Umweltverbände: Zur Organisation von Umweltschutzinteressen in der Bundesrepublik Deutschland [1. Aufl.] 978-3-531-11820-8;978-3-322-96327-7

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Umweltverbände: Zur Organisation von Umweltschutzinteressen in der Bundesrepublik Deutschland [1. Aufl.]
 978-3-531-11820-8;978-3-322-96327-7

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-1
Einleitung (Martin Leonhard)....Pages 2-4
Grundlegung (Martin Leonhard)....Pages 5-84
Anlage und Probleme der Empirischen Untersuchung (Martin Leonhard)....Pages 85-126
Ergebnisse (Martin Leonhard)....Pages 127-289
Zusammenfassung und Folgerungen (Martin Leonhard)....Pages 290-308
Back Matter ....Pages 309-354

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Hartin Leonhard . Umweltverbände

Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Forschung

Band 89

Westdeutscher Verlag

Martin Leonhard Umweltverbände Zur Organisation von Umweltschutzinteressen in der Bundesrepublik Deutschland Mit einem Geleitwort von Thomas Ellwein

Westdeutscher Verlag

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Leonhard, Martin. Umweltverbände: zur Organisation von Umweltschutzinteressen in d. Bundesrepublik Deutschland / Martin Leonhard. Mit e. Geleitw. von Thomas Ellwein. - Opladen: Westdeutscher Verlag, 1986. (Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Forschung; Bd. 89) ISBN 978-3-531-11820-8 ISBN 978-3-322-96327-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-96327-7

NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1986 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfaltigungen, Obersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Hanswerner Klein, Opladen

GELEITWORT

Umweltschutz sollte ein 'allgemeines' Anliegen sein. Es gehört aber zu den topoi der Verbändeforschung, daß solche allgemeinen Anliegen oder Interessen nur selten einen mächtigen Patron finden.

Spezielle Interessen sind leichter organisier-

und darstellbar. Für sie lassen sich seitens der Politik auch eher bestimmte Maßnahmen ergreifen, mit denen tatsächlich oder vermeintlich entsprechende Forderungen erfüllt werden. Die Umwelt erscheint dagegen als jedermanns Anliegen und niemand kann öffentlich verkünden, er wolle der Umwelt schaden. Auch dieses Anliegen muß aber vertreten,

in konkreten Zusam-

menhängen transparent und in seinen Konsequenzen in das Bewußtsein von Politik und Gesellschaft gebracht werden. Auch dieses Anliegen bedarf deshalb im vorparlamentarischen wie im gesellschaftlichen Raum der Verbände,

die umfassend oder spe-

zialisiert allgemeine Problemlagen wie besondere Vorkommnisse thematisieren, die mahnen oder in vielen Einzelfällen selbst Maßnahmen ergreifen. Ohne die Tätigkeit von Verbänden, die schon seit langem auf ihre Weise dem Umweltschutz dienen, wäre die Hinwendung zum Thema, wie wir sie seit etwa 1970 (Europäisches Naturschutzjahr) feststellen können, kaum denkbar. Von solchen Verbänden,

jedenfalls von vielen aus dieser Grup-

pe handelt die vorliegende Veröffentlichung. Sie soll zeigen, wie die Verbände organisiert sind, welche Aufgaben sie sich stellen und was sie praktisch tun. Das eine läßt sich relativ leicht erfahren; was praktisch geschieht, ist dagegen nur schwer zu erschließen. Der Autor schlägt deshalb einen eigenen und in vieler Hinsicht neuen Weg ein, in dem er neben die übliche Verbandsanalyse eine lokale, sich auf die Auswertung der konkreten Zeitungsberichterstattung stützende Untersuchung stellt, aus der sich sehr plastisch ergibt, wie die einschlägigen Verbände vor Ort wirklich tätig werden. Das Ergebnis bleibt im Rahmen der bewährten Annahmen der Verbände-

- VI -

forschung: Auch im Bereich des Umweltschutzes lassen sich speziellere Interessen leichter organisieren als allgemeine; eine allgemeine und konzeptuell erarbeitete Vorstellung vom Dienst an der Umwelt bringt Verbände unweigerlich in die Nähe von Politik und es bedarf ganz besonderer Voraussetzungen, um in dieser Nähe zur Politik nicht unterzugehen. Wegen solcher Schwierigkeiten fehlt es - das muß man sehen -

bei allem

'allgemeinen' Interesse an machtvoller, von einer lebendigen Vereins- und Verbändeszene getragenen Unterstützung der Umweltpolitik. Auch hier fällt nicht alles, aber doch sehr viel auf die Politik, auf ihre Sensibilität für neue Problemlagen und auf ihre Fähigkeit, das als richtig Erkannte auch durchzusetzen, zurück. Die vorliegende Arbeit ist im Rahmen eines größeren Projektes entstanden, in dem untersucht werden sollte, welches Echo Umweltanliegen in einem bestimmten Zeitraum erfahren haben und wie sie von namhaften Verbänden, welche sich diese Aufgabe aufs Panier schreiben, im gleichen Zeitraum vertreten worden sind. Martin Leonhard trägt als Projektmitarbeiter die alleinige Verantwortung für den Teil des Projektes, den er bearbeitet hat und über den er nachfolgend unterrichtet. Auch in seinem Namen danke ich dem Umweltbundesamt, welches das Projekt angeregt und ermöglicht und seine Durchführung durch vielfältigen Rat und durch Hilfe erleichtert hat. Gleichzeitig danken wir für die Bereitschaft der untersuchten Verbände, mit uns zusammenzuarbeiten. Daß das schließliche Ergebnis nicht immer auch die Zustimmung der Untersuchten findet, versteht sich von selbst. Wir haben aber dafür zu danken, daß auch die sich so ergebenden Kontroversen in einer Weise ausgetragen worden sind, die -

hoffentlich - dem vorliegenden

Buch zugutegekommen ist.

Konstanz im Oktober 1985

Thomas Ellwein

Inhalt

Verzeichnis der Tabellen ••••••••.•.••••••••••••.••••••••••

XI

Vorwort ••••••••••••••.•••••••••••••••••••••.••••••••••••••

1

Einleitung ••.•••••••••••••••••••.••••••••••••••.••••••••••

2

Kapitel 1 GRUNDLEGUNG

1.1

Zu den Grundlagen und Implikationen der Umweltpolitik 1.1.1 Belastung und Schutz der Umwelt •••••••••••••••• 1.1.2 Umwelt und Politik •••••••••••••••••••••••••••••

1.2

Verbändesystem und Umweltpolitik 1.2.1 Umweltinteressen im politischen Prozeß ••••••••• 1.2.2 Gemeinwohl und selektive Interessenberücksichtigung ••••••••••••••••••••••••••••••• 1.2.3 Status Quo Orientierung des Verbändesystems und neue Beteiligungsformen •••••••••••• 1.2.4 Veränderungen des Verbändesystems ••••••••••••••

1.3

1.4

5 17

23 30 42 54

Voraussetzungen und Möglichkeiten umweltverbandlicher Interessenvermittlung 1.3.1 Praktische Aktion und Öffentlichkeitsarbeit 1.3.2 Institutionelle Partizipation •••••••••••••••••• 1.3.3 Innerverbandliche Voraussetzungen ••••••••••••••

63 70 76

Zusammenfassung: Fragestellung und Analysekonzept ••••

79

- VIII -

Kapitel 2 ANLAGE UND PROBLEME DER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG

2.1

Institutionelle Verbandsanalyse 2.1.1 Auswahl der besonders interessierenden Ver bände ••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• 2.1.2 Verbändematerial und Interviews ••••••••••••••••

2.2

85 89

Analyse der Umweltdiskussion und der Verbändebasis 2.2.1 Presseanalyse 2.2.1.1 2.2.1.2 2.2.1.3 2.2.1.4

Untersuchungsgebiet und -zeit •••••••••• 91 Zeitungsauswahl und Analyseraster •••••• 96 Das Thema 'Umwelt' in der Presse ••••••• 101 Akteure der Umweltberichterstattung, Verbändesampie ••••••••••••••••••••••••• 106

2.2.2 Örtliche Interviews 2.2.2.1 Grundlage und Konzeption ••••••••••••••• 117 2.2.2.2 Partner •••••••••••••••••••••••••••••••• 119 2.2.2.3 Auswertung ••••••••••••••••••••••••••••• 121 2.3 Zur Reichweite der Ergebnisse, Validität und Repräsentativität •••••••••••••••••••••••••••••••••••• 122

- IX -

Kapitel 3 ERGEBNISSE

3.1

Struktur und Politik ausgewählter Umweltverbände 3.1.1 Gründung und Entwicklung ••••••••••••••••••••••• 127 3.1.2 Organisation und Konzeption 3.1.2.1 Mitglieder •••••••.•••••••••••••.••.••.• 132 3.1.2.2 Infrastruktur •••••••.•••••••.•••••••••. 145 3.1.2.3 Ziele und Programme ••••••••••••••••••.. 163 3.1.3 Zur Politik der Verbände ••••••••••••••••••••••• 174

3.2

Presseana1yse 3.2.1 Das Gesamtergebnis ••••••••••••••••••••••••••••• 193 3.2.2 Vereinsberichterstattung ohne Umweltbezug 200 3.2.3 Verbände und andere Akteure in der Umweltberichterstattung 3.2.3.1 Lokal •••••••••••••••••••••••••••••••••• 205 3.2.3.2 Allgemein •••••••••••••••••••••••••••••• 220 3.2.4 Verbände und andere Akteure zu den Themen der Umweltschutzdiskussion 3.2.4.1 Lokal •••••••••••••••••••••••••••••••••• 236 3.2.4.2 Allgemein •••••••••••••••••••••••••••••• 249

3.3 Örtliche Interviews 3.3.1 Zur lokalen Umweltberichterstattung •••••••••••• 262 3.3.2 Die großen Verbände des Deutschen Naturschutzrings und der Deutsche Bund für Vogelschutz •••• 269 3.3.3 Der Bund Umwelt- und Naturschutz Deutschland und die Bürgerinitiativen •••••••••••••••••••••• 280

- xKapitel 4 ZUSAMMENFASSUNG UND FOLGERUNGEN 4.1

Zusammenfassung 4.1.1 Verbände in der Umweltdiskussion ••••••••••••••• 290 4.1.2 Basis und Dachverbände ••••••••••••••••••••••••• 292 4.1.3 Umweltverbände und lokale Politik •••••••••••••• 295

4.2

Folgerungen 4.2.1 Umweltverständnis •••••••••••••••••••••••••••••• 298 4.2.2 Grenzen umweltverbandlicher Organisation ••••••• 303

Anmerkungen ••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• 309 Literatur ••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• 327 Anhang •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• 344

-Xl-

Verzeichnis der Tabellen

1

Finanzierung und Ausgabenstruktur ausgewählter Umweltverbände im Vergleich ••••••••..•.••••••••••• 156

2

Übersicht über die Ergebnisse der Zeitungsauswertung, ohne zus. Lokalteile ••••••••••••.••••••••• 194

3

Übersicht über die Ergebnisse der Zeitungsauswertung, mit zus. Lokalteilen

195

4

Umweltberichterstattung •••••••••••••••••••••••••••• 197

5

Die großen DNR-Mitgliedsverbände in der gesamten Berichterstattung ohne Umweltbezug

201

6

Die großen DNR-Mitgliedsverbände in der Lokalberichterstattung ohne Umweltbezug ••••••••••••••••• 202

7.1

Akteure in der lokalen Umweltberichterstattung ••••• 206

7.2

Akteure in der lokalen Umweltberichterstattung (Prozentwerte) ••••••••••••••••••••••••••••••••••••• 207

8.1

Umweltverbände in der lokalen Umweltberichterstattung ••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• 210

8.2

Umweltverbände in der lokalen Umweltberichterstattung (Prozentwerte) •••••••••••••••••••••••••• 211

9.1

DNR und die großen Mitgliedsverbände in der lokalen Umweltberichterstattung •••••••••••••••••••• 215

- XII -

9.2

DNR und die großen Mitgliedsverbände in der lokalen Umweltberichterstattung (Prozentwerte) ••••• 216

10.1

Akteure in der Umweltberichterstattung, all gemein •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• 223

10.2

Akteure in der Umweltberichterstattung, allgemein (Prozentwerte) ••••••••••••••••••••••••••• 224

11.1

Umweltverbände in der Umweltberichterstattung, allgemein •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• 227

11.2

Umweltverbände in der Umweltberichterstattung. allgemein (Prozentwerte) ••••••••••••••••••••••••••• 228

12.1

DNR und die großen Mitgliedsverbände in der Umweltberichterstattung, allgemein ••••••••••••••••• 231

12.2

DNR und die großen Mitgliedsverbände in der Umweltberichterstattung. allgemein (Prozentwerte) •• 232

13.1

Akteure zu den Themen der lokalen Umweltberichterstattung •••••••••••••••••••••••••••••••••• 238

13.2

Akteure zu den Themen der lokalen Umweltberichterstattung (Prozentwerte) ••••••••••••••••••• 239

14.1

Umweltverbände zu den Themen der lokalen Umweltberichterstattung •••••••••••••••••••••••••••• 242

14.2

Umweltverbände zu den Themen der lokalen Umweltberichterstattung (Prozentwerte)

15.1

243

DNR und die großen Mitgliedsverbände zu den Themen der lokalen Umweltberichterstattung ••••••••• 246

- XIII -

15.2

DNR und die großen Mitgliedsverbände zu den Themen der lokalen Umweitberichterstatttung, (Prozentwerte) ••••.•••••••••.•••••••••••••••••••••• 247

16.1

Akteure zu den Themen der Umweltberichterstattung, allgemein ••••.•••••..•••••••••••••••••••••••••••••• 252

16.2

Akteure zu den Themen der Umweltberichterstattung, allgemein (Prozentwerte) ••••••.••••••••••.••••••••• 253

17.1

Umweltverbände zu den Themen der Umweltberichterstattung, allgemein

17.2

255

Umweltverbände zu den Themen der Umweltberichterstattung, allgemein (Prozentwerte) ••••••.• 256

18.1

DNR und die großen Mitgliedsverbände zu den Themen der Umweltberichterstattung, allgemein •••••• 258

18.2

DNR und die großen Mitgliedsverbände zu den. Themen der Umweltberichterstattung, allgemein (Prozentwerte) •••••••••••••••••••••••.••••••••••••• 259

Vorwort

Als Autor gilt mein Dank allen denen, die an dem eingangs erwähnten, vom Umweltbundesamt geförderten Forschungsprojekt mitgearbeitet oder es auf vielfältige Weise unterstützt haben; Ermittlung und Erschließung des umfangreichen Datenmaterials sind so erst möglich geworden. Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten wurden 1983 dem Amt in einem Bericht vorgelegt und mit den interessierten Verbänden diskutiert. Auch für diese von fast allen untersuchten Verbänden gezeigte Gesprächsbereitschaft habe ich zu danken. In besonderer Weise fühle ich mich Prof. Dr. Thomas Ellwein verbunden, der nicht nur die vorliegende Studie angeleitet und gefördert, sondern auch dem Autor die wissenschaftliche Prägung gegeben hat. Die Diskussionsbereitschaft von Prof. Dr. Gerhard Lehmbruch war die Grundlage für wertvolle Hinweise und kritische Einschätzung; mit zahlreichen Anregungen und vor allem mit großem Verständnis hat auch Prof. Dr. Dieter Schimanke zur Vollendung dieser Arbeit beigetragen. Nicht zuletzt danke ich Dr. Walter Schwarz für die geduldige und gewissenhafte Durchsicht des Manuskripts.

Hamburg im Oktober 1985

Martin Leonhard

Einleitung

Ausgangspunkt der Untersuchung ist der nachhaltige Bedeutungsgewinn des Umweltschutzes als Gegenstand politischer Auseinandersetzung und staatlicher Regulierung. Er läßt sich vor allem anhand der etwa seit 1970 verstärkt geführten öffentlichen Diskussion illustrieren, an dem mitunter tiefgreifenden Streit, der die Entwicklung der politischen Kultur mitgeprägt hat, wird aber auch an den umfangreichen umweltpolitischen Rechts- und Programmsetzungsbemühungen deutlich. In diesem Politikfeld werden neben den klassischen ökonomischen Gruppeninteressen sehr viel mehr als in anderen Feldern 'allgemeine' Interessen ins Spiel gebracht, steht mithin die Verarbeitung von 'public interests' zur Debatte, die nach dem Stand der Verbands forschung als nur schwer organisierbar und als noch weniger durchsetzbar gelten. Trotzdem gibt es eine Umweltschutzbewegung, gibt es Umweltverbände, und wird vielfach eine gesteigerte Berücksichtigung des umweltschützerisehen Interesses unterstellt. Dabei ist allerdings noch weitgehend unklar, welchen Platz der Umweltschutz im System organisierter Interessen einnimmt. Im Gegensatz zu der recht breiten Aufmerksamkeit, die den Bürgerinitiativen zuteil wurde, etwa im Kontext der Diskussion um neue soziale Bewegungen, fehlt bislang eine entsprechende, empirische Auseinandersetzung mit demjenigen Teil des Verbändesystems, welcher allgemeine Interessen zu verarbeiten und auf die einschlägigen politischen Entscheidungsprozesse in eher traditioneller Form Einfluß zu gewinnen sucht. Mit der hier vorzustellenden, vergleichsweise breit angelegten empirischen Analyse ist ein Beitrag zur Minderung dieses Defizites beabsichtigt.

- 3 -

Unter dem Aspekt der verbandlichen Organisation von Umweltschutzinteressen stehen die Organisationen im Mittelpunkt, welche sich selbst als Natur- und Umweltschutzverbände verstehen. Sie lassen sich unterteilen in solche, die sich 'primär' und meist auch ausschließlich mit der Vertretung von Umweltschutzinteressen befassen, dabei nicht immer scharf von den Bürgerinitiativen zu trennen sind, und in solche, die sich nur 'sekundär' den Umweltproblemen zuwenden und zuvorderst andere Interessen vertreten. Insbesondere sind es die traditionell an Naturschutz interessierten Vereine und Verbände aus dem Freizeitbereich, an deren Verhalten letztlich auch eine Reaktion des Verbändesystems auf die Veränderung der politischen Problemlandschaft festzumachen ist. Das Untersuchungskonzept ergibt sich zu einem wesentlichen Teil aus denjenigen Besonderheiten des Politikfeldes, die letztlich die verbandliche Organisation der umweltpolitischen Interessen determinieren: Nach der Verdeutlichung pluralistischer Implikationen der Verarbeitung eher allgemeiner Interessen gilt es, die Voraussetzungen und Möglichkeiten umweltverbandlicher Beteiligung herauszuarbeiten und zur Grundlage der weiteren Überlegungen zu machen. Die empirische Analyse folgt dann zuerst den Linien der 'klassischen' Verbandsanalyse und zeichnet ein institutionelles Bild ausgewählter umweltpolitischer Dach- und Spitzenverbände in der Bundesrepublik, die für sich reklamieren, Umweltschutzinteressen zu organisieren. Zwar bildet dies eine wesentliche Grundlage für die Antworten auf die Frage nach Art, Umfang und Entwicklung der verbandlichen Organisation des Umweltschutzes. Darüber hinaus bedarf es aber nicht nur der Einbeziehung der jeweiligen Verbändebasis, sondern auch des Bezugs auf die öffentlich geführte Umweltschutzdiskussion und des Vergleichs zu den übrigen um-

- 4 -

weltpolitischen Akteuren. Die Analyse konzentriert sich demzufolge in einem zweiten Schwerpunkt auf die Präsenz der Verbände in der Presse, insbesondere auf die in der Lokal- und Regionalberichterstattung und sucht den Vergleich mit dem öffentlichen Auftreten von Bürgerinitiativen, Parteien und anderen wichtigen politischen Akteuren. Die empirische Grundlage bildet die 15-monatige Analyse (1981/82) der überregionalen und der lokalen Presseberichterstattung in einem Untersuchungsgebiet. Dabei berichten 16 Zeitungen über 15 Teilgebiete. Insgesamt wurden 7.500 Zeitungsexemplare untersucht und über 100.000 Artikel auf unterschiedliche Weise verarbeitet. Die Umweltberichterstattung umfaßte über 34.000 Artikel. Außerdem wurden in den 15 Landkreisen und Städten, aus denen sich das Untersuchungsgebiet zusammensetzt,

170 Interviews mit Experten der Verwaltung,

mit Vertretern von Parteien, Gewerkschaften und vor allem mit den Repräsentanten der örtlichen Vereine und den Mitgliedern von Bürgerinitiativen geführt. Das Ergebnis besteht in einer Einschätzung der verbandlichen Organisation von Umweltschutz und in der Betonung einiger Probleme,

von denen anzunehmen ist, daß sie die künftige Ent-

wicklung von Umweltverbänden mitbestimmen. Darüber hinaus hat sich zunächst das bestätigt, was in der Tendenz schon bisher zu erkennen war: ein Teil des Vereinigungssystems, die Vereine,

neigen zur

'Abschirmung' gegenüber der Politik. Dies fin-

det seinen Ausdruck in dem spezifischen, auf Parzeliierung angelegten Verarbeitungsmuster der mitgliederstarken sekundären Umweltverbände und unterscheidet die zuletzt genannten von den eher umweltpolitisch orientierten und agierenden primären Umweltverbänden.

Kapitel 1 GRUNDLEGUNG 1.1

Zu den Grundlagen und Implikationen der Umweltpolitik

1.1.1

Belastung und Schutz der Umwelt

Der Katalog von einzelnen Themen der öffentlich geführten umweltpolitisch~n

Auseinandersetzung ist reichhaltig: im Jahre

1984 beherrschte vor allem das drastisch zunehmende Waldsterben, im Vorlauf die sauere Deposition und im Nachgang die Abgasentgiftung der Individualverkehrsmittel die Diskussion. Doch die Themenfolge ist rasch und von den jeweils aktuellen Schäden, Erkenntnissen und auch von publizistischer Hinwendung l abhängig. Während die heftigen Auseinandersetzungen um

*

die Kernenergie in den 70er Jahren oder der an die Struktur der inneren Ordnung rührende Streit um den Ausbau der Startbahn West des Frankfurter Flughafens von 1981 schon fast vergessen scheinen, sind im Herbst 1984 die Diskussionen um Dioxin, um die Malaise der Müllbeseitigung und um das Formaldehyd in Baustoffen noch in besserer Erinnerung. Insgesamt gesehen zeichnet sich aber eine erstaunliche Stabilität ab, mit der das Thema Umwelt auch dann seinen Stellenwert behält, wenn etwa die Arbeitslosigkeit oder die Auseinandersetzungen um die atomare Rüstung die öffentliche Diskussion dominieren. Die andauernde Aktualität und politische Relevanz des Themas wird vielfach auf eine im Ergebnis nur sehr begrenzt erfolgreiche Umweltpolitik zurückgeführt. Man kommt dabei nicht nur zu unterschiedlichen Einschätzungen der 'tatsächlichen' Belastung der Umwelt. Auch um das umweltpolitische Konzept und die jeweils probate umweltschützerische Maßnahme wird immer wieder gerungen. Die eine Seite führt meist ökonomische Argumente ins Feld, verweist auf die Kostenbelastung von Produkten, die Sicherung internationaler Konkurrenzfähigkeit, auf die sonstigen, sich aus den Weltmarktverflechtungen ergeben-

- 6 -

den Erfordernisse und insbesondere auf die Gefährdung von Arbeitsplätzen. Die andere Seite betont die sich ausweitenden Umweltschäden und warnt vor weiterer Zerstörung oder Schädigung der Umwelt und vor zunehmender Beeinträchtigung und Gefährdung der menschlichen Gesundheit. Bevor man sich dem umweltpolitischen Prozeß zuwendet, scheint eine Klärung der Frage notwendig, wie sich sein Gegenstand, die 'Umwelt', definieren läßt, was deren 'Beeinträchtigungen' sind und was dementsprechend ihren Schutz ausmacht. Danach bestimmen sich schließlich auch die Grenzen des Politikfeldes und die Kategorien, an denen sich die Organisation umweltpolitischer Interessen orientiert. 2 Während eine halbwegs kon-

*

sens fähige ökologische Bestimmung von Umwelt noch gelingen mag, scheint die Einigung auf Umweltschutz schon schwieriger, da er das Abwenden von Beeinträchtigungen impliziert, die als solche oftmals grundsätzlich, fast immer aber in der für politische Entscheidungen relevanten Ausprägung umstritten sind. Die Aussichten auf eine bündige Definition von Umweltschutz stehen ebenso schlecht wie die, sich zu Beginn auf einen Ausschnitt der darauf sich beziehenden politischen Bemühungen begrenzen zu können. Da man weder ein ökologisch eindeutig konkretisierbares, noch ein politisch hinreichend breit akzeptiertes Verständnis von Umweltbeeinträchtigung oder -belastung und ihrer Folgen voraussetzen kann, läßt sich auch 'Umweltpolitik' zumindest nicht ohne weiteres bestimmen. Zu unterschiedlich sind die Ansätze, die divergierenden Wertstrukturen und die entsprechenden Zielkonzepte. Auch die Wissenschaft

v~rmag

nur bedingt zu einer Klärung beizutragen:

Nachdem sich fast jede wissenschaftliche Disziplin 'ihren' Zugang zur Umweltproblematik geschaffen hat, ist die Vielfalt der Erkenntnisinteressen, der theoretischen Fundierung, der Methoden groß, und sind die jeweiligen Ergebnisse kaum noch zu übersehen. Ausgrenzungen müssen deshalb schwerfallen. Sie vorzunehmen wird zusätzlich dadurch erschwert, daß die Umweltschutzprobleme in besonderer Weise quer zu den bisherigen

- 7 -

Kategorien und zur fachlichen Gliederung der Wissenschaft liegen und ebensowenig den Strukturen und Verlaufsformen einer administrativ-arbeitsteiligen, ressort geprägten Politikbearbeitung entsprechen. Es lassen sich weder die Verflechtungen von naturwissenschaftlich-technischen und soziologisch-philosophischen Kategorien der Beziehung des Menschen zu seiner natürlichen Umwelt aufzeigen, noch die unterschiedlichen ethisch-moralischen und politisch-theoretischen Posi. 3* s k'1ZZ1eren, . t10nen von d enen aus d as zu 1 etzt genannte Verhältnis beschrieben, erklärt und kritisiert wird. 4 Es läßt

*

sich hier auch nicht historisch-genetisch hinreichend genau nachzeichnen 5 *, auf welche Weise und mit welchen Implikationen der Schutz der Natur von einer randständigen, vorderhand administrativen Aufgabe zu einem zentralen Politikum sich entwickelt hat. Man wird sich

demz~folge

an dieser Stelle mit einigen Hervor-

hebungen begnügen müssen: Dabei geht es zunächst um die Akzentuierung von Umweltverständnis und -belastung und in der Folge um einige jener Besonderheiten des Verhältnisses von Umwelt und Politik, von denen anzunehmen ist, daß sich aus ihnen Folgen für die Artikulation und die Organisation von Umweltschutzinteressen ergeben. Der Verzicht auf Definitionen bringt insofern Probleme mit sich, als er eine empirische Annäherung an das Umweltthema erforderlich macht. Er verhindert dafür aber allzu frühe Ausblendungen bei der Erfassung umweltschützerischen Engagements. Der Begriff Umwelt hat in die Sprache von Politik und

Ve~wal­

tung noch nicht allzu lange Eingang gefunden. Das sich in ihm ausdrückende Wissen über, besser:

~

komplexe Beziehungsge-

flechte zwischen dem Menschen und seiner natürlichen Umwelt der Natur - wird vielfach dem Fortschritt der Wissenschaft zugerechnet, deren Beitrag zur Erklärung kybernetischer Prozesse im angesprochenen Beziehungsverhältnis auch nicht in

- 8 -

Zweifel zu ziehen ist. Darüber hinaus hat jedoch der zunehmend physisch und psychisch erfahrbar gewordene Problemdruck ebenfalls dazu beigetragen, die Sensibilität für solche Zusammenhänge zu vertiefen und die Bereitschaft zu deren Berücksichtigung zu verbreitern. Das ökologisch-kybernetische Modell faßt die Prozesse der Stoffkreisläufe in der Natur zusammen, auf die der Mensch über Produktions- und Konsumprozesse einwirkt: Rohstoffe werden entnommen, Wasser oder Luft werden in Anspruch genommen, Schadstoffe oder biophysikalische Störungen werden abgegeben und beeinflussen einzelne Ökosysteme (Teilkreisläufe) und die Gesamtheit der Ökosphäre, zu der neben der natürlichen Umwelt auch der Mensch selbst zu rechnen ist. 6 Angesichts der en detail in hohem Maß komple-

*

xen und noch weitgehend ungeklärten Prozesse des Zusammenwirkens der jeweiligen Teilsysteme darf man allerdings bezweifeln, daß die Implikationen eines Umweltsystem-Modells schon zur Grundlage umweltpolitischer Bemühung werden. Praktische Konzepte scheinen im Ergebnis bislang eher geprägt von dualistischen Vorstellungen einer Wechselbeziehung zwischen menschlich verursachtem Eingriff und dem Teilausschnitt der Natur, auf die dieser Eingriff primär zielt. Eine Immissionsschutzpolitik z.B., die im Endeffekt lediglich auf den unmittelbaren Gesundheitsschutz des Menschen begrenzt bleibt, berücksichtigt weder die indirekten Austauschprozesse und Schadenswege, noch die mittelbaren komplexen Folgen einer verarmenden Flora. 7

*

Legt man die vorgestellten Begrifflichkeiten zugrunde, ist damit die Beeinträchtigung der Umwelt allenfalls in abstrakter Weise zu beschreiben, als die Funktionsstörung von Stoffkreisläufen und die Veränderung biophysikalischer Zustände. Die natürliche Eigendynamik stellt jedoch die Definition von 'Gleichgewichtszuständen' in Frage; Natur befindet sich auch ohne menschlichen Eingriff in einer labilen Verfassung.

- 9 -

Da überdies jedes menschliche Tun den restlichen Teil der Ökosphäre in irgendeiner Weise 'beeinträchtigt', ist es zogen auf das Umweltsystem-Modell -

be-

eine graduelle Frage,

wann die Entnahme von Ressourcen und die Abgabe von Schadstoffen zum Zusammenbruch oder mindestens zu einer gravierenden Wesensänderung der ökosystemischen Abläufe führen. Trotz der kybernetisch-naturwissenschaftlichen Erkenntnisfortschritte ist es bislang nur in Teilbereichen gelungen, solche Schwellenwerte zu definieren. Bei welcher Menge an Phosphatzufuhr ein stehendes Gewässer einen eutrophen Zustand erreicht, gilt als relativ wenig umstritten. Bereits weitgehend unklar ist angesichts synergistischer Schadstoffwirkungen die Frage zu beantworten, um wieviel Tonnen pro Jahr der Ausstoß an Schwefeldioxid, Stickoxiden und Kohlenstoffverbindungen zu reduzieren ist,

um etwa das Ökosystem Wald vor der Vernich-

tung zu retten. Die Beteiligung der Luftverschmutzung an den Waldschäden wird zwar kaum mehr bestritten,

"Zu groß ist in-

zwischen die Zahl wissenschaftlich fundierter Teilbeweise, die für eine ursächliche Beteiligung der Schadstoffe an der Walderkrankung sprechen". Aber: "Offen und strittig ist nach wie vor die Frage nach dem Schadensanteil der Luftverschmutzung und der Bedeutung der einzelnen Schadstoffe".8* Auch ein deutlich erweitertes Wissen über Beeinträchtigungen von Teilsystemen muß schon deshalb unvollständig bleiben, da Teile meist nur idealiter aus dem gesamtsystemischen Zusammenhang herauszulösen sind. Ungewißheiten sind nicht völlig auszuschließen und erweitern die Bandbreite unterschiedlicher Interpretationen erheblich. Es lassen sich auch für offensichtlich stark beeinträchtigte Teile des Umweltsystems kaum eindeutige Interventionswerte ex ante und in einer Weise ermitteln, die eine Ableitung politischer Handlungserfordernisse ohne weiteres erlaubt. Für das gesamte System scheint dies zumindest in absehbarer Zeit, wenn nicht gar grundsätzlich, noch weniger möglich.

-

10 -

Die Prognosen von J. W. Forrester 9 * und die von D. J. Meadows 10 zu Beginn der 70er Jahre angestellten Modellrechnungen * basieren auf der sicher begründeten Annahme von Grenzen der ökosystemischen Belastung und zeichnen damit eine Entwicklung des globalen Umweltsystems vor, die im katastrophalen Eklat endet. Solche Grenzen der Systemfunktionalität verlaufen jedoch nicht statisch, lassen sich in der Regel nur ungefähr ermitteln und sind vom Systemverständnis abhängig. Darüber hinaus ist mit Hilfe digitaler Technologie zwar ein erstaunliches Maß an Komplexität abzubilden, die grundsätzlichen Schwächen von Modellen und auf sie gegründeter Prognosen bleiben jedoch erhalten: Es werden zwangsläufig solche Determinanten unzureichend berücksichtigt, die sich in ihren Auswirkungen kaum kalkulieren und schon gar nicht quantifizieren lassen oder auch völlig der antizipativen Wahrmehmung entzogen sind. In der Kritik an den Modellen des Meadows-Berichts zu den 'Grenzen des Wachstums' wurde insbesondere die unzureichende Berücksichtigung politisch-sozialer

Kri~erien

ge-

rügt und damit auf die Verschränkung der ökologischen Entwicklung mit der politischen Handlung hingewiesen. D. Senghaas formulierte damals die Kritik der Politikwisenschaft: Ihm scheinen solche ökologischen Modelle "nur wenig von jenen Informationen und Theoremen geprägt, die sich in heute schon vorliegenden Untersuchungen über die Struktur der internationalen Gesellschaft finden".II* Es wurde eine Auseinandersetzung damit gefordert, mit welchen politischen Strategien und Konzepten der globalen Katastrophe, die sich aus der Extrapolation ökologischer Entwicklungsdaten errechnete, entgegenzuwirken sei. Der zweite Bericht an den Club of Rome von M. Mesarovic und E. Pestel hat dann die Überlegungen zu politischen Handlungsalternativen l2 * stärker in den Mittelpunkt gerückt und damit eine Diskussion belebt, die sicher auch weiterhin zu führen ist. Festzuhalten bleibt, daß sich aus ökologisch-naturwissenschaftlichen und nicht zuletzt medizinischen Erkenntnissen um die 'Veränderung' von Ökosystemen und des Umweltsystems nur

- 11 -

bedingt funktionale oder vitale Toleranzgrenzen der von Menschen initiierten Beeinträchtigung ermitteln lassen; vielfach sind bereits die Kriterien solcher Grenzziehung umstritten oder nicht in Sicht. Die in diesem Zusammenhang gerne gebrauchte Formel von der Sicherung der menschlichen Lebensgrundlagen täuscht Genauigkeit lediglich vor oder greift - in minimalistischer Weise als die Sicherung der unmittelbaren Lebensvoraussetzungen, der Produktion einer 'ausreichenden' Menge an Nahrungsmitteln und der Verfügbarkeit von 'Mindestmengen' an Wasser und Luft verstanden - erheblich zu kurz. Trotzdem ist zunächst keine Alternative dazu in Sicht, die bei Fortschreibung der sichtbar gewordenen Entwicklungstendenzen des Umweltsystems zu erwartenden ökologischen Funktionsein- oder zusammenbrüche deutlich zu machen. Dabei sind die Grenzen der Umweltbeeinträchtigung bzw -belastung nicht unverrückbar und ergeben sich nicht nur aus der ökologischen Logik, sondern zu einem nicht geringen Teil aus der jeweiligen politischen Kultur. Somit wird sich Umweltpolitik lediglich an ökologischer Erkenntnis orientieren, sich aber nicht als deren Funktion begreifen können. Das entsprechende Wissen vertieft und verbreitert sich zusehends. Während auf der globalen Ebene mit der Studie 'Global 2000,13* eine relativ aktuelle, umfangreiche Datensammlung und eine Prognose der aufgrund erkennbarer Trends zu erwartenden Entwicklung vorliegt, ist ähnliches für die Bundesrepublik erst kürzlich begonnen worden. E.R. Koch und F. Vahrenholt haben 1983 eine weitreichende, gleichzeitig kreisge14 nau regionalisierte Sammlung von Belastungsdaten vorgelegt

*

und trotz schwer zu schließender Datenlücken eine Einschätzung der Umweltsituation in der Bundesrepublik gewagt. Seit Ende 1984 wird dieser 'Umwelt-Atlas' ergänzt durch eine amtlich erstellte übergreifende Datensammlung zur Umweltsituation in der gesamten Republik. 15 Da es jedoch an geeigneten

*

Auswahlkriterien fehlt,

verbietet es sich hier, aus der Viel-

-

12 -

falt dieser und anderer Umweltdaten eine Beschreibung der Umweltsituation in der Bundesrepublik kondensieren zu wollen. Statt dessen soll die Betonung einiger eher grundlegender und globaler ökologischer Aspekte sowie die Illustrierung der Entwicklung von Umweltbeeinträchtigung eine Vorstellung davon geben, auf was sich Umweltpolitik bezieht. Zusammen mit exponentiellem Wirtschaftswachstum, der mehrfachen Revolutionierung und Ausweitung industrieller Produktion wird in besonderer Weise der ebenfalls exponentielle Anstieg der Weltbevölkerung zu den Grunddeterminanten der gegenwärtigen Umweltprobleme und der erwarteten krisenhaften Entwicklung des Umweltsystems gerechnet. Die Zahl der Menschen hat sich innerhalb der letzten 2000 Jahre um etwa das 18-fache vergrößert und allein in den letzten 180 Jahren um mehr als das Vier fache zugenommen. 1980 lebten etwa 4,5 Milliarden Menschen auf der Erde, im Jahre 2000 werden es hafter Verlan g samun 6,3 Millarden sein.

y6 des Wachstums prozesses * Es scheint nur wenig

trotz zag-

- voraussichtlich trostreich, daß

sich der Zuwachs auf Entwicklungs- und Schwellenländer konzentriert: Bevor dort das legitime Bestreben nach Verminderung des Prosperitätsgefälles eine Ausdehnung industrieller Produktion nach sich zieht, bringt vielfach schon die Befriedigung der Grundbedürfnisse, insbesondere die Produktion einer ausreichenden Menge an Nahrungsmittel Probleme mit sich. Die Art und Weise einer akzelerierten Intensivierung der Landwirtschaft stellt eine ähnliche Entwicklung der Bodenschädigung in Aussicht, wie dies in Industrieländern schon heute erkennbar wird. Die oft unkontrollierte und unzureichend angeleitete Anwendung von Herbiziden und anderen Bioziden begründet nicht nur Schäden vor Ort, sondern entfaltet z.B. über den Export von Nahrungsmitteln weitreichende Wirkung. Mit der Produktion solcher Chemikalien sind die Risiken der chemischen Industrie zudem längst auch in die Entwicklungsländer verlagert, werden neben verheerenden, aber lokal

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begrenzten Schadensfällen - z.B. der in der indischen Stadt Bhopal im Jahre 1984 - auch Auswirkungen sichtbar, die das gesamte Umweltsystem betreffen. Ein weiterer, global-naturgesetzlicher Aspekt wird gerne mit der Formel von der Endlichkeit der Ressourcen umschrieben und stellt sich, genauer betrachtet, als die erhebliche Beschleunigung jener Prozesse dar, mit denen nutzbare Energie und Materie ständig geringer werden. Beide bleiben zwar grundsätzlich erhalten, entscheidend aber ist es, in welcher Form sie existieren. Bei jedem Prozeß der Energieumwandlung geht der größere Anteil deswegen verloren, weil seine erneute Aktivierung eine größere Menge Energie erforderlich macht, als dabei zUl~ewinnen

se

*

ist. Mit der Akzeleration entropischer Prozes-

verringern sich somit die verfügbaren Energiepotentiale

in einer Weise, die, ungeachtet einer nicht vollständigen Gesamtbilanz, zusammen mit einem insgesamt erheblich ansteigen18 den Bedarf an Energie beachtlich wird. * Ob sich die Nutzung von solcher Energie, die dem Umweltsystem von außen zugeführt wird, intensivieren läßt, scheint zweifelhaft. Aufgrund der erkennbaren massiven Veränderung des Umweltsystems bestehen darüber hinaus auch kaum Chancen, die negative Bilanz der Regeneration von genetischen und energetischen Potentialen durch den biologischen Transformationsprozeß externer Energie jemals wieder ausgleichen zu können. Dies verweist auf eine Tendenz, die auch für den Einzelnen 19 zunehmend erfahrbar wird: Unter "Verarmung der Biosphäre"

*

wird der Verlust an Tier- und Pflanzenarten zusammengefaßt, der für bestimmte Artengruppen in der gleichen exponentiellen Weise verläuft, wie es andererseits für das Wachstum von öko20 logischen Risikofaktoren festzustellen ist. Der sich be-

*

schleunigende Artenschwund läßt sich an Beispielen konkretisieren und regionalisieren: J. Bölsche reportiert, daß z.B. die Zahl der Graureiher-Brutpaare in Baden-Württemberg von

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etwa 800 im Jahre 1950 auf etwas über 200 im Jahre 1975 zurückgegangen ist. Ebenso hat sich der Bestand an Wanderfalken in der gesamten Bundesrepublik von etwa 300 im Jahre 1955 auf 21 ca. 40 im Jahre 1973 reduziert. * Durch die Verknappung von naturnaher Landschaft, durch ihre Überbauung, Ausräumung und Versiegelung vermindert sich biologische Vielfalt derart, daß gegenwärtig mehr als die Hälfte aller Wirbeltierarten in der Bundesrepublik vom Austerben bedroht sind; bei den Fischen und den Kriechtieren liegt der existenzbedrohte Anteil schon 22 bei rund Dreiviertel aller Arten. Die Hauptschuld an dem

*

Artenschwund ist zwar der Landwirtschaft zuzumessen, aber: "Die starken Anteile der anderen Verursacher weisen die Artendezimierung als durchgängige Folge der derzeitigen Wirt23 schaftsweisen aus." * Die Beispiele lassen sich nahezu beliebig vermehren und auf den Pflanzenbestand ausdehnen. Schließlich, und dies sei besonders betont, mehren sich die Fälle des drohenden oder bereits erfolgten drastischen Funktionsverlusts bzw. Zusammenbruchs einzelner Ökosysteme, die zwar nicht immer in eindeutigen Kausalketten auf menschliche, sprich industrielle Einwirkungen zurückgeführt werden können, deren grundsätzliche Verursachung durch solche Einwirkungen aber nicht ernsthaft bestritten wird. Die Palette reicht von der Übersauerung skandinavischer Seen, über den biologischen Tod von Flüssen, die Gefährdung tropischer Regenwälder bis hin zu dem sich anbahnenden Exitus des Waldes in Mitteleuropa. Nicht immer liegen die Ursachen so deutlich auf der Hand wie z.B. bei der Dezimierung des afrikanischen Regenwaldes, von dem in den letzten hundert Jahren von 700 Tsd. Quadratkilometer 510 Tsd. abgeholzt oder durch Brandrodung ver24 nichtet wurden. Sehr viel komplexer sind die Ursachen für

*

die Waldschäden in der Bundesrepublik, sehr deutlich aber auch hier die Auswirkungen: Nach den amtlichen Erhebungen für 1984 sind bereits 50,2 % der gesamten Waldfläche {3,7 Mill.

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ha) meist erheblich geschädigt und vom Absterben bedroht.

25

*

In einzelnen Bundesländern liegt der Schadensanteil noch deutlich höher (Baden-Württemberg: 66 %, Bayern 57 %), erreicht bei einzelnen Baumarten Werte, die schon jetzt den Artentod bedeuten (Tanne: 87%. Auch bei den als widerstandsfähig geltenden Laubholzarten ist inzwischen ein gravierender Teil geschädigt (Eiche: 43 %). Auch in den USA greift das Waldsterben Raum: Schäden werden gemeldet aus Virginia, Alabama, Ohio, Indiana und Colorado. Der Absterbeanteil umfaßt bei der Fichte in einzelnen Regionen bereits 75 % des Bestan26 des. * Inzwischen wird die Beeinträchtigung eines Teiles der Ökosphäre sichtbar, der erst seit kurzer Zeit Eingang in die medial gerasterte Aufmerksamkeit bundesdeutscher Umweltpolitik gefunden hat. Mit der Übersäuerung, der Überdüngung, der Schwermetallbelastung durch Klärschlammaufbringung, der Störung mikrobieller Prozesse durch Pflanzenschutzmittel weist der Boden inzwischen Schäden auf, die in ihren Folgen noch nicht hinreichend zu übersehen sind. Erste Ertragsminderungen in der Landwirtschaft werden erst seit kurzem festgestellt, 27 * die bodenverursachte Cadmiumbelastung von Lebensmitteln dagegen schon länger.

28

*

Die eher allgemeinen ökologischen Aspekte, die ständige Ergänzung des Bestandes an Erkenntnissen einer mittlerweile umfangreichen Umweltforschung oder die in rascher Folge virulent werdenden Einzelschäden unterstreichen den Umweltschutz als dringliche Aufgabe. In concreto beherrschen jedoch die praktisch-politischen Probleme unterschiedlicher Interessenlagen das Bild und gewinnen auch deshalb noch an Bedeutung, da die Illusion, man könne politische Entscheidung quasi durch ein Mehr an ökologischer Erkenntnis ersetzen, noch nicht wirklich ausgeräumt ist oder zumindest der entsprechende Anschein erweckt wird. "Wie viele Schmetterlinge braucht der Mensch?" fragt J. Bölsche und zielt mit dieser einfachen Frage letztlich auf die grundsätzlichen Probleme ökologisch

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nicht zu entscheidender Interessenkonflikte zwischen Umweltnutzung und Umweltschutz. Die gestellte Frage läßt sich beliebig verkomplizieren: Unter welchen artenstrukturellen Bedingungen ist die ökotopische Funktionsfähigkeit einer lokal begrenzten Lebensgemeinschaft von Tieren und Pflanzen so gewährleistet oder wiederherzustellen, daß ihre noch zu definierende Funktion im Gesamtsystem erhalten bleibt? Die Ungewißheit, ob, unter welchen Prämissen und mit welchen Einschränkungen die hier gestellten und ähnliche Fragen mit Hilfe der Ökologie überhaupt zu beantworten sind, kann nicht ohne Auswirkungen auf die Berücksichtigung umweltschützerischer Interessen bleiben. Dem Umweltschutz, hier den organisierten Umweltschützern, wird deshalb im Ergebnis nur wenig Erfolg attestiert: "Mit Ratlosigkeit reagieren die Verbände auf die womöglich größte Vernichtung biologischer Vielfalt seit dem Saurier sterben vor 65 Mio. Jahren. Die Hälfte aller Tier- und ein Drittel aller Planzenarten werden voraussichtlich bis zum Jahr 2000 ausge29 storben sein".

*

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17 -

1.1.2 Umwelt und Politik Der analytischen Gegenüberstellung von 'Mensch' und 'Natur' wird mitunter entgegengehalten, daß sie unpolitisch sei und den Anschein erwecke, es ließen sich aus dem entsprechenden kybernetischen Modell ökologische Problemlagen 'schlicht' naturwissenschaftlich ermitteln und von sozio-ökonomischen Problemen trennen. Insbesondere die linke Kritik setzt hier an und beurteilt überwiegend den gesamten, ökologisch angeleiteten umweltpolitischen Ansatz deswegen als verfehlt, da er von der grundsätzlichen gesellschaftlichen Systemkrise lediglich ablenke. V. Ronge faßt die Antwort auf die Frage nach den unzureichenden Konsequenzen aus dem seinerzeit von den Berichten an den Club of Rome prognostizierten ökologischen Kollaps mit einem Zitat zusammen: "In der Tat, wenn man noch nicht einmal bis zur Frage nach der Gesellschaftsordnung vordringt, wenn man sich auf die Position begibt, sei mit 'der Natur'

'der Mensch'

in Konflikt geraten, kann man dann sehr

weit über aufklärerische Appelle an 'den Menschen', an seine Einsicht in die Notwendigkeit des 'Gleichgewichtszustandes' (Meadows), an sein 'Weltbewußtsein' und seine 'Konsum-Ethik' (Tinbergen) hinauskommen? Und kann man sich von derart ab.. 30 strakten Appellen eine durchgreifende Anderung erhoffen?" * Man vermag der in dieser Frage anklingenden Skepsis gegenüber ökologischen Sichtweisen durchaus beizutreten, sind doch unterschiedliche Prämissen der Kritik und unterschiedliche Konsequenzen denkbar. Noch in der Anfangsphase der umweltpolitischen Diskussion in der Bundesrepublik, 1972, pointiert V. Ronge die kritische Einschätzung eines systemimmanenten Umweltschutzes, der,

lediglich als gestörtes Verhältnis von

Mensch und Natur thematisiert, zu einem unpolitischen Issue werde: "Die Strategie der Individualisierung des Umweltschutzes -

jeder sein eigener Umweltschützer, Umweltbewußtsein,

Umweltverantwortung,

Umwelterziehu~~,

vollzieht diese Entpolitisierung".

