Ueber das Wesen des Gelehrten und seine Erscheinungen in Gebiete der Freiheit: In öffentlichen Vorlesungen, gehalten zu Erlangen, im Sommer-Halbjahre 1805 [Reprint 2021 ed.] 9783112439067, 9783112439050

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Ueber das Wesen des Gelehrten und seine Erscheinungen in Gebiete der Freiheit: In öffentlichen Vorlesungen, gehalten zu Erlangen, im Sommer-Halbjahre 1805 [Reprint 2021 ed.]
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Ueber

das Wesen des Gelehrten, «ad

seine Erscheinungen im Gebiete der Freiheit.

I« öffentlichen Vorlesnagen, gehalten zu Erlangen, im Sommer,Halbjahre i$o$ v»n

Johann Gottlieb Fichte.

Berlin, 1806. I» der Himbnrsische« Duchhaadlaa-.

Vorrede.

«Lasse Vorlesungen machen keinen An­ spruch aus den Rang eines schriftstelleri­

schen Werkes, dessen Bild ich in der

zehnten derselben aufzustellen mich bestrebt habe; sondern es stud gehaltene Reden,

welche ich abdrucken lasse in der Voraus­

setzung, daß sie vielleicht noch diesem und

jenem nützlich werden könnten, der nicht Gelegenheit hatte, sie zu hören.

Mag

man auch, wenn man will, sie betrachten, als eine neue und verbesserte Ausgabe

der vor zwölf Jahren von mir erschiene­ nen Vorlesungen über die Bestimmung

des Gelehrten, so gut, als ich unter den

— IV



gegebenen Bedingungen eine solche Aus­ gabe zu machen vermochte: und sollte

eS sich etwa zutragen, daß jemand nach

der Weise der Verwaltung meines Leh­

rer-Berufs in Erlangen fragte, so hätte ich nichts dagegen, daß diese Vorle­

sungen für einen Bestandtheil der abge­ legten Rechenschaft gälten. — Weiter habe ich hiebei dem lesenden Publikum,

mit welchem mich zu unterhalten ich im­

mer größeres Widerstreben fühle, nichtS zu sagen.

Berlin, im Jänner 1806.

Fichte.

Inhalt.

Erste Vorlesung. Plan de- ©anten

Seite i

Zweite Vorlesung. Nähere Bestimmung de- Begriff« der sittlichen Idee ... — 34

Dritte Vorlesung. Vom angehenden Gelehrten überhaupt; jn-b«s»ndere vom Talente und Fleiße.

— 48

Vierte Vorlesung. Von der Rechtschaffenheit im Studiren.

— 70

Fünfte Vorlesung. Wie die Rechtschaffenheit de« Studirenden sich äußere. ... — $0

Sechste Vorlesung. Ueber die akademische Freiheit.

— m

— VI — Siebente Vorlesung.

Dom vollendete« Gelehrten im Allge­ meine«. . . . Seite Achte Vorlesung. See Regenten.

...



ist



17*



19«

Neunte Vorlesung.

Dom mündliche« Gelehrten-Lehrer. Zehnte Vorlesung. Do« Schriftsteller.

.

Erste Vorlesung.

Plan deS Ganzen.

-Ich eröffne hiermit die öffentlichen Borlesun, gen, die ich im Lcktions-Verzeichnisse unter der

Benennung: de moribus eruditorum, angekündigt habe.

Sie konnten diese Ueberschrift

übersehen: Moral für Gelehrte; über die Be­

stimmung be$ Gelehrten; von der Sitte de« Gelehrten u. dgl ; aber der Begriff selbst, wie

er auch überseht und gefaßt werde, bedarf einer

tiefern Erörterung. Zch gehe an dies« vorläu, fige Erörterung.

So wie man das Wort Moral oder Slt»

trnlchre hört, gedenkt man an eine Bildung

des Charakters und der Handlungsweise durch

Regeln und Vorschriften.

Aber es ist nur in

einem beschränkten Sirme, und nur von einem niedrigeren Standpunkte der Einficht au« wahr,

daß der Mensch durch Vorschriften gebildet wer, den, und sich selber nach ihnen bilden könne;

hingegen vom höchsten Standpunkte der absolu, ten Wahrheit au«, in welchen wir uns hier

stellen wollen, muß innerlich im Wesen des

Menschen liegen, und fein. Wesen, Seyn und Leben selber auemachen, was in seiner Denk,

art und in seinen Handlungen sich äußern soll; was aber im Menschen innerlich ist, tritt noth­

wendig auch äußerlich in ihm hervor, stellt sich

dar in allem seinen Denken, Wollen und Han, dein, und wird ihm unwandelbare und unver, äyderliche Sitte.

Wie hiermit die Freiheit der

Menschen, und alle Bestrebungen der Erziehung, de« Unterrichts, der Religion, der Gesetzgebung — denselben zum Guten zu bilden, sich verei­

nigen lassen, ist der Gegenstand einer ganz an-

dern Untersuchung, welche wir hier nicht an,

stell« «ollen.

Hier können wir nur im Allge,

meinen betrugen, daß beide Behauptungen sich

sehr wohl vereinigen lassen, und daß die Mög«

lichkeit der Bereinigung einem liefern Studium

der Philosophie klar werde. Der beständige Charakter und die Hand, lunzrweise, oder mit einem Worte, die Sitte des wahrhaften Gelehrten, läßt sich vom höchsten

Standpunkte aus eigentlich nur beschreiben, fei,

neswege« aber verordnen oder befehlen.

Hin,

wiederum: diese erscheinende und Lußerlich sich-

darstellende Sitte de» wahren Gelehrten grün,

bet sich auf da», was innerlich, und in seinem Wesen, unabhängig von aller Erscheinung, und

vor aller Erscheinung vorher ist, und wird durch diese» innere Wesen nothwendig verursacht und

unveränderlich bestimmt.

