Transparenz durch Ausschüsse?: Parlamentarische Untersuchungsausschüsse als Reaktion auf Korruptionsskandale in Deutschland (1873–1973/74) [1 ed.] 9783737015486, 9783847115489

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Transparenz durch Ausschüsse?: Parlamentarische Untersuchungsausschüsse als Reaktion auf Korruptionsskandale in Deutschland (1873–1973/74) [1 ed.]
 9783737015486, 9783847115489

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Sandra Zimmermann

Transparenz durch Ausschüsse? Parlamentarische Untersuchungsausschüsse als Reaktion auf Korruptionsskandale in Deutschland (1873–1973/74)

V&R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. Zugl.: Darmstadt, Technische Universität Darmstadt, Dissertation. © 2023 Brill | V&R unipress, Robert-Bosch-Breite 10, D-37079 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, V&R unipress und Wageningen Academic. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: © Adobe Stock (Datei Nr.: 43175393): Untersuchungsausschuss von PixelPower. Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-7370-1548-6

Inhalt

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Das Kaiserreich – zaghafte Versuche für mehr Transparenz? . . . . . 2.1 Die Untersuchungskommissionen des Kaiserreichs . . . . . . . . 2.2 Korruptionsskandale im Kaiserreich . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Der Skandal um das Eisenbahnkonzessionswesen . . . . . . . . . 2.3.1 Die Untersuchungskommission als ein stärkendes Element 2.3.2 Die Kritik an der Untersuchungskommission . . . . . . . . 2.4 Die Kornwalzer-Affäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Aufklärung durch die Kommissionsarbeit . . . . . . . . . . 2.4.2 Schwächung des Kaiserreichs durch die Ermittlungen der Untersuchungskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Die Mittel zur Herstellung von Transparenz im Kaiserreich . . . 2.6 Untersuchungskommissionen und Transparenzforderungen im Kaiserreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Historiografische Einordnung: Forschungsansätze und -felder 1.1.1 Politische Kulturgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2 Korruption – heimliche Geschäfte . . . . . . . . . . . . 1.1.3 Skandale als Bruch mit der Heimlichkeit . . . . . . . . . 1.1.4 Transparenz und Transparenzforderungen – Ende der Heimlichkeiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.5 Parlamentarische Untersuchungsausschüsse . . . . . . . 1.1.6 Andere Forschungsfelder und Begriffe . . . . . . . . . . 1.2 Fallauswahl, Quellen und Gliederung . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Fallauswahl und -vorstellung . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Quellen und Quellenproblematik . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6 3. Die Weimarer Republik – Aufklärung oder parteipolitischer Kampf ? . 3.1 Verfassungsrechtliche Grundlagen der Untersuchungsausschüsse . 3.1.1 Untersuchungsausschüsse bei Max Weber . . . . . . . . . . . 3.1.2 Die Verfassungsgebende Versammlung . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Die Weimarer Reichsverfassung und die Verfassung Preußens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Die Barmat-Affäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Kontext und Vorstellung des Falles . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Der Untersuchungsausschuss als demokratisches Instrument und Aufklärer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Vertuschung durch Untersuchungsausschüsse und die Kritik am Parlamentarismus – Die Kritik durch die KPD . . . . . . 3.2.4 Vertuschung durch Untersuchungsausschüsse und die Kritik am Parlamentarismus – Die Kritik durch die Rechten und andere Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5 Vertuschung bei der Vernehmung Barmats? . . . . . . . . . . 3.2.6 Die Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse als Gefahr – Die Gleichzeitigkeit der Untersuchungsausschüsse und der strafrechtlichen Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.7 Verleumdungen durch die Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.8 Der Untersuchungsausschuss als Kampfmittel der Parteien . 3.2.9 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die Sklarek-Affäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Kontext und Vorstellung des Falles . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Der Untersuchungsausschuss als Bekämpfer von Korruption . 3.3.3 Vertuschung durch Untersuchungsausschüsse . . . . . . . . . 3.3.4 Der Untersuchungsausschuss als ein parteipolitisches Kampfmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5 Die Ausnutzung der Radioübertragung zum Austragen parteipolitischer Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.6 Verleumdung durch die Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.7 Gefährdung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen durch die Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse . . . . . . . 3.3.8 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Transparenz durch Untersuchungsausschüsse in der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Inhalt

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Inhalt

4. Die Selbstreinigung des politischen Systems – Untersuchungsausschüsse in der Bonner Republik . . . . . . . . . . . 4.1 Der Verfassungskonvent des Parlamentarischen Rates . . . . . . . 4.2 Die Hauptstadtaffäre 1950/51 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Kontext und Fallbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Aufklärung und Korruptionsbekämpfung durch Untersuchungsausschüsse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Untersuchungsausschüsse und ihre Transparenz als stärkendes Element der jungen Demokratie . . . . . . . . . . 4.2.4 Verschleierung durch Untersuchungsausschüsse . . . . . . . 4.2.5 Untersuchungsausschüsse als parteipolitisches Kampfinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.6 Der Untersuchungsausschuss als Plattform für Gerüchte und Verleumdungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.7 Untersuchungsausschüsse als Gefahr für die Strafverfolgung? 4.2.8 Allgemeine Kritik und Reformvorschläge . . . . . . . . . . . 4.2.9 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Die Erarbeitung neuer Richtlinien für Untersuchungsausschüsse . 4.3.1 Die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft (IPA) . . . . 4.3.2 Der Deutsche Juristentag 1964 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Die Steiner-Wienand-Affäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Politischer Kontext und der Skandal . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Der Untersuchungsausschuss als Stütze des Parlaments und der Demokratie: Aufklärung und Transparenz durch den Ausschuss? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Der Untersuchungsausschuss als Vertuscher oder Aufklärer? . 4.4.4 Verhinderung von Verleumdungen und Gerüchten durch den Untersuchungsausschuss oder Förderung dieser? . . . . 4.4.5 Die Öffentlichkeit des Ausschusses als parteipolitisches Instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.6 Weitere Kritik und die Enttäuschung über die Arbeit des Ausschusses – Der Bedarf einer Reform . . . . . . . . . . . . 4.4.7 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Eine Reform der Untersuchungsausschüsse? . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Die Verfassungsreform von 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Untersuchungsausschüsse in der Bonner Republik . . . . . . . . .

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Inhalt

5. Transparenz ohne »Transparenz«? Verwendete Begriffe und ihre Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Begriffe rund um »Öffentlichkeit« und »öffentlich« . . . . . . 5.2 Begriffe rund um »Aufklärung«, Licht und Sauberkeit . . . . 5.3 Gegenteilige Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Kurzes Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6. Ein Transparenzinstrument? Die Mittel zur Herstellung von Transparenz in den Ausschüssen der Weimarer und Bonner Republik. 6.1 Die öffentlichen Verhandlungen und der Ausschluss der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Grade von Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Die Rundfunkübertragung der Vernehmung Steiners . . . . . 6.1.3 Die Ortsbesichtigung im Fall Steiner-Wienand unter Aufrechterhaltung der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Die Protokolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Die Medien als Vermittler zwischen Ausschuss und Öffentlichkeit . 6.4 Kurzes Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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7. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Transparenz als Forderung und Argument: Vom Kaiserreich (1873) bis zur Bonner Republik (1974) . . . . . . . . . . . . . 7.2 Transparenzbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Die Mittel zur Herstellung von Transparenz . . . . . . . . . . 7.4 Erkenntnisse der Arbeit für die historische Forschung . . . . 7.5 Ausblick und Desiderate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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8. Quellen-und Literaturverzeichnis . . . . 8.1 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . 8.1.1 Zeitungen . . . . . . . . . . . . 8.1.2 Ungedruckte Quellen . . . . . . 8.1.3 Gedruckte Quellen . . . . . . . 8.1.4 Online-Quellen . . . . . . . . . 8.2 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.1 Forschungsliteratur (gedruckt) 8.2.2 Online-Literatur . . . . . . . .

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Danksagung

Dieses Buch entspricht der geringfügig überarbeiteten und aktualisierten Abgabeversion meiner Dissertation vom November 2021, die ich im März 2022 verteidigt habe. Die Dissertation entstand im Rahmen des deutsch-französischen Kooperationsprojektes zwischen der DFG und der ANR »HISTRANS. Historie der Transparenz. Sichtbarmachung von Politik in Deutschland und Frankreich 1890–1990« an der Technischen Universität Darmstadt. Daher möchte ich der DFG und der ANR herzlich für ihre Förderung danken, ohne die diese Arbeit nicht entstanden wäre. Ich möchte mich bei allen Personen bedanken, die in irgendeiner Art und Weise an dieser Arbeit mitgewirkt haben und mich während meiner Dissertation begleitet haben. Da es so viele sind, kann ich allerdings nur einige wenige hier hervorheben. Besonderen Dank möchte ich meinem Betreuer Prof. Dr. Jens Ivo Engels für seine tolle Betreuung aussprechen und dafür, dass er sich immer Zeit für Austausche genommen hat und immer gute Ratschläge gegeben hat. In diesem Rahmen möchte ich auch Prof. Dr. Frédéric Monier danken, der sich dazu bereit erklärt hat, das Zweitgutachten zu übernehmen und der mich ebenfalls immer gut beraten hat. Weiterhin danken möchte ich vor allem meinen Kolleg*innen, die mich auf dem Weg begleitet und beraten haben und teilweise sogar aufwändige Korrekturarbeiten übernommen haben. Ohne den gemeinsamen Austausch wäre diese Arbeit so nicht möglich gewesen. Einige möchte ich dabei besonders hervorheben: Zum einen meinen »Projekt-Kollegen« Dr. Martin Mainka, der den gesamten Weg mit mir gemeinsam gegangen ist. Zum anderen möchte ich mich bei Dr. Nadja Thiessen bedanken, die nicht nur nahezu meine gesamte Arbeit korrekturgelesen hat, sondern mir bei inhaltlichen aber auch verwaltungstechnischen Fragen immer zur Seite stand. In diesem Rahmen möchte ich mich auch bei meinen Freunden bedanken, die mich während der Entstehung der Arbeit unterstützt haben. Besonderer Dank gilt Maja Veyrat für ihre konstante Unterstützung.

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Danksagung

Zudem möchte ich mich bei allen Archiven bedanken, die mir den Zugang zu den Quellen gewährt haben. Zu nennen sind hier das Bundesarchiv, das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, das Parlamentsarchiv des Deutschen Bundestages sowie das Archiv Stiftung Naturschutzgeschichte. Des Weiteren möchte ich mich beim Verlag V&R unipress bedanken, die diese Arbeit veröffentlichen und bei meinem Lektoren Dr. Moritz Bensch. Ferner gilt der Dank meiner Familie, insbesondere meinen Eltern und meiner Schwester Sonja Zimmermann, die mich bei der Veröffentlichung der Dissertation unterstützt haben. Schließlich möchte ich mich noch herzlich bei meinem Partner Markus Zimmermann bedanken, der mich in der ganzen Zeit emotional tatkräftig unterstützt und mich auch in schwierigen Phasen ertragen hat.

1.

Einleitung

Erst vor einiger Zeit, in den Jahren 2020 und 2021, erschütterte ein Korruptionsskandal die Bundesrepublik Deutschland. In der sogenannten Maskenaffäre wurde verschiedenen Unionspolitikern Bestechung im Zusammenhang mit der Beschaffung von Atemschutzmasken im Rahmen der Coronapandemie vorgeworfen. Insbesondere die Ausnutzung dieser Notlage habe »das Vertrauen der Menschen in die Politik schwer beschädigt«.1 Dieser durch den Spiegel2 veröffentlichte Fall wurde zu einem Skandal, der schnell zur Forderung nach parlamentarischen Untersuchungen führte. Nachdem die Untersuchung durch Sonderermittlerinnen und -ermittler3 abgelehnt wurde, betonten die bayerischen Oppositionsparteien Die Grünen, SPD und FDP im August 2021 schließlich den Wunsch nach Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Bayerischen Landtag. Im Zuge der Vorstellung des Fragenkatalogs wurden die Ziele dieses Ausschusses dabei sehr deutlich gemacht: Es gehe »nicht um eine parteipolitische Auseinandersetzung, sondern um Aufklärung«, wie der SPDAbgeordnete Markus Rinderspacher betonte.4 Die anderen beiden Parlamentsmitglieder unterstrichen ebenfalls ihren Wunsch nach »lückenlose[r] Aufklärung«5 und »vollständige[r] Offenlegung«6. Allein durch dieses »schärfste 1 Redebeitrag Florian Siekmann [1:40–1:50], in: Untersuchungsausschuss zur Maskenaffäre Grüne, SPD und FDP stellen Fragenkatalog vor. URL: https://www.youtube.com/watch?v=P M8PbtQf4SY [28. 02. 2023]. 2 Die Zeitschrift heißt eigentlich Der Spiegel. Um den Namen an den jeweiligen grammatikalischen Fall anpassen zu können, wird der Artikel in dieser Studie dementsprechend angepasst oder weggelassen. 3 In dieser Studie wird eine möglichst geschlechtsneutrale Sprache genutzt. Ist dies nicht möglich, werden die männliche und weibliche Form angeführt, wobei andere Geschlechter dadurch nicht ausgeschlossen werden sollen. Lediglich bei festen Begrifflichkeiten (z. B. Zeugenbefragung), in der Quellensprache und bei offiziell ausschließlich männlichen oder weiblichen Personen wird nur eine Form angeführt. 4 Redebeitrag Markus Rinderspacher [14:00–14:05], in: Untersuchungsausschuss zur Maskenaffäre. 5 Redebeitrag Florian Siekmann [2:05–2:16], in: Ibid. 6 Redebeitrag Helmut Kaltenhauser, [16:11–16:31], in: Ibid.

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Einleitung

Schwert der Opposition«7 könne »das Vertrauen der Menschen in die politischen und demokratischen Institutionen erneuer[t]«8 werden.9 Rinderspacher sagte dazu: Der notwendige Untersuchungsausschuss dient dem wichtigen Anliegen, durch die Herstellung vollständiger Transparenz Vertrauen in die Politik zurückzugewinnen und Verantwortlichkeiten im Regierungshandeln klar zu benennen und aufzuzeigen.10

Anhand dieses aktuellen Beispiels wird die Bedeutung parlamentarischer Untersuchungsausschüsse deutlich. Durch ihre Ermittlungen soll Aufklärung geschaffen werden. Die Ausschüsse werden dabei in unmittelbare Verbindung mit Transparenz gebracht, die schließlich das Vertrauen der Bevölkerung in das politische System stärken soll. Gleichzeitig besteht die Sorge, dieses Instrument könne nicht nur zur Aufklärung dienen, sondern auch für parteipolitische Konflikte ausgenutzt werden, wie zum Beispiel der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, Tobias Reiß, anführte.11 Dieses Vorgehen und solche Forderungen und Anschuldigungen sind aber alles andere als neu. Bereits zur Zeit des Kaiserreichs wurde versucht, politische Korruption mittels parlamentarischer Untersuchungen zu bekämpfen. Verstärkt tauchte dieses Verfahren in der Weimarer und Bonner Republik auf. Die Idee war – damals wie heute –, durch transparente Ermittlungen Korruption entgegenzuwirken und die Bevölkerung nach einem Skandal zu beruhigen. Dabei wurden die Untersuchungsausschüsse als wichtiges Mittel zur Erreichung dieser Ziele begriffen. Gleichzeitig wurde bereits damals der mögliche parteipolitische Missbrauch dieses Instruments – insbesondere aufgrund seiner Transparenz – heftig kritisiert. Die folgende Studie setzt an diesem Punkt an und untersucht den Zusammenhang von Transparenz(-forderungen) und parlamentarischen Untersuchungsausschüssen vom Kaiserreich (1873) bis zur Bonner Republik (1973) anhand von sechs Fallbeispielen. Dabei analysiert sie, inwiefern parlamentarische Untersuchungsausschüsse zu den verschiedenen Zeitpunkten als Transparenzinstrument dienten oder wahrgenommen wurden. In diesem Kontext wird zudem betrachtet, welche Rolle Transparenz als Argument in den jeweiligen Fällen spielte. Diese Untersuchung wird zunächst fallbeispielhaft durchgeführt. Anschließend werden die verschiedenen Fallbeispiele (sowohl im gleichen poli7 8 9 10

Ibid.; siehe auch: Redebeitrag Markus Rinderspacher, [14:23–14:31], in: Ibid. Redebeitrag Florian Siekmann [2:05–2:16], in: Ibid. Der Aspekt des Vertrauens findet sich in den Beiträgen aller Redner wieder. Redebeitrag Markus Rinderspacher [12:54–13:07], in: Untersuchungsausschuss zur Maskenaffäre. 11 Untersuchungsausschuss Maskenaffäre. CSU-Fraktion steht für umfassende und zügige Aufklärung. URL: https://www.presseportal.de/pm/53955/5003790 [28. 02. 2023].

Einleitung

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tischen System als auch darüber hinaus) miteinander verglichen, um mögliche Gemeinsamkeiten, Unterschiede oder Tendenzen festzustellen. Dabei verfolgt die Arbeit zwei kapitelübergreifende Thesen: Es wird erstens davon ausgegangen, dass Untersuchungsausschüsse nicht nur als Arenen der politischen Auseinandersetzungen, sondern auch als Arenen zur Forderung nach und zur Herstellung von Transparenz fungierten. Es ging also nicht allein um den politischen Kampf, sondern auch um die Herstellung von Transparenz. Die Untersuchungsausschüsse besaßen hierbei eine wichtige Symbolkraft, um die Stärke des Parlaments bzw. des politischen Systems zu demonstrieren. Zweitens wird angenommen, dass Transparenz als Argument eine wichtige Rolle in den Debatten innerhalb der Ausschüsse sowie in den Debatten um und über die Untersuchungsausschüsse spielte und die Ansichten und Interessen der verschiedenen politischen Akteure widerspiegelte. Wenngleich der Begriff »Transparenz« nicht fiel, wurde also – so die These – schon über Transparenz diskutiert und sie wurde bereits vor den 1970er Jahren als ein wichtiges politisches Argument angeführt. Zur Überprüfung dieser Thesen werden im größten Teil der Arbeit (Kapitel 2 bis 4) zunächst die Debatten um die Untersuchungsausschüsse anhand der Fallbeispiele näher betrachtet. Dabei wird sowohl die Metaebene (wie wurde allgemein über Untersuchungsausschüsse gesprochen) als auch die Arbeitsebene (wie wurde über die konkreten Ausschüsse auch in den Ausschüssen diskutiert) analysiert. Hierfür werden folgende Fragen herangezogen: Wurde überhaupt über Transparenz gesprochen oder diese gefordert? Welche Rolle spielte Transparenz als Argument? Wann, von wem und mit welchen Intentionen wurde das Argument vorgebracht oder Transparenz gefordert? An wen bzw. gegen wen richtete sich das Argument bzw. die Forderungen? Wie wurde all das – unter anderem von der Presse – wahrgenommen und genutzt? Zudem wird betrachtet, welche Begriffe anstelle von »Transparenz« in den jeweiligen Fallbeispielen genutzt wurden. Welche Bedeutung hatten die jeweiligen Begriffe? Wann, wie und von wem wurden sie angeführt? Lassen sich auch hier die jeweiligen Intentionen herausarbeiten? Abschließend wird näher untersucht, über welche Mittel zur Herstellung von Transparenz die Untersuchungsausschüsse letztlich verfügten. Nutzten die Ausschussmitglieder diese Mittel und wenn ja, wie? Inwiefern nutzten sie auch andere Mittel oder außenstehende Akteure (wie die Presse), um Transparenz herzustellen? Im Folgenden werden zunächst die verschiedenen Forschungsbereiche vorgestellt, in welche sich diese Arbeit einordnet. Dazu gehören vor allem die Korruption-, Skandal- und Transparenzforschung.

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1.1

Einleitung

Historiografische Einordnung: Forschungsansätze und -felder

1.1.1 Politische Kulturgeschichte Diese Untersuchung trägt die »spezifische Brille« der politischen Kulturgeschichte.12 Es wird davon ausgegangen, »dass Bedeutungen nicht schon ›vorher da‹ sind, sondern im kommunikativen Prozess« erzeugt werden.13 So wird sowohl die Bedeutung von Transparenz beziehungsweise ihr ähnlichen Begriffen als auch die Stellung der Untersuchungsausschüsse nicht allein durch vorgegebene Rahmen bestimmt, sondern insbesondere durch »Kommunikationserwartungen und -routinen« konstruiert.14 »Historische Phänomene«, so die Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger, sollen »als Ergebnis von (impliziten oder expliziten) Sinnzuschreibungen, Geltungsbehauptungen und Deutungskonflikten der Akteure« beschrieben werden.15 Es gehe um die »Dekonstruktion jedes überhistorisch-universalisierenden und essentialistischen Verständnisses politischer Handlungsformen und Institutionen, Wertvorstellungen und Motive«.16 Dies ist auch das Ziel dieser Arbeit: Es werden verschiedene Fallbeispiele betrachtet. Diese werden zwar in Vergleich gesetzt, dabei wird aber nicht das Ziel verfolgt, ein »überhistorisch-universalisierende[s] und essentialistische[s] Verständnis[…]« zu erlangen, sondern die Fälle sollen weiterhin in ihrem Kontext verstanden werden. Politische Kommunikation existiert in allen politischen Systemen, nicht nur in Demokratien. Daher lässt sie sich sowohl in der Zeit des Kaiserreichs als auch in den beiden demokratischen Systemen vergleichend untersuchen. Die Historikerin Ute Frevert stellt in diesem Zusammenhang fest, dass »[n]icht die Kommunikation als solche, sondern lediglich der Grad ihrer Offenheit und Vieldeutigkeit […] demokratische von nicht-demokratisch verfasster Politik [unterscheidet]«.17 Von dieser Erkenntnis ausgehend lässt sich sehr gut untersuchen, inwiefern sich die Bedeutung von Transparenz, aber auch die der Un12 Rohe, Karl: Politische Kultur und ihre Analyse. Probleme und Perspektiven der Politischen Kulturforschung. In: Historische Zeitschrift 1990 (250), S. 321–346, S. 332. Mehr zum Thema politische Kulturgeschichte: Mergel, Thomas: Überlegungen zu einer Kulturgeschichte der Politik. In: Geschichte und Gesellschaft 2002 (28/4), S. 574–606. 13 Mergel, Thomas: Kulturgeschichte der Politik, Version: 2.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 22. 10. 2012. URL: https://docupedia.de/zg/Kulturgeschichte_der_Politik_Version_2.0_Thomas _Mergel [28. 02. 2023]. 14 Ibid. 15 Stollberg-Rilinger, Barbara: Was heißt Kulturgeschichte des Politischen? Einleitung. In: Barbara Stollberg-Rilinger (Hg.): Was heißt Kulturgeschichte des Politischen? Berlin, 2005, S. 9–24, S. 21. 16 Ibid., S. 13. 17 Frevert, Ute: Neue Politikgeschichte. Konzepte und Herausforderungen. In: Ute Frevert und Heinz-Gerhard Haupt (Hg.): Neue Politikgeschichte. Perspektiven einer historischen Politikforschung. Frankfurt, 2005, S. 7–26, S. 16.

Historiografische Einordnung: Forschungsansätze und -felder

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tersuchungsausschüsse kontextuell verändert haben. Die »Dimension der Kommunikation«,18 die für die politische Kulturgeschichte besonders wichtig ist, wird anhand der Analyse der Debatten in den und um die Untersuchungsausschüsse beleuchtet. Dabei spielt die politische Sprache eine besondere Rolle, da durch sie ein Zugang »zu politischen Konflikten und Parteinahmen, zu vorgängigen Annahmen über die Bedingungen von Politik ebenso wie über politische Ziele und Utopien« ermöglicht wird.19 Die Historikerin Andrea Perthen konstatiert zudem, dass »[i]nsbesondere parlamentarische Untersuchungsausschüsse« für die politische Kulturgeschichte »ein fruchtbares Untersuchungsfeld« seien.20 In dieser Studie werden außerdem verschiedene weitere Forschungsfelder genutzt, die im Folgenden skizziert werden sollen. Diese stehen im Zusammenhang mit verschiedenen Begrifflichkeiten, die zunächst näher erklärt werden müssen. Darunter fallen die Begriffe »Korruption«, »Skandal«, »Korruptionsskandal« und »Transparenz«. Zudem wird betrachtet, was unter »parlamentarischen Untersuchungsausschüssen« eigentlich genau zu verstehen ist. Der Forschungsstand zu den einzelnen politischen Systemen wird in dieser Studie in den Kapiteln zu den jeweiligen politischen Systemen näher vorgestellt.

1.1.2 Korruption – heimliche Geschäfte Bei den für diese Arbeit ausgewählten Fällen handelt es sich durchweg um politische Korruptionsskandale. Korruption begegnet uns nahezu täglich in den Nachrichten. Eine Politikerin bzw. ein Politiker habe korrupt gehandelt, ein Land sei besonders korrupt oder jemand sei korrumpiert worden. Stets löst die Wortfamilie um Korruption negative Assoziationen aus. Es geht dabei um etwas Illegales, etwas, was meist heimlich und stets zum eigenen Vorteil geschieht. Korruption wird »als Mißbrauch eines öffentlichen Amtes oder Mandates zu privaten Zwecken«21 oder als ein »Missbrauch, bei dem die Gemeinschaft ge-

18 Mergel, Thomas: Wahlkampfgeschichte als Kulturgeschichte. Konzeptionelle Überlegungen und empirische Beispiele, in: Barbara Stollberg-Rilinger (Hg.): Was heißt Kulturgeschichte des Politischen? Berlin, 2005, S. 355–376, S. 357. 19 Ibid. 20 Perthen, Andrea: Korruption kritisieren. Die Genese politischer Korruptionsskandale in der frühen Bundesrepublik Deutschland. Köln, 2021, S. 13f. 21 Landfried, Christine: Korruption und politischer Skandal in der Geschichte des Parlamentarismus. In: Rolf Ebbighausen und Sighard Neckel (Hg.): Anatomie des politischen Skandals. Frankfurt, 1989, S. 130–148, S. 142.

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schädigt wird, während Amtsinhaber oder andere Akteure im öffentlichen Bereich daraus einen Vorteil ziehen«22, verstanden. Doch ist der häufig verwendete Korruptionsbegriff nicht so einfach zu definieren, wie es zunächst scheint. Es handelt sich nicht um einen neutralen Begriff, sondern er ist stets wertend und negativ konnotiert. Korruption wurde häufig als Zeichen einer vormodernen Gesellschaft oder als ein »Relikt der Vergangenheit«, das schon längst überwunden sein sollte, verstanden, was die neuere geschichtswissenschaftliche Forschung widerlegt hat.23 Korruption ist ein Mythos, also eine »unhinterfragte Erzählung[…], die unsere Deutung von der Welt wiederg[ibt]«.24 Dieser Mythos ist nicht zu überwinden.25 Korruption ist kein starres Gebilde, sondern vielmehr »ein Wahrnehmungsund Deutungsphänomen, [das] stets in einem Bezugssystem von politischen, rechtlichen und moralischen Normen und Verfahren definiert [wird]«.26 Der Historiker Jens Ivo Engels beschreibt Korruption als »ein Bewertungsphänomen […], mit dem Gesellschaften über ihre Normen oder das Verhalten einzelner Personen reflektieren«.27 Korruption ist daher immer vom politischen, kulturellen und sozialen Kontext abhängig.28 So wie sich Normen wandeln und immer wieder neu ausgehandelt werden müssen, muss stets neu ausgehandelt werden, was als korrupt gilt.29 Dies zeigt sich auch daran, dass Handlungen, die heute eindeutig als korrupt gelten, zu anderen Zeiten noch als völlig legal angesehen wurden.30 Engels stellt fest, dass die heutige Vorstellung von Korruption aus der Sattelzeit stammt, als sich das Verhältnis zwischen Privatem bzw. Persönlichem und Öffentlichem geändert hat.31 So wurde der öffentliche Bereich in der Politik

22 Engels, Jens Ivo: Alles nur gekauft? Korruption in der Bundesrepublik seit 1949. Darmstadt, 2019, S. 15. 23 Engels, Jens Ivo: Die Geschichte der Korruption. Von der frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert. Frankfurt, 2014, S. 12f. Zitat: S. 13. 24 Ibid., S. 12. 25 Ibid., S. 12f. 26 Bluhm, Harald: Zwischen invisibler und visibler Macht. Machttheoretische Verortungen politischer Korruption. In: Harald Bluhm und Karsten Fischer (Hg.): Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der Macht. Theorien politischer Korruption. Baden-Baden, 2002, S. 167–193, S. 167. 27 Engels, Jens Ivo: Politische Korruption und Modernisierungsprozesse. Thesen zur Signifikanz der Korruptionskommunikation in der westlichen Moderne. In: Niels Grüne und Simona Slanicka (Hg.): Korruption. Historische Annäherungen an eine Grundfigur politischer Kommunikation. Göttingen, 2010, S. 35–54, S. 37f. 28 Brauneder, Wilhelm: Korruption als historisches Phänomen. In: Christian Brünner (Hg.): Korruption und Kontrolle. Graz, 1981, S. 75–104, S. 78. 29 Bösch, Frank: Öffentliche Geheimnisse. Skandale, Politik und Medien in Deutschland und Großbritannien 1880–1914. München, 2009, S. 421f. 30 Landfried 1989: Korruption und politischer Skandal, S. 136. 31 Engels 2014: Die Geschichte der Korruption, S. 14ff.

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zunehmend ausgeweitet und Praktiken, die zuvor nicht als korrupt galten, da sie in den privaten Bereich fielen, wurden verstärkt als Korruption wahrgenommen. In den Diskursen um das Thema Korruption wird deutlich, dass es sich stets auch um eine »Auseinandersetzung über Moral und Anstand« handelt.32 Korruption wird dabei als etwas Verwerfliches und Unmoralisches wahrgenommen, was zu bekämpfen und zu verhindern sei. In diesem Zusammenhang eignen sich Korruptionsvorwürfe ebenfalls als ein »taktisches Instrument«33, um politischen Gegnerinnen und Gegnern zu schaden.34 Dabei geht es darum, den anderen korrupte Handlungen zu unterstellen oder nachzuweisen, um dadurch ihrem moralischen Ansehen zu schaden. Die Auswirkungen von Korruption, wenn diese einmal öffentlich wird, können dabei sehr unterschiedlich sein. Es kann zu kleineren Empörungen, Skandalen oder auch zu Revolten führen.35 Die historische Forschung zu Korruption hat in den letzten Jahren einen erheblichen Aufschwung erlebt.36 Insbesondere die Vorstellung, dass es sich bei Korruption um ein rein vormodernes Phänomen handle, wurde hierbei weitestgehend verworfen. So konzentrieren sich viele aktuelle historische Forschungen vor allem auf die Untersuchung von Korruption seit der Sattelzeit. Der Fokus liegt hierbei sowohl auf den Debatten als auch auf den Praktiken.37 Es geht darum, Korruption in ihren historischen Kontexten zu begreifen und dadurch Entwicklungen und Tendenzen festzustellen.

32 Ibid., S. 14. 33 Grüne, Niels: »Und sie wissen nicht, was es ist«. Ansätze und Blickpunkte historischer Korruptionsforschung. In: Niels Grüne und Simona Slanicka (Hg.): Korruption. Historische Annäherungen an eine Grundfigur politischer Kommunikation. Göttingen, 2010, S. 11–34, S. 29. 34 Engels, Jens Ivo; Rothfuss, Anna: Les usages de la politique du scandale. Le SPD et les débats sur la corruption politique pendant le Kaiserreich (1873–1913). In: Cahiers Jaurès 2013 (209), S. 33–52, S. 35. 35 Brauneder 1981: Korruption als historisches Phänomen, S. 77. 36 Zur sozial- und politikwissenschaftlichen Forschung zu diesem Thema siehe u. a.: Kliche, Thomas; Thiel, Stephanie: Korruption. Forschungsstand, Prävention, Probleme. Lengerich, 2011; Schweitzer, Hartmut: Vom Geist der Korruption. Theorie und Analyse der Bedingungen für Entstehung, Entwicklung und Veränderung von Korruption. München, 2009; Alemann, Ulrich von: Dimensionen politischer Korruption. Beiträge zum Stand der internationalen Forschung. Wiesbaden, 2005. 37 Siehe u. a.: Engels 2014: Geschichte der Korruption; Klein, Annika: Korruption und Korruptionsskandale in der Weimarer Republik. Göttingen, 2014; Köhler, Volker: Genossen Freunde Junker. Die Mikropolitik personaler Beziehungen im politischen Handeln der Weimarer Republik. Göttingen, 2018; Rothfuss, Anna: Korruption im Kaiserreich. Debatten und Skandale zwischen 1871 und 1914. Göttingen, 2019.

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1.1.3 Skandale als Bruch mit der Heimlichkeit Korruption findet zunächst stets im Geheimen statt und wird dadurch der Öffentlichkeit meist nicht bekannt. Dies ändert sich durch den Skandal. Ein politischer Skandal kann dabei wie folgt definiert werden: [e]in komplexes soziales Ereignis, bei dem ein sozial signifikantes, kontextual gebundenes, öffentlich-politisches »Ärgernis« in personalisierter und dramatisierter Form (re)präsentiert und medial verbreitet wird.38

Es geht dabei um ein »von allgemein akzeptierten Normen abweichendes Verhalten«, das öffentlich gemacht wird und eine gewisse Erregung und Aufmerksamkeit hervorruft.39 Daraus lassen sich drei Grundkomponenten herleiten, die für die Definition von Skandalen entscheidend sind: Es muss erstens ein Normbruch stattfinden, zweitens muss dieser öffentlich gemacht werden und drittens zu einer öffentlichen Empörung führen. Erst dann lässt sich von einem Skandal sprechen.40 Dabei spielen Medien eine entscheidende Rolle.41 Skandale sind immer an gewisse Normen gebunden und folglich immer kontextabhängig.42 Sie zeigen somit einerseits bestehende Normen auf, verändern diese gleichzeitig aber auch.43 Die Untersuchung von Korruptionsskandalen ermöglicht es somit, »zentrale politische Wandlungsprozesse der politischen Kultur […] [zu] diagnostizieren und begreifbar [zu] machen«.44 Obgleich es sie auch in nicht-demokratischen Systemen gibt, sind Skandale vor allem in Demokratien aufzufinden, da hier verstärkt eine Trennung zwischen privater und öffentlicher Sphäre stattfindet.45 Zudem werden Korruptionsvorwürfe in Demokratien häufiger öffentlich gemacht und es bilden sich somit leichter Skandale heraus. Der Soziologe Rolf Ebbighausen betont: 38 Käsler, Dirk; Albers, Hans-Peter: Der politische Skandal. Zur symbolischen und dramaturgischen Qualität von Politik. Opladen, 1991, S. 13. 39 Germis, Carsten: Parlamentarische Untersuchungsausschüsse und politischer Skandal. Dargestellt am Beispiel des deutschen Bundestages. Frankfurt, 1988, S. 21. 40 Beule, Jürgen; Hondrich, Karl Otto: Skandale als Kristallisationspunkte politischen Streits. In: Ulrich Sarcinelli (Hg.): Demokratische Streitkultur. Theoretische Grundpositionen und Handlungsalternativen in Politikfeldern. Bonn, 1990, S. 144–156, S. 145. 41 Siebert, Sandra: Angeprangert! Medien als Motor öffentlicher Empörung. Marburg, 2011. 42 Bergmann, Jens; Pörksen, Bernhard: Einleitung. Die Macht öffentlicher Empörung. In: Jens Bergmann und Bernhard Pörksen (Hg.): Skandal! Die Macht öffentlicher Empörung. Köln, 2009, S. 13–33, S. 30. 43 Engels 2014: Die Geschichte der Korruption, S. 310f. 44 Mork, Andrea: Skandale der Bonner Republik. Ein Anstoß zu demokratischen Veränderungen. In: Henrique Ricardo Otten und Manfred Sicking (Hg.): Kritik und Leidenschaft. Vom Umgang mit politischen Ideen. Bielefeld, 2011, S. 135–150, S. 137. 45 Ebbighausen, Rolf: Skandal und Krise. Zur gewachsenen »Legitimationsempfindlichkeit« staatlicher Politik. In: Rolf Ebbighausen und Sighard Neckel (Hg.): Anatomie des politischen Skandals. Frankfurt, 1989, S. 171–200, S. 172.

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Die Abnahme oder gar das Ausbleiben politischer Skandale verweist danach eher auf eine machtpolitische Beschränkung oder Unterdrückung der Öffentlichkeit denn auf einen Mangel an Anlässen und Angriffspunkten für Skandalierung. In gleicher Weise deutet nach diesem Modell aber auch ein Übermaß an Skandalen auf politische Anomie hin, auf materiale und strukturelle Probleme staatlicher Politik und ihrer konsensualen Grundlage.46

Ein weiterer Grund für das vermehrte Auftreten von (Korruptions-)Skandalen in Demokratien ist die politische Instrumentalisierung dieser. So wurden Korruptionsskandale immer wieder als parteipolitisches Mittel genutzt, um andere Parteien zu diskreditieren. Insbesondere Gegnerinnen und Gegner des Parlamentarismus zogen sie außerdem heran, um das gesamte politische System anzugreifen und dessen vermeintliche Missstände und verkommene Moral aufzuzeigen. Andere wiederum, vor allem die Anhängerinnen und Anhänger der parlamentarischen Systeme, unterstrichen vielmehr die selbstreinigende Wirkung von Skandalen. Durch sie würden Missstände aufgezeigt und bekämpft, die sonst vor der Öffentlichkeit verheimlicht würden.47 Eine Veröffentlichung von Korruption durch einen Skandal kann schließlich also ganz verschiedene Auswirkungen haben: Sie können zu einem starken Vertrauensverlust in das System führen, da dieses Korruptionsfälle nicht verhindern konnte.48 Gleichzeitig kann die Auseinandersetzung mit dem Konflikt und die öffentliche Behandlung von Korruption ein System stärken oder stabilisieren.49 Skandale dienen demnach als ein »Instrument der Selbstlegitimierung und Reinigung«, die die Kontrollfunktion des Staates unterstreichen.50 Die Skandalforschung erlebte – wie auch die Korruptionsforschung – in den letzten Jahrzehnten eine Konjunktur. Insbesondere seit den 1980er Jahren, unter anderem in Bezug auf die Watergate-Affäre, nahmen die sozialwissenschaftlichen Forschungen zu Skandalen rapide zu.51 Seit den 1990er Jahren wurde hierbei verstärkt der Zusammenhang von Skandalen und Medien untersucht.52

46 Ebbighausen, Rolf: Die Massierung politischer Skandale. Symptom für Steuerungs- und Legitimationsprobleme staatlicher Politik in der jüngeren Vergangenheit. In: Hans-Dieter Klingemann und Wolfgang Luthardt (Hg.): Wohlfahrtsstaat, Sozialstruktur und Verfassungsanalyse. Opladen, 1993, S. 127–139, S. 130f. 47 Engels 2014: Geschichte der Korruption, S. 318. 48 Ludwig 1998: Korruption und Nationalsozialismus, S. 35. 49 Ibid., S. 37. 50 Markovits, Andrei; Silverstein, Mark: Macht und Verfahren. Die Geburt des politischen Skandals aus der Widersprüchlichkeit liberaler Demokratien. In: Rolf Ebbighausen und Sighard Neckel (Hg.): Anatomie des politischen Skandals. Frankfurt, 1989, S. 151–170, S. 154. 51 Siehe u. a.: Bergmann, Jens; Pörksen, Bernhard: Skandal! Die Macht öffentlicher Empörung. Köln, 2009. 52 Burkhardt, Steffen: Skandal, medialisierter Skandel, Medienskandal. Eine Typologie öffentlicher Empörung, in: Kristin Bulkow und Christer Petersen (Hg.): Skandale. Strukturen und

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Vor allem in den letzten Jahren mehrte sich auch die historische Forschung zu diesem Thema. In Deutschland beschäftigt sich die Geschichtswissenschaft insbesondere mit den Skandalen des Kaiserreichs,53 der Weimarer Republik,54 des Nationalsozialismus,55 aber auch der Bundesrepublik.56. Trotzdem bleibt die Forschung zu Skandalen, genau wie die Korruptionsforschung, noch ein weites Feld, in dem es noch viel zu untersuchen gibt.

1.1.4 Transparenz und Transparenzforderungen – Ende der Heimlichkeiten? Während Korruption heimlich geschieht, stellen Skandale den Bruch mit dieser Heimlichkeit dar. Sie machen Korruption öffentlich und somit für Außenstehende zugänglich. Daher spielt in diesem Kontext Transparenz in der Wahrnehmung vieler eine entscheidende Rolle für die Bekämpfung von Korruption. Transparenz und die Forderung nach dieser sind aus heutiger Sicht nicht mehr wegzudenken. Transparenz ist zu einem »Schlüsselbegriff der Gegenwart«57 und insbesondere »gegenwärtiger Politik«58 geworden. Was zunächst ein physikali-

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Strategien öffentlicher Aufmerksamkeitserzeugung, Wiesbaden, 2011, S. 131–156; Burkhardt, Steffen: Medienskandale. Zur moralischen Sprengkraft öffentlicher Diskurse. Köln, 2006. Siehe u. a.: Bösch, Frank: Krupps »Kornwalzer«. Formen und Wahrnehmung von Korruption im Kaiserreich. In: Historische Zeitschrift 2005 (281), S. 337–379; Bösch, Frank: Grenzen des »Obrigkeitsstaates«. Medien, Politik und Skandale im Kaiserreich. In: Sven Oliver Müller und Cornelius Torp (Hg.): Das Deutsche Kaiserreich in der Kontroverse. Göttingen, 2009, S. 136– 153; Kohlrausch, Martin: Der Monarch im Skandal. Die Logik der Massenmedien und die Transformation der wilhelminischen Monarchie. Berlin, 2005. Klein 2014: Korruption und Korruptionsskandale in der Weimarer Republik; Geyer, Martin: Der Barmat-Kutisker-Skandal und die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in der politischen Kultur der Weimarer Republik. In: Ute Daniel, Inge Marszolek, Wolfram Pyta und Thomas Welskopp (Hg.): Politische Kultur und Medienwirklichkeit in den 1920er Jahren. München, 2010, S. 47–80. Sabrow, Martin: Politischer Skandal und moderne Diktatur. In: Martin Sabrow (Hg.): Skandal und Diktatur. Formen öffentlicher Empörung im NS-Staat und in der DDR. Göttingen, 2004, S. 7–32; Bajohr, Frank: Der folgenlose Skandal. Korruptionsaffären im Nationalsozialismus. In: Martin Sabrow (Hg.): Skandal und Diktatur. Formen öffentlicher Empörung im NS-Staat und in der DDR. Göttingen, 2004, S. 59–76. Engels 2019: Alles nur gekauft?; Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: Skandale in Deutschland nach 1945. Bielefeld, 2007; Perthen 2021: Korruption kritisieren. Stehr, Nico; Wallner, Cornelia: Transparenz. Einleitung. In: Stephan Jansen, Eckhard Schröter und Nico Stehr (Hg.): Transparenz. Multidisziplinäre Durchsichten durch Phänomene und Theorien des Undurchsichtigen. München, 2010, S. 9–19, S. 9. Heibges, Maren: Durchsicht. Transparenz als ethnographischer Forschungsgegenstand. In: Berliner Blätter 2018 (76), S. 7–20, S. 7.

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scher Begriff war, der Materialeigenschaften wie die Durchsichtigkeit eines Stoffes beschrieb, bekam über die Zeit eine politische Bedeutung.59 Die Geschichte der Transparenz und ihrer Forderung hat zwar alte Wurzeln, erlangt ihre wichtige Bedeutung aber erst vor einigen hundert Jahren im Zuge der Aufklärung.60 Der Soziologe und Politikwissenschaftler Vincent August setzt ihre Geschichte aber bereits früher an und bringt sie in Zusammenhang mit »bedrohlicher Unsicherheit«.61 Ihm zufolge trat die Transparenzidee bereits mit den Religionskriegen im 17. Jahrhundert auf und verstärkte sich dann mit der Aufklärung und insbesondere mit der Französischen Revolution im 18. Jahrhundert. Seit der Aufklärung wurden für Transparenz primär Licht und Sonnenschein als Metaphern genutzt.62 Der Philosoph Jeremy Bentham war einer der Ersten, der mit der Transparenzidee argumentierte und sie nutzte. In diesem Zusammenhang entwarf er das Konzept eines transparenten Gefängnisses: das Panoptikum. Die Zellen der Gefangenen sowie die Gefangenen selbst können von einem Turm aus durchgehend überwacht werden. Der Turm wiederum selbst ist nicht einsehbar. Dies führt dazu, dass die Gefangenen nicht sehen können, wen die Wärter gerade beobachten. Dadurch fühlen sie sich ständig überwacht und passen ihr Verhalten dementsprechend an. Hierbei wird Transparenz eher als ein Mittel zur Überwachung wahrgenommen.63 Verstärkte Transparenzforderungen wurden dann vor allem seit den 1970er Jahren formuliert, als Krisen wie der Ost-West-Konflikt oder der Terrorismus die Gegenwart prägten.64 Ein starker Bedeutungsgewinn von Transparenz und Transparenzforderungen ist aber insbesondere seit den 1990er Jahren zu erkennen. Transparenz wurde zu dieser Zeit eine häufige Forderung, die mit der Idee verbunden war, dass Transparenz zu Good Governance gehöre. Den Historikern Engels und Frédéric Monier zufolge unterstützen vorrangig drei Faktoren das verstärkte Aufkommen von Transparenz und Transparenzforderungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und insbesondere seit den 1990er Jahren: Erstens die Vorstellung, dass Bürgerinnen und Bürger in einer Demokratie selbstständig anhand der ihnen gegebenen Informationen entscheiden. Hierfür sind allerdings möglichst viele Informationen über das politische Geschehen notwendig. Zweitens das Vertrauen in die Marktwirtschaft, das aller59 Engels 2019: Alles nur gekauft? S. 171. 60 Christensen, Lars Thøger; Cornelissen, Joep: Organizational transparency as myth and metaphor. In: European Journal of Social Theory 2015 (18), S. 132–149, S. 134. 61 August, Vincent: Theorie und Praxis der Transparenz. Eine Zwischenbilanz. In: Berliner Blätter 2018 (76), S. 129–157, S. 131. 62 Engels 2019: Alles nur gekauft? S. 172. 63 Ibid., S. 179f. 64 Ball, Carolyn: What is Transparency? In: Public Integrity 2009 (11/4), S. 293–307, S. 293f.

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dings nur möglich ist, wenn wirtschaftliche Informationen transparent sind. Drittens spielt vor allem das Internet und die damit einhergehende Verfügbarmachung von Daten eine entscheidende Rolle.65 Es gehe »nicht mehr ausschließlich um Informationspflichten gegenüber der Öffentlichkeit, sondern auch um nachvollziehbare Entscheidungen, klare Verantwortlichkeiten und das Einbeziehen der Zivilgesellschaft in politische Prozesse«.66 Obgleich das politische Konzept der Transparenz und Transparenzforderungen verstärkt seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auftauchten, existierten sie bereits in der Zeit davor, wie diese Arbeit demonstrieren wird. Häufig wurde hierbei allerdings nicht der Begriff »Transparenz« verwendet, sondern ähnliche Begriffe. Unter anderem um diese ermitteln zu können, muss im nächsten Schritt versucht werden, definitorische Elemente von Transparenz zu finden. Transparenz im politischen Sinne wird mit Informationsfreiheit in Zusammenhang gebracht. Es geht darum, Zugang zu Informationen zu erhalten. Gemeint sind damit vor allem Regierungsdokumente, aber auch Informationen bezüglich politischer Entscheidungen oder Prozesse.67 Teilweise geht die Vorstellung von Transparenz noch weiter. Es wird dann Folgendes darunter verstanden: Nachvollziehbarkeit konkreter Politik vermittels Offenlegung gegebener politischer Positionen und der Durchschaubarkeit von Diskussions- und Entscheidungsprozessen einerseits sowie der Problemerhellung durch Offenlegung von Strukturen, Funktionszusammenhängen und kritischen Bewertungsmaßstäben andererseits.68

Transparenz wird hierbei nicht allein als möglicher Zugang zu Informationen verstanden, sondern es geht auch darum, diese Informationen nachvollziehbar zu machen. Dies ist ein wichtiger Aspekt, der aber auch Schwierigkeiten mit sich bringt. So stellt sich die Frage, was unter Nachvollziehbarkeit zu verstehen ist: Ist hier automatisch auch die Forderung nach Verständlichkeit inbegriffen? Die Forderung nach Verständlichkeit würde insbesondere in den in dieser Arbeit betrachteten politisch und juristisch häufig sehr komplexen Fällen an ihre Grenzen stoßen, weswegen diese Definition sich nicht vollständig für die Studie eignet.

65 Engels, Jens Ivo; Monier, Frédéric: Researching the History of Transparency. Introduction. In: Jens Ivo Engels und Frédéric Monier (Hg.): History of Transparency in Politics and Society. Göttingen, 2020, S. 7–20. 66 Engels 2019: Alles nur gekauft? S. 174. 67 Siehe u. a.: Steffani, Winfried: Einführung. In: Winfried Steffani (Hg.): Kritik. Parlamentarismus ohne Transparenz. Opladen, 1971, S. 9–16, S. 9. 68 Ibid.

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Der Verwaltungswissenschaftler David Heald unterscheidet außerdem unter anderem zwischen verschiedenen Richtungen von Transparenz. Transparenz kann zunächst vertikal oder horizontal ausgerichtet sein. Bei der vertikalen Ebene unterscheidet er zwischen der Transparenz »upwards« – Autoritäten können die Bevölkerung überwachen – und »downwards« – die Bevölkerung kann die Autoritäten überwachen. In der horizontalen Ebene muss Heald zufolge zwischen der sogenannten »outwards-« und »inwards-Transparenz« unterschieden werden. Bei der ersten Transparenzform können Mitglieder einer Organisation sehen, was außerhalb dieser Organisation geschieht, bei der letzteren können Außenstehende beobachten, was in der Organisation geschieht. Die verschiedenen Richtungen können symmetrisch oder asymmetrisch zueinander verlaufen.69 Zudem konstatiert er noch verschiedene Formen von Transparenz. Die »Event-Transparenz« mache vor allem die In-, Outputs und Outcomes transparent, während die »Prozess-Transparenz« ganze Prozeduren und Operationen sichtbar mache. Letztere ist dabei häufig schwierig umzusetzen, da sie Prozesse eindämmen kann, die Kosten häufig zu hoch sind und insbesondere die Sorge vor einer Transparenz gegenüber der Konkurrenz groß ist. Heald differenziert außerdem noch zwischen der »Retrospect-Transparenz«, bei der Informationen erst im Nachhinein veröffentlicht werden, und der »RealtimeTransparenz«, die Informationen während der Aktion zugänglich macht. Während erstere zumeist in einer Verbindung mit der »Event-Transparenz« steht, verbindet sich letztere mit der »Prozess-Transparenz«. Entscheidend ist Heald zufolge außerdem die Unterscheidung zwischen »Nominal-Transparenz«, also der gefühlten Transparenz, und »Effective-Transparenz«, also der tatsächlichen Transparenz, die geschaffen wurde. Vor allem durch diese beiden Transparenzwahrnehmungen entstehe eine Kluft, die sogenannte »transparency illusion«, da häufig die wahrgenommene Transparenz nicht mit der tatsächlichen übereinstimme.70 Dies kann in dieser Arbeit allerdings nicht untersucht werden, da nicht ersichtlich ist, wie die »Effective-Transparenz« aussah. Obgleich eine Definition von Transparenz für diese Arbeit unabdingbar ist, ist es dennoch schwierig und auch gar nicht wünschenswert, eine einheitliche und starre Definition zu finden. Denn auch Transparenz und Transparenzforderungen »werden in spezifischen Kontexten geformt, und sie inspirieren soziale Praktiken und Institutionen«.71 Es handelt sich um »ein Produkt sozialer Aushandlungsprozesse«,72 das stets an den politischen, sozialen und kulturellen Kontext gebunden ist. 69 Heald, David: Varieties of transparency. In: David Heald und Christopher Hood (Hg.): Transparency. The Key to Better Governance? Oxford; New York, 2006, S. 25–45, S. 27f. 70 Heald 2006: Varieties of transparency, S. 34. 71 August 2018: Theorie und Praxis der Transparenz, S. 129. 72 Stehr; Wallner 2010: Transparenz. Einleitung, S. 11.

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Zudem stellt sie – ähnlich wie bereits Korruption – keinen neutralen Begriff dar. Transparenz und Transparenzforderungen sind immer normativ aufgeladen bzw. emotional besetzt und geben bereits eine moralische Deutung. Sie sind dabei zumeist – anders als Korruption – positiv konnotiert und »komm[en] einem moralischen Imperativ gleich«.73 Transparenz wird daher häufig ebenfalls als ein Ideal oder ein Mythos verstanden, als eine »highly value-laden notion, more often preached than practised and typically involved without questioning its basic assumptions«.74 Der Politikwissenschaftler Christopher Hood spricht sogar von einer »quasi-religious significance in debates over governance and institutional design«.75 Vollständige Transparenz kann allerdings nie erreicht werden.76 Dabei schwingt auch die Vorstellung mit, Transparenz sei eine Art »satisfying answer to every crisis and question about the state«77. Sie wird daher oft als ein wichtiges Gegenmittel zu Korruption gesehen,78 als »a public value or norm of behavior to counter corruption«.79 Eine weitere Idee in diesem Zusammenhang ist, die Erzeugung von Transparenz könne nach einem Skandal wieder Sicherheit und Vertrauen herstellen.80 Daher ist es besonders interessant, das Konzept der Transparenz im Zusammenhang mit Korruptionsskandalen und insbesondere den Debatten rund um diese Skandale zu untersuchen. Zudem wird Transparenz häufig als ein Mittel bzw. eine »zentrale Ressource von Demokratie[n]«81 gesehen. Während nicht-demokratische Staaten von Geheimnissen umgeben seien, scheinen diese in Demokratisierungsprozessen transparent gemacht zu werden.82 Der Rechtswissenschaftler Mark Fenster betont, Transparenz habe in den Demokratietheorien immer eine entscheidende 73 Heibges 2018: Durchsicht, S. 11. 74 Christensen; Cornelissen 2015: Organizational transparency as myth and metaphor, S. 133. 75 Hood, Christopher: Transparency in Historical Perspective. In: David Heald und Christopher Hood (Hg.): Transparency. The Key to Better Governance? Oxford; New York, 2006, S. 3–24, S. 3. 76 Schneider, Manfred: Transparenztraum. Literatur, Politik, Medien und das Unmögliche. Berlin, 2013, S. 14; Engels 2019: Alles nur gekauft? S. 180. 77 Fenster, Mark: Transparency in Search of a Theory. In: European Journal of Social Theory 2015 (18), S. 150–167, S. 151. 78 Siehe u. a.: Kroeze, Ronald: Lockheed (1977) and Flick (1981–1986). Anticorruption as a Pragmatic Practice in the Netherlands and Germany. In: Guy Geltner, Ronald Kroeze und André Vitória (Hg.): Anticorruption in history. From antiquity to the modern era. Oxford, 2018, S. 279–291, S. 281; Darge, Ekkehard: Korruption in der Bundespolitik Deutschlands. Fälle und Bekämpfungsstrategien. Oldenburg, 2009, S. 125. 79 Ball 2009: What is Transparency? S. 302. 80 Hood 2006: Transparency in Historical Perspective, S. 17. 81 Eichenhofer, Johannes: Privatheit und Transparenz in der Demokratie. In: Forschungsjournal Soziale Bewegungen 2017 (2), S. 133–142, S. 138. 82 Colson, Aurélien: Gérer la tension entre secret et transparence. In: Revue française de gestion 2004 (153/6), S. 87–99, S. 91.

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Rolle gespielt und sei als notwendig für Demokratien angenommen worden.83 Der Staat werde effektiver, da die Bevölkerung besser mitbestimmen und fordern könne, wenn sie verstehe, was in der Politik passiert.84 Daher komme auch die Vorstellung, je transparenter eine Regierung sei, desto demokratischer sei sie auch – eine Vorstellung, die laut Fenster aber kaum der Realität entspricht.85 Dennoch wird Transparenz immer häufiger deutlich kritisiert. Ein besonders dystopisches Bild einer transparenten Welt zeichnet der Philosoph Byung-Chul Han in seinem 2012 erschienen Werk »Transparenzgesellschaft«. Er erklärt, die Transparenzgesellschaft sei »eine Hölle des Gleichen«86 und Transparenz sei kein »Zustand des Friedens«87. Er argumentiert, dass Transparenz kein Vertrauen schaffe, sondern Misstrauen fördere. Es handle sich bei der Transparenzgesellschaft daher um eine Gesellschaft, die allein auf Misstrauen beruhe. »[M]oralische Werte wie Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit« fallen weg und werden durch »Transparenz als neue[n] gesellschaftliche[n] Imperativ« ersetzt.88 Politikerinnen und Politiker würden nicht mehr an ihren Handlungen gemessen, sondern vielmehr anhand ihrer Inszenierungen.89 Obgleich dieses Bild vielleicht etwas extrem ist, müssen hier auch die Kritik an und die Grenzen von Transparenz in Betracht gezogen werden. Während die Transparenz eines Staates gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern zunächst eindeutig positiv wahrgenommen wird, gilt dies umgekehrt nicht. Transparenz dieser gegenüber dem Staat wird als Überwachung oder Ausspähung und somit als Gefahr verstanden.90 Zudem, konstatieren verschiedene Arbeiten, schaffe Transparenz nicht mehr Vertrauen, sondern schüre eher das Misstrauen. Durch die veröffentlichten Informationen würden einerseits Missstände aufgezeigt, andererseits stelle sich aber auch die Frage, was neben diesen transparenten Informationen verheimlicht werde.91 Der Philosoph Martin Hartmann erkennt zwischen Transparenz und Vertrauen eine viel komplexere Beziehung: Transparenz zerstöre Vertrauen 83 Fenster, Mark: The Transparency Fix. Secrets, Leaks, and uncontrollable Government Information. Stanford, 2017, S. 35. 84 Ibid., S. 37ff. 85 Fenster 2015: Transparency in Search of a Theory, S. 151. 86 Han, Byung-Chul: Transparenzgesellschaft. Berlin, 2012, S. 6. 87 Ibid., S. 30. 88 Ibid., S. 79. 89 Han 2012: Transparenzgesellschaft, S. 59. 90 Gadinger, Frank; Yildiz, Taylan: Transparenz/Intransparenz. Zur Ambivalenz einer neuen Leitunterscheidung demokratischen Regierens. In: ZPol 2016 (26), S. 199–209, S. 199ff.; Strathern, Marilyn: The Tyranny of Transparency. In: British Educational Research Journal 2000 (26/3), S. 309–321, S. 310. 91 Siehe u. a.: Brusca, Isabel; Rossi, Francesca Manes; Aversano, Natalia: Accountability and Transparency to Fight against Corruption. An International Comparative Analysis. In: Journal of Comparative Policy Analysis: Research and Practice 2017 (20/2), S. 1–19, S. 13f.

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nicht, fördere es aber auch nicht zwingend. Vielmehr sei Vertrauen eine Voraussetzung für Transparenz. Besteht von Anfang an kein Vertrauen, wird auch den transparent gemachten Informationen nicht geglaubt. »Transparency does not destroy trust, it needs trust to pave the way to trust.«92 Eine weitere Kritik an Transparenz ist die bereits oben erwähnte Tatsache, dass vollständige Transparenz nie erreicht werden kann.93 Werden alle Informationen transparent gemacht, so kommt es zu einem Überfluss an (auch unnötigen) Informationen, die häufig nicht für jede bzw. jeden verständlich sind. Diese Informationen müssen daher gefiltert bzw. vermittelt werden, damit sie verständlich gemacht werden können, was wiederum die Transparenz einschränkt.94 Der Politikwissenschaftler Matthew Fluck konstatiert daran anschließend eine Ähnlichkeit zwischen Transparenzforderungen und Verschwörungstheorien. Sowohl bei Transparenzforderungen als auch bei Verschwörungstheorien werde davon ausgegangen, dass wichtige Informationen zum Verständnis der Wirklichkeit zurückgehalten würden. Hier sei das Problem, dass das Verständnis der Wirklichkeit nicht existiere, da »völlig unklar [sei], was relevante und irrelevante Informationen zur Deutung der Wirklichkeit sind«.95 Eine weitere wichtige Kritik ist die Annahme, Transparenz könne Verhandlungen erschweren. Politikerinnen und Politiker fühlen sich durch die Öffentlichkeit verpflichtet, konkrete Positionen einzunehmen, die die Zusammenarbeit mit anderen erschweren oder gar unmöglich machen können. Zudem orientiert sich ihre Entscheidungsfindung häufig eher an der öffentlichen Meinung als an ihren eigenen Erfahrungen. Dies kann insbesondere dazu führen, dass Interessensgruppen sich in die Verhandlungen einmischen und somit anhand ihrer Interessen die Politik steuern können.96 Die vorliegende Arbeit hält für ihre Definition weiterhin daran fest, dass Transparenz und Transparenzforderungen konstruiert und immer kontextabhängig sind. Um jedoch trotzdem Begriffe aus der gleichen Wortfamilie ermitteln und die Praxis der Untersuchungsausschüsse untersuchen zu können, muss hier ein analytischer Transparenzbegriff entwickelt werden. Dieser bleibt weiterhin

92 Hartmann, Martin: Does transparency endanger trust? Reflections on a delicate relationship. In: Stefan Berger, Susanne Fengler, Dimitrij Owetschkin und Julia Sittmann (Hg.): Cultures of Transparency. Between Promise and Peril. New York, 2021, S. 111–126, S. 122. 93 Siehe u. a.: Engels 2019: Alles nur gekauft? S. 180. 94 Helm, Paula: Transparenz und Anonymität. Potentiale, Grenzen, Irrtümer. In: Forschungsjournal Soziale Bewegungen 2017 (2), S. 142–151, S. 144. 95 Engels 2019: Alles nur gekauft? S. 352. 96 Stasavage, David: Does Transparency Make a Difference? The Example of the European Council of Ministers. In: David Heald und Christopher Hood (Hg.): Transparency. The Key to Better Governance? Oxford; New York, 2006, S. 165–179, S. 168ff.

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möglichst offen und weit, um gleichzeitig die Kontextabhängigkeit wahren zu können. Die analytische Definition lautet daher: Zugang zu und Zugänglichmachung von Informationen bezüglich politischer Entscheidungen und Prozesse sowie die mögliche Verbreitung dieser durch nicht unmittelbar involvierte Akteurinnen und Akteure (wie z. B. die Presse) Es geht bei der Definition nicht allein um den direkten Zugang zu Informationen, z. B. durch den Beisitz bei einer Verhandlung. Entscheidend ist auch die Zugänglichmachung von Informationen, d. h. es werden auch bearbeitete, nachvollziehbar gemachte und im Nachhinein veröffentlichte Informationen betrachtet.97 Diese Definition setzt die Nachvollziehbarkeit aber nicht zwingend voraus. Da es sich um politische Korruptionsskandale handelt, beschränkt sich diese Definition auf politische Entscheidungen und Prozesse. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Verbreitung durch nicht unmittelbar involvierte Akteurinnen und Akteure, also weder Mitglieder noch Zeuginnen bzw. Zeugen des Untersuchungsausschusses. Grund hierfür ist, dass es sonst zu einer lokalen Beschränkung der Informationen auf das Umfeld der Parlamente (Berlin und Bonn) kommen würde. In den dieser Arbeit zugrundeliegenden Quellen finden sich einige Begriffe, die sich in ihrem jeweiligen Kontext mit dieser Definition fassen lassen. Diese sollen in einem späteren Kapitel näher analysiert werden.98 Die historische Transparenzforschung ist noch ein sehr junges Feld. Sie ist noch immer eher den Sozial-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften sowie der Philosophie vorbehalten. Hierbei wird die Geschichte von Transparenz und Transparenzforderungen nur kurz gestreift – wenn die historische Dimension überhaupt in den Blick genommen wird. Meist handelt es sich darum, Transparenz mit Good Governance in Zusammenhang zu bringen oder die Grenzen von Transparenz aufzuzeigen. Ausnahmen bilden unter anderem die Arbeiten von Vincent August und Albert Meijer oder Stefan Berger und Dimitrij Owetschkin die in ihren Aufsätzen die Geschichte von Transparenz näher betrachten.99 97 Riese, Dorothee: Grenzen der Transparenz. Geheimhaltung in demokratischen Systemen. In: Vincent August und Fran Osrecki (Hg.): Der Transparenz-Imperativ. Normen–Praktiken– Strukturen. Wiesbaden, 2019, S. 95–120, S. 98. 98 Siehe hierzu Kapitel 5, S. 249ff. 99 August 2018: Theorie und Praxis der Transparenz; Meijer, Albert: Government Transparency in Historical Perspective. From the Ancient Regime to Open Data in the Netherlands. In: International Journal of Public Administration 2015 (38/3), S. 189–199; Berger, Stefan; Owetschkin, Dimitrij: The idea of public sphere and social movemens as agents of transparency. Historical perspectives. In: Stefan Berger, Susanne Fengler, Dimitrij Owetschkin und Julia Sittmann (Hg.): Cultures of Transparency. Between Promise and Peril, New York, 2021, S. 205–224.

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Eine Überblicksdarstellung zur Geschichte der Transparenz fehlt vollständig. Verschiedene Möglichkeiten der historischen Forschung zu Transparenz anhand unterschiedlicher Fallbeispiele und Themen wurden in einem 2020 erschienenen Sammelband vorgestellt.100 Die historische Transparenzforschung bleibt aber weiterhin ein Desiderat – ähnlich wie die Forschung zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen.

1.1.5 Parlamentarische Untersuchungsausschüsse Parlamentarische Untersuchungsausschüsse dienen als ein Kontrollinstrument des Parlaments gegenüber der Regierung sowie anderen Parlamentsmitgliedern. Sie sind »d[ie] einschneidendsten, spektakulärsten und öffentlichkeitswirksamsten Mittel[…] politischer Auseinandersetzung zwischen Parlament und Regierung: genauer zwischen Opposition und Regierung«.101 Sie werden noch immer als »›das schärfste Schwert‹ des Parlaments« bezeichnet.102 Der Politikwissenschaftler Winfried Steffani unterstreicht sogar, »[i]n den Diskussionen und der faktischen Realisierung des parlamentarischen Untersuchungsrechts spiegelt [sich] Macht und Elend der deutschen Parlamente wider«.103 Der Rechtswissenschaftler Klaus Eckart sieht die Ausschüsse ebenfalls als »ein[en] Gradmesser der Bedeutung und Stellung der Parlamente«, denn der »Machtgewinn der Parlamente wurde meistens auch mit Zugeständnissen der institutionellen und politischen Partner im Untersuchungsbereich belohnt«.104 Es ist daher interessant, nicht nur die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Demokratien zu betrachten, sondern auch die parlamentarischen Kontrollfunktionen in nicht-demokratischen Systemen. Eine besondere Rolle, die für die Frage nach Transparenz und Transparenzforderungen entscheidend ist, spielt das Prinzip der Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse. Eine Vorstellung ist in diesem Zusammenhang, dass durch die Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse die notwendige Volkssouveränität einer repräsentativen Demokratie gewahrt wird und eine Art Gegengewicht zur Mehrheit erzeugt werden kann. Dies soll für eine möglichst korrekte Un100 Engels; Monier 2020: History of Transparency in Politics and Society. 101 Engels, Dieter: Parlamentarische Untersuchungsausschüsse. Grundlagen und Praxis im Deutschen Bundestag. Heidelberg, 1991, S. 16. 102 Glauben, Paul; Brocker, Lars: Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern. Ein Handbuch mit Kommentierungen zum PUAG. Köln, 2016, S. 3. 103 Steffani, Winfried: Parlamentarische und präsidentielle Demokratie. Strukturelle Aspekte westlicher Demokratien. Opladen, 1979, S. 187. 104 Eckart, Klaus: Das Parlamentarische Untersuchungsverfahren in den ersten drei Legislaturperioden des Deutschen Bundestages. Eine Studie zum parlamentarischen Verhalten und zu dessen Reform. Inaugural- Dissertation. Freudenstadt, 1964, S. 1.

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tersuchung sorgen. Eine weitere Vorstellung ist, dass die Bevölkerung durch die öffentliche Untersuchung Vertrauen in die Politik behält oder neu bildet, da (mögliches) Fehlverhalten und (etwaige) Missstände nicht etwa verschleiert, sondern öffentlich und nicht ›hinter verschlossenen Türen‹ aufgeklärt und kritisch gewürdigt werden.105

Die Kontrolle durch das Parlament muss also öffentlich und transparent sein. Wie genau dies rechtlich geklärt ist, wie es eingehalten wird und wo die Grenzen liegen, wird später anhand der verschiedenen Fallbeispiele aufgezeigt werden. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse haben ihren Ursprung in England, wo sie seit dem 16. Jahrhundert eine »gängige Praxis« bilden.106 Waren es zunächst sogenannte Royal Commissions, also Kommissionen, die von der Krone eingesetzt wurden, änderte sich dies mit der Erweiterung der Machtbefugnisse des Parlaments durch die Verfassungskämpfe im 17. Jahrhundert. Es entstanden zusätzlich die sogenannten Select Committees, die vom Parlament eingesetzt wurden. Beide konnten gleichzeitig ermitteln. Sie wurden häufig verwendet, was sich aber unter anderem mit der Teilung des Parlaments in Mehrheit und Minderheit änderte. Das Interesse, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, lag meist bei der Minderheit, die sich allerdings nicht immer gegen die Mehrheit durchsetzen konnte. So kam es, dass die Untersuchungsausschüsse in England bis heute immer stärker an Bedeutung verloren haben.107 Auch in anderen Ländern wie den USA oder Frankreich bildeten sich erste Untersuchungsausschüsse bereits im 19. Jahrhundert, wobei ihre gesetzliche Grundlage erst im 20. Jahrhundert festgelegt wurde: In den USA im Jahre 1927 und in Frankreich bereits im Jahr 1914.108 In Deutschland wurde das Untersuchungsrecht des Parlaments das erste Mal 1816 in der Verfassung von Sachsen-Weimar-Eisenach erwähnt, wobei es bis 1848/49 nur sehr selten und nur mit der Erlaubnis des Monarchen angewandt wurde. Die Debatten um Untersuchungsausschüsse insbesondere als ein Kontrollinstrument gegenüber der Exekutive verstärkten sich mit der Revolution 1848/49. Hier wurden die parlamentarischen Untersuchungen sogar in der Verfassung der Paulskirche verankert. Durch das Scheitern der Revolution konnten sich die Untersuchungsausschüsse jedoch nicht wirklich etablieren. In einzelnen Länderverfassungen, wie der preußischen Verfassung von 1850, wurde das Kontrollrecht des Parlaments zwar festgehalten, eine rechtliche Grundlage 105 Steffani 1979: Parlamentarische und präsidentielle Demokratie, S. 188. 106 Steffani, Winfried: Die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtages zur Zeit der Weimarer Republik. Ein Beitrag zur Entwicklung, Funktion und politischen Bedeutung parlamentarischer Untersuchungsausschüsse. Düsseldorf, 1960, S. 19. 107 Ibid., S. 21ff. 108 Ibid., S. 27ff.

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für die Untersuchungsausschüsse wurde allerdings nicht geschaffen. Dies änderte sich auch nicht mit der Reichsverfassung 1871, in welcher das parlamentarische Untersuchungsrecht nicht einmal erwähnt wurde. Mit Erlaubnis des Monarchen konnten sogenannte Untersuchungskommissionen eingesetzt werden, die allerdings nicht nur aus Parlamentsmitgliedern, sondern auch aus Regierungsmitgliedern und wichtigen Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Recht bestanden.109 Zu einer ersten rechtlichen Verankerung rein parlamentarischer Untersuchungsausschüsse kam es erst 1919 in der Verfassung von Weimar. Während der Weimarer Republik wurden daraufhin viele Untersuchungsausschüsse eingesetzt, die häufig als »rücksichtsloses Kampfinstrument«110 dienten. Trotz vieler Kritik an den Untersuchungsausschüssen in der Weimarer Republik wurden diese 1949 in das Grundgesetz unter dem Artikel 44 übernommen.111 Der Politikwissenschaftler Jürgen Plöhn definiert parlamentarische Untersuchungsausschüsse als ein ausschließlich aus Abgeordneten zusammengesetztes Gremium des Parlaments […], das zur Erhebung von Tatsachen mit dem jeweils größtmöglichen Umfang an Rechten zur selbstständigen Sachverhaltsaufklärung ausgestattet ist.112

Es handelt sich also um einen Ausschuss, der nur aus Parlamentsmitgliedern besteht und der »zur Erhebung von Tatsachen« eingesetzt wird. Aufgabe des Ausschusses ist es, Sachverhalte, deren Aufklärung entweder von der Parlamentsmehrheit oder der qualifizierten Parlamentsminderheit für notwendig erachtet wird, […] zu untersuchen, ggf. zu werten und dem Parlament darüber Bericht zu erstatten.113

Ziel eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist es nicht, wie bei einem gerichtlichen Strafverfahren, die (Un-)Schuld einer bzw. eines Angeklagten zu ermitteln, sondern die ermittelten Befunde anhand eines Berichts an das Parlament weiterzugeben. Beabsichtigt wird dadurch vor allem »die Offenlegung von Sachverhalten gegenüber der Öffentlichkeit aus unterschiedlicher parteipolitischer Sicht«.114 Interessant ist bei den Ausschüssen, dass heute eigentlich gar nicht von Unparteilichkeit ausgegangen wird, sondern vielmehr 109 110 111 112

Steffani 1979: Parlamentarische und präsidentielle Demokratien, S. 186ff. Germis 1988: Parlamentarische Untersuchungsausschüsse und politischer Skandal, S. 37. Ibid., S. 31ff. Plöhn, Jürgen: Untersuchungsausschüsse der Landesparlamente als Instrumente der Politik. Berlin, 1991, S. 52. 113 Damkowski, Wulf: Der parlamentarische Untersuchungsausschuß. Ein Handbuch für Wissenschaft und Praxis. Frankfurt, 1987, S. 23. 114 Brocker, Lars: Parlamentarische Untersuchungsverfahren und Zurückhaltungsgebot. In: Zeitschrift für Parlamentsfragen 1999, S. 739–748, S. 743.

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davon, dass die verschiedenen Sichtweisen der Parteien ein klareres Bild zustande bringen.115 Die Entscheidungen der Untersuchungsausschüsse haben zunächst keine rechtliche Bindung. Es handelt sich häufig um Feststellungen oder Gesetzes- bzw. Reformvorschläge, die an das Parlament übergeben werden. Dieses kann daraufhin anhand einer Abstimmung über den Bericht entscheiden, wie es mit diesem umgeht. Steffani unterscheidet zudem zwischen vier Arten von Untersuchungsausschüssen, die allerdings nicht immer leicht voneinander abzugrenzen sind. Es gibt die sogenannte Kontrollenquete, die Gesetzgebungsenquete, die Enquete in Kollegialsachen und die politisch-propagandistische Enquete. Die Kontrollenquete beschäftigt sich mit den Missständen innerhalb eines Parlaments bis hin zum Misstrauensvotum oder Ministeranklagen. Die Gesetzgebungsenquete bereitet geplante Gesetze vor. Für die Sicherung der innerparlamentarischen Ordnung sowie für Wahl- und Abgeordneten-Angelegenheiten ist die Enquete in Kollegialsachen zuständig. Die politisch-propagandistische Enquete wird auch Skandalenquete genannt, da sie vor allem politische Skandale im Zusammenhang mit dem Parlament untersucht. Sie wird häufig als politisches Kampfinstrument bezeichnet, das Gerichtsverhandlungen sehr nahekommt.116 Die Auflistung zeigt bereits die Schwierigkeit, insbesondere zwischen Skandal- und Kontrollenquete zu unterscheiden, aber auch die Enquete in Kollegialsachen lässt sich häufig nur schwer von den anderen beiden abgrenzen.117 Es handelt sich hierbei um eine rein theoretische Kategorisierung, die in der Realität nicht immer einzuhalten ist. Rechtswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler unterscheiden heute daher auch zwischen der Sachstands- (Gesetzgebung) und der Missstandsbzw. Kontrollenquete, unter welche unter anderem auch die Skandal-Enquete fallen würde.118 Die in dieser Arbeit behandelten Untersuchungsausschüsse ließen sich dementsprechend alle unter die sogenannte Kontrollenquete einordnen. Die historische Forschung zu Untersuchungsausschüssen ist nahezu nicht existent. Die meiste Forschung zu diesem Thema liegt noch immer bei den Sozial-, aber vor allem auch bei den Rechtswissenschaften. Hierbei geht es häufig um Kritik an den Untersuchungsausschüssen und mögliche Reformen, die zu einer Verbesserung führen könnten. Steffanis Arbeit zu den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen des Preußischen Landtags ist als eine der wenigen historischen Arbeiten zum Thema Untersuchungsausschüsse zu nennen. Doch 115 Glauben; Brocker 2016: Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, S. 173. 116 Schleich, Albrecht: Das parlamentarische Untersuchungsrecht des Bundestages. Berlin, 1985, S. 13ff. 117 Steffani 1960: Die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtags, S. 14ff. 118 Siehe hierzu: Glauben; Brocker 2016: Das Recht der parlamentarischen, S. 55f.

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ist auch dieses Werk bereits 1960 veröffentlicht worden. Während die einzelnen Skandale meist schon historisch gut erforscht sind, werden die Untersuchungsausschüsse in diesem Zusammenhang häufig eher gestreift oder unter einem Kapitel behandelt.119 Der Fokus liegt weiterhin auf dem Skandal; Untersuchungsausschüsse dienen nur dazu, einzelne Aspekte des Skandals näher zu erläutern oder die rein parteipolitischen Aspekte herauszuarbeiten. Die Arbeit der Untersuchungsausschüsse, ihre historische Bedeutung und vor allem der Zusammenhang mit Transparenz wurden bis dato noch nicht näher erforscht.

1.1.6 Andere Forschungsfelder und Begriffe Sicherlich lässt sich diese Arbeit teilweise auch in andere Forschungsfelder, wie zum Beispiel in die Mediengeschichte, einordnen. Obgleich die Arbeit es sich nicht zum Ziel macht, neue Erkenntnisse für die Mediengeschichte herauszuarbeiten, muss diese aufgrund des empirischen Vorgehens und der Quellenauswahl zumindest kurz reflektiert werden. Zudem spielen Medien für Skandale eine entscheidende Rolle, da sie die Skandale häufig öffentlich machen oder thematisieren.120 Die Geschichte der Medien wurde in den vergangenen Jahrzehnten intensiv erforscht. So gibt es zu allen in dieser Arbeit behandelten Perioden und auch übergreifend bereits einige Untersuchungen zur Presse und zu den Medien.121 In der Forschung geht es dabei nur selten allein um die Entwicklung der Medien über die Jahre hinweg. Insbesondere der Zusammenhang von Medien und Öffentlichkeit und vor allem die Frage, wie diese Öffentlichkeit herstellen, wird in der Forschung noch immer intensiv untersucht.122 Auch der Zusammenhang von Medien und Politik und der Wandel dieser Beziehung 119 Siehe u. a.: Geyer, Martin: Kapitalismus und politische Moral in der Zwischenkriegszeit. Oder: Wer war Julius Barmat. Hamburg, 2018; Perthen 2021: Korruption kritisieren; Klein 2014: Korruptionsskandale. 120 Siehe u. a.: Bösch, Frank: Kampf um Normen. Skandale in historischer Perspektive. In: Kristin Bulkow und Christer Petersen (Hg.): Skandale. Strukturen und Strategien öffentlicher Aufmerksamkeit. Wiesbaden, 2011, S. 29–48, S. 29. 121 Siehe u. a.: Bösch, Frank; Frei, Norbert: Medialisierung und Demokratie im 20. Jahrhundert. Göttingen, 2006; Wilke, Jürgen: Massenmedien und Journalismus in Geschichte und Gegenwart, Bremen, 2009; Zimmermann, Clemens: Politischer Journalismus, Öffentlichkeit und Medien im 19. und 20. Jahrhundert. Ostfildern, 2006. 122 Siehe u. a.: Weisbrod, Bernd: Die Politik der Öffentlichkeit – Die Öffentlichkeit der Politik. Politische Medialisierung in der Geschichte der Bundesrepublik. Göttingen, 2003; Hodenberg, Christina von: Die Journalisten und der Aufbruch zur kritischen Öffentlichkeit. In: Ulrich Herbert (Hg.): Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945–1980. Göttingen, 2002, S. 278–311; Hodenberg, Christina von: Konsens und Krise. Eine Geschichte der westdeutschen Medienöffentlichkeit. 1945–1973. Göttingen, 2006.

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werden noch weiterhin für die verschiedenen Perioden erforscht.123 Doch liegen hier bereits genügend Erkenntnisse vor, auf die sich diese Arbeit stützen kann. Diese und die historische Einordnung der Medien sollen in den jeweiligen Kapiteln zu den einzelnen politischen Systemen intensiver betrachtet werden. In diesem Kontext sollte auch kurz der stark diskutierte Begriff »Öffentlichkeit« angesprochen werden.124 Für diese Arbeit wird die Öffentlichkeit als »ein allgemein zugänglicher Kommunikationsraum gefaßt«.125 Vereinfacht soll damit die Gesamtheit aller Personen, die nicht direkt am Geschehen (Skandal und/oder Untersuchungsausschuss) beteiligt waren, bezeichnet werden. Es handelt sich in der Regel um die Mitglieder der Bevölkerung, aber auch um die Presse. Da der Fokus dieser Arbeit auf Deutschland liegt, ist er auf Personen, die in Deutschland leben oder die deutsche Presse verfolgen, begrenzt. Obgleich häufig nur von der Öffentlichkeit gesprochen wird, muss doch klargestellt werden, dass es nicht eine einheitliche Öffentlichkeit gab und gibt. Vielmehr handelt es sich um verschiedene »Teilöffentlichkeiten« mit unterschiedlichen Menschen, die die Öffentlichkeit bilden und die insbesondere durch ihre Herkunft, ihren Status, ihr Geschlecht oder ihre politischen Anschauungen unterschieden werden können. Soweit dies möglich ist, wird es in dieser Arbeit auch genauso unterschieden. Ist das nicht möglich, wird im Zweifel eher auf den Begriff »Bevölkerung« zurückgegriffen. Obgleich auch dieser Begriff die Schwierigkeit birgt, dass es nicht die eine Bevölkerung gibt, sondern auch diese aus verschiedenen Individuen mit unterschiedlichen Ansichten, Geschlechtern und Kontexten besteht und sich über die Zeit wandelt, handelt es sich hierbei zumindest um keinen regelmäßig verwendeten Quellenbegriff wie bei »Öffentlichkeit«. Welche Bedeutung der Begriff »Öffentlichkeit« als Quellenbegriff einnahm, wird in einem späteren Kapitel der Arbeit behandelt.

123 Weisbrod, Bernd: Öffentlichkeit als politischer Prozeß. Dimensionen der politischen Medialisierung in der Geschichte der Bundesrepublik. In: Bernd Weisbrod (Hg.): Die Politik der Öffentlichkeit – Die Öffentlichkeit der Politik. Politische Medialisierung in der Geschichte der Bundesrepublik. Göttingen, 2003, S. 11–25. 124 Siehe hierzu u. a.: Schildt, Axel: Das Jahrhundert der Massenmedien. Ansichten zu einer künftigen Geschichte der Öffentlichkeit. In: Geschichte und Gesellschaft 2001 (27/2), S. 177– 206; Gestrich, Andreas: Jürgen Habermas’ Konzept der bürgerlichen Öffentlichkeit. Bedeutung und Kritik aus historischer Perspektive. In: Clemens Zimmermann (Hg.): Politischer Journalismus, Öffentlichkeit und Medien im 19. und 20. Jahrhundert. Ostfildern, 2006, S. 25–39; Hohendahl, Peter Uwe: Öffentlichkeit. Geschichte eines kritischen Begriffs. Stuttgart, 2000; Münkel, Daniela: Willy Brandt und die »Vierte Gewalt«. Politik und Massenmedien in den 50er bis 70er Jahren. Frankfurt, 2005. 125 Bösch, Frank: Öffentliche Geheimnisse. Die verzögerte Renaissance des Medienskandals zwischen Staatsgründung und Ära Brandt. In: Bernd Weisbrod (Hg.): Die Politik der Öffentlichkeit – Die Öffentlichkeit der Politik. Politische Medialisierung in der Geschichte der Bundesrepublik. Göttingen, 2003, S. 125–150, S. 126.