*

Umweltkriminalität -

-

18 -

Da sich 'Umwelt' in Wahrheit als sozio-politisches Problem darstelle, müsse man es in die Reihe der übrigen Systemprobleme einordnen. Ronge grenzt dabei die planwirtschaftlichen Systeme aus der Betrachtung mit dem Argument aus, daß die in solchen Systemen ebenfalls und zum Teil noch heftiger virulent werdenden Umweltprobleme "nicht notwendig zugunsten von Erklärungen allgemeiner, systemübergreifender Art, wie Technik, Industrialisierung usw." sprechen. Spätestens seit dem Ende der vorneolithischen Phase der anthropologischen Evolution wird jedoch unter höchst unterschiedlichen politischen Voraussetzungen in natürliche Strukturen und Prozesse eingegriffen, wird Natur verändert oder werden natürliche Veränderungsprozesse verhindert. Niemand wird weiterhin ernsthaft bezweifeln wollen, daß die Entwicklung der gegenwärtigen Umweltmalaise in engem Zusammenhang steht mit jener der industriellen Produktion. Demzufolge sind nicht nur kapitalistische Systeme, sondern Industriegesellschaften jedweder politischer Prägung besonders betroffen; es verbietet sich also, Umweltprobleme lediglich auf eine besondere Ausprägung der kapitalistischen Systemkrise reduzieren oder umdefinieren zu wollen. Die daraus sich ableitende Aufassung, daß umweltpolitische Fortschritte nur über die Veränderung des kapitalistischen Systems zu erzielen sind, mag demnach für sich stehen; die Auseinandersetzung mit ihr gehört nicht an diese Stelle. Wenn hier dennoch auf die unter dem Eindruck des Meadows-Berichts entstandene Kritik an den Defiziten einer ökologischnaturwissenschaftlich determinierten Umweltpolitik zurückgegriffen wird, dann vor allem deswegen,

wei~

sich daran zwei

nahezu gegenläufige umweltpolitische Tendenzen aufzeigen lassen: Zum einen ist die Individualisierung des Umweltschutzes zumindest nicht in der Art eingetreten, wie sie befürchtet wurde. Zum anderen ist die Ökologie dem Umweltschutz insofern zum Problem geworden, als die nicht hinreichend geklärten bzw strittigen ökologischen Wirkungs- und Kausalzusammenhängen seine nachrangige Berücksichtigung im Interessenkonflikt eher verfestigen.

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19 -

Daß verbreitertes Wissen über Funktionsabläufe und Funktionsstörungen des Umweltsystems die politische Zielsetzung und Entscheidungsfindung nicht zu ersetzen und auch nicht eo ipso zu erleichtern vermag, wurde noch Mitte der siebziger Jahre von der Politikwissenschaft besonders hervorgehoben: Man müsse sich vor der Annahme hüten, daß eine "ökologisch valide, politisch-ethische Ideologie" den "Konsens über ökologische Ziele, den politischen Zielfindungsprozeß gleichsam ersetzen"32* und die Umweltpolitik auf technische Problemlösungen reduzieren könne.

Immerhin erscheint heute der ökologische

Erkenntnisfortschritt neben anderen, schwer einschätzbaren Faktoren -

wie z.B. die zeitweise sich intensivierende und in

Protest sich äußernde Furcht vor schwer abschätzbaren bzw katastrophalen Versagensfolgen industrieller Großtechnologie als eine zentrale Voraussetzung für die Entwicklung der Umweltpolitik. Die befürchtete Entpolitisierung des Umweltschutzes ist nicht eingetreten. Im Gegenteil, trotz eines umweltschützerischen Konzepts, das in beachtlichem Ausmaß auch auf die nur wenig erfolgversprechende Beeinflussung des individuellen Verhaltens zielt, hat sich insgesamt eine deutliche Politisierung eingestellt. Der Zeitpunkt, ab dem sich in der Bundesrepublik Umwelt und ihr Schutz einer nennenswerten politischen Aufmerksamkeit erfreuen, wird vielfach zu Beginn der 70er Jahre ausgemacht; er liegt nach dem der Installierung der sozialliberalen Koalition im Jahre 1969 und insbesondere nach der Verabschiedung des Umweltprogramms der Bundesregierung im Jahre 1971. 33 * In zunehmendem Maße wurden Umweltprobleme zum Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzung, versuchen Verbände und Bürgerinitiativen Umweltschutzinteressen wahrzunehmen. Die in Umweltpolitik sich spiegelnden Interessengegensätze werden deutlich erkennbar, insbesondere vor dem Hintergrund der Bemühungen des politisch-administrativen Systems um Regulierung. 34* Regulierungsbedarf wurde zwar nicht erst jetzt erkannt, aber

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doch aufgrund der veränderten Situation wesentlich weiter gefaßt;

man schuf die Grundlage für einen eigenen Regelungsbe-

reich - mit allerdings vielfach unklaren Abgrenzungen. Einzelne Aspekte des Umweltschutzes, etwa die Gewässerreinhaltung oder der Immissionsschutz, haben eine freilich viel längere Geschichte der politisch-administrativen Bearbeitung. 35 * Bereits die Preußische Gewerbeordnung bot eine, wenn auch nur wenig wirksame Handhabe zum Schutz vor Staub- und Ruß36 emissionen. * Mit den nachhaltigen Auswirkungen der frühen Industrialisierung, der Ausweitung des Kohlebergbaues und der Schwerindustrie etwa, oder dem zur damaligen Zeit in einzelnen Regionen dramatisch verlaufenen Prozeß der Urbanisierung gewann außerdem der Naturschutz, die Bemühungen zu Erhaltung und Bewahrung von Naturausschnitten, an Bedeutung. Dort läßt sich erstmals auch eine bescheidene gesellschaftliche Beteiligung ausmachen. Insgesamt war der Umweltschutz aber bis in die zweite Hälfte der 60er Jahre 'blauem Himmel über der Ruhr' technisch verstandene,

trotz der Forderung nach

von 1961 -

eine weitgehend

administrative Aufgabe geblieben.

Der politische Bedeutungsgewinn des Umweltschutzes in den letzten eineinhalb Jahrzehnten hat vor allem

zwei Dimensi-

onen: Erstens hat das Thema in der öffentlichen Diskussion Karriere gemacht, war auch in seinen Teilen -

so z.B. die

Kernenergie - Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen. Zweitens wurde mit der programmatischen Fassung bundesdeutscher Umweltpolitik eine umfangreiche Regelungsaktivität eingeleitet. Weder die Parteien noch die gesellschaftlichen Großgruppen versäumten es in der

Fol~~,

des Umweltthemas anzunehmen.

*

sich zumindest programmatisch Die Auseinandersetzungen um

die Transformation politischer Programmatik in gesetzliche Programmierung, noch mehr die um konkrete Implementation, blieben dagegen lange Zeit eher von gesellschaftlichen Kleingruppen -

etwa den Bürgerinitiativen -

geprägt.

- 21 -

Sogenannte primäre Interessen erwiesen sich in der jeweiligen Konflikt- und Entscheidungssituation nach wie vor als vorrangig vertreten bzw wirksamer organisiert. Damit wurde zwar nicht eine umfangreiche - allerdings nur bedingt implemen38 Gesetzgebung verhindert gewiß aber das Ergebnis

tierte -

*

von Umweltpolitik entscheidend beeinflußt: Vieles deutet darauf hin,

daß große ökosystemische Schäden nicht abzuwenden

sind, trotz der deutlichen Politisierung und obgleich der Umweltschutz mittlerweile auf den vordersten Plätzen der als wichtig erachteten politischen Themen- und Aufgabenliste 39 rangiert. * Ungeachtet des Umstandes, daß Umweltschutz in ausgeprägter Weise zum Gegenstand gesellschaftlicher Diskussion und Auseinandersetzung geworden ist, scheint die Umweltpolitik immer wieder in vorgeschobenen oder tatsächlichen ökologischen Unklarheiten und dem damit verbundenen Expertenstreit stecken zu bleiben. Je mehr es dabei gelingt, die politischen Entscheidungserfordernisse entsprechend dem jeweils herrschenden Entscheidungsdruck zu verlagern und sie zum Problem des Standes naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinns zu machen, desto deutlicher tritt die eher gegenläufige Tendenz zutage: Eine Entpolitisierung, im Sinne partieller Blockade von Umweltpolitik. Dies trifft insbesondere dort zu, wo man mit großer Wahrscheinlichkeit Beeinträchtigungsursachen ausmachen kann, eindeutige Beweise einer kausalen Abfolge aber noch ausstehen. Ein vielfach 'expertokratisch' betriebener Umweltschutz zeitigt dann auch Folgen für die Organisation entsprechender Interessen und zwingt jene nicht selten zwischen die Stühle. Den Vorsprung, welchen die wirksam organisierbaren und organisierten Interessen auf grund der Verfügbarkeit von Ressourcen und Sachverstand innehaben, werden Umweltverbände vermutlich nur schwer aufholen können. Ein deutliches Überholen wäre zudem wohl erst die Voraussetzung, um auf dieser Ebene wirksam zu werden. Im Zuge von Willensbildungs- und

22 -

Entscheidungsprozessen geraten ökologische Erkenntnisse als Grundlage von Umweltpolitik schon deshalb mit in die Auseinandersetzung, weil sich aus ihnen unterschiedliche Konsequenzen ziehen lassen und sich die Notwendigkeit politischer Intervention oft erst aus deren prognostischer Verlängerung verdeutlichen läßt. Dies erfordert die Fähigkeit zur Ergänzung solcher Erkenntnisse, zumindest aber den Sachverstand zu deren Beurteilung. Das Bestreben, entsprechende Defizite durch vermehrten politischen Druck zumindest annähernd ausgleichen zu wollen, muß sich daher einer Enpolitisierung entgegenrichten, ohne dabei die Grenzen verbandlichen Agierens zu verlassen und ohne die Expertenebene auszublenden. Auch davon wird es abhängen, in welchem Ausmaß und auf welche Weise sich umweltschützerisches Interesse innerhalb eines vergleichsweise eng gezogenen Rahmens gegebener Politikformulierungsmuster und Implementationsstrukturen zu artikulieren und zu organisieren vermag.

- 23 -

1.2

Verbändesystem und Umweltpolitik

1.2.1 Umweltinteressen im politischen Prozeß

In einem Bereich diesseits von politisch-administrativen Regelungsbemühungen und konkreten Entscheidungserfordernissen, läßt sich vielfach Konsens ausmachen über die Notwendigkeit der Erhaltung der natürlichen Umwelt. Man darf hier eine breite Zustimmung zu den nicht näher konkretisierten Bemühungen zur Bewahrung der als natürlich empfundenen Gestalt von Kulturlandschaft, zu den unabweisbaren Forderungen nach sauberer Luft, trinkbarem Wasser und schadstoffarmer Nahrung durchaus voraussetzen. Die Ergebnisse von entsprechenden Befragungen dokumentieren solche Einstellungen, belegen damit aber vielfach zunächst nur die positive Besetzung des Themas l *. Viel weniger dürfte sich darin eine grundsätzlich veränderte 'postmaterialistische' Werthaltung spiegeln. Die sozio-politischen Folgen der in den letzten 12 bis 14 Jahren beobachteten Wandlungs prozesse in der Einstellungsstruktur bedürfen in dieser Hinsicht sicher der weiteren Diskussion. Es bleibt jedoch eine zunächst breite Akzeptanz von Umweltschutz und seine mehrheitliche Einordnung als dringliche politische Aufgabe. 2

*

Die Dinge liegen bereits deutlich anders, wenn es darum geht, die Umweltprobleme auf ihre ökonomische, politische und soziale Determination zu beziehen: Es finden diejenigen nur mehr vereinzelt Zustimmung, welche die ökologischen Folgewirkungen des weiteren ökonomischen Wachstums betonen und allenfalls noch einen qualitativen Zuwachs - was immer das auch letztlich ist - akzeptieren wollen. Auch aufgrund der damit verbundenen Auswirkungen auf die Prosperitätsentwicklung finden Appelle an Vernunft und Einsicht kaum mehr den erforderlichen Widerhall.

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Sogar ausgesprochen schwierig wird es dann, wenn sich die genannte,

dem Gedanken von Erhaltung und Schutz der Umwelt ge-

wogene Gesinnung,

jene -

im Wortsinne -

gemeinwohlorientierte

gesellschaftliche Werthaltung, politisch konkretisiert, wenn sie sich in politisch-administrativem Handeln Ausdruck verleiht, sich damit auch zu anderen,

spezifischen und vielfach 3 * ins Verhältnis

an bestimmte Gruppen gebundene Interessen

setzt und zu einem Teil des politischen Prozesses wird. Dort stößt das Umweltschutzinteresse nicht nur auf das ihm entgegengerichtete Streben derer, die darin von vorneherein lediglich eine unliebsame Störung des ökonomischen Ablaufs erblicken und ihm daher eher ablehnend begegnen. Umweltschutz trifft jetzt außerdem auf den Widerstand von denen, ihm anfänglich zwar gewogen zeigen,

die sich

ihm aber dann entgegen-

treten, wenn er konkret mit den sogenannten primären Interessen der Arbeitsplatzsicherung und der Kapitalverwertung zu konkurrieren hat. Spätestens mit der auf Regelung und Entscheidung zielenden Bearbeitung des zunächst nahezu ubiquitären Interesses wird die Auseinandersetzung um Art und Ausmaß tatsächlicher oder zu erwartender Beeinträchtigungen der Umwelt, um die Notwendigkeit, insbesondere aber um die Adäquanz von Maßnahmen zur Schadensminderung, -beseitigung oder zur Prävention unumgänglich. Dabei verlaufen die Fronten nicht immer eindeutig entlang der Linien, die durch die Programmatik der Parteien und durch das System organisierter Interessen fest abgesteckt scheinen. Wenn etwa Umweltschützer durch die Blockade von Verladeanlagen und Spezialschiffen die öffentliche Aufmerksamkeit auf die für die Meeresfauna und -flora bedrohlichen Folgen der fortgesetzten Verklappung des chemischen Abfallproduktes Dünnsäure lenken, geraten damit zwar zunächst die als dem Umweltschutz entgegengerichtet angesehenen Interessen des Kapitals ins Blickfeld. Es sind aber außerdem die auf Arbeitsplatzerhaltung gerichteten Belange der Belegschaft, des

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Betriebsrates und im Zweifelsfall auch die der entsprechenden Einzelgewerkschaft, welche mit dem konkret gewordenen Umweltschutzanliegen konfligieren. Zur gleichen Zeit verbündet sich eine andere Einzelgewerkschaft mit Umweltverbänden und Bürgerinitiativen gegen den Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals, allem mit der Absicht,

vor

die vom Kanalbau bedrohten Arbeits-

plätze der Bundesbahn zu retten. Mit gen au dem gleichen Argument der Arbeitsplatzsicherung schlägt sich die nächste EinzeIgewerkschaft für die Inbetriebnahme des ohne Entschwefelungsanlage errichteten Kohle-Kraftwerkes Buschhaus in Niedersachsen und gegen die massiven Einwände der Umweltschützer in Parteien und Verbänden. Eine Unterschriftensammlung der Gewerkschaft, mit der sich wohl auch die Ausübung von zumindest sozialem Druck verbunden hat- Betroffene berichten auch von wirtschaftlichen Repressalien essengegensätzen.

4

*

zeugt von massiven Inter-

Vielfach unterschiedliche Positionen und

Auseinandersetzungen kennzeichnen auch die Situation zumindest innerhalb der etablierten Parteien. Verwerfungen treten besonders dann deutlich hervor, wenn konkreter Entscheidungsbedarf besteht. Dabei überlagern sich vor allem innerhalb der beiden großen Volksparteien programmatisch-klientelbezogene Prioritätensetzung mit den Auffassungen die sich aus örtlicher Betroffenheit und konkretem politischen Druck ergeben. Solche Dissonanzen werden praktisch etwa daran erkennbar,

daß

sich der Ministerpräsident eines waldreichen Flächenlandes stärker, als es der Auffassung von großen Teilen seiner Partei und der von ihr getragenen Bundesregierung entspricht, für eine Verschärfung der Immissionsreglementierung einsetzt. In der Auseinandersetzung um Umweltpolitik, die sich vielfach quer durch Parteien und Verbände vollzieht,

richtet sich die

Verteilung der politischen Gewichte nach der Artikulationsfähigkeit, mehr aber noch nach der Durchsetzungsfähigkeit des umweltschützerischen Interesses gegenüber dem ökonomischen, gegenüber dem von Kapital und Arbeit. Über die verbreitete

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26 -

- weil 'vernünftige' und politisch billige - positive Umweltgesinnung, gewinnt damit diejenige Frage an Bedeutung, welche den Ausgangspunkt der vorliegende Arbeit verdeutlicht: In welchem Ausmaß trifft man auf umweltbezogenes Engagement, wie organisiert es sich und vor allem, wie setzt es sich ins Verhältnis zum Verbändesystem? Der erste Teil der Frage wurde bisher eher auf neuere Formen der politischen Beteiligung bezogen, insbesondere auf die Bürgerinitiativen, aber auch auf den Teil der Ökologiebewegung, der sich als Partei konsolidiert, somit auf den wohl größeren Teil dessen, was vielfach als Umweltschutzbewegung ausgemacht wird. Die sich in eher traditionellen Formen vollziehende Interessenvermittlung wurde in diesem Zusammenhang wohl auch deswegen kaum beachtet, da der Umweltschutz zunächst eher außerhalb des Verbändesystems an politischer Bedeutung gewann. Dementsprechend gibt auch die Verbändeforschung nur wenig Auskunft über den verbandIich organisierten Umweltschutz, über diejenigen Verbände, die 'nur' Umweltschutzinteressen organisieren oder über solche, die sich zumindest umweltschutzinteressiert zeigen. In den vorliegenden Analysen und Beschreibungen der Struktur des Verbändesystems stößt man auf 5 die Kategorie der 'Umweltverbände' nicht *; darauf ist noch zurückzukommen. Lediglich auf Koalitionen wird gelegentlich hingewiesen, die umweltinteressierte Bürgerinitiativen hin und wieder mit Interessengruppen, sprich: mit Verbänden und Vereinen, eingehen, etwa "mit bestehenden Sport-, Tierschutz-, Heimatvereinen oder religiösen und weltanschaulichen Förderverbänden".

6

*

Letztere gehören zu dem Teil des Ver-

bände- und Vereinigungssystems, der -

sieht man von den

Sportvereinen einmal ab - von der Forschung bislang überwiegend nur randständig beachtet wurde. Die hier aufgeworfene Frage, in welchem Umfang und auf welche Weise Umweltschutzinteresse seine Entsprechung in dem durch

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Großverbände von Kapital und Arbeit dominierten Verbändesystem findet, verweist auf die Formen politischer Willensbildung durch verbandliche Interessenvermittlung. Dabei geht es zunächst und vor allem um zwei Aspekte, die zur Konkretisierung der Fragestellung beitragen und näher zu betrachten sind: Erstens ist es die Schwierigkeit, auf welche verbandliche Organisation solcher Interessen stößt, die nicht ausschließlich oder zumindest nicht ganz überwiegend einer sozialen Gruppe zuzuordnen sind, eher die Gesamtheit der Gesellschaft betreffen und dabei als nur schwer organisierbar gelten und sich kaum gegenüber anderen, spezifischen Interessen als durchsetzbar erweisen. Die Pluralismusdiskussion thematisiert dazu die Fragen nach den Restriktionen und Bedingungen von verbandlicher Vertretung allgemeiner Interessen, nach den Konsequenzen, die sich daraus für die Gemeinwohlidee ergeben und solche, wie sich letztere auf die Definition der Rolle des 'Staates' bzw des politischen Systems im engeren Sinne auswirken. In dem Bemühen, einiges von dem aufzuzeigen, was die bisherige Diskussion um die Restriktionen verbandlicher Vermittlung allgemeiner Interessen und um die politische Dominanz mächtig organisierter 'Partikularinteressen' ergeben hat, begibt man sich in das Spannungsfeld von Gemeinwohlidee, verbandlicher Interessenvermittlung und 'Staat' -

im jeweils

unterschiedlichen Verständnis. Durch die Diskussion um normative Akzeptanz und analytische Leistungskraft des pluralistischen Theorieentwurfs hat dieses Feld an Konturen gewonnen. Pluralismus ist allerdings weit seltener in seinem Kern Gegenstand der Auseinandersetzung, als es durch selektive und globalisierende Verkürzung des normativen Konzepts, aber auch durch seine Überdehnung den Anschein haben mag. Die unter dem Signet des Neo-Korporatismus firmierenden neueren Beiträge zur Bestimmung der Rolle des Verbändesystems haben dementsprechend auch den Widerspruch derjenigen hervorgerufen,

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welche sich durch die dort vermutete Entwicklung 'vom Pluralismus zum Korporatismus' herausgefordert sehen. Der teilweise etwas unbedachte Reflex auf diese sicher zu weitgreifende Vermutung hält den Pluralismus auch dort hoch, wo er, bezogen auf das Verhältnis des Verbändesystems zum politischen System, seinen Wert als Erklärungsmodell durch die vorzufindenden Selektivitäten der Interessenberücksichtigung einerseits, und durch die mit korporativen Politikformen betriebene Legitimationsverbreiterung und Erweiterung staaatlicher Steue7 rungskapazität andererseits, weitgehend eingebüßt hat. Dies

*

kann man unbeschadet dessen festhalten, daß Pluralismus in seinem Kernbestand sicher eher als Grundwert demokratischer Staatsorganisation, denn als disponibler Theorieentwurf zu gelten hat. Auch setzt die Kritik meistens dort an, wo es darum geht, die Diskrepanzen zwischen dem Modell und der sozialen und politischen Realität sichtbar zu machen. In der Konsequenz werden die Schwächen nur selten dahingehend gewendet, das gesamte Konzept als staatszersetzend oder als nur den grundlegenden Antagonismus zwischen Kapital und Arbeit verschleiernd zu verwerfen. Zweitens ist es die Frage nach der Reagibilität und der Flexibilität des bestehenden Verbändesystems: Sie stellt sich insbesondere dann, wenn sich Veränderungen in der politischen Problemstruktur vollziehen: Inwieweit erweist sich das Verbändesystem vor dem Hintergrund der umweltpolitischen Ent8 *, _mithin der

wicklung, der 'partizipatorischen Revolution'

Herausbildung neuer Beteiligungsformen, als wandlungsfähig? Angesichts einer offensichtlich gewachsenen Bereitschaft, Umweltinteresse auch in Engagement umzusetzen, erhebt sich die Frage, ob sich dieses Engagement in organisierte Interessenvermittlung einbringt und sich damit für Umweltschutzinteressen der Zugang zum politisch-administrativen Regelungsbereich stabilisiert.

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Mit dem Paradigma verbandlicher Interessenvermittlung und politischer Willensbildung sind zumindest implizit auch alle diejenigen Probleme angesprochen, die hier deshalb nicht, oder nur im nebenhinein zu erörtern sind, weil sie vielfach erst bei mächtig organisierten Verbänden an Bedeutung gewinnen, bei der Analyse von Umweltverbänden und -vereinen aber eher von untergeordneter Bedeutung sind. Es stehen z.B. die Probleme der verbandsinternen Entscheidungsfindung, mithin die vielfach herausgearbeiteten Defizite innerverbandlicher Demokratie und der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf der Elitenherrschaft schon deshalb nicht unbedingt im Mittelpunkt der vorliegenden Analyse, da sie insbesondere dann relevant werden, wenn man es mit solchen mitgliederstarken Verbänden zu tun hat, die sich differenziert organisieren und durch den Einfluß auf ihre Mitglieder ökonomische und politische Daten zu setzen in der Lage sind. Mitgliederinteressen können sich dort nicht direkt, sondern nur vermittelt Geltung verschaffen, Funktionärsinteressen bilden sich heraus und bedürfen der Kontrolle. Verbandsinterne Legitimation wird damit eher bei solchen Verbänden zum Problem, die über eine machtvolle Organisation und über einen gesicherten Zugang zum politischen System verfügen. Dies darf man für die Umweltverbände jedoch zunächst ausschließen und die aus etablierter Verbandsmacht sich ergebenden Probleme pluralistischer Interessenvermittlung hier ausblenden. Im Mittelpunkt der weiteren Überlegungen soll vielmehr die Frage nach Art, Umfang und möglicher Entwicklung des verbandiich organisierten Umweltschutzes stehen.

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1.2.2 Gemeinwohl und selektive Interessenberücksichtigung

Sowohl der faschistisch als auch der kommunistisch geprägte Totalitarismus boten zusammen mit dem Rousseauschen Gedanken einer 'Volonte Generale' das Widerlager für die in der Nachkriegszeit sich belebende Diskussion um die "Legitimität der Vielfalt" als eines der zentralen und konstitutiven Elemente demokratischer Staatsorganisation. Es entwickelten sich in 9 Überwindung früherer pluralistischer Modelle * Vorstellungen von einem politischen System, in dem sich das Gemeinwohl dann einstellen werde, wenn "allen Sonderinteressen der gleiche Schutz und die gleiche Chance gewährt und gleichzeitig ausreichend Vorsorge dafür getroffen werde, daß kein Einzelinteresse einen dominierenden Einfluß auszuüben in der Lage" ist. 10 Pluralismus definierte sich damit nicht als das unge-

*

hemmte Spiel der Kräfte, sondern als ein Streben nach Ausgleich, determiniert durch solche Rahmenbedingungen, die zwar überprüfbar und nicht unverückbar sein, in ihrem Kern aber Bestand haben sollen und sich aus dem Naturrecht ableiten oder als 'self-evident'gelten. 11 Gemeinwohl wird hier, dy-

*

namisch begriffen, zur 'regulativen Idee' und unterscheidet sich dichotom von einem vermeintlich objektiv gemeinwohlorientierten Staatswillen. Pluralismus gerät so zur unverziehtbaren Grundbedingung gemeinwohlorientierter Staatlichkeit. Ein etatistisches Politikverständnis begründete in der ersten "deutschen Republik eher Skepsis gegenüber den Interessenorganisationen; später wurden die Verbände für die Zwecke der nationalsozialistischen Herrschaftssicherung instrumentalisiert, in ihrer Funktionsfähigkeit weitgehend eingeschränkt oder in ihrer sichtbaren Organisation zerstört. E. Fraenkel hat nach dem Zweiten Weltkrieg, mit dem Blick auf die USA, die pluralistische Neubegründung des demokratischen Staates

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entscheidend geprägt. Auch die deutliche Konturierung der Entwicklungslogik repräsentativer Demokratie ist sein wesentliches Verdienst. Vor diesem Hintergrund gewann neben den Verbänden selbst auch die Frage nach Stellung und Funktion des Systems organisierter Interessen wieder rasch an Bedeutung. Ausgerichtet am Pluralismus-Konzept entzündete te sich die Diskussion um die unterschiedlichen Chancen der Interessenartikulation und -organisation, damit um die oligarchisch geprägte gesellschaftliche Allokation von Einflußpotential und politischer Macht, deren Impetus darin bestand, einen Begründungszusammenhang für pluralistische Gemeinwohldefizite zu entwickeln. Die zunächst noch wenig ausgereiften Modelle liberal-pluralistischer Interessenvermittlung waren der Ausgangspunkt jener Kritik, welche sich sowohl an die Defizite der normativen Vorgabe als auch an die Schwäche des analytischen Instrumentariums richtete. Immer wieder ins Visier genommen wurde dabei die pluralistische Vorstellung von einem auf Gemeinwohl gerichteten Ergebnisvektor eines Parallelogramms der unterschiedlichen gesellschaftlichen Kräfte und Interessen, welcher sich aus dem Wettstreit der Interessenorganisationen heraus dann bilden könne, wenn in zureichendem Maße auf demokratische Spielregeln geachtet werde. Die Vertreter konservativer Staatstheorie 12 richteten dabei ihr Au-

*

genmerk auf die befürchtete Auflösung des Staates und verharrten in einer von Hegel geprägten Vorstellung von Staatlichkeit, im Sinne der Verwirklichung einer sittlichen Idee: Man beklagte die Verschränkung von Staat und Gesellschaft und sah, auf die Verbände gewendet, den Staat von gesellschaftlichen Gruppen instrumentalisiert und damit seiner Souveränität beraubt. Besonders E.Forsthoff konzediert dabei allerdings die verfassungsrechtliche Legalität des interessenpolitischen Wirkens der Verbände - sie galten in der Weimarer Zeit noch als irreguläre Teilhaber an der Politik -, kommt aber schließlich doch zu dem Ergebnis, "daß nicht nur der Staat in

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32 -

die gesellschaftlichen Abläufe hineininterveniert, sondern daß die Gesellschaft sich über die Verbände des Staates bemächtigt hat. Damit wurde der Staat selbst zum Schauplatz des Ringens der gesellschaftlichen Kräfte. Das hat zur Folge, daß die Machtverhältnisse im Ringen der organisierten gesell13 schaftlichen Gruppen das staatliche Handeln bestimmen". * Im Verlauf der Diskussion mahnte W.Weber vor der Macht oli14 garchischer Herrschaftsgruppen *, und Th. Eschenburg verdichtete diese Bedenken zur vielzitierten Klage über die 15 "Herrschaft der Verbände". Sehr viel später wurde diese

*

Kritik vielstimmig wieder aufgenommen und bestimmte die Tonlage bei der Diskussion um eine gesetzliche Gemeinwohlbindung der Interessenorganisationen in der zweiten Hälfte der 70er Jahre, um dann mit einem Crescendo wohl nur vorübergehend ab16 zuklingen. * Die Vorstellungen von einem aposteriori erreichbaren Gemeinwohl im Zuge des pluralistisch organisierten Interessenwettstreites implizieren die Möglichkeit, daß sich zumindest alle relevanten Interessen artikulieren können und in den Prozeß der Konkurrenz und der Kompromißbildung eingebracht werden. Die Kritik zielt dabei auf die dahinter erkennbar werdende Vorstellung von einem Kräftespiel,

das letztendlich für einen

gerechten Ausgleich sorgt, ähnlich den von K. Galbraith beschriebenen 'Countervailing Powers'. Zwar nimmt insbesondere E. Fraenkel in seiner späteren Differenzierung des neo-pluralistischen Ansatzes von der Vorstellung eines irgendwie gearteten harmonischen Gleichgewichtes Abstand, was sich aber zumindest nach der Auffassung zahlreicher Kritiker des Pluralismus -

nicht hinreichend in der Theoriebildung widerspie-

gele und auch die grundsätzliche Schwäche pluralistischer Interessenberücksichtigung nicht verdecken könne: "Die Chance für ein Interesse, befriedigt zu werden, wächst mit der sozialen Mächtigkeit des gesellschaftlichen Patrons (Verbandes),

der diese Interessen vertritt. Dem ist jedoch eine

-

33 -

Grenze gesetzt. Es gibt Interessen, die so allgemein sind, daß sie nicht nur keinen gesellschaftlichen Patron finden können,

sondern sogar die gesellschaftlichen Patrone entge-

genstehender Interessen gegen sich haben.

Das aktuelle Bei-

spiel dafür ist das Interesse der Allgemeinheit an der Reinigung von Wasser und Luft von industrieller Verschmutzung".

17

*

Forsthoff verdeutlicht die Kritik an der selektiven

Interessenberücksichtigung des pluralistischen Verbändesystems anhand des Modells der unterschiedlichen AS'30ziativkraft gesellschaftlicher Interessen. Es liegt dabei mehr oder weniger auf der Hand, daß den Interessen von Kapital und Arbeit eine große, wenn nicht die größte Assoziativkraft zuzuschreiben ist.

"Damit verglichen befindet sich der heute vielzi-

tierte Umweltschutz in einer völlig anderen Situation. Ungeachtet der seit vielen Jahren von sachkundiger Seite erhobenen Forderungen ist nichts Durchgreifendes geschehen. Die Erkenntnis gewinnt an Boden, daß hier Interessen und Bedürfnisse von jedermann berührt sind, von denen man eines Tages wissen

wi~d,

daß sie denen der Daseinsvorsorge nicht nach-

stehen. Ihrer Befriedigung steht jedoch der Umstand im Wege, daß sich ihr mächtig organisierte Interessen widersetzen". 18 Damit scheint Forsthoff der Grundgedanke der Demokratie,

*

daß nämlich die Interessen von vielen gegen die Interessen von wenigen sich durchzusetzen in der Lage sind,

pervertiert

durch "die Logik des pluralistischen Staates, undemokratisch 19 und unsozial wie sie ist."

*

Selbst in den neue ren Beiträgen zur Verteidigung von bedrohtem pluralismustheoretischem Terrain wird,

bezogen auf die

Problemanalyse, ein überraschend ähnliches Lied intoniert, wenngleich in etwas anderer Tonlage und eher in Dur als in Moll: H.Oberreuter beklagt das Dilemma der "Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der mächtig organisierten und der hochkonfliktfähigen" Gruppen, aus dem sich der Pluralismus nicht an den "eigenen Haaren" herausziehen könne. Als Antwort auf

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34 -

die Frage, wer den Pluralismus beim Schopfe packt, ruft er nach dem "Primat der Politik" und nach "politischer Entscheidung, welche die allgemeinen Interessen identifiziert und die Egoismen sektoraler Interessen gemeinwohlorientiert korrigiert". Hier auf die Parlamente, auf zentrale politische Entscheidungsinstanzen und etwa auf die "hohe Sensibilität der 20 * setzen zu wollen, muß allerdings

Bürger in Umweltfragen"

verwundern. Auch die Hoffnung, eine Verbesserung der Durchsetzungschancen von Allgemeininteressen würde sich "nicht durch strukturelle Veränderungen innerhalb des Verbändesystems" einstellen, "sondern einzig und allein dadurch, daß sich die Parteien und die staatlichen Einrichtungen als ihr 21 *, erscheint im Hinblick auf die im poli-

Patron verstehen"

tischen System sich widerspiegelnde pluralistische Asymmetrie kaum begründet. Daran vermögen weder das Engagement einzelner Beamter noch eine ggf. paternalistisch orientierte Verwaltung wesentliches zu ändern. Es drängt sich damit, auf die Theorie gewendet, die Vermutung auf, daß die Pluralismus-Katze hier dem apriori-Gemeinwohl nachstellt und sich dabei unversehens - aposteriori - in den Schwanz beißt. Weit vorsichtiger, weil stärker auf die Beeinflussung von Strukturdeterminanten abstellend, als auf die eigentliche politische Entscheidung sich konzentrierend, äußerte sich seinerzeit E.Fraenkel: Er erkennt für den Staat die Notwendigkeit, "dem übermäßigen Einfluß oligopolistischer, wenn nicht gar monopolistischer Träger sozio-ökonomischer Macht entgegenzutreten. Nicht minder bedeutsam ist es. für den Staat, dafür Sorge zu tragen, daß der Einfluß all' der Bevölkerungskreise nicht zu kurz kommt, die außer Stande sind, zwecks Wahrung ihrer Interessen ausreichend machtvolle Verbände zu 22 bilden und funktionsfähig zu erhalten". Da sich seit

*

Fraenkel die an einer regulativen Gemeinwohlidee vorbeizielende Systemlogik organisierter Interessen wohl nicht geändert hat, verweist H. Oberreuter, ungewollt letztlich Plura-

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lismus transzendierend, auf den ausgleichenden 'Staat', was sich im Ergebnis mit der frühen konservativ-etatistischen Pluralismuskritik zusammenfügt, die auf eine originäre Staatlichkeit nicht verzichten zu können glaubte. In den 50er Jahren hat W. Weber jene Haltung durch seine Forderung nach einer 'überwölbenden Regierungsautorität' als Konsequenz aus den

Bedin~~ngen

*

strichen.

des 'pluralistischen Strukturprinzips' unter-

Mit den strukturellen Schwächen pluralistischer Interessenberücksichtigung werden Probleme sichtbar, "denen gegenüber konservative und gesellschaftskritische Analyse eine lange 24 Insbesondere zwei

Wegstrecke gemeinsam zu gehen vermögen."

*

wesentliche Elemente der Kritik am Pluralismus sieht H.Kre25 mendahl vor allem von Forsthoff der 'kritischen Theorie'

*

vorweggenommen: Zum einen sind es die Einschätzung der Rolle der öffentlichen Meinung, die nach konservativer Auffassung als identitätsstiftende Größe ihre Bedeutung verloren habe und die Erkenntnis, daß "die der öffentlichen Meinung eignende Einheitlichkeit der Vielfalt der verbandsmäßig wahrgenommenen Interessen weichen" mußte. H. Kremendahl konfrontiert dies mit den Untersuchungsergebnissen von J. Habermas, "dem sich die öffentliche Meinung auch als eine interessenpolitisch strukturierte, plurale, machbare Größe darstellt, die ihre Einheitlichkeit und damit ihre Kontrollwirkung verloren hat".

26

*

Zum anderen sind es die von E. Forsthoff schon früh

thematisierten unterschiedlichen Chancen von allgemeinen Interessen auf der einen Seite und den in pluralistischen Strukturen mit stärkerer Durchsetzungskraft versehenen partikularen Interessen, welche durchaus die von großen Teilen der Gesellschaft sein können, auf der anderen Seite. Die 'Kritik von links'

27

*

betont in den 60er Jahren nicht nur

die ungleichen Voraussetzungen beim 'Vektorsummen-Spiel'

28

*,

Pluralismus wird darüber hinaus etwa von J.Agnoli und H. Har-

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cuse als die letziich untaugliche Übung 'enttarnt', bestehende Klassenantagonismen zu verschleiern.

29

*

In einer späteren

Betrachtung über Probleme von Herrschaft und Klasssenverhältnis kommen dagegen J. Bergmann, C. Offe et al. zu dem Ergebnis, daß sich die Selektivitäten der pluralistischen Interessenberücksichtigung "nicht mehr triftig als Antagonismen zwischen Klassen, wohl aber als Resultate des nach wie vor dominanten Prozesses privater Kapitalverwertung" erklären lassen. Man ortet - neben dem unterschwelligen Antagonismus zwischen Kapital und Arbeit - Lebens- und Politikbereiche, die sich nur mäßiger, zumindest aber keiner wirkungsvollen gesellschaftlichen Promotion erfreuen, somit nur unzureichende Beachtung finden, was letztlich die Entwicklung horizontaler Disparitäten und die "ungleichgewichtige Befriedigung der verschiedenen Lebensbedtirfnisse" zur Folge habe. Das "politische Zentrum" befinde sich dabei im "Schnittpunkt vorwiegend ökonomischer, monopolistisch organisierter Machtgruppen", wonach "jene gesellschaftlichen Bedürfnisse an der Peripherie des staatlichen Aktionsbereiches (liegen), die keine Sanktionsgewalt für sich mobilisieren und organisieren kön30 nen".

*

C. Offe konkretisiert die ins Spiel gebrachten Voraussetzungen für Sanktionsgewalt mit der Frage nach der unterschiedlichen Organisations- und Konfliktfähigkeit von Interessen. 31 In den Bedingungen, die pluralistische Systemlogik vor

*

die Artikulation von Interessen gesetzt hat, erkennt Offe Restriktionen, die "ein pluralistisches Verbandssystem gleichsam als transzendentalen Rahmen für den Prozeß der politisehen Bedürfnisartikulation konstituiert."

32

*

Die Organisier-

barkeit der aus den primären Lebensbereichen sich ableitenden Interessen steht dabei weitgehend außer Frage; nicht auf Statusgruppen zu beziehende und als spezifisch interpretierbare Interessen gelten dagegen als "schwer bzw. überhaupt nicht unmittelbar zu organisieren" und vor allem noch weniger ver-

- 37 -

sehen mit der nötigen Fähigkeit zur Konfliktaustragung. Konfliktfähig zu sein, Interessen nicht nur zu artikulieren, sondern auch

wi~ksam

vertreten und im Zweifelsfall Durchset-

zungsfähigkeit gegenüber konkurrierenden Interessen entwikkeIn zu können, bedeutet, über ein solches Sanktionspotential zu verfügen, das letztlich die Fähigkeit begründet, "kollektiv die Leistung zu verweigern bzw eine

s~~temrelevante

stungsverweigerung glaubhaft anzudrohen".

*

Lei-

Systemrelevant

sind dabei solche Leistungen, welche für die Sicherung der ökonomischen Prozesse nötig, zumindest aber von Wert sind. Damit wird das Spektrum jener Interessen, die sich organisieren und auch wirksam zur Geltung bringen lassen, eingegrenzt auf im wesentlichen diejenigen von Kapital und Arbeit und dort insbesondere auf solche, die sich 'negotiabel' zeigen, also verhandlungsfähig sind und sich mittels vorhandener gruppenspezifischer Machtressourcen zumindest potentiell als durchsetzbar erweisen. Daß aber auch solchen Verbänden, denen nach diesem Verständnis keine eigentliche Konfliktfähigkeit eignet - hier sind wohl die Umweltschutzverbände in besonderer Weise angesprochen -

zum Teil durchaus spürbarer Einfluß

zu attestieren ist, sieht C. Offe verursacht durch die Gewährung von "massiven ideellen und materiellen Subventionen". Damit sind nicht zuletzt die Verbandsbühnen th.matisiert, die sich den Parteien zur Selbstdarstellung andienen lassen, die sich darüber hinaus für politische Integrationsübungen als probat erweisen und damit ein beachtliches Maß an Einflußpotential begründen. Derlei Modifizierungen hindern Offe jedoch nicht daran, ein insgesamt eindeutiges Resümee zu ziehen: "Das pluralistische

Syst~m

von organisierten Interessen

sperrt alle Bedürfnisartikulationen aus dem politischen Willensbildungsprozeß aus, die allgemein und nicht an Statusgruppen gebunden sind; die konfliktunfähig, weil ohne funktionelle Bedeutung für den Verwertungsprozeß von Kapital und Arbeitskraft sind, und die als utopische die historischen

- 38 -

Systemgrenzen transzendieren •• "

34

*

K. Sontheimer hält der

Klage Offes, es mangele an der Berücksichtigung utopischer Interessen, entgegen, daß "kein soziales System Bedürfnissen Rechnung tragen (will), die seine Grundlagen selbst in Frage stellen. Tut es dies, so ist es bereits auf dem Wege des Übergangs in einen anderen Aggregatszustand des Systems".

35

*

Es erhebt sich dabei die Frage, in welcher Intensität dem Umweltschutzinteresse aus der gegenwärtigen Systemsicht ein utopischer Charakter eignet, und ob sich damit - die Richtigkeit der Offeschen These vorausgesetzt - die strukturelle Schwäche der selektiven Interessenberücksichtigung zum systemgefährdenden Mangel an Verarbeitungsfähigkeit von sozialen und politischen Veränderungen ausweitet. Bemühungen um Beantwortung dieser Frage haben sicher auch die Entwicklung des Parteiensystems, seines mittlerweile sich erweiternden Potentials der Interessenaggregation und die Rolle der neuen Formen politischer Teilnahme in Betracht zu ziehen. Unbeschadet dessen könnte man die Di9kussion um selektive Interessenberücksichtigung des Pluralismus dergestalt resümieren, daß diejenigen Interessen, die weder an Statusgruppen zu binden, noch als spezifisch partikulare Bedürfnisartikulation zu interpretieren sind, kaum Chancen haben, verbandliche Organisation zu finden. Das allgemeine gesellschaftliche Interesse ist kaum organisierbar und noch weniger konfliktfähig und hat nur wenig Aussichten auf einen Platz in dem von mächtig organisierten Gruppen dominierten System organisierter Interessen. Dabei wurde aber bislang kaum problematisiert, ob und in welcher 'Ausprägung' einem umweltschützerischen Bemühen der Charakter eines eher allgemeinen Interesses eignet. In der pluralismustheoretischen Diskussion wird dies immer wieder angenommen und konstant gesetzt. Dagegen lehrt die politische Erfahrung, daß Umweltschutz mit anderen, meist ökonomischen

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Interesaen konfligiert, demnach als ein Interesse von einigen gegen das von anderen steht. Das bedeutet jedoch nicht, daß Umweltschutz damit zu einem Partialinteresse wird, obwohl hinter dem Bemühen um die Erhaltung eines Waldstückes nicht immer das auf das Wohl aller gerichtete Interesse an der Erhaltung der Natur schlechthin steht, sondern sich nicht selten dort der schlichte Wunsch verbirgt, die Straßentrasse nun nicht gerade vor der eigenen Tür zu haben. Woanders würde sie einem ggf. kaum zu entsprechendem Engagement veranlassen. Nun wird man aber das von persönlicher Betroffenheit begründete, letztlich altruistische Eintreten für das, was allen zugute kommt, nur mit großen Schwierigkeiten und nie verläßlich von den Bestrebungen unterscheiden können, die nur auf die Abwehr von unmittelbar wahrzunehmender Beeinträchtigung des ganz persönlichen Umfeldes zielen. Die 'Allgemeinen Interessen' bleiben somit in ihrer Abgrenzung eher unscharf. Auch die auf ökonomischen Überlegungen gründende Unterscheidung der Ergebnisse von Interessenorganisation und -vermittlung in solche, die sich exklusiv für die Interessenten und in solche, die sich nur allgemein erreichen lassen, vermag ebenso nur idealtypisch den Bereich 'Allgemeiner Interessen' genauer zu 36 fassen. M. Olson hat dazu jenes Modell entwickelt, nach

*

dem die Interessen an nicht exklusiv verfügbaren Gütern, solche an reiner Luft, an einem nicht verseuchten Boden etc, deshalb immer schwer zu organisieren sein werden, da dort erzielte Verbesserungen in der Regel allen zugute kommen und auch die 'free- rider' bzw die nicht Engagierten daran partizipieren. Für die weiteren Überlegungen ist damit jenes Ergebnis der bisherigen Diskussion zur Grundlage zu machen, welches die Defizite der Berücksichtigung solcher Interessen, die nicht, zumindest nicht dauerhaft an Statusgruppen zu binden sind, auf den notorischen Mangel an Sanktionspotential bezieht.

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Allenfalls dort, wo das Eintreten für den Umweltschutz auch ökonomische Vorteile bringt, begründet sich 'klassisches' Sanktionspotential, welches sich mit dem von anderen, mächtigen Interessen als vergleichbar erweisen könnte. Aufgrund der gegenwärtig noch eher marginalen Bedeutung der Umweltschutzindustrie und unbeschadet des zeitweiligen Zusammenfließens der Interessen von Waldbesitzern und Umweltschützern darf man eine solche Konstellation zunächst noch getrost außer acht lassen. Es bleibt also bei der deutlichen Unterlegenheit des Umweltschutzanliegens gegenüber den per se ökonomisch-gruppengebundenen Interessen. Trotzdem gibt es eine Umweltschutzbewegung mit einem nicht unerheblichen Einfluß, die sich auch verbandIich organisiert. Ungeachtet der systemischen Organisationshemmnisse kommt es zur politisch spürbaren Formation von Interessen offensichtlich auch dann, wenn sich die nötige Problemsensibilität mit der Bereitschaft zu Engagement verbindet. Das Geltendmachen von kaum gruppenspezifischen Interessen wird sich dabei immer öffentlich vollziehen müssen, um erstens di.e Zahl derjenigen, die sich problemsensibel zeigen, zu vergrößern, und um zweitens den grundsätzlich schwieriger zu entwickelnden Zugang zur Macht zu kompensieren; es setzt demnach einen begehbaren Weg zu den Medien voraus. Mit der Formierung ist jedoch Konfliktfähigkeit noch immer nicht begründet. Sie wird sich erst dann einstellen, wenn es starken, das heißt vor allem wirksam organisierten Interessen mit geregeltem Zugang zur Macht, nicht gelingt, die neuen Stimmen im politischen Chor zu diskriminieren und sie außerhalb des 'Systems' zu stellen. Die politisch wirksam ins Spiel zu bringenden Interessen beschränken sich nicht nur auf diejenigen, die qua Entzug von Leistungen für den Kapitalverwertungsprozeß über Sanktionspotential verfügen. Auch politische Stabilitätsleistung läßt sich, unter entsprechenden Voraussetzungen, derart entziehen, daß darauf nicht ohne weiteres mit Ausgrenzung und Abwehr zu

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reagieren ist. Eine andere, substantielle Reaktion erscheint vor allem auch deswegen wahrscheinlich, da politische Stabilität nur mehr zu einem erkennbar kleiner gewordenen Teil von ökonomischer Stabilität abzuleiten ist. Ob sich Stabilitätsleistung auf Dauer und zielgerichtet entziehen läßt, bleibt aber fraglich. Die Schwierigkeit besteht dann darin, daß eine genügend große Zahl von 'Überzeugten' den Schritt von der 'Formation' zur Organisation, zu einem dauerhaft angelegten, infrastrukturell abgesicherten Zusammenschluß vollzieht und dabei die Fähigkeit behält, zumindest politisch unbequem zu sein.

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1.2.3 Status Quo Orientierung des Verbändesystems und neue Beteiligungsformen

Bezieht man die Ergebnisse der Diskussion um das Potential der Interessenberücksichtigung und der spezifischen Organisationsprobleme allgemeiner Belange auf die im Ergebnis eher unzureichende gesellschaftliche Unterstützung der Umweltpolitik, gelangt die Frage nach der Reagibilität und Veränderbarkeit, mithin auch die nach der Lernfähigkeit des Verbändesystems ins Blickfeld. Mit der vor allem von C. Offe herausgearbeiteten systemischen Bedingung der vorrangigen Befriedigung von 'starken' und der strukturell bedingten Vernachlässigung von organisations- und konfliktschwachen Interessen, ist bereits auf die Interdependenz von Defiziten der Interessenberücksichtigung einerseits und der Verfestigung bestehender Strukturen andererseits hingewiesen. Wenn auch die Selektivität von Interessenvermittlung zu einem gewissen Teil die Tendenz zur Unbeweglichkeit, bzw die zur Festigung des Status Quo beinhaltet, bedarf es dennoch der Klärung, inwieweit angesichts einer entscheidend gewandelten politischen Problemlandschaft, Veränderungen in das System organisierter Beteiligung und Interessenvermittlung hineingetragen werden können. Vor dem Hintergrund der politisch instabilen Weimarer Verhältnisse wurde die sich bald einstellende Stabilität des bundesdeutschen Parteiensystems vielfach mit Befriedigung verzeichnet. Die nachfolgende Herausbildung zunehmend unbeweglicher und konturenarmer 'Allerweltsparteien' wurde dagegen vielfach als Erstarrung beklagt. Das Aufbrechen verkrusteter Strukturen schien für geraume Zeit eher unwahrscheinlich. Daß sich in jüngerer Zeit schließlich doch Veränderungen eingestellt haben, wird in der Hauptsache auf

-

43 -

sozialstrukturelle Verschiebungen und auf neue sozio-politische Wertstrukturen zurückgeführt. Der Bedeutungsgewinn 'postmaterialistischer Werte,37*, welcher "für die Politik ein Auswechseln der Themen oder doch ihrer Rangfolge,,38* mit sich gebracht hat, würde damit auch institutionell Raum greifen. Es muß sich allerdings erst noch zeigen, ob diese Veränderungen nachhaltig sind und zu einer deutlichen und dauerhaften Gewichtsverlagerung innerhalb des politischen Entscheidungssystems beitragen. Obwohl die Zeichen gegenwärtig darauf hindeuten, darf man sicher die von der Pluralismuskritik vorgetragene These der Beherrschung der Parteien durch die mächtigen Großverbände und der letztlich eine Status Quo Orientierung begründenden Tendenz der Volksparteien, sich eher an einem 'mittleren' Wähler zu .. . b ·· I egen. 39* or1ent1eren, noc h k e1neswegs e1se1te Gerade die Auseinandersetzung um umweltpolitische Problemstellungen haben den diagnostizierten Wandlungsprozeß bislang wesentlich mitgeprägt. Sie sind zumindest vielfach Katalysator - wenn auch teilweise unter dem Signet anderer Politiksektoren -

und nehmen schließlich in der sich vollziehenden

Etablierung der Grünen ihre Auswirkungen auf das Parteiensystem. Dies als Folge einer Schieflage zu begreifen, die sich aufgrund der Verarbeitungsdefizite pluralistischer Willensbildungsprozesse herausgebildet hat, erscheint durchaus plausibel. Die Erwartung von ähnlich strukturalen Auswirkungen auf das Verbändesystem ist damit zumindest nicht abwegig. Andererseits wird aber dem Verbändesystem, im Gegensatz zu dem der Parteien, eher Unbeweglichkeit und nur begrenzte Lernfähigkeit attestiert. Th. Ellwein z.B. sieht zwar potentiell immer die Möglichkeit, Veränderungen in das Parteiensystem hineinzutragen, dagegen erscheint ihm die Situation "Ganz anders bei den Verbänden: Es gibt sie, ihre internen Veränderungen können ggf. öffentlich interessieren.