Wollen wir daher

seine Sitte beschreiben, so müssen wir zuftrderst

fein Wesen angeben: au« dem Begriffe dieses letzteren aber läßt die erstere, sttne Sitte, sich

vollständig und erschöpfend abieiten. Diese Ab,

leitung nun aus jenem vorausjusehenden We,

4 sen zu vollbringen, ist der eigenriiche Zweck die, ser Vorlesungen. Der Inhalt derselben wäre

daher kürzlich also anzugebeor sie sind, und sol, len seyn eine Beschreibung de« Wesen« de« Gelehrten, und der Erscheinung desselben im Gebiete der Freiheit.

Zur Erzeugung der Einsicht in da« innere Wesen de« Gelehrten dienm folgende Sähe: >) Die gesammte Sinnenwelt mit allen

ihren Verhältnissen und Bestimmungen, und insbesondere da« Leben der Menschen in dieser

Sinnenwelt sind keineswegee an sich und in der That und Wahrheit dasjenige, al« welche«

sie dem ungebildeten und natürliche» Sinne der Menschen erscheinen; sondrm e« ist etwa« hö, Here« und verborgene«, welche« der natürlichen

Erscheinung bloß zum Grunde liegt. Man kann diesen hbhern Grund der Erscheinung in sei,

»er höchsten Allgemeinheit sehr schicklich neu« nen: die göttliche Zdee;

und dieser Aus­

druck: göttliche Idee, soll von nun an nicht« mehr bedeuten, als eben den höher» Grund

der Erscheinung, so lange, bis wir diesen De-

gris weiter bestimmen.

i) Ein bestimmter Theil des Inhalts die­ ser göttlichen Idee von der Welt ist dem aus gebildeten Nachdenken zugänglich und begreif­

lich und soll, unter der Leitung dieses Begriffs,

durch die freie That der Menschen an der Sinnenwelt herausgebildet und. in ihr darge­

stellt werden.

3) Falls es unter den Menschen Einzel­ ne geben sollte, nietche, ganz oder theilweise, in den Besitz des zuletzt erwähnten Theils der

göttlichen Idee von der Welt sich setzten —, sey es nun, um durch Mittheilung an An­

dere die Erkenntniß der Idee unter dm Menschen zu erhalten und zu verbreiten, oder durch

unmittelbares Handeln auf die

Slnnenwelt

diese Zdee in ihr darzustellen —, so wären

diese Einzelne der Sitz eines Hähern und gei­ stigeren Lebens in der Welt, und eine Fortentwiklung der Welt, so wie sie zufolge der gött­

lichen Zdee erfolgen sollte.

6 4) Diejenige Art der Erziehung und geißi, gen Bildung in jedem Zeitalter,

vermittelst

welcher diese« Zeitalter die Menschen zur Er, kenntniß des erwähnten Theil« der göttlichen

Zdee ju führm hofft,

ist die gelehrte Bit,

düng, — und derjenige Mensch, »velcher die,

ser Bildung theilhaftig wird, der Gelehrte des­ selben Zeitalters. Es ist aus dem Gesagten klar, daß da« Ganze derjenigen Erziehung und Ausbildung,

welche ein Zeitalter die gelehrre Bildung nennt,

lrdjgUch das Mittrl-lst, um zur Erkenntniß des erkennbaren Theils der sittlichen Zdee zu füh­

ren, und Werth hat — lediglich, inwiefem stein

der That dieses Mitttl wird, und ihren Zweck erreicht.

Ob nuy, in einem gegebenen Kalle

dieser Zweck erreicht sey, oder nicht, kann die

gewöhnliche und natürüche Anficht der Ding», indem fie ja für die Zdeen völlig blind ist, nittu

wer beurtheilen; fie vermag nichte mehr, »iS

das bloß empirische Faktum aufzufajstn: ob eine Person dasjenige, was man gelehrte Bid

düng nennt, genossen habe, oder nicht genossen habe.

E« giebt daher zwei höchst verschiedene

Begriffe vom Gelehrten: den einen nach dem

Scheine, und der bloßen Meinung; und in die, ser Rücksicht muß jeder für einen Gelehrten

gelten, der durch die gelehrte Erziehung hin, burchgegangen ist, oder wie man da« gewöhn, lich nennt, der da studirt hat, oder noch situ

birt: den zweiten nach der Wahrheit; und in dieser Rücksicht ist nur derjenige ein Gelehrter

zu nennen, welcher durch die gelehrte Bildrmg de« Zeitalter« hindurch

zur Erkenntniß der

Ideen gekommen. — Durch die gelehrte

Bildung de« Zeitalter« hindurch habe ich gesagt: denn wenn auch jemand ohne die,

se« Mittel auf einem andern Wege zur Er,

kenntniß der Idee kommen könnte, wie ich im

Allgemeinen gar nicht zu leugnen gedenke; so

würde doch «in solcher seine Erkenntniß nach einer festen Regel, weder theoretisch mittheilrn, noch unmittelbar pragmatisch in der Welt rea,

lifkren können, weil e« ihm an der- nur in der



8



gelehrten Schule »u erwerbenden, Kenntniß sei,

ne« Zeitalters und der Mittel, auf dasselbe zu wirken, fehlte; und es würd« darum allerdings

ein höhere« Leben in ihm leben; aber kein auf die übrige Welt eingreifende» und sie entwik,

kelndes Leben: — der eigentliche und ganz« Zweck, den die gelehrte Bildung hat, wäre in

ihm keineeweges ohne dieselbe »««gedrückt, und

er wäre zwar wohl ein höchst vorzüglicher Mensch, aber kein Gelehrter.

Wir unser« Ort« gedenken hier die Sach«

keineSwege« nach dem äußem Scheine zu be, trachten, sondern noch der Wahrheit.

Un«

gelt« daher von nun an für den ganzen Lauf

dieser Vorlesungen nur derjenige für einen Gelehrrm, der durch die gelehrte Dildmig de« Zeit, alter« hindurch zur Erkenntniß der Zdee wirk,

lich gekommen ist, oder wenigsten« zu derselben zu kommen lebendig und kräftig strebt.

Wer,

ohne dadurch zu der Ldee zu kommen, diese

Bildung erhalten hat, ist nach der Wahrheit, so wie wir hier die Sache zu betrachten haben.

