bekommen durch die Routine Scheuklappen aufgesetzt, werden weniger mutig und etwas träge. Neuerungen sind nicht willkommen, stören sie doch den gewohnten Ablauf. Wir sind in unserer Routine, in unseren Gewohnheiten gefangen. Gewohnheiten sind nach Charles Duhigg14 nur Sparprogramme des Gehirns (Charles Duhigg 2012). Mit Gewohnheiten ist den Herausforderungen der Zukunft nicht zu begegnen. Denn die Zukunft ist für unsere Gewohnheit völlig unbekannt. Mit der uns so angenehmen Routine ist etwas Neues nicht zu erreichen. Wir werden satt, die Dinge interessieren uns nicht mehr so wie am Anfang unserer Karriere, wir erledigen jetzt alles mit Links. 

„Wenn Sie etwas Neues schaffen wollen, eine kleine Revolution anzetteln, dann müssen Sie gegen die Normen verstoßen. Das erreichen Sie nicht, indem Sie normale Dinge tun.“  (James

Dyson15). Wir dürfen uns nicht im „Kleinen“ einrichten, wo es so schön gemütlich ist. Nicht nur den eigenen Raum füllen und den eigenen Normen folgen. Wir dürfen nicht den eigenen Erfahrungshorizont als Grenze des Machbaren begreifen. Aus der Ignoranz gegenüber dem Fremden und Neuen folgt eine fehlende realistische Einschätzung der eigenen Stärken und Schwächen. Die Messgrößen sind nicht mehr vorhanden (vgl. Adler 2018). Können Sie sich Unternehmen wie Apple, Google, Amazon oder Tesla vorstellen, bei denen alles mit Routine erledigt wird? Sie würden das, was sie heute darstellen, nicht erreicht haben, wären sie mit dem Gewohnten zufrieden gewesen. Diese Unternehmen sind hungrig nicht satt, sie sind neugierig nicht zufrieden. Sie sind im Markt permanent im Angriffsmodus und nicht in einer Verteidigungsstellung. Sie sind gierig nach Erfolg und

13Ingvar

Kamprad, Gründer von IKEA, gest. 2018. Duhigg, US-Amerikaner, Journalist der New York Times, Autor, Pulitzerpreis-

14Charles

träger. 15James Dyson, britischer Erfinder und Unternehmer (Dyson Staubsauger).

3.3  Bleibe hungrig, bleibe neugierig, bleibe im Angriffsmodus

185

­ eränderung. Diese Gier unterscheidet einen Macher von einem Verwalter, einen V agierenden von einem abwartenden Manager. Im Headquarter von Ryanair soll eine Tafel mit folgendem Worten an der Wand hängen: „Nur wenn‘s unlogisch, überzogen und wahnsinnig ist, ist es unsere Zeit wert.“ (WirtschaftsWoche 2017). Ohne die Neugier auf etwas Neues treten wir auf der Stelle. Unser Unternehmen stagniert und wird von den neugierigen Wettbewerbern überholt. Gerade die Startup Unternehmen sind anfangs extrem hungrig und lassen sich durch Routine oder Gewohnheiten nicht behindern. Sie sind noch gar nicht vorhanden. Alles ist neu und spannend. Nach Clayton M. Christensen haben etablierte Unternehmen ihre Stärken eher im Optimieren von vorhandenen Produkten, während neue in einen Markt eintretende Unternehmen „besser darin sind, radikal neue Technologien zu nutzen.“ (Christensen 2013). Nach ihm sind die Etablierten Gefangene ihres eigenen Geschäftsmodells. Wenn Sie in den Angriffsmodus wechseln wollen, müssen Sie raus aus der Routine. Sie müssen zum Revolutionär werden und den Status Quo infrage stellen. Revolutionäre sind nicht passiv, sie halten sich nicht an Regeln oder bestehende Geschäftsmodelle. Stellen Sie Ihr Geschäftsmodell infrage, denn irgendwann wird jemand kommen und dies tun (Spindler 2016). Die Automobilindustrie erlebt das gerade bei der Umstellung auf die Elektromobilität. Tesla und andere Unternehmen sind den traditionellen Autoherstellern um Jahre voraus. Sie kümmern sich nicht um die Normen der etablierten Hersteller, sondern sind auf der grünen Wiese völlig neu gestartet. Sie müssen nicht altes aufpäppeln, sie erfinden es neu. Ändern Sie Ihr Geschäftsmodell und nutzen Sie die Möglichkeiten, die neue Techniken und Kommunikationsmittel bieten. „Viele Unternehmen digitalisieren ihr analoges Geschäftsmodell. Das ändert nichts am bestehenden Geschäftsmodell, den Prozessen und den Produkten. Es ist die Optimierung des Bestehenden, aber die schrittweise Optimierung allein führt in der digitalen Ökonomie ins Krematorium.“ (Matthias Schrader 2019). Alle im Unternehmen haben immer gesagt „Das geht nicht“. Dann kam jemand aus einer anderen Branche, der nicht wusste, dass es nicht geht. Er hat es dann einfach gemacht. Tipp

Stellen Sie Ihr Geschäftsmodell infrage. • Besser Sie, als ein Anderer • Besser Sie, als ein Wettbewerber • Besser Sie, als ein Neueinsteiger ◄

186

3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

Der russische Schriftsteller Nikolai Wassiljewitsch Gogol16 hat gesagt „Die Schauspieler kennen das Stück zu gut. Sie müssen es vergessen können“, um in jeder neuen Vorstellung wieder die ganze Kraft hineinlegen zu können. Ansonsten spielen sie es routiniert herunter. Der Zuschauer wird es spüren (vgl. Adler 2018). Auf der Bühne hat die Routine nichts zu suchen. Es darf sich keine Routine einschleichen. Ein Theaterstück ist nicht mit der Premiere fertig. Es verändert sich noch in den nächsten ungefähr sechs Vorstellungen, bis alles passt und sitzt. Aber auch dann darf sich keine Routine bei den Darstellenden einstellen. Selbst wenn ein Stück zum hundertsten Mal gespielt wird, muss der Schauspieler hungrig bleiben. Die Gewohnheit würde ihn blind und taub machen für die Reaktionen des Publikums. Er würde nicht mitbekommen, sollte ein Mitspieler/in einmal textlich hängen. Er könnte darauf nicht reagieren. Er muss flexibel und wach bleiben, auch bei der hundertsten Vorstellung. Ich kann es mir nicht vorstellen nicht neugierig zu sein, egal ob als Manager oder als Schauspieler. Es ist wundervoll hinter der Bühne zu stehen und neugierig darauf zu warten, dass sich der Vorhang endlich öffnet. Die ersten Sätze zu sprechen, die ersten Handlungen vorzunehmen, die darzustellende Person dem Publikum zu präsentieren, macht mich neugierig auf die Reaktion der Zuschauer. Zu spüren, wie die eigene Interpretation ankommt, diese Spannung bleibt während der kompletten Vorstellung bestehen. Ich bin gierig darauf, wieder etwas zu probieren, wieder eine kleine Änderung im Spiel vorzunehmen, einen kleinen Satz zu ergänzen oder anders zu betonen. Es ist spannend zu spüren, wie der Zuschauer darauf reagieren wird. Ich bin total relaxt und trotzdem im vollen Angriffsmodus. Eine Vorstellung aus der Routine herausgespielt, wäre den Eintritt nicht wert, den die Zuschauer bezahlen. Man merkt dem Gegenüber seine Routine an. Routine, die von anderen wahrgenommen wird, hat auch immer etwas von „Ich weiß das besser“ oder „Ich will nichts ändern“. Ein Routinier hat sicher seine Qualitäten, aber sie sind in der Regel nicht nach vorne gerichtet. Von einem routinierten Schauspieler darf man eine routinierte Vorstellung erwarten. Eine revolutionäre nicht. Die Automobilwirtschaft wird die Herausforderung der E-Mobilität nicht mit der Routine und Erfahrung aus dem Motorenbau bewältigen können. Etwas völlig Neues, kann noch keine Gewohnheiten entwickelt haben, auf die man sich stützen könnte. Routine ist im Unternehmen eine Gefahr. Die Aufmerksamkeit lässt nach, der

16Nikolai

Wassiljewitsch Gogol, Russischer Schriftsteller, gest. 1852.

3.3  Bleibe hungrig, bleibe neugierig, bleibe im Angriffsmodus

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Spaß an der Arbeit natürlich auch und die Reaktionsfähigkeit leidet deutlich. Es gibt im Unternehmen Aufgaben, die mit Routine zu erledigen sind. Das ist wichtig, das ist planbar, darauf ist Verlass. Eine Managertätigkeit aus der Routine heraus zu erledigen, ist aber der falsche Job. Nutzen Sie die Möglichkeiten, die das Berufsleben bietet. Üben Sie keinen Beruf aus, sondern folgen Sie Ihrer Berufung. Lernen Sie viel kennen, sehen Sie viel, erkennen Sie viel. Egal, ob in der eigenen Firma durch wechselnde Jobs oder durch den Wechsel des Unternehmens. Alles was Sie kennenlernen, können Sie später übertragen. Sie können Situationen schneller bewerten und richtig reagieren. Ein Routinier kann das nur in seiner Routineaufgabe. Sobald eine neue Situation auftritt, ist er hilflos. Dan Ariely verdeutlicht dies anhand eines Beispiels: Angeblich springt ein Frosch, den man in einen Topf mit sehr heißem Wasser setzt, sofort wieder heraus. Setzt man ihn aber in einen Topf mit Wasser, das eine normale Temperatur hat, bleibt er dort sitzen. Erhöht man die Temperatur immer weiter, scheint das dem Frosch nichts auszumachen, offensichtlich hat er sich an die steigende Temperatur gewöhnt und bleibt im Topf sitzen. Erhöht man die Temperatur noch weiter, wird der Frosch am Ende im kochenden Wasser sterben (Ariely 2015). Bitte prüfen Sie dieses Experiment nicht nach.

Wer viel Neues kennenlernt,

• • • •

Kann Erfahrungen übertragen Situationen schneller erkennen Situationen schneller bewerten Besser reagieren

Ein Schauspieler lernt, seinen Speicher an Gefühlen, die er auf der Bühne abrufen kann, immer weiter zu füllen. Er muss dazu aber, neben der Rolle, auch an sich arbeiten (vgl. Stanislawski 1996). Dazu benötigt es die volle Konzentration, das geht nicht nebenbei. In der Routine lässt die Konzentration nach. Machen Sie selbst den folgenden Test: Volle Konzentration:

Nehmen Sie sich einen Gegenstand, sagen wir ein Buch. Stellen Sie es vor sich auf den Tisch. Schauen Sie es sich ganz genau an. Registrieren Sie alle Einzelheiten. Farbe, wie dick ist das Buch, Schriftart, Schriftgröße, Verlag,

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

Autor, Titelbild usw. Nehmen Sie sich dafür drei Minuten Zeit und legen Sie das Buch dann zur Seite. Nun notieren Sie, welche Details Sie sich gemerkt haben, woran Sie sich erinnern. Schreiben Sie alles auf. Vergleichen Sie nun Ihre Notizen mit dem Buch. Was haben Sie übersehen oder sogar falsch abgespeichert? (vgl. Strasberg 2007). ◄ Das Beispiel zeigt, dass schon für relativ simple Aufgaben die normale Konzentration nicht genügt. Darin liegt die Gefahr der Routine. Es ist bequem, nicht mehr nachdenken zu müssen oder mit geringer Konzentration etwas zu erledigen. Aber anspruchsvolle Dinge sind damit nicht zu erledigen. 

Übung Sehen Eine Übung aus der Schauspielausbildung soll Ihnen verdeutlichen, was Sehen und Erkennen bedeutet. Sie können Sie zu Hause mit Ihrem Partner oder einem Freund durchführen. Wir haben uns einem Kollegen aus der Gruppe gegenübergestellt und uns 5 min angeschaut. Es war ein intensives Anschauen. Wir haben bei dieser Übung gemerkt, dass wir uns im Alltag viel zu wenig anschauen oder nicht mehr genau hinschauen. Ein weiterer Effekt ist das Lernen den Blickkontakt zu halten, was wir auch von einer Führungsperson erwarten. Was diese Übung mit einem macht, was einem dabei durch den Kopf geht, verdeutlicht ein Video von Amnesty Polen sehr gut. Gönnen Sie sich diese fünf Minuten (Amnesty Poland 2016).

Es gibt ein paar hilfreiche Fragestellungen, um im Berufsleben hungrig zu bleiben. Wenn Sie vor einer Entscheidung stehen, stellen Sie sich die folgende Situation vor: Der Vorstand hat Sie gefeuert. Ihr Nachfolger steht schon fest. Und nun beantworten Sie sich die Frage „Wie würde mein Nachfolger entscheiden?“ Es hilft einen anderen Blickwinkel einzunehmen und sich von dem Gewohnten zu lösen. Ihr Nachfolger würde alles das, an das Sie sich „klammern“ nicht kennen: Keine Gewohnheiten, keine Routinen, keine Regeln. Als Sie bei Ihrem aktuellen Arbeitgeber Ihre erste Funktion übernommen haben, waren Sie zu dem Zeitpunkt hungriger als heute? Dann versetzen Sie sich wieder in diese Situation und Ihr damaliges Empfinden zurück. Holen Sie sich dieses Gefühl wieder. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, sich in eine komplett andere Rolle zu begeben. Zeigen Sie Ihrem Team eine Vorderseite der Bild Zeitung, in die Sie eine neue

3.3  Bleibe hungrig, bleibe neugierig, bleibe im Angriffsmodus

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­ eadline montiert haben. Diese Headline sagt aus, dass Apple in Ihre Branche H eintreten wird oder noch extremer, dass Apple Ihr Unternehmen übernommen hat. Nun stellen Sie die Frage „Was würde Apple alles ändern, was würde Apple so belassen?“. Es ist erheblich leichter aus der Sicht eines anderen eine Situation zu bewerten (Spindler 2016). Es macht auch Spaß, einmal wie Apple zu sein und einen Markt zu betrachten. In meinen Workshops waren diese Fragen immer sehr erfolgreich und haben völlig neue Gedanken und Ideen gebracht. Fragestellungen, die wieder hungrig machen:

• Wie würde mein Nachfolger entscheiden? • Apple tritt in unsere Branche/Unternehmen ein: Was würde Apple alles ändern? Was bleibt? • Ich bin den ersten Tag in meiner neuen Aufgabe. Wie würde ich entscheiden? ◄ Suchen Sie nicht zuerst die Mängel an einer Idee. Sie werden sie finden und sie werden Sie den gesamten Prozess beeinflussen. Sie bekommen sie nicht mehr aus dem Kopf und werden Ihren ganzen Denkprozess genau in diese Richtung lenken. Das wirkt wie eine Self-Fulfilling Phrophecy17. Schauen Sie sich das Beispiel später im Buch an Abschn. 3.8. Suchen Sie die Vorzüge und Chancen der Idee. Überlegen Sie die Dinge, die Sie machen müssen, damit eine Idee funktioniert. Was muss ich tun, damit es ein Erfolg wird? Wie kriege ich das hin?

Geht nicht, gibt‘s nicht

• • • •

Was sind die Vorzüge der Idee? Welche Chancen und Möglichkeiten bietet die Idee? Was muss getan werden, damit die Idee ein Erfolg wird? Machen Sie sich Lust auf die Aufgabe.

Der Schauspieler macht sich Lust auf seine Rolle, die er spielt. Machen Sie sich Lust auf Ihre Rolle und Aufgabe!

17Self-Fulfilling

Phrophecy: sich selbst erfüllende Prophezeiung.