- 44 -

Das Gefüge, das sie gemeinsam bilden, erweist sich aber als viel konstanter als das Nebeneinander der Parteien".

40

*

""

Ahn-

lich bilanziert K.Sontheimer die Entwicklungslogik des Systems organisierter Interessen und die des Pluralismus, der, "je stärker er organisatorisch ausgeprägt ist, mittels der Veto-Macht zahlreicher seiner Gruppen zur konservativen Beharrung und zu einer Politik des Status Quo" tendiert.

41

*

Dementsprechend konzentriert sich verbandliche Interessenpolitik auf die Sicherung des eigenen Terrains, wird damit eher reaktiv und läßt reformerische Impulse nur in Ausnahmefällen erwarten (z.B. Mitbestimmung). Die eher reaktive Beeinflussung von beabsichtigter politischer Regulierung im Sinne der Minimierung nachteiliger Wirkungen auf die jeweilige Klientel sind dagegen vielfach die Regel. Daran ändert der mitunter offensive Stil nur wenig. Es begründet sich damit zum einen 42 Stabilität, wie etwa K. Sontheimer positiv wertet *, zum anderen bringt aber bereits R.P. Wolff die demokratietheoretische Kritik an den so dominierten Mustern pluralistischer Willensbildungsprozesse deutlich zum Ausdruck: "Damit wirkt die Version der 'Vektorsumme' der pluralistischen Theorie ideologisch; denn sie tendiert dazu, neuen Gruppen oder Interessen den Zugang zum Plateau (etablierter Interessen, 43 d. Verf.) zu verweigern" *, ohne diesen Weg aber - und das macht Wolff ebenso deutlich - grundsätztlich auszuschließen. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt die später von W.D. Narr und F. Scharpf vorgetragene Kritik, welche die demokratischen

un~

partizipatorischen Defizite pluralistischer Politiksteuerung herausarbeitet.

44

*

.

Die Probleme, die sich aus der mangelnden

Sensibilität des pluralistischen Verbändesystems gegenüber sich ändernden Interessenstrukturen ergeben, führen dabei umso mehr zu einer nicht zu unterschätzenden Reduktion der Legitimation und der Steuerungskapazität des politischen Systems, als "die tatsächliche Politiksteuerung immer stärker über Verbände und Bürokratien und immer weniger über Parteien

- 45 -

45

und Parlamente erfolgt".

*

Damit erhält auch die Aufforde-

rung, immer wieder neu zu fragen,

"welche 'Interessen' die

bestehenden Verbände, den Status Quo damit stabilisierend, vertreten und welche anderen unvertreten bleiben", ihren be46 sonderen Stellenwert. Die wissenschaftlichen Bemühungen um

*

ihre Beantwortung bedürfen der Intensivierung: Die Verbandsforschung hat sich bislang empirisch und theoretisch überwiegend der Vermittlung solcher Interessen zugewandt, die sich einer durch "Arbeitsteilung und

Kapitalk6n~entration

te(n) zunehmende(n) Organisation" erfreuen.

47

*

beding-'

Es gibt daher

kaum empirische Erkenntnisse über die 'Grenzbereiche' verbandlicher Interessenorganisation. Sie finden auch in der Korporatismustheorie - der "sozialwissenschaftlichen 'Wachstumsindustrie'"

48

*

der ausgehenden 70er Jahre keinen Nie-

derschlag. Man belüht sich dort hautpsächlich um die Entwicklung von Erklärungszusammenhängen für die sich in spezifischer Weise vom Pluralismusmodell ablösende Vermittlung mächtig organisierter Interessen und nimmt somit vorderhand das tripartistische Verhältnis von Staat, Kapital und Arbeit in 49 Die Frage nach der Vermittlung solcher Anlie-

den Blick.

*

gen, die keine oder nur

un~ureichende

Berücksichtigung fin-

den, wird dabei eher ausgeklammert, obwohl eine Vergrößerung der konfliktträchtigen Diskrepanz zwischen der Interessenberücksichtigungskapa~ität

dominanter Vermittlungsstrukturen

und der realen Diversifizierung gesellschaftlicher Interessen erkennbar ist. Es haben sich außerhalb der nur bedingt zugänglichen etablierten Einflußstrukturen neue Beteiligungsformen herausgebildet, die schließlich die Frage nach der Reagibilität des Systems organisierter Interessen provozieren: "Neokorporatistische Politikformen, so die These, können also keine langfristige Stabilisierung des politischen Systems garantieren, da sich neue Konflikte herausbilden, die die Regulierungskapazität des 'Elitenkartells' systematisch unterlaufen.

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Dieser Gesichtspunkt wird in der bisherigen Korporatismusdiskussion zu wenig bedacht", fürchtet auch R.G. Heinze. Er blickt dabei insbesondere auch auf die Umweltschutzbewegung, die sich vor allem in der vergangenen Dekade konstituiert hat und unbestritten über ein gewisses Maß an Einfluß verfügt. Die bisher nicht oder nicht hinreichend berücksichtigten Interessen äußern sich zunächst in politischem Protest: "Dieses durch neokorporatistische Politikformen mitverursachte Protestpotential, das Fragen der Lebensqualität und größere individuelle Partizipationsmöglichkeiten in den Vordergrund stellt, ist zwar in sich heterogen, er faßt aber immer größere Kreise der Bevölkerung und stellt somit für die staatlichen Institutionen einen aktuellen Risikofaktor dar".50* Ob sich die angesprochene Protesthaltung derart ausbreitet, daß sich damit der Kreis derjenigen erweitert, die sich politisch beteiligen und nach Vermittlung ihrer Interessen in den Prozeß politisch-administrativer Regulierung streben, muß man allerdings bezweifeln. Während etwa B. Guggenberger 51 * auf die von W. Rüdig 52 * zusammengetragenen empirischen Befunde der auf Bürgerinitiativen bezogenen Forschung verweist und mit einem gewissen Staunen feststellt, daß "ungefähr ebenso viele Bürger an Initiativen beteiligt (sind oder waren) wie es in allen bundesrepublikanischen Parteien Mitglieder gibt", schätzt Th. Ellwein die Situation deutlich nüchterner ein: Er konzediert zwar die Verbreiterung des Beteiligungsfeldes, insbesondere auf der kommunalen Ebene, betont aber gleichzeitig, daß "die vermehite örtliche Bürgerbeteiligung gemeinsam mit der kommunalen Politik ständig an die Grenzen stößt, welche die Einbindung der kommunalen Selbstverwaltung in staatliche Politik und überörtliche Planung ziehen". Die 'partizipatorische Revolution' stellt sich zum einen als die - teilweise vehement vorgetragene - Forderung nach anderen, flexiblen und wahrscheinlich auch stärker 'politischen' Partizipationsoptionen und

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zum anderen als die tatsächliche Erweiterung des Feldes von Beteiligungs- und Vermittlungm6glichkeiten dar. "Man wird dagegen nicht in dem Sinne von einer partizipatorischen Revolution sprechen k6nnen, daß sich die Zahl der Partizipanten 53 nennenswert verändert hätte". * Wenn auch die Bürgerinitiativbewegung in ihren Dimensionen hin und wieder überschätzt wird, ändert dies doch kaum etwas an ihrer verändernden Wirkung. Es drängt sich die Frage geradezu auf, ob sich die Gewichte in der Struktur der Interessenvermittlung soweit verschoben haben, daß sich das Verbändesystem dem letztlich nicht entziehen kann: Gelingt es den Interessen, die sich den Regeln verbandlicher Vermittlung grundsätzlich eher verschließen, aufgrund der Wandlung der politischen Umfeldbedingungen, mithin auch der veränderten Determination des Verbändesystems, schließlich doch, Zugang zum organisierten Vermittlungsprozeß zu finden? Der Versuch, eine 'Reaktion' des Verbändesystems auf die politischen Folgen der Entwicklungsdynamik des Umweltproblems auszumachen, stellt zunächst die denkbaren Voraussetzungen der strukturellen Veränderung eines grundsätzlich als statisch zu typisierenden Verbändesystems zur Debatte. Damit ist die potentielle Veränderbarkeit der organisierten Interessenvermittlungsstrukturen thematisiert, wie sie - mit gestaltend-politischer Attitüde - F. Lehner im Prinzip bejaht, indem er zu der Auffassung gelangt, "daß die pluralistische Interessenvermittlung und ihre politisch-administrative Umsetzung durchaus reformierbar, aber wohl kaum grundsätzlich 54 überwindbar ist".

*

Es lassen sich vor allem drei Problemfelder der angesprochenen Veränderungsprozesse unterscheiden, die mehr oder weniger stark miteinander in Verbindung stehen und sich auch gegenseitig beeinflussen: Zum ersten geht es um die Kompetitivität

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der Bürgerinitiativen als Beteiligungsform, zum zweiten steht mit der Politisierung des Umweltschutzes auch die politische Adäguanz der Beteiligungs- und Vermittlungsform zur Diskussion. Schließlich ist drittens zu betonen, daß mit der vornehmlich lokalen

Formierun~

der Bürgerinitiativen gerade dort

Interessen artikuliert werden, wo man das Verbändesystem nur in Ausnahmefällen dazu in der Lage sieht, wo vielfach Defizite und eher Zurückhaltung sichtbar werden. Zum ersten: Das Verbändesystem bezieht seine Legitimation auch und vor allem aus dem Anspruch, Mitglieder und deren Interessen zu reprä~entieren. und muß zumindest darauf bedacht sein, daß an der Erfüllung dieses Anspruchs nicht über ein gewisses Maß hinaus Zweifel aufkommen. Dabei bleiben unberücksichtigte Interessen für das Verbändesystem solange ohne Bedeutung, als sie nicht auf anderen Wegen als auf dem der organisierten Interessenvermittlung in die Sphäre politischer Relevanz und Regulierung gelangen. Ist dies der Fall, wachsen zunächst die Zweifel an der repräsentativen Ordnung, später ist die Instabilität des gesamten politischen Systems durchaus denkbar. In der Entwicklung neuer Formen der politischen Teilnahme manifestiert sich somit die Virulenz der partizipatorischen Defizite des Verbändesystems. Ob überhaupt und in welchem Umfang dies zu Veränderungen des letztgenannten führt, möglicherweise führen muß, hängt sicher auch davon ab, inwieweit eine Umweltpartei die im Modell der politischen Willensbildung vorgeschaltete verbandliche Interessenartikulation gleichsam überspringt, den Protest von Initianten absorbiert und den dahinter stehenden Interessen parlamentarisch zur Geltung verhilft. Trotz der heterogenen Struktur der Grünen, gemessen an bisherigen politischen Ordnungskategorien, scheint sich ein solcher Prozeß in einem beachtenswerten Ausmaß in der Bundesrepublik zu vollziehen. Beachtenswert ist dies auch deshalb, da K.v. Beyme beim Vergleich der Entwicklungen in westlichen Industrienationen zu dem Ergebnis

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gelangt, daß sich "weder die Werthaltungen an sich, noch die objektiven Herausforderungen der Umweltpolitik, (die den Stimulus für einen ökologischen Response darstellen) •• per se in adäquate Stimmenzuwächse für die Parteien der neuen Politik" 55 umsetzen. Es spielen neben Struktur und Konsistenz des

*

Parteiensystems, dem Wahlmodus. aus dem es hervorgeht, auch das System organisierter Interessen eine Rolle. Die Dominanz großer Interessengruppen und ein entsprechend konditioniertes Verbändesystem sind demzufolge ganz offensichtlich dazu

an~6-

tan, die Entwicklung einer grünen Partei zu stabilisieren.

*

Dies legt umgekehrt die Vermutung nahe, daß umweltpolitische Auswirkungen auf das Verbändesystem in der Bundesrepublik in wohl nur wenig ausgeprägter Form, zumindest aber nicht mit 'durchschlagenden' Ergebnissen zu erwarten sind. Zum zweiten wurde die Frage nach der politischen Adäquanz organisierter Interessenvermittlung aufgeworfen. Sie wurde zu einem Gutteil bereits grundsätzlich erörtert, indem von den Problemen der Organisierbarkeit eher allgemeiner Interessen die Rede war. Derjenige Teil der Bürgerinitiativen, der sich um durchaus partikulare, zumindest aber um solche Interessen kümmert, die dem ganz persönlichen Erfahrungsbereich entstammen, solche, die mit der Schule, dem Kindergarten oder der Wohnung zu tun haben, ist vergleichsweise umfangreich: Nach den vorliegenden Zahlen dürfte er bis Mitte der 70er Jahre zumindest mehr als 50% der Bürgerinitiativen umfaßt haben, für die nachfolgenden Jahre wird er vermutlich kleiner aus57 fallen. Trotzdem haben sich auch die Interessenten mit

*

eher allgemeinen, meist umweltbezogenen Anliegen in einer beachtlichen Anzahl von Bürgerinitiativen formiert und für eine Art der Interessenartikulation votiert, die meist ohne formale Hierarchie und Arbeitsteilung auskommt. Ungeachtet der auf Seiten der Administration und Politik lange Zeit spürbaren Unsicherheit gegenüber den Initianten und der bedingt treffsicheren Einschätzung ihrer Interessenäußerungen,

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50 -

haben die Initiativen den Vermittlungsanforderungen eines sich neu herausbildenden Politik- und Interessenfeldes sicher mehr Rechnung getragen, als es das Verbändesystem konnte. Insbesondere scheinen Zweifel angebracht im Hinblick auf die mitunter von den 'Interessenverbänden' unterschiedenen Verei58 ne *, die, wie die Bürgerinitiativen auch, lokal verankert sind und dort das soziale Leben entscheidend mitprägen: Es sind in der Hauptsache Sport- und Freizeitvereine, die auch in vielfältiger Weise zur natürlichen Umwelt in Beziehung stehen. Ihnen wird vielmehr attestiert, daß sie sich in beso?derer Weise abzuschirmen trachten, nicht nur gegenüber· Parteien, sondern vielfach gegenüber all' dem, was mit 'Politik' zu tun hat, und daß sie zur Konfliktausgrenzung neigen. B. Armbruster und R.Leisner resümieren dazu: "Politisches Verhalten wird nach wie vor aus diesem Sektor weitgehend ausgeschlossen"; neben der Bereitstellung von Freizeitangeboten geht es vielmehr um sozialintegrative Funktionen, um die "Er59 füllung von Geselligkeits- und Anerkennungsbedürfnissen".

*

Auch P. Raschke pointiert ein ähnliches Ergebnis, allerdings mit einer letztlich doch etwas anderen Attitüde: "Viele Freizeitvereine versuchen daher, die gesellschaftlichen Widersprüche fernzuhalten, indem sie die entsprechenden Themen tabuisieren, oder es sogar informelle Aufnahmekriterien gibt für homogene Wertsetzung und politische Orientierung bei den Mitgliedern". Damit ist auf eine Art politischer Haltung von Vereinen verwiesen, die - auch wenn sie sich 'nur' in bewußter Abgrenzung oder Harmonisierungsbestrebungen manifestiert - in ihren Folgen kaum zureichend geklärt ist. In dem dahinter auszumachenden anti-politischen Affekt, spiegelt sich mit Gewißheit auch die bittere historische Erfahrung des politischen Mißbrauchs, der Zweckentfremdung von sozialen Organisationen zu totalitärer Indoktrination wider. Dessen ungeachtet, hat jene Haltung wohl auch mit zur Herausbildung neuer Partizipations- und Vermittlungs strukturen beigetragen.

- SI -

Damit ist drittens das nächste Problemfeld bereits implizit genannt. Mit den Bürgerinitiativen hat sich - zumindest zeitweise und sicher auch themenzentriert - eine gewisse Dezentralisierung der Interessenvermittlung vollzogen. Dabei geht es weniger um solche Anliegen von Initianten, die von vornherein entweder nach einer örtlichen Lösung verlangen oder sich zumindest vor Ort in ihren Folgen spürbar mildern lassen. In diesem Bereich ist dann auch jene 'typische' Initiative häufiger anzutreffen, die sich auf ein Ziel konzentriert und sich nach einem Erfolg entweder auflöst oder sich anderen, möglicherweise ähnlichen Zielen zuwendet - wobei vielfach große Teile der Initianten ausscheren und neue hinzutreten. Andere Probleme, dazu zählt sicherlich der Umweltschutz, machen sich zwar auch örtlich fest und werden dort in besonderer Weise wahrgenommen. Sie sind jedoch vor Ort nicht zu lösen und auch nur fallweise in ihren Auswirkungen zu begrenzen. Um die Vermittlung der damit verbundenen Interessen geht es demjenigen Teil der Initiativen, der sich zwar lokal formiert, der sich aber auch, ohne den örtlichen Bezug aufzugeben, in den überörtlichen politischen Prozeß einzubringen sucht und dabei gewisse Erfolge verbuchen kann. Solche Erfolge lassen sich in der Regel jedoch nur dann begründen, wenn es zur Formierung von Protest kommt und sich auf diese Weise, quasi an eingeschliffenen zentralistischen Strukturen organisierter Interessenvermittlung vorbei, Zugang zur Sphäre politischer Regulierung eröffnen läßt. Ein ähnliches Verhalten der lokalen Basis des Verbändesystems ist vor dem Hintergrund ihres diagnostizierten Selbstverständnisses zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber immerhin denkbar. Es sind vor allem zwei Gründe, welche eine solche Reaktion und damit einen Beitrag örtlicher Vereine zur Organisation eher allgemeiner,

umweltbezogener Interessen

mögl~ch

erschei-

nen lassen. Einer von ihnen besteht in den spezifischen und zum Teil in langer Tradition kultivierten Verbindungen der

-

52 -

durchweg im Deutschen Naturschutzring zusammengeschlossenen überaus zahlreichen Freizeitorganisationen zur natürlichen Umwelt. Deren Freizeitbeschäftigung findet in und mit der Natur statt, reicht vom Fischen über das Jagen bis zum Wandern und ähnlichem. Man 'nützt' somit zwar die Natur - die Konflikte mit dem Anspruch des Schutzes liegen auf der Hand ist aber auch auf ihr ganz konkretes Intaktsein angewiesen. Gerade so könnte sich unmittelbare Betroffenheit einstellen und Engagement begründen. Der zweite Grund leitet sich ab aus den Untersuchungen zu Engagement und Apathie in der Bundesrepublik: Es ist eine eher kleine Gruppe von ca. 16 % der erwachsenen Bevölkerung der Republik, welche sich überhaupt engagiert, etwa 7% davon sind im sozialen Bereich aktiv, 6% betätigen sich politisch, diejenigen die beides tun, machen etwa 3% aus.

60

*

Daß aus der

"Zwischengruppe von über 30 %, die politischer Beteiligung nicht unbedingt ablehnend gegenübersteht, sie aber auch nicht 61 * künftig ein nennenswerter Anteil zu den tatsäch-

ausübt"

lich Engagierten stoßen wird,

ist aufgrund der über die Zeit

relativ stabilen Größenordnung der jeweiligen Gruppen eher unwahrscheinlich. Diejenigen, welche neue Beteiligungsmuster erproben, müssen damit potentiell zu einem Teil identisch sein mit den Mitgliedern von Vereinen und Verbänden. Damit gewinnt die Frage nach der Reaktion des Verbändesystems eine spezifisch lokale Dimension. Die Entwicklung der Bürgerinitiativen hat sich als Konsequenz aus den Defiziten pluralistischer Interessenvermitlung vornehmlich aus der lokalen Betroffenheit heraus vollzogen. Daran wird deutlich, daß sich bestimmte Interessen vor allem dann mit Aussicht auf Erfolg ins Spiel bringen lassen, wenn sie sich breit formiert zeigen, sich andererseits aber auch lokalisieren lassen und schließlich öffentlich vermittelbar sind. Man wird nun allerdings fragen müssen, ob sich solche Bedingungen verstetigen lassen: Die Zahl der Initianten schwindet meistens dann, wenn

- 53 -

die persönliche Betroffenheit wegfällt oder aber die Erkenntnis Raum greift, an der persönlichen Betroffenheit nichts mehr ändern zu können. Außerdem sind die Grenzen der lokalen Problembearbeitung sichtbar geworden. Überörtliche politische Diskussion und Regulierung werden notwendig und verlangen nach einer verstetigten und organisierten Interessenvermittlung. Der verbandlichen Organisation von Umweltinteressen scheint damit eine spezifische Chance geboten. Wenn man dennoch einer skeptischen Beurteilung zuneigt, kommt zu den genannten Bedenken hinzu, daß lokales Engagement die Vermittlungs- bzw Vermittlungsvermeidungsmuster traditionell-verbandlicher Organisation - quasi von innen heraus - aufzubrechen hätte.

- S4 -

1.2.4 Veränderungen des Verbändesystems

Die Dichotomie von neuen Beteiligungsformen, den Bürgerinitiativen einerseits und der eher traditionellen, verbandlichen Organisation von Teilnahme und Interessen andererseits, ergibt sich vor allem aus den vielfach herausgearbeiteten Besonderheiten der jeweiligen Arbeitsweise und Arbeitsteilung, der Zielstruktur und der bevorzugten Methoden. Die Unterscheidung bleibt jedoch idealtypisch und wird etwa dort unscharf, wo Bürgerinitiativen in Konkurrenz zueinander treten, und dort, wo die Struktur des Politikfeldes und die Eröffnung, mehr aber noch die Verstetigung von Einflußchancen die Adaption an das politisch-administrative System verlangt. Damit stellen sich Veränderungen des Verbände systems zum ersten quasi von seinen Rändern her ein. Zwar sind etwa in den USA zahlreiche Bürgerinitiativen sogenannte 'single issue groups' geblieben - mit allen dafür charakteristischen Merkmalen. "Auf dem europäischen Kontinent hingegen, haben vor allem die ökologischen Bürgerinitiativen mehr und mehr versucht, den Vetogruppenstatus zu überwinden und eine breitere Palette eines ideologischen Alternativprogramms zu entwickeln."

62

*

Will

man eine derartige programmatische Breite nicht nur bekunden, sondern auch erkennbar und dauerhaft vertreten, erfordert das unter anderem die Entwicklung eines breit gefächerten Sachverstandes mit entsprechender Informationsverarbeitungskapazität. Dies läßt sich jedoch nur mittels Arbeitsteilung erreichen und Arbeitsteilung bedingt Organisation; hinzu kommen die genannten Erfordernisse der Interessenvermittlung in zentrale Entscheidungsprozesse. Solche Determinanten haben folgerichtig schon vor mehr als 12 Jahren zu verschiedenen Zusammenschlüssen von Bürgerinitiativen und schließlich zu einer verbandlichen Organisation unter dem Dach des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz

- 55 -

(BBU) geführt. Wenn sich auch dieser Organisationsprozeß weder stecig noch reibungslos vollzogen hat und zudem auch von denen, die ihn grundsätzlich befürworten,

immer wieder in

Frage gestellt wird, so hat sich damit trotzdem eine Erweiterung des Verbändesystems manifestiert. Daß sich der Zusammenschluß von Initianten mit dezentralem Anspruch und kritischer Haltung gegenüber nahezu jedweder Organisation überhaupt vollziehen konnte, muß wohl auch in Zusammenhang mit der sich zuerst örtlich ausprägenden Gegnerschaft zur Kernenergie gesehen werden, dem darauf sich gründenden Bedürfnis nach Solidarität und dem Bestreben, Einfluß auf die Politikzentralen zu gewinnen. Für diesen Zusammenhang spricht auch, daß der zwischenzeitliche Bedeutungsverlust dieser Diskussion mit verstärkten und letztlich auch existenziellen Problemen des Verbandes einhergeht. Deswegen muß es an dieser Stelle erlaubt sein, hinter die Bereitschaft von U. Kempf,

"dem BBU

zu bescheinigen, daß er durch seine Existenz dem Umweltschutz eine Lobby geschaffen hat und erst durch sein unkonventionelles Auftreten die längst überfällige Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Umweltschutzmaßnahmen erreicht worden ist", ein Fragezeichen zu setzen. 63 • Die anzumeldenden Zweifel beziehen sich dabei weniger auf den Beitrag zu einer umweltschützerischen Sensibilisierung der Öffentlichkeit, als vielmehr auf die Begründung eines stabilen umweltpolitischen Einflußpotentials. Unbeschadet der Schwierigkeiten eines Dachverbandes wurde mittlerweile erkennbar, daß Bürgerinitiativen vielfach nicht in einem Zustand von "Interessengruppen in statu nascendi"64. verbleiben, sondern sich zumindest zu einem Teil entsprechend weiterentwickeln. Es stellen sich mitunter organisatorische Verfestigungen ein, so daß sich auch damit in einem weiteren Sinne Veränderungen des Verbändesystems ergeben.

- 56 -

Bezogen auf den Zeitpunkt der deutlich intensivierten öffentlichen Auseinandersetzung um Umweltschutz mit Beginn der 70er Jahre, ist auch der 'Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland' (BUND) als Neugründung und Erweiterung des Verbändesystems aufzufassen. Für seine Zuordnung zu dem Bereich der Bürgerinitiativen oder zu dem der traditionellen Verbände finden sich zunächst widersprüchliche Hinweise. Während der im traditionellen Naturschutz wurzelnde, klassisch-vereinsmäßig organisierte Teil des BUND für die letztgenannte Einordnung spricht, verstehen sich andere Teile auch der Bürgerinitiativbewegung, namentlich dem BBU, verbunden. Das führt gelegentlich dazu, daß er in toto den 'Bürgerinitiativen' zuge65 rechnet wird. * Diese Einordnung wird jedoch der Struktur und der Genese des BUND sicher nicht gerecht, er wird sich nachfolgend, trotz gewisser Überschneidungen, als festgefügte Organisation präsentieren. Damit sind Ansätze von Veränderungen des Verbändesystems sichtbar geworden, in dem die anfangs genannte Dichotomie etwas verschwimmt, wo sich nicht mit letzter Deutlichkeit "traditionelle Umwelt- und Naturschutzverbände, die oft schon seit Jahrzehnten bestehen, und Bürgerinitiativen unterscheiden" lassen, "die erst im letzten Jahrzehnt gegründet wur66 den". Im Hinblick auf die zuerst Genannten stellt sich

*

dabei die Frage, ob der Stimulus der Entwicklung neuer Vermittlungs- und Verarbeitug,sstrukturen einen "UmdenkungsprozeB" "auch bei Verbänden"

*

ausgelöst hat. Sie richtet sich

zuerst und vor allem an diejenigen Organisationen, die schon seit geraumer Zeit die verbandliche Vertretung des Naturschutzes reklamieren und damit auch den Anspruch verbinden, in einem umfassenden Sinne Umweltschutzinteressen innerhalb bestehender verbandlicher Strukturen zu verarbeiten. Sie eröffnen damit eine weitere Dimension der Veränderung.

-

57 -

Der Verbändeliteratur sind zu diesem Teil des Verbändesystems nur wenig ergiebige, seltener auch verwirrende Hinweise zu entnehmen. J. Weber z.B. weist auf den Deutschen Naturschutzring,

den mitgliederstärksten Dachverband umweltinteressier-

ter Verbände,

eher am Rande hin.

Er wird nur in Zusammenhang

mit Freizeitinteressen erwähnt: "Somit werden die unpolitischen Freizeitinteressen der Sänger, Autofahrer, Brief taubenliebhaber, Sportfans etc.

in politisch bedeutsame Forderungen

transformiert •. ", die dann als Kulturförderung, Straßenbau und Sportförderung ihren Niederschlag finden.

"Zu dieser

Gruppe von Interessengruppen gehören der Deutsche Sportbund ( •. ),

der ADAC ( •• ),

der Deutsche Naturschutzring ( •• )

u.v.a.".68* Damit geschieht dem DNR sicherlich Unrecht. Obwohl ihm seine "erste große Leistung" erst mit der "Zielformulierung in dem Entwurf eines Bundesgesetzes für Naturschutz und Landschaftspflege, den der Verband am 27.08. wird,

1970 vorlegte", zuerkannt

bemüht er sich doch immerhin seit 1950 darum,

"eine

einheitliche, übergreifende Organisationsform für die bis dahin unkoordiniert nebeneinander arbeitenden Naturschützervereinigungen" zu bieten. 69 * Die Zuordnung des DNR zum Freizeit bereich unterstreicht den Umstand, daß es vorderhand eben entsprechende Organisationen sind,

die unter seinem Dach auch

Umweltinteresse bekunden. Dies trägt sicher wesentlich dazu bei, daß das Ziel des Rings, zu sein,

'Bundesverband für Umweltschutz'

bislang nur unzureichend geltend zu machen war.

Die

Frage, wer von den Mitgliedern im Sinne des BNatG als Naturschutzverband, mithin als berechtigter Repräsentant von Umweltschutzengagement und -interessen zu gelten hat,

beschäf-

tigte wiederholt auch die Gerichte; darauf wird noch einzugehen sein.

- 58 -

Die Probleme mit der Einschätzung umweltinteressierter Verbände sind indes kaum verwunderlich. Sie haben auch mit Unsicherheit seitens der Verbandsforschung zu tun, die sich nicht nur in der unzureichenden kategorialen Verortung solcher Verbände ausdrückt, sondern auch und vor allem in der allenfalls ansatzweise geleisteten Einschätzung von 'sekundären' Vereinsfunktionen, die nicht zwangsläufig unbedeutend sein müssen. Ob zur Entstehung solcher Defizite die Mängel in der Entwicklung einer Verbändetheorie beigetragen haben, ist hier nicht zu klären, man darf es jedoch vermuten. Daß Umweltinteressen zunächst hauptsächlich neben anderen verbandlichen Anliegen organisatorische Berücksichtigung fanden, dies zumindest angegeben wurde, drückt sich in einem Befund von P. Raschke aus, nach dem es Ende der 60er Jahre in "Frankfurt keine generalisierende Umweltschutzvereinigung" gegeben hat; entsprechende Vereine "bezogen sich auf Stadtteile (4), den Frankfurter Stadtwald und den Palmen garten oder galten den Denkmälern". Für Erweiterungen des Verbändesystems hält Raschke die Umweltdiskussion zum Zeitpunkt der Untersuchung für noch nicht ausreichend fortgeschritten und trägt nach: "inzwischen gibt es einen 'Bund Natur- und Um70 Im Jahre 1983 zieht Th. Ellwein,

weltschutz Deutschland'".

*

auf allgemeiner Ebene, eine deutlich andere Bilanz: "Die Umweltschutzbewegung erweist sich zwar als äußerst zersplittert und findet im Verbändesystem nicht ohne weiteres ihren Platz. Es gibt sie aber, und sie hat erheblichen Einfluß gewonnen, so daß 'allgemeine Werte' des Umwelt-, Landschafts- und Naturschutzes zum einen intensiv vertreten werden und zum anderen die Parteien dem Tatbestand jener Bewegung nicht aus71 weichen können".

*

Schwieriger scheint es allerdings, diese Bewegung genauer zu fassen,

insbesondere die Struktur ihrer verbandlichen Organi-

sation zu bestimmen und die Berücksichtigung von Umwe1tinter-

- 59 -

essen durch unterschiedliche Verbandstypen zu beschreiben. Aus den bisherigen Bemühungen um grundlegende typologische Strukturierung der Verbändelandschaft ergeben sich kaum Ansatzpunkte, welche dieses Anliegen zu erleichtern vermögen. H. Schneider z.B. unterscheidet 'Unternehmerische Interessenverbände'

von 'Mittelständischen Gruppen', reiht die Sozial-

verbände' an die 'Arbeitnehmerverbände' , bündelt 'Freizeitvereinigungen,

politisch-ideologische Gruppen'

und 'lebens-

ständische Organisationen' zu einer Kategorie und weist schließlich den Kirchen eine herausgehobene Stellung zu.

72

*

Spezifische Umweltverbände kommen nicht vor; in den Erläuterungen zu den 'Freizeitorganisationen' fehlt jeder Hinweis auf das von ihnen auch vertretene Umweltschutzinteresse. Anders dagegen Th. Ellwein, der die "Vereinigungen innerhalb des Wirtschafts- und Arbeitssystems" von denen des "sozialen Bereichs", die "Vereinigungen des Freizeitbereichs" und die 'wertorientierten Vereinigungen' unterscheidet. "Vereinigungen von politischen Körperschaften des öffentlichen Rechts" ergänzen als "Sonderfall"

die Untergliederung. Schon im Über-

blick findet sich der Hinweis, daß Freizeitvereinigungen neben der Pflege von Hobby, Sport und Geselligkeit "auch der 73

Wahrnehmung sich damit verbindender Interessen dienen".

*

Den wertorientierten Vereinigungen ordnet er neben denjenigen Bürgerinitiativen, die sich "mehr oder weniger konkret mit Fragen des Umweltschutzes befassen und dies dauerhaft tun", auch die spezifischen Umweltverbände zu. KI. v. Beyme trifft eine Unterscheidung, welche die ökonomisch, also materiell interessierten, von den nicht ökonomisch, mithin ideell ausgerichteten Gruppen und Verbänden trennt. Unbeschadet der zu dieser Trennung vorgetragenen Kri74 .. tik behält er sie als Grundlage seiner weiteren Uberlegun75 gen bei, erweitert den zuletzt genannten Bereich der 'Pro-

* *

motional groups' um die 'advokatorischen Gruppen für allgemeine Interessen' -

'Public interests groups'- und bezieht

- 60 -

1980 auch die

Bür~6rinitiativen

ausdrücklich eiq.

*

bzw. einen Teil von ihnen

Auf den Umweltschutz gewendet, erschei-

nen damit immerhin solche Organisationen, wie die 'National Wildlife Federation', aber auch der 'Sierra Club' mit besonderer Deutlichkeit abgebildet. Außerdem wird verbandstheoretisch auf jene Entwicklung Bezug genommen, die sich mit den Überlegungen zum Bedeutungsgewinn postmaterialistischer Werte verbindet und möglicherweise die Richtung künftiger Verbandsforschung bestimmt. Es bleibt jedoch das Problem, daß Teile des Verbändesytems die Vertretung umweltschützender Interessen mit der von anderen, weit weniger 'allgemeinen' Anliegen verbinden. Damit findet Umweltschutz verbandliche Organisation, ohne daß man eigentlich von 'Public interests groups' sprechen kann. Der 'Sierra Club' zählt z.B. zu den Organisationen, die man sicher zu Recht der 'ökologischen' Bewegung in den USA zurechnet. Er ist jedoch nicht zu diesem Zweck gegründet worden, organisiert auch noch andere Interessen und läßt sich - mit Vorsicht - wohl mit dem Deutschen Alpenverein vergleichen, obwohl dieser in der Bundesrepublik eine andere Rolle in der Umweltschutzdiskussion spielt, als dies der 77 Sierra Club in den USA tut. Aber auch der Alpenverein

*

organisiert neben den bereits genannten Organisationen eine Reihe von Interessen, vor allem solche, die zu Sport und Freizeit in Beziehung stehen. Daneben kümmert er sich auch, zumindest tut dies die Verbandsspitze, um Umweltschutz. Die systhematische Aufarbeitung der Besonderheiten solcher Verbände, die sich überlagernde und mitunter entgegengerichtete Interessen organisieren steht noch weitgehend aus. Unbeschadet der gängigen Muster zur Gliederung des gesamten Verbändesystems, erscheinen vor allem zwei Möglichkeiten denkbar, auf welche Weise Umweltschutz als zu vermittelndes Interesse und partizipatorisches Bedürfnis verarbeitet wird: In erweiternder Veränderung des Systems treten einerseits solche Organisationen in Erscheinung, die sich ausschließlich

- 61 -

zumindest ganz überwiegend zur verbandlichen Organisation des Umweltschutzes konstituieren. Sie bilden zusammen mit denjenigen bestehenden 'traditionellen' Verbänden, die unter Veränderung bisheriger Prioritäten Umweltschutz ebenfalls ausschließlich oder ganz überwiegend zu ihrem Vereinszweck machen, die Gruppe der primären Umweltverbände. Ein anderer Teil der Verbände verbindet das Intere~se an Umweltschutz mit anderen bestehenden bzw vorrangig organisierten Interessen. Die Verbindung wird sich unterschiedlich ausprägen, insgesamt aber insofern nachrangig bleiben, als sie die Prioritätenfolge der Vereinsziele nicht grundsätzlich verändert, insbesondere den eigentlichen Organisationszweck nicht ersetzt, möglicherweise sogar mit ihm konfligiert. Danach lassen sich alle die Organisationen, die sich in der beschriebenen Weise auch für Umweltschutz interessieren, zur Gruppe der sekundä;::-Umweltverbände zusammenfassen. 78

*

Jede idealtypische Unterscheidung bringt Unschärfen mit sich, neigt dazu, solche Typen zu schaffen, die sich nicht irgendwo berühren, sich nicht überschneiden und sieht Problemfälle meist nicht vor. Dies kann auch nicht die Aufgabe von Typologien sein. Denkt man die daraus sich ergebenden Einschränkungen aber jeweils mit, eröffnet sich mit der vorgenommenen Einteilung die Möglichkeit, die Ausprägung umweltverbandlicher Interessenverarbeitung und Beteiligung zureichend kategorial zu fassen und damit der Analyse und Einschätzung zugänglich zu machen. Bezieht man die getroffene Unterscheidung auf die bisherigen Überlegungen, lassen sich bestimmte Erwartungen für die Struktur der verbandlichen Organisation von Umweltinteressen formulieren.

-

62 -

Für die über Freizeitbeschäftigung mit der Natur verbundenen sekundären Umweltverbände wurde zumindest nicht ausgeschlossen, daß sie über die örtliche Betroffenheit sich dem Umweltschutz stärker öffnen. Die Organisation der Primärinteressen richtet sich jedoch nach den beschrieben Mustern der Abgrenzung von Politik. Dies wird letztlich auch die Organisation von Umweltinteressen dominieren und mit dazu beitragen, daß sie sich eher bei primären Umweltverbänden konzentriert.

- 63 -

1.3

Voraussetzungen und Möglichkeiten umweltverbandlicher Interessenvermittlung

1.3.1

Praktische Aktion und Öffentlichkeitsarbeit

Von J. Bölsche wird der Vorwurf erhoben, die Naturschutzbewegung, die an Schutz und Erhaltung natürlicher Umwelt interessierten Vereine und Verbände hätten weitgehend versagt. Es sind zwar "mehr als drei Millionen Mitglieder von 94 Verbänden, die im Deutschen Naturschutzring zusammengeschlossen sind, von den sozialistischen 'Naturfreunden' bis zur Aktion Saubere Landschaft e.V., von der Schutzgemeinschaft Deutscher 1 *, doch Erfolg

Wald bis zur Schutzgemeinschaft Deutches Wild"

scheint dieser Zusammenschluß nicht zu begründen. Angesichts der kaum gebremsten Verschlechterung des Zustandes von Wasser, Boden und Luft sowie des damit einhergehenden stetigen Artenschwundes, werden "die Methoden ( •• ), derer sich die meisten westdeutschen Naturschützer noch immer bedienen", als 2 "nachgerade naiv, bisweilen rührend" eingeschätzt.

*

Der Erfolg oder Mißerfolg des naturschützerischen und umweltpolitischen Bemühens steht hier nicht zur Debatte, noch weniger die dafür in Frage kommenden Ursachen. Das hier gesteckte Ziel ist bescheidener. Der Vorwurf des Versagens, der folglich mißlungenen Interessenorganisation und -vermittlung verdeutlicht aber die Notwendigkeit, nach den grundsätzlichen Optionen des verbandiich organisierten Umweltschutzes zu fragen. Auf das Untersuchungsziel gewendet, ist demnach vor einer empirischen Analyse zu klären, was von den Umweltverbänden 'zu erwarten' ist, welche Möglichkeiten sich ihnen eröffnen, welche Umstände die Nutzung solcher Möglichkeiten begünstigt, verhindert oder aber doch zumindest einschränkt und welche begrenzende oder determinierende Wirkung den sekundär umweltinteressierten Verbänden aus der jeweiligen Interessenüberlagerung erwächst.

- 64 -

Damit ist die Palette jener Chancen zur Artikulation und Organisation von Interessen ins Licht gerückt, die sich einerseits aus den Vorgaben des repräsentativen Systems ergeben, andererseits aber aus dem Bestreben zu unmittelbarer Partizipation enstehen und damit bestehende Vermittlungsstrukturen gerade zu durchbrechen suchen. Die Rangfolge der Institutionen und Personen, an die sich Interessenvertretung richtet, wird dabei bestimmt von administrativer Differenzierung,

von

dem substanziellen wie prozessualen Bedeutungsverlust der Parlamente und nicht zuletzt von den Veränderungen innerhalb des Parteiensystems. Es erübrigt sich hier, die potentiellen Adressaten verbandlicher Interessenrepräsentation aufzuli3 sten; in den folgenden Uberlegungen, welche die Besonder-

*

00

heiten der Umweltpolitik miteinbeziehen,

stehen vor allem die

'öffentliche Meinung', die Administration und die Parteien im Mittelpunkt des Interesses. An dieser Stelle ist zunächst auf eher pragmatische Weise eine Einteilung vorzunehmen,

die den

'unpolitischen' Umwelt-

schutz von dem umweltpolitischen Engagement trennt. Es ist die direkte praktische Aktion, meist von Vereinen, von dem zu unterscheiden,

was sich als politisches Engagement fassen

läßt, mithin in der Hauptsache auf Beeinflussung des politisch-administrativen Prozesses abzielt. Eine solche Unterteilung ist mit Vorsicht zu treffen: Die von einem Verein organisierte und von den Mitgliedern getragene praktische Aktion mag neben der direkten Wirkung auf die Umwelt berung eines Wald- oder Uferabschnittes -

die Säu-

auch die Öffent-

lichkeit und die lokale Politik beeinflussen. Eine derartige Wirkung entsteht jedoch eher beiläufig und ohne den erforderlichen Nachdruck. Anders verhält es sich, wenn man sich gezielt an die Politik wendet, sich mit ihr auseinandersetzt und dabei auch auf Widerstand und Ablehnung stößt. Dabei kommen Verbandsvertreter schon einmal zu "dem Resümee, Natur

- 65 -

schützer seien in Westdeutschland nur als 'Konkursverwalter und Papieraufklauber willkommen'".

4

*

Zwar findet sich auch

bei anderen gesellschaftlichen Organisationen -

etwa den

Wohlfahrtsverbänden - ein Nebeneinander von praktisch-vereinssolidarischem Engagement und Interessenwahrnehmung, die praktische Aktion spielt aber vor dem Hintergrund der von politischer Auseinandersetzung dominierter Entwicklung des Umweltschutzes hier eine besondere Rolle: Gerade auf Seiten der traditionellen,

sekundär an Natur- und Umweltschutz

interessierten Organisationen ist mit einer Konzentration der verbandlichen Aktivitäten auf die Beseitigung der meist ohne größeren wissenschaftlichen Aufwand auszumachenden Beeinträchtigungen des Teils der Natur zu rechnen,

dem man sich

konkret zuwendet. Dabei wird sich das spezifische Interesse an dem Intaktsein von Naturausschnitten da und dort auch verbreitern und vertiefen: Der Gewässerwart des Anglervereins überwacht auch den chemischen Zustand des Wassers, der Vogelschutzverein beabsichtigt mit dem konkreten Einsatz zur Schilfpflege zur Erhaltung eines komplexen Biotops beizutragen. Der zuerst genannte Verein wird sich im Falle einer eingetretenen Verunreinigung möglicherweise auch an die zuständige Behörde, mithin an die lokale Politik wenden. In aller Regel wird solches Engagement aber punktuell und jenseits einer in die Sphäre politischer Regulierung zielender Interessenvermittlung bleiben. Damit ist hier der Schwerpunkt des Engagements in sekundär an Umweltschutz interessierten Vereinen zu erwarten, da man auf diese Weise wohl am wenigsten mit der dort geübten politischen Zurückhaltung in Konflikt gerät. Von der unmittelbar auf die Natur gerichteten Aktion sind somit alle jene Aktivitäten zu unterscheiden, mit denen man sich nicht nur dann und wann an die Politik wendet, sondern dies verstetigt tut und sich damit auch zu einem Teil von ihr 5 macht. Folgt man Th. Ellwein * in der Unterscheidung von

- 66 -

Zugangsmöglichkeiten zur politischen Willensbildung und Regulierung in solche vor und nach der Wahl und bezieht dies auf die Vermittlungs- und Organisationsoptionen von Umweltschutzinteressen, ergeben sich daraus vor allem zwei, die umweltpolitische Beteiligung bestimmende Faktoren: Einer davon besteht in der Besonderheit des Politikfeldes, der andere ergibt sich aus Struktur und Konstitution umweltinteressierter Verbände. Der erste verweist zusammen mit den Defiziten der Organisation und Vertretung eher allgemeiner Interessen zuerst auf solche Möglichkeiten, wie sie sich aus der öffentlichen Diskussion und der Einwirkungschancen auf sie ergeben und auf die institutionalisierte Beteiligung am Prozeß der Politikformulierung und der Programmimplementation; davon wird zunächst die Rede sein. Sowohl die institutionelle Einflußnahme als auch die öffentlich geführte Diskussion haben organisatorische, finanzielle, aber auch programmatische Voraussetzungen und gründen sich nicht zuletzt auf einen zumindest leidlich funktionierenden Kommunikationsprozeß zwischen Mitgliedern und Vereinsführung, zwischen Mitgliedsorganisationen und Dachverband, mindestens aber auf einen Zugang der Verbandsführung zu den Mitgliedern; darauf ist später noch einzugehen. Vor der Wahl begründet vor allem ein mobilisierbares Wählerstimmenpotential den Einfluß eines Verbandes. Die großen und damit wahlpolitisch relevanten Verbände können heute als weitgehend parteipolitisch immobil gelten. Ihre wahlbeeinflussende Bedeutung, einschließlich die der Kirchen, hat sich damit eher reduziert. Der Schwerpunkt der Politikbeeinflussung hatte sich bis zu den Affären um die Parteispenden zunehmend auf die finanzielle Intervention verlagert. Dem Umweltschutz eröffnen sich auf diesem Felde nur wenig Chancen. Die einschlägig interessierten Verbände verfügen nicht über die entsprechende Zahl an Stimmen bzw präsentieren sich in

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einem zwar mitgliederstarken Zusammenschluß (DNR), der jedoch höchst unterschiedliche und zahlreiche eigenständige Organisationen nur assoziiert, so daß man von einer die Beeinflussung der Stimmabgabe bedingenden Homogenität nicht ausgehen kann. Davon abgesehen muß sich verbandiich organisierter Umweltschutz wohl davor hüten, sich parteipolitisch festzulegen, oder dies in Aussicht zu stellen. Man würde sich damit das Aktions- und Einflußfeld sicherlich beschneiden bzw sich der für den Verband gefährlichen umweltpolitischen Sogwirkung einer Partei aussetzen. Dies gilt sowohl für die sekundären Umweltverbände als auch für die primären,

6

*

obwohl letzte-

re, durch mehr oder weniger offenkundiges Liebäugeln mit den 7 Grünen, Druck auf die anderen Parteien auszuüben suchen.

*

Dabei ist man sich der zu erwartenden Machtverteilung nach der Wahl aber durchaus bewußt. Gehören die Umweltverbände damit zu denjenigen Vereinigungen, die aus dem Wettlauf um Einfluß 'vor der Wahl' ausscheiden? Für die fehlenden, zur Verschiebung geeignete Stimmenzahl einen Ausgleich mit Geld zu schaffen, kommt fraglos nicht in Betracht. Zu bedenken ist allerdings, daß es sich heute auch keine der etablierten Parteien mehr leistet, das Thema Umweltschutz nicht zu besetzen. Möglicherweise eröffnet dies in Verbindung mit dem Zugang zu den Medien gewisse Einflußchancen. Es ist gegenwärtig jedoch noch nicht abzusehen, welche Konsequenzen sich für die Entwicklung solcher Optionen aus der quantiativen und qualitativen Stabilisierung der Grünen ergeben. Die 'Politisierung' des Umweltschutzthemas. die fehlende Anbindung umweltschützerischer Interessen an ökonomisch und politisch sanktionsfähige Statusgruppen verlangen auch in der Phase 'nach der Wahl' nach öffentlicher Auseinandersetzung. Umweltverbandliche Öffentlichkeitsarbeit kann sich dabei auf vielfältige Weise präsentieren: Sie reicht von der Begehung eines Pfades zur Demonstration von Wald schäden mit Inter-

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essierten und Journalisten über massenmedienwirksame Einzelaktionen und Kampagnen, der Organisation von Protest in Großdemonstrationen bis hin zur Formierung von unmittelbarem, mitunter gewalttätigem Widerstand gegen umweltbeeinträchtigende Großprojekte. Läßt man den lediglich auf die unmittelbare Verhinderung von Umwelteingriffen zielenden Widerstand einmal außer acht,

bleibt die Zielsetzung dabei in etwa

die gleiche: es soll situativ, aber auch langfristig die Zahl derer vergrößert werden, die den Schritt von der Gesinnung zum Engagement tun. Die Erfolgschancen politischen Drucks hängen dabei entscheidend von der Problemlage und vor allem von der Vertretungsintensität der Gegeninteressen ab. Die mit Aussicht auf Erfolg betriebene Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit braucht die Vermittlung. Vermittlung setzt den Zugang zu den Medien voraus,

insbesondere zu dem lokal

noch immer dominierenden Medium der Zeitung, muß sich andererseits aber auch auf die eigene Basis stützen können. Trotz der erkennbaren Sensibilität und Aufmerksamkeit der Medien gegenüber dem zunehmend ubiquitären Umweltproblem, ist es zumindest zur dauerhaften Sicherung des Zugangs zu ihnen notwendig, nicht nur auf eine breite Mitgliederbasis verweisen zu können;

sie muß sich gelegentlich auch mobilisierbar zei-

gen. Gewiß läßt sich auch durch spektakuläre, demonstrative Aktionen, wie sie von Gruppen wie 'Greenpeace' oder auch von 'Robin Wood'

immer wieder durchgeführt werden, öffentliche

Aufmerksamkeit erregen. Solche Organisationen werden zwar von Fall zu Fall auf unterschiedlich intensive Zustimmung und Sympathie stoßen, sie werden jedoch nie auf einen breiten Zulauf hoffen können; letzteres dürfte auch wohl kaum in ihrer 8 Absicht stehen.