9 gar Nicht«; er ist ein zweideutiges Mittelding

zwischen dem Besitzer der Idee, und dem von

der gemeinen Realität kräftigst gestüzten und

getragenen: — über dem vergeblichen Ringen nach der Zdee hat er versäumt, die Geschick, lichkeir, die Realität zu ergreifen, in sich au«, zubiiden, und schwebt nun zwischen zwei Wel­ ten, ohne einer von beiden anmgehören. Die Einrheilung in der Art der unmittel, baren Anwendung der Ideen überhaupt, welche

wir schon obm (i)angaben, gilt offenbar auch

für denjenigen, der durch die gelehrte Bildung

in den Besitz dieser Zdee gekommen, d. h. für den Gelehrten.

Entweder ist der nächste Zweck

desselben der, die Zdeen, in deren lebendige Er, kenntniß er sich hineinverseht hat, andem mitzu,

theilen; und sodann ist sein nächstes Geschäft: die Theorie der Zdeen, tm Allgemeinen oder Be­ sondern — er ist rin Lehrer der Wissenschaft.

— Nur zunächst, und im Gegensatze mit dem zweiten Gebrauche der Zdeen, ist da« Geschäft

de« Lehrers der Wissenschaft als bloße Theorie

IO

itt bezeichnm; in einem weitem Sinne ist es eben sowohl praktisch, als das des unmittelbaren

Geschäftsmannes: der Gegenstand seiner Wirk,

famkeit ist der Sinn und Geist de« Menschen;

und e« ist eine sehr erhebliche Kunst, diesen nach einer Regel zu Begriffen zu gestalten und |u erheben.

Oder der nächste Zweck dessen, der

durch gelehrte Bildung sich in den Besitz bey

Zdeen verseht, ist der, die, in Beziehung auf seine eigentliche Absicht, willenlose Welt, nach

dieser Zdee zu gestalten: etwa die Gesezge, bnng, — das ganze rechtliche und gesellschaft, liche Verhältniß der Menschen untereinander,

— oder auch die die Menschen umgebende, und auf ihr würdiges Daseyn einstießende Natur,

nach der gtttlichen Zdee de« Recht«, ober der Schönheit, so weit es in dem gegebenen Zett,

alter, und unter den gegebene« Bedingungen

möglich ist, auszubilden; indeß er seinen eigene, liche» Begriff sowohl, al« die Kunst, mit-der er ihn an der Welt herausgestalttt, für sich behält.

— Sodann ist der Gelehrte ein pragmatischer

II Gelehrt«.

Niemand, wie ich bloß im Vorbei«

zehen bemerke. Niemand sollte in die eigentliche Leitung und Anordnung der menschlichen An, gelrgenheiten eingreisen, der mchk ein Gelehrt«

im wahrhaften Sinne des Worts wäre, d. h. her nicht durch gelehrte Bildung der göttlichen Idee theilhaftig gewordm.

Mit Zuträgem und

Handlangern ist es ein anderes: ihre Tugend

besteht in pünktlichein Gehorsam und der Der«

meidung alles Selbstdenkens, und über ihr Ge, schäft Selbsturthrilene.

Noch giebt es aus einem andern Gesichts, punkte eine andere Elntheilung im Begriffe des

Gelehrten, welche für. uns zu allernächst fmcht« bar ist.

Nemlich, entweder hat der Gelehrte

die ganze göttlich« Zdee, in wiefern sie vom Menschen zu fassen ist, oder auch einen beson«

dem Theil dieses an ihr zu erfassenden, — was freilich nicht ohne eine wenigstens klare

Uebersicht des Ganzen möglich ist, — schon wirklich ergriffen, durchdrungen, und sich voll,

kommen klar gemacht, so daß sie sein, zu jeder

12

Zeit in derselben Gestalt zu erneurendes, Be, sttzthum, und ein Bestandtheil seiner Persön­ lichkeit geworden sey; so ist er ein vollendeter ünd fertiger Gelehrter, ein Mann, der ausstu« bitt hat; oder derselbe ringt-noch und strebt die Zdee überhaupt, oder den besondern Theil und Punkt, von welchem aus Er für feine Person das Ganze durchdringen will, sich »oll, kommen klar zu machen; einzelne Lichtfunken springen schon von allen Seiten ihm entgegen, und schließen eine höhere Welt vor ihm auf, aber sie vereinigen sich ihm noch nicht zu einem unheilbaren Ganzen; sie verschwinden ihm eben so unwillkühriich wieder, als sie ihm kamen, und er kann sie noch nicht unter die Bvrmä, ßigkeit seiner Freiheit bringen —, so ist er ein ang-hender und sich bildender Gelehrter, ein Studirender. — Daß es wirklich die Zdee sey, die besessen oder angestrebt werde, ist beiden gemeinschaftlich: gehr das Streben bloß auf die äußere Form, und den Buchstaben der geletzr, ten Bildung, so erzeugt sich, wenn die Runde



13



durchgemacht ist, der vollendete, wenn sie noch

nicht durchgemacht ist, der angehende Stümper. Der letztere ist noch immer erträglicher, als der erstere; denn noch läßt sich hoffen, baß er,

bei der Fortsetzung seines Weges etwa in einem

künftigen Punkte von der Idee ergriffen wer, den könne; an dem ersten aber ist alle Hoff« nung verlohren.

Dies m. H. ist der Begriff

vom Wesen des Gelehrten, und die erschöpften

zufälligen, das Wesen keinesweges ändernden,

sondern insgesamt dasselbe bei sich führenden Bestimmungen dieses Begriffes; der Begriff nemllch vom stehenden und starren Seyn, rocb eher lediglich die Frage nach dem Was? 6«

antwortetDurch Beantwortung dieser einzigen Frage nach dem Was ist die philosophische Erkennt«

niß, dergleichen wir hier ohne Zweifel erstreben,

noch keinesweges befriedigt;

die Philosophie

fragt noch weiter nach dem Wie, und fragt, strenge genommen, allein nach diesem, als wel« ches das Was schon ohne dies bei sich führt.



14



Alle philosophische Erkenntniß ist ihrer Natur nach nicht faktisch, sonder« genetisch, nicht er/ fassend trgmd ein stehende» Seyn, sondern in/ nerlich erzeugend und construirend diese» Sey»

au« der Wurzel sein-« Leben«.