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

3.4 Nicht gesund reden, sondern handeln Der Marktanteil geht zurück. Die Kundenentwicklung ist negativ. Die Ergebnisse in einem Unternehmensbereich sind rückläufig. Die Reaktion der Beteiligten ist leider oft ein Ausweichen. „Warten wir erstmal ab, wie sich das entwickelt.“ Hört man oft oder auch „Die Zahlen können nicht stimmen.“. Das hilft beides nicht weiter. Wichtige Zeit für Gegenmaßnahmen wird oft mit solchen hinhaltenden Aussagen verloren. Es wird auf Fehler der Kollegen, die die Analysen erstellt haben, gehofft. Oder es wird ohne Reaktion auf eine Besserung der Zahlen gehofft. Hoffen ist passiv und damit keine gute Handlungsalternative. Liegen die Gründe für negative Zahlen nicht eindeutig vor, sind sie schnellstens herauszufinden. Wenn sich Zahlen ändern, gibt es dafür einen Grund. Den muss man kennen, um Dinge zu ändern und anzupassen. Schlechte Zahlen zu ignorieren, macht die Zahlen nicht besser. Im Gegenteil. Eine schlechte Entwicklung lässt sich nicht durch Ignoranz aufhalten, sondern durch Gegenmaßnahmen. Welchen Grund sollte es geben, Warnsignale nicht erkennen zu wollen? Es ist unbequem, sich mit einer negativen Entwicklung auseinanderzusetzen. Es ist ein Eingeständnis, dass etwas nicht so läuft wie geplant. Die schlechteste Alternative ist jedoch, den Kopf in den Sand zu stecken. Sollte sich durch Abwarten etwas wieder zum Positiven wenden, heißt das nichts anderes, als den Markt nicht zu kennen. Vertriebs- und Marketingmitarbeiter sind vertraut damit, Dinge positiv darzustellen und das Negative nicht so negativ erscheinen zu lassen. Auf jeden Fall sind sie kreativ in Erklärungen für bestimmte Sachverhalte. Das gehört zu ihrem Job. Bei sich negativ entwickelnden Zahlen sind sie allerdings mit möglichen Erklärungen genauso kreativ. Obwohl ich selbst ein Vertriebs- und Marketingmensch bin, empfinde ich das „Gesundbeten“ von schlechten Zahlen als lähmend und als Zeitverschwendung. Es endet in einem passiven Abwarten. Jede Woche hören wir nach den Spielen in der Fußballbundesliga die Ausreden nach einer Niederlage: • • • • • • •

Habe zu wenig gegessen Habe zu wenig trainiert Hatte Magen-Darm War erkältet War nicht gut drauf War nicht mein Tag Zweiter ist auch nicht schlecht

3.4  Nicht gesund reden, sondern handeln

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Die Sieger haben sich dagegen vor dem Spiel gesagt: • Ich will gewinnen • Ich werde gewinnen Sicher ist, wenn nichts geändert wird, ändert sich auch nichts. Bevor die Zahlen infrage gestellt werden, deren Aufbereitung in Ihrem Unternehmen bestimmt sorgfältig erfolgt ist, sollten wir uns mit den möglichen Ursachen und Gründen, die hinter den zurückgehenden Zahlen stecken könnten, beschäftigen. Selbst wenn mit den Zahlen kein langfristiger Trend beginnen sollte, müssen die Gründe eruiert werden. Oft kündigen sich größere Krisen mit kleinen Anzeichen an. Die sollten wir ernst nehmen. Bill Gates18 hat einmal gesagt: „Wer auf gesicherte Erkenntnisse wartet, kann allenfalls noch mit anderen Zauderern um die Krümel streiten.“ (Anja Förster, Peter Kreuz 2005). Auch dann, wenn sich die Zahlen positiver darstellen als angenommen, müssen die Ursachen gesucht werden. In diesem Fall wird es allerdings mit Meinungen über die Gründe nur so hageln. Eine erheblich angenehmere Situation. Aber es macht keinen Unterschied, ob negativ oder positiv. Wir müssen wissen, warum die Entwicklung so eingetreten ist. Steigt der Marktanteil, kann das viele unterschiedliche Ursachen haben. Bevor sich der Erfolg darüber an die eigene Brust geheftet wird, müssen wir wissen, ob interne oder externe Gründe dafür verantwortlich sind. Sind es die eigenen Produkte, die eigenen Preise oder die letzte Marketingaktion? Oder sind es externe Gründe? Hat sich ein Wettbewerber aus dem Markt verabschiedet? Hat die Kaufkraft zugelegt? Gab es positive Bewertungen in den sozialen Medien? Die daraus abzuleitenden Maßnahmen wären komplett unterschiedlich. Es gehört auch Mut dazu, Produkte völlig zu ändern oder zu eliminieren, sollte sich der Markt ändern. Wir erleben das gerade in der Automobilindustrie, die politische Warnsignale und andere Anzeichen viel zu spät ernst genommen hat. Eine komplette Branche inklusive der Zulieferer hat die Umstellung von Verbrennungsmotoren hin zu anderen Energien zu bewältigen. Viel zu häufig wurde und wird intern diskutiert, ob der E-Motor die richtige Alternative ist. Dabei wird vernachlässigt, dass es auf jeden Fall eine gravierende Veränderung geben wird, unabhängig davon, ob es der E-Motor, eine Brennstoffzelle oder eine andere

18Bill

Gates, Gründer von Microsoft.

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

Energieart sein wird. Viel zu lange wird an alten Methoden und Prozessen festgehalten und diese gegen alle Kritik verteidigt. Ich habe dieses Festhalten und das Gesundbeten des Bestehenden in meinen Vorträgen und Workshops am Beispiel „Ein totes Pferd reiten“ dargestellt und verdeutlicht. Es werden immer wieder neue Argumente gegen eine Veränderung gefunden oder erdacht, um das Bestehende zu retten (Abb. 3.1, 3.2, 3.3).

Abb. 3.1   Totes Pferd reiten 1

Abb. 3.2   Totes Pferd reiten 2

3.4  Nicht gesund reden, sondern handeln

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Abb. 3.3   Totes Pferd reiten 3

Merken die Schauspieler oder der Regisseur während einer Vorstellung, dass eine bestimmte Szene nicht die gewünschte Reaktion beim Publikum hervorruft, dass ein erwarteter Lacher eher in ein müdes Gähnen mutiert, wird sofort reagiert. Wenn eine Szene beim Publikum sogar negativ ankommt, sagt keiner aus dem Ensemble, dass die Zuschauer schuld sind, die die Szene einfach nicht verstanden haben. Keiner sagt, die Zuschauer haben falsch reagiert. Die Ursache wird nicht beim Publikum, sondern in der Inszenierung oder bei den Darstellern vermutet. Vor der nächsten Vorstellung wird genau untersucht, woran es gelegen haben könnte und die Szene wird geändert. Die nächste Vorstellung wird schon in der geänderten Version gespielt. Sollte das Publikum schon im ersten Akt wie beschrieben reagieren, wird der Regisseur noch in der Pause eingreifen und eine ähnliche Szene im zweiten Akt verändern. Schnellstmögliche Reaktion ist gefordert. Es wird nicht gewartet, ob das Publikum in den nächsten Vorstellungen wieder genauso reagiert. Was in der Regel der Fall ist. Es wird in Nuancen immer gleich reagieren. Im umgekehrten Fall, wenn eine eher leicht lustig inszenierte Szene auf einmal einen Riesenlacher beim Publikum auslöst, sie sich auf die Schenkel klopfen, wird auch das nicht undiskutiert bleiben. Lag es an einer größeren Gruppe von Zuschauern in der Vorstellung, die in besonders aufgekratzter Stimmung war. Das lässt sich nur schwerlich wiederholen. Oder hat ein Schauspieler seine Rolle ein wenig anders gespielt als sonst. Diese Erkenntnis ist sehr wichtig, sie lässt sich wiederholen und fest in die Inszenierung einbauen.

194

3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

Ein Schauspieler ist aufmerksam für Reaktionen des Publikums. Wenn der Schauspieler merkt, dass das Publikum anders als erwartet reagiert, passt er sich an. Er wird je nach Reaktion forscher oder ruhiger agieren. Es kann passieren, dass aktuelle Ereignisse eine Änderung oder sogar Absage der Vorstellung notwendig werden lassen. So kann z. B. eine Komödie nicht zu einem aktuellen Vorkommnis in der Stadt oder im Land passen. Auch politische Entwicklungen können ein Grund dafür sein. Abwarten und nichts tun, wäre keine Option. Entscheidend ist, ausgesendete Signale zu erkennen und zu bewerten. Dass viel passieren kann, wenn Signale nicht erkannt werden, weiß jeder Autofahrer, der an eine Ampel heranfährt. 

Willst Du abwehren oder helfen?

Abwehren oder helfen? Für Steffen Strauss ist das gar keine Frage. Bei engelbert strauss ist das Helfen extrem ausgeprägt: Kundenservice – Mitarbeiterorientierung – Menschenorientierung. sind die Grundfeste der Servicepolitik bei engelbert strauss19. Es kommt vor, dass ein Kunde mit einem Produkt oder der Dienstleistung eines Unternehmens unzufrieden ist. Leider werden auch manchmal Gepäckstücke auf einer Flugreise beschädigt. Möchte sich dieser Kunde dann bei dem Unternehmen beschweren und um Hilfe bitten, erlebt er oft ein Desaster. Ruft er bei dem Unternehmen an, klingelt das Telefon oft bis zum Abwurf aus der Leitung. Oder er landet in der endlosen Warteschleife einer Hotline. Erreicht er einen Mitarbeiter, ist der nicht zuständig und der zuständige Kollege ist zurzeit nicht am Platz. Viel zu oft wird auch langatmig erklärt, warum eigentlich der Kunde selbst schuld ist. Falsche Handhabung des Produktes, Gepäck nicht korrekt gesichert bzw. verschlossen usw. Man hat das Gefühl, das Unternehmen möchte die Beschwerde abwehren und nicht dem Kunden helfen. Oft haben aber auch nur die Mitarbeiter des Unternehmens Angst, sich mit der Beschwerde zu beschäftigen, denn jede kostenintensive Regelung mit dem Kunden fällt dann auf sie zurück. Das ist eine Frage der Kultur, die im Unternehmen gelebt wird. Es fängt ganz oben im Unternehmen an und zieht sich auf allen Hierarchiestufen des Unternehmens durch. Immer wird über eine kundenfreundliche Orientierung von Unternehmen gesprochen und diese PR-mäßig deutlich herausgestellt. Hat ein Kunde aber ein Problem, zeigen sich viele Unternehmen als kundenfeindliche Organisation.

19Gespräch

mit Steffen Strauss, 16. März 2020.

3.4  Nicht gesund reden, sondern handeln

195

Oft findet man erst dann Gehör, wird mit einem Anwalt gedroht oder die Unterstützung der Presse und der sozialen Medien genutzt, um das wenig kundenorientierte Verhalten öffentlich zu machen. Was passieren kann, wenn sich ein Unternehmen bei einer Kundenreklamation nach dem Motto „Duck and Cover“20 verhält, hat die Fluggesellschaft United Airlines aus Chicago schmerzlich erfahren müssen. Beispiel

Dave Caroll, einem amerikanischen Country Musiker, wurde 2008 auf einem Flug mit der amerikanischen Fluggesellschaft United Airlines seine Gitarre der Marke Taylor Guitars21 im Wert von 3.500 US$ zerstört. Seine zahlreichen Reklamationen bei United hatten keinen Erfolg. Niemand bei United Airlines kümmerte sich um die Beschwerde. Niemand fühlte sich dafür zuständig. Niemand hat ihm geholfen. Es kam zu keiner Lösung. Caroll blieb mit seinem Problem alleine. Ein knappes Jahr hat Caroll vergeblich versucht, seinen Schaden von der Airline ersetzt zu bekommen. Aus Verärgerung über diesen langen, ergebnislosen und frustrierenden Kundenservice von United Airlines, hat Dave Caroll einen Song darüber geschrieben. Diesen Song hat er mit seiner Band Sons Of Maxwell im Studio aufgenommen und auf YouTube im Juli 2009 veröffentlicht (Video auf YouTube 2020). Das Lied „United Breaks Guitars“ wurde mittlerweile fast 20 Mio. Mal angehört (Stand April 2020). Dave Caroll hat seine Unzufriedenheit mit circa 20 Mio. Menschen weltweit geteilt. United hat daraufhin versucht mit Dave Caroll eine Regelung zu treffen, aber dafür war es zu spät. Dave Caroll hat später ein Buch über seine Erfahrungen geschrieben und tritt als Sprecher zum Thema Kundenorientierung auf Tagungen auf (Caroll 2020). Und immer nutzt er dabei „United Breaks Guitars“. Ein echtes PR-Desaster bzw. „Shitstorm“ für United. ◄ Im Unternehmen gibt es vergleichbare Situationen in denen Vorgesetzte gefordert sind nicht abzuwehren, sondern zu klären und zu helfen. Haben zwei Mitarbeiter

20„Duck and Cover“, heißt ein US-Film zur Zivilverteidigung für Kinder von 1951, der zeigt wie man sich bei einer Atombombenexplosion zu verhalten hat. „Ducken und in Deckung“ gehen. 21Taylor Guitars, US-amerikanischer Hersteller von akustischen und elektrischen Gitarren im Premiumsegment.

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

die Leitung eines Projektes, die Zuständigkeit ist also nicht eindeutig geklärt, wird es immer wieder zu Dissonanzen kommen. Treibt einer der beiden das Projekt eigenständig voran, fühlt sich der andere über- oder sogar hintergangen. Das kann schon bei einer einfachen Einladung zu einem Meeting, die nur einer der beiden ausgesprochen hat, zu Unstimmigkeiten führen. Oder stellen Sie sich vor, in einer Gruppe gleichgestellter Kollegen erhält einer aus der Gruppe ein Einzelbüro, einen reservierten Parkplatz, einen größeren Schreibtisch oder einen neuen Schreibtischstuhl. Solche Themen werden dem Vorgesetzten vorgetragen und jeder beschwert sich bei ihm über den anderen. Wie soll sich der Vorgesetzte in solch heiklen Fällen verhalten? Ergreift er Partei für den einen, ist der andere frustriert. Versucht der Vorgesetzte aber keine Entscheidung zu treffen, sondern wehrt die Beschwerden ab, ohne sie wirklich aufzunehmen und zu verstehen, werden beide Parteien unzufrieden wieder an ihre Arbeit gehen. Respekt hat sich der Vorgesetzte damit allerdings nicht verdient. Abwehren nutzt auch in solchen Fällen nichts. Er sollte versuchen, beide Parteien und ihre Argumente zu verstehen und beiden das Gefühl von Wertschätzung zu vermitteln. Er kann sich mit dem Argument, noch einige Dinge klären zu müssen, etwas Zeit verschaffen. Er kann auch von beiden einen Lösungsvorschlag einfordern, wenn das Problem dies zulässt. Ungeklärt oder „unerhört“ kann er es aber nicht lassen. Die Stimmung würde sich verschlechtern und die Zusammenarbeit, zumindest der Beteiligten miteinander, würde sich deutlich erschweren. Ein Regisseur, der kritische Themen zwischen zwei oder mehreren Schauspielern ungeregelt lässt, gefährdet das gesamte Bühnenprojekt. Er kann sie nicht abwehren, er muss „helfen“. Undenkbar, dass zwei Schauspieler ihren Wettbewerb um das schönere Kostüm, den höheren Sprechanteil in der Rolle oder um die lustigsten Szenen bis auf die Bühne vor das Publikum tragen. Bemerkt ein Theaterleiter, dass sich die Zuschauerzahlen nach unten bewegen, wird er nicht an eine Selbstheilung durch Abwarten glauben. Er wird genau untersuchen was die Gründe dafür sind. Sind es externe Gründe, wie höhere Arbeitslosigkeit oder konjunkturelle Schwächen, werden die sich auch nicht von alleine wieder erholen. Auf jeden Fall wird er reagieren.

3.5 Ohne Team wird das nichts Der Albtraum für jeden Mitarbeiter: Der Chef glaubt, es geht nicht ohne ihn. Er will permanent informiert werden, vor jeder Entscheidung gefragt werden und lässt keinen Mitarbeiter Eigeninitiative übernehmen. Die Familie eines solchen

3.5  Ohne Team wird das nichts

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Chefs ist ebenfalls heftig geplagt. Die Mails werden auch zu Hause permanent gecheckt, ruft keiner an, ist wohl das Telefon kaputt und Ruhe gibt es nie. Der Urlaub ist eine Plage, da viel zu lang und im Büro läuft wahrscheinlich alles schief. Lieber wird einmal täglich – zweimal nur in Notfällen – nachgefragt. Tauchen dann keine Fragen auf, funktioniert das Team offensichtlich nicht richtig. Keine Fragen? Kann nicht sein, da läuft was schief! So oder ähnlich läuft es tatsächlich bei manchen Managern. Ein souveräner Vorgesetzter, eine wirkliche Führungskraft, hat sein Team so entwickelt, die Aufgaben so verteilt und mit Verantwortung delegiert, dass ein eigenes Nicht-vor-Ort sein, kein Problem ist. Kein Problem sein darf. Eine Führungskraft, die das nicht schafft, hat einen Fehler gemacht. Es ist ein schönes Gefühl gebraucht zu werden, aber ein Manager darf seine Qualitäten nicht daran festmachen gebraucht zu werden, wenn er nicht da ist. Ganz im Gegenteil. Der Laden muss laufen, mit oder ohne ihn. Nur dann hat er einen guten Job gemacht. Was wäre, wenn es nicht um einen Urlaub gehen würde, sondern um einen krankheitsbedingten Ausfall des Vorgesetzten. Dann steht das Unternehmen still, weil der Chef im Krankenhaus liegt und nicht ansprechbar ist. Die Vorgesetzten des Managers müssten sich in dem Fall fragen, ob in der Abteilung des Managers nicht zu viele oder nicht qualifizierte Mitarbeiter sind, der Chef macht schließlich alles alleine. Ein Theaterensemble führt sich selbst, sollte der Regisseur einmal ausfallen. Wegen Urlaub oder Krankheit des Regisseurs eine Premiere oder Aufführung zu verschieben, ist keine Option. Taucht eine Frage auf, wird das Ensemble die Frage gemeinsam beantworten. Bei einem Problem gemeinsam eine Lösung finden. Ein Darsteller würde nicht auf die Idee kommen, seinen Regisseur im Urlaub anzurufen, um ihn zu fragen wie er eine bestimmte Szene spielen soll. Ein Regisseur würde eine solche Frage auch nicht beantworten. Im Gegenteil, er würde an der Kompetenz und den Fähigkeiten des Darstellers zweifeln und sich über eine Neubesetzung Gedanken machen. Der Regisseur leitet ein Ensemble bis zur Premiere, ab da spielt das Ensemble alleine. Ein Regisseur genauso wie eine Führungskraft sind Entwickler eines Teams und haben keine Mutterrolle wahrzunehmen. Ein Vorgesetzter, der stolz darauf ist im Notfall immer eine Lösung parat zu haben, sollte mehr Zeit investieren, diese Notfälle zu vermeiden. Stellen Sie sich die folgenden drei Fragen:

1. Bin ich in meiner Funktion unentbehrlich? 2. Was macht mich so unentbehrlich? 3. Was muss ich tun, damit ich entbehrlich werde? ◄