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1.2

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Fallauswahl, Quellen und Gliederung

1.2.1 Fallauswahl und -vorstellung In dieser Studie werden sechs Fälle näher betrachtet und untersucht. Es handelt sich hierbei nur um exemplarische Fälle, die allerdings unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren bewusst ausgewählt wurden. Für jedes politische System (Kaiserreich, Weimarer Republik und Bonner Republik) wurden dabei jeweils zwei Fälle herangezogen. Diese Fälle haben zunächst einmal gemein, dass es sich immer um politische Korruptionsskandale handelte, die ein großes Aufsehen erregten. Dieses Aufsehen musste auch über die Stadt oder die Region hinausreichen, wenngleich es sich vielleicht um einen eher lokalen Skandal handelte. Durch das große, überregionale Interesse ist zu vermuten, dass die Forderungen und Diskussionen um Transparenz verstärkt auftauchen und sich somit anhand dieser großen Skandale besser ablesen lassen. Ein nächstes wichtiges Kriterium für die Auswahl ist, dass diese politischen Korruptionsskandale zur Einsetzung mindestens eines Untersuchungsausschusses bzw. einer Untersuchungskommission geführt haben müssen. Denn nicht auf jeden Skandal folgt automatisch eine parlamentarische Untersuchung. Zwischen den verschiedenen Fällen sollte außerdem, sowohl im System als auch systemübergreifend, ein gewisser zeitlicher Abstand vorhanden sein, sodass sich mögliche Tendenzen identifizieren lassen. Die Fälle lassen sich zudem besonders innerhalb der politischen Systeme anhand der Ähnlichkeit der Bestechungsvorwürfe gut miteinander vergleichen. Obgleich die Art der Korruption sich systemübergreifend teilweise unterscheidet, gibt es aber auch hier innerhalb der Arbeit der Ausschüsse Parallelen. Immer wieder kam es zu ähnlichen Situationen oder Herausforderungen, denen sich die Ausschüsse zu den verschiedenen Zeitpunkten stellen mussten. Die Auswahl des Zeitraums und der Fälle soll ermöglichen, Diskussionen um Transparenz und Transparenzforderungen vor dem großen Durchbruch des Transparenz-Begriffes (1980er bzw. 1990er Jahre) zu untersuchen und aufzuzeigen, dass diese, obgleich mit anderen Begrifflichkeiten, trotzdem bereits vorhanden waren. Im Kaiserreich, das in dieser Arbeit als eine Art Vorgeschichte dienen soll, wurden zwei große Korruptionsskandale und ihre Untersuchungskommissionen ausgewählt. Beide Skandale behandeln korrupte Handlungen gegenüber Politikern, die allerdings von (privat-)wirtschaftlichen Akteuren ausgeführt wurden. Bei dem ersten handelt es sich um den Skandal rund um das Eisenbahnkonzessionswesen und Bethel Henry Strousberg aus dem Jahre 1873, also in der Bismarck-Ära. Der Vorwurf lautete, es sei zu Korruption im Eisenbahnkonzes-

Fallauswahl, Quellen und Gliederung

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sionswesen zum Vorteil von Strousberg gekommen. 1873 forderte der Abgeordnete Eduard Lasker daraufhin die Untersuchung dieser Vorwürfe durch eine Untersuchungskommission. Der zweite Fall aus der Zeit des Kaiserreichs behandelt den sogenannten Kornwalzer-Skandal und die Affäre um die Firma Krupp in der wilhelminischen Ära. Hier kam es ebenfalls zu Korruptionsvorwürfen, die von Karl Liebknecht 1913 öffentlich ins Parlament gebracht wurden und zur Einsetzung einer Untersuchungskommission führten. Der Vorwurf lautete, die Firma Krupp habe sich durch Korruption wichtige Informationen beschafft, um somit ihre Monopolstellung zu sichern. Für die Weimarer Republik war die Auswahl an möglichen Fällen sehr groß, da die geforderten Kriterien auf viele Fälle dieser Zeit zutrafen. Für diese Studie wurden dabei zwei der größten und bekanntesten Korruptionsskandale gewählt: der Barmat-Skandal und der Sklarek-Skandal. Obgleich diese in der Forschung schon häufiger untersucht wurden, bleibt die Analyse ihrer Untersuchungsausschüsse und die Frage der Transparenz weiterhin ein Desiderat. Bei diesen Skandalen ging es ebenfalls um hochrangige Politiker, die angeblich durch wirtschaftliche Akteure korrumpiert wurden. Im Barmat-Skandal 1925 wurde den Barmat-Brüdern der Vorwurf gemacht, Politiker und wichtige Persönlichkeiten der Weimarer Republik bestochen zu haben, um nach Deutschland zu gelangen und um zum Zweck des Aufbaus ihrer Geschäfte ungedeckte Kredite zu erhalten. Ein ähnlicher Vorwurf wurde 1929 den Sklarek-Brüdern gemacht. Auch sie hätten Politiker und wichtige Persönlichkeiten der Stadt Berlin bestochen, um dadurch Kredite zu erhalten und ihr Monopol zur Belieferung städtischer Einrichtungen zu sichern. Die Zeit des Nationalsozialismus entfällt in dieser Arbeit, da es – mit Ausnahme von 1933126 – zu dieser Zeit keine parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zur Untersuchung von politischen Korruptionsskandalen gab. Dies heißt allerdings nicht, dass es nicht auch zu dieser Zeit zu Korruption und Skandalen kam.127 In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg liegt der Fokus au126 Einige Untersuchungsausschüsse reichten noch bis in den Nationalsozialismus, wie z. B. der Ausschuss zur sogenannten Osthilfe. Diese wurden allerdings kurze Zeit später aufgelöst. Siehe hierzu u. a.: Klein 2014: Korruption und Korruptionsskandale in der Weimarer Republik, S. 450ff. 127 Siehe hierzu auch: Bajohr, Frank: Parvenüs und Profiteure. Korruption in der NS-Zeit. Frankfurt, 2001; Bajohr, Frank: Korruption in der NS-Zeit als Spiegel des nationalsozialistischen Herrschaftssystems. In: Jens Ivo Engels, Andreas Fahrmeir und Alexander Nützenadel (Hg.): Geld – Geschenke – Politik. Korruption im neuzeitlichen Europa. München, 2009, S. 231–248; Angermund, Ralph: Corruption Under German National Socialism. In: Arnold Heidenheimer und Michael Johnston (Hg.): Political Corruption. Concepts & Contexts. New Jersey, 2007³, S. 605–620; Angermund, Ralph: Korruption im Nationalso-

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ßerdem auf Westdeutschland, während die DDR außen vor gelassen wird. Dies lässt sich vor allem darauf zurückführen, dass es in der DDR nicht zur Einsetzung von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zur Behandlung politischer Korruptionsskandale kam. Für die Bonner Republik wurde ein Fall zu Beginn der Republik und ein Fall gegen Ende des Untersuchungszeitraums ausgewählt. Das erste Fallbeispiel ereignete sich bereits 1951. Es handelt sich um die sogenannte Hauptstadt-Affäre, in welcher der Vorwurf laut wurde, es sei zu Korruption in der Abstimmung über die Hauptstadt zum Nachteil von Frankfurt am Main und zum Vorteil von Bonn gekommen. Das letzte Fallbeispiel behandelt die Steiner-Wienand-Affäre aus dem Jahr 1973, in der die Anschuldigung erhoben wurde, es sei während des Misstrauensvotums gegen Willy Brandt zu Bestechungen gekommen. Bei diesen beiden Fällen handelte es sich um Korruption innerhalb des politischen Spektrums. Politikern wurde der Vorwurf gemacht, andere Politiker bestochen zu haben.

1.2.2 Quellen und Quellenproblematik Als Hauptquellen für diese Studie dienen vor allem die Protokolle und Drucksachen der verschiedenen Parlamente sowie die der Untersuchungsausschüsse. Bei den Protokollen und Drucksachen der Parlamente werden bevorzugt die Sitzungen analysiert, die sich mit den Untersuchungsausschüssen zu den jeweiligen Fällen beschäftigen. Hierbei handelt es sich meist um die Sitzungen kurz vor und kurz nach der Einsetzung eines Ausschusses sowie die Sitzungen zur Besprechung seines Berichts. Ferner werden auch Sitzungen beleuchtet, die die jeweiligen Untersuchungsausschüsse eher streifen oder kurz behandeln. Außerdem werden spätere Sitzungen – nach Ende der Ausschussarbeiten –, die Rückbezüge zu den Ausschüssen herstellen oder die das Thema Untersuchungsausschüsse allgemein behandeln, näher betrachtet. Bei den Ausschussprotokollen werden sowohl die der öffentlichen als auch (wenn möglich) die der nicht öffentlichen Sitzungen analysiert. Insbesondere für die Zeit vor der Bonner Republik stellt dies allerdings eine größere Schwierigkeit dar, da zu den nicht öffentlichen Sitzungen häufig keine Protokolle existieren. Im Zusammenhang mit den Untersuchungsausschüssen werden zudem noch Zuschriften von diesen und an diese sowie der abschließende Bericht herangezogen. zialismus. Eine Skizze. In: Christian Jansen, Lutz Niethammer und Bernd Weisbrod (Hg.): Von der Aufgabe der Freiheit. Politische Verantwortung und bürgerliche Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Festschrift für Hans Mommsen zum 5. November 1995. Berlin, 1995, S. 371–384.

Fallauswahl, Quellen und Gliederung

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Ergänzend zu diesen Quellen werden einzelne Presseberichte herangezogen. Für die Zeit des Kaiserreichs handelt es sich um Ausschnitte aus ganz verschiedenen Zeitungen, die in Zeitungsmappen verschiedener Archive zu den Skandalen gesammelt wurden. In der Weimarer Republik sind es vor allem die drei Tageszeitungen Rote Fahne, Vorwärts und Neue Preußische Zeitung, die die politischen Richtungen widerspiegeln sollen. Für die Bonner Republik werden vorwiegend Der Spiegel als liberales Magazin und die Frankfurter Allgemeine Zeitung als eher konservative Tageszeitung näher betrachtet. Die Auswahl wurde so getroffen, dass möglichst verschiedene »Teilöffentlichkeiten« durch die Presse vertreten werden. Ziel der Berücksichtigung der Presseartikel in dieser Studie ist es einerseits, zusätzliche Informationen zu erhalten. Andererseits sollen sie helfen, ein klareres Bild der Debatten über die Untersuchungsausschüsse zu erhalten. Gleichzeitig waren sie als Intermediär zwischen Ausschuss und den politisch Interessierten eines der wichtigsten Mittel, um Transparenz zu schaffen, und müssen allein deswegen auch in Betracht gezogen werden. Auch die einzelnen Verfassungen sowie verschiedene Dokumente und Debatten um die Verfassungen, die sich spezifisch mit dem Thema Untersuchungsausschüsse beschäftigen, sind wichtige Quellen. Hierbei geht es vor allem um die Debatten vor dem Erlass einer Verfassung oder um Verfassungsreformdebatten. Ferner zählen hierzu auch rechtliche Dokumente, die sich speziell mit den Reformen oder Reformwünschen in Hinblick auf Untersuchungsausschüsse auseinandersetzen. Eine weitere Quellengruppe bilden die Schriften, die sich mit dem Thema Untersuchungsausschüsse befassen. Hierbei handelt es sich nicht zwingend um Dokumente, die im Kontext einer offiziellen Reform oder eines Reformvorschlags zu verorten sind. Vielmehr handelt es sich um allgemeine Schriften, die meist der Kritik oder als Verbesserungsvorschläge für die Ausschussarbeiten dienten. Als Beispiel können die Protokolle des Deutschen Richtertags 1925, des Deutschen Juristentags 1926 und 1964 oder die Verbesserungsvorschläge ehemaliger Ausschussmitglieder in den 1970er Jahren herangezogen werden. Zudem wurden noch verschiedene Wörterbücher und Lexika betrachtet, die dazu dienen, den Begriff »Transparenz« für den jeweiligen Zeitpunkt zu definieren. Eine der Schwierigkeiten bezüglich der Quellen wurde bereits oben erwähnt: Für die nicht öffentlichen Sitzungen gibt es für die Weimarer Republik häufig keine Protokolle. Zusätzliche Informationen konnten teilweise aus den Presseartikeln gewonnen werden, im Zweifel musste allerdings auf diese Informationen verzichtet werden. Gravierender ist es allerdings noch für die Zeit des Kaiserreichs. Hier existieren nahezu gar keine Protokolle für die Untersuchungskommission. Hier kann fast nur mit den Protokollen des Parlaments, Zeitungen und Zuschriften gearbeitet werden und daher nur auf die öffentliche Debatte eingegangen werden. Da

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Einleitung

das Kaiserreich allerdings nur als eine Art Vorgeschichte dienen soll und die Untersuchungskommissionen des Kaiserreichs ohnehin anders funktionierten als parlamentarische Untersuchungsausschüsse, war dieser Umstand keine größere Einschränkung für die Studie. Neben diesen Schwierigkeiten stellte aber auch die Fülle an Quellen eine große Herausforderung dar. Allein die Protokolle der Untersuchungsausschüsse füllen mehrere tausend Seiten und es ist daher unmöglich, auf jeden Aspekt genauer einzugehen. Ähnliches zeigt sich auch bei den Zeitungsartikeln. Viele verschiedene Zeitungen berichteten regelmäßig über die Skandale und die Arbeit der jeweiligen Ausschüsse. Daher wurde auch hier eine Vorauswahl getroffen. Trotz der Einschränkungen ermöglichen die verschiedenen Quellen eine gute empirische Analyse, um die vorgestellten Thesen und Fragestellungen zu untersuchen.

1.2.3 Aufbau der Arbeit Die Arbeit gliedert sich neben Einleitung und Fazit in fünf Teile. Das zweite Kapitel (nach der Einleitung) widmet sich den Untersuchungskommissionen der zwei Fälle in der Zeit des Kaiserreichs und dient als eine Vorgeschichte für die folgenden Kapitel. Hierbei werden zunächst vor allem die Diskussionen um das Thema Untersuchungsausschüsse und Transparenz analysiert. Abschließend examiniert dieses Kapitel, welche Mittel den Kommissionen zur Verfügung standen, um Transparenz zu schaffen, und wie diese genutzt wurden. Das folgende Kapitel untersucht die Debatten rund um die zwei ausgewählten Untersuchungsausschüsse der Weimarer Republik. Neben den unmittelbaren Diskussionen um diese betrachtet das Kapitel auch die allgemeinen, theoretischen und praktischen Debatten rund um das Thema Untersuchungsausschüsse in dieser Zeit. So werden zum Beispiel die Vorschläge Max Webers und die Arbeiten der verfassungsgebenden Nationalversammlung in diesem Zusammenhang näher analysiert. Das vierte Kapitel widmet sich schließlich der Zeit der Bonner Republik bis 1973/74. Hier werden ebenfalls sowohl die Debatten um die zwei konkreten Untersuchungsausschüsse als auch die allgemeinen Diskussionen untersucht. Dabei geht es neben den Arbeiten des Parlamentarischen Rats auch um verschiedene Reformvorschläge, unter anderem durch die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft (IPA). In einem eher kurzen Kapitel werden auf Grundlage der zuvor bearbeiteten Debatten und verschiedener Wörterbücher die unterschiedlichen Transparenzbegriffe seit dem Kaiserreich näher betrachtet. Das Kapitel untersucht, welche Begriffe anstelle von »Transparenz« im gesamten Untersuchungszeitraum ge-

Fallauswahl, Quellen und Gliederung

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nutzt wurden. Dabei geht es insbesondere auch darum, zu ermitteln, wer wann welche Begriffe mit welchen Intentionen gebrauchte. Im letzten Kapitel werden daraufhin die Mittel der Untersuchungsausschüsse zur Herstellung von Transparenz von der Weimarer bis zur Bonner Republik dargestellt. Diese werden in einem Kapitel gemeinsam bearbeitet, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden. Anders als in der Zeit des Kaiserreichs ähnelten sich diese verschiedenen Möglichkeiten zur Transparenzerzeugung in den beiden Systemen nämlich stark. Auf mögliche Unterschiede wird dennoch eingegangen. Die Arbeit wird mit einem abschließenden Fazit abgerundet. Dieses gibt nicht nur eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse der vorgelegten Studie, sondern zeigt auch weitere Forschungsdesiderate auf und gibt einen inhaltlichen Ausblick in diesem Bereich.

2.

Das Kaiserreich – zaghafte Versuche für mehr Transparenz?128

Anders als in den später in dieser Arbeit untersuchten politischen Systemen handelte es sich beim Kaiserreich nicht um eine parlamentarische Demokratie, sondern um eine konstitutionelle Monarchie mit föderaler Struktur. Welche Rolle das Parlament in dieser konstitutionellen Monarchie wirklich einnahm, bleibt bis heute umstritten. Es gilt auch hier, ähnlich wie für die gesamte Forschung zum Kaiserreich, »daß es keine mehr oder minder vorherrschende geschlossene Sichtweise […] mehr gibt, sondern eine Vielzahl von teils konkurrierenden, teils friedlich koexistierenden Bildern aus ganz unterschiedlichen Perspektiven«.129 Einige Historikerinnen und Historiker argumentieren, es sei im Kaiserreich zwar zu einer »Politisierung und Demokratisierung der Gesellschaft«130 gekommen, nicht aber zu einer »›stillen‹ Parlamentarisierung«.131 Ei128 Dieses Kapitel folgt in Teilen der Struktur und den Argumenten eines bereits auf Spanisch erschienenen Artikels: Zimmermann, Sandra: El fin del secreto de estado? Las comisiones de investigación en el Imperio Alemán como intento de crear transparencia (1871–1913). In: Frédéric Monier; Lluís Ferran Toledano; Joan Pubill und Gemma Rubí: Las sombras de la transparencia. Secreto, corrupción y »estado profundo« en la España contemporánea. Granada, 2022, S. 115–132. 129 Torp, Cornelius; Müller, Sven Oliver: Das Bild des Deutschen Kaiserreichs im Wandel. In: Sven Oliver Müller und Cornelius Torp (Hg.): Das Deutsche Kaiserreich in der Kontroverse. Göttingen, 2009, S. 9–27, S. 27. 130 Langewiesche, Dieter: Politikstile im Kaiserreich. Zum Wandel von Politik und Öffentlichkeit im Zeitalter des »politischen Massenmarktes«. In: Lothar Gall (Hg.): Regierung, Parlament und Öffentlichkeit im Zeitalter Bismarcks. Politikstile im Wandel. Paderborn; München; Wien; Zürich, 2003, S. 1–22, S. 15. 131 Zitat: Rauh, Manfred: Die Parlamentarisierung des Deutschen Reiches. Düsseldorf, 1977, S. 36; siehe hierzu auch: Kühne, Thomas: Demokratisierung und Parlamentarisierung. Neue Forschungen zur politischen Entwicklungsfähigkeit Deutschlands vor dem Ersten Weltkrieg. In: Geschichte und Gesellschaft 2005 (31), S. 293–316, S. 315; Schönberger, Christoph: Die überholte Parlamentarisierung. Einflußgewinn und fehlende Herrschaftsfähigkeit des Reichstags im sich demokratisierenden Kaiserreich. In: Historische Zeitschrift 2003 (3), S. 623–666; Retallack, James (2009): Obrigkeitsstaat und politischer Massenmarkt. In: Sven Oliver Müller und Cornelius Torp (Hg.): Das Deutsche Kaiserreich in der Kontroverse. Göttingen, S. 121–136, S. 127f.

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Das Kaiserreich – zaghafte Versuche für mehr Transparenz?

nigkeit besteht allerdings auch bei ihnen darin, dass der Reichstag im Kaiserreich zunehmend »an Einfluß«132 und Macht gewann.133 Andere Forschende fordern vielmehr die Unterscheidung zwischen der Regierungszeit Bismarcks und dem wilhelminischen Zeitalter. Zu Beginn des Kaiserreichs sei dem Reichstag eine besondere »Funktion als wichtigstes Symbol der politischen Nation« zugekommen, welche er unter Wilhelm II. und der Konkurrenz durch das Militär einbüßen musste.134 Gleichzeitig häuften sich in diesen Jahren, bedingt durch die »Medialisierung«, die Skandale.135 Durch diese zunehmende Berichterstattung der Presse vergrößerte sich auch das Interesse an diesen Skandalen. Dies wiederum führte, dem Historiker Frank Bösch zufolge, unter anderem zu einer »Politisierung der Gesellschaft«,136 da sich »das Spektrum derjenigen, die aktiv an der Umgestaltung des Kaiserreichs teilnahmen[,] [erweiterte]«.137 Die Medien und das Parlament hätten somit schließlich zunehmend zu einer »Verdichtung des öffentlichen Raumes« geführt.138 Obgleich es also nicht zu einer Parlamentarisierung kam, gewann der Reichstag so indirekt an Macht. In dieser Arbeit wird ebenfalls die Annahme vertreten, dass es im Kaiserreich zu keiner »stillen Parlamentarisierung« kam. Trotzdem wird dem Reichstag ein gewisser Einfluss auf die Politik des Kaiserreiches sowie die Bestrebung nach einem noch größeren Einfluss zugeschrieben. Hierfür nutzte er insbesondere sein Kontrollrecht, was, dem Historiker Christoph Schönberger zufolge, aber gleichzeitig den »konstitutionellen Dualismus« zwischen Reichstag und -regierung förderte.139 Insbesondere in dieser Perspektive stellen die Untersuchungskommissionen einen interessanten Forschungsgegenstand dar. Sie fungierten als ein Instrument, das sowohl Reichsregierung als auch Reichstag miteinander verband und zur Zusammenarbeit zwang. Zudem, so wird in diesem Kapitel argumentiert, versuchten Vertreter des Reichstages durch dieses Instrument einen größeren Einfluss auf die Politik der Regierung zu erlangen. In diesem Zusammenhang lässt sich Steffanis These untersuchen, dass sich »[i]n den Diskussionen und der faktischen Realisierung des parlamentarischen Untersuchungsrechts […] Macht und Elend der deutschen Parlamente wider[spiegeln]«.140 132 Schönberger 2003: Die überholte Parlamentarisierung, S. 633. 133 Kühne 2005: Demokratisierung und Parlamentarisierung, S. 312. 134 Biefang, Andreas: Der Reichstag als Symbol der politischen Nation. Parlament und Öffentlichkeit. In: Lothar Gall (Hg.): Regierung, Parlament und Öffentlichkeit im Zeitalter Bismarcks. Politikstile im Wandel. Paderborn; München; Wien; Zürich, 2003, S. 23–42, S. 42. 135 Bösch 2009: Grenzen des »Obrigkeitsstaates«, S. 139. 136 Ibid. 137 Ibid., S. 152. 138 Ibid. 139 Schönberger 2003: Die überholte Parlamentarisierung, S. 665. 140 Steffani 1979: Parlamentarische und präsidentielle Demokratie, S. 187.

Die Untersuchungskommissionen des Kaiserreichs

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Inwiefern die Untersuchungskommissionen hierbei als Instrument zur Herstellung von Transparenz genutzt wurden und welche Rolle Transparenz als Argument überhaupt spielte, wird im Folgenden näher analysiert. Dabei ist eine Hypothese, dass – bedingt durch die Stellung des Parlaments im Kaiserreich – das Transparenzargument und die Transparenzforderungen vor allem dazu genutzt wurden, dem Parlament einen erweiterten Informationszugang zu gewähren und seine Position gegenüber der Regierung zu stärken. Es wird außerdem angenommen, dass die Untersuchungskommissionen aufgrund ihrer Stellung im System, ihrer Zusammensetzung und ihrer Funktionsweise nur eingeschränkt als ein Transparenzinstrument wahrgenommen werden können. Eine Annahme ist zudem auch, dass die sich Transparenzforderungen in dem Zeitraum verändert haben.

2.1

Die Untersuchungskommissionen des Kaiserreichs

Bereits im Kaiserreich existierten sogenannte Untersuchungskommissionen, welche dem Parlament das Kontroll- und Untersuchungsrecht gewähren sollten. Anders als später in der Weimarer oder in der Bonner Republik handelte es sich hierbei aber nicht um rein parlamentarische Untersuchungsausschüsse. Diese Kommissionen bestanden nur in Teilen aus Parlamentariern. In ihnen befanden sich zudem Regierungsvertreter sowie Experten für bestimmte Gebiete, wie zum Beispiel für Wirtschaft. Obgleich sie also dem Parlament das Untersuchungsrecht und somit auch die Kontrolle der Regierung ermöglichen sollten, wurde diese Funktion durch die anderen Vertreter direkt wieder eingeschränkt. Hinzu kam, dass diese Kommissionen nicht in der Reichsverfassung festgeschrieben, sondern eine Art Zugeständnis der Regierung gegenüber dem Parlament waren.141 Nicht einmal ein Untersuchungsrecht des Parlaments war in der Reichsverfassung gegeben. Lediglich in einigen Länderverfassungen, wie zum Beispiel in der preußischen Verfassung, fand sich ein Artikel, der beiden Kammern Untersuchungen zugestand. Die Formulierung und damit auch die Befugnisse blieben allerdings sehr vage.142 Dennoch kam Preußen eine große Bedeutung zu, »indem es anfangs [1850, SZ] in beispielhafter Weise als einflußreicher deutscher Einzelstaat eine beachtenswerte Untersuchungspraxis entwickelte« und schließlich auch »die Untersuchungspraxis in dem zum Bismarck’schen Reich erweiterten Preußen maßgebend bestimmte«.143 Anders als später in Weimar oder Bonn 141 Siehe hierzu auch: Zweig, Stefan: Das parlamentarische Enqueterecht nach deutschem und österreichischem Recht. In: Zeitschrift für Politik 1913 (6), S. 265–345, S. 265. 142 (Revidierte) Preußische Verfassung (1850). Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat 31. Januar 1850. URL : https://www.jura.uni-wuerzburg.de [10. 11. 2021]. 143 Steffani 1960: Die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtags, S. 69.

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Das Kaiserreich – zaghafte Versuche für mehr Transparenz?

konnten die Kommissionen nicht durch die Parlamentsminderheit, sondern nur durch die -mehrheit beantragt werden.144 Zudem tagten die eingesetzten Gremien nicht öffentlich. Ein direkter Zugang zu Informationen wurde somit nicht ermöglicht. Vielmehr gaben die Untersuchungskommissionen gezielt Informationen an die Presse oder das Parlament weiter, welche diese dann an die Bevölkerung kommunizierten.

2.2

Korruptionsskandale im Kaiserreich

Es kann zunächst den Anschein erwecken, als hätte es im Kaiserreich weniger Korruptionsfälle gegeben als in anderen politischen Systemen dieser oder späterer Zeit. Fakt ist allerdings, dass das Pressegesetz und somit ebenfalls die Zensur in der konstitutionellen Monarchie des Kaiserreichs viel strenger waren als in vielen anderen Systemen.145 Zudem hat sich das Kaiserreich selbst als »sauber« und nicht korrumpierbar angesehen und die Vertreter haben versucht, dieses Bild in der Öffentlichkeit aufrechtzuerhalten.146 Trotzdem kam es auch im Kaiserreich immer wieder zu Korruptionsfällen, die sich zu Skandalen entwickelten. Bei diesen handelte es sich häufig um Korruptionsvorwürfe, die vor das Parlament gebracht und dann von der Presse veröffentlicht wurden. Die Bedeutung der Presse im Kaiserreich als Vermittlerin zwischen Parlament und Außenstehenden ist unumstritten. So stand »der Reichstag im Zentrum der politischen Berichterstattung«147 und der Anteil an der Berichterstattung über den Reichstag vergrößerte sich vor allem zwischen 1870 und 1890 stetig.148 Die »politische Öffentlichkeit« nutzte nur selten die stenographischen Protokolle, um sich über die Geschehen im Reichstag zu informieren, sondern fokussierte sich auf die Presseberichterstattung.149 Diese brachte aber auch Schwierigkeiten mit sich. Denn die Presse des Kaiserreichs war stark politisch gefärbt und orientierte sich in ihrer Berichterstattung an ihrer politischen Gesinnung. Eine objektive Berichterstattung war also nicht nur nicht möglich, sondern gar nicht erwünscht. Vielmehr berichteten die verschiedenen Zeitungen für »Teilöffentlichkeiten« mit unterschiedlichen Intentionen. Zudem waren viele Parlaments-

144 Groß, Phillip; Groß, Rolf: Empfiehlt es sich, Funktion, Struktur und Verfahren der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse grundlegend zu ändern? In: Juristische Rundschau 1964 (9), S. 327–332, S. 329. 145 Engels; Rothfuss 2013: Les usages de la politique du scandale, S. 37. 146 Rothfuss 2019: Korruption im Kaiserreich, S. 26. 147 Biefang 2003: Der Reichstag als Symbol der politischen Nation, S. 33. 148 Ibid., S. 34. 149 Ibid., S. 29.

Der Skandal um das Eisenbahnkonzessionswesen

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mitglieder selbst Journalisten.150 Skandale im Kaiserreich werden in der Geschichtswissenschaft mittlerweile vermehrt zum Gegenstand der Forschung.151 Die bisherigen Untersuchungen haben dabei nicht nur gezeigt, dass es auch im Kaiserreich zu einigen Korruptionsfällen und -skandalen kam, sondern außerdem, welche Bedeutung diese Skandale im allgemeinen Diskurs dieser Zeit einnahmen. Diese Arbeit konzentriert sich auf zwei bereits erforschte Skandale des Kaiserreichs: die Affäre um das Eisenbahnkonzessionswesen (1873) und die Kornwalzer-Affäre (1913). Anhand dieser Affären soll die Rolle der Untersuchungskommissionen als Transparenzinstrument sowie die Bedeutung von Transparenz als Argument in den politischen Debatten betrachtet werden, da diese Themen in der Forschung bisher weitestgehend vernachlässigt wurden. Dafür werden im Folgenden zunächst die beiden Skandale und die Einsetzung der Kommissionen näher vorgestellt. Anschließend werden die Debatten in ihnen und um sie analysiert.

2.3

Der Skandal um das Eisenbahnkonzessionswesen152

Im Jahr 1873 entwickelte sich der Korruptionsvorwurf um den »Eisenbahnkönig« Bethel Henry Strousberg zum »ersten Korruptionsskandal des Deutschen Kaiserreichs«.153 Am 14. Januar 1873 erhob der preußische nationalliberale Abgeordnete Eduard Lasker im Zuge der Haushaltsdebatte im Preußischen Abgeordnetenhaus, in der es unter anderem um den Eisenbahnetat ging, den Vorwurf, es sei bei der Vergabe von Eisenbahnkonzessionen zu Korruption gekommen. Diesen Vorwurf wiederholte er verstärkt im Februar 1873, als der Ministerpräsident in einem Antwortschreiben an Lasker diese Anschuldigungen bestritt. Lasker prangerte dabei vor allem an, dass die Eisenbahnkonzessionen durch Bestechung oder andere Begünstigungen an verschiedene Privatleute vergeben worden seien. Die Anschuldigung richtete sich insbesondere gegen den Ge-

150 Zur Rolle der Presse als Vermittlerin in den Ausschussarbeiten siehe Kapitel 6.3, S. 282ff.; siehe außerdem: Requate, Jörg: Kennzeichen der deutschen Mediengesellschaft des 19. Jahrhunderts. In: Jörg Requate (Hg.): Das 19. Jahrhundert als Mediengesellschaft. München, 2009, S. 30–42; Rotfhuss 2019: Korruption im Kaiserreich, S. 39ff. 151 Siehe hierzu auch: Bösch 2009: Grenzen des »Obrigkeitsstaates«. 152 Um den Fall in seiner gesamten Komplexität zu verstehen, siehe auch: Roth, Ralf: Der Sturz des Eisenbahnkönigs Bethel Henry Strousberg. Ein jüdischer Wirtschaftsbürger in den Turbulenzen der Reichsgründung. In: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 2001 (10), S. 86–112; Borchart, Joachim: Zug um Zug. Aufstieg und Fall des genialen Unternehmers Bethel Henry-Strousberg. In: Kultur & Technik 1992 (1), S. 19–23; Ziegler, Dieter: Eisenbahnen und Staat im Zeitalter der Industrialisierung. Stuttgart, 1996. 153 Rothfuss 2019: Korruption im Kaiserreich, S. 49.

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Das Kaiserreich – zaghafte Versuche für mehr Transparenz?

schäftsmann Strousberg, der es geschafft hatte, nahezu ein Monopol im Eisenbahnbau zu erlangen. Strousberg wurde 1823 in Ostpreußen unter dem Namen Baruch Hirsch Strausberg geboren und war jüdischer Abstammung.154 Nach dem Tod seines Vaters zog er nach London zu seinem Onkel, bei dem er seine Lehre abschloss. In London beschäftigte er sich zunehmend auch mit der Börse und dem Finanzwesen und wurde zu einem Experten auf diesem Gebiet. Später anglisierte er seinen Namen zu Bethel Henry Strousberg. Er kehrte schließlich nach Deutschland zurück und investierte hier in den Eisenbahnbau durch den Erwerb von Eisenbahnkonzessionen. So schaffte er es wiederholt, Eisenbahnstrecken (wie zum Beispiel die Eisenbahn von Insterburg nach Tilsit) trotz teilweise gesetzlicher Schwierigkeiten zu erbauen. Doch bereits vor dem Skandal wurde er vor allem für seinen ausladenden Lebensstil kritisiert. Die Kritik häufte sich, nachdem er sich beim Bahnbau in Rumänien verspekuliert hatte, und gipfelte in dem hier beschriebenen Skandal. Es wurden aber nicht nur diese Handlungen kritisiert, sondern die Anschuldigung zielte vielmehr indirekt darauf ab, die gesamte Eisenbahnpolitik des Handelsministers Graf Heinrich Friedrich August von Itzenplitz anzugreifen. Während die Eisenbahn bis in die späten 1850er Jahre sowohl von privaten als auch von staatlichen Eisenbahnbetrieben finanziert wurde, nahm die Privatisierung der Bahn insbesondere durch den Handelsminister von Itzenplitz ab 1862 stetig zu. Nun konnten Konzessionen an Geschäftsleute verkauft werden. Die zuvor staatlichen Strecken wurden dabei an Privatleute aus der Wirtschaft, wie Strousberg, vergeben. Diese Privatisierung führte bereits von Anbeginn insbesondere in den ländlichen Regionen zu großer Kritik. Diese wurden nun nicht mehr genügend gefördert, da sie nicht »rentabel« erschienen.155 Nach der Veröffentlichung der Korruptionsvorwürfe gelang es Strousberg nicht mehr, sich zu rehabilitieren. Er zog zunächst nach Moskau und finanzierte sich dort über Kredite. Nachdem er diese nicht zurückzahlen konnte, wurde er festgenommen und unter anderem wegen des Verdachts auf Bestechung bei der Kreditvergabe angeklagt. Er wurde des Landes verwiesen und lebte seine letzten Jahre in Berlin in einfachen Verhältnissen, nachdem sein früherer Besitz in die Konkursmasse einging.156 Lasker prangerte in seiner Rede vom 14. Januar 1873 an, es seien Konzessionen an Personen vergeben worden, »bei denen sich der Verdacht regt, daß sie die Stellung ihres Amtes oder ihrer sonstige gesellschaftliche Stellung zu ge154 Zur Judenfeindlichkeit in den Korruptionsdebatten des Kaiserreichs siehe: Rothfuss 2019: Korruption im Kaiserreich, S. 78ff. 155 Rothfuss 2019: Korruption im Kaiserreich, S. 54. 156 Siehe hierzu auch: Borchart 1992: Zug um Zug, S. 19ff.

Der Skandal um das Eisenbahnkonzessionswesen

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schäftsmäßigen Vortheilen ausnutzen«.157 Mit diesem Vorwurf kritisierte er direkt das Eisenbahnkonzessionswesen und das Handelsministerium, welches sich habe korrumpieren lassen. Dieser Vorwurf war von besonderer Bedeutung, da Lasker in seiner Rede noch einmal die wichtige Stellung der Eisenbahn und die damit verbundene Macht der Konzessionsvergabe betonte. Während von Itzenplitz einigen Kommunen und Unternehmern verschiedene Konzessionen nicht zugestanden habe, habe er Unternehmer wie Strousberg bewusst bei der Konzessionsvergabe bevorzugt. Dieser Vorwurf begrenzte sich allerdings nicht nur auf von Itzenplitz. Auch andere, insbesondere adelige Persönlichkeiten, wie zum Beispiel Prinz Biron von Kurland, hätten ihre Stellungen ausgenutzt und auf illegale Weise mit den Eisenbahnkonzessionen gehandelt. Durch dieses Vorgehen sei nicht nur der Eisenbahnbau, sondern auch der Staat und sein ganzes Ansehen geschädigt worden.158 Bereits am Tag der Rede des Abgeordneten Lasker wurden die Forderungen nach einer Untersuchungskommission laut. Sie sollte unter anderem aus sieben Parlamentsmitgliedern bestehen. Die Mitarbeit der Regierung war erwünscht, nicht aber, dass sie die führende Kraft in der Kommission würde. Die Beratungen über den Antrag zögerten sich – bewusst durch die Regierung veranlasst159 – jedoch hinaus und erst am 14. Februar 1873 wurde schließlich eine Untersuchungskommission mit dem Titel »Spezialkommission zur Untersuchung des Eisenbahnkonzessionswesen« eingesetzt. Diese entsprach jedoch nicht Laskers Forderungen. Statt der sieben Mitglieder aus dem Parlament durften nur zwei Mitglieder an ihr teilhaben: Lasker sowie der Abgeordnete Georg von Köller.160 Neben ihnen befanden sich außerdem ein Präsident, zwei Justiz- und zwei Verwaltungsbeamte sowie zwei Regierungsmitglieder in der Kommission.161 Nachdem die Regierungsmitglieder betont hatten, diese Kommission verfolge dieselben Ziele wie die geforderte parlamentarische Untersuchungskommission, konnte Lasker sich nur noch schwer gegen ihre Einsetzung stellen, da dies wohl den Eindruck erweckt hätte, dass er der Regierung misstraue. Er zog seinen Antrag schließlich zurück und akzeptierte die gemischte Kommission. Spannend ist, dass es ausgerechnet Lasker war, der sich bereits bei der Debatte um die Verfassung des Norddeutschen Bundes um ein Untersuchungsrecht des Parla157 Redebeitrag Eduard Lasker, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen der durch die Allerhöchste Verordnung vom 1. November 1872 einberufenen beiden Häuser des Landtages. Haus der Abgeordneten, Bd. 1, 25. Sitzung, 14. 01. 1873, Berlin, 1873, S. 539 (l). 158 Ibid., S. 537ff. 159 Rothfuss 2019: Korruption im Kaiserreich, S. 66; Siehe hierzu auch die Berichterstattungen der Neuen Preußischen Zeitung zwischen dem 13. 02. 1873 und 16. 02. 1873. 160 Neue Preußische Zeitung: Landtags-Nachrichten, 43 (20. 02. 1873). 161 Brief an Wilhelm I, in: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz [GStA PK], I. HA Rep. 90 A Staatsministerium, Nr. 1686, S. 31f.

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ments in der Verfassung bemühte. Er scheiterte jedoch und es blieb bei dem Zugeständnis der Regierung.162 Den ausgewählten Mitgliedern dieser Kommission sowie auch der Geschäftsordnung der Untersuchungskommission musste abschließend noch der Kaiser zustimmen.163 Insbesondere die Diskussionen um die Einsetzung dieser Kommission wurden mit großem Interesse verfolgt, wie auch verschiedene Zeitungen konstatierten. Sie berichteten davon, dass »die Tribünen […] überfüllt«164 und »das Haus […] zahlreich besetzt«165 gewesen seien. Im Folgenden werden nun die Debatten um die Untersuchungskommission näher betrachtet und die verschiedenen Argumente, die sowohl für als auch gegen diese Kommission angebracht wurden untersucht.

2.3.1 Die Untersuchungskommission als ein stärkendes Element Am 7. Februar 1873 forderte Lasker bereits vor dem Abgeordnetenhaus, »daß man vor dem Lande klarstelle, wie es in der Eisenbahn-Verwaltung eigentlich zugeht«.166 Er selbst betonte dabei, dass er an die Integrität des deutschen Beamtentums glaube und es sich bei den geäußerten Vorwürfen nur um Ausnahmen handele. Doch genau deswegen müsse aufgeklärt werden, um Gerüchten und falschen Tatsachen, die sich »von Mund zu Mund« erzählt würden, vorzubeugen.167 Zudem könne nur durch »die Untersuchung und Klarlegung von Dingen« letztendlich »dem Vaterlande ein[…] guter Dienst« geleistet werden.168 Er unterstrich zudem, dass er die ihm vorliegenden Informationen publik machen würde, wenn keine Untersuchung zustande komme, mittels der gezeigt werden könne, »mit welcher Liebe zur Wahrheit man im Namen der Regierung Berichtigungen in die Welt bringt, auf die Gefahr hin, daß so belastende Thatsachen ans Licht voller Oeffentlichkeit, vor das Forum der ganzen Welt gezogen werden müssen […]«.169 Es sei nicht sein Ziel, Kapital aus den Vorwürfen zu schlagen, sondern er fordere einzig und allein die Untersuchung der Tatsachen,

162 Steffani 1960: Die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtags, S. 61. 163 Beschluss Wilhelm I., in: GStA PK, I. HA Rep. 90 A Staatsministerium, Nr. 1686, S. 53; Geschäftsordnung der Kommission zur Absegnung durch den Kaiser, in: Ibid., S. 65ff. 164 Neue Preußische Zeitung: Haus der Abgeordneten, 40 (16. 02. 1873). 165 Germania: Landtags-Verhandlungen, 38 (16. 02. 1873). 166 Redebeitrag Eduard Lasker, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen der durch die Allerhöchste Verordnung vom 1. November 1872 einberufenen beiden Häuser des Landtages. Haus der Abgeordneten, Bd. 2, 39. Sitzung, 07. 02. 1873, S. 936 (l). 167 Ibid., S. 936 (r). 168 Ibid. 169 Ibid., S. 942 (r)f.

Der Skandal um das Eisenbahnkonzessionswesen

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die »Alles klar stellen«170 und »eine Aufklärung der Thatsachen herbei[führen]«171 solle. Er unterstrich dabei, dass es nicht darum gehe, alle Informationen transparent zu machen, sondern nur so viele wie notwendig, um eine Untersuchung einzuleiten, die schließlich vollständige Aufklärung bringen solle. Obgleich diese auch »viel Trübes zu Tage fördern« könne, werde sie »Manches auch in [der] Besorgnis mildern«.172 Zudem schaffe sie nicht nur »Aufklärung«, sondern gebe auch »namentlich jedem Betheiligten Gelegenheit […], öffentlich Rede zu stehen«.173 Die Ermittlung sollte Lasker zufolge von einer Untersuchungskommission, die unparteiisch vorgehen und »das Wahre vom Falschen aussondern« solle, durchgeführt werden.174 Er betonte außerdem, dass diese Kommission nicht in die Kompetenzen der Regierung eingreifen dürfe. Es sei aber das Recht der »Volksvertretung«, in solchen Situationen zu ermitteln.175 Das Parlament habe also ein Anrecht auf Informationen. Schließlich akzeptierte er am 15. Februar die königliche Untersuchungskommission mit der Begründung, sie werde die gleichen Interessen, nämlich die vollständige Aufklärung, verfolgen. Gleichzeitig unterstrich er aber, die Zusammensetzung der Kommission sollte so sein, »daß auch nicht ein Schatten schwebe über der festen Überzeugung, daß selbst dem Einzelnen in der Kommission es möglich sein werde, mit seiner Stimme durchzudringen und überall Klarheit hineinzutragen«.176 Der von Januar bis November 1873 amtierende preußische Ministerpräsident Albrecht von Roon betonte hierauf, dass auch die »königliche Staatsregierung ein vorzugsweises Interesse daran hat, diejenigen Mißbräuche aufzudecken und diejenigen Uebelstände mit Deutlichkeit zu erkennen, die im allgemeinen Interesse des Landes abgestellt werden müssen«.177 Andere sprachen sich ebenfalls für eine »gründliche Untersuchung« und eine »rücksichtslose Ermittlung von Thatsachen« aus.178 Verschiedene Abgeordnete konstatierten schließlich nach den Arbeiten der Kommission, dass diese Aufklärung geschaffen habe. Eugen Richter erklärte sogar, dass »durch die Untersuchung bestätigt worden ist, ja, daß noch erschwerende Umstände, die der Abgeordnete Lasker vielleicht damals Anstand nahm vorzubringen, durch die Untersuchungskommission konstatirt worden

170 171 172 173 174 175 176

Ibid., S. 946 (r). Ibid., S. 947 (r). Ibid. Ibid., S. 948 (l). Ibid., S. 950 (l). Ibid. Redebeitrag Eduard Lasker, in: Stenographische Berichte 1872, Bd. 2, 44. Sitzung, 15. 02. 1873, S. 1044 (l)f. 177 Redebeitrag Albrecht von Roon, in: Ibid., S. 1050 (r). 178 Redebeitrag Wilhelm von Wedell-Behlingsdorff, in: Ibid., S. 1052 (r).

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Das Kaiserreich – zaghafte Versuche für mehr Transparenz?

sind gegen die betreffenden Personen«.179 All dies geschah allerdings erst drei Jahre nach dem Ende der Untersuchungsarbeit, da zuvor nie der Antrag gestellt wurde, ihren Bericht zu besprechen. Lasker erklärte, er selbst habe diesen Antrag nicht vorgebracht, da er zwar das »Bedürfnis [nach] dieser öffentlichen Verhandlung und Klarstellung für diejenigen, welche die Vorgänge der Untersuchungskommission nicht k[annten]«, gehabt habe, er aber nicht den Eindruck erwecken wollte, »als ob [er] wünschte, durch [s]eine Initiative zu einer Verhandlung zu drängen, welche im überwiegenden Maße auf Personen anderer Parteibekenntnisse sich beziehen«.180 Diese Einwände äußerte er bereits 1874.181 Er erklärte aber, die Untersuchungskommission habe erreicht, »Aufklärung« zu schaffen, »die unsaubere Gemeinschaft offen[zulegen]« und der Bevölkerung »das abschreckende Bild vor[zuhalten], damit sie in Zukunft auch nicht […] an unsauberen Unternehmungen mitwirken«.182 Er betonte zudem, er habe alles in seiner Macht Stehende getan, um »die vollste Öffentlichkeit zu bewirken«.183 Die Aufklärung, die die Untersuchungskommission geschaffen hatte, wurde hier also mit »vollste[r] Öffentlichkeit« gleichgesetzt und lässt damit das Element der Transparenz erkennen. Durch die Ermittlungen und die Ergebnisse wurde – wenn auch verspätet – eine Zugänglichmachung von Informationen für das breitere Publikum geschaffen. Die gesammelten Erkenntnisse und insbesondere die Konsequenzen, die aus der Arbeit gezogen wurden, sollten dabei als Abschreckung und Erziehungsmoment für das Publikum dienen. Es ging also – nach Healds Kategorien – vor allem um eine »Retrospect-Transparenz« der Ergebnisse gegenüber der Bevölkerung. Der Zentrumsabgeordnete Peter Joseph Roeckerath kritisierte jedoch, dass der Antrag auf Besprechung des Berichts erst so spät erfolgt sei. Schließlich sei es wichtig, ihn zu besprechen, »damit dem Land Klarheit verschafft werde und damit nicht ein solcher Bericht zum Zwecke mißbraucht werde, welche denen, die ihn angeregt, durchaus widerstreben«.184 Das wichtigste Element für ihn war die Zugänglichkeit von Informationen über diese Ermittlungen und ihre Ergebnisse. 179 Redebeitrag Eugen Richter, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen der durch die Allerhöchste Verordnung vom 8. Januar 1876 einberufenen beiden Häuser des Landtages. Haus der Abgeordneten, Bd. 1, 12. Sitzung, 23. 02. 1876, S. 194 (r). 180 Redebeitrag Eduard Lasker, in: Ibid., S. 198 (r). 181 Redebeitrag Eduard Lasker, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen der durch die Allerhöchste Verordnung vom 4. November 1873 einberufenen beiden Häuser des Landtages. Haus der Abgeordneten, Bd. 2, 68. Sitzung, 16. 05. 1874, S. 1748 (r)f. 182 Redebeitrag Eduard Lasker, in: Stenographische Berichte 1876, Bd. 2, 35. Sitzung, 29. 03. 1876, S. 890 (r). 183 Redebeitrag Eduard Lasker, in: Stenographische Berichte 1876, Bd. 2, 35. Sitzung, 29. 03. 1876, S. 891 (r). 184 Redebeitrag Peter Joseph Roeckerath, in: Stenographische Berichte 1876, Bd. 1, 23. 02. 1876, S. 202 (l).

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Doch die Untersuchung sollte nicht alleine Aufklärung bringen, vielmehr musste durch sie auch »das Volk beruhigt« werden.185 Es sollte davon »überzeugt werden, daß mit der Fackel bis in den letzten Winkel hinein geleuchtet worden ist«.186 In diesem Zusammenhang unterstrich Lasker erneut, die gemischte Untersuchungskommission müsse um jeden Preis zeigen, dass sie gewillt sei, zusammen und ohne Eigeninteressen zu ermitteln.187 Das »Publicum [hat] ein Interesse« an einer vollständigen Aufklärung und zudem sei durch eine Untersuchungskommission möglichen Gerüchten und somit einer weiteren Verunsicherung in der Bevölkerung vorzubeugen.188 Lasker unterstrich, es sei wichtig, die Täter zu ermitteln, damit »die Moral des Volkes unverletzt weiter[geht]« und das »heimliche[…] Gift« aus der »anständigen Gesellschaft« entfernt werden könne.189 Es ging darum, der Bevölkerung zu zeigen, dass ermittelt wurde und diese dadurch zu beruhigen. So forderte der deutsch-konservative Abgeordnete Carl Friedrich von Denzin 1876 die Besprechung des Berichts, »um dem Lande endlich eine Beruhigung hierüber zu geben«.190 Andere Parlamentarier wie das Mitglied der Nationalliberalen-Partei Robert von Benda oder der konservative Abgeordnete Kurt von Tempelhoff kritisierten ebenfalls das lange Ausbleiben der Besprechung des Berichts, da nur dadurch die Bevölkerung beruhigt werden könne.191 Von Benda betonte zudem, dass die Diskussion um den Bericht unter keinen Umständen »das Land schädige[n]« werde, »sondern daß sie dazu beitrage, die Aufklärungen herbeizuführen, welche unerläßlich sind für die Berichtigung der Ansichten im Lande und für die Wiederbelebung [der] Wohlstands-Interessen«.192 Die Historikerin Anna Rothfuss konstatiert anhand der Presseberichterstattung allerdings, dass das Interesse an dem Bericht nicht mehr sehr groß war.193 Von Tempelhoff sprach jedoch von »einer schlecht organisirten Kommission« und zitierte in diesem Zusammenhang die Sorge Laskers, dass »ein heilloser Schaden, der mit schlimmeren Folgen noch hinausgehen würde über

185 186 187 188 189 190

Redebeitrag Eduard Lasker, in: Stenographische Berichte 1872, Bd. 1, 15. 02. 1873, S. 1046 (l). Ibid. Ibid., S. 1049 (r). Redebeitrag Eduard Lasker, in: Stenographische Berichte 1872, Bd. 1, 07. 02. 1873, S. 946 (l). Ibid., S. 945 (r). Redebeitrag Carl Friedrich von Denzin, in: Stenographische Berichte 1876, Bd. 1, 23. 02. 1876, S. 193 (r). 191 Siehe u. a.: Redebeitrag Kurt von Tempelhoff, in: Stenographische 1876, Bd. 2, 29. 03. 1876, S. 886 (r). 192 Redebeitrag Robert von Benda, in: Stenographische Berichte 1876, Bd. 1, 23. 02.1876, S. 203 (r). 193 Rothfuss 2019: Korruption im Kaiserreich, S. 67.

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den Schaden, der jetzt der öffentlichen Moral zugefügt wird«, entstehen könnte, wenn nicht restlos aufgeklärt werden könnte.194 Durch die Ermittlung und die damit zusammenhängende erweiterte Zugänglichmachung von Informationen sollte also das Vertrauen in das politische System gestärkt, die Bevölkerung beruhigt und ihre Moralvorstellungen gefestigt werden. Es ging dementsprechend nicht zwingend um Transparenz gegenüber der Bevölkerung. Vielmehr sollte Transparenz der Regierung gegenüber dem Parlament geschaffen werden, nicht nur, um dem Parlament einen Zugang zu Informationen zu ermöglichen, sondern auch, um die Kompetenzen des Parlaments zu stärken. Die Bevölkerung sollte eher im Nachhinein informiert und durch die Erkenntnisse aus den Untersuchungen »erzogen« werden. Die Untersuchungskommission sollte aber vor allem eines zeigen: Im Kaiserreich wurde nicht weggeschaut, sondern Missstände akribisch untersucht. Gleichzeitig sollte durch die Ermittlungen deutlich gemacht werden, dass es sich nur um Einzelfälle handelte und das politische System des Kaiserreichs vollständig intakt war. So erklärte Lasker zur Einsetzung, es sei wichtig, nicht nur »von [ihren] Ruhmesthaten [zu] reden«, sondern auch mögliche Missstände öffentlich zu diskutieren.195 Er verglich das Kaiserreich mit dem römischen Imperium, um der Sorge vor einem Niedergang des Reiches durch solche Skandale vorzubeugen. Er meinte, »das deutsche Volk hat nicht in sich die Anlage der Verderbniß, wie damals das römische Volk in sich getragen hat«.196 Anders als im alten Rom würden Missstände im Kaiserreich nämlich untersucht und nicht vertuscht. Der Abgeordnete Wilhelm Löwe betonte, dem »Staatswohl« könne am besten geholfen werden, »wenn [sie] die Schäden aufdecken, die an [dem] Staate nagen«.197 In diesem Zusammenhang kritisierte er allerdings die Zusammensetzung der Untersuchungskommission. Hierdurch könne »nicht die Garantie« gegeben werden, »daß diese Kommission die Arbeiten so zu bewältigen im Stande ist, wie sie bewältigt werden müssen im Interesse [des] Landes und im Interesse [der] künftigen Entwicklung und besonders im Interesse der Reinheit [des] Beamtenstandes«.198 Für ihn war es besonders wichtig, »daß die Reinheit des Beamtenstandes aufrecht erhalten und wiederhergestellt wird, wenn sie gelitten hat«.199 In einer ähnlichen Weise argumentierten auch andere Abgeordnete, wie z. B. der Abgeordnete Wilhelm von Rauchhaupt, der sich erhoffte, durch die Untersuchungskommission würden »die faulen Früchte aus dem preußischen 194 Redebeitrag Kurt von Tempelhoff, in: Stenographische Berichte 1876, Bd. 2, 29. 03. 1876, S. 886 (r)f. 195 Redebeitrag Eduard Lasker, in: Stenographische Berichte 1872, Bd. 2, 15. 02. 1873, S. 1049 (r). 196 Ibid., S. 1050 (l). 197 Redebeitrag Wilhelm Löwe, in: Ibid., S. 1055 (r). 198 Ibid., S. 1057 (r). 199 Ibid.

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Beamtenthum ausgeschieden […], und daß die Korruption, die nach der Auffassung des Abgeordneten Lasker schon an die Pforten dieses Hauses herantritt, im Grunde vernichtet werde«.200 Neben dem allgemeinen Ansehen des Kaiserreichs spielte also insbesondere die Unbestechlichkeit des Beamtentums eine entscheidende Rolle. So sollten die Ermittlungen der Untersuchungskommission einerseits zeigen, dass das Kaiserreich bereit war, mögliche Missstände mehr oder weniger öffentlich aufzudecken und sich somit selbst zu regenerieren. Andererseits war es besonders wichtig, durch die Aufklärung nicht das Ansehen des Beamtentums zu beschädigen. Die Aufklärung sollte vielmehr zeigen, dass genau dieses Beamtentum noch vollständig intakt und ohne Fehler war. Diese Ansicht lässt sich im gesamten politischen Diskurs des Kaiserreichs und insbesondere im Korruptionsdiskurs dieser Zeit entdecken.201 Das Beamtentum wurde als herausragend und unbestechlich wahrgenommen. Lasker schrieb der Kommission schließlich noch einmal eine wichtige Rolle für das politische System zu. Sie habe Fehler erkannt und ermittelt, gleichzeitig aber auch gezeigt, dass es keine allumfassende Korruption im Deutschen Kaiserreich gegeben habe. So konkludierte er: Was bei uns in den siebziger Jahren vor sich gegangen, ist in fast allen Ländern Europas geschehen, und auch in Nordamerika. Eine Probe wenigstens hat das Deutsche Volk zu seinen Gunsten bestanden, auch in dieser Untersuchung, und ich sage dies mit Genugthuung, daß, so sehr verderbte Manifestationen sich im Publikum, so völlige Planlosigkeit und Verwirrung in der Verwaltung sich gezeigt haben, Sie doch nirgend den Schatten eines Zweifels finden, als ob diejenigen, die berufen gewesen sind, amtlich die Staatshoheit wahrzunehmen, direkt oder indirekt an dieser Korruption Theil genommen hätten, und ich meine, meine Herren, wenn man ein solches Zeugnis nach genauer und gewissenhafter Untersuchung geben darf, so kann die Nation einige Befriedigung hierüber empfinden, indem dadurch wenigstens so viel dargethan ist, daß eine bestimmte Grenze der Pflicht zum Schutze dient gegen die Verlockung und Verirrung der Zeit.202

200 Redebeitrag Wilhelm von Rauchhaupt, in: Ibid., S. 1059 (l). Siehe außerdem: Redebeitrag Peter Joseph Roeckerath, in: Stenographische Berichte 1876, Bd. 1, 23. 02. 1876, S. 202 (l); Redebeitrag Heinrich von Achenbach, in: Stenographische Berichte 1876, Bd. 2, 29. 03. 1876, S. 898 (r). 201 Siehe auch: Meineke, Christoph: Vom Nimbus der Unbestechlichkeit. Beamtentugend und Staatskorruption in Preußen. In: Stephan Jansen und Birger Priddat (Hg.): Korruption. Unaufgeklärter Kapitalismus. Multidisziplinäre Perspektiven zu Funktionen und Folgen der Korruption. Wiesbaden, 2005, S. 141–166. 202 Redebeitrag Eduard Lasker, in: Stenographische Berichte 1876, Bd. 2, 29. 03. 1876, S. 898 (l).

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2.3.2 Die Kritik an der Untersuchungskommission Die Kommission wurde allerdings nicht nur positiv bewertet. Einige Abgeordnete, wie der Zentrumsabgeordnete Peter Reichensperger, fürchteten vor allem die Ausnutzung der Kommission als politisches Kampfmittel. Diese Kritik äußerte er bereits in den Debatten um ihre Einsetzung. Er sprach sich offiziell für den Antrag Laskers aus, obgleich er eigentlich einen Abänderungsantrag einbrachte. Dazu erklärte er im Folgenden, es sei unmöglich, sich ohne Begründung gegen den Antrag auf Einsetzung einer Untersuchungskommission zu stellen. Dies könne im Zweifel nämlich in der Bevölkerung nicht nur den Eindruck eines mangelnden Interesses an einer Aufklärung erwecken, sondern sogar den Verdacht, dass eine Aufklärung bewusst vermieden werde.203 Es bestand die Sorge, die Geschehnisse im Abgeordnetenhaus würden von der Bevölkerung sehr vereinfacht wahrgenommen: Es gebe die Personen, die Aufklärung wünschten und somit die Einsetzung einer Untersuchungskommission bejahten, und diejenigen, die keine Ermittlungen wollten und sich daher auch gegen die Kommission stellten. In der Realität war dies allerdings viel komplizierter, wie die Äußerung Reichenspergers zeigt, der »im Allgemeinen« eindeutig für die Einsetzung einer Untersuchungskommission war, allerdings ein »Amendement« forderte.204 Es bestand außerdem die Sorge, dass allein die öffentliche Diskussion um eine Untersuchungskommission bereits für den parteipolitischen Kampf genutzt werden könnte. Hierbei spielte das Transparenzargument also eine wichtige Rolle: Alle Beteiligten versuchten ihr Interesse an der Schaffung von Transparenz deutlich zu machen. Der Abgeordnete der Fortschrittspartei Eugen Richter sah in der Besprechung des Berichtes bzw. gerade dem Ausbleiben dieser Besprechung ebenfalls ein parteipolitisches Vorgehen. Während er betonte, es sei die richtige Entscheidung Laskers gewesen, diese nicht zu fordern, da dies nur als parteipolitisches Manöver wahrgenommen worden wäre, kritisierte er die anderen Parteien dafür, und zwar insbesondere die »konservativen Parteien«.205 Er betonte, diese hätten die Beratung über den Bericht bewusst nicht gefordert, da »fast ausschließlich nur Thatsachen gegen Personen, die den konservativen Parteien angehören«, in der Untersuchungskommission festgestellt werden konnten.206 Sie hätten daher versucht, die Diskussion um den Bericht zu verhindern, damit diese Tatsachen nicht öffentlich gemacht würden. Die Zugänglichmachung von Informationen 203 Redebeitrag Peter Reichensperger, in: Stenographische Berichte 1876, Bd. 2, 15. 02. 1873, S. 1052 (r)f. 204 Redebeitrag Peter Reichensperger, in: Stenographische Berichte 1876, Bd. 2, 15. 02. 1873, S. 1052 (r). 205 Redebeitrag Eugen Richter, in: Stenographische Berichte 1872, Bd. 2, 23. 02. 1876, S. 194 (r). 206 Ibid.

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konnte also bewusst genutzt werden, um die belasteten Parteien anzugreifen; wozu es hier allerdings nicht kam. Gleichzeitig konnte diese Zugänglichmachung aber auch absichtlich vermieden werden, um sich nicht selbst zu diskreditieren. Die SDAP-Zeitung Der Volksstaat wiederum beanstandete einerseits die mangelnde Verhandlung des Berichtes, andererseits aber auch den Entschluss zur Diskussion des Berichts. Er sah darin nur einen politischen Schachzug der »Conservativen«, um die »Liberalen« anzugreifen.207 Letztendlich sei alles aber nur ein großes Schauspiel. Beide hätten kein Interesse daran, Aufklärung zu schaffen und die Schuldigen zu bestrafen.208 Vielmehr würden sie versuchen, diese Informationen vor der »Oeffentlichkeit« zu verheimlichen.209 Die Zeitung behauptete sogar, dass beide bestechen und dies akzeptieren würden: »Nur die Fälle, über die man sich nicht ›verständigen‹ kann, gelangen vor das Untersuchungscomité.«210 Dieses werde also lediglich für den parteipolitischen Kampf und nicht zur Aufklärung eingesetzt. Im Allgemeinen scheint die Enttäuschung über die Arbeit der Untersuchungskommission bei einigen Parlamentsmitgliedern groß gewesen zu sein. Insbesondere Lasker und sein Vertreter von Tempelhoff äußerten immer wieder ihre Kritik. Von Tempelhoff prangerte an, dass die Kommission zwar viel ermittelt habe, allerdings nicht gründlich genug. So seien einige Verdachtsmomente und Tatsachen nicht weiter untersucht worden, da sie nicht als relevant erachtet worden seien.211 Zudem sei der Bericht nicht ausführlich und genau genug gewesen. Als zwei Zeugen vernommen werden sollten, verweigerte der eine seine Aussage, der andere sei laut Bericht nicht zu vernehmen gewesen, »warum? – das verschweigt der Bericht«.212 Zeuginnen und Zeugen konnten ihre Aussagen also einfach verweigern oder ihre Vernehmung verhindern, ohne dass dies im Bericht begründet wurde. Dabei kritisierte er vor allem, dass dieser Bericht die Bevölkerung nicht beruhigen werde, sondern vielmehr zu »Mißtrauen« geführt habe.213 Lasker habe zwar »guten Willen gezeigt«, letztendlich aber nicht alles getan, um diese Lücke im Bericht zu verhindern.214 Schließlich zeigt die mangelnde Protokollierung im Bericht die mangelnde Transparenz im Allgemeinen. Die Arbeit der Untersuchungskommission wurde nicht ausreichend nachvollziehbar gemacht. Dies kritisierte auch Wilhelm von Kardorff, der feststellte, dass eine Aussage von ihm bezüglich seiner Mitglied207 208 209 210 211 212 213 214

Der Volksstaat: Politische Uebersicht, 22 (23. 02. 1876). Der Volksstaat: Politische Uebersicht, 37 (29. 03. 1876). Der Volksstaat: Politische Uebersicht, 22. Der Volksstaat: Politische Uebersicht, 37. Redebeitrag Georg von Köller, in: Stenographische Berichte 1876, Bd. 2, 29. 03. 1876, S. 884 (r)f. Redebeitrag Kurt von Tempelhoff, in: Ibid., S. 886 (r). Ibid. Ibid.

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schaft im Aufsichtsrat und dem Abschluss verschiedener Verträge nicht in den Bericht aufgenommen wurde.215 Er behauptete zudem, in dem Bericht seien »Licht und Sonne nicht gleichmäßig vertheilt«.216 Diese einseitige Ermittlung sei ihm zufolge aber keine Absicht, sondern einer Überlastung der Kommission durch zu viel Material geschuldet. Die verschiedenen Zeitungen kritisierten ebenfalls immer wieder den Bericht bzw. die Tatsache, dass erst drei Jahre nach Beendigung der Arbeit über ihn gesprochen wurde. Die Zentrumszeitung Germania prangerte vor allem an, der Bericht sei einfach zur Seite gelegt worden.217 Zudem bemängelte sie, aus den Ergebnissen der Kommission würde keine politische Schlussfolgerung gezogen. So habe sie eindeutig aufgezeigt, dass einige Gesetze in Bezug auf die Eisenbahnkonzessionen lückenhaft seien. Daher sei eine Reform unbedingt notwendig, denn ohne sie »wird sich Nichts erreichen lassen«.218 Die Kritik an der mangelnden Transparenz bezog sich allerdings nicht nur auf den Bericht der Untersuchungskommission, sondern auf ihre gesamte Arbeit. Lasker beanstandete bei der Berichtsbesprechung im Jahr 1876 vor allem, dass die Kommission nicht transparent gearbeitet habe. Weder die Presse noch die Bevölkerung hatten einen direkten Zugang zu Informationen erhalten. Nicht einmal alle Parlamentsmitglieder konnten ihrer Arbeit direkt beiwohnen, obgleich Lasker »die weiteste Publikation der Ermittlungen gewünscht« habe.219 Die königliche Untersuchungskommission habe letztendlich nur einen Vorteil gehabt, nämlich die Beteiligung verschiedener Beamter und dass »die Regierung mit der größten Bereitwilligkeit jedes […] geforderte Material und jede gewünschte Auskunft gegeben hat und in dieser Hinsicht ist auch kein Schatten in Dunkelheit geblieben«.220 So sollte durch die königliche Kommission eine bessere Transparenz zwischen Beamten und der Untersuchungskommission gewährleistet werden. Dies allerdings auf Kosten der Transparenz der Kommission gegenüber dem restlichen Parlament und vor allem gegenüber der Bevölkerung. Die Kommission schaffte also eher »outwards-« als »inwards«-Transparenz, da Außenstehende nicht sehen konnten, was in diesem Gremium geschah. Die Untersuchungskommission scheint ein wichtiger Versuch gewesen zu sein, die Kompetenzen des Parlaments auszuweiten.221 Lasker, der bereits 1867 den Versuch unternommen hatte, dem Parlament mehr Kompetenzen durch ein Untersuchungsrecht zuzuschreiben, wiederholte diesen Versuch hier mit den 215 216 217 218 219 220 221

Redebeitrag Wilhelm von Kardorff, in: Ibid., S. 904 (l). Ibid., S. 905 (r). Germania: Die Gründerdebatte im Abgeordnetenhause, 6 (30. 03. 1876). Ibid. Redebeitrag Eduard Lasker, in: Stenographische 1876, Bd. 2, 29. 03. 1876, S. 888 (r). Ibid., S. 889 (l). Rothfuss 2019: Korruption im Kaiserreich, S. 60.

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ihm möglichen Mitteln. Wie schwach das Parlament zu diesem Zeitpunkt noch war, zeigt sich daran, dass Lasker von Anfang an keine rein parlamentarische Untersuchungskommission, sondern eine gemischte gefordert hatte. Außerdem schaffte das Parlament es nicht, diese Kommission durchzusetzen, sondern letztlich entschied die königliche Botschaft. Die gewünschte Transparenz konnte ebenfalls nicht hergestellt werden und die Diskussion über diesen Fall fand vielmehr im Geheimen der Kommission statt. Das Parlament war in diesem Fall eindeutig nicht in der Lage, sein Kontrollrecht durchzusetzen. Der Fall verdeutlicht, dass hier keine »stille Parlamentarisierung« stattgefunden hatte. In gewisser Weise verstärkte sich sogar die Trennung von Regierung und Parlament, da die Regierung weiterhin die Vorgaben machte und die politische Überlegenheit über das Parlament verdeutlichte.222 Trotzdem demonstrierte das Parlament, dass es sich nicht vollständig einschränken ließ, und nutzte dabei zunächst die Öffentlichkeit der eigenen Sitzungen, um auf die Missstände aufmerksam zu machen. Während der Kommissionsarbeit wurde auch Transparenz immer wieder angeführt, um die eigene Position und die eigenen Interessen zu stärken. Transparenz wurde also bereits hier als positiv und notwendig wahrgenommen. Die Parlamentarier verstanden unter Transparenz hier vor allem eine Transparenz gegenüber dem Parlament und nicht zwingend gegenüber der Bevölkerung. Während sie sich außerdem erhofften, die Verhandlungen und somit die Prozesse würden transparent gemacht, beschränkte sich die königliche Botschaft darauf, lediglich die Ergebnisse der Arbeit transparent zu machen. Aber auch diese waren durch die Berichterstattung nur bedingt transparent. Insgesamt waren die Forderungen nach Transparenz noch sehr schwach. Diese Feststellung wird häufig in Zusammenhang mit nicht-demokratischen Systemen geäußert. Während Demokratien mit Transparenz in Verbindung gebracht werden, werden nicht-demokratische Systeme häufig eher mit geheimen Verhandlungen assoziiert.223 1913 wurde ein weiterer wichtiger Versuch der Einsetzung einer Untersuchungskommission nach der Skandalisierung eines Korruptionsfalles unternommen. Im Zuge der sogenannten Kornwalzer-Affäre, in der es vermeintlich zu Korruption durch die bekannte Firma Krupp gekommen war, strebten einige Parlamentarier diesmal an, die Kompetenzen des Parlaments durch eine rein parlamentarische Untersuchungskommission mit richterlichen Befugnissen stark zu erweitern.

222 Schönberger 2003: Die überholte Parlamentarisierung, S. 666. 223 Siehe u. a.: Eichenhofer 2017: Privatheit und Transparenz in der Demokratie, S. 138; Colson 2004: Gérer la tension entre secret et transparence, S. 91.

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2.4

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Die Kornwalzer-Affäre

Am 18. April 1913 erregte ein weiterer Korruptionsskandal das Kaiserreich.224 Der SPD-Abgeordnete Karl Liebknecht machte an diesem Tag im Reichstag Korruptionsvorwürfe gegen das Krupp-Unternehmen bekannt. Er hatte bereits im November 1912 ein anonymes Schreiben mit den Korruptionsanschuldigungen und dem Vorwurf, Staatsgeheimnisse seien mit dem Rüstungsunternehmen geteilt worden, sowie mögliche Beweise für diese Vorwürfe erhalten. Diese Informationen gab er zunächst an das Kriegsministerium weiter, welches Ermittlungen einleitete. Im Februar 1913 kam es daraufhin bereits zu ersten Verhaftungen und Beschlagnahmungen. Liebknecht machte die Vorwürfe zunächst nicht öffentlich, da er unter anderem fürchtete, es könnte sich bei dieser anonymen Zuschrift um eine Falle handeln, um die SPD in der Öffentlichkeit zu blamieren. Er kritisierte jedoch zunehmend, dass die Ermittlungen heimlich geschahen. Seine »Enthüllung im Reichstag [richtete sich] weniger gegen die Untätigkeit der Justiz, sondern gegen die Geheimhaltung der Ermittlungen«.225 Liebknecht machte dem Krupp-Konzern nicht nur Korruptionsvorwürfe, sondern behauptete sogar, dieser Fall sei mindestens genauso tragisch wie der Panama-Skandal in Frankreich, der größte und erschütterndste Skandal dieser Zeit. Und »[t]atsächlich leitete Liebknechts Reichstagsrede einen Skandal ein, der wie kein anderer deutscher Korruptionsfall zuvor die Öffentlichkeit bewegte«.226 Es handelte sich bei diesem Korruptionsvorwurf allerdings nicht um den ersten derartigen Vorwurf, der gegen Krupp hervorgebracht wurde. So wurde immer wieder die Monopolstellung Krupps und die Nähe zur Kaiserfamilie heftig kritisiert.227 Dieses Mal richtete sich der Vorwurf gegen die Personen, die mit den sogenannten Kornwalzer-Papieren arbeiteten. Der Bürovorsteher der Berliner Zweigstelle der Firma Krupp, Maximilian Brandt, soll Militärbürokraten auf Kosten Krupps zum Essen und anderen Geselligkeiten eingeladen haben, um durch diese die Preise und die Beschaffenheit der Konkurrenzprodukte sowie mögliche Lieferschwierigkeiten zu erfahren. Außerdem habe Krupp dadurch Informationen zu den Entscheidungskriterien der Obersten Heeresleitung und über künftige Bedürfnisse des Militärs erhalten. Diese Informationen wiederum 224 Um den Fall in seiner Komplexität zu verstehen, siehe auch: Bösch, Frank: Krupps »Kornwalzer«; Gall, Lothar: »Meine Ungeduld ist ein Crocodill, das läßt sich nicht bezähmen…«. Der Kanonenkönig Alfred Krupp. In: Forschung Frankfurt 2000 (4), S. 56–66. 225 Bösch 2005: Krupps »Kornwalzer«, S. 357. 226 Ibid., S. 338f. 227 Siehe hierzu auch: Stremmel, Ralf: Gustav Krupp von Bohlen und Halbach (1870–1950). In: Patrick Bormann, Judith Michel und Joachim Scholtyseck (Hg.): Unternehmer in der Weimarer Republik. Stuttgart, 2016, S. 177–198, S. 179.

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habe Brandt daraufhin als Telegramm unter dem Codenamen »Kornwalzer« an das Essener Krupp-Direktorium geschickt. Der Vorwurf lautete nicht nur, Krupp habe sich durch Bestechung Informationen zu Rüstungspolitik und -ausgaben des Staates verschafft. Krupp habe diese auch genutzt, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, andere Unternehmer auszuspielen und sich ein Monopol zu sichern. Bösch konstatiert dabei viele Auffälligkeiten: »Bemerkenswert ist, daß die korrupte Informationsvermittlung keineswegs heimlich stattfand«, sondern an öffentlichen Orten.228 Zudem fanden diese Treffen regelmäßig statt, es handelte sich also um routinierte Ausübungen von Korruption. Bemerkenswert ist außerdem, dass die Bestechungssumme für die Herausgabe von Staatsgeheimnissen sehr gering war. Vielmehr waren es das Vertrauensverhältnis zu Krupp sowie die »Hoffnung auf längerfristige Vorteile«, die die Beteiligten zu der Herausgabe dieser Informationen bewogen.229 Die Debatte um die Kornwalzer-Affäre wurde durch den Reichstag angestoßen. Die SPD skandalisierte diesen Fall und forderte seine Untersuchung.230 Diese sollte durch eine parlamentarische Untersuchungskommission stattfinden. Letztendlich wurde wieder keine rein parlamentarische Untersuchungskommission eingesetzt, sondern eine »Kommission zur Prüfung der Rüstungslieferungen«, die sowohl aus Parlamentariern als auch aus Regierungsmitgliedern und Experten bestand.231 Die Kommission fokussierte sich vor allem auf wirtschaftliche Fragen und fand ohne Zeugenbefragungen statt. Hinzu kam, dass es Liebknecht nicht gestattet wurde, an dieser Kommission teilzunehmen. Zu groß war die Sorge, dass er sie nur parteipolitisch ausnutzen würde. Letztendlich verzichtete die SPD im November 1913 daraufhin vollständig auf ihre Teilnahme. Die Arbeit der Kommission fand schließlich unter Ausschluss der Bevölkerung und des restlichen Parlaments statt und blieb weitestgehend ohne Konsequenzen. Schlussendlich waren es die Gerichtsverhandlungen, die mehr Aufsehen erregten als die Untersuchungskommission. Trotzdem war auch ihr Ergebnis, dass es zu keinen größeren Bestechungen gekommen sei. Die wenigen Vorfälle seien Ausnahmen gewesen und sie betonten dadurch noch einmal die Integrität des preußischen Beamtentums.232 Erneut werden im Folgenden die Debatten in der und um die Untersuchungskommission betrachtet und die unterschiedlichen Argumente herausgearbeitet.

228 229 230 231

Bösch 2005: Krupps »Kornwalzer«, S. 349. Ibid., S. 350. Ibid., S. 345. Siehe hierzu auch: Bundesarchiv Abteilung Militärarchiv RM 3/11043, S. 107–110 + S. 178– 183. 232 Bösch 2005: Krupps »Kornwalzer«, S. 361ff.

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2.4.1 Aufklärung durch die Kommissionsarbeit Als der SPD-Abgeordnete Liebknecht die Vorwürfe gegen Krupp im April 1913 vor dem Reichstag aussprach, betonte er seine »Pflicht und Schuldigkeit, im Interesse des deutschen Volkes und im Interesse des europäischen Friedens diese Dinge hier vorzubringen«.233 Er erklärte, dass er, obgleich ihm diese Anschuldigungen bereits länger bekannt waren, sie zunächst vor dem Reichstag und der Öffentlichkeit geheim hielt, um die durch ihn eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht zu bedrohen. Nachdem diese nun allerdings nicht mehr gefährdet werden könnten, sei es Zeit, sie öffentlich zu machen. Die Aufdeckung solcher Fälle sei »eine altbewährte Methode in Preußen«234 und zudem müssten diese »gemeingefährlichen Praktiken der Rüstungsinteressen« zum Schutz des »Gemeinwohl[es]« aufgedeckt werden.235 Liebknecht erklärte, es müsse »mit einem Besen aus[gefegt]« werden, und verlangte in diesem Zusammenhang die Einsetzung einer Untersuchungskommission nach englischem Vorbild.236 Diese dürfe nur aus Parlamentariern und nicht aus Regierungsmitgliedern bestehen. Das Parlament sollte alleine über ihre Mitglieder bestimmen. Außerdem verlangte er die Erweiterung ihrer Befugnisse im Vergleich zu früheren Kommissionen, um somit eine angemessene Ermittlung zu ermöglichen.237 Doch nicht nur Liebknecht sprach sich dafür aus. Der SPD-Abgeordnete Georg Ledebour forderte ebenfalls eine solche Untersuchungskommission, da allein durch sie »eine gründliche Erforschung all der üblen Machenschaften und Einflüsse von Interessenten« möglich sei.238 Andere Abgeordnete, wie der Zentrumsabgeordnete Matthias Erzberger oder das Mitglied der Volkspartei Ernst Müller, unterstützten entschieden eine solche Kommission zur Aufklärung von Tatsachen. Müller ging dabei sogar noch weiter und unterstrich, »daß die Kommission das Vertrauen der ganzen Bevölkerung genießen soll«, dies könne nur durch eine »reine Parlamentskommission« erreicht werden.239 Eine Kommission, die auch aus Regierungsmitgliedern zusammengesetzt sei, würde nicht nur kein Vertrauen in der Bevölkerung genießen, sondern es bestehe zudem das Risiko einer einseitigen Ermittlung.240 Ähnlich äußerte sich der Abgeordnete der Nationalliberalen Hermann Paasche. Dieser sprach sich ebenfalls für eine par233 Redebeitrag Karl Liebknecht, in: Verhandlungen des Reichstags, XIII. Legislaturperiode, I. Session, Stenographische Berichte, Bd. 289, 143. Sitzung, 18. 04.1913, Berlin, 1914, S. 4912 (A). 234 Redebeitrag Karl Liebknecht, in: Ibid., 144. Sitzung, 19. 04. 1913, S. 4925 (A). 235 Ibid., S. 4925 (B). 236 Ibid., S. 4929 (C). 237 Redebeitrag Georg Ledebour, in: Ibid., 147. Sitzung, 23. 04. 1913, S. 5045f. 238 Redebeitrag Georg Ledebour, in: Verhandlungen des Reichstags XIII, Bd. 28., 147. Sitzung, 23. 04. 1913, S. 5046 (C). 239 Redebeitrag Ernst Müller, in: Ibid., S. 5052 (A). 240 Redebeitrag Ludwig Frank, in: Ibid., S. 5053 (C).

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lamentarische Untersuchungskommission mit erweiterten Kompetenzen aus, um das »Mißtrauen« der Bevölkerung einzudämmen. Zudem sollte durch sie »eine Aufklärung stattf[inden], und […] vor aller Öffentlichkeit klargelegt werde[n], daß dieses Mißtrauen […] möglichst wenig gerechtfertigt sei«.241 Die liberale Frankfurter Zeitung schloss sich dieser Argumentation an. In ihrem Artikel vom 21. April 1913 griff sie das Vorgehen der letzten Untersuchungskommissionen an. Zudem kritisierte sie die Kompetenzen des Reichstags im politischen System des Kaiserreichs und forderte in diesem Zusammenhang ein stärkeres parlamentarisches Kontrollrecht.242 Andere Abgeordnete wie zum Beispiel Erich Mertin von der Deutschen Reichspartei sprachen sich zwar für eine Untersuchung durch eine parlamentarische Kommission aus, wollten aber ihre Befugnisse nicht erweitern, da auch eine normale Untersuchungskommission »Klarheit in die Sache bringen« könne.243 Nach Einsetzung der Kommission wurden diese Aspekte weiterhin hervorgehoben. So betonte Liebknecht, dass, obgleich letztendlich keine rein parlamentarische Untersuchungskommission mit erweiterten Kompetenzen eingesetzt wurde, »der Herr Kriegsminister Gutes, Bedeutendes leisten« könne, »wenn er die Enquete, die jetzt über die Rüstungslieferanten veranstaltet werden soll, mit aller Rücksichtslosigkeit durchführt«.244 Gleichzeitig unterstrich er in der Aussage die Sorge vor einer möglichen Vertuschung durch diese Form der Untersuchungskommission und vor allem durch seinen Ausschluss aus dieser. Dabei kam auch die Kritik am Ausschluss der Öffentlichkeit auf. Der Abgeordnete der Freien Volkspartei Georg Gothein erklärte: Deswegen wünschen wir für die Zukunft volle Klarheit. Wir wünschen nicht, daß die Kommission stets hinter verschlossenen Türen arbeitet, sondern es wesentliche Inhalt der Verhandlungen dem Reichstag und, soweit nicht schwerwiegende Geschäftsgeheimnisse zur Sprache kommen, die notwendigerweise im Interesse des Geschäftslebens nicht verraten werden dürfen, auch der Öffentlichkeit mitgeteilt werden. Die Öffentlichkeit hat das Recht, darüber Klarheit zu gewinnen, ob es in unserem Staats- und Wirtschaftsleben mit rechten Dingen zugeht. Das ist der Wunsch des ganzen deutschen Volkes.245

241 Redebeitrag Hermann Paasche, in: Ibid., S. 5059 (B). 242 Frankfurter Zeitung: Frankfurt, 21. April, 110 (21. 04. 1913), in: Bundesarchiv Abteilung Reich R 101/2903, S. 5. 243 Redebeitrag Erich Mertin, in: Verhandlungen des Reichstags XIII, Bd. 289, 23. 04. 1913, S. 5058 (C). 244 Redebeitrag Karl Liebknecht, in: Verhandlungen des Reichstags XIII, Bd. 289, 26. 04. 1913, S. 5188 (D). 245 Redebeitrag Georg Gothein, in: Verhandlungen des Reichstags, XIII. Legislaturperiode, I. Session, Stenographische Berichte, Bd. 291, 188. Sitzung, 12.12. 1913, Berlin, 1914, S. 6450 (D).