E« ist daher

auch in Beziehung auf den, seinem stehende»

Wesen nach beschriebenen Gelehrten die Frage übrig:

wie wird er zum Gelehrten; und, —

da selbst sein Seyn und Gewordenseyn ei» ununterbrochen lebendiges, und in jedem Mo­

mente ein sich erzeugende« Seyn ist, — wie er­ hält er sich al« Gelehrter? Zch antworte kurz: durch die ihm betwoh/ nend«, seine Persönlichkeit »»«machende und in

sich verschlingende Liebe zur Zdee.

Denken Sie

sich diese« also: Zede« Daseyn hält und trägt sich selber; und im lebendigen Daseyn ist diese«

Sich-selbst-Erhalren, und da« Bewußtseyn davon, Liebe seiner selbst.

Die ewige ginliche Zdee

kommt hier in einzelnen menschlichen Zndivt, durn zum Daseyn: diese« Daseyn der ginliche» Zdee in ihnen umfaßt nun sich selber mit un-



rA



«ussprechlichur Liebe; und dann sagen wir, dem

Scheine uns bequemend, dieser Mensch liebt die

Zdee, und lebt in der Idee, da es doch, nach der Wahrheit, die Idee selbst ist, welche an

seiner Stelle, und in seiner Person lebt und sich liebt, und seine Person lediglich die sinnliche

Erscheinung dieses Daftyns der Zdee ist, welche Person keinesweges an und für sich selbst da

ist, oder lebt.

Diese strenger gefaßten Ane,

drücke und Formeln schließen das ganze Ver, htltniß auf, und wir können nun, wiederum dem Scheine uns bequemend, ohne Mßverstind-

niß zu befürchten, fortfahren.

Zn dem wahr«

haften Gelehrten hat die Zdee ein sinnliches Leben gewonnm, welcher sein persönliches Le, den völlig vernichtet, und in sich ausgenommen

hat.

Er liebt die Zdee, keinesweges über alles,

denn er liebt nichts neben ihr, er liebt sie" al«

lein.

Sie allein ist die Quelle aller feiner

Freuden, und seiner Genüsse, sie allein das trei-

brnde Princip aller seiner Gedanken, Bestre­

bungen und Handlungen; lediglich für sie mag

i6 et leben, und ohne sie würde das Leben ihm geschmacklos und verhaßt seyn.

vollendeten,

wie

Zn beiden, dem

dem angehenden Gelehrten,

lebt die Zdee; nur mit dem Unterschiede, daß

sie in dem erstem diejenige Klarheit, und dieje­ nige feste Consistenz gewonnen, die sie in die, fern Individuum unter den gegebenen Umstän­ den gewinnen konnte;

und nunmehr, in sich

selber zu einem geschloffenen Daseyn geworden, aus sich herausgreift,

und auszuströmen strebt

in lebendige Worte und in Thaten; daß sie hingegen in dem lehtern noch innerhalb ihrer

selber arbeitet, und nach der Entwickelung und

Befestigung desjenigen Daseyns ringt, das sie

unter den gegebenen Umständen gewinnen kann. Beiden wäre auf gleiche Weise ihr Daseyn ge, schmacklos, wenn sie nicht Anderes, oder Sich

selber, nach Zdeen bilden könnten.

Die« ist das einzige und unveränderliche Lebensprincip des Gelehrten; desjenigen, dem

wir diesen Namen zugestehen.

Aus diesem

Princip entwickelt sich mit absoluter Nothwen­

digkeit

digkeit das Thun und Treiben desselben unter allen möglichen Umständen, unter denen er ge,

dacht werden kann.

Wir dürfen ihn daher nur

in der für unfern Zweck erforderlichen Dezie,

hungm denken, in denen er gedacht werden kann, und wir werden sein satteres und äußeres Lebe» mit Sicherheit berechnen, und im Von

aus beschreiben können.

Und auf diese Weis«

ist e« möglich, aus dem in seiner Lebendigkeit aufgefaßktn Wesen des Gelehrten seine Erschei,

NtMgen in der Welt der Freiheit, oder der

scheinbaren

Zufälligkeit mit wissenschaftlicher

Strenge abjuleiten. Dieses nun ist Misere Auf,

gäbe; und das so. eben Gesagte die Regel ter

Lösung dieser Aufgabe. Wir wenden uns hier zunächst an Studi,

rende, d. h. an solche, die, der billigen Voraus, sehung nach, angehende Gelehrte find, in dem

von uns angegebenen Sinne des Wort«; und es ist zweckmäßig, die ausgestellten Grundsätze zuerst auf fie anzuwendeu.

Wären fie nicht,

was wir vvraussehen, so würden unsere Worte



i8



für sie bloß Worte seyn, ohne Sinn, Deden,

tung und Anwendung.

Sind sie, war wir

vvrau«sehen, so werden dieselben zu ihrer Zett

auch reife und vollendete Gelehrte werden; denn jene» Streben der Idee sich zu entwik, kein, da« da hiher ist, al« alle« Sinnliche, ist

auch unendlich mächtiger, und bricht mit stil, ler Gewalt sich Dahn durch alle Hindernisse. E« kann dem studirenden Zünglinge wohlthä­

tig werden, schon jetzt zu wissen, wa« er einst seyn wird, und schon in der Zagend sein rei­ fere« Alter im Bilde zu erblicken.

Zch werd«

darum Nach Vollendung de« nächsten Geschäft«

auch den fertigen Gelehrten au« den angegche« neu Principien construiren.

Die Klarheit gewinnt durch Gegensätze; ich werde darum allenthalben, wo ich zeige, wie der Gelehrte sich äußere, zugleich angeben, »k er eben darum, «eil er allein also sich äußert,

sich nicht äußere.

Jn'betden Haupttheilen, und ganz besm-

der« im zweiten, wo ich vom vollendeten Ee-

19 lehrte« rede, werde ich mich sorgfältig hüten,

satirische Ncbendlicke, Censur des gegenwärti­ gen litterarischen Zustandes, und überhaupt Am

Wendungen auf deMelben, zu veranlassen; und ich ersuche die Zuhörer einmal für immer, nicht

gegebene Veranlassungen

nicht

zu

nehmen.