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

Auch der in der Hierarchie noch so hoch stehende Manager sollte wissen, dass jeder ersetzbar ist. Die Angst davor ersetzbar zu sein, veranlasst viele Menschen sich hinter Expertenwissen zu verschanzen. Dieses Wissen wird gehütet wie der heilige Gral22. Was würde alles möglich sein, könnte diese Angst abgelegt werden? (Johnson 2000) Der beste Regisseur wird ohne Schauspieler, Regieassistenz, Bühnenbauer, Garderobiere und Maskenbildner kein Theaterstück auf die Bühne oder keinen Film ins Kino bringen. Auch der Regisseur ist nur ein Teil des Werkes, das auf die Bühne kommt. Er ist dem Ensemble gegenüber verpflichtet, denn der Gesamteffekt für das Publikum wird nur von allen gemeinsam erreicht, nicht von einem alleine (vgl. Strasberg 2007). Ein Manager ohne Team wird nichts bewegen, egal wie klug, innovativ und kreativ er ist. Er ist zwar der Kopf einer Einheit, aber ein Kopf ohne Körper kann sich nicht bewegen. Die spannendste Story wird ohne Schauspieler kein Publikum zu sehen bekommen. Die Suche nach den „richtigen“ Akteuren ist eine der Hauptaufgaben des Regisseurs. Dabei spielt nicht nur die Schauspielkunst des Schauspielers eine Rolle, er muss auch ins gesamte Team aller Akteure und Beteiligten passen. Er muss die ihm angedachte Rolle richtig interpretieren, die zu spielende Person verkörpern und dem Zuschauer „live-haftig“ vorführen können. Der Zuschauer muss sie ihm „abnehmen“, um Beifall zu spenden. Eine Fehlbesetzung lässt eine ganze Produktion beim Publikum durchfallen. Je nach Stück werden Komödianten, Dramatiker, harte Typen, Männer, Frauen, unterschiedliche Altersklassen und Nationalitäten gebraucht. Der Regisseur mixt sein Team nach den Anforderungen des zu spielenden Stücks und baut sein Ensemble zusammen. Die Leseprobe gibt ihm die ersten Hinweise auf die richtige Besetzung. Die Besetzung der einzelnen Rollen im Team eines Unternehmens ist genauso entscheidend für die erfolgreiche Arbeit des Teams oder die Umsetzung eines Projektes. Eine Idee alleine reicht nicht, um Erfolg zu haben. Erst die erfolgreiche Umsetzung erwirtschaftet Mehrwert und Gewinn. Eine Führungspersönlichkeit macht sich im Vorfeld Gedanken, welche unterschiedlichen Rollen im Team gebraucht werden. Kreative, Umsetzer, Leader, Organisatoren, Historienvertraute, Rebellen, Aufgeschlossene, Kritische und Mutige sind Bestandteile eines erfolgreichen Teams. Daneben spielen die Altersstruktur und die Integration verschiedener Nationalitäten in einem globalen Unternehmen eine große Rolle. Die Teammitglieder sollen nicht miteinander konkurrieren, sie sollen sich ergänzen.

22Heiliger

Gral: Legende um ein Gefäß, das unendliches Leben und Stärke verleihen soll.

3.5  Ohne Team wird das nichts

199

Die Auswahl der Teammitglieder z. B durch ein Assessment Center, ist vergleichbar mit der Leseprobe am Theater. Neben den Hauptfiguren sind weitere Akteure Teil des Ensembles. Gerade beim Film gibt es oft die sogenannten Statisten. Sie haben keinen oder kaum Sprechanteil und sind nur für wenige Sekunden im Bild. Ohne Statisten würde es den Film nicht geben. Um deren Wichtigkeit zu betonen werden sie „Support Actors“ genannt. Auch im Unternehmen gehören die Support Actors zum Team und haben eine Rolle darin.  Tipp Auf der Bühne gibt es keine Statisten, sondern „Support Actors“. Im Team eines Unternehmens ist das nicht anders.

Jede Führungskraft sollte sich bewusst sein, dass sie nur so stark ist wie ihr Team. Günter Ogger meint, dass der „kleinkarierte Egoismus“ ein „Kardinalfehler der deutschen Manager ist.“ (Günter Ogger 1992). Wie stark das Team ist liegt wiederum an der Führungskraft und ihrem Führungsstil. Die besten Ideen nutzen nichts, wenn sie nicht auf den Weg gebracht werden können. Ein Grund für den Erfolg von Apple war lange Zeit die Suche und Einstellung neuer Spitzenkräften durch Steve Jobs (Elliot und Simon 2011). Er suchte an Universitäten und in anderen Unternehmen genau den Mix an Wissen und Charakteren, den er für ein neues Produkt haben wollte.

Teamarbeit:

• Egoismus hat im Team nichts zu suchen • Ein Einzelkämpfer kann keine Führungskraft sein

Das Team muss „heiß“ sein und das jeden Tag neu. Bringen Sie Ihr Team zum Brennen, damit es den Markt zum Brennen bringt. Genau wie der Regisseur brauchen Sie keine Personen, die nur ihren Job machen oder ihre Rolle abspielen. Auch er braucht Schauspieler, an denen sich Jüngere oder „Textschwächere“ orientieren können, die in einer turbulenten Aufführung die Ruhe bewahren und auch bei Texthängern oder Ausfall von Requisiten souverän überbrücken können und das Stück zu Ende aufführen. Aber auch der, der improvisieren kann ist gefragt, um Unvorhergesehenes zu meistern. Sei es, dass auf der Bühne eine Tür,

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

die eine wichtige Rolle spielt, sich nicht mehr öffnen lässt oder ein Partner im Stück die Orientierung verliert. Ein Regisseur und der Leader eines Teams brauchen ein Team, das sich ergänzt und keines, in dem jeder versucht den anderen auszustechen. Ein Ensemble am Theater will und muss aus finanziellen Gründen permanent beschäftigt werden und dennoch braucht ein Theater neue unverbrauchte Charaktere, um dem Publikum andere Seiten der Schauspielkunst zu präsentieren. Ein neuer Schauspieler von einem anderen Theater oder ein junger Schauspieler, der gerade die Schauspielschule verlassen hat, erweitern die Möglichkeiten für den Regisseur ein Theaterstück zu inszenieren. So benötigt auch ein Team in einem Wirtschaftsunternehmen immer wieder neue Charaktere, die losgelöst von einer historischen Rollenverteilung frischen Wind, neue Ideen und moderne Handlungsweisen ins Team tragen. Setzen Sie sich auf den Stuhl des Anderen, versuchen Sie seine Motivation bei bestimmten Handlungen und Reaktionen zu verstehen. Fragen Sie sich wie Sie in den unterschiedlichen Rollen im Team reagieren würden. Man kann eine Rolle nur verstehen, wenn man sich in sie hineinversetzt. 

„In schwierigen Situationen macht es Sinn, sich in die Rolle des Zuschauers oder Regisseurs zu versetzen und von außen auf das Geschehen zu blicken. Das Verständnis, wer welche Rolle spielt, hat mir häufig den entscheidenden Vorteil in Verhandlungen gebracht“. (Susanne Heckelsberger23) (Abb. 3.4).

Ihr Team wird das registrieren. Sie schaffen eine gemeinsame Basis und Vertrauen. Auch Ihre eigene Rolle wird aus unterschiedlichen Blickpunkten gesehen und interpretiert. Ihre Kollegen sehen und bemerken Sie. Ihre Mitarbeiter sowieso. Auch Ihr Vorgesetzter sieht Sie und Ihre Arbeit und Ihr Vorgehen. Selbst die Öffentlichkeit nimmt je nach Ihrer Aufgabe im Unternehmen wahr, wie Sie Ihre Arbeit machen. Wenn Sie versuchen allen gerecht zu werden, werden Sie scheitern. Sind Sie authentisch und Sie selbst, sind Sie auf dem richtigen Weg. Denn nur Sie selbst können sich wirklich und glaubhaft „spielen“. Verteilen

23Susanne

Heckelsberger ist derzeit als Unternehmensberaterin selbstständig tätig und hat als Vorstand Finanzen und Chief Financial Officer langjährige Erfahrung in der Führung von Unternehmen, u. a. bei s.Oliver Group und einem Tochterunternehmen der GEA Gruppe.

3.5  Ohne Team wird das nichts

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Abb. 3.4   Abb. Susanne Heckelsberger

Sie keine Luftballons. Ein Chef muss auch einmal unangenehm sein und seine Meinung deutlich vertreten. Er gibt die Richtung vor. Felix Magath24, der Quälix unter den Fußballtrainern hat in einem Interview mit der WirtschaftsWoche einmal gesagt „Exzellenz kann ich nur rauskitzeln, wenn ich auch mal unangenehm sein kann. Ich glaube nicht, dass jemand freiwillig Höchstleistungen abliefert.“ (WirtschaftsWoche 2010). 

Das bedeutet nicht, dass der Vorgesetzte jedermanns Freund sein soll. Das klappt sowieso nicht. Wenn Sie das wollten, verteilen Sie Luftballons und leiten besser kein Unternehmen oder eine Abteilung.

Es ist nicht leicht unterschiedliche Blickwinkel einzunehmen. Als Schauspieler müssen Sie permanent andere Rollen lernen und spielen. Das gelingt nur, wenn Sie sich in die jeweilige Rolle auch hineinversetzen. In der Komödie „Lügen für Fortgeschrittene“ spiele ich einen arbeitslosen Buchhalter, der mit seiner Frau und seiner Mutter zusammenlebt. Es macht Spaß solche Rollen zu interpretieren. Und es hilft mir im Berufsleben Andere zu verstehen. Für das Theaterstück „Ladykillers“ hat unser Regisseur Torsten Stoll während der Proben einmal alle Rollen durchgetauscht. Wir mussten die Rolle eines

24Felix

Magath, deutscher Fußballspieler und -trainer.

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

anderen spielen, ohne den Text dafür gelernt zu haben oder die jeweiligen Regieanweisungen verinnerlicht zu haben. Wir haben ein Chaos befürchtet. Aber es klappte richtig gut, weil wir während der vielen Proben gelernt hatten die anderen Schauspieler anzuschauen und auf den anderen zu reagieren. Es hat geholfen ein Verständnis für die Mitspieler/in zu entwickeln und seine eigenen Schlüsselworte für alle anderen genau einzusetzen, so dass alle Anschlüsse im Spiel noch schneller wurden. Schaffen Sie sich einen Perspektivwechsel

• Fahren Sie mit dem Bus oder mit dem Fahrrad zur Arbeit und nicht wie gewohnt mit dem Auto. • Nehmen Sie eine andere Strecke zur Arbeit als sonst. • Betreten Sie das Firmengebäude nicht wie sonst durch den Haupteingang, sondern durch einen Nebeneingang. • Stellen Sie Ihren Schreibtisch um. Drehen Sie ihn oder stellen ihn an eine andere Stelle im Büro. • Nehmen Sie eine andere Tasche als üblich mit zur Arbeit. Solche kleinen Veränderungen helfen Ihnen Ihre Perspektive zu wechseln und einen anderen Blickwinkel auf das Normale zu bekommen. Schaffen Sie sich damit ein anderes Bühnenbild (vgl. Abschn. 1.8). ◄ Auch im Unternehmen habe ich mit Job Rotation sehr gute Erfahrungen gemacht (vgl. Spindler 2016). Job Rotation innerhalb des eigenen Unternehmens ist eine exzellente Quelle für das gegenseitige Verständnis und für neue Ideen. Es verbinden sich das Fachwissen der ausgeübten Tätigkeit mit dem Nichtkennen der Verhältnisse und Regeln in der in der Rotation ausgeübten Aufgabe. Ich habe die Regionalleiter unserer dezentralen Organisation „rotieren“ lassen. Diese Rotation war nicht auf eine oder zwei Wochen geplant, sondern für zwei Monate. Mit der kompletten Verantwortung für die „neue“ Region. Es ist viel mehr als nur Best Practice, es ist die Erfahrung, den eigenen Job völlig anders zu erleben. Während der Rotation herrschte ein regelmäßiger Austausch über die Erfahrungen in der „neuen“ Stelle. Eine weitere Variante der Job Rotation ist die „Praxiswoche“ für die Mitarbeiter der Zentrale. Die Spannungsfelder zwischen zentraler und dezentraler Funktion kosten Energie und lähmen den Erfolg. Die Mitarbeiter der Zentrale planten jährlich ihre Praxiswoche in einem dezentralen Vertriebsbüro. Ziel der Praxiswoche war der aktive Verkauf unserer Produkte. Gerade Marketing

3.6  Ein Team muss für den Chef brennen und er für sie

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und Vertrieb finden so deutlich besser und schneller ein gegenseitiges Verständnis für ihre Aufgaben. Vermitteln Sie ihrem Team das glaubhafte Gefühl sie zu brauchen, vermitteln und leben Sie die Wichtigkeit und Notwendigkeit für jeden Einzelnen.

3.6 Ein Team muss für den Chef brennen und er für sie Ein Regisseur braucht Schauspieler, die ihm bedingungslos folgen, ihm und seiner Regiearbeit vertrauen und sich von ihm in der Rolle positiv treiben lassen. Er ist der uneingeschränkte Leader der Inszenierung eines Stückes, er trägt die Verantwortung für Erfolg oder Misserfolg. Er benötigt Schauspieler, die für ihn und seine Arbeit brennen, die erahnen wie er eine Rolle zu interpretieren hat, die ihre Rolle innerlich und äußerlich annehmen. Nur dann ist der Schauspieler in der Lage auch einmal zu improvisieren, ohne dass die Zuschauer etwas davon mitbekommen. Alles das wird ein Darsteller nur tun wenn auch der Regisseur für sein Ensemble brennt und dies ihm glaubhaft vermittelt. Wenn er aber das Gefühl hat nur ein Umsetzer für die Gedanken des Regisseurs zu sein, ohne dass seine individuellen Gestaltungsfähigkeiten genutzt werden sollen, wird das Feuer nicht entfacht. Da bleibt die Beziehung kalt und dies wird der Zuschauer merken, das Stück wird leiden. Brennen wird der Schauspieler für seinen Regisseur, wenn auch er Ideen und sogenannte Spielangebote einbringen darf, die auch in die Inszenierung übernommen werden. Es ist ein tolles Gefühl, wenn bei einer Aufführung das Publikum genau an der Stelle des eigenen Spielangebotes besonders reagiert, sei es durch lautes Lachen oder tiefe Stille. Der Regisseur wiederum muss für jeden einzelnen Schauspieler brennen und ihm den Raum zur Interpretation der Rolle auch geben. Er gibt die Wege, die Handlung auf der Bühne vor, das Ausfüllen der Rolle wird den Schauspielern/in überlassen. In einem Unternehmen ist das nicht anders. Jeder im Team muss sich einbringen dürfen, sich bei der Umsetzung einer Aufgabe verwirklichen können. Nur umsetzen dürfen, was der Chef befiehlt, tötet jegliche Kreativität und Identifikation mit der Aufgabe. Leider kennen wir das Motto einiger „Führungskräfte“ nachdem die Erfolge ihm zuzuschreiben sind und die Fehler das Team gemacht hat. Ihre Mitarbeiter müssen das Gefühl haben, dass Sie sie fordern und fördern. Der Vorgesetzte muss nicht alles besser wissen, er muss nicht der Fachmann im Detail sein. Dafür gibt es die unterschiedlichen Teammitglieder. Er muss dieses Team an die gestellte Aufgabe führen, die einzelnen Fähigkeiten und das

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

Engagement der Mitglieder herauskitzeln. Er muss sich für sie einsetzen und Ihnen Kompetenzen übertragen. Beides, Erfolg und Misserfolg sind Ergebnisse der Teamarbeit. 

Erfolg und Misserfolg sind Ergebnisse des Teams.

Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder25 hat über Ferdinand Piech26 einmal gesagt „Teamwork ist für ihn, wenn alle das tun, was er will.“. Viele Manager halten sich auch leider heute noch an dieses Motto. Aber Teamwork und ein Wir-Gefühl werden so nicht erzeugt. Sie müssen sich in Ihrer Rolle als Vorgesetzter „verstehen“, sich gefunden haben. Sonst versteht bzw. findet Sie auch kein anderer. Haben Sie sich in Ihrer Rolle nicht gefunden fangen Sie an zu „spielen“ und das wirkt auf andere auch so. Seien Sie kein Vorgesetzter um Ihrem Chef zu gefallen. Das lenkt Sie von Ihrer Aufgabe ab und die Konzentration in die falsche Richtung. Gefallen Sie Ihrem Team. Wenn ein Schauspieler nur spielt, damit das Publikum ihn feiert, ist er nicht in seiner Bühnenrolle, sondern in seiner privaten Rolle. Die aber hat auf der Bühne nichts zu suchen. Er entwickelt seine Rolle für die Figur, die er darstellt. Seine Rolle muss ihm Spaß machen. Auch die Rolle als Führungskraft muss Spaß machen, damit sie einen jeden Tag wieder auf die Unternehmensbühne treibt. Der Regisseur wird nicht der beste Schauspieler sein, aber er kann die schauspielerische Leistung seines Ensembles verbessern, die Identifikation mit der Rolle erhöhen und damit das Schauspiel forcieren. Er wird jedem Einzelnen eine Rolle im Stück übertragen und Raum für Interpretation dieser Rolle geben. Das wiederum inspiriert den Schauspieler erst, diese Rolle komplett anzunehmen und auszufüllen. Er wird die zu verkörpernde Person voll und ganz verinnerlichen, er wird sie sein. Dieses gegenseitige Brennen für einander, muss vorgelebt werden und sich im gesamten Handeln wiederspiegeln. Auch hier müssen Worte und Handeln zusammenpassen und sich gegenseitig verstärken. Wenn der Vorgesetzte aber an jeder Kleinigkeit herummeckert, alles besser weiß und bei Erfolg die Lorbeeren alleine einsteckt, dann brennt da nichts außer der Stimmung im Team. Der Vorgesetzte darf Gefühle zeigen, vor allem aber muss er Gefühle anderer erkennen und darauf reagieren. Es gibt Situationen, in denen das berufliche Ziel sekundär

25Gerhard

Schröder, deutscher Bundeskanzler 1998 – 2005. Piech, österreichischer Manager, ehemaliger Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG, gest. 2019. 26Ferdinand

3.7 Zuhören statt reden

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wird. Wie würde ein Mitarbeiter, der gerade einen schweren Schicksalsschlag zu verkraften hat, reagieren, wenn der Chef im sagt „Gut, verstanden, aber die Unterlagen brauche ich trotzdem morgen.“ Wir müssen dafür sorgen, dass unser Team seine Arbeit und seine Aufgaben liebt. Denn wer tut, was er liebt, muss nie wieder „arbeiten“. Brennen auch Sie für das Team, man wird das Feuer sehen. Ich hatte mit meinen Direct Reports ein Montagsmeeting installiert, in dem wir die vergangene Woche haben Revue passieren lassen und uns über die Entscheidungen und Termine der aktuellen Woche abgesprochen haben. Meine erste Frage in diesem Meeting war immer „Wie war das Wochenende?“. So kamen auch private Themen, wie Krankheit eines Kindes, ein Wasserrohrbruch oder andere Dinge zur Sprache, die besondere Stimmungen oder Reaktionen verständlicher machten. Spaßig wurde es, wenn wir über das Abschneiden des Lieblingsvereins im Fußball gesprochen haben. Das Meeting war für das Team ein motivierender Start in die Woche. Für viele junge Menschen wäre es ein Traum bei einem Unternehmen wie Apple oder Google zu arbeiten. Sie würden wahrscheinlich für einen Job dort auf vieles verzichten. Aber würden sie das auch noch wollen, wenn der zukünftige Chef im Bewerbungsgespräch arrogant und egoistisch auftritt?

3.7 Zuhören statt reden In einem Theaterstück spielen meistens mehrere Darsteller mit, die alle einen gewissen Anteil an der Handlung haben. Die Titelrolle hat i. d. R. einen größeren Sprech- und Aktionsanteil als die übrigen Rollen. In einem Mehr-Personen-Stück wechseln sich die Sprech- und Handlungsaktionen permanent ab. Eine Person sagt oder tut etwas und eine andere reagiert darauf, worauf wieder ein anderer etwas sagt oder tut usw. Die Schauspieler benötigen für ihre Aktionen, egal ob Sprache oder Handlung, einen Grund oder eine Motivation. Diese kommt von einem anderen Schauspieler auf der Bühne. Kommt diese nicht, ergibt die Reaktion eines Schauspielers für das Publikum keinen Sinn. Es wirkt wie „gespielt“, als hätte der Regisseur dem Schauspieler gesagt, dass er genau an dieser Stelle des Stücks etwas sagen oder etwas tun soll. Kommt diese Motivation von dem Schauspielkollegen nicht, wird es schwer, eine echte Reaktion zu zeigen. Ein Mehr-Personen-Stück, in dem ein Darsteller nicht mehr aufhört zu sprechen, seinen Text in die Länge zieht, Worte ergänzt oder sogar ganze Sätze hinzufügt und seinen Text publikumswirksam intoniert, kann dazu führen, dass die Folgehandlung darauf wirkungslos wird. Dem Kollegen wird keine Motivation für seine Reaktion

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

angeboten. Er wird „hängen gelassen“. Kommt dies vor, wird das direkt nach der Vorstellung angesprochen. Ein sich „selber produzieren“ ist in einem Ensemble ein No-Go. Kennen Sie nicht auch Gespräche mit Ihrem Chef/in oder Kollegen, in denen außer ihm/ihr keiner zu Wort kommt? Oder Sie haben keine Chance einen Satz, eine Idee zu Ende auszusprechen, schon werden Sie unterbrochen. Es hat den Anschein, dass viele Vorgesetzte nur ein Meeting einberufen, um ihre eigene Meinung „durchzudrücken“. Sie kommen mit einer vorgefertigten Meinung in ein Meeting und sie wollen andere Sichtweisen überhaupt nicht hören. Viele Vorgesetzte produzieren sich durch einen extrem hohen Redeanteil in einem Gespräch und verpassen damit die Reaktionen und Antworten der anderen Gesprächsteilnehmer oder lassen sie dadurch bewusst nicht zu. Es ist kein Zeichen von Stärke oder Macht nur zu reden, anstatt auch zuzuhören, was andere zu sagen haben. Es ist ein Zeichen von Schwäche und man hat immer das Gefühl, dass etwas verborgen werden soll. Wenn Sie nur reden wollen, verteilen Sie doch Ihren Text vorher an alle. Das spart den Anderen viel Zeit. Denn ohne die Reaktion von Anderen, bleibt nur eine Meinung im Raum. Inhaltliche Bewegung zu einem Thema kommt nicht vor. Der so agierende Vorgesetzte wird sich nicht entwickeln können und auf seinem alten Wissensstand hängenbleiben. Das Gespräch hätte auch nicht stattfinden müssen. Ein stagnierendes Wissen einer Führungskraft ist gefährlich für die Weiterentwicklung von Unternehmen. Gerade unterschiedliche Meinungen sichern ein Vorankommen. Dave Clark27 von Amazon vertritt die Meinung: 

„Wenn zehn Leute im Raum die gleiche Meinung haben, sind neun zu viel im Raum.“  (Dave Clark).

Ein unnützes Meeting ohne Fortbewegung, reine Ressourcenverschwendung. In Meetings bei engelbert strauss muss sich keiner selbst produzieren, sagt Steffen Strauss. „Jeder sagt nur dass, was wichtig ist und was uns wichtig ist.“28 Sprachliche Kapriolen haben dort nichts zu suchen. Jeder wird gehört und die Meinungen aller werden ohne gegenseitige Animositäten neutral bewertet. Wichtig ist es für ihn, Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten.

27Dave

Clark, Senior Vice President of Worldwide Operations & Customer Service bei Amazon. 28Gespräch mit Steffen Strauss, 16. März 2020.

3.7  Zuhören statt reden

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Um Meilensteine zu entwickeln ist jeder wichtig. Aber, wie Steffen Strauss betont, einer muss die Richtung vorgeben, um am Ende das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Wie das funktioniert hat engelbert strauss im Zuge der Coronavirus-Krise bewiesen. In den Meetings wird gleich entschieden, i. d. R. innerhalb von neunzig Minuten. So hat engelbert strauss z. B. die Schließung aller workwearstores® beschlossen und umgesetzt, bevor die hessische Regierung diese Einschränkungen angeordnet hatte. Ein Schauspieler darf auf der Bühne nicht reden, wenn es die Inszenierung nicht vorsieht. Für eine Führungskraft sollte das ebenso selbstverständlich sein. Dazu gehört im Unternehmen eine Redekultur. Auch der Vorgesetzte kann anderen nichts ins Wort fallen, das ist respektlos einer anderen Meinung gegenüber. Er darf sich auch nicht von einer negativen Stimmung in einem Meeting anstecken lassen. Er muss souverän bleiben. Die Führung behalten, aber auf die anderen reagieren. Es ist schwierig, einen Dauerredner in seinem Wortschwall zu unterbrechen ohne unhöflich zu sein. Aber es gibt Momente, da muss es sein. Die netteste Formulierung, die ich einmal gehört habe war: 

„Bevor ich Sie unterbreche, sage ich mal was.“

Um das „diskutieren“ zu lernen, zeigt Stella Adler im Schauspielunterricht die Unterschiede zwischen „Reden“, „Plaudern“ und „Konversation machen“ (Adler 2018). Reden ist für sie das Sprechen im Alltagsleben über eher belanglose Dinge, die auch meist nicht selbst erlebt wurden. Der Ton beim Reden ist sachlich und emotionslos. Plaudern ist dem Reden ähnlich, aber leichter, höflich und nicht so sachlich. Konversation machen ist wiederum dem Plaudern ähnlich, aber dabei persönlicher und immer noch oberflächlich. Floskeln kommen zum Einsatz, also nichtssagende Formulierungen. Diskutieren dagegen wird man, wenn zumindest zwei Personen eine unterschiedliche Meinung haben. Es werden die unterschiedlichen Positionen und Auffassungen ausgetauscht. In einer Diskussion muss man beim Thema bleiben und nicht durch Nebenkriegsschauplätze das Thema verwässern und abschweifen. Wer in einer Diskussion abschweift zeigt, dass ihm die Argumente zum Thema fehlen. Eigentlich hat er nichts zu sagen und ist für die Diskussion ohne jede Bedeutung. Aber Unbedeutendes reizt nicht. Unbedeutende Menschen auch nicht. Wenn auf der Bühne ein Schauspieler einem anderen antwortet, muss es durch das Gesagte ausgelöst sein. Es muss eine Reaktion auf das Gesagte sein. Ein „Wüten“ in einer Diskussion ist ein Zeichen von Schwäche und fehlenden Argumenten. Und zudem respektlos. Beenden Sie die Diskussion, sobald jemand

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

anfängt unsachlich oder wütend zu werden. In einer Diskussion nehmen die Teilnehmer das Thema ernst. Jeder vertritt seinen Standpunkt. Für jeden Diskussionsteilnehmer ist der Standpunkt des anderen interessant und wichtig. Obwohl sie mit Ihrer Meinung polarisieren können, hat eine Diskussion keinen Sieger. Sie verdeutlicht unterschiedliche Meinungen, die angenommen oder verworfen werden können. Sind alle im Vorhinein einer Meinung, bedarf es keiner Diskussion. Wenn Sie einen neuen Lieferanten oder eine neue Agentur engagieren wollen, wird sich dieser Ihrem Unternehmen persönlich vorstellen. Für diese Vorstellung, in der es darum geht den neuen Lieferanten kennenzulernen, gibt es zwei Möglichkeiten. Zum einen kann er zu Ihnen in Ihr Unternehmen kommen und sich in Ihren Tagungsräumen mit einer Präsentation vorstellen. Das spart Ihnen zwar viel Zeit, grenzt Sie aber von neuen Erkenntnissen aus. Ihren Tagungsraum kennen Sie. Sie sind in Ihren Räumen auch quasi gezwungen Ihr Unternehmen vorzustellen, bevor Ihr möglicher neuer Partner mit seiner Vorstellung beginnt. Wenn sie selbst dazu neigen, viel eigenen Redeanteil zu haben, wird der Tag sehr lang, bis Sie alles über den Besucher wissen. Damit verbringen Sie Zeit mit Themen, die Sie lange kennen. Das Neue kennenzulernen, kommt mit dieser Methode zu kurz. 

Wer nicht zuhört, lernt nichts dazu.

Die zweite Möglichkeit ist, zu dem möglichen neuen Partner zu reisen und sich seine Präsentation vor Ort anzuschauen. Er wird sicher auch Fragen an Sie zu Ihrem Unternehmen haben, aber da Sie ja bei ihm zu Gast sind, wird der Hausherr beginnen. Damit kann keine Information für Sie verloren gehen, weil die Zeit knapp wird. Sind Sie zu Besuch, bekommen Sie einen viel tieferen Einblick in das Unternehmen, als wenn Sie nur eine für Sie angefertigte Präsentation konsumieren. Es war für mich nie eine Frage, wo ein Kennenlernen stattfinden soll. Immer auswärts. Sie sehen einfach mehr, das Gebäude, die Mitarbeiter auf den Gängen oder dem Unternehmensgelände. Sie bekommen mit, in welcher Atmosphäre dort gearbeitet und miteinander umgegangen wird. Welcher Ton dort herrscht, wie der Chef mit seinen Mitarbeitern umgeht. Sie bemerken wie mit Kunden am Telefon gesprochen wird. Ob dort Hektik oder souveräne Gelassenheit herrscht. Sie sehen, wie die Büros eingerichtet sind. Passt das zum Auftritt und zur Präsentation, die Sie gesehen haben? Sie bekommen mit, wie ordentlich die Räume des Unternehmens aussehen. Sie sehen, welche Fahrzeuge auf dem Besucher- oder Mitarbeiterparkplatz stehen. Eine interessante Information, wenn Sie auf dem Besucherparkplatz ein Auto eines Wettbewerbers entdecken.

3.8  Der Dominoeffekt (Handeln hat Konsequenzen)

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Sie bekommen ein Gefühl dafür, wie sorgfältig die Mitarbeiter des Unternehmens mit ihrem Equipment umgehen, wenn Sie sich den Zustand der Mitarbeiterautos anschauen. Das sind sicher nur kleine Hinweise, aber daraus ergeben sich vielleicht Fragen, die Sie stellen können. Auch ein Blick auf das „Schwarze Brett“ kann sehr informativ sein. Was hängt dort? Gibt es interne Stellenausschreibungen? Was äußert der Betriebsrat, was die Geschäftsleitung? Gibt es Qualitätsprobleme? Hängen dort nur Verbote und Anweisungen oder auch Dinge, die Vorteile für die Mitarbeiter bedeuten? Das „Schwarze Brett“ ist zu lesen wie ein Buch und der Aufenthalt bei dem neuen Panter absolut wertvoll und informativ. Sie bekommen Einblicke, die in keiner für Sie erstellten Präsentation enthalten sein werden. Reisen bildet und Zuhören bringt neue Erkenntnisse.

Zuhören statt reden • Präsentation eines neuen Dienstleisters oder Partners nicht im eigenen Hause, sondern bei dem Dienstleister/Partner vor Ort • Eigenen Redeanteil reduzieren • Notiz anfertigen, was heute Neues entdeckt wurde

3.8 Der Dominoeffekt (Handeln hat Konsequenzen) Manchmal hat man das Gefühl, im Unternehmen werden Entscheidungen einfach aus dem Bauch heraus getroffen. Hauptsache schnell und etwas getan. Oft ist das purer Aktionismus. Für den Moment ist das Problem vermeintlich gelöst und das Tagesgeschäft hat einen wieder eingeholt. Dass eine Entscheidung in einer Sache aber Folgen in anderen Bereichen haben kann, wird oft nicht beachtet. Die Entscheidung, ein schlecht laufendes Produkt aus dem Sortiment zu nehmen, kann einen großen und ertragreichen Kunden möglicherweise dazu zwingen, für dieses Produkt einen neun Lieferanten zu suchen. Dieser neue Lieferant kann sehr gut sein, evtl. sogar besser als der alte Lieferant. Vielleicht hat er sogar die übrigen Produkte auch im Sortiment, so dass der Kunde seine Bestellungen komplett verlagern könnte. Das wäre ein klassisches Eigentor. Die Folgen einer Entscheidung nicht bedacht. Ein weiteres Beispiel: Ein Wettbewerber senkt den Preis für ein Produkt, das auch von Ihnen angeboten wird. Ihr Außendienst wird eine sofortige analoge Preissenkung Ihres Produktes fordern, da sonst der Umsatz zusammenbricht. Preissenkungen haben immer Auswirkungen auf das gesamte Sortiment, dessen Preisgefüge dadurch gestört werden kann. Auf einmal stimmen die Preisabstufungen

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

im Sortiment nicht mehr. Alle Preise zu senken ist sicher die schlechteste Lösung. Ein Upgrade des Produktes durch einen Zusatznutzen eine andere. Man darf nicht vergessen, dass eine Preissenkung, selbst bei auslaufenden Produkten, ein großes Problem werden kann. Kommt das Nachfolgeprodukt dann zum ursprünglichen Preis in den Markt, wirkt das auf die Kunden wie eine Preiserhöhung. Darum finden wir z. B. vor der Einführung des VW Golf Nachfolgers, i. d. R. keine Preissenkung für das auslaufende Golf Modell, sondern Angebote mit zusätzlichen Ausstattungen zum ursprünglichen Preis. Der Kunde bekommt z. B. eine Klimaanlage gratis dazu. Wie Dan Ariely in Experimenten gezeigt hat wirkt das Wort „gratis“, etwas für „Null“ dazuzubekommen, auf die Kunden wie ein Magnet. „Null ist ein emotionaler Volltreffer – eine Quelle irrationaler Begeisterung.“ (Ariely 2008). Mehrwertangebote, wie eine Klimaanlage ohne Aufpreis, wirken nicht wie ein Rabatt oder eine Preissenkung, sondern sind zeitlich begrenzte Aktionen. Die wiederum haben kaum Auswirkungen auf die Preisstellung des Nachfolgemodells. Eine Preissenkung des auslaufenden Modells aber sehr wohl. Die Wirkung von „gratis“:

- Experiment von Dan Ariely am MIT (Massachusetts Institute of Technology) – (Quelle: Dan Ariely 2008) Angebot von zwei Stück Schokolade: Lindt Trüffel zu 15 Cent und Hershey’s Kisses für 1 Cent. Die Probanden wählten aufgrund ihres rationalen Qualitäts- und Preisempfindens zu 73 % die Lindt Trüffel. 27 % wählten die Schokolade von Hershey. Eine „normale“ Entscheidung. Dann wurden die Preise für beide Produkte um je einen Cent gesenkt: Lindt Trüffel zu 14 Cent und Hershey‘s Kisses für 0 Cent, also gratis. Nun drehte sich das Ergebnis komplett. Die Lindt Trüffel wurden nur noch zu 31 % gewählt und 69 % der Probanden wollten nun die Hershey‘s Kisses (Abb. 3.5). Obwohl die relative Preisdifferenz von 14 Cent nicht geändert wurde, hat sich das Ergebnis der Käufergunst völlig verändert. Käufe von Produkten haben positive (Qualität, Anwendung, Besitz) und negative (Preis) Aspekte. „Gratis“ oder kostenlos hat nur positive Aspekte. Bei „gratis“ kann kein Verlust entstehen und Gratis-Produkte erscheinen uns viel wertvoller, als sie wirklich sind. Wir reagieren „übertrieben“ im Vergleich zu unserem üblichen Kaufverhalten. Dan Ariely zeigt die Wirkung von „gratis“ noch an einem anderen Beispiel: Amazon in Frankreich hatte die Versandkosten für bestimmte Bestellungen auf einen symbolischen Wert von sagen wir 0,20 € gesenkt. Die Auswirkungen auf die Bestellungen waren kaum zu spüren. Anders in den übrigen Ländern, in denen Amazon ab einem bestimmten Bestellwert vollständig auf die Versandkosten verzichtete. Hier löste die Maßnahme einen deutlichen Umsatzzuwachs aus. Die Kunden kauften weitere Produkte, um in den Genuss des kostenlosen Versandes zu kommen (Abb. 3.6). Auch Amazon Prime-Kunden, für die gegen eine Jahresgebühr u. a. der Versand aller bestellten Artikel kostenlos ist, kaufen einer Studie nach deutlich mehr als Nicht-Prime-Kunden (Manager Magazin 2014).