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Er insistierte hiermit nicht nur auf der Klarstellung gegenüber dem Parlament, sondern auf der Transparenz in den Ermittlungen gegenüber der gesamten Bevölkerung. Dies war eine deutliche Änderung im Vergleich zum Skandal um Strousberg, in welchem die Transparenzforderungen sich weitestgehend auf das Parlament bezogen. Anders als zum Beispiel Liebknecht betonte die Frankfurter Zeitung, dass die Kommission ihrer Aufgabe, »vor allem durch Aufhellung von Tatsachen Klarheit über die bestehenden Verhältnisse zu schaffen«, auch in der eingesetzten Form nachkommen könne.246 Sie kritisierte aber auch, dass die Untersuchungskommission »hinter verschlossenen Türen arbeitet, während doch allein die Oeffentlichkeit der Verhandlungen eine wirklich befriedigende Erledigung gewährleisten würde«.247 Sie forderte eine »schonungslose Untersuchung« und verlangte, »gerade diese Gebaren [der Deutschen Waffen- und Munitionsfabrik] in das hellste Licht der Oeffentlichkeit zu rücken«.248 Die konservativen Hamburger Nachrichten wiederum kritisierten nicht, dass die Untersuchungskommission hinter verschlossenen Türen tagte und nicht rein parlamentarisch war. Vielmehr lobte sie ihre Zusammensetzung sowie die Tatsache, dass die SPD nach dem Ausschluss Liebknechts an den Tagungen nicht teilnahm, da dies nur zu parteipolitischen Konflikten geführt hätte.249 Die vorgestellten Parlamentarier und Zeitungen nahmen die Untersuchungskommission in diesen Diskussionen also vor allem als ein Instrument zur Aufklärung wahr. Gegenüber wem diese geschaffen werden sollte, war dabei nicht immer eindeutig. Neben dem Parlament spielte aber die Bevölkerung als Empfängerin der Informationen eine besondere Rolle. Obgleich die Transparenzforderungen im Vergleich zum Strousberg-Skandal lauter wurden, waren sie insgesamt noch eher schwach. Nur wenige Parlamentarier verlangten einen direkten Zugang der Bevölkerung zu Informationen. Einig waren sich aber alle, dass diese über die Ermittlungen und die Ergebnisse informiert werden sollte, um dadurch vor allem beruhigt zu werden. Die Kommissionsarbeiten sollten also auch das Vertrauen der Bevölkerung stärken. Uneinigkeit herrschte allerdings auch darin, wie Transparenz am besten erreicht werden könne, was im Zusammenhang mit den verschiedenen Transparenzformen nach Heald gesehen werden muss. Während sich einige Parlamentsmitglieder, wie z. B. Abgeordnete der 246 Frankfurter Zeitung: Frankfurt, 13. November, 315 (13. 11. 1913), in: Bundesarchiv Abteilung Reich R 101/2903, S. 115. 247 Ibid. 248 Frankfurter Zeitung: Frankfurt, 21. April, 110 (21. 04. 1913). 249 Siehe u. a.: Hamburger Nachrichten: Die gekränkten Sozialdemokraten, 531 (12. 11. 1913), in: Bundesarchiv Abteilung Reich R 101/2903, S. 113; ebenso berichtete das Berliner Tagblatt, siehe hierzu: Berliner Tagblatt: Der Zusammentritt der Rüstungskommission, 581 (14. 09. 1913), in: Bundesarchiv Abteilung Reich R 101/2903, S. 118.

Die Kornwalzer-Affäre

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SPD, für Prozess- und wenn möglich auch »Realtime-Transparenz« aussprachen, forderten insbesondere Regierungsmitglieder Transparenz der Ergebnisse im Nachhinein. Im Allgemeinen drehte sich die Diskussion aber vielmehr um die Frage, welche Kompetenzen dem Parlament als Kontrollinstanz zugeschrieben werden sollten, als um die Frage von Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit. Durch die Einsetzung einer Untersuchungskommission und die damit verbundenen teilweise parlamentarischen Ermittlungen versuchte insbesondere die SPD neue und erweiterte Kompetenzen für das Parlament gegenüber der Regierung zu erlangen, was ihr letztendlich allerdings nur bedingt gelang.

2.4.2 Schwächung des Kaiserreichs durch die Ermittlungen der Untersuchungskommission Der Untersuchungskommission wurde aber auch diesmal nicht von allen ein positiver Effekt zugeschrieben. Für viele Parlamentsmitglieder stellten ihre Ermittlungen vielmehr eine Gefahr dar. Clemens Delbrück argumentierte im Reichstag, die Einsetzung einer Untersuchungskommission, wie sie die SPD forderte, sei nicht verfassungskonform. Eine derartige Kommission finde »in der Verfassung des Deutschen Reichs ihre Grundlage nicht«.250 Der deutsch-konservative Abgeordnete Kuno von Westarp fürchtete zudem, dass eine rein parlamentarische Untersuchungskommission mit erweiterten Kompetenzen einen zu großen Eingriff in die Exekutive darstelle.251 Delbrück unterstrich in der ersten Sitzung der Untersuchungskommission, die Kommission dürfe keinesfalls »das gerichtliche Verfahren, das zur Verurteilung der Schuldigen vor zwei verschiedenen Gerichten geführt hat, überprüf[en], erweiter[n] und kontrollier[en]«.252 Dies sei nicht die Aufgabe der Kommission. Es greife zu sehr in die Aufgaben der Judikative ein.253 Ähnlich äußerte sich die Zeitung Der Tag. In einem Artikel unterstützte die Zeitung die Entscheidung des Reichstags, eine parlamentarische Kommission mit erweiterten Kompetenzen abzulehnen: »Denn es ist unzweckmäßig, die gerichtliche und polizeiliche Exekutive derart einem parlamentarischen Mehrheitswillen, deren Träger überdies die Durchführung ihrer Beschlüsse doch nicht

250 Redebeitrag Clemens Delbrück, in: Verhandlungen des Reichstags XIII, Bd. 289, 23. 04. 1913, S. 5047 (B). 251 Redebeitrag Kuno von Westarp, in: Ibid., S. 5048. 252 1. Sitzung am 14 und 15 November 1913, in: Bundesarchiv Abteilung Militärarchiv RM 3/ 11043, S. 188. 253 Ibid.

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kontrollieren können, unterzuordnen.«254 Die Hamburger Nachrichten gingen sogar noch weiter und betonten, eine parlamentarische Untersuchungskommission sei für das politische System des Kaiserreichs vollkommen ungeeignet und daher nicht wünschenswert. Das Kaiserreich müsste erst »in Trümmer geschlagen und neu hergestellt werden«, um eine solche Kommission zuzulassen.255 In dem gleichen Artikel erklärte die Zeitung außerdem, dass eine solche Kommission nicht das Vertrauen der Bevölkerung stärken könne. Vielmehr werde die Kommission von demjenigen, der »sich im Volk klaren Blick bewahrt hat für die Eigenart des Reiches«, als ein »Fremdkörper« wahrgenommen werden, »der [dem] Vaterland schadet«.256 Der Artikel forderte, »wachsam [zu] sein und gefährlichen Anfängen vor[zu]bauen«.257 Die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission wurde also als eine Erweiterung der Kompetenzen des Parlaments begriffen, die – einigen zufolge – für die Exekutive und somit das ganze politische System gefährlich werden könnte. Diese Diskussion macht die Sorge vor einem zu großen Eingriff des Parlaments in die Befugnisse der Exekutive und sogar insgesamt die Kritik an der Notwendigkeit eines parlamentarischen Kontrollrechts deutlich und unterstreicht die Skepsis der Regierung und der konservativen Presse gegenüber dem Parlament. Anders als von Schönberger beschrieben, »fügte [der Reichstag] sich« hier aber nicht dieser Argumentation, sondern bestand weiterhin auf sein Kontrollrecht.258 Er schaffte es allerdings nicht, dieses vollständig umzusetzen. Neben diesen eher verfassungsrechtlichen Kritikpunkten stach eine weiterer immer wieder heraus: die Sorge davor, dem Ansehen und den Geschäften des Kaiserreichs durch eine solche Ermittlung zu schaden. Liebknecht selbst äußerte die Sorge, »das Ansehen Deutschlands und seiner Rüstungsindustrie« könnte »vor dem Ausland« gefährdet werden.259 Er sah diese Gefahr aber vor allem durch das Ausbleiben der Ermittlungen. Anders nahm dies das Mitglied der Nationalliberalen Partei Schiffer wahr. Dieser erläuterte, es gebe »durchaus berechtigte geschäftliche Geheimnisse« und durch die Ermittlungen der Untersuchungskommission würde die »Geschäftsverbindung« mit dem Ausland »außerordentlich beeinträchtigt«.260 Hierbei lassen sich Grenzen von Transparenz er254 Der Tag: Parlamentarische Nachprüfung von Staatslieferungen, 97 (26. 04. 1913), in: Bundesarchiv Abteilung Reich R 101/2903, S. 23. 255 Hamburger Nachrichten: Der Geist der Verfassung und der Geist des Reichstags, 191 (25. 04. 1913), in: Bundesarchiv Abteilung Reich R 101/2903, S. 15. 256 Ibid. 257 Ibid. 258 Schönberger 2003: Die überholte Parlamentarisierung, S. 647. 259 Redebeitrag Karl Liebknecht, in: Verhandlungen des Reichstags XIII, Bd. 289, 19. 04. 1913, S. 4926 (B). 260 Redebeitrag Eugen Schiffer, in: Verhandlungen des Reichstags XIII, Bd. 291, 12. 12. 1913, S. 6448 (D).

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kennen. Nicht alle Informationen sollten zugänglich gemacht werden. Häufig ging es dabei um geschäftliche oder um diplomatische Dokumente. Die Veröffentlichung solcher Informationen könnte einen zu großen Schaden hervorrufen.261 Schiffer appellierte zudem, diese Vorwürfe nicht zu sehr zu beachten und zu große Panik hervorzurufen. Ihm zufolge war »[d]as deutsche Volk […] ein anständiges Volk« und es handelte sich bei diesen Skandalen nur um »[e]inzelne Mißgriffe«.262 Gleichzeitig prangerte er aber das Vorgehen der Regierung an. Er kritisierte vor allem, dass der Kriegsminister Liebknecht darum gebeten hatte, zunächst über die Vorwürfe zu schweigen, anstatt diese »zur schleunigen Veröffentlichung und Klarstellung zu bringen«.263 Verschiedene Vertreter aus der Politik machten der SPD zudem den Vorwurf, den Fall parteipolitisch auszuschlachten. So erklärte Delbrück, insbesondere Liebknecht habe diesen Skandal nur im Reichstag öffentlich gemacht, um Aufsehen zu erregen. Hierfür habe er sogar bewusst »von einem ›Panama‹ der deutschen Industrie gesprochen« und somit die Vorwürfe gegenüber Krupp auf eine Stufe mit dem bekannten und großen Panamaskandal in Frankreich gestellt.264 Dies steht im Gegensatz zu den oben zitierten Aussagen Liebknechts, der eher seine Hemmungen vor der Veröffentlichung der Korruptionsanschuldigungen hervorhob. Die Hamburger Schriften sahen in der Veröffentlichung der Vorwürfe und der Forderung nach Einsetzung einer solchen Kommission ebenfalls einen Verrat am Kaiserreich durch die SPD, nur um sich selbst zu profilieren. So formulierte der Autor des Artikels »Gericht und Parlament«: Aber die Sozialdemokratie hat nun einmal das sehnende Verlangen, im Deutschen Reich Korruption zu finden, dem Ausland den Beweis zu liefern, daß im eigenen Vaterland durchaus etwas faul sein müsse und darum wählte Dr. Liebknecht die Rednerbühne des Reichstags, vor der die allerweiteste Öffentlichkeit gebreitet liegt, um seine Krupp-Beschuldigungen hinauszuschleudern. Längst schwebte wegen der Vorfälle, die in einem namenlosen Brief Herrn Liebknecht und durch Herrn Liebknecht dem Kriegsminister angezeigt worden waren, ein Untersuchungsverfahren. Herrn Liebknecht gefiel dieser langsame ordnungsgemäße Gang der Sache nicht. Die gesamte Öffentlichkeit diesseits und jenseits des Ozeans mußte rechtzeitig darauf vorbereitet werden, daß sich im Deutschen Reich ein Spektakelstück abwickeln solle, für das nicht laut genug die Reklametrommel gerührt werden könne. Die Sozialdemokratie wollte ihren herostratischen Erfolg haben.265 261 Redebeitrag Georg Gothein, in: Ibid., S. 6450 (D). 262 Redebeitrag Eugen Schiffer, in: Verhandlungen des Reichstags XIII, Bd. 291, 12. 12. 1913, S. 6448 (D). 263 Ibid., S. 6449 (B). 264 Redebeitrag Clemens Delbrück, in: Ibid., S. 6446 (A). 265 Hamburger Schriften: Gericht und Parlament, 522 (06. 11. 1913), in: Bundesarchiv Abteilung Reich R 101/2903, S. 81.

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In diesem Zusammenhang wurde die Untersuchungskommission selbst und die Forderung nach einer solchen Kommission insbesondere von der Presse häufig nur als ein Instrument des parteipolitischen Kampfs der SPD wahrgenommen. So machten die Hamburger Schriften in dem oben zitierten Artikel der SPD den Vorwurf, dass diese aus den Vorwürfen bewusst einen Skandal machen würde, um dem »eigenen Vaterland« zu schaden und von der Situation zu profitieren.266 Dabei nehme sie auch in Kauf, das Ansehen des Kaiserreiches weltweit zu schädigen.267 Die Öffentlichkeit, die durch die Untersuchungskommission bzw. die Forderung nach ihr erzeugt wurde, wurde hier eher kritisch wahrgenommen. Die Zeitung Der Tag sprach von den »Agitationsbedürfnisse[n] der Sozialdemokratie«, die durch die Forderung nach einer parlamentarischen Untersuchungskommission unterstützt würden.268 In einem späteren Artikel betonte Der Tag, die Kommission sei »manchen von Anbeginn ›suspekt‹ erschienen«.269 Ihm zufolge war diese Skepsis nicht unberechtigt. Letztendlich habe sich gezeigt, dass die Kommission von Parteien wie der SPD nur dazu genutzt werde, um mehr Macht gegenüber der Exekutive zu gewinnen. Die Untersuchungskommissionen könnten somit, »heute diesen, morgen jenen Vertrauensmann der Krone vorladen, um in seinem Geschäftsbetrieb hineinzusehen und ›entscheidend auf ihn einzuwirken‹«.270 Die Sorge vieler, insbesondere konservativer Angehöriger des Kaiserreichs war also, dass durch die Einsetzung einer rein parlamentarischen Untersuchungskommission dem Deutschen Reich geschadet werden könnte. Dabei schien einerseits das Ansehen des Kaiserreichs im Ausland in Gefahr. Während immer wieder versucht wurde, das Kaiserreich als möglichst korruptionsfrei darzustellen, konnten solche Skandale und insbesondere die Untersuchung durch das Parlament diesen Ruf gefährden. Es wurden eindeutig die Grenzen von Transparenz aufgezeigt. Andererseits wurde befürchtet, dass eine solche Untersuchung langfristige Veränderungen im politischen System des Reiches auslösen könnte. Eine Untersuchung durch eine rein parlamentarische Untersuchungskommission bedeutete, dem Parlament erweiterte Kompetenzen zuzuschreiben und somit womöglich seine Macht und seinen Einfluss zu vergrößern. Dabei ging es weniger um die Frage der Transparenz der Untersuchungsausschüsse gegenüber der Bevölkerung, sondern vielmehr um das Instrument selbst. In dieser Form würde das Instrument – den konservativen Regierungs- und Pressemitgliedern zufolge – dem Parlament einen Zugang zu Informationen und 266 267 268 269 270

Ibid. Ibid. Der Tag: Parlamentarische Nachprüfung von Staatslieferungen, 97 (26. 04. 1913). Ibid. Der Tag: Parlament und Exekutive, 242 (15. 10. 1913), in: Bundesarchiv Abteilung Reich R 101/2903, S. 73.

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somit einen Einfluss auf die Exekutive gewähren, die so im politischen System des Kaiserreichs nicht erwünscht waren. Aber auch die SPD machte der Untersuchungskommission Vorwürfe. Diese entstanden vor allem, nachdem eine rein parlamentarische Untersuchungskommission nicht zugestanden wurde und Liebknecht nicht an den Kommissionsarbeiten teilnehmen durfte. Während die Befürwortenden dieser Entscheidung betonten, es sei notwendig, Liebknecht auszuschließen, da dieser die Kommission nur für seinen politischen Kampf nutzen würde,271 artikulierten er und die SPD die Anschuldigung, durch seinen Ausschluss würden Vertuschungen in der Kommission gefördert. Bereits früh nach der Bekanntmachung der Affäre fürchtete er, es würden sich viele Personen gegen die Ermittlungen stellen. Gründe waren seiner Meinung nach einerseits, dass »gewaltige Kapitalcliquen, […] die Rüstungsproduktion in der Hand haben« und alles versuchten, um eine Aufdeckung zu verhindern.272 Andererseits werde der sogenannte »Afterpatriotismus« eine Aufklärung des Falles vermeiden wollen, da er sich sorgte, das Kaiserreich könnte »in der Welt bloßgestellt werde[n]«.273 Die Existenz dieser Sorge wurde bereits zuvor in diesem Kapitel thematisiert. Während es sich hierbei noch um allgemeine Vorwürfe handelte, kritisierte Liebknecht vehement die Entscheidung, keine parlamentarische Untersuchungskommission einzusetzen, und sprach von einem »Verdeckungs- und Verdunkelungsmanöver« der Regierung.274 Der SPD-Abgeordnete Gustav Noske kritisierte zudem, dass die Öffentlichkeit bei wichtigen Verhandlungen – nicht nur in der Untersuchungskommission, sondern auch bei Militärgerichten und Ähnlichem – »ausgeschaltet wird«.275 Er sprach sich in diesem Zusammenhang für transparentere Ermittlungen aus, in denen nachvollziehbar gemacht werden sollte, was geschehen war. Bei der Untersuchungskommission kritisierte er zudem vor allem deren Zusammensetzung. Die Regierung sei in diesem Fall befangen gewesen und hätte nicht über die Zusammensetzung der Kommission entscheiden dürfen. Die Kommission sei notwendig gewesen, um Aufklärung zu schaffen, aber durch den Ausschluss Liebknechts aus der Kommission habe die Regierung bereits eindeutig Partei »für die kompromittierte Firma Krupp« ergriffen.276 Er erklärte, »daß schon eine Umtaufung der Kommission stattgefunden hat« und nun nicht 271 Redebeitrag Georg Ledebour, in: Verhandlungen des Reichstags XIII, Bd. 291, 12. 12. 1913 S. 6442 (B)f. 272 Redebeitrag Karl Liebknecht, in: Verhandlungen des Reichstags XIII, Bd. 289, 150. Sitzung, 26. 04. 1913, S. 5189 (A). 273 Ibid. 274 Ibid., S. 5190 (D). 275 Redebeitrag Gustav Noske, in: Verhandlungen des Reichstags, XIII. Legislaturperiode, I. Session, Stenographische Berichte, Bd. 290, 158. Sitzung, 10. 06.1913, Berlin, 1914, S. 5430 (C). 276 Redebeitrag Gustav Noske, in: Verhandlungen des Reichstags XIII, Bd. 291, 12. 12. 1913, S. 6456ff.; Zitat: Ibid., S. 6457 (B).

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mehr »von der Kommission zur Prüfung der Rüstungslieferungen, sondern von der Vertuschungskommission« gesprochen werde.277 Aber nicht nur bei der Zusammensetzung, sondern auch bei der Arbeit der Kommission handelte es sich seiner Meinung nach um eine bewusste Vertuschung von Tatsachen. Hierbei kritisierte er vor allem die Verzögerung der Ermittlungen und die Vertagungen der Arbeit der Kommission. Die Regierung habe es »nicht eilig, die vom Reichstag geforderte Aufklärung zu schaffen«, und habe die »Vorarbeiten für die Kommissionsarbeiten […] mangelhaft betrieben«.278 Letztendlich habe die Kommission das Vertrauen der Bevölkerung nicht gewinnen können, da diese auf den Einfluss der Sozialdemokratie vertraue.279 Ähnlich argumentierte Müller in einem Artikel der Neuen Badischen Landeszeitung. Er betonte, dass die »›gemischte Kommission‹ […] von Anfang an nicht das Vertrauen einer rein parlamentarischen Untersuchungskommission beim Volke [gehabt hat]«.280 Durch das fehlende Vertrauen in die Kommission, aber auch »ohne möglichste Oeffentlichkeit der Verhandlungen derselben [ist] von Anfang an das Resultat […] für die Frage, die das Volk interessiert, gleich Null«.281 Er nutzte dabei vor allem das Argument der Öffentlichkeit. Es sei die Bevölkerung, die ein besonderes Interesse an der Aufklärung habe, und so solle ihr auch ein Zugang zu Informationen zugestanden werden. Auch die Frankfurter Zeitung argumentierte damit, dass lediglich die von der SPD geforderte parlamentarische Untersuchungskommission das »Mißtrauen« und die Unzufriedenheit der Bevölkerung »einigermaßen hätte beseitigen können«.282 In der Argumentation der SPD-Mitglieder wird bereits die auch heute noch aktuelle Vorstellung deutlich, dass mehr Transparenz zu mehr Vertrauen führt. Allein durch transparente Ermittlungen, die durch die Anwesenheit der SPD gewährleistet werden sollten, könne das Vertrauen der Bevölkerung wieder gestärkt werden. Der Artikel betonte zudem, dass eine solche Kommission keine Erweiterung der Macht des Reichstages oder gar einen Übergriff in die Kompetenzen der Exekutive bedeutet hätte, sondern »der Reichstag würde mit der Einsetzung einer solchen Kommission nur sein Kontrollrecht wahren und weiter nichts«.283 So

277 Redebeitrag Gustav Noske, in: Verhandlungen des Reichstags XIII, Bd. 291, 12. 12. 1913, S. 6452 (B). 278 Ibid., S. 6542 (C). 279 Ibid., S. 6452. 280 Neue Badische Landes-Zeitung: Die parlamentarische Rüstungs-Lieferungs-Kommission, 414 (06. 09. 1913), in: Bundesarchiv Abteilung Reich R 101/2903, S. 68. 281 Ibid. 282 Frankfurter Zeitung: Tages-Rundschau, 113 (24. 04. 1913), in: Bundesarchiv Abteilung Reich R 101/2903, S. 14. 283 Frankfurter Zeitung: Tages-Rundschau, 113 (24. 04. 1913).

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äußerte sich auch die sozialdemokratische Zeitung Volksblatt für Halle und den Saalkreis: Nachdem dieser Schritt [öffentliche Kritik an Kruppsystem durch Verfahren, SZ] gelungen, holt die Regierung zu einem Schlage gegen den Kritiker Liebknecht aus, der zu seinem [sic!] gegen die ganze Sozialdemokratie wird. Die Regierung verweigert dem Genossen Liebknecht den Eintritt in die vom Reichstage beschlossene Untersuchungskommission! Das ist ein starkes Stück! Aber der Schlag ist wertvoll als eine Antwort der durch Liebknechts Kritik Getroffenen! Es ist ein Zugeständnis, daß man solch scharfstehende Kritiker in der Kommission nicht wünscht. Aber es ist die Krönung des Skandals!284

Sie kritisierte dabei vor allem, dass die Regierung durch den Ausschluss Liebknechts bewusst versucht habe, eine Aufklärung zu verhindern. Die nationalliberale National-Zeitung hinterfragte die Entscheidung der Regierung, sich über den Wunsch nach einer parlamentarischen Untersuchungskommission hinweg zu setzen, nur damit nicht alle Informationen öffentlich würden, und bezeichnete die eingesetzte Kommission selbst als »Scheinkommission«.285 Sie prangerte außerdem an, es werde bewusst in Kauf genommen, dass Tatsachen nicht ermittelt werden könnten, nur um eine Machterweiterung des Parlaments zu verhindern. So sei es »unbequem«, wenn die Kommission »über das Geschäftsgebaren der Regierung zu Gerichte […] sitzen« könnte.286 Zudem erklärte der Artikel, dass »durch diese Kommission […] eine gefährliche Präjudiz […] [und] eine Erweiterung der parlamentarischen Macht« geschaffen werden könnte, die der Regierung zu gefährlich sei.287 Der sozialdemokratische Vorwärts äußerte sich in ähnlicher Weise und sprach von »Schiebung«288 und von einer »Vertuschungskommission«289. Allerdings ist hier bemerkenswert, dass es nur in wenigen Ausnahmen um eine Kritik am mangelnden Zugang der Bevölkerung zu Informationen ging. Die Kritik bezog sich vor allem auf die mangelnden Kompetenzen des Reichstags und den Ausschluss Liebknechts. Es ging also erneut eher um den Zugang des Parlaments zu Informationen und um seine Machtbefugnisse. Dies zeigt sich auch daran, dass »vor der vollen Öffentlichkeit ge-

284 Volksblatt für Halle und den Saalkreis: Das Kruppsystem wurde gerichtet! Brandt vier Monate Gefängnis – Kruppdirektor Eccius 1200 Mark Geldstrafe, o. A. (11. 11. 1913), in: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 84a, Nr. 58542, S. 68. 285 National-Zeitung: Die Scheinkommission, 177 (31. 07. 1913), in: Bundesarchiv Abteilung Reich R 101/2903, S. 44. 286 Ibid. 287 Ibid. 288 Vorwärts: Schiebung und Siebung, 296 (10. 09. 1913), in: Bundesarchiv Abteilung Reich R 101/2903, S. 103. 289 Vorwärts: Prüfungskommission oder Vertuschungskommission? 301 (1511.1913), in: Bundesarchiv Abteilung Reich R 101/2903, S. 131.

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Das Kaiserreich – zaghafte Versuche für mehr Transparenz?

führt[e] gerichtlich[e] Verhandlungen«290 für die Kritiker der eingesetzten Prüfungskommission auch nicht ausreichend waren, um Aufklärung zu schaffen. Noske erklärte dazu, »wenn es großen Kapitalisten an den Kragen gehen soll, dann muß man im Interesse des Reiches davon Abstand nehmen, die Skandale in öffentlichen Gerichtsverhandlungen festzustellen«.291 Es war also nicht die Öffentlichkeit der Kommissionssitzungen, die entscheidend für die Aufklärung des Falles war, sondern der Einfluss des Parlaments. Im Vergleich zum Skandal 1873 wurde die Forderung nach Transparenz gegenüber der Bevölkerung trotzdem vermehrt geäußert. Letztendlich hinterließ die Kommission keinen bleibenden Eindruck. Die Gerichtsverhandlungen fällten schließlich das Urteil, es habe sich nicht um ein korruptes System gehandelt, sondern nur um Einzelfälle. Und die Gerichtsverhandlungen waren es auch, die zeigen sollten, dass nichts vertuscht werde.292 Deutlich wird in diesem Fall aber auch, dass es »keine Politik des gesamten Reichstags gegenüber der Reichsleitung [gab]«,293 sondern unterschiedliche Vorstellungen herrschten. Diese verunmöglichten ein vereintes Vorgehen gegen die Regierung mithilfe der Durchsetzung des Kontrollrechts. Zu diesem Zeitpunkt lässt sich ebenfalls keine »stille Parlamentarisierung« konstatieren, obgleich das Selbstbewusstsein des Parlaments eindeutig größer geworden war. Dennoch scheint sich der Konflikt zwischen Regierung und Parlament, aber auch innerhalb des Parlaments verstärkt zu haben. »[D]e[r] konstitutionelle[…] Dualismus« zwischen Regierung und Parlament wurde also auch 1913 weiterhin aufrecht erhalten.294

2.5

Die Mittel zur Herstellung von Transparenz im Kaiserreich

Während die Herstellung von Öffentlichkeit in den Untersuchungsausschüssen der Weimarer und der Bonner Republik vorgeschrieben war, bestand dieser Zwang im Kaiserreich nicht. Ihre Sitzungen waren nicht öffentlich und waren nicht einmal allen Parlamentsmitgliedern zugänglich. Dies schränkte den Zugang zu und die Zugänglichmachung von Informationen stark ein. Lediglich vier Mittel standen ihnen zu, um einen gewissen Grad an Transparenz zu schaffen. Ein Mittel waren die Protokolle der Ausschusssitzungen. Dies brachte im Kaiserreich aber einige Schwierigkeiten mit sich. Eine ausführliche Protokollie290 Redebeitrag Clemens Delbrück, in: Verhandlungen des Reichstags XIII, Bd. 291, 12. 12. 1913, S. 6446 (A). 291 Redebeitrag Gustav Noske, in: Ibid., S. 6457 (B). 292 Redebeitrag Emil Belzer, in: Verhandlungen des Reichstags, XIII. Legislaturperiode, I. Session, Stenographische Berichte, Bd. 293, 215. Sitzung, 16. 02. 1914, Berlin, 1914, S. 7364 (C). 293 Schönberger 2003: Die überholte Parlamentarisierung, S. 635. 294 Ibid., S. 666.

Die Mittel zur Herstellung von Transparenz im Kaiserreich

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rung lässt sich im Fall Strousberg nicht nachvollziehen und es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass diese überhaupt stattfand. Im Falle Krupp gab es eine stenographische Protokollierung der Sitzungen, wovon jedoch nur einzelne Sitzungen archiviert sind.295 Wer Zugang zu diesen Protokollen hatte und inwiefern es wirklich Protokolle zu allen Sitzungen gab, wird daraus nicht mehr ersichtlich. Wenn es tatsächlich zu allen Sitzungen stenographische Protokolle gab, die auch dem Parlament zugänglich waren, handelte es sich hierbei um eine »ProzessTransparenz«, die dem Parlament und damit indirekt auch der Bevölkerung im Nachhinein zugänglich gemacht wurde. Das zweite Mittel waren die Berichte und Vermerke, die vor allem für die Regierung gedacht waren,296 sowie die Abschlussberichte, die dem Parlament im Nachhinein zur Verfügung gestellt wurden. Die lückenhaften Darstellungen in diesen sowie der Umstand, dass sie teilweise erst sehr verspätet und somit auch mit einem mangelnden Interesse des Publikums besprochen wurden, wurde bereits näher ausgeführt. Zudem war die Tatsache, dass erst im Anschluss an die Arbeiten der Untersuchungskommissionen eine gewisse und kontrollierte Zugänglichmachung von Informationen gewährt wurde, wieder eine Einschränkung von Transparenz. Dabei handelte es sich ebenfalls um eine Schaffung von Transparenz im Nachhinein, wobei hier – anders als bei den Protokollen – nur die Ergebnisse transparent gemacht wurden. Das dritte Mittel waren die Diskussionen um die Untersuchungskommissionen im Plenum des Abgeordnetenhauses oder des Reichstags. Diese waren öffentlich und die regelmäßige Berichterstattung ermöglichte es, Informationen an die Öffentlichkeit weiterzugeben.297 Hierbei handelte es sich also um eine »Realtime-« und »Prozess-Transparenz« zu den Diskussionen über die Kommission. Die Informationen aus den Kommissionen wurden hier allerdings auch nur als »Event-Transparenz« im Nachhinein öffentlich gemacht. Diese Debatten fanden in der Regel nur vor der Einsetzung einer Untersuchungskommission, zu Beginn der Arbeiten und nach Beendigung der Arbeiten statt. Was vermutlich auch mit dem mangelnden Zugang der Parlamentarier zu Informationen und dem Wunsch, in der Kommission ungestört ermitteln zu können, verbunden war. Das letzte Mittel war schließlich die Berichterstattung der Presse. Die Tatsache, dass die Presse parteipolitisch gefärbt war und für verschiedene »Teilöffentlichkeiten« schrieb, wurde bereits erwähnt. Im Fall der Untersuchungskommissionen sollte die Presse zwischen ihnen und der Bevölkerung durch regelmäßige Berichterstattung über die Kommissionsarbeit vermitteln. Ob es eine 295 Kommission zur Prüfung der Rüstungslieferungen. Stenographische Berichte, in: Bundesarchiv Abteilung Militärarchiv RM 3/9378, S. 318–369; Ibid., in: Bundesarchiv Abteilung Militärarchiv RM 3/11043, S. 188–227. 296 Siehe auch: Bundesarchiv Abteilung Militärarchiv RM 3/9376 + RM 3/9377 + RM 3/9379. 297 Siehe auch: Rothfuss 2019: Korruption im Kaiserreich, S. 57.

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Das Kaiserreich – zaghafte Versuche für mehr Transparenz?

Pressekonferenz gab oder die Presse ihre Informationen durch den Austausch mit einzelnen Kommissionsmitgliedern erlangte, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Sicher ist aber, dass die Presse regelmäßig über die Arbeit der Untersuchungskommissionen berichtete, obgleich das Interesse an dieser Berichterstattung im Laufe der Ermittlungen stetig abnahm. Diesen Umstand beklagten auch die Parlamentarier. So betonte der Zentrums-Abgeordnete Reichensperger, dass die Presse nicht nur fähig sei, das Interesse an einem Thema zu wecken und dadurch einen Skandal auszulösen, sondern auch »in der Lage« sei, »das öffentliche Gewissen einzuschläfern« und die Berichterstattung kleinzuhalten.298 Andere Abgeordnete wie Löw konstatierten, dass »dem erregten und mit uns sympathisirenden Publikum langweilig werden« würde.299 Dies sei auch in der Presseberichterstattung zu bemerken. Zudem machten Abgeordnete 1876 den Vorwurf, dass der Bericht von der Presse häufig gar nicht thematisiert werde und sich dadurch »das große Publikum […] über den Inhalt des Berichts durchaus in Unkenntnis befindet und aus dieser Unkenntnis heraus falsch urtheilt«.300 Diese Aussagen der Parlamentarier zeigen, dass die Presse letztendlich nicht in der Lage war oder kein Interesse daran hatte, umfassend über die Arbeit und die Ergebnisse der Untersuchungskommission zu berichten. Dadurch schaffte auch sie es nicht, direkte Transparenz zu erzeugen. Lediglich einige Ergebnisse wurden im Nachhinein transparent gemacht. Zudem kann hier auch die Frage gestellt werden, ob die Untersuchungskommissionen der Transparenz nicht letztlich sogar schadeten. Schönberger konstatiert für die verschiedenen Ausschüsse des Reichstags, dass sich ihre Arbeit vom öffentlichen Plenum des Parlaments »in den nichtöffentlichen Bereich [verlagerte]«.301 Dies lässt sich in gewisser Weise auch für die Untersuchungskommissionen anführen. Während der Fall selbst zunächst im Plenum skandalisiert und somit dem Parlament und der Bevölkerung zugänglich gemacht wurde, fanden die folgenden Ermittlungen im Geheimen statt. Erst die Ergebnisse dieser Ermittlungen wurden wieder bedingt transparent gemacht. Die Untersuchungskommissionen im Kaiserreich verfügten nicht über die Mittel, Transparenz zu schaffen. Dies war vor allem auch der Tatsache geschuldet, dass es sich nicht um rein parlamentarische Untersuchungsausschüsse handelte, sondern um gemischte Kommissionen. Es konnte keine wirkliche »inwardsTransparenz« geschaffen werden, d. h. Außenstehenden war es nicht möglich, Einblicke in die Arbeit der Ausschüsse zu bekommen. Eine »outwards-Transparenz«, zum Beispiel durch Einsicht der Akten aus verschiedenen Behörden 298 Redebeitrag Peter Reichensperger, in: Stenographische Berichte 1876, Bd. 2, 15. 02. 1873, S. 1054 (r). 299 Redebeitrag Wilhelm Löwe, in: Ibid., S. 1056 (r). 300 Redebeitrag Eugen Richter, in: Stenographische Berichte 1872, Bd. 2, 23. 02. 1876, S. 197 (l). 301 Schönberger 2003: Die überholte Parlamentarisierung, S. 646.

Untersuchungskommissionen und Transparenzforderungen im Kaiserreich

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oder Betrieben durch die Kommissionsmitglieder, lässt sich insbesondere für den Fall der Eisenbahnkonzessionen vermuten.302 Zudem wurden gefilterte Ergebnisse erst im Nachhinein zugänglich gemacht. So wurde bis zu einem gewissen Grad also eine »Retrospect-« und »Event-Transparenz« hergestellt. Nur bedingt wurden auch Prozesse in Echtzeit transparent gemacht. Das Interesse daran, öffentlich zu verhandeln oder die Bevölkerung regelmäßig über die Arbeit oder die Ergebnisse der Kommissionen zu informieren, war nicht gegeben. Obgleich Transparenz als Argument also in den Untersuchungskommissionen des Kaiserreiches eine Rolle spielte, stellten die Untersuchungskommissionen nur bedingt ein Instrument zur Herstellung von Transparenz dar.

2.6

Untersuchungskommissionen und Transparenzforderungen im Kaiserreich

Bereits im Kaiserreich lösten große Korruptionsskandale, wie die Affäre um das Eisenbahnkonzessionswesen oder die Kornwalzer-Affäre, Forderungen nach Untersuchungskommissionen aus. Diese bestanden meist darin, entweder rein parlamentarischen Untersuchungskommissionen einzurichten oder zumindest das Parlament in diesen zur führenden Kraft zu machen. Während es 1873 nur zögerliche Versuche gab und das Parlament sogar noch die Mitarbeit der Regierung in der Kommission forderte, sah dies 1913 vollkommen anders aus. Zu diesem Zeitpunkt sollte die Regierung nicht mehr beteiligt werden. Vielmehr sollte eine rein parlamentarische Untersuchungskommission mit erweiterten, richterlichen Kompetenzen eingesetzt werden. Beide Versuche scheiterten jedoch. 1873 entstand eine königliche Kommission, die nur zwei Mitgliedern des Parlaments Zutritt gewährte, und 1913 entstand eine gemischte Kommission, in welcher nicht einmal der Antragsteller Karl Liebknecht Mitglied sein durfte. Die Forderung nach Einsetzung von Untersuchungskommissionen muss im Kontext des Konfliktes zwischen Regierung und Parlament gesehen werden. So versuchten die Parlamente immer mehr Einfluss zu gewinnen. Sie erhofften sich, dies durch ein mögliches Kontrollrecht zu erlangen. Das Vorhaben gelang allerdings nur bedingt. Neben der Veröffentlichung der Skandale in den Parlamenten gewährte die öffentliche Forderung nach Untersuchungen einen Machteinfluss. Die Regierung musste auf das Parlament reagieren, öffentlich Stellung nehmen und vor allem mit ihm zusammenarbeiten. Gleichzeitig bewahrte die Regierung die Oberhand und gab dem Parlament nur bedingt Einfluss. Insbesondere die Forderungen nach Einsetzung einer Untersuchungs302 Siehe hierzu: Redebeitrag Eduard Lasker, in: Stenographische Berichte 1876, Bd. 2, 29. 03. 1876, S. 888 (r)f.

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Das Kaiserreich – zaghafte Versuche für mehr Transparenz?

kommission spielten in diesem Machtkampf also eine entscheidende Rolle. In diesem Zusammenhang wurde auch Transparenz immer wieder angeführt. So rechtfertigten die Befürworter einer Untersuchungskommission ihre Einsetzung damit, dass sie Aufklärung schaffen und einen Zugang zu Informationen gewähren sollte. Die Untersuchungsausschüsse und die damit verbundenen Transparenzforderungen waren in diesem Kontext also vor allem ein Mittel der Parlamentsmitglieder, einen größeren Einfluss gegenüber der Regierung zu erlangen und die Legitimität des Parlaments als demokratisch geprägte Kontrollinstanz zu unterstreichen. Diese geforderte Transparenz selbst richtete sich in der Regel allerdings nicht an die Bevölkerung, sondern primär an das Parlament. Dies war im monarchischen System des Kaiserreichs, in welchem dem Parlament eher eine schwache Rolle zukam, bereits ein Fortschritt und ein unabdingbares Entgegenkommen der Regierung. Gleichwohl sollte die Bevölkerung allein durch die Tatsache, dass Untersuchungen angestellt wurden und das Parlament als Volksvertretung mitmischte, beruhigt werden und dem Ausland sollte gezeigt werden, dass nichts verheimlicht werde. Transparenz wird hier also als ein Element wahrgenommen, das Vertrauen stärkt. Gleichzeitig bestand vor allem bei den Regierungsmitgliedern die Sorge, durch die Transparenz gegenüber dem Parlament und die damit verbundene Kompetenzerweiterung könne die Gewaltenteilung gefährdet werden und das Parlament könne sich zu sehr in die Angelegenheiten der Exekutive einmischen. Ein weiterer Vorbehalt war außerdem, dem Ansehen des Kaiserreichs oder einiger Persönlichkeiten könne durch diese Untersuchungen geschadet werden bzw. die Kommissionen könnten bewusst zur Verleumdung genutzt werden. Letztendlich deuten die beiden untersuchten Fälle an, dass sich der Einfluss des Parlaments im Laufe des Kaiserreichs verstärkt hatte. Eine »stille Parlamentarisierung« des Systems hat dennoch nicht stattgefunden. Zwar schaffte es das Parlament durch solche Untersuchungskommissionen seinen Einfluss bedingt zu erweitern und in Angelegenheiten der Regierung mitzumischen, es wurde jedoch weiterhin von der Regierung in Zaum gehalten und sie dirigierte schließlich die Vorgaben für die Untersuchungskommissionen. Hierdurch »festigte« sich sogar »de[r] konstitutionelle[…] Dualismus« zwischen Regierung und Parlament.303 Es zeigt sich also – in Anlehnung an Steffani – »Macht und Elend der […] Parlamente«.304 Sie waren noch nicht in der Lage, sich gegen die Regierung durchzusetzen und als ebenbürtige Macht zu agieren. Gleichzeitig konnte die Regierung aber nicht mehr ohne die Parlamente handeln und musste diese miteinbeziehen. Rothfuss konstatiert bereits, was sich durch die ausführ303 Schönberger 2003: Die überholte Parlamentarisierung, S. 666. 304 Steffani 1979: Parlamentarische und präsidentielle Demokratie, S. 187.

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liche Quellenarbeit hier bestätigt: Die Diskussion über die Untersuchungskommissionen war schlussendlich viel wichtiger für die Aushandlung der Parlamentskompetenzen als ihre Arbeit und Ergebnisse, da das öffentliche Interesse zu diesem Zeitpunkt meist schon eher gering war.305 Transparenzforderungen und das Transparenzargument wurden in diesen Debatten bereits genutzt, allerdings noch sehr zaghaft. Zudem ging es nicht zwingend um eine Zugänglichmachung von Informationen gegenüber der Bevölkerung, sondern vor allem für das Parlament. Außerdem unterschieden sich insbesondere Regierung und Parlament auch in der Annahme, was transparent gemacht werden sollte: Während das Parlament sich wünschte, alle Informationen aus den Vernehmungen (zum Beispiel durch das Beiwohnen der Sitzungen) zu erhalten, machte die Regierung lediglich die Ergebnisse im Nachhinein anhand einer Berichterstattung transparent. Es standen sich also die Vorstellungen von einer »Prozess-Transparenz« in Echtzeit und einer »Event-Transparenz« im Nachhinein gegenüber. Viele Parlamentarier siedelten sich allerdings dazwischen an und forderten zwar eine Transparenzmachung der Prozesse, diese konnte aber auch im Nachhinein geschehen. Zeitgleich verdeutlichen sich hier die Grenzen von Transparenz: Insbesondere das Festhalten an notwendigen Geheimnissen sowie die Sorge vor einer Schädigung einzelner Personen oder Betriebe hemmten eine mögliche Transparenz. Eine vollständige Transparenz schien also nicht nur nicht möglich, sondern gar nicht erwünscht. Die Ausschüsse konnten durch ihre geheimen Verhandlungen keine »inwards-Transparenz« gewähren. Durch die Kooperation mit der Regierung und den Behörden sowie den dazugehörigen Zeugenaussagen und der Akteneinsicht erhielten sie wiederum teilweise eine »outwards-Transparenz«. Die möglichen Mittel zur Herstellung von Transparenz, die diesem Gremium zur Verfügung standen, bestätigen diese Befunde. Die Untersuchungskommissionen verfügten letztlich kaum über Möglichkeiten, Transparenz zu schaffen. Die wenigen verfügbaren Optionen, wie die Presseberichterstattung, filterten Informationen sehr stark. Die Analyse hat auch gezeigt, dass überhaupt fraglich ist, inwiefern Untersuchungskommissionen im Kaiserreich tatsächlich als Transparenzinstrument wahrgenommen werden können oder inwiefern sie nicht vielleicht sogar Transparenz verhinderten. So waren die Verhandlungen der Kommissionen nicht öffentlich und nicht einmal die Mitglieder des Parlaments konnten an den Sitzungen teilnehmen. Protokolle wurden nicht zwingend geführt und auch die Berichte blieben lückenhaft. Ein Zugang zu Informationen und die Nachvollziehbarkeit der Arbeit der Untersuchungskommissionen blieb also auf wenige beschränkt. Die Presse berichtete über die Arbeit der Kommissionen und er305 Rothfuss 2019: Korruption im Kaiserreich, S. 257.

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möglichte somit einen gewissen Zugang zu Informationen. Gleichwohl blieben auch diese Informationen beschränkt: einerseits durch die Informationen, die die Presse erhielt, andererseits durch die Informationen, die die Presse weitergab. Hierbei waren insbesondere die politischen Gesinnungen der einzelnen Zeitungen, aber auch das Interesse an der Arbeit der Kommissionen prägend für die Presseberichterstattung und somit den Zugang zu Informationen. Die Ergebnisse der Kommissionen waren nur sehr schwach und führten zu keiner wirklichen Aufklärung in den Fällen. Von Herstellung von Transparenz durch diese Kommissionen zu sprechen, ist daher unmöglich. Die beiden hier analysierten Fälle ordnen sich gut in die Transparenzforschung ein. Zunächst ist von Bedeutung, dass bereits im Kaiserreich, also lange bevor das Wort »Transparenz« zu einem politischen Modebegriff wurde, insbesondere Parlamentarier Transparenz forderten. Dies fand ohne die heutige Begrifflichkeit und in viel geringerem Maße statt, aber die Zugänglichmachung von Informationen wurde bereits im 19. Jahrhundert verlangt. Zu diesem Zeitpunkt wurden Untersuchungskommissionen schon mit genau diesen Forderungen in Zusammenhang gebracht. Die Tatsache, dass die Forderungen nach Transparenz nur sehr zaghaft waren, deckt sich außerdem mit den Überlegungen verschiedener Studien. Diese konstatieren den engen Zusammenhang von Transparenz und Demokratien. Während für Demokratien Transparenz als eine der wichtigsten Eigenschaften angesehen wird, ist sie in nicht-demokratischen Systemen weniger ausgeprägt.306 Diese Tatsache wird im Vergleich zu den folgenden Kapiteln, in denen demokratische Systeme betrachtet werden, noch deutlicher. Es wurde außerdem bereits aufgezeigt, dass sich die analysierten Transparenzforderungen in die verschiedenen Modelle Healds einordnen lassen. Neben Forderungen nach »Prozess-Transparenz« in Echtzeit gab es auch solche nach eingeschränkter Transparenz der Ergebnisse im Nachhinein. Des Weiteren wird die positive Konnotation in Verbindung mit Transparenz erkennbar. Obgleich alle Beteiligten akzeptierten, dass einige Geheimnisse notwendig waren, nahmen insbesondere die Parlamentarier eine Ablehnung von mehr Transparenz sehr negativ auf. Es entstand hierbei meist die Sorge vor einer möglichen Vertuschung und dies führte zu Misstrauen. Die angeführten Diskussionen fügen sich in den allgemeinen Diskurs über Skandale dieser Zeit und stellten meist den Höhepunkt dieses Diskurses dar. Nach ersten Anschuldigungen folgte die Forderung nach einer Untersuchungskommission und der Schaffung von Transparenz. Daraufhin schwächte das Interesse in der Regel wieder ab. Die Debatten um die Kommissionen bestätigen zudem die Feststellung Böschs, dass durch die Skandale »die Stellung des 306 Siehe u. a.: Eichenhofer 2017: Privatheit und Transparenz in der Demokratie, S. 138; Colson 2004: Gérer la tension entre secret et transparence, S. 91.

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Reichstages« gestärkt wurde, da sie »in einer medialisierten Gesellschaft eine größere Aufmerksamkeit« erreichen konnten, »auch wenn sich der formale institutionelle Rahmen durch die Skandale kaum änderte«.307 Es handelte sich also vielmehr um eine symbolische Bedeutung.308 Zudem wurde zu einem gewissen Grad auch »die Sphäre des Privaten und Öffentlichen [verschoben]«,309 da durch die Ausschussermittlungen und die anschließenden Debatten Dinge, die zuvor geheim gehalten wurden, mehr oder weniger in die Öffentlichkeit getragen wurden.310 Diese Verschiebung fand allerdings nur bedingt statt, denn weiterhin blieben die Kommissionsarbeiten weitestgehend nicht öffentlich und lediglich die Ergebnisse wurden schließlich zugänglich gemacht. In den Debatten um die Untersuchungskommissionen lässt sich auch der Korruptionsdiskurs dieser Zeit wiederfinden. Transparenz wurde als ein Mittel zur Bekämpfung von Korruption wahrgenommen. Durch Aufklärung sollten Missstände im System aufgedeckt und bekämpft werden. Gleichwohl spielte Transparenz in dieser Debatte nur eine bedingte Rolle. Auch das lässt sich mit dem Korruptionsdiskurs dieser Zeit erklären. Wie Historikerinnen und Historiker bereits aufgezeigt haben, wurde Korruption im Kaiserreich sehr wohl thematisiert, galt allerdings als äußert seltenes Phänomen. Obgleich es auch im Kaiserreich zu vielen Korruptionsfällen kam, wurden die wenigen Korruptionsfälle, die öffentlich gemacht wurden, als Ausnahmen dargestellt. Dies zeigen auch die beiden hier untersuchten Fälle. Bei beiden wurde sowohl von der Regierung als auch von den verschiedenen Parlamentariern betont, es sei nicht zu größeren korrupten Handlungen gekommen, sondern es handele sich nur um Einzeltäter. Diese Einzeltäter – so wurde behauptet – waren keine wichtigen Persönlichkeiten der Wirtschaft oder Politik, sondern eher kleine Angestellte. Die Integrität des Beamtentums und des politischen Systems wurde dabei stets unterstrichen. Da Korruptionsfälle – so die weitere Argumentation – Ausnahmefälle waren, war eine umfassende Schaffung von Transparenz durch Untersuchungskommissionen nicht notwendig, sondern nur eine Aufklärung dieser vermeintlichen Fehltritte. Der Wille zur Untersuchung und Klarstellung dieser Einzelfälle wurde dabei trotzdem besonders betont. Bereits im Kaiserreich wurde Transparenz also als ein wichtiges Gegenmodell zur Korruption wahrgenommen. Durch Aufklärung sollte korrupten Handlungen entgegengewirkt werden. Das Kaiserreich sollte besonders sauber und nicht korrumpierbar wirken. Anders sah dies nur einige Jahre später in der Weimarer Republik aus. Insbesondere die Vertreterinnen und Vertreter der extremen 307 308 309 310

Bösch 2009: Öffentliche Geheimnisse, S. 473. Rothfuss; Engels 2013: Les usages de la politique du scandal, S. 36. Bösch 2009: Öffentliche Geheimnisse, S. 484. Ibid., S. 478.

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Das Kaiserreich – zaghafte Versuche für mehr Transparenz?

Parteien versuchten immer wieder, das republikanische System Weimars als besonders korrupt darzustellen. Welche Rolle Untersuchungsausschüsse und Transparenz in diesem Zusammenhang spielten, wird im folgenden Kapitel näher untersucht.

3.

Die Weimarer Republik – Aufklärung oder parteipolitischer Kampf ?

In der Weimarer Republik kamen zum ersten Mal in der Geschichte Deutschlands rein parlamentarische Untersuchungsausschüsse zum Einsatz. Ihre Aufgabe war dabei vor allem die Ermittlung und Feststellung von Tatsachen, die die Arbeit und die Mitglieder des Parlaments betrafen. Sie wurden häufig als ein Untersuchungsinstrument des Parlaments in Korruptionsskandalen benutzt, wie auch im Barmat- und Sklarek-Skandal. Insbesondere aufgrund ihrer öffentlichen Sitzungen wurden die Untersuchungsausschüsse von vielen Zeitgenossinnen und -genossen als ein Instrument zur Schaffung von Transparenz wahrgenommen. Obgleich diese Transparenz der Ausschüsse zunächst vor allem gegenüber dem Parlament existieren sollte, ging es auch um eine solche gegenüber der Bevölkerung. Diese Transparenz wurde vor allem auch durch die Vermittlung der Presse geschaffen.311 Die Presse in der Weimarer Republik »erscheint […] recht unverändert gegenüber der Vorkriegszeit«.312 Sie war ebenfalls eine sogenannte Parteienpresse, die selbst in die parteipolitischen Kämpfe involviert war und die Konflikte im Parlament in ihrer Berichterstattung fortsetzte. Diese Berichterstattung war häufig sehr aggressiv und emotional und richtete sich jeweils an eine eigene »Teilöffentlichkeit« und war vor allem lokal und weniger überregional. Die Herausgeber und Journalisten waren häufig dieselben Personen, die auch im Ausschuss oder im Parlament saßen.313 In diesem Kapitel wird einerseits argumentiert, dass die Ausschüsse als wichtige Transparenzinstrumente und als Möglichkeit zur Bekämpfung von Korruption wahrgenommen wurden. Sie sollten Aufklärung schaffen und einen Zugang zu Informationen ermöglichen. Andererseits blieben sie ein politisches 311 Siehe hierzu Kapitel 6.3, S. 282ff. 312 Bösch, Frank: Mediengeschichte. Vom asiatischen Buchdruck zum Fernsehen. Frankfurt, 2011, S. 167. 313 Zur Rolle der Presse in der Weimarer Republik siehe auch: Klein 2014: Korruption und Korruptionsskandale, S. 52ff.; Fulda, Bernhard: Press and Politics in the Weimar Republic. Oxford, 2009; Koszyk, Kurt: Deutsche Presse 1914–1945. Geschichte der deutschen Presse Teil III. Berlin, 1972.

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Die Weimarer Republik – Aufklärung oder parteipolitischer Kampf ?

Kampfmittel, das von den verschiedenen Parteien für ihre eigenen Interessen genutzt wurde. Dennoch war auch hier Transparenz von großer Bedeutung. Auf der einen Seite ermöglichte die Öffentlichkeit der Ausschüsse eine Diskreditierung anderer Parteien und das positive Hervorheben der eigenen Partei. Auf der anderen Seite spielte Transparenz als Argument eine wichtige Rolle in der allgemeinen Debatte um das politische System der Weimarer Republik, sowohl für dessen Befürworterinnen und Befürworter als auch für dessen Gegnerinnen und Gegner. Das Kapitel wird zunächst die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Untersuchungsausschüsse – mit einem Fokus auf der Frage der Öffentlichkeit – näher betrachten. Anschließend werden die beiden Fallbeispiele, die Barmatund Sklarek-Affäre, untersucht, bevor schließlich ein Zwischenfazit für die Weimarer Republik gezogen wird.

3.1

Verfassungsrechtliche Grundlagen der Untersuchungsausschüsse

3.1.1 Untersuchungsausschüsse bei Max Weber In seinem Werk Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland aus dem Jahre 1918 schrieb der Soziologe Max Weber darüber, wie Deutschland nach dem Krieg politisch neu strukturiert werden sollte. Dabei betonte er die Schwäche des Parlaments in der vorangegangenen Monarchie. Er erklärte, es sei der größte Fehler der Bismarck’schen Politik gewesen, unmündige Bürgerinnen und Bürger sowie ein »völlig machtloses Parlament« hervorgebracht zu haben.314 Ihm zufolge müsse das neugeordnete Deutschland vor allem auch ein starkes Parlament beinhalten.315 Im fünften Kapitel seines Werkes widmete Weber sich der Parlamentskontrolle und somit der Frage der Untersuchungsausschüsse. Er unterstrich, dass diese nicht allein der Kontrolle der Regierung dienen, sondern vielmehr auch die Position des Parlaments stärken sollten. Denn allein ein starkes Parlament sei die Voraussetzung für eine mündige Bevölkerung. Es klang bereits die Vorstellung an, Untersuchungsausschüsse nicht nur zur Kontrolle, sondern auch als parteipolitisches Instrument zu nutzen, wie es in der Weimarer Republik schließlich häufig geschah. Es muss jedoch betont werden, dass Weber die Vorstellung vertrat, den Ausschuss zur Stärkung des Parlaments gegenüber der Regierung einzusetzen und nicht für den Kampf einzelner Parteien gegen andere. Das Recht auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen fehlte dem 314 Weber, Max: Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland. Zur politischen Kritik des Beamtentums und Parteiwesens. München; Leipzig, 1918, S. 13. 315 Ibid., S. 50ff.

Verfassungsrechtliche Grundlagen der Untersuchungsausschüsse

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Reichstag bis dato und er sei daher »außer zum Dilettantismus, auch zur Unkenntnis verurteilt«.316 Untersuchungsausschüsse sollten dabei nicht nur dem Parlament dienen, sondern auch einen »erzieherischen Einfluß« auf die Bevölkerung ausüben.317 Denn: »Durch effektive Parlamentskontrolle erzwungene Publizität der Verwaltung ist das, was als Vorbedingung jeder fruchtbaren Parlamentsarbeit und politischen Erziehung der Nation zu fordern ist.«318 Insbesondere durch die Unkenntnis der Bevölkerung sei verhindert worden, dass »ein selbstbewußtes Volk« entstanden sei.319 Diese Unkenntnis lasse sich umgehen, wenn sich die Bevölkerung »durch Handhabung des sogenannten ›Enqueterechts‹ jederzeit jene Kenntnis der Tatsachen und der technischen Fachgesichtspunkte […] verschaffen« könne.320 Besonders wichtig war für Weber hierbei also die »Publizität« der Verhandlungen bzw. »eine gute fortlaufende Berichterstattung gegenüber der Öffentlichkeit«.321 Das Ziel war nicht nur die Bevölkerung zu informieren. Vielmehr sollte durch die Öffentlichkeit der Schutz der Minderheit garantiert werden, »[s]chon um gegen jede künftig einmal mögliche parlamentarische ›Mehrheitswirtschaft‹ und ihre bekannten Gefahren [das] Gegengewicht der Publizität zu bieten«.322 Die Öffentlichkeit der Verhandlungen sollte also auch dazu dienen, die parlamentarische Mehrheit zu kontrollieren. Dadurch sollte garantiert werden, dass die Ausschüsse nicht zwingend im Interesse der Mehrheit arbeiteten, sondern die parlamentarische Minderheit die Möglichkeit hatte, Untersuchungen durchzuführen. Doch auch Weber zufolge hat die Öffentlichkeit der Verhandlungen Grenzen, nämlich dann, wenn sie die Politik gefährdet, wie zum Beispiel bei Fragen der Diplomatie.323 Weber schrieb den Untersuchungsausschüssen damit eine besonders entscheidende Rolle zu, und zwar insbesondere bei der Kontrolle der Regierung und Stärkung des Parlaments. Sie sollten außerdem als ein Instrument zur Erziehung der Bevölkerung dienen. Beides waren Ideen, die bereits in den Diskussionen um die Untersuchungskommissionen im Kaiserreich aufkamen. Für ihn spielte die Öffentlichkeit der Verhandlungen eine entscheidende Rolle, wobei diese nur bedingt dem Informationsgewinn der Bevölkerung dienen sollte. Vielmehr sollte sie eine Kontrolle durch die Bevölkerung erlauben und somit der Minderheits316 317 318 319 320 321 322 323

Weber 1918: Parlament und Regierung, S. 58. Ibid., S. 59. Ibid., S. 62. Ibid., S. 58. Ibid., S. 58. Ibid., S. 64. Ibid., S. 67. Ibid., S. 63.

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Die Weimarer Republik – Aufklärung oder parteipolitischer Kampf ?

schutz im Parlament garantiert werden. Erneut lag hier – wie bereits in den Diskussionen im Kaiserreich – der Fokus auf dem Parlament als Adressat einer möglichen Transparenz und nicht zwingend auf der Bevölkerung. Die Ideen Webers waren wichtige Anknüpfungspunkte für die 1919 tagende verfassungsgebende Nationalversammlung, die versuchte, diese teilweise umzusetzen.

3.1.2 Die Verfassungsgebende Versammlung Von Februar bis Mai 1919 tagte die verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung in Weimar, die sowohl von Männern als auch von Frauen, die älter als 20 Jahre alt waren, gewählt wurde. Sie diente als Parlament unter dem am 10. Februar 1919 erlassenen Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt, welches durch die Weimarer Reichsverfassung abgelöst wurde. Ziel dieser Nationalversammlung war es, eine Verfassung für das gesamte Reich zu erarbeiten. Innerhalb der Diskussionen um die Verfassung spielten die Untersuchungsausschüsse und ihre Stellung eine wichtige Rolle. Die Untersuchungsausschüsse in der deutschen Verfassung stellten »etwas Neues« dar.324 Sie folgten dem Vorbild Großbritanniens, wo sie bereits als »eine der wertvollsten Einrichtungen des parlamentarischen Systems überhaupt angesehen [wurden]«.325 Der eingereichte Artikel 55 bestimmte, dass ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden konnte, wenn mindestens ein Fünftel der Reichstagsmitglieder einen solchen Antrag stellte. Dies markierte bereits eine Änderung gegenüber den zuvor eingereichten Artikeln, die vage beschränkten, »daß der Untersuchungsausschuß nur eingesetzt werden durfte zur Untersuchung von Thatsachen, wenn die Gleichzeitigkeit oder Lauterkeit von Regierungs- oder Verwaltungsmaßnahmen angezweifelt [wurde]«.326 Der Wunsch blieb aber, dass die Nutzung von Untersuchungsausschüssen nur beschränkt stattfände, nämlich dann, wenn »ein Interesse für die Öffentlichkeit« vorhanden sei.327 Was dies allerdings genau bedeuten sollte, wurde nicht näher ausgeführt. Einig waren sich die Mitglieder darin, dass die Verhandlungen weitestgehend öffentlich stattfinden sollten, um im Sinne Webers die Minderheit zu schützen.328 So verwies der Abgeordnete Hugo Preuß anhand eines Beispiels aus den USA

324 Redebeitrag Georg Schulz, in: Verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung, Aktenstück 391, 25. Sitzung, 8. 4. 1919, S. 264. URL: https://www.reichstagsprotokolle.de/Bla tt2_wv_bsb00000020_00265.html [28. 02. 2023]. 325 Redebeitrag Hugo Preuß, in: Ibid., S. 265. 326 Redebeitrag Georg Schulz, in: Ibid., S. 264. 327 Ibid. 328 Redebeitrag Hugo Preuß, in: Ibid., S. 265.

Verfassungsrechtliche Grundlagen der Untersuchungsausschüsse

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darauf, dass die öffentliche Verhandlung »ungemein sanierend« wirke.329 Der Abgeordnete Max Quarck plädierte sogar dafür, die Protokolle der Untersuchungsausschüsse direkt in der Presse abzudrucken, da »[d]as Publikum […] hierdurch aufgefordert [wird], ihm etwa bekannte Thatsachen der Kommission mitzuteilen, überhaupt sich an der Untersuchung und Klarstellung zu beteiligen«.330 Über die Frage des Ausschlusses der Öffentlichkeit herrschte weit mehr Uneinigkeit. Während die meisten Abgeordneten der Ansicht waren, ein Ausschluss der Öffentlichkeit müsse möglich sein331 – schon allein da dieser ja auch im Reichstag möglich sei und ein Organ des Reichstags dies somit auch ermöglichen müsse332 –, sprach sich Preuß dagegen aus und unterstrich die Notwendigkeit der öffentlichen Beweiserhebung, da diese »ihren größten Wert [durch die Öffentlichkeit] erh[alte]«.333 Der Abgeordnete Conrad Haußmann wiederum befürwortete, dass die Möglichkeit gegeben sein und die Kommission einstimmig beschließen müsse, ob die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden soll.334 Ein weiterer Streitpunkt war die Frage, inwiefern Post-, Telegraphen und Fernsprechgeheimnis von der Pflicht zur Öffentlichkeit betroffen waren, da laut dem eingereichten Artikel alle Behörden »dem Ersuchen der Enquetekommission um Beweiserhebung Folge zu leisten, ihre Akten vorzulegen«335 hatten. Die Mitglieder einigten sich darauf, dass diese Geheimnisse von der Regelung ausgenommen werden sollten. Sie beschlossen daraufhin den Artikel 55 für die Nationalversammlung, der wie folgt lautete: Der Reichstag hat das Recht und auf Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder die Verpflichtung, Untersuchungsausschüsse einzusetzen; diese Ausschüsse erheben in öffentlicher Verhandlung die Beweise, die sie oder die Antragsteller fuer erforderlich erachten. Der Ausschluß der Öffentlichkeit ist zulässig, wenn er von dem Untersuchungsausschuß einstimmig beschlossen wird. Die Geschäftsordnung regelt das Verfahren und bestimmt die Zahl der Mitglieder des Ausschusses. Alle Gerichte und Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, dem Ersuchen dieser Ausschüsse um Beweiserhebung Folge zu leisten; die Akten der Behörden sind ihnen auf Verlangen vorzulegen. Auf die Erhebungen der Ausschüsse und der von ihnen ersuchten Behörden finden die Vorschriften der Strafprozeßordnung sinngemäß Anwendung. Die Vorschriften über 329 330 331 332

Ibid., S. 266. Redebeitrag Max Quarck, in: Ibid., S. 266. Siehe u. a.: Redebeitrag Conrad Haußmann, in: Ibid., S. 265. Siehe u. a.: Redebeitrag Peter Spahn, in: Ibid., S. 265; Redebeitrag Erich Koch, in: Ibid., S. 265; Redebeitrag Georg Schulz, in: Ibid., S. 265f. 333 Redebeitrag Hugo Preuß, in: Ibid., S. 266. 334 Redebeitrag Conrad Haußmann, in: Ibid., S. 265. 335 Redebeitrag Georg Schulz, in: Ibid., S. 264.

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Die Weimarer Republik – Aufklärung oder parteipolitischer Kampf ?

die Wahrung des Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnisses werden hierdurch nicht berührt.336

3.1.3 Die Weimarer Reichsverfassung und die Verfassung Preußens Im Jahr 1919 wurde die Reichsverfassung der Weimarer Republik erlassen. Es handelte sich um eine demokratische Verfassung, die das Deutsche Reich zu einer föderativen Republik machte, die sowohl parlamentarisch als auch präsidentiell regiert wurde.337 Entscheidend ist, dass in der Verfassung der Weimarer Republik die Stellung des Parlaments gegenüber der Zeit des Kaiserreichs bedeutend gestärkt wurde.338 In diesen Zusammenhang gehörte ebenfalls, dem Parlament eine Kontrollfunktion zu geben, um sowohl die Regierung als auch sich selbst angemessen kontrollieren zu können. Die Untersuchungen konnten dabei »selbstständig«, also »ohne […] die Einwilligung der Regierungsinstanzen« durchgeführt werden.339 So wurden die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in den zweiten Abschnitt des Ersten Hauptteils unter dem Artikel 34 der Reichsverfassung aufgenommen.340 Der Artikel der Weimarer Nationalversammlung wurde mit nur wenigen Änderungen übernommen. Untersuchungsausschüsse konnten bereits von einem Fünftel der Reichstagsabgeordneten eingesetzt werden. Sie waren verpflichtet, öffentlich zu verhandeln, wobei die Öffentlichkeit in Einzelfällen ausgeschlossen werden konnte. Behörden waren angehalten, Unterlagen und Informationen an die Untersuchungsausschüsse herauszugeben. Insbesondere bei diesen Elementen lassen sich die Ideen Webers als Vorbild erkennen. Neben dem möglichen Ausschluss der Öffentlichkeit wurde außerdem noch die Begrenzung beibehalten, dass das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis von der Auskunftspflicht unberührt blieb.341

336 Redebeitrag Georg Schulz, in: Verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung, S. 266. 337 Zu der Kontroverse um die Verfassung siehe auch: Gusy, Christoph: Die Weimarer Verfassung zwischen Überforderung und Herausforderung. In: Der Staat 2016 (3), S. 291–318. 338 Siehe auch: Deuerlein, Ernst: Der Reichstag in Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit. In: Ernst Deuerlein (Hg.): Der Reichstag. Aufsätze, Protokolle und Darstellungen zur Geschichte der parlamentarischen Vertretung des deutschen Volkes. Bonn; Koblenz, 1963, S. 13–32, S. 27. 339 Steffani 1960: Die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtags, S. 98. 340 Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919. URL: https://www.jura.uni-wu erzburg.de/fileadmin [28. 02. 2023]. 341 Zur Rolle der Untersuchungsausschüsse in der Reichsverfassung siehe auch: Schröder, Stephan: Das parlamentarische Untersuchungsrecht der Weimarer Reichsverfassung im Spiegel der zeitgenössischen Staatsrechtslehre und Rechtssprechung. Damals wie heute: »Es wimmelt von Streitfragen…«. In: Zeitschrift für Parlamentsfragen 1999, S. 715–738.

Die Barmat-Affäre

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Ein ähnlicher Artikel fand sich zudem in nahezu jeder Landesverfassung des Reiches wieder. Da in beiden Fallbeispielen auch ein Untersuchungsausschuss des Preußischen Landtages eingesetzt wurde, ist es wichtig, den Artikel 25 der Preußischen Landesverfassung von 1920 zu erwähnen.342 In diesem Artikel lassen sich ebenfalls die bereits erwähnten Elemente erkennen, insbesondere die Öffentlichkeit der Verhandlungen, der Ausschluss derselben und die Auskunftspflicht der Behörden sowie das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis. Auf dieser rechtlichen Grundlage agierten daraufhin auch die zwei Untersuchungsausschüsse, die im Folgenden näher vorgestellt werden.

3.2

Die Barmat-Affäre343

Die Barmat-Affäre war wohl einer der größten und bekanntesten Korruptionsskandale der Weimarer Republik.344 Der Historiker Siegfried Heimann erklärt in diesem Zusammenhang, dass alle zwischen 1924 und 1928 eingesetzten Untersuchungsausschüsse »im Schatten des Ausschusses zur sogenannten BarmatAffäre [standen]«.345 Insbesondere die Ausschüsse des Reichstags und des Preußischen Landtags, die hier näher betrachtet werden, erregten dabei großes Aufsehen. Dieses Kapitel zeigt auf, dass die Untersuchungsausschüsse als ein wichtiges Instrument zur Schaffung, aber auch zur Verhinderung von Transparenz gesehen wurden. Außerdem spielte Transparenz als Argument in den Debatten innerhalb und außerhalb der Ausschüsse eine entscheidende Rolle, welches sich sehr gut in die allgemeinen Debatten dieser Zeit integrieren ließ.

342 Verfassung des Freistaats Preußen vom 30. November 1920. URL: http://www.verfassun gen.de/preussen/preussen20.htm [28. 02. 2023]. 343 Dieses Kapitel folgt in Teilen der Struktur und den Argumenten eines bereits auf Englisch erschienenen Artikels: Siehe hierzu: Zimmermann, Sandra: Between »clarity« and »darkness«. The role of the Public Disclosure in the Barmat-Parliamentary-Committees (1925), in: Jens Ivo Engels und Frédéric Monier (Hg.): History of Transparency in Politics and Society. Göttingen, 2020, S. 71–88. 344 Köhler, Volker: Wirtschaftskorruption in der Weimarer Republik? Der Verein gegen Bestechungswesen und dessen Korruptionskommunikation. In: Hartmut Berghoff, Cornelia Rauh und Thomas Welskopp (Hg.): Tatort Unternehmen. Zur Geschichte der Wirtschaftskriminalität im 20. und 21. Jahrhundert. Berlin, 2016, S. 68–83, S. 72. 345 Heimann, Siegfried: Der preußische Landtag 1899–1937. Eine politische Geschichte. Berlin, 2011, S. 336.

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Die Weimarer Republik – Aufklärung oder parteipolitischer Kampf ?

3.2.1 Kontext und Vorstellung des Falles Im Jahre 1925 wurden die Barmat-Brüder der Korruption wichtiger politischer Persönlichkeiten (insbesondere aus der SPD) bezichtigt und es kam zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen.346 Sehr schnell nach Bekanntwerden dieser Vorwürfe wurden zudem mehrere parlamentarische Untersuchungsausschüsse eingesetzt, die sich mit diesen Vorwürfen auseinandersetzen sollten. Der Fall wurde von der Presse und der Bevölkerung mit großem Interesse verfolgt. Er wurde zum ›neuen‹ Panama-Skandal, welcher »seit der Kaiserzeit in der Diktion der Zeitgenossen der schlimmste Fall von wirtschaftlich motivierter politischer Korruption [gewesen war]«.347 Der Barmat-Fall wurde im Zusammenhang mit einem anderen Fall publik: dem Fall um Iwan Kutisker und Michael Holzmann. Sowohl bei Kutisker als auch bei seinem Geschäftspartner Holzmann handelte es sich um Personen jüdischen Glaubens, die aus Osteuropa stammten, was ihnen die pejorative Bezeichnung »Ostjuden« einbrachte.348 In einem Streit zeigten sich die beiden Geschäftsmänner gegenseitig an, was das Interesse der Staatsanwaltschaft weckte und zu Ermittlungen führte. Anhand dieser Ermittlungen wurden die engen Beziehungen zwischen Holzmann, Kutisker und einigen wichtigen Persönlichkeiten der Politik und des öffentlichen Lebens aufgedeckt. Zudem tauchte der Verdacht auf, Kutisker habe ungedeckte Kredite von der Staatsbank erhalten.349 Während dieser staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen wurden die Ermittler zufällig auf einen weiteren Fall aufmerksam: Auch bei den Barmats schien es zu unklaren Kreditvergaben der Staatsbank gekommen zu sein. Schnell stellte dieser Verdacht den ursprünglichen Fall um Kutisker und Holzmann in den Schatten. Kurz nach den ersten Ermittlungen wurden Finanzrat Hans Hellwig und der Ministerialdirektor im Finanzministerium Emil Kautz verhaftet, da sie ungedeckte Kredite für die Barmats genehmigt hatten. Beide hätten im Gegenzug für die Kredite Posten im Barmat-Konzern erhalten. Die Reichspost geriet ebenfalls unter Verdacht, da sie den Barmats Kredite im Wert von ca. 14,5 Millionen Reichsmark gewährt hatte. Der Vorwurf lautete, dass Postminister Anton Höfle zunächst auf Vermittlung von Hermann Lange-Hegermanns, dem Auf346 Die Barmat-Affäre kann in dieser Arbeit nur kurz vorgestellt werden. Um diese Affäre in ihrer Komplexität zu begreifen, siehe auch: Geyer 2010: Der Barmat-Kutisker-Skandal und die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen; Geyer 2018: Kapitalismus und politische Moral in der Zwischenkriegszeit. 347 Geyer 2010: Der Barmat-Kutisker-Skandal und die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, S. 48. 348 Zum Thema »Ostjuden« siehe auch: Heid, Ludger (1999): Achtzehntes Bild. Der Ostjude. In: Julius H. Schoeps und Joachim Schlör: Bilder der Judenfeindschaft. Antisemitismus – Vorurteile und Mythen. Augsburg, 1999, S. 241–251. 349 Klein 2014: Korruption und Korruptionsskandale, S. 230ff.

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sichtsrat des Barmat-Konzerns, Privatkredite der Barmats erhielt und dafür im Gegenzug später durch die Reichspost Kredite an die Barmats vergab. Gegen beide wurde ermittelt und beide legten ihr Mandat im Zuge dieser Ermittlungen nieder. Sogar die Polizei schien von den Barmats bestochen worden zu sein. Der Berliner Polizeipräsident Wilhelm Richter (SPD) wurde der Bestechung im Zusammenhang mit der Einreise und Geschäftsetablierung der Familie Barmat verdächtigt. Im Zuge des Skandals wurde Richter in den Ruhestand versetzt; sein Verfahren wurde allerdings eingestellt. Wichtige Vertreter der Politik waren von diesen Anschuldigungen nicht ausgenommen. Der Vorsitzende der SPD-Landesfraktion, Ernst Heilmann, wurde beschuldigt, Empfehlungsschreiben für den Barmat-Konzern an die Bank verfasst und die Barmats bei ihrer Einreise unterstützt zu haben. Im Gegenzug habe er einen Posten im Barmat-Konzern erhalten. Die höchste Ebene der Politik wurde ebenfalls verdächtigt. So hieß es, dass der ehemalige Reichskanzler Gustav Bauer sowie Reichspräsident Friedrich Ebert sich für das Ausstellen von Empfehlungsschreiben bezahlen ließen und den Barmats zudem die Einreise nach Deutschland erleichtert hätten.350 Bei den Barmats handelte es sich um drei Brüder und ihre Familien: Julius, Henri und Salomon Barmat, wobei für den Skandal vor allem Julius und Henri Barmat eine entscheidende Rolle spielten. Sie stammten aus Osteuropa und gehörten dem jüdischen Glauben an, was auch ihnen die negative Bezeichnung »Ostjuden« einbrachte.351 Vor ihrer Ankunft in Deutschland lebten die Barmats zunächst in den Niederlanden. Hier gründeten sie ein Lebensmittelgeschäft und ihren Konzern Amexima. Insbesondere durch die Lebensmittelgeschäfte während des Krieges und in der unmittelbaren Nachkriegszeit wurden sie bezichtigt, sogenannte »Kriegsgewinnler« zu sein. Diese Vorwürfe wurden ihnen nicht nur von niederländischer, sondern auch von deutscher Seite gemacht, da sie von der Lebensmittelknappheit der Bevölkerung zu profitieren schienen. Die Zusammenarbeit mit Deutschland und dem revolutionären Russland brachte ihnen außerdem in den Niederlanden den Vorwurf ein, deutsche Kollaborateure bzw. russische Revolutionäre und Bolschewiki zu sein. Auch die Finanzierungskon-

350 Klein 2014: Korruption und Korruptionsskandale, S. 238ff. 351 Die antisemitischen Aspekte dieses Falles sollen in dieser Studie nicht weiter untersucht werden, da sie bereits ausführlich untersucht wurden. Siehe hierzu auch: Klein, Annika: »Der Korruption Vorschub geleistet«. Stresemanns Plauener Prozess. In: Jens Ivo Engels, Andreas Fahrmeir, Frédéric Monier und Olivier Dard (Hg.): Krumme Touren in der Wirtschaft. Zur Geschichte ethischen Fehlverhaltens und seiner Bekämpfung. Köln, 2015, S. 83–100; Malinowski, Stephan: Politische Skandale als Zerrspiegel der Demokratie. Die Fälle Barmat und Sklarek im Kalkül der Weimarer Rechten. In: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 1996 (5), S. 46–65, S. 47.

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ditionen und die Kredite, die die Barmats erhielten, wurden immer wieder hinterfragt.352 Erste Skandalisierungsversuche wurden bereits 1919 in Deutschland im Zusammenhang mit der Visumsvergabe gemacht. Der Vorwurf lautete, es sei zu konspirativen Treffen zwischen einigen SPD-Mitgliedern und den Barmats gekommen. Doch hatten diese Versuche keinen größeren Erfolg. 1920 wurden die Barmats mit dem Fall Sklarz353 und somit bereits mit Korruption in Verbindung gebracht. Hier blieb es allerdings ebenfalls bei Skandalisierungsversuchen.354 1925 war der ideale Zeitpunkt gekommen, um einen Skandal auszulösen. Der Skandal muss besonders vor den politischen Hintergründen gesehen werden. Ziel war hierbei für viele Parteien der politische Kampf und insbesondere die Diffamierung der SPD, um diese als besonders korrupt darzustellen. Solche Vorwürfe wurden vor allem von der KPD und den nationalistischen und konservativen Parteien erhoben, wobei sie dabei unterschiedliche Interessen verfolgten und unterschiedliche Vorwürfe für ihre Argumentation nutzten.355 Während die KPD ihre Vorwürfe insbesondere für eine allgemeine Kritik an der Weimarer Republik einsetzte, hatten die konservativen Parteien häufig konkrete politische Ziele im Blick. Durch die Diskreditierung der SPD hofften sie auf eine neue Koalitionsbildung und somit eine »konservative Neuordnung der Republik«.356 Der Tod Friedrich Eberts im Jahre 1925 führte außerdem zu einem großen Interesse, durch den Skandal Vorteile bei der Reichspräsidentenwahl zu gewinnen.357 All diese Voraussetzungen sowie das große Interesse der Presse und die damit verbundene kommerzielle Nutzung des Falles358 ermöglichten 1925, dass aus diesen Vorwürfen ein Skandal wurde. Der Historiker Martin H. Geyer betont, dass es sich beim Barmat-Skandal nicht einfach um einen Skandal um einen kleinen Personenkreis gehandelt habe, sondern vielmehr um die gesamte Republik, da die Frage für oder gegen die Republik dabei entscheidend war.359 Geyer konstatiert außerdem, dass die Auseinandersetzung mit dem Fall Barmat sich auf verschiedenen »Bühnen« abgespielt habe:360 in der Presse, in der Justiz 352 Geyer 2018: Kapitalismus und politische Moral, S. 31ff. 353 Siehe hierzu u. a.: Geyer, Martin: Korruptionsdebatten in der Zeit der Revolution 1918/19. Der »Fall Sklarz«, das Pamphlet »Der Rattenkönig« und die (Ab-)Wege des politischen Radikalismus nach dem Ersten Weltkrieg. In: Heidrun Kämper, Peter Haslinger und Thomas Raithel (Hg.): Demokratiegeschichte als Zäsurgeschichte. Diskurse der frühen Weimarer Republik. Berlin, 2014, S. 333–358. 354 Geyer 2018: Kapitalismus und politische Moral in der Zwischenkriegszeit, S. 65ff. 355 Ibid., S. 147ff. 356 Ibid., S. 144. 357 Ibid., S. 143f. 358 Ibid., S. 145f. 359 Ibid., S. 144. 360 Ibid., S. 13.

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und in der Politik. Ein Instrument, das in gewisser Weise alle »Bühnen« betraf, waren die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse. Zur Untersuchung des Barmat-Falles wurden drei Untersuchungsausschüsse eingesetzt: ein Ausschuss des Reichstages, einer des Preußischen Landtages und einer des Sächsischen Landtages. In dieser Arbeit werden nur die Ausschüsse des Reichstages und des Preußischen Landtages untersucht. Grund hierfür ist vor allem, dass der des Sächsischen Landtags unabhängig von den anderen Ausschüssen ermittelte. Um den Untersuchungsausschuss des Reiches zu analysieren, muss auch der des Preußischen Landtags betrachtet werden, da diese in Verbindung zueinander standen und nur zusammen verstanden werden können. Zudem haben die Ausschüsse von Reich und Preußen eine deutlich größere überregionale Aufmerksamkeit erhalten als der sächsische Ausschuss. Am 6. Januar 1925 wurde von der DNVP im Reichstag der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gestellt.361 Der 19. Untersuchungsausschuss tagte von Januar 1925 bis Oktober 1928 und beendete seine Arbeit nicht mit einem abschließenden Bericht, sondern nur mit einem Teilbericht, in welchem lediglich die Unschuld Friedrich Eberts betont wurde.362 Die lange Dauer der Verhandlungen ist damit zu erklären, dass der Ausschuss seine Arbeit unterbrach, um die juristischen Verhandlungen im Fall Höfle nicht zu stören.363 1928 musste er seine Arbeit mit einem Teilbericht beenden, da der Reichstag aufgelöst wurde und er sich somit auch auflösen musste. Parallel tagte seit Januar 1925 der Ausschuss des Preußischen Landtags, der ebenfalls auf Antrag der DNVP eingesetzt wurde.364 Dieser beendete seine Arbeit im Oktober 1925 nach 52 Sitzungen mit einem abschließenden Bericht. Neben den verschiedenen Tatsachen, die die Personen Kutisker und Michael betrafen, machte der Bericht einige Feststellungen bezüglich der Barmats. So bestätigte er die engen Beziehungen zu Heilmann und Richter, die ausschlaggebend für die erleichterte Einreise der Barmats waren, sowie andere enge Kontakte, zum Beispiel zum Abgeordneten Krüger. Hierbei konnte allerdings keine Korruption festgestellt werden. Zudem bekräftigte der Ausschuss die Unschuld Eberts. In Bezug auf die Kreditvergabe der Staatsbank stellte der Ausschuss fest, dass die 361 Verhandlungen des Reichstags, III, 1924/25, Drucksache Nr. 68, ausgegeben am 8. Januar 1925. URL: https://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt2_w3_bsb00000081_00166.html [28. 02. 2023]. 362 Verhandlungen des Reichstags, III, 1924/28, Drucksache Nr. 4161, ausgegeben am 26. März 1928. URL: https://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt2_w3_bsb00000106_00748.html [28. 02. 2023]. 363 Dieser Aspekt wird später in dieser Studie näher betrachtet. Siehe hierzu Kapitel 3.2.5, S. 103ff. 364 Neben den männlichen Mitgliedern nahm an diesem Ausschuss auch Frau Hildegard Wegscheider von der SPD teil. Allerdings machte sie keine Aussagen, die für den Kontext dieser Arbeit von Bedeutung sind.