Der Philosoph entwirft ruhig seine Eonstmk,

tion nach den aufgestellten Principien, ohne während dieses Geschäfts den wirklich vorham

denen Zustand der Dinge seiner Beachtung zu würdigen, oder des Andenkens desselben -zu be­ dürfen, um die Betrachtung fortsetzen zu kön­ nen; eben so wie der Geometer die seinige ent,

wirst, ohne sich zu bekümmern, ob seine Fig«, ren der reinen Anschauung mit unsem Werk,

zeugen nachgemachk werden können.

Und be,

sonders ist es dem unbefangenen studirenben

Jünglinge zu gönnen, daß er mit den Ausar, tungen und Verdorbenheiten des Standes, in den er einst treten soll, nicht eher genau b#,

tonnt werde, als bi« er Kraft gewonnen hat, dem

Strome des Benpirls sich entgegen zu stämmm.

20 Di»s M. H. ist der vallständige, mit sckttU

Gründen ausgestellte Plan

der

Borlesungen-

die ich in titfm Stunden vor Ihnen ju Hal«

ten gedenke. Ich füge für heute dem Gesagten nur noch einige Anmerkungen Veit An Betrachtungen der Art, wir dirft Heu, tige war, und wie W folgenden insgesamt aus,

fallen werden, pflegt man gewöhnlich zu ta, deln: zufkrderst die Strenge; sehr oft in der

gutmüthigen Voraussetzung, daß der Vortra­ gende es nur nicht gewußt habe, daß seine Be, stimmthen uns miesallen werde, daß wir dies

ihm nur freimüthig sagen müßdn, und er so, dann wohl in sich gehen, und seine Sttze mil, dem werde.

Sv haben wir gesagt: wer durch

die gelehrte Bildung nicht zur

Zdee gekommen sey,

Kenntniß

der

oder diese Kenntniß er,

strebe, sey eigentlich gar Nichts- und später ha«

ben wir gesagt: er sey ein Stümper.

Dies ist

in der Weise jener unbarmherzigen Aeußerungen, die man den Philoiophen so

übel nimmt. —

Um von dem vorliegenden Falle absehend, fw



»r



gleich der Maxime im Ganzen zu begegne»,

so erinnere ich, daß diese Denkart, ohne ent, fihiedene Kraft, der Wahrheit alle Achwng zu

versagen, von derselben nur etwas herunter zu

handeln und abzumarkren sucht, um wohlfeileren Kauft- zu einiger Achtung für sich selber zu

kommen.

Aber die Wahrheit, die nun einmal

ist, so wie sie ist, und nichts in ihrem Wesen

wgndeln kann, geht ihren Weg gerade fort; und ee bleibt ihr in Rüksicht derer, die fle

nicht rein darum, weil sie wahr ist, haben wol,

len, nicht« anderes übrig, als dieselben stehen zu

lassen, gerade also,

ete ob sie nie geredet

hätten. Sodann pstrgt man Vorträge dieser Art

zu tadeln, wegm ihrer vermeinten Unverstände lichkeit.

So denke ich mir, — keiueswege«

Sie, M. H , sondern irgend einen vollendeten

Gelehrten in der Bedeutung de« Scheine«, dem etwa die so eben angrstellte Betrachmng

unter die Augen käme, al« hinttetend, hin und

her zweifelnd, und endlich tiefstnnlg ausbre,

2L

chend: die Idee, die göttliche Zdee, dasjenige, w#e der Erscheinung zu Grunde liegt: rva< soll nun da« bedeuten? Zch würde einen sei,

chen Frager zurücksragen: was fall dmn diese Frage dedzuM? - Untersucht mau das letz, lere genau, so bedeutet sie in den meisten Fäl­ len nicht mehr, als folgendes: unter welchem andern Namen, und in welchen andern For­ meln kenne ich denn schon dieselbe Sache, die

Du mit einem so sonderbaren, und mir so un­ bekannten Zeichen «»«drückst: und darauf wäre

denn, abermals in den meisten Fällen, die ein­

zig paffende Antwort folgende: Du kennst diese Sache überhaupt nicht, und hast während Dei­

nes ganzen Lebens nie etwa« von ihr vernom­

men, weder unter diesem, noch unter einem

andern Namen, und falls Dn zur Kenntniß derselben kommen sollst, so mußt Du eben jetzt

von vorne anfangen, dieselbe kennen zu lernen;

— und dann qm schicklichsten unter derjenigm Benennung, unter der sie Dir zuerst angetra, gen wird. So wird das freute gebrauchte Wort



2Z —

Idee in bet» folgenden Vorlesungen allerdings weiter bestiistmt, und erklärt, und, wie ich

hoffe, »uv vollkommenen Klarheit herauf er, klärt werden; aber das ist keinesweges das Ge,

schäft einer einzigen Stunde. Mr behalten uns dieses, wie alles ander«,

was wir noch zu erinnerst hätten, bis auf die folgenden Vorlesungen vor.

34

Zweite Vorlesung. Nähere Bestimmung des Begriffs der gött­ lichen Idee.

folgende« waren die Hauptsätze, die wir in der letzter» Vorlesung unserer Erörterung des

Begriffe vom Gelehrten zu Grunde legten. Die gesammte Welt ist keinesweges in der That und Wahrheit dasjenige, als was sie dem ungebildeten und natürlichen Sinne des Men»

schen erscheint, sondern sie ist ein höheres, das der natürlichen Erscheinung bloß zu Grunde

liegt.

Zn der höchsten Allgemeinheit kann man

diesen Grund der Erscheinung sehr füglich nen­ nen die göttliche Zdee von der WH

Ein be­

stimmter Theil des Inhalts dieser göttlichen Zdee ist dem gebildeten Nachdenken zugänglich

und begreiflich.



rz



Wir faserten gegen den Schluß derselbe«

Vorlesung, daß dieser, hier freilich noch dunkle

Vegriff einer göttlichen Idee, alo der lehren und absoluten Grundlage aller Erscheinungen,

erst in der Zukunft, vermittelst seiner durchge­

führten Anwendung, ganz klar werben könne. Dennoch faden wir e* zweckmäßig, den­ selben vorläufig im Allgemeinen näher zu er«

klären, und wollen dieftm Geschäfte die heutige

Stunde widmen.