3.8  Der Dominoeffekt (Handeln hat Konsequenzen)

Abb. 3.5   Experiment Gratis 1

Abb. 3.6   Experiment Gratis 2

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein anderes Experiment von Dan Ariely. Er bot Menschen in einer Einkaufsstraße in Boston einen Amazon Gutschein über 10 US$ an und alternativ einen Gutschein über 20 US$, der aber 7 US$ kostet. Wahrscheinlich würden Sie sich genau wie die Menschen in Boston entscheiden und den wirtschaftlich ungünstigeren Gutschein über 10 US$ wählen. Obwohl der 20 Dollar Gutschein einen Vorteil von 13 Dollar bietet. Aber er ist leider nicht umsonst. (Ariely 2008) (Abb. 3.7). Ein Premiumhersteller überlegt, ob er um die Stückzahlen zu erhöhen, ein „Billigprodukt“ in den Markt bringt. Klingt verlockend. Die Konsumenten werden das billige Produkt in großen Stückzahlen kaufen, der Umsatz rollt. Zumindest ist das die eine Seite der Entscheidung. Die andere Seite sieht böse aus. Das billige Produkt sorgt zwar für Umsatz, aber die Marge wird natürlich erheblich geringer sein als bei den üblichen Produkten im Sortiment. Insgesamt sinkt die Rendite. Wie werden die bisherigen Kunden der teuren Produkte aus dem Sortiment reagieren? Für sie ist der Premiumhersteller auf einmal austauschbar geworden, er steht für sie nicht mehr für Premium. Damit wirken die bisherigen Produkte plötzlich viel zu teuer, die Relation stimmt nicht mehr. Die Kunden wenden sich

Abb. 3.7   Experiment Gratis 3

3.8  Der Dominoeffekt (Handeln hat Konsequenzen)

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ab und der Premiumhersteller hat drastische Absatzrückgänge bei den Produkten, mit denen er viel Geld verdient hat und die eine hohe Marge erwirtschaftet haben. Wieder ein Eigentor. Die Auswirkungen können gravierend sein, auch wenn nur eine kleine Entscheidung, die auf den ersten Blick verlockend erscheint, getroffen wird. Apple würde sich sicher keinen Gefallen tun ein Smartphone für 100 € herauszubringen. Die jahrzehntelange Investition in die Marke und deren Stellung im Markt wären gefährdet. Würde Porsche einen Sportwagen für 40.000 € anbieten? Bestimmt nicht. Der Dominoeffekt wäre verheerend. Ein Sportwagen in dieser Preisklasse könnte aber natürlich unter der Marke VW Sinn ergeben. Dort hätte der Dominoeffekt wahrscheinlich positive Ausstrahlung auf Golf, Passat und die anderen Volkswagen. Bei den Mobilfunkanbietern finden die Kunden mittlerweile ein fast unüberblickbares Angebot. Es gibt die eher traditionellen Anbieter wie Telekom und Vodafone und viele sogenannte „Billiganbieter“, wie Aldi, Lidl oder 1&1. Allerdings gewinnen die Anbieter sehr günstiger Tarife zunehmend Kunden, die von den etablierten Firmen abgeworben werden. Telekom hat auf diese preisorientierten Kunden nicht verzichten wollen, konnte jedoch seine bestehenden Kundentarife nicht komplett auf ein niedrigeres Preisniveau senken. Um diesen negativen Dominoeffekt zu vermeiden und trotzdem das Kundenklientel zu bedienen, wurde die Zweitmarke congstar gegründet. Diese Second Brand ermöglicht Telekom, separat von den bisherigen Telekomtarifen, günstige Tarife anzubieten ohne die Hauptmarke Telekom zu beschädigen. Ein Beispiel für einen Dominoeffekt in anderer Form zeigt uns eine „Sich selbst erfüllende Prophezeiung“: Self-fullfilling Phrophecy

Ein Beispiel für mögliche Auswirkungen von Maßnahmen schildert uns eine Geschichte aus der New York Times von 1992: Ein Mann in Amerika wohnte an einer Landstraße und verkaufte Hot Dogs an einem Stand am Straßenrand. Da sein Gehör nicht mehr so gut war, hörte er nie Radio. Da seine Augen nicht mehr so gut waren, las er nie Zeitung. Aber seine Hot Dogs waren gut und er stellte Werbeschilder am Straßenrand auf und immer, wenn ein Auto vorbei kam rief er „Ein Hot Dog gefällig?“ Er erhöhte stetig seine Wurst- und Brötchenbestellung. Er investierte in einen größeren Ofen, um die steigende Nachfrage befriedigen zu können. Als er es alleine nicht mehr schaffen konnte holte er seinen Sohn von der Universität und stelle ihn als Helfer ein. Es passierte Folgendes:

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

Der Sohn sagte: „Vater, hast Du denn nicht Radio gehört? Hast du denn nicht Zeitung gelesen? Wir haben eine riesige Rezession! In Europa ist die Lage schlimm. Bei uns in Amerika ist sie noch schlimmer. Alles geht vor die Hunde.“ Worauf der Vater dachte: „Mein Sohn hat studiert; er liest Zeitung und hört Radio; er wird es ja wohl wissen.“ Daraufhin reduzierte er seine Bestellungen. Er nahm seine Werbeschilder vom Straßenrand und rief den vorbeifahrenden Autos auch nicht mehr zu. Über Nacht brach sein Geschäft ein. „Du hattest recht mein Junge“, sagte der Vater zum Sohn, „wir befinden uns wirklich mitten in einer gewaltigen Rezession“. ◄ Hat ein Schauspieler vor der Inszenierung einer Szene seinen Text nicht gelernt, spürt gleich das gesamte Ensemble unmittelbar den Dominoeffekt. Ohne gelernten Text wird der Schauspieler während der Arbeit des Regisseurs sein Textbuch in einer Hand halten und immer wieder nachschauen, was er nun sagen muss. Wie soll er dabei Emotionen zeigen oder die Hinweise des Regisseurs umsetzen. Noch dazu einarmig. Die Folge ist, dass er die Szene wahrscheinlich zu langsam spielen wird, da er immer wieder in den Text schauen muss. Er wird sich an das langsame Sprechen und Spielen gewöhnen, seine Einsätze verpassen und das gesamte Ensemble dadurch verunsichern oder sogar ein Stück komplett „entstellen“. Die Handlung eines Theaterstücks ist streng geplant. Alle Handlungen bauen logisch aufeinander auf und sind die Folge der Handlung, die davor stattgefunden hat. Außer bei einer Improvisation, kennt jeder Schauspieler den Handlungsstrang und weiß auch, dass ohne seine Handlung die nachfolgende Handlung nicht erfolgen kann. Ein Beispiel für den Dominoeffekt im Theater: 1. Es klopft an der Tür 2. Der Hausherr hört das Klopfen 3. Der Hausherr geht zur Tür 4. Der Hausherr öffnet die Tür 5. Vor der Tür steht ein Fremder 6. Der Hausherr und der Fremde schauen sich an 7. Der Hausherr bittet den Fremden einzutreten 8. Der Fremde tritt auf die Bühne. Eine kurze Szene, logisch aufeinander aufgebaut und logisch für den Zuschauer in der Abfolge. Allerdings kann die jeweilige Nachfolgehandlung nicht erfolgen, wenn die entsprechende Handlung davor nicht stattfindet. Bleibt der notwendige Impuls für eine Handlung aus, kann sie nicht erfolgen. Dafür tritt der Dominoeffekt ein.

3.9  Führen heißt leiten, nicht befehlen

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• • • •

Klopft keiner an die Tür, wird kein Klopfen gehört, Wird kein Klopfen gehört, geht der Hausherr nicht zur Tür Geht der Hausherr nicht zur Tür, wird er sie nicht öffnen Wird die Haustür nicht geöffnet, schauen sich der Hausherr und der Fremde nicht an • Schauen sich der Hausherr und der Fremde nicht an, wird der Fremde nicht hereingebeten • Wird der Fremde nicht hereingebeten, tritt er nicht auf die Bühne. Natürlich würde im Theater von erfahrenen Schauspielern trotzdem weitergespielt und versucht die fehlende Handlung für das Publikum nachträglich einzubauen. Erfolgt das Klopfen nicht, würde der Hausherr z. B. sagen „Oh, ich glaube es hat geklopft“ und dann zur Tür gehen. Öffnet der Hausherr die Tür nicht, würde der Fremde sagen „Hallo, würden Sie bitte die Tür aufmachen“. Damit könnte die Szene logisch weitergeführt werden und der Dominoeffekt wäre verhindert. Möglichkeiten, wo dieser Effekt auftreten kann, gibt es im Theater zahlreiche. Eine klemmende Tür, ein defektes Leuchtmittel in einer Lampe, keine Flüssigkeit in einem Glas, ein quietschendes Fenster, ein fehlender Stift usw. Jede Handlung hat Folgen und die müssen beachtet werden. Vor einer Entscheidung:

• Zusammen mit dem Team Handlungskette aufstellen • Wo liegt überall der Dominoeffekt? • Wie kann er vermieden werden? ◄

3.9 Führen heißt leiten, nicht befehlen Das Wort „Manager“ stammt aus dem englischen und bedeutet Leiter bzw. als Verb handhaben, leiten, verwalten, zustande bringen. Das englische Verb „to manage“ geht wiederum auf das italienische „maneggiare“ zurück, was handhaben, gebrauchen, lenken bedeutet. Es ist also eine Aktion, eine Handhabung gemeint. Der Manager eines Sportlers oder eines Musikers betreut und fördert ihn (DWDS Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache). Der Manager eines Unternehmens muss die Rolle einer Führungskraft begreifen. Wie ein Schauspieler, der einen Speerwerfer darstellen soll, begreifen muss wie z. B. ein Speer gehalten

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

wird und warum er so gehalten werden muss. Er muss erfahren, was es bedeutet einen Speer zu halten. Er muss es lernen (Adler 2018). Nicht jeder Manager ist aber ein Leader. Zwischen verwalten und lenken besteht ein riesiger Unterschied.

 Leadership  „Das Wesen von Leadership ist die Fähigkeit, Ereignisse herbeizuführen, Marktsituationen zu verändern und neue Momente in das Geschehen einzubringen, die aus den gegebenen Prämissen nicht unbedingt abzuleiten waren und dem Ganzen womöglich eine vollkommen andere Richtung geben.“ (Hinterhuber / Stahl 2002). Was unterscheidet einen Leader von einem „nur“ Manager? (Abb. 3.8). Ein Projekt lässt sich managen, ein Team muss geführt werden. Es geht nicht darum Wissen zu vermitteln, das macht die Schule oder später die Ausbildung. Es geht darum eine Einstellung zu vermitteln. Eine Einstellung für Zusammenhänge, für Aktivitäten, für Reaktionen, für Engagement und für die Zukunft. Eine Führungskraft signalisiert „Ich führe Dich durch meine Kraft.“ (Torsten Stoll). Im Theater ist der Regisseur der Leader. Er bestimmt was gemacht wird, wie das Theaterstück dem Publikum präsentiert wird. Die Akzeptanz eines Regisseurs

Abb. 3.8   Leadership

3.9  Führen heißt leiten, nicht befehlen

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durch sein Ensemble wird nicht diskutiert. Was der Regisseur sagt, wird gemacht. Aber auch im Schauspiel gibt es die unterschiedlichsten Charaktere an Regisseuren. Die, die keinen Widerspruch dulden. Die, die ungeduldig werden, wenn ein Darsteller nicht sofort umsetzt, was der Regisseur sehen will. Eine gute und motivierende Atmosphäre entsteht dabei nicht. Alles wirkt verkrampft und gezwungen. Schauspieler, die sich immer ducken müssen, werden nicht selbstbewusst spielen können. Es geht auch anders. Regisseure, die ein Ensemble auffordern eigene Ideen, eigene Angebote zur Interpretation einer Rolle einzubringen. Die Vorschläge der Darsteller für eine Szene erwarten und sich diese ansehen und dann entscheiden, ob der Vorschlag umgesetzt wird. So entsteht ein gemeinsames Ganzes und der Zuschauer wird das spüren. Was für ein Gefühl für den Schauspieler, wenn der Regisseur entscheidet ein Angebot des Schauspielers anzunehmen und in den Vorstellungen dem Publikum präsentiert werden darf. Für mich immer ein ganz großer Moment. Bei jeder Vorstellung wieder. Der Regisseur weiß aber auch, dass er derjenige ist, der den Schauspieler erst in die Lage versetzt hat, ein solches Angebot zu machen. Er hat ihn dorthin geführt, geleitet. Was Schauspieler mit wenig Talent erreichen können, zeigt sich bei guter Regie. Regisseure und Führungskräfte helfen und unterstützen ihre Schauspieler bzw. ihre Teams. Strasberg beschreibt das an zwei Beispielen wie Bertolt Brecht29 Mitgliedern seines Ensembles geholfen hat (Strasberg 2007): Die Unterstützung des Regisseurs Bertolt Brecht:

Eine Schauspielerin sollte in einer Szene ein Bild in die Hand nehmen, welches sie innerlich stark berühren sollte. Bei den Proben hatte dies nicht wirklich gut funktioniert. Vor der nächsten Probe ließ Bertolt Brecht das Bild im Rahmen austauschen. Nun steckte im Bilderrahmen ein Foto ihres Sohnes, den sie mehrere Jahre nicht gesehen hatte. Der Austausch des Bildes erfolgte heimlich, die Schauspielerin wusste nichts davon. Bei der nächsten Probe nahm sie den Bilderrahmen, schaute das Bild an und reagiert genauso wie Brecht es wollte. Sie war erschrocken und tief berührt. In einer anderen Szene sollte ein Schauspieler auf der Bühne jemanden anrufen. Es wirkt sehr gespielt. Beim nächsten Versuch ließ Brecht das Telefon an die Telefonleitung anschließen und es meldete sich tatsächlich jemand am anderen Ende der Leitung. Ab da funktionierte der Anruf auf der Bühne

29Bertolt

Brecht, Deutscher Dramatiker, Regisseur und Ensembleleiter, gest. 1956.

218

3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

perfekt. Der Schauspieler wartete bis das Anrufsignal gesendet wurde, er wartete bis sich am anderen Apparat jemand meldete und das Telefongespräch begann. Brecht bekam in beiden Fällen nun eine echte und keine gespielte Reaktion. ◄ Schauen wir in die Unternehmenswelt. Dort ist es nicht anders. „Die Untertanen Ihrer Majestät werden vom Schwert regiert, aber dieses Schwert darf nie aus der Scheide gezogen werden.“ (Stein 2017). So wird man Führung heute nicht mehr beschreiben, aber im übertragenen Sinne, steckt Wahrheit darin. Führung hat sich früher über die Macht des Führenden und die Un-Macht oder Ohnmacht der Mitarbeiter definiert. Wer in der Hierarchie höher stand, war der Stärkere und hatte mehr zu sagen. Respekt, Vertrauen und Motivation waren keine Themen, die mit Führung in Verbindung gebracht wurden. Es gab Befehlsgeber und Befehlsempfänger. In manchen Unternehmen, egal welcher Größe und Mitarbeiteranzahl, ist das leider auch heute noch so. Der Chef sagt wo es lang geht, weiß alles besser und benutzt auch manchmal heftige Worte bis zur Beleidigung. Selbstüberschätzung oder mangelndes Vertrauen in die Mitarbeiter können Gründe dafür sein. Gerade wenn der Firmeninhaber das Unternehmen quasi aus dem Nichts aufgebaut hat und damit eine hervorragende unternehmerische Leistung vollzogen hat, wird es schwer, wenn das Unternehmen verstärkt Gegenwind im Markt verspürt. Die Art und Weise ein Unternehmen wie in den Anfängen zu führen, ist heute nicht mehr gefragt und reicht auch nicht aus, um es zu entwickeln. Der Verschleiß an Führungskräften ist in diesen Unternehmen hoch und die Zufriedenheit der Mitarbeiter im Keller. Wettbewerbsfähig sind diese Unternehmen nur selten. Das heißt für Führungskräfte, nicht jeden Tag die Befehle für den Tag auszugeben und dann zu kontrollieren. Führung ist mehr. Jürgen Klinsmann30 wollte, als er 2008 als Trainer von FC Bayern München anfing „… jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser machen“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung 2009). Das hat leider nicht geklappt, aber der Vorsatz ist eine prima Einstellung eines Vorgesetzten. Führung ist, ein Team zu entwickeln, dafür zu sorgen, jedem im Team die notwendigen Dinge zu ermöglichen, die ihn im Beruf weiterbringen. Einen Mitarbeiter, der im Unternehmen in eine verantwortungsvollere Position wechseln kann, sollte das ermöglicht werden. Ein solcher Wechsel ist für einen wirklichen Leader ein großes Kompliment an seine eigene Arbeit. Nur die schwache Führungskraft hat Angst, dass ein guter Mitarbeiter an seinem Stuhl sägen

30Jürgen

Klinsmann, ehemaliger deutscher Fußballnationalspieler, Fußballtrainer.