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Auszahlungen »volkswirtschaftlich im allgemeinen zu rechtfertigen«, das Ausmaß und die Höhe der Zahlungen ohne genügend Sicherheiten jedoch »vom volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt […] angreifbar« seien.365 Zudem kritisierte er das »unvorsichtig[e]« und unangemessene Verhalten einiger wichtiger Beamter in Bezug auf Barmat, sprach aber auch hier nicht von Korruption.366 Im weiteren Verlauf des Kapitels werden die Debatten in den und über die Untersuchungsausschüsse im Barmat-Fall untersucht. Dabei werden zunächst die Argumente betrachtet, die die Untersuchungsausschüsse und insbesondere ihre Öffentlichkeit eher positiv bewerteten. Anschließend sollen die Argumentationen in Betracht gezogen werden, die den Untersuchungsausschüssen und ihrer Öffentlichkeit eher kritisch gegenüberstanden. Die Darstellung beruht im Wesentlichen auf den Debatten des Ausschusses des Preußischen Landtags. Dies liegt daran, dass sich deutlich mehr und intensivere Diskussionen in diesem Untersuchungsausschuss finden lassen. Es mag einerseits daran liegen, dass er häufiger und länger tagte als der des Reichstags. Andererseits erhielt er aber auch eine größere Aufmerksamkeit. Dies erscheint besonders bemerkenswert, da – bedingt durch die politische Ausgangssituation – die Mitglieder des Reichstagsausschusses ein größeres Interesse an Öffentlichkeit gehabt haben müssten: Erstens hofften die konservativen Parteien auf eine neue Reichstagskoalition zuungunsten der SPD. Zweitens kam es nach dem Tod Friedrich Eberts zu einer neuen Reichspräsidentenwahl.367 Da kein genauer Grund ersichtlich ist, lassen sich über die Frage, warum der Untersuchungsausschuss des Preußischen Landtags trotzdem größere Aufmerksamkeit erregt hat, nur Vermutungen anstellen. Ein Grund könnte – wie oben bereits erwähnt – die intensive und lange Untersuchung dieses Ausschusses sein. Ein weiterer Grund mag darin liegen, dass der Skandal durch seinen lokalen Bezug zu Berlin am Ort der Untersuchungsausschüsse und der Pressehäuser, nämlich in Berlin, größeres Aufsehen erregte als im Reich.

365 Bericht des Untersuchungsausschusses (16. Ausschuss) zur Untersuchung der Kreditgewährungen der Preußischen Staatsbank an ausländische Konzerne, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, 2. Wahlperiode, 1. Tagung: begonnen am 5. Januar 1925, Bd. 5, Berlin, S. 6248. 366 Ibid., S. 6249. 367 Geyer 2018: Kapitalismus und politische Moral, S. 143ff.

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3.2.2 Der Untersuchungsausschuss als demokratisches Instrument und Aufklärer Der parlamentarische Untersuchungsausschuss wurde vor allem von den republikanischen Parteien als ein besonders demokratisches Instrument und somit als ein Unterscheidungsmerkmal zum Kaiserreich herausgestellt. Anders als die Republikgegnerinnen und -gegner betonten die republikanischen Parteien, dass durch die Untersuchungsausschüsse und die durch sie geschaffene Transparenz das parlamentarische System gestärkt werde. Wie verschiedene Untersuchungen bereits gezeigt haben, wurde der Vorwurf der Korruption häufig genutzt, um politische Gegnerinnen und -gegner zu diskreditieren. In der Weimarer Republik diente die Korruptionsdebatte republikfeindlich gesinnten Parteien insbesondere dazu, das republikanische System anzugreifen. Zeitgenossinnen und -genossen argumentierten schon damals, dass auch der Barmat-Skandal in dieser Weise genutzt wurde.368 Die Beschuldigung war meist, »daß solche Skandale und Korruptionen notwendige Begleiterscheinungen der Republik und unvermeidliche Folgen der Revolution seien«.369 Damit wurde auf die Monarchie vor der Republik Bezug genommen, die in dieser Perspektive als korruptionsfrei galt bzw. mit weniger Korruption verbunden wurde. Während Republikgegnerinnen und -gegner das Argument der Korruption nutzten, um das neue politische System anzugreifen, wehrten sich Befürwortende des Systems mit dem Argument der Transparenz und der Untersuchungsausschüsse. Letztere argumentierten, es sei bereits im Kaiserreich zu Korruption gekommen, diese sei allerdings verheimlicht und nicht öffentlich gemacht worden. So äußerte der SPD-Abgeordnete Rudolf Breitscheid 1925, dass sich »die Staatsautorität schützend vor den Adel gestellt [hat], damit dem Volke der Glaube an das moralische Übermenschentum der höheren Volksschichten […] nicht verloren gehen sollte«.370 Robert Leinert machte in seiner Aussage außerdem den Vorwurf, dass diese Vorstellung für »einige Mitglieder der Rechtsparteien« auch der Grund gewesen sei, »gleich nach der ersten Sitzung zu beantragen, die Verhandlungen des Ausschusses einzustellen«.371 368 Siehe u. a.: Redebeitrag Leo Schwering, in: Protokolle des Untersuchungsausschusses des Preußischen Landtags, in: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz [GStaPK], HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56559 M, Bl. 32; Verhandlungen des Preußischen Landtags: Sitzungsberichte des Preußischen Landtags, 2. Wahlperiode, 1. Tagung: begonnen am 5. Januar 1925, Bd. 5. Berlin, 1926, 95. Sitzung, 11. 11. 1925, S. 6292. 369 Redebeitrag Rudolf Breitscheid, in: Verhandlungen des Reichstags, 3. Wahlperiode, Bd. 384, Berlin, 1925, 9. Sitzung, 20. 01. 1925, S. 104 (A). 370 Redebeitrag Robert Leinert, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 3, 65. Sitzung, 22. 09. 1925, S. 3283. 371 Ibid.

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Trotz der häufigen Kritik am System teilte die KPD ebenfalls diese Auffassung. Ihr Mitglied Wolfgang Bartels betonte, Korruption komme nicht nur in Demokratien vor, sondern habe es bereits in der Monarchie gegeben, wobei dort diese Fälle bewusst »verschleier[t]« worden seien.372 In dieser Argumentation spielten Untersuchungsausschüsse eine ganz besondere Rolle. Sie wurden als ein wichtiges Instrument gesehen, um diese Vorfälle zu untersuchte und vor allem öffentlich zu behandeln. Hierin lag somit ein maßgeblicher Unterschied zwischen der Monarchie und der Republik. Nicht die Anzahl der Korruptionsfälle habe sich geändert, sondern der Umgang mit diesen und insbesondere die Instrumente, um diese zu untersuchen. Es sei vielleicht »manches Böse […] verhindert worden, wenn man schon früher die Möglichkeit gehabt hätte, in dieser Weise gewisse Dinge zu untersuchen und das Ergebnis der Untersuchung der Öffentlichkeit zu unterbreiten«.373 Hier zeigt sich die Vorstellung, dass Demokratien vor allem mit Transparenz und nicht-demokratische Systeme eher mit Geheimnissen in Verbindung gebracht werden; eine Ansicht, die auch in der modernen Transparenzforschung vertreten wird.374 Wichtig erscheint bei dieser Argumentation der Bezug auf die Moral bzw. das Verhalten der Bevölkerung. Der Untersuchungsausschuss diente damit nicht nur als ein Mittel, um Dinge öffentlich zu machen. Vielmehr sollte, ganz im Sinne Webers, das Volk erzogen werden. Der Barmat-Ausschuss sollte dazu dienen, »die Festigung des gegenwärtigen deutschen Staates zu beschleunigen und das deutsche Volk zu schärfen, damit es seine sittlichen Qualitäten wahrt und immer weiter ausbaut zum Nutzen unseres gesamten Volkes«.375 Die beiden Untersuchungsausschüsse wurden offiziell gefordert, um die in der Barmat-Affäre genannten Vorwürfe zu untersuchen. Hierbei ging es vor allem darum, »Klarheit«376 zu schaffen und die Bevölkerung zu informieren. Dabei sollte der Korruption mit Transparenz begegnet werden. In den verschiedenen Debatten fand sich immer wieder das Argument, Untersuchungsausschüsse könnten Transparenz schaffen und somit gegen Korruption kämpfen. Dieses Argument war bei allen Parteien zu erkennen. Meist wurde es genutzt, wenn die eigene Partei gestärkt oder eine andere diskreditiert werden sollte. Verstärkt war es allerdings bei den republikanischen Parteien wahrzunehmen. 372 Redebeitrag Wolfgang Bartels, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56559 M, Bl. 36. 373 Redebeitrag Leo Schwering, in: Ibid., Bl. 32. 374 Siehe u. a.: Eichenhofer 2017: Privatheit und Transparenz in der Demokratie, S. 138; Colson 2004: Gérer la tension entre secret et transparence, S. 91. 375 Redebeitrag Leo Schwering, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 5, 11. 11. 1925, S. 6293. 376 Siehe u. a.: Redebeitrag Siegfried Aufhäuser, in: Protokolle des Untersuchungsausschusses des Reichstags, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56557 M, Bl. 3.

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Der SPD-Abgeordnete Hans Marckwald erklärte in der fünften Sitzung des Ausschusses des Preußischen Landtags: »Der Wert der Tätigkeit eines solchen Untersuchungsausschusses ist der: über umstrittene Dinge, die die Öffentlichkeit berühren, Klarheit zu schaffen und das ganze Volk über die wirklichen Vorgänge aufzuklären.«377 Das Ziel des Ausschusses sei somit nicht alleine die Aufklärung des Falles, sondern insbesondere die Information der Bevölkerung. Ähnlich äußerte sich der deutschnationale Abgeordnete Friedrich Deerberg, der erklärte, dass in diesem Falle »die Öffentlichkeit das Recht und das Parlament die Pflicht [hatten], eine Klärung darüber herbeizuführen, wo die letzten Gründe hierfür gelegen haben.«378 Aus diesem Grund seien die beiden Ausschüsse vom Reichsund Landtag ins Leben gerufen worden. Alle Parteien äußerten ihr Interesse daran, durch die Untersuchungsausschüsse »Klarheit« zu gewinnen und die Bevölkerung zu informieren. So standen die verschiedenen Parteien der Arbeit der Untersuchungsausschüsse insbesondere zu Beginn noch sehr positiv gegenüber und hofften auf Aufklärung durch diese.379 Die Untersuchungsausschüsse sollten dabei »[m]it eisernem Besen […], ohne Ansehen der Person, auch ohne Ansehen der Partei der eingerissenen furchtbaren Korruption entgegen[treten] und Sauberkeit und Ehrlichkeit [im] öffentlichen Leben, [im] Staatsleben [wiederherstellen]«.380 Hierbei lässt sich die Idee erkennen, dass Transparenz als eine Art Gegenmodell zur Korruption und als Mittel zu ihrer Bekämpfung angesehen wurde. Zudem sollte hierdurch die Bevölkerung beruhigt werden. Nicht die parteipolitische Ausnutzung sei das Ziel der Deutschnationalen, sondern die »ungeheure Beunruhigung [in der Öffentlichkeit]« zu beseitigen, so Deerberg.381 Ähnliche Argumentationen fanden sich im gesamten Verlauf der Ausschussverhandlungen. Insbesondere die Idee, durch die Ermittlungen und öffentliche Verhandlungen die Bevölkerung zu beruhigen und »die Atmosphäre […] zu reinigen«,382 war hierbei stark vertreten.383 Nach dem Ende der Untersuchungen wurde – trotz einiger Kritik – von verschiedenen Parlamentsmitgliedern die aufklärende Arbeit des Untersuchungs377 Redebeitrag Hans Marckwald, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56558 M, Bl. 375. 378 Redebeitrag Friedrich Deerberg, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56559 M, Bl. 25. 379 Redebeitrag Constantin Fehrenbach, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 384, 4. Sitzung, 09. 01. 1925, S. 54 (B). 380 Redebeitrag Kuno Graf von Westarp, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 384, 20. 01. 1925, S. 111 (B). 381 Redebeitrag Friedrich Deerberg, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56559 M, Bl. 25. 382 Redebeitrag Friedrich Deerberg, in: Ibid., Bl. 263. 383 Redebeitrag Eugen Leidig, in: Ibid., Bl. 123.

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ausschusses hervorgehoben. So erklärte der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses des Preußischen Landtags, der Ausschuss habe »in der Öffentlichkeit den Ruf, daß [er] viel mehr Aufklärungsausschuß [sei]« und dass »[d]ie Verhandlungen […] sonst nicht mit der Aufmerksamkeit verfolgt [werden], mit der sie verfolgt werden«.384 Mit solchen Aussagen versuchten einige Ausschussmitglieder, wie auch das SPD-Mitglied Erich Kuttner, zu betonen, dass sie objektiv und nur zum Ziele der Erkenntnis- und Informationsbeschaffung handelten, während die Zeitungen versuchen würden, von dem Skandal zu profitieren.385 In diesem Zusammenhang betonten die republikanischen Mitglieder des Ausschusses nicht nur, wie gut dieser spezifische Ausschuss gearbeitet habe, sondern vielmehr wurde er als ein Beispiel dafür genommen, dass Untersuchungsausschüsse insgesamt ein sinnvolles Instrument seien.386 Diese Vorgehensweise lässt sich auch in den Presseartikeln wiederfinden. Der Vorwärts zum Beispiel betonte, dass die eigene Partei vollständige Aufklärung wünsche.387 Teilweise lässt sich in der Presse erkennen, dass diese den Ausschüssen zumindest bedingt die Fähigkeit zur Aufklärung zugestand.388 Die Ausschüsse sollten also Transparenz gegenüber der Bevölkerung schaffen und somit Korruptionsskandale bekämpfen. Anders als im Kaiserreich richtete sich die Transparenz im demokratischen System nun also vor allem an die Bevölkerung. Wobei insbesondere die Rote Fahne das Zugeständnis, der Ausschuss habe Aufklärung geschaffen, nur in Verbindung mit negativer Kritik an diesem Gremium verknüpfen konnte: »Immerhin: einige Tatsachen sind auch trotz der parlamentarischen Verschleierungsmanöver des Barmat-Klüngels selbst in diesen Untersuchungsverfahren der Parlamente ans Tageslicht gekommen.«389 Diese Kritik der Roten Fahne und der bereits zuvor angedeutete Punkt sollen im nächsten Unterkapitel angesprochen werden. Hier wird vor allem die Frage behandelt, wie das Argument der Aufdeckung und Veröffentlichung umgekehrt wurde. Es geht also um das häufig verwendete Argument der Vertuschung bzw. Verdunklung durch Untersuchungsausschüsse.

384 Ibid., Bl. 88. 385 Siehe u. a.: Redebeitrag Erich Kuttner, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 5, 96. Sitzung, 12. 11. 1925, S. 6364. 386 Siehe u. a.: Redebeitrag Leo Schwering, in: Ibid., S. 6287. 387 Siehe u. a.: Vorwärts: Staatsanwalt gegen Barmatuntersuchung. Soll etwas vertuscht werden? 61 (05. 02. 1925). 388 Siehe u. a.: Rote Fahne: Die Betrüger- und Bestechungspraxis Barmats. Neue Enthüllungen im Landtagsausschuß, 62 (18. 03. 1925). Neue Preußische Zeitung: Barmat, der Schieber, 112 (07. 03. 1925), Beiblatt. 389 Rote Fahne: Was ergab die Barmat-Untersuchung? Vergebliche Entlastungsmanöver der SPD.-Presse, 68 (25. 03. 1925), 2. Beilage.

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3.2.3 Vertuschung durch Untersuchungsausschüsse und die Kritik am Parlamentarismus – Die Kritik durch die KPD Obgleich zunächst alle Parteien die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gefordert bzw. unterstützt hatten, wurde im Preußischen Landtag bereits vor diesem Antrag der Vorwurf durch KPD-Mitglieder laut, dieser Ausschuss werde nur versuchen, Dinge zu vertuschen und vor der Bevölkerung zu verheimlichen. Hierbei nutzte zum Beispiel Wilhelm Pieck das Argument der Vertuschung, um eine allgemeine Kritik an den Vertreterinnen und Vertretern des politischen Systems der Weimarer Republik, aber vor allem an »der kapitalistischen Gesellschaftsordnung«390 zu üben, die unweigerlich mit Korruption verbunden sei: Wir sind der Meinung und stellen vor der werktätigen Bevölkerung fest, daß dieser parlamentarische Untersuchungsausschuß, dem alle die zu den großen Schieber- und Korruptionsskandalen gestellten Anträge ohne Debatte überwiesen werden sollen, nichts anderes ist als ein Verschleppungs- und Verschleierungsausschuß. (Lebhafte Zustimmung bei den Komm.-Widerspruch) Das kann auch gar nicht anders sein, denn die Mehrheit dieses Landtages ist an den Korruptions- und Schiebergeschichten schuldig. […] Es ist die Tugend der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, daß Schiebung und Korruption […] ihre Grundlage bilden. Wir protestieren dagegen, daß auf diese Weise dieser Skandal der öffentlichen Verhandlung monatelang entzogen werden soll.391

Die KPD argwöhnte dabei nicht nur, dass der Ausschuss versuche, Dinge zu verschleiern, da »eine Krähe der andern die Augen nicht aushacken will«, sondern sie forderte selbst die Einsetzung eines eigenen, eines proletarischen Untersuchungsausschusses, der sich aus »Arbeiter- und Angestelltenräte[n]« konstituieren sollte.392 Anhand dieser Forderung lässt sich erkennen, dass die KPDMitglieder Transparenz nicht als eine universelle Eigenschaft betrachteten. Transparenz war für sie klassenabhängig. Ihnen zufolge können die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse des vom Kapitalismus geprägten Systems der Weimarer Republik keine Transparenz erzeugen und damit keine Wahrheit hervorbringen. Sie würden lediglich eine Realität hervorbringen, die dem eigenen politischen System nicht schadet. Nur ein proletarischer Ausschuss schaffe es, Transparenz zu erzeugen und die Wahrheit zu finden. 390 Redebeitrag Wilhelm Pieck, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 1, 16. 01. 1925, S. 101. 391 Ibid. 392 Urantrag Pieck usw. auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Beziehungen zwischen der Staatsbank und den Unternehmen Barmat, Kutisker und Michael, Drucksache nr. 83, in Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 5, S. IV; Rote Fahne: Das Staatspanama vor dem Untersuchungsausschuß. Nur die Kommunisten wollen hineinleuchten, 21 (25. 01. 1925).

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Wenngleich in einem geringeren Ausmaß, wurde diese Kritik auch zu Beginn der Arbeiten des Untersuchungsausschusses im Reichstag laut. So warf der KPDAbgeordnete Ernst Schneller allen Parteien vor, sie versuchten gemeinsam, den Barmat-Skandal mit Hilfe des Ausschusses zu vertuschen.393 Die KPD äußerte sich widersprüchlich gegenüber den Ausschüssen. Sie bezeichnete sie einerseits als eindeutig untauglich, um Aufklärung zu schaffen. Andererseits forderte sie unbedingt die Einsetzung eines solchen Gremiums. Ziel hierbei war, wie das folgende Zitat von Walter Stoecker zeigt, die vermeintliche Illegitimität bzw. die Korruptheit des gesamten politischen Systems und seine Unfähigkeit, diese Probleme zu lösen, hervorzuheben: Ferner haben wir alle Veranlassung, sofort in eine Beratung über die die ganze Welt bewegenden stinkenden Korruptionsskandale, die die ganze Presse und die ganze deutsche Öffentlichkeit erfüllen, einzutreten. Wir erheben den allerschärfsten Protest dagegen, daß der Reichstag auseinandergeht, ohne hierzu Stellung genommen zu haben, und verlangen, daß diese Frage morgen ebenfalls auf die Tagesordnung gesetzt wird. Es liegt der Antrag vor, eine parlamentarische Untersuchungskommission einzusetzen. Wir versprechen uns von einem solchen parlamentarischen Untersuchungsausschuß nicht viel, weil ein Schieber dem anderen nicht die Augen auskratzen wird. Dennoch verlangen wir diesen Ausschuß. Die Fäden dieser Korruption gehen sehr weit. Wir haben den Verdacht, daß man hier etwas zu verbergen hat.394

Nach dem Ende der Arbeit des preußischen Untersuchungsausschusses verwies das KPD-Mitglied Wolfgang Bartels noch einmal auf die Forderung nach einem proletarischen Untersuchungsausschuss, da dieser seiner Ansicht nach die einzige Möglichkeit gewesen wäre, »mit gründlichen Methoden und Mitteln hineinleuchten [zu können] in diesen Korruptionsschweinestall«.395 Bartels betonte hier erneut, dass die Aufdeckung aber gar nicht das Ziel des Ausschusses gewesen sei. Vielmehr stellte dieser ihm zufolge ein »Versöhnungsgefeire, […] eine Absolution« dar, an der die »Kleinbourgeoisie und d[ie] Neureichen […], d[ie] Vertreter[…] des Junkertums und der Schlotbarone« teilnahmen und von der sie profitieren.396 Lediglich die KPD habe ein wirkliches Interesse an Aufklärung gehabt. Bartels betonte ebenfalls, dass der Ausschuss letztendlich wie »das Hornberger Schießen« ausgegangen sei.397 Es habe sich lediglich um einen

393 Redebeitrag Ernst Schneller, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 384, 11. Sitzung, 22. 01. 1925, S. 195 (B). 394 Redebeitrag Walter Stoecker, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 384, 09.01. 1925, S. 51 (D). 395 Redebeitrag Wolfgang Bartels, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 5, 11. 11. 1925, S. 6295. 396 Ibid. 397 Redebeitrag Wolfgang Bartels, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56559 M, Bl. 35.

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»Vertuschungsausschuß« gehandelt.398 Er kritisierte außerdem, dass die KPD während der Arbeiten im Untersuchungsausschuss des Preußischen Landtags immer wieder bewusst ausgebremst worden sei und dadurch nicht ihre Fragen habe stellen können, um Tatsachen aufzuklären.399 Während der Arbeit der beiden Ausschüsse kam es ebenfalls häufig zum Vorwurf der Vertuschung seitens der KPD. Bei der Diskussion der Frage, welche Gegenstände der Untersuchungsausschuss zu untersuchen habe, wurden bereits in einer der frühen Sitzungen des Ausschusses des Preußischen Landtags Vertuschungsanschuldigungen seitens der KPD laut. Während die KPD die Ausweitung des Untersuchungsgegenstandes forderte, um zu ermitteln, »in welcher Weise und in welcher Höhe preußische Staatsgelder unterschlagen [wurden], wo sie geblieben [waren], wer der Nutznießer war und was geschehen [war], um die unterschlagenen Gelder wieder einzubringen«,400 erklärte der Vorsitzende, dass dies nicht Aufgabe dieses Gremiums sei, da sie nur mit der Staatsbank zu tun hätten.401 In diesem Zusammenhang riefen die KPD-Mitglieder ihm die Bezeichnung »Vertuschungsausschuß!«402 zu und der Abgeordnete Bartels betonte, der Ausschuss versuche, wichtige Informationen zu vertuschen und »die Arbeit zu verschleppen«.403 Immer wieder versuchte die KPD den Auftrag des Ausschusses zu erweitern oder bestimmte Zeuginnen und Zeugen vernehmen zu lassen. Wurde dieses Vorgehen abgelehnt, argumentierte sie damit, dass es sich bei dem Ausschuss um einen »Verschleierungs- und Vertuschungsausschuß«404 oder um eine »Komödie«405 handele. Sie kritisierte zudem die Zusammenarbeit der verschiedenen Parteien in dem Ausschuss, da sie befürchtete, »daß irgendwelche Kuhhandeleien das wahre Verhandlungsergebnis verwischen« könnten.406 Besonders wichtig war für die KPD aber die Aufrechterhaltung der Öffentlichkeit. Als gegen Ende des Untersuchungsausschusses des Preußischen Landtages ein Unterausschuss gebildet wurde, der die Ergebnisse zusammenfassen sollte, protestierte

398 Redebeitrag Wolfgang Bartels, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 5, 11. 11. 1925, S. 6301. 399 Ibid., S. 6296. 400 Redebeitrag Wolfgang Bartels, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 5, 11. 11. 1926, S. 6296. 401 Redebeitrag Eugen Leidig, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56558 M, Bl. 374. 402 GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56558 M, Bl. 374. 403 Redebeitrag Wolfgang Bartels, in: Ibid., Bl. 374. 404 Redebeitrag Georg Stolt, in: Ibid., Bl. 88. 405 Redebeitrag Hans Kollwitz, in: Ibid., Bl. 260. 406 Redebeitrag Wolfgang Bartels, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56559 M, Bl. 62.

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die KPD heftig, da sie auch hier eine bewusste Vertuschung durch den Ausschluss der Öffentlichkeit vermutete.407 Das Narrativ der Vertuschung wurde noch verstärkt in den Artikeln der Roten Fahne verwendet. Hier wurde besonders betont, dass allein die KPD Aufklärung wolle.408 Zudem machte sie ebenfalls den Vorwurf, dass alle anderen Parteien zusammenarbeiteten, eine sogenannte »schwarzweißrot-sozialdemokratische Einheitsfront«409 bildeten, um möglicherweise Tatsachen zu vertuschen. Die Deutschnationalen hätten die »Enthüllungen nur zum Zwecke der politischen Erpressung« genutzt.410 Daher und auch, weil sie selbst durch die Arbeiten des Ausschusses bloßgestellt werden könnten, würden sie jetzt mit der SPD »zur Vertuschung des stinkenden Barmat-Skandals« zusammenarbeiten.411 Als Maßnahme, um mögliche Vertuschung zu verhindern, nannte auch die Rote Fahne die Aufsicht durch die Öffentlichkeit und die KPD als Kontrollinstanz. Als die KPD-Mitglieder nach einigen Beleidigungen des Ausschusses des Landtags verwiesen wurden, nahm die Rote Fahne dies zum Anlass, um zu polemisieren, dass »[n]ach dem Hinauswurf der Kommunisten der Barmat-Ausschuß unter dem Schutz der Polizei weiter tagte, um die Barmatschiebung ›aufzudecken‹ oder besser gesagt, zu vertuschen«.412 Dabei wurde in der Roten Fahne immer wieder betont, dass die KPD im Gegensatz zu den anderen Parteien die Aufrechterhaltung der Öffentlichkeit fordere und somit allein an einer wirklichen Aufklärung des Falles interessiert sei.413 Die Öffentlichkeit spielte in dieser Argumentation eine besondere Rolle als Korrekturmechanismus bzw. Aufpasserin, die garantieren sollte, dass die Verhandlungen möglichst genau und engagiert vor sich gingen. Die KPD sah in den Untersuchungsausschüssen also vielmehr ein Instrument der anderen Parteien zur Vertuschung von Tatsachen als ein Aufklärungsinstrument. Allein sie wolle vollständige Aufklärung schaffen, und zwar durch einen direkten Zugang zu Informationen. Als Öffentlichkeit galt hierbei die Bevölkerung. Wurde diese Öffentlichkeit nicht aufrechterhalten, stellte sich die KPD als Garant dafür dar. Die KPD forderte eine vollständige »Prozess-Transparenz« in Echtzeit. Die Vertuschungsvorwürfe wurden von den Kommunisten 407 Ibid., Bl. 60. 408 Rote Fahne: Die Barmat-Korruption soll vertuscht werden! Deutschnationale schlagen einen sozialdemokratischen Vorsitzenden im Barmat-Ausschuß vor, 12 (15. 01. 1925). 409 Rote Fahne: Der preußische Barmat-Ausschuß beim Vertuschen. Zu groß die Flut der Enthüllungen, 33 (08. 02. 1925). 410 Rote Fahne: Die Barmat-Korruption soll vertuscht werden! 411 Ibid. 412 Rote Fahne: Die Kommunisten durch Polizei aus dem Barmat-Ausschuß entfernt, 37 (13. 02. 1925); Siehe hierzu in dieser Studie: S. 122f. 413 Rote Fahne: Barmat-Richters Geständnisse, 153 (08. 07. 1925); Rote Fahne: Die BarmatKorruption soll vertuscht werden!

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meist als eine allgemeine Kritik am bestehenden System formuliert. Ziel war dabei nur selten, eine bestimmte politische Personengruppe zu degradieren, sondern vielmehr, das republikanische System, seine Institutionen und den Kapitalismus anzugreifen. Das Argument der Vertuschung nutzten allerdings auch andere Parteien aus unterschiedlichen Gründen.

3.2.4 Vertuschung durch Untersuchungsausschüsse und die Kritik am Parlamentarismus – Die Kritik durch die Rechten und andere Parteien Diese Kritik, die vor Beginn der Ausschussarbeiten zunächst nur von der KPD ausgegangen war, weitete sich während der Arbeiten und nach Ende der Untersuchungsausschüsse auf die rechten Parteien aus. So erklärte der deutschvölkische Abgeordnete Friedrich Wiegershaus im Preußischen Landtag, »daß [s]eine Freunde grundsätzliche Gegner dieser parlamentarischen Ausschüsse sind; denn diese Ausschüsse sind schließlich Verdunklungsmanöver«.414 Der Abgeordnete der Deutschnationalen Georg Quaet-Faslem betonte ebenfalls, dass die Untersuchungsausschüsse »sehr leicht zu einer Verdunkelung der Tatsachen [führen könnten]«.415 Die Deutsche Freiheitspartei weigerte sich zu Beginn der Untersuchungen des Reichstags sogar, wichtige Unterlagen an den Ausschuss zu übergeben. Der Abgeordnete Wilhelm Henning erklärte hierzu einige Monate später, dass die gerichtlichen Verhandlungen gefährdet würden und somit eine richtige Untersuchung nicht möglich sei.416 Er machte damit nicht nur deutlich, dass er die gerichtliche Untersuchung der Ermittlung im Ausschuss vorzog, sondern auch, dass er gar nicht an dessen Erfolg glaubte. Er behauptete zudem, »im Volke ist für den Untersuchungsausschuß der Name ›Verschleierungsausschuß‹ schon gang und gäbe«.417 Insbesondere nach den Ausschussarbeiten wurde bei den rechten und konservativen Parteien der Vorwurf lauter, die Untersuchungsausschüsse hätten Dinge vertuscht. Besonders hervor taten sich bei diesem Vorwurf die Deutsch-Völkischen mit ihrem Abgeordneten Wiegershaus. Es zeigt sich ein ähnliches Argumentationsmuster wie bei den Vorwürfen der KPD. Auch hier wurde betont, der Ausschuss habe lediglich dazu gedient, 414 Redebeitrag Friedrich Wiegershaus, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 3, 66. Sitzung, 23. 09. 1925, S. 3334. 415 Redebeitrag Georg Quaet-Faslem, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 3, 83. Sitzung, 20. 10. 1925, S. 4840. 416 Dieser Aspekt wird später in dieser Studie genauer behandelt. Siehe hierzu Kapitel 3.2.6, S. 107ff. 417 Redebeitrag Wilhelm Henning, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 385, 49. Sitzung, 29. 04. 1925, S. 1455 (B).

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wichtige Informationen zu vertuschen. Er sei eine »Komödie«, »über dessen Verhandlungen und Ergebnis die gesamte Judenschaft in helles Gelächter ausbrechen wird«, und er sei letztendlich wie das »Hornberger Schießen« ausgegangen.418 Hinzu kam hierbei noch der antisemitische Aspekt, der Menschen jüdischen Glaubens in Verbindung mit Korruption brachte, der bei der KPD nicht zu finden war. Die Kritik am Untersuchungsausschuss diente als eine Kritik am ganzen System, welches vermeintlich versuchte, »den Brunnen zuzudecken«.419 Gleichzeitig formulierte Wiegershaus noch eine Abgrenzung zu anderen nationalistischen Parteien, etwa zur DNVP, die nicht nur in diesem Ausschuss mitgewirkt, sondern ihn durch ihren Antrag sogar veranlasst hatten und somit »die Korruptionshelden unter sich ließen«.420 Diesen Parteien wurde damit unterstellt, dass sie bewusst an einer Vertuschung des Falles mitgewirkt hätten. Nach einer allgemeinen Kritik, die mit einer Systemkritik einherging, kritisierte derselbe Abgeordnete noch spezifischer die SPD: »Der ganze BarmatSkandal ist eben nicht einmal halb entschleiert, wenn nicht die eigentlichen Schuldigen als Angeklagte vor Gericht gestellt werden«.421 Die SPD werde nicht von ihren eigentlichen parlamentarischen Mitgliedern geleitet, sondern vielmehr von in den Skandal verwickelten Personen wie den Barmats. Sie sei durch Korruption geprägt.422 Die Deutsch-Völkischen versuchten hierbei aber nicht direkt, sich als die Partei hervorzuheben, die alles getan habe, um aufzuklären. Vielmehr nutzte sie den Untersuchungsausschuss als Ausgangspunkt, um das System und insbesondere die SPD zu kritisieren. In diesem Zusammenhang erklärte der Abgeordnete Wiegershaus in sehr dramatischen Worten: Meine Damen und Herren, ich habe einleitend betont, daß der Barmat-Ausschuß ein Vertuschungsausschuß gewesen sei. Ich unterstreiche das hiermit nochmals. Ich sehe die Stunde heraufsteigen, in welcher man Herrn Barmat kniefällig um Entschuldigung bitten wird, daß man ihn überhaupt belästigt hat. Meine Herren von der Sozialdemokratie, bauen Sie Ihrem Herrn Barmat nur Ihr Denkmal. Die Wahrheit geht einen langsamen Weg, aber sie kommt doch ans Ziel. […] Es naht die Zeit, in welcher das Volk, freigemacht von der Hypnose der jüdischen Presse, zurückkehrt zu seinem eigenen Wert, aus tiefster Empörung heraus das ostjüdische Gesindel und die sozialdemokratischen Korruptionsgrößen aus Deutschland hinauspeitschen wird.423

Anhand dieses Zitats wird die Vorstellung deutlich, das politische System und insbesondere die Arbeit der SPD seien durch Korruption geprägt und würden 418 Redebeitrag Friedrich Wiegershaus, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 5, 11. 11. 1925, S. 6375. 419 Ibid. 420 Ibid. 421 Ibid., S. 6381. 422 Ibid. 423 Ibid., S. 6384.

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durch »ostjüdisches Gesindel« geleitet. Hieran lässt sich neben der allgemeinen Systemkritik insbesondere die radikale antisemitische Haltung der Partei erkennen. Zudem wurde unterstrichen, dass die Arbeit des Ausschusses nicht ausreichend sei, sondern allein eine gerichtliche Verhandlung Klarheit bringen könne. Diese Ansicht vertrat der Abgeordnete Wiegershaus noch in weiteren Aussagen. Er erklärte, dass er und seine Partei »daher die Hoffnung [hegten], daß das gerichtliche Verfahren gegen Barmat das Dunkel restlos aufklären und auch die Handlungen des Heilmann in das richtige Licht stellen wird«.424 Nach Beendigung der Arbeit wurde diese Vorstellung im Zusammenhang mit einem neuen Untersuchungsausschuss zu den sogenannten Fememorden insbesondere von der Nationalsozialistischen Freiheitspartei weiter angeführt, um die Untersuchungsausschüsse allgemein sowie den spezifischen Untersuchungsausschuss zum Barmat-Fall anzugreifen, der immer wieder als Referenzpunkt für Kritik diente. Der Ausschuss habe gezeigt, dass Untersuchungsausschüsse eigentlich nur dazu genutzt würden, »Tatbestände zu verschleiern«.425 NSDAP-Mitglied Franz Stöhr und seine Partei vertrauten vielmehr auf die »ordentlichen Gerichte[…]«.426 Obgleich in der »deutschen Justiz leider manches faul geworden sei, so sind doch die deutschen Gerichte […] noch nicht annähernd so korrupt wie die Träger dieses parlamentarischen Systems«.427 Erneut ist in diesem Zitat nicht nur die Kritik an der vermeintlichen Vertuschung in den Untersuchungsausschüssen zu erkennen, sondern auch, dass die Hoffnung weiterhin auf die »ordentlichen Gerichte« gesetzt wurde. In einer späteren Aussage sprach Stöhr sogar von einer »Seuche der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse oder besser Vertuschungsausschüsse« und von der »Verdunkelung des Barmatsumpfes« durch diese Ausschüsse.428 In der konservativen Presse lässt sich dieser Vorwurf ebenfalls wiederfinden. So griff die Neue Preußische Zeitung wieder speziell die SPD an, sprach von ihrer »Verschleierungs-Taktik«429 und »Verschleierungsabsichten«430 und erklärte, 424 Redebeitrag Friedrich Wiegershaus, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 5, 11. 11. 1925, S. 6382. 425 Redebeitrag Franz Stöhr, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 384, 147. Sitzung, 23. 01. 1926, S. 5135 (B). 426 Ibid. 427 Ibid.; Zur Kritik an der Justiz siehe auch: Siemens, Daniel: Die »Vertrauenskrise der Justiz« in der Weimarer Republik. In: Moritz Föllmer und Rüdiger Graf (Hg.): Die »Krise« der Weimarer Republik. Zur Kritik eines Deutungsmusters. Frankfurt; New York, 2005, S. 139–164. 428 Redebeitrag Franz Stöhr, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 384, 163. Sitzung, 17. 02. 1926, S. 5653 (D). 429 Neue Preußische Zeitung: Zusammenstöße im preußischen Barmat-Ausschuß. Das veröffentlichte Material. Die roten Verteidiger des Schieberkapitals, 64 (07. 02. 1925). 430 Neue Preußische Zeitung: Die Geschäfte der Landespfandbriefanstalt, 96 (26. 02. 1925).

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dass diese im Untersuchungsausschuss versuche, durch Ablenkung zu vertuschen.431 Die Öffentlichkeit der Ausschüsse führte hier nicht zu mehr Vertrauen in ihre Arbeit, sondern vielmehr zu Misstrauen; eine Erkenntnis, die sich auch in der Forschung wiederfindet.432 Die rechten Parteien sahen in den Untersuchungsausschüssen daher – ähnlich wie die KPD – kein transparenzschaffendes, sondern ein transparenzverhinderndes Instrument. Ihre Vorstellung von Transparenz wird hier noch nicht deutlich, wird aber zu einem späteren Zeitpunkt der Studie ersichtlich.433 Es lässt sich aber bereits erkennen, dass es sich nicht um die gleiche Transparenzvorstellung wie bei der KPD handelte. Bei den anderen Parteien, wie Zentrum, SPD und der DNVP, spielte der Vorwurf, die Untersuchungsausschüsse würden vertuschen, keine größere Rolle. Sie selbst brachten dieses Argument nie an, was vermutlich damit zu erklären ist, dass sie die angegriffenen Parteien waren bzw. im Falle der DNVP diejenige Partei, die die Untersuchungsausschüsse hatte einsetzen lassen. Vielmehr reagierten sie nur auf den Vorwurf, sobald dieser aufkam, und versuchten sich zu verteidigen. Anders sah es in der Presse aus. Hier versuchte der Vorwärts nicht nur, die SPD vor diesen Vorwürfen zu schützen, sondern erörterte auch, dass vielmehr die anderen Parteien anhand von Untersuchungsausschüssen Tatsachen vertuschen würden. In einem Artikel beschrieb der Vorwärts, dass die anderen Parteien alles versuchten, um »neue Beweisanträge [über die Korruption der Sozialdemokratie] zu stellen«, während sie in einem anderen Ausschuss mit »mehr als bedenkliche[r] Zurückhaltung« auffielen.434 In diesem Fall handelte es sich nicht direkt um den Barmat-Ausschuss des Preußischen Landtags, sondern einen weiteren Ausschuss, der aber in diesem Zusammenhang mit dem Barmat-Ausschuss verglichen wurde. Der Vorwärts klagte ebenfalls die Untersuchungsausschüsse direkt an, Dinge zu vertuschen. Dabei wurde nicht nur der Ausschuss des Landtags kritisiert,435 sondern auch der des Reichstags. Hierbei wurde auf sarkastische Art und Weise vor allem auf die Sinnlosigkeit seiner Ermittlungen verwiesen: Die Ermittlungen des Ausschusses seien »recht dürftig«.436 Das Ergebnis sei letztlich nur gewesen, »daß die Barmats recht häufig und mit Vorliebe Hering gegessen haben. Welcher Art dieser Hering war, ob gebraten, geräuchert 431 Neue Preußische Zeitung: Die sozialdemokratischen Barmat-Freunde. Ein alter sozialdemokratischer Trick, 49 (30. 01. 1925). 432 Siehe hierzu Kapitel 1.1.4, S. 25f. 433 Siehe hierzu Kapitel 3.2.8, S. 121ff. 434 Vorwärts: Die Zitzewitz und Carlowitz. Bank- und Grundstückgeschäfte des preußischen Adels, 94 (25. 02. 1925). 435 Siehe u. a.: Vorwärts: Die Vertuschung eines Skandals. Verfahren gegen Kußmann-Knoll tatsächlich eingestellt! 528 (07. 11. 1925). 436 Vorwärts: Heringsgeschichten. Aus dem Untersuchungsausschuß des Reichstags, 179 (16. 04. 1925), Abendausgabe.

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oder gesalzen, ist leider nicht ermittelt worden«.437 Die Ausschussarbeiten hätten es letztendlich also nicht geschafft, wichtige Erkenntnis hervorzubringen, sondern hätten sich bei Nebensächlichkeiten aufgehalten. Zu dieser Kritik zählten auch die Vorwürfe, dass diese Ausschüsse erstens durch ihre »Abschweifung in das Gebiet gewöhnlichen Klatsches«438 und zweitens durch das Aussetzen der Arbeiten im Reichstagsausschuss439 und das Ausufern der Arbeiten im Landtagsausschuss440 zu keinem klaren Ergebnis gekommen seien. Das Argument der Vertuschung wurde auch beim Vorwärts in Bezug zur Frage der Öffentlichkeit gesetzt. So argumentierte die Zeitung, dass die Deutschnationale Partei bewusst versuche, die Öffentlichkeit aus den Verhandlungen auszuschließen, während die SPD alles dafür gebe, sie aufrecht zu erhalten.441 Hierbei schien die Transparenz gegenüber der Bevölkerung besonders entscheidend, um die Kontrolle der Verhandlungen zu garantieren. Kritisiert wurde andererseits, dass die Bevölkerung bei anderen Befragungen nicht ausgeschlossen worden sei und es somit zu Verleumdungen kommen konnte. Der Vorwurf der Vertuschung durch Untersuchungsausschüsse und die Forderung nach mehr Transparenz wurden insbesondere von den linken und rechten Parteien vorgebracht. Während die KPD volle Transparenz gegenüber der Bevölkerung forderte, wurde dies bei den völkischen Parteien nicht so deutlich. Es ist zunächst nicht eindeutig zu erkennen, ob sie mit ihren Vertuschungsvorwürfen indirekt Transparenz gegenüber der Bevölkerung, dem Parlament oder der Regierung forderten. Zudem wurde die Transparenzforderung nicht an die Untersuchungsausschüsse gestellt, sondern an die Gerichte, da man nur ihnen die Fähigkeit zu wirklicher Aufklärung attestierte. Geschürt wurde der Verdacht der Vertuschung auch durch die Vernehmung des Hauptverdächtigen Julius Barmat, die im Folgenden betrachtet wird.

3.2.5 Vertuschung bei der Vernehmung Barmats? Die Vernehmung Julius Barmats im Ausschuss des Preußischen Landtags stellte einen wichtigen Diskussionspunkt in Hinblick auf die Frage der Öffentlichkeit dar. Seine Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss des Reichstages 437 Ibid. 438 Vorwärts: Blutsauger am Volke. Warum greift der Staatsanwalt nicht ein, 105 (03. 03. 1925), Abendausgabe. 439 Vorwärts: Die Vertuschung eines Skandals. 440 Vorwärts: Der Kußmann-Skandal im Barmat-Ausschuß. Das Justizministerium als Ankläger, 443 (19. 09. 1925). 441 Vorwärts: Die tägliche Brüderschaft. Vertuschungsmanöver im Korruptionsausschuß, 41 (24. 01. 1925), Abendausgabe.

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wurde öffentlich geführt. Ausnahmsweise konnte diese allerdings nicht in den eigentlichen Räumlichkeiten stattfinden, sondern wurde in den großen Gerichtssaal von Moabit verlegt. Grund hierfür war, dass Barmat zu diesem Zeitpunkt in Untersuchungshaft in Moabit saß und somit eine dortige Vernehmung einfacher durchzuführen war. Die geforderte Öffentlichkeit konnte somit aufrechterhalten werden. Die Teilnahme der Bevölkerung an dieser Vernehmung war vermutlich allerdings nicht sonderlich groß.442 Anders sah dies bei seiner Vernehmung durch den Untersuchungsausschuss des Preußischen Landtags aus. Dort wurde nicht nur die allgemeine Öffentlichkeit der Verhandlungen nicht gewahrt, sondern nicht einmal alle Ausschussmitglieder – geschweige denn die Presse – durften an der Vernehmung teilnehmen. Nur der Vorsitzende, der Berichterstatter, der Landtagsarchivar sowie zwei Stenographen nahmen an dieser Vernehmung teil. Dieses Vorgehen wurde zunächst vom restlichen Untersuchungsausschuss akzeptiert. Grund hierfür war die schlechte gesundheitliche Verfassung Barmats, dem starke Lungenprobleme attestiert wurden. Nach dem Skandal um den Tod Anton Höfles wollten die Ausschussmitglieder nicht erneut die Gesundheit eines Zeugen gefährden. Höfle starb während der Untersuchungshaft zum Barmat- und Kutisker-Fall an einer Überdosis Medikamente. Immer wieder wurden die schlechten Haftbedingungen und der schlechte Umgang mit Höfle beklagt. Nach seinem Tod kam es schließlich zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und zu einem Untersuchungsausschuss, die den Haftbedingungen und den Ursachen seines Todes nachgehen sollten.443 Die Vernehmung Barmats fand daraufhin am 6. Oktober 1925 nicht im großen Kreise statt, sondern mit den bereits genannten Teilnehmern in der Privatwohnung seines Bruders in Berlin.444 Den restlichen Ausschussmitgliedern war es aber gestattet, zuvor Fragen zu formulieren und diese einzureichen, sodass der Vorsitzende diese Barmat bei seiner Vernehmung stellen konnte. Hinzu kam, dass die Stenographen sämtliche Aussagen Barmats protokollieren sollten.445 Nach der Vernehmung durch die wenigen Ausschussvertreter kam es zu großen Debatten im und über den Ausschuss. Ein Grund war, dass der angeblich lungenkranke Barmat nur wenige Stunden vor seiner Vernehmung zusammen mit Ernst Heilmann – einem anderen Zeugen des Untersuchungsausschusses – in einem verrauchten Café am Potsdamer Platz nicht weit von den Ausschussräumlichkeiten gesichtet wurde. Schnell kam die

442 Vorwärts: Der Barmat-Ausschuß in Moabit. Selbst die Vernehmung Barmats zieht nicht mehr! 182 (18. 04. 1925). 443 Sitzungsberichte des Preußischen Landtags, Bd. 1, 29. 04. 1925, S. 1545ff. 444 GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56559 M, Bl. 81ff. 445 Ibid., Bl. 85ff.

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Frage auf, wie dies möglich, eine Vernehmung vor dem Ausschuss aber zu schädlich für seine Gesundheit sei.446 Dieser Vorwurf wurde von der Neuen Preußischen Zeitung aufgegriffen. Zudem wurde betont, dass es »nach Verschleppung aussieht«.447 In dieser Argumentation spielte der Ausschluss der Öffentlichkeit und des restlichen Untersuchungsausschusses eine entscheidende Rolle, da die von Barmat scheinbar erwirkte Verweigerung des Zugangs der Öffentlichkeit zu Informationen mit einer möglichen Vertuschung in Zusammenhang gebracht wurde. Hinzu kam die Tatsache, dass das Treffen vor der Vernehmung ausgerechnet mit Heilmann stattfand, der selbst Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss war und selbst verdächtigt wurde, in den Fall verwickelt zu sein. Der Vorsitzende hatte Heilmann bereits vor diesem Treffen gebeten, Barmat anzurufen, um einen Termin für die Vernehmung mit diesem zu vereinbaren, da Heilmann und Barmat Freunde waren und dies die Arbeit erleichtern sollte. Auch hier wurde der Vorwurf laut, Heilmann habe Barmat in diesem Telefonat auf mögliche Fragen des Ausschusses vorbereitet. Der Vorsitzende versuchte diesen Vorwurf zu entkräften, indem er mit der Öffentlichkeit der Sitzungen vor der Vernehmung Barmats argumentierte: Heilmann musste Barmat gar nicht über mögliche Fragen informieren, da dieser durch andere Teilnehmende an der öffentlichen Verhandlung erfahren konnte, was in den Sitzungen vor seiner Vernehmung besprochen wurde.448 Ein weiterer Grund für die Unzufriedenheit war, dass die Ausschussmitglieder sowie die Presse im Allgemeinen nicht zu der Vernehmung zugelassen wurden, der Vorwärts als sozialdemokratisches Presseorgan der Vernehmung Barmats aber beiwohnen durfte. Der Vorsitzende erklärte hierzu, dass Barmat selbst den Vorwärts zu seiner Vernehmung eingeladen habe, obwohl der Vorsitzende ihn über Heilmann gebeten habe, dies nicht zu tun.449 Doch auch während der Verhandlung wurde der Vorwärts nicht ausgeschlossen. Diese Tatsache wurde besonders von der konservativen Presse stark kritisiert und direkt mit einer möglichen Vertuschung bzw. Unterstützung Barmats in Verbindung gebracht. Die Neue Preußische Zeitung prangerte an, dass bei »[d]er Besprechung – denn eine solche war es augenscheinlich mehr wie [sic!] eine Vernehmung« – nur der Vorwärts teilnehmen durfte, während »[a]lle bürgerlichen Zeitungen […] aus-

446 Redebeitrag Wolfgang Bartels, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56559 M, Bl. 70. Dieser Vorwurf wurde auch von den Deutschnationalen im Untersuchungsausschuss hervorgebracht. Siehe u. a.: Redebeitrag Joseph Kaufhold, in: Ibid., Bl. 69. 447 Neue Preußische Zeitung: Der kranke und der gesunde Barmat. Merkwürdiges Vorgehen des Vorsitzenden Dr. Leidig, 471 (08. 10. 1925). 448 Redebeitrag Eugen Leidig, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56559 M, Bl. 70. 449 Ibid.

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geschlossen [waren]«.450 Zudem seien »[i]m Laufe der Befragung […] die Barmatisten und Führer der deutschen Sozialdemokratie [aufmarschiert]«.451 Der Ausschluss der Presse, aber insbesondere der Zugang des Vorwärts zu dieser Vernehmung wurde als starker Eingriff in die Öffentlichkeit des Ausschusses und als bewusstes Vertuschungsmanöver wahrgenommen. Der dritte Punkt der Kritik an der Vernehmung Barmats schien allerdings noch gravierender. Die Zugänglichmachung von Informationen, also die Transparenz der Vernehmung, konnte nur über das stenographische Protokoll gewährleistet werden, welches allen Ausschussmitgliedern ausgeteilt wurde und auch laut verlesen werden sollte. Der KPD-Abgeordnete Bartels betonte, er hätte sich gewünscht, dass das Protokoll den Mitgliedern früher zugegangen wäre.452 Doch war dies nicht die Hauptkritik am Protokoll der Vernehmung. Vielmehr stellte sich heraus, dass nicht alles Gesagte in das Protokoll aufgenommen worden war. Während der Vernehmung beschwerte sich Barmat über seine Gerichtsverhandlung bzw. das Ausbleiben dieser Verhandlung und klagte an, dass sich alles so lang hinziehe. Diese Aussagen ließen sich nicht im Protokoll wiederfinden. Wie diese Informationen letztendlich doch an die übrigen Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelangten, ist in den vorliegenden Quellen nicht ersichtlich. Die Deutschnationalen mit ihrem Abgeordneten Joseph Kaufhold kritisierten das Fehlen dieser Aussagen im Protokoll insbesondere, da diese Information »für die Öffentlichkeit von großem Interesse« seien.453 Grund hierfür war das Argument, dass nicht – wie zuvor von ihnen vermutet – Barmat selbst ein Interesse an der Verzögerung des Prozesses gehabt habe, sondern dass er vielmehr ein Interesse an einer schnellen Erledigung des Prozesses habe. Kaufhold betonte in diesem Zusammenhang wieder, es werde weiterhin gehofft, dass Gerichte endlich, »Licht in die Verquickung von Politik und Gesellschaft« bringen könnten.454 Der Vorsitzende rechtfertigte das fehlende Protokollieren dieser Aussage folgendermaßen: Ich habe die Sache [Klage Barmats über nicht laufende Gerichtsverhandlungen, SZ] abgebrochen, indem ich zu Barmat sagte: Herr Barmat, der Untersuchungsausschuß lehnt es ab und ist dazu auch nicht befugt, sich irgendwie in das gerichtliche Verfahren einzumischen; das müssen Sie abwarten; es wird [?, SZ] dann durch Urteil festgestellt werden, ob Sie schuldig sind oder nicht. (Zuruf) – Es war ja auch Presse dabei. Es schien mir nicht angebracht zu sein, die Sache in das Stenogramm zu bringen. Infolgedessen

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Neue Preußische Zeitung: Barmats zweite Befragung, 269 (12. 06. 1925), Beiblatt. Ibid. Ibid. Redebeitrag Joseph Kaufhold, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56559 M, Bl. 69. 454 Ibid.

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gab ich dem Stenographen einen Wink und sagte: diese Sache stenographieren sie nicht.455

Dies wurde ebenfalls von der Neuen Preußische Zeitung angeprangert.456 Interessant ist, dass, obgleich diese Dinge im Untersuchungsausschuss von der KPD kritisiert wurden, diese Vorwürfe in der Roten Fahne nicht wiederzufinden waren. Auch der Vorwärts ging nicht näher auf die gegen ihn gerichtete Kritik ein. Die Vernehmung Julius Barmats durch den Untersuchungsausschuss des Preußischen Landtags zeigt mehrere wichtige Aspekte auf: Erstens, dass die Öffentlichkeit einer Sitzung – und sei sie noch so wichtig – zum Wohle der Gesundheit der Beteiligten eingeschränkt werden konnte. Transparenz hatte also Grenzen. Zweitens wurde trotzdem versucht, wenigstens durch das Protokoll und die Presseberichte einen gewissen Grad an Öffentlichkeit aufrechtzuerhalten. Der dritte und in diesem Kapitel entscheidende Aspekt ist aber, dass insbesondere sobald der Zugang zu bzw. die Zugänglichmachung von Informationen für die Ausschussmitglieder und die Presse eingeschränkt wurde, dies relativ schnell zur Sorge vor Vertuschung führen konnte; vor allem dann, wenn Ungereimtheiten auftauchten. Hierbei wird deutlich, dass Transparenz nicht zwingend Vertrauen schafft, wie die gesamte Arbeit des Ausschusses zeigt. Obgleich die Beteiligten versuchten, die Informationen aus der Befragung möglichst zugänglich zu machen und somit Transparenz zu schaffen, erzeugte das Fehlen einiger Informationen eher Misstrauen. Es wird deutlich, dass völlige Transparenz nicht möglich ist und dadurch das Misstrauen eher verstärkt wird.457

3.2.6 Die Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse als Gefahr – Die Gleichzeitigkeit der Untersuchungsausschüsse und der strafrechtlichen Untersuchungen Wie bereits zuvor verdeutlicht, tagten zu dem Fall Barmat drei Untersuchungsausschüsse gleichzeitig. Während der Untersuchungsausschuss des Sächsischen Landtags autonom agierte, standen die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtags und des Reichstags immer in Verbindung zueinander. Dies konnte einerseits zu einer sinnvollen Zusammenarbeit führen, andererseits aber auch zu Konkurrenz zwischen den beiden Untersuchungsausschüssen. Die Konkurrenz wurde besonders bedingt durch die sich teilweise überschneidenden Untersuchungsgegenstände. Hierbei war die Frage der Öffentlichkeit sehr prä455 Redebeitrag Eugen Leidig, in: Ibid, Bl. 69. 456 Neue Preußische Zeitung: Der kranke und der gesunde Barmat. Merkwürdiges Vorgehen des Vorsitzenden Dr. Leidig, 471 (08. 10. 1925). 457 Siehe hierzu Kapitel 1.1.4, S. 25f.

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sent, da die Öffentlichkeit der Verhandlungen des einen angeblich die Arbeit des anderen erschwerte und somit die Grenzen von Transparenz aufzeigte. Bereits zu Beginn der Arbeiten betonte der Berichterstatter des Reichstagsausschusses, dass die Ausschussmitglieder genau überlegen müssten, wie sie vorgehen wollen, unter anderem weil ein weiterer Ausschuss arbeitete. Die Sorge war hierbei, dass die Verhandlungen des jeweils anderen Gremiums durch die Öffentlichkeit gefährdet werden und es möglicherweise zu Vertuschungen kommen könne, da Zeuginnen und Zeugen sich durch die anderen Verhandlungen informieren könnten, wie der Berichterstatter Pfleger ausführte.458 Die Mitglieder des anderen Ausschusses waren sich ebenfalls dieser Schwierigkeiten bewusst. Wichtig war seinem Vorsitzenden, dass der Ausschuss einerseits auf seinen Rechten beharrte und sich nicht vom Untersuchungsausschuss des Reichstags einschränken ließ. Andererseits sollte er sich weitestgehend aus den Zuständigkeitsfeldern des Reichstagsausschusses raushalten, damit es zu keinen Konflikten zwischen den beiden kommen konnte.459 Gleichzeitig betonte er, dass das oberste Ziel weiterhin sei, Tatsachen aufzuklären und Gerüchte aus der Öffentlichkeit zu entfernen, und Rücksicht daher nur bedingt möglich sei.460 In der medialen Berichterstattung wurde diese Konkurrenz zwischen den Untersuchungsausschüssen nur vom Vorwärts aufgegriffen, der von »eine[r] gewisse[n] Rivalität« sprach, »die zuweilen recht scharfe Formen annimmt«.461 Doch neben der augenscheinlichen Konkurrenz kam es auch zur Kooperation zwischen den beiden Ausschüssen. So gab es einen Austausch der stenographischen Berichte bzw. Protokolle.462 Zusätzlich zu diesen Protokollen nutzte der Untersuchungsausschuss des Preußischen Landtags die Drucksachen, die der Reichstagsausschuss herausgab.463 Während die »Realtime-Transparenz« also Schwierigkeiten mit sich brachte, half die durch die Protokolle und Drucksachen geschaffene Transparenz der Ergebnisse im Nachhinein dem jeweils anderen Ausschuss. Eine viel größere Gefahr als für die Arbeit des jeweils anderen Untersuchungsausschusses stellte die Öffentlichkeit der Verhandlungen nach Ansicht mancher Beobachterinnen und Beobachter für die juristische Untersuchung des

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Redebeitrag Joseph Pfleger, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56557 M, Bl. 1. Redebeitrag Eugen Leidig, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56558 M, Bl. 108. Ibid., Bl. 123. Vorwärts: Durcheinander im Preußenausschuß. Ein bißchen von allem, 126 (15. 03. 1925), S. 10. 462 Redebeitrag Eugen Leidig, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56558 M, Bl. 41. 463 Redebeitrag Joseph Kaufhold, in: Ibid., Bl. 42.

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Falles dar.464 Diese Kritik wurde nicht nur von Mitgliedern der Parlamente und der Ausschüsse vertreten, sondern insbesondere von den Teilnehmenden am Deutschen Richtertag 1925. Zudem nahm sich 1926 der Deutsche Juristentag ebenfalls dieser Problematik an und behandelte sie in zwei unterschiedlichen Gutachten. Beide Untersuchungsausschüsse wurden bereits früh in ihren Untersuchungen mit den Vorwürfen konfrontiert, sie könnten die Arbeit der Staatsanwaltschaft gefährden. Hierbei ging es insbesondere um die Frage, ob die Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse die juristische Bearbeitung des Falles behindere und somit gar zu Vertuschungen führe. Diese Sorge wurde von den Vertreterinnen und Vertretern verschiedenster Parteien geteilt. So fürchtete der Zentrum-Abgeordnete Josef Graw, dass sich Personen durch die öffentlichen Zeugenvernehmungen im Untersuchungsausschuss in Hinblick auf ihre Strafverfahren informieren könnten. Er »h[ielt] es für ein gefährliches Experiment«, wenn das gerichtliche Verfahren beeinflusst werden könnte.465 Er forderte, »daß das Strafverfahren gründlich durchgeführt und im Interesse der Reinlichkeit nichts verdunkelt wird«, selbst wenn dies im Zweifel bedeute, dass der Ausschuss seine Arbeit unterbrechen müsse.466 Ähnliches wurde im Reichstagsausschuss konstatiert. So betonte der DNVPAbgeordnete Johann-Georg von Dewitz, dass der Ausschuss »die Untersuchungen des Staatsanwaltes in keiner Weise […] stören [dürfe]«.467 Die Ausschussöffentlichkeit wurde hier als ein besonders gefährdendes Moment wahrgenommen, da durch die zu frühe Zugänglichmachung von bzw. den direkten Zugang zu Informationen die Arbeit der Staatsanwaltschaft gefährdet werden könne.468 Einig waren sich im Reichstag alle Beteiligten, dass diese Untersuchungen keine »Konkurrenz zu dem Verfahren der ordentlichen Gerichte sein« sollten.469 Vielmehr ging es darum, politische Tatsachen festzustellen und kein Urteil zu fällen.470 Trotzdem war insbesondere im Reichstag die Diskussion groß, wie mit dieser Kritik umgegangen werden sollte. Während von Dewitz die Öffentlichkeit der Verhandlungen zum Wohle der juristischen Ermittlungen in Frage stellte, betonte der SPD-Abgeordnete Siegfried Aufhäuser, dass auf gar keinen Fall die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden dürfe, da dies nur Gerüchte hervorrufen 464 Siehe hierzu auch: Raithel, Thomas: Funktionsstörungen des Weimarer Parlamentarismus. In: Moritz Föllmer und Rüdiger Graf (Hg.): Die »Krise« der Weimarer Republik. Zur Kritik eines Deutungsmusters. Frankfurt; New York, 2005, S. 243–266, S. 251. 465 Redebeitrag Josef Graw, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56558 M, Bl. 309. 466 Ibid. 467 Redebeitrag Johann-Georg von Dewitz, in: Ibid., Bl. 3. 468 Ibid. 469 Redebeitrag Siegfried Aufhäuser, in: Ibid., Bl. 3. 470 Ibid.

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würde. Die öffentliche Arbeit des Ausschusses könne es jedoch schaffen, »eine Beruhigung [in der Bevölkerung] hervorzurufen«.471 Der DNVP-Abgeordnete Wilhelm Bruhn sprach sich ebenfalls dagegen aus, die Untersuchungen zu pausieren oder die Öffentlichkeit allgemein auszuschließen. Vielmehr sollte die Öffentlichkeit nur in besonderen Ausnahmefällen und bei konkreter Gefährdung der staatsanwaltschaftlichen Untersuchung ausgeschlossen werden.472 Die gleiche Ansicht vertrat der Zentrumsabgeordnete Peter Spahn, da für ihn die Öffentlichkeit ein wichtiges Element der Untersuchungsausschüsse darstellte, das in jedem Fall gewahrt werden müsse.473 Es ging dabei allerdings nicht allein um die öffentlichen Verhandlungen. Auch der Zugang zu den Presseartikeln, die die Sitzungen der Untersuchungsausschüsse behandelten, wurde kritisiert. Ministerialrat Gottfried Kuhnt aus dem Justizministerium betonte, dass es die Gefahr einer »Verdunkelung« mit sich bringe, wenn die Beschuldigten im Gefängnis durch Presseartikel Informationen erhalten würden, da sie sich somit auf ihre Aussagen vorbereiten könnten.474 Nachdem der Zentrumsabgeordnete Johannes Becker erklärt hatte, es handele sich bei der Tatsache, dass Beschuldigte die Zeitung im Gefängnis lesen dürfen, nur um einen Brauch, der auch beendet werden könne, brach eine größere Diskussion im Reichstagsausschuss zu diesem Thema aus.475 Die anderen Abgeordneten widersprachen Becker und betonten, dass Angeschuldigte weiterhin das Recht haben sollten, in Haft die Zeitungen zu lesen. Der Vorschlag des Abgeordneten der Wirtschaftlichen Vereinigung, August Hampe, die Zeitungsartikel, die den konkreten Fall betrafen, aus den Zeitungen auszuschneiden, wurde ebenfalls abgelehnt.476 Trotz der Kritik, die später auch von der Nationalsozialistischen Freiheitspartei geäußert wurde,477 hielten die Untersuchungsausschüsse an ihrem Prinzip der Öffentlichkeit und des Zugangs zu Informationen fest. Die Kritik, die Untersuchungsausschüsse behinderten die staatsanwaltschaftlichen Arbeiten, ging häufig mit einer eindeutigen Positionierung gegen diese und für die Gerichte einher. So sprachen sich verschiedene Parlamentsmitglieder – insbesondere der rechten Parteien – dafür aus, die Arbeit den Gerichten zu überlassen.478 Die Bevorzugung einer Gerichtsverhandlung gegenüber 471 472 473 474 475 476 477

Ibid., Bl. 4. Redebeitrag Wilhelm Bruhn, in: Ibid., Bl. 15. Redebeitrag Peter Spahn, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56557 M, Bl. 17. Redebeitrag Gottfried Kuhnt, in: Ibid., Bl. 16. Redebeitrag Johannes Becker, in: Ibid., Bl. 16f. Redebeitrag August Hampe, in: Ibid., Bl. 4f. Redebeitrag Wilhelm Henning, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 385, 29. 04. 1925, S. 1455 (B). 478 Ibid.; Redebeitrag Joseph Kaufhold, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 5, 12. 11. 1925, S. 6392.

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der möglichen Transparenz durch die Untersuchungsausschüsse mag bei den rechten Parteien zunächst als Widerspruch zu ihren regelmäßigen Transparenzforderungen gegenüber den Ausschüssen erscheinen. Hierbei wird aber die Skepsis deutlich, mit welcher den Ausschüssen weiterhin begegnet wurde. Obgleich gefordert wurde, dass dieses Gremium Aufklärung schaffen solle, wurde seine Befähigung dazu stark bezweifelt. Nach Ansicht der meisten Vertreterinnen und Vertreter der rechten Parteien konnte nur ein Gerichtsverfahren vollständige Aufklärung bringen und sei daher zu bevorzugen, wenngleich dies zu Ungunsten der geforderten Öffentlichkeit der Verhandlungen ausgehe. Um Aufklärung zu schaffen, könne diese also eingeschränkt werden. Das Ergebnis und die Bestrafung verdächtiger Personen erschien ihnen wichtiger, als die Verhandlungen, die zu einem möglichen Ergebnis führen könnten, direkt öffentlich zu machen. Es ging ihnen also vielmehr um eine Transparenz der Ergebnisse im Nachhinein als um eine »Prozess-Transparenz« in Echtzeit. Zeitgleich wurde von Mitgliedern anderer Parteien, wie zum Beispiel Schwenk von der KPD, der Wunsch geäußert, dass, »wenn sich ähnliche Dinge ereignen sollten, […] diese den ordentlichen Gerichten zur schnellsten Erledigung übergeben« und nicht durch Untersuchungsausschüsse untersucht werden.479 Dies zeigt die Skepsis auch der linken Parteien gegenüber diesem Instrument. Es wurde außerdem in diesem Zusammenhang eine Bearbeitung der Richtlinien für Untersuchungsausschüsse gefordert, damit ihre Kompetenzen und ihre Funktion klarer definiert werden konnten.480 In den in dieser Studie untersuchten Zeitungen lässt sich keine direkte Stellungnahme zu diesen Vorwürfen finden. Lediglich die Neue Preußische Zeitung berichtete hiervon, gab ihre eigene Meinung in dem betreffenden Artikel aber nicht wieder.481 In einem anderen Artikel wiederum druckte diese Zeitung Zuschriften ab, die sich eindeutig gegen die Untersuchungsausschüsse und für die Gerichte aussprachen.482 Obgleich keine Redakteurin und kein Redakteur hier die eigene Meinung aussprach, lässt sich die Tendenz der Neuen Preußischen Zeitung doch klar erkennen. Dies wurde auch nach der Arbeit des preußischen Untersuchungsausschusses deutlich, als in einem Zeitungsartikel geäußert

479 Redebeitrag Paul Schwenk, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 3, 20. 10. 1925, S. 4830f. 480 Ibid. 481 Neue Preußische Zeitung: Die Barmat-Ausschüsse des Landtags und des Reichstags. Untersuchungsrichter und Oberstaatsanwalt gegen diese Verhandlungen. Ungünstige Beeinflussung der Untersuchung, 59 (05. 02. 1925), Beiblatt. 482 Neue Preußische Zeitung: Untersuchung durch Parlamentsausschüsse oder die Gerichtsbehörden? 61 (06. 02. 1925), Beiblatt.

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wurde, dass »das letzte Wort […] das Gericht sprechen [wird], von dem allein volle Aufklärung zu erwarten ist«.483 Noch viel größere Kritik wurde von Seiten des Deutschen Richtertags geäußert. So beschäftigten sich die Teilnehmenden am Deutschen Richtertag 1925 spezifisch mit der Frage der Untersuchungsausschüsse und begannen ihre Forderungen in der Deutschen Richterzeitung mit den Worten: Von der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung einer reinlichen Rechtspflege durchdrungen, erhebt der deutsche Richtertag lebhaft Widerspruch gegen die Tätigkeit der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse neben dem ordentlichen Strafverfahren. Eine solche Ausdehnung der parlamentarischen Untersuchung dient nicht der objektiven Wahrheitserforschung; sie bedeutet die parteiische Durchkreuzung der Wahrheitsermittlung durch die unparteiische Rechtspflege.484

In den weiteren Äußerungen im Verlauf des Deutschen Richtertages lassen sich diese Elemente immer wieder finden. So wurden Untersuchungsausschüsse als etwas Politisches gesehen, das auf »hochpolitische Dinge« konzentriert bleiben sollte.485 Dabei wurde hier besonders die Kritik an der Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse laut. Es ging dabei nicht nur darum, dass Zeuginnen und Zeugen bereits vor dem Ausschuss vernommen würden, die später vor Gericht stünden. Es wurde außerdem kritisiert, dass »vor dem Untersuchungsausschuß [auch] Staatsanwalt und Untersuchungsrichter in dem Strafverfahren Rede und Antwort stehen sollen«.486 Dies sei eindeutig eine Überschreitung der »Grenzen ihrer Befugnisse«.487 Zudem wurde kritisiert, dass die Untersuchungsausschüsse viel zu inflationär eingesetzt würden und somit vollkommen die Arbeit der Gerichte verhinderten. Es müsse, so die Kritik weiter, im Interesse des Parlaments liegen, diese exzessive Ausnutzung der Untersuchungsausschüsse zu verhindern.488 Bei dem Richtertag ging es nicht um die spezifischen Untersuchungsausschüsse zum Fall Barmat – obgleich diese als regelmäßiger Referenzpunkt genutzt wurden –, sondern um Untersuchungsausschüsse allgemein. Dabei machen die Aussagen deutlich, dass es nicht allein um die Frage ging, ob einzelne Untersuchungsausschüsse in die Arbeit einzelner Gerichte eingriffen, sondern auch um eine viel generellere Kritik an dem angeblichen Eingriff der Legislative 483 Neue Preußische Zeitung: Ein schwarzer Tag für die Barmatisten. Vernichtende Urteile über Heilmann und Barmat, 479 (13. 10. 1925). 484 Deutsche Richterzeitung 17/8 (01. 10. 1925), in: Roland Schmid (Hg): Deutsche Richterzeitung Jahrgang 1925. Miltenberg a.M., S. 469–516, S. 469. 485 Redebeitrag Ernst Müller-Meiningen, in: Anhang Deutscher Richtertag. In: Roland Schmid (Hg.): Deutsche Richterzeitung Jahrgang 1925. Miltenberg a.M, o. A., S. 19–70, S. 44. 486 Redebeitrag Johannes Wunderlich, in: Anhang Deutscher Richtertag, S. 25. 487 Ibid. 488 Redebeitrag Ernst Müller-Meiningen, in: Anhang Deutscher Richtertag, S. 44f.

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in die Judikative. Insbesondere wurde aber die Kritik an der Transparenz der Ausschüsse deutlich. Während die meisten (vor allem republikanischen) Parteien in der durch dieses Gremium geschaffenen Öffentlichkeit den Schlüssel zur Wahrheit und Objektivität sahen, erkannten die Mitglieder des Richtertages darin eher das Gegenteil. Für sie schien insbesondere die Transparenz der Ausschüsse und das damit verbundene politische Interesse der Parteien eine mögliche Objektivität und Aufklärung zu verhindern. Diese könnten letztlich nämlich nur durch Gerichtsverhandlungen garantiert werden. Die Vorwürfe des deutschen Richtertags wiederum wurden in der Presse diskutiert. Wenngleich die hier vorwiegenden Zeitungen – mit Ausnahme des Vorwärts – nicht über die Vorwürfe des Richtertags berichteten, lassen sich verschiedene Meinungen anhand des in der Deutschen Richterzeitung abgedruckten Pressespiegel erkennen. Der Vorwärts sprach sich gegen diese aus, die »von der Rechtspresse sekundiert sind«,489 und betonte die Nützlichkeit und sogar die Notwendigkeit der Untersuchungsausschüsse. Durch ihre Arbeit könnten »die skandalösen Zustände in der Justiz auf[gedeckt]« werden.490 Das Presseorgan der SPD machte also vielmehr der Justiz Vertuschungsvorwürfe und lobte die Arbeit und Notwendigkeit der Ausschüsse. Insbesondere eher republikanisch Gesinnte sprachen sich für die Untersuchungsausschüsse und gegen die Vorwürfe der Richter aus. So betonte die Volksstimme, dass es nicht Aufgabe der Untersuchungsausschüsse sei, juristische Urteile zu fällen, sondern sie vielmehr eine politische Aufgabe für das Parlament übernehme. Dabei würden sie immer »Klarheit« schaffen und dadurch, dass jede Fraktion – anders als im Gericht – vertreten sei, würden sie außerdem eine »viel reinere Atmosphäre [schaffen]«.491 Auch die Neue Berliner Zeitung betonte die höhere Objektivität der Untersuchungsausschüsse im Gegensatz zu den Gerichten.492 Andere Zeitungen wie z. B. die Hamburger Nachrichten oder das Deutsche Tagblatt sprachen sich entschieden gegen die Untersuchungsausschüsse und für die Gerichte aus. Sie betonten, dass die Ausschüsse in die Kompetenzen der Gerichte eingriffen und durch ihr parteipolitisches Interesse für mehr Verwirrung und Vertuschung als für Aufklärung sorgten.493 Die Hamburger Nachrich489 Vorwärts: Richtertag und Untersuchungsausschüsse. Nun erst recht! 17. 09. 1925, In: Roland Schmid (Hg.): Deutsche Richterzeitung Jahrgang 1925. Der sechste deutsche Richtertag in der Kritik. Miltenberg a.M., S. 76–80, S. 76. 490 Vorwärts: Richtertag und Untersuchungsausschüsse. Nun erst recht! 491 Volksstimme: Gekränkte Richter, 16. 09. 1925, in: Der sechste deutsche Richtertag in der Kritik, S. 77. 492 Neue Berliner Zeitung: o. A., 16. 09. 1925, in: Ibid., S. 74. 493 Deutsches Tagblatt: o. A., 16. 09. 1925, in: Ibid., S. 71; Hamburger Nachrichten: o. A., 16. 09. 1925, in: Ibid., S. 79.

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ten sprachen sogar von der Errichtung einer »Parlamentsjustiz«494 und schürten somit die Sorge vor einer Vermischung der Kompetenzen von Legislative und Judikative. Spannend ist die Annahme Steffanis, der der Arbeit der Ausschüsse eine gegenteilige Auswirkung zuschreibt. So erklärt er, dass die juristischen Verfahren durch die parlamentarischen Untersuchungen – sowohl beim Barmat- als auch beim Sklarek-Skandal – »von dem Dunstkreis, der die Skandalaffären umwitterte, in erheblichem Maße [befreit wurden]«.495 Er betont außerdem, dass die Gerichte sich »auf die strafrechtliche Seite« fokussieren konnten, »ohne die öffentliche Meinung in wesentlichen Streitfragen unbefriedigt und völlig im unklaren lassen zu müssen«.496 Ihm zufolge wirkten die Untersuchungsausschüsse auf die Gerichtsverhandlungen also eher unterstützend. Während der Untersuchungsausschuss des Preußischen Landtags sich von dargestellten Vorwürfen in seiner Arbeit nicht einschränken ließ, zeigten sie doch einen gewissen Einfluss auf die Arbeit des Reichstagsausschusses. Dieser stellte seine Untersuchungen zumindest während der juristischen Ermittlungen und Gerichtsverhandlungen zum Fall Höfle ein, um die juristische Arbeit nicht zu gefährden. Kurz nach Beendigung der Arbeit der Untersuchungskommission beriet auch der Deutsche Juristentag 1926 über die Frage »Empfiehlt sich eine Abänderung der Bestimmungen über parlamentarische Untersuchungsausschüsse, um den ungestörten Verlauf des Strafverfahrens und die Unabhängigkeit des Richtertums sicherzustellen?« Dabei entstanden zwei Gutachten, die einen Einblick in die juristische Sicht auf die Gleichzeitigkeit der Untersuchungsausschüsse und der juristischen Verhandlungen geben. Das erste Gutachten, verfasst von dem Juristen Werner Rosenberg, zog eine eher kritische Bilanz der Untersuchungsausschüsse. Er betonte zwar die Differenz der eigentlichen Untersuchungsgegenstände von Ausschuss und Gericht, machte aber deutlich, dass in der Realität eine strikte Trennung zwischen beiden nicht möglich sei.497 Insbesondere beim »Barmat-Ausschuß des preußischen Landtags« sei es dabei zu »[b]esonders krasse[n] Übergriffe[n]« auf die Kompetenzen der Gerichte gekommen.498 Dabei sprach er den juristischen Verhandlungen prinzipiell die größere Bedeutung zu, da die Untersuchungsaus494 Hamburger Nachrichten: o. A., 16. 09. 1925, in: Der sechste deutsche Richtertag in der Kritik, S. 79. 495 Steffani 1960: Die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtags, S. 317. 496 Ibid. 497 Gutachten des Herrn Reichsgerichtsrats Dr. h.c. Werner Rosenberg-Leipzig. In: Verhandlungen des Vierundreißigsten Deutschen Juristentags (Köln). Berlin; Leipzig, 1926, S. 1–29, S. 13. 498 Ibid., S. 13.

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schüsse »geringere Garantien für die Erforschung der Wahrheit bieten als die Organe der Gerichte«.499 Dafür gebe es verschiedene Gründe. Zum einen sei »die Aufstellung und Durchführung eines einheitlichen Programms« aufgrund der verschiedenen Mitglieder in den Ausschüssen häufig schwierig und die Untersuchungen würden dadurch »uferlos«.500 Zudem könnten auch »befangen[e]« Mitglieder in dem Ausschuss tätig sein.501 Insbesondere die parteipolitischen Konflikte erschwerten die Arbeit.502 Zudem habe der Untersuchungsausschuss viel weniger Kompetenzen als ein Gericht und gebe daher »keine Garantie dafür, daß die materielle Wahrheit im Wege der parlamentarischen Untersuchung besser und schneller ermittelt wird als im Wege des strafgerichtlichen Verfahrens«.503 Er kritisierte außerdem den Aussagezwang vor den Ausschüssen und das Fehlen eines Aussageverweigerungsrechts aufgrund des Status der eigentlich Beschuldigten als Zeuginnen und Zeugen. Den größten Nachteil der Untersuchungsausschüsse erkannte er aber in der Öffentlichkeit der Verhandlungen, die er sogar als »schädlich[…]« ansah.504 Es gebe keine wirkliche Voruntersuchung, in der Beweise und Zeugenaussagen sortiert werden könnten. Vielmehr finde alles weitestgehend in öffentlichen Sitzungen statt: »Geständnisse werden in einem solchen milieu [sic!] schwerlich abgelegt werden« und »[a]uch Zeugen werden vielfach mit ihren Aussagen zurückhalten«, da sie mögliche Konsequenzen fürchteten.505 Zudem bemängelte er, dass Ausschuss und Gericht bei ähnlichen Fragen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen könnten, was »nicht bloß […] das Verfahren verzögert, erschwert und verschlechtert […] [,] [a]uch die Autorität des Staates im ganzen und seiner Organe im einzelnen kann gemindert werden«.506 Für ihn stellten die Ausschussarbeiten und ihre Öffentlichkeit also eine Gefahr für die gerichtlichen Verhandlungen dar. Er sprach sich daher für eine kleinere Mitgliederanzahl aus, und dafür, in manchen Fällen gemischte Kommissionen »mit Richterparlamentariern« einzusetzen und allgemein eine geheime Voruntersuchung mit Richtern einzurichten.507 Die Transparenz der Ausschüsse sollte also zum Wohle der eigenen und der gerichtlichen Verhandlungen eingegrenzt werden. Insgesamt forderte er sogar, dass Ausschüsse und Gerichte nur in

499 500 501 502 503 504 505 506 507

Gutachten des Herrn Reichsgerichtsrats Dr. h.c. Werner Rosenberg-Leipzig, S. 14. Ibid. Ibid., S. 15. Ibid. Ibid., S. 19. Ibid., S. 25. Ibid., S. 23. Ibid., S. 28. Ibid., S. 18.

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Ausnahmefällen parallel tagen dürfen sollten und im Allgemeinen der Vorrang den Gerichten zu überlassen sei.508 Das zweite Gutachten des Juristen Max Alsberg sah die Untersuchungsausschüsse insgesamt weniger kritisch. Die Untersuchungsausschüsse dürften als Kontrollinstrument »der Volksvertretung« auf keinen Fall beseitigt und weitgehend eingeschränkt werden.509 Vielmehr müssten Mittel gefunden werden, damit die Ausschüsse tagen könnten, ohne die Gerichte zu stören. Obgleich er keine größere Gefährdung der gerichtlichen Verhandlungen oder gar der Judikative durch die Ausschussarbeiten erkennen konnte, hielt er doch einige Maßnahmen für notwendig. Den größten Konfliktpunkt machte er ebenfalls in der Öffentlichkeit der Ausschussverhandlungen aus, da diese insbesondere »das geltende System der geheimen Voruntersuchungen durchkreuze«.510 Der Ausschluss der Öffentlichkeit sei daher in einigen Momenten notwendig. Insbesondere sollte »die Erörterung strafrechtlicher Tatbestände« nicht mehr im Untersuchungsausschuss bzw. nicht mehr in öffentlichen Sitzungen stattfinden.511 Der Ausschluss der Öffentlichkeit bei solchen Themen war zwar eigentlich schon Praxis der Ausschüsse, sollte Alsberg zufolge aber gesetzlich festgeschrieben werden. Zudem sollte auch die mögliche Vertraulichkeit solcher Aussagen gesetzlich geregelt werden.512 Die Öffentlichkeit der Ausschüsse insgesamt müsse dabei aber zwingend beibehalten werden. Eine weitere Reformvorstellung war unter anderem, ein eindeutiges Gesetz für das Zeugnisverweigerungsrecht zu entwickeln. Dabei ging es einerseits erneut um die Möglichkeit der beschuldigten Zeuginnen und Zeugen, ihre Aussage zu verweigern. Andererseits sollte verhindert werden, dass andere willkürlich ihre Aussage verweigern konnten, mit der Berufung auf die vermeintlich beschränkte Aussagegenehmigung durch die Vorgesetzten.513 Keinesfalls dürfe außerdem das Recht der Akteneinsicht der Ausschüsse zugunsten der Gerichtsverhandlungen eingeschränkt werden. Hierbei wurde die Sorge zum Ausdruck gebracht, die Ausschüsse könnten Akten einsehen, die für die aktuelle Gerichtsverhandlung benötigt wurden. Bis jetzt habe aber jeder Ausschuss Rücksicht genommen und es sei zu keinen wirklichen Konflikten bei der Akteneinsicht gekommen.514 Die Sorge vor einer möglichen Gefährdung der Gerichtsverhandlungen durch die Ausschüsse zeigt erneut die Grenzen von Transparenz auf. Die Zugänglich508 Ibid., S. 29. 509 Gutachten des Herrn Rechtsanwalts Dr. Max Alsberg-Berlin. In: Verhandlungen des Vierundreißigsten Deutschen Juristentags (Köln). Berlin; Leipzig, 1926, S. 332–394, S. 335. 510 Ibid., S. 373. 511 Ibid., S. 358. 512 Ibid., S. 371ff. 513 Ibid., S. 379. 514 Ibid., S. 382.