Dir stellen für diesen Zweck

folgende Sähe auf, welche für uns zwar die Resultate einer ««gestellten tiefern Untersu­ chung, urtb vollkommen erweislich find, die wir aber Zhnen hier nur historisch mitcheilen kön­

nen ; höchstens rechnend auf Zhr eignes Wahr, heitsgefühl, das uns auch ohne Einftcht in die Gründe beistimme; und etwa darauf, baß Sie

bemerken: es werden durch diese Boraussehun« gen die wichtigsten Fragen beantwortet, und

die tiefsten Zweifel gelöset. Wir stellen folgende Sähe auf;

i) Das Seyn, durchaus und schlechthin als



26

Seyn, ist lebendig und in sich thiitiz, und es

giebt kein anderes Seyn, als das Leben: fei#

nesweges aber ist es tob, stehend, und inner­

lich ruhend.

Was das denn doch in der Er#

scheinung vorkommende Todte sei, und wie es zum einzigen wahren Seyn, zum Leben, sich verhalt«, werden wir tiefer unten sehen. ») Das einzige Leben, durchaus von sich,

aus sich, durch sich, ist da« Leben Gotte«: »der de« Absoluten, welche beide Worte rin« und dasselbe bedeuten: und wenn wir sagen t

da« Leben des Absolutm, so, ist die« auch nur eine Weise zu reden; indem in der Wahrheit,

das Absolute da« Leben, und das Leben da«

Absolute ist. ;) Diese« gittliche Leben ist ay und für

sich rein in sich selber verborgen, e« hat seinen

Sitz in sich selber,

und bleibt in sich selbst,

reist ausgehend in sich selbst, zugänglich nur sich

selber.

Eö ist — alle« Seyn, und ausser ihm

ist fein Seyn.

Ee ist eben darum durchaus

ohne Veränderung oder Wandel.

-7 4) Nun äußert sich dieses göttliche Le,

ten, tritt heraus, erscheinet, und stellet sich dar, als solches, als göttliche« Leben: und diese seine

Darstellung, oder sein Daseyn und äußerliche

Existenj ist die Welt.

Nehmen Sie da« Gv

sagte strenge; e« stellt sich dar, sich selber, so

wie e« innerlich wirklich ist und leht, und kann sich nicht anders darstellen: es tritt daher zwi, schen sein wahres inneres Seyn, und seine

äußere Darstellung keinesweges etwa «ine gründ, lose Willkühr in die Mitte, zufolge welcher es sich nur theilweis« hergtbe, thetlweise aber ver,

berge; sondem seine Darstellung, d. h. die Welt ist lediglich durch die zwei Glieder, sein tigt;

nes innere« Wesen an sich, und die unverän, derlichen Gesetze einer Aeußerung und Dar­

stellung überhaupt, bedingt, und unveränderlich bestimmt.

Gott stellt sich dar, wie Gott sich

darstellen kann.

Sein ganze«, an sich unbe­

greifliche« Wesen, tritt heraus, ungetheilet, und ohne Rückhalt, so wie es in einer bloßen Dar­

stellung herau«treten kann.



58



f) Da« göttliche -eben an flch ist ein«,

durchaus in sich geschloffene Einheit, ohne alle Veränderlichkeit oder Wandel, sagten wir oben.

An der DarstelKmg wird dasselbe, au« einem

tzegreisttchea, nur hier nicht auseinander »n

sehenden Grunde, «in in« unendliche sich fort» entwickelndes, und immer höher steigendes Le, ten in einem Zeitflusse, der kein Ende hat. Aujörderst: es bleibt in der Darstellung Leben,

haben wir gesagt.

Das lebendige kann keine«,

weges dargestellt werden in dem Todten, denn

diese beiden sind durchaus entgegengesetzt, und dämm, so wie das Seyn nur Leben ist, eben

s» ist das wahre und eigentlich« Daseyn auch nur lebmdig, und da« Todte ist weder, noch ist e«, im höheren Sinne de« Worte«, da.

Diese« lebendige Daseyn in der Erscheinung

nun nennen wir da« menschliche Gesthlechf. Also allein da« menschliche Geschlecht ist da.

So wie da« Seyn aufgeht und erfihipft ist

in dem göttlichen Leben, so gehet das Daseyn, «der die Darstellung jene« göttlichen Leben« auf

29

in dttll gesammten menschlichen Leben, atib Ist bunt dasselbe rein und ganz erschöpft.

S»,

dann: das göttliche Leben wird in seiner Dar,

stellong zu einem ins unendliche sich forttnti wikeluden, und nach dem Grade der innern Lebendigkeit und Kraft immer höher steigenden Leben.

Daher, — welche Folgerung wich,

tig ist: daher ist das Leben in der Darstellung»

tn allen Zeitpunkten seines Daseyns, im Ge,

grnsahe mit dem gbttiichm Leben- beschränkt, d. h. zum Theile nicht sebendig, und noch nicht

»nm Leben hlndurchgedrnngcn, sondern insofern

todt.

Diese Schranken soll es nun immer

fort durch sein steigende» Leben durchbrechen, entfernen, und in Leben verwandeln.

Sie haben an dem so eben ausgestellten

Begriffe der Schranken,

wenn sie denfrlben

recht scharf in da« Auge fassen, und erwägen,

den Begriff der objektiven und materiellen Welt; oder der sogenannten Natur.

Diese ist nicht

lebendig, so wie die Vernunft, und einer nm

endlichen Fvrtentwikelung fähig, sondern todt,



30

«in starret und in sich

— beschlossenes Daseyn.

Sie ist das, — das Zeitleben anhaltende, und hemmende; und allein durch diese Hemmung

zu einer Zeit ausdehnende, was ausserdem mit Einem Schlage als ein ganzes und vollendetes

Leben hervorbrechen würbe.