3.9  Führen heißt leiten, nicht befehlen

219

könnte. Schaffen Sie keine Marionetten, sondern Charaktere in Ihrem Team. Ich habe mich immer gefreut, wenn einer meiner Mitarbeiter sich im Unternehmen weiterentwickeln konnte und die Karriereleiter nach oben gestiegen ist. Das war für mich eine Bestätigung meiner Arbeit. Ob die Entwicklung der Karriere intern oder extern erfolgt, spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle. 

Schaffen Sie keine Marionetten, sondern Charaktere in Ihrem Team.

Gut, wenn sich die Mitarbeiter entwickeln, schlecht, wenn es der Vorgesetzte nicht tut. Ein Team kraft Amtes oder nur mit markigen Sprüchen zu führen erscheint unmöglich. Das Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein der Mitarbeiter wachsen. Respektvollen Umgang darf jeder im Unternehmen erwarten, völlig unabhängig von seiner Funktion. Arbeitnehmer, die ein Unternehmen verlassen, tun dies in der Regel nicht wegen ihrer Aufgabe, sondern wegen ihres Vorgesetzten. Den Schritt ein Unternehmen aus eigenem Antrieb heraus zu verlassen, gehen nur Menschen, die sich in ihrer Aufgabe engagieren wollen, die etwas bewegen wollen, die selbstbewusst sind einen neuen Job zu finden und die nicht ihre Energie in Kämpfen mit Vorgesetzten verschwenden wollen. Wer ein Unternehmen, eine Abteilung oder ein Projekt führt, sollte motivieren, aber vor allem Demotivation vermeiden (Sprenger31 1995). Viele Dinge und Verhaltensweisen im Berufsalltag können demotivieren. Fehlende Begrüßung am Morgen, fehlende Wertschätzung bei einer Aufgabe, permanentes Nachbessern der Arbeit, Nichtbeachtung, fehlendes Vertrauen und fehlendes Zutrauen, Unehrlichkeit, Nichteinhalten von Versprechen und fehlender Freiraum demotivieren einen Menschen. Eine Führungskraft ist dann eine gute Führungskraft, wenn sie die Bedingungen für eigenverantwortliches und selbstständiges Arbeiten schafft, dabei mit jedem Mitglied des Teams respektvoll kommuniziert und eine Atmosphäre für außergewöhnliche Ergebnisse schafft. Steffen Strauss betont, dass durch dominantes Führungsverhalten Energie im Unternehmen zerstört wird32. Eine Führungskraft, die einmal im Monat „führt“, in ihrer Wertschätzung unterschiedlich mit seinen Teammitgliedern umgeht und immer hinter verschlossener Bürotür sitzt, führt nicht. Führen bedeutet, diese Rolle jeden Tag sichtbar auszufüllen und das Team zu leiten. Führung ist permanent. Der Fußballtrainer Ottmar

31Reinhard 32Gespräch

K. Sprenger, deutscher Unternehmensberater und Autor. mit Steffen Strauss, 16. März 2020.

220

3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

Hitzfeld33 hat zum Thema Führung einmal gesagt: „Unsere Erwartungen müssen wir den Spielern jeden Tag einhämmern. Da hilft keine Moralpredigt oder ein Motivationstag. Das geht nicht. Ich muss die Spieler fortwährend in meine Richtung steuern.“ (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 2007). Wollen Führungskräfte von ihren Mitarbeitern auch als solche wahrgenommen und respektiert werden, bedeutet das auch, dass Führung keine Unterschiede innerhalb des Teams macht. Gleiche Situationen müssen immer gleich behandelt werden. Einen Fehler bei einem Teammitglied zu kritisieren und bei einem anderen nicht, wirkt demotivierend auf alle anderen Teammitglieder. Der Respekt vor dem Leader sinkt drastisch. Führung bedeutet auch Themen nicht nur anzusprechen, sondern sie umzusetzen und vorzuleben. Eine Führungskraft, die davon spricht, dass die Abteilung bessere Arbeitsbedingungen bekommen soll, muss dafür sorgen, dass dies auch geschieht. Konsequentes Handeln und Vorleben der Werte sind notwendiger Bestandteil. Führung ist konsequent.

Führung ist • konsequent und • permanent.

Vermitteln Sie nicht nur Worte, sondern Verhalten, Ideen und Vorgehensweisen. Die anderen müssen das „sehen“ was Sie sagen. Wie im Theater muss man den logischen Ablaufplan begreifen. Der Satz „Ich will etwas trinken“ ist eine eher schwache Handlung, „Ich will jetzt einen Tee trinken“, dagegen schon deutlich stärker. Verstecken Sie sich nicht hinter Plattitüden, Fremdworten oder komplizierten Satzkonstruktionen. Verwenden Sie Worte, die die anderen erreichen. Erreichen Sie sie mit hochtrabenden Worten? Bestimmt nicht. Vielleicht tun einige so, als würden sie Sie verstehen. Aber das nutzt Ihnen nichts. Vermitteln Sie einfach, bildhaft und lebendig, was man auch sehen kann. Erschaffen Sie ein lebendiges Bild. Visualisieren Sie Ihre Worte. Ihre Adressaten müssen sehen und spüren, was Sie sagen (Adler 2018). Tragen Sie kalt und sachlich vor, ist das schwierig. Dann bleibt Ihr Bild auch kalt und sachlich. An Bilder kann man sich besser erinnern als an Worte. Ihre Bilder und Worte müssen andere erreichen. Lassen Sie etwas entstehen. Erzwingen können Sie es sowieso nicht. Machen Sie

33Ottmar

Hitzfeld, ehemaliger deutscher Fußballspieler und -trainer.

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Ihre Handlung komplexer. Beschränken Sie sich nicht auf den Vortrag von Worten. Inszenieren Sie sich. „Durch das, was Sie körperlich ausdrücken, kann sich Ihr Publikum mit Ihren Gefühlen identifizieren und die ­Handlung verstehen.“ (Adler 2018). Machen Sie es Ihrem Publikum im Unternehmen leicht. Stella Adler beschreibt eine Übung aus ihrem Schauspielunterreicht, die den Unterschied von Worten und bildhaften Worten deutlich macht (Adler 2018). Ich habe die Übung etwas umgeschrieben: Bildhafte Worte:

1. Ich habe ein schönes Auto gesehen 2. Oh, ich habe gestern ein tolles rotes Auto gesehen 3. Wow, gestern habe ich ein wahnsinnig tolles Cabrio vorbeirasen sehen. Es war rot und die Haare des Fahrers flatterten im Wind. ◄ Der erste Satz vermittelt eine einfache Information. Der zweite zeigt schon leichte Begeisterung und man stellt sich das rote Cabrio vor. Der dritte Satz gibt uns das Bild eines schnellen, roten Autos, das mit offenem Verdeck vorbeirast, der Fahrer lässt seine Harre im Wind wehen. Da kommen Emotionen und Begeisterung rüber. Jeder kann sich das vorstellen und ist quasi dabei gewesen. Sollen Ihre Worte Begeisterung vermitteln, dann müssen Sie diese Begeisterung in Ihre Worte packen und vermitteln. Zeigen Sie das rote Auto oder das Ziel im Unternehmen, das was Sie erreichen wollen. Stellen Sie es sich vor. Und dann erzählen Sie darüber. Seien Sie in Ihrem Vortrag kein Reporter, der sachlich, objektiv und kühl Fakten wiedergibt. Bringen Sie die volle Leidenschaft ein. Ihre Sätze sollten klar verständlich sein und wenig Raum für eine eigene Interpretation lassen. Was stellen Sie sich vor, wenn Sie den Satz „Monika näherte sich der Bank“ lesen? Es gibt viele Möglichkeiten, wie man sich die Geschichte um diesen Satz vorstellen kann: • Monika musste noch zum Geldautomaten, um Geld für einen Einkauf abzuheben. • Monika geht im Park spazieren und macht auf einer Parkbank eine kleine Pause. • Monika sitzt auf einem Floß und treibt im Fluss auf eine Sandbank zu. • Monika ist eine Verbrecherin und will gerade die Bank überfallen. Vier völlig unterschiedliche Geschichten stehen hinter ein- und demselben Satz (vgl. Kahneman 2011). Jeder kann sich eine andere Vorgeschichte und einen

222

3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

Abb. 3.9   Monika näherte sich der Bank

anderen Verlauf vorstellen. Zu viele, um allen, die den Satz hören, das gleiche Bild und die gleiche Geschichte zu vermitteln (Abb. 3.9). Ermöglichen Sie mit Ihren Worten Vergleiche des Gesagten mit dem ­Ist-Zustand. Vergleiche machen es einfacher ein Urteil zu fällen und sich zu entscheiden. Sie können in einem Vortrag Charts mit Bildern präsentieren, um diese Vergleiche zu ermöglichen. In meiner Zeit als Geschäftsführer eines Chemieunternehmens trafen wir bei unseren Kunden öfter auf einen Wettbewerber. Da ich neu in der Branche war habe ich mein Team nach diesem Wettbewerber gefragt. Die „alten Hasen“ kannten ihn natürlich. Nach deren Beschreibung, war er ein kleiner Hersteller, ohne große Produktionsanlagen, eine kleine Hinterhofproduktion mit Abfüllanlagen, die an unsere nicht heranreichten. Mich hat sehr gewundert, dass eine kleine Hinterhofbude uns im Markt so oft begegnet. Ich bin eines sonntags mit dem Motorrad zu dieser angeblichen Hinterhofbude gefahren und war äußerst erstaunt, was ich dort gesehen habe. Ein top modernes Unternehmen mit neuen Gebäuden und modernen Produktionsanlagen, zumindest soweit ich das von außen erkennen konnte. Ich habe Fotos gemacht und sie am Montag in unserem Meeting dem Team präsentiert, ohne den Namen des Unternehmens zu nennen. Alle waren sehr angetan von den Bildern und hofften sehr, dass das kein Wettbewerber von uns sei. Nach der Auflösung war es still im Raum und unser „Hinterhof-Wettbewerber“ wurde nie mehr unterschätzt. Worte hätten das nur schwer ermöglicht.

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Ein Schauspieler kann auf der Bühne keine Charts präsentieren. Dafür spielt er einige Handlungen übertrieben, um so einen Vergleich zu einer normalen Handlung zu erzeugen. Er erzeugt damit beim Publikum einen Stimmungswechsel. Und damit Aufmerksamkeit. Er spricht z. B. in einer Szene einen Satz sehr aufgeregt und sucht händeringend nach Worten, um dann absolut sachlich und ruhig mit dem nächsten Satz fortzufahren. Der Zuschauer erwartet nicht, dass ein hektisch gesprochener Satz ruhig beendet wird. Die Aufmerksamkeit steigt. Im Unternehmen gibt es unterschiedliche Spannungsfelder, die zu berücksichtigen sind. Expansion, Sparkurs oder Ziele von Vertrieb und Marketing können unterschiedlich sein und sich widersprechen. Auch die Mitarbeiter leben in unterschiedlichen Spannungsfeldern, im Unternehmen und privat. Bei allen Handlungen gibt es ein Davor und ein Danach. Beim Method Acting wird vom Schauspieler erwartet, beide Geschichten zu kennen, um seine Rolle zu spielen. Die Führungskraft im Unternehmen sollte sich genauso für die Geschichte vor und nach einer Handlung interessieren. Kommunikation ist hierbei der wichtigste Aspekt. Ohne Kommunikation sind beide Geschichten nicht zu ermitteln. Für das Verständnis im Team ist die Geschichte einer Entscheidung des Vorgesetzten wichtig. Der Regisseur eines Films wird nach Abschluss der Dreharbeiten die gedrehten Filmszenen zum endgültigen Film, wie er im Kino gezeigt werden wird, zusammenschneiden. Erst daraus wird etwas Vorzeigbares entstehen. Der Leiter einer Abteilung oder eines Unternehmens, wird die Aktivitäten und Projekte der Mitarbeiter genauso zu „zusammenschneiden“, um ein komplettes Bild für die Kunden zu erzeugen. Wenn Sie Ihren Job als Führungskraft nicht verstehen, dann müssten Sie dies vortäuschen. Nichts ist schlimmer. Sie degradieren sich zu einem „Täuscher“. Täuscher aber werden irgendwann enttarnt. Bleiben Sie als Manager authentisch, spielen Sie keine Rolle. Dann können Sie auch nicht „aus der Rolle fallen“ wenn einmal etwas Unerwartetes passiert. Seien Sie präsent und zeigen Sie Standing, zeigen Sie in Ihrem Verhalten für welche Werte Sie stehen. Der Fernsehmoderator der Sendung „Versteckte Kamera34“ Fritz Egner35, beschreibt das aus der Rolle fallen aus einer entgegengesetzten Perspektive. In der Sendung „Versteckte Kamera“ wurden u. a. Prominenten Fallen gestellt. Sie wurden in groteske, manchmal auch etwas bösartige Situationen gelockt und der Zuschauer konnte sich am Samstagabend im Fernsehen an den Reaktionen erfreuen. Fritz

34Versteckte 35Fritz

Kamera, deutsche TV-Sendung. Egner, deutscher Hörfunk- und Fernsehmoderator.

224

3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

Egner betont den überraschenden Moment bzw. die überraschende Reaktion der Prominenten (Egner 1997). Das Publikum kennt diese nur aus Ihren Film- oder Fernsehrollen und sieht jetzt plötzlich Menschen privat, die unbefangen und manchmal außer Kontrolle reagieren. Ein Schauspieler darf auf der Bühne nie passiv sein, er muss immer präsent sein. Auch wenn er keine Szene zu spielen hat, nur still auf einem Stuhl sitzt, während andere spielen, ist er ein Teil des Stückes. Sobald er auf der Bühne ist, sieht ihn das Publikum und er ist „on stage“. Seine Kreativität ist gefordert, sich auch in für ihn stummen Szenen, in das Rollenspiel einzubringen. Die Führungskraft ist ebenfalls immer „on stage“. Sie kann sich genauso wenig aus dem Bild nehmen oder sich vom Team distanzieren. Sie kann nie gleichgültig sein. Wie der Schauspieler darf auch die Führungskraft keinen Kontrollverlust erleiden. Fühlen Sie sich in Gesprächen und Diskussionen mit Mitarbeitern oder in Verhandlungen mit Geschäftspartnern, in denen Sie die Oberhand haben oder gewinnen, nicht als Sieger. Denn, wenn Sie der Sieger sind, ist der Andere automatisch ein Verlierer. Und mit Verlierern wollen Sie doch auch nicht arbeiten, oder? Geben Sie dem Gegenüber die Chance sein Gesicht zu wahren. Geben Sie ihm ein Erfolgserlebnis. Auch er wird gefragt werden, wie die Verhandlung oder das Gespräch gelaufen ist. Nehmen Sie ihm nicht die Möglichkeit gut dazustehen. Es ist so leicht anderen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, sie in eine Wohlfühlsituation zu bringen. „Ihre Brille steht Ihnen wirklich gut“ oder „Eine schöne Uhr tragen Sie“ zu Beginn eines Gespräches geäußert oder in einer Situation, in der ein Drehpunkt notwendig wird, sind wahre Icebreaker. Loben Sie eine gute Power Point Präsentation von Ihrem Mitarbeiter oder die Organisation Ihres nächsten Meetings. Damit machen Sie jemanden glücklich. Wie war es für Sie, als Ihnen das letzte Mal jemand etwas Nettes gesagt hat? Wie gut haben Sie sich danach gefühlt? Probieren Sie es aus. Auch Ihnen gibt die Reaktion ein motivierendes Gefühl. Gleich ist eine ganz andere Atmosphäre im Raum und die Beziehung zum anderen positiv aufgeladen. Diese kleine Zauberei ist täglich möglich. Dopamin, das Glückshormon

Dopamin36 wird ausgeschüttet, wenn wir auf irgendeine Weise belohnt, wertgeschätzt werden und Anerkennung bekommen. Sagen Sie jemanden etwas Nettes oder loben ihn, wird dieses Hormon bei ihm ausgeschüttet. Er wird beginnen zu lächeln, er wird glücklich sein.

36Dopamin gehört zu den erregend wirkenden Neurotransmittern des zentralen Nervensystems.

3.9  Führen heißt leiten, nicht befehlen

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Unser Gehirn möchte permanent mit Dopamin gefüttert werden. Allerdings kann man nur loben, wertschätzen und eine Leistung anerkennen, wenn man hinschaut und erkennt (vgl. Abschn. 1.2).