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machung von Informationen durch die Öffentlichkeit der Verhandlungen konnte eine Aufklärung verhindern, da die Aussagen nicht mehr authentisch waren. Auch der Zwang zur Aussage, der eigentlich zu mehr Transparenz führen sollte, wurde eher kritisch gesehen. Transparenz sollte also zum Wohle der Ermittlungen eingeschränkt werden können. Weniger Transparenz sollte dem Ausschuss ermöglichen, mehr Erkenntnisse aus den Untersuchungen zu ziehen. Transparenz führte in dieser Perspektive also nicht zwingen dazu, der »Wahrheit« näher zu kommen.

3.2.7 Verleumdungen durch die Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse Die Öffentlichkeit der Ausschüsse brachte jedoch noch weitere Schwierigkeiten mit sich. Die Untersuchungsausschüsse sahen sich häufig dem Vorwurf ausgesetzt, eine Plattform für Verleumdungen zu sein, da in ihren öffentlichen Verhandlungen auch ohne jegliche Beweise diskutiert werden konnte. Die Sorge, durch die öffentliche Vernehmung Personen oder Unternehmen zu verleumden, war bereits seit Beginn der Verhandlungen sehr präsent. So erklärte der Vorsitzende des Ausschusses des Preußisches Landtages: Es wird der allgemeine Wunsch des Ausschusses sein, in den Fällen, in denen es nicht notwendig ist, den Gesellschaftern und ihren Aktionären keine unnötigen Schwierigkeiten in der Öffentlichkeit zu machen. Ich möchte deshalb in allen den Fällen, in denen uns gesagt wird: die Sache ist voll gedeckt, vorläufig davon Abstand nehmen, die Verhältnisse dieser Gesellschaften hier weiter zu erörtern. Sonst können wir das eventuell unter Ausschluß der Öffentlichkeit tun. Wir wollen die Schäden, die nun eintreten, nicht größer machen, als sie notwendigerweise sind.515

Um Verleumdungen von Gesellschaften zu verhindern, sollte also im Zweifel die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Schwieriger sah die Situation bei Einzelpersonen aus. Denn viel häufiger kam es zu (meist parteipolitisch gefärbten) Vorwürfen durch Ausschussmitglieder gegenüber Einzelpersonen, wie etwa gegen den Zeugen Arthur Klinghammer.516 Die Schwierigkeit war hierbei, dass die Verleumdeten nicht offiziell die Möglichkeit bekamen, sich gegen diese Anschuldigungen zu verteidigen. Diese Tatsache wurde immer wieder von Zeugen,517 aber auch Mitgliedern der Untersuchungsausschüsse beklagt.518 Verleumdete versuchten daher wiederum, die Öffentlichkeit der Ausschüsse zu nutzen, um sich von solchen Verleumdungen freizumachen. Der Vorsitzende des 515 516 517 518

Redebeitrag Eugen Leidig, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56558 M, Bl. 380. Redebeitrag Zeuge Klinghammer, in: Ibid., Bl. 292. Redebeitrag Zeuge Meyer, in: Ibid., Bl. 32. Redebeitrag Eugen Leidig, in: Ibid., Bl. 292.

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Untersuchungsausschusses des Preußischen Landtags sowie einzelne Abgeordnete, insbesondere von der SPD, sprachen ihnen diese Möglichkeit zu.519 Gleichzeitig kritisierten einige Abgeordnete, dass sich durch diese Richtigstellungen, die meist nicht zum eigentlichen Themengebiet der Untersuchungsausschüsse gehörten, die Arbeit der Ausschüsse möglicherweise verzögerte.520 Diese Diskussionen waren – wenngleich sie im Untersuchungsausschuss des Reichstages auch teilweise zu finden waren – verstärkt in dem des Preußischen Landtags erkennbar. Dies lässt erneut darauf schließen, dass dieser vermutlich ein größeres Interesse erfuhr als der des Reichstags. Eine weitere Quelle möglicher Verleumdungen waren die Zuschriften an die Untersuchungsausschüsse und insbesondere die anonymen Zuschriften. Beide Ausschüsse gingen unterschiedlich damit um. Sie entschieden sich beide dazu, Zuschriften zu den Akten zu nehmen und sie nur den Ausschussmitgliedern zugänglich zu machen, um somit mögliche Verleumdungen zu verhindern.521 Der Reichstagsausschuss beschloss zudem, anonyme Zusendungen zu den Akten zu nehmen, diese aber nicht öffentlich vorzutragen, »schon deshalb nicht, weil sonst diese anonymen Zuschriften in der Presse breitgetreten werden«, wie der Zentrumsabgeordnete Florian Klöckner anführte.522 Anders ging damit der Untersuchungsausschuss des Preußischen Landtages um. Er ignorierte anonyme Zuschriften vollständig. Diese sollten nur behandelt werden, wenn ein Mitglied des Ausschusses sie vorbrachte, denn dafür spielten die Quellen, woher dieses Mitglied die Informationen hatte, zunächst keine Rolle.523 Noch gravierender als die möglichen Verleumdungen waren die Konsequenzen, denen einige Zeuginnen und Zeugen nach ihrer Aussage ausgesetzt waren. So kam es unter anderem zu einem Disziplinarverfahren gegen den Angestellten Klinghammer durch den Polizeipräsidenten, da dieser in seiner Aussage angeblich falsche Informationen an den Ausschuss gegeben hatte. Der Vorsitzende erklärte seine Bedenken gegenüber diesem Vorgehen. Die Aussagen vor dem Ausschuss ließen sich nicht »vermeiden« und es wäre auch normal, dass die Zeuginnen und Zeugen »nur subjektive Eindrücke« wiedergeben könnten.524 Er warnte außerdem davor, dass mögliche Disziplinarverfahren nach einer Aussage vor einem Untersuchungsausschuss nur dazu führten, dass andere Personen nicht mehr oder nur »zurückhaltend« vor dem Ausschuss aussagen 519 520 521 522

Redebeitrag Eugen Leidig, in: Ibid., Bl. 124. Redebeitrag Erich Kuttner, in: Ibid. Siehe u. a.: Bundesarchiv Abteilung Reich R 101/5403, fol. 1–5. Redebeitrag Florian Klöckner, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56557 M, Bl. 11. 523 Redebeitrag Eugen Leidig, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56558 M, Bl. 100. 524 Ibid., Bl. 236.

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würden.525 Welche Auswirkungen die Aussage des Zeugen Klinghammer letztendlich hatte, lässt sich leider nicht mehr nachvollziehen. Vermuten lässt sich allgemein aber, dass – ähnlich wie der Vorsitzende es andeutete – ein solches Vorgehen eine abschreckende Wirkung hatte und Zeuginnen und Zeugen nicht immer frei aussagten, da sie die Konsequenzen fürchteten. Das Kapitel hat eindeutig aufgezeigt, dass die Grenzen von Transparenz, die in der modernen Transparenzforschung diskutiert werden, bereits in den 1920er Jahren ein großes Thema waren, ohne dass der Begriff »Transparenz« dabei verwendet worden wäre. Transparenz konnte die Ermittlungen oder auch das Ansehen einzelner Personen gefährden. Transparenz führte dadurch letztendlich teilweise zu mehr Intransparenz. Dies zeigt sich vor allem, wenn Zeuginnen oder Zeugen nicht (vollständig) aussagen wollten oder wenn Aussagen durch Wissen aus vorherigen Ausschusssitzungen verfälscht wurden.

3.2.8 Der Untersuchungsausschuss als Kampfmittel der Parteien Immer wieder wurden die Untersuchungsausschüsse dafür kritisiert, nur ein parteipolitisches Instrument zu sein, welches für den Kampf der einzelnen Parteien untereinander genutzt werde. In dieser Argumentation schwang ebenfalls die Idee mit, der Ausschuss schaffe keine Transparenz, sondern vertusche etwas: entweder dadurch, dass er aus parteipolitischem Interesse Dinge verheimliche, oder dadurch, dass er andere – vermeintlich sogar für den Fall unwichtige – Details aus dem gleichen Interesse hervorhebe. Zudem wurde durch die Untersuchungsausschüsse eine neue Plattform zur Austragung dieser Konflikte geschaffen. Nahezu alle Parteien kritisierten die parteipolitische Nutzung der Ausschüsse im Fall Barmat. So beanstandete der Ministerpräsident Otto Braun, dass der Barmat-Skandal nur »als Einleitung zur Wahlkampagne für die Reichspräsidentenwahl [so aufgebauscht wurde]«.526 Er unterstrich damit die besondere Bedeutung des Skandals und seine strategische Nutzung durch verschiedene Parteien für die Reichspräsidentenwahl, wie es auch der Historiker Geyer konstatiert.527 Dieser Vorwurf wurde ebenfalls von verschiedenen SPD-Mitgliedern aufgeworfen. So erklärte der SPD-Abgeordnete Kuttner nach den Verhandlungen des Ausschusses im Preußischen Landtag, dieser sei dazu genutzt worden, um »der 525 Ibid. 526 Redebeitrag Otto Braun, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 1, 4. Sitzung, 14. 01. 1925, S. 90. 527 Geyer 2018: Kapitalismus und politische Moral, S. 143ff.

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draußen tobenden Barmat-Hetze Material zu liefern« und »dem Sensationsbedürfnis« nachzukommen.528 Er beanstandete außerdem, genau diese politische Instrumentalisierung habe den Ausschuss in seiner Arbeit gehindert. Dadurch habe sich die Ausschussarbeit enorm verzögert. Das gleiche Argument nutzte er bereits in einer früheren Sitzung und kritisierte in diesem Zusammenhang die Öffentlichkeit der Ausschüsse. Die Ausschussarbeit sei von Anfang an in der ganzen Öffentlichkeit mit einer ungeheuren und vollkommen unsachlichen Sensationsmacherei verbunden […] [gewesen], weil sie zu politischen Zwecken ausgenutzt wurde, weil sie für gewisse Parteien ein gewichtiges Kampfmittel bei der Reichspräsidentenwahl bildete, weil auf alle mögliche Weise durch die Presse und andere Angriffe versucht worden ist, aus diesem Falle politisches Kapital zu schlagen, und wenn die Arbeit des Ausschusses hier mitunter gelobt worden ist, so muß ich doch die Einschränkung machen, daß zuweilen auch dieser Ausschuß den Versuchungen der politischen Sensation erlegen ist.529

Hierbei ging es nicht darum, allgemein zu kritisieren, dass der Ausschuss öffentlich tagte. Vielmehr zielte die Kritik auf die Nutzung der Öffentlichkeit durch die verschiedenen Parteien ab. Es gehe diesen Parteien nicht um die Aufklärung und das objektive Informieren der Bevölkerung, sondern vielmehr darum, die öffentlichen Verhandlungen als eine Plattform für den politischen Kampf zu nutzen. Das Paradoxe am Narrativ der parteipolitischen Ausnutzung der Ausschüsse war, dass die gleichen Personen, die diese Meinung äußerten, zu einem anderen Zeitpunkt die Unparteilichkeit der Arbeit in den Ausschüssen betonten. So erklärte Kuttner zum Beispiel, dass die Abgeordneten der Deutschnationalen »ganz objektiv« mitberaten hätten.530 Hierbei wurde unterstrichen, dass die parteipolitischen Auseinandersetzungen erst wieder im Parlament stattgefunden und der Untersuchungsausschuss selbst weitestgehend objektiv gearbeitet habe. Aufgrund des Fehlens der Protokolle der nicht öffentlichen Sitzungen lässt sich nur schwer nachvollziehen, inwiefern die Ausschussöffentlichkeit vielleicht tatsächlich die Zusammenarbeit eher gehemmt hat und inwiefern die Ausschussmitglieder unbeobachtet vielleicht besser zusammengearbeitet haben. Den Vorwurf, die Untersuchungsausschüsse würden nur für den politischen Kampf genutzt, griff auch der Vorwärts auf. Er erklärte, dass insbesondere der Ausschuss des Preußischen Landtags »ein Ausschuß zur Ermittlung von vermeintlichen Sünden der Sozialdemokratie geworden ist«531 und dass der ei528 Redebeitrag Erich Kuttner, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 5, 11. 11. 1925, S. 62. 529 Redebeitrag Erich Kuttner, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56559 M, Bl. 44. 530 Redebeitrag Erich Kuttner, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 3, 20. 10. 1925, S. 4806. Siehe auch: Redebeitrag Erich Kuttner, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56559 M, Bl. 47. 531 Vorwärts: Die Spur der Skandale. Wie die Fabrikation arbeitet, 93 (24. 02. 1925).

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gentliche Skandal um die Staatsbank keine Rolle mehr gespielt habe.532 Dabei betonte er die wichtige Rolle der Reichspräsidentenwahl. So richtete sich der Vorwurf der Ausnutzung der Untersuchungsausschüsse vor allem gegen das »Skandalbedürfnis der deutschnationalen Presse, die während des Wahlkampfes um den Reichspräsidenten Skandalosa [sic!] gebraucht, damit das Volk nicht merkt, was die Herrschaften in Wirklichkeit wollten«.533 Der Vorwärts sah die parteipolitische Nutzung der Untersuchungsausschüsse sogar als einen bewussten Angriff auf die Weimarer Verfassung, um diese »durch Mißbräuche zu diskreditieren«.534 Ähnlich argumentierten andere Parteien. So kritisierte der Zentrumsabgeordnete Fritz Wester die Vorwürfe der Deutschnationalen gegenüber den Untersuchungsausschüssen und klagte an, sie seien diejenigen, die die Einsetzung der Untersuchungsausschüsse als ein parteipolitisches Instrument nutzten.535 Der DDP-Abgeordnete Oswald Riedel beschwerte sich im Preußischen Landtag zum Beispiel darüber, dass die Untersuchungsausschüsse »zum Tummelplatz politischer Leidenschaften« würden und die Parteien versuchten, ihre Interessen auch außerhalb des Beweisthemas durchzusetzen.536 Der Zentrumsabgeordnete Friedrich Grass prangerte an, dass durch das parteipolitische Interesse innerhalb der Untersuchungsausschüsse nie eine »Besserung der Verhältnisse« erreicht werden könne.537 Die Mitglieder der Deutschnationalen kritisierten ebenfalls diese politische Ausnutzung der Untersuchungsausschüsse, obgleich sie sich selbst dieser Vorwürfe erwehrten.538 Vielmehr kritisierten sie die SPD und warfen dieser vor, parteipolitisch zu handeln. Sie waren der Meinung, dass es sich um mögliche »Ablenkungsmanöver« handele.539 Dabei wurde laut Julius Koch der Untersuchungsausschuss von der SPD nicht genutzt, um den Barmat-Skandal aufzudecken, sondern um mögliche Skandale anderer Parteien aufzuzeigen. Der Vorsitzende und DVP-Abgeordnete Leidig kritisierte zudem nicht allein die möglichen politischen Auseinandersetzungen im Ausschuss, sondern vor allem die 532 Vorwärts: Auf der Suche nach »Korruption«. Deutschnational-kommunistisches Zusammenspiel im Untersuchungsausschuß, 50 (30. 01. 1925). 533 Vorwärts: Barmats Staatsbankkredite. Finanzminister v. Richter als Zeuge, 116 (10. 03. 1925). 534 Vorwärts: Der Barmat-Ausschuß in Moabit. 535 Redebeitrag Fritz Wester, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 3, 20. 10. 1925, S. 4846. 536 Redebeitrag Oswald Riedel, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56558 M, Bl. 281. 537 Redebeitrag Friedrich Grass, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 3, 65. Sitzung, 22. 09. 1925, S. 3297. 538 Redebeitrag Friedrich Deerberg, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56559 M, Bl. 25. 539 Redebeitrag Julius Koch, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 3, 22. 09. 1925, S. 3289.

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Auswirkungen auf die Abstimmung des Ergebnisses. Für jeden einzelnen Beschluss musste abgestimmt werden und somit entschied die Mehrheit über das Ergebnis. Da die Untersuchungsausschüsse entsprechend den Verhältnissen in den Parlamenten zusammengesetzt waren, stellte diese Beschlussfassung einen starken Kritikpunkt dar, da auch hier meist im parteipolitischen Interesse abgestimmt wurde. Leidig erklärte, dass »die Untersuchungsausschüsse bei der Feststellung von Tatsachen wenig Vertrauen finden«,540 wenn sie weiterhin nur mit dieser Abstimmungsmethode arbeiteten. Er forderte die erneute Prüfung des Sachverhalts. Werden nun die Debatten in den Untersuchungsausschüssen und die Debatten über diese in den Parlamenten näher betrachtet, so lassen sich einige eindeutig parteipolitisch geprägte Auseinandersetzungen und Vorwürfe erkennen. Hierbei ging es meistens um Zeugenbefragungen, die entweder vermeintlich zu oberflächlich oder zu intensiv und damit am Thema vorbeigeführt worden waren. Dabei kam es insbesondere zu politischen Konflikten zwischen der KPD und dem Rest des Ausschusses. Ein Beispiel hierfür ist die Debatte zwischen dem Vorsitzenden des Landtagsausschusses und dem KPD-Abgeordneten Hans Kollwitz, der die Ausweitung des Untersuchungsgegenstandes forderte. Nachdem Kollwitz schließlich den Ausschuss als eine »Komödie«541 bezeichnet hatte, wurde er gebeten, den Raum zu verlassen. Als er dieser Aufforderung nicht nachkam, wurde er mit Hilfe der Polizei aus dem Raum gebracht. Die zwei weiteren Abgeordneten der KPD verließen daraufhin freiwillig den Raum. Dieser Vorfall wurde direkt von der Roten Fahne aufgenommen und parteipolitisch ausgeschlachtet. Sie betonte die guten Absichten der KPD-Fraktion und kritisierte die vermeintliche Polizeigewalt und die damit einhergehende Vertuschung im Barmat-Skandal. Es seien »vier Schupoleute in vollständiger Bürgerkriegsausrüstung erschienen«, damit der Ausschuss unter Ausschluss der KPD und unter »dem Schutz der Polizei weiter […] die Barmatschiebung ›aufzudecken‹ oder besser gesagt, zu vertuschen«.542 Auch hier wurde die Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse genutzt, um die eigene politische Meinung zu repräsentieren. Diese öffentliche Sitzung wurde von der Parteipresse aufgenommen und als eine Art Märtyrer-Handlung der KPD einerseits und als Polizeigewalt durch die übrigen Parteien andererseits dargestellt. Ein weiteres Beispiel ist die Diskussion um die Broschüre »Barmat-Sumpf«, die von dem DNVP-Abgeordneten Kaufhold verfasst wurde.543 Diese politische 540 Redebeitrag Eugen Leidig, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 3, 63. Sitzung, 04. 07. 1925, S. 3228. 541 Redebeitrag Hans Kollwitz, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56558 M, Bl. 260. 542 Ibid. 543 Kaufhold, Joseph: Der Barmat-Sumpf von Dr. Kaufhold Mitglied des Barmat-Untersuchungsausschusses des preußischen Landtags, Berlin, 1925.

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Broschüre zu Zeiten des Wahlkampfes um den Posten des Reichspräsidenten griff die Barmat-Affäre auf und kritisierte in einem sehr emotionalen Ton die involvierten Personen und Institutionen. Das Verwerfliche an dieser Broschüre war für den Untersuchungsausschuss die Tatsache, dass Kaufhold sie als »Mitglied des Barmat-Untersuchungsausschusses des Preußischen Landtags« unterschrieben hatte. Damit verlieh er, den Ausschussmitgliedern zufolge, der Broschüre eine offizielle Unterstützung durch den Ausschuss, den diese jedoch gar nicht hatte. Der Ausschuss distanzierte sich daraufhin offiziell von der Broschüre.544 Vorher kam es jedoch zu einer längeren Debatte im Ausschuss. Dabei kritisierten insbesondere SPD und Zentrum die Broschüre, die – Kuttner zufolge – »die Ehre und die Objektivität des Ausschusses in Mitleidenschaft gezogen [habe]«.545 Der SPD-Abgeordnete Heinrich Waenting erklärte, dass eine solche Broschüre, die, bevor das »Verfahren« beendet sei, schon den »Inhalt dieses Verfahrens öffentlich ausspreche […]«, eine Schwächung der sowieso schon stark kritisierten Untersuchungsausschüsse bedeute.546 Auf eine ähnliche Weise kritisierte Kuttner die Broschüre, indem er betonte: Denn wenn die Öffentlichkeit sieht, daß jedes Mitglied dieses Ausschusses das schreibt, was ihm gerade paßt, ohne auf die Feststellungen, die im Ausschuß getroffen worden sind, Rücksicht zu nehmen, dann wird sich eben die Öffentlichkeit sagen: ›Dieser Ausschuß und seine schließlichen Feststellungen sind keinen Pfifferling wert. […]‹ Kann ein Ausschuß mehr diskreditiert sein, als wenn bereits vor der Urteilsfällung bekannt wird, daß Mitglieder in ihm sind, die aus agitatorischen Gründen Feststellungen wider besseren Willen treffen?!547

In dieser Anmerkung wurde die Broschüre nicht nur dafür kritisiert, entschieden zur Unglaubwürdigkeit des Untersuchungsausschusses beizutragen, sondern auch für die »agitatorischen Gründe«, die zu ihrer Veröffentlichung geführt hätten. Bereits der Begriff »Barmat-Ausschuß« stieß einigen Mitgliedern sauer auf, da es sich nicht allein um die Untersuchungen zum Fall Barmat handelte. Durch die Verwendung dieses Begriffs wurde der Ausschuss nur auf diesen Fall reduziert. Dies sei bereits eine bewusste parteipolitische Nutzung gewesen.548 Der SPD-Politiker Otto Meier kritisiert zudem, diese Abhandlung sei aus rein politisch-propagandistischen Gründen geschrieben worden, um den Ruf der SPD und anderer republikanischer Parteien vor der Reichspräsidentenwahl zu schädigen.549 In der Debatte um die Broschüre spielte die Öffentlichkeit eine beson544 545 546 547 548 549

GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56558 M, Bl. 46f. Redebeitrag Erich Kuttner, in: Ibid., Bl. 42. Redebeitrag Heinrich Waentig, in: Ibid. Redebeitrag Erich Kuttner, in: Ibid., Bl. 44. Redebeitrag Otto Meier, in: Ibid. Ibid.

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dere Rolle. So wurden die Untersuchungsausschüsse einerseits als Plattform genutzt, um eine Richtigstellung zu erreichen. Andererseits diente die Tatsache, Mitglied des Untersuchungsausschusses zu sein und somit besonders viele Informationen zu dem Fall zu haben, vor der Öffentlichkeit als Indiz für Glaubwürdigkeit. Erneut zeigen sich hier die Grenzen von Transparenz. Die Transparenz der Ausschüsse wurde ausgenutzt, um parteipolitische Konflikte auszutragen, und dadurch wurden die Ermittlungen erschwert. Während diese Konflikte eventuell zu mehr Klarsicht in Hinblick auf das politische Vorgehen der Beteiligten führten, wurde der Erkenntnisgewinn in Bezug auf den Fall Barmat erschwert. Es muss jedoch auch erwähnt werden, dass es nicht nur und immer zu parteipolitischen Konflikten im Untersuchungsausschuss kam. Viele Sitzungen waren auch weitestgehend von guter Zusammenarbeit geprägt. Vor allem die Zusammenarbeit zwischen den republikanischen Parteien und der DNVP ist dabei ambivalent. Obgleich sie die Öffentlichkeit der Ausschüsse nutzte, um parteipolitische Konflikte auszutragen, lässt sich – anders als z. B. bei der KPD – regelmäßig der Wille zur Zusammenarbeit erkennen.550 Dies unterstützt die These Mergels. Dieser geht davon aus, dass die DNVP dem politischen System der Weimarer Republik nicht von Beginn an vollkommen feindlich gegenüberstand, sondern dass sie vor allem in den frühen 1920er Jahren noch versuchte, sich in das politische System zu integrieren und ihre politischen Interessen im Rahmen dieses Systems durchzusetzen. Erst in den späten 1920er Jahren mit Alfred Hugenberg radikalisierte sich die Partei und wandte sich verstärkt gegen das politische System.551 Aufschlussreich wäre hier noch eine Betrachtung vor dem Hintergrund der Unterscheidung zwischen öffentlichen und nicht öffentlichen Sitzungen: Neigte die DNVP (aber auch die anderen Parteien) in nicht öffentlichen Sitzungen eher zu Kooperation als in öffentlichen Sitzungen? Aufgrund der fehlenden Protokolle lässt sich dies allerdings in dieser Studie nicht untersuchen.

3.2.9 Zwischenfazit Die Analyse hat gezeigt, dass die Frage der Transparenz durch Untersuchungsausschüsse eine entscheidende Rolle in der politischen Debatte dieser Zeit spielte. So diente sie insbesondere republikanischen Parteien wie der SPD und 550 Sicherlich muss hier noch genauer zwischen den einzelnen Mitgliedern unterschieden werden, da insbesondere Joseph Kaufhold, u. a. auch durch sein Werk »Der Barmat-Sumpf«, sich eher durch Konfrontation als durch Kooperation auszeichnete. 551 Mergel 2003: Das Scheitern des deutschen Tory-Konservatismus, S. 323ff.

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dem Zentrum dazu, den Nutzen der Untersuchungsausschüsse positiv hervorzuheben. Durch die Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse sei ein neues Mittel entstanden, um Korruptionsfälle zu untersuchen. Dies sei ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu dem monarchischen System des Kaiserreichs, in welchem solche Skandale nur vertuscht worden seien. Die Herstellung von Öffentlichkeit und damit auch die Kontrolle durch diese führte den republikanischen Parteien zufolge dazu, dass die Untersuchungsausschüsse Aufklärung brachten und einen direkten Zugang zu bzw. eine Zugänglichmachung von Informationen garantierten. Doch war die Kritik an den Ausschüssen und ihrer Transparenz noch viel größer als das Lob. So kritisierten insbesondere die KPD und die rechten Parteien, dass durch die Untersuchungsausschüsse viel mehr vertuscht als aufgedeckt werde. Und dabei helfe auch nicht die Öffentlichkeit der Sitzungen, obgleich diese vor allem von der KPD weiterhin als notwendig angesehen wurde. Vielmehr werde die Bevölkerung durch Ablenkungen und Vertuschungen in den öffentlichen Verhandlungen getäuscht. Schlimmer noch schien die Sorge, dass die Öffentlichkeit der Untersuchungen die Aufklärung sogar gefährde. Grund zu dieser Sorge war die Gleichzeitigkeit der beiden Untersuchungsausschüsse, aber insbesondere auch der Ausschüsse und der staatsanwaltschaftlichen Ermittlung. Hierdurch könnten sich Befragte anhand der öffentlichen Ausschusssitzungen auf ihre Aussage vor Gericht vorbereiten und wichtige Informationen vertuschen. Eine weitere Sorge war, dass unschuldige Personen und Institutionen durch die öffentlichen Sitzungen verleumdet werden oder mit ihren Arbeitgeberinnen und -gebern in Konflikt geraten könnten. Gleichzeitig wurde der Ausschluss der Öffentlichkeit häufig als ein Vertuschungsversuch gewertet und führte schnell zu Gerüchten. Wenngleich alle Parteien Transparenz durch Ausschüsse forderten, bedeutete Transparenz nicht für alle das Gleiche. Die KPD verstand darunter einen direkten und uneingeschränkten Zugang zu Informationen und die Hoffnung darauf, alle Sitzungen vollständig öffentlich zu halten. Dies sei durch die Ausschüsse eines bürgerlich-kapitalistischen System wie das der Weimarer Republik aber gar nicht möglich und sie forderten daher einen proletarischen Untersuchungsausschuss. Die anderen Parteien, wie SPD, Zentrum und DDP, verstanden darunter weitestgehend den Zugang zu Informationen durch öffentliche Sitzungen, aber vor allem auch die Zugänglichmachung von Informationen durch die Vermittlung der Presse. Transparenz konnte und sollte teilweise sogar eingeschränkt werden, um Verhandlungen zu ermöglichen oder Personen bzw. Gruppen zu schützen. Obgleich auch die rechten Parteien diese Ansicht von Transparenz teilten, fürchteten sie durch die Schaffung von Transparenz gleichzeitig eine mögliche Vertuschung von Tatsachen. Transparenz war für sie daher nicht der unmittel-

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bare Zugang zu Informationen, sondern vielmehr die Verbreitung von relevanten Informationen im Nachhinein. Daher vertrauten sie mehr auf die Arbeit der Gerichte. In den Gerichtsverhandlungen komme es zu intransparenten Vorermittlungen und letztlich würden vor allem die Ergebnisse transparent gemacht. Dadurch werde die Arbeit nicht durch öffentliche Untersuchungen und die damit verbundenen parteipolitischen Interessen gestört, die zudem mit der Gefahr von Vertuschung einhergingen. Vielmehr könne allein durch dieses intransparente Vorgehen letztendlich Transparenz geschaffen werden. Untersuchungsausschüsse und die Frage der Öffentlichkeit spielten einerseits als Argument in den politischen Debatten eine wichtige Rolle. Andererseits waren sie aber auch ein Instrument zur Durchsetzung parteipolitischer Interessen. Sie dienten als eine Art Bühne für Auseinandersetzungen zwischen den Parteien. Durch die Untersuchungsausschüsse konnten sie – konzentriert auf einen Skandal – ihre Konflikte vor der Öffentlichkeit austragen. Das Ziel war dabei, andere Parteien zu diskreditieren und die eigene Partei lobend hervorzuheben, um in Zukunft eine erweiterte Wählerschaft zu gewinnen. Gleichzeitig machten die Ausschüsse als öffentliche Plattform aber auch die politischen Motivationen, Einstellungen und Taktiken der verschiedenen Parteien vor der Öffentlichkeit transparent. Die Debatte über Untersuchungsausschüsse und ihre Transparenz wurde in die Diskussion um die Republik eingegliedert und bildete ein wichtiges Element dieser übergreifenden Diskussion um die Frage der Staatsform.

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Der Barmat-Skandal aus dem Jahr 1925 erschütterte die Republik und verschärfte die Kritik am politischen System sowie seinen Vertreterinnen und Vertretern. Es sollte allerdings nicht bei diesem Korruptionsskandal bleiben. Es folgten noch viele weitere Korruptionsskandale. Einer der wohl bekanntesten, der ein ähnliches Ausmaß wie der Barmat-Skandal annahm, war der sogenannte Sklarek-Skandal aus dem Jahr 1929. Dieser »rag[te]« – gemeinsam mit dem Barmat-Skandal – »durch das Ausmaß [seiner] publizistischen Vermarktung und dem damit verbundenen Grad öffentlicher Empörung aus der ›chronique scandaleuse‹ der Weimarer Republik heraus[…]«.552 Engels beschreibt diesen Skandal sogar als denjenigen, der »endgültig das Vertrauen in die Moral der politischen Elite erschütter[te]«.553 Steffani erklärt zum Untersuchungsausschuss dieses Skandals, dass es neben den Ausschüssen im Barmat-Fall »nur noch der 552 Malinowski 1996: Politische Skandale als Zerrspiegel der Demokratie, S. 47. 553 Engels 2014: Die Geschichte der Korruption, S. 304.

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Untersuchungsausschuß ›Berliner Stadtverwaltung (Sklarek)‹ (1929/31) vermocht [hat], eine gleichintensive und langwährende Propagandawirksamkeit zu entfalten.«554 Das folgende Kapitel arbeitet in einer ähnlichen Herangehensweise wie im vorherigen Kapitel die jeweiligen Argumente zum Thema Transparenz der Ausschüsse heraus. Zudem werden insbesondere Ähnlichkeiten, Unterschiede und gegenläufige oder auch die Richtung verstärkende Tendenzen im Vergleich zum Barmat-Fall analysiert.

3.3.1 Kontext und Vorstellung des Falles Der Vorwurf 1929 lautete, dass die Sklarek-Brüder, Leo, Max und Willy, gegen Bestechung quasi ein Textilmonopol für Berlin erreicht hätten.555 So hätten sie ungedeckte Kredite der Stadtbank erhalten und durch Vertreter aus der Politik ein Monopol zur Belieferung städtischer Einrichtungen mit Textilien erlangt. Im Gegenzug hätten einige dieser Politiker, wie zum Beispiel der Oberbürgermeister von Berlin, unter anderem vergünstigte Textilien bekommen. Bei diesem Skandal ging es ebenfalls um den Vorwurf, dass sogenannte »Ostjuden« die Politik korrumpierten, denn auch die Sklarek-Brüder waren aus Russland stammende Personen jüdischen Glaubens. Besonders prekär war auch, dass nahezu alle Parteien und wichtige Vertreter des öffentlichen Lebens der Weimarer Republik in diesen Skandal verwickelt zu sein schienen. Die Sklarek-Brüder waren vor 1929 zunächst die Hauptlieferanten der KleiderVertriebs-Gesellschaft (KVG), die alle städtischen Einrichtungen mit Textilien versorgte. Als die KVG jedoch in finanzielle Schwierigkeiten geriet, musste sie Kredite aufnehmen, um die Waren der Sklareks weiterhin bezahlen zu können. Die Zinsen wurden hierbei nicht als Unkosten verrichtet und die KVG erlitt große Verluste. Die Firma Sklarek schloss daraufhin einen Vertrag zur Übernahme der KVG ab, was de facto das städtische Monopol zur Textilbelieferung durch die Firma Sklarek bedeutete. Für diese Übernahme benötigten die Sklarek-Brüder allerdings einen positiven Nachweis einer Bank. Sie erhielten diesen von der Stadtbank, nachdem sie dort nur kurz zuvor Kunden geworden waren. Es handelte sich um eine Art Anwerbung durch die Stadtbank: ein positiver Nachweis und ein Kredit im Austausch gegen die Kundschaft bei dieser Bank. Obgleich die 554 Steffani 1960: Die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtags, S. 316. 555 Um den Fall in seiner Komplexität zu verstehen, siehe auch: Klein 2014: Korruption und Korruptionsskandale, S. 296ff; Harsch, Donna: Der Sklarek-Skandal 1929 und die sozialdemokratische Reaktion. In: Ludger Heid und Arnold Paucker (Hg.): Juden und deutsche Arbeiterbewegung bis 1933. Soziale Utopien und religiöse-kulturelle Traditionen. Tübingen, 1992, S. 193–214.

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gekaufte KVG weniger wert war als zunächst vermutet, machten die Sklareks das Geschäft, um sich das Monopol zu sichern. Nach der Übernahme der KVG mussten sich die städtischen Einrichtungen nun von den Sklareks beliefern lassen.556 1929 wurde der Vertrag zur Belieferung städtischer Einrichtungen erneut verlängert und die Firma der Sklarek-Brüder bekam zudem neue, besonders günstige Geschäftsräume zur Verfügung gestellt, da die anderen abgerissen werden sollten. Bereits zu diesem Zeitpunkt sollen einige Politiker, wie Stadtrat Otto Gäbel (KPD) oder der Bürgermeister von Köpenick Robert Kohl (SPD), Zuwendung in Form von Geld oder Textilien durch die Sklareks erhalten haben. Auffällig war neben der Bestechung wichtiger städtischer Politiker, dass die Sklareks immer weitere Kredite erhielten, obwohl sie eigentlich nicht genügend Sicherheiten hatten. Diese Kreditgeschäfte wurden stetig unübersichtlicher. Interessant war zudem, dass die Bankdirektoren sowie der Abteilungsleiter diese Kredite nur mit geringer Beteiligung des Kreditausschusses, der eigentlich solche Anfragen prüfen und ihnen zustimmen musste, genehmigten. Als im September 1929 die Sklarek-Kredite noch einmal überprüft wurden, stellte sich heraus, dass es zu Unterschriften durch nicht unterschriftsberechtigte Personen gekommen war. Der Rechnungsdirektor der Bank »insistierte« daraufhin auf der genauen Überprüfung der Kredite unter »Vorlegung der Originalrechnung der Bezirksämter, die weder von den Sklareks noch von Abteilungsleiter Schröder von der Stadtbank beigebracht werden können«.557 Am 26. September 1929 wurden die Sklarek-Brüder und andere Personen, die vermeintlich in den Fall verwickelt waren, verhaftet. Der Fall wurde über Nacht zu einem Skandal, an dem nahezu alle Parteien – wie DDP, DVP, SPD und KPD – beteiligt zu sein schienen. Der Zeitpunkt der Skandalisierung dieses Falls lässt einen reinen Zufall eher ausschließen. Zu diesem Zeitpunkt fanden in Berlin Wahlkämpfe auf kommunaler Ebene statt. Die Historikerin Donna Harsch bezeichnet den Sklarek-Skandal sogar als »Hauptthema des kommunalen Wahlkampfes«,558 von welchem insbesondere die NSDAP und die KPD profitierten. Durch diese Skandalisierung und Nutzung des Falles lässt sich das große öffentliche Interesse und die intensive öffentliche Berichterstattung erklären.559 In diesem Zusammenhang erhielt der Untersuchungsausschuss eine besonders große Aufmerksamkeit.560 Bereits vor dem Untersuchungsausschuss kam es zu verschiedenen Ermittlungen in diesem Fall. Dabei ging es nicht nur um eine staatsanwaltschaftliche Untersuchung, sondern auch um die Prüfung des Falles seitens des Magistrats der Stadt Berlin. Im Oktober 1929 stellte daraufhin die DNVP in Zusammenar556 557 558 559 560

Ludwig 1998: Korruption im Nationalsozialismus, S. 137ff. Klein 2014: Korruptionsskandale, S. 307. Harsch 1992: Der Sklarek-Skandal, S. 198. Ludwig 1998: Korruption im Nationalsozialismus, S. 157ff. Heimann 2011: Der preußische Landtag, S. 337.

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beit mit der Wirtschaftspartei einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Preußischen Landtag. Über diesen Antrag musste nicht weiter abgestimmt werden, da er bereits von dem durch die Verfassungen verlangten Fünftel des Landtags gefordert wurde. Der 21. Untersuchungsausschuss konstituierte sich am 23. Oktober 1929 mit 29 Mitgliedern561 und tagte beinahe zwei Jahre. Am 24. Juni 1931 legte der Ausschuss nach 56 Sitzungen seinen Abschlussbericht vor.562 Bemerkenswert ist, dass trotz der großen Aufmerksamkeit, die er erhalten hatte, sein Bericht im Landtag nie besprochen wurde. Der Ausschuss kam in seinem Bericht zu dem Schluss, dass in der KVG »allergröbste Mißstände bestanden«563 und auch die Stadtbank »in der Kreditkontrolle im Sinne eines geordneten Bankbetriebes völlig versagt« habe.564 Aber auch in anderen Bereichen habe Chaos geherrscht. Zudem bestätigten die Untersuchungen die durch die Sklareks begangenen Bestechungen.565 Direkte Konsequenzen wurden hieraus allerdings nicht gezogen. In diesem Ausschuss befanden sich einige Mitglieder, die bereits im preußischen Ausschuss zum Fall Barmat saßen: Carl Ladendorff (Wirtschaftspartei), Wilhelm Kasper (KPD), Friedrich Deerberg (DNVP) und Karl Riedel (DDP). Ernst Heilmann (SPD), der 1925 als einer der wichtigsten Zeugen galt, war nun Mitglied in diesem Ausschuss.566 Bei seinen Ermittlungen sollte der Ausschuss sich auf drei Untersuchungsfelder konzentrieren: erstens die Beziehungen der Sklareks, der KVG und der Berliner Anschaffungsgesellschaft (BAG); zweitens die Guts- und Grundstücksankäufe der Stadt Berlin und der Berliner Verkehrsgesellschaft und drittens die Korruptionsbeschuldigungen gegen den Berliner Oberbürgermeister Gustav Böß.567 Obgleich es sich um einen eher regionalen Skandal handelte, schaffte er es, ein überregionales Aufsehen zu erlangen und immer wieder mit dem Barmat-Skandal verglichen zu werden. In den Debatten fanden sich ähnliche Argumente wie bereits 1925 wieder. Es gab aber auch Unterschiede und Veränderungen, wie die folgenden Kapitel zeigen werden.

561 Redebeitrag Wolfgang Bartels, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags: Sitzungsberichte des Preußischen Landtags, 3. Wahlperiode, 1. Tagung: 1928/31, Bd. 6. Berlin, 1931, 17. 10. 1929, S. 8501. 562 Bericht des 21. Ausschusses, in: Preußischer Landtag, 3. Wahlperiode, 1. Tagung 1928/31, Nr. 7470 A, B und C, S. 1–2. 563 Ibid., S. 1. 564 Ibid., S. 2. 565 Ibid. 566 In diesem Ausschuss war ebenfalls eine Frau – Helene Schmitz von der SPD – Mitglied. Doch macht sie keine Aussagen zu dem Thema dieser Arbeit. 567 Steffani 1960: Die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtags, S. 226.

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3.3.2 Der Untersuchungsausschuss als Bekämpfer von Korruption »Mit voller Bestimmtheit und Klarheit muß festgestellt werden, was gerade bei dem Fall Sklarek von Bedeutung ist.«568 Mit diesem Satz beschrieb Albert Grzesinski, der Minister des Inneren des Landes Preußen, die Intention des Untersuchungsausschusses. In einer weiteren Aussage präzisierte er zudem, »daß der Fall Sklarek nach allen Richtungen hin ganz klargestellt und Mängel, die sich ergeben, gerade auch im Interesse der Selbstverwaltung abgestellt, sowie die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden« müssten.569 Der Zweck der Untersuchungsausschüsse sei also, Tatsachen aufzudecken und Konsequenzen daraus zu ziehen, sei es durch Reformen oder durch Bestrafung. Ähnlich äußerte sich der Abgeordnete der Wirtschaftspartei Ladendorff. Er erklärte, es müsse »eine Säuberung des öffentlichen Lebens« stattfinden, damit »die Republik nicht den letzten Rest an Ansehen verliere[…]«.570 Obgleich die KPD während der Arbeit der Untersuchungsausschüsse zum Fall Barmat diese immer wieder kritisiert hatte, gestand Karl Schulz »den berüchtigten Untersuchungen des Barmatausschusses«571 im Nachhinein und in der Diskussion um den neuen Ausschuss doch eine gewisse Bedeutung zu. Sie seien »allgemein bekannt und [hätten] ein überaus trauriges Bild der Verhältnisse in der Staatsbank entrollt«.572 Auffällig ist, dass das Argument der Transparenz durch Untersuchungsausschüsse im Fall Sklarek eine viel geringere Rolle spielte als im Fall Barmat. 1929 wurde es vor allem zu Beginn angeführt, um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu begründen. Im späteren Verlauf wurde dieses Argument nahezu überhaupt nicht mehr angeführt. Innerhalb der Sitzungen des Ausschusses tauchte es eher auf, um sich gegen mögliche Verdunklungsvorwürfe zur Wehr zu setzen. So erklärte der deutschnationale Abgeordnete Wolfgang von Kries in Bezug auf die Rundfunkübertragung, dass auch beim Ausschluss der Öffentlichkeit »von einer Verdunkelung überhaupt nicht die Rede« sein könne, da »jede Partei […] hier ihre Berichterstatter [hatte] und […] berichten [konnte], was sie [wollte]«.573 Ähnlich äußerte sich auch der deutschnationale Abgeordnete 568 Redebeitrag Albert Grzesinski, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 6, 101. Sitzung, 16. 10. 1929, S. 8468. 569 Redebeitrag Albert Grzesinski, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 6, 101. Sitzung, 16. 10. 1929, S. 8469. 570 Redebeitrag Carl Ladendorff, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 6, 102. Sitzung, 17. 10. 1929, S. 8561. 571 Redebeitrag Karl Schulz, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 8, 126. Sitzung, 05. 02. 1930, S. 10772. 572 Ibid. 573 Redebeitrag Wolfgang von Kries, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags: Niederschriften über die 1. Bis 27. Sitzung des (21.) Untersuchungsausschusses [Sklarek-Ausschuss], Bd. 1. Berlin 1931, S. 1776.

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Karl Koch. Er betonte, dass die Deutschnationalen nicht versuchten, irgendetwas zu vertuschen. Sie seien es schließlich gewesen, die den Einsetzungsantrag gestellt hätten. »Auch [ihnen] liegt daran, daß in breitester Öffentlichkeit alles, was hier im Untersuchungsausschuß zutage gefördert wird, bekannt wird.«574 Die Forderung nach Einsetzung eines Untersuchungsausschusses galt hierbei noch immer als ein Indiz dafür, dass eine Partei »Klarheit« schaffen wollte. Dementsprechend wurde dem Ausschuss weiterhin die Kompetenz zugeschrieben, Tatsachen aufzudecken und Informationen beschaffen zu können. Das Argument, dass Untersuchungsausschüsse Transparenz schafften, schien auch auf der Metaebene in diesem Fall keine wichtige Rolle zu spielen. Anders als bei den Untersuchungsausschüssen zum Barmat-Fall wurde hier keine Abgrenzung zum Kaiserreich gezogen. Das Argument, dass durch die Transparenz der Untersuchungsausschüsse Korruptionsfälle nicht mehr verdeckt, sondern öffentlich verhandelt und aufgeklärt würden, wurde in der Debatte um die Untersuchungsausschüsse in diesem Zusammenhang nicht mehr verwendet. Allein das Argument, Korruption sei nicht abhängig vom politischen System, sondern auch in anderen Systemformen aufzufinden, wurde noch vereinzelt angeführt.575 Gleichzeitig wurde – insbesondere von rechten Parteien – weiterhin die Meinung vertreten, Korruption sei ein typisches Merkmal der republikanischen Systeme.576 Der Untersuchungsausschuss wurde also vor allem von Vertreterinnen und Vertretern der republikanischen Parteien noch immer als ein Instrument zur Aufklärung und Schaffung von Transparenz wahrgenommen. Die geschaffene Transparenz sollte hier das System »reinigen« und Vertrauen in dieses wiederherstellen. Dabei ging es erneut vor allem um Transparenz gegenüber der Bevölkerung. Wenngleich der Eindruck entstehen könnte, dass die Ausschüsse sich 1929 bereits genug etabliert hatten und keine Verteidigung des Instrumentes mehr notwendig war, zeigen die folgenden Ausführungen, dass dies nicht der Fall war. Die heftige Kritik an den Untersuchungsausschüssen nahm 1929 nicht ab. Zwar verringerten sich auch die negativen Argumente gegen Untersuchungsausschüsse allgemein, doch mehrte sich die Kritik am konkreten Ausschuss.

574 Redebeitrag Karl Koch, in: Ibid., S. 1777f. 575 Siehe u. a.: Redebeitrag Artur Meistermann, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 6, 17. 10. 1929, S. 8551. 576 Redebeitrag Karl Kaufmann, in: Ibid., S. 8533f.

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3.3.3 Vertuschung durch Untersuchungsausschüsse Eine viel größere Rolle spielte in den Debatten weiterhin das Gegenargument, dass Untersuchungsausschüsse keine Transparenz schafften, sondern durch ihre Ermittlungen vielmehr zur Vertuschung von Tatsachen beitrügen. Auffällig ist hierbei allerdings, dass diese Debatte vor allem innerhalb des Ausschusses und in den Presseartikeln geführt wurde und sich fast gar nicht in den allgemeinen Parlamentsdebatten finden lässt. So wurde direkt zu Beginn der Verhandlungen über die Wahl des Vorsitzenden und die Frage der Öffentlichkeit allgemein diskutiert. Der SPD-Abgeordnete Konrad Haenisch kritisierte, »daß ein Mitglied des Kreditausschusses der Stadtbank zum Vorsitzenden dieses Ausschusses gewählt worden ist, und daß über Beweisanträge in öffentlichen Sitzungen verhandelt und abgestimmt wird«.577 Die Kritik wurde im Zusammenhang mit der Sorge geäußert, der Vorsitz durch eines der Mitglieder des Kreditausschusses der Bank könne möglicherweise zu Vertuschungen führen, da dieser (in-)direkt in den Fall verwickelt war. Diese Sorge wurde vom Vorsitzenden zurückgewiesen, indem er betonte, er habe schon gezeigt, dass er nichts mit dem Fall Sklarek zu tun habe und daher auch neutral ermitteln könne.578 Die Kritik an der Abstimmung über Beweisanträge in einer öffentlichen Sitzung wiederum wurde auch von dem DDP-Abgeordneten Oswald Riedel geteilt und er erklärte dieses Verfahren für »unzulässig«.579 Die Befürchtung dabei war, dass der Gang der Ermittlungen durch die Öffentlichkeit gefährdet werden könnte. Die Idee dahinter war, dass die Abgeordneten freier abstimmten, wenn die Öffentlichkeit sie nicht beobachtete. Diese Vorstellung stellt auch in der aktuellen Transparenzforschung weiterhin ein wichtiges Argument dar, um die Grenzen von Transparenz aufzuzeigen.580 In diesem Fall war die Gefahr also, dass es durch die öffentlichen Sitzungen möglicherweise nicht zu authentischen Abstimmungen und somit später auch zu Vertuschungen kommen könnte. Der KPD-Abgeordnete Schulz protestierte in einer anderen Sitzung dagegen, dass ausgerechnet die Deutschnationalen die Richtlinien für den Untersuchungsausschuss festlegen dürften, und warf den Abgeordneten Heilmann und Hans Koennecke vor, dass diese ein »Bündnis« geschlossen hätten, um die »Einengung der Untersuchung [zu] erzielen« und somit Tatsachen »zu vertuschen«.581

577 578 579 580 581

Redebeitrag Konrad Haenisch, in: Sklarek-Ausschuss, Bd. 1, 29. 10. 1929, S. 46. Redebeitrag Paul Schwenk, in: Ibid., 31. 10. 1929, S. 63. Redebeitrag Oswald Riedel, in: Ibid., 29. 10. 1929, S. 46. Siehe hierzu Kapitel 1.1.4, S. 26. Redebeitrag Karl Schulz, in: Sklarek-Ausschuss, Bd. 1, 06. 02. 1930, S. 1785.

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Der Deutschnationalen-Abgeordnete und Berichterstatter Koennecke wiederum sah vielmehr in der Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse eine Gefährdung der Ermittlungen und somit ein Vertuschungspotenzial.582 Eine ähnliche Sorge ließ sich bei der Vernehmung des Oberregierungsrates HansJoachim Tapolski erkennen, der nur eine beschränkte Aussagegenehmigung bekam. Befürchtet wurde, dass es durch die Informationen, die somit an die Öffentlichkeit gelangen würden, zu Vertuschungen insbesondere während der Gerichtsverhandlungen kommen könnte.583 Diese Kritik wurde auch in den Zeitungen aufgenommen und diskutiert. Hierbei tat sich insbesondere die Rote Fahne hervor. Dabei nutzte sie den Vorwurf der Vertuschung vor allem, um die SPD zu diskreditieren. Sie erklärte schon zur Einsetzung des Ausschusses, dieser sei bewusst so eingesetzt worden, dass keine Aufklärung geschaffen werden könne. Die Mitgliederzahl des Ausschusses sei absichtlich so gewählt worden, dass die »Regierungsparteien die Mehrheit haben«.584 Ähnliche Vorwürfe machte sie den »kompromittierten Korruptionsparteien, von den Deutschnationalen bis zur Sozialdemokratie«585 zu Beginn der Verhandlungen. So warf sie der SPD vor, diese versuche, den Ausschuss für ihre »Entlastungsund Vertuschungsmanöver für ihre korrumpierten Fraktionsgenossen« zu nutzen, und demonstriere aus »Furcht vor weiteren Enthüllungen« gegen den KPDVorsitzenden.586 Zudem versuche die SPD angeblich, die Zeugenbefragungen zu manipulieren, »weil durch diese Zeugen die Korrumpierung ihrer eigenen Mitglieder bewiesen worden wäre«.587 Außerdem warf die Rote Fahne den anderen Parteien vor, die Untersuchungen bis nach den Kommunalwahlen hinauszuzögern, um »die unvermeidliche Bloßstellung dieser Parteien durch die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses der Oeffentlichkeit zumindest bis nach den Kommunalwahlen vorzuenthalten«.588 Die KPD »und mit ihr die gesamte Arbeiterschaft« würden sich allerdings gegen dieses Vorgehen stellen,589 während sie ihre eigene vermeintliche Verstrickung in den Fall nicht thematisierte. In diesem Artikel war der Vorwurf also nicht, dass direkt durch den Untersu582 Redebeitrag Hans Koennecke, in: Ibid., S. 1782. 583 Dieser Aspekt wird zu einem späteren Zeitpunkt genauer betrachtet. Siehe hierzu Kapitel 3.3.7, S. 147ff. 584 Rote Fahne: Sklarek-Untersuchungsausschuß des Landtags gebildet. Unter Vorsitz eines Kommunisten, 208 (18. 10. 1929). 585 Rote Fahne: Neue Vertuschung im Sklarek-Skandal! 217 (29. 10. 1929), 1. Beilage. 586 Rote Fahne: Mißglückte Sprengungsversuche der SPD. Sklarek-Partei fürchtet Untersuchungsausschuß, 218 (30. 10. 1929), 1. Beilage. 587 Ibid. 588 Rote Fahne: Neue Vertuschung im Sklarek-Skandal! 589 Ibid.

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chungsausschuss Tatsachen vertuscht würden. Vielmehr werde seine Arbeit boykottiert, damit Informationen nicht an die Öffentlichkeit gelangten. Die anderen Zeitungen griffen diese Argumentation der Vertuschung nur bedingt auf. So konstatierte die Neue Preußische Kreuz-Zeitung,590 dass die Öffentlichkeit der Verhandlungen gewahrt werden müsse, um den Eindruck einer Vertuschung zu vermeiden.591 Das Argument der Vertuschung wurde hier nicht als Angriff gegen den Untersuchungsausschuss genutzt. Vielmehr wurde der Nutzen der Transparenz der Ausschüsse hervorgehoben und als eine Waffe gegen Vertuschung beschrieben. In einem anderen Artikel kritisierte dieselbe Zeitung allerdings die vermeintliche Vertuschung im Ausschuss. Sie prangerte an, dass einige Zeuginnen und Zeugen bewusst erst nach den Wahlen befragt würden, »um so zu vermeiden, daß Gegnern der Sklarek-Parteien neues Material für ihre Agitation geliefert werden könnte«.592 Der Vorwärts artikulierte den Vertuschungsvorwurf ebenfalls nur selten direkt. Vielmehr nutzte er indirekte Anprangerungen, um eine mögliche Vertuschung anzudeuten. Dabei ging es vornehmlich um die Zusammensetzung des Ausschusses. So kritisierten verschiedene Artikel des Vorwärts immer wieder seinen Vorsitz. Sie klagten an, dass der KPD-Abgeordnete Paul Schwenk nicht den Vorsitz übernehmen könne, da er selbst in den Fall verwickelt sei.593 Der gleiche Artikel sprach sogar davon, es sei eine »Dreistigkeit« von Schwenk gewesen, den Vorsitz angenommen zu haben.594 In einem späteren Artikel unterstrich der Vorwärts zudem die Nutzlosigkeit der Untersuchungsausschüsse. Anders als im Barmat-Fall, in welchem die SPD und ihre Zeitung sich eher hinter seine Arbeit stellten, kritisierten sie ihn hier, mit zeitlichem Abstand, stark: Anschließend beklagten die Volksparteiler die viele schöne Zeit der Abgeordneten, die im Sklarek-Ausschuß verbummelt wird und das viele unnütz ausgegebene Geld. Die Deutschnationalen fühlten sich getroffen und erklärten, sie hätten nicht voraussehen können, daß Lange so klar und so erschöpfend darstellen würde, daß sie nicht mehr viel fragen könnten. Auch hätten sie nicht im voraus gewußt, daß heute wieder einmal kein Kommunist da sein würde. Man muß ihnen das zubilligen. Aber es wäre wirklich an der Zeit, mit dem Unfug dieses Untersuchungsausschusses Schluß zu machen. Die Sache

590 Ab 1929 hieß die Neue Preußische Zeitung (oder auch Kreuzzeitung) offiziell Neue Preußische Kreuz-Zeitung. 591 Neue Preußische Kreuz-Zeitung: Die Mißwirtschaft in der Berliner Stadtverwaltung, 39 (07. 02. 1930). 592 Neue Preußische Kreuz-Zeitung: Der Berliner Korruptions-Sumpf. Die »Beziehungen« der Sklareks, 365 (20. 11. 1929), 1. Beiblatt. 593 Vorwärts: Schwenk, Lange und Konsorten. Alles kommunistische Ehrenmänner, 537 (15. 11. 1929). 594 Ibid.

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Sklarek ist geklärt, soweit ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß überhaupt aufklären kann.595

Bemerkenswert ist, dass der Vorwurf, die Untersuchungsausschüsse würden keine Klarheit bringen, sondern vielmehr Tatsachen vertuschen, von nahezu allen Parteien gemacht wurde. Dabei hatte Transparenz aber erneut unterschiedliche Bedeutungen. Während einige Parteien wie die Deutschnationalen die Gefährdung der Ermittlungen vor allem durch die Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse sahen, forderten andere Parteien wie die KPD eine Erweiterung der Öffentlichkeit, um Vertuschungen zu verhindern. Allgemein lässt sich auch hier die Tendenz feststellen, dass diese Diskussion ebenfalls weniger stark geführt wurde als im Barmat-Skandal. Ein viel größerer Vorwurf war allerdings, dass seine Arbeit durch die parteipolitische Agitation der Parteien gestört und damit eine Aufklärung verhindert bzw. eine Vertuschung gefördert werde.

3.3.4 Der Untersuchungsausschuss als ein parteipolitisches Kampfmittel Wie bereits zu Beginn des Kapitels erwähnt, wurde der Skandal zum Zeitpunkt der Kommunalwahlen in Berlin publik. In diesem Zusammenhang wurde der Ausschuss ähnlich wie im Fall Barmat als eine Plattform genutzt, um einen politischen Wettkampf zwischen den Parteien zu führen. Dieser wurde in diesem Fall verstärkt durch die KPD und die NSDAP geführt, die versuchten, die anderen Parteien – insbesondere die SPD – zu diskreditieren und ihre eigenen politischen Standpunkte öffentlich zu machen. Andere Parteien wiederum betonten die parteipolitische Ausnutzung durch die anderen Parteien. Eine weitere wichtige Akteurin war hierbei die Presse, die diese Debatte auch im Interesse der jeweiligen Partei führte. In den Ausschusssitzungen nutzten Abgeordnete der KPD die Öffentlichkeit des Ausschusses als eine Plattform, um ihre politischen Ideen und Vorstellungen zu teilen. Dabei ging es nicht nur um die Diskreditierung einzelner Parteien. Vielmehr nutzte die KPD ihn erneut, um eine allgemeine Systemkritik auszusprechen und den Kapitalismus zu verurteilen. Korruption sei eine »Theilerscheinung[…] des kapitalistischen Systems« und in einem »kapitalistischen Staat [gibt es] keine Möglichkeit, endgültig und gründlich mit der Korruption aufzuräumen«.596 Nur der Sozialismus könne dies überwinden.597

595 Vorwärts: Immer noch Sklarek-Untersuchung. Wie lange noch? 65 (08. 02. 1930). 596 Redebeitrag Paul Schwenk, in: Sklarek-Ausschuss, Bd. 2, 23. 06. 1931, S. 374. 597 Ibid.

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Die NSDAP nutzte die Diskussion um die Einsetzung des Untersuchungsausschusses ebenfalls, um eine allgemeine Systemkritik zu äußern. So sei der Sklarek-Fall »nichts anderes […] als ein Glied in einer Kette, als eine Fortsetzung all dessen, was vielleicht mit Barmat und Heilmann begonnen hat«.598 Zudem betonten sie, dass all diese Skandale von »mehr oder weniger deutsche[n] Staatsbürger[n] jüdischen Glaubens« begangen worden seien.599 Den Aufruf Grzesinskis, Aufklärung zu schaffen, bezeichneten sie als »Fastnachtsvorstellung« und betonten, dass sie seine »starke Faust« nicht fürchteten.600 In dieser Kritik wurde insbesondere die antirepublikanische und antisemitische Haltung der NSDAP deutlich. Obgleich diese Äußerung sich allgemein auf den Fall Sklarek bezog und nicht spezifisch auf den Ausschuss, lässt sich hier doch die Haltung der NSDAP erkennen. Zum einen verdeutlicht der Zeitpunkt dieser Äußerung, nämlich während der Debatte über die Einsetzung des Ausschusses, schon stark die ablehnende Haltung. Zum anderen wird diese Haltung auch anhand der Diskreditierung der Untersuchungen sehr deutlich. Durch ihre Aussagen ist erkennbar, dass die NSDAP die Ermittlungen nicht ernst nahm. Bei anderen Vertreterinnen und Vertretern im Preußischen Landtag war die Furcht vor einem Untersuchungsausschuss größer. Doch auch hierbei ging es weniger um die Tatsachen, die aufgedeckt werden könnten oder die daraus zu ziehenden Konsequenzen. Vielmehr fürchteten sie die parteipolitische Ausnutzung dieses Instruments. In diesem Zusammenhang erklärte Grzesinski, der Fall Sklarek sei bereits in der Öffentlichkeit »als Sensation großen Stiles ausgebeutet worden«, um die eigenen parteipolitischen Interessen durchzusetzen.601 Es handelte sich – ihm zufolge – aber um einen »Einzelfall«, dem keine »grundsätzliche Bedeutung (Zuruf: Einzelfall?) für die Frage der Selbstverwaltung und Selbstverantwortung beizulegen«.602 Trotzdem forderte er eine genaue Untersuchung in diesem Fall. Der Zentrumsabgeordnete Georg Artur Meistermann kritisierte nicht nur, dass dieser Fall und der Ausschuss parteipolitisch ausgenutzt werden könnten. Vielmehr appellierte er an das »Nationalgefühl« aller, dies nicht zu tun, um den Staat und das Parlament zu schützen. Es gehe denjenigen, die diesen Fall öffentlich behandelten, nicht darum, »Besserung zu schaffen, sondern nur dar[um], der von Ihnen gehaßten Form dieses Staates alles in die Schuhe zu

598 Redebeitrag Karl Kaufmann, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, 3. Wahlperiode, Bd. 6, 17. 10. 1929, S. 8534. 599 Ibid. 600 Ibid. 601 Redebeitrag Albert Grzesinski, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, 3. Wahlperiode, Bd. 6, 16. 10. 1929, S. 8466. 602 Ibid.

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schieben«.603 Dies sei kein »echte[s] Nationalgefühl«, sondern nur eine Ausnutzung, um den »infernalischen Haß gegen alles, was sich Republik nennt«, auszuleben.604 Dabei kritisierte er vor allem die KPD und die DNVP, die den Einsetzungsantrag nur nutzen würden, um den Staat öffentlich zu diskreditieren. Die Skandalisierung durch diese Parteien wurde also wiederum von den restlichen Parteien skandalisiert. Hierbei spielte die Öffentlichkeit eine wichtige Rolle. Es ging insbesondere darum, den parteipolitischen Kampf vor dem Publikum des Untersuchungsausschusses zu führen. Der Einsetzungsantrag und die damit verbundene Fokussierung auf einen Skandal schienen dabei besonders geeignet, um parteipolitische Konflikte auszutragen. Durch diesen Rahmen konnten die Debatten an einem Thema ausgeführt werden, was mit mehr oder weniger großem Interesse von der Presse und damit der Bevölkerung verfolgt wurde. Sobald der Ausschuss eingesetzt war, verschoben sich diese Debatten in der Regel in die öffentlichen Ausschusssitzungen. Die Zeitungen nutzten ähnliche Argumente. Dabei taten sich vor allem die Neue Preußische Kreuz-Zeitung und die Rote Fahne hervor. Bereits mit dem Titel des Artikels bezüglich des Antrags auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses machte die Neue Preußische Kreuz-Zeitung ihre Position klar: Er lautete »Deutschnationale Abrechnung im Preußenparlament«. In diesem Artikel machte die Zeitung deutlich, dass der Antrag nicht nur zur Aufklärung im Sklarek-Fall dienen sollte. Vielmehr wurde der Einsetzungsantrag in Verbindung mit weiteren Anträgen wie der Stellungnahme zum Young-Plan oder der Aufhebung des Stahlhelmverbots genutzt, um das politische System anzugreifen bzw. »die innerliche Fäulnis des ganzen neupreußischen Systems […] wider[zu]spiegeln«.605 In einem späteren Artikel kritisierte die Zeitung zudem, dass die weiteren Verhandlungen erst nach den Kommunalwahlen fortgeführt wurden.606 Hierbei wurde einerseits beanstandet, dass die vermeintlich in den Fall verwickelten Parteien den Untersuchungsausschuss parteipolitisch nutzten, indem sie ihn aussetzen ließen, wenn es für sie kritisch werde. Andererseits wurde aber auch angeprangert, dass die anderen Parteien ihn dadurch nicht parteipolitisch nutzen konnten, um durch mögliche Ergebnisse oder Debatten das Ergebnis der Wahlen zu beeinflussen. Die Rote Fahne verwendete ebenfalls die Ausschussergebnisse, um parteipolitischen zu agieren. Sie behauptete, der Ausschuss habe gezeigt, dass die anderen 603 Redebeitrag Georg Meistermann, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, 3. Wahlperiode, Bd. 6, 17. 10. 1929, S. 8546. 604 Ibid. 605 Neue Preußische Kreuz-Zeitung: Deutschnationale Abrechnung im Preußenparlament, 331 (17. 10. 1929). 606 Neue Preußische Kreuz-Zeitung: Der Berliner Korruptions-Sumpf. Die »Beziehungen« der Sklareks, 365 (20. 11. 1929), 1. Beiblatt.

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Parteien in den Fall verwickelt seien. So erklärte sie in einem Artikel, alle Parteien nutzten den Ausschuss, um ihr Interesse an einer Aufklärung zu demonstrieren, obwohl sie selbst alle in den Skandal involviert seien. Besonders kritisiert wurde hierbei die SPD. Sie sei nicht nur der Haupttäter im Sklarek-Fall, sondern auch in vielen weiteren Korruptionsfällen, wie im Barmat-Fall,607 und sie sei allgemein korrupt.608 Der Vorwärts konterte, indem er betonte, die rechten Parteien und die KPD würden den Ausschuss und seine öffentlichen Sitzungen nur als parteipolitisches Instrument nutzen, um die SPD zu diskreditieren und selbst davon zu profitieren.609 Gleichzeitig nutzten aber auch die SPD und der Vorwärts den Untersuchungsausschuss parteipolitisch, indem sie immer wieder den KPD-Abgeordneten Schwenk als Vorsitzenden angriffen und aufzuzeigen versuchten, dass die KPD selbst in diesen Skandal verwickelt sei.610 Hier wird deutlich, dass Beweise und Aussagen in diesem politischen und emotional aufgeladenen Raum nicht objektiv bewertet werden konnten. Die Parteien kamen zu unterschiedlichen, subjektiven Ergebnissen in Hinblick auf die Frage, wer wie in den Fall verwickelt war. Zudem prangerte der Vorwärts in einem anderen Artikel an, dass der Ausschuss sich bei Befragungen von einem gewissen Sensationsbedürfnis leiten und sich von der KPD für ihre parteipolitischen Interessen ausnutzen lasse. So habe die KPD bewusst Leo und Max Sklarek weiter befragt, um politischen Profit daraus zu schlagen und die SPD zu diskreditieren. Der Vorwärts erklärte dazu: »Der Zweck der Uebung war so deutlich, daß ihn ein Blinder mit dem Stock fühlen konnte.«611 An dieser Stelle zeigt sich außerdem erneut, dass die Parteien sich dabei selbst in gewisser Weise transparent machten: Ihre Vorstellungen, ihr Agieren und ihre Intentionen wurden im Ausschuss öffentlich gemacht und vermutlich taktisches Vorgehen wurde ersichtlich. Die eigentlichen Ermittlungen wurden allerdings erschwert, was wieder die Grenzen von Transparenz aufzeigt.

607 Rote Fahne: Mißglückte Sprengungsversuche der SPD. 608 Rote Fahne: Das System. Grundsätzlich zur Sklarek-Korruption, 228 (10. 11. 1929). 609 Vorwärts: Die Sklarek-Untersuchung. Deutschnationale und Kommunisten wollten Stadtrat Gäbel schonen!, 509 (30. 10. 1929). 610 Vorwärts: Schwenk, Lange und Konsorten. Alles kommunistische Ehrenmänner, 537 (15. 11. 1929). 611 Vorwärts: Sklarek vor dem Ausschuß. Brandes und Brolat im Verhör, 573 (07. 12. 1929).

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3.3.5 Die Ausnutzung der Radioübertragung zum Austragen parteipolitischer Konflikte Der Höhepunkt der parteipolitischen Auseinandersetzungen im Untersuchungsausschuss wurde im Februar 1930 erreicht. Am 6. Februar 1930 führte der Untersuchungsausschuss im Fall Sklarek ein besonderes Experiment durch. Die Öffentlichkeit dieser Sitzung bei der Vernehmung des Bürgermeisters Arthur Scholz sollte nicht allein durch die mögliche Präsenz der Presse bei dieser Vernehmung vor Ort gesichert werden. Vielmehr sollte ein erweiterter Zugang zu dieser Sitzung geschaffen werden, und zwar durch die Übertragung im Radio. Es sollte jedoch nicht die gesamte Sitzung übertragen werden, sondern lediglich 45 Minuten. Dies wurde ohne vorige Abstimmung im Untersuchungsausschuss vom Vorsitzenden genehmigt. Schnell kam es zu heftigen Debatten über dieses Vorgehen und die Rundfunkübertragung allgemein. Kritisiert wurde vor allem, dass die Öffentlichkeit ein verzerrtes und einseitiges Bild erhalte, da nur ein geringer Teil der Verhandlung im Radio übertragen werde.612 Am 6. Februar 1930 eröffnete der Vorsitzende Schwenk den restlichen Ausschussmitgliedern und Zuhörenden überraschend, er habe »der Rundfunkgesellschaft die Erlaubnis gegeben […], durch Aufstellung von Mikrophonen die Verhandlung des Ausschusses während 45 Minuten zu übertragen«.613 Er erklärte außerdem, er halte »die Bedenken, die gegen die Rundfunkübertragung von parlamentarischen Verhandlungen bestehen, nicht für berechtigt«.614 Um welche Bedenken es sich dabei handelte, führte er nicht weiter aus.615 Diese Bedenken ließen sich jedoch im weiteren Verlauf der Debatte anhand der Aussagen und Reaktionen der anderen Ausschussmitglieder schnell erkennen. Kritisiert wurden insbesondere zwei Aspekte, die in der Debatte um die Radioübertragung der Sitzung immer wieder auftauchten. Der DNVP-Abgeordnete von Kries prangerte zum Beispiel an, dass die Verhandlung »einen theatralischen Anstrich erhalten«

612 Zur Bedeutung und Entwicklung des Rundfunks siehe auch: Dussel, Konrad: Radiowahlkampf. Oder: Welche Bedeutung besaß der Hörfunk in der Weimarer Republik? In: HansPeter Becht, Carsten Kretschmann und Wolfram Pyta (Hg.): Politik, Kommunikation und Kultur in der Weimarer Republik. Heidelberg; Ubstadt-Weiher; Basel, 2009, S. 127–142; Halefeldt, Horst: Radio als neues Medium. In: Joachim-Felix Leohnhard (Hg.): Programmgeschichte des Hörfunks in der Weimarer Republik. München, 1997, S. 17–22; Lenk, Carsten: Die Erscheinung des Rundfunks. Einführung und Nutzung eines neuen Mediums 1923–1932. Opladen, 1997. 613 Redebeitrag Paul Schwenk, in: Sklarek-Ausschuss, Bd. 1, 06. 02. 1930, S. 1773. 614 Ibid. 615 Siehe hierzu auch: Fischer, Jörg-Uwe: Parlamentsdebatten: politische Erziehung oder politisches Theater? Zur Diskussion um die Rundfunkübertragung von Reichstagsdebatten und -reden während der Weimarer Republik. In: Zeitschrift für Parlamentsfragen 1994 (25/4), S. 637–652.

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würde, und andererseits wurde die Tatsache beanstandet, dass nur ein geringer Teil der Sitzung im Radio übertragen wurde.616 Die Kritik an der unvollständigen Übertragung der Sitzung spielte dabei auf die Einseitigkeit dieser Übertragung an. So lautete der Vorwurf, bei dieser Vernehmung werde nur eine Seite gehört und dieser werde dadurch mehr Gewicht verliehen. Der deutschnationale Abgeordnete Koch kritisierte zudem, er habe nicht »das Vertrauen«, »daß er [der Rundfunk] in objektiver Weise die ganzen oder auch nur die Teile der Verhandlung aufnehmen wird, in denen die Anklagen gegen die Stadt Berlin erhoben werden«.617 Obgleich auch die KPD anprangerte, dass nicht die vollständige Sitzung übertragen wurde, sprach sie sich im Allgemeinen dennoch für eine Rundfunkübertragung aus. Der KPD-Abgeordnete Schulz erklärte nicht nur, dass durch die Rundfunkübertragung die Arbeiten des Ausschusses transparenter gemacht werden könnten, da der Zugang zu Informationen erweitert werde.618 Er forderte gleichzeitig eine vollständige Übertragung der Sitzungen, um »die Verhandlung der Ausschüsse wie auch des Landtags von dem gesamten Lande öffentlich zu machen«.619 Nur dadurch könne »die Kloake in der Stadtverwaltung Berlin […] aufgedeckt werden«620 und »die Barriere der Dunkelheit, die bisher über dem Parlament gelastet hat«, beseitigt werden.621 Ähnlich argumentierte sein Parteikollege Gerhard Obuch. Durch die Rundfunkübertragung – wenngleich diese viel zu kurz sei – könne der Öffentlichkeit »reine[r] Wein über die Verhandlungen [eingeschenkt werden]«, während sich das Parlament sonst in »Dunkelheit […] zu verschanzen pflegt«.622 Hierbei lässt sich erneut die allgemeine Kritik am politischen System und insbesondere an der Arbeit des Parlaments erkennen. Der SPD-Abgeordnete Heilmann hielt die Kritik an der Rundfunkübertragung ebenfalls für übertrieben, da der Großteil der Verhandlungen sowieso öffentlich sei. Zudem ermögliche auch die Presse nur eine bruchstückhafte Übertragung der Informationen, da die einzelnen Zeitungen jeweils selbst entschieden, welche Informationen sie veröffentlichten.623 Die gleiche Argumentation griff der DDPAbgeordnete Riedel auf und ging dabei auch auf den Begriff der Öffentlichkeit ein:

616 617 618 619 620 621 622 623

Redebeitrag Wolfgang von Kries, in: Sklarek-Ausschuss, Bd. 1, 06. 02. 1930, S. 1774. Redebeitrag Karl Koch, in: Ibid., S. 1778. Redebeitrag Karl Schulz, in: Ibid., S. 1774f. Redebeitrag Karl Schulz, in: Ibid., S. 1775. Ibid., S. 1774. Ibid., S. 1775. Redebeitrag Gerhard Obuch, in: Ibid., S. 1777. Redebeitrag Ernst Heilmann, in: Ibid., S. 1775.

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Ich verstehe den Widerspruch nicht. Die Herren haben immer Wert darauf gelegt, sich diese Verhandlungen in vollster Öffentlichkeit vollziehen zu lassen. Jetzt, wo einmal die allervollste Öffentlichkeit hergestellt werden soll, wehren sie sich dagegen, daß es geschieht. […] Der Rundfunk ist nichts anderes als ein Nachrichtenmittel wie die Presse auch, und wenn Sie ein Nachrichtenmittel zulassen, ein anderes aber ausschließen wollen, so stören Sie damit den Begriff der Öffentlichkeit. Sie müssen daher schon so liebenswürdig sein, die qualifizierte Mehrheit für den Ausschluß der Öffentlichkeit hier zuwege zu bringen. […] Wenn Sie aber einen solchen Beschluß herbeiführen wollen, werden Sie sich damit in der Öffentlichkeit kaum einen Ruhmestitel erwerben.624

Für ihn stellte Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang sowohl einen direkten Zugang zu Informationen als auch eine Zugänglichmachung von Informationen durch Nachrichtenmittel wie Zeitungen oder das Radio dar. Die Radioübertragung erweitere ihm zufolge also den nötigen Zugang zu Informationen und sei daher wünschenswert.625 Der deutschnationale Abgeordnete von Kries wiederum sprach sich dagegen aus, indem er argumentierte, die Öffentlichkeit sei bereits durch die Zeitungen und die Berichterstatter der einzelnen Parteien gegeben.626 Der DVP-Abgeordnete Erich Metzenthin erklärte hierzu außerdem, ein großer Unterschied zwischen der Berichterstattung der Zeitungen und der des Radios sei, dass die Rundfunkübertragung nur einen Bruchteil der Sitzung übermittle, während die Pressemitglieder in der Regel bei der kompletten Sitzung anwesend waren.627 Wie der weitere Verlauf dieser Verhandlung zeigt, wurde die mögliche Erweiterung der Öffentlichkeit durch diese Radioübertragung insbesondere von der KPD als eine Plattform für den parteipolitischen Kampf genutzt. Nachdem sich in der Abstimmung eine Mehrheit von dreizehn zu zehn Mitgliedern für die Rundfunkübertragung ausgesprochen hatten, wurde die Vernehmung über das Radio gesendet. Während der Übertragung lassen sich immer mehr parteipolitische Konflikte erkennen, die so extrem zuvor im Untersuchungsausschuss nicht ausgeführt wurden. Der deutschnationale Abgeordnete Hermann HillgerSpiegelberg erklärte dazu, dass »von vornherein klar [war], daß die Kommunisten versuchen würden, hier ein politisches Spiel zu treiben«.628 Gleichzeitig war die gesamte Verhandlung während der Rundfunkübertragung durch Unruhen, Zwischenrufe und Kommentare geprägt.629 Nach Ende der Rundfunkübertra624 Redebeitrag Oswald Riedel, in: Ibid., S. 1775f. 625 Dieses Argument für die Rundfunkübertragung von Parlamentssitzungen wurde in dem allgemeinen Diskurs dieser Zeit über dieses Thema häufiger angeführt. Siehe u. a.: Fischer 1994: Parlamentsdebatten, S. 644f. 626 Redebeitrag Wolfgang von Kries, in: Sklarek-Ausschuss, Bd. 1, 06. 02. 1930, S. 1776. 627 Redebeitrag Erich Metzenthin, in: Ibid., S. 1777. 628 Redebeitrag Hermann Hillger-Spiegelberg, in: Ibid., S. 1780. 629 Ibid., S. 1778ff.

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gung erklärte Heilmann: »Da wir jetzt ohne Rundfunkübertragung arbeiten, hoffe ich, daß sich die Herren wenigstens so weit beruhigen, daß eine Verhandlung möglich ist.«630 Doch wurde es auch nach dem Ende der Rundfunkübertragung zunächst nicht ruhiger. Insbesondere Heilmann wurde kritisiert, er habe versucht, die Rundfunkübertragung zu beeinflussen, indem er den Rundfunk während der Debatte habe abstellen lassen.631 Ein ähnlicher Vorwurf wurde vom KPD-Abgeordneten Schulz geäußert.632 Heilmann verteidigte sich und erklärte, er habe den Rundfunk noch gebeten, länger zu übertragen, dieser habe aber »mit Rücksicht auf das übrige Programm jetzt abschalten« müssen.633 Zudem warf er dem DVP-Abgeordneten Josef Buchhorn vor, ihn bewusst vor dem Rundfunk verleumdet zu haben.634 Die Rundfunkübertragung endete bereits nach 25 bis 30 Minuten und nicht wie geplant nach 45 Minuten. Warum genau, lässt sich leider nicht weiter nachvollziehen. Es bleibt diesbezüglich nur die Aussage Heilmanns. Die Zeitungen berichteten ebenfalls über diese Rundfunkübertragung. Dabei tat sich insbesondere die Neue Preußische Kreuz-Zeitung als große Kritikerin hervor. Sie prangerte das Vorgehen der KPD an, die ihrer Ansicht nach die durch den Rundfunk geschaffene Öffentlichkeit nutzte, um die anderen Parteien in ein schlechtes Licht zu rücken.635 Sie erklärte außerdem, dass »[d]ieser Versuch einer Rundfunkübertragung mit Recht in der Debatte als Komödie bezeichnet [wurde]«.636 Im Verlauf des Artikels sprach sie von einem »Theater« und kritisierte erneut den parteipolitischen Kampf der KPD und das Vorgehen Heilmanns, »der während dieser ganzen Debatte kurzerhand das Mikrophon hatte abstellen lassen«.637 Die Rote Fahne griff die Rundfunkübertragung in ihrer Berichterstattung auf und kritisierte, es habe immer wieder »Störungen« gegeben, die bewusst herbeigeführt worden seien, um »die Reden kommunistischer Abgeordneter vor dem Mikrophon [zu] verhindern«.638 Dieser Vorwurf galt nicht direkt den anderen Ausschussmitgliedern, sondern wurde gegenüber den Angestellten des Rundfunks geäußert. Es sei bewusst versucht worden, »Geräusche [zu erzeugen],

630 631 632 633 634 635

Redebeitrag Ernst Heilmann, in: Ibid., S. 1781. Redebeitrag Josef Buchhorn, in: Ibid., S. 1782. Redebeitrag Karl Schulz, in: Ibid., S. 1784. Redebeitrag Ernst Heilmann, in: Ibid., S. 1783. Ibid. Neue Preußische Kreuz-Zeitung: Schwerer Tumult im Roten Hause. Sklarek-Ausschuß im Rundfunk. Ein mißglücktes Radio-Experiment, 40 (08. 02. 1930), 1. Beiblatt. 636 Neue Preußische Kreuz-Zeitung: Schwerer Tumult im Roten Hause. 637 Ibid. 638 Rote Fahne: Rundfunkkritik der Arbeiter. Kampf der Rundfunkk_rche. Parlament im Rundfunk. Absichtliche Störung? 66 (09. 02. 1930).

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die das Verstehen seiner [Obuchs] Rede verhindern sollten«.639 Damit machte die Rote Fahne deutlich, dass sie nicht nur eine Verwicklung der Parlamentsmitglieder in diesen Fall sah, sondern auch des Rundfunks. So werde der Rundfunk bewusst genutzt, nicht um einen erweiterten Zugang zu Informationen zu gewähren, sondern um diesen unter dem Schein von Transparenz zu verhindern. Während diese beiden Zeitungen sich mit einem kritischen Bericht zu diesem Experiment äußerten – obgleich die Rote Fahne nicht die Idee der Übertragung an sich kritisierte –, widmete der Vorwärts diesem Vorgehen nur eine Karikatur ohne Begleitartikel.640 In der Karikatur ist zu erkennen, wie der Radiohörer durch die wilden gegenseitigen Beschimpfungen von Nationalsozialisten und Kommunisten fast vom Stuhl fällt und seine Brille verliert. Hier wurden ebenfalls das vornehmlich parteipolitische Vorgehen und die Nutzung der Öffentlichkeit in Form des Rundfunks insbesondere durch NSDAP und KPD für den politischen Kampf kritisiert. Die Zeitungen sahen die Rundfunkübertragung dieser Sitzung insgesamt eher kritisch. Für sie war es keine transparenzschaffende Maßnahme, sondern vielmehr eine Verstärkung der Funktion des Untersuchungsausschusses als parteipolitisches Kampfinstrument. Anhand dieser Rundfunkübertragung lassen sich neben den verschiedenen Argumenten, die für oder gegen Transparenz genannt wurden, noch weitere Aspekte herausarbeiten. Zunächst zeigte sich deutlich, dass eine erweiterte Transparenz, durch die Teile der Bevölkerung mehr oder weniger unmittelbar an der Sitzung teilnehmen konnten, direkt wie eine Bühne genutzt wurde, auf welcher parteipolitische Konflikte lautstark ausgetragen wurden. Obgleich es als positiv angesehen wurde, transparent zu arbeiten, erschwerte diese Transparenz die Zusammenarbeit im Untersuchungsausschuss. Es kam zu weniger Kooperationen und mehr Konflikten, da die verschiedenen Parteimitglieder sich ihrem Programm verpflichtet fühlten. Beobachtet durch die Öffentlichkeit nahmen sie eine viel striktere Position ein, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, die Ansichten ihrer Partei und ihrer Wählerschaft verraten zu haben. In diesem Zusammenhang zeigt sich auch, dass erweiterte Transparenz nicht zwingend zur Beruhigung oder zu mehr Vertrauen führt. Diese Feststellungen werden auch noch heute in der Forschung diskutiert und sind einer der wichtigsten Kritikpunkte an Transparenz.641 Ein wichtiges Argument für die Rundfunkübertragung von Parlamentssitzungen, welches in der Weimarer Republik häufig angeführt wurde, findet sich in 639 Ibid. 640 Vorwärts: Immer noch Sklarek-Untersuchung. Wie lange noch? 65 (08. 02. 1930). 641 Riese, Dorothee 2019: Grenzen der Transparenz, S. 102; Wewer, Göttrik: Aufsätze zu Transparenz, Partizipation und Kollaboration. Berlin, 2014, S. 80.