Str soll ferner

durch da« vernünftige Leben in seiner Entwik,

kelung selber belebt werden; sie ist darum der Gegenstand und die Sphäre der Thätigkeit und

der Kraft/Aeußerung des ins unendliche sich fort entwikelnden menschlichen Lebens. —

Dies, m. H., und schlechthin nicht« wei­

ter ist die Natur in der ausgedehntesten Be­ deutung des Wort«, und selber der Mensch, in wiefern sein Leben im Vergleich mit dem ur­ sprünglichen und

göttlichen Leben beschränkt

ist, ist nichts weiter.

Da da« unendliche Fort,

schreiten de« zweiten nicht ursprünglichen, sow dern abgeleiteten, menschlichen, Lebens, — und

eben darum, damit ein Fortschreiten möglich sey,

zugleich die Endlichkeit, und die Beschränktheit des menschlichen Leben« aus jener Sich-Darstel,

3i lung des Absoluten hcrvvrgchen;

so hat die

Natur ihren Grund freilich auch in Gott,

aber keinesweges als etwas, das da absolute da ist und da seyn soll, sondern nur al» Mit»

rel und Bedingung eine« andern Daseyns, des Lebendigen im Menschen, und als etwas, das durch den steten Fortschritt dieses lebendigen

immer mehr ausgehoben werden soll.

Lassen

Sie sich darum ja nicht blenden oder irre ma,

chen durch eine Philosophie, die sich selbst den Namen der Natur, Philosophie beilegt, und

welche alle bisherige Philosophie dadurch zu

Übertreffen glanbt, daß sie die Natur zum Ab, feinten zu machen, und sie zu vergittern strebt.

Don aller Zeit her haben sowohl alle theore, tischen Irrthümer, als alle sittlichen Verderb,

nisse der Menschheit darauf sich gegründet, daß

sie den Namen des Seyns, und Daseyns weg, warfen an dasjenige, was an sich weder ist, noch da ist, unid das Leben und den Genuß

des Lebens bei demjenigen suchten, was in sich selber den Tod hat.

Jene Philosophie ist da,

3r her —wett entfernt, einBorschrttt »urDahchekt

ju seyn, lediglich ein Rükschritt zu dem allen

und verbreitetste» Irrthum. 6) Alle» so eben in den bisherigen Sätzen

Ausgestellte kann nun der Mensch, der ja selbst die Darstellung der ursprünglichen und -tttli,

chen Lebens ist, im Allgemeinen einsehen, wie wir z. D. es eingesehen haben- es sei nun aus

Gründen, oder lediglich von dunklem Wahr­ heilssinne geleitet, oder auch nur es wahrschein«

iich findend, weil es einen vollständigen Auf, schluß giebt über die wichtigsten Probleme. Der Mensch kann « einsehen, d. h die Dar,

stellung kann jurükgehen in ihren Ursprung,

denselben nachbildend, mir absokurer Gewißheit in Rükficht des daß: keineswege« aber ihn wiederholend und noch einmal machend in der

That, und Wahrheit; denn die Darstellung bleibt ewig nur Darstellung, und kann nie herauSger,

hen aus ihr selber, und sich verwandeln in da»

Wesen. 7) Der Mensch kann «6 einsehm in Rük, sicht

33 sicht des Daß, haben wir gesagt, keineswegrs aber in Rücksicht des Wie. — Wie und warum

au« dem Einen göttlichen Leben gerade ein foü ches also bestimmte« fortfließende« Zeitleben her­

vorgehe, könnte man nur dadurch begreifen, baß man alle Theile de« letzter» in vollendeter Auf­

fassung begriffe, sie gegenseitig und allseitig durch,

einander deutete, so sie auf den Einheitsbegriff zurückbrächte, und diesen dem Einen göttlichen

Leben gleich fände.

Aber diese« fortfließende

Zeikleben ist unendlich, die Auffassung seiner

Theile kann daher nie vollendet werden: da« Begreifende aber ist selber da« Zeitleben, und

steht in jedem Punkte, in dem man ee denken

möchte, selber in der Endlichkeit und in Schram

ken gefesselt da, welche e« ganz nie abstrrifen kann, ohne yufzuhören, die Darstellung zu seyn, und ohne in da« göttliche Wesen selbst sich zu

verwandeln.

8) Au« dem lehtetn scheint zu folgen, daß

da« Zeitleben bloß im Allgemeinen nach seinem Wesen begriffen werden könne,

so wie e« im



34 —

obigen von UN« begriffen ist, überhaupt al« Darstellung M Einen ursprünglichen, und gilt, lichen Leben«; daß e« aber im Besondern, sei,

nem eigentlichen Inhalte nach unmittelbar ge,

lebt und erlebt werden müsse, und nur in und

zufolge diese« Erleben« in der Vorstellung und dem Bewußtseyn nachgebildet werden sinne. — Und so verhält e« sich denn in einer gewis,

sen Rücksicht, und mit einem bestimmten Theile de« menschlichen Leben« wirklich.

Er bleibt

durch den ganzen unendlichen Zeirfluß hindurch

in jedem einzelnen Theile desselben am menfch, lichen Leben etwa« übrig, das im Begriffe nicht

vollkommen ausgeht, und eben darum auch

durch keine Begriffe verfrühet oder erseht wer, den kann, sondern da« da unmittelbar gelebt

werden muß, wenn eü je in da« Bewußtseyn kommen soll; die« nennt man da« Gebiet der

bloßen und reinen Empirie oder Erfahrung. Die oben erwähnte Philosophie benimmt auch darin, daß sie den Schein sich giebt, al« ob

sie da« ganze menschliche Leben im Begriffe

35 ouftufftfen, und bk Erfahrung zu ersetzen ver»

möge, sich verkehrt, und verliert, über dem Be­ streben da« Leben durchaus zu erklären, das Le, ben selber.

9) So verhält e< sich mit dem Zeitleben

in einer gewissen Rücksicht und nach einem be­ stimmten Theile desselben, sagte ich.

Denn in

einer andern Rücksicht und nach einem andern

Theile desselben verhält es sich anders, aus fol,

gendem Grunde, ben ich bildlich auedrucken werde, der aber einer genauern Aufmerksamkeit wohl werth ist.