*

Die Art und Weise der Problemlage und Auseinandersetzung in einem Politikfeld bestimmt auch die Möglichkeiten des darauf bezogenen Engagements und dessen organisatorische Vermitt-

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lung. Die öffentliche Diskussion und ihre Beeinflussung wird damit zu einem zentralen Mittel umweltverbandlicher Beteiligung. Die primären Umweltverbände, die nicht auf das Austarieren unterschiedlicher Interessen in den eigenen Reihen Bedacht zu nehmen haben, die überdies die grundsätzliche Bereitschaft ihrer Mitglieder zu politischem Engagement wohl voraussetzen können, werden hier ungehinderter agieren können, als es die sekundären Vereine und Verbände zu tun in der Lage sind. Auch umweltpolitische Dachverbände der letztgenannten werden Rücksicht auf Interessenvielfalt und -gegensätze bei den Mitgliedsorganisationen zu nehmen haben. Die Einschätzung, in welchem Umfang und mit welcher Ausprägung umweltschützerisches Engagement sich verbandIich organisiert, macht einen Überblick über die öffentlich geführte Diskussion und ihre Akteure zur Voraussetzung. Es wird zu untersuchen sein, wer sich überhaupt an ihr beteiligt, wer sie ggf. dominiert, welchen Anteil die eher traditionellen Verbände nehmen und wie sich dies zur Beteiligung der Bürgerinitiativen verhält.

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1.3.2 Institutionelle Partizipation Im Gegensatz zu der in ihrer Wirkungsweise und -intensität nur schwer und meist mit erheblichem Zeitverzug erkennbaren Beeinflussung der politischen Regulierung über die öffentliche Diskussion, eröffnen institutionalisierte Formen der Beteiligung einen eher direkten Zugang zur Sphäre der politischen Regulierung. Zu unterscheiden sind dabei zunächst solche Beteiligungsmöglichkeiten, die sich auf die Politikformulierung, die Rechtsetzung beziehen und solche, die sich zur Anwendung rechtlicher Vorgaben, zur Programmimplementation und zur umweltrelevanten Planung ergeben. Im ersten Fall geht es vor allem um Möglichkeiten, wie sie sich etwa aus der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO)

9

*

ergeben und die, neben anderen gesell-

schaftlichen Interessenorganisationen, auch den Umweltschutzverbänden gewisse Chancen zur Beeinflussung politisch-administrativer Verfahren eröffnen. Die aus der Verfassungsstruktur sich ergebende Verteilung der umweltbezogenen Gesetzgebungskompetenz begründet die herausragende Bedeutung der zentralstaatlichen Ebene in diesem Zusammenhang; die Beteiligung an der Politikformulierung wird damit zu einer Aufgabe der Dach10 und Spitzenverbände. * Sie verfügen im Zweifelsfall über die nötigen Kontakte zur Verwaltung und zu anderen Verbänden und auch über das erforderliche prozedurale Wissen. Diese Art der Interessenvermittlung hat nicht nur die kontinuierliche Beobachtung von öffentlichen, partei- und behördeninternen Diskussionsverläufen zur Voraussetzung, sondern erfordert auch - mit dem Anspruch gegen meist gut organisierte Gegeninteressen bestehen zu wollen -

ein erhebliches Maß

an umwelt- und administrationsspezifischer Sachkenntnis. Dem geballten Expertenwissen, welches etablierte Interessenverbände mit entsprechend umfangreichen und spezialisierten

-

71 -

Stabsorganisationen ins Spiel zu bringen vermögen,11* werden Umweltverbände schon aufgrund einer deutlich geringeren Finanzausstattung nur bedingt Vergleichbares entgegenzusetzen haben. Einen gewissen Ausgleich dürfte allerdings derjenige Sachverstand schaffen, welcher sich für die Sache des Umweltschutzes ohne finanzielle Gegenleistung innerhalb und außerhalb eines Umweltverbandes mobilisieren läßt. Bedingung bleibt auch hier eine dauerhaft präsente Verbandszentrale, die den Bedarf an Sachwissen wenn nicht vorhält,

so doch ihn

rechtzeitig ermittelt, die erforderlichen Aktivitäten koordiniert und dem Ergebnis -

eine Stellungnahme oder Forderung -

ggf. durch öffentliche Argumentation den nötigen Nachdruck verleiht. Damit ist das Gewicht angesprochen,

das den in in-

stitutionalisierte Beteiligungsverfahren eingebrachten Argumenten von Interessenverbänden beigemessen wird. Die Interessenberücksichtigung, die über das Maß hinaus geht, welches sich für den Umweltschutz aus dem aktuellen politischen Klima und aufgrund paternalistischer Verhaltensmomente der Verwaltung ohnehin ergibt, wird sich in besonderer Weise nach dem bemessen, was ein Umweltverband ins Feld zu führen hat:

Neben

anderen Faktoren ist es nicht nur die Zahl der Mitglieder, sondern auch und vor allem Art und Intensität des Engagements seiner Mitglieder, welches auch über Erfolge der administrationsbezogenen, institutionalisierten Beteiligung mitentscheidet. Umweltverbände haben nur sehr bedingt jenes spezifische Faktenwissen anzubieten, welches Steuerungskapazitäten schafft, erweitert oder zumindest sichert; sie eröffnen ebenfalls nur bedingt den Zugang zu sozio-ökonomisch relevanten Gruppen. Agrarpolitik wird sich z.B. nicht, mindestens aber nicht auf Dauer, am Bauernverband vorbei betreiben lassen, nicht nur aufgrund machtvoll organisierter Interessenvermittlung, sondern eben auch wegen der notwendigen Kanalisation von Informationen und dem Bereithalten entsprechender Zugänge zu den

- 72 -

Politikadressaten.

12

*

Umweltpolitische Regulierung hat dage-

gen sehr viel weniger auf Zugänge zu denen zu achten, die einen entschiedeneren Umweltschutz fordern. Auch den von einer Vielfalt von Fachbehörden bereitgestellten Sachverstand vermögen Umweltverbände höchstens punktuell zu ergänzen oder infrage zu stellen. Sich auf gegengutachterliche Intervention zu verlegen, wird damit zusehends schwieriger, zumal die mit Umweltschutz befaßten Teile der Verwaltung zumindest fallweise die zuletzt genannte Funktion gegenüber dem politisch-administrativen System übernommen haben.

y~samten

*

Umso

stärker muß demzufolge verbandliches Potential zur Legitimationssicherung und -verbreiterung ins Gewicht fallen. Ergänzenden Sachverstand sichert sich die Verwaltung auch durch eine Vielzahl an Bei- und Sachverständigenräten. Dementsprechend wurden auch innerhalb der Umweltpolitik solche Gremien installiert, die jedoch kaum ein verbandsspezifisches Beteiligungsinstitut darstellen. Der 'Beirat für Naturschutz 14 und Landschaftspflege' beim Landwirtschaftsminister z.B.

*

ist mit 'anerkannten Sachverständigen für Fragen des Naturschutzes' zu besetzen, die sicherlich einem Umweltverband angehören können, ihn aber dort im Zweifelsfall nicht zu vertreten haben. Im übrigen ist in der Regel die Bedeutung eines beratenden Gremiums, dessen Besetzung sich der Minister vorbehält, eher begrenzt. Eine intensivierte, implementationsbezogene Beteiligung könnte man für die Ebene der Kreise und Gemeinden erwarten: Einerseits erscheint es nicht abwegig, eine wachsende Offenheit der Verwaltung nach umweltverbandlichem Sachverstand auf grund der Diskrepanz zwischen dem Ausfüllungsbedürfnis umweltrechtlicher Vorgaben und der mit der jeweils niedrigeren Verwaltungsebene eher abnehmenden Verfügbarkeit von Experten15 wissen anzunehmen; darüber hinaus ist dies die Ebene, wo

*

sich umweltpolitische Betroffenheit konkret erfahren läßt:

- 73 -

Hier wird raum- und umweltrelevant geplant, wird ein Gutteil der einschlägigen Genehmigungen erteilt oder versagt,

werden

konkrete umweltschützende Maßnahmen getroffen oder unterlassen. Öffnet sich hier dem auch örtlich präsenten und sachverständigen,

über intakte Kommunikationsstrukturen verfügenden

Verband ein weites und womöglich wirksam zu nutzendes Beteiligungsfeld? Zweifellos muß sich zudem auch hier jenes Engagement herausbilden und organisatorisch verankern,

welches

ein Umweltverband in den zentralen Politikprozeß einbringen kann und muß,

wenn er der globalen und supranationalen Dimen-

sion des Umweltproblems gerecht zu werden sucht. Direkte verbandsspezifische Beteiligungs- und Einflußinstitute existieren auch hier nur vereinzelt,

vorwiegend im Bereich des Na-

turschutzes und der Landschaftspflege. In den anderen Teilfeldern bietet das Umweltrecht kaum umweltverbandliche Mitwirkungsmöglichkeiten; des Einzelnen.

sie bestehen meist als Einflußchancen

Dagegen eröffnet das Bundesnaturschutzgesetz

(BNatG) "rechtsfähigen und zu diesem Zweck besonders anerkannten Vereinen "16* ein Recht zur Stellungnahme:

"- bei der Vorbereitung von Verordnungen und anderen ( ••• ) Rechtsvorschriften der für den Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden, bei der Vorbereitung von Programmen und Plänen im Sinne der

§§

5 und 6 BNatG, soweit sie dem Einzelnen gegenüber

verbindlich sind, -

in Planfeststellungsverfahren für Vorbehalte,

die mit

Eingriffen in Natur und Landschaft im Sinne des

§

9 BNatG

verbunden sind "17* Dieses gesetzlich eingeräumte Recht zu verbandlicher Beteiligung gewinnt hauptsächlich auf der lokalen und regionalen Ebene an Bedeutung. Für die nach dem Gesetz vorgesehene

-

74 -

Anerkennung der Verbände ist in der Regel das entsprechende Landesministerium zuständig,

zu dessen Aufgabenbereich der

Natur- und Umweltschutz zählt. Für die Mitwirkung an solchen Maßnahmen und Planungen, fallen,

die in die Zuständigkeit des Bundes

zeichnet der Bundeslandwirtschaftsminister verant-

wortlich. Die Anerkennung ist dem entsprechenden Verein dann zu erteilen, wenn er:

"

nach seiner Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Naturschutzes und der Landespflege fördert, - nach seiner Satzung einen Tätigkeitsbereich hat, der mindestens das Gebiet eines Landes umfaßt, -

die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bietet; dabei sind Art und Umfang seiner bisherigen Tätigkeit, der Mitgliederkreis sowie die Leistungsfähigkeit des Vereins zu berücksichtigen,

- wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke ( •. ) von der Körperschaftssteuer befreit ist, - den Eintritt jedermann ermöglicht, der die Ziele des Vereins unterstützt"18* Der umfangreiche Voraussetzungskatalog, der -

nota be ne -

le-

diglich ein Anhörungsrecht begründet und keinerlei Sanktionsmöglichkeit, etwa eine Klagebefugnis in Aussicht stellt, ist darauf ausgerichtet, vorwiegend die stabile verbandliehe Organisation zur zentralen Voraussetzung für die Gewährung einer institutionellen Mitwirkungsoption zu machen. Auch die in den Naturschutz- und Landespflegegesetzen der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Schi eswig-Holstein vorgesehenen Naturschutz- bzw Landespflegebeiräte sehen nur die Beteiligung des Einzelnen vor.

- 75 -

Praktisch läuft das dennoch auf eine indirekte Verbandsbeteiligung insofern hinaus, wenn die sachverständigen 'Vertreter des Naturschutzes' vornehmlich in den Reihen der einschlägig interessierten Verbände zu suchen sind. Zu vermuten wäre, daß sich hier gerade für die traditionell und meist sekundär umweltschutzinteressierten Vereinigungen eine besondere Beteiligungschance ergibt, da sie im Zweifelsfall über die besseren, weil seit langem bestehenden, informellen und teilweise auch formalen Beziehungen zur Verwaltung verfügen. 19

*

Mit der institutionellen Beteiligung verbinden sich mitunter auch Möglichkeiten zur unmittelbaren, informellen Einflußnahme auf einzelne Entscheidungsträger und -gremien. Solche eher 'diplomatische' als politische und insbesondere an Honoratioren gebundene Wege eröffnen sich sowohl auf der zentralstaatlichen als auch auf der Kommunal- und Kreisebene. Der Erfolg, mit denen sie sich beschreiten lassen, wird aber immer dann bescheiden ausfallen, wenn andere, im Zweifel gewichtigere Interessen ins Spiel gebracht werden. Eine direkte Verbandsbeteiligung kommt nur bezogen auf die Vereinigung der Jäger und bei der Bildung der Jagdbeiräte zum Tragen. 20 * Ergänzend sei auch die Beteiligungsmöglichkeit genannt, die sich durch die 'Vertretung des Naturschutzes' in den nach § 9 ROG und nach Vorgaben des jeweiligen Landesrechts zu bildenden Raumordnungs- und Landesplanungsbeiräten ergibt. Weitere, ebenfalls indirekte Beteiligungsmöglichkeiten könnten dem Umweltverband vor Ort dadurch erwachsen, daß betroffenen Einzelnen Beteiligungs- und Einwendungsrechte bei förmlichen Verwaltungs- und Planfeststellungsverfahren zugestanden werden. Für den Bereich des Natur- und Umweltschutzes ist insbesondere den atom- und immissionsrechtlichen Genehmigungsverfahren eine besondere Bedeutung beizumessen.

- 76 -

Das Planfeststellungsverfahren eröffnet vor allem zu den Problembereichen der Abfallbeseitigung, der Kernenergie, des Luftverkehrs, zu solchen des Schienenwege- und Straßenbaues, des Wasserbaues und - allerdings weniger bedeutend - zu solchen der Planung von Fernmeldeeinrichtungen und besonderen Anlagen zu Personenbeförderung, verfahrensrechtliche Beteili21 gungsoptionen. * Die Auseinandersetzung um umweltpolitisch umstrittene Großprojekte zeigt, daß individuelle Beteiligungs- und Einspruchsmöglichkeiten in erheblichem Umfang auch den Verbänden und Bürgerinitiativen ein Aktionsfeld bieten oder - umge22 gerade ihre Herausbildung provozieren. * Von den je-

kehrt -

weiligen Organisationen wird dann fachliche,

juristische und

sicher auch psyschisch-moralische Unterstützung erwartet, die es den Einzelnen ermöglicht, solche Verfahren durchzustehen. Indem solche Hilfen angeboten werden, verbreitert sich auch der Kreis derjenigen, die sich nicht nur betroffen fühlen, sondern auch bereit sind, dieser Betroffenheit durch einen Einspruch, durch Wahrnehmung von Beteiligungsrechten in den genannten Verfahren Ausdruck zu geben.

1.3.3 Innerverbandliche Voraussetzungen Die Struktur der Verbände gewinnt mit der Wahrnehmung von Beteiligungsoptionen an Bedeutung, insbesondere dann, wenn

sol~

che Mitwirkungsmöglickeiten als rechtliche Institute darstellen. Die Frage nach der spezifischen Konstitution einzelner Verbände und komplexer Verbandsgebilde wurde wiederholt angesprochen; Antworten darauf werden insgesamt zu einem Schlüssel für die Einschätzung des jeweiligen Potentials und der Organisationsintensität von umweltschützerischem Engagement.

- 77 -

Die verbandliehe Konstitution ergibt sich zu einem Gutteil aus der Verfügbarkeit von Ressourcen, zu denen insbesondere die finanzielle und personelle Ausstattung zu rechnen ist, und aus den Zugriffsmöglichkeiten auf Kommunikationsstrukturen und spezifischen Sachverstand. Es geht darüber hinaus etwa um die Prozesse zur Entscheidungsfindung und Problemlösung sowie um die Zahl und die soziale Schichtung der Mitglieder, um motivational zu Buche schlagende Besonderheiten ihrer Struktur und schließlich auch um die Entstehung, die Identitätsfindung und -veränderung der Organisation und um das, was an formaler und informaler Programmatik erkennbar wird; kurz: All'

jene Spezifika, die einen Verband typisie-

ren, ihm sein Gepräge und seinen Handlungsspielraum verleihen. Die Aufarbeitung des organisierten Umweltschutzes in allen seinen Einzelheiten, darauf wurde bereits hingewiesen, ist zum einen mit der vorliegenden Studie nicht zu leisten und zum anderen durch die zentrale Fragestellung auch nicht unmittelbar intendiert. Letztere verlangt hier allerdings nach der Beachtung von hauptsächlich zwei Perspektiven: Die eine richtet sich auf die Erfassung der institutionellen und öffentlichen Beteiligung der Verbandsspitzen und der Verbändebasis. Die andere fordert die Ermittlung von konstitutionalen Determinanten der großen umweltinteressierten Dach- und Spitzenverbänden. Von der ersten wurde bereits gesprochen, die Konkretisierung der zweiten macht eine Auswahl aus der bereits angedeuteten Vielfalt innerverbandlicher Strukturfaktoren erforderlich. Sie orientiert sich, wie bei ähnlichen Ausgrenzungsvorgängen bislang auch, an den erkennbaren Besonderheiten des Politikfeldes. Es sind dabei die Dachverbände, Zusammenschlüsse eigenständiger Organisationen, von Mitgliedsverbänden zu unterscheiden. Daneben ist zu klären, welche sepzifischen Hand-

- 78 -

lungs- und Verhaltensmuster sich für primär oder aber sekundär an Umweltschutz interessierte Verbände jeweils erkennen lassen und welche Konsequenzen sich aus deren gemeinsamer Organisation in einem Dachverband ergeben. Die Zahl der einzelnen Mitglieder wird zwar einen gewissen Anhalt dafür geben, mit welchem Nachdruck umweltverbandliche Aktivitäten möglich sind, doch wird es viel entscheidender darauf ankommen, ob sich in der Art und Intensität ihres Umweltinteresses Verwerfungen zeigen. Gibt es solche Verwerfungen, muß sich dies auch auf die programmatischen Aussagen auswi~ken,

auf die sich ein Verband festlegt oder eben nicht.

Sie werden außerdem das verbandliche Agieren in der umweltpolitischen Auseinandersetzung, seine Stellung im politischen System, die bevorzugt beschrittenen Wege der Interessenverarbeitung und die mit Vorrang avisierten Adressaten seiner Vermittlungsleistung determinieren. Die Entwicklungsgeschichte eines Verbandes spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn er seine Interessen über die ursprünglichen Primärzwecke hinaus auch auf den Umweltschutz ausdehnt, so daß zum Teil konfliktträchtige programmatische und organisatorische Veränderungsprozesse zu bewältigen waren oder sind. Die Frage, in welcher quantitativen und qualitativen, möglicherweise konfligierenden Beziehung die jeweils primär vertretenen Interessen zu denen des Umweltschutzes stehen, gewinnt auch für das Verhältnis von Verbandsführung und Basis erhebliche Bedeutung.

- 79 -

1.4 Zusammenfassung: Fragestellung und Analysekonzept

Zur Verdeutlichung der Ausgangslage sind zunächst die Ergebnisse der bisherigen Betrachtung zu rekapitulieren: Entgegen dem über Jahre hinweg hauptsächlich administrativ und quasi ohne nennenswerte Anteilnahme der Öffentlichkeit betriebenen Naturschutz im engeren Sinne,

ist Umweltschutz mit seinen un-

terschiedlichen Teilfeldern deutlich und offensichtlich auch dauerhaft mit in das Zentrum der politischen Diskussion gerückt.

Ein Gutteil dieser Entwicklung ist den Bürgerinitiati-

ven zuzuschreiben. Mit der Verstetigung und Differenzierung umweltschützerischer Aufgaben und mit der gewachsenen Bedeutung entsprechend detaillierter politisch-administrativer Regulierung gewinnen,

unbeschadet der Entwicklung neuer Betei-

ligungsformen, auch die eher tradierten Muster repräsentativer Interessenverarbeitung wieder stärker an Bedeutung. Umweltschutz stößt grundsätzlich auf breite Akzeptanz;

in der

Konkretisierung aber auf gut organisierte Gegeninteressen. Die Verteilung der Kräfte hängt so in erheblichem Maße davon ab, ob und in welcher Weise sich positive Umweltgesinnung in praktisches Engagement und konkrete Beteiligung umsetzt. Damit gerät die Frage in den Mittelpunkt, inwieweit sich Umweltschutzinteressen verbandIich organisieren, ob, unter welchen Einschränkungen und mit welchen Folgen sich das Verbändesystem offen zeigt für die Organisation virulent gewordener, eher allgemeiner Interessen. Verbandliche Vermittlung von Umweltinteressen kann dabei kaum solche Wege beschreiten wie bei der Artikulation und Vertretung ökonomischer oder berufsständischer Anliegen, da die Sanktionsfähigkeit der sogenannten

'primären'

mehr darin,

Interessen fehlt.

Die Chance besteht viel-

in der öffentlichen Diskussion Gewicht zu erlan-

gen, welches sich dann in die eher institutionelle Beeinflussung von Entscheidungsvorgängen einbringen läßt.

- 80 -

Dies bedingt die Bereitschaft, politische Konflikte auszutragen und hat zur Voraussetzung, sich dabei auf eine Basis stützen zu können. Mit den bereits genannten Organisationen, meist sind es Dachverbände, reklamiert ein bestimmter Teil des Verbändesystems für sich, Umweltinteressen verbandIich zu organisieren. Angesichts strukturell-pluralistischer Defizite muß man vermuten, daß dieser Anspruch nur bedingt eingelöst werden kann. Vor allem ist zu erwarten, daß die Beteiligung der traditionellen, an Natur- und Umweltschutz interessierten Verbände, die ihren Organisationsschwerpunkt nahezu ausschließlich vor Ort h~ben

und meist vom Deutschen Naturschutzring zusammenge-

schlossen werden, von den Mustern der örtlichen Politik bestimmt wird. Auf sie wird sich ein Dachverband, in der umweltpolitischen Auseinandersetzung nur begrenzt stützen können.

Dies ist sicher umso mehr der Fall,

je stärker andere, im

jeweiligen Verband zuvorderst organisierte Interessen, das an der Umwelt dominieren, was bei zahlreichen Organisationen des DNR auf der Hand liegt. Anders, so kann man weiter annehmen, ist es, neben den Bürgerinitiativen, bei den primären, deutlich weniger mitgliederstarken Umweltverbänden zu erwarten. Dort dürfte man eher auf die politische Dimension des Umweltschutzes stoßen, nicht zuletzt deshalb, weil dort nicht andere Organisationsmotive die Vermittlung des Umweltschutzes überlagern. Das angemessene empirische Untersuchungskonzept ergibt sich nun, angesichts der verbands- und politikfeldspezifischen Fragestellung, nicht etwa von selbst. Bislang hat man sich dem Verbändesystem analytisch eher derart genähert, daß die Einfluß- und Machtstrukturen der Verbandszentralen und Verbandsspitzen, besonders die der Großverbände, im Vordergrund standen. Anderen Teilen des Verbändesystems wurde vielfach eine marginale politische Relevanz attestiert.

- 81 -

Die auf die Vielfalt der Verbände abzielenden Studien l

*

sind

in der Regel eher soziologisch bzw organisationssoziologisch angelegt oder konzentrieren sich auf Probleme der Kommunalpolitik. Die Frage nach der überlokalen politikfeldspezifischen Bedeutung von solchen Verbänden, die nicht oder nur eingeschränkt über politisches Sanktionspotential verfügen, wurde bisher kaum gestellt. Aufgrund der Lücken in der empirischen Erforschung des Verbändesystems und der damit verbundenen Defizite der Theoriebildung 2 kann man nicht auf ein

*

methodisches Instrumentarium zurückgreifen,

das den spezifi-

schen Bedingungen des Politikfeldes Umwelt und denen der verbandlichen Vertretung von 'public-interests'

gerecht wird.

Diese Bedingungen verlangen nach einem besonderen Analysekonzept, erfordern -

etwa hinsichtlich der Bedeutung der umwelt-

verbandlichen Basis -

einen anderen Zugang, als ihn z.B. die

eher klassische Verbandsanalyse, die Analyse der organisatorischen Konstitution und der spitzenverbandlichen Programmatik, eröffnet. Im Gegensatz zur Organisation von ökonomischen Interessen -

wobei man auf deren dezentrale Ventilierung, et-

wa auf Kommunal- und Kreisebene, jedoch keinesfalls verzichtet 3 wird sich diejenige von Umweltinteressen nicht zurei-

* -

chend an Spitzenverbänden festmachen lassen. Dafür spricht,

daß sich das Politikfeld nur sehr einge-

schränkt mit anderen als vergleichbar erweist: Umweltschutz läßt sich nicht konsequent auf Gruppeninteressen zurückführen,

ihm eignet der Charakter eines 'öffentlichen Inter-

esses', was seiner interessenverbandlichen Vertretung eigene Formen und Strategien abverlangt. Letztere werden sich den spezifischen Bedingungen des Politikfeldes und den darauf bezogenen Besonderheiten des politischen Systems anpassen müssen, wenn sie Erfolge begründen sollen.

-

82 -

Die Beförderung umweltpolitischer Interessen ist in erheblichem Maße auf die öffentliche Diskussion angewiesen. Die in anderen Politikbereichen vorherrschenden Formen der Interessenvermittlung, etwa in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, sind hier nur von untergeordneter Bedeutung. Dort werden, nicht zuletzt auf grund enger Verbindungen von Verbands- und Ministerialbürokratie, zum Teil korporatistische Formen der Einflußnahme, aber auch der Informations- und Legitimationsbeschaffung, diagnostiziert. Auf Seiten des Umweltschutzes fehlen

jedoch die starken,

Informationspolitik betreibenden

und vor allem mit Sanktionspotential gegenüber dem politischen System ausgestatteten Verbände. Umweltpolitik läßt sich nicht gruppenspezifisch betreiben, demnach vermag sich auch keine starke verbandliche Organisation zu etablieren. Im Gegenteil:

Neben den primären Umweltverbänden bilden die sekun-

dären eine breite und farbige Palette von Vereinen und Verbänden mit teilweise sogar konfligierenden Primärinteressen und meist lokalem Organisationsschwerpunkt. Deswegen erscheint es unerläßlich, sich nicht allein mit der Aufarbeitung von Organisation, Struktur und umweltpolitischer Programmatik einer Auswahl von Verbänden mit überregionalem Anspruch zu begnügen, sondern in besonderer Weise auch nach ihrer Basis und deren sozio-politischer Verortung zu fragen.

Der Zugang zur Basis ließe sich auf verschiedene

Weise eröffnen;

z.B. durch eine Befragung. Dabei muß man je-

doch mit gewissen Schwierigkeiten rechnen. Zum einen ergeben sie sich daraus, daß nicht Einstellungen zum Umweltschutz erhoben werden sollen, sondern konkretes Engagement, mithin verbandliche Aktivitäten; dies müßte zudem über einen gewissen Zeitraum hinweg und nicht nur punktuell geschehen. Zum anderen geht es um die Basis bestimmter Dach- und Spitzenorganisationen, somit um konkrete Vereine, die es auch dann zu berücksichtigen gilt, wenn sie klein sind und nicht überall vorkommen. Solche und ähnliche Probleme in einem Befra-

- 83 -

gungskonzept hinreichend zu berücksichtigen, hieße zumindest einen unvertretbar hohen Aufwand treiben. Wahrscheinlicher ist aber, daß sich so kaum ein zuverlässiges Bild vom Engagement in den Vereinen vor Ort ergeben würde. Den Weg über die Verbände selbst zu suchen, sch~int aufgrund gewisser Zugangsprobleme bzw der kaum zu kontrollierenden Selektivitäten nicht unbedingt ratsam. Die Wahl fiel schließlich auf eine Presseanalyse, die in hohem Maße geeignet erscheint, den Zugang zu den örtlichen Vereinen zu ermöglichen und den Zusammenhang mit der lokalen Umweltschutzdiskussion herzustellen. Die Zeitung ist trotz den neue ren Entwicklungen im Bereich der elektronischen Kommunikationsmittel nach wie vor das wichtigste lokale Medium. Unbeschadet der einschlägigen Kritik, der Besonderheiten und Eigenheiten der Lokalberichterstattung,4* erscheint sie prädestiniert dazu, nicht nur momentan, sondern innert eines Zeitraumes Auskunft über die einschlägigen Aktivitäten und die öffentliche Präsenz der zur Debatte stehenden Vereine und Verbände zu geben. Darüber hinaus berichten selbst die kleineren regionalen und lokalen Zeitungen, nicht zuletzt aufgrund der Versorgung durch die großen Presseagenturen, von überregionalen Ereignissen und spiegeln insofern die politische Auseinandersetzung wider. Damit werden, ein weitgehend offener Umweltbegriff vorausgesetzt, über das Medium Zeitung auch die öffentlich diskutierte Umweltpolitik und die Palette umweltrelevanter Ereignisse faßbar. Entsprechend den erörterten Voraussetzungen und Möglichkeiten umweltverbandlicher Interessenverarbeitung, ergibt sich insgesamt daraus ein im wesentlichen zweiteiliger Untersuchungsansatz: In einem ersten Schritt ist eine Reihe von besonders interessierenden Verbänden institutionell zu betrachtei. Die Auswahl dieser Verbände scheint dabei nicht mit besonderen Problemen behaftet, da die Zahl derjenigen Dach- und Spitzen-

-

verbände,

84 -

die mit repräsentativem Anspruch auf zentral staat-

licher Ebene zur umweltpolitischen Willensbildung beitragen, begrenzt ist. Die Presseanalyse stellt das Kernstück des zweiten Schrittes dar,

mit dem auch die Grundlage für die Qualifizierung der

Analyse durch örtliche Interviews zu legen ist. Sie soll sich nicht auf die Ermittlung der umweltverbandlichen Beteiligung beschränken, sondern einen Eindruck davon vermitteln, welche Akteure 5 insgesamt sich an der umweltpolitischen Diskussion

*

beteiligen. Damit eröffnen sich für die Einschätzung des verbandlich organisierten Umweltschutzes Vergleichsmöglichkeiten,

werden insgesamt die Voraussetzungen für eine Bewertung

geschaffen, auch dann,

wenn die Presse nicht in ihrer Gesamt-

heit untersucht wird. Da eine solche Analyse nicht flächendeckend durchgeführt werden kann, tes.

bedarf es der Festlegung eines Untersuchungsgebie-

Außerdem ist die Überprüfung der mediumspezifisch gewon-

nenen Ergebnisse von Umfang und Themenzentrierung der Verbandsbeteiligung ebenfalls nur mit konkretem räumlichem Bezug zu bewerkstelligen. Zudem erfordert die Frage nach den Bedingungen eines mehr oder weniger ausgeprägten umweltschützerischen Engagements die Berücksichtigung der örtlichen Fazilitäten; danach sind die Interviews vor Ort auszurichten. Expertengespräche mit Vertretern der Verbände, mit den Parteien,

den Gewerkschaften und vor allem mit der Administration

sollen die quantitativ geprägten Resultate der Medienanalyse entscheidend qualifizieren und ergänzen.

Kapitel 2 ANLAGE UND PROBLEME DER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG 2.1

Institutionelle Verbandsanalyse

2.1.1 Auswahl der besonders interessierenden Verbände

Die Auswahl derjenigen Verbände, die in besonderer Weise interessieren und zunächst auf ihre institutionelle Struktur zu befragen sind, konnte sich kaum auf Erkenntnisse zur Beschaffenheit des hier zur Debatte stehenden Teils der Verbändelandschaft stützen. Umweltverbandliche Interessenorganisation lag bislang weitgehend außerhalb der einschlägigen Forschungsaufmerksamkeit. Insbesondere war das Gesamtfeld zu Beginn der Untersuchung nicht zu überblicken. 1 Neben dem,

*

was an Erkenntnis über einzelne Verbände vorliegt, mußte sich die Selektion zunächst nach der sichtbar werdenden überlokalen, zentralen Präsenz von Umweltverbänden richten, mithin auch an der öffentlichen Beteiligung orientieren. Insbesondere war zu berücksichtigen, welche Verbände bei den zuständigen Ministerien in Bonn und dem Umweltbundesamt in Berlin interessenvertretend aufgefallen sind, wer zum Kreise der anerkannten Naturschutzverbände zählt oder auch staatliche Förderung erhält. Dabei war die Überlegung bestimmend, möglichst diejenigen Verbände miteinzubeziehen, die eine große Zahl von Mitgliedern zusammenschließen, bzw 'wirksam' organisiert sind. Im Ergebnis sind dies jene Verbände, welche auf der Bundesebene als Dach- und Spitzenverbände meist eine breite Basis ins Feld führen, somit auch den Anspruch entsprechender Interessenvertretung begründen. Drei dieser Organisationen wurden bereits mehrfach genannt: Die beiden beiden ersten wurden in der ersten Hälfte der 70er Jahre gegründet: der Bund Umwelt- und Naturschutz Deutschland

- 86 -

(BUND), als überregional und ausschließlich an Umweltschutz interessierter Verband und der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), als bundesweiter Zusammenschluß der umweltinteressierten Bürgerinitiativen. Der dritte ist der seit 1950 bestehende Deutsche Naturschutzring (DNR), als Dachorganisation von zahlreichen Verbänden und Vereinen, deren Interesse an der Umwelt meist schon Tradition hat. Zumindest auf der Bundesebene ist die Teilnahme der beiden zuerst genannten an der umweltpolitischen Diskussion deutlich erkennbar und offenbar stärker ausgeprägt als bei anderen, vergleichbaren Organisationen. Die öffentliche Beteiligung des DNR war dagegen nicht von vorneherein zu erkennen; er kann jedoch auf eine längere Geschichte verweisen und war schon deshalb ins Zentrum des Forschungsinteresses gerückt, weil sich in ihm eine derart große Zahl von Vereinen und Verbänden unter dem Banner des Umwelt- und Naturschutzes zusammenfindet, daß sich keine auch nur annähernd vergleichbare Organisation ausmachen läßt. Insofern bestanden kaum Auswahlprobleme. Auf sie stößt man allenfalls dann, ist,

wenn zu entscheiden

in welcher Form seine etwa 90 Mitgliedsorganisationen in

die Analyse einzubeziehen sind. Die im Ring zusammengeschlossenen Verbände organisieren neben dem Naturschutzanliegen eine große Zahl meist unterschiedlicher Interessen: sie sind bei wenigen von ökomischer Art und liegen bei den größten im Freizeitbereich. Man konnte deshalb auch von Beginn der Untersuchung an vermuten, daß der DNR nicht unbedingt zu denen zählt, die sehr häufig und mit deutlich politischer Akzentuierung öffentlich ihre Stimme für den Umweltschutz erheben. Zu klären bleibt aber, inwieweit sich umweltpolitisches Engagement in den Mitgliedsvereinen organisiert und der Ring möglicherweise auf eine künftig nachhaltigere Unterstützung seiner breiten Basis rechnen kann. Die institutionelle Analyse berücksichtigt demnach besonders

- 87 -

die zum Zeitpunkt des Untersuchungsbegins größten Mitgliedsverbände, die zusammen über 80% der Mitglieder repräsentierten. Auch der Deutsche Heimatbund (DHB) ist bisher in der öffentlich geführten Umweltschutzdiskussion nicht sonderlich hervorgetreten. Der Verband wurde zu Beginn des Jahrhunderts mit der Zielsetzung gegründet, zur Brauchtumspflege,

zur Erhal-

tung hergebrachter kultureller Werte und der Natur beizutragen. Sein Interesse am Umweltschutz fiel besonders den zuständigen Behörden ins Auge. Zusammen mit einem beachtlichen Mitgliederpotential, auf das der Heimatbund verweisen kann, und in Anbetracht des von der Verbandsspitze deutlich bekundeten und für die Mitglieder reklamierten Umweltinteresses wurde der DHB mit in das SampIe der näher zu untersuchenden und damit besonders interessierende Verbände aufgenommen. Auch die vornehmlich in Nordrhein-Westfalen beheimatete Organisation 'pro grün'

ist weniger aufgrund ihrer überlokalen

Präsenz oder ihrer öffentlich erkennbaren Beteiligung ausgewählt worden, sondern eher deshalb,

weil sie sich in Bonn

umweltpolitisch bemerkbar gemacht und damit die Frage aufgeworfen hat, auf welche Basis sie sich stützen kann. Der Deutsche Bund für Vogelschutz (DBV) zählt als Mitglied des Deutschen Naturschutzringes zu den untersuchten Verbänden,

er wurde allerdings zunächst nicht gesondert betrachtet.

Im Verlauf der Presseanalyse und der örtlichen Untersuchungen mehrten sich jedoch die Hinweise darauf,

daß dem organisier-

ten Vogelschutz allgemein und dem DBV im besonderen vor allem eine lokal herausgehobene Bedeutung innerhalb der verbandlichen Organisation von Umweltinteressen zukommt, was im Ergebnis der Analyse seinen Niederschlag findet.

- 88 -

Solche Verbände, die auf der Bundesebene zwar in Erscheinung treten,

bspw der Deutsche Bund für Lebensschutz, die aber

erkennbar weder eine größere Zahl von Mitgliedern vertreten, noch auf andere Art und Weise irgend eine Wirkung entfalten, konnten weitgehend ausgeblendet werden. Andere Organisationen,

z.B.

'Greenpeace', oder neuerdings auch 'Robin Wood',

wohl ein 'Ableger' von Greenpeace, der mit ähnlichem Konzept medienwirksam zu agieren versucht, erreichen zeitweise eine beachtliche Publizität. Sie sind jedoch im Unterschied zu den genannten Verbänden von ihrer Konstitution und Organisation her eher danach ausgerichtet, mit wenigen Aktiven schlaglichtartig auf bestimmte Problemstellungen aufmerksam zu machen, eine öffentliche Diskussion loszutreten und möglicherweise Engagement zu initiieren, nicht aber es dauerhaft zu kanalisieren und das entsprechende Interesse in den institutionalisierten Prozeß politischer Willensbildung zu vermitteIn.

2

*

Wie oben dargelegt,

läßt eine klassische Verbandsanalyse al-

lein keinen hinreichenden Aufschluß über die Organisation von umweltschützerischem und umweltpolitischem Engagement erwarten. Das gilt in besonderem Maße für die Bürgerinitiativen, zumal als sich der BBU als eher unzugänglich erwiesen hat. Die Notwendigkeit, eine Analyse der Verbändebasis 'in der Fläche' anzuschließen" einen Eindruck von den tatsächlichen Mitglieder- und Vereinsaktivitäten zu gewinnen und diesen mit den Ergebnissen der Betrachtung ausgewählter Verbandsspitzen zu verknüpfen, ergibt sich nicht zuletzt auch aus den organisatorischen Besonderheiten des DNR. Wichtige Verbände innerhalb des DNR, darunter so mitgliederstarke Organisationen wie die der Jäger, der Fischer oder der Reiter, behaupten trotz erkennbarer Konfliktlinien zu ihren Primärinteressen, sich für den Natur- und Umweltschutz zu engagieren und entsprechend aktiv zu sein. Dies wollen sie zumindest in der Fläche tun, da wo es um konkrete Umweltprobleme geht, um die Ver-

- 89 -

schmutzung von Gewässern, um Beeinträchtigung und Gefährdung von Natur und um dere Unterschutzstellung. Die Forschungsbemühungen sind demnach besonders auch auf das vergleichsweise große Mitgliederpotential des Rings und darauf gerichtet,

inwieweit sich das reklamierte Umweltinteresse bei den

Mitgliedern der einzelnen Organisationen im DNR vor Ort tatsächlich manifestiert. Die getroffene Auswahl der institutionell zu untersuchenden Verbände erwies sich auch nach der Untersuchung in der Fläche als unproblematisch. Allerdings hätte unterhalb der hauptsächlich zentral in Erscheinung tretenden Organisationen der DBV aufgrund seiner nahezu flächendeckenden Organisation und vergleichsweise hohen Mitgliederzahl es verdient, zu werden.

stärker in den Mittelpunkt gerückt

'Pro grün' erwies sich dagegen als ein lokal deut-

lich begrenzt agierender Verein, was aber bereits ein Ergebnis der Untersuchung ist.

2.1.2

Verbändematerial und -interviews

Die strukturell-institutionell angelegte komparative Betrachtung der Verbandsspitzen bildet einen analytischen Schwerpunkt. Sie stützt sich zum einen auf zahlreiche Quellenmaterialien der Verbände, auf die Auswertung der Satzungen, der Grundsatz- und spezifische Programme zu Teilproblemen des Umweltschutzes, auf die Berücksichtigung der verfügbaren Jahresberichte und anderer Darstellungen; ferner auf Stellungnahmen zu Planungs- und Gesetzgebungsverfahren und auf das übrige zugängliche Material der Verbände. Außerdem konnte verschiedentlich auch auf Mitgliederstatistiken und sozialstrukturelle Mitgliederanalysen

z~rückgegriffen

werden. Wäh-

rend des Untersuchungszeitraumes wurden überdies die meisten der von den besonders interessierenden Verbänden herausgegebenen Verbandszeitschriften und Informationsdienste regel-

- 90 -

mäßig gesichtet und entsprechend ausgewertet (Z.B. die Publikation des BUND, des DAV, die Dienste des DHB, des BBU, etc.). Die zu einzelnen Verbänden vorliegenden Studien wurden 3 ebenfalls miteinbezogen.

*

Zum anderen erfolgten in zwei Phasen, mit einem Abstand von rund zwei Jahren, Interviews mit Vertretern der jeweiligen Spitzenverbände. Im Jahre 1983 fanden auch Gespräche mit einem Teil der jeweiligen Landes- und Regionalgliederungen statt. Insgesamt wurden etwa 45 Interviews mit Repräsentanten der Dachverbände, der Mitgliedsorganisationen und mit anderen Sachverständigen geführt. Dort standen neben den Fragen zur jeweiligen Organisation auch grundsätzliche Probleme der Umweltverbände, das Verhältnis zu Staat und Verwaltung und überdies auch die Einschätzung der umweltpolitischen Situation und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für den verbandlich organisierten Umweltschutz zur Debatte. Diese Gespräche wurden mit nur wenigen Mitarbeitern anhand eines Leitfadens in weitgehend offener Form geführt und in der anschließenden Dokumentation strukturiert. Schließlich ergänzte die innert dreier Jahre betriebene teilnehmende Beobachtung - etwa von Jahreshauptversammlungen oder Veranstaltungen der Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen (AGU) - die Material- und Informationsbasis. Die Materialsammlung wurde im wesentlichen 1983 abgeschlossen; allerdings sind danach erkennbar gewordene institutionelle Veränderungen und das, was sich aus der laufenden Beobachtung der Verbandsperiodika des Jahres 1984 ergeben hat, noch soweit wie möglich mitberücksichtigt. Das insgesamt auf der geschilderten Grundlage gewonnene erste Bild von ausgewählten Umweltverbänden und von ihrer institutionellen Situation wie Programmatik läßt sich schließlich mit dem vergleichen, was sich aufgrund der Presseanalyse und der örtlichen Interviews von der Verbändebasis ergibt.

- 91 -

2.2

Analyse der Umweltdiskussion und der Verbändebasis

2.2.1

Presseanalyse

2.2.1.1 Untersuchungsgebiet und -zeit

Das Analysekonzept ist in erster Linie auf die Frage nach der Basis von Umweltverbänden bzw nach der verbandlichen Organisation zugeschnitten. Es bestand nicht, zumindest nicht in erster Linie, die Absicht, Aussagen über die Presseberichterstattung zu machen. Demzufolge hatte die Auswahl eines Untersuchungsgebietes, auf das man sich analytisch bezieht, Priorität. Mit der Bestimmung des Untersuchungsraums war dann die Zeitungsauswahl weitestgehend festgelegt. Die angestrebte Streuung der Untersuchungsteilgebiete über die gesamte Bundesrepublik, die Berücksichtigung der Bevölkerungsverteilung und die Einbeziehung von Städten und ländlich strukturierten Regionen erforderte eine gewisse Mindestgröße des Untersuchungsraumes. Auf der anderen Seite mußte man sich an dem orientieren, was mit einem begrenzten Mitarbeiterstab innerhalb eines überschau baren Zeitraumes zu bewältigen ist. Die Zahl der Mitarbeiter war auch deshalb zu begrenzen, weil die auf der Basis der Presseanalyse zu führenden örtlichen Interviews nur relativ offen und in der Form nicht standardisierter Expertengespräche bewältigt werden mußten. Eine Vielzahl von Beteiligten hätte zu deutlichen Einschränkungen bei der Verwertbarkeit der dort erzielten Ergebnisse geführt. Das Gebiet setzt sich aus administrativen Einheiten zusammen, um so die erforderlichen Behördenkontakte zu erleichtern und ihre Zahl überschaubar zu halten. Bei der Auswahl der Untersuchungsteilgebiete mußte von vorneherein auf Repräsentativität Hinsicht verzichtet werden,

- 92 -

da sie erstens für den eigentlichen Untersuchungsgegenstand, die Umweltverbände, kaum zu bestimmen ist und zweitens sowohl hinsichtlich der Presse als auch bezogen auf die Gesamtzahl der Kreise und Städte, einen nicht zu vertretenden Untersuchungsumfang erfordert hätte. Im Hinblick auf den Auswahlmodus bot sich unter anderem ein Vergleich von solchen Räumen an,

in denen man einerseits von

einer eher starken und andererseits von einer eher geringen Belastung der Umwelt ausgehen kann. Da sich die 'Belastung der Umwelt' aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Beeinträchtigungen ergibt, hätte die Bestimmung von Untersuchungsteilgebieten aus dem jeweils mittleren Bereich der genannten Gruppen eine differenzierte Bestandsaufnahme der Umweltsituation von Städten und Landkreisen zur Voraussetzung gehabt und einen komplizierten Bewertungsprozeß erforderlich gemacht. Außerdem konnte auf eine kreisgenaue Datengrundlage zur Umweltsituation -

wie sie etwa der erwähnte Umweltatlas von

E.R. Koch und F. Vahrenholt an die Hand gibt -

zu dem Zeit-

punkt, als die Auswahl zu treffen war, noch nicht zurückgegriffen werden. Als vergleichsweise einfach zu handhabendes Selektionskriterium bot sich demgegenüber die Industriedichte, die Anzahl der Industriebeschäftigten pro 1.000 Einwohner an.

Ihr mitt-

lerer Wert teilt die 326 kreisfreien Städte und Landkreise der Bundesrepublik in zwei Gruppen auf: eine mit .überdurchschnittlichem und eine mit unterdurchschnittlichem Industriebesatz. 1 Aus dem jeweiligen Mittelfeld der so gebildeten

*

Gruppen wurden die 15 Untersuchungsteilgebiete dergestalt herausgegriffen, 'daß eine relativ gleichmäßige Streuung über das Bundesgebiet und eine der Bevölkerungsdichte Rechnung tragende Verteilung auf die einzelnen Bundesländer erreicht wurde. Außerdem spiegelt die Auswahl ungefähr das Verhältnis von Städten und Kreisen in der Bundesrepublik wider:

- 93 -

Untersuchungsteilgebiete

Kreis/Stadt

Wohnbevölkerung 1979

Industriedichte

(Tsd.) l. Steinburg

2. Wilhelmshaven

128,9

78

99,4

62

3. Hannover (Stadt)

535,9

186

4. Gütersloh

285,0

187

5. Höxter

143,5

73

6. Duisburg

559,1

181

7. Ennepe-Ruhr

346,5

184

8. Euskirchen

156,9

72

9. Schwalm-Eder

181,0

74

99,2

181

1l.GÖppingen

228,6

189

12.Breisgau-Hochschwarzwald

196,6

66

10.Kaiserslautern (Stadt)

13.Kronach

76,9

180

14.Rottal-Inn

100,2

78

15.Starnberg

105,3

71

Mit Hilfe dieses Auswahlverfahrens entstand ein Untersuchungsgebiet, das aus 4 kreisfreien Städten und 11 Landkreisen besteht, aus 7 Einheiten mit überdurchschnittlicher und 8 Einheiten mit unterdurchschnittlicher Industriedichte, das über alle Flächenländer der Bundesrepublik streut und in dem mit rund 3,25 Mio Einwohner etwa 5 Prozent der Bevölkerung der Bundersrepublik leben. Nach der Festlegung des Untersuchungsgebietes galt es die Dauer der Analyse zu begrenzen: Die ausgewählten Zeitungen innerhalb und außerhalb des Untersuchungsgebietes wurden von April 1982 bis Juni 1983 ausgewertet. Gemessen an eher klassischen Medienanalysen erscheint der gewählte 15-monatige Untersuchungs zeitraum ungewöhnlich lange.

- 94 -

Die auf Aussagen über ein Medium abzielenden inhaltsanalytischen Forschungen können sich nach herrschender Auffassung auf einen deutlich kürzeren Analysezeitraum stützen, ohne daß dadurch die Verläßlichkeit ihrer Ergebnisse Schaden nehmen würde. Das hier verfolgte Analysekonzept unterscheidet sich jedoch in mehrfacher Hinsicht von dem der meisten anderen Medienanalysen.