Ein „Habe heute keine Zeit für Sie.“ dagegen lässt bei dem anderen die Gesichtszüge entgleisen, seine Mundwinkel ziehen sich nach unten. Uns muss bewusst sein, dass unsere Worte den Adressaten auch beeinflussen. Ich habe das in einem vorangegangenen Kapitel anhand des Priming-Effektes beschrieben (Abschn. 1.8). Aber selbst unsere Fragestellungen haben Auswirkung auf die Antworten. Wir kennen alle die Fragen, die eigentlich keine sind und dem Antwortenden keine Wahl lassen. Ein kleiner Zusatz wie „Nicht wahr?“ oder „Das sehen Sie doch auch so, oder?“ ist schon eine Form der Einflussnahme. Experiment Beeinflussung

Angeregt durch das Buch von Dan Ariely (Ariely 2008) mache ich in meinen Marketingvorlesungen gerne ein Experiment mit den Studenten/in. Dort geht es um das Setzen von Preisankern, aber leicht abgewandelt wird deutlich, wie die Wahl der Worte bzw. der Fragestellung Antworten beeinflussen kann. Ich stelle den Studierenden jeweils zwei Fragen. Sie sollen einmal die Einwohnerzahl von Las Vegas schätzen und zum anderen den Kaufpreis für ein Flugzeug Airbus A38037. Die Studenten sind in zwei Gruppen A und B aufgeteilt. Gruppe A stelle ich zu Las Vegas die Fragen: • „Hat Las Vegas mehr oder weniger als 50.000 Einwohner?“ • „Was glauben Sie, wieviele Einwohner Las Vegas hat?“ Zum Airbus A380 stelle ich Gruppe A folgende zwei Fragen: • „Kostet ein Airbus A380 mehr oder weniger als 50 Mio. US-$?“ • „Was glauben Sie kostet ein Airbus A380?“ Bei Gruppe B stelle ich die gleichen Fragen, verändere nur die jeweiligen Zahlen zur Einwohnerzahl von Las Vegas und zum Kaufpreis des A380.

37Airbus

A380, vierstrahliges Großraumflugzeug mit zwei Passagierdecks, bis zu 850 Passagiere.

226

3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

Bei der Las Vegas Frage ändere ich die Zahl von 50.000 auf 5 Mio. Bei der Airbus Frage von 50 Mio. auf 500 Mio. US-$. Die jeweils willkürlich von mir gewählten Zahlen haben als Anker gedient, ohne dass die Studierenden dies wahrgenommen haben. Die Zahlen werden unbewusst als Grundlage für einen Vergleich benutzt. Gruppe A schätzt die Einwohnerzahl von Las Vegas im Durchschnitt auf 349.000 und Gruppe B auf 3,9 Mio. Gruppe A schätzt den Kaufpreis für einen Airbus A380 im Durchschnitt auf 105 Mio. US-Dollar, Gruppe B dagegen auf 455 Mio. US-Dollar. Die gleichen Fragen nur mit geänderten Zahlen haben die Antworten deutlich beeinflusst. Die Einwohnerzahl von Las Vergas liegt übrigens bei rund 630.000 (2016) und der Listenpreis eines A380 bei rund 490 Mio. US-$ (Abb. 3.10). ◄ Dieses Experiment führe ich in meiner Marketingvorlesung durch, bevor wir das Thema „Irrationales Verbraucherverhalten“ behandeln. Denn ich habe festgestellt, dass bei diesem Thema viel Skepsis vorhanden ist und die meisten der Meinung sind, sie würden sich nicht beeinflussen lassen. Das Ergebnis dieses kleinen Experiments ist jedes Mal eine große Überraschung.

Abb. 3.10   Experiment „Was kostet …?“

3.9  Führen heißt leiten, nicht befehlen

227

Das Setzen eines Ankers funktioniert auch mit völlig aus dem Zusammenhang gerissenen Zahlen, z. B. der Ausweisnummer oder der Motornummer Ihres Fahrzeuges (vgl. Ariely 2008 und Spindler 2016). Wie Jack Welch in seinem Buch „Winning“ beschreibt, wird die Angst vor falschen Entscheidungen deutlich überbewertet und lähmt damit die Weiterentwicklung eines Prozesses. Die Mitarbeiter, die ein Unternehmen eingestellt hat, wurden aus gutem Grund und wegen ihrer Expertise für die Mitarbeit in Projekten ausgewählt. Würde das Unternehmen ihnen nichts zutrauen, wären sie nicht an ihrem Platz. Also werden diese Mitarbeiter auch zu 90 % in ihren Entscheidungen richtig liegen und keine völlig falschen Entscheidungen treffen (Welch 2005). Es ist schon interessant, dass Angestellten, die aus vielen Bewerbern ausgesucht und mit denen ein Arbeitsvertrag geschlossen wurde, offensichtlich von Unternehmensseite wenig zugetraut wird. Ursächlich liegt der Mangel an Vertrauen aber vermutlich in den eigenen Auswahlentscheidungen. Vorgesetzte, die ihren eigenen Entscheidungen nicht trauen, haben die falsche Position im Unternehmen.

Die eigenen Mitarbeiter haben das größte Wissenspotenzial: • • • • • •

Sie haben eine ihrer Aufgabe entsprechende Ausbildung Sie kennen die Kunden und den Markt Sie kennen das Unternehmen Sie haben Erfahrung Ich habe sie ausgewählt Ich vertraue meiner Entscheidung

Für einen Veränderungsprozess und den Einstieg in neue Märkte ist es sicher sinnvoll, sich externe Unterstützung zu sichern, aber für die meisten Projekte ist das perfekte Team schon im Unternehmen. Workshops mit eigenen Mitarbeitern zu den verschiedensten Themen sind die effektivsten. Man ist sehr schnell im Thema, das Know-how ist gebündelt vorhanden und Ideen, die dort entwickelt werden, würden auf externer Basis erheblich mehr Zeit in Anspruch nehmen oder würden nie entstehen. Nebenbei betragen die Kosten für einen internen Workshop nur einen Bruchteil dessen, was ein externes Beraterteam kosten würde. Der Motivationsfaktor in einem Workshop mitzuarbeiten, dessen Ergebnisse auch umgesetzt werden ist unbezahlbar. Workshop Teilnehmer werden dieses Gefühl nie vergessen.

228



3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

Warum sollte eine Entscheidung falsch sein?

Das kann sie mit dem Expertenwissen der Einzelnen nicht sein. Also brauchen wir uns vor einer Entscheidung auch nicht zu drücken. Treffen wir sie mit dem guten Gewissen, dass unser Team sie vorbereitet hat. Ansonsten verlieren wir mit dem eigenen Misstrauen in Entscheidungen viel Zeit. Jack Welch hat dies in einem Interview einmal so ausgedrückt: „My biggest mistake by far was not moving faster“ (Noel M. Tichy 2005). Auf der Bühne ist dieses Vertrauen in die Leistung des anderen unabdingbar. Wie sollte sich ein Schauspieler auf seine Rolle konzentrieren, sie perfekt darstellen, wenn er sich unablässig Gedanken über die Fähigkeiten der übrigen Mitspieler machen würde. Wie sollte ein Regisseur mit einem Ensemble arbeiten, wenn er ihnen die Umsetzung nicht zutraut. Hat der Regisseur diesen Glauben nicht, wird die Rolle anders besetzt. Aber das erfolgt vor dem Start des Theaterprojektes. Eine Umbesetzung während der Inszenierung oder der Proben, kommt normalerweise nur bei Krankheit oder einer kompletten Fehleinschätzung der Qualität eines Darstellers vor. Im zweiten Fall liegt der Fehler aber wieder bei dem, der die Auswahl getroffen hat. In einem Ensemble gehen die Mitglieder davon aus, dass jeder eine Schauspielausbildung hat, dass jeder sein Bestes geben wird, dass genug Erfahrung vorhanden ist, auch in schwierigen Situationen auf der Bühne zu bestehen und vor allem, dass sich jedes Mitglied mit seiner Rolle intensiv auseinandersetzt. Sich damit auseinanderzusetzen, ob eine getroffene Entscheidung falsch sein könnte, kostet viel Energie bei allen an dieser Entscheidung Beteiligten und von ihr Betroffenen. Ein nicht zur Ruhe kommen nach einer Entscheidung zeugt von mangelndem Selbstbewusstsein. Es lähmt und zeigt allen Beteiligten, dass der Einsatz der vollen Energie zur Umsetzung der Entscheidung vielleicht doch noch zu früh ist. Dies bedeutet auch, die Umsetzung wird sich wahrscheinlich verzögern und umso mehr Zweiflern die Bühne bieten. Das ist absolut unnötig. Wenn ein Vorgesetzter seinen Mitarbeitern keine Wertschätzung entgegenbringt, ist das auch mit einem höheren Gehalt oder einer verlockenden Prämie nicht auszugleichen. Wertschätzung wirkt viel tiefer und langfristiger. 

Geld und Wertschätzung sind nicht das Gleiche. Wertschätzung betrifft die Person, Geld das Konto.

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Sicher ist es angenehm, wenn sich das Gehalt erhöht, aber aus dem Gehalt alleine eine Motivation für die Aufgabe zu entwickeln, dürfte schwerfallen. Deutlich wird dies, wenn die nach Frederick Herzberg38 sogenannten „Hygienefaktoren“ sich positiv verstärken. Dann tragen sie nach Herzberg dazu bei Unzufriedenheit zu vermeiden. Aus ihnen Zufriedenheit zu entwickeln erfolgt nicht. Zu den Hygienefaktoren zählen u. a.: • Gehalt oder Einkommen • Führungsstil • Arbeitsbedingungen am Arbeitsplatz • Zwischenmenschliche Beziehungen im Unternehmen • Jobsicherheit Sie sind ein erwarteter Bestandteil bzw. eine Grundvoraussetzung in einem Job. Fehlen sie erzeugt das Unzufriedenheit, sind sie vorhanden oder verstärken sich, vermeiden sie Unzufriedenheit. Herzberg sieht die sogenannten „Motivatoren“ als Auslöser für Zufriedenheit. Dazu zählt er u. a.: • Arbeitserfolg • Anerkennung • Arbeitsinhalt • Verantwortung Fehlen Sie, kann keine Zufriedenheit erzeugt werden. Eine deutliche Unterscheidung. • nach Unzufriedenheit vermeiden und • Zufriedenheit entwickeln. Auch, wenn die Herzberg Zwei-Faktoren-Theorie (Frederick Herzberg 1968) kritisiert wird, enthält sie doch einen entscheidenden Kern. Motivation im Sinne von Zufriedenheit oder sogar Begeisterung für eine Aufgabe entsteht i. d. R. nicht durch monetäre Bestandteile. Dan Ariely stellt in diesem ­Zusammenhang

38Frederick

Herzberg, US-amerikanischer Professor für Arbeitswissenschaft.

230

3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

eine interessante Frage. Wenn wir vor einer lebenserhaltenden Operation stünden, würden wir dann glauben, dass die Ärzte durch die Aussicht auf einen hohen Bonus besser operieren würden? Würden wir wollen, dass sie während der Operation an den Bonus und was sie sich alles dafür kaufen könnten, denken? Besser wäre es sicher, die Ärzte würden ihre volle Energie und Konzentration auf die für uns so wichtige Operation legen (Ariely 2015). Ähnlich sehen wir die Unterscheidung von Zufriedenheit und Begeisterung von Kunden mit einem Produkt oder einem Unternehmen. Zufriedenheit reicht keineswegs aus, den Kunden an das Unternehmen zu binden. Erst Begeisterung lässt den Kunden loyal werden und auch Fehler des Unternehmens verzeihen (Spindler 2020). Zufriedenheit erzeugen können viele, Begeisterung erzielen nur wenige. Darum ist es wichtig für Unternehmen, aus Kunden Fans zu machen. Denn Kunden muss man suchen, Fans kommen von alleine. Außerdem wechseln Kunden die Produkte und Unternehmen, Fans bleiben i. d. R. treu. Darum sollte der Anspruch einer Führungskraft sein, die eigenen Mitarbeiter zu Fans zu machen. Mit Geld geht das nicht, mit Wertschätzung schon. Tipp

• Kunden muss man locken, Fans kommen von alleine • Kunden wechseln, Fans bleiben ◄ Motivation liegt tiefer verborgen und lässt sich doch einfach erzeugen. Die Mitarbeiter morgens grüßen, nach dem Verlauf des Wochenendes erkundigen und sich für die Hobbys interessieren, sind eigentlich ganz normale Gepflogenheiten und sollten es auch im Unternehmen sein. Die Leistung eines Mitarbeiters zu würdigen, indem über sie gesprochen wird, ist keine schwierige Aufgabe. Ist der Vorgesetzte begeistert, von dem was der Mitarbeiter gemacht hat, sollte er das auch so direkt weitergeben. Zum respektvollen Umgang gehört auch, Kritik zu äußern, wenn die Ergebnisse nicht der Erwartung entsprechen. Auch negative Kritik kann Ansporn sein, wird sie nicht persönlich oder beleidigend geäußert. Zusammen sachlich nach den Gründen forschen, kann auch motivieren. Tipp

Schreiben Sie auf: • was Sie motivieren würde • was Sie von einem neuen Job erwarten würden • was Sie zum Wechsel des Unternehmens bewegen würde

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Schreiben Sie auf: • was Sie demotivieren würde • was Sie so demotivieren würde, dass Sie das Unternehmen wechseln würden ◄ Ich habe bei einem Unternehmen eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt. Ziel war den aktuellen Stand der Mitarbeiterzufriedenheit festzustellen und eventuelle „Baustellen“ in der Organisation und Kommunikation herauszuarbeiten. Da ich keine unpersönlichen und wenig spezifizierten Meinungen erhalten wollte, haben wir im Anschluss an die Auswertung eines genau zugeschnittenen Fragebogens, persönliche Interviews mit den Mitarbeitern geführt, die es möglich gemacht haben, genau auf die zu hinterfragenden Antworten aus dem Fragebogen einzugehen. Die Interviews habe ich in Gruppen durchgeführt, da in der Gruppe die Hemmung zu antworten und bestimmte Themen anzusprechen, deutlich leichter fällt. Die Geschäftsführung war bei den Interviews selbstverständlich nicht anwesend. Die Identifikation mit dem Unternehmen war enorm, die Meinung über den Geschäftsführer positiv. Die Mitarbeiter waren Fans des Geschäftsführers, die Loyalität zu ihm hoch. Wie hat er das geschafft? Sein Unternehmen hat er im Team geführt, er hat immer ein Ohr für die Belange der Mitarbeiter. Er hat das Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich entwickelt. Das ist seine Aufgabe, das darf man von ihm erwarten. In den Interviews stellt sich heraus, dass da viel mehr war, was die Mitarbeiter zu seinen Fans gemacht hat. Er hat seinen Mitarbeiter viel Unterstützung gegeben, die absolut lautlos erfolgte. Er hat mit Banken gesprochen und gebürgt, wenn ein Mitarbeiter finanzielle Probleme hatte. Er hat sich um einen Arzttermin bei einem Spezialisten gekümmert, wenn ein Mitarbeiter viel zu lange auf einen solchen Termin warten musste. All dies, ohne den Anspruch auf Rückzahlung oder Dankbarkeit. Er hat dies aus seinem inneren Selbstverständnis für sein Team gemacht. In der Coronavirus-Krise hat er die Ängste der Mitarbeiter um das Einkommen, die Gesundheit und den Job verinnerlicht und als Leader reagiert. In mehreren Videoansprachen hat er souverän, ohne Beschönigung der schwierigen Situation und doch mit viel Feingefühl klare Worte gefunden, die seinen Willen und seine Stärke verdeutlichten, alles für die Mitarbeiter zu tun, was möglich ist. So schafft man Vertrauen in einer Krise, so führt man. Natürlich hat er Leistung eingefordert, aber nie Dankbarkeit oder blindes Folgen. Die Mitarbeiter sind nicht zufrieden mit ihrem Chef, sie sind begeistert von ihm. Geld alleine generiert keine Wertschätzung.

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

Ein Schauspieler arbeitet nicht für Geld, sondern nur für die Kunst und den Applaus des Publikums. Vielleicht ist das nicht uneingeschränkt bei allen so, aber es trifft das Thema im Kern. Aus eigener Erfahrung ist es ein unglaubliches Gefühl, auf einer Bühne zu stehen, vor Publikum eine Rolle zu spielen, eigene Ideen in die Inszenierung einzubringen und sich von der Rolle und dem Stück tragen zu lassen. Ist das Theaterstück zu Ende verbeugen sich die Schauspieler in der festgelegten Applausordnung39. Das ist der vielleicht neutralste Moment der „Zuschauerbefragung“. Das Schauspielerhonorar kann dieses Gefühl nicht ersetzen. Stellen Sie sich vor, sie erledigen Ihren Job, machen das besonders gut und dann stehen hundert oder mehr Leute auf und applaudieren Ihnen. Dieses Gefühl gibt eine Unmenge an Selbstvertrauen und Bestätigung für das Geleistete. Das motiviert für die nächste Vorstellung und steigert die Vorfreude auf das nachfolgende Stück. Angeregt durch meine schauspielerischen Aktivitäten frage ich mich, ob es einer Führungskraft nicht gelingen müsste, ein solches Gefühl bei den Mitarbeitern zu entfachen. Ich bin überzeugt es ist möglich. Eine immer wiederkehrende Frage ist, ob bei der Weiterentwicklung eines Mitarbeiters, der Fokus auf die Stärken oder die Schwächen gelegt werden soll. Müssen in Seminaren oder Workshops die Stärken weiter gestärkt und intensiviert werden, oder ist es sinnvoller an den Schwächen zu arbeiten, um diese zu verringern. 

Besser die Stärken stärken, als die Schwächen schwächen.