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dieser Debatte nicht explizit wieder: die Nutzung des Rundfunks zur Erziehung der Bevölkerung.642 Sicherlich erhofften sich aber alle Beteiligten durch die Nutzung dieser Sitzung als politische Bühne die »Erziehung« der Zuhörerschaft in ihrem parteipolitischen Sinne. Zudem spielte hier sehr wahrscheinlich die Ansicht Max Webers hinein, durch das Informieren der Bevölkerung diese zu erziehen und »mündig« zu machen. Anhand dieser Rundfunkübertragung lassen sich außerdem erneut die unterschiedlichen Ansichten von Transparenz erkennen. Für die KPD-Abgeordneten stellte Transparenz unmittelbare Transparenz dar. Daher sahen sie in der Rundfunkübertragung ein sinnvolles Mittel zur Herstellung von Transparenz. Sie forderten aber, dass nicht nur einzelne Sitzungen übertragen werden sollten, sondern alle. Gleichzeitig nutzten sie am meisten diese geschaffene Öffentlichkeit als Bühne für ihre parteipolitischen Ansichten und erschwerten dadurch die Ermittlungen. Andere Abgeordnete sahen in der Rundfunkübertragung ebenfalls eine positive Möglichkeit zur Herstellung von Transparenz. Sie forderten aber nicht die vollständige Übertragung aller Sitzungen. Transparenz war für sie also nicht zwingend der direkte Zugang zu allen Informationen. Für sie reichte es bereits aus, durch die Medien eine Zugänglichmachung von einigen Informationen zu schaffen. Die Rundfunkübertragung war dabei nur ein weiteres Medium wie die Presse. Der DNVP-Abgeordnete von Kries wiederum akzeptierte nicht nur eingeschränkte Transparenz, sondern wünschte sie sich sogar. Für ihn war es wichtig, dass der Bevölkerung eine Zugänglichmachung von Informationen gewährt und sie über die Sitzungen informiert werde – im Zweifel auch im Nachhinein. Es sollte kein direkter Zugang geschaffen werden. Dieser erschwere nur die Ausschussermittlungen, da sie dann nur noch als politische Bühne genutzt würden. Bei diesem Ausschuss lässt sich neben den parteipolitischen Konflikten erneut die ambivalente Rolle der DNVP erkennen. Obgleich sie auch hier die Öffentlichkeit der Ausschüsse nutzte, um parteipolitische Konflikte auszutragen, schlug sie regelmäßig einen gemäßigten Ton an und zeigte den Willen zur Zusammenarbeit. Die Radikalisierung und republikfeindliche Haltung der DNVP, die Mergel zunehmend ab 1928 ausmacht,643 lässt sich in den Ausschussarbeiten noch nicht erkennen, sondern vielmehr weiterhin der Versuch, sich in das System zu integrieren und die eigenen Interessen im Rahmen dieses Systems durchzusetzen. 642 Fischer 1994: Parlamentsdebatten, S. 648. 643 Mergel, Thomas: Das Scheitern des deutschen Tory-Konservatismus. Die Umformung der DNVP zu einer rechtsradikalen Partei. 1928–1932. In: Historische Zeitschrift 2003 (276), S. 323–368, S. 351ff.

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3.3.6 Verleumdung durch die Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse Im Untersuchungsausschuss zum Fall Sklarek hatte die Sorge vor einer möglichen Verleumdung durch öffentliche Aussagen vor diesem Gremium bzw. durch dessen Veröffentlichung von Informationen eine große Bedeutung. Zudem nutzten die beteiligten Zeugen die Ausschussöffentlichkeit auch, um sich von diesen Verleumdungen freizumachen. Insbesondere in der 41. und 42. Sitzung kam es zu Konflikten, die sich um die Frage drehten, ob es durch die Öffentlichkeit der Untersuchung nicht zu Verleumdungen und der Verbreitung von Gerüchten kommen könne. So bat der Zeuge Gäbel darum, »noch einmal in der Angelegenheit Sklarek [vernommen zu werden]«.644 Grund hierfür war, dass »Unrichtigkeiten und Unwahrheiten […] im Ausschuß zutage getreten sind«.645 Der Vorsitzende lehnte diese Bitte ab, indem er erklärte, diese Aussage gehöre nicht zum Untersuchungsgegenstand des Ausschusses, sondern sei höchstens für die staatsanwaltschaftliche Ermittlung interessant gewesen. Daraufhin protestierte der Zeuge: »In der Presse sind falsche Feststellungen getroffen worden, und es ist sogar eine Anklagerede gegen mich gehalten worden, ohne den Angeklagten zu hören.«646 Auch diese Klage lehnte der Vorsitzende mit der Begründung ab, dass der Untersuchungsausschuss »[f]ür die Pressemitteilungen […] nicht verantwortlich ist«.647 Obgleich diese vermeintlichen Verleumdungen durch die Presse veröffentlicht wurden, spielten sie auf die Verhandlungen des und die Aussagen im Ausschuss an. So konnte seine Öffentlichkeit nicht nur zu einer Zugänglichmachung von mehr Informationen führen, sondern auch möglicherweise zu einer Zugänglichmachung von falschen Informationen. Wurden diese Aussagen erst einmal durch die Presse verbreitet, schien es schwierig, sie wieder aus der Welt zu schaffen. Dies wurde verstärkt durch die Tatsache, dass dieser Ausschuss den vermeintlich Verleumdeten nicht zwingend die Möglichkeit gab, die öffentlichen Sitzungen zu nutzen, um sich von diesen Vorwürfen reinzuwaschen. Die Frage der möglichen Verleumdung durch die Öffentlichkeit des Ausschusses spielte auch in der nächsten Sitzung eine wichtige Rolle. In dieser Debatte ging es um ein Protokoll mit Namen von Personen, die angeblich in diesem Fall bestochen worden waren. Die Frage, die sich stellte, war, ob diese Namen in einer öffentlichen Sitzung besprochen werden konnten, oder ob hierfür nicht der Ausschluss der Öffentlichkeit notwendig war. Der Vorsitzende sprach sich in dieser Angelegenheit klar für die Öffentlichkeit der Verhandlung aus, denn der 644 645 646 647

Redebeitrag Zeuge Gäbel, in: Sklarek-Ausschuss, Bd. 2, 17. 05. 1930, S. 925. Ibid. Ibid. Ibid.

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Verdacht, dass es eine solche Liste gab, sei schließlich bereits öffentlich geworden. Die öffentliche Untersuchung dieser Liste diente ihm zufolge also als eine Art Gegenmaßnahme zu möglichen Gerüchten und Sorgen, die sich verbreiten könnten.648 Durch diese Erklärung wird deutlich, wie leicht die Öffentlichkeit des Ausschusses zu möglichen Verleumdungen führen konnte. Allein die Aussage vor diesem Gremium, es existiere eine solche Liste, reichte aus, um für Beunruhigung zu sorgen. Während also für den Vorsitzenden die öffentliche Untersuchung dieser Liste der beste Garant war, um Gerüchten und Verleumdungen vorzubeugen, sprachen sich verschiedene Mitglieder unterschiedlicher Parteien gegen dieses Vorgehen aus und forderten den Ausschluss der Öffentlichkeit. Wortführer war hierbei der deutschnationale Abgeordnete Deerberg. Er vertrat die Ansicht, dass die Untersuchung der Namensliste in einer öffentlichen Sitzung zu möglichen Verleumdungen und somit zur »Diskreditierung von Persönlichkeiten« führen könne.649 Erneut versuchte der Vorsitzende dagegen zu argumentieren, indem er die Notwendigkeit einer öffentlichen Verhandlung betonte, um Gerüchte, aber auch um den Vorwurf zu vermeiden, der Ausschuss wolle im Zusammenhang mit dieser Liste Informationen vertuschen. Trotzdem sprachen sich die Mitglieder verschiedener Parteien, wie des Zentrums, der Deutschen Volkspartei, der Deutschnationalen und der Deutschen Demokratischen Partei, mehrheitlich für die Ansicht Deerbergs aus.650 Nach der Abstimmung über den Ausschluss der Öffentlichkeit wurde diese letztendlich von der Verhandlung ausgeschlossen. Dies unterstrich die Sorge vor der Gefahr durch die Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse. So konnten durch die öffentlichen Verhandlungen nicht nur bewusste Verleumdungen in die Welt gesetzt werden, sondern auch schon durch einzelne Bemerkungen Gerüchte gestreut werden. Gleichzeitig gab es die Bedenken, der Ausschluss der Öffentlichkeit könne diese Gerüchte nur noch verstärken. In dieser Diskussion zeigen sich zudem zwei Vorstellungen, die aufeinandertrafen: Einerseits die Idee, dass Transparenz Vertrauen schaffen könne, wenn die Liste öffentlich verhandelt würde. Andererseits die Vorstellung, dass das öffentliche Reden über eine solche Liste bereits das Vertrauen erschüttert hatte und Transparenz somit eher Misstrauen schüren könne. Am Ende dieser Verhandlung wurde vom Untersuchungsausschuss das folgende Statement verfasst: Der Ausschuß legt Wert darauf, der Presse gegenüber zum Ausdruck zu bringen, daß die Gerüchte, die vielfach kursieren und hier auch heute zur Sprache gekommen sind, als unbewiesen betrachtet werden müssen, und daß sie deswegen auch in der Öffent648 Redebeitrag Paul Schwenk, in: Sklarek-Ausschuss, Bd. 2, 26. 05. 1930, S. 956. 649 Redebeitrag Friedrich Deerberg, in: Ibid., S. 958. 650 Ibid., S. 959f.

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lichkeit unbedingt nur so behandelt werden dürfen, soweit eine Verhandlung schon stattgefunden hat, daß es aber im übrigen richtiger wäre, Angelegenheiten nur dann zur Sprache zu bringen, wenn sie substantiiert, konkret als erwiesen gelten können.651

3.3.7 Gefährdung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen durch die Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse Mögliche Verleumdungen stellten allerdings nicht die einzige Gefahr durch den Ausschuss dar. Eine weitere Sorge war erneut die Gefährdung der juristischen Verhandlungen. Die stärkste Kritik in diesem Zusammenhang kam nicht von der KPD oder den rechten Parteien. Vielmehr handelte es sich um die Aussage des Zentrumsabgeordneten Meistermann. Er prangerte nicht nur die angeblich inflationäre und falsche Nutzung der Untersuchungsausschüsse an. Er kritisierte vor allem den Eingriff der Untersuchungsausschüsse »in den ordentlichen Rechtsweg«.652 Anhand dieser Aussage wird deutlich, dass die Arbeit der Untersuchungsausschüsse und die daraus möglicherweise gewonnenen Erkenntnisse klar der Arbeit und den Ergebnissen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nachgeordnet wurden. Die Arbeit des Ausschusses schien die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu gefährden und somit standen sie einem Erkenntnisgewinn eher im Weg. Diese Argumentation fand sich im Verlauf der Ausschussarbeiten immer wieder und wurde dabei von den verschiedenen Parteien genutzt. So bezog sich auch der DDP-Abgeordnete Riedel nur auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, als er im Zusammenhang mit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses erklärte, dass »so gründlich wie möglich mit eisernen Besen ausgekehrt« werden müsse.653 Stärker noch lässt sich diese Ansicht aber im Zusammenhang der Frage nach dem Zugang des Untersuchungsausschusses zu Informationen feststellen. Auch hier war dieser in der Rangfolge nach den staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen angesiedelt und musste dadurch auf Akteneinsichten, Befragungen oder andere Arten der Informationsgewinnung meist warten.654 In ähnlicher Weise lässt sich auch die Befragung des Oberregierungsrates Tapolski sehen. Dieser bekam für die Befragung keine uneingeschränkte Aussagegenehmigung, obwohl seine Vernehmung in einer nicht öffentlichen Sitzung stattfand. Für den Ausschluss der Öffentlichkeit plädierte unter anderem der Berichterstatter Koennecke, damit keine vertraulichen Informationen an die Öffentlichkeit gelangen 651 Redebeitrag Friedrich Deerberg, in: Sklarek-Ausschuss, Bd. 2, 26. 05. 1930, S. 960. 652 Redebeitrag Georg Meistermann, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 6, 17. 10. 1929, S. 8546. 653 Redebeitrag Oswald Riedel, in: Ibid., S. 8510. 654 Redebeitrag Paul Schwenk, in: Sklarek-Ausschuss, Bd. 1, 29. 10. 1929, S. 4.

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konnten.655 Diese Informationen durften zudem nicht an die Presse weitergegeben werden.656 Hiergegen stellte sich der KPD-Abgeordnete Obuch, der darauf beharrte, dass die Presse informiert werden müsse, damit keine falschen Informationen an die Öffentlichkeit gelangten oder ein falscher Eindruck bei dieser entstehe. Zeitgleich erklärte Tapolski, er dürfe nur über Dinge sprechen, »die nicht mehr verdunkelt werden könnten«.657 Hierbei ging es weniger um die bewusste Vertuschung von Informationen durch den Ausschuss als vielmehr um den Schutz vor vermeintlichen Verdunkelungen durch Beteiligte bezüglich möglicher Disziplinarverfahren. Trotzdem wird durch die Argumentation deutlich, dass seine Öffentlichkeit als eine Gefahr für die Gerichtsverfahren angesehen wurde – Transparenz wurde im politischen Aushandlungsprozess also zugunsten der juristischen Ermittlungen eingegrenzt. Gleichzeitig betonten einige Ausschussmitglieder die Notwendigkeit, diese Akten selbst einzusehen. Obgleich sie länger auf die Originalakten warten mussten, wollten sie sich nicht auf Unterlagen aus zweiter Hand verlassen, sondern ihre eigenen Ermittlungen führen.658 Eine wichtige Rolle in dieser Debatte spielte die Frage der Öffentlichkeit. So wurde die Öffentlichkeit, wie bereits zuvor beschrieben, häufig als das Element gesehen, welches eine Verschleppung oder Erschwerung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen fördern könnte. Da die Debatte um die Gleichzeitigkeit von Untersuchungsausschuss und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen immer von der Sorge vor einer möglichen Verdunklung durch die Untersuchungsausschüsse geprägt war, ist es nicht überraschend, dass auch hier die Frage der Öffentlichkeit debattiert wurde. Allerdings kam es im Fall Sklarek weniger zu einer allgemeinen Debatte in dieser Hinsicht. Es wurde also nicht allgemein debattiert, inwiefern die Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse die Arbeit der staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen gefährde. Vielmehr ging es immer um einzelne und sehr spezifische Momente, in denen der Wunsch geäußert wurde, die Öffentlichkeit von den Vernehmungen auszuschließen, um die Gefahr einer möglichen Verdunklung in späteren Gerichtsverfahren zu verhindern.659 Dem Wunsch nach Ausschluss der Öffentlichkeit wurde in der Regel stattgegeben, da der Ausschuss auf keinen Fall die staatsanwaltschaftliche Ermittlung gefährden wollte. Bei diesen Situationen ging es meistens um den aktuellen Stand der staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen sowie erste Erkenntnisse, die keinesfalls an die Öffentlichkeit gelangen sollten. 655 656 657 658 659

Redebeitrag Hans Koennecke, in: Sklarek-Ausschuss, Bd. 1, 18. 11. 1929, S. 381. Ibid., S. 380f. Ibid., S. 381. Redebeitrag Hans Koennecke, in: Sklarek-Ausschuss, Bd. 1, 29. 10. 1929, S. 5. Siehe hierzu u. a.: Redebeitrag Ministerialrat Dahm, in: Sklarek-Ausschuss, Bd. 2, 07. 04. 1930, S. 80.

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In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass sich diese Kritik in den hier untersuchten Zeitungen nicht finden lässt. Im Allgemeinen setzten die Zeitungen den Untersuchungsausschuss und die staatsanwaltschaftlichen bzw. gerichtlichen Ermittlungen kaum in Beziehung. So kam es nur vereinzelt zu einer Debatte über dieses Thema. Es lässt sich dabei allerdings erneut feststellen, dass sich keine allgemeine Debatte und Kritik bezüglich einer vermeintlichen Gefährdung der staatsanwaltschaftlichen Arbeiten durch diese Öffentlichkeit finden lässt. Vielmehr wurde der Ausschuss – falls dieses Thema überhaupt angesprochen wurde – eher als etwas Positives gegenüber der Arbeit der Staatsanwaltschaft und Gerichte gesehen. Hierbei spielte der Kontrast zwischen der Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse und der Arbeit der Gerichte im Geheimen eine wichtige Rolle. So wurde in einem Artikel der Neuen Preußischen Zeitung zum Beispiel geschrieben: Nun hat es der Zufall gewollt, daß etwa zu derselben Zeit, wo das Oberverwaltungsgericht hinter peinlichst verschlossenen Türen tagte, der Untersuchungsausschuß des Preußischen Landtages sich mit den »Sonderzulagen« des Herrn Böß beschäftigte. Es kamen dabei sehr merkwürdige Dinge zur Sprache, und wenn diese Dinge auch nicht ausreichten, um ein kriminelles Verfahren gegen den Oberbürgermeister in Gang zu setzen, so warfen sie doch auf die moralischen Qualitäten ein außerordentlich trübes Licht.660

Auch die Rote Fahne kritisierte in diesem Zusammenhang eher die Arbeit der Gerichte als die Arbeit des Ausschusses. Sie betonte sogar eine absichtliche Vertuschung des Oberverwaltungsgerichts im Gegensatz zum Untersuchungsausschuss, der zumindest in diesem Punkt Erkenntnisse gebracht habe.661 Eine eher allgemein gefasste Kritik an den Untersuchungsausschüssen im Zusammenhang mit den Gerichtsverhandlungen spielte weniger auf die Frage der Öffentlichkeit oder eine mögliche Gefährdung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen an. Vielmehr ging es dabei um die Frage der Sinnhaftigkeit der Untersuchungsausschüsse vor dem Hintergrund des Umstandes, dass der Fall bereits bzw. gleichzeitig von der Staatsanwaltschaft untersucht wurde. Hierbei wurde außerdem insbesondere der Mangel an Interesse der Ausschussabgeordneten und die Kosten der Untersuchungsausschüsse angeführt. Abg. Schmitt (Limburg) (DF) beantragt, daß der Ausschuß beschließen möge, sich aufzulösen. Er habe gestern und heute die Beobachtung gemacht, daß im Ausschuß für diese Untersuchung nicht das Interesse herrsche, das in der Öffentlichkeit angenommen werde. In einer Zeit, in der der preußische Haushalt ein Defizit von 1110 Millionen 660 Neue Preußische Kreuz-Zeitung: Das Urteil gegen Böß aufgehoben, 277 (02. 10. 1930), 2. Beiblatt. 661 Rote Fahne: Skandalöser Freispruch Böß’. Böß wieder in Amt und Ehren – Er bekommt 36 000 Mark Jahresgehalt und geht in Urlaub, 230 (02. 10. 1930).

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Mark aufweise, sollte man sich auch im Untersuchungsausschuß größter Sparsamkeit befleißigen, zumal auch die Staatsanwaltschaft sich mit dieser Frage befasse. Gegen diesen Antrag wird von verschiedenen Seiten Widerspruch erhoben. Man weist darauf hin, daß die Ergebnisse den Wert der Untersuchungen des Ausschusses erwiesen hätten, daß insbesondere der Staatsanwaltschaft wertvolle Fingerzeige zu ihrem Eingreifen gegeben worden seien. Von einer Interesselosigkeit der Ausschußmitglieder könne nicht die Rede sein. Im übrigen sei der Ausschuß verfassungsmäßig nicht berechtigt, sich aufzulösen, ehe er die ihm gestellte Aufgabe durchgeführt habe. Die Aufgaben lägen auf einem anderen Gebiete als bei der Staatsanwaltschaft.662

In diesem ergebnisprotokollartigen Ausschnitt wurde nicht nur diese Kritik deutlich. Ferner wurde auch der Nutzen der Untersuchungsausschüsse und die Notwendigkeit derselben betont. Neben der Tatsache, dass der Ausschuss sich nicht einfach auflösen könne, sei es außerdem wichtig, darauf hinzuweisen, dass er die Arbeit der Staatsanwaltschaft gar nicht gefährde. Vielmehr schien – einigen Ausschussmitgliedern zufolge – seine Arbeit unterstützend auf die der Staatsanwaltschaft zu wirken, was auch der These Steffanis entspricht.663 In diesen Argumentationen lässt sich in beiden Fällen ein Aspekt erkennen, der immer wieder in der Transparenzforschung aufgegriffen wird. Es zeigt sich erstens, dass das Transparenzversprechen immer im Konflikt mit der Realität steht. Vollständige Transparenz kann nicht erreicht werden. In diesem Zusammenhang muss ständig ausgehandelt werden, welches Interesse nun bedeutender erscheint: Transparenz oder der Schutz einzelner Personen, Gruppen und des Gerichtsverfahrens. Diese Entscheidungen gingen hier häufig zu Ungunsten der Transparenzforderungen aus. Zweitens führte die Herstellung von Transparenz stetig zu Enttäuschung bei verschiedenen Beteiligten. Da es unmöglich ist, vollkommene Transparenz zu erzeugen, war häufig die Sorge groß, dass wichtige Aspekte weiterhin geheim gehalten werden könnten.664 Der Versuch, Transparenz zu schaffen, erzeugte also Misstrauen: Es könnten bewusst Informationen öffentlich gemacht werden, um von anderen abzulenken. In diese Argumentation fiel auch das Element der Verleumdung oder der Erzeugung von Gerüchten. So würden einzelne Personen absichtlich durch die Veröffentlichung falscher Informationen Unklarheit schaffen und somit die Aufklärung der Fälle gefährden. Transparenz sollte einerseits Klarheit schaffen und damit das Vertrauen der Bevölkerung stärken. Gleichzeitig führte aber gerade diese Transparenz zu Unklarheiten und einem verstärkten Misstrauen in die Arbeit der Ausschüsse.

662 Sklarek-Ausschuss, Bd. 2, 15. 05. 1930, S. 785. 663 Steffani 1960: Die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtags, S. 317. 664 Siehe u. a.: Fluck, Matthew: Theory, »truthers«, and transparency. Reflecting on knowledge in the twenty-first century. In: Review of International Studies 2016 (42), S. 48–73.

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3.3.8 Zwischenfazit Im Ausschuss zum Fall Sklarek ließen sich ähnliche Argumentationen wiederfinden, wie sie bereits im Barmat-Skandal zu erkennen waren. Trotzdem gab es Unterschiede und vor allem Besonderheiten in den Diskussionen in diesem und über diesen Ausschuss. Die Argumente reichten auch hier von Verteidigung und Lob der Untersuchungsausschüsse allgemein und dieses Ausschusses im Speziellen bis hin zur negativen Bewertung und Diskreditierung des parlamentarischen Gremiums. So sprachen ihm insbesondere die Befürwortenden dieses Instruments eine aufklärerische Tätigkeit zu. Er decke Tatsachen auf und schaffe durch seine öffentlichen Verhandlungen und die Berichterstattung Transparenz. Anders als im Fall Barmat nutzten sie dieses Argument nicht mehr offensiv, sondern vielmehr defensiv und meistens, um seine Einsetzung zu rechtfertigen oder um sich selbst von Vertuschungsvorwürfen freizumachen. Zudem wurde es nicht mehr als Abgrenzungsmerkmal zum politischen System des Kaiserreichs hervorgehoben. Die Beanstandung der Untersuchungsausschüsse existierte aber auch weiterhin. Insbesondere Republikgegner, wie die rechten Parteien und die KPD, kritisierten den Ausschuss dafür, dass er durch seine Arbeit eher vertusche als aufkläre und die durch ihn geschaffene Transparenz in vielerlei Hinsicht sogar eine Gefahr darstelle, da sie Verleumdungen und den parteipolitischen Kampf befördere. Ein besonderes Beispiel hierfür war die Rundfunkübertragung eines Teils einer Sitzung des Ausschusses, die sehr schnell zu einem parteipolitischen Spektakel wurde. Bei all diesen Diskussionen lässt sich allerdings erkennen, dass sie weniger intensiv ausfielen als noch im Barmat-Fall. So fanden nur wenige Debatten um die Untersuchungsausschüsse im Allgemeinen statt. Vielmehr ging es – wenn überhaupt – überwiegend um den spezifischen Ausschuss im Fall Sklarek. Der Hauptdiskussionspunkt war dabei die Nutzung seiner Öffentlichkeit als Plattform zur Verbreitung politischer Ideen und nicht mehr die Sorge vor einer direkten Gefährdung durch diese Öffentlichkeit. Aber auch die Reaktionen der Ausschussmitglieder sahen anders aus als 1925. Ein Beispiel dafür ist der Umgang mit der Kritik bezüglich der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Kam es 1925 noch zu kontroversen Diskussionen und dem Aussetzen einer der Untersuchungen, wurde diese Debatte 1929 nur noch bedingt geführt. Die Reaktion des Ausschusses war nun, den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen insbesondere in Bezug auf Zeugenvernehmungen und Akteneinsicht den Vorrang zu gewähren, ohne aber vollständig auf seine Arbeit zu verzichten. Über die Frage, warum diese Argumentation nur vier Jahre nach den Untersuchungsausschüssen zum Fall Barmat keine bedeutende Rolle mehr in den Debatten spielte, lassen sich nur Vermutungen anstellen: Durch ihren häufigen

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Einsatz integrierten sich die Untersuchungsausschüsse schnell in die politische Landschaft der Weimarer Republik. Dabei wurden sie allerdings nicht zwangsläufig als ein sinnvolles Instrument wahrgenommen, sondern vielmehr heftig kritisiert. Es scheint, als seien die generellen Debatten über die Untersuchungsausschüsse im Jahr 1929 bereits ausführlich diskutiert worden. Die allgemeine positive und negative Beurteilung der Ausschüsse war bereits so sehr etabliert, dass sie nicht mehr bei jeder Einsetzung eines neuen Ausschusses aufgegriffen werden musste. Vielmehr wurde sich auf die Kritik am konkreten Untersuchungsausschuss konzentriert. Ein weiteres bemerkenswertes Phänomen ist, dass die hier untersuchte Presse nicht mehr ausführlich über jede seiner Verhandlungen berichtete. Vielmehr wurde meist nur kurz über die einzelnen Sitzungen geschrieben und nur besondere Sitzungen, wie z. B. die Rundfunkübertragung, von der Presse ausführlicher erörtert. Damit machte die Presse auch weniger Informationen zugänglich als noch 1925. Das Interesse an diesem Ausschuss scheint also insgesamt von Beginn an etwas geringer gewesen zu sein als an den Ausschüssen 1925. Dies könnte auch das Ausbleiben einer größeren Debatte über Untersuchungsausschüsse allgemein erklären. Eine Art Diskussionsmüdigkeit hatte eingesetzt. Trotzdem nahm die Kritik an diesem Ausschuss nicht ab und sie überwog stark gegenüber dem Lob. Der Sklarek-Ausschuss zeigt noch deutlicher als die Ausschüsse von 1925, dass das Instrument parteipolitisch genutzt wurde und die Schaffung von Transparenz bei den meisten Involvierten zumindest nicht das primäre Ziel war. Trotzdem spielte auch hier die Debatte um Transparenz und die Umsetzung von Transparenz weiterhin eine entscheidende Rolle. Es zeigt sich erneut, dass Transparenz nicht für alle das gleiche bedeutete, obgleich alle sie forderten. Die Vorstellungen stimmen dabei mit denen von 1925 überein. Während die KPD einen direkten Zugang zu Informationen forderte, wünschten sich die anderen Parteien eher eine eingeschränkte Transparenz. Die rechten Parteien sprachen sich sogar dafür aus, ermittelte Feststellungen erst im Nachhinein transparent zu machen. Die KPD und die rechten Parteien kritisierten dabei immer wieder das politische System und vor allem die Untersuchungsausschüsse. Für die KPD konnten diese nicht genug Transparenz erzeugen, für die Rechten wiederum schafften sie zu viel und gefährdeten dadurch die Ermittlung und die Aufklärung am Ende der Arbeiten.

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In der Weimarer Republik wurden parlamentarische Untersuchungsausschüsse das erste Mal in die Verfassung des Reiches und der unterschiedlichen Länder aufgenommen und sie stiegen schnell zu einem sehr häufig genutzten Kontrollinstrument dieser Zeit auf. Die unter anderem nach den Ideen Max Webers geschaffenen Ausschüsse bestanden – anders als im Kaiserreich – nur aus Parlamentsmitgliedern. Zudem war ihre Besonderheit, dass sie weitestgehend öffentlich verhandelten und somit auch Außenstehenden einen Zugang zu Informationen gewährten. Obgleich die eigentlichen Intentionen dahinter zunächst die Information des Parlaments sowie der Schutz der Parlamentsminderheit durch die Kontrolle der Öffentlichkeit waren, wurden sie auch als ein Transparenzinstrument gegenüber der Bevölkerung eingesetzt. Die politischen Debatten in den und über die Untersuchungsausschüsse in den beiden betrachteten Fällen zeigen, dass das Transparenzargument eine entscheidende Rolle spielte. So schrieben vor allem die demokratischen Parteien und teilweise die KPD Transparenz einerseits eine positive Wirkung zu: Sie war ein Zugang zu Informationen und half bei der Aufklärung von Tatsachen. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse zeichneten sich dadurch als ein besonders demokratisches Instrument aus. Während im Barmat-Fall der Aspekt des demokratischen Instrumentes, das ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zum undemokratischen Kaiserreich darstellte, noch stark hervorgehoben wurde, verschwand dieses Argument im Sklarek-Fall vier Jahre später nahezu vollständig. Auch die rechten Parteien nutzten das Argument der Aufklärung, um die eigene Partei positiv hervorzuheben. Andererseits wurden die Untersuchungsausschüsse und insbesondere ihre Transparenz stark kritisiert. So warfen ihnen besonders die rechten Parteien und teilweise die KPD vor, dass sie durch ihre vermeintliche Transparenz und die Ablenkung und Täuschung der Öffentlichkeit vielmehr vertuschen als aufklären würden. Außerdem stelle ihre Transparenz sogar eine Gefährdung dar. Durch sie würden andere, insbesondere juristische Verhandlungen gestört und eine Ermittlung von Tatsachen eher verhindert. Zudem gefährde die Öffentlichkeit das Ansehen einzelner Persönlichkeiten und könne zu Verleumdungen führen. Die Transparenz der Ausschüsse wurde von den verschiedenen Parteien häufig als ein Argument für oder gegen das parlamentarische System allgemein angeführt. Die Tendenz der Argumentation vom Fall Barmat zum Fall Sklarek war eindeutig in die Richtung der Ablehnung der Ausschüsse. Der Nutzen der Transparenz der Ausschüsse wurde eher in Frage gestellt und die Kritik an dieser Transparenz im Vergleich zum Lob hervorgehoben. Gleichzeitig lässt sich aber

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konstatieren, dass die Debatten 1929 im Allgemeinen weniger intensiv geführt wurden als noch 1925. Es zeigt sich außerdem, dass Transparenz und die Forderungen nach ihr für alle Beteiligten etwas anderes bedeutete. Doch wurde Transparenz nicht nur als ein Argument genutzt. Die Aufmerksamkeit, die den Ausschüssen durch die öffentliche Behandlung eines konkreten Falles gegeben war, wurde von den verschiedenen Parteien für den parteipolitischen Kampf verwendet. Diese Plattform schuf dadurch auch Transparenz über die politischen Einstellungen, Motivationen und Taktiken der verschiedenen Parteien. Es wurde der Bevölkerung öffentlich vorgeführt, welche Interessen die Parteien in den Fällen hatten und wie sie vorgingen. So nutzten die Parteien nicht nur die Öffentlichkeit der Ausschüsse für ihre Interessen, sondern machten sich dadurch selbst gegenüber der Bevölkerung etwas transparenter.665 Deutlich wurde zudem, dass Beweismittel und Zeugenaussagen in beiden Fällen von den jeweiligen Parteien in ihrem eigenen Interesse unterschiedliche interpretiert wurden. Obgleich es in beiden Fällen zu gemeinsamen Berichten der Untersuchungsausschüsse kam – anders sieht das später im Fall Steiner-Wienand aus –, zeigen spätestens die Diskussionen im Anschluss an die Arbeit der Ausschüsse, dass die Ergebnisse vor allem von der KPD, aber auch von Parteien, die nicht an der Ausschussarbeit beteiligt waren (wie z. B. der NSDAP), unterschiedliche interpretiert wurden. Dies wirft die Frage auf, inwiefern Fakten in diesem politischen Kontext überhaupt objektiv untersucht werden können oder inwiefern sie nicht immer politisch interpretiert werden. Die Studie der Ausschussarbeiten unterstützt die Vermutung, dass Fakten in solchen politischen Kontexten selten objektiv sein können. Eine genauere Untersuchung wäre hier sicherlich noch notwendig. Die Debatten in den und über die Untersuchungsausschüsse lassen sich gut in die allgemeinen Debatten und die politische Kulturgeschichte dieser Zeit einordnen. So findet sich in den Diskussionen um die Transparenz und den Nutzen der Ausschüsse auch der allgemeine Korruptionsdiskurs dieser Zeit wieder. Transparenz wurde in diesem Rahmen ähnlich wie Korruption als ein politisches Machtmittel genutzt, vor allem, um politische Gegnerinnen und Gegner zu degradieren.666 Während diese als korrupt dargestellt wurden, versuchte man, die eigene Partei besonders transparent aussehen zu lassen. Ähnlich wie beim Korruptionsdiskurs blieb diese Argumentation nicht nur auf die einzelnen Parteien beschränkt, sondern weitete sich auf die Debatte um das gesamte System aus. So nutzten insbesondere republikfreundliche Beteiligte Transparenz als 665 Siehe hierzu auch: Thaysen, Uwe: Die Wahrheit der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse. In: Uwe Thaysen und Suzanne Schüttemeyer (Hg.): Bedarf das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse einer Reform? Baden-Baden, 1988, S. 11–30, S. 26f. 666 Klein 2014: Korruption und Korruptionsskandale, S. 486ff.

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Argument, um das System zu stärken. Sie argumentierten, dass nicht das System korrupt sei, sondern Korruptionsfälle hier nur öffentlich verhandelt würden. Anders sei es in nicht-republikanischen Systemen, wo Korruption auch existiere, aber vertuscht werde. Diese Argumentation konterte den Korruptionsvorwurf der antirepublikanischen Parteien, der republikanischen Systemen eine besonders starke Ausprägung von Bestechlichkeit unterstellte. Ähnlich wie beim Korruptionsdiskurs lässt sich auch hier in den Debatten eine enge Verbindung zwischen Presse und Politik erkennen.667 So wurden die Konflikte in den Ausschüssen durch die Presse weitergetragen und öffentlich diskutiert. Diese griff Transparenz als Argument in ihren Debatten um die Parteien und das politische System auf. Die Debatten um Transparenz verlaufen parallel und als Gegenargument, teilweise aber auch eingegliedert in den Korruptionsdiskurs. Die sofortige Forderung nach einem Untersuchungsausschuss in Folge des Ausbruchs eines Skandals lässt sich zudem gut in den zeitgenössischen Umgang mit Skandalen einordnen. So wurde gezeigt, dass beinahe jeder Korruptionsskandal in der Weimarer Republik zur Einberufung eines solchen Ausschusses geführt hatte.668 In den Arbeiten der Ausschüsse zeigt sich außerdem eine weitere spannende Dynamik der Weimarer Republik. Es lässt sich zunächst konstatieren, dass insbesondere die linken und rechten Parteien nicht versuchten, konstruktiv zusammenzuarbeiten und eine Aufklärung von Tatsachen herbeizuführen, obgleich sie den Willen dazu betonten. Insbesondere die KPD, aber auch die völkischen Parteien boykottierten regelmäßig die Arbeit des Ausschusses und erschwerten sie somit. Die DNVP spielte eine besondere Rolle, wie sie schon der Historiker Thomas Mergel konstatiert hat.669 Es lässt sich regelmäßig ihr Wille zur Kooperation im Ausschuss erkennen und eine Distanz zu parteipolitischen Kämpfen. Eine Radikalisierung und verstärkte Republikfeindlichkeit der DNVP ab 1928 lässt sich in Hinblick auf die untersuchten Quellen allerdings nicht feststellen. Gleichzeitig verfiel aber auch diese Partei, genau wie alle anderen Parteien, wieder in den parteipolitischen Kampf, der eine geordnete Zusammenarbeit hemmte.670 Hierbei lässt sich das von Mergel beschriebene Phänomen beobachten, das auf das Verhältnis von Parlament und Öffentlichkeit zurückzuführen ist:

667 668 669 670

Ibid. Siehe u. a.: Klein 2014: Korruption und Korruptionsskandale. Mergel 2003: Das Scheitern des deutschen Tory-Konservatismus. Zur Kritik an Mergels These siehe auch: Kittel, Manfred: »Steigbügelhalter« Hitlers oder »stille Republikaner«? Die Deutschnationalen in neuerer politikgeschichtlicher und kulturalistischer Perspektive. In: Thomas Nicklas und Hans-Christof Kraus (Hg.): Geschichte der Politik. Alte und neue Wege. Oldenburg; München, 2007, S. 201–235.

156

Die Weimarer Republik – Aufklärung oder parteipolitischer Kampf ?

Obwohl auf vielen Ebenen, vor allem in der Alltagsarbeit, die Abgeordneten zusammenwuchsen und da, wo es nicht um symbolische Bestände ging, zu Kooperation und Kompromiß fähig waren, wirkte der Druck seitens der Öffentlichkeit, besonders seitens der Parteibasis, in eine andere Richtung: Von hier aus wurden hohe Erwartungen an die Durchsetzungsfähigkeit der eigenen Richtung ebenso wie an das Niveau der Beratung geäußert, denen von ›innen‹ nur entsprochen werden konnte, wenn Konfrontationspolitik getrieben wurde.671

Zudem wird deutlich, dass die Konflikte zwischen den Parteien und die Angriffe der antirepublikanischen Parteien auf die republikanischen nach Abschluss der Ausschüsse stets zunahmen. Versuchten sie in den Ausschüssen meist noch zusammenzuarbeiten, endete dies nach der Ausschussarbeit und insbesondere die antirepublikanischen Parteien verstärkten ihre Kritik. Die NSDAP als Partei, die nicht in die Ausschussarbeit integriert war, kritisierte diese besonders heftig. Dennoch lässt sich nicht zwingend erkennen, dass an der Ausschussarbeit beteiligte Parteien den Ausschüssen weniger kritisch gegenüberstanden, wie insbesondere das Beispiel der KPD beweist. Während die DNVP in den Ausschussarbeiten meist den Willen zur Beteiligung zeigte, machte die KPD keinen Hehl daraus, dass sie die Ausschussarbeit und das gesamte politische System nicht akzeptierte und kein Interesse an einer konstruktiven Zusammenarbeit hatte. Für die zwei Fälle der Weimarer Republik lässt sich in diesem Zusammenhang konstatieren, dass die Ausschüsse vor allem als eine Waffe der Opposition begriffen wurden. Diese forderte die Einsetzung der Ausschüsse und nutzte sie regelmäßig, um die beschuldigten republikanischen Parteien öffentlich anzugreifen. Zudem lässt sich feststellen, dass die Parteien, die nicht in die Fälle verwickelt waren, sicherlich von der öffentlichen Ausschussarbeit profitierten und diese nutzten, um die anderen Parteien bloßzustellen, obgleich sie auch diejenigen waren, die die Ausschüsse am meisten kritisierten. Dennoch muss auch dies differenziert wahrgenommen werden. Aufschlussreich ist dabei vor allem der Sklarek-Fall: Hier kritisierte die KPD die Ausschussarbeiten und nutzte diese simultan, um andere Parteien anzugreifen, obgleich sie selbst in diesen Fall verwickelt war. Die Kommunikation in den Untersuchungsausschüssen und die Debatte um Transparenz ordnen sich also auch hier in die allgemeine Kommunikation der Weimarer Republik ein. Die öffentlichen Verhandlungen der Ausschüsse stellte ein wichtiges Novum in der Kommunikation zwischen Reichstag und Öffentlichkeit dar. Während der Reichstag weiterhin in bedeutenden Entscheidungen als ein »Arkanum« agierte,672 schafften die Ausschüsse weitestgehend einen di671 Mergel, Thomas: Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik. Politische Kommunikation, symbolische Politik und Öffentlichkeit im Reichstag. Düsseldorf, 2002, S. 73. 672 Ibid., S. 480.

Transparenz durch Untersuchungsausschüsse in der Weimarer Republik

157

rekten Zugang zu Informationen, auch über einzelne Verhandlungen und Beschlüsse. Gleichzeitig fand eine Eingrenzung durch die nicht öffentlichen Sitzungen statt. Es bestätigt sich außerdem die These Steffanis, anhand der Umsetzung des parlamentarischen Untersuchungsrechts lasse sich die Stärke oder Schwäche eines Parlaments erkennen. In der Weimarer Republik war das Parlament stark genug, ohne größere Schwierigkeiten sein Kontrollrecht durch die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen durchzusetzen. Insbesondere während der und nach den Arbeiten der Ausschüsse lassen sich aber die Verhältnisse im Parlament und die Meinungen gegenüber dem Parlament sehr gut herausarbeiten. Es wird deutlich, dass die Akzeptanz gegenüber dem Parlament als Kontrollinstanz zwar existent war, aber nicht zwingend befürwortet wurde. So wurde das Untersuchungsrecht im Nachhinein insbesondere von den antirepublikanischen Parteien häufig kritisiert oder während der Verhandlungen genutzt, um parteipolitische Konflikte auszutragen oder sogar gegen das System zu wettern. Die Untersuchung lässt sich außerdem in die Transparenzforschung einordnen. Der Begriff »Transparenz« wurde zu dieser Zeit noch nicht verwendet, trotzdem wurde eindeutig über Transparenz gesprochen. Während Transparenz für alle im Detail etwas anderes bedeutete, wurde sie zunächst allgemein positiv konnotiert. Sie galt als ein wichtiges Gegenmittel zu Korruption. Es lassen sich die verschiedenen Kategorien nach Heald in den untersuchten Quellen wiederfinden. Bei den Untersuchungsausschüssen der Weimarer Republik ging es vor allem um eine »downwards-Transparenz«, d. h. Informationen aus der Politik sollten gegenüber der Bevölkerung öffentlich gemacht werden. Zudem sollte insbesondere durch die öffentlichen Sitzungen der Untersuchungsausschüsse sowie ihre Berichte »inwards-Transparenz« geschaffen werden, also eine Einsicht in die Ausschusshandlungen. Der Ausschuss wiederum sollte »outwardsTransparenz«, z. B. durch Akteneinsicht, erhalten. Der gesamte Prozess sollte transparent gemacht werden. In wenigen Ausnahmen jedoch wurden nur die Ergebnisse veröffentlicht. Hierbei lässt sich neben der »Event-« und der »ProzessTransparenz« auch die Unterscheidung zwischen »Realtime-« und »RetrospectTransparenz« ausmachen. Die Ausschüsse setzten insbesondere auf »RealtimeTransparenz«. War dies allerdings nicht möglich, versuchten die Ausschüsse in der Regel, im Nachhinein Transparenz zu schaffen. Dabei ging es allerdings nicht darum, den gesamten Prozess zugänglich zu machen, sondern nur die Ergebnisse. Dies war vor allem bei den nicht öffentlichen Sitzungen der Fall. In diesem Zusammenhang zeigen sich auch die Grenzen von Transparenz in den Untersuchungsausschüssen der Weimarer Republik. Es war nicht möglich, einen vollständigen Zugang zu Informationen zu gewähren. Gründe hierfür waren unter anderem der Schutz einzelner Personen oder Informationen. Nicht alles durfte also an die Öffentlichkeit gelangen. Dies führte insbesondere dazu,

158

Die Weimarer Republik – Aufklärung oder parteipolitischer Kampf ?

dass der Versuch, Transparenz zu schaffen, Misstrauen verstärkte. Anders als es die Vorstellung von Transparenz suggeriert, konnte also nicht Vertrauen hergestellt werden, sondern das Gegenteil war der Fall. Die Sorge war, dass bewusst wichtige Informationen zurückgehalten würden und alles nur ein Scheinverfahren sei. Neben dem Schutz einzelner Personen oder Informationen spielte auch die Tatsache eine wichtige Rolle, dass Transparenz die Zusammenarbeit erschweren konnte. Insbesondere Entscheidungen über Zeugenbefragungen oder den weiteren Verlauf der Ausschusssitzungen wurden daher bevorzugt in nicht öffentlichen Sitzungen diskutiert. Inwieweit diese Vorstellung gerechtfertigt ist, lässt sich hier nur schwer ausmachen, da die Protokolle der nicht öffentlichen Sitzungen nur teilweise vorhanden sind. Welche Auswirkungen jedoch weite Transparenz auf die Zusammenarbeit haben kann, zeigt die Radioübertragung im Fall Sklarek, die die üblichen parteipolitischen Konflikte in den einzelnen Sitzungen weit übertraf. Die Debatten um Transparenz stellten einen wichtigen Baustein in der politischen Kulturgeschichte und Kommunikation der Weimarer Republik dar, der bis dato noch nicht genügend betrachtet wurde und eine größere Aufmerksamkeit in der Geschichtswissenschaft verdient. Weiterhin offen muss dabei die Frage bleiben, inwiefern die Untersuchungsausschüsse der Weimarer Republik das politische System gestärkt oder geschwächt haben. Geyer konstatiert in einem Artikel: Auf kuriose Weise verkehrte sich der wegen der Implizierung des Reichspräsidenten politisch so aufgeladene Barmat-Fall in eine Selbstinszenierung der Republik und ihres Justizwesens. Der Tenor war, dass Vernunft über die durch die Presse angepeitschten journalistischen Sensationen und politischen Emotionen gesiegt habe. Trotz der vielen offenkundigen Fehler, […] erschien dessen [des Falls, SZ] Abwicklung als ein später Triumph institutionell geregelter und damit rechtsförmiger Verfahren. Dazu zählte die Etablierung der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, die sich der Fälle annahm.673

So wirkten die Untersuchungsausschüsse dadurch, dass sie öffentlich ermittelten und versuchten den Fall aufzuklären, sicherlich zunächst systemstärkend. Sie waren ein Kontrollsystem des Parlaments und sollten reinigend auf dieses wirken. Durch die zunehmende Kritik und die allgemeine Diskussion über die Untersuchungsausschüsse, aber vor allem durch die eher schwachen Ergebnisse in den (Teil-)Berichten der Untersuchungsausschüsse wurde dieser Effekt wieder geschmälert. Insbesondere die parteipolitischen Argumentationen der KPD und der rechten Parteien gegen die Untersuchungsausschüsse führten eher zu einem »politisch-propagandistischem Erfolg der Gegner der parlamentarischen De673 Geyer 2010: Der Barmat-Kutisker-Skandal, S. 71.

Transparenz durch Untersuchungsausschüsse in der Weimarer Republik

159

mokratie«,674 der zeigte, dass das Parlament nicht wirklich in der Lage war, Probleme durch diese Ausschüsse zu beheben. Dies müsste durch ausführlichere Studien noch weiter überprüft werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit legen aber nahe, dass das System der Weimarer Republik es nicht geschafft hat, den Beweis zu erbringen, dass es in der Lage war, die Korruptionsprobleme in diesem System selbst zu lösen.675 Insbesondere der parteipolitische Kampf innerhalb der Ausschüsse und die mangelhaften Berichte schürten eher die Enttäuschung über dieses Instrument. Obgleich die starke Tendenz zur Nutzung dieses Instrumentes für den parteipolitischen Kampf überwog, hat dieses Kapitel aber noch weitere seiner Funktionen dargestellt. Die Ausschüsse fungierten auch als Arenen zur Forderung nach und zur Herstellung von Transparenz, in deren Debatten das Argument Transparenz eine sehr entscheidende Rolle spielte. Trotz der Kritik an diesen Ausschüssen und den vermeintlich schwachen Ergebnissen wurden parlamentarische Untersuchungsausschüsse nach dem Zweiten Weltkrieg in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen und bildeten auch hier ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Korruptionsskandalen. Inwiefern Transparenz hier ebenfalls von Bedeutung war, wird im folgenden Kapitel näher untersucht.

674 Heimann 2011: Der preußische Landtag, S. 344. 675 Siehe hierzu auch u. a.: Klein, Annika: Hermes, Erzberger, Zeigner. Korruptionsskandale in der Weimarer Republik. In: Kristin Bulkow und Christer Petersen (Hg.): Skandale. Strukturen und Strategien öffentlicher Aufmerksamkeit. Wiesbaden, 2011, S. 49–66, S. 61.

4.

Die Selbstreinigung des politischen Systems – Untersuchungsausschüsse in der Bonner Republik

Nachdem parlamentarische Untersuchungsausschüsse im Nationalsozialismus nicht mehr existierten, wurden sie 1949 wieder in das Grundgesetz der Bonner Republik aufgenommen. Nach einigen Diskussionen über den Sinn der Ausschüsse stand schnell fest, dass auf sie nicht verzichtet werden konnte. Bei dieser Entscheidung kam besonders der durch sie geschaffenen Transparenz eine große Bedeutung zu. In diesem Kapitel werden neben allgemeinen verfassungsrechtlichen Fragen und Reformvorschlägen erneut zwei Ausschüsse beispielhaft analysiert: die Untersuchungsausschüsse zur Hauptstadtfrage 1950/51 und zum Fall Steiner-Wienand 1973/74. Dabei liegt der Fokus weiterhin auf den Fragen, welchen Stellenwert Transparenz als Argument in den Debatten in den und über die Ausschüsse einnahm und inwiefern diese als Plattform zur Herstellung von Transparenz angesehen wurden. In diesem Zusammenhang spielen die Thesen der Historiker Anselm DoeringManteuffel und Ulrich Herbert eine große Rolle. Doering-Manteuffel erklärt, es sei in den 1960er Jahren zu einer »Westernisierung« gekommen. So sei durch die »Institutionen des neuen Staats« vor allem »de[r] Kontrast zwischen der zweiten und der ersten Republik« deutlich geworden.676 In den 1960er Jahren seien es vor allem »die ideellen Veränderungen und der Wandel des sozial normativen Wertesystems« gewesen, die »zum Vorschein« kamen.677 In diesem Zusammenhang sollen insbesondere seine Ideen zur Demokratieentwicklung näher untersucht werden. Doering-Manteuffel argumentiert, dass die Demokratie in den Anfangsjahren »noch keineswegs zur Lebensform der Gesellschaft geworden« war, die vielmehr durch »obrigkeitliches Denken und patriarchalische Strukturen« geprägt gewesen sei.678 In dieser Zeit sei der »Grundkonsens der westdeutschen Gesell676 Doering-Manteuffel, Anselm: Westernisierung. Politisch-ideeller und gesellschaftlicher Wandel in der Bundesrepublik bis zum Ende der 60er Jahre. In: Axel Schildt, Detlef Siegfried und Karl Christian Lammers (Hg.): Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften. Hamburg, 2000, S. 311–341, S. 312. 677 Ibid. 678 Ibid., S. 332.

162

Untersuchungsausschüsse in der Bonner Republik

schaft« gewesen, das neue politische System müsse sich möglichst von allen totalitärem Systemen, wie dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus, aber auch von den Fehlern der Weimarer Republik abgrenzen.679 Das Ziel war dabei, die junge Demokratie nicht zu gefährden. Dies änderte sich in den 1960er Jahren, hier »artikulierte sich erstmals ein selbstbewußtes staatsbürgerliches Demokratieverständnis in der Bevölkerung« und »es entfaltete sich die liberale Demokratie in der Bundesrepublik«.680 Kritik an der Politik wurde nun offen geäußert. Herbert konstatiert ebenfalls eine »Liberalisierung« in dieser Zeit. Diese habe in den späten 1950er Jahren begonnen und ihren Höhepunkt in den 1960er und frühen 1970er Jahren erreicht.681 Herbert betont, dass in den 1950er Jahren eher ein autoritäres und Konflikte vermeidendes Modell von Gesellschaft und Staat befürwortet worden sei.682 Ab den späten 1950er Jahren änderte sich dies insbesondere mit der zunehmenden journalistischen Berichterstattung683 und den neuen Journalistengenerationen684. Vor allem im Zuge der Spiegel-Affäre 1962685 sei es zu einer immer kritischeren Öffentlichkeit gekommen und die prägenden »Konfrontationslinien« der westdeutschen Politik für die folgenden »drei Jahrzehnte« seien in dieser Zeit entstanden.686 In diesem Zusammenhang sei es also erst weit nach der politischen Demokratisierung zu einer gesellschaftlichen gekommen, die sich von der »Konfliktvermeidung« und den »autoritären Strukturen« löste.687 Der Historiker Peter Hoeres erklärt dazu, dass die Öffentlichkeit ab den 1960er Jahren keine »Akklamations- und Verlautbarungssphäre« wie zuvor gewesen sei, sondern sich »zu einem politisierten Resonanzraum für Kritik und Skandale entwickelt« habe.688 In diesem Kapitel soll auch untersucht werden, inwiefern sich diese Thesen auf die Untersuchungsausschüsse übertragen lassen. Im Folgenden wird dargelegt, dass die Transparenz der Ausschüsse von großer symbolischer Bedeutung war. Insbesondere in den Anfangsjahren der jungen Bonner Republik sollte sie die Stärke des Parlaments und den Willen zur Aufdeckung von Korruptionsskandalen demonstrieren. Des Weiteren wird 679 Doering-Manteuffel 2000: Westernisierung, S. 332. 680 Ibid., S. 333. 681 Herbert, Ulrich: Liberalisierung als Lernprozeß. Die Bundesrepublik in der deutschen Geschichte – eine Skizze. In: Ulrich Herbert (Hg.): Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945–1980. Göttingen, 2002, S. 7–49, S. 14. 682 Ibid., S. 25. 683 Ibid., S. 28. 684 Ibid., S. 44ff. 685 Siehe hierzu u. a.: Doerry, Martin; Janssen, Hauke: Die Spiegel-Affäre. Ein Skandal und seine Folgen. München, 2013. 686 Herbert 20020: Liberalisierung als Lernprozeß, S. 29. 687 Ibid. 688 Hoeres, Peter: Außenpolitik und Öffentlichkeit. Massenmedien, Meinungsforschung und Arkanpolitik in den deutsch-amerikanischen Beziehungen von Erhard bis Brandt. München, 2013, S. 17.

Der Verfassungskonvent des Parlamentarischen Rates

163

davon ausgegangen, dass sich in den Debatten in den und über die beiden Ausschüsse große Unterschiede erkennen lassen. Während die Bonner Republik in den 1950er Jahren noch jung und angreifbar war, war sie in den 1970er Jahren weitestgehend etabliert. Dies sollte sich auch im Umgang mit den Untersuchungsausschüssen widerspiegeln. Zunächst wird die Debatte um die Aufnahme der Untersuchungsausschüsse in das Grundgesetz näher beleuchtet. Daraufhin werden der Ausschuss 1950/51 und die damit verbundenen Debatten untersucht. Anschließend werden die daraus resultierenden Reformvorschläge genauer betrachtet, bevor der nächste Untersuchungsausschuss 1973/74 analysiert wird. Schließlich werden auch hier die Reformvorschläge beleuchtet, bevor ein abschließendes Fazit für dieses Kapitel gezogen wird.

4.1

Der Verfassungskonvent des Parlamentarischen Rates

Vom 10. bis zum 23. August 1948 tagte der Verfassungskonvent des Parlamentarischen Rates im Alten Schloss auf Herrenchiemsee. Dieser Ausschuss setzte sich aus »Experten, [die] durch die Ministerpräsidenten der einzelnen Länder benannt worden sind«, zusammen.689 Ziel des Konvents war es, einen Verfassungsentwurf für die künftige Arbeit des Parlamentarischen Rates auszuarbeiten. Tatsächlich diente der Bericht des Verfassungskonvents – gemeinsam mit den Entwürfen der Parteien – dem Parlamentarischen Rat als Grundlage für seine Ausarbeitung des Grundgesetzes. In den Arbeiten des Verfassungskonvents spielte die Diskussion um Untersuchungsausschüsse eine wichtige Rolle. So musste zunächst einmal die Frage geklärt werden, ob Untersuchungsausschüsse überhaupt im System der Bonner Republik etabliert werden sollten. Vor allem nach den Erfahrungen der Weimarer Republik scheint dieses Vorhaben nicht unumstritten gewesen zu sein. Weitere Fragen waren: Wenn sie in das Grundgesetz aufgenommen werden sollten, wie sollte dies geschehen? Welche Befugnisse sollten sie haben und wie sollten sie funktionieren? Die Weimarer Republik und die mit ihr gesammelten Erfahrungen prägten die Arbeiten des Verfassungskonvents maßgeblich. So erklärte Josef Beyerle, Justizminister aus Württemberg-Baden, es müsse geschaut werden, »wie sich das, was wir schaffen[,] zur Weimarer Verfassung verhält«.690 Er ging »davon aus, daß die Weimarer Verfassung an sich zum guten Teil noch besteht und nur an ihrer Wirkungsfähigkeit gehindert ist, wie ja auch der deutsche Gesamtstaat noch der 689 Deutscher Bundestag; Bundesarchiv: Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd. 2: Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee. Boppard, 1981, S. 67. 690 Redebeitrag Josef Beyerle, in: Ibid., S. 92.

164

Untersuchungsausschüsse in der Bonner Republik

Geschäftsfähigkeit entbehrt«.691 In diesem Zusammenhang tat sich die Diskussion auf, inwiefern die Verfassung der Weimarer Republik weiterhin noch gelte. So erklärte Fritz Baade, Vertreter Schleswig-Holsteins, dass das Deutsche Reich mit der Weimarer Verfassung noch immer existiere. Das NS-Reich sei durch einen kriminellen Akt errichtet worden und auch die Besatzung sei eine »kriminelle Verletzung des Völkerrechts«.692 Diese Frage wurde im Verfassungskonvent nicht weiter geklärt. Die Aufgabe war schließlich, einen neuen Entwurf für eine Verfassung zu erarbeiten, die besser funktionieren sollte als die Verfassung der Weimarer Republik. Der Vergleich mit der Weimarer Republik kam auch in der Diskussion über die Untersuchungsausschüsse immer wieder auf.693 Baade schrieb den Ausschüssen eine große Bedeutung zu, dies jedoch in einem negativen Sinn. Er hinterfragte die Untersuchungsausschüsse und kritisierte, dass sie in der Weimarer Republik eher zum Untergang des politischen Systems als zu seiner Stärkung beigetragen hätten. Dabei hätten sie eine »Objektivität« vorgetäuscht, die sie nie besaßen.694 Sie hätten einzig und allein dem »Agitationszwecke« extremer Parteien gedient.695 Zudem argumentierte er weiter, Untersuchungsausschüsse hätten ein System wie das von Weimar, wo es »keine konstruktive, sondern nur noch eine destruktive Mehrheit« gab, eher geschädigt.696 Er kritisierte damit den Aspekt, der für die Beispiele in dieser Arbeit bestätigt werden konnte, nämlich dass die Ausschüsse vor allem als eine Waffe der Opposition und insbesondere der republikfeindlichen Parteien genutzt wurden. Im Allgemeinen stellte sich zunächst die Frage, ob es sinnvoll sei, dass Untersuchungsausschüsse durch eine Parlamentsminderheit eingesetzt werden könnten. Dabei sprach sich insbesondere der Bürgermeister Bremens, Theodor Spitta, dafür aus, das Minoritätsrecht zu streichen. Er wünschte sich außerdem, den Satz, der Bundestag habe die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, zu entfernen.697 Baade erwiderte daraufhin, es sei vollkommen egal, welche Anzahl an Abgeordneten den Ausschuss fordere. Das eigentliche Problem sei, ob ein solcher Ausschuss sich »anmaßen darf, als Richter aufzutreten und einen Rechtsspruch zu fällen, gegen den es keine Appellation in einem geordneten Verfahren 691 Ibid. 692 Redebeitrag Fritz Baade, in: Ibid., S. 93. 693 Siehe hierzu auch: Fromme, Friedrich Karl: Von der Weimarer Verfassung zum Bonner Grundgesetz. Berlin, 1999³, S. 32; Mommsen, Hans: Von Weimar nach Bonn. Zum Demokratieverständnis der Deutschen. In: Axel Schildt und Arnold Sywottek (Hg.): Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre. Bonn, 1998, S. 745– 758, S. 745ff. 694 Redebeitrag Fritz Baade, in: Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Bd. 2, S. 396. 695 Ibid. 696 Redebeitrag Theodor Spitta, in: Ibid., S. 398. 697 Ibid.

Der Verfassungskonvent des Parlamentarischen Rates

165

gibt«.698 In diesem Zuge forderte auch Beyerle, dass Untersuchungsausschüsse zunächst einmal durch das oberste Bundesgericht geprüft werden sollten.699 Diese Diskussion über die Zulässigkeit und Umsetzung von Untersuchungsausschüssen führte zu einer klaren Aussage Carlo Schmids, Justizministers von Württemberg-Hohenzollern. Dieser insistierte, es müsse entweder vollständig auf Untersuchungsausschüsse verzichtet werden oder ihre Nachteile in Kauf genommen werden. Er sprach sich allerdings deutlich dafür aus, »dem Parlament unbedingt das Recht zu[zu]erkennen, sich durch Untersuchungsausschüsse über bestimmte Vorgänge zu informieren«.700 Er betonte in diesem Zusammenhang jedoch, »daß das Votum eines solchen Untersuchungsausschusses ausschließlich unter politischen Gesichtspunkten zu werten ist«.701 Ihm zufolge gebe es »kein[en] Unterschied, ob ein Untersuchungsausschuß eine Schlußfolgerung zieht oder ob das Gesamtparlament aus politischen Gründen, meinetwegen aus perversen politischen Gründen, einen Tadel ausspricht«.702 Schmid ging es dabei weniger darum, Transparenz gegenüber der Bevölkerung zu schaffen als vielmehr gegenüber dem Parlament. So sollten die Ausschüsse als Instrument zur Informationsbeschaffung und Kontrolle für das Parlament selbst dienen. Hermann Brill, Staatssekretär in Hessen, sprach sich ebenfalls klar für Untersuchungsausschüsse aus. Er forderte nur, dass der »Zweck der Untersuchungsausschüsse in der Vorlage genauer definiert würde[…]«.703 Er argumentierte außerdem gegen »[e]inen Appell an einen Gerichtshof«, da dieser nichts mit den Ausschüssen zu tun habe. Untersuchungsausschüsse sollten kein Urteil fällen, sondern nur aufdecken und für das Parlament Klarheit schaffen.704 Hier lässt sich ebenfalls die Ansicht erkennen, der Ausschuss solle für Transparenz gegenüber dem Parlament sorgen und nicht zwingend gegenüber der Bevölkerung. Der Justiz- und Kulturminister von Rheinland-Pfalz, Adolf Süsterhenn, sah dies anders. Er unterstrich die Notwendigkeit einer richterlichen Korrektur: Das Volk sagt nämlich: Der Untersuchungsausschuß, der richterliche Befugnisse hat, hat gesprochen. Damit ist der Reichsbeamte oder sonst Betroffene gegenüber der Öffentlichkeit diffamiert, ohne die Möglichkeit zu haben, auf dem ordentlichen Rechtsweg seine Ehre wiederherzustellen. Wenn mit dem Mittel eines Untersuchungsausschusses Mißbrauch getrieben wird, muß dieser Mißbrauch auch durch eine richterliche Entscheidung in der Öffentlichkeit angeprangert werden können.705

698 699 700 701 702 703 704 705

Redebeitrag Fritz Baade, in: Ibid., S. 399. Redebeitrag Josef Beyerle, in: Ibid., S. 399. Redebeitrag Carlo Schmid, in: Ibid., S. 400. Ibid. Ibid. Redebeitrag Hermann Brill, in: Ibid., S. 400. Ibid. Redebeitrag Adolf Süsterhenn, in: Ibid., S. 401.

166

Untersuchungsausschüsse in der Bonner Republik

Diese Aussage verdeutlicht die Sorge vor möglichen Verleumdungen und einem möglichen Missbrauch der Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse, wie es immer wieder in der Weimarer Republik der Fall war. Die Transparenz gegenüber der Bevölkerung schien für ihn nicht der entscheidende Aspekt für das Fortbestehen der Institution der Untersuchungsausschüsse zu sein. Trotzdem war er sich ihrer Wirkung in der Bevölkerung bewusst und wusste, dass sie ein wichtiges Instrument für deren Informationsgewinn waren. Letztendlich führten all diese Diskussionen dazu, dass die Untersuchungsausschüsse in die Verfassung der Bonner Republik aufgenommen werden sollten. Dabei kam es allerdings immer wieder zu Änderungen und Überarbeitungen des betreffenden Paragraphs. Die vorläufige Formulierung der Fachausschüsse vom 18. Oktober 1948 legte nur fest, dass die Öffentlichkeit mit einer Zweidrittelmehrheit ausgeschlossen werden konnte. Die Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses vom 10. November bis zum 5. Dezember 1948 übernahm in Teilen den Artikel 34 der Weimarer Verfassung und fügte dazu den Absatz 6 des Herrenchiemseer Entwurfs hinzu. Dieser besagte, dass bei einer vermeintlichen Verleumdung vor dem Ausschuss ein Gericht eingeschaltet werden könne. Das Entscheidende für vorliegende Arbeit ist aber, dass im Absatz 2 nicht nur der mögliche Ausschluss der Öffentlichkeit festgesetzt wurde, sondern noch einmal betont wurde, dass der Untersuchungsausschuss »in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise [erhebt]«.706 Hinzu kam außerdem die klare Formulierung des Absatzes 4, dass »[d]as Post-, Brief-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis« nicht von der Aussagepflicht betroffen war. In den Formulierungen davor bezog sich diese Aussage nur auf das Postgeheimnis. In den weiteren Lesungen kam es nur noch zu vereinzelten Änderungen verschiedener Absätze. So wurden die Untersuchungsausschüsse in das Grundgesetz der Bonner Republik vom 23. Mai 1949 aufgenommen. Sie befanden – und finden sich noch heute – unter dem Artikel 44, welcher folgendermaßen lautete: Artikel 44 (1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden. (2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt. (3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet. 706 Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses zu den Formulierungen der Fachausschüsse. Stand vom 10. Nov – 5. Dez. 1948, in: Deutscher Bundestag; Bundesarchiv: Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd. 7: Entwürfe zum Grundgesetz. Boppard, 1981, S. 36–90, S. 54.

Die Hauptstadtaffäre 1950/51

167

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.707

Die Vorschläge des Verfassungskonvents wurden übernommen. Die Anzahl an benötigten Antragsstellern wurde von einem Fünftel auf ein Viertel erhöht, um die Gefahr der Ausnutzung der Ausschüsse durch extreme Parteien zu schmälern. Bereits im ersten Abschnitt wurde deutlich gemacht, dass der Ausschuss öffentlich verhandeln solle. Die Eingrenzung der Aussagepflicht für Postgeheimnisse wurde im zweiten Absatz genannt. Zudem sollte der Ausschuss nach der Strafprozessordnung verhandeln. Dieser Punkt brachte noch einige Schwierigkeiten und Diskussionen mit sich. Grund hierfür war das Fehlen einheitlicher Richtlinien für Untersuchungsausschüsse. Die für Gerichte ausgelegte Strafprozessordnung konnte der Arbeit der Untersuchungsausschüsse nicht gerecht werden. Erst in den 1960er Jahren wurden eigene Richtlinien für Untersuchungsausschüsse ausgearbeitet. So musste der erste hier betrachtete Ausschuss noch ohne solche Richtlinien arbeiten, während diese 1973/74 vorhanden waren. Der dritte Absatz des Artikels 44 regelte, dass Gerichte und Verwaltungsbehörden verpflichtet waren, den Untersuchungsausschuss bei seiner Arbeit zu unterstützen. Im vierten Abschnitt wurde abschließend festgelegt, Gericht und Untersuchungsausschuss seien zwei unabhängig voneinander ermittelnde Instanzen.

4.2

Die Hauptstadtaffäre 1950/51

4.2.1 Kontext und Fallbeschreibung Bereits kurz nachdem die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse als ein Kontrollinstrument des Parlaments 1949 in das Grundgesetz aufgenommen wurden, kamen sie in der jungen Bonner Republik zum ersten Mal zum Einsatz.708 Der Spiegel berichtete schon 1950 vom Vorwurf der Korruption bei der Abstimmung über die Bundeshauptstadt. Kurz darauf forderten nahezu alle Parteien des Bundestages – mit Ausnahme der KPD, die sich aber auch nicht prinzipiell gegen einen Ausschuss stellte –, die Einsetzung eines Untersu-

707 Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23. Mai 1949. URL: https://www. 1000dokumente.de/index.html?c=dokument_de&dokument=0014_gru&object=pdf&l=de [28. 02. 2023]. 708 Um den Skandal in seiner Ausführlichkeit nachzuvollziehen, siehe: Perthen 2021: Korruption kritisieren, S. 78ff.

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Untersuchungsausschüsse in der Bonner Republik

chungsausschusses. Im Oktober 1950 konstituierte sich dann der erste Untersuchungsausschuss der Bonner Republik. Am 27. September 1950 erregte das junge Magazin Der Spiegel mit seinem Artikel »Klug sein und mundhalten« großes Aufsehen.709 In diesem Beitrag äußerte das Magazin den Vorwurf, es seien insgesamt 2 Millionen DM zugunsten Bonns in der Abstimmung über die neue Hauptstadt der Republik geflossen. Der Abgeordnete Anton Donhauser habe demnach dem Abgeordneten Conrad Fink Geld dafür geboten, wenn dieser in der Abstimmung über die Hauptstadtfrage für Bonn und nicht für Frankfurt am Main stimmen würde. Das Bestechungsgeld des Abgeordneten Finks stammte zudem angeblich vom Finanzminister Fritz Schäffer. Dieser habe als Vermittler gedient, sodass der Abgeordnete Donhauser das Geld »aus einem privaten Fonds für die politische Arbeit von Parteien erhalten« habe.710 Mit diesen Vorwürfen brachte Der Spiegel einen Skandal ins Rollen, der die junge Republik mit Korruption in Zusammenhang brachte. Das Magazin führte außerdem an, es existiere ein Gedächtnisprotokoll der Abgeordneten Joseph Baumgartner und Ernst Falkner (beide Bayernpartei, BP), in welchem der BP-Abgeordnete Hermann Aumer die Bestechung zugunsten Bonns zugebe. Zudem erklärte Aumer darin angeblich, es sei auch über die Hauptstadtfrage hinaus zu Bestechungen durch den Abgeordneten Donhauser unter anderem gegenüber dem CDU-Abgeordneten Robert Pferdmenges gekommen, z. B. bei der Erdölfrage bzw. Abstimmung über die Benzinpreise. Die Bestechungsgelder seien hierbei über die Parteien gelaufen. Der BP-Abgeordnete Georg Mayerhofer habe angeblich weiterhin zugegeben, für die Abstimmung über die Hauptstadt der Republik Bestechungsgeld erhalten zu haben. Der Spiegel stützte sich bei seinem Artikel vollständig auf das vermeintliche Gedächtnisprotokoll. Diese Bestechungsvorwürfe müssen vor dem politischen Kontext gesehen werden. Aumers Beschuldigungen richteten sich besonders stark gegen den Abgeordneten Donhauser. Bei diesem handelte es sich ebenfalls um ein Parteimitglied der Bayernpartei. So wurde im Verlaufe der Debatten über diesen Skandal schnell die Anschuldigung laut, es handle sich bei diesen Vorwürfen nur um eine parteipolitische Waffe. Insbesondere seit 1950 hatte sich die Bayernpartei zunehmend in zwei Flügel aufgesplittert, die sich feindselig gegenüberstanden.711 Die Bestechungsvorwürfe kamen schon vor dem Skandal um die Hauptstadtfrage auf und wurden daraufhin bereits in einem parteiinternen Schiedsgericht bzw. Untersuchungsausschuss untersucht. Später wurden sogar die Protokolle dieses Ausschusses durch Parteimitglieder an den Spiegel wei709 Der Spiegel: Klug sein und mundhalten, 39 (27. 09. 1950). 710 Engels 2019: Alles nur gekauft? S. 26. 711 Siehe hierzu auch: Unger, Ilse: Die Bayernpartei. Geschichte und Struktur 1945–1957. Stuttgart, 1979, S. 130.

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tergegeben.712 Obgleich es sich bei diesen Vorwürfen möglicherweise nur um einen parteiinternen Konflikt handelte, standen sie durch die Veröffentlichung im Spiegel nun im Raum und mussten untersucht werden. Daher stellten am 5. Oktober 1950 nahezu alle Parteien des Bundestags (BP, CDU und CSU, SPD, FDP, DP, WAV und das Zentrum) einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. In diesem Antrag hieß es, dass durch die im Spiegel geäußerten Vorwürfe »die Ehre und die Stellung des ganzen Bundestages berühr[t würde]« und die Einsetzung eines solchen Ausschusses daher eine »unabweisbare[…] Pflicht« sei.713 Der Antrag auf Einsetzung wurde noch in derselben Sitzung einstimmig und ohne größere Diskussionen angenommen.714 Lediglich die KPD forderte einen Ausschuss mit 27 statt 15 Mitgliedern.715 Diese Forderung wurde jedoch abgelehnt und so konstituierte sich der Ausschuss aus 15 Mitgliedern, die noch in der gleichen Sitzung gewählt wurden – ohne Mitarbeit der KPD.716 Der Antrag sollte das gemeinsame Interesse an der Untersuchung des Falles aufzeigen. Anders als in der Weimarer Republik wurde der Ausschuss nicht von der Opposition oder einer Minderheit eingesetzt, um den Fall politisch auszunutzen. Er nahm zügig seine Arbeit auf und hielt noch am 5. Oktober und somit am selben Tag seine erste Sitzung ab.717 Er machte es sich dabei zur Aufgabe, insbesondere den im Artikel des Spiegel geäußerten Vorwurf, es seien 2 Millionen DM an verschiedene Abgeordnete gezahlt worden, zu untersuchen. Dabei musste er sich gezwungenermaßen an die Vorgaben des Bundestags halten.718 Die eher vage Formulierung dieser Vorgaben ermöglichte es dem Untersuchungsausschuss allerdings auch Anschuldigungen zu untersuchen, die sich im Laufe der Untersuchung auftaten und die nicht im Artikel des Spiegel erwähnt worden waren. So versuchte der Ausschuss, alle genannten Zahlungen an Politiker und von diesen genau zu überprüfen. Es herrschte ein großes Interesse der Öffentlichkeit an der Arbeit des Untersuchungsausschusses, die »in den Medien mit großer Aufmerksamkeit verfolgt [wurde]«.719 Nach 24 öffentlichen, drei kommissarischen und dreizehn beratenden Sitzungen verfasste der sogenannte 712 Engels 2019: Alles nur gekauft? S. 26f. 713 Deutscher Bundestag: Antrag betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, Drucksache Nr. 1397 (neu), 1. Wahlperiode. URL: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/01/013/01013 97.pdf [28. 02. 2023]. 714 Deutscher Bundestag: Stenographisches Protokoll der Plenardebatte des Deutschen Bundestages am 05. 10. 1950, 1. Wahlperiode, 89. Sitzung, S. 3288ff. 715 Ibid., S. 3289. 716 Eckart 1964: Das Parlamentarische Untersuchungsverfahren, S. 25. 717 Deutscher Bundestag: Stenographisches Protokoll, 05. 10. 1950, S. 3289f. 718 Deutscher Bundestag: Antrag der Fraktionen der Bayernpartei, CDU/CSU, SPD, FDP, DP, WAV und des Zentrums betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes, Drucksache Nr. 1397, 1. Wahlperiode. URL: https://dserver.bundestag.de /btd/01/013/0101397.pdf [28. 02. 2023]. 719 Engels 2019: Alles nur gekauft? S. 27.

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»Spiegel-Ausschuß« einen gemeinsamen Bericht, den er dem Bundestag am 23. Mai 1951 zur Abstimmung vorlegte.720 Der Untersuchungsausschuss stellte in diesem fest, es sei »nichts Wahres« an den Korruptionsvorwürfen.721 Diese hätten nur für die parteipolitischen Konflikte innerhalb der Bayernpartei gedient. Er betonte zwar, es sei tatsächlich zu Zahlungen zur Zeit der Hauptstadtabstimmung und teilweise auch im Zusammenhang mit Finanzminister Schäffer gekommen, diese hätten aber nichts mit der Abstimmung zu tun.722 Der Ausschuss sprach sich anschließend dafür aus, Abgeordnete zur Verantwortung ziehen zu können, sowie für weitere gesetzliche Maßnahmen, die im späteren Verlauf der Studie näher behandelt werden.723 Obgleich verschiedene Fraktionen Anträge stellten und der Rücktritt von fünf beteiligten Abgeordneten gefordert wurde, trat letztlich niemand zurück.724 Im Zuge der Ausschussarbeiten kam es zu verschiedenen Diskussionen über den Nutzen der Ausschüsse und vor allem über die Frage der Öffentlichkeit. Bei den hier geführten Debatten lassen sich teilweise große Ähnlichkeiten zu denen der Weimarer Republik erkennen. Gleichzeitig unterschieden sich die Debatten von denen der Weimarer Republik.

4.2.2 Aufklärung und Korruptionsbekämpfung durch Untersuchungsausschüsse? Der erste Untersuchungsausschuss der Bonner Republik wurde von einer Debatte über Untersuchungsausschüsse allgemein und insbesondere ihren Nutzen begleitet. Die Ausschüsse wurden – trotz der Schwierigkeiten in der Weimarer Republik – als ein wichtiges demokratisches Instrument angesehen. Aufgrund ihrer öffentlichen Verhandlungen sollten sie Klarheit und Vertrauen schaffen. In dieser Argumentation wurden sie – vor allem durch ihre Transparenz – als systemstärkend angesehen. Der Abgeordnete der Bayernpartei Gebhard Seelos begründete die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses zur Behandlung des Skandals um die Hauptstadtfrage mit folgender Aussage: Die Sauberkeit der Staats- und Parlamentsführung ist eine wesentliche Voraussetzung für die Demokratie, wenn sie das Vertrauen des Volkes haben will. Der Weimarer Republik, die sich doch bemüht hat, die öffentlichen Dinge im Geiste der Reinlichkeit zu 720 Deutscher Bundestag: Bericht des Untersuchungsausschusses, Drucksache Nr. 2274, 1. Wahlperiode. URL: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/01/022/0102274.pdf [28. 02. 2023]. 721 Ibid., S. 5. 722 Ibid., S. 4ff. 723 Ibid., S. 20ff. 724 Perthen 2021: Korruption kritisieren, S. 82f.

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behandeln, hat es überaus geschadet, daß einzelne Skandale von staatsfeindlichen Elementen in bewußter Hetze gegen die Idee der Demokratie ausgenützt worden sind. Wenn deshalb der Vorwurf der Unlauterkeit, der Korruption oder Bestechung in der jungen deutschen Bundesrepublik auftaucht, so müssen wir ihm nachdrücklich und scharf nachgehen, aus welcher Quelle er auch immer kommen mag.725

Hier fanden sich bereits wichtige Elemente der Debatte um die Untersuchungsausschüsse versammelt. Eines davon war der Vergleich mit der Weimarer Republik als abschreckendes Beispiel. Hinzu kam die Vorstellung, dass Untersuchungsausschüsse durch ihre Ermittlungen Aufklärung schafften, die »Sauberkeit der Staats- und Parlamentsführung« unterstützten und damit »das Vertrauen des Volkes« in die junge Demokratie stärkten. Diese Idee fand sich bei vielen Abgeordneten dieser Zeit. Auch in späteren Sitzungen des Bundestages und des Untersuchungsausschusses wurde dieses Argument immer wieder hervorgebracht. So erklärte der FDP-Abgeordnete Ernst Mayer, der Untersuchungsausschuss sei eingesetzt worden, um »Reinlichkeit« zu schaffen.726 Der CDU-Abgeordnete Max Solleder lobte im Nachhinein sogar, der Ausschuss sei über den eigentlichen Untersuchungsauftrag hinausgegangen, um »Aufklärung zu schaffen« bzw. »um ein klares Bild von der Sache zu bekommen und klar festzustellen«.727 Er hob später in dieser Sitzung hervor, »daß die Eiterbeule, wenn auch nicht ganz angestochen, so doch immerhin geritzt worden ist, daß überhaupt der Stein ins Rollen gekommen ist« und »daß überhaupt unter dem grellen Scheinwerfer der Öffentlichkeit Dinge aufgedeckt worden ist«.728 In dieser Aussage wurde die Bedeutung der Öffentlichkeit betont, die als eine Art Kontrollinstanz für die Arbeit der Untersuchungsausschüsse dienen und somit eine objektive Ermittlung garantieren sollte. Wichtig schien ihm außerdem die öffentliche Bekämpfung der »Eiterbeule«, also Korruption, durch den Ausschuss. Durch die Ausschussarbeit sollte somit zumindest ein wichtiges Zeichen gegen Korruption gesetzt und erste Maßnahmen dagegen getroffen werden. Die besondere Bedeutung der Öffentlichkeit für die Verhandlungen wurde bereits bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses unterstrichen. Die Verhandlungen sollten öffentlich stattfinden, damit nicht der »Verdacht aufkomme[…] […], daß nun die Parteien vielleicht diese Angelegenheit unter sich erledigen wollten«.729 Hier war die Adressatin der Transparenz also die Bevölkerung. Diese diente zudem als eine Kontrollinstanz. Allein durch ihre Anwesenheit bzw. ihren

725 Redebeitrag Gebhard Seelos, in: Stenographisches Protokoll, 05. 10. 1950, S. 3288f. 726 Redebeitrag Ernst Mayer, in: Bundestag: Stenographisches Protokoll der Plenardebatte des Deutschen Bundestages am 07. 06. 1951, 1. Wahlperiode, 148. Sitzung, S. 5911. 727 Redebeitrag Max Solleder, in: Ibid., S. 5927. 728 Ibid., S. 5930. 729 Redebeitrag Gebhard Seelos, in: Stenographisches Protokoll, 05. 10. 1950, S. 3289.

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Zugang zu den Informationen, sollte sichergestellt werden, dass die Untersuchung im öffentlichen Interesse durchgeführt wurde. Das Argument der Aufklärung durch Untersuchungsausschüsse begleitete die gesamte Arbeit des ersten Ausschusses der Bonner Republik. Dabei wurde es vor allem angeführt, wenn Zeuginnen und Zeugen vernommen werden oder wichtige Beweisstücke und Akten öffentlich verhandelt werden sollten.730 Es diente meist als eine Legitimation für diese Aktionen, um zu zeigen, dass die Beteiligten verlangten, Dinge öffentlich zu ermitteln. So forderte der Zeuge Donhauser, die Vernehmung des Bundeskanzlers Konrad Adenauer in diesem Untersuchungsausschuss, da dieser vermeintlich an einem für die Hauptstadtabstimmung wichtigen Gespräch beteiligt gewesen sei. Nachdem der Vorsitzende ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, dies habe nichts mit dem eigentlichen Fall zu tun, konterte er, dass dies »mit der Sauberkeit des Parlaments sehr viel zu tun [hat]« und »daß es die Öffentlichkeit und vor allem das Parlament sehr viel interessiert, welche merkwürdigen politischen Methoden hier an den Tag gelegt wurden«.731 Zu einer Vernehmung Adenauers vor dem Untersuchungsausschuss kam es jedoch nie. Außerdem wurde dieses Argument im Ausschuss genutzt, um mögliche Erweiterungen des Untersuchungsgegenstandes herbeizuführen. Dabei galt es immer, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass wirklich alles getan werde, um den Sachverhalt aufzuklären.732 So wurde versucht, Zeuginnen und Zeugen zu ihrer Aussage zu verpflichten, damit sie der »Aufklärung« nicht schadeten.733 Dies geschah, als der Zeuge Aumer seine Aussage zunächst verweigerte. Der Abgeordnete Adolf Arndt wies darauf hin, dass dies nicht möglich sei, da es sich bei dem »Thema dieses Untersuchungsausschusses« um etwas handle, das »das Parlament im ganzen, die gesamte Öffentlichkeit und überhaupt die Frage der Demokratie in Deutschland auf das allertiefste berührt«.734 Nach einer nicht öffentlichen Diskussion innerhalb des Untersuchungsausschusses wurde der Zeuge zu seiner Aussage verpflichtet, da ihm sonst eine Ordnungsstrafe drohte. Er sagte daraufhin aus. In der hier ausgewerteten Presse wurde der Untersuchungsausschuss ebenfalls teilweise als ein aufklärendes und demokratisches Element begriffen. Zu 730 Siehe u. a.: Redebeitrag Johannes Semler, in: Parlamentsarchiv Deutscher Bundestag: PADBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 10, S. 14. 731 Redebeitrag Anton Donhauser, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 4, S. 237. 732 Redebeitrag Johannes Semler, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 11, S. 124. 733 PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 5, S. 37. 734 Redebeitrag Adolf Arndt, in: Ibid., S. 37.

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erwähnen ist hierbei ganz allgemein, dass zwar über den Skandal und die Ausschussarbeiten in der Presse berichtet wurde, dies aber doch eher »zurückhaltend« und ohne politisch gefärbten Ton geschah.735 Diese Beobachtung deckt sich mit den Thesen der Historikerin Christina von Hodenberg.736 Diese beschreibt die Presse der 1950er Jahre als »Konsensjournalismus«, der eher berichtete, als Stellung nahm.737 Nach der Einsetzung des Untersuchungsausschusses kritisierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) die geheime Abstimmung über die Hauptstadtfrage, die gezeigt habe, »daß geheime Abstimmungen auch andere Folgen haben können, nämlich diese Unklarheiten, Verdächtigungen und dieses Dunkel, in dem jetzt der Untersuchungsausschuss arbeiten muß«.738 Daraufhin erklärte der Artikel die Aufgaben und Funktion eines solchen Ausschusses und betonte die Schwierigkeiten, vor denen er stand. Obgleich es nicht ausdrücklich geschrieben wurde, lässt sich anhand dieses Artikels doch deutlich die Hoffnung erkennen, dieses Gremium könne Aufklärung herbeiführen und Licht in »dieses Dunkel« bringen. In späteren Artikeln wurde die Ausschussarbeit von der FAZ ebenfalls lobend hervorgehoben. So verteidigte ein weiterer Artikel das Vorgehen des Untersuchungsausschusses gegenüber dem Vorwurf, er könnte wie das »Hornberger Schießen« ausgehen, da er auch »Fragen zu[lasse], die nicht unbedingt zu dem Thema gehören, und von einer Vertuschungstaktik kann nicht geredet werden«.739 Der Artikel unterstrich besonders, dass der Untersuchungsausschuss alles dafür tue, um Klarheit zu schaffen, selbst wenn dies bedeutete, Tatsachen zu untersuchen, die nicht direkt zu seinem Aufgabenfeld zählten. Ein weiteres wichtiges Argument, welches für die öffentliche Aufklärung durch Untersuchungsausschüsse angeführt wurde, war die Tatsache, dass dadurch möglichen Gerüchten und Beunruhigungen in der Bevölkerung vorgebeugt werden könne, wie der Zentrumsabgeordnete Bernhard Reismann erklärte.740 Der Spiegel konstatierte ebenfalls, dass der Bundestag »reagierte, wie eine anständige Institution reagieren muß«, und zwar mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.741 Dem Autor und Miteigentümer des Spiegel, Rudolf Augstein, zufolge war der Ausschuss das beste Mittel, um Klarheit in die Sache zu 735 736 737 738

Siehe u. a.: Engels 2019: Alles nur gekauft? S. 26f.; Zitat: S. 26. Hodenberg 2002: Die Journalisten und der Aufbruch zur kritischen Öffentlichkeit, S. 293. Ibid. FAZ: Im Dunkel der Hauptstadtwahl. Die Vernehmungen des Bonner Untersuchungsausschusses, o. A. (09. 10. 1950). 739 Siehe u. a.: FAZ: Das erste Ergebnis. Zwischenbilanz im Bonner Untersuchungsausschuß, o. A. (17. 10. 1950). 740 Redebeitrag Bernhard Reismann, in: Stenographisches Protokoll, 07. 06. 1951, S. 5905. 741 Der Spiegel: Lieber Spiegelleser, 41 (11. 10. 1950).

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bringen. So betonte er außerdem, dass »[d]er Ausschuß […] in seinen ersten Sitzungen schon gezeigt [hat], daß er schonungslos vorgehen will«.742 Gleichzeitig äußerte er seine Zweifel an der Objektivität des Ausschusses, bedingt durch den Vorsitz des CSU-Abgeordneten Johannes Semler, »der schon hat durchblicken lassen, daß er die Oeffentlichkeit bei den kitzligen Fragen ausschließen will«.743 Anhand dieser Argumentation lässt sich außerdem erkennen, dass auch für Augstein der Garant für eine objektive Aufklärung die Kontrolle durch die Öffentlichkeit war.744 Wurde diese ausgeschlossen, entstand das Risiko einer möglichen Vertuschung.

4.2.3 Untersuchungsausschüsse und ihre Transparenz als stärkendes Element der jungen Demokratie Der Abgeordnete Seelos erklärte in seiner Rede vor dem Bundestag zudem nicht nur, dass durch die Aufklärung des Falles Vertrauen geschaffen werden könne. Vielmehr sei eine Ermittlung unbedingt notwendig, um die junge Demokratie vor möglichen Angriffen zu schützen: Es muß bei der Behandlung dieser Angelegenheit beim Volk der Eindruck entstehen, daß es dem Parlament ernst ist, volle Aufklärung zu schaffen und jeden Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Wenn die Angelegenheit in diesem Geiste behandelt wird, dann werden die Feinde der Demokratie keinen Anlaß zu Angriffen auf sie haben; denn ein Parlament, das die Stärke hat, sich nötigenfalls selbst zu reinigen, wird unter Mitwirkung einer verantwortungsvollen Presse gestärkt aus der Angelegenheit hervorgehen und beim Volk nur an Ansehen gewinnen.745

Die neue Demokratie war gerade erst ein paar Jahre alt. Anders als in der Weimarer Republik, wo sie immer wieder Angriffen innerhalb des Parlaments ausgesetzt war, wurde zu Beginn der Bonner Republik versucht, die Demokratie soweit es ging zu stärken und vor Kritik zu schützen. Dies lässt sich auch in den Debatten im und über den Untersuchungsausschuss sowie in seiner Arbeit feststellen. In seiner Ausführung betonte Seelos die Notwendigkeit des Parlaments, sich selbst reinigen zu können. Diese Aufgabe wurde ihm zufolge durch die Ausschussermittlungen übernommen. Wichtig sei hierbei aber ebenfalls die Rolle der Presse. Diese solle »verantwortungsvoll« sein. Es ist anzunehmen, dass es dabei sowohl um die Berichterstattung über den Skandal allgemein als auch 742 Ibid. 743 Der Spiegel: Lieber Spiegelleser, 11. 10. 1950. 744 Siehe hierzu auch: Krebs, Walter: Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen. Ein Beitrag zur rechtlichen Analyse von gerichtlichen, parlamentarischen und RechnungshofKontrollen. Heidelberg, 1984, S. 138. 745 Redebeitrag Gebhard Seelos, in: Stenographisches Protokoll, 05. 10. 1950, S. 3289.

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über die Arbeit des Ausschusses ging. Hierbei spielte er auf die Rolle der Presse in der Weimarer Republik an, die den parteipolitischen Kampf aufgriff und die Skandale und die Ausschussarbeit für ihre Interessen nutzte – ohne Rücksicht auf das Ansehen der Republik. In einer späteren Rede führte er noch einmal aus, es sei »für die junge deutsche Demokratie […] unerläßlich, von Anfang an für Sauberkeit der wichtigsten demokratischen Einrichtung, nämlich des Bundestages, zu sorgen«.746 In seiner Ausführung unterstrich er erneut die Einstimmigkeit des Antrags und das Interesse aller Parteien und vor allem aller »Demokrat[en]«, Aufklärung zu schaffen und dadurch den Bundestag und die Bonner Republik zu stärken.747 Um nicht die Demokratie zu gefährden, müsse »[d]eshalb […] kompromißlos alles aus[gemerzt] [werden], was unsauber ist und was zur Diffamierung, zur Herabsetzung der wesentlichen Institutionen der Demokratie führen könnte«.748 Dieses Argument wurde nicht nur von Seelos vorgebracht. Andere Parteien betonten ebenfalls regelmäßig die Wichtigkeit der öffentlichen Aufklärung zur Stärkung des Systems. Der Zentrumsabgeordnete Bernhard Reismann erklärte in diesem Zusammenhang, dass ohne die öffentliche Aufklärung durch den Untersuchungsausschuss die »Ehre des Hauses selbst und der deutschen Abgeordneten […] völlig unberechtigt von einem gewissenlosen Schwätzer in Verruf gebracht worden wäre[…]«.749 Reismann unterstrich zudem die Integrität des jungen Parlaments und erklärte, es habe sich – wenn überhaupt – nur um wenige Ausnahmen und kein korruptes System gehandelt.750 Durch die Arbeiten des Untersuchungsausschusses habe »ein Gewitter die Atmosphäre für die Zukunft klar gemacht« und das Vertrauen in die Bonner Republik sei nun gestärkt worden.751 In einer ähnlichen Weise äußerte sich der DP-Abgeordnete Ewers. Nachdem er zunächst die Arbeit des Untersuchungsausschusses und die dadurch erfolgte Aufklärung von Tatsachen ohne große parteipolitische Interessen rühmte, bekräftigte er die wichtige Rolle der »Reinigung« des Parlaments. Er hoffte, dass auch in Zukunft »durch Sauberkeit, Redlichkeit und Fleiß die Achtung für das deutsche Parlament« erreicht werden könne, »ohne die es nicht leben kann.«752 Zudem lobte er die Einstellung der Bevölkerung, die trotz der Erfahrungen der Vergangenheit weiterhin ihr Interesse am Politischen und dessen Reinheit beibehalten habe.753 Der CDU-Abge746 Redebeitrag Gebhard Seelos, in: Stenographisches Protokoll, 07. 06. 1951, S. 5897. 747 Ibid. 748 Ibid., S. 5898. Zu den sprachlichen Ähnlichkeiten mit der Weimarer Republik und der NSZeit siehe auch: Perthen 2021: Korruption kritisieren, S. 84f. 749 Redebeitrag Bernhard Reismann, in: Stenographisches Protokoll, 07. 06. 1951, S. 5905f. 750 Ibid. 751 Ibid., S. 5910. 752 Redebeitrag Hans Ewers, in: Ibid., S. 5917. 753 Ibid., S. 5918.

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ordnete Max Solleder sprach ebenfalls davon, das Vertrauen in das Parlament wieder herzustellen. Dabei unterstrich er vor allem, dass die »Sauberkeit« gewahrt werden müsse, aber auch, dass die »junge Demokratie nicht durch [leichtsinniges] Gerede, oder durch Gerede, das erfunden ist und das [er] als politische Lüge bezeichnen möchte, beunruhigt wird«.754 Und obwohl er der Überzeugung war, dass der Ausschuss nicht viel hervorgebracht habe, erklärte er trotzdem, das Parlament habe »den Finger auf die Wunde« gelegt755 und die Parlamentsmitglieder seien durch ihre Untersuchungen die »Wächter einer wahren und ehrlichen Demokratie«.756 Die Tatsache, dass die Arbeit des Untersuchungsausschusses die Demokratie der Bonner Republik allgemein beeinflusste, lässt sich auch in den Arbeiten des Ausschusses und insbesondere bei Zeugenvernehmungen erkennen. So erklärte der Abgeordnete der Deutschen Partei, Heinz Matthes, einem Zeugen, als dieser mit der Begründung des Redaktionsgeheimnisses die Aussage verweigern wollte, es stehe »mehr auf dem Spiel als das Redaktionsgeheimnis«, es »steht die junge Demokratie auf dem Spiel, und unser ehrliches Wollen in diesem Ausschuß ist, […] ohne Rücksicht auf eine Person Licht in dieses Dunkel zu bringen«.757 Zudem gehe es darum, »den Vorwurf ab[zu]waschen von denen, die genannt worden sind […], daß wir die Ehre, die hier verletzt ist, wiederherstellen«.758 Die Presse griff dieses Argument ebenfalls auf und erklärte im Zusammenhang mit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses, dass dieser und die damit verbundene »Selbstreinigung des Parlaments das beste Mittel ist, sein Ansehen [das des Bundestags, SZ] wieder herzustellen«.759 Diese Ansicht betonte die FAZ noch in einem weiteren Artikel und machte dabei auf die Wichtigkeit der Ausschüsse aufmerksam, die von der Bevölkerung mit Argusaugen beobachtet würden: Der Bundestag hat gestern beschlossen, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen; dieser soll die Vorwürfe prüfen, die gegen die Rechtlichkeit mehrerer Abgeordneter erhoben worden sind. Man wird in Bonn wissen, daß breite Schichten des Volkes die Arbeiten dieses Ausschusses mit der gespanntesten Aufmerksamkeit beobachten werden. Es wird notwendig sein, daß er seine Tätigkeit bald, ohne Verschleppung in aller Oeffentlichkeit und mit der äußersten Tatkraft aufnimmt. Wir alle hoffen, daß das Parlament aus dieser Untersuchung vollkommen gereinigt hervorgehen werde. Wäre es so, der Bundestag wie das Volk wären gleichermaßen zu beglückwünschen. Wenn sich 754 755 756 757

Redebeitrag Max Solleder, in: Ibid., S. 5928. Ibid., S. 5929. Ibid. Redebeitrag Ernst Matthes, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 9, S. 35. 758 Ibid. 759 FAZ: Bonn untersucht Bestechungsvorwürfe. Ein Ausschuß des Bundestages prüft die Beschuldigungen gegen Abgeordnete, o. A. (06. 10. 1950).

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aber die Vorwürfe bestätigen sollten, die von einzelnen Abgeordneten gegen andere erhoben worden sind, so wäre die größte Schärfe angemessen. Die Atmosphäre muß gereinigt werden; im schlimmsten Falle dadurch, daß sich der Bundestag selber reinigt.760

Dem Untersuchungsausschuss wurde hierfür eine besondere Aufgabe zugeteilt. Er sollte die Vorwürfe öffentlich untersuchen und somit das Vertrauen der Bevölkerung stärken. Zudem sollte er die Vorarbeit für mögliche Konsequenzen leisten, sollten die Ermittlungen doch zeigen, dass etwas an diesen Vorwürfen dran war. Der Spiegel schloss sich dieser Argumentation an.761 Nach der Arbeit des Ausschusses kritisierte er diesen zwar, hob aber lobend hervor, daß der Bundestag, der den Gefühlen der Oeffentlichkeit bislang nicht sonderlich Rechnung trug, hier [im Ausschuss, SZ] Veranlassung genommen hat, auf offensichtliche Mißstände, die ihm durch die unabhängige Presse nahegebracht wurden, durch zum Teil verfassungsändernde Gesetzentwürfe zu reagieren.762

Das Ziel war also nicht allein die Aufklärung des Falles, sondern eine Stärkung des demokratischen Systems und des Vertrauens der Bevölkerung in dieses. Gleichzeitig galt es, den Untersuchungsausschuss vor möglichen Anfeindungen zu schützen, um nicht das Ansehen dieses demokratischen Instruments zu gefährden. So äußerte sich der SPD-Abgeordnete Arndt kritisch gegenüber vermeintlichen Äußerungen des Abgeordneten Seelos. Dieser habe angeblich bereits im Oktober 1950, also lange vor dem Ende der Arbeit des Untersuchungsausschusses, gesagt, der Ausschuss werde wie das Hornberger Schießen ausgehen. Arndt sowie der Rest des Ausschusses kritisierten diese Aussage, »denn es ist unmöglich, die Ergebnisse des Ausschusses nach einer Sitzung in dieser Weise vorwegzunehmen und in der Öffentlichkeit einen solchen Eindruck zu erwecken, wie es hier geschieht«.763 Der Untersuchungsausschuss sollte dabei vor der Öffentlichkeit nicht diskreditiert und seine Glaubwürdigkeit nicht in Frage gestellt werden. Die Parlamentsmitglieder führten noch ein weiteres Argument an. Für sie waren die Untersuchungsausschüsse und die damit verbundene öffentliche Untersuchung der Fälle ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zum politischen System des Nationalsozialismus und zu anderen totalitären Systemen. Reismann stellte die Signifikanz des Untersuchungsausschusses als ein Abgrenzungsmerkmal zu Diktaturen heraus, in denen solche Fälle vertuscht und nicht öffentlich untersucht würden. Er erklärte nicht nur, dass nicht »alle Parlamente der 760 761 762 763

FAZ: Reinigung. Der Spiegel: Lieber Spiegelleser, 11. 10. 1950. Der Spiegel: Geld und Politik, 25 (20. 06. 1951). Redebeitrag Adolf Arndt, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 5, S. 2.

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Welt« versuchten, solche Korruptionsskandale öffentlich aufzudecken. Vielmehr betonte er außerdem den Unterschied zu Diktaturen.764 Hierbei nannte er keine bestimmte Diktatur, sondern blieb bei einer verallgemeinernden Aussage. Fakt war aber, dass weder im nationalsozialistischen System noch im System der DDR parlamentarische Untersuchungsausschüsse eingesetzt wurden. Die meisten Korruptionsfälle wurden in diesen Systemen nicht öffentlich behandelt – es sei denn, es gab ein politisches Interesse an ihnen –, geschweige denn untersucht. Kam es doch einmal zu einer Untersuchung, so wurde diese in der Regel von Gerichten durchgeführt. Der CSU-Abgeordnete Michael Horlacher nutzte dieses Narrativ, um die Ausschussarbeit hervorzuheben und eine starke Abgrenzung zu diktatorischen Systemen zu ziehen, was von allen Parteien bejubelt wurde: Ich bin sicher nicht dagegen […], daß wir alle miteinander Organisationsfehler aufdecken und Korruptionsfälle untersuchen und der Öffentlichkeit preisgeben, ganz anders als die Diktaturen, hinter deren Mauern es so sehr gestunken hat, deren Gestank aber deshalb nicht weiter in die Bevölkerung dringen konnte, weil das Terrorsystem in der Bevölkerung die Aufdeckung der damaligen Skandale verhindert hat. So ist die Lage und wir wollen in der Demokratie ehrlich miteinander zusammenarbeiten und danach streben, daß die Fälle, die verfolgt werden müssen, auch wirklich verfolgt werden. Wir wollen aber auch in der Beziehung zusammenhalten, daß wir so etwas objektiv tun und keine parteipolitische Sache daraus machen. Wir wollen miteinander dafür sorgen, daß die Demokratie aus solchen Untersuchungen als Sieger hervorgeht, daß die Demokratie nicht bereit ist, in ihrer Mitte und in ihren Reihen Korruption zu dulden. Das ist unsere Aufgabe! (Lebhafter Beifall in der Mitte, links und rechts).765

Obgleich Horlacher keinen direkten Bezug herstellte, spielte er mit seiner Aussage auf das System der Nationalsozialisten an. Er machte deutlich, dass es auch dort Korruption gegeben habe und sogar mehr als im System der Bonner Republik. Diese Korruption sei aber einfach vertuscht worden und kam somit nicht an die Öffentlichkeit. Inwiefern hier die Auffassung, der Nationalsozialismus habe sich »vor allem wegen Korruption desavouiert«,766 eine Rolle spielte, lässt sich anhand des Ausschusses nicht feststellen. Deutlich wird aber der Versuch, sich klar von dieser vermeintlich korrupten Zeit abzugrenzen. Die Demokratie sollte hierbei als ein »Mittel gegen die Korruption« begriffen werden, was um 1950 ein wichtiges Argument in den allgemeinen Debatten um Korruption wurde.767 In dieses Argumentationsmuster und somit in die allgemeine Korruptionsdebatte lassen sich auch die Debatten in den und über die Untersuchungsausschüsse sehr gut einordnen: Die demokratischen Instrumente wie der Untersuchungsausschuss wurden von allen Beteiligten als ein wichtiges Mittel 764 765 766 767

Redebeitrag Bernhard Reismann, in: Stenographisches Protokoll 07. 06. 1951, S. 5907. Redebeitrag Michael Horlacher, in: Ibid., S. 5941. Engels 2019: Alles nur gekauft? S. 10. Ibid, S. 41.

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zur Bekämpfung von Korruption gesehen. Dies stellte einen großen Unterschied zur Weimarer Republik dar, in welcher insbesondere die Randparteien der Demokratie den Vorwurf machten, besonders korrupt zu sein. Es lässt sich hier erneut konstatieren, dass Demokratien mit Transparenz in Verbindung gebracht wurden, während nicht-demokratische Systeme mit Geheimnissen und Korruption assoziiert wurden. Zudem zeigt sich hier, dass die junge Republik unbedingt von totalitären Systemen, aber auch von den Fehlern der Weimarer Republik abgegrenzt werden sollte. Die junge Republik sollte geschützt werden und es sollte nicht zu viel Kritik an ihr geäußert werden. Dennoch existierte auch in der jungen Bonner Republik das Argument, Untersuchungsausschüsse könnten Tatsachen vertuschen. In dieser Argumentation schaffte Transparenz Vertrauen, da durch sie aufgezeigt wurde, dass die parlamentarischen Instrumente funktionierten und bei politischen Vergehen eingriffen. Die Ausschüsse mit ihren öffentlichen Verhandlungen waren damit nicht nur ein Garant der Kontrolle der Arbeit des Untersuchungsausschusses. Vielmehr dienten sie dazu, der Bevölkerung durch die Presse vermittelte Informationen zugänglich zu machen, damit Erstere vermeintlich richtige Informationen über den Fall erlangen und so beruhigt werden konnte. Die Ausschüsse sollten dabei Aufklärung schaffen und vor allem das politische System reinigen. Transparenz wurde hier also vor allem mit Sauberkeit in Verbindung gebracht. Anders als in der Weimarer Republik wurde das Argument, Transparenz schaffe Aufklärung, in diesem Fall weniger genutzt, um die eigene Partei lobend hervorzuheben oder eine andere Partei zu kritisieren. Es diente vielmehr als ein Appell an alle Beteiligten, vor dem Ausschuss auszusagen bzw. transparent zu arbeiten.

4.2.4 Verschleierung durch Untersuchungsausschüsse Die Ausschussmitglieder brachten den Vorwurf einer möglichen Verschleierung durch den Untersuchungsausschuss kaum vor. Wenn sie sich dazu äußerten, handelte es sich um Reaktionen auf diesen Vorwurf. Das Argument wurde also eher defensiv eingesetzt. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses verteidigte sich und sein Vorgehen zu Beginn der Ausschussarbeiten gegenüber Vorwürfen aus der Presse. Er betonte, er wolle nicht, wie angedeutet, »die Öffentlichkeit bei den kitzligen Beratungen ausschließen«.768 Vielmehr forderte er, »daß die Verhandlung in breitester Öffentlichkeit vor sich gehen sollte«, und befand, dass die Verhandlungen »bisher in breiter Öffentlichkeit geführt wor-

768 Redebeitrag Johannes Semler, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 6, S. 1.

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den« seien.769 Die nicht öffentliche Beratung im Anschluss an jede Sitzung, »entspricht nicht nur der Strafprozeßordnung, sondern auch der Praxis dieses Hohen Hauses«.770 Der Ausschluss der Öffentlichkeit wurde unter anderem vom Spiegel als mögliche Vertuschung wahrgenommen. Ihr entgegengesetzt war daher die Öffentlichkeit der Verhandlung, die auf jeden Fall gewahrt werden sollte. Sonstige Anschuldigungen in diese Richtung wurden lediglich von verschiedenen Zeugen im Untersuchungsausschuss hervorgebracht. Der Zeuge Etzel machte dem Untersuchungsausschuss den Vorwurf, dieser habe ihm keine Möglichkeit gegeben, die Öffentlichkeit über die »Wahrheit« zu informieren.771 Obgleich er dem Untersuchungsausschuss keine bewusste Vertuschung vorwarf, schwang dieses Argument in seiner Aussage doch mit. Durch die Verhinderung seiner Aussage vor der Öffentlichkeit würden wichtige Informationen zurückgehalten.772 Er sage »die Wahrheit auch auf das Risiko hin, […] daß [er] deswegen angefeindet, deswegen mit Haß oder sogar mit Rache verfolgt werde«.773 Eine noch viel gravierendere Kritik eines Zeugen wurde im Dezember 1950 vor dem Untersuchungsausschuss behandelt. Der CDU-Abgeordnete Gerhard Schröder prangerte an, der Zeuge Baumgartner habe sich gegenüber dem Rundfunk kritisch über den Ausschuss geäußert. Baumgartner habe behauptet, der Ausschuss »habe nicht gründlich gearbeitet, sondern sich zu einem Kardinalskollegium entwickelt, das Schäffer und Donhauser heiligsprechen wolle. Die Öffentlichkeit sei irregeführt worden«.774 Diese vermeintliche Verleumdung wurde mit einer Ordnungsstrafe von 300 DM belegt. Baumgartner kritisierte den Ausschuss weiter und erklärte, er fühle sich dort wie ein Angeklagter. Als der Zeuge weiter protestierte, eskalierte die Situation. Es folgte zunächst eine weitere Ordnungsstrafe. Nachdem Baumgartner den Ausschuss abermals kritisierte und anprangerte, andere Zeugen, wie Donhauser, hätten länger sprechen dürfen, verließ er unaufgefordert den Raum und wurde mit weiteren Ordnungsstrafen belegt. Aufschlussreich an dieser Situation ist, dass der Ausschuss sich solche Anschuldigungen nicht einfach gefallen ließ. Waren die Vorwürfe, Untersuchungsausschüsse würden Tatsachen vertuschen, in der Weimarer Republik noch gang und gäbe, ging der Ausschuss im Jahr 1950 dagegen vor. Dies konnte in Form einer Richtigstellung durch den Vorsitzenden passieren, aber auch durch Ordnungsstrafen für vermeintlich Verleumdende. Wichtig war, das positive 769 Ibid. 770 Ibid. 771 Redebeitrag Zeuge Etzel, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 11, S. 139. 772 Ibid., S. 140. 773 Ibid. 774 Redebeitrag Gerhard Schröder, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 23, S. 109f.

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Ansehen des Untersuchungsausschusses möglichst aufrechtzuerhalten, um das junge politische System nicht zu gefährden. Während die KPD sich während der Arbeiten des Untersuchungsausschusses zurückhielt und keine größere Kritik an diesem äußerte, änderte sich dies danach. Sie war es insbesondere, die das Argument der Vertuschung immer wieder anführte, um die Ausschussarbeiten oder gar das gesamte System in ein schlechtes Licht zu rücken. Bereits in der Sitzung zur Besprechung des Ausschussberichts machte der KPD-Abgeordnete Heinz Renner dem Ausschuss schwerwiegende Vorwürfe. Er erklärte, der Ausschuss habe von Anfang an nicht versucht, aufzuklären. Er habe »sich an das Wort ›Beweisthema‹ geklammert, […] [sich] systematisch gegen alle Versuche, hinter den Schleier zu kommen, die wahren Geldgeber, die wahren Blutspender für gewisse Parteien zu ermitteln, mit Erfolg zur Wehr gesetzt«.775 Er kritisierte außerdem, der Untersuchungsausschuss habe auch bei anderen möglichen Korruptionsfällen, die im Laufe seiner Untersuchungen besprochen wurden, nicht weitergeforscht. Vielmehr sei bewusst bei »Männer[n], die ihre Korruptionsarbeit in der vordersten Dreckslinie gemacht haben«,776 weggeschaut worden. Dabei verwies er auf die Zeit des Nationalsozialismus. Er argumentierte aber nicht, dass der Untersuchungsausschuss und seine öffentlichen Verhandlungen ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zur NS-Zeit seien. Vielmehr setzte er die Arbeiten dieses Ausschusses in direkten Bezug zum Nationalsozialismus und konstatierte eine gewisse Kontinuität. Er betonte, einige in diesem Ausschuss Beschuldigte hätten bereits zu dieser Zeit korrupte Handlungen begangen. »Aber auch da wieder fiel der Mantel der christlichen Nächstenliebe: Noli me tangere – nur nicht daran rühren –, es könnte unangenehm werden.«777 Den Vorwurf einer bewussten Vertuschung durch den Untersuchungsausschuss machte er noch deutlicher. Dabei kritisierte er zugleich die Regierung Adenauer, die vermeintlich unnötigen Kosten und die Dauer des Ausschusses sowie den Umstand, dass »man bewußt aus parteiegoistischen Gründen« die Aufklärung der wichtigen Fragen vermieden habe.778 Die Argumentation, einige Dinge seien mit dem »Mantel der Nächstenliebe«779 zugedeckt worden, griff auch sein Parteikollege Walter Fisch auf. Er betonte ebenfalls, der Ausschuss habe »ängstlich vermieden […], die interessanten, die wirklich politischen Zusammenhänge aufzudecken«.780 Dabei habe er ganz bewusst gehandelt und eine Aufdeckung verhindert: »[D]er Ausschuß hat gerade in dem Augenblick seine Aktendeckel zugeklappt, als es sich darum handelte, die 775 776 777 778 779 780

Redebeitrag Heinz Renner, in: Stenographisches Protokoll, 07. 06. 1951, S. 5899. Ibid., S. 5900. Ibid., S. 5901. Ibid., S. 5902. Redebeitrag Walter Fisch, in: Ibid., S. 5937. Ibid.

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eigentlichen Hintermänner […] bloßzustellen und ihre Unschädlichmachung einzuleiten.«781 Die beiden Vertreter der KPD drehten die Argumente, die zugunsten des Untersuchungsausschusses verwendet wurden, um. Ihnen zufolge deckte er keine Tatsachen auf, sondern vertuschte diese vielmehr bewusst aus parteipolitischen Interessen. Dadurch unterscheide sich das Vorgehen im neuen politischen System kaum vom Nationalsozialismus. Gemäß dieser Argumentation versuche der Ausschuss den verschiedenen Parteien in die Karten zu spielen und verliere dabei den Zweck der Aufklärung aus den Augen. In diesem Zusammenhang wurde wiederkehrend behauptet, Untersuchungsausschüsse seien letztlich nur ein Instrument für den parteipolitischen Kampf. Tatsächlich kam es aber seltener zu parteipolitischen Konflikten als in der Weimarer Republik und diese verliefen geordneter. Diese Aspekte werden im Folgenden näher analysiert.

4.2.5 Untersuchungsausschüsse als parteipolitisches Kampfinstrument Noch vor Beginn der Ausschussarbeiten bestand im Parlament Einigkeit darüber, dass der Ausschuss ohne parteipolitische Interessen arbeiten solle, um somit eine möglichst gute Aufklärung zu gewährleisten.782 Der Einsetzungsbeschluss wurde einstimmig und ohne größere Diskussionen angenommen. Auch nach den Verhandlungen des Untersuchungsausschusses hoben einige Parlamentsmitglieder – wie zum Beispiel Seelos – lobend hervor, es sei im Untersuchungsausschuss am Ende seiner Arbeit zu keiner Zersplitterung in Mehr- und Minderheit gekommen. Gleichzeitig kritisierte er aber im selben Atemzug die vereinzelten parteipolitischen Interessen, die während der Verhandlungen vorhanden gewesen seien. So seien »die Abstimmungen in der Regel nach politischen Fraktionen erfolgt[…]«.783 Einzelne Ausschussmitglieder hätten dessen vorläufige Ergebnisse für ihren politischen Wahlkampf genutzt. Er kam zu dem Schluss, dass neutrale Untersuchungsausschüsse nicht möglich seien, und gab zu bedenken, »ob es nicht viel besser und viel richtiger wäre, wenn das Parlament das oberste Gericht oder unabhängige Richter mit den Arbeiten eines Untersuchungsausschusses beauftragen würde«.784 Diese Aussage unterstützt eine der Thesen, die in dieser Arbeit immer wieder aufgegriffen wird, nämlich, dass das Ermitteln objektiver Tatsachen in einer solchen politisch und emotional aufgeladenen Arena nicht möglich ist. Sie werden immer subjektiv und im parteipo781 782 783 784

Ibid., S. 5938. Redebeitrag Gebhard Seelos, in: Stenographisches Protokoll, 05. 10. 1950, S. 3289. Redebeitrag Gebhard Seelos, in: Stenographisches Protokoll, 07. 06. 1951, S. 5898. Ibid.

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litischen Interesse bewertet. Untersuchungsausschüsse sollten Seelos zufolge ersetzt werden und an ihrer Stelle sollten lieber unabhängige Gerichte den Fall untersuchen. Die Idee, den Vorrang Gerichten zu überlassen, existierte bereits in der Weimarer Republik. Sie setzte sich jedoch nicht durch. Die KPD schlussfolgerte, dass dieser Untersuchungsausschuss nicht völlig neutral im Interesse der Aufklärung des Falles gearbeitet habe. Renner deklarierte, der Ausschuss habe nicht viel hervorgebracht, außer ein »paar kleine Sünder« zu finden.785 Das Hauptinteresse des Ausschusses sei es gewesen, parteipolitische Interessen durchzusetzen. Der FDP-Abgeordnete Mayer kritisierte ebenfalls die parteipolitische Ausnutzung des Ausschusses. Anders als die zuvor dargestellten Positionen bewertete er insbesondere die Skandalisierung und die Einsetzung des Ausschusses an sich bereits als eine parteipolitische Ausnutzung durch Baumgartner, um seine parteiinternen Konkurrenten zu diffamieren. Obgleich er den anderen BP-Mitgliedern ein wirkliches Interesse an Aufklärung zugestand, erklärte er: Ich räume ein, daß die Kollegen der Bayernpartei, die diesen Antrag hier eingebracht haben, ein ehrliches Bedürfnis nach Reinlichkeit hatten. Aber ich widerspreche der Meinung, daß das gleiche Bedürfnis den Herrn Parteivorsitzenden Baumgartner inspirierte. Es ist schon ein komisches Reinlichkeitsbedürfnis, zunächst alle Wände mit Dreck zu besudeln und dann die zu beschimpfen, die sich bemühen, den Dreck mit der Zahnbürste wieder abzubürsten. Es ist eine sehr scheinheilige Behauptung, man habe aus Reinlichkeitsbedürfnis eine Aktion in Gang gesetzt, die uns Tausende von Arbeitsstunden, Zehntausende von D-Mark Steuergeldern und ein Kapital an Vertrauen der Öffentlichkeit gekostet hat! 786

Dabei bestätigte er zwar einerseits, der Untersuchungsausschuss sei aus einem »Bedürfnis nach Reinlichkeit« eingesetzt worden. Andererseits betonte er die parteipolitische Instrumentalisierung dieses Skandals und des Ausschusses. Er erklärte zudem, dass durch dieses Vorgehen nicht nur Zeit und Geld verloren gegangen seien, sondern auch das »Vertrauen der Öffentlichkeit« gefährdet worden sei. Solleder von der CDU schloss sich der Kritik an dem parteipolitischen Interesse an. Er kritisierte dabei auch nicht die Ausschussarbeit im Allgemeinen. Vielmehr bemängelte er, dass im Untersuchungsausschuss »Werturteile« gefällt und nicht nur – wie angedacht – Beweise erhoben worden seien.787 Er behauptete sogar, dadurch sei das Ansehen der Politik in der Öffentlichkeit stark gefährdet worden: »Das heißt nicht die öffentliche Meinung entgiften, sondern das heißt, dieses Gift noch weiter wühlen zu lassen.«788 785 786 787 788

Redebeitrag Heinz Renner, in: Ibid., S. 5899. Redebeitrag Ernst Mayer, in: Ibid., S. 5911. Redebeitrag Max Solleder, in: Ibid., S. 5925. Ibid.

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In den Verhandlungen kam es ebenfalls regelmäßig zum Vorwurf, der Ausschuss handle im Interesse der einzelnen Parteien. Diese Anschuldigungen wurden nicht nur von den Ausschussmitgliedern geäußert, sondern insbesondere von vernommenen Zeugen. So betonte der Zeuge Aumer in einer frühen Sitzung, er wolle auf eine Frage nicht antworten, da diese über den Untersuchungsgegenstand hinausginge. Er habe zwar nichts zu verbergen, aber er wolle nicht antworten, da es sich nur um »einen Racheakt [s]einer früheren Parteigenossen« aus der Bayernpartei handle.789 Dieses Argument nutzte auch der Abgeordnete Baumgartner, der seine Aussage aus demselben Grund verweigern wollte. Es würde sich nur um »interne Parteiangelegenheiten der Bayernpartei« handeln.790 Der Zeuge Hermann Etzel wiederum beschwerte sich in der bereits oben zitierten Aussage, dass der Ausschuss ihm bewusst nicht die Gelegenheit gebe, »die Wahrheit« zu sagen.791 Auf seine Ausführung, er mache diese Aussage dann auf anderen Kanälen,792 kam es zu Zurufen aus dem Plenum. Diese nicht eindeutig zuzuordnenden Rufe – »Wahlrede!«793 – warfen dem Zeugen wiederum vor, die Ausschussöffentlichkeit selbst für seine politischen Interessen zu nutzen. Der Zeuge Baumgartner seinerseits deutete wiederholt an, die CDU sei besonders »beschmutzt«.794 Außerdem warf er der CSU vor, »daß sich die Herren von dieser Seite seit langer Zeit anstrengen, bei dieser ganzen Frage der Bayernpartei eins auszuwischen.«795 All diese Äußerungen sorgten für Unruhe und erschwerten die Arbeit des Ausschusses. Zu einem weiteren größeren Konflikt, in welchem dieses Argument vorgebracht wurde, kam es in der Sitzung vom 29. November 1950. In dieser prangerte der Zeuge und BP-Mitglied Ludwig Volkholz an, er werde nur aus parteipolitischen Interessen in diesem Ausschuss vernommen, den »die [die Mitglieder] hier im Wahlkampf dazu benutzen, um Propaganda damit zu machen«.796 Ihm wiederum wurde daraufhin selbst vorgeworfen, in diesem Moment »Wahlpropaganda« zu betreiben.797 Doch der Zeuge ging noch weiter. Er erklärte, dass »die ganze Wahlpropaganda in Bayern [gegen die Bayernpartei, SZ] darauf aufgebaut 789 Redebeitrag Zeuge Aumer, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 5, S. 33f.; Zitat auf S. 36. 790 Redebeitrag Joseph Baumgartner, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 23, S. 103. 791 Redebeitrag Hermann Etzel, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 11, S. 140. 792 Ibid. 793 Ibid. 794 Redebeitrag Joseph Baumgartner, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 16, S. 66. 795 Ibid., S. 67. 796 Redebeitrag Ludwig Volkholz, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 21, S. 32. 797 Redebeitrag Max Solleder, in: Ibid.

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gewesen [ist], nur auf dem ›Spiegel‹-Ausschuß und auf diesen Geldern, die einzelnen Mitgliedern der Bayernpartei zur Verfügung gestellt worden sind«.798 Daraufhin hielt er selbst noch eine flammende parteipolitische Rede, in der er erklärte, einige Ausschussmitglieder versuchten, die Bayernpartei zu degradieren.799 Der Zeuge Donhauser wiederum forderte sogar den vollständigen Ausschluss der Bayernpartei aus dem Ausschuss, da sie nur versuche, »hier ihre schmutzige Wäsche [zu waschen], um damit politische Effekte zu erzielen«800 und den »parteiinternen Machtkampf und eine[n] bereits wetterleuchtenden Wahlkampf« auszufechten.801 Gegen diesen Vorwurf brachte der Vorsitzende an, es sei wichtig für den Ausschuss, dass jede Partei, »auch wenn sie nur klein sein sollte, von diesen Arbeiten nicht ausgeschlossen werden darf«.802 Im Zuge einer Befragung kam es abermals zu einem größeren Konflikt. Bei der Vernehmung des Zeugen Bruno Dörpinghaus ging es darum, zu klären, inwiefern die CDU oder die CSU in den Fall verwickelt waren bzw. »[o]b aus einer Kasse der CDU oder einer Kasse der CSU Zahlungen geleistet [worden sind]«.803 Als der SPD-Abgeordnete Arndt daraufhin den Zeugen fragte, ob es zu der Zeit der Hauptstadtfrage zu einer »verspätete[n] Auszahlung von Gehältern« gekommen sei,804 brach eine größere Diskussion aus. Verschiedene Unionsmitglieder hinterfragten, inwiefern diese Frage zulässig sei oder ob sie in »parteiinterne Angelegenheiten«805 eingreife. Der Vorsitzende überließ diese Entscheidung dem Ausschuss. Nachdem der Vorsitzende angemerkt hatte, dass, selbst wenn es zu Engpässen bei der Finanzierung der Gehälter zu dieser Zeit gekommen sei, dies noch kein Beweis dafür darstelle, dass Gelder aus diesen Kassen für korrupte Handlungen genutzt wurden, kam es zu einem kurzen Wortgefecht zwischen ihm und Arndt: Abg. Dr. Arndt: Ja, Herr Vorsitzender, solche Einwände und Unterbrechungen erfolgen oft in dem Augenblick, wo der Punkt brenzlig wird. (Lebhafter Widerspruch rechts.) Vors. Dr. Semler: Nein, Verzeihung Herr Kollege Arndt, ich bin wirklich bestrebt, – –(Anhaltende Unruhe und Widerspruch rechts.– Abg. Dr. Solleder: Das ist Stimmungsmache! – Abg. Heiland: Das müßte zurückgewiesen werden!) – jede Frage zuzulassen, und 798 Redebeitrag Ludwig Volkholz, in: Ibid., S. 110. 799 Ibid., S. 111. 800 Redebeitrag Anton Donhauser, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 4, S. 109. 801 Ibid., S. 111. 802 Redebeitrag Johannes Semler, in: Ibid., S. 114. 803 Redebeitrag Walter Seuffert, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 14, S. 14. 804 Redebeitrag Adolf Arndt, in: Ibid., S. 14. 805 Redebeitrag Bruno Dörpinghaus, in: Ibid., S.14.

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unterbreche nur dann, wenn ich wirklich Bedenken habe, oder der schlüssige Zusammenhang da ist.806

Dieser Konflikt zeigt nicht nur, dass die Kompetenzen des Untersuchungsausschusses noch nicht geklärt waren. Vielmehr verdeutlicht er auch den Versuch, andere Parteien durch bestimmte Fragen in Verlegenheit zu bringen und dafür die Möglichkeit des Untersuchungsausschusses sowie seine Öffentlichkeit zu nutzen. Dieses Verhalten wurde von den Angegriffenen direkt als »Stimmungsmache« wahrgenommen. Der CDU-Abgeordnete Wilhelm Brese kritisierte zudem, dass der Abgeordnete Arndt »die Objektivität dieses Ausschusses in aller Öffentlichkeit angezweifelt und gesagt [hat], daß, wenn Dinge brenzlig würden, sie abgebremst würden«.807 Dies könne der Ausschuss nicht auf sich sitzen lassen. Arndt betonte, er wollte dem Vorsitzenden nicht den Vorwurf machen, »parteiisch«808 zu sein. Er habe nur bemerkt, dass ihm häufig »das Fragerecht weggenommen« werde, wenn er »Fragen stelle, die den Zeugen unangenehm« seien.809 In diesem Zusammenhang betonte er das Fragerecht aller Ausschussmitglieder, das nur mit guter Begründung eingeschränkt werden dürfe. Nachdem der Vorsitzende Arndt versichert hatte, dass er diese Einschränkungen sowohl »nach links« als auch »nach rechts« vornehme,810 kam es zu einem weiteren Konflikt. Dieser betraf zunächst den Punkt, ob die Frage, inwiefern es zu Zahlungsschwierigkeiten auf Seiten der Unionsparteien gekommen war, zu beanstanden sei. Während die SPD deutlich für »nein« votierte, erklärten die Unionsparteien, dass diese Frage nicht zulässig gewesen sei. Doch noch bevor diese Frage endgültig geklärt werden konnte, brach ein neuer Streit aus. Hierbei ging es diesmal um die Auslegung der Antwort des Zeugen. Die Mitglieder der SPD deuteten die Antwort des Zeugen Dörpinghaus als ein deutliches »Ja«. Die Mitglieder der Unionsparteien sowie der Zeuge selbst widersprachen dieser Auffassung. Daraufhin musste das Stenogramm verlesen werden. Der Zeuge erklärte, seine Antwort sei noch nicht fertig gewesen, und führte diese weiter aus. Er betonte, es sei zwar tatsächlich zu Schwierigkeiten der Finanzierung in der Zeit nach der Hauptstadtfrage gekommen, dies habe aber nichts mit der Hauptstadtfrage und der vermeintlichen Korruption zu tun gehabt.811 Dass dieses parteipolitische Handeln negative Konsequenzen für das politische System der jungen Republik und insbesondere auch für ihren Ruf haben 806 PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 14, S. 15. 807 Redebeitrag Wilhelm Brese, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 14, S. 16. 808 Redebeitrag Johannes Semler, in: Ibid., S. 17. 809 Redebeitrag Adolf Arndt, in: Ibid., S. 17. 810 Redebeitrag Johannes Semler, in: Ibid., S. 17. 811 Redebeitrag Bruno Dörpinghaus, in: Ibid., S. 18.

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könne, unterstrich der CDU-Abgeordnete Brese. Er forderte in diesem Zusammenhang, dass »die Öffentlichkeit […] richtig aufgeklärt werden« und »die Diffamierung des Ausschusses durch seine eigenen Mitglieder« aufhören müsse.812 Es sei »nicht verwunderlich, wenn der Begriff der Korruption in Bonn nicht aus den Versammlungen im Lande herauskommt und wenn in der Ostzone jeden Tag eine Hörfolge gespielt wird unter dem Motto: ›Wir stimmen für Geld.‹«.813 Hierbei lässt sich auch die Spannung zwischen Ost- und Westdeutschland erkennen, die in dieser Arbeit allerdings nicht weiter vertieft wird. Die Presse griff diese Diskussionen auf. Die hier analysierten Artikel brachten allerdings nie selbst das Argument zur Sprache, es sei parteipolitisch gehandelt worden. Vielmehr gaben sie nur die Debatten um dieses Argument, wie sie im Ausschuss und außerhalb geführt wurden, wieder. Die FAZ beschrieb in einem Artikel einen »Zusammenstoß im Untersuchungsausschuß«.814 So berichtete die Zeitung auch über den bereits oben beschriebenen Konflikt zwischen Eichner und Donhauser815 sowie andere Konflikte, die zwischen den Ausschussmitgliedern aufkamen.816 Die Zeitung teilte ihren Leserinnen und Lesern ebenfalls mit, dass »[a]ls Grund für die Vertagung [einer Sitzung, SZ] inoffiziell angegeben [wird], daß Unstimmigkeiten im Ausschuß bisher nicht hätten bereinigt werden können«.817 All diese Beispiele zeigen aber, dass die Berichterstattung über die parteipolitischen Konflikte im Untersuchungsausschuss weitestgehend neutral und unspektakulär verlief. Während sich im Spiegel gar keine Beispiele dafür fanden, berichtete die FAZ nur über die Vorkommnisse. Sie selbst nahm keine Stellung dazu und versuchte nicht, die Geschehnisse aufzubauschen. Dieses Vorgehen fügt sich in das allgemeine Verhalten des Untersuchungsausschusses, aber auch der Politik und Presse dieser Zeit: Obgleich es parteipolitische Konflikte weiterhin gab, sollten diese nicht zu stark dramatisiert werden. Zu groß war noch immer die Sorge, ein ähnliches Verhalten wie in der Weimarer Republik und damit auch ähnliche Konsequenzen hervorzurufen.

812 Redebeitrag Wilhelm Brese, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 15, S. 3. 813 Ibid. 814 FAZ: Zusammenstoß im Untersuchungsausschuß. Christliche Demokraten protestieren gegen Frau Arndts, o. A. (28. 10. 1950). 815 Siehe u. a.: FAZ: Auf unbestimmte Zeit vertagt. Die Untersuchungen des Spiegel-Ausschusses, o. A. (06. 12. 1950). 816 Siehe u. a.: FAZ: Kolb vor dem »Spiegel«-Ausschuß. Kein Frankfurter Geld für die Wahl der Hauptstadt, o. A. (14. 12. 1950). 817 FAZ: Auf unbestimmte Zeit vertagt. Die Untersuchungen des Spiegel-Ausschusses.

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4.2.6 Der Untersuchungsausschuss als Plattform für Gerüchte und Verleumdungen Der erste Untersuchungsausschuss der Bonner Republik sah sich nicht nur dem Vorwurf der direkten parteipolitischen Instrumentalisierung ausgesetzt. Auch dieser Ausschuss wurde beschuldigt, durch seine öffentlichen Sitzungen Verleumdungen und Gerüchten Vorschub zu leisten. Dieser Aspekt ließe sich in Teilen unter den Punkt parteipolitische Nutzung fassen, soll hier aber als einzelner Aspekt betrachtet werden. Grund hierfür ist, dass die Vorwürfe, der Ausschuss würde verleumden oder Gerüchte in die Welt setzen, nicht immer mit parteipolitischen Intentionen verknüpft waren. Häufig ging es um die Befürchtung, durch die öffentlichen Verhandlungen könnten falsche Informationen verbreitet und die Betroffenen dadurch geschädigt werden. So fragte der CDU-Abgeordnete Schröder den Zeugen Schmidt in der siebten Sitzung des Ausschusses, ob ihm bewusst sei, was eine falsche Aussage für »katastrophale Folgen in den Augen der Öffentlichkeit hat?«818 Später ergänzte er, der Zeuge solle sein Bedauern über seine Behauptung »gegenüber der ganzen deutschen Öffentlichkeit zum Ausdruck […] bringen«.819 In der Vernehmung des Zeugen Schmidt ging es um seine Behauptung, es existiere eine Liste mit Abgeordneten, die in der Hauptstadtfrage bestochen worden seien. Schmidt hatte dem Zeugen Eichner in einer früheren Sitzung vorgeworfen: »Ich weiß doch alle, Ihr seid ja in der Sache beteiligt, ich habe doch alle auf der Liste!«820 Diese Aussage schlug große Wellen sowohl in der Presse als auch im Ausschuss. Später stellte sich allerdings heraus, dass eine solche Liste gar nicht existierte. Bei der von Schröder geäußerten Kritik ging es also weniger um eine allgemeine Kritik an einer Falschaussage als vielmehr um die Sorge vor den Auswirkungen einer solchen Behauptung in der Öffentlichkeit. Es bestand die Sorge, eine solche Aussage könnte die Bevölkerung beunruhigen und somit zu einem verstärkten Misstrauen gegenüber der Politik bzw. »zur Rufgefährdung des Bundestages«821 führen. Bereits zuvor in dieser Sitzung ging es um einen Brief des Zeugen Donhauser, den er an den Spiegel verschickt hatte und den Augstein für seinen Artikel über die Hauptstadtaffäre genutzt und zitiert hatte. Nach der Verlesung des Briefes vor der Öffentlichkeit des Ausschusses – der Inhalt wurde allerdings nicht stenographisch protokolliert – erklärte der Vorsitzende:

818 Redebeitrag Gerhard Schröder, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 10, S. 153f. 819 Ibid., S. 175. 820 Redebeitrag Zeuge Schmidt, in: Ibid., S. 153. 821 Ibid.

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Der Ausschuß hat diesen Brief nicht für bedeutungsvoll gehalten. Immerhin soll er zum Gegenstand der Verhandlungen gemacht werden, damit man in der breitesten Öffentlichkeit sehen kann, auf welche Art und Weise daraus nun das Gerücht entstand, daß die schwere Korruption auch eine ganze Reihe von in diesem Brief genannten weiteren Abgeordneten betreffe.822

In diesem Zusammenhang stellte Schröder zudem einen Antrag. Er forderte, dass die »Brunnenvergiftung«, die durch die Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen in der Öffentlichkeit entstanden sei, »mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden [muß]«.823 Ziel dieses Antrags war es, Beweise für vermeintliche Gerüchte zu liefern bzw. diese Gerüchte sonst öffentlich richtigzustellen. Der Untersuchungsausschuss schien also nicht nur als eine Plattform zur Herstellung von Gerüchten und Verleumdungen zu dienen, sondern vielmehr auch als eine Plattform, um diese wieder aus der Welt zu räumen. Schröder betonte allerdings, die Verbreitung von Gerüchten und Verleumdungen durch den Ausschuss funktioniere leichter als ihre Richtigstellung. Während die Gerüchte sich auf der ersten Seite der Zeitungen befänden, seien die Richtigstellungen erst auf den hinteren Seiten zu finden.824 Dementsprechend trage der Untersuchungsausschuss ungewollt noch immer zur Verbreitung von Gerüchten und Verleumdungen bei und diene nicht ihrer Richtigstellung. Der Zeuge Alfred Loritz forderte beispielsweise, noch einmal vor dem Untersuchungsausschuss vernommen zu werden, damit er vermeintliche Verleumdungen, die vor dem Ausschuss gemacht wurden, öffentlich klarstellen könne.825 Gleichzeitig versuchte der Vorsitzende zu verdeutlichen, dass der Untersuchungsausschuss eben nicht als Plattform gedacht war, um sich öffentlich von Vorwürfen reinzuwaschen. Nachdem beispielsweise der Zeuge Baumgartner sich zu den von Donhauser gemachten Anschuldigungen gegen ihn äußern wollte, erklärte der Vorsitzende, der Ausschuss sei nicht »das Forum«, um mögliche Verleumdungen klarzustellen.826 Anders als im Barmat-Skandal wurde hier gar nicht erst darüber diskutiert, ob vermeintlich Verleumdeten die Möglichkeit gegeben werden musste, sich öffentlich gegenüber diesen Aussagen zu verteidigen. Der Vorsitzende griff hierbei streng durch und untersagte dieses Vorgehen direkt, um nicht die Arbeit des Ausschusses zu gefährden.

822 Redebeitrag Johannes Semler, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 10, S. 14. 823 Redebeitrag Gerhard Schröder, in: Ibid., S. 52. 824 Redebeitrag Gerhard Schröder, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 11, S. 105. 825 Redebeitrag Alfred Loritz, in: Ibid., S. 4. 826 Redebeitrag Johannes Semler, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 13, S. 43.

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Die Sorge vor möglichen Verleumdungen führte allerdings auch dazu, dass Zeugen sich beschwerten und sogar ihre Aussagen vor der Öffentlichkeit verweigerten. Aumer »protestierte [energisch dagegen]«, dass gegen ihn »quasi als Angeklagter vorgegangen wird«, und erklärte, dass es »[d]as in keinem andern demokratischen Land [gibt]«.827 Bei dieser Vernehmung ging es darum, Aumer habe zugegeben, Geld von einer »Persönlichkeit der Erdölindustrie« erhalten zu haben.828 Der Ausschuss forderte ihn nun auf, den Namen dieser Person zu nennen.829 Noch heftiger schien die Reaktion beim Zeugen Fritz Schäffer. Dieser weigerte sich, vor der Öffentlichkeit auszusagen, und erklärte, er sei zu einer Aussage »[u]nter vier Augen bereit, weil [er] gar nichts zu verdecken brauche«.830 Er weigerte sich aber, öffentlich »jeden [zu] nennen, der einer Partei mal eine Spende gegeben hat«.831 Bei dieser Vernehmung ging es ebenfalls um eine Geldzahlung an BP-Mitglieder. Schäffer hatte von »einem Experten oder Exponenten der bayerischen Industrie« ein Angebot über Wahlspenden erhalten.832 Bei dieser Aussageverweigerung vor der Öffentlichkeit ging es vor allem um die Sorge, eine andere Person durch mögliche Verleumdungen, die folgen könnten, in Schwierigkeiten zu bringen. Um mehr Transparenz durch Ermittlungsergebnisse zu schaffen, sollte die Transparenz der Ausschüsse eingegrenzt werden, damit Zeugen aussagten. Zu einem weiteren Konflikt im Zusammenhang mit einer vermeintlichen Verleumdung kam es in der elften Sitzung des Ausschusses. Der Zeuge Besold warf Donhauser vor, ihn vor der Öffentlichkeit des Ausschusses verleumdet zu haben. Diese Information habe er den Protokollen entnommen.833 Dies führte bereits zur ersten Beschwerde durch Donhauser, der fragte, warum Besold Zugang zu den Protokollen habe, er aber nicht.834 Die Protokolle waren zunächst nur begrenzt für Ausschussmitglieder zugänglich und sollten nicht an mögliche Zeuginnen und Zeugen weitergegeben werden. Dieser Vorfall zeigt aber, dass diese Eingrenzung von Transparenz in der Realität nicht wirklich aufrechterhalten werden konnte. Während auf diesen Vorgang zunächst nicht weiter eingegangen wurde, beschwerte Besold sich darüber, dass Donhauser die Möglichkeit gegeben worden sei, ausgiebig seine Sicht der Dinge darzulegen. Er 827 Redebeitrag Hermann Aumer, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 5, S. 49. 828 Redebeitrag Joannes Semler, in: Ibid., S. 46. 829 Ibid., S. 49. 830 Redebeitrag Fritz Schäffer, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 13, S. 93. 831 Ibid. 832 Redebeitrag Max Wönner, in: Ibid. 833 Redebeitrag Anton Besold, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 14, S. 24. 834 Ibid.

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wiederum habe keine Gelegenheit, seine Sicht offenzulegen: »Glauben Sie denn, daß ich ins politische Leben gegangen bin, um mich hier, nachdem ich 46 Jahre lang ein tadelfreies Leben geführt habe, von einem Zeugen als Putzlumpen benützen zu lassen?«835 Auf diesen Vorwurf erklärte der Vorsitzende lediglich, niemandem werde »mehr Bewegungs- oder Redefreiheit [gewährt]« als einem anderen.836 Hierbei lässt sich nicht nur die Sorge vor oder die Gefahr einer möglichen Verleumdung erkennen. Der Zeuge machte dem Untersuchungsausschuss auch den Vorwurf, andere Zeugen zu bevorzugen und somit die Verhandlungen zu beeinflussen. Insbesondere dieser Aspekt sowie teilweise die parteipolitischen Auseinandersetzungen zeigen die Grenzen bzw. Schwierigkeiten von Transparenz in der frühen Bonner Republik auf. Die Öffentlichkeit der Verhandlungen konnte für die eigenen Interessen verschiedener Akteurinnen und Akteure genutzt werden. Dabei ging es meistens darum, andere zu kritisieren oder sich selbst positiv hervorzuheben. Dies führte in der Regel zu einer Erschwerung und Verzögerung der Ausschussarbeiten. Zudem führten öffentliche Verhandlungen auch dazu, dass Zeuginnen und Zeugen sich weigerten auszusagen, da sie die Reaktion der Bevölkerung fürchteten. Transparenz konnte in diesen Fällen die Zusammenarbeit im Ausschuss und die Ermittlungen gefährden.

4.2.7 Untersuchungsausschüsse als Gefahr für die Strafverfolgung? Anders als während der Weimarer Republik wurde die Frage nach der Gleichzeitigkeit von Gericht und Untersuchungsausschuss beim ersten Untersuchungsausschuss der Bonner Republik nahezu gar nicht thematisiert. Die allgemeine Empfindung war außerdem, dass der Untersuchungsausschuss die Arbeiten der juristischen Ermittlungen nicht störte, sondern vielmehr unterstützte und erleichterte. Grund hierfür war auch, dass die Ermittlungen nicht parallel verliefen, sondern es noch nicht sicher war, ob es überhaupt zu einer juristischen Ermittlung kommen würde. Die Öffentlichkeit der Verhandlungen des Ausschusses gefährdete also nicht unmittelbar eine Gerichtsverhandlung. Der Rechtswissenschaftler Eckart konstatierte 1964 im Zusammenhang mit den Untersuchungsausschüssen, dass »in der Praxis des Bundestages […] keine Konflikte mit den Gerichten [entstanden]«.837 Grund hierfür sei die striktere Aufgabentrennung der beiden Organe in der Bonner Republik im Vergleich zur 835 Redebeitrag Anton Besold, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 14, S. 36. 836 Redebeitrag Johannes Semler, in: Ibid., S. 27. 837 Eckart 1964: Das Parlamentarische Untersuchungsverfahren, S. 107.

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Weimarer Republik. Die einzelnen Aufgaben und Kompetenzen seien besser verteilt und es komme vielmehr zu Kooperation zwischen den beiden Organen. Dies begründet er auch damit, dass die allgemeine »Parlamentsfeindlichkeit« aus der Zeit der Weimarer Republik verschwunden sei.838 Zudem habe der »Bundestag praktisch einen Vorrang der Gerichte im Bereich der Sanktionsausübung und Ermittlung anerkannt«,839 obgleich diese offiziell den gleichen Rang haben.840 Kritik an dem Untersuchungsausschuss in Bezug auf die Gerichtsbarkeit äußerte die Fränkische Landeszeitung in ihrem Artikel »Staatsanwalt gesucht« vom 18. Oktober 1950, in welchem sie die Ausschussarbeit quasi mit einem juristischen Prozess gleichsetzte.841 Dieser Artikel warf dem Untersuchungsausschuss vor, wie »das Hornberger Schießen« auszugehen.842 Das Material und die Beweisaufnahmen seien zu unübersichtlich geworden, um noch Ergebnisse hervorbringen zu können. Außerdem gebe es keine »straffe Führung der Verhandlungen« und keine »Richter« und keine »Ankläger«.843 Der Vorsitzende des Ausschusses äußerte sich daraufhin folgendermaßen: Die hier geäußerten Ansichten beruhen auf einer Verkennung der Rechtslage. Der Untersuchungsausschuss ist nicht nur ein Gericht, sondern hat anders als das Gericht zugleich die Funktion, den Sachverhalt zu ermitteln. Wir sind also eine Art von Untersuchungsrichtern hier. Wenn wir uns mehr beschränken würden, als wir es bisher getan haben, so wäre mit Sicherheit der Vorwurf zu erwarten, daß wir nicht bloß am Kern der Sache, sondern an dem [sic!] gefährlichen oder kitzligen Punkten vorbeigehen würden. Es scheint uns wichtiger, daß die Öffentlichkeit davon überzeugt wird, daß wir aber auch nicht das Geringste, was von Interesse sein könnte, auslassen, als daß dieser Untersuchungsausschuß zwei oder drei Tage eher fertig würde.844

Durch diese Aussage versuchte der Vorsitzende nicht, die Arbeit der Untersuchungsausschüsse strikt von der der Gerichte abzugrenzen – wie dies in der Weimarer Republik meist geschehen war. Vielmehr handele es sich auch beim Untersuchungsausschuss um etwas dem Gericht Ähnliches mit »eine[r] Art von Untersuchungsrichtern«. Gleichzeitig sei die Aufgabe des Ausschusses – anders als bei Gerichten –, »den Sachverhalt zu ermitteln«. Es sei nicht Aufgabe des Ausschusses, eine oder mehrere Personen anzuklagen und zu verurteilen. Der

838 839 840 841

Ibid., S. 108. Ibid. Ibid., S. 110. Nach: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 11, S. 123. 842 Ibid. 843 Ibid. 844 PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 11, S. 124.

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Ausschuss sollte Tatsachen aufklären, und dies gründlich. In dieser Hinsicht sah der Vorsitzende den Ausschuss als eine Ergänzung zu den Gerichten bzw. als eine wichtige Stütze für die Gerichtsverhandlungen. Staatsanwälte nahmen zum Beispiel regelmäßig an den Ausschusssitzungen teil und machten »sich fortlaufend Notizen«.845 Zudem sollte der Ausschuss nach seinen Arbeiten »die gesamten Akten der Staatsanwaltschaft in Bonn […] übergeben, damit sie aus diesen Blüten ihren Honig saugen soll«.846 Die bekannte Argumentation aus der Weimarer Republik, die Untersuchungen sollten lieber »den ordentlichen Gerichten« überlassen werden und nicht von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss übernommen werden, fanden sich in den Diskussionen ebenfalls nahezu nicht wieder. Das einzige Beispiel war die bereits zuvor ausgeführte Aussage des Abgeordneten Seelos.847 Die hier untersuchten Zeitungen behandeln dieses Thema kaum. Lediglich ein Artikel der FAZ erwähnte, der Ausschussvorsitzende habe betont, dass die Ausschussermittlungen die gerichtlichen Verfahren keinesfalls stören würden.848 In Anbetracht der Tatsache, dass die Ausschussarbeiten im Allgemeinen eher wenig kritisiert wurden und die Berichterstattung über sie weitgehend neutral verlief, ist dieser Befund wenig überraschend. Der Ausschuss war als Instrument zur Untersuchung anerkannt und eine Störung möglicher Gerichtsverhandlungen wurde ausgeschlossen.

4.2.8 Allgemeine Kritik und Reformvorschläge Trotz der allgemeinen Anerkennung des Untersuchungsausschusses kam es nach seiner Arbeit zu einiger Kritik. Hierbei ging es vor allem um die Frage, welche Ergebnisse der Untersuchungsausschuss wirklich hervorgebracht hatte. Wichtiger schien aber noch der Aspekt, welche Konsequenzen aus diesem Ausschuss gezogen werden sollten. Dabei ging es – anders als später im Fall SteinerWienand – weniger um mögliche Verbesserungen der Ausschussarbeit als vielmehr um mögliche Gesetze zum Schutz vor Korruption in der Politik. Eine wichtige Rolle spielten vor allem die Debatten um größere Transparenz bei der Parteienfinanzierung sowie die Diskussionen um eine Ehrenordnung und einen möglichen Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung.

845 Redebeitrag Johannes Semler, in: Ibid., S. 124f. 846 Ibid. 847 Redebeitrag Gebhard Seelos, in: Stenographisches Protokoll, 07. 06. 1951, S. 5898. Siehe hierzu: S. 182. 848 FAZ: Baumgartner bleibt beim Bestechungsvorwurf. Die Vernehmung vor dem Bonner Untersuchungs-Ausschuß, o. A. (13. 10. 1950).

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Die allgemeine Kritik und Enttäuschung am ersten Untersuchungsausschuss wurde hierbei weniger von den Parlamentsmitgliedern als vielmehr von der Presse geäußert. Dabei ging es vor allem um die Ergebnisse, die der Untersuchungsausschuss hervor- bzw. nicht hervorgebracht hatte. Die FAZ zum Beispiel kritisierte: »Die Enttäuschung und Unzufriedenheit mit dem Bericht des Untersuchungsausschusses in der breiten Oeffentlichkeit sei berechtigt, weil die großen Summen, die an die Parteien gingen, nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen seien.«849 Augstein prangerte die sinnlose Ausschweifung des Ausschusses an, die letztlich zu keinem wirklichen Ergebnis geführt habe.850 Lediglich vier Abgeordnete seien »zum Rücktritt ermuntert« worden und es bleibe auch fraglich, »ob sie der Aufforderung Folge leisten oder ob sie es vorziehen, als potenzierte Dickhäuter ihren Sessel zu behaupten«.851 Zudem seien der Finanzminister Schäffer sowie Donhauser »ungeschoren [ge]blieb[en]«.852 Er ging bei seiner Kritik sogar noch weiter. Er erkannte den Versuch des Ausschusses, »die Luft zu reinigen«, an, aber bereits die ersten Sitzungen hätten gezeigt, dass der Ausschuss »am Kern des Problems vorbeizielen muß«.853 Grund hierfür sei die Missachtung des Artikels 21.1 des Grundgesetzes durch alle Parteien. Der Artikel 21.1 besagt, dass Parteien »über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft geben« müssen.854 Augstein forderte in seinem Beitrag, das Problem möglicher Korruption am »Kern« zu bekämpfen.855 Das bedeutete für ihn, die Parteienfinanzierung transparenter zu gestalten. In einer ähnlichen Weise äußerte er sich noch in weiteren Artikeln.856 In diesem Artikel kritisierte er außerdem die Tatsache, dass es kein Gesetz zur Abgeordnetenbestechung gab, diese also nicht strafbar war. Vielmehr war alles nur durch eine Art »Ehrenkodex« geregelt.857 Diese mal direkteren, mal indirekteren Forderungen nach Reformen der Gesetze im Anschluss an die Ausschussarbeiten fanden sich allerdings nicht nur in der Presse wieder. Die Parlamentsmitglieder forderten ebenfalls Reformen, um solche Skandale zukünftig zu verhindern. Dabei ging es auch um diese beiden Forderungen. So 849 FAZ: Der Mißtrauensantrag gegen Schäffer abgelehnt. Die Debatte des Bundestages über den Bericht des Spiegel-Ausschusses, o. A. (09. 06. 1951). 850 Diese Kritik wurde auch im Nachhinein von verschiedenen Akteuren bestätigt. Siehe u. a.: Kipke, Rüdiger: Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages. Praxis und Reform der parlamentarischen Enquète. Berlin, 1985, S. 129. 851 Der Spiegel: Geld und Politik, 25 (20. 06. 1951). 852 Ibid. 853 Der Spiegel: Lieber Spiegelleser, 11. 10. 1950. 854 Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, 23. Mai 1949. URL: https://www.1000do kumente.de/index.html?c=dokument_de&dokument=0014_gru&object=pdf&l=de [28. 02. 2023]. 855 Der Spiegel: Lieber Spiegelleser, 11. 10. 1950. 856 Der Spiegel: Spiegel-Ausschuß. Unter die Nase reiben, 21 (23. 05. 1951). 857 Ibid.

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verlangten einige eine Ehrenordnung zur Regelung der Abgeordnetenbestechung.858 Außerdem sollte die Parteienfinanzierung durch eine Gesetzesreform transparenter gestaltet werden. Bei der Besprechung des Berichts erklärte Seelos, es sei »dringend erforderlich, die gesamte Finanzierung der Parteien durchsichtiger zu gestalten«.859 Reismann erklärte zum Zentrumsantrag: Der Zentrumsantrag, der auf der seit langen vom Zentrum vertretenen Tendenz beruht, gerade unserem neuen Staat eine Grundlage von Ordnung und von öffentlichem Ansehen zu verschaffen und durch die Offenlegung der Parteifinanzierung allgemeines Vertrauen gerade in das Parteiwesen zu begründen, würde allerdings den Kommunisten, die gerade vor mir ihren Sprecher zu heftig gegen die bestehenden Parteien wettern ließen, wie mir scheint, wenig Freude machen.860

Neben dem eindeutigen Seitenhieb gegen die Kommunistische Partei schien es für ihn besonders wichtig, durch Transparenz Vertrauen herzustellen. Er kritisierte außerdem, dass die aktuelle intransparente Parteienfinanzierung »goldene Ketten« um die Parteien lege.861 Dadurch sei das »Vertrauen derjenigen [vollends] erschütter[t] [worden], die geglaubt haben, wir würden nun mit absoluter Offenheit.[sic!] Öffentlichkeit und Korrektheit das System unserer neuen Parteien aufbauen«.862 Gerade weil dieses Thema in den Ausschusssitzungen nicht behandelt werden konnte, sei es nun notwendig, Gesetze zur Parteienfinanzierung zu erlassen. Dadurch sollte die Bevölkerung beruhigt und mittels der Arbeiten des Ausschusses zufriedengestellt werden.863 Schon im Parlamentarischen Rat bei der Verfassungsberatung habe das Zentrum gefordert, »durch den Zwang die Finanzen der Parteien offenzulegen«, denn nur dies könne »Ordnung und Sauberkeit« schaffen.864 Hierbei lässt sich wieder die Vorstellung erkennen, Transparenz würde Vertrauen schaffen. Inwieweit diese Idee von der aktuellen Forschung hinterfragt wird und viel mehr das Gegenteil der Fall zu sein scheint, wurde bereits an einer anderen Stelle dieser Studie näher ausgeführt.865 Der FDP-Abgeordnete Mayer erklärte, seine Partei werde allen Forderungen und der Offenlegung der Parteienfinanzierung zustimmen, wenn diese »die Reinigung des Parlaments und des deutschen Parteiwesens […] bewirken« würden.866 Für ihn hatte die Offenlegung der Parteienfinanzierung noch eine viel 858 Siehe hierzu auch: Schnabel, Eginhard: Der parlamentarische Untersuchungsausschuß. Ein wirksames Kontroll- und Informationsorgan des Parlaments? Tübingen, 1969, S. 23. 859 Redebeitrag Gebhard Seelos, in: Stenographisches Protokoll, 07. 06. 1951, S. 5899. 860 Redebeitrag Bernhard Reismann, in: Ibid., S. 5905. 861 Ibid., S. 5908. 862 Ibid. 863 Ibid., S. 5909. 864 Ibid. 865 Siehe hierzu u. a. Kapitel 1.1.4, S. 25f. und Kapitel 3.4, S. 153ff. 866 Redebeitrag Ernst Mayer, in: Stenographisches Protokoll, 07. 06. 1951, S. 5914.

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größere Bedeutung als nur die Möglichkeit, Korruption zu verhindern. Vielmehr sollte so etwas wie der Aufstieg der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei vor 1933 dadurch verhindert werden können.867 Hier lässt sich noch das Verständnis erkennen, dass die NSDAP ihren Aufstieg vor allem der Finanzierung durch wichtige Konzerne verdankte – ein wichtiges Narrativ der Nachkriegszeit.868 Mayer erklärte zudem, dass besonders durch die deutsche Teilung die Parteienfinanzierung noch besser überwacht werden müsse, um Korruption durch ›den Osten‹ zu verhindern, was die Sorge vor einer politischen Einflussnahme durch diesen verdeutlicht.869 Tatsächlich wurde der Aspekt der Parteienfinanzierung im Untersuchungsausschuss nicht besprochen, sondern führte erst nach seinen Arbeiten zu verstärkten Diskussionen. Ein Gesetz zur Offenlegung der Parteienfinanzierung wurde allerdings nicht verabschiedet. Anders sah es bei einer möglichen Ehrenordnung aus. Diese wurde auch im Untersuchungsausschuss diskutiert, jedoch nicht in die Ausschussbeschlüsse aufgenommen. Nach dem Ende der Ausschussarbeiten wurden dieser Punkt allerdings auch im Parlament diskutiert. So forderten verschiedene Parlamentsmitglieder die Schaffung einer Ehrenordnung, die anders als der bereits existierende Ehrenkodex bindend sein sollte. Politikerinnen und Politiker sollten dementsprechend für ihr Fehlverhalten bestraft werden. Eng an diese Ehrenordnung gekoppelt war die Forderung nach der Strafbarkeit von Abgeordnetenbestechung, die in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden sollte. Der FDPAbgeordnete Max Becker erklärte im Zusammenhang mit der Ehrenordnung und dem Antrag, ob Abgeordnete, die ihre Position missbrauchen, aus dem Bundestag ausgeschlossen werden dürften: Wir werden also an dem Gesetz in der Hoffnung mitarbeiten, daß auch nach anderer Richtung – Ehrenordnung, Ehrenrat oder auch strafgesetzliche Bestimmungen – die Konsequenzen, die sich auf Grund der Untersuchungen des »Spiegel«-Ausschusses ergeben haben, gezogen werden. Aber damit kein falscher Eindruck entsteht, möchte ich noch einmal eins hervorheben: wir teilen die Hoffnung des Herrn Kollegen Wagner, daß die Existenz einer solchen Bestimmung genügt, daß sie nicht angewendet zu werden braucht. Wir unterstreichen aber auch, daß die Untersuchungen des »Spiegel«-Ausschusses nur bei ganz wenigen Abgeordneten irgend etwas auszusetzen gefunden haben und daß die große, die überwiegende Mehrheit dieses Hohen Hauses als völlig integer aus diesen Untersuchungen herausgegangen ist.870

867 Ibid., S. 5919. 868 Siehe hierzu u. a.: Kulitz, Peter: Unternehmerspenden an politische Parteien. Berlin, 1983, S. 64. 869 Redebeitrag Ernst Mayer, in: Stenographisches Protokoll, 07. 06. 1951, S. 5919. 870 Redebeitrag Max Becker, in: Stenographisches Protokoll der Plenardebatte des Deutschen Bundestages am 21. 06. 1951, 1. Wahlperiode, 155. Sitzung, S. 6145.

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Der Untersuchungsausschuss wurde hier als eine Art Anstoß für Reformen zur Verbesserung der Politik gesehen. In einer ähnlichen Weise argumentierte Seelos. Er forderte die Einsetzung eines Ehrenrates zur Durchsetzung einer Ehrenordnung. Des Weiteren äußerte er sich wie folgt: der Umstand, dass dies noch nicht geschehen sei, schädige das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Bundestag stark; deshalb forderte er die Ad-hoc-Einsetzung eines Ehrenrates.871 Die gleichen Forderungen stellte Mayer: »Meine Freunde nehmen diesen traurigen Vorfall zum Anlaß, unsere alte Forderung auf Erlaß einer Ehrenordnung, Einsetzung eines Ehrenrates zu wiederholen«.872 Er verlangte sogar die Zuchthausstrafe für Abgeordnete, die sich bestechen ließen. Ähnlich argumentierten noch weitere Parteien wie die DP873 und die CSU874. Die Ehrenordnung sollte – verbunden mit einer Erneuerung des Strafrechts – das Vertrauen der Bevölkerung in den Bundestag stärken und Korruption verhindern. Obgleich der Ausschuss selbst keinerlei Reformen durchbrachte, diente er doch zumindest als Anstoß, um Reformforderungen zu artikulieren. Durch die Veröffentlichung einiger merkwürdiger Vorgehensweisen in der Politik schienen die bereits zuvor geforderte Transparentmachung der Parteienfinanzierung und die Ehrenordnung immer notwendiger. Ähnlich wie die Offenlegung der Parteienfinanzierung kam jedoch auch die Ehrenordnung 1951 noch nicht zustande. Der Ausschuss für Geschäftsordnung und Immunität schlug in seinem Bericht lediglich eine »Kann-Bestimmung« vor.875 Die Etablierung der Ehrenordnung erfolgte erst 1972. Der Untersuchungsausschuss forderte zudem die Überarbeitung seiner Richtlinien, sodass die eigene Arbeit für zukünftige Untersuchungsausschüsse klarer und besser strukturiert werde.876 Auch dieser Forderung wurde zunächst nicht nachgekommen, bis die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft (IPA) in den 1960er Jahren neue Richtlinien für Untersuchungsausschüsse erarbeitete. Im Allgemeinen wurde der Ausschuss 1951 nur wenig kritisiert und es wurden nur wenige Reformen dieses Instrument selbst gefordert. Vielmehr diente der Ausschuss als Initiator und Katalysator für andere Forderungen, um Korruption zu bekämpfen. Dies muss zwingend in Bezug zu den Erkenntnissen von DoeringManteuffel und Herbert gesetzt werden. Diese konstatieren, dass vor allem Po871 872 873 874 875

Redebeitrag Gebhard Seelos, in: Stenographisches Protokoll, 07. 06. 1951, S. 5899. Redebeitrag Ernst Mayer, in: Ibid., S. 5912. Redebeitrag Hans Ewers, in: Ibid., S. 5917. Redebeitrag Max Solleder, in: Ibid., S. 5929. Deutscher Bundestag: Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Entwurf der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, Abschnitt VI, §22, Drucksache 2550. O. A. , 1951, S. 34. 876 PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 36, S. 2ff.

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litikerinnen und Politiker, aber auch die Presse in den frühen Jahren der Bonner Republik Konflikte weitestgehend vermieden und versuchten, Kritik von der Republik abzuwehren, um die junge Republik nicht zu gefährden.877

4.2.9 Zwischenfazit Nachdem Untersuchungsausschüsse – trotz der Erfahrungen in der Weimarer Republik – in das Grundgesetz aufgenommen worden waren, wurde bereits 1950 der erste Untersuchungsausschuss der Bonner Republik einstimmig eingesetzt. Er hatte die Aufgabe, die Vorwürfe des Spiegel zu klären, inwiefern es bei der Abstimmung über die Hauptstadtfrage zu Korruption gekommen war. Er wurde dabei als ein systemstärkendes Instrument wahrgenommen bzw. angepriesen. Durch die öffentliche Untersuchung sollte Transparenz geschaffen und das Vertrauen der Bevölkerung wiederhergestellt und gestärkt werden. Dabei spielte die Abgrenzung vom Nationalsozialismus eine wichtige Rolle: Insbesondere durch das massive und öffentliche Vorgehen gegen vermeintliche Korruptionsfälle sollte sich das System der Bonner Republik von dem des NS-Staates unterscheiden, in welchem solche Fälle meist vertuscht worden waren. Gleichzeitig wurde die Arbeit des Untersuchungsausschusses kritisiert und sogar seine Sinnhaftigkeit angezweifelt. Dabei gab es sowohl ähnliche Argumente wie in der Weimarer Republik als auch große Unterschiede. Der Ausschuss wurde ebenfalls als eine Möglichkeit angesehen, Dinge eher zu vertuschen, als sie aufzuklären. Außerdem diente er angeblich als ein parteipolitisches Instrument, welches genutzt wurde, um die eigene Partei hervorzuheben und andere zu kritisieren. Und ähnlich wie in Weimar bestand die Sorge, dass es durch die Öffentlichkeit des Ausschusses zu möglichen Verleumdungen kommen könnte, die sich nicht mehr einfach aus der Welt räumen ließen. Die Sorge vor einer Gefährdung der juristischen Ermittlungen durch den Ausschuss spielte hier aber kaum eine Rolle. Obgleich Kritik an den Ausschüssen geäußert und diskutiert wurde, wurde sie doch eher klein gehalten. Auch die Presse hielt sich zurück. Grund hierfür war, dass die junge Demokratie nicht gefährdet werden sollte. So sollte der Untersuchungsausschuss durch Ermittlungen das Vertrauen der Bevölkerung schließlich stärken und nicht schwächen. Dieses Phänomen lässt sich in der gesamten Politik und Presseberichterstattung der jungen Bonner Republik wiederfinden, die sich zunächst eher zurückhaltend verhielten. Hier lassen sich die Feststellungen von Doering-Manteuffel und Herbert erkennen, die dieser Zeit noch eine starke Zurückhaltung und Konfliktvermeidung gegenüber der Politik zuschrieben. Zudem zeigten sich 877 Siehe Kapitel 4, S. 161ff.

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die Mitglieder des Parlaments bemüht, nicht zu viel Kritik zu äußern, um die Demokratie nicht zu gefährden. So war auch die gesamte Debatte über Korruption von diesem Phänomen geprägt. Engels erklärt, dass obgleich »hingeschaut wurde«, »[d]as Image der Käuflichkeit […] weder am Bundestag noch an der Bonner Republik kleben [blieb]«.878 Zudem lässt sich die starke Betonung der Abgrenzung von totalitären Systemen sowie von den Fehlern der Weimarer Republik erkennen, wie sie Doering-Manteuffel und Herbert konstatiert haben. Obwohl der Untersuchungsausschuss keine wirklichen Konsequenzen nach sich zog, diente er aber als ein Symbol der Stärke des deutschen Parlaments. Der Rechtswissenschaftler Eckart konstatiert hierzu: Der unsichtbare Erfolg des Verfahrens dürfte groß gewesen sein. Labile Abgeordnete erhielten eine wirksame Warnung. Die Parteien wurden hingewiesen, daß sie ihrer Selbsterhaltung wegen die Abgeordneten sorgfältig auslesen und überwachen müssen.879

Das Parlament versuchte mithilfe des Ausschusses zu zeigen, dass es in der Lage war, sich selbst zu reinigen.880 Das Narrativ der Selbstreinigung, welches hier stark vertreten wurde, fand sich auch in dem allgemeinen politischen Diskurs und dem Korruptionsdiskurs dieser Zeit wieder.881 So stimmt es zwar, dass bereits der erste Untersuchungsausschuss kritisiert wurde, seine Kompetenzen nicht eindeutig geklärt waren und das Ergebnis der Untersuchungen nicht vollständig zufriedenstellend ausfiel. Die pessimistische Meinung des Publizisten Jürgen Roth lässt sich anhand dieser Untersuchungen aber nicht bestätigen. Er vertritt die Ansicht, dass bereits hier die »Zweifel an der Leistungsfähigkeit« der Ausschüsse deutlich »[ge]nährt« wurden.882 Sowohl die Parlamentsmitglieder als auch die Presse teilten weitestgehend die Meinung, dass der Ausschuss eine sinnvolle Arbeit für die Demokratie geleistet habe. Seine Arbeit führte letztlich aber tatsächlich zu vielen Diskussionen nicht nur über Reformen des Instrumentes selbst, sondern vor allem auch über Reformen der Arbeit des Bundestages. Hierzu zählte besonders die Forderung nach einer größeren Transparenz bei der Parteienfinanzierung, einer Ehrenordnung und der Strafbarkeit von Abgeordnetenbestechung. Diese Reformforderungen brauchten allerdings noch viele Jahre, bis sie letztendlich umgesetzt wurden. Noch bevor dies geschah, kam

878 879 880 881 882

Engels 2019: Alles nur gekauft? S. 23. Eckart 1964: Das Parlamentarische Untersuchungsverfahren, S. 29f. Siehe hierzu auch die allgemeine Korruptionsdebatte: Engels 2019: Alles nur gekauft? S. 27f. Siehe u. a.: Perthen 2021: Korruption kritisieren, S. 335. Roth, Roland: Eine korrupte Republik? Konturen politischer Korruption in der Bundesrepublik. In: Rolf Ebbighausen und Sighard Neckel (Hg.): Anatomie des politischen Skandals. Frankfurt, 1989, S. 201–233.

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es zunächst zu einer Erarbeitung der Richtlinien der Untersuchungsausschüsse durch die IPA.

4.3

Die Erarbeitung neuer Richtlinien für Untersuchungsausschüsse

4.3.1 Die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft (IPA) Nach der sogenannten Spielbankenaffäre des Bayerischen Landtags,883 bei der ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde, beschlossen die Präsidenten der deutschen Länderparlamente, eine Regelung des Verfahrens von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen sei dringend notwendig. Zuvor wurde lediglich festgelegt, dass diese nach der Strafprozessordnung arbeiten sollten. Nähere Bestimmungen waren – wenn überhaupt – lediglich in den einzelnen Länderparlamenten festgelegt.884 Am 6. November 1959 fasste die Konferenz der Landtagspräsidenten daraufhin den Beschluss, »gemeinsame Richtlinien für das Verfahren von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zu erarbeiten«.885 Grund hierfür war, dass »im vorhinein festgelegte und niedergeschriebene Auslegungsregeln eher überzeugen als eine ad hoc geführte rechtstheoretischwissenschaftliche Verfassungsinterpretation«.886 Erst drei Jahre später, am 5. Dezember 1962, wurde daraufhin eine Kommission »Untersuchungsausschüsse« der IPA887 eingesetzt, die ihre konstituierende Sitzung am 21. März 1963 abhielt.888 Zweck dieser Kommission war es, »die Arbeit der Untersuchungsausschüsse zu objektivieren und von dem Geruch zu befreien, es gehe nicht um die Feststellung von Tatbeständen sondern um politische Manipulation«.889 Zudem bestehe dringender Bedarf einer Verfassungsänderung. Alle Parteien 883 In der sogenannten Spielbankaffäre in Bayern zwischen 1955 und 1962 ging es um mehrere vermeintliche Korruptionsfälle in Bezug auf die Konzessionsvergabe an Privatpersonen zum Betreiben von Spielbanken. Siehe hierzu: Meinl, Susanne; Schreiner-Bozic, Marcus: Martin Riedmayr (1896–1989). Vom Freikorps Epp zum Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz, in: Helmut Müller-Enbergs und Amin Wagner (Hg.): Spione und Nachrichtenhändler. Geheimdienst-Karrieren in Deutschland 1939–1989, Berlin, 2016, S. 175–207, S. 195f. 884 Archiv der Stiftung Naturschutzgeschichte, 1050/IPA-0084, S. 9. 885 Ibid., S. 10. 886 Ibid. 887 Siehe hierzu: Rosebrock, Jürgen: Wegbereiter der bundesdeutschen Umweltpolitik. Eine kleine Geschichte der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft. München, 2014, S. 28ff. 888 Bericht des Abgeordneten E. Benda, Drucksache Nr. 314, 15. 10. 1963, in: Archiv der Stiftung Naturschutzgeschichte, 1050/IPA-0084. 889 Redebeitrag Dr. Bollig, in: Kurzprotokoll Drucksache Nr. 41, S. 6 in: Archiv der Stiftung Naturschutzgeschichte, 2071/IPA.

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seien sich darin einig und fürchteten, wenn sie dagegen stimmten, den Eindruck einer »Scheu vor der Transparenz der Öffentlichkeit« zu erwecken.890 Durch die Erarbeitung neuer Richtlinien sollte die Ausschussarbeit also klarer strukturiert und somit erleichtert werden. Dadurch wiederum sollte Transparenz gegenüber der Bevölkerung geschaffen werden. An dieser Stelle wurde auch das erste Mal in den hier untersuchten Quellen tatsächlich das Wort »Transparenz« genutzt. Es handelte sich hierbei um »downwards-« und »inwards-Transparenz«, bei der die Bevölkerung die Adressatin sein sollte. Ziel dieser Kommission war es dabei nicht, vollkommen neue Regeln für kommende Untersuchungsausschüsse zu schaffen. Vielmehr versuchte sie, bereits bestehende Praxen und Regeln gemeinsam zu kodifizieren.891 Die neuen Richtlinien traten 1968 in Kraft und waren somit auch die Grundlage für die Arbeit des Steiner-Wienand-Ausschusses. Es handelte sich hierbei allerdings nicht um feste Gesetze, sondern lediglich um »Handlungsdirektiven« für die Ausschüsse.892 Bei der Erarbeitung der Richtlinien schien die Öffentlichkeit der Sitzungen unantastbar. So wurde nur wenig über die Öffentlichkeit diskutiert. Vielmehr wurde genauer festgelegt, was »Öffentlichkeit« und »öffentliche Sitzungen« bedeuten bzw. beinhalten sollten, sowie die Frage erörtert, wie die Protokollierung der Sitzungen stattfinden solle. Innerhalb der Diskussionen dieser Kommission ging es noch um viele weitere Aspekte. Dieses Kapitel konzentriert sich allerdings vornehmlich auf die Diskussionen rund um die Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse. So wurde Folgendes bezüglich der Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse festgelegt: Öffentlichkeit der Sitzungen (1) Die Beweisaufnahme erfolgt in öffentlicher Verhandlung. Über die Zulässigkeit von Ton- und Filmaufnahmen entscheidet der Untersuchungsausschuß. Schriftliche Aufzeichnungen darf er nur untersagen, wenn der Verdacht besteht, dass sie zum Zwecke der Zeugenbeeinflussung weitergegeben werden sollen. (2) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden. Sie ist auszuschliessen, wenn überragende Interessen der Allgemeinheit oder überwiegende, insbesondere gesetzlich geschützte Interessen eines Einzelnen dies gebieten oder wenn es zur Erlangung einer wahrheitsgemässen Aussage erforderlich ist. (3) Über den Ausschluß der Öffentlichkeit entscheidet der Untersuchungsausschuß mit Zweidrittelmehrheit in nichtöffentlicher Sitzung. 890 Redebeitrag Kessler, in: Ibid., S. 11. 891 Redebeitrag Kessler, in Kurzprotokoll Drucksache Nr. 41, S. 2. 892 Wiefelspütz, Dieter: Das Untersuchungsausschussgesetz des Bundes. In: Zeitschrift für Parlamentsfragen 2002 (33/3), S. 551–572, S. 551.

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(4) Die Beratungen des Untersuchungsausschusses sind nicht öffentlich. (5) Zu den nichtöffentlichen Sitzungen haben auch Mitglieder des Bundestages, die nicht Mitglieder des Untersuchungsausschusses oder deren Stellvertreter sind, keinen Zutritt. (6) Beweiserhebungen, Vorgänge oder Dokumente können durch Beschluß des Untersuchungsausschusses für geheim oder vertraulich erklärt werden.893

Dieser Paragraph sollte die Praxis der Verhandlungen regeln. Dabei wurden die meisten Kompetenzen dem Ausschuss selbst zugeschrieben. So sollte jeder Ausschuss individuell über Ton- und Filmaufnahmen bestimmen können und er sollte selbst, mithilfe der Zweidrittelmehrheit, über den Ausschluss der Öffentlichkeit entscheiden können. Die Zweidrittelmehrheit zum Ausschluss der Öffentlichkeit war hierbei besonders wichtig, da sie den Grundsatz der öffentlichen Verhandlung […] unterstreichen und verhindern [soll], daß der Untersuchungsausschuß die Öffentlichkeit […] willkürlich oder schon dann ausschliesst, wenn die öffentliche Erörterung bestimmter Vorgänge der Mehrheitspartei des Bundestages ungelegen ist.894

Sie war außerdem eine wichtige Neuerung in Bezug auf den Artikel 44 Absatz 1 des Grundgesetzes. Hier wurde lediglich festgelegt, dass die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden konnte. Hierfür genügte bereits eine einfache Mehrheit, »um die Blockierung durch die Minderheit zu vermeiden«.895 Anders sah dies in den Länderverfassungen aus, wo meist bereits eine Zweidrittelmehrheit wie in der Weimarer Verfassung verlangt wurde. Anhänger dieser Idee erklärten zudem, die Minderheit werde dadurch nicht unterdrückt, da sie immer noch die Möglichkeit habe, ein falsches Vorgehen über die Presse und somit öffentlich anzuprangern.896 Gleichzeitig wurde festgelegt, dass die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden konnte, wenn das Interesse der Allgemeinheit oder »gesetzlich geschützte Interessen eines Einzelnen« dadurch geschützt würden. Ein wichtiger Unterschied war, dass während bis dato »nur an eine Kann-Vorschrift gedacht [wur893 Entwurf eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Bundestages sowie zur Ergänzung des Gesetztes über das Bundesverfassungsgericht vom 12. März 1951 (Bundesgesetzbl. I. S. 243 und des Wahlprüfungsgesetzes vom 12. März 1951 (Bundesgesetzbl. I S. 166), S. 4, in: Archiv der Stiftung Naturschutzgeschichte, 1050/IPA0084. 894 Entwurf eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Bundestages sowie zur Ergänzung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 12. März 1951, S. 18, in: Archiv der Stiftung Naturgeschichte, 2071/IPA. 895 Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft Drucksachen 1–25, Kurzprotokoll über die Sitzung der Kommission »Untersuchungsausschüsse« am 12. März 1965, 9.00 Uhr, im Bundeshaus in Bonn, KU-Drucksache Nr. 21, S. 11, in: Archiv der Stiftung Naturgeschichte, 1420/IPA. 896 Kurzprotokoll über die Sitzung der Kommission »Untersuchungsausschüsse« am 12. März 1965, KU-Drucksache Nr. 21, S. 11, in: Archiv der Stiftung Naturgeschichte, 1420/IPA.

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de], Abs. 2. Satz 2 den Ausschluß für bestimmte Fälle zwingend vorschrieb«.897 Dadurch sollten die Ausschüsse »in jedem Einzelfall eine genaue Prüfung vor[nehmen].«898 Teilweise habe der Ausschuss sogar »eine Pflicht zum Ausschluß der Öffentlichkeit«, wenn es zum Beispiel um den Staatsschutz oder Personalakten gehe.899 So wurde in der Kommission auch die Frage aufgeworfen, ob es nicht sinnvoll sei, allgemeine Kriterien für den Ausschluss der Öffentlichkeit zu entwerfen. Dies wurde allerdings nicht getan, mit der Begründung, dies ergebe sich aus der Strafprozessordnung.900 Entscheidend war weiterhin, dass die Öffentlichkeit der Ausschüsse weitestgehend aufrechterhalten und mindestens durch schriftliche Aufzeichnungen garantiert werden sollte. Dies zeigte sich bereits beim ersten Untersuchungsausschuss der Bonner Republik. Die Frage der Ton- und Filmaufnahmen beantwortete der erste Ausschuss selbst, indem er sie während der Vernehmungen verbot. Wichtig war Absatz 2, der noch einmal deutlich machte, was der Ausschuss 1950/51 schon praktiziert hatte, nämlich den Ausschluss der Öffentlichkeit bei besonderen Einzel- oder Allgemeininteressen. Hinzu kam Absatz 6, der festlegte, dass Aussagen oder auch Dokumente und Ähnliches für vertraulich und somit für geheim erklärt werden konnten. Hierbei ging es vor allem darum, dass nicht öffentliche Sitzungen nicht automatisch geheim waren. So wurde in den verschiedenen Untersuchungsausschüssen häufig nach den Verhandlungen mit der Presse gesprochen und damit eigentlich vertrauliche Informationen weitergegeben. Außerdem wurden ausschussinterne Differenzen, die sich »nicht auf die Sache selbst bezogen hätten«, sondern auf die Verhandlungen, an die Öffentlichkeit weitergeben.901 Es zeigte sich allerdings schon, dass Untersuchungsausschüsse den Ausschluss der Öffentlichkeit vermieden, da dies direkt den Eindruck erweckte, sie versuchten etwas zu verbergen.902 All diese Punkte waren weitestgehend unumstritten, insbesondere, da sie bereits der damaligen Praxis der Untersuchungsausschüsse entsprachen.

897 Entwurf eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Bundestages sowie zur Ergänzung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 12. März 1951, S. 18, in: Archiv der Stiftung Naturgeschichte, 2071/IPA. 898 Entwurf eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen vom 12. März 1951, S. 18. 899 Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft Drucksachen 1–25, Kurzprotokoll über die Sitzung der Kommission »Untersuchungsausschüsse« am Dienstag, dem 11. Mai 1965, 15 Uhr, im Bundeshaus in Bonn. KU-Drucksache Nr. 22, S. 16, in: Archiv der Stiftung Naturgeschichte, 1420/IPA. 900 Ibid., S. 16f. 901 Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft Drucksachen 1–25, Kurzprotokoll über die Sitzung der Kommission »Untersuchungsausschüsse« am Dienstag, dem 11. Mai 1965, KUDrucksache Nr. 22, S. 8, in: Archiv der Stiftung Naturgeschichte, 1420/IPA. 902 Ibid., S. 15.

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Die Öffentlichkeit der Verhandlungen im Allgemeinen wurde weniger in Frage gestellt. Dennoch wurde über die Pro- und Contra-Argumente diskutiert.903 So äußerte Dr. Strodthoff die Sorge, die Öffentlichkeit und vor allem das Agieren der Presse könnten eine objektive Aufdeckung verhindern und den parteipolitischen Kampf befördern.904 Es bestand zudem die Furcht, es könnten sogenannten »Fensterreden gehalten werden« oder die Abgeordneten könnten durch die »Anwesenheit von Lobbyisten und Interessensvertretern« beeinflusst werden.905 Dennoch wurde beschlossen, dass »die positiven Aspekte […] überwiegen«.906 Insbesondere »die Möglichkeit des Mithörenkönnens durch die Allgemeinheit« wurde hier als besonders wichtig angesehen, da die Ausschussarbeit »dadurch durchsichtiger [wird] und das Vertrauen in die Arbeit des Abgeordneten […] wachsen [kann]«.907 Außerdem diene die Öffentlichkeit als Kontrollinstanz.908 Absatz 5 war etwas umstrittener. Dieser besagte, dass auch Mitglieder des Bundestages und der Regierung, die allerdings keine Mitglieder des jeweiligen Ausschusses waren, bei den nicht öffentlichen Sitzungen ausgeschlossen werden sollten. Dies war eine Neuerung, da bis dato diese Mitglieder weiterhin das Recht besaßen, an nicht öffentlichen Sitzungen teilzunehmen. Durch die Änderung sollte den Ausschüssen »mehr Gewicht gegenüber der Regierung [beigemessen werden]«.909 Regierungsabgeordnete und andere Parlamentsmitglieder hätten kein Recht auf »jederzeitiges Gehör«.910 Dies stieß auf Widerstand einiger Parlamentsmitglieder, die sich dazu berechtigt sahen, an allen Ausschusssitzungen teilzunehmen. Letztendlich wurde dieser Absatz aber auch zum Schutz der Objektivität der Untersuchungsausschüsse eingeführt. Die restlichen Mitglieder des Parlaments oder der Regierung sollten durch ihre Präsenz oder ein mögliches Agieren die Verhandlungen nicht beeinflussen. Hierbei zeigten sich erneut die 903 Siehe hierzu auch: Betr.: Öffentlichkeit der Ausschüsse, KPR-Drucksache Nr. 121, S. 1–9, in: Archiv der Stiftung Naturgeschichte, 1050/IPA-0090. 904 Redebeitrag Dr. Strodthoff, in: Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft Drucksachen 1– 25, Stenographisches Protokoll über die Sitzung der Kommission »Untersuchungsausschüsse« am 21. März 1963 im Bundeshaus in Bonn, KP-Drucksache Nr. 1, S. 20f., in: Archiv der Stiftung Naturgeschichte, 1420/IPA. 905 Betr.: Für und Wider öffentlicher Ausschußsitzungen, KPR-Drucksache Nr. 74, S. 1–4, S. 3, in: Archiv der Stiftung Naturgeschichte, 1050/IPA-0090. 906 Ibid., S. 4. 907 Ibid. 908 Redebeitrag Dr. Strodthoff, in: Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft Drucksachen 1– 25, Stenographisches Protokoll über die Sitzung der Kommission »Untersuchungsausschüsse« am 21. März 1963 im Bundeshaus in Bonn, KP-Drucksache Nr. 1, S. 21, in: Archiv der Stiftung Naturgeschichte, 1420/IPA. 909 Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, Drucksache VI/…, Begründung, S. 2, in: Archiv der Stiftung Naturgeschichte, 2071/IPA. 910 Betr.: Beschluß der öffentlich-rechtlichen Abteilung des 45. Deutschen Juristentages, KUDrucksache Nr. 12, S. 12, in: Archiv der Stiftung Naturgeschichte, 1420/IPA.

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Grenzen von Transparenz, da Kooperationen und Kompromisse durch sie gehemmt werden konnten. Bei diesen Debatten zeigt sich die Vorstellung, Untersuchungsausschüsse könnten Transparenz schaffen. Es ging vor allem um eine »Prozess-Transparenz« in Echtzeit, die gegenüber der Bevölkerung gewahrt werden sollte. Gleichzeitig werden aber auch die Grenzen von Transparenz deutlich, die zu einer Einschränkung dieser führen konnten. Die nicht öffentlichen Sitzungen sollten weiterhin Transparenz schaffen, jedoch eine »Event-Transparenz« im Nachhinein. Lediglich die Ergebnisse dieser Verhandlungen sollten öffentlich gemacht werden; nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für die Regierungsmitglieder. Es wird deutlich, dass Transparenz als etwas Positives und Notwendiges angesehen wurde. Dennoch barg sie auch Gefahren in sich und vollständige Transparenz war daher nicht nur nicht möglich, sondern auch gar nicht wünschenswert. Diese Vorstellungen waren schon beim Ausschuss der Hauptstadtaffäre zu erkennen und finden sich – so viel darf vorweggenommen werden – auch 1973 wieder. Die IPA-Richtlinien wurden in den folgenden Jahren von verschiedenen Untersuchungsausschüssen genutzt. Bis zur Verabschiedung eines Gesetzes für Untersuchungsausschüsse dauerte es, trotz der immer wiederkehrenden Kritik, noch viele Jahre. Erst am 19. Juni 2001 wurde das Untersuchungsausschussgesetz PUAG verabschiedet, welches seit dem 26. Juni 2001 in Kraft ist: »Art. 44 GG, das Fundament des parlamentarischen Untersuchungsrechts, ist endlich durch ein Verfahrensgesetz ergänzt worden.«911

4.3.2 Der Deutsche Juristentag 1964 Teilweise zeitgleich zu den Sitzungen der IPA tagte der 45. Deutsche Juristentag 1964. Er befasste sich – ähnlich wie bereits 1926 – mit den Untersuchungsausschüssen und ihrer derzeitigen Rechtslage. Dabei lehnte er sich einerseits an die Arbeiten und Vorschläge der IPA an, formulierte aber gleichzeitig eigene. Die Diskussion beim Deutschen Juristentag ging dabei von dem Gutachten des Professors der Mainzer Universität, Karl Josef Partsch, aus. Darin beschäftigte sich der Professor für Rechtswissenschaften mit der Frage: »Empfiehlt es sich, Funktion, Struktur und Verfahren der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse grundlegend zu ändern?«912 Dabei konstatierte er zunächst einmal:

911 Wiefelspütz 2002: Das Untersuchungsausschussgesetz des Bundes, S. 551. 912 Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages: Verhandlungen des fünfundvierzigsten Deutschen Juristentages Karlsruhe. Empfiehlt es sich, Funktion, Struktur und Verfahren der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse grundlegend zu ändern? München; Berlin, 1964.

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Die Arbeiten der Konferenz der Landtagspräsidenten und der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft zeigen vielmehr, daß in parlamentarischen Kreisen energisch versucht wird, die Mängel, welche dem Untersuchungsverfahren anhaften, zu beseitigen, um die in der Öffentlichkeit erhobenen Einwände gegen die Einrichtung als solche zum Schweigen zu bringen.913

Die Parlamentsmitglieder versuchten also entschieden, mögliche Mängel an den Untersuchungsausschüssen zu beseitigen. Er betonte außerdem, dass eine Untersuchung durch einen Untersuchungsausschuss Vorteile gegenüber »anderen Formen der Information (Anfragen, Fragestunde)« habe, da er sich »nicht auf Regierungsauskünfte zu verlassen braucht, sondern sich selbst aus primären Erkenntnisquellen die gewünschten Auskünfte zu beschaffen vermag«. Partsch unterstützte damit die Arbeit und Bedeutung dieser Ausschüsse.914 Zudem seien sie, anders als wenn solche Aufgaben auf Gerichte übertragen würden, ein Garant für die Gewaltenteilung. Gerichte wiederum würden sich in diesem Falle eher in die Arbeit der Parlamente einmischen.915 Er sah also keine Gefahr für die juristischen Verhandlungen. Vielmehr erkannte er einen Vorteil in der Parallelität beider Organe, da Untersuchungsausschüsse schließlich nicht dieselbe Funktion wie Gerichte erfüllten. Er sprach sich im Allgemeinen dafür aus, dass die Regelungen bezüglich der Öffentlichkeit der Verhandlungen nicht aus den Regeln für Verhandlungen der Parlamente entlehnt werden sollten, sondern vielmehr aus denen von Gerichtsverhandlungen. Dadurch sollten alle Beweiserhebungen weiterhin öffentlich stattfinden. Beratende Sitzungen sollten sich jedoch nur auf die Ausschussmitglieder beschränken, während andere Abgeordnete und Regierungsmitglieder ausgeschlossen werden dürften.916 Für ihn stellte die Öffentlichkeit der Verhandlungen einen wichtigen Garanten dar, um der Minderheit die Möglichkeit zu geben, sich Gehör in der Öffentlichkeit zu verschaffen: [D]ie öffentliche[n] Beweiserhebungen [haben] Dinge ans Licht gebracht […], welche die Mehrheit bei der Abfassung des Berichtes zwar nicht zuzugeben bereit ist, die aber dennoch ins Bewußtsein der öffentlichen Meinung eingegangen sind und dann weiterwirken.917

Am Ende seiner Ausarbeitung kam er schließlich zu der Auffassung, dass parlamentarische Untersuchungsausschüsse unbedingt notwendig seien und nicht ersetzt oder gar gestrichen werden dürften. Allerdings machte er einige Vorschläge zur Verbesserung der Ausschussarbeiten. So forderte er, dass das Min913 914 915 916 917

Ibid., S. 190. Ibid., S. 192. Ibid. Ibid., S. 205. Ibid., S. 145.

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derheitenrecht weiter ausgebaut werden sollte, damit sichergestellt sei, »daß der [von der Minderheit geforderte] Auftrag erfüllt wird«.918 Zudem sollte eine Art Vorverfahren eingeführt werden, um zeitlich effektiver zu arbeiten und um in der Beweiserhebung nicht mehr die Öffentlichkeit ausschließen zu müssen.919 Bei beratenden Sitzungen sollten Regierungsmitglieder ausgeschlossen werden. Die Zahl der Mitglieder der Ausschüsse sollte auf sieben bis neun Mitglieder beschränkt werden.920 Seine wichtigste Forderung war, dass genau diese Bestimmungen nicht einfach in die Verfassung aufgenommen, sondern ein eigenes Gesetz für Untersuchungsausschüsse geschaffen werden sollte.921 Die anderen Teilnehmenden stimmten ihm weitestgehend zu. Sie betonten mehrheitlich die Minderheitenrechte, warnten aber vor einer zu großen Ausweitung ihrer Kompetenzen. Gustav Heinemann sprach sich gegen eine »allzu weitgehenden Juridifizierung des Untersuchungsausschußwesens« aus und forderten, dass Gerichte nicht in die Ausschussarbeit eingeschaltet werden dürften: »Das Plenum des Parlaments und letztlich die Öffentlichkeit, insbesondere auch die Presse, sind das geeignete Forum, zu rügen«.922 Einigkeit herrschte bezüglich der Notwendigkeit der Ausschüsse für das parlamentarische System und der Forderung nach Ausarbeitung von Gesetzen für diese Ausschüsse. Der Juristentag schloss sich den »Empfehlungen zur Regelung des Verfahrens von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen« der IPA an. Sie forderten nicht nur die Überarbeitung der Geschäftsordnung, sondern Verfassungsänderungen und ein eigenes Ausschuss-Gesetz.923 Die Vorstellung war ebenfalls, dass die Ausschüsse insbesondere wegen ihrer »Prozess-Transparenz« in Echtzeit notwendig für das parlamentarische System seien. Dennoch sollten klare Regeln geschaffen werden, wie diese Transparenz eingeschränkt werden könne, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Sowohl die IPA als auch der Juristentag waren sich über die Notwendigkeit parlamentarischer Untersuchungsausschüsse einig. Zudem bekräftigten alle die Wichtigkeit der öffentlichen Verhandlungen. Diese wurden als wichtige Kontrollinstanz verstanden, um die Ermittlungen zu verbessern und das Vertrauen der Bevölkerung zu stärken. Es schien aber notwendig, die Arbeit der Untersuchungsausschüsse und insbesondere den Ausschluss der Öffentlichkeit gesetzlich zu regeln, um die Effektivität des Instrumentes zu steigern.

918 919 920 921 922

Ibid., S. 219. Ibid., S. 220. Ibid., S. 219f. Ibid., S. 219f. Weber, Ulrich; Kisker, Gunter: Bericht. Der 45. Deutsche Juristentag. Die Verhandlungen der Öffentlich-rechtlichen Abteilung. In: Juristen Zeitung 1964 (19/22), S. 726–730, S. 728. 923 Weber; Kisker 1964: Bericht. Der 45. Deutsche Juristentag, S. 728.

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4.4

Untersuchungsausschüsse in der Bonner Republik

Die Steiner-Wienand-Affäre

4.4.1 Politischer Kontext und der Skandal Am 27. April 1972 kam es zum ersten konstruktiven Misstrauensvotum in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dieses richtete sich gegen den damaligen sozialdemokratischen Bundeskanzler Willy Brandt und wurde durch die Unionsfraktion veranlasst. Dabei sollte Brandt abgewählt und durch den Unionsfraktionsvorsitzenden Rainer Barzel als Bundeskanzler ersetzt werden. Doch das Misstrauensvotum scheiterte, da sich nur 247 Stimmen, und damit zwei zu wenig, gegen Brandt aussprachen. Die Regierung unter Brandt blieb somit im Amt, wenngleich sie nicht mehr die Mehrheit hatte.924 In den Jahren vor dem Misstrauensvotum, zwischen 1970 und 1972, kam es außerdem zu mehreren Parteiwechseln von der FDP und SPD hin zur Union. Diese Parteiwechsel waren »der unmittelbare Auslöser für den Misstrauensantrag des Rainer Barzel«.925 Bereits kurz nach dem Misstrauensvotum gab es erste Korruptionsvorwürfe gegen die Unionsfraktion. Der FDP-Abgeordnete Karl Geldner behauptete, die CSU habe ihm Geld geboten, damit er zur Union wechselte. Ihm zufolge sei er dabei nur im Schein auf dieses Angebot eingegangen, um die Vorwürfe stärken zu können. Insbesondere Brandt äußerte daraufhin die Anschuldigung, die Parteiwechsel weg von der SPD seien nur gekauft und das Misstrauensvotum somit illegitim gewesen. Die restliche SPD und auch die Zeitungen distanzierten sich jedoch von diesen Behauptungen.926 Schwerwiegendere Vorwürfe folgten allerdings ungefähr ein Jahr nach dem Misstrauensvotum und wurden diesmal der Regierung selbst gemacht. So lauteten die Anschuldigungen nicht mehr, dieses Votum sei (indirekt) gekauft worden, sondern dass der Sieg Brandts im Misstrauensvotum durch illegale Geldzuwendungen an mindestens zwei Abgeordnete der Unionspartei erfolgt sei. Der CDU-Abgeordnete Julius Steiner erklärte dem Spiegel, warum er sich beim Misstrauensvotum enthalten habe: Nachdem er zunächst offiziell sein Gewissen als Grund angab, änderte er seine Aussage später. Er erklärte, der Fraktionsgeschäftsführer der SPD, Karl Wienand, habe ihm 50.000 DM für seine Enthaltung geboten. Dieses Geschäft sei durch den SPD-Abgeordneten Hans-Joachim Baeuchle arrangiert worden.927 Die Glaubwürdigkeit Steiners wurde allerdings schon früh in Frage gestellt. Die Gründe waren unter anderem, dass er als »Alkoholiker, als notorischer Wichtigtuer und politisch nur mäßig erfolgreich 924 Bundestag: Stenographisches Protokoll der Plenardebatten des Deutschen Bundestages vom 27. 04. 1972, 6. Wahlperiode, 183. Sitzung, S. 10697–10714. 925 Engels 2019: Alles nur gekauft? S. 86. 926 Ibid., S. 87ff. 927 Der Spiegel: »Die sind ja alle so mißtrauisch«, 23 (03. 06. 1973).

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[galt]«.928 Außerdem schwächte seine Arbeit für den baden-württembergischen Verfassungsschutz und den Bundesnachrichtendienst sowie seine vermeintliche Arbeit bei der Staatssicherheit929 seine Glaubwürdigkeit.930 Trotz aller Zweifel wurde ein Untersuchungsausschuss eingesetzt, der den Sachverhalt genau untersuchen sollte. Dabei war das Ziel, entweder diese Bestechungen festzustellen oder sie als Lügen enttarnen zu können. Letztendlich stellte der Ausschuss aber nur fest, dass die Vorwürfe nicht zu beweisen waren. Bei diesem Skandal ging es dabei um weitaus mehr als nur das Misstrauensvotum. Vielmehr stand die gesamte Politik der SPD und somit die Entspannungspolitik zum »Osten« in Frage. Das politische Programm der SPD sah eine Modernisierung des Staates vor und warb mit dem Slogan »Mehr Demokratie wagen«. Dabei stellte insbesondere die Ostpolitik Brandts eine starke Veränderung zu den Jahren der Adenauer-Ära dar. Während die DDR zuvor als ein »illegales politisches Gebilde« begriffen wurde und keine diplomatischen Beziehungen zu ihr und den sie als souveränen Staat anerkennenden Staaten unterhalten wurden,931 erkannte Willy Brandt mit dem Moskauer und Warschauer Vertrag von 1970 die Grenzen der DDR offiziell an. 1972 erkannte die Bundesrepublik sogar die DDR als souveränen Staat an. Doering-Manteuffel spricht davon, dass »mit dem Regierungswechsel von 1969 die bis dahin typische politische Grundkonstellation in der Bundesrepublik verändert worden und damit eine bestimmte Entwicklungsphase abgeschlossen war«.932 Am 15. Juni 1973 wurde der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses vor dem Plenum diskutiert. Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Der Ausschuss bestand aus neun ständigen Mitgliedern aller Parteien. Seine Aufgabe war es, den folgenden Fragen nachzugehen: Wurden Entscheidungen von Abgeordneten bezüglich des konstruktiven Misstrauensvotums durch Zuwendungen beeinflusst? Welche Rolle spielte dabei Wienand? Gab es Bestechungsversuche? Welche Beziehungen hatte Steiner zu den Nachrichtenund Geheimdiensten, auch außerhalb der Bundesrepublik? Und welche Rolle spielten diese für das Votum? Der Fokus der Untersuchungen lag dabei besonders auf den Fragen rund um die vermeintliche Korruption beim konstruktiven Misstrauensvotum.933 Nach 51 Sitzungen, davon 25 nicht öffentliche Sitzungen, forderte der Ausschuss seine Auflösung und eine daraus resultierende Reform 928 929 930 931 932

Engels 2019: Alles nur gekauft? S. 91. Siehe hierzu auch: Der Spiegel: »Die sind ja alle so mißtrauisch«. Engels 2019: Alles nur gekauft? S. 91. Ibid., S. 85. Doering-Manteuffel, Anselm: Die Bundesrepublik Deutschland in der Ära Adenauer. Darmstadt, 1988, S. 3. 933 Deutscher Bundestag: Bericht des Untersuchungsausschusses, Drucksache Nr. 1803, 7. Wahlperiode. URL: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/07/018/0701803.pdf [28. 02. 2023].

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Untersuchungsausschüsse in der Bonner Republik

der Untersuchungsausschüsse. Er endete somit – ähnlich wie der Reichstagsausschuss zum Fall Barmat, wenn auch aus anderen Gründen – lediglich mit einem Teilbericht. Anders als die zuvor behandelten Ausschussberichte war dieser Teilbericht kein gemeinsamer Bericht des Ausschusses. Vielmehr war er in einen Bericht der Mehrheit und einen der Minderheit unterteilt, die sich in einigen Punkten nicht einigen konnten. Die Mehrheit plädierte eher dafür, dass es zwar einige Ungereimtheiten und unerklärliche Geldflüsse gegeben habe, eine Bestechung aber nicht nachzuweisen sei. Dementgegen stellte die Minderheit mehr Momente fest, in denen eine Bestechung zu erkennen gewesen sei.934 Ein Umstand, der bereits anhand der Fälle der Weimarer Republik betrachtet wurde, wird hier besonders deutlich: Den Beteiligten lagen die gleichen Beweismittel und Zeugenaussagen vor, dennoch kamen sie zu unterschiedlichen Ergebnissen. In diesem Zusammenhang spielte sicherlich das Eigeninteresse der verschiedenen Parteien, die eigene Partei zu schützen oder eine andere Partei anzuprangern, eine wichtige Rolle. Es stellt sich dabei besonders die Frage, inwiefern objektive Fakten in diesem politischen Kontext überhaupt möglich sind oder ob sie nicht immer politisch geprägt sind. Eine Frage, die vor dem Hintergrund der Debatte um sogenannte »Fake News« aktueller nicht sein könnte. Obgleich der Ausschuss damit weitestgehend folgenlos blieb, konstatiert der Rechtswissenschaftler Rüdiger Kipke dennoch, er habe einige »personale Folgen« gehabt: Steiner verlor seine »politische und wirtschaftliche Existenz« und wurde wegen »uneidlicher Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuß« zu einer Geldstrafe verurteilt.935 Zudem habe »die Skandalenquete entscheidend mit dazu beigetragen […], daß […] Wienand im Dezember 1974 aus dem Bundestag ausschied«.936 Ähnlich wie bereits bei den Untersuchungsausschüssen zuvor schieden sich auch bei diesem die Geister darüber, ob es sich hierbei um ein sinnvolles und notwendiges Instrument handele. Während einige die stärkenden Elemente der Ausschüsse und ihrer öffentlichen Verhandlungen hervorhoben, prangerten andere die möglichen Gefahren an.

4.4.2 Der Untersuchungsausschuss als Stütze des Parlaments und der Demokratie: Aufklärung und Transparenz durch den Ausschuss? Wie bereits seit Beginn der Geschichte der Untersuchungsausschüsse wurde auch bei diesem Untersuchungsausschuss seine aufklärende Funktion hervorgehoben. So betonte das CDU-Mitglied Carl-Ludwig Wagner schon beim Ein934 Deutscher Bundestag: Bericht des Untersuchungsausschusses, Drucksache Nr. 1803. 935 Kipke 1985: Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 153. 936 Ibid.

Die Steiner-Wienand-Affäre

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setzungsantrag, dass »in dieses Dickicht von offenen Gedächtnislücken, von Manipulations- und Korruptionsverdacht nur dasjenige parlamentarische Gremium Licht bringen kann, das [die] Verfassung vorsieht«, nämlich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss.937 Er erklärte außerdem, dass der Ausschuss »schnell und rückhaltlos alle Fragen und Verdächtigungen aufklären muss, um Schaden von [der] Demokratie abzuwenden«.938 Das Ziel des Ausschusses war für die Unionsparteien also »Klarheit« zu schaffen.939 Die anderen Parteien stimmten der Einsetzung zu. Die angegriffene SPD erklärte durch Manfred Schulte hierzu die Notwendigkeit eines Ausschusses, »damit […] untersucht und festgestellt werden kann, ob und gegebenenfalls welche Tatsachen der in der Öffentlichkeit kursierenden Flut von Behauptungen und Verdächtigungen zugrunde liegen«.940 Der FDP-Abgeordnete Hans Engelhardt betonte zudem das »Anrecht [der Bevölkerung, SZ] darauf, in dem gesamten Komplex völlige Klarheit zu gewinnen«.941 Dieses »Anrecht« bestehe allerdings nicht nur für sie, sondern auch für das gesamte Parlament, »und nur dieser Wille zur Klarheit, aber die dann in der Praxis auch durchgehaltene Bereitschaft, dieses Bestreben zu realisieren, wird bei der Aufhellung der Szene der Sache gerecht«.942 Er unterstrich außerdem, dass alle Parteien die Einsetzung dieses Ausschusses unterstützten, was eine Bereitschaft zur Aufklärung signalisiere. Das Parlament habe es nicht nötig, »daß etwas unter den Teppich gekehrt wird«, und es »forder[t] und […] verlang[t] [geradezu], daß nichts unter den Teppich gekehrt wird«.943 Nach der Einsetzung des Ausschusses stellten verschiedene Parlamentsmitglieder seine Bedeutung zur Aufklärung von Tatsachen, aber vor allem auch zur Stärkung und Reinigung der Demokratie heraus. Der CDU-Abgeordnete Karl Carstens erläuterte, es gebe immer und in jeder Regierungsform Skandale. Das Entscheidende sei allerdings, wie damit umgegangen werde. Von einer Demokratie sei zu verlangen, »daß, wenn dringlicher Verdacht für einen Skandal besteht, alles, aber auch alles geschieht, um den Sachverhalt aufzudecken«.944 Derartige Skandale und insbesondere vermeintlich falsche Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss wiederum würden nur das Vertrauen in die Demo-

937 Redebeitrag Carl-Ludwig Wagner, in: Bundestag: Stenographisches Protokoll der Plenardebatte des Deutschen Bundestages am 15. 06. 1973, 7. Wahlperiode, 43. Sitzung, S. 2416. 938 Ibid. 939 Ibid., S. 2417. 940 Redebeitrag Manfred Schulte, in: Ibid., S. 2417. 941 Redebeitrag Hans Engelhardt, in: Ibid., S. 2418. 942 Ibid. 943 Ibid. 944 Redebeitrag Karl Carstens, in: Bundestag: Stenographisches Protokoll der Plenardebatte des Deutschen Bundestages am 18. 06. 1973, 7. Wahlperiode, 44. Sitzung, S. 2461.

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kratie beschädigen.945 Brandt selbst äußerte sich und bestätigte die Notwendigkeit eines Ausschusses zur Schaffung von Klarheit.946 Er erklärte zudem in Bezug auf den Untersuchungsausschuss, dass da, »[w]o das Ansehen des Parlaments durch das Verhalten einzelner Schaden genommen hat, […] das durch volle Aufklärung und durch die geeigneten Maßnahmen wieder in Ordnung gebracht werden [muss].«947 Im Untersuchungsausschuss selbst wurde wiederkehrend die Wichtigkeit dieser Ausschüsse betont. So unterstrich die Bundestagspräsidentin Annemarie Renger in der ersten Sitzung des Ausschusses: Dieser Ausschuß erfüllt in unserem parlamentarischen System eine äußerst wichtige Aufgabe. Ich sehe in der Institution des Untersuchungsausschusses die Möglichkeit für das Parlament, nachdem schwere Vorwürfe auch gegen Abgeordnete des Hauses erhoben worden sind, eine umfassende Klärung herbeizuführen. Das System der parlamentarischen Demokratie erweist in der Sorgfalt der Untersuchung seine Kraft und Fähigkeit, mit solchen Vorgängen selbst fertig zu werden. Sie, meine Herren, stehen vor einer schweren Aufgabe und werden durch eine rasche, umfassende Untersuchung zu der von allen Seiten gewünschten Aufklärung beitragen.948

Der Ausschuss sollte also Aufklärung schaffen und durch diese Aufklärung das Parlament reinigen und eine Stärkung des Systems herbeiführen. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses betonte außerdem, der Ausschuss werde keine Partei ergreifen, sondern sein Ziel sei nur, »zu der von allen Seiten gewünschten Aufklärung bei[zu]tragen«.949 Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Schäuble hob hervor, dass der Untersuchungsausschuss, selbst wenn er ergebnislos ausgehe, doch eine wichtige Appellfunktion erfülle, um die »Verantwortung für dieses Parlament und für diesen Staat ernst zu nehmen«.950 Gegen Ende der Arbeiten wurde die aufklärerische Bedeutung des Ausschusses noch einmal hervorgehoben. Bei der Frage, ob im Bericht einfache »Verdachtsmomente« und »Feststellungen« und nicht nur eindeutig bewiesene Tatsachen aufgelistet werden sollten,951 argumentierte Schäuble in nicht öffentlicher Sitzung, dass gerade diese Auflistung wichtig sei. Denn nur, wenn nichts »unter den Tisch gekehrt

945 946 947 948

Ibid. Redebeitrag Willy Brandt, in: Ibid., S. 2491. Ibid., S. 242. Redebeitrag Annemarie Renger, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 1, S. 1. 949 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 7, S. 128. 950 Redebeitrag Wolfgang Schäuble, in: Bundestag: Stenographisches Protokoll der Plenardebatte des Deutschen Bundestages am 27. 03. 1974, 7. Wahlperiode, 90. Sitzung, S. 5978. 951 Redebeitrag Alfred Emmerlich, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 92, S. 19.

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[wird]«, könne das Vertrauen in die Demokratie und »in die Intaktheit der staatlichen Organe« gezeigt werden.952 Nach Beendigung der Arbeiten betonten viele Parlamentsmitglieder ebenfalls – trotz der zunehmenden Kritik an diesem Instrument – die guten Intentionen des Untersuchungsausschusses. Der FDP-Abgeordnete Detlef Kleinert zum Beispiel erklärte, dass ein vermeintlich mangelndes Ergebnis oder der Eindruck, »bei dem Versuch, in dieser Angelegenheit näher an die Wahrheit heranzukommen, [würde man] mit langen Stangen im Nebel herumstochern«, nicht an dem Willen der Ausschussmitglieder gelegen habe.953 Vielmehr seien die mangelhaften Verfahrensregeln schuld daran. Der Ausschuss habe alles ihm Mögliche getan, um Klarheit zu schaffen. Ähnlich argumentierte Schäuble, der noch einmal die Bedeutung des Ausschusses für das Vertrauen der Bevölkerung hervorhob: In dieser Affäre kann es keine Sieger geben. Wir alle miteinander sind Verlierer. Unsere Aufgabe war und ist es, den Vertrauensverlust durch schonungsloses Aufklären, durch die Kraft zur Selbstreinigung möglichst klein zu halten. So wichtig deshalb Gemeinsamkeit in diesem Bemühen ist, wichtiger noch ist die weitestgehende Aufklärung dessen, was hier gewesen ist, und die Verhinderung des Eindrucks, daß gemeinsam unter den Teppich gekehrt worden ist. Wir dürfen die Vermutung nicht entstehen lassen, daß auch hier eine Krähe der anderen kein Auge aushackt.954

Andere Abgeordnete, wie der FDP-Abgeordnete Burkhard Hirsch oder der CDUAbgeordnete Carl Otto Lenz, sprachen sich vehement für die Arbeit des Untersuchungsausschusses aus. Insbesondere Lenz erörterte, dass »trotz aller Fehler, Mängel und Schwächen« der Untersuchungsausschuss noch immer das »am besten geeignete Instrument im Arsenal des Parlaments zur Untersuchung von Mißständen im eigenen Haus und in der Regierung« bleibe.955 Es dürfe nicht vergessen werden, dass es sich beim Untersuchungsausschuss nicht um ein Gericht handle.956 Er könne nicht alles aufklären, da er nicht alles beweisen könne. Trotzdem schaue er genau hin und versuche, nichts zu verheimlichen. So unterstrich Kleinert den Zugang zu den Ausschussprotokollen für alle, auch »die Herren von der Presse, vom Fernsehen und vom Rundfunk«.957 Hierdurch sollten alle die Arbeit des Ausschusses nachvollziehen und somit seine Aufrichtigkeit einsehen können. Doch nicht nur die Parlamentsmitglieder schrieben dem Untersuchungsausschuss die wichtige Funktion der Aufklärung und damit der Reinigung des 952 953 954 955 956 957

Redebeitrag Wolfgang Schäuble, in: Ibid., S. 20. Redebeitrag Detlef Kleinert, in: Stenographisches Protokoll, 27. 03. 1974, S. 5967. Redebeitrag Wolfgang Schäuble, in: Ibid., S. 5970. Redebeitrag Carl Otto Lenz, in: Ibid., S. 6004f. Ibid. Redebeitrag Detlef Kleinert, in: Ibid., S. 5967.

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Parlaments und der Stärkung der Demokratie zu. Ähnlich argumentierte in Teilen auch die FAZ. In einem Artikel noch vor der Forderung nach Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wurde bereits von der Notwendigkeit gesprochen, »daß an der Stelle des verworrenen Bildes ein klares gewonnen werden kann; ob mittels einer parlamentarischen Untersuchung oder auf anderem Wege, ist eine zweite Frage«.958 Sie betonte außerdem das Interesse aller Parteien an Aufklärung, obgleich »[d]as Ergebnis […] weitreichende politische Folgen haben [könnte]«.959 Sie illustrierte diesen Willen zur Aufklärung auch mit einer Karikatur.960 Auf dieser sind vier Männer zu sehen, die jeweils ein Oberteil mit dem Namen ihrer Partei tragen. Alle laufen sie mit einem Gegenstand zur Erzeugung von Licht durch die Dunkelheit. Die CDU geht allen voran mit einer Taschenlampe, während die SPD eine Öllampe, die FDP eine Kerze und die CSU am Ende eine Laterne trägt. Die Karikatur symbolisiert den Willen, Licht ins Dunkel zu bringen, der häufig auch mit dem Untersuchungsausschuss in Verbindung gebracht wurde. Eine Untersuchung könnte es – der FAZ zufolge – also schaffen, Aufklärung zu bringen und dadurch Transparenz zu schaffen: Was zuvor dunkel war, wird nun hell erleuchtet.961 Gleichzeitig hinterfragte die FAZ bereits sehr früh,962 ob der Untersuchungsausschuss »angesichts des Dickichts von Vermutungen, Unterstellungen, Behauptungen und Verdächtigungen vielleicht nicht das am besten geeignete Mittel [sei], um Klarheit zu schaffen«.963 So kritisierte sie vor allem das parteipolitische Interesse, welches in Untersuchungsausschüssen – trotz anfänglicher »Entschlossenheit, bei der Aufklärung bis zum äußersten zu gehen«964 – immer dominiere. Sie setzte dabei ihre Hoffnung auf die Minderheitenrechte und die Möglichkeit, im Zweifel auch einen eigenen Bericht verfassen zu dürfen, wie es später auch geschah.965 Trotz dieser Kritik am System des Untersuchungsausschusses stellte die FAZ diesen immer wieder als aufdeckendes Instrument dar, wie zum Beispiel im Artikel vom 12. Oktober 1973. Hierbei betonte sie vor allem die Interessen und Fragen der Mehr- und Minderheit und gab in ihrem Artikel dadurch beiden Gruppen eine Stimme.966

958 959 960 961 962 963 964 965 966

FAZ: Der Bonner Skandal, o. A. (04. 06. 1973). FAZ: Untersuchungsausschuß im Fall Steiner verlangt, o. A. (06. 06. 1973). FAZ: Fraktionen über Steiner informiert, o. A. (09. 06. 1973). Auf den Unterschied zwischen Transparenz- und Lichtmetaphern wird im 5. Kapitel näher eingegangen. Siehe Kapitel 5.2, S. 253ff. Wie bereits in dem Zitat zur Fußnote 958. FAZ: Affäre eines Unbekannten, o. A. (09. 06. 1973). FAZ: Steiner, Wienand…, o. A. (16. 06. 1973). Ibid. FAZ: Ausschuß deckt ungewöhnliche Transaktion Steiners auf, o. A. (12. 10. 1973).

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4.4.3 Der Untersuchungsausschuss als Vertuscher oder Aufklärer? Der FDP-Abgeordnete Kleinert betonte im Bundestag im März 1973, der Untersuchungsausschuss versuche nicht, zu vertuschen, sondern vielmehr seien die schlechten Verfahrensregeln an dem Mangel an Ergebnissen schuld. Trotzdem kam es immer wieder zu dem Vorwurf, einzelne Ausschussmitglieder würden in ihrem eigenen Interesse versuchen, die Ausschussarbeit zu boykottieren und Informationen zu vertuschen. Interessant ist aber, dass dieser Vorwurf nicht den Ausschuss als Ganzes betraf. Es hieß also nicht, der Ausschuss sei ein Instrument, welches nur der Vertuschung diene, sondern nur einzelne Mitglieder würden dies versuchen. In der gleichen Sitzung im März 1973 machte der stellvertretende Vorsitzende Friedrich Vogel dem Abgeordneten Horst Ehmke den Vorwurf, dessen Behauptungen, im Bundeskanzleramt gebe jemand frei Informationen nach außen, seien reine »Verschwörungstheorien«.967 Solche Theorien hätten »in dem Ausschuß dauernd Nebel in die Landschaft geworfen«.968 Außerdem würden »dauernd Schafherden über die Spuren gejagt, um diese Spuren zu verwischen«.969 Nach den Arbeiten des Ausschusses machte der CDU-Abgeordnete Carstens Bundeskanzler Brandt indirekt den Vorwurf, die Koalitionsfraktionen hätten versucht, die Ermittlungsergebnisse zu verschleiern. Er behauptete, »daß die Aufklärung […] dadurch erschwert und behindert worden ist, daß die Mitglieder der Koalitionsfraktionen die Beeidigung irgendeines Zeugen in diesem Ausschuß abgelehnt haben.«970 Im Untersuchungsausschuss selbst spielte das Thema ebenfalls eine – wenn auch untergeordnete – Rolle. Hierbei ging es jedoch eher selten um den direkten Vorwurf, dass eine andere Partei durch ihre Arbeit im Ausschuss oder gar dieser selbst versuchen würde, Tatsachen zu vertuschen. Vielmehr existierte die Befürchtung, dieser Eindruck könnte in der Öffentlichkeit entstehen. In einer nicht öffentlichen Sitzung zum Beispiel sprach sich der CDU-Abgeordnete Reddemann gegen den Beschluss aus, den FDP-Abgeordneten und Zeugen Karl Geldner parallel zu Steiner zu vernehmen und Wienand dagegen vorerst nicht zu laden. Dieses Vorgehen könne den Eindruck erwecken, als versuche der Ausschuss, die Vorwürfe um Steiner und Geldner besonders großzumachen, während er den Skandal um Wienand zunächst kleinhalte. Er sprach sich vielmehr dafür aus, dass zunächst Steiner vernommen werden sollte und alle weiteren Beschlüsse im Anschluss und »auf Grund der Vernehmung und der sich daraus 967 968 969 970

Redebeitrag Friedrich Vogel, in: Stenographisches Protokoll, 27. 03. 1974, S. 5995. Ibid. Ibid. Redebeitrag Karl Carstens, in: Bundestag: Stenographisches Protokoll der Plenardebatte des Deutschen Bundestages am 20. 09. 1974, 7. Wahlperiode, 117. Sitzung, S. 7858.

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ergebenden Möglichkeiten« beschlossen werden sollten.971 Dadurch werde verhindert, »daß man in der Öffentlichkeit von Anfang an sagt: Hier soll nicht untersucht, sondern möglicherweise vertuscht werden«.972 Anders als in der Weimarer Republik wurde nicht der direkte Vorwurf einer möglichen Vertuschung gemacht. Die Sorge wurde von den Ausschussmitgliedern sogar in einer nicht öffentlichen Geschäftssitzung besprochen, um das Ansehen des Ausschusses zu schützen. Dennoch zeigt sich das Paradox, welches durch Transparenz entsteht: Mehr Transparenz führte nicht zwingend zu mehr Vertrauen in der Bevölkerung. Im Ausschuss bestand die Sorge, dass trotz der durch den Ausschuss geschaffenen Transparenz bei der Bevölkerung der Eindruck entstehen könnte, Dinge würden verheimlicht werden, wenn einige Informationen nicht direkt zugänglich gemacht würden. In einer anderen Sitzung versuchte der Vorsitzende, eine Lösung dafür zu finden, wie der Ausschuss sich vor dem Vorwurf der Vertuschung schützen könnte. Seine Lösung, die auch später umgesetzt wurde, war, dass die Protokolle acht Tage vor und acht Tage nach der abschließenden Debatte um den Bericht im Bundestag öffentlich zugänglich gemacht würden, sodass auch die Presse und andere sie einsehen konnten.973 Es handelte sich aber nur um die öffentlichen Sitzungen des Ausschusses. Obgleich diese Idee von den anderen Ausschussmitgliedern als gut empfunden und umgesetzt wurde, äußerte der CDU-Abgeordnete Hans-Hugo Klein seine Bedenken. So »möchte [er] vor der Illusion warnen, den […] hier erwähnten Verdacht auf diese Weise ausräumen zu können. Denn niemand wird [die Ausschussmitglieder, SZ] für so naiv halten, wenn [sie] schon mauscheln, solche Mauscheleien in veröffentlichten Protokollen zu Papier zu bringen.«974 Es zeigen sich wieder die Grenzen von Transparenz. Klein bestärkte das Argument, dass vollkommene Transparenz nicht möglich ist. Der Ausschuss mache zwar Elemente transparent, jedoch könne nicht davon ausgegangen werden, dass wirklich alles offengelegt werde. Hiermit lässt sich außerdem das Misstrauen, welches mit Transparenz einhergeht, begründen: Es blieb immer offen, welche Aspekte die Ausschüsse aus welchen Gründen vielleicht nicht öffentlich gemacht hatten. Ein besonderes Beispiel war die Vernehmung des Ausschussvorsitzenden Friedrich Schäfer. Dieser sollte vorm Untersuchungsausschuss vernommen werden. Die Sorge war, der Vorsitzende sei bereits länger über die vermeintliche Bestechung informiert gewesen und sei nun befangen. Grund hierfür war die 971 Redebeitrag Gerhard Reddemann, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 2, S. 129. 972 Ibid. 973 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 90, S. 14. 974 Redebeitrag Hans-Hugo Klein, in: Ibid., S. 15.

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Aussage Baeuchles, er habe Schäfer bereits am Tag des Misstrauensvotums gesagt, er und Wienand seien an dem Ergebnis der Abstimmung »nicht unbeteiligt«.975 Selbst Schäfer bestätigte diese Gegebenheit, betonte aber, dass von Bestechung keine Rede gewesen sei.976 In einer nicht öffentlichen Sitzung sollte das Vorgehen bei dieser Frage zunächst abgesprochen werden, schließlich war es das erste Mal, dass ein Mitglied des Ausschusses und sogar der Vorsitzende vor dem Untersuchungsausschuss selbst vernommen werden sollte.977 In der nicht öffentlichen Besprechung wurden direkt die Bedenken an diesem Vorgehen geäußert. Reddemann fürchtete, eine nicht öffentliche Vernehmung Schäfers könnte den Eindruck einer bewussten Vertuschung durch den Ausschuss erwecken. Der stellvertretende Vorsitzende Friedrich Vogel bestätigte ebenfalls diese Sorge und hielt es für »bedenklich, wenn es hier in nichtöffentlicher Sitzung zu einer Art vorweggenommenen Zeugenbekundung käme«.978 Andere Abgeordnete betonten, dass die Beweisaufnahme in jedem Fall öffentlich vorgenommen werden müsse und auf keinen Fall gegen das Gebot der Öffentlichkeit verstoßen werden dürfe.979 Nachdem geklärt wurde, dass Schäfer öffentlich vernommen werden müsse, stand eine nächste Frage im Raum: Durfte er weiter Mitglied des Ausschusses sein? Obgleich der Ausschuss sich dafür entschied, dass Schäfer weiterhin Mitglied des Ausschusses bleiben dürfe, wenn nichts Gravierendes herauskomme,980 blieb die Sorge vor einer möglichen Befangenheit bestehen. So waren die Mitglieder vor allem darüber beunruhigt, welcher »Eindruck in der Öffentlichkeit« entstehen könnte.981 Auf den Vorschlag des stellvertretenden Vorsitzenden, auf diese Ereignisse in einer Pressekonferenz direkt einzugehen, um die Bevölkerung zu beruhigen,982 reagierten die Mitglieder unterschiedlich. So sprach sich der FDPAbgeordnete Kleinert dagegen aus, da er fürchtete, dass dies nur noch mehr Aufsehen erregen und dem Ruf des Ausschusses schaden könnte.983 Der SPDAbgeordnete Hellmut Sieglerschmidt stimmte ihm zu und betonte: »Man könnte sogar gleich, Herr Vorsitzender, damit die Feststellung verbinden und damit den Fragen nachkommen, der Ausschuß sei sich einig, mehr als bisher seine internen

975 Der Spiegel: Fall Steiner. Kriminelles im Spiel, 31 (29. 07. 1973). 976 Ibid. 977 Redebeitrag Gerhard Reddemann, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 35, S. 6. 978 Redebeitrag Friedrich Vogel, in: Ibid., S. 6. 979 Redebeitrag Alfred Emmerlich, in: Ibid., S. 18f. 980 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 39, S. 5. 981 Redebeitrag Friedrich Vogel, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 39, S. 11. 982 Ibid., S. 13. 983 Redebeitrag Detlef Kleinert, in: Ibid., S. 14.

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Untersuchungsausschüsse in der Bonner Republik

Dinge nicht an die Öffentlichkeit zu tragen.«984 Hiergegen sprach sich wiederum Vogel aus, da er fürchtete, dass durch eine solche Aussage nur noch mehr das Gefühl aufkommen könnte, der Ausschuss würde versuchen, Tatsachen vor der Bevölkerung zu verbergen. Hierbei lässt sich erneut feststellen, dass der Untersuchungsausschuss alles dafür tat, nicht den Anschein zu erwecken, er würde irgendetwas verheimlichen. In diesem Punkt waren sich alle Mitglieder einig und versuchten nicht, diesen Vorfall parteipolitisch auszuschlachten. Die gesamten Debatten zu diesen Fragen fanden in einer nicht öffentlichen Sitzung statt, um nicht das Ansehen des Ausschusses zu gefährden. Inwiefern durch dieses Vorgehen in der Realität eine gewisse Intransparenz entstand, bleibt fraglich. Nach der Vernehmung vor dem Ausschuss wurde Schäfer als unbefangen eingestuft und durfte weiter den Vorsitz führen.985 Anders sah dies allerdings die FAZ, die diesen Vorgang im Nachhinein heftig kritisierte und in ihm den Beweis einer Vertuschung sah. Die Ausschussmitglieder hätten gezeigt, dass sie an einer wirklichen Aufklärung nicht interessiert seien. In dem entsprechenden Artikel heiß es: So einen lieben Ausschuß wie den für Steiner und Wienand hatten wir noch nie. Er tut alles Denkbare und noch mehr. Nun vernimmt er seinen eigenen Vorsitzenden, den SPD Abgeordneten Schäfer, als Zeugen. Von der Zeugenbank wird Schäfer dann wieder auf seinen Präsidentenstuhl zurückkehren und, so die Vorsehung will, am Ende zusammen mit allen anderen Aussagen auch die seinen unerbittlich objektiv würdigen. Vielleicht wird auch das CDU-Ausschußmitglied Vogel noch aussagen und nachher sorgfältig über seine Glaubwürdigkeit befinden. Am schönsten wird es sein, wenn Steiner und Wienand aufeinandertreffen. Ganz kritisch werden dann die CDU-Leute ihrem ehemaligen Steiner und die SPD-Leute ihrem heutigen Wienand auf den Mund schauen – da muß die lautere Wahrheit an den Tag kommen. Sicher wird der Ausschuß auch nicht versäumen, bei der sowjetischen Botschaft nachzufragen, ob denn Steiners 50 000 Mark wirklich aus Moskau stammen. Die Antwort wagt zur Stunde niemand vorauszusagen. Auf jeden Fall aber wird sie dem Ausschuß eine große Hilfe sein. Herzig dieser Ausschuß.986

Obgleich die Demokratie bereits gefestigt und das Instrument des Untersuchungsausschusses etabliert war, wurde – anders als in der Weimarer Republik – auch 1973 noch strikt darauf geachtet, den Ruf des Ausschusses nicht zu sehr zu gefährden. Während der Grundsatz der Öffentlichkeit für den Untersuchungsausschuss das wichtigste Element blieb, war er schnell bereit, Dinge in nicht öffentlicher Sitzung zu diskutieren, wenn dies seinem Schutz diente. Hierbei zeigen sich erneut die Grenzen von Transparenz und die Notwendigkeit, 984 Redebeitrag Hellmut Sieglerschmidt, in: Ibid., S. 15. 985 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 40, S. 3. 986 FAZ: Herziger Ausschuß, o. A. (02. 08. 1973).

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Transparenz in bestimmten Situationen einzuschränken. Durch dieses Vorgehen sollte aber nicht nur der Ausschuss, sondern auch einzelne Personen geschützt werden, wie der folgende Abschnitt zeigt.

4.4.4 Verhinderung von Verleumdungen und Gerüchten durch den Untersuchungsausschuss oder Förderung dieser? Bereits die Einsetzung des Untersuchungsausschusses begründete der SPD-Abgeordnete Manfred Schulte neben der allgemeinen Aufklärung vor allem damit, dass zu untersuchen sei, was an der »Flut von Behauptungen und Verdächtigungen« dran sei.987 Ebenso unterstrich Brandt, dass »jene deprimierenden Gerüchte, Verleumdungen, Vermutungen [und] Anschuldigungen untersucht werden müssten«.988 Im späteren Verlauf der Verhandlungen argumentierte Kleinert zudem damit, dass, obgleich die Verhandlungen nicht alles herausfinden konnten, sie doch wenigstens mit einigen Gerüchten aufräumen konnten.989 Der Ausschuss sollte also Gerüchte und Verleumdungen beseitigen. Besonders wichtig waren hierfür die Öffentlichkeit der Ausschüsse und die Verbreitung der Ergebnisse der Ausschusssitzungen in der Bevölkerung. Durch ihr Interesse an diesem Ausschuss und den mehr oder weniger direkten Zugang zu diesem konnten Gerüchte und Verleumdungen dadurch vermeintlich besser bekämpft werden. Inwiefern dies nicht eher zum Gegenteil führte, wird zu einem späteren Zeitpunkt dieser Arbeit diskutiert. So nutzten verschiedene Zeugen die Öffentlichkeit des Ausschusses als Plattform zur Richtigstellung von Tatsachen oder Behauptungen.990 Häufig machten sie dafür nicht selbst eine Aussage, sondern baten, wie der Zeuge Löwenthal, den Ausschuss, eine Stellungnahme zu verlesen.991 Auf diese Art agierte auch der Zeuge Baeuchle, der auf eigenen Wunsch nach seiner ersten Vernehmung noch einmal angehört wurde. Durch diese weitere Aussage vor dem Untersuchungsausschuss wollte er vermeintlich falsche Darstellungen im Ausschuss und in der Presse vor der Öffentlichkeit richtigstellen. Das Problem bei seiner Aussage war, dass er diese nicht frei vortrug, sondern mithilfe einer »Gedächtnisstütze«, also einer schriftlich vorbereiteten Aussage. In einer nicht öffentlichen Sitzung, die als eine Unterbrechung der öffentlichen Sitzung eingeschoben wurde, brach daraufhin die Diskussion aus, ob ein solches 987 988 989 990

Redebeitrag Manfred Schulte, in: Stenographisches Protokoll, 15. 06. 1973, S. 2417. Redebeitrag Willy Brandt, in: Stenographisches Protokoll, 18. 06. 1973, S. 2491. Redebeitrag Detlef Kleinert, in: Stenographisches Protokoll, 27. 03. 1974, S. 6006. Siehe u. a.: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 15, S. 41. 991 Ibid., S. 61.

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Vorgehen zulässig sei. Die Argumente in dieser Diskussion bezogen sich dabei vor allem auf die Notwendigkeit der »Unmittelbarkeit der Zeugenaussagen«.992 So sah der SPD-Abgeordnete Willfried Penner nicht nur die »Unmittelbarkeit« und die »Glaubwürdigkeit« der Zeugenaussage in Gefahr,993 sondern das gesamte Verfahren der Untersuchungsausschüsse und das Prinzip der Öffentlichkeit. Wenn ein Zeuge sich schriftlich vorbereiten dürfe, müsse dies allen Zeuginnen und Zeugen erlaubt sein. Und dann könne der Ausschuss sich »nämlich das gesamte mündliche Verfahren sparen« und sei »sehr schnell auch zusätzlich im geheimen Verfahren«.994 Der Abgeordnete Kleinert ergänzte, dass eine zuvor geschriebene Zeugenaussage einen »Schleier« verursache.995 Andere Abgeordnete schlossen sich dieser Auffassung an. Der Vorsitzende Schäfer zum Beispiel erklärte: In der Strafprozeßordnung ist die Unmittelbarkeit der Zeugenaussagen ein erkämpfter, wohlweislicher Grundsatz. Die Unmittelbarkeit der Zeugenaussage führt direkt zur Frage der Öffentlichkeit des Verfahrens, um die es uns gerade hier in diesen Fällen besonders geht; denn das schriftliche Verfahren erfolgt sonst sehr leicht unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Gerade das darf nicht erfolgen.996

Er betonte zudem, wie »ernst« der Ausschuss die Öffentlichkeit seiner Verhandlungen nehme, die von der Verfassung vorgeschrieben wurde. Eine solche Zeugenaussage lasse sich nicht mit diesem Prinzip und den Bemühungen des Ausschusses vereinen. Ähnlich argumentierte der Abgeordnete Dietrich Sperling, der betonte, eine schriftlich vorgefertigte Aussage sei nicht öffentlich und sollte somit nicht zulässig sein.997 Den Zeuginnen und Zeugen wurde also nicht jede Möglichkeit gegeben, um sich von vermeintlichen Verleumdungen, Beschuldigungen und Gerüchten freizumachen. Das Wichtigste blieb dabei die Glaubwürdigkeit, aber vor allem die Öffentlichkeit des Untersuchungsausschusses. In diesem Ausschuss kam es auch nicht zu grundsätzlichen Diskussionen darüber, ob Betroffene überhaupt die Möglichkeit haben sollten, die Öffentlichkeit des Ausschusses zur Klarstellung zu nutzen, wie es im Untersuchungsausschuss 1925 der Fall war. Vielmehr wurde dies den Betroffenen, mit wenigen Ausnahmen, zugestanden. Dies war ein großer Unterschied zum Ausschuss bezüglich der Hauptstadtfrage.

992 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 58, S. 11. 993 Redebeitrag Willfried Penner, in: Ibid., S. 6. 994 Ibid., S. 7. 995 Redebeitrag Detlef Kleinert, in: Ibid., S. 9. 996 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 58, S. 11. 997 Redebeitrag Dietrich Sperling, in: Ibid., S. 11.

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Der Ausschuss sollte allerdings nicht nur vermeintliche Verleumdungen und Gerüchte nachträglich beseitigen, sondern diesen vorbeugen. Dies stellte eine besonders große Herausforderung dar, da die meisten Verhandlungen des Ausschusses öffentlich waren. Schäfer sprach sich nach der Ausschussarbeit daher besonders für die nicht öffentlichen Sitzungen als eine Art »Vorverfahren« aus: Bereits die Tatsache, dass jemand als Zeugin oder Zeuge vor dem Ausschuss erscheinen musste, könne »zu seinem Nachteil sein«.998 Die Erfahrungen dieses Ausschusses hatten erneut gezeigt, dass insbesondere durch die Öffentlichkeit Verleumdungen leicht verbreitet werden konnten. Zudem barg der Ausschuss noch weitere Gefahren, wie im folgenden Kapitel gezeigt wird. Anders als die Argumentation zuvor, die öffentliche Ausschussarbeit würde Gerüchte und Verleumdungen verhindern, fürchteten einige Ausschussmitglieder und Zeugen, das Gegenteil könnte der Fall sein und vielmehr als eine Plattform dienen, auf der sich Gerüchte und Verleumdungen verbreiten ließen. Grund hierfür war vor allem der öffentliche Zugang zu den Informationen aus den Ausschusssitzungen. Wurde eine Information öffentlich gemacht, war es schwierig, diese wieder zurückzuziehen. So stellte der stellvertretende Vorsitzende Vogel die Frage in den Raum, wie mit einigen Informationen bezüglich des Aufenthalts Steiners in der Schweiz umgegangen werden solle. Es handelte sich hierbei um Informationen, die für die Ermittlung wichtig sein konnten.Gleichzeitig sollte vermieden werden, den Betroffenen durch eventuelle Liebesaffären oder Ähnliches bloßzustellen.999 Interessant ist, dass dieser Aspekt nicht direkt angesprochen, sondern das Vorgehen zunächst in einer nicht öffentlichen Sitzung besprochen wurde. Hierbei stand der Schutz der Person vor der Verpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit. Ein ähnlicher Aspekt fand sich in einer späteren nicht öffentlichen Sitzung wieder und auch hier ging es um Steiner. Dabei handelte es sich um den Namen einer Bank, den Steiner zunächst nicht nennen wollte, damit »nicht neue Komplikationen und Nachteile für den Betreffenden entstehen«.1000 Diesem Vorgehen wurde stattgegeben, »um da nicht den Verwandten, Verschwägerten einer gewissen Gefahr auszusetzen«.1001 Hier stand also ebenfalls der Schutz einzelner Personen vor dem Prinzip der Öffentlichkeit. Neben konkreten Momenten, in denen der Ausschuss Informationen nicht direkt öffentlich machte, um vor möglichen Verleumdungen zu schützen, gab es 998 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 90, S. 30. 999 Redebeitrag Friedrich Vogel, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 43, S. 253. 1000 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 80, S. 9. 1001 Ibid.

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regelmäßig allgemeinere Appelle. So erklärte der SPD-Abgeordnete Alfred Emmerlich in einer nicht öffentlichen Sitzung, dass der Untersuchungsausschuss vorsichtig mit Spekulationen und Behauptungen umgehen solle, denn sonst bestünde in der Tat die Gefahr, daß das Ergebnis dieses Ausschusses sein wird, daß er Spekulationen, welcher Art auch immer, Nahrung gibt und daß er, wenn er sich schon in diese Zone der Spekulation begibt, letzten Endes zu einem politischen Mittel wird und den Boden dieses justiziellen Auftrags – formal jedenfalls justiziellen Auftrags – echt verläßt und aus dem Ausschußbericht ein politisches Kampfmittel innerhalb des Parteienstreits wird.1002

Obgleich die anderen Abgeordneten dieser Aussage im Allgemeinen zustimmten, argumentierte Schäuble, dass nichts »unter den Tisch fallen« dürfe; denn nur so könne das für eine Demokratie so essentielle Vertrauen der Bevölkerung in ihre Organe gesichert werden.1003 In der nicht öffentlichen 16. Sitzung des Ausschusses kam es zu einer größeren Diskussion, die einige Aussagen des Abgeordneten Reddemann betraf. Es handelte sich weniger um Aussagen, die er in einer öffentlichen Sitzung des Ausschusses geäußert hatte, als vielmehr um eine Aussage, die er vor der Presse getätigt hatte. Das Prekäre daran war, dass er als Mitglied des Untersuchungsausschusses vermeintliche Kritik an diesem und der Unparteilichkeit des Vorsitzenden sowie »völlig unbeweisbare, üble Verdächtigungen über die Einstellung des Vorsitzenden zu seiner Arbeit« geäußert habe.1004 So eröffnete Kleinert die Diskussion, indem er erklärte, Ausschussmitglieder sollten sich »was [Aussagen über] die Arbeit des Ausschusses betrifft […] zurückhalten«, »solange dieser Ausschuß seine Beratungen nicht abgeschlossen und dem Bundestag seinen Bericht erstattet hat«.1005 Reddemann verteidigte sich gegenüber diesem Vorwurf. Er erklärte, dass er in der Pressekonferenz öffentlich angegriffen und behauptet worden sei, er würde Steiner decken. Erst nachdem ihn kein Ausschussmitglied verteidigt habe, habe er sich gezwungen gesehen, auf diese in der Öffentlichkeit gemachten Vorwürfe öffentlich zu reagieren.1006 Die Öffentlichkeit, auch durch die Pressekonferenz des Ausschusses, stellte in diesem Fall also vor allem eine Plattform dar, um zu verleumden, aber auch um sich wieder gegen Verleumdungen zu verteidigen. Sieglerschmidt stellte daraufhin den Antrag, der Ausschuss solle sich öffentlich von den Äußerungen Redde1002 Redebeitrag Alfred Emmerlich, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 92, S. 19. 1003 Redebeitrag Wolfgang Schäuble, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 92, S. 20. 1004 Redebeitrag Detlef Kleinert, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 29, S. 22. 1005 Ibid. 1006 Redebeitrag Gerhard Reddemann, in: Ibid., S. 22.

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manns distanzieren und diese zudem zurückweisen. Außerdem erwarte der Ausschuss, »daß alle Mitglieder des Ausschusses sich in ihren öffentlichen Äußerungen zur Arbeit des Ausschusses in Zukunft die gebotene Zurückhaltung auferlegen«.1007 Des Weiteren betonte Emmerlich die Gefahr, die solche Äußerungen über den Untersuchungsausschuss in der Öffentlichkeit hervorrufen könnten. Diese zweifle die »Unabhängigkeit und Unparteilichkeit dieses Ausschusses« sowieso bereits an.1008 Solche Äußerungen würden »dieses Mißtrauen […] nähren«.1009 Dadurch sei schließlich »die Glaubwürdigkeit des Deutschen Bundestages überhaupt und damit die Glaubwürdigkeit des parlamentarischen Systems« gefährdet.1010 Kleinert betonte erneut, wie wichtig es sei, dass der Untersuchungsausschuss, seine Mitglieder und seine Arbeit einen guten Ruf in der Öffentlichkeit genössen.1011 Bereits in der Steiner-Wienand-Affäre zeigte sich also wieder, was in der Weimarer Republik üblich war: Der Untersuchungsausschuss genoss nicht den besten Ruf in der Bevölkerung. Anders als in der Weimarer Republik wurde aber – zumindest in Teilen – versucht, das Ansehen des Ausschusses nicht noch weiter durch öffentliche Kritik durch die Ausschussmitglieder zu beschädigen. Hinzu kam außerdem, dass die Diskussion über diese Äußerungen nicht in einer öffentlichen Sitzung stattfand. Die Diskussionen sollten nicht für einen öffentlichen parteipolitischen Konflikt genutzt werden, sondern vielmehr sollte in einer späteren öffentlichen Sitzung die Einigkeit wieder deklariert werden. Zu diesem Zweck wurde die Transparenz, die die Untersuchungsausschüsse bringen sollten, erneut eingeschränkt. Dennoch kam es zu parteipolitischen Auseinandersetzungen. Insgesamt wurde hier deutlich, dass Transparenz vor allem gegenüber der Bevölkerung geschaffen werden sollte. Weitestgehend ging es hierbei um »Prozess-Transparenz« in Echtzeit, aber auch um »Event-Transparenz« im Nachhinein, bedingt durch die Protokolle. Transparenz wurde als etwas Positives und Notwendiges angesehen, als etwas, das das Vertrauen der Bevölkerung in das politische System stärken sollte. Es wurden aber auch erneut die Grenzen von Transparenz deutlich.

1007 1008 1009 1010

Redebeitrag Detlef Kleinert, in: Ibid., S. 37. Redebeitrag Alfred Emmerlich, in: Ibid., S. 37. Ibid. Redebeitrag Alfred Emmerlich, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 29, S. 37. 1011 Redebeitrag Detlef Kleinert, in: Ibid., S. 40.

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Untersuchungsausschüsse in der Bonner Republik

4.4.5 Die Öffentlichkeit des Ausschusses als parteipolitisches Instrument Bereits vor der ersten Sitzung äußerte Bundeskanzler Brandt seine Sorge vor der Ausnutzung des Untersuchungsausschusses als parteipolitisches Instrument. Er betonte daher im Bundestag, der Ausschuss müsse unbedingt der Aufklärung und nicht für gegenseitige Verdächtigungen dienen.1012 Während der Ausschussarbeiten kam diese Kritik verstärkt im Bundestag auf. So kritisierte der FDP-Abgeordnete Wolfgang Mischnik, dass verschiedene Aspekte aus einem noch nicht abgeschlossenen Untersuchungsausschuss immer wieder vor dem Bundestag diskutiert würden, um parteipolitische Interessen zu verfolgen. Auf den Einwurf des CDU-Abgeordneten Wilhelm Rawe, der erklärte, dass auch die Presse diese Themen in der Öffentlichkeit schon aufgreife,1013 erwiderte Mischnik nur, die Presse könne diesen Themen in der Öffentlichkeit nicht die gleiche Bedeutung verleihen, wie die Diskussion im Bundestag.1014 Inwiefern diese Aussage zutreffend war, bleibt fraglich. Vielmehr schien es, als ob die Bevölkerung ihre Informationen bevorzugt aus der Presse erhielt und nicht durch das Beisitzen in öffentlichen Sitzungen des Ausschusses oder des Bundestages. Die Vorwürfe der parteipolitischen Ausnutzung häuften sich allerdings besonders nach Beendigung der Untersuchungen.1015 Schäuble unterstrich, das Ansehen der Demokratie sei stark gefährdet und in einer solchen Situation müssten die Parteien näher zusammenarbeiten und sollten ihre eigenen parteipolitischen Interessen vergessen. Daraufhin erwiderte der SPD-Abgeordnete Sieglerschmidt, dass gerade Schäuble »eine parteipolitische Rede gehalten [hat], um die Bundesregierung und die Koalition zu attackieren«.1016 Jetzt aber »hätte [er] sich die Toga desjenigen umgeworfen, der für das Ansehen des Parlaments kämpft und auf der Suche nach der Wahrheit ist«.1017 Er machte aber nicht nur Schäuble diesen Vorwurf. Vielmehr erklärte er, dass die gesamte »Ausschußminderheit« diesen Fall »in dieser unverantwortlichen Weise ausgeschlachtet« habe.1018 Zudem attackierte er Reddemann, dem es »nicht um die Wahrheit« und auch »nicht um das Ansehen des Parlaments [ging und geht], sondern darum, den Bundeskanzler und die Regierungskoalition zu treffen«, was ihm allerdings »nicht gelungen« sei.1019 Der SPD-Abgeordnete Hans-Jürgen Wischnewski machte 1012 Redebeitrag Willy Brandt, in: Stenographisches Protokoll, 18. 06. 1973, S. 2491. 1013 Redebeitrag Wilhelm Rawe, in: Stenographisches Protokoll der Plenardebatte des Deutschen Bundestages am 26. 10. 1973, 7. Wahlperiode, 62. Sitzung, S. 3657f. 1014 Redebeitrag Wolfgang Mischnik, in: Ibid., S. 3658. 1015 Diese Feststellung hat Andrea Perthen auch für den Ausschuss zum HS-30 Fall gemacht. Siehe: Perthen 2021: Korruption kritisieren, S. 329. 1016 Redebeitrag Hellmut Sieglerschmidt, in: Stenographisches Protokoll, 27. 03. 1974, S. 5979. 1017 Ibid. 1018 Ibid., S. 5985. 1019 Ibid.

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den Abgeordneten der CDU insbesondere im Nachhinein große Vorwürfe. So habe Schäuble besonders »engagiert« bei einem Zeugen aus der Unionsparteien darauf hingewiesen, dass er die Aussage verweigern könne, bei anderen Zeuginnen und Zeugen aber nicht.1020 Außerdem seien Tatsachen, wie die Geldzahlung von Günter Fraschka an Steiner, im Bericht der Minderheit absichtlich weggelassen worden, um die Unionsparteien in einem besseren Licht dastehen zu lassen als die SPD.1021 Aber auch einige Abgeordnete der Unionsparteien sahen den Untersuchungsausschuss keineswegs als unpolitisch. Lenz resümierte über ihn: Nach einer weitverbreiteten Wunschvorstellung – daß das eine Wunschvorstellung ist, haben wir heute gesehen – sind Untersuchungsausschüsse objektive, unparteiische Gremien, die sich gemeinsam nach besten Kräften bemühen, die Wahrheit herauszufinden. […] In der Praxis erleben wir immer wieder, daß das Verfahren von einem Untersuchungsausschuß einem Mannschaftswettkampf gleicht, bei dem verschiedene Mannschaften gegeneinander angetreten sind, wie Helmut Schmidt es einmal ausgedrückt hat. Ich sehe in dem Wettkampfcharakter und in dem Bemühen um Wahrheit nicht notwendigerweise Gegensätze, obwohl es hier natürlich Interessenkonflikte geben mag.1022

Ihm zufolge war die Arbeit dieses Ausschusses eindeutig durch die parteipolitischen Interessen der einzelnen Fraktionen geleitet. Obgleich dies vielleicht manchmal hinderlich sein konnte, schloss diese Tatsache für ihn aber nicht den Erkenntnisgewinn aus. Im Untersuchungsausschuss selbst kam es dabei regelmäßig zu parteipolitischen Konflikten bzw. zum Vorwurf, er werde nur dafür genutzt. So traten insbesondere in der neunten Sitzung starke politische Auseinandersetzungen zwischen den Abgeordneten der Unionsparteien und der SPD auf. Bei einer Vernehmung des Zeugen Steiner machte der SPD-Abgeordnete Wischnewski dem CDU-Abgeordneten Reddemann den Vorwurf, er würde diese Zeugenvernehmung absichtlich bremsen, um die Unionsparteien nicht zu schädigen.1023 Später in der Sitzung kam es ebenfalls zu großen Unruhen und Streit zwischen den Parteien und einige Abgeordnete der Unionsparteien wurden schließlich vom Vorsitzenden gerügt.1024 In der elften Sitzung bei der Vernehmung des Zeugen Wienand wurde dieser Aspekt erneut deutlich. Insbesondere zwischen ihm und dem Abgeordneten Vogel kam es immer wieder zu »politischen Auseinander-

1020 1021 1022 1023

Redebeitrag Hans-Jürgen Wischnewski, in: Ibid., S. 6001. Ibid., S. 6002. Redebeitrag Carl Otto Lenz, in: Ibid., S. 6003f. Redebeitrag Hans-Jürgen Wischnewski, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 15, S. 39ff. 1024 Ibid., S. 117f.

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setzung[en]«.1025 Der Vorsitzende erklärte dazu, der Ausschuss sei »nicht der Ort für politische Auseinandersetzungen«, sondern sei dafür da, »die Wahrheit zu erforschen«.1026 Spannend ist jedoch, dass es neben den parteipolitischen Konflikten in den öffentlichen Sitzungen vor allem auch zu solchen in nicht öffentlichen Sitzungen kam, wie bereits zuvor gezeigt wurde. Diese waren häufig heftiger und länger als die in den öffentlichen Sitzungen. Obgleich also die öffentlichen Sitzungen des Untersuchungsausschusses eindeutig als eine Plattform für den parteipolitischen Kampf genutzt wurden, wurde weiterhin versucht, das Bild des Untersuchungsausschusses nicht vollständig zu beschädigen. Insgesamt waren es aber weniger die einzelnen Ausschussmitglieder, die den Vorwurf der politischen Ausnutzung äußerten. Vielmehr war es die Presse, die ihn immer wieder aufgriff. Der Spiegel vermutete, dass der Ausschuss von der CDU/CSU genutzt werde, um »zum Tribunal über Wehners Rolle bei versuchtem Stimmenkauf [zu] werden« und dadurch die SPD zu »schädigen«.1027 Die FAZ zweifelte ebenfalls bereits zu Beginn die guten Intentionen des Untersuchungsausschusses an: »Der Chor der Entschlossenheit, bei der Aufklärung bis zum äußersten zu gehen, bricht sich – das ist eine Erfahrung, die noch mit allen Untersuchungsausschüssen gemacht wurde – an den jeweiligen Interessen.«1028 Sie lobte in diesem Zusammenhang die Rolle der Minderheit als Kontrollinstanz. Diese sorge dafür, dass es nicht dazu komme, dass die Mehrheit ihr unangenehme Dinge nicht ermittle. Ein anderer FAZ-Artikel vom selben Tag artikulierte Skepsis und machte deutlich, dass nicht die »Entschlossenheit« und »frappante […] Einmütigkeit« und »Übereinstimmung« herrschte, wie es zunächst den Anschein gehabt habe.1029 Vielmehr hätten die Abgeordneten der verschiedenen Parteien ein individuelles Interesse an der Einsetzung des Ausschusses und verfolgten damit parteipolitische Interessen. Andere Artikel der FAZ betonten ebenfalls diese parteipolitische Tendenz des Untersuchungsausschusses.1030 Das Ergebnis des Ausschusses schien für die Zeitung nicht zufriedenstellend. Sie resümierte: Mit dem Steiner-Wienand-Untersuchungsausschuß geht es so zu Ende, wie zu erwarten war. […] Die Dissonanz wird verstärkt durch wechselseitige Vorwürfe. In der kommenden Bundestagsdebatte wird die gegenseitige Beschimpfung den Höhepunkt erreichen. Hoffentlich redet man sich dann nicht so weit auseinander, daß keiner mehr 1025 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: Ibid., S. 76. 1026 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 19, S. 77. 1027 Der Spiegel: Affäre Wienand: »Der Kanzler hält sich raus«, 25 (18. 06. 1973). 1028 FAZ: Steiner, Wienand…. 1029 FAZ: Als hätten alle den besten Willen… Von der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zum Fall Steiner berichtet Rüdiger Moniac, o. A. (16. 06. 1973). 1030 Siehe u