2

*

Ein zentraler Unterschied besteht darin,

daß es nicht primär auf die Eruierung der Art und Weise publizistischer Reproduktion sozialer Realität und damit auf die untersuchte Presse, den journalistischen Output ausgerichtet ist und sich damit auch nicht in erster Linie anheischig macht, zu einer weiteren Arrondierung der bereits vorliegenden Erkenntnisse über die Qualität lokaler und regionaler Berichterstattung beizutragen. Obwohl hier zunächst ein Zeitungsabbild von sozialer Realität ermittelt wird, geht es doch vielmehr um das, was in der Presse berichterstattung insbesondere bezogen auf die Umweltverbände sichtbar wird. Daraus erklärt sich auch der Untersuchungszeitraum, der bewußt deutlich länger als ein Jahr gewählt wurde, um sicherzugehen, Existenz und Agieren einschlägiger Gruppen und Vereine auch dann nicht zu übersehen, wenn sie lediglich im Zuge jährlich gegliederter vereinsregulärer Aktivität öffentlich werden. Die Festlegung des Untersuchungszeitraumes hatte auch thematische Konsequenzen. Bei aller Vielfalt der Umweltdiskussion gibt es doch zeitbedingte Schwerpunkte - auf einige davon wurde ganz zu Anfang hingewiesen. Im genannten

Untersuchungs~

zeitraum war dies z.B. der Streit um die Erweiterung des Frankfurter Flughafens, die Startbahn-West mit all' den damit verbundenen spektakulären Ereignissen. Wenig später wäre die Diskussion um den saueren Regen und das Waldsterben stärker in den Vordergrund gerückt. Die bereits erwähnte Zeitabhängigkeit der Ergebnisse wird damit noch unterstrichen und muß berücksichtigt werden.

- 95 -

Der vergleichsweise lange Untersuchungs zeitraum bedingt zu einem nicht unerheblichen Teil die Konzentration der analytischen Bemühungen auf Quantitäten. Dies geschieht, ohne daß damit qualitative Aspekte gänzlich aus dem Blick geraten, zumal beide Dimensionen auch nicht völlig voneinander getrennt zur analytischen Konzeption gemacht werden können. Die in Kapitel 3.2.4 dargestellten Teilergebnisse der Presseanalyse erwachsen zwar aus der Kombination von Quantitäten, gewinnen aber insofern eine qualitative Bedeutung, als dort nicht mehr nur eindimensional nach Häufigkeiten gefragt wird, sondern solche gezielt dergestalt kombiniert werden, daß der entsprechende Handlungsträger in Verbindung zum jeweils diskutierten Thema gebracht wird. Dies hat allerdings nichts mit den Bewertungen zu tun, welche andere Medienanalysen dann zu treffen haben, wenn sie z.B.

'qualitativ' nach Lob oder Tadel in

der Berichterstattung fragen und dann nicht umhin können, besonderen Wert auf ein gemeinsames Textverständnis der an der 3 Analyse beteiligten Personen zu legen.

*

Allerdings beinhalten die Fragen, wann ein 'Thema' vorliegt und wer innerhalb eines Artikels 'Akteur' und damit Handlungsträger ist, auch qualitative Momente. Die Beantwortung erfordert also eine gewisse Bewertung, deren Spielraum aber konzeptionell und untersuchungspraktisch weitgehend eingeschränkt wurde. Demzufolge hielten sich hier die Reliabilitätsprobleme in Grenzen, anders als dies bei traditionellen und stärker inhaltlich ausgerichteten Medienanalysen der Fall ist. Auf die formale, mathematische Absicherung konnte nach umfangreichen Überprüfungen und Abstimmungen verzichtet werden.

4

*

Lediglich auf die sich aus den verbleibenden Unter-

schiedlichkeiten der Auswertung ergebenden Fehlermargen wird noch hinzuweisen sein.

- 96 -

Schließlich ist zu betonen, daß sich die Analyse auf einen thematischen Ausschnitt von Presse berichterstattung in der allgemeinen und der lokalen Berichterstattung im besonderen beschränkt und die dort ermittelten Ergebnisse nur begrenzt in Relation zu solchen aus anderen thematischen Bereichen der Zeitungsberichterstattung setzt. Bezogen auf das gewählte Segment 'Umwelt', gelangt sie jedoch auch zu Erkenntnissen, die Aussagen über das untersuchte Medium zulassen und erkennbar über das hinausweisen, was bei sonstigen Lokalpresseanalysen dazu bisher ermittelt wurde.

2.2.1.2 Zeitungsauswahl und Analyseraster Die Festlegung des Untersuchungsgebietes bestimmte zwingend die Zeitungsauswahl: Es wurden diejenigen Lokalzeitungen ausgewählt, die erstens möglichst jeweils über das gesamte Untersuchungsteilgebiet berichten und zweitens im Falle der Konkurrenz von einer oder mehreren Lokalzeitungen über den größten Leserkreis - Zahl der Abonnenten - verfügen. Um eine innerhalb des Untersuchungsgebietes flächendeckende Analyse der Berichterstattung und damit vor allem eine vollständige Erfassung der im Untersuchungsgebiet öffentlich werdenden Umweltverbände sicherzustellen, mußten in insgesamt 8 Teilgebieten mehrere Lokalausgaben der jeweils ausgewählten Zeitung und im Kreis Gütersloh zwei verschiedene Zeitungen berücksichtigt werden. Dabei ließen sich gewisse Abgrenzungsschwierigkeiten nicht vermeiden. Im Landkreis Starnberg hat z.B. die Süddeutsche Zeitung die größte Verbreitung, die dort neben dem hier interessierenden Starnberger auch den Münchner Lokalteil anbietet. Er mußte ebenfalls mit ausgewertet werden, weil prinzipiell jeweils die gesamte Zeitung einschließlich der Anzeigen zur Debatte stand. Die Kaiserslauterer Ausgabe der

- 97 -

Rheinpfalz bezieht außer der zu untersuchenden Stadt auch die nähere Umgebung mit ein. Die aus der näheren Bestimmung des Untersuchungsgebietes sich ergebenden Folgen verhinderten somit eine 'stromlinienförmige' Analyse. Da die Auswahl der 16 Zeitungen des Untersuchungsgebietes, von denen 8 mehr als nur einen Lokalteil herausgeben, ohne jede Rücksicht auf die Zeitungslandschaft erfolgte, wurden noch vier weitere,

in keinem Bezug zum Untersuchungsgebiet

stehende Zeitungen zu Vergleichszwecken analysiert: pener Tagespost, das Höchster Kreisblatt, Stimme und die Nürnberger Nachrichten.

die Mep-

die Heilbronner

Insgesamt sind damit

20 in Titel und 'Mantel'-Inhalt verschiedene Zeitungen mit insgesamt 33 einzelnen Lokalteilen in die Auswertung einbezogen: Untersuchungsteilgebiete und analysierte Presse Schleswig Holstein: Landkreis Steinburg

Norddeutsche Rundschau

Niedersachsen: Stadt Wilhelmshaven

Wilhelmshavener Zeitung

(Vergleichszeitung)

Meppener Tagespost

Stadt Hannover

Hannoversche Allgemeine Zeitung

Nordrhein-Westfalen: Landkreis Gütersloh

Haller Kreisblatt Die Glocke

Landkreis Höxter

Westfalenblatt (2 Lokalteile)

Stadt Duisburg

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

Landkreis Ennepe-Ruhr

Westfälische Rundschau (5 Lokalteile) (2 Lokalteile)

- 98 -

Landkreis Euskirchen

Kölnische Rundschau

Hessen: Landkreis Schwalm-Eder

Hessisch-Niedersächsische AIIg. (3 Lokalteile)

(Vergleichszeitung)

Höchster Kreisblatt

Rheinland-Pfalz: Stadt Kaiserslautern

Die Rheinpfalz

Baden Württemberg: (Vergleichszeitung)

Heilbronner Stimme

Landkreis Göppingen

NWZ, Göppinger Kreisnachrichten (2 Lokalteile)

Landkreis BreisgauHochschwarzwald Badische Zeitung (3 Lokalteile) Bayern: Landkreis Kronach

Neue Presse

(Vergleichszeitung)

Nürnberger Nachrichten

Landkreis Rottal-Inn

Passauer Neue Presse

Landkreis Starnberg

Süddeutsche Zeitung (Starnberger

(2 Lokalteile) Neueste Nachrichten)

Damit wurden bei durchschnittlich 25 Ausgaben pro Monat und einem 15-monatigen Untersuchungszeitraum 375 Tagesausgaben pro Zeitungstitel, insgesamt 7.500 Zeitungsexemplare analysiert. Dazu kamen täglich weitere 13 Lokalteile, innert 15 Monaten noch einmal 4.875 mal die Tagesarbeit der jeweiligen Lokalredaktion. Die Gesamtanalyse basiert demnach auf der Durchsicht von hochgerechnet über 1,7 Mio. einzelnen Beiträgen. Davon wurden insgesamt 101.583 auf unterschiedliche Weise verarbeitet.

- 99 -

Die Presseauswertung erfolgte in zwei Phasen:

In einem

ersten Schritt wurden sowohl die umweltbezogene als auch diejenige Berichterstattung erfaßt,

in der die Verbände sowie

die Kirchen und Gewerkschaften ohne Umweltbezug öffentlich werden. Die Umweltberichterstattung wurde dabei nicht differenziert danach befragt, wer in ihr überhaupt auftritt; es ging vielmehr zunächst darum,

sich einen Überblick zu ver-

schaffen, in welchem Umfang die zu untersuchenden Verbände, vor allem auch ihre Teilgliederungen an der Basis, durch Berichterstattung öffentlich werden. In der gleichen Art und Weise wurde zu Vergleichszwecken die Teilnahme anderer bedeutender Akteure an der öffentlichen Diskussion ermittelt. Praktisch heißt das, der Presse wurden zunächst alle Berichtseinheiten mit Umweltbezug entnommen, von der mitunter nur 3 bzw 4-zeiligen 'Servicemeldung' digungen),

(Veranstaltungsankün-

über die 'Nachricht', den 'Bericht'

bis hin zum

'Interview' und anderen Formen journalistischer Äußerung. Danach wurden die Beiträge dokumentiert und entsprechend der im jeweiligen Beitrag auftretenden Aktorgruppe rubriziert. Daraus ergab sich dann ein erster Überblick über die Bedeutung von bestimmten Aktorgruppen in der öffentlich geführten Umweltdiskussion. Die Berichtseinheiten über Verbände, Bürgerinitiativen, Gewerkschaften und Kirchen ohne Umweltbezug, insgesamt 67.094, wurden zunächst nur gezählt. Anschließend wurde das dokumentierte Artikelmaterial durchgesehen und bereinigt,

so daß insgesamt 34.489 Beiträge für die weitere

Analyse übrig blieben. Da die Umweltberichterstattung nur einen geringen Teil des jeweiligen Gesamtumfanges der Zeitungen ausmacht, eine genaue Analyse des letzteren für die zu untersuchenden Zeitungen aber nicht zu bewerkstelligen war, mußte für andere Vergleichsmöglichkeiten gesorgt werden. Es wurde nicht nur die gesamte Berichterstattung über die bei den gesellschaftlichen Großgruppen Kirchen und Gewerkschaften er faßt und von der je-

-

nigen getrennt ausgewertet,

100 -

in der beide mit einem Bezug zur

Umwelt vorkommen, es wurde darüber hinaus auch die gesamte, nicht umweltbezogene Berichterstattung zu den besonders interessierenden Verbänden erhoben. Das sind im Ergebnis die Artikel über die Vereinsaktivitäten der meist auch im DNR zusammengeschlossenen Freizeit- und Geselligkeitsvereine. An den dazu ermittelten Resultaten wird sich auch erkennen lassen, ob es einen ungehinderten Zugang dieser Vereinigungen zur örtlichen Presse gibt. In einem zweiten Schritt wurde nun eher im Sinne einer Inhaltsanalyse detailliert danach gefragt, welche Akteure überhaupt in der Umweltberichterstattung auftreten und welche thematische Struktur in ihr erkennbar wird. Die Antworten darauf wurden nach einem umfangreichen pre-test mit Hilfe eines Katalogs,

der insgesamt 114 Akteure bzw. Aktorgruppen auf-

weist und das Umweltthema in 198 Teilthemen untergliedert, ermittelt und entsprechend vercodet und in maschinenlesbare Form gebracht. (Vgl. dazu den Code-Plan im Anhang.) Dabei war nun zu berücksichtigen, daß sich Fehlcodierungen grundsätzlich aus dem Nichterkennen eines Themas bzw eines Aktors oder aber durch die falsche Zuordnung zu einer Themenoder Aktorgruppe ergeben können. Umfangreiche Überprüfungen der von 14 Mitarbeitern erarbeiteten Vercodungsergebnisse (ca. 30 % des Gesamtmaterials) haben zu dem Ergebnis geführt, daß sich die Zahl der Fehlcodierungen allgemein zwischen 5 und 8 Prozent bewegt. Bei der Ermittlung der Akteure wurde die Aktorgruppe der Umweltverbände weitaus detaillierter in den Code-Plan aufgenommen, als es ihrem Auftreten in der Berichterstattung entspricht. Die auf diese Weise erheblich vergrößerte Zahl der eindeutigen Zuordnungsmöglichkeiten hat mit dazu beigetragen, daß die Fehlerhäufigkeit dort deutlich unter 5 Prozent liegt.

-

101 -

Methodische Probleme entstanden bei der Aufbereitung der so gewonnenen Ergebnisse. Die einzelnen Auswertungsschritte mußten sich meist auf einen Teil des Gesamtmaterials beziehen: Für den größten Teil der Auswertung mußten jene Berichtseinheiten eliminiert werden,

die sich auf umweltrele-

vante Ereignisse oder entsprechende Auseinandersetzung im Ausland beziehen.

Im Hinblick auf das Untersuchungsgebiet

waren die vier Vergleichszeitungen herauszunehmen; der Vergleich zwischen den Zeitungen war nur dann sinnvoll, wenn lediglich ein Lokalteil berücksichtigt wurde. Außerdem müssen bei der Interpretation der Resultate die erheblichen Unterschiede zwischen den Untersuchungsteilgebieten berücksichtigt werden. Wenn z.B. die Neue Presse in Kronach quantitativ in der Umweltberichterstattung deutlich abfällt, hat dies wohl auch damit zu tun,

daß es sich hinsichtlich der Einwohnerzahl

mit Abstand um das kleinste Untersuchungsteilgebiet handelt, dessen hohe Industriedichte ohne jede Groß- und Schwerindustrie zustandekommt und das vor dem sich dramatisch zuspitzenden Waldsterben und einer entsprechend intensivierten Diskussion zu den ökologisch eher begünstigten Regionen gerechnet werden konnte.

2.2.1.3

Das Thema 'Umwelt' in der Presse

Ungeachtet des eingangs begründeten Verzichts auf eine stringente Definition von 'Umwelt' mußte für die Analyse geklärt werden, wie sie verstanden werden soll, wie die um sie geführte Diskussion einzugrenzen ist. Zur Annäherung an dieses Verständnis konnte man davon ausgehen, daß zur Umwelt nur die natürliche Umgebung des Menschen zu rechnen war, mithin das ökologische Umweltsystem zur Debatte stand. Zwar wurden damit deutliche Grenzen gezogen, z.B. zur sozialen Umwelt, das Feld blieb jedoch weit. Bei der weiteren empirischen Annäherung

-

102 -

schälten sich dann zwei zu unterscheidende Aspekte des Umweltthemas in der Zeitungsberichterstattung heraus. Es wurden Beiträge, bei denen tatsächliche Einflüsse auf das Umweltsystem im Mittelpunkt standen zu einem Ereignisbereich gerechnet und solche Beiträge, bei denen ohne unmittelbaren Bezug zu Vorgängen oder Vorkommnissen Meinung geäußert oder sich auseinandergesetzt wurde, zum Diskussionsbereich gezählt. Im Zuge der Voruntersuchung waren darüber hinaus meist häufiger auftauchende einzelne Diskussionslinien oder bestimmte Themenkonglomerate aufgefallen, bei denen sich entweder diese Unterscheidung nicht sinnvoll treffen ließ, vielmehr aber eine gesonderte Berücksichtigung deswegen geboten schien, weil sie einen nicht unwesentlichen Teil der ansonsten recht dispersen Umweltdiskussion ausmachten; ihre Berücksichtigung als Einzelthema erfuhren sie jeweils unter der Bezeichnung, mit der sie öffentlich verhandelt wurden. Aufgrund der Vielgestaltigkeit der Berichterstattung, auch innerhalb des einzelnen Artikels, entstanden bei der Vercodung natürlich Probleme der Zuordnung zu den beiden Bereichen bzw zu den Einzelthemen, da man sich für jeweils eine Möglichkeit entscheiden mußte. Zweifelsfälle wurden mit der Maßgabe, den jeweiligen Tenor, das hauptsächliche Anliegen des einzelnen Beitrages in Betracht zu ziehen, entschieden. Im Hinblick auf die in Kapitel 3 vorzustellenden Ergebnisse bedarf es jedoch keiner näheren Explizierung dieser Probleme, da dort die Bereiche 'Diskussion' und 'Ereignisse' zusammengefaßt dargestellt werden. Dies bedeutet auch, daß auf eine Zuordnung des Auftretens von Verbänden in der Berichterstattung zu relativ abstrakten Aspekten der Diskussion, z.B. zu solchen, bei denen es um 'Land- und Forstwirtschaft' geht oder um 'Freizeit und Tourismus', verzichtet wird. Die über die Darstellung von Affinitäten zu den Teilthemen des Umweltthemas hinausgehende Qualifizierung des Auftretens von Um-

- 103 -

weltverbänden und anderen Akteuren bleibt vor allem den Interviews vor Ort in Verbindung mit der erwähnten qualitativen, auf das Untersuchungsteilgebiet bezogenen Auswertung der Lokalberichterstattung vorbehalten. Die Ermittlung der einzelnen Teilaspekte des Umweltthemas war insofern unproblematisch, als bei der Codierung mehrere solcher Teilthemen berücksichtigt werden konnten, damit den unterschiedlichen Aspekten eines Beitrages in hohem Maße Rechnung getragen wurde und die Entscheidungsprobleme des Vercoders auf ein Minimum beschränkt blieben. Zum Ereignisbereich wurden jene Beiträge gerechnet, die vorwiegend über festgestellte Tatbestände oder Mißstände in der natürlichen Umwelt informieren. Davon war vor allem dann auszugehen, wenn konkret und aktuell aufgetretene Beeinträchtigungen und Schädigungen der natürlichen Umwelt oder konkrete Bemühungen um Schutz und Minderung von Belastungen und die Erfolge solcher Bemühungen wiedergegeben wurden. Die Palette der Ereignisse reicht dabei von der Ölverschmutzung eines Fließgewässers über das Entweichen von Giftgas bis hin zur Säuberung eines Waldstückes oder eines Bachlaufes. Dem Diskussionsbereich sind demgegenüber solche Artikel zugeordnet, in denen die Auseinandersetzung, die Promotion oder die Abwehr von Umweltthemen oder beides im Vordergrund stehen. Der Bogen spannt sich damit von dem Appell eines Umweltverbandes an die Politik, doch für die Ausweisung eines Naturschutzgebietes einzutreten, über die Rechtfertigung der Kreisverwaltung gegen vorgebrachte Kritik zur Konzipierung einer Mülldeponie bis hin zur Parteienauseinandersetzung über Fragen der Kernenergie oder der Planung und Umsetzung von Großprojekten. Sowohl im Ereignis- als auch im Diskussionsbereich wurde letztlich die gleiche Unterteilung des Umweltthemas in 11 Teilthemen und eine Residualkategorie zugrunde gelegt. Zum einen werden damit von 'Landschaft und Natur', wesentliche Bestandteile ausgegrenzt, nämlich 'Wasser',

'Boden', 'Wald'

-

104 -

und 'Luft', wobei unter die erste Kategorie insbesondere auch die nicht näher spezifizierten Bemühungen um den eher klassischen Naturschutz, um die Konservierung eines Ökotops o.ä. subsummiert wurden. Zum anderen wurden solche Felder benannt, die eher quer zum medialen Raster liegen, und die meist für eine deutliche Belastung oder Gefährdung des Menschen und der natürlichen Umwelt stehen:

'Verkehr', eine Kategorie, die

auch die vielschichtige Diskussion um das Für und Wider von Neutrassierungen oder Ausbaumaßnahmen von Verkehrswegen in sich vereint,

'Chemie', wo es um das Rubrizieren der Bericht-

erstattung über Auswirkungen und Gefahren chemischer Produktion und Produkte ging und 'Energie', wenn sie nicht in Zusammenhang mit der Kernspaltung zum Thema wurde. Mit 'Abfall'

und 'Lärm' sind häufig diskutierte Beeinträchtigungs-

formen direkt angesprochen. Die 'Ernährung' ist vor allem deshalb zum Umwelt thema geworden, weil sich zahlreiche Schadstoffe auch zunehmend in den Nahrungsmitteln finden, dabei vielfach schon zu akuten Problemen geführt haben, etwa zu denjenigen, die aus Östrogen im Kalbfleisch entstanden sind, und Anlaß zu öffentlicher Diskussion geben. Fünf 'Einzelthemen' wurden ermittelt und waren zu berücksichtigen: Während die jeweilige Diskussion um den Flughafenneubau in München, um die Erweiterung in Frankfurt und um den Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals sich in der Hauptsache an den jeweils konkreten Maßnahmen bzw Planungen entzündete, wurde die Auseinandersetzung um die Kernenergie, trotz der Geschehnisse um die Kraftwerksbaustelle in Brokdorf insgesamt erheblich breiter und grundsätzlicher geführt. Die Diskussion um die Anwendung von Streusalz erwies sich zum überwiegenden Teil als saisonal bedingt. Überhaupt erscheinen die fünf Themenkomplexe als überaus zeitabhängig. Anhand dieser Einzelthemen läßt sich nachweisen, wie wenig sich der Hauptteil einer Zeitung und ihr Lokalteil bedingen. Die Einzelthemen kommen schwerpunktmäßig im Hauptteil vor und geraten in den

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105 -

Lokalteil nur dann, wenn unmittelbar örtliche oder nachbarschaftliche Betroffenheit besteht. Besonders anschaulich wird dies an der Kernkraftdiskussion in den Landkreisen Steinburg und Breisgau-Hochschwarzwald, wo sie zumindest als Thema und sei es, daß sich die Berichterstattung auf die Begleitumstände von Demonstrationen konzentriert -

sehr viel mehr

als anderswo Teil der örtlichen Berichterstattung wird.

-

106 -

2.2.1.4 Akteure der Umweltberichterstattung, Verbändesampie

Nach der thematischen Abgrenzung stehen die in diesem Politikbereich öffentlich agierenden oder zumindest sichtbar werdenden Akteure, insbesondere die umweltinteressierten Verbände zur Debatte. Für die Auswertung war zum einen zu klären, mit welchen regionalen und örtlichen Mitgliedsorganisationen die besonders interessierenden Verbände in der Fläche auftreten; eine umfangreiche Zusammenstellung wurde zusammen mit dem Code plan zur Grundlage der Analyse gemacht. Zum anderen galt es, nicht nur die sonstigen Verbände und Bürgerinitiativen, sondern auch alle anderen Akteure mehr oder weniger detailliert zu erfasssen. Dabei dienten vor allem die Ergebnisse der politischen Systemtheorie als Grundlage und begründeten die Definition, daß als Akteure der Presseberichterstattung alle am politischen Prozeß Beteiligten verstanden werden sollten: Insofern wurden neben Organisationen und Institutionen auch Einzelpersonen und mit Pauschalbezeichnungen - Demonstranten, Umweltschützer etc. -

belegte 'Gruppie5

rungen', im Sinne von 'anomic interest groups', miterfaßt.

*

Als Akteure galten sie jedoch nur dann, wenn auf ihre Äußerung oder Handeln direkt oder indirekt Bezug genommen wurde. Bei bloßer Erwähnung, dann also, wenn die Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen weder selbst zu Wort kommen noch von ihren Äußerungen oder ihrem Tun die Rede ist, unterblieb eine Codierung als Akteur. Entsprechend dem Anliegen der Presseberichterstattung, politische Handlungen und Ereignisse zu vermitteln, war dies jedoch bei weitem die Ausnahme. Nach intensiven Vorüberlegungen und entsprechender praktischer Erprobung entstand ein umfassender Aktorkatalog mit besonderer Ausdifferenzierung des interessierenden Verbändebereichs.

-

107 -

Zur besseren Handhabung gliedert sich der zur Grundlage der Vercodung gemachte Katalog so, daß sinnvolle Aggregationen möglich bleiben. Aktorgruppen - Umweltinteressierte Verbände und Bürgerinitiativen - Gewerkschaften - Wirtschaft, Verbände und Unternehmen - Kirchen - Bildung und Wissenschaft, (Universitäten, einzelne Wissenschaftler) - Einzelne Akteure, Sonstige (Pauschalbezeichnungen) - Parteien - Regierung, Verwaltung, Parlamente und Kommunen - Justiz Die zusammenfassende Bildung von Aktorgruppen orientiert sich -

besonders hinsichtlich der Verbände - an der Fragestellung

dieser Untersuchung und wäre insofern auch anders denkbar. Auch die Ausgrenzung von Kirchen und Gewerkschaften ergibt sich nicht zwingend; sie sollte lediglich Relationen im Hinblick auf das umweltbezogene Öffentlichwerden dieser gesellschaftlichen Großgruppen und das von anderen Akteuren erkennbar werden lassen. Zur Erleichterung und Präzisierung der Erfassung der in der lokalen und allgemeinen Umweltberichterstattung sichtbar werdenden Akteure wurden die Aktorgruppen meist sehr weitreichend detailliert.

-

108 -

Neben der noch näher darzustellenden, ausführlichen Berücksichtigung umweltinteressierter Verbände wurden z.B. die Einzelgewerkschaften innerhalb des DGB ebenso getrennt erfaßt wie die großen Wirtschaftsverbände. Die Parteien wurden nicht nur einzeln erhoben, es wurde auch zwischen den jeweiligen Bundes- und Landtagsfraktionen sowie den kommunalen Gliederungen unterschieden. Insbesondere verlangte die Aktorgruppe 'Staat und Kommunen', nicht zuletzt wegen der häufigen und vor allem vielfältigen Involvierung in die öffentliche Diskussion, nach ausführlicher Unterteilung. Es wurde zunächst zwischen den Bundes- und Landesregierungen, der jeweiligen Verwaltung und den kommunalen Behörden mit ihren Funktionsträgern unterschieden. Auch die Aktivitäten oder umweltrelevanten Entscheidungen der Parlamente fanden gesonderte Beachtung. Dabei kam es gelegentlich zu Abgrenzungsproblemen im Hinblick auf die Parteien bzw deren Fraktionen. Sie wurden im Zweifelsfall zugunsten der Parteien gelöst. Im Falle der Berichterstattung über eine Entscheidung des Parlaments wurden jedoch beide Akteure codiert -

unter gleichzeitiger Beach-

tung der Standpunkte und Diskussionsbeiträge der jeweiligen Fraktionen. Die Presseanalyse stützt sich zur Eruierung der Handlungsträger damit auf einen Katalog, der insgesamt 114 einzelne Akteure umfaßt. Wie bereits angedeutet, wurde mit den detaillierten Vorgaben die methodische Absicht verbunden, den Vercodungsprozeß soweit als möglich von

Entscheidun&sspielräum~n

freizuhalten. Durch eine hohe Zahl von eindeutigen Zuordnungsmöglichkeiten wurden Bewertungsprobleme tendenziell verringert. Die Vorgehensweise brachte allerdings die Schwierigkeit mit sich, daß zur Erstellung und Absicherung eines solchen Katalogs umfangreiche Voruntersuchungen und ein relativ aufwendiger pre-test erforderlich wurden. Zum anderen durfte

-

109 -

die Differenzierung nicht beliebig erweitert werden, um nicht durch wachsende Unübersichtlichkeit andere Fehler zu verursachen. Trotzdem blieb ein Rest von Entscheidungsspielraum, insbesondere dann, wenn aus der Berichterstattung nicht klar der jeweilige Handlungsträger zu erkennen war. Zu den Verbänden und Organisationen wurden dabei auch ihre jeweiligen Fuhktionsträger oder Mandatsträger gerechnet: der"Kreisvorsitzende, Ortsvereinsvorsitzende oder Landtagsabgeordnete einer Partei, der Vorsitzende eines Vereines oder der Sprecher einer Bürgerinitiative. Nicht immer war allerdings eine eindeutige Klärung möglich, ob es sich nun um eine Bürgerinitiative oder beispielsweise um einen Verein handelte. Im Zweifelsfall wurden die Informationen des jeweiligen Artikels mit zur Entscheidung herangezogen, ob das 'Bürgerforum' , die 'Bürgeraktion' usw unter die Bürgerinitiativen zu subsumieren ist. Dabei hatte sich die Einordnung in der Hauptsache an dem organisatorischen Erscheinungsbild der jeweiligen Gruppe zu orientieren. In Zweifelsfällen dienten die Erkenntnisse einschlägiger Forschung als Entscheidungshilfe.

6

*

Der 15-mona-

tige Untersuchungszeitraum erlaubte es, daß man in solchen Fällen in der Regel auf mehrere Berichte zu einer lokal tätigen Gruppierung zurückgreifen konnte und damit nicht allein auf die Informationen eines einzigen Artikels angwiesen war. Das verbesserte insgesamt die Verläßlichkeit der Entscheidung. War es bei den Gewerkschaften und Kirchen trotz gewisser Probleme in den organisatorischen Randbereichen, z.B. hinsichtlich der kirchlich orientierten Vereine, in der Regel eher einfach, sie als Handelnde zu identifizieren, stieß man bei der Wirtschaft hin und wieder auf Schwierigkeiten. Einfach war es dann, wenn es um Aktivitäten oder Äußerungen der Wirtschafts- und Industrieverbände ging, wenn der Vertreter eines

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110 -

großen Unternehmens sich über zu hohe Umweltauflagen beklagt oder ein Betrieb etwa als Einleiter von toxischen Abwässern öffentlich wurde. Problematischer gestaltete es sich dagegen, wenn weitgehend unspezifiziert z.B. von der 'chemischen' oder 'stromerzeugenden Industrie' oder der 'Wirtschaft' schlechthin die Rede war. Als hilfreich für die Entscheidung, wann von einem Handlungsträger innerhalb der Berichterstattung auszugehen ist, erwies sich das eingangs erwähnte Verständnis von Akteuren, nach dem sie im Zweifelsfall als Interessen artikulierende Beteiligte am politischen Prozeß zu begreifen sind. Zu den 'Einzelakteuren und den Sonstigen' zählen zunächst die mit pauschalen Bezeichnungen belegten, meist spontan sich formierenden 'Umweltschützer' , 'Naturschützer', 'Demonstranten' oder 'Flughafengegner'. Auf solche Benennungen stößt man besonders da relativ häufig, wo Protest geäußert wird und die Beteiligten in der Berichterstattung nicht differenziert benannt werden, etwa bei den Auseinandersetzungen um die Flughafenerweiterung in Frankfurt oder um den Bau des Kernkraftwerkes Brokdorf. Als Einzelakteur wird z.B. der Leserbriefschreiber verstanden, sofern er nicht unter seiner Eigenschaft als Funktionsträger einer Organis.tion in der Zeitung firmiert. Zu den Verbänden werden umgekehrt auch ihre jeweiligen Funktionsträger und Mitglieder gerechnet, auch die öfters nur mit ihrem Hobby, ihrer Freizeitbeschäftigung bezeichneten 'Jäger' oder 'Fischer' zählen dazu. Allerdings werden in der lokalen Berichterstattung zumindest die Vereine der Fischer in aller Regel genannt. Bei den Jägern ist dies nicht immer der Fall, sie kommen häufiger ohne die Nennung der organisatorischen Gliederung, des Hegerings oder der Kreisgruppe in der lokalen Berichterstattung vor, wurden aber angesichts des hohen Organisationsgrades im Zweifelsfall ebenfalls unter dem Rubrum des DJV und seiner Teilgliederungen berücksichtigt.

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111 -

Das in der Presseanalyse berücksichtigte sampie von 'Umweltinteressierten Verbänden und Bürgerinitiativen' besteht zum einen aus den vorgestellten, besonders interessierenden Verbänden einschließlich ihrer Mitgliedsorganisationen und den lokal in Erscheinung tretenden Bürgerinitiativen und wird mittels Sammelkategorien ergänzt durch die sonstigen, öffentlich werdenden Umweltverbände. Die folgende Auflistung bietet, insbesondere im Hinblick auf das Tabellenwerk des 3. Kapitels, einen Überblick über die in der Presseanalyse einzeln berücksichtigten Verbände:

Besonders interessierende Verbände

BBU

Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz, die Landesverbände Bürgerinititiven Umweltschutz sowie örtliche und regionale Bürgerinitiativen

DNR

Deutscher Naturschutzring und seine insgesamt rund 90 Mitgliedsverbände (ein vollständiges Verzeichnis findet sich im Anhang); die neun größten direkten Mitglieder sind nachfolgend genannt, sie treten in den Tabellen entweder einzeln oder zu einer Gruppe zusammengefaßt auf: DAV

Deutscher Alpenverein mit seinen 291 einzelnen örtlichen Sektionen

VDGW

Verband Deutscher Gebirgs- und Wandervereine mit insgesamt 48 Mitgliedsverbänden; die vier größten wurden direkt in die Analyse einbezogen: - Schwäbischer Albverein - Schwarzwaldverein - Sauerländischer Gebirgsverein - Pfälzerwaldverein

-

FN

Deutsche Reiterliche Vereinigung mit ihren lokalen Reit- und Fahrvereinen

DJV

Deutscher Jagdschutzverband mit seinen Landesverbänden, Kreisgruppen und Hegeringen

VDS

Verband Deutscher Sportfischer mit seinen Landes- und Regionalverbänden und den lokalen Sportfischer- und Angelvereinen

TV

Touristenverein "Die Naturfreunde", mit seinen Landesverbänden, Bezirks- und Ortsgruppen

DJH

Deutsches Jugendherbergswerk

DTSchB

DIB

DHB

112 -

Deutscher Tierschutzbund mit seinen lokalen Tierschutzvereinen (zu Beginn der Untersuchung war der DTSchB noch Mitglied des DNR)

Deutscher Imkerbund mit seinen Untergliederungen und örtlichen Imkervereinen

Deutscher Heimatbund mit seinen 10 Landes- bzw Regionalverbänden sowie den örtlichen Heimat- und und Brauchtumsvereinen

BUND

Bund Umwelt- und Naturschutz Deutschland mit seinen Landesverbänden, den Kreis- und Ortsgruppen. Der BUND ist zwar Mitglied des DNR, wird aber auch wegen der Häufigkeit seines öffentlichen Auftretens gesondert erfaßt.

"Pro grün" Gemeinnütziger Grünflächenverein "pro grün", Wattenscheid, mit seinen Ortsgruppen

-

113 -

Nach dem pre-test wurde das sampie der einzeln zu berücksichtigenden Verbände um zwei ergänzt: DBV

Deutscher Bund für Vogelschutz mit seinen Landesverbänden, Kreis- und Ortsgruppen

greenpeace Internationale Umweltschutzorganisation mit Untergliederung in der Bundesrepublik Der DBV ist Mitglied des DNR, wäre demnach der Reihe der nicht einzeln benannten Mitgliedsverbände zugerechnet worden; er trat jedoch derart häufig und in nahezu allen Zeitungen auf, daß es geboten schien, sein Öffentlichwerden getrennt zu dokumentieren. Die ersten Eindrücke wurden später durch die überraschend deutlich ausgeprägte lokale Aktivität des Verbandes vollauf bestätigt. Die Erweiterung der Reihe von Einzelverbänden durch die internationale Organisation 'greenpeace', bzw deren bundesdeutsche Dependance, gründete sich auf den aus der Voruntersuchung gewonnenen Eindruck, daß greenpeace häufiger, zumindest aber überregional und in vielen Zeitungen öffentlich wird. Im Verlauf der weiteren Untersuchung hat sich dieser Eindruck, zumindest bezogen auf die Häufigkeit des Auftretens, nicht oder nur sehr bedingt bestätigt. Neben den im einzelnen berücksichtigten Verbänden stößt man auf unterschiedliche, oft nur vereinzelt, temporär bzw in einem Untersuchungsteilgebiet auftretende umweltinteressierte Verbände. Sie konnten deshalb lediglich als Gruppe er faßt werden:

'Sonstige, primär an Umweltschutz interessierte Ver-

einigungen'. Zu ihnen gehören z.B. die Gemeinschaft für Natur und Umweltschutz im Landkreis Gütersloh oder der Verein für Vogelschutz in Kaiserslautern.

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114 -

Vergleichsweise umfangreich fällt auch die Zahl derjenigen Verbände aus, die weder primär an Umweltschutz interessiert sind, noch zu unserem sampIe gehören und nur hin und wieder einmal umweltschutzbezogen öffentlich werden. Dazu zählen z.B. solche Organisationen wie das Blaue Kreuz, dann, wenn sie sich etwa um umweltbedingte Gehörschädigungen kümmert, und die Verbraucherverbände, wenn sie auf umweltfreundliche Verpackungen hinweisen. Sie wurden als 'Sonstige, eher gelegentlich an Umweltschutz interessierte Verbände' zu einer Gruppe zusammengefaßt. Bei der Analyse der Berichterstattung wurden die in einern Zeitungsbeitrag auftretenden Akteure nur jeweils einmal registriert auch dann, wenn sie mehrmals genannt werden. Doppelnennungen waren somit nicht zugelassen. Aufgrund der differenzierten Erfassung wurden allerdings in einern solchen Artikel, in dem z.B. der Landesumweltminister, die Mittelinstanz und der Landrat erwähnt werden, auch drei Akteure codiert. Nach der Zusammenfassung fallen diese drei Nennungen unter eine Aktorgruppe: Staat und Kommunen. Im Hinblick auf die Tabellen erklärt sich dadurch, daß bei der Prozentuierung der Häufigkeit des Auftretens auf die Zahl der analysierten Artikel gerade bei 'Staat und Kommunen' Werte über Hundert zustande kommen können. Zwei Tabellen zu Beginn des 3. Kapitels geben einen Überblick über den Gesamtumfang der Presseanalyse. Die dann folgenden 25 Tabellen beinhalten einen wesentlichen Teil des Gesamtergebnisses und basieren auf der Umweltberichterstattung aller 20 Zeitungen. Die zusätzlich ausgewerteten Lokalteile werden dabei nicht miteinbezogen, um damit die pro Zeitung erzielten Resultate einigermaßen vergleichbar zu halten. Die hier zu diskutierenden Ergebnisse beruhen auf der Auswertung aller schon beispielhaft genannter Beitragsarten, die auch alle ohne irgendeine Gewichtung berücksichtigt wurden.

-

115 -

Auf eine konsequent nach den Formen der Berichterstattung und damit mittelbar auch nach dem Umfang der einzelnen Beiträge differenzierte Betrachtung wird verzichtet. Sie hätte im Hinblick auf die Fragestellung einerseits kaum einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn versprochen und andererseits die Überschaubarkeit der Analyseergebnisse erheblich beeinträchtigt. Die Tabellen sind so gehalten, daß ein Überblick über alle in der Umweltberichterstattung auftretenden Akteure vermittelt wird. Es finden sich dort zunächst die absoluten Häufigkeitswerte des Auftretens der Akteure in der Berichterstattung der einzelnen Zeitungen. Die Zeitungen sind dabei geographisch bzw nach den Bundesländern geordnet, wobei die vier nicht aus dem Untersuchungsgebiet stammenden Zeitungen an das Ende der Tabellen gesetzt sind. Die absoluten Häufigkeitswerte finden sich dann innerhalb einer Relationstabelle auf die Zahl der untersuchten Umweltartikel aus der jeweiligen Zeitung prozentuiert,

zusätzlich werden Durchschnittswerte errechnet.

Im jeweils zweiten Schritt wird dann die Gruppe der Umweltverbände und Bürgerinitiativen differenzierter betrachtet, Aufbau und Gliederung der Tabellen bleibt ansonsten unverändert. Von den Umweltverbände und Bürgerinitativen werden schließlich in einem dritten Schritt die 9 großen DNR-Verbände ausgegrenzt und genauer betrachtet. Die grundsätzliche Gliederung der Tabellen wird somit in den verschiedenen Darstellungschritten, in denen zum einen die lokale und zum anderen die gesamte Umweltberichterstattung zur Debatte steht, immer beibehalten: Einerseits die Auf teilung nach der Berichterstattung der einzelnen Zeitungen, andererseits die stufenweie Konkretisierung des Auftretens von umweltinteressierten Verbänden und Bürgerinitiativen, auch in Verbindung mit der thematischen Struktur.

-

116 -

Schema der Tabellengliederung in Kapitel 3

Akteure in der Umweltberichterstattung n.1,

abs./n.2,in%

Umweltverbände und Bürgerinitiativen in der Umweltberichterstattung n.1,abs./n.2,

in%

:DNR-Verbände :in der Umweltberichterstattung :n.1, abs./n.2,

in%

Zur Ermittlung der Thema-Aktor-Strukturen muß dann allerdings auf die getrennte Darstellung der einzelnen Zeitungen verzichtet werden. Den Tabellen liegen dabei alle lokalen Umweltartikel bzw alle Beiträge der gesamten Umweltberichterstattung zugrunde -

jeweils ohne zusätzliche Lokalteile.

Die Struktur der Erfassung des Umweltthemas wurde bereits in Kapitel 2.2.1.3 erläutert.

-

2.2.2

117 -

Örtliche Interviews

2.2.2.1 Grundlage und Konzeption

Die Zeitungen und die durch sie vermittelte öffentliche Umweltdiskussion sind zum einen ein wesentliches Segment politischer Realität. In ihnen vollzieht sich ein bestimmter Teil von Politik und insbesondere ein Teil jener Interessenwahrnehmung,

die auf Öffentlichkeit setzen muß.

wortet das Ergebnis der Presseanalyse -

Insofern beant-

indem es über die Be-

teiligung von Umweltverbänden an der öffentlich geführten umweltpolitischen Diskussion Auskunft gibt - schon einen Teil der Untersuchungsfrage. Inwieweit sich nun in der Presseberichterstattung soziale und politische Realität widerspiegelt, wird immer nur fallweise und nie generell zu klären sein. Im Hinblick auf den engeren Untersuchungsgegenstand, die Umweltverbände, ist deshalb zunächst davon auszugehen,

daß sie ein medienspezifisches Ab-

bild sozialer und politischer Realität vermittelt. Eine erste Aufgabe der örtlichen Untersuchung muß es demnach sein, zu einer Qualifizierung dieses Bildes insofern beizutragen, als sie, soweit dies eben möglich ist, zu überprüfen hat, wie 'zuverlässig' die lokale Zeitungsberichterstattung ist. Die Verläßlichkeit muß sich zum einen daran messen lassen, ob und in welchem Umfang die relvanten Ereignisse berichtet wurden. Dabei muß man sich auf das stützen, was sich von den Behörden, dem Umweltbeauftragten und den Verbänden an Themen und Ereignissen erfragen läßt. Zum anderen wird zu überprüfen sein, inwieweit die Aktivitäten der örtlichen Gruppen hinreichend thematisiert werden, ob davon auf die politische Beteiligung der Verbände und Bürgerinitiativen und auf ihre eher naturschutzpraktischen Aktivitäten geschlossen werden kann. Es wird sich jedoch nur näherungsweise klären lassen, was

-

'hinreichend'

118 -

ist, da man nicht davon ausgehen kann, daß die

Wünsche und Erwartungen der Akteure nach Öffentlichkeit immer mit den Möglichkeiten der Zeitung in Einklang zu bringen sind.

Insgesamt läßt sich jedoch sicherlich ein Eindruck da-

von gewinnen, ob die Berichterstattung innerhalb ihre Rahmens zu gewissen Bevorzugungen oder Benachteiligungen führt. Da das Erkenntnisinteresse auch darin besteht, eher latente verbandliehe Potentiale zur Organisation von Umweltinteressen zu eruieren und sie hinsichtlich ihrer Entwicklungsfähigkeit einzuschätzen,

ist es die zweite Aufgabe der Interviews vor

Ort, nach Hinweisen auf die Gründe für erwartbares, praktisch aber fehlendes umweltpolitisches Engagement von Verbänden zu suchen. Darüber hinaus werden,

soweit möglich, Struktur und

Selbstverständnis solcher örtlicher Guppen zu eruieren sein, die als Bürgerinitiativen oder Verein aktiv sind und keinem überregionalen Verband angehören. Schließlich ist es drittens von Interesse, ob sich die vermutete Begrenzung umweltrelevanter Aktivitäten auf naturschutzpraktische Aktionen bei einem Teil der uns besonders interessierenden Verbände bestätigt und wie weit andererseits das umweltpolitische Engagement der primär interessierten Verbände reicht. Kurz gesagt: Es geht um die qualitativen Aspekte der Verbandsaktivitäten; mit der Presseanalyse wird in der Hauptsache nur deren Häufigkeit aufgezeigt. Die Interviews mußten sich, ihrer Zielsetzung entsprechend, auf die Ergebnisse der Presseanalyse stützen. Dazu wurde es erforderlich,

über die im Rahmen dieser Arbeit dargestellten

quantitativen Ergebnisse der Pressenanalyse hinaus, eine qualitative Auswertung der gesamten, auf das jeweilige Untersuchungsteilgebiet bezogenen Berichterstattung der jeweils untersuchten Zeitung mit ggf. mehreren Lokalteilen vorzunehmen.

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119 -

Der Themenkatalog, welcher der Vercodung und damit der EDVAuswertung zugrunde gelegt wurde, mußte vor allem auch wegen des Analyseumfangs und zur Wahrung der Vergleichbarkeit relativ abstrakt formuliert werden. Die so gewonnenen Erkenntnisse über Themen und Akteure boten deshalb noch keine adäquate Kommunikationsbasis für die Gespräche vor Ort. Erst die nochmalige, getrennt von der Vercodung vorgenommene Durchsicht der lokalen Umweltberichterstattung, und die Erarbeitung einer ergänzenden Übersicht über die Struktur der lokalen Ereignisse und Akteure eines jeden Teilgebietes führte zu dieser Grundlage. Sie blieb in ihrer Sprache nahe an der Berichterstattung über die örtlichen Geschehnisse. Damit war insbesondere die Voraussetzung dafür geschaffen, Hinweise zur Einschätzung der Zuverlässigkeit lokaler Berichterstattung in den Gesprächen zu sammeln. Neben der Übersicht über einzelne Probleme oder Ereignisse wurden mit die-· ser Auswertung auch die wesentlichen Diskussionsabläufe, die Einstellungen und Argumente der Beteiligten eruiert und für die zu führenden Gespräche zu kurzen Profilen des jeweiligen Teilgebietes verdichtet. Damit waren die Interviewer in vielen Fällen 'besser informiert' als ihre Partner, was meist sehr intensive und auch auf Hintergründe eingehende Gespräche ermöglichte.

2.2.2.2

Partner

Zum Zeitpunkt der Konzeption der Analyse waren pro Untersuchungsteilgebiet etwa 20 förmliche Interviews geplant. Nach einer Testphase in einigen Teilgebieten ergab sich jedoch, daß diese Anzahl erstens mit den verfügbaren finanziellen, personellen und zeitlichen Ressourcen nicht zu schaffen, daß aber zweitens sie auch nicht unbedingt erforderlich war. Nach

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einer deutlich geringeren Zahl von Interviews bestätigte sich vielmehr der bereits gewonnene Gesamteindruck von Ereignissen und Akteuren im Teilgebiet nur noch, neue Informationen und Einschätzungen oder wesentliche Modifizierungen waren meist nicht mehr zu erfahren. Gleichzeitig ergab sich ein bestimmter Kern an Gesprächen, auf die nicht verzichtet werden konnte. Es waren in der Regel die mit dem Landrat bzw dem Oberkreisdirektor, dem Oberstadtdirektor bzw -bürgermeister, mit dem bzw den maßgeblich für den Umweltschutz verantwortlichen Amtsleitern, mit einem eventuellen Umweltschutzbeauftragten, mit dem oder den Lokalredakteuren, mit den Fraktionsvorsitzenden oder Umweltsachverständigen der Parteien und schließlich die mit den Vorsitzenden und Mitgliedern wichtiger, vor allem aber der besonders interessierenden Verbände. Insgesamt wurden im Untersuchungsgebiet 170 ausführliche Interviews durchgeführt, 73 mit Vertretern von Verbänden und Bürgeriniativen, 47 mit den Spitzen und Fachbehörden der Kreis- und Kommunalverwaltung, 28 mit Partei vertretern und 22 mit Lokalredakteuren. Etwa 50 ergänzende Gespräche meist mit Vertretern und Mitgliedern von Vereinen und Verbänden verbreiterten die Informationsbasis. Die Kontaktaufnahme mit den meist sehr auskunftsbereiten Gesprächspartnern erfolgte in der Regel kurzfristig und gestaltete sich in den meisten Fällen problemlos. Die Interviews verliefen in fast allen Fällen in einer offenen Atmosphäre. Lediglich dort, wo es über Umweltthemen auch zu lokalen Auseinandersetzungen gekommen war, gab es hin und wieder Mißtrauen oder auch nur Vorsicht; beides ließ sich in der Regel überwinden. Vertreter der Parteien, vereinzelt auch die von Gewerkschaften, neigten hin und wieder zu 'statements'; auch hier konnte man mit gezielten Fragen zur örtlichen Situation und Diskussion meist eine fruchtbare Gesprächssituation schaffen.

- 121 -

Die Interviews dauerten in der Regel etwa eineinhalb Stunden und wurden zum großen Teil auf Band aufgezeichnet und in etwas komprimierter Form, aber noch immer recht ausführlich auf rund 600 Seiten dokumentiert. Wenn im Zuge der Darstellung von Ergebnissen innerhalb des Kapitels 3 Passagen aus der in indirekter Rede gehaltenen Dokumentation zitiert werden, geschieht dies in aller Regel in einfachen Anführungsstrichen. Wörtlich protokollierte Passagen finden sich in den üblichen Anführungsstrichen.

2.2.2.3

Auswertung

Mit Hilfe einiger Leitfragen wurde für die Interviews eine Orientierung vorgegeben, die Gesprächsführung blieb aber weitgehend offen, was nicht ohne Konsequenzen für die Vergleichbarkeit und die Ermittlung der Ergebnisse bleiben konnte. Um die Auswertung etwas zu erleichtern, erfolgte im Zuge der Dokumentation quasi eine ex-post-Strukturierung nach den Maßgaben des Fragenkatalogs. Damit war eine Grundlage für den Vergleich der einzelnen Gespräche geschaffen. Im weiteren Verlauf wurde zum einen pro Untersuchungsteilgebiet und zusammenfassend eine qualitative Gegenüberstellung von Einschätzungen, z.B. solche der Verwaltung im Hinblick auf die agierenden Verbände und umgekehrt oder solche der Verbände untereinander, vorgenommen und ergänzende Informationen berückSichtigt. Zum anderen wurde auch quantitativ ermittelt, in welchem Ausmaß z.B. sekundäre Umweltverbände einerseits, primäre und Bürgerinitiativen andererseits die örtliche Presseberichterstattung kritisieren und ggf eine mangelnde Berücksichtigung monieren. Insgesamt bleiben die Resultate der örtlichen Befragung im Vergleich mit denen der Presseanalyse jedoch eher 'weich'. worauf die Interpretation Rücksicht zu nehmen hat.

-

122 -

Die Fragen des Leitfadens wurden nach einigen Testinterviews auf die jeweilige Gruppe der Gesprächspartner abgestimmt. In den meisten Fällen kamen einleitend die umweltrelevanten Probleme im Untersuchungsteilgebiet zur Sprache. Sie vermittelten den 'Einstieg' in die weiteren, uns im engeren Sinne interessierenden Probleme. Es war meist schon recht bald möglich, sich einen ersten Eindruck davon zu verschaffen, ob von einer ungefähr vollständigen Zeitungsberichterstattung ausgegangen werden kann,

später war dies dann zu präzisieren.

Vielfach wurden die Gespräche mit der Verwaltung zeitlich an den Anfang gestellt. Sie gestalteten sich, mit wenigen Ausnahmen, sehr ertragreich und gestatteten schon einen ersten Überblick über die Umweltsituation vor Ort und die an der einschlägigen Diskussion beteiligten Vereine und Gruppen. Die Gespräche mit den Verbänden und auch mit den Parteien waren zunächst darauf gerichtet, zu erfragen, wie sich die Umweltprobleme aus ihrer Sicht darstellen und wie sie die jeweils anderen Akteure einschätzen. So ergab sich durch die Kombination von Einschätzungen anderer und Selbsteinschätzung ein wohl hinreichend abgesichertes Bild über Ausmaß und Form der umweltpolitischen aber auch naturschutzpraktischen Beteiligung der Akteure, insbesondere der Verbände und Bürgerinitiativen.

2.3

Zur Reichweite der Ergebnisse, Validität und Repräsentativität

Während die Einschätzung von Aussagekraft und Reichweite von Ergebnissen der institutionellen Verbändeanalyse vergleichsweise wenig Probleme aufwirft, ist sie für die Analyse der Verbändebasis schon schwieriger zu treffen. Im ersten Fall besteht in Zusammenhang mit entsprechenden Vorüberlegungen das Problem hauptsächlich in der Verbändeauswahl.

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123 -

Im Verlauf der weiteren Analyse hat sich jedoch gezeigt, daß die vorgenommene Selektion, unter Berücksichtigung der erwähnten Korrekturen, richtig war; zumindest sind bei der Untersuchung in der Fläche keine Verbände hervorgetreten, die mit größerem Recht hätten berücksichtigt werden müssen. Im zweiten Fall stellt sich die Frage nach der Verläßlichkeit der Aussagen vornehmlich als die nach der Zuverlässigkeit dessen, was sich aus der Zeitungsauswertung und aus den örtlichen Gesprächen ergibt. Den Zugang zur Umweltverbändebasis über die Presseberichterstattung innerhalb eines begrenzten Untersuchungsgebietes zu suchen, ist in der einschlägigen Forschung nicht unbedingt üblich. Die Gründe, die für diesen Weg sprechen, wurden im wesentlichen bereits dargelegt. Es ging jedoch nicht nur um die Basis eines begrenzten Verbändesampies, sondern Ausgangspunkt der Überlegungen war darüber hinaus die Frage nach der verbandlichen Organisation des Umweltinteresses innerhalb eines Gesamtbildes politischer Auseinandersetzung. Demnach wurde eine Analyse erforderlich, die mit einem weiten Akteur-Begriff operiert, was, zusammen mit einer nicht stringenten thematischen Eingrenzung, sehr umfangreiches Material erbrachte mit den dazugehörigen Problemen seiner Bewältigung. Allerdings war damit die wesentliche Voraussetzung dafür geschaffen, daß die Gespräche vor Ort sachverständig und die Hintergründe ausleuchtend geführt werden konnten und ihr Ertrag für die Einschätzung des umweltpolitischen Engagements somit eine solide Grundlage abgibt. Auf die Analyse der besonders interessierenden Verbände gewendet,

bedeutet dies die Möglichkeit zu verläßlichen Aus-

sagen auch über solche Verbände, die nur wenig öffentlich werden und in einer weniger umfangreichen Analyse keine entsprechende Berücksichtigung gefunden hätten.

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124 -

Die grundsätzliche Eignung der Presseauswertung zur Erarbeitung der Struktur öffentlicher Diskussion und insbesondere die der Lokalberichterstattung zur Beurteilung des örtlichen, und dort des verbandlichen Umweltengagements, läßt sich nochmals mit zwei Argumenten unterstreichen. Zum ersten stimmen die Ergebnisse bisheriger Lokalpresseanalysen soweit überein, daß mit wenigen, meist deutlich erkennbaren Ausnahmen, alle diejenigen zumindest abgebildet werden, die vor Ort sozial oder politisch agieren oder sich 7 "" * Uber die Qualität der Beiträge gibt es unter-

engagieren.

schiedliche Aufassungen, insbesondere über den an der lokalen 'Obrigkeit' sich orientierenden, gesellschaftliche Aspekte nicht hinreichend unterstreichenden, von manchen mit 'Hofberichterstattung' apostrophierten Journalismus. Diese Fragen standen ebenso wie die politische oder auch partei politische Ausrichtung der untersuchten Zeitungen schon deshalb nicht im Vordergrund der vorliegenden Untersuchung, weil das breite Spektrum der örtlichen Interviews eine Qalifizierung des Presseergebnisses gewährleistet. Das heißt nicht, daß die trotz vielfach gegenteiliger Beteuerungen - im Zweifel vom Verleger beeinflußte politische Grundhaltung auch einer Lokalredaktion oder das umweltschützerische Engagement eines Redakteurs keinen Einfluß auf das quantitative Gerüst der thematischen Struktur einer Zeitung hätten. Es stellte sich allerdings heraus, daß auch dann, wenn von einer vergleichsweise deutlich ausgeprägten (partei-)politischen Linie einer Lokalredaktion auszugehen war, dies kaum einen Einfluß auf das Aufgreifen von Umweltereignissen hatte, allenfalls auf die Art ihrer journalistischen Behandlung. Etwas anders ist die Situation dann, wenn es um das Einrücken solcher Beiträge geht, die sich nicht unmittelbar auf lokales Geschehen beziehen und auf die umweltpolitische Auseinandersetzung Bezug nehmen. Näheres ist dazu in Kapitel 3.3.1 nachzulesen. Insgesamt scheint der Spielraum der Lokalberichterstattung

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schon aufgrund sehr deutlich geäußerter 'Wünsche' der jeweiligen örtlichen Gruppen eher enger als man dies anzunehmen geneigt ist, was letztlich ebenfalls für die Verläßlichkeit der vorgelegten Ergebnisse spricht. Im Hinblick auf die besonders interessierenden Verbände galt es zur Validierung zusätzlich zu überprüfen, inwieweit ihnen der Weg zu den Zeitungen überhaupt offen steht. Dazu wurde die Berichterstattung über alle Aktivitäten der entsprechenden Vereine erfaßt, welche denjenigen Anteil, in dem sie mit Umweltbezug öffentlich werden um ein Vielfaches übersteigt. Dies ist allerdings auch deshalb so, weil in den Lokalteilen der Zeitungen ein teilweise recht umfangreicher Serviceteil unterhalten wird, mit Hinweisen auf die Veranstaltungen der Fischer, Wanderer, Jäger etc., die jeweils miterfaßt wurden. Trotzdem bleibt eine beachtlich umfangreiche Berichterstattung, die in ihrer Häufigkeit und Breite auch von der Intensität der verbandlichen Bemühung um Öffentlichkeit abhängt. In Kapitel 3.2.2 findet sich ein Überblick über die Größenordnungen und die thematischen Schwerpunkte der allgemeinen Vereins- und Verbände berichterstattung. Die bei den einzelnen Zeitungen durchweg ähnlichen Ergebnisse lassen eigentlich keinen Zweifel darüber aufkommen, daß der 'Zugang' zur Presse den Vereinen und Verbänden keineswegs verstellt ist. Schließlich geht es um Zweifel an der Aussagekraft der überlokal und somit allgemein ermittelten Struktur der Umweltdiskussion und der Intensität, mit der sich die unterschiedlichen politischen Akteure, insbesondere die Umweltverbände, an ihr beteiligen. Das auf der Basis von 29 Lokal- bzw Regionalzeitungen und einer überregionalen Zeitung erarbeitete Material scheint umfangreich genug und hinreichend breit gestreut, um wesentliche Verzerrungen nahezu ausschließen zu können.

-

126 -

Das Untersuchungsgebiet ist nicht repräsentativ für das Bundesgebiet und die analysierten Zeitungen sind nicht repräsentativ für die in der Bundesrepublik erscheinenden Zeitungen insgesamt. Es ist aber deutlich geworden, daß die Reichweite und letztlich die Verallgemeinerungsfähigkeit der Ergebnisse zur verbandlichen Organisation des Umweltschutzes nicht von der Qualität der Stichprobenermittlung abhängen sondern davon, ob Untersuchungsgebiet und Zeitungssampie hinreichend groß gewählt wurden, um Zufälle auszuschließen. Nachdem auch die außerhalb des Untersuchungsgebietes analysierten Zeitungen und die zusätzlich ebenfalls außerhalb des UntersuChungsgebietes geführten Kontrollinterviews kein anderes als das hier darzustellende Bild erkennen lassen, kann man - mit der gebotenen Vorsicht - davon ausgehen, daß das Ergebnis nicht von solchen Zufällen bestimmt wird. Allerdings darf man nicht übersehen, daß es, zumindest in seiner spezifischen Ausprägung und vor allem in der Struktur der diskutierten Teilthemen, ausgesprochen zeitabhängig ist.

Kapitel 3 ERGEBNISSE 3.1

Struktur und Politik ausgewählter Umweltverbände

3.1.1 Gründung und Entwicklung

Zu Beginn dieser Darstellung stellt sich die Frage, es einen Sinn macht,

inwieweit

so grundverschiedene Organisationen mit-

einander zu vergleichen. Sie bestehen zum einen Teil seit den frühen Jahren unseres Jahrhunderts und sind zum anderen Teil gerade oder noch nicht einmal 10 Jahre alt. Einige gelten als gut organisiert, andere höchstens als lockere Assoziationen. Trotz vieler Unterschiede verbindet sie aber alle das evidente oder reklamierte umweltpolitische Interesse und die gemeinsame Zugehörigkeit zu dem,

zugegeben, weiten Feld der ge-

sellschaftlichen Interessenorganisationen, auch wenn sich gezeigt hat, daß hie und da,

namentlich beim BBU, die Grenzen

zu den Aktions- und Verhaltensmustern einer Partei fließend verlaufen. W.Sternstein, Vorstandes beim BBU,

selbst mehrere Jahre Mitglied des

beschreibt den Zusammenschluß der Bür-

gerinitiativen in seinem Bericht zur

'Willensbildung in der

Ökologiebewegung,.l* Er betont zwar die Besonderheiten des Anspruches und des Selbstverständnisses, läßt jedoch keine Zweifel am Interessenverbandscharakter des BBU aufkommen.

In

der Tat grenzt sich der Bundesverband zwar nicht ohne Schwierigkeiten aber doch klar erkennbar von den Grünen ab. Bei angemessener Berücksichtigung der hier angedeuteten,

später

im einzelnen genannten grundsätzlichen Unterschiede,

ver-

spricht deshalb die vergleichende Betrachtung durchaus einen Erkenntnisgewinn. Deutscher Heimatbund (DHB) Die Gründung des Deutschen Heimatbundes (DHB) wird auf den 30. März 1904 datiert. Außerhalb des DNR ist er der älteste

-

128 -

Verband in unserem sampie und hebt sich deswegen von den anderen, besonders interessierenden Verbänden ab. Den "Professoren, Museumsdirektoren, Politikern, hohen Beamten, Richtern und Schulmännern, Geistlichen und Schriftstellern", die sich um den Gründer, Ernst Rudorff, versammelt hatten, ging es neben der Natur um die Pflege von Brauchtum und Trachten, um Volkstanz und Mundart. Im Aufruf zur Gründung des 'Deutschen Bundes Heimatschutz' , wie man ihn anfangs nannte, wird beklagt, daß "Heide und Anger, Moor und Wiese, Busch und Hecke verschwinden", mit ihnen "eine ebenso eigenartige wie poetische Tier- und niedere Pflanzenwelt" und daß der "anmutende Fachwerkbau" dem "kahlen Backsteinkasten weichen" muß. 2 * Der Vereinigung von damals ging es aber um mehr, ihr Credo war die "Erhaltung unserer Volksseele". "Charakter und Eigenart unserer vielfältigen Volksstämme" galt es "zu analysieren und zu konservieren, wobei Trachten und Brauchtum, Volkstanz und Mundart ebenso eine Rolle spielten, wie die Pflege des Volksliedes und des alten Sagengutes", formuliert 1979 Präsi3 dent U. Klausa.

*

Die Gründung des Heimatbundes fällt in die Zeit eines aufkeimenden gesellschaftlichen Interesses und Engagements für die Natur. Die damaligen Bestrebungen waren jedoch wenig von rationaler Argumentation getragen. Grundlegende Überlegungen äußerte seinerzeit E. Rudorff: "In dem innigen und tiefen Gefühl für die Natur liegen recht eigentlich die Wurzeln des germanischen Wesens, was unsere Urväter in Wodans heilige Eichenwälder bannte, was in den Sagen des Mittelalters,

.. an-

klingt, um dann in neuer ungeahnter Fülle in Goethes oder Eichendorffs Lyrik •• hervorzubrechen; immer ist es derselbe Grundton, derselbe tiefe Zug der Seele zu den wundervollen und unergründlichen Geheimnissen der Natur, der aus diesen .. 4 Außerungen des Volksgemüts spricht." Daß die Basis, auf

*

die Rudorff naturschützerische Bemühungen damit stellte, auf

-

129 -

eine gewisse Akzeptanz stieß, findet seinen Ausdruck in der Verbandsgründung von 1904. Immerhin wurde bereits 1906 eine 'staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen' eingerichtet,

fand der Gedanke, zur Erhaltung von 'schönen' Land-

schaftsteilen beizutragen, Eingang in die preußische Gesetzgebung. Eine einheitliche Regelung des Naturschutzes scheiterte jedoch an den damals nicht in Einklang zu bringenden Interessen der Einzelstaaten und gewiß auch an unzureichender gesellschaftlicher Unterstützung. Daran vermochten auch die inzwischen etwas zahlreicher gewordenen Mitglieder der Naturschutzbünde nichts zu ändern. Daß den letzteren eine Breitenwirkung versagt blieb, lag sicher zum größten Teil an der damaligen politischen Kultur. Es wird aber auch dazu beigetragen haben, daß ihre Argumentation, nach denen der Naturschutz "für die Seele des Volkes unerläßlieh" gewesen sei,

5

*

"

nur wenig Uberzeugungskraft entfaltet

hat. Außerdem läßt sich -

bei heutiger Betrachtung -

eine

bemerkenswerte Ignoranz gegenüber dominanten sozio-ökonomisehen Problemlagen erkennen, die sich etwa in Überheblichkeit gegenüber der Arbeiterschaft ausdrückte: "In diesen Menschen steckt zum größten Teil das Bewußtsein ihrer Lebensführung, dem freilich in sehr verschiedener Weise Ausdruck gegeben wird. Viele treibt es in die Kneipe oder - mit geballter Faust - auf die Straße. In ihren armen Hirnen kreisen nur wenige Gedanken, und die bewegen sich um Pfennige und Mark ••• Diese Leute sind für uns so gut wie tot!"

6

*

Der Naturschutz

wurde nicht Gegenstand einer breiten Diskussion, er blieb vielmehr für lange Zeit eine weitgehend esoterische Angelegenheit. Der DHB, seit den SOer Jahren überwiegend aus öffentlichen Zuwendungen finanziert,

befaßte sich bis zu Beginn der 70er

Jahre nahezu ausschließlich mit Denkmalerhaltung und Dorfinventarisation, pflegte die niederdeutsche Sprache und

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bemühte sich um die Volkskunde. Neue Aufgabenfelder im Umwelt- und Naturschutz wurden erst definiert, nachdem im November 1973 der damalige Staatssekretär G.R. Baum auf einer DHB-Veranstaltung von der "bürgerschaftlichen Verantwortung für eine bessere Umwelt" gesprochen hatte. Deutscher Naturschutzring (DNR) Auch der Deutsche Naturschutzring kann auf eine längere, inzwischen über dreißigjährige Geschichte zurückblicken. Der im Umfeld der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der damals ehrenamtlichen Beauftragten für den Naturschutz (ABN) im Jahre 1950 entstandene DNR hatte sich von Beginn an zur Aufgabe gemacht, seinen Mitgliedern im Bedarfsfall bei der Vertretung von Naturschutzinteressen zur Seite zu stehen. Der Ring wuchs in den ersten Jahren seines Bestehens beträchtlich, durchlebte dann aber eine Zeit verminderter Aktivität und Bedeutung. Mit der Präsidentschaft von Prof. Grzimek, spätestens aber mit der Übernahme der Führung durch Prof. Engelhardt, vermerkt die Verbandschronik einen weiteren enormen Mitgliederzuwachs, eine gestiegene Bedeutung des Zusammenschlusses und den Anschluß von damals ca. 100 Vereinen und Verbänden mit rund 2 Mill. Mitgliedern. Nicht zuletzt aufgrund dieser Entwicklung, die 1970 durch die Ausrichtung der Veranstaltungen zum europäischen Naturschutzjahr einen Höhepunkt erreichte, versteht er sich ausweislich seiner Chronik als "selbstverständlicher Verhandlungspartner, sowohl für die Behörden des Bundes als auch für die zuständigen obersten Landesbehörden". Bund Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) Sowohl die Entstehung des bundesweiten Zusammenschlusses der umweltpolitisch aktiven Bürgerinitiativen, BBU, als auch die Gründung des Bundes Umwelt und Naturschutz Deutschland, BUND,

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131 -

fallen in die erste Hälfte der 70er Jahre. Damit ist die Dekade angesprochen, welche umweltpolitisch deutlich im Zeichen des Widerstandes gegen die Kernenergie stand, in der die soziale Bewegung der Bürgerinitiativen ihren Höhepunkt erreichte, in der sich aber auch, möglicherweise dadurch angeregt, das gesellschaftliche Interesse an der Umwelt und an der damit in Zusammenhang stehenden Politik verbandlieh stärker organisierte. Der BUND wurde 1975 ins Leben gerufen;

sein bis

heute weitaus stärkster und einflußreichster Landesverband, der seit vielen Jahren von H. Weinzierl geführte Bund Naturschutz in Bayern,

besteht allerdings schon sehr viel länger.

Auch die baden-württembergische Teilgliederung gab es ebenfalls schon vor der Gründung des Bundesverbandes. Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) Der BBU entstand 1972 als Zusammenschluß von 15 Bürgerinitiativen in Mörfelden. Neben dem Weltbund zum Schutze des Lebens oder der Aktion Umweltverbesserung waren der Deutsche Bund für Lebensschutz, aber auch engagierte Einzelpersonen, wie der Umweltbeauftragte der evangelischen Kirche, Pfarrer Öser, an der Gründung beteiligt. Viele von denen, die den BBU aus der Taufe gehoben haben, schieden aber bald wieder von ihm. Kurz nach der Gründung kam es zu Auseinandersetzungen, die dazu führten,

daß die Lebensschutzgruppierung um Prof. Bruns

und Dr. Brand wieder auschied. Die übrigen hatten sich zusammengefunden, um quasi eine Lobby, eine zentrale Vertretung für die lokalen Bürgerinitiativen zu schaffen.

7

*

Es blieb

jedoch recht still um den Verband; erst als Mitte der 70er Jahre die Auseinandersetzungen um die Kernenergie massiv geführt wurden, gewann er seine eigentliche Bedeutung. H.H. Wüstenhagen wurde nach H. Zilleßen rasch zur dominierenden Figur im BBU. Er führte den Verband bis 1977, um dann, Auseinandersetzungen um Art und Weise des Widerstandes

nach

-

gegen die Kernenergie,

132 -

insbesondere um die Demonstrationen in

Brokdorf und um die Aktionen kommunistischer Gruppen in der Anti-Kernkraftbewegung, recht spektakulär abzutreten; es wurde von kommunistischer Unterwanderung des Verbandes gesprochen. Nach dem Weggang von Wüstenhagen brauchte der BBU eine gewisse Zeit zu seiner Konsolidierung. Man versuchte, die Lehren aus den Erfahrungen zu ziehen, und installierte eine kollektive Führung mit drei, formal gleichberechtigten, geschäftsführenden Vorstandsmitgliedern. In diesem Führungsgremium gab es allerdings,

zumindest in der Wirkung nach außen, immer

auch deutlich dominierende Personen: zunächst G. Schumacher, ab 1980 dann J. Leinen. Gemeinütziger Grünflächenverein 'pro grün' 'Pro grün'

versteht sich ebenfalls als ein früher Sproß der

Bürgerinitiativbewegung. Bereits 1970 formierte sich jedoch die ehemalige Initiative als eingetragener Verein. In einer Gründungsschrift legte man die Zielrichtung des gemeinnützigen Wirkens nieder. Sie orientiert sich in der Hauptsache an dem, was man auch bereits als Bürgerinitiative angestrebt hatte: die Erhaltung und Neuanlage von Grünflächen in urbanen Räumen,

vorwiegend innerhalb des Ruhrgebiets.

3.1.2

Organisation und Konzeption

3.1.2.1 Mitglieder Bei der Frage nach den Mitgliedern der hier untersuchten Verbände sind zunächst die Einzelmitglieder, die natürlichen Personen, von den Verbandsgliederungen, den weitgehend selbständigen Teilen einer Gesamtorganisation oder den eigenstän-

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133 -

digen Zusammenschlüssen innerhalb eines Dachverbandes, zu unterscheiden. Deutscher Naturschutzring (DNR) Die Sonderstellung, die der DNR einnimmt, begründet sich damit, daß er nicht ein Dachverband von Verbänden gleicher Zielrichtung ist oder lediglich regionale Untergliederungen zusammenfaßt. Er assoziiert vielmehr eine beachtliche Zahl von Vereinen und Verbänden unterschiedlichster Größe und mit unterschiedlichen Primärinteressen. Bei den großen, damit zahlungskräftigen und mit großer Stimmenzahl versehenen Organisationen bildet das Interesse an der Umwelt mehrfach angeklungen -

wie bereits

lediglich ein Teilaspekt ihres ver-

bandlichen Tätigkeitsfeldes. Die nachfolgende Übersicht über die mitgliederstärksten Verbände des Rings gibt zunächst die Verhältnisse des Jahres 1980 wieder. Die auf dieser Grundlage ermittelten 10 größten Organisationen des DNR repräsentierten zusammen über 80 % der damals angegebenen 3,14 Mill. Mitglieder. Diese Struktur war im wesentlichen auch der empirischen Analyse zugrunde zu legen. DNR -

Verbände

in % der Mitgl.des DNR

(Deutscher Tierschutzbund •••••••••••••••••••••••••• Verb. Dtsch. Gebirgs- u. Wandervereine •••••••••••• Deutsche Reiterliche Vereinigung •••••••••••••••••• Deutsches Jugendherbergswerk •••••••••••••••••••••• Deutscher Alpenverein ••••••••••••••••••••••••••••• Verband Deutscher Sportfischer •••••••••••••••••••• Deutscher Jagdschutzverband ••••••••••••••••••••••• AG Deutscher Tierschutz ••••••••••••••••••••••••••• Touristenverein "Die Naturfreunde" •••••••••••••••• Deutscher Imkerbund ••••••••••••••••••••••••••••••• Zusammen: ••••••••••••••••

15,3) 13,3 10,5

9,4

8,1

7,2 6,0 5,7

3,8 2,9 82,2

Diese Konstellation hat sich inzwischen aber deutlich verändert. Im Jahre 1982 trennte sich der Deutsche Tierschutzbund vom DNR, mit rund 500.000 Mitgliedern der ehemals größte Mit-

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gliedsverband. Es habe Differenzen mit den Jägern gegeben, begründete der Geschäftsführer des Rings den Austritt. 8 * Die Meinungsverschiedenheiten über Eignung und Bereitschaft der Jägervereinigung, wirkliche Naturschutzpolitik zu betreiben, kommen nicht von ungefähr. Sie haben vielmehr Tradition und werden auch in Bezug auf andere Nutzerverbände und an anderer Stelle zum Thema gemacht. Im April 1982 urteilte das Wiesbadener Verwaltungsgericht über die umweltschützerischen Qualitäten der Fischer, Wanderer und Jäger Hessens, die nach der Auffassung des Gerichts in der Hauptsache andere Interessen als die des Naturschutzes verfolgen. Darauf wird noch näher einzugehen sein. Immerhin werden damit schon die Dissonanzen zwischen Nutzer- und Schützerverbänden schlaglichtartig beleuchtet; dabei dürfte es sich wohl nicht nur um ein internes Problem des Rings handeln, welches möglicherweise mit geeigneten organisatorischen Maßnahmen in den Griff zu bekommen wäre. Der Konflikt scheint eher grundsätzlich angelegt und ist für die Beurteilung des verbandlichen Zusammenwirkens von entscheidender Bedeutung. Die Interessenunterschiede im DNR beschränken sich jedoch nicht auf die genannten Gruppen: Verbandsstruktur des DNR (1983) (Zuordnung nach dem angegebenen Organisationinteresse) Interessenbereiche

Anzahl der Verbände

Natur und Umwelt •••••••••••••••••••••••••••••••••• 31 Wissenschaft ••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• 20

Sport und Freizeit.................................

9

Geschichte und Heimatkunde •••••••••••••••••••••••••

7

Tierschutz.........................................

4

Beruf und Wirtschaft •••••••••••••••••••••••••••••••

4

Andere. . . • • . • • . • . • • • • . • • . • . • • • . . • • • • • • • • • . • • • • • • . .. 12 Zusammen: ••••••••• 87

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Nach dem Austritt der Tierschützer hat sich die Dominanz der nicht in erster Linie den Umweltschutz organisierenden Nutzerverbände im Kreis der mitgliederstarken Organisationen zunächst noch verstärkt. Nach dem Mitgliederverzeichnis von 1983 gehörten dem DNR 63 Verbände direkt an; nach einigen Austritten und neuen Eintritten sind es im Jahre 1985 70 Verbände; die Struktur hat sich dabei jedoch nicht nennenswert verändert. Weitere 24 Organisationen sind ihm mittelbar über solche Zusammenschlüsse verbunden,

die von mehreren, meist

kleineren Organisationen gebildet werden. Diese verbilligen in der Hauptsache die Mitgliedschaft, bieten dafür aber kaum Einflußmöglichkeiten auf die Verbandspolitik. Lediglich 31 von 87 Verbänden organisieren offensichtlich primär Natur- und Umweltschutzinteressen; vier Zusammenschlüsse bewegt der Schutz nicht frei lebender Haus- und Nutztiere. Die Palette der Naturschützer reicht von der Aktion Fischotterschutz bis zum Verein Jordsand zum Schutze der Seevögel. Zu den 9 Mitgliedern des Rings, die sportlicher oder geselliger Freizeitbeschäftigung Raum bieten, gehören die mitgliederstarken Organisationen der Wanderer, Reiter, Fischer und Jäger. Weitere 20 Verbände sind wissenschaftlich interessiert, biologisch, dendrologisch oder auch geologisch, und sie sind nicht immer trennscharf von den 7 geschichtlich und heimatkundlich interessierten zu unterscheiden. Immerhin vier üben die Funktion von Berufs- oder Wirtschaftsverbänden aus, wie der Deutsche Fischereiverband in Hamburg oder die Gesellschaft Deutscher Tierphotographen in Frankfurt. Die verbleibenden 12 Gruppierungen sind entweder prima vista nicht zuzuordnen, wie die Gesellschaft für Rationale Verkehrspolitik in Düsseldorf, oder sie kümmern sich um Aufgaben, die mit dem verwendeten Raster nicht zu erfassen sind, wie die inzwischen ausgetretene Wasserwacht des Bayerischen Roten Kreuzes.

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Neben der deutlich werdenden Interessenheterogenität im DNR ist vor allem die besondere Rolle der Mitgliedsverbände aus dem Freizeitbereich, wegen ihrer Mitglieder- und Finanzstärke, aber auch in Anbetracht einer nahezu flächendeckenden Organisation, hervorzuheben. Dem Verband Deutscher Gebirgs- und Wandervereine, VDGW, fühlen sich 48 Vereine zugehörig: vom Bayerischen Waldverein mit über 14.000 bis zum Werratalverein mit 4500 Mitgliedern, vom Verein linker Niederrhein mit 3.000 bis zum Harzclub mit über 13.000 Wanderern. Nach einer Zusammenstellung des Verbandes gehören ihm 1983 insgesamt über 520.000 einzelne Mitglieder an. Über die Hälfte von ihnen rekrutieren die vier größten Vereine des Dachverbandes. Die großen Vereine des VDGW

11i tgl ieder,

ca.

Schwäbischer Albverein •••..•••••..•••....••••••.•• 106.125 Schwarzwaldverein ••••••••••••••.•••.•.•••••••••••. 78.859 Sauerländischer Gebirgsverein •••..•••••••••••••••• 43.473 Pfälzerwaldverein ••••••••••••••••••••••••••••••••• 43.286 Der räumliche Organisations schwerpunkt des VDGW liegt zum einen in der südlichen Hälfte der Bundesrepublik und zum anderen in den Regionen der Mittelgebirge. Nach den Angaben ihres Verbandes verfügen die Jäger, bei einem Organisationsgrad von 80 bis 85 %, bezogen auf die Jagdscheininhaber, über die wahrscheinlich dichteste Verbandsstruktur der untersuchten Zusammenschlüsse. Vom Hegering, der kleinsten Einheit auf örtlicher Ebene, über die Kreisgruppe und die Landesjagdschutzverbände bis zum Bundesverband reicht die gewachsene, traditions- und in nicht wenigen Regionen auch recht einflußreiche Organisation von insgesamt rund 220.000 Jägern.

-

137 -

Auch die Reiter sind ähnlich breit in der Fläche vertreten, konzentrieren sich allerdings etwas stärker in der nördlichen Hälfte Deutschlands. Über 3.000 lokale Vereine in ca. 50 Landes und Regionalverbänden organisieren den Reit- und Fahrsport. Sie finden sich unter dem organisatorischen Dach der Deutschen Reiterlichen Vereinigung zusammen, welche auch unter dem etwas feineren Signet 'federation equestre nationale' (FN) firmiert. Nach Angaben des Dachverbandes gehören den Vereinen rund 400.000 einzelne Reiter an. Die Ausübung des Reitsports ist ohne Zweifel mit erheblichen Kosten verbunden und konzentriert sich folglich auf die materiell gut gestellten Schichten bzw auf die traditionell dem Pferd und dem Reiten verbundenen Großbauern in Niedersachsen oder SchleswigHolstein. Anders verhält es sich mit dem Angelsport; er ist erheblich billiger zu betreiben. Bald eine halbe Million Petrijünger, so ein führender Funktionär des Verbandes Deutscher Sportfischer, werfen nach Feierabend oder an den Wochenenden ihre Angel aus, die Nichtorganisierten nicht gerechnet. Die etwa 4.500 Vereine in 23 Landes- bzw Regionalverbänden bilden dazu den organisatorischen Rahmen und schaffen die Voraussetzungen für den Erwerb oder die Pacht von Fischgewässern. Zu der Gruppe der mitgliederstarken Verbände zählt auch das Deutsche Jugendherbergswerk, das man hier jedoch erstens wegen seiner nur geringen Aktivität innerhalb des DNR und zweitens wegen der lediglich nominal zahlreichen Mitglieder außer acht lassen kann. Die Letztgenannten entrichten wohl ganz überwiegend der günstigen Übernachtung wegen ihren Obulus an den Träger zahlreicher Herbergen; im übrigen hat der Verband auf sie keinen nennenswerten Einfluß.

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138 -

Anders ist das sicher beim vergleichsweise gut organisierten Deutschen Alpenverein, DAV, dem rund 400.000 Alpenfreunde in knapp 300 Sektionen angehören. Mehr als die Hälfte dieser Untergliederungen mit ca. 240.000 Mitgliedern firmieren unter bayerischer Adresse. Entsprechend seiner primären Interessen möchte sich der Verein strikt auf das Thema 'Schutz der Alpen' beschränken, den er,

'reumütig' die lange Jahre betrie-

bene Erschließung dieses Raumes reflektierend, in der letzten Zeit intensiver diskutiert. Dabei gerät er besonders dann in Schwierigkeiten, wenn sich die Vereinsgeister an immer noch anstehenden Hüttenbauten und den Forderungen nach konsequentem Naturschutz scheiden. Innerhalb des Rings spielt er nicht zuletzt deshalb eine zu beachtende Rolle, weil sein umweltpolitischer Vordenker, R. Sander, Mitglied des DNR-Vorstandes ist. Zu erwähnen bleibt schließlich noch der Touristenverein "Die Naturfreunde", eine aus der Tradition der Arbeiterbewegung heraus entstandene Organisation. Die 120 Tsd. meist der Sozialdemokratie nahestehenden Mitglieder in über 700 Ortsgruppen bemühen sich um Kultur und Geselligkeit, um Sport und demokratische Tradition, aber auch um aktuelle Politik und hin und wieder um Umweltpolitik. Bund Umwelt- und Naturschutz (BUND) Auch der BUND zählt formal zu den Mitgliedern des Rings, was oft übersehen wird. Darüber hinaus zahlt er sogar einen Mitgliedsbeitrag an den BBU, was man jedoch eher als Kassenhilfe für den BBU, denn als Zeichen organisatorischer Zugehörigkeit auffassen darf. Der Umstand verwundert einerseits, weil der Verband aufgrund seiner eigenen organisatorischen und umweltpolitischen Emanzipation der Notwendigkeit des Rückgriffs auf die Plattform des DNR zur Ventilierung ökologischer Forderungen und Ansichten enthoben ist. Andererseits hat der BUND dafür wohl gute Gründe, die hauptsächlich mit seiner Entstehung

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139 -

aus dem DNR heraus zu tun haben und damit, daß er sich dem Ring und der gemeinsamen Sache verpflichtet fühlt. Dies ist insbesondere den Äußerungen des bayerischen Landesvorsitzenden zu entnehmen. Die Zugehörigkeit des BUND zum DNR hat jedoch einen anderen Stellenwert, als diejenige der anderen, bisher betrachteten Zusammenschlüsse, für deren Mitglieder das Umweltinteresse nicht den Organisationsgrund darstellt und die damit auch nicht ernstlich in irgendeine Konkurrenzsituation zu der Dachorganisation geraten können. Der bayerische Bund Naturschutz ist - auch auf grund der Probleme mit dem DNR - Mitte der 70er Jahre angetreten, um mit einer eigenen Organisation den Zielen des Natur- und Umweltschutzes praktisch und politisch in der gesamten Bundesrepublik zur Durchsetzung zu verhelfen. Dem BUND ist zumindest die organisatorische Etablierung

inzwisch~n

bundesweit gelungen. Diese

Entwicklung hat sich neben dem DNR vollzogen, ohne daß dieser zur Verteidigung seines Anspruchs,

'Bundesverband für Umwelt-

schutz' und damit auf der zentralen Ebene die beherrschende verbandliche Kraft im Umweltschutz zu sein, sich veranlaßt oder in der Lage gesehen hat. Zumindest ist nichts dergleichen öffentlich geworden. Nachdem der Austritt des Tierschutzbundes Bewegung in die Strukturen des Rings gebracht hat, stand vor der Satzungsneufassung auch die Mitgliedschaft des BUND zur Diskussion. Bereits 1981 ist der baden-württembergische Landesverband wegen Streitigkeiten über Graureiherabschüsse ausgetreten. Für den Gesamtverband sprach Bundesvorsitzender G. Thielcke von einer begrenzten Zeit, die man noch abwarten wolle, um dann über den Verbleib im Ring zu befinden. Im Jahre 1983 wurde die Frage des Austritts auch von den Beiratsmitgliedern des bayerischen Landesverbandes diskutiert. Man konnte sich allerdings noch nicht zum entscheidenden Schritt entschließen und empfahl dem Vorstand, erst einmal nicht aus dem DNR auszutreten. Die bayerischen Beiräte setzten auf bessere ver-

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bandspolitiche Bedingungen nach der Änderung der Statuten, von der man sich ein spürbar ausgewogeneres Stimmenverhältnis zwischen den Naturnutzer- und den Naturschutzverbänden erhoffte. Ob die Diskussion um den Austritt mit der jetzigen Satzung des Rings endgültig vom Tisch ist oder ob es sich nur um eine vorübergehende Beruhigung handelt, bleibt abzuwarten. Der Austritt des Deutschen Jugendbundes für Naturbeobachtung und der Deutschen Naturschutzjugend Ende 1983 deutet auf nach wie vor ungelöste Probleme hin. Die grundsätzliche Möglichkeit und die eventuellen Modalitäten eines eigenen bundesweiten Zusammenschlusses der rein ökologisch orientierten Organisationen, rieten die bayerischen BUNDBeiräte 1983, sollten auf jeden Fall geprüft werden. Die Organisation des BUND erstreckt sich mittlerweile über die gesamte Bundesrepublik, allerdings mit deutlichen Schwerpunkten in Bayern und in Baden-Württemberg. In allen Bundesländern gibt es Landesverbände und Kreisgruppen; die einzelnen Gliederungen melden stetig steigende Mitgliederzahlen. Der stärkste und mit dem in Baden-Württemberg wohl konsolidierteste Landesverband ist, wie inzwischen mehrfach anklang, der Bund Naturschutz in Bayern. Er besteht schon seit 1913 und vereint 1982, ausweislich seiner eigenen Statistik, 46.098 Mitglieder. Der Mitgliederzuwachs habe dort im Mittel der letzten drei Jahre rund 11 % betragen. Aber auch in anderen Bundesländern halte der Aufwärtstrend an oder habe sich in letzter Zeit gar verstärkt. Ein Kreisvorsitzender i i Baden-Württemberg berichtet von Zuwachsraten in seinem Bereich, die in den letzten Jahren um 20 % gelegen und mit rund 40 % 1982/83 ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hätten. Etwa 10.000 Badener oder Württemberger haben inzwischen den Weg zum BUND gefunden. Landesgeschäftsführer Schulz spricht von allein 1.000 neuen Mitgliedern im Jahre 1981. Bundesweit waren es im gleichen Jahr über 7.000. Anfang des Jahres 1985

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gehören insgesamt über 85.000 Naturschützer den Gliederungen des BUND von Starnberg bis Steinburg an. Über ihre soziale Schichtung kann man nicht sehr viel sagen. Rückschlüsse, die man beispielsweise bei den Reitern oder ähnlichen Verbänden, ausgehend von der dort ausgeübten Freizeitbeschäftigung ziehen kann, sind hier kaum möglich. Zur Illustration kann aber die per Stichprobe ermittelte Struktur einer Südbadischen Kreisgruppe dienen, die deutlich auf eine ganz über~iegende Herkunft der Mitglieder aus der gehobenen Mittelschicht hinweist, sofern mit diesem Raster heute überhaupt noch soziale Realität sinnvoll zu strukturieren ist. Zumindest kann man festhalten, daß sich in den Reihen der dortigen BUND-Gliederung überwiegend Ärzte und sonstige Freiberufler, Lehrer und Wissenschaftler finden; auf Arbeiter stößt man kaum bzw gar nicht. Dies deckt sich mit den Angaben führender Verbandsmitglieder aus Bayern und anderen Bundesländern. Insgesamt kann der BUND in den letzten Jahren ein im Vergleich beachtliches Wachstum seiner Basis verzeichnen. Er ist immerhin etwa so groß wie der traditionsreiche Deutsche Bund für Vogelschutz. Gemeinnütziger Grünflächenverein 'pro grün' Der Vorsitzende des "Gemeinnützigen Grünflächenvereines 'pro grün', Schweihs, beschreibt eine soziale Struktur seiner Organisation, welche der des BUND ähnlich sei. Die in dem gemeinnützigen Verein zusammengeschlossenen Streiter für mehr städtisches Grün seien überwiegend Angehörige der bürgerlichen Mitte. Der Verband beziffert die Zahl seiner Mitglieder auf rund 70.000 (1), die über das Bundesgebiet streuen, sich aber in der Hauptsache auf Nordrhein-Westfalen und speziell auf das Ruhrgebiet konzentrieren. Verglichen mit der Stärke des BUND und dem Öffentlichwerden von 'pro grün' mutet diese Zahl wohl etwas übertrieben hoch an. Allerdings erklärt der Vorsitzende, es seien in der ganz überwiegenden Mehrzahl

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"passive" Mitglieder. Im übrigen müsse lediglich ein Monatsbeitrag von einer Mark entrichtet werden. Damit ist zumindest die finanzielle Schwelle für eine Mitgliedschaft nicht sonderlich hoch angesetzt. Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) Man begibt sich auf unsicheres Eis, will man etwas über die Zahl der Mitgliedsinitiativen des BBU sagen. 1980 sprach die Verbandsführung von 1.000 bis 1.200 Initiativen, mit insgesamt 300.000 bis 500.000 Einzelmitgliedern, die dem BBU angeschlossen seien. Diese Zahl dürfte damals und insbesondere heute erheblich zu hoch gegriffen sein. Der ehemalige BBUVorständler W. Sternstein äußert sich 1981 schon erheblich vorsichtiger. Er spricht von etwa "300 Mitgliedsgruppen", rechnet dann aber diejenigen dazu, die sich, nach seiner Einschätzung, entweder "vom BBU vertreten fühlen" oder aber mittelbar, über regionale Zusammenschlüsse zum BBU zu rechnen seien. Als Beispiel nennt er den 'Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar', der nur in seiner Gesamtheit zum BBU zähle, seinerseits aber zahlreiche Einzelinitiativen seine Mitglieder nennen könne. So gerechnet schätzt er die dazugehörigen Initiativen wieder auf annähernd 1.000. Ein genauer Überblick dürfte selbst der BBU-Führung versagt bleiben, da es bei den Initiativen ein rasches Werden und Vergehen gibt, überdies die Mitgliederfluktuation innerhalb der spontanen Zusammenschlüsse recht hoch ist. Man darf dabei allerdings auch nicht vergessen, daß es unter dem Signum der Bürgerinitiative recht betagte Organisationen mit stabiler Existenz gibt, wie z.B. die BIU in Hannover, die seit den frühen 70er Jahren mit heute etwa 860 Mitgliedern besteht. Nach der recht weit gefaßten Bestimmung der zugehörigen Initiativen betont Sternstein jedoch gleich die weitgehende Selbständigkeit der BBU-Mitglieder: "Sie finanzieren sich

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selbst, entwickeln ihre eigene Organisationsstruktur und ihre eigene Zielsetzung". Entsprechend sind auch die in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz bestehenden 'Landesverbände Umweltschutz' (LBU) autonom und rechtlich selbständig. Der Geschäftsführer des rheinland-pfälzischen 'Bund Natur und Umweltschutz' (BNR). Wagner, erklärte dem Autor 1983, daß seine Organisation Landesverband des BUND sei und sich gleichzeitig als dem BBU zugehörig verstehe. Das Verhältnis der LBU's zum BBU charakterisiert Sternstein als "weitgehend ungeklärt". Die Bemühungen um die Erhaltung der eigenen Autonomie, sowohl bei den initiativen als auch bei den regionalen und landesbezogenen Organisationen, haben entscheidend mit der Sorge zu tun, die wenigen finanziellen Ressourcen nicht mit anderen Teilen der Organisation, im Zweifelsfall mit dem Dachverband. teilen zu müssen. Deutscher Heimatbund (DHB) Der DHB verweist auf eine Mitgliederzahl in etwa der gleichen Größenordnung wie die des BBU. Nach dem, was aus der historischen Entwicklung des Heimatschutzes und aus den Einschätzungen des Verbandes selbst zur Struktur der Mitglieder sichtbar wird, bilden diese jedoch eine völlig andere Klientel. Die Motive für die Mitgliedschaft in den Heimatvereinen haben, nach der Einschätzung des Geschäftsführers des DHB, einerseits mit Heimat- und Naturschutzambitionen, andererseits durchaus auch mit nationalen Gefühlen zu tun. In der Hauptsache rekrutiere der Verband seine Mitglieder aus den Reihen des "Bildungsbürgertums". Es sind rund 500.000, die in 12 Landesverbänden zu einer Vielzahl einzelner Heimat-, Trachten- oder Brauchtumsvereine gehören:

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Landesverbände des DHB

1)

Schleswig-Holsteinischer Heimatbund

2)

Niedersächsischer Heimatbund

3)

Verein für Niedersächsisches Volkstum (Bremer Heimatb.)

4)

Verein für die Geschichte Berlins

5)

Rheinischer Verein für Denkmalpfl. u. Landschaftsschutz

6)

Westfälischer Heimatbund

7)

Lippischer Heimatbund

8)

Hessischer Heimatbund

9)

Saarländischer Kulturkreis

10)

Schwäbischer Heimatbund

11)

Landesverein Badische Heimat

12)

Bayerischer Landesverein für Heimatpflege

Auf zwei Besonderheiten ist im Hinblick auf die Struktur des Heimatbundes hinzuweisen: Zum ersten sind die einzelnen Landesverbände von sehr unterschiedlicher Größe. Rund 280.000 bayerische Bewahrer von Kultur und Brauchtum finden sich allein in den 170 entsprechenden Vereinen im Freistaat zusammen. Der Bayerische Landesverein für Heimatpflege repräsentiert demzufolge weit über die Hälfte der DHB-Mitglieder. Zum zweiten verlaufen vor allem in den westlichen und nördlichen Landesorganisationen des Deutschen Heimatbundes die Grenzen zwischen den Heimatvereinen und den an der Heimatpflege beteiligten Behörden und Institutionen oft fließend.

In Nieder-

sachsen z.B. bilden die Heimatverbände zusammen mit einer Vielzahl von Städten, Gemeinden und Landkreisen, mit Museen und Forschungsinstitutionen eine Arbeitsgemeinschaft. Häufige personelle Verflechtungen zur öffentlichen Verwaltung erschweren darüber hinaus das Erkennen genauer organisatorischen Umrisse.

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145 -

3.1.2.2 Infrastruktur Deutscher Naturschutzring (DNR) Der DNR besteht wie alle bereits genannten Verbände in der Rechtsform des eingetragenen Vereins. Gemäß seiner Satzung wird er von einem lI-köpfigen Vorstand geführt,

der von der

Mitgliederversammlung gewählt wird. Die Verteilung der Führungsrollen macht der Vorstand jedoch unter sich aus: er wählt "aus seiner Mitte das Präsidium",

insbesondere den Prä-

sidenten. Seit 1968 wird dieses Ehrenamt von W. Engelhardt bekleidet. Ihm zur Seite stehen der Vizepräsident,

zwei Bei-

sitzer und der Schatzmeister; sie bilden zusammen das Präsidium, welches in der Satzung zwar nicht als 'Vereinsorgan' erwähnt wird, dem aber die Führung der "laufenden Geschäfte nach den Beschlüssen der Mitgliederversammlung und des Vorstandes" (§ 9 (5) der DNR-Satzung) übertragen ist. Zwar hat die Mitgliederversammlung nach guter verbandsdemokratischer Gepflogenheit die Möglichkeit, letztendlich alle zur Entscheidung stehenden Fragen an sich zu ziehen, vor allem aber solche von grundsätzlicher Bedeutung. Die Auflistung ihrer regulären Zuständigkeiten in § 8 der DNR-Satzung beschränkt sich aber, sieht man von der Wahl des Vorstandes einmal ab, auf die eher formalen Handlungen der Beschlußfassung über den Kassenbericht, der Entgegennahme des Jahresberichts und dergleichen mehr. Die Aufbauorganisation des DNR ist schnell beschrieben: es gibt sie eigentlich nicht. Der Ring verfügt als Dachverband nicht über eigene regionale Untergliederungen, die zur Verbreiterung des verbandlichen Sachverstandes oder zur Informationsbeschaffung einen Beitrag leisten könnten. Über den entsprechenden Unterbau verfügen lediglich die größeren der ihm zugehörigen Organisationen, auf deren Zuarbeit er somit angewiesen ist. Der Dachverband verfügt auch nicht über ein regu-

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146 -

läres Verbandsorgan, das ihm den direkten kommunikativen Kontakt mit den einzelnen Mitgliedern ermöglichen könnte. Die bisherigen Bemühungen, daran etwas zu ändern, sind durchweg gescheitert. Auch der seit 1983 erscheinende 'DNR-Kurier' entfaltet bislang innerhalb des Rings keine Breitenwirkung, zumal das 12-seitige Monats-Blatt nur gegen Entrichtung einer Gebühr bei der Geschäftsstelle anzufordern ist. Die DNR-Satzung sieht die Gründung von Arbeitskreisen "mit beratender Tätigkeit" vor, die zur Erfüllung der verbandlichen Aufaben beitragen sollen, offensichtlich aber nicht sonderlich gut funktionieren. Der Jahresbericht von 1979 weist noch sechs Arbeitskreise aus, wobei der AK 'Technischer und hygienischer Umweltschutz' wohl auf den gewandelten Anspruch des Rings hinweisen sollte, dessen Lnteresse in den früheren Jahren eher auf den Naturschutz beschränkt war und der nun dem Anspruch 'Bundesverband für Umweltschutz' zu sein gerecht zu werden sucht. weltschutz',

'Jugend und Naturschutz',

'ökologischer Um-

'Landschaft für Freizeit und Erholung',

'freile-

bende Tiere' und 'Recht' waren die Signets der übrigen Arbeitskreise. Im 1984 vorgelegten Report über die Arbeit des Verbandes im zurückliegenden Jahr wird von keinem Arbeitskreis mehr berichtet. Demnach hat die zuvor zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit vorgenommene Verkleinerung dieser Gremien keine Wirkung gezeitigt. Neben dem ehrenamtlich tätigen Vorstand bilden die Geschäftsstelle in Bonn und der Geschäftsführer das eigentliche Herzstück des Verbandes.

~ie

Geschäftsstelle ist mit mehreren

Voll- und Teilzeitbeschäftigten besetzt. Eine wesentliche Voraussetzung für die Einstellung eines hauptamtlichen Verbandsmanagers im Jahre 1980 war die Aufnahme der institutionellen Förderung des Rings durch den Landwirtschaftsminister. Eine solche Unterstützung ist nicht, wie bei der häufiger

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gewährten Projektförderung, an die Ausführung bestimmter Tätigkeiten oder Vorhaben gebunden und kann für die Deckung der finanziellen Grundlast des Verbandes - Personal, Organisationsmittel etc. - Verwendung finden. Der DNR ist einer der wenigen.Umweltverbände, die institutionell gefördert werden, aber einer von vielen in der Reihe derer, die überhaupt in den Genuß öffentlicher Förderung kommen: Im Jahre 1979 wurden von der Bundesregierung noch insgesamt rund 1 Mio. DM für die finanzielle Unterstützung von Umweltverbänden im weiteren Sinne aufgewendet, eine Summe, die auf den ersten Blick vielleicht hoch erscheinen mag, die aber nur einen Bruchteil dessen ausmacht, was für andere Verbände an Förderung ausgeworfen wird, etwa für die Organisationen der Vertriebenen. Von der Zahl der ihm zugerechneten Mitglieder ist der Bundesverband der Vertriebenen durchaus mit dem DNR zu vergleichen. Während die Förderung der Umweltverbände seit 1980 zurückgeht, ist 1984 die allein vom Innenminister den Vertriebenenverbänden zugedachte Förderungssumme auf 6,2 Millionen DM angestiegen; der Minister für Innerdeutsche Beziehungen legte noch einmal die gleiche Summe für "ostdeutsche kulturelle Belange" drauf. Aus den Länderkassen fließen zusätzlich insgesamt über 16 Mio. DM an die gleichen Adressaten.

9

*

Aus den Reihen der Umweltverbände unterstützte 1979 der Innenminister den Deutschen Heimatbund mit 103 Tsd. DM, der Landwirtschaftsminister ließ der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald 125 Tsd. zukommen, die Deutsche Gartenbaugesellschaft erhielt 89 Tsd. DM. Der Rest der Summe verteilt sich als Projektförderung auf eine Mehrzahl von Organisationen, insbesondere wird auch für das finanzielle Auskommen der Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen (AGU) gesorgt. Im Jahre 1980 verminderte sich dann die Gesamtförderungssumme auf etwa 0,8 Millionen DM. Zusätzlich zu den Heimatschützern wurden ab diesem Zeitpunkt die Wanderer mit ca. 30 Tsd. DM in die nicht

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148 -

projekt gebundene Förderung einbezogen und das BML beteiligte sich mit 325 Tsd. DM an den finanziellen Lasten des DNR. Während der Ring 1982 noch insgesamt rund 585 Tsd. DM ausgab mehr als 60 % davon, 366 Tsd. DM, steuerte die öffentliche Hand bei -

verringerte sich 1983 sein Budget auf 545 Tsd. DM,

gleichzeitig mit der Verminderung der Gesamtförderung aus Bonn und Berlin, die nur noch 297 Tsd. DM ausmachte. Die institutionelle Förderung wurde 1982 auf 293 Tsd. DM und 1983 auf 286 Tsd. DM heruntergefahren, was man wohl durchaus in Zusammenhang mit der Äußerung des Präsidenten sehen darf, der 10 von dem "Grundübel der Finanzierung" spricht. * Zur restlichen Deckung der Ausgaben des Rings, die zum größten Teil aus Personal- und Bürokosten bestehen,

tragen Einnahmen aus

Veröffentlichungen, Bußgelder, die Mitgliedsbeiträge und Spenden bei. Den zweitgrößten Teil der Ausgaben wendet man für die Öffentlichkeitsarbeit, für die vom Verband herausgegebenen Informationsschriften, Tagungsberichte und Arbeits11 ergebnisse und für Veranstaltungen auf. * Die Jäger zahlten 1982 den höchsten Mitgliedsbeitrag an den Ring: 15 Tsd. DM. Die Sportfischer und die Reiter steuerten jeweils eine Summe von 5.500 DM bei. Der Deutsche Bund für Vogelschutz beteiligte sich an der Finanzierung immerhin mit 12 6 Tsd., die Naturfreunde mit 7.500 DM. Unmittelbar von der

*

Beitragsleistung hing lange Zeit auch das Gewicht des einzelnen Mitgliedsverbandes im Ring ab. In Paragraph 12 der DNRSatzung, in der es um "Verfahrensbestimmungen" geht, heißt es, daß die Mitglieder auf der Mitgliederversammlung durch Delegierte vertreten werden. Bis 1983 sah dazu die Satzung vor: "Die Stimmenzahl richtet sich danach, wie oft der Mindestbeitrag in dem festgesetzten Beitrag enthalten ist", wobei der Mindestbeitrag 300 DM betrug und einem Verband höchstens 30 Stimmen zugemessen wurden. Über diese höchstzulässige Stimmenzahl verfügten die Jäger; den Reitern und Sportfischern wurden aufgrund ihrer Beitragsleistung je 18 Stimmen

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zuerkannt. Die Naturfreunde verfügten über 24, der DBV über 18 und der BUND über 13 Voten. Nach dieser Verteilungs praxis waren -

grob gerechnet -

die Naturschutzverbände gegenüber

den 'Nutzer'-Verbänden etwa im Verhältnis zwei zu eins in der Minderheit. Inzwischen unterscheiden die DNR-Statuten in § 12 (4) nach Dach- und Mitgliedsverbänden, denen je nach Größe in unterschiedlicher Weise Stimmen zuerkannt werden. Dachverbände zahlen jetzt zusätzlich zu den jährlich 300 DM an Grundbeitrag 1,5 Pfennige pro angeschlossenem Einzelmitglied. Durch die geschickt ausgelegte Dachverbandsregelung bringt es damit der BUND, zusammen mit einigen seiner Landesverbände auf 16 von den insgesamt 194 Voten, die sich auf 90 Mitgliedsorganisationen verteilen. Herausragende Stimmpotentiale haben nach wie vor etwa die Reiter (13), der Deutsche Alpenverein (11), die Jäger (8), die Wanderer (14), der Schwäbische Alpverein (10) und die Sportfischer (12). Aber auch der Deutsche Bund für Vogelschutz bringt es mit 120 Tsd. Mitgliedern auf 14 Stimmen. Die Situation hat sich somit für die primären Umweltverbände sicher verbessert - so auch die Einschätzung des BUND-Geschäftsführers L. Graf. An der starken Stellung der großen Mitgliedsverbände hat sich allenfalls graduell etwas geändert. Bund Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) Im Vergleich zum DNR liegt der Anteil der öffentlichen Mittel am Jahresetat des BUND nicht nur drastisch niedriger, er steht auch in völlig anderer Relation zu der Gesamthöhe der Ausgaben. Während sich weit über die Hälfte des DNR-Budgets aus institutionellen und projektgebundenen Förderungsgeldern zusammensetzt, machen die Projektmittel im BUND-Haushalt nur 6 % der Gesamteinnahmen aus. Das Haushaltsvolumen des BUND betrug im Jahre 1979 noch 575 Tsd. DM; 1980 wendete schon allein der Bundesverband 915 Tsd. DM direkt und indirekt für

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den Umweltschutz auf. Rechnet man die von den einzelnen Landesverbänden ausgegebenen Summen hinzu, waren es insgesamt rund 8 Mio. DM. Im Jahre 1983 ist der Haushaltsumfang auf 1,6 Mio. DM angewachsen und wird 1985(?) knapp 2 Mio. DM betragen. An erster Stelle der 1983 verbuchten Einnahmen stehen die Mitgliedsbeiträge; mit rund 1.043 Tsd. DM können gut zwei Drittel der Aufwendungen bestritten werden. Die an den BUND gerichteten Spenden sind von 384 Tsd. DM im Jahre 1980 auf 191 Tsd. DM 1983 zurückgegangen. Bußgelder, Sonstige Einnahmen und der Finanztransfer vom bayerischen Landesverband bringen zusammen knapp 160 Tsd. DM in die Kasse. Außerdem ist der Verband Eigentümer zweier Verlage und "die Gewinne aus dieser Verlegertätigkeit fließen in die Verbandsarbeit ein", erklärt Bundesvorsitzender Tielcke. Vorderhand scheint die Verlagsarbeit allerdings noch der finanziellen Unterstützung zu bedürfen. Auch beim BUND bilden auf der Ausgabenseite die Aufwendungen für Verwaltung und Personal den größten Posten, 707 Tsd. DM, gefolgt von denen für 'Öffenlichkeitsarbeit', rund 339 Tsd. DM. Für den Ankauf von Flächen und für Schutz- und Pflegemaßnahmen wurden ca. 84 Tsd. DM aufgewendet. Dadurch, daß die erwähnten öffentlichen Zuwendungen hier nur für bestimmte Vorhaben und Projekte des Verbandes eingesetzt werden und nicht zur Deckung des finanziellen Grundbedarfs Verwendung finden, vor allem aber aufgrund ihres geringen Anteils am Gesamthaushaltsvolumen, sieht der Verband seinen umwelt- und verbandspolitischen Spielraum im Gegensatz zu anderen Organisationen nicht eingeengt. Die Bonner Geschäftsstelle des BUND ist seit einigen Jahren mit dem hauptamtlichen Geschäftsführer L. Graf besetzt. Auch die Geschäftsstellen der Landesverbände in Bayern und in Baden-Württemberg werden hauptamtlich geleitet. Selbst auf Kreisebene stößt man auf eine zunehmende Professionalisie-

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rung,

151 -

was sich am Beisspiel einer südbadischen Kreisgruppe

des BUND verdeutlichen läßt, die zum Zeitpunkt der Untersuchung gerade dabei war,

die Voraussetzungen für die hauptamt-

liche Einstellung eines Naturwissenschaftlers zu schaffen. Das ist auf dieser Ebene durchaus noch nicht die Regel, grundsätzlich verstärkt der Verband

jedoch durchweg seine Be-

mühung, auch vor Ort unabhängigen Sachverstand bereitzuhalten. Die ehrenamtliche Verbandsführung teilen sich neben H. Weinzierl und G. Thielcke noch drei weitere Vorstandsmitglieder. Auch der Beirat versieht seine Aufgaben ohne Entlohnung.

Dem

dritten Verbandsorgan, der Vertreterversammlung, gehören der Vorsitzende des Beirates, die Vorsitzenden und Delegierten der Landesverbände sowie die Mitglieder des Vorstandes an.

In

den Festlegungen zur Bestimmung der Delegierten spiegelt sich die Entwicklung der heutigen Verbandsstruktur: Um den Bundesverband finanziell auf eigene Beine zu stellen, wird die Mitgliedschaft im Landesverband von der in der Bundesorganisation unterschieden,

die Zugehörigkeit zum letztgenannten ist

allerdings mit einem erheblich höheren Beitrag verbunden, da dem jeweiligen Landesverband ein entsprechender Anteil überwiesen wird.

Im Beitrag enthalten ist die Lieferung des mo-

natlich erscheinenden Verbandsblattes

'Natur und Umwelt',

in

dem auch die jeweilige Landesgliederung regionalspezifisch informiert. Aufgrund der erwähnten Verbandstruktur schicken sowohl die Bundesverbands- als auch die Landesverbandsmitglieder ihre Delegierten zur Vertreterversammlung. Die Landesverbände verfügen 1983 dort über etwa 20 % der Stimmen, ihr formaler Einfluß ist demzufolge vergleichsweise gering. 13 Angesichts ho-

*

her Mitgliederzahlen, der finanziellen Leistungskraft und personeller Verflechtungen muß man jedoch den beiden großen Landesorganisationen in Bayern und Baden-Württtemberg ein höheres Gewicht zumessen, als es nach der Satzung den Anschein hat.

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Gemäß Satzung bestimmt die Vertreterversammlung die Grundlinien der Verbandspolitik, sie wählt Vorstand und Beirat und entscheidet über einzelne Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung. Der Beirat setzt sich, so sehen es die Statuten vor, aus "höchstens 30 Mitgliedern" zusammen,

"die besondere

Erfahrungen und Kenntnisse auf dem Gebiet des Natur- und Umweltschutzes besitzen sollen". Der Rat befaßt sich in einem ersten Schwerpunkt mit Fragen der Verbandsorganisation: die Vorsitzenden der Landesverbände bemühen sich im entsprechenden Ausschuß um die Verbesserung des Zusammenwirkens der einzelnen BUND-Gliederungen. Der zweite Schwerpunkt ist die Umweltpolitik in ihrer ganzen Breite, die in über 20 Arbeitskreisen entsprechend vorbereitet wird. Die relativ straffe Organisation der Gremien zur Fundierung der Verbandspolitik unterscheidet, neben der grundsätzlich anderen Konstruktion des jeweiligen Verbandsunterbaues, den BUND auch auf der Ebene der Verbandszentrale deutlich vom DNR. Das Fehlen von informationsverarbeitenden- und politikvorbereitenden Strukturen im Ring wird allein durch einen engagierten Geschäftsführer nicht aufzufangen sein. Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) So groß die Unterschiede zwischen dem BBU und den eher traditionell organisierten Verbänden auch sein mögen,

zumindest

in einem Punkt ist er dem DNR nicht unähnlich. Auch er verfügt nicht über einen organisatorischen Unterbau und muß mit der emsig gehüteten Selbständigkeit der ihm zugehörigen Gruppen leben. Überdies gehören nach den Aussagen führender Mitglieder der Bürgerinitiativen kaum mehr als 80 zu den wirklich aktiven. Wie bereits angesprochen, existieren teilweise 'Landesverbände Bürgerinitiativen Umweltschutz'. Sie sind aber genau wie die Mitgliedsinitiativen meist sehr auf ihre organisatorische Eigenständigkeit bedacht, was einerseits zur Programmatik gehört, andererseits aber durchaus als Schwäche

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153 -

beklagt wird. BBU-Vorständler J. Leinen bedauert die organisatorische Ineffizienz seiner Organisation und tritt für deren Stärkung ein. Ende 1980 schreibt er dazu in einem internen Papier:

"Die regionale Vernetzung von Bürgerinitiativen

ist bisher noch weitgehend unterentwickelt geblieben. Die Schwäche oder gar Nichtexistenz von initiativen Umweltschutz'

'Landesverbänden Bürger-

kann sich in den 80er Jahren als

wichtiges Defizit herausstellen.

Nachdem die wichtigsten

Gesetzgebungsmaßnahmen auf Bundesebene erlassen sind, sind für den Vollzug und die Durchführung fast aller umweltrelevanter Fragen die Länder zuständig".

Hier wird ein wohl

grundsätzliches Problem des BBU sichtbar:

viele sind gegen

die Formierung des Zusammenschlusses nach den klassischen Mustern, sie wollen bewußt nicht den,

wie sie meinen, ausge-

tretenen Pfaden der herkömmlichen Verbandsorganisation folgen. Man sieht durchaus eine Stärke in einer eher unverbindlichen Struktur, nicht zuletzt wegen der dann nicht gegebenen Berechenbarkeit der Assoziation. Andererseits sehen aber zumindest Teile der Verbandsführung auch die organisatorische Stärke als Voraussetzung für den umweltpolitischen Erfolg. Um den programmatischen Zwiespalt, einerseits den Anspruch der dezentralen Organisation nicht aufgeben zu wollen, andererseits sich aus Effektivitätsgründen an die Macht- und Einflußstrukturen der Republik annähern zu müssen, gibt es seit Bestehen des BBU immer wieder Auseinandersetzungen.

In diesen

Problembereich fällt auch die Ende 1982 vollzogene Verlagerung der Geschäftsstelle von Karlsruhe nach Bonn, gegen die sich noch 1981 die Mehrheit der Delegiertenversammlung ausgesprochen hatte. Begründet wurde die damalige Entscheidung damit,

daß der BBU keine Lobbyorganisation werden und die

Geschäftsstelle lediglich als Koordinierungsstelle dienen solle. Dementsprechend äußerte sich B. Duffner, der bis 1980 hauptamtlich die Arbeiten auf der Geschäfts- bzw Koordinierungsstelle versah und danach gefragt wurde, ob er als Ge-

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schäftsführer fungiere:

154 -

"den Titel gibt es bei uns nicht".

Die dem Geschäftsführer entsprechende Position ist seit 1980 wechselnd besetzt. Inwieweit die lockere Organisation und die damit auch recht unsichere finanzielle Basis zum existenziellen Problem für den BBU wird, muß als aktuelle Frage gelten. Im Januar 1983 wandte sich der geschäftsführende Vorstand an die "Lieben Freundinnen und Freunde" und wies auf massive Schwierigkeiten hin:

"Wenn es nicht gelingt, neue Mitglieder

und Förderer zu werben, die Ausgaben zu senken, wird der BBU bereits im Sommer in ein tiefes finanzielles Loch fallen.

Der

Vorstand hat sich auf seiner ersten Sitzung intensiv mit den finanziellen Fragen, die stets auch politische Fragen sind, befaßt." "Mindestens 500 Fördermitglieder", rechnete der Kassenwart, "müssen geworben werden, wenn der BBU über den Sommer kommen will". Zwei Monate später steht an der gleichen Stelle zu lesen:

"Die Situation spitzt sich derzeit zu. Wenn

es in den nächsten Wochen nicht gelingt, etwas für unseren Kontostand zu tun, sieht es böse für den BBU aus". Anfragen nach der finanziellen Situation des Verbandes in den Jahren 1984/85 werden nicht mehr beantwortet 14 Nach einer auf öf-

*

fentliche Kritik gestoßenen Spendenaktion des Verbandes und massiven internen Auseinandersetzungen hat Anfag 1985 der Finanzreferent des Verbandes wieder einmal das "Handtuch geworfen",

teilt der BBU in seinem 'Info-Dienst' mit.

Im Jahre 1980 wurden rund 640 Tsd. DM für die Verbandstätigkeit aufgewendet. Knapp die Hälfte davon waren projektgebundene Zuwendungen der öffentlichen Hand: rund 300 Tsd.DM. Weitere 160 Tsd. erbrachte der Verkauf von Literatur und Informationsmaterialien, 75 Tsd. DM wurden durch Spender und 30 Tsd. durch Fördermitglieder aufgebracht. 50 Tsd. sind nicht näher bezeichnete Einnahmen. Die Mitgliedsbeiträge in einer absoluten Höhe von ca. 22 Tsd. DM machen nur etwas mehr als drei Prozent des Haushaltsvolumens aus, zusammen mit den Zah-

-

155 -

lungen der Fördermitglieder sind es rund 8 %. Bei den Ausgaben stehen die Verwaltungskosten mit 150 Tsd. an erster Stelle, gefolgt von den Kosten für die Erstellung von Informationsmaterialien und Literatur. 15

*

Ungereimtes kommt heraus,

wenn man die Angaben von W. Stern-

stein zur Anzahl der Mitgliederinitiativen, die über das Beitragsaufkommen und die über den Mindesbeitragssatz miteinander vergleicht. Dividiert man das 1980 von den Initiativen erbrachte Beitragsaufkommen von 22 Tsd. DM durch die angegebenen 300 direkten Mitglieder, so kommt man auf einen Betrag, der etwas über 70 DM liegt aber eigentlich über 120 DM liegen müßte,

wenn man annimmt, daß es wenigstens die eine oder an-

dere Bürgerinitiative gibt, die mehr als 100 Mitglieder hat, was ohne Zweifel der Fall ist. Die Zahl der Initiativen, die wirklich zur Existenz des BBU etwas beitragen, dürfte demzufolge,

großzügig geschätzt, deutlich unter 200 liegen, mit

insgesamt kaum mehr als 18 Tsd. Einzelmitgliedern. Man mag an dieser Stelle den Einwand erheben, den Initianten der Ökologie- und Friedensbewegung um und innerhalb des BBU sei mit der Elle tradierter verbandsorganisatorischer Kriterien nicht hinreichend beizukommen. Das ist sicherlich richtig und unterstreicht die Bedeutung örtlicher Analysen, da sich gerade der Zugang zu Bürgerinitiativen kaum über Zentralen eröffnet. Zunächst muß sich der BBU aber an dem Anspruch messen lassen, den er selber vorgibt; er versteht sich,

trotz

gewisser rhetorischer Modifizierungen und diverser Meinungsverschiedenheiten in den eigenen Reihen, durchaus als Verband. Die Mitgliederversammlung des BBU, zu der die angeschlossenen Initiativen mit nicht mehr als 100 Mitgliedern je einen, solche mit stärkerer Besetzung und höherer Beitragsleistung entsprechend mehr entsenden, findet jährlich statt. Natürliche

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Tabelle 1: Finanzierung und Ausgabenstruktur ausgewählter Umweltverbände im Vergleich 16• Einnahmen

Verbände BBU Tsd.DM (%)

BUND Tsd.DM (%)

DNR Tsd.DM (%)

.........

52(a) (8,1) 1.043 (64,8) 10 (18,4) Mitgliedsbeiträge (3,7) Zahlungen von den La.verb •• 60 (8,8) (11,7) 191 (11,9) 48 Spenden ••••••••••••••••••• 75 (25,0) (1,2) 20 (3,7) Erl. aus Literatur, Info ••• 160 20 Öffentliche Zuwendungen (46,9) 97(b) (6,0) 10,5 (1,9) - projektgebunden •••• 300 286,5(52,6) - institutionell ••••• Sonstiges (Bußgelder,etc.). 53 (8,3) 198 (12,3) 80 (14,7) Gesamt •••••••••••••••••••• 640

(100,0) 1.609

(100,0) 545 (100,0)

Ausgaben Personal-, Organisationsund Sachkosten •••••••••••• 150 Öffentlichkeitsarbeit (inkl.Kongresse,Seminare) •• 480 Praktische Schutz- und Pflegemaßnahmen, Ankauf von Flächen Zahlungen an die La.verb •••

(23,4)

707(b)(43,9) 392

(71 ,9)

(75,0)

339

(21,1) 153

(28,1)

84 300 137 42

(5,2) (18,7) (8,5) (2,6)

...............

Sonstiges •••.••••.••••••••

Rückstellungen

............

10

Gesamt •••••••••••••••••••• 640 a) b)

(1,6)

(100,0) 1.609

(100,0) 545 (100,0)

Einschließlich der Beiträge pers. Fördermitglieder ohne Stimmrecht in der Hitgliederversammlung (30 Tsd.DM). Inkl. der Zahlungen vom Bundesamt für Zivildienst (13 Tsd.DM). bzw der Zahlungen an die Zivildienstlleistenden (36 Tsd.DM).

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Personen haben als fördernde Mitglieder kein Stimmrecht in der Mitgliederversammlung. Letztere wählt den Vorstand, das zweite in der Satzung verankerte Organ des Verbandes. Die Verbandsführung setzt sich, gemäß Paragraph 6 der Satzung, aus "drei gleichberechtigten geschäftsführenden Mitgliedern, einem Schrift führer,

einem Kassierer und acht Beisitzern"

zusammen und wird jährlich neu gewählt. J. Leinen gehört, sonst wechselnder Besetzung innerhalb der erheblicher Fluktuation im

Gesamtvorstan~,

schäftsführenden Vorstand an.

Führungs~roika

bei und

seit 1978 dem ge-

Nach dem Aussscheiden G. Schu-

machers im Jahre 1980, steht Leinen synonym für den BBU, was entscheidend auch mit einschlägigen, stark von der Person getragenen öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten und einer vergleichsweise disparaten Verbandsbasis zu tun hat. Die Verbandsführung teilte sich J. Leinen bis 1984 mit I. Ammon und G. Seitz. Nach dem Streit um Art und Weise der Verbandsführung scheidete I. Ammon aus dem Vorstand aus. Dem Vorstand sind sind alle diejenigen Kompetenzen zugewiesen, die nicht per Satzung der Mitgliederversammlung vorbehalten sind;

praktisch dominiert der Vorstand die Verbanbsarbeit. Er

bemüht sich zwar um die Koordination und die Kommunikation zwischen den einzelnen Initiativen und Landesverbänden Bürgerinitiativen Umweltschutz, agiert aber weitgehend eigenständig. Mehrere Arbeitskreise kümmern sich um einzelne Themenkomplexe der Umwelt- und sonstiger Politik: Luft, Wasser, Verkehr, Medien und Chemie. Dabei kann man allerdings nicht davon ausgehen, daß diese Arbeitskreise in jedem Fall dem Vorstand zuarbeiten. Der Arbeitskreis Verkehr z.B. ist nahezu identisch mit der Bürgerinitiative gegen den Bau der Westtangente, einem Teil der Stadtautobahn in Berlin. Die Gruppierung ist sehr auf ihre Eigenständigkeit bedacht und pflegt ein "extrem basisdemokratisches Verständnis, das soweit geht, daß (sie)

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158 -

vereinsmäßige Strukturen, wie sie der BBU aufweist, grundsätzlich ablehnt.,,17* Dies führt nicht nur zu einer distanzierten Haltung gegenüber dem Gesamtverband, sondern wohl auch zu einer gewissen Konkurrenzsituation und zu Meinungsverschiedenheiten über Macht und Kompetenzen. Solche und ähnlich disponierte Gruppen im BBU gehören zweifellos zu denjenigen, die dem Streben der Verbandsführung nach professioneller Interessenvertretung und dem damit verbundenen Funktionärswesen sehr kritisch gegenüberstehen. Nicht nur die organisatorischen, auch die kommunikativen Bindungen zwischen dem Dach BBU und den einzelnen, oftmals stark auf eine lokale Problemstellung konzentrierten Initiativen vor Ort, sind eher lose. Einen wirklich befriedigenden Informationsfluß gebe es insbesondere nur dann, erläutert dazu ein führendes Mitglied einer norddeutschen Bürgerinitiative, wenn irgendwo eine persönliche Verbindung zum BBU bzw zum Vorstand bestehe,

und ergänzt, daß es in der Zeit des intensiven de-

monstrativen Widerstandes gegen die Kernenergie schon öfter'

'mal

zu Kontakten gekommen sei. Die BBU-Führung sucht die

Verbindung zu ihren Mitgliedern mit einem monatlichen 'Info' und einem 'Vorstandsrundbrief'. "Dennoch hat der Vorstand Schwierigkeiten, die Mitgliedsgruppen bzw deren Mitglieder zu erreichen. Die Post geht in der Regel an eine Kontaktadresse, die oft wechselt, so daß die Information die Initianten nicht immer erreicht. Konflikte in der Bürgerinitiative können" darüber hinaus "den Informationsfluß blockieren oder das Ausscheiden einiger Mitglieder kann die Mehrheitsverhältnisse in einer Bürgerinitiative und damit das Interesse am BBU völlig verändern".18* Den Kommunikationsfluß vermochte wohl auch das 'Umweltmagazin' , das formal vom BBU herausgegeben wurde, nicht wesentlich zu verbessern. Die Redaktion des Blattes lag zeitweise sogar im Streit mit der BBU-Führung und achtete auf strikte Eigenständigkeit. Anfang 1985 hat man - ungeachtet der existenziellen Probleme des Verbandes -

das 'BBU-Magazin'

aus der Taufe gehoben, das nun die Funktion eines Verbandsorgans erfüllen soll.

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159 -

Deutcher Heimatbund (DHB) Die infrastrukturellen Gegebenheiten des DHB sind erwartungsgemäß deutlich geprägt von seiner Funktion als Dachverband. Die daraus erwachsenden verbandspolitischen Probleme, die mehr oder weniger ausgeprägte Distanz der Verbandsführung zu den Mitgliedern, die Schwierigkeiten mit der Koordination der Verbandsgliederungen sind durchaus mit denen des BBU zu vergleichen. Auch dem DHB bereitet die Kontaktpflege und der Informationsaustausch mit seinen Mitgliedern Schwierigkeiten. Davon und von dem gemeinsamen Interesse an der Umweltpolitik einmal abgesehen, könnten jedoch diese beiden Zusammenschlüsse gegensätzlicher kaum sein. Die soziale Struktur der Mitglieder,

deren politische Grundüberzeugungen, die Entwicklung

und Strukturierung des Verbandes, aber auch die Ausprägung der AufgabensteIlung und Zielsetzung kennzeichnen zwei grundverschiedene Organisationen. Die 12 bereits genannten Landesbünde der Heimatschützer verfügen zumindest über einen formal

festgefügten Unterbau einer

Vielzahl lokaler Heimat-, Geschichts- und sonstiger, tionsbewußter Vereine. Sie entsenden die Delegierten,

tradije nach

Größe der Untergliederung ausgestattet mit bis zu 12 Stimmen, in die Vertreterversammlung,

die "mindestens einmal im Jahr"

abzuhalten ist; so will es die Satzung. Ihr obliegen neben den üblichen Zuständigkeiten tische Procedere betreffen -

jene, die das verbandsdemokra-

formal alle grundsätzlichen Ent-

scheidungen. Das Delegiertentreffen ist allerdings, ordnungsgemäße Einladung vorausgesetzt, ohne Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Vertreter beschlußfähig und außerdem gegen Überraschungen bestens gewappnet: Wünsche nach einer Ergänzung oder Änderung der Tagesordnung müssen, schriftlich begründet, spätestens zwei Wochen vor dem Sitzungstermin dem Präsidenten vorliegen (§ 9, Satzung des DHB). Die keit'

'Notwendig-

solcher Vorkehrungen lassen sich am Beispiel einer sol-

-

160 -

chen Vertreterversammlung verdeutlichen, bei der immerhin vier Landesverbände, darunter der mitgliederstärkste Bayerische Landesverein für Heimatpflege, nicht vertreten waren. 19 Wahlen,

*

die in der Regel durch "Zuruf oder Handaufheben" er-

folgen, werden nur auf Antrag mit dem Stimmzettel durchgeführt. 20

*

Für die Dauer von vier Jahren wählt die Vertreterversammlung das Präsidium und den Präsidenten. Den letztgenannten weist die Satzung als eigenes Organ aus und betont damit seine starke Stellung,

letztendlich wohl die Voraussetzung für ein

Mindestmaß an Funktionsfähigkeit eines Daches, das in der Hauptsache solche Interessen und Anliegen organisatorisch zu überwölben sucht, welche angesichts der politischen und sozialen Entwicklung an Bedeutung eingebüßt haben und offensichtlich nicht mehr zu verstärktem Engagement herausfordern. Bis 1982 präsidierte Landschaftsdirektor a.D. U.

Klausa,

gleichzeitig Vorsitzender des Kuratoriums Unteilbares Deutschland,

und seit Ende 1982 H. Tiedeken. Neben dem Präsi-

denten gehören dem Präsidium der Schatzmeister und zwischen sechs und zwölf Beisitzer an. Das eigentliche Führungs- und Entscheidungsgremium wird jedoch vom Präsidenten, den drei Stellvertretern -

meist aus hohen und höchsten Ämtern des

öffentlichen Dienstes -

und dem Geschäftsführer gebildet. Zur

Wahrnehmung der fachlichen Aufgaben kann der Präsident Fachgruppen einrichten. Einer der 5 Arbeitskreise befaßt sich mit Umwelt- und Naturschutz. "Der Präsident erledigt mit Hilfe des Bundesgeschäftsführers die laufenden Geschäfte", heißt es in § 11 der Satzung, was man, auf die Praxis bezogen, wohl eher umgekehrt zu verstehen hat.

Die Geschäfte führte bis 1983 O. Blessing, unterstützt

von einer Bürokraft, erst in Siegburg, dann in Bonn. Der Geschäftsführer hält den Kontakt zu den Behörden und, möglich" zu den Gliederungen der Organisation.

"soweit

-

161 -

Unter dem Signet des Deutschen Heimatbundes erscheint monatlich ein

'Informationsdienst' ,

bar aber nur wenig zu tun hat:

der mit dem Heimatbund offenDort wird zum einen der Be-

richt der Bundesregierung zu Global

2000 abgedruckt,

zum

anderen ein im Auftrag des Umweltbundesamtes erarbeiteter Forschungsbericht wiedergegeben. Ein anderes Mal "leicht gekürzte" Fassung einer "Dokumentation"

bildet die des deutschen

Steinkohlebergbaues zum sauren Regen den Inhalt des Info's. Über eventuelle Aktivitäten,

umweltpolitische Positionen oder

Forderungen der Heimatschützer ist dagegen nichts zu lesen. Man kann demzufolge nicht von einem Verbandsorgan sprechen, zumal das Blatt bestenfalls die Spitzen der Landesverbände erreicht. Der DHB finanziert sich zum großen Teil aus den Zuwendungen des Innenministers,

der,

wie erwähnt,

SOer Jahren institutionell fördert. Jahre wurde diese Unterstützung, verständnis des Verbandes,

den Bund schon seit den

Bis zu Beginn der 70er

gemäß dem früheren Selbst-

von der Kulturabteilung gewährt.

Erst ab diesem Zeitpunkt,

nachdem der Verband zu den Umwelt-

verbänden gerechnet wird,

kam es zu Veränderungen in der

Zielstruktur und zu einer Öffnung für die Gedanken des modernen Umweltschutzes, erläutern ist.

was im nachfolgenden Kapitel näher zu

Die institutionellen Zuwendungen liegen bei

etwas über 100 Tsd.

DM,

die vom Umweltbundesamt gewährte Pro-

jektförderung beträgt noch einmal rund 20.000 DM.

Den bei

weitem kleinsten Teil steuern die Mitglieder zu den Einnahmen des Verbandes bei. Die Ausgaben für Personal- und Verwaltungskosten machen, den auch,

wie bei den anderen untersuchten Verbän-

den größten Ausgabeposten aus und werden vorderhand

für die Unterhaltung der Verbandsgeschäftsstelle aufgewendet. An zweiter Stelle folgen dann die Ausgaben für Information und öffentliche Aufklärung.

-

162 -

Gemeinnütziger Grünflächenverein 'pro grün' Nach der Satzung des Grünflächenvereins 'pro grün' können sowohl persönliche als auch juristische Personen Mitglieder werden, was wohl auch für selbständige Gliederungen des Verbandes auf lokaler Ebene gedacht ist. Es finden sich allerdings keine weiteren Hinweise auf eine eventuelle strukturelle Ausdifferenzierung, welche über die Entstehungsstadt des Vereins, Wattenscheid, oder gar über Nordrhein- Westfalen hinausweist, obwohl durchaus ein bundesweiter Anspruch gepflegt wird. Diese Bemühungen scheinen jedoch kaum von Erfolg gekrönt, zumindest angesichts dessen, was über den Verein öffentlich wird; soviel darf man an dieser Stelle vorwegnehmen. Die weiteren Bestimmungen der Satzung

lassen dann auch auf

einen nicht sehr ausgedehnten aktiven Teil der Organisation schließen. Es wird jedem Mitglied eine Stimme zugewiesen, irgendeine Vertretung oder die Entsendung von Delegierten ist nicht vorgesehen. Die Mitgliederversammlung wählt das zweite Vereinsorgan, den Vorstand, der aus dem ersten und zweiten Vorsitzenden, z.Zt. Herrmann Schweihs und Horst Ley, dem Schatzmeister und dem Geschäftsführer besteht. Ihm obliegt, gegen Erstattung der Aufwendungen, die Führung der Organisation. Für umweltpolitische und grünplanerische Unterstützung soll dabei ein gutachtender Beirat sorgen, dem nach Angaben des Vereins rund 70 Personen angehören. Über eine Geschäftsstelle im üblichen Sinn verfügen die Streiter für mehr städtisches Grün nicht, die laufenden Arbeiten werden direkt beim Vorsitzenden abgewickelt.

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163 -

3.1.2.3 Ziele und Programme Wenn hier von Zielen und Programmen die Rede ist, kann es nicht darum gehen, die programmatischen Vorstellungen der betrachteten Verbände in allen Einzelheiten und zu allen Teilbereichen des Umweltschutzes darzustellen. Es gilt vielmehr, auf die grundlegenden Ziel vorgaben , auf Schwerpunkte formulierter verbandlicher Umweltpolitik und

auf entscheidende

oder zumindest charakteristische Unterschiede zwischen den einzelnen Organisationen hinzuweisen. Man wird sich zunächst im wesentlichen auf die in Satzungen und Grundsatzäußerungen niedergelegten formalen Vorgaben zu stützen haben. Die sich daraus ergebenden Fragen nach der eventuell davon abweichenden verbandspolitischen Realität werden später zu beantworten sein. Der politische Anspruch der Verbände und ihre Vorstellungen zur Durchsetzung der vertretenen fachpolitischen Zielsetzungen soll in der Hauptsache erst im nachfolgenden Kapitel 3.1.3 diskutiert werden. Alle betrachteten Organisationen geben die Förderung des Umweltschutzes und das Interesse an der Umweltpolitik als gemeinsames Ziel an. Bereits aus dem Vergleich der grundlegenden Programmaussagen, der in der Satzung formulierten groben Ziel vorgaben ergeben sich jedoch deutliche Unterschiede.

'Pro

grün' will sich zwar um die "Förderung des Umweltschutzes in der Öffentlichkeit" bemühen, beschränkt sich aber auf die "Erhaltung, Erweiterung und Neuschaffung von Grünflächen". Der Heimatbund möchte die "naturgegebenen und kulturellen Grundlagen Deutschlands" wirksam machen und damit "zur Weiterentwicklung der Gesellschaft" beitragen. Von Umweltschutz ist in der 1970 reformierten Satzung nicht die Rede, allenfalls lassen sich immanente Bezüge erkennen. Die anderen drei Organisationen, DNR, BUND und BBU, eint der gemeinsame Grundgedanke, die Umweltzerstörung aufzuhalten und die verbliebene Natur vor weiteren Eingriffen zu schützen, wie es in der

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164 -

Regel auch in dieser lapidaren Form zu lesen steht. In Paragraph 2 der DNR-Satzung heißt es dazu, daß sich der Ring bemühen wolle,

"der Zerstörung der Natur,

ihrer Bestandteile

und ihres Haushaltes Einhalt zu gebieten und einen Ausgleich zwischen der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes und den Ansprüchen des Menschen herbeizuführen". Lediglich die Väter der BUND-Satzung waren da etwas ausführlicher:

in acht Unter punkten legten sie dar, daß es ihnen, ne-

ben der Förderung des öffentlichen umweltpolitischen Bewußtseins,

um die Mitwirkung bei einschlägiger Planung und Ge-

setzgebung,

um die praktische Landschaftspflege und um die

Erforschung umweltpolitischer Grundlagen geht. Deutscher Naturschutzring (DNR) In einem Grundsatzprogramm finden sich die Vorstellungen des DNR etwas ausführlicher dargestellt. Die dortigen Ziel vorgaben sind jedoch in etwa auf der gleichen Abstraktionsebene angesiedelt wie diejenigen, die sich in der Satzung finden: es ist das "Ziel der Umweltpolitik" des Rings,

"auf allen

Entscheidungsebenen ( •. ) eine natürliche Umwelt zu sichern, wie sie für die Gesundheit und für das Dasein der Menschen, der Tiere und Pflanzen gebraucht wird." Die so und ähnlich formulierten Leitlinien fanden zwar die Zustimmung aller Einzelverbände, die der Fischer, Jäger, Wanderer und Vogelschützer, auch der BUND-erklärte sich einverstanden. Ihre Implementation gestaltet sich jedoch schwierig. Auseinandersetzungen entstanden nicht nur um Einzelentscheidungen, sondern durchaus auch um Fragen von grundsätzlicher Bedeutung. Präsident W. Engelhardt bedauert, daß es schon erhebliche Schwierigkeiten bereite, die oft unterschiedlichen Verbandsinteressen im Ring zu überwinden, um sich lediglich auf ein Leitbild von der Art schaft'

zu verständigen.

'einer halbwegs ausgewogenen Land-

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165 -

Dies ist wohl auch deswegen so, weil man in den Grundsatzpapieren problematische Fragen offensichtlich ausklammert, vielleicht ausklammern muß,

um nicht den Grundkonsens des

Rings zu sprengen, der sowieso hin und wieder bedenklich ins Wanken gerät. Man fahndet im Grundsatzprogramm demzufolge vergeblich nach Aussagen etwa über Fragen der Kernenergie, welche bis zu Beginn der 8Der Jahre heftig diskutiert wurden. Der Präsident möchte zwar diese Form der Energiegewinnung "so wenig wie möglich" angewendet wissen, der DNR hat sich jedoch nicht auf eine gemeinsam getragene deutliche Position festgelegt. Es fehlen aber auch solche Themen, die immer wieder zu schweren Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Mitgliedsverbänden führen,

wie z.B. die Bejagung von Greifvögeln,

die Vogelschützer und Jäger in Streit geraten.

über

Dem Einwand,

solches gehöre nicht in ein Grundsatzprogramm, kann man durchaus entgegenhalten, daß derartige Themen insofern dem Grundsätzlichen zuzurechnen sind, als sie den Ring schon zu sprengen drohten. Die unterschiedlich gelagerten Interessen führen nicht nur in den eigenen Reihen zu Auseinandersetzungen. Die umweltschützerische Eignung von Jägern, Wanderern und Fischern wurde auch auf grund des Strebens der genannten Verbände nach offizieller Anerkennung als Naturschutzverband zum Thema gerichtlicher Auseinandersetzungen. Der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftspflege, Mitglied im DNR, hatte der hessische Umweltminister die Anerkennung nach § 29 BNatG versagt, weil er der Auffassung war, daß die Bemühungen um Garten- und Friedhofskultur nicht zum Naturschutz gerechnet werden könnten. Das Verwaltungsgericht in Wiesbaden vertrat dagegen die Auffassung, daß die gartenkünstierischen und sonstigen Ziele der DGGL doch eine Anerkennung rechtfertigen. Viel eher sei in Zweifel zu ziehen, ob die Organisationen der Jäger, Fischer und Wanderer eigentlich die Voraussetzungen für die vom Ministerium vollzogene Anerkennung als Naturschutzverbände erfüllen. Auch innerhalb der Ministerialverwaltung gibt es dazu wohl durchaus unterschied-

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liehe Ansichten, wurde uns bedeutet, weniger jedoch bezüglich der Wanderer. Ihnen müsse man auf jeden Fall entsprechende Aktivität und altruistische Einstellung bescheinigen. Die Zielsetzungen der anderen genannten Gruppen seien eher egoistisch ausgerichtet und würden nur reflexiv eine naturschützende Wirkung entfalten. Auch die unterschiedlichen Auffassungen über die Sportfischer lassen sich anhand eines Beispiels verdeutlichen. Anläßlich einer Tagung betont der Präsident des baden-württembergischen Landesfischereiverbandes die Rolle der Sportfischer im Umwelt- und Naturschutz:

"Noch bevor es Natur- und Gewässer-

schutzgesetze gab, kümmerten sich die Sportfischer um diese Aufgaben"; in Baden-Württemberg sind es nach Angaben des Umweltministers immerhin 140.000. Nur wenige Monate später richtet der BUND, Landesverband Baden-Württemberg die Forderung an die Landesregierung, den massiven Andrang der Sportfischer zu allen natürlich und künstlich entstandenen Gewässern im Land "so schnell wie möglich unter Kontrolle zu bringen". Allein am Bodensee gebe es über 8.000 von ihnen. Der Druck der Sportangler auf die Gewässer sei derart groß, daß er zu erheblichen Störungen der Pflanzen- und Tierwelt in den Uferzonen führe. Man könnte noch zahlreiche Beispiele mit jeweils anderen Beteiligten anfügen. Es erscheint aber auch so hinreichend klar, daß sich die Ziele der im DNR vertretenen Verbände häufig widersprechen, zumindest nicht kongruent sind, obwohl die meisten der zur Debatte stehenden Verbände das Interesse an der Erhaltung der Natur in ihre Statuten schreiben. Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz Auch der BBU begnügt sich in der Satzung mit einer knappen, eher allgemeinen Formulierung der Zielvorstellung: man bezieht Stellung "für die Erhaltung und die Wiederherstellung

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167 -

der natürlichen Lebensgrundlagen und der durch Umweltgefahren bedrohten öffentlichen Gesundheit". Die eher konkrete programmatische und praktische Gegnerschaft zur Kernenergie gehörte jedoch von Anfang an zum BBU und hat sicherlich auch seine Entstehung determiniert. Nach der Auffassung aktiver Mitglieder von Bürgerinitiativen hatte sie darüber hinaus über Jahre hinweg auch eine Klammerfunktion,

mit der es zu-

mindest zeitweise gelang, die schon beschriebenen, stark auseinandergerichteten Kräfte im Verbund der Bürgerinitiativen zu neutralisieren. Auch die Darstellung der

'Aufgaben und Ziele' des BBU ist

sehr allgemein gehalten. Eine Ausnahme bildet die dort geäußerte, eher programmatisch-praktische Absicht, im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten den Bürgeraktionen Umweltschutz zu helfen und Mitbürger über die Notwendigkeit des Umweltschutzes aufzuklären.

Allerdings findet sich eine Konkretisierung

der Vorstellungen des BBU in seinem 'Forderungskatalog für ein Öko-Konzept in der Bundesrepublik Deutschland', was sich als sein umweltpolitisches Credo ausnimmt. Basierend auf einigen grundsätzlichen ökologischen Leitgedanken, wird dort eine völlig neue, an ökologischen Werten orientierte Wirtschaftsordnung zu entwerfen versucht. Man sieht sie als wesentliche Voraussetzung "einer konsequenten Umweltschutzpolitik", die sich grundlegend unterscheidet von der nach Auffassung der Bürgerinitiativen bisher betriebenen "technokratischen Urnweltkosmetik". Das von 1979 datierende Papier, der BBU versteht es noch "nicht als abgeschlossenes Konzept", sondern als "Diskussionsgrundlage für die Arbeit in den Bürgerinitiativen", markiert die Positionen des Verbandes in allen, nach verbreitetem Verständnis einschlägigen Feldern des Umweltschutzes: von der Energiepolitik über Luft- und Lärmschutz bis zu Natur- und Landschaftsschutz. Aber auch zu

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angrenzenden Politikfeldern schlägt man ökologische Brücken: Kulturelles und Fragen der Bildung zählen ebenso dazu wie die Integration benachteiligter Gruppen in die Gesellschaft. Vor allem fühlen sich die ökologisch orientierten Bürgerinitiativen auch der Friedensbewegung verpflichtet, "denn Rüstung und Krieg" halten sie für "die sinnlosesten Arten der Ressourcenverschwendung, Umweltverschmutzung und Naturvergeudung".21* Bund Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) Die Akzente des in Paragraph 1 der BUND-Satzung genannten Ziel bündels liegen zwar auf dem Naturschutz, man trifft dort aber auch auf konkrete Aspekte des 'technischen' Umweltschutzes, wie jene der Minderung von Luftverschmutzung und Lärm und begegnet zudem der Forderung nach Schaffung "gesunder Lebensbedingungen in Wohn- und Arbeitsbereichen". Der BUND will sich insbesondere um den Schutz "verbliebener Naturlandschaften", um die "Ausgeglichenheit der Kulturlandschaft" und um die "Tier- und Pflanzenwelt" kümmern. Auch er hat, ähnlich wie der BBU, sein Wirken auf eine breitere programmatische Basis gestellt, ausgehend von der Überlegung, daß es mit Ausbessern nicht

geta~

sei. In seinen 'Handlungsrichtlinien' und

'Forderungen' möchte er dem "Grundrecht" des Menschen auf den Schutz seiner Umwelt mit einer "kohärenten ökologischen Strategie" zur Geltung verhelfen und erkennt als eine der Hauptursachen der bisherigen Entwicklung die umweltpolitisch verhängnisvolle, undifferenzierte Wachstumsideologie. Es gelte vor allem, künftig zu einer Qualifizierung des Wachstums zu gelangen, das sich durch verstärkte Investitionen für Maßnahmen des Umweltschutzes erreichen ließe. Damit könne man gewährleisten, daß es durch forcierte Umweltschutzbemühungen nicht nur zu keinem Verlust, sondern sogar zu einem Erhalt der bestehenden, wenn nicht zur Schaffung neuer Arbeitsplätze kommt.

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Bundesvorsitzender Thielcke ergänzt zu den Zielvorstellungen seines Verbandes, daß die Energiepolitik nicht nur als Teil der Palette umweltrelevanter Politiksektoren besondere Aufmerksamkeit verdiene. Man sei darüber hinaus davon überzeugt, daß sich über sie nahezu die gesamte Umweltpolitik steuern lasse. Man bemühe sich deshalb auch sehr um die Förderung alternativer Energiegewinnung. Weitere Schwerpunkte seines Einsatzes außerhalb des engeren Naturschutzes sieht der BUND im Lärmschutz und in der Intensivierung von Recycling-Verfahren.

Innerhalb des Naturschutzes wird der Artenschutz,

insbesondere der Tier- und speziell der Vogelschutz,

hervor-

gehoben und außerdem auf die Notwendigkeit zur Wiederherstellung und Sicherung von Lebensräumen hingewiesen,

zu der auch

der Ankauf von entsprechenden Flächen zählt. Über die allgemeine programmatische Fundierung der verbandlichen Umweltpolitik hinaus, hat der BUND in den letzten Jahren zu Teilfeldern des Umweltschutzes vertiefend Stellung bezogen. Die Bereiche, in denen man grundsätzliche Positionen deutlich macht, denschutz,

reichen von der Verkehrspolitik über den Bo-

das Problem der Chemikalien in Lebensmitteln bis

hin zur Wasserreinhalte- und Agrarpolitik. In seinem Bodenschutzprogramm 22 breitet der Verband zunächst einen Daten-

*

kranz zur Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes und der zu erwartenden Entwicklung der Bodenbelastung aus,

um dann seine

Forderungen nach einer Bodenschutzpolitik vorzutragen. Dabei begnügt man sich nicht mit globalen Appellen, sondern bezieht die als erforderlich angesehenen Maßnahmen auf die jeweiligen Teilfelder aktueller Politikbearbeitung und verdeutlicht dabei die einschlägigen Implikationen der Raumordnung und Bauleitplanung ebenso wie die problematischen Folgen aktueller Landbewirtschaftung.

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170 -

Deutscher Heimatbund (DHB) Wie

bereits mehrfach angeklungen, interessiert sich der DHB

in jüngerer Zeit über die viele Jahre lang dominierenden Anliegen des kulturellen Heimatschutzes und der Denkmalpflege hinaus, auch für modernen Umwelt- und Naturschutz. Die 'Entdeckung' des Umweltschutzes durch traditionelle Organisationen und die Neigung, dies als ureigenes Verbandsinteresse zu reklamieren, ist jedoch keinesfalls eine singuläre Erscheinung. Auch innerhalb des DNR trifft man auf Verbände, die hauptsächlich im Verlauf des letzten Jahrzehnts ihre Vereinsziele, enn nicht gänzlich verändert, so doch ergänzt und anders akzentuiert haben. Dazu zählen beispielsweise der Alpenverein und die Fischer, aber auch die Naturfreunde oder die Vogelschützer. Inwieweit solche Akzentverschiebungen von den einzelnen Mitgliedern wahrgenommen und verarbeitet werden oder gar von ihnen ausgehen, soll die örtliche Analyse klären helfen. Die Satzung des DHB wurde mehrfach geändert und 1952 völlig neu geschrieben. Der DHB faßt dort sein Wollen noch einmal deutlich zusammen: "Er erstrebt die Erziehung der Deutschen zu lebendigem Heimat- und Stammesbewußtsein". Der "Schutz der Natur .• und der heimischen Tier- und Pflanzenwelt" steht neben dem Ziel "der Pflege der Heimatkunde, des Volkstums und des Brauchtums, der Mundarten, des heimatlichen Schrifttums und des Volksliedes". Der kultur- und heimatkundliche Schwerpunkt wird noch unterstrichen durch den "Schutz und die Pflege der überkommenen Werke der Kultur, vornehmlich der Bauund Kunstdenkmäler und des Ortsbildes; die Pflege und Fortbildung der Bau- und Handwerkskultur". Weit weniger klar, damit auch auslegungsfähiger, umreißt die im Jahre 1970 wiederum völlig neu gefaßte Satzung das Streben der Dachorganisation der deutschen Heimatverbände. Dort heißt es in Paragraph 2 nun eher lapidar:

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171 -

Der DHB "will zu seinem Teil die naturgegebenen und kulturellen Grundlagen Deutschlands für die Aufgaben der Gegenwart und die Gestaltung der Zukunft wirksam machen und dadurch einen sachgerechten und zeitgemäßen Beitrag zur Weiterentwicklung der Gesellschaft leisten". Die in den älteren Satzungen noch vorhandenen deutlichen Hinweise auf die Erhaltung und den Schutz der Natur finden sich jetzt nicht mehr. Zu einer besseren Einschätzung dessen, was der DHB zu seinen "fachlichen Aufgaben" gezählt hat, verhilft der Blick auf die einstigen Themen seiner Fachgruppen, auch Arbeitskreise genannt: Denkmalpflege und Dorfinventarisation,

Landschaftspfleg~

und

neues Bauen, Niederdeutscher Rat (Sprachpflege) und Volkskunde waren offensichtlich bis in die erste Hälfte der 70er Jahre die programmatischen Schwerpunkte. Erst dann kommt es zu einem gewissen Wandel. Er fällt zusammen mit der Veränderung der öffentlichen Förderung des Verbandes: der DHB wird nun nicht mehr, wie in den vorausgegangenen rund 15 Jahren, als Träger heimatlicher Kultur finanziell unterstützt, sondern als Förderer des Umweltschutzes. In den Äußerungen und Positionsbestimmungen weist die Verbandsführung fortan stärker auf die Bezüge der bisherigen und. der geplanten Arbeit zum Umweltschutz hin. U. Klausa nimmt bereits Ende 1973 den Umweltschutz zum Generalthema seiner Antrittsrede. An der Struktur der Fachgruppen, in denen nach der Darstellung des DHB die eigentliche fachliche Arbeit stattfindet, hat sich allerdings bis heute nur wenig geändert. Im Jahre 1979, 75 Jahre nach der Gründung des Bundes in Dresden, kümmert man sich nach wie vor um 'Denkmalpflege', 'Dorfinventarisation',

'neues Bauen auf dem Lande' und um die

niederdeutsche Sprache. Lediglich die von einem Ministerialrat geleitete Fachgruppe für

'Landschaftspflege' zeichnet nun

auch für den 'Umweltschutz' zuständig. Die Heimatschützer betonen immer wieder die Kontinuität ihres umweltpolitischen Interesses und unterstreichen ihre Übereinstimmung mit dem

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172 -

Umweltprogramm der Bundesregierung, "das sich der Deutsche Heimatbund zu eigen macht". Er bezeichnet den Umweltschutz als sein "Hauptinteresse" und möchte sich vor allem um die "politisch wichtigen Problemfelder Lärmschutz, Immissionsschutz und Gewässerschutz" bemühen. Die aufgestellten umweltschützerischen Leitsätze erinnern in Formulierung und Auslegungsfähigkeit an die des DNR und tragen, die Bewertung sei hier erlaubt, eher den Charakter von Gemeinplätzen: dung von unnötigem Lärm",

"Vermei-

"Vermeidung von Gefahren einer um-

weltpolitisch nicht sorgfältig vorbereiteten Kernenergie23 nutzung".

*

Für den DHB stellt sich vor dem Hintergrund der Besonderheiten seiner Struktur die Frage, ob er sich als Umweltschutzverband auf die Mitglieder seiner Teilgliederungen stützen kann oder ob das zum Programm erhobene umweltpolitische Interesse des Dachverbandes nur eine von oben vorgenommene Neuinterpretation der überkommenen Verbandsziele bleibt. Die Antwort darauf hängt entscheidend vom Engagement der Basis ab. Gemeinnütziger Grünflächenverein 'pro grün' Wie bereits erwähnt, möchte sich 'pro grün' eher in einem Teilbereich umweltschützerisch betätigen. Die zitierte Bestimmung der Satzung und die Erläuterungen im Gründungspapier des Verbandes weisen eine auf die "Erhaltung und Mehrung" des städtischen "Grüns und der Grünflächen" gerichtete Zielsetzung aus. Sie ist deutlich auf die Verhältnisse und die Probleme des Agglomerationsraumes Ruhr zugeschnitten. Die entsprechenden Forderungen richten sich auf die Sicherung eines Mindestbestandes an urbanen Grünflächen, auf Einrichtung des behördlichen Baumschutzes und auf die Schaffung von Grünzonen in bisher nicht genutzten Arealen oder in stark belasteten Räumen.

In einzelnen Fällen hofft 'pro grün' auch, durch den

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Erwerb von Grund und Boden unmittelbare Fortschritte zu er-

. h en. 24* re1C Die Zielsetzungen, erläuterte der Vorsitzende Schweihs, seien vor dem Hintergrund eines enormen Verlustes von Grün- und insbesondere auch von Waldflächen zu sehen. Im Landkreis Moers z.B. habe es von 1927 bis 1961 einen Verlust von 16 % des Waldes bei gleichzeitiger Zunahme der BevölkerJng um 33 % gegeben. In diesen Rahmen fügt sich dann· auch eine weitere Zielsetzung der Wattenscheider Grün-Streiter ein: man möchte für Ausweitung der Landschaftsschutzgebiete und damit für die Erhaltung naturnaher Landschaften eintreten. Die Analyse der Satzungen und anderer grundsätzlicher Äußerungen zur Zielsetzung der Verbände läßt zwar Schwerpunktsetzungen oder Akzentuierungen des verbandlichen Umweltinteresses erkennen, insgesamt gesehen stößt man jedoch auf meist weit gespannte Vorgaben. Für 'pro-grün' ist die hierzu kontrastierende programmatische Beschränkung auf den Problemkreis der Durchgrünung von Siedlungsräumen das erklärte Ziel. Vorsitzender Schweihs versteht die Selbstbeschränkung durchaus als verbandspolitische Stärke.

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3.1.3

Zur Politik der Verbände

Nach dem Blick auf die institutionellen Voraussetzungen, auf organisatorische Infrastruktur, innerverbandliehe Kommunikation und Mitgliederzahl der Umweltverbände, soll innerhalb des nun folgenden Abschnitts nach der Art und Weise gefragt werden, mit der die besonders interessierenden Verbände ihren Interessen zur Geltung zu verhelfen suchen und welche Vorgaben sie sich selbst für ihr Wirken innerhalb der politischen Strukturen setzen. Es geht damit zum einen um das, was man als die adäquaten politischen Mittel erachtet, um Einfluß geltend zu machen, mithin also um den eigenen Wirkungsanspruch und zum anderen um das, was an Elementen der Umsetzung dieses Anspruches erkennbar wird. Wertungen sind dabei schwerlich zu umgehen; es wurde jedoch immer angestrebt, ihre jeweiligen Grundlagen deutlich zu machen. Entsprechend dem, was über den Gang der Untersuchung dargelegt wurde, steht an dieser Stelle immer noch das Verhalten von Dachorganisationen, von mehr oder weniger komplexen Verbandsgebilden zur Diskussion. Nicht zuletzt deshalb erscheint es angezeigt, keine umfassende Darstellung der Politik der Verbände anzustreben, sondern entlang einiger weniger Linien das aufzuzeigen, was als charakteristisch für das politische Verhalten einzelner Verbände gelten kann. Um zu einer sinnvollen Analyse der Gesamtkonstitution zu gelangen, ist es jedoch zweifellos da und dort notwendig, die Ebene der Spitzenverbände zu verlassen, insbesondere ist dies, wie bisher auch, beim DNR indiziert. Eine Reihe von Fragen wird trotzdem unbeantwortet bleiben. Nur die Untersuchung der Verbändebasis kann über sie näheren Aufschluß bringen.

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Deutscher Naturschutzring (DNR) Das vom Vizepräsidenten des DNR umrissene verbandspolitische Grundverständnis der Rings, "eine Lobbyfunktion gegenüber Regierung und Öffentlichkeit" auszuüben, entspricht zunächst auch dem, was Präsident W. Engelhardt als Sinn und Zweck seines Verbandes definiert: die Bereitstellung von Kompetenz und gegengutachterlichem Sachverstand auf der zentralen Entscheidungsebene. Er möchte zwar nicht die Möglichkeiten verkennen, die in der Aktivierung der lokalen Mitgliederbasis liegen könne, was insbesondere der Bund Naturschutz in Bayern hin und wieder demonstriere. Der DNR sei jedoch ein Verband ohne eigenes Organ und sehe sich somit kaum in der Lage, über seine Mitgliedsorganisationen hinweg die eigentliche Basis anzusprechen. Dem DNR komme es vielmehr darauf an, bei hohen administrativen und politischen Einflußadressaten zu intervenieren, um das tatsächliche oder vermeintliche Gewicht einer großen Organisation ins politische Spiel zu bringen. "Seine Verhandlungspartner" verkündet der DNR, "sind die Bundesregierung, die Regierungen der Länder und gegebenenfalls noch die Regierungspräsidien". So sehr sich der Ring als "selbstverständlicher Verhandlungspartner" von Regierung und Verwaltung versteht, so wenig scheint er in der Fläche, trotz seiner hauptsächlich mittels Broschüren betriebenen Öffentlichkeitsarbeit, eine bekannte Größe zu sein. Selbst engagierten und in der Verbandsszene kundigen Naturschützern vor Ort ist der DNR häufig unbekannt oder gilt als Quantite negligeable. Die auf die Regierungszentralen blickende Führung bedauert das nur bedingt oder sieht zumindest keine Möglichkeiten, daran etwas zu ändern. Für sie ist auch die Zahl der Mitglieder weniger relevant, obwohl sie "leider politisches Gewicht hat, Politiker denken nun mal in solchen Kategorien". Es komme eigentlich vielmehr auf die kompetenten Spitzengespräche an und darauf, daß man sich in dem komplizierten Verhandlungssystem gut auskenne.

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Entsprechendes findet sich dann auch im jährlichen Tätigkeitsbericht des Rings. Für 1983 wird dort z.B. berichtet, daß sich Präsident Engelhardt zu einem "Grundsatzgespräch" mit Innenminister F. Zimmermann getroffen und aktuelle Umweltprobleme besprochen habe. "Beide Gesprächspartner konnten abschließend die völlige Übereinstimmung in der Beurteilung der behandelten Themen feststellen".2S* Außerdem habe zwischen dem DNR und dem Bundesverband der Deutschen Industrie 1983 erstmals ein "Spitzengespräch" stattgefunden. Man diskutierte über das Waldsterben und erzielte Einigkeit darüber, daß man eine "konzertierte Aktion zwischen Regierung, allen betroffenen Wirtschaftszweigen, Wissenschaft und Umweltverbänden" ins Leben rufen sollte. Abschließend "wurde vereinbart, die Gespräche zwischen BDI und DNR fortzusetzen".26* Zumindest der Kontakt zur administrativen Spitze ist allerdings auch ohne spezielles Zugangswissen allein schon dadurch sichergestellt, daß hohe Beamte, das finanzierende Landwirtschaftsministerium vertretend, seit Jahren und vor allem auch zu Zeiten, als der DNR noch weit von einer institutionellen Förderung entfernt war,

bei den Mitgliederversammlungen an-

wesend sind. Sie nehmen nicht nur teil, sondern greifen auch in die Diskussion ein und machen, wie das Protokoll der Zusammenkunft von 1977 vermerkt, dem DNR die Richtung für seine weitere Arbeit deutlich: "Ministerialrat K., BML, präzisierte den Auftrag des BML an den DNR. Unter anderem führte er aus, daß der Europarat als Kampagne 1979/80 das Thema 'Schutz der Tier und Pflanzenwelt und ihrer natürlichen Lebensräume' gewählt habe. Hierzu erwarte man vom DNR entsprechende Vorschläge".27* Den Bemühungen des nun hauptamtlichen Geschäftsführers, eine entschiedenere Umweltpolitik des DNR zu begründen, scheinen schon allein durch die finanziellen Restriktionen der instiutionellen Förderung relativ enge Grenzen gezogen.

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Andere Gründe für die, nach der Einschätzung anderer Verbandsvertreter und einschlägig Interessierter vor Ort, zurückhaltende und etwas zögerliche Politik des DNR, ist die bereits erwähnte Interesseninkongruenz, die sich in den Schwierigkeiten bei der innerverbandlichen umweltpolitischen Konsensfindung niederschlägt. Die Auseinandersetzungen um eine angestrebte Artenschutzverordnung gründeten zum einen auf der Haltung der Fischer, die, wohl um die ungestörte Ausübung ihres Sports fürchtend, die bestehenden Landesfischereigesetze für ausreichend halten, wie dazu der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Sportfischer erklärte. Mit dem Blick auf die Jäger beschreibt auch der bayerische BUND-Vorsitzende H. Weinzierl ähnlich gelagerte Konfliktlinien:

"Wir wollen die

Wasservögel schützen und die Jäger wollen halt Enten abschießen". Während die Vogelschützer einen wirksameren Schutz der Greifvögel forden, sehen die Jäger in den Raubvögeln unliebsame Konkurrenten bei der Jagd auf das Niederwild. Aber auch fernab von unterschiedlichen Interessen an der Nutzung der Natur kommt es nur mit Mühe zu einheitlichen Meinungen. Der DNR verabschiedete zwar eine Resolution zur Startbahn West, es gelang ihm aber erst nach langen internen Diskussionen, in denen man sich unter anderem auch um den Wert des dort abgeholzten Waldes stritt; die Reiter und die Jäger konnten sich trotz langwährender Auseinandersetzung nicht zu einem Votum durchringen und enthielten sich der Stimme. Auch über die anzustrebenden Formen künftiger verbandlicher Beteiligung an der Umweltpolitik ist man sich nicht einig. "Gerade die Verankerung der Verbandsklage im neuen Naturschutzgesetz von Bremen" verlautbart der DNR 1979, "hat einen Präzedenzfall geschaffen, mit dem wir uns selbstverständlich nicht zufrieden geben können".28* Während die DNR-Führung die Einführung der Verbandsklage auch auf der Bundesebene für

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erforderlich hält, sprachen sich jedoch die Jäger eindeutig dagegen aus, was offensichtlich mit dazu führte, daß der Präsident im November 1982 den gegenwärtigen Zeitpunkt für die Forderung nach der Einführung der Verbandsklage für "ungünstig" erklärte. Lediglich in einigen Bereichen des 'technischen' Umweltschutzes scheint die Einigkeit größer. So zeigte man sich in einer Stellungnahme mit dem BUND und dem BBU einig darüber, daß man "enttäuscht" sei über Art und Weise der Neufassung der Technischen Anleitung Luft (TA-Luft). Dazu wird eine Reihe von Änderungen vorgeschlagen, die auf eine verbesserte umweltpolitische Wirksamkeit abzielen, die Stellungnahme ist insgesamt jedoch eher moderat gehalten. Der Bund Naturschutz in Bayern stellt dagegen gleich zu Beginn seiner entsprechenden Einlassungen fest:

"Anlaß für die Novellierung der TA-Luft

sind nicht umweltpolitische Überlegungen, sondern die Energiepolitik. Der Zubau von Kraftwerkskapazitäten außerhalb der Ballungsgebiete soll ermöglicht werden".29* Das gelegentliche vereinte Marschieren etwa mit dem BUND hat allerdings seine Grenzen: Eine auf den fördernden Landwirtschaftsminister gerichtete gemeinsame Attacke mehrerer Verbände zur Forcierung des Artenschutzes geriet dem DNR allzu forsch, er scherte aus und werkelt künftig allein an Vorschlägen zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes. Der DNR ist hauptsächlich wohl darum bemüht, Einfluß auf die Ministerialverwaltung des Bundes zu gewinnen. Die Parteien spielten als potentielle Einflußadressaten des DNR bisher wohl keine allzu große Rolle, obwohl der Präsident schon mal an den eSU-Parteitag appelliert, "den Landschaftsverbrauch auf das unumgängliche Mindestmaß zu beschränken".30* Er betont die "strenge" partei politische Neutralität seiner Organisation; seine Mitgliedschaft in der esu spiele da "keine Rolle". Für Ausgewogenheit im Vorstand sorgt überdies SPD-

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Mitglied, Regionalplaner, Alpenvereinler und gleichzeitig BUND-Vorstandsmitglied R. Sander. Über Äußerungen, Einschätzungen oder Kontakte mit Parteien ist zumindest kaum etwas öffentlich geworden. Lediglich zu der Zeit, als die Bedeutung der "sogenannten Grünen Parteien" deutlich zunahm, sah man sich "paradoxerweise" politisch eher zurückgedrängt, was enttäuscht und mit "Bitterkeit" vermerkt wurde. Der Sache des Umweltschutzes würde durch solche Parteien nicht besser gedient. 31 * Die bis zum drohenden Zerfall reichende Destabilisierung des Rings vor der erwähnten Satzungsrevision Ende 1983 gründete auch auf der Nichtverarbeitung jahrelang schwelender, von unterschiedlicher Interessengebundenheit der Mitgliedsverbände getragener, naturschutzkonzeptioneller Konflikte. Hinzu kommt, daß das umstrittene Interessenfeld selbst massiv in den Mittelpunkt politischer Auseinandersetzungen gerückt ist und damit der Spielraum für 'diplomatisches' Agieren zunehmend enger wurde. Unbeschadet dessen kann man allerdings unterstellen, daß auch eine Aufarbeitung der unterschiedlichen umweltideologischen und politisch-pragmatischen Positionen innerhalb des Verbandes ihn in die Bredouille gebracht hätte. Daß dies trotz offensichtlich eher geringer Effektivität des verbandlichen Wirkens, wegen der dann ins Haus stehenden, möglicherweise existenzbedrohenden Konsequenzen, nicht erfolgte, verwundert schon allein auf grund der ubiquitären Tendenz zur organisatorischen Selbsterhaltung nicht allzu sehr. Ob die mit der Satzungsreform etwas verbesserte Stellung der primären Umweltvereine und -verbände die hohen Wellen nachhaltig geglättet hat, bleibt fraglich. 1983 haben der Deutsche Jugendbund für Naturbeobachtung (DJN) und der 'Arbeitskreis der Deutschen Naturschutzjugend' den DNR verlassen. Die Naturschutzjugend führt in ihrer Austrittsbegründung an, daß die Unterstützung vom DNR gering "und mit viel Bürokratie und z.T. inhaltlicher Behinderung' verbunden war.

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Man sieht die "Kompetenz des Rings als Bundesverband für Umweltschutz infrage gestellt, weil er als Sammeltopf von naturschutzinteressierten Verbänden erheblichen Reibungsverlusten unterliegt".32* Ähnlich begründete der DJN seine Abkehr: Im DNR sei "eine konsequente Natur- und Umweltschutzpolitik nicht möglich, da die Politik des DNR in der bisherigen Form von Vorstand und Präsidium und deren Rücksichtnahme auf die großen Naturnutzerverbände, Politiker und Verwaltung bestimmt werden ".33* Über längerfristige Entwicklungen läßt sich gegenwärtig nur mutmaßen. Obwohl der Ring auch neue

~Iitgliedsvereine

in sei-

nen Reihen begrüßen kann, stimmt der Auszug der Jugendorganisationen nur wenig zuversichtlich. Zudem steht die Bewährungsprobe der Haltekraft des Rings noch aus: Sie wird dann zu bestehen sein, wenn die Mitgliederversammlung des DNR, entgegen den bisherigen Gepflogenheiten, einmal über deutlich mehr als Regularien zu befinden hat. Deutscher Heimatbund (DHB) Während man im DNR auf unterschiedliche Auffassungen über die Verbandspolitik trifft,

liegen die Probleme des DHB auf einer

anderen Ebene. Ihm fehlt es weitgehend am Kontakt mit seinen Mitgliedsverbänden und an deren gestaltender Anteilnahme an der Politik des Spitzenverbandes. Der Kommunikationsfluß zwischen den Mitgliedsorganisationen und dem Dachverband sei eher zäh, erläuterte der Geschäftsführer, und dementsprechend gering sei ihr Einfluß auf die Formulierung von Verbandspolitik. Auch eine 'Aktivierung' der Mitglieder würde, wenn überhaupt möglich, sicher relativ viel Zeit in Anspruch nehmen. Dessen ungeachtet hebt der DHB in einem Positionspapier hervor, daß seine "Stärke" in den "gemeindlichen und regionalen Untergliederungen und in seinen Landesverbänden" liege. Demzufolge sieht er auch die "Unterstützung von Hassenmobili-

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sierungsaktionen, die den Einfluß und das Gewicht der Organisation demonstrieren", als ein wesentliches Element umweltpolitischer Interessenwahrnehmung. Er betont allerdings auch, daß es zunächst die Aufgabe des DHB sei, "fundierte Erklärungen gegenüber Regierungen, Parlamenten und Öffentlichkeit abzugeben", daß er in

der "Beeinflussung der örtlichen und re-

gionalen Diskussion und in der Organisation und Durchführung von Aufklärungsaktionen" ebenfalls wichtige Elemente seiner Einflußkonzeption sehe. Eine Äußerung des ehemaligen DHBFunktionärs Carlsson zu 'Europa Nostra' unterstreicht die angestrebte Wirkungsrichtung seines Verbandes: Auch zwischenstaatliche Organisationen seien "an einer engeren Zusammenarbeit mit den unabhängigen Verbänden interessiert", schreibt er 1979, "weil sie über die große Zahl ihrer Mitglieder in die Breite und bis hinab zum einzelnen Bürger Wirkungen aus. . " 34* zuu.. b en vermogen Wie eine solche Wirkung erzielt werden könnte, bleibt allerdings unklar, zumal es dem Verband an Kommunikationskanälen zu seinen Mitgliedern gebricht. Im monatlichen Informationsdienst des DHB finden sich, wie beschrieben, ganz überwiegend bereits anderweitig veröffentlichte Beiträge zur Umweltschutzdiskussion. Eine verbandspolitische Wirkung solcher Informationen könnte man wohl allenfalls dann vermuten, wenn über diesen Informationsdienst.in einer gewissen Breite die Mitglieder des Verbandes angesprochen würde. Selbst dann könnte sich aber Erfolg schon deshalb nur in bescheidenem Ausmaß einstellen, weil der DHB in seinen Rundschreiben keine eigene Positionen entwickelt und demzufolge seinen Mitgliedern auch solche nicht nahe bringen kann. Eine bewußtseinsbildende Wirkung könnte sich also nur aus der selektiven Verstärkung bestimmter umweltpolitischer Positionen ergeben. Da der Informationsdienst die einzelnen tlitglieder aber nicht erreicht, muß auch diese Möglichkeit entfallen.

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Zusätzlich zu den innerverbandlichen Kommunikationsproblemen habe der DHB eine gewisse "Verbeamtung" erfahren, was durchaus nicht nur der Eindruck des Geschäftsführers ist, sondern sich deutlich an den Professionen der Verbandsführer festmachen läßt: 15 von insgesamt 17 Präsidiumsmitgliedern sind hohe und höhere Landes- oder Bundesbeamte, oftmals außer Dienst, einer ist Bankdirektor und lediglich einer firmiert ohne Titel und Amt. Außerdem erfahren sowohl der Dachverband als auch eine Reihe der Landesverbände institutionelle öffentliche Förderung. Auch dies bewirke letztlich eine gewisse 'Anlehnung' an Staat und Administration und kann wohl kaum ohne Folgen für die Politik des Deutschen Heimatbundes bleiben. Die umweltpolitischen Grundlinien des heimatverbandlichen Wirkens sind nur recht vage zu erkennen. Der DHB identifiziert sich zwar mit dem Umweltprogramm der Bundesregierung, nach einer Transformierung der dortigen Ziele in ein programmatisches Raster des Verbandes sucht man allerdings vergeblich. Der Versuch einer umweltpolitischen Verortung ist damit entscheidend auf das angewiesen, was der Heimatbund zu einzelnen Fragen und Entscheidungen vorbringt oder eben nicht vorbringt. Zu den umweltpolitisch bedeutsamsten administrativen Entscheidungen des Unters~chungszeitraumes zählen die Novellierung der TA-Luft und die Verabschiedung der Großfeuerungsanlagen- Verordnung. Die meisten der hier untersuchten Verbände haben sich damit auseinandergesetzt, ihre Forderungen dazu artikuliert bzw ihre Enttäuschung über die letztendlich erzielten Ergebnisse öffentlich gemacht. Vom DHB liegen dazu keine Äußerungen vor. Dagegen hat der Verband zur Organisation des 'Autofreien Sonntags', ein hauptsächlich unter dem Aspekt der Bewußtseinsbildung kreierter Aufruf zum freiwilligen Verzicht auf das Auto, Wesentliches beigetragen.

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Der damalige Präsident, U. Klausa, machte sich im Jahre 1980 auf dem 8. Umweltforum der AGU zum Sprecher dieser Aktion. Insbesondere sei man jedoch vermittelnd und koordinierend zwischen den an den Vorbereitungen beteiligten oder moralische Unterstützung leistenden Verbänden tätig gewesen, erläuterte der Geschäftsführer. Darin sehe er auch die Stärke seines Verbandes. Während der BUND oder der BBU in politischen Kontroversen deutlich Stellung beziehen würden, gelte der DHB als weitgehend "jenseits von gut und böse". Damit sei der Heimatschutzbund geradezu prädestiniert für eine Vermittlertätigkeit zwischen wenig kommunikativen, weil unterschiedlich interessengebundenen Organisationen, aber auch zwischen Verbänden und der Verwaltung. Die Eignung des Verbandes zur Übernahme von Vermittlerrollen muß man jedoch durchaus skeptisch beurteilen. Er ist in großem Ausmaß von materieller Unterstützung abhängig, hinzu kommen Verschränkungen mit zahlreichen Gebietskörperschaften und öffentlichen Institutionen und die fast ausschließliche Rekrutierung der Führung aus den Reihen der Staatsbeamten. All' dies hat sicher zu einer gewissen organisatorischen Unbeweglichkeit beigetragen. Es bleibt die Frage offen, inwieweit sich in den Teilgliederungen des Dachverbandes -

quasi latent

die Bereitschaft zu einem entschiederen umweltpolitischen

Engagement findet,

und ob dies in der Folge eine organisato-

rische Belebung begründen kann. Allein der erste Teil der Frage ist einigermaßen zuverlässig durch den analytischen Rückgriff auf die Verbandsbasis zu klären, über den zweiten Teil werden sich dann allenfalls mehr oder weniger begründete Vermutungen anstellen lassen. Im Gegensatz zum DHB sind der BUND und der BBU sehr viel stärker auf die Beeinflussung der öffentlichen Meinung bedacht, trotz ihrer wiederum völlig verschiedenen inneren Strukturen. Der Vergleich mit dem Heimatbund ist, auch vor

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dem Hintergrund der bereits dargelegten grundsätzlichen Einschränkungen, deswegen nur bedingt sinnvoll, da die Führungen der genannten Verbände von völlig ver schiedenen institutionellen und strukturellen Voraussetzungen auszugehen haben, was naturgemäß auch die Art und Weise ihrer Politik determinieren muß. Bund Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) Der BUND wird als einerseits gewachsene, andererseits als doch noch junge und weniger mit Zielfindungsproblemen belastete Organisation sehr viel eher auf das Engagement und die Zuarbeit seiner Mitglieder bzw seiner Teilgliederungen rechnen als der DHB oder auch der DNR, wenn man einmal davon absieht, daß dem Verband die immer noch deutlich ungleiche Stärke seiner Landesorganisationen etwas zu schaffen macht. Auch die ausschließliche Ausrichtung auf die Zielsetzungen des Natur- und Umweltschutzes in einem breit angelegten ökologischen Rahmen verhilft ihm zu einer gefestigteren Plattform des politischen Agierens. Ein wesentliches Element der Verbandspolitik streicht Bundesvorsitzender Thielcke deutlich heraus: Man möchte so wenig wie möglich in finanzielle Abhängigkeit zum Staat geraten, möchte vielmehr die unabhängige Position ausbauen und lehne deshalb auch eine institutionelle Förderung rundweg ab: "Wir müssen unabhängig sein, wir dürfen nicht erpressbar werden". Der BUND versteht sich "ausschließlich als Lobby der Natur", und der Bundesvorstand setzt die Schwerpunkte bei der Öffentlichkeitsarbeit und der "Lobbyarbeit in Bonn" 35* Er versucht, diesem

Anspru~h

gerecht zu werden, in dem er sich be-

wußt und gezielt zum Teil der politischen Auseinandersetzung macht. Er beläßt es dabei nicht nur bei Appellen, sondern scheut auch die Polemik nicht und präsentierte z.B. einen "Umweltpolitischen Untätigkeitsbericht der Bundesregierung

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für das Jahr 1984". Den einzelnen Ministern werden dort die jeweiligen Unterlassungssünden aufgelistet und schließlich dem Kanzler vorgeworfen, er pflege "einen ökologischen Analphabetismus". 36. Zur Entwicklung eines eigenen Gewichts gehört nach dem Verständnis des BUND eine gut gegliederte und wirksame Organisation,

bei der auch ein funktionierender Informationsaustausch

nicht fehlen darf. Letzterer wird durch das monatlich erscheinende Organ sichergestellt. Es sei von entscheidender Bedeutung,

unterstreicht der Verband die Notwendigkeit einer

dichten Organisation, dort auf die Entwicklung Einfluß zu nehmen,

WO

es um die Zersiedelung der Landschaft,

um die Zer-

störung von Feldgehölzen, Knicks oder um ökologisch schädliche Wasserbaumaßnahmen gehe:

in den Städten und Gemeinden.

Aufbauend auf dieser Grundlage möchte der BUND auf die behördlichen, aber auch auf die Entscheidungen des Gesetzgebers einwirken. Die diesbezüglichen Möglichkeiten sind allerdings in Bonn noch geringer ausgeprägt als bspw in Bayern. Zwar gehört der BUND genauso wie der DNR oder der BBU zu den nach

§ 29 BNatG anerkannten Verbänden und wird demnach bei entsprechenden Gesetzgebungsvorhaben gehört. Allerdings hält man das Anhörungsrecht ohne Klagebefugnis,

für dessen Einführung

man eintritt, für ein nur wenig wirksames naturschutzpolitisches Mittel. Auch der nach Einschätzung des Verbandes relativ gute Zugang zu den zuständigen Bundesministerien vermag die Einflußchancen auf Bundesebene nur wenig zu verbessern. Die Möglichkeiten des bayerischen Landesverbandes reichen weiter.

Im Freistaat ist der Bund Naturschutz über die Be-

lange des engeren Naturschutzes hinaus berechtigt, zu allen Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren Stellung zu nehmen. Das werde in der Hautpsache von den Kreisverbänden wahrgenommen, erläuterte der Landesgeschäftsführer. Dort verfüge man über die besten Kenntnisse der lokalen Verhältnisse und hole sich den notwendigen ergänzenden Sachverstand meist vom

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wissenschaftlichen Beirat des Verbandes. Eine flächendeckende und kompetente Organisation wird damit zur zentralen Voraussetzung der Verbandsarbeit. Dementsprechend äußert sich auch der Bundesvorsitzende: die umweltpolitische Effektivität des Verbandes lasse sich durch eine Verstärkung der Professionalisierung innerhalb der Organisation noch erheblich verbessern. Dessen ungeachtet fühlt man sich zumindest in Bayern durchaus einflußreich, obwohl sich der Landesgeschäftsführer darum sorgt, daß sich besonders in dem Bereich, aus dem der BUND die überwiegende Mehrzahl seiner Mitglieder rekrutiert, Zurückhaltung breit machen könnte. Er begründet das mit den zunehmend härter geführten umweltpolitischen Auseinandersetzungen, in die der Verband auch mit dem Erwerb von Sperrgrundstücken in umstrittenen Planungsräumen eingreift. In solchen Fällen, dann, wenn es "hart auf hart komme", weichen vor allem auch andere (Dach-)verbände meist zurück. Um solche Probleme im eigenen Verband nicht erst aufkommen zu lassen, hält man Abstand zu Personen und Organisationen, deren Interesse an Umwelt- und Naturschutz sich zu deutlich mit anderen vermischt: einen bayer ischen Kreisgruppenvorsitzenden habe man wegen der Bejagung von Greifvögeln 'geschaßt'. Aber nicht nur in Bayern, auch in Baden-Württemberg und in anderen Bundesländern macht der BUND Einfluß geltend. In Hessen, erläutert ein Mitarbeiter des Umweltministeriums, sei in einer gewissen Zeit die Hesssische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz praktisch die einzige einschlägige und politisch wirksame Organisation gewesen. Inzwischen habe sich jedoch der BUND durch seine aktive und kämpferische Umweltpolitik zur bedeutenderen Organisation entwickelt, obwohl die HGON wissenschaftlich sehr fundiert arbeite und nach wie vor ihren festen Platz im Kreis der relevanten Verbände innehabe.

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Auch die Repräsentanten des BUND betonen, wie die meisten der anderen untersuchten Verbände, allseits ihre strenge parteipolitische Neutralität, was aber nicht ausschließt, daß herausragende Führungspersonen als parteipolitisch sozialisiert gelten können. Als direkte Einflußadressaten fallen die Parteien auch hier kaum auf. Der Bayerische Landesgeschäftsführer weist allerdings darauf hin, daß die Umweltsprecher der im bayerischen Landtag vertretenen Parteien, damals noch drei,

im Beirat des Bundes mitarbeiten. Durch solche und ähn-

liche Verbindungen,

vor allem aber durch die zahlreichen Mit-

gliedschaften von aktiven Parteimitgliedern im BUND kann man von guten informellen Kontakten ausgehen. Die Aktivität des BUND begrenzt sich nicht auf die direkten, zum Teil formalisierten,

zum anderen informellen Einwirkungs-

möglichkeiten auf politische Entscheidungsprozesse. Ein erheblicher Teil seiner finanziellen Mittel, rund ein Drittel der Ausgaben des Bundesverbandes fließt, ähnlich wie beim DNR, in die Öffentlichkeitsarbeit, in die Ausrichtung von Ausstellungen, Seminaren, Vorträgen, in die Erarbeitung und Verbreitung von Broschüren und anderen Informationsträgern. Das Konzept des BUND, die Organisation von politischem Einfluß auf einer möglichst flächendeckenden und kompetenten Organisation aufzubauen, hat in Bayern zu gewissen Erfolgen geführt. Es bleibt jedoch die Frage, inwieweit es ihm gelingt, auch in anderen Bundesländern die Organisation entsprechend auszubauen. Der Bund Naturschutz in Bayern besteht seit 1904 und war dort quasi schon immer eine bestimmende Kraft im Natur- und Umweltschutz. Auch in Baden-Württemberg gibt es eine gewisse Tradition des dortigen Landesverbandes, der ebenfalls bereits vor der Gründung des Bundesverbandes bestand. Wie aber ist die Situation in anderen Teilen der Bundesrepublik, dort, wo man zumindest im Naturschutzbereich auch auf alteingesessene Vereine und Verbände stößt, die ein

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Großteil des infrage kommenden Klienteis bereits eingebunden haben? Da sich der Kreis derjenigen, die sich sozial und politisch engagieren kaum vergrößern wird, ist es eine Voraussetzung für den weiteren Erfolg des BUND, daß es ihm gelingt, aus dem bereits organisierten Potential der naturschützerisch Interessierten bestimmte Teile herauszulösen und sie zumindest auch für den eigenen Verband zu gewinnen. Gemeinnütziger Grünflächenverein 'pro grün' 'Pro grün' zählt zu den regional agierenden Organisationen, die etwa zur gleichen Zeit oder etwas früher als der BUND entstanden sind. Über die Politik des Verbandes läßt sich nur schwer etwas Verläßliches sagen. Es gibt dazu kaum aussagekräftiges Material und man muß sich fast ausschließlich auf das beschränken, was die Verbandsführung von sich und dem Verband behauptet. Im Unterschied zu den organisatorischen Voraussetzungen beim BUND kann man jedoch festhalten, daß die Vereinigung kaum auf einem Netz lokaler Organisationen fußend ihre Politik gestaltet. In ähnlicher Weise zeigt sich das auch beim BBU. Bekannt wurde die lokal politisch durchaus bedeutsame Existenz einer 'pro grün' Teilgliederung in Ennepetal. Die Einordnung als struktureller Bestandteil eines Gesamtverbandes 'pro grün' muß jedoch sofort wieder relativiert werden. Zwar hatten die Wattenscheider Vertreter von 'progrün' geholfen, den Ennepetaler Verein aus der Taufe zu heben, man sei jedoch "völlig selbständig", erläutert dazu

de~

dortige Vorsitzende,und habe lediglich den Namen übernommen. Auch die Politik der Ennepetaler, die einen "gesamtökologisch" orientierten Umweltschutz betreiben wollen, unterscheidet sich grundlegend von dem Credo des Vorsitzenden Schweihs, der immer wieder auf die Begrenzung der Aktivität seines Verbandes auf einen umweltpolitischen Teilbereich hinweist. Unbeschadet dessen verfolgt er die Zielsetzung, "in jedem Dorf vertreten zu sein" und erhebt mit dem Hinweis auf

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zahlreiche Mitglieder innerhalb und insbesondere auch außerhalb von Nordrhein-Westfalen (Hessen, Niedersachsen und Baden-Württemberg) den Anspruch, übergreifend Umweltinteresse zu organisieren. Entsprechend ihrem thematisch zwar begrenzten, aber übergreifenden Anspruch, sucht die

territorial

'pro grün'-Führung

die Verbindung zu Bonner Ministerien, etwa mit einem Vorschlag zur Neuregelung des Verbandsklagerechts. Der Verein suche ebenso in der Region und auf der Landesebene den bei Planungen unbedingt notwendigen frühzeitigen Kontakt zu den Behörden und bemühe sich als eigenständiger Verband um eine Kontrolle gegenüber Staat und Administration,

verdeutlicht

der Vorsitzende den einen Teil der politischen Vorstellungen seiner Organisation. Der andere Teil ziele in besonderem Maße auf Öffentlichkeitswirksamkeit. Die möchte man durch Vorträge und Erklärungen ebenso erreichen, wie durch Aktionen und Gutachten des wissenschaftlichen Beirates. Auch der Erwerb von Grundstücken, in der Hauptsache zur Sicherung von Grünflächen, zählt mit zu dem, was man als geeignet ansieht,

den

Umweltschutz voranzubringen. Mehr noch als bei anderen hier zur Diskussion stehenden Verbänden bleiben zu

'pro grün' Fragen offen. Wie ist das Er-

scheinungsbild eines Verbandes in der Fläche, der nach seinen Angaben etwa 70 Tsd. Mitglieder zusammenschließen will? Wie ist seine regionale und lokale Bedeutung, insbesondere vor dem Hintergrund, daß man auf ihn in der Berichterstattung der überregionalen Presse kaum stößt, obzwar er durchaus Gewicht auf sein öffentliches Erscheinungsbild legt? Auch hier sind Antworten nur von der Analyse der Verbandsbasis zu erwarten.

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Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) Bei der bisherigen Betrachtung des BBU wurde bereits deutlich, daß er, ähnlich wie der DNR und vermutlich auch 'pro grün', über keine flächendeckende Organisation verfügt. Es wurde weiterhin schon erkennbar, daß es um das Selbstverständnis des Verbandes, um seine Rolle im politischen Prozeß unterschiedliche Auffassungen gibt, die zumindest zwischen Teilen der Mitgliedsinitiativen und dem Vorstand auszumachen sind. Dabei geht es im wesentlichen um die Frage, ob der Verband nur Koordinationsstelle für die ihm angeschlossenen Initiativen sein, ihren Kommunikationsfluß sicherstellen soll, oder ob er sich als Lobby, als Vertreter von Umweltinteressen gegenüber Staat und Administration versteht und, vor allem, sich deswegen an die bestehenden Einfluß- und Machtstrukturen anpassen darf. Die Bereitstellung eines Mindestmaßes an organisatorischer Infrastruktur, zusammen mit der Bereitschaft, die Kooperation zu anderen, ähnlich interessierten Verbänden zu suchen, mithin also die Anpassung an die Gegebenheiten des politischen Systems, sind dabei die Ziele der einen Seite. Sie treffen auf die Forderung nach "dezentralen Strukturen" und die Furcht vor abgehobenem Funktionärswesen der anderen Seite. Praktisch ist diese Frage zwar nicht geklärt, kann aber als vorentschieden gelten , da die Bemühungen der Verbandsführung durchaus Tatsachen geschaffen haben. Die Installation der Geschäftsstelle in Bonn hat ein Zeichen gesetzt. Auch die Bindungen des langjährigen Mitglieds des geschäfts-. führenden Vorstandes, J. Leinen, zu den bestehenden politischen Strukturen, er war z.B. Mitglied der SPD-Umweltkommission, tragen dazu bei, daß die Ausübung von Einfluß oder der Versuch dazu, mittels der Kontakte zur Ministerialverwaltung und zur Politik, ihren Platz im Repertoire des BBU haben. Formal sind seine Möglichkeiten der Interessenwahrnehmung, wie die der anderen Umweltverbände, jedoch eher gering.

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Seine bessere informelle Stellung und der entsprechende Einfluß hängen entscheidend von der Fähigkeit zur Mobilisierung von Protestpotential ab. Damit ist eine politische Aktionsform angeschnitten, die einerseits zu den klassischen Mitteln der Interessenwahrnehmung gehört, man denke dabei nur an die Gewerkschaften, andererseits aber die tradierten Formen von Mitgliedermobilisierung sprengt, da der Einfluß und die Aktivierung von Potentialen durch den BBU zumindest zeitweise deutlich über den Kreis der eigentlichen t1itglieder hinausgeht. Das setzt allerdings voraus, daß es protest fähige Themen, möglichst auch Entscheidungen oder konkrete Maßnahmen und damit einen oder mehrere Protestadressaten gibt. Die Voraussetzungen waren bei der Auseinandersetzung um die Kernenergie wohl gegeben. Das durch ein komplexes und bis heute umstrittenes Ursachengeflecht bedingte katastrophale Waldsterben erfüllt offensichtlich schon nicht mehr die Voraussetzungen für eine ähnliche Protestäußerung. Aber selbst bei erfolgreicher Mobilisierung läßt sich eine Protesthaltung nur begrenzte Zeit aufrechterhalten. Man nutze auch die in der Kombination mit Verhandlungssystemen sich ergebenden Chancen nur unzureichend, meint dazu ein führender Vertreter einer großen norddeutschen Bürgerinitiative. Die Mobilisierung von Protest oder die Fähigkeit, sich an die Spitze entsprechender Potentiale zu setzen, erfordert, beim Fehlen einer nennenswerten Organisation und funktionierender verbandsinterner Kommunikationswege, die öffentliche Kontaktpflege. Auch

der ehemalige BBU-Vorständler W. Sternstein

mißt ihr "für die Verwirklichung sowohl der inhaltlichen als' auch der Überlebensziele des Verbandes" entscheidende Bedeutung zu. 37 Nur über die Medien kann der Verband seine einer-

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seits sich selbst zuerkannte, andererseits aber auch von anderen tolerierte Rolle als Mittler zwischen organisierter 1nteressenwahrnehmung und 'anomic interest' groups, wie sie

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192 -

sich zu Protesten und Demonstrationen herausbilden, wahrnehmen. Sein Wirkungsfeld reicht damit in einen unbestimmten, letztendlich auch nicht bestimmbaren Bereich nicht oder nur andeutungsweise organisierter gesellschaftlicher Interessen hinein, die sich unter nur annähernd zu prognostizierenden Voraussetzungen mobilisierbar zeigen. Ob es allerdings dem Verband als solchem gelingt, die lockere Organisation und die entsprechend geringe infrastrukturelle Abstützung überhaupt zu überstehen, ist fraglich. Die thematische Diversifizierung des BBU, insbesondere sein Engagement zu den Fragen der Abrüstung und Raketenstationierung, aber auch jenes zur Organisation des Widerstandes gegen die letztlich gescheiterte Volkszählung, hat die Wege verbandlicher Vermittlung von Umweltinteressen offenbar schwieriger begehbar gemacht. Man begreift die angesprochenen Themen durchaus als Teil einer gesamtökologischen Politik, selbst wenn die Einbindung manchmal allzu gewagt erscheint: Eine Volkszählung erlange mit den dort ermittelten Strukturdaten erhebliche umweltpolitische Bedeutung, begründet der Sprecher einer Bürgerinitiative das entsprechende Engagement, es werde damit möglich, solche Industriestandorte auszuwählen, wo man mit geringerem Widerstand der Bevölkerung rechnet als anderswo. Es ist jedoch nicht das Aufgreifen sozial-, rüstungs- oder beschäftigungspoliticher Themen, welches, nach tradiertem Verständnis, die Grenzen des Interessenverbandes markiert. Andere Verbände tun das auch, insbesondere gesellschaftliche Großgruppen. Es sind vielmehr die erkennbar werdenden umfassenden gesellschaftspolitischen Vorstellungen und Aktivitäten, die den BBU in seiner politischen Qualität mitunter parteiähnlich erscheinen lassen. Tatsächlich hat er trotz einer unter Schwierigkeiten beibehaltenen, verbandsoffiziellen parteipolitischen Neutralität, gewisse Abgrenzungsprobleme zu den Grünen und der grünbunten Parteigruppierung. Die damit verbundenen Probleme der Klientelverlagerung wurden bereits zur 'Grundlegung' besprochen.

-

3.2

193 -

Presseanalyse

3.2.1 Das Gesamtergebnis

Ein Überblick über das Gesamtergebnis der Presseanalyse ergibt sich aus den Tabelle 2 und 3. Aus Tab. entnehmen,

2 läßt sich

daß es im Untersuchungszeitraum je Zeitung,

ohne

zusätzlich ausgewertete Lokalteile, durchschnittlich knapp 1.600 Berichtseinheiten mit Umweltbezug gegeben hat, die Bandbreite von 871 bis 2.468 reicht,

wobei

das Mittelfeld aber

gut besetzt ist. Es fällt dabei auf, daß die nordrhein-westfälischen Zeitungen deutlich unterdurchschnittlich oft über Umweltthemen berichten. Bildet man eine Rangreihe nach der Zahl der Umweltartikel in der gesamten Berichterstattung der Zeitungen,

steht die Heilbronner Stimme auf Platz 1, gefolgt

von der Süddeutschen Zeitung, deren Münchner Lokalteil hier nicht,

dafür aber der Starnberger Teil berücksichtigt wurde,

und dem Höchster Kreisblatt. Von den nordrhein-westfälischen Zeitungen erreicht Die Glocke den 8. Rang, die Westdeutsche Allgemeine Zeitung kommt auf Platz 13 und die Kölnische Rundschau,

das Haller Kreisblatt,

das Westfalenblatt und die

Westfälische Rundschau nehmen die vorletzten Plätze ein. Auf dem letzten Platz findet sich die für Kronach ausgewertete Neue Presse. Bei der übrigen,

zu Vergleichszwecken erhobenen Berichter-

stattung ohne Umweltbezug läßt sich dagegen keine einheitliche Tendenz ausmachen. Die besonders interessierenden Vereine und Verbände,

vorwiegend die großen Freizeitorganisatio-

nen innerhalb des DNR, kommen ohne Umweltbezug in der Rheinpfalz, der Hannoverschen Allgemeinen und in der Norddeutschen Rundschau am häufigsten vor, während die Süddeutsche Zeitung hier den vorletzten Platz einnimmt. Bei der Berichterstattung über nicht umweltbezogene Aktivitäten von Bürgerinitiativen findet man die zuletzt genannte Zeitung ebenfalls auf einem

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Neue Presse

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