Aus meiner Sicht ist es erheblich sinnvoller, an Stärken zu arbeiten und damit ein vorhandenes überdurchschnittliches Potenzial weiter zu stärken, um so Experten zu entwickeln. Aus einer überdurchschnittlichen Fähigkeit kann sich eine einzigartige Fähigkeit entwickeln. Es ist erfolgversprechender auf einer hohen Basis die nächsten Stufen zu erklimmen, als auf einem unterdurchschnittlichen Gebiet bestenfalls Durchschnitt zu erreichen. Große Anstrengungen und Mittel einzusetzen, um bestenfalls Durchschnitt zu werden, ist nicht zielführend. Durchschnitt gibt es genug. Besser ist es, Anstrengungen und Mittel einzusetzen, um außergewöhnliche Fähigkeiten zu erlernen. Ein Schauspieler, der in komischen Rollen voll überzeugt, aber ein schlechter Sänger ist, wird versuchen seine komödiantischen Fähigkeiten weiter zu entwickeln, um auf diesem Gebiet außergewöhnlich zu werden. Nur, wenn er einzigartig wird, kann er sich seine Rollen später aussuchen. Nur dann wird er angefragt 39Applausordnung:

Teil der Aufführung. Legt die Reihenfolge fest, in der sich die Schauspieler nach der Vorstellung vor dem Publikum verbeugen,

3.9  Führen heißt leiten, nicht befehlen

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werden. Was nutzt es ihm, seine unterdurchschnittlichen Gesangsfähigkeiten bis zum Durchschnitt zu steigern und ein durchschnittlicher Sänger zu werden? Das können schon Massen von Schauspielern bieten. Er wird damit nie aus der Masse herausstechen und sich empfehlen können. Warum sollte ein Regisseur einen Schauspieler besetzen, der nur durchschnittliche Fähigkeiten besitzt. Warum sollte ein Kunde ein durchschnittliches Produkt kaufen, wenn es einzigartige Alternativen gibt? Warum sollte der Fußballspieler Christiano Ronaldo versuchen seine Fähigkeiten als Torwart zu entwickeln, anstatt seinen Torinstinkt zu trainieren und immer weiter zu entwickeln? Sollte ein Unternehmen wie z. B. BMW alle Teile für das Modell X3 selbst herstellen und komplett auf spezialisierte Zulieferer verzichten? BMW könnte das Lenkrad des X3 selbst produzieren. Aber besser ist es, das Lenkrad von einem auf Lenkräder spezialisierten Unternehmen zuzukaufen. Dieses Unternehmen, das für mehrere Automobilhersteller Lenkräder entwickelt und produziert, stellt sicherlich deutlich mehr Lenkräder her, als es BMW je tun würde. Die Produktion des Spezialisten dürfte zudem auch günstiger sein. Ikea treibt die Konzentration auf die Kernkompetenz bzw. das Verlagern von Tätigkeiten deutlich weiter. In einem klassischen Möbelgeschäft besuchen die Kunden die Möbelausstellung und wählen das passende Möbelstück aus. Der Möbelhändler bestellt das Möbel beim Hersteller oder holt es aus seinem Lager, liefert es zum Kunden, baut es dort auf und nimmt das Verpackungsmaterial wieder mit. Bei Ikea besucht der Kunde auch die Ausstellung, geht dann aber selbst ins Lager und holt die Ware aus dem Regal. Er transportiert sie zur Kasse, dort darf er die Ware selbst scannen und am Terminal bezahlen. Dann bringt er die Ware zum Auto, lädt sie ins Auto, fährt nach Hause. Er trägt sie in die Wohnung, packt sie aus, baut sie auf und entsorgt selbst das Verpackungsmaterial. Viele Prozesse, die Ikea auf den Kunden verlagert hat. Anja Förster und Peter Kreuz meinen dazu: „Fokussieren Sie auf die Tätigkeiten, in denen Sie wirklich Weltklasse sind, und lassen Sie den Rest von Lieferanten, Partnern – oder Ihren eigenen Kunden – erledigen!“ (Förster/Kreuz 2005). Diese Aussage ist zwar auf Unternehmen und deren Produktionstiefe und Sortiment bezogen, aber für mich trifft das genauso auf die Mitarbeiter und die Führungskräfte in Unternehmen zu. Beantworten Sie für sich die folgenden Fragen

• Wo liegen meine Stärken? • Wo liegen meine Schwächen? • Wie kann ich meine Stärken stärken? ◄

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3  Umsetzung oder Hinter der Bühne

Literatur Stella Adler 2018 Die Schule der Schauspielkunst – The Art of Acting Henschel Verlag Leipzig Amnesty Poland (2016), Look Beyond Borders – 4 minutes experiment,, https://www. youtube.com/watch?time_continue=4&v=f7XhrXUoD6U&feature=emb_logo, Zugegriffen: 30.03.2020 Ariely, Dan (2008), Denken hilft zwar, nützt aber nichts, Droemer Verlag, München Ariely, Dan (2015), Wer denken will, muss fühlen, Droemer Verlag, München Brandauer, Klaus Maria, 3 nach 9, Talkshow von Radio Bremen, 23.08.2019 Caroll, Dave (2020), Homepage www.davecarrollmusic.com/, Zugegriffen: 27.02.2020 Christensen, Clayton M. (2013), The Innovator‘s Dilemma, Vahlen Verlag, München Duhigg, Charles (2012), Die Macht der Gewohnheit, Berlin Verlag, Berlin DWDS – Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, „Manager“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, https://www.dwds.de/wb/Manage, Zugegriffen: 14.11.2019. Egner, Fritz (1997), (Versteckte) Kameras sind gnadenlos, Ruge, Nina/Wachtel, Stefan (1997), Achtung Aufnahme, Econ Verlag, Düsseldorf Elliot, Jay/Simon, William L. (2001), Steve Jobs – iLeadership, Ariston Verlag, München Förster, Anja: Kreuz Peter (2005), Different Thinking!, Redline Verlag, Frankfurt Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 2007, Mir läuft die Zeit davon, https://www.faz. net/aktuell/sport/fussball/bundesliga/ottmar-hitzfeld-im-interview-mir-laeuft-die-zeitdavon-1407442.html, Zugegriffen: 04.03.2007 Frankfurter Allgemeine Zeitung 2009, Leere Versprechungen, https://www.faz.net/aktuell/ sport/fussball/bundesliga/juergen-klinsmann-leere-versprechungen-1786023.html, Zugegriffen: 12.04.2009 Gallo, Carmine (2011), Was wir von Steve Jobs lernen können, Redline, München Hinterhuber, Hans H./Stahl, Heinz K. (2002), Erfolg durch dienen?, Expert Verlag, Renningen Herzberg, Frederick (1968), One more time: how do you motivate employees?, Harvard Business Review 46, 1, 1968 Johnson, Spencer 2000, Die Mäuse-Strategie für Manager, Ariston Verlag, München Jungbluth, Rüdiger (2006), Die 11 Geheimnisse des IKEA-Erfolgs, Campus, Frankfurt Kahneman, Daniel (2011) Schnelles Denken, langsames Denken, Siedler Verlag, München Kino & Co (2019), www.kinoundco.de/news/kein-zuckerschlecken-renee-zellweger-ueberihren-part-in-judy, Zugegriffen: 02.01.2020 Lehrer, Jonah (2009), Wie wir entscheiden, Piper Verlag, München Manager Magazin (2014), https://www.manager-magazin.de/unternehmen/handel/amazonprime-a-975706-2.html, Zugegriffen: 17.06.2017 Molcho, Samy (1996), Körpersprache im Beruf, Mosaik Verlag, München Ogger, Günter (1992), Nieten in Nadelstreifen, Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur, München Schrader, Matthias (2019), So schaffen Unternehmen die digitale Transformation, Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 31.03.2019 Slater, Robert (1999), Wer führt, muss nicht managen. Die unschlagbaren Erfolgsstrategien von Jack Welch, Verlag Moderne Industrie, Landsberg

Literatur

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Stein, Hannes. (2017) Nach uns die Pinguine, Galiani, Berlin Spindler, Gerd-Inno (2016) Querdenken im Marketing – Wie Sie die Regeln im Markt zu Ihrem Vorteil verändern, 2. Aufl. Springer Gabler, Wiesbaden Spindler, Gerd-Inno (2020) Basiswissen Marketing, Springer Gabler Verlag, Wiesbaden Sprenger, Reinhard K. (1995), Mythos Motivation, Campus Verlag, Frankfurt Stanislawski, Konstantin Sergejewitsch (1996), Die Arbeit des Schauspielers an der Rolle, Zweitausendeins, Frankfurt Strasberg, Lee (2007), Schauspielen und das Training des Schauspielers, Alexander Verlag, Berlin Tichy, Noel M./Sherman, Stratford 2005, Control Your Destiny or Someone Else Will, Harper Business, New York Video auf YouTube: www.youtube.com/watch?v=5YGc4zOqozo, Zugegriffen: 07.04.2020 Welch, Jack, / Suzy Welch. (2005). Winning – Das ist Management, Campus Verlag, Frankfurt/New York WirtschaftsWoche 2010, Interview mit Felix Magath, 03/2010 WirtschaftsWoche (2017), https://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/olearys-planfuer-ryanair-aus-dem-aldi-der-luefte-soll-das-amazon-des-reisens-werden/20024508. html, Zugegriffen: 10.07.2017 Wikipedia (2020), US-Airways Flug 1549, https://de.wikipedia.org/wiki/US-AirwaysFlug_1549, Zugegriffen: 27.02.2020

Schlussbemerkung

Es ist verblüffend, wie wenig Gedanken sich Manager um ihren Auftritt machen. Einen Vortrag bereiten wir inhaltlich akribisch vor und unseren Auftritt vernachlässigen wir sträflich. Jeder Schauspieler ist uns da meilenweit voraus. Wir lassen uns vom Tagesgeschäft bestimmen und finden kaum Zeit, um an der Entwicklung unseres Unternehmens zu arbeiten. Viel zu gerne schauen wir zurück, anstatt die Zukunft aktiv zu gestalten. Wir verpassen es in Verhandlungen Drehpunkte zu schaffen und bereiten kein neues Bühnenbild für unsere Mitarbeiter. Uns ist nicht genug bewusst, wie unsere Körperhaltung und unsere Sprache auf andere wirken, denen wir Wichtiges vermitteln wollen. Oft reden wir lieber, als zuzuhören, oft wehren wir ab, statt zu unterstützen. Manchmal sind wir zu satt, anstatt hungrig zu bleiben. Wir verwechseln Management mit Leadership und nehmen uns wichtiger als unser Team. Die Theaterwelt und die Unternehmenswelt sind so ähnlich und doch handeln die Akteure der beiden Welten meist grundverschieden und setzen unterschiedliche Prioritäten. Die Ausbildung eines Managers vernachlässigt so viele Aspekte, die für einen Schauspieler Grundlagen seiner Handlungen sind. Wir lernen Theorie, indem wir Gesetze, Definitionen und Best Cases studieren. Aber ein Method Acting, wie es die Schauspieler kennen, gab es für uns Manager bisher noch nicht.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 G.-I. Spindler, Und Action, bitte! Method Acting für Manager, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30987-9

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Schlussbemerkung

Mein Method Acting für Manager in Kurzform

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Nicht warten, sondern handeln Ziele bildhaft vermitteln Der nächste Fehler bringt uns weiter Nach vorne denken Atmosphäre für Neues schaffen Drehpunkte schaffen Körperhaltung, Stimme, Sprache und Auftritt sind wichtiger als Worte Hungrig bleiben Reisen bildet, Zuhören auch Wir sind ein Teil des Teams

Stichwortverzeichnis

1&1, 215

A Ackermann, Josef, 6 Adler, Stella, 6, 11, 17, 22, 28, 153, 154, 161, 165, 166, 168, 170, 186, 209, 222, 223 Agfa, 4 Airbus A380, 227 Aldi, 32, 215 Allen, Woody, 25 Amazon, 186, 208, 212 Andretti, Mario, 3 Anker, 228 Apple, 186, 191, 201, 215 Ariely, Dan, 38, 189, 212, 214, 227, 229, 231 Asch, Solomon, 142 Assessment Center, 160, 201 Aykroyd, Dan, 112

B Bargh, John, 37 Battermann, Florian, 31 Bauchatmung, 84 Beckenbauer, Franz, 48 BMW, 235

Bohemian Rhapsody, 156 Boleslawski, Richard, 184 Brandauer, Klaus Maria, 142, 168, 182 Brando, Marlon, 143, 184 Brecht, Bertolt, 219

C Caroll, Dave, 197 Chaplin, Charlie, 112 Christensen, Clayton M., 187 Clark, Dave, 208 congstar, 215 Costopoulos, John, 149

D Day, Kingsley, 15 Depp, Johnny, 143 Dissonanz, kognitive, 142 dm, 32 Dopamin, 226 Duhigg, Charles, 186 Dyson, James, 186

E Eames, Claire, 153 Eastwood, Clint, 175

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 G.-I. Spindler, Und Action, bitte! Method Acting für Manager, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30987-9

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240 Edeka, 32 Egner, Fritz, 225 Ekman, Paul, 47, 50, 52, 56, 72, 79, 148 Empathie, 7 engelbert strauss, 39, 41, 196

F FC Bayern München, 220 Filliés, Joachim, 162 Fisch zu Viert, 183 Florida-Effekt, 37 Ford, Henry, 139 Förster, Anja, 28

G Gallo, Carmine, 4 Garland, Judy, 183 Gates, Bill, 193 Gedächtnis, affektives, 155 Gogol, Nikolai Wassiljewitsch, 188 Google, 186

Stichwortverzeichnis K Kahneman, Daniel, 37, 142, 223 Kamprad, Ingvar, 186 Kinski, Klaus, 56 Klinsmann, Jürgen, 220 Kodak, 4 Kohlhaase, Wolfgang, 184 Kreuz, Peter, 28

L Ladykillers, 32, 204 Lasko, Wolf W., 13 Las Vegas, 227 LaZebnik, Philip, 15 Lehrer, Jonah, 177 Lidl, 32, 215 Lienen, Lars, 164 Ludwigstheater, 32, 181 Lügen für Fortgeschrittene, 22, 32

I Indiana Jones, 96

M Magath, Felix, 203 Mai, Maike, 164, 184 Malek, Rami, 156 Matschnig, Monika, 48–50, 52, 64, 66, 82, 88, 104, 105, 108–110, 119, 122, 141, 142, 153, 157 Maus, Manfred, 17 McKee, Robert, 169 Meijer, Erik, 185 Mercury, Freddy, 156 Messi, Lionel, 28 Method Acting, 225 Molcho, Samy, 46, 48, 50, 51, 53, 54, 56, 63, 68, 73, 75, 78, 86, 90, 93, 95, 111, 113–118, 142, 158, 160, 176

J Job Rotation, 204 Jobs, Steve, 4, 141, 180, 201

N Navarro, Joe, 48, 52, 60, 72, 76, 79, 80, 83, 88, 91, 99, 104, 106, 108, 111, 112

H Halo-Effekt, 143 Hanks, Tom, 175 Heckelsberger, Susanne, 202 Heiliger Gral, 200 Herzberg, Frederick, 231 Hinterhuber, Hans H., 218 Hitzfeld, Ottmar, 221 Horaz, 2

Stichwortverzeichnis Nicholson, Jack, 143, 156 Nietzsche, Friedrich, 64

O OBI, 17 Ogger, Günter, 201

P Pacino, Al, 143 Phoenix, Joaquin, 56 Phonetik, 161 Piech, Ferdinand, 206 Polster, Cordula, 22 Porsche, 215 Priming, 37

Q Queen, 156

R Reinhardt, Ernst, 6 Rewe, 32 Reza, Yasmina, 31 Ronaldo, Cristiano, 28 Rossmann, 32 Ryanair, 187

S Sanders, Daniel, 6 Schnappatmung, 84 Schrader, Matthias, 18, 187 Schrempp, Jürgen, 4 Schröder, Gerhard, 206 Schweiger, Till, 31 Schweizer, Elian, 8 Second Brand, 215 Shakespeare, William, 153 Silbereisen, Florian, 141 Simon, Sven, 81

241 Slater, Robert, 6, 185 Spindler, Gerd-Inno, 4, 5, 13, 16, 187, 204, 229, 232 Sprenger, Reinhard K., 17, 221 Stahl, Heinz K., 218 Stanislawski, Konstantin, 3, 25, 142, 143, 149, 151, 155, 156, 168, 177 Stoll, Torsten, 15, 165, 204, 218 Strasberg, Lee, 143, 148, 149, 153, 154, 156, 167, 168, 174, 177, 178, 182–184, 219 Strauss, Steffen, 39, 41, 196, 208, 221 Sullenberger, Chesley B., 174 Sully (Film), 175 Support Actors, 201

T Tatort, 51 Tchibo, 32 Tee mit Zimt, 164 Telekom, 215 Tesla, 186 Tour de Farce, 15, 32

U United Airlines, 197 United Breaks Guitars, 197

V Verra, Stefan, 49, 52, 56, 60, 63, 69, 92, 110, 141 Versteckte Kamera, 225 Vision, 13 Vodafone, 215 VW Golf, 212

W Wachtangow, Jewgeni, 156 Wallenstein, 168 Wayne, John, 111, 112

242 Welch, Jack, 3, 6, 180, 185, 229, 230

Z Zellweger, Reneé, 183

Stichwortverzeichnis Zimmer, Rita, 184 Zuckerberg, Mark, 16 Zwei-Faktoren-Theorie, 231 Zweitmarke, 215 Zwerchfellatmung, 84