Das Zeitleben tritt nicht bloß in einzelnen Momenten, sondern es tritt auch in ganzen

gleichartigen Massen ein in die Zeit, welche gleichartigen Massen nun eben es sind, die wie, herum in einzelne Momente des wirklichen Le­

ben« sich spalten.

Es giebt nicht eine einzige

Zeit, sondern es giebt Zeiten, und Zeitordnun,

gen über Zeitordnungen und in Zeitordnungen. So ist z. D. das gesammte gegenwärtige irrdi,

sche Leben der menschlichen Gattung eine solche



36



gleichartige Masse, welche mit Einem male ganz «ingetreten ist in die Zeit, und allgegenwärtig ganz und ungetheilt da ist—für bei, tiefern Sinn,

lediglich für die sinnliche Erscheinung noch ab, laufend in der Weltgeschichte.

Die allgemein

nen Gesetze und Regeln dieser gleichartigen Massen des Leben«, lassen sich, nachdem die,

selben Masten nur eingetreten sind in die Zeit,

wohl begreifen, und, für den ganzen Ablauf dieser Massen im Vorau« einsehen, und ver­

frühen, indeß die Objekte, d. h. die Hemmun, gen und Sttrungen de« Leben« , über welche hinweg diese Massen ablaufen, lediglich der un­

mittelbaren Erfahrung zugänglich sind. io) Diese erkennbaren Gesetze der gleich,

artigen Massen de« Leben«, die vor dem wirk» lichen Erfolge voraus erkannt werden, müssen nothwendig erscheinen, al« Gesetze de« Leben­

seiber, wie eö seyn und werden soll, gerichtet

an da« auf sich selber ruhende und selbststän, dige Prinzip diese« Zeitleben«, da« da al« Frei,

heit erscheinen muß; demnach al« Gesetze

37 fflr ein freies Thun und Handel» der Lebendigen.

Gehen wir zurück auf den

Grund dieser Gesetzgebung, so liegt dieser im

göttlichen Leben selber, welches in der Zeit sich

njcht anders äußern und darstellen

konnte,

denn auf diejenige Weise, die uns hier als eine

Gesehgebung erscheint; und zwar, wie in dem aufgestellten Begriffe lag, seinetwegen als eine mit blinder Gewalt gebietende, und sich Ge-

horsam erzwingende Gesehgebung, wie wir in der willenlosen Natur eine solche annehmen,

sondern als Gesehgebung an das von ihr selbst als Lebe« hingestellte Leben, dem die Selbst­

ständigkeit nicht entrissen werden kann, ohne daß ihm dadurch zugleich die Wurzel des Le­

bens ausgerissen werde; mithin, wie wir oben sagten, als göttliches Gesetz an die Freiheit, oder als Sittengefeh. Nun ist ferner, wie wir schon oben einge,

sehen, dieses Leben nach dem Gesetze des ur­ sprünglichen göttlichen Seyns, das einige wahre

Leben, und seine Ursprünglichkeit; alles andere

38 •6er außer diesem Leben ist nur Hemmung und

Störung desselben, lediglich darum daseyend, damit an ihm da« wahre Leden sich entwickle,

und in seiner Kraft sich darstelle; deswegen ist alles andere gar nicht um sin selbst willen da, sondern lediglich als Mittel für den Zweck de«

wahrhaften Leben«. — Die Verbindung zwt, schen Mittel und Zweck vermag die Vernunft nur also r« fassen, daß sie einen Verstand sich

denke, der den Zweck gedacht habe.

Da« ge,

sehmäßige menschliche Leben ist in Gott begrün,

bet: man denkt sich daher, nach der Analogie

mit unserm Verstände, Gott, al« denkend da« sittliche Leben de« Menschen al« einzigen Zweck, um dessenwillen er sich dargestellt, und alle« übrige ausser diesem Leben in« Daseyn gerufen

habe; keineswege«, al« ob e« an sich also sey,

und Gott so, wie der Endliche, denke, und das Daseyn vom Bilde de« Daseyn« in ihm unterschieden werde, sondern lediglich, weil wir

da« Verhältniß auf keine andere Weise fassen sinnen.

Und in dieser absolut nothwendigen

—-

39



Vorstellungsweise wird denn bat menschliche Le, den, wie e« seyn soll, die Zdee und der Grund,

gedanke Gottes bei Hervorbringung einer Weit,

die Absicht und der Plan, dessen Ausführung Gott mit der Welt sich vorsehte.

Und so ist denn, m. H-, für unsern Zweek

hinreichend erklärt, wie der &t(t die göttliche

Idee zu Grund« liege, und in wiefern und wie diese dem gemeinen Aug? verborgene Zdee

dem gebildeten Nachdenken begreiflich und zu,

gänzlich werde, und ihm nvchwendig erscheinen müsse, al« dasjenige, was der Mensch durch freie That in der Welt hervorbringen solle.

Beschränken Sie bei diesem Sollen, und tei dieser freien That Zhr Denken nicht etwa

sogleich auf den bekannten kategorischen Impe,

rativ, und auf die beengte und dürftige Anwen, düng, die demselben in den gewöhnlichen allge­

meinen Sittenlehren und Moralsystemen gege, ben wird, und zufolge einer solchen Wissenschaft gegeben werden muß.

Fast immer, und au«

guten in den Gesetzen der philosophischen Ab,

—-

4 daß er verfehlt würde, und

beide müssen sich im Borans auf diese Mög­ lichkeit bescheiden.

Wird auch dieser Zweck ver­

fehlt, fo kann der studirte, noch immer ein brauch­ barer, würdiger, und rechtschaffner Mann blei,

ben.

Der lehre Zweck aber, daß er wenigsten«

Achtung sür die Zdee aus seinen Bestrebun,

gen nach derselben mit davon bringe, um dieser Achtung willen vermeide etwa« zu übernehmen, dem er sich nicht gewachsen fühlt, wenigsten«

durch die Fortdauer dieser Achtung für da« ihm

unerreichbare, fortdauernd sich heilige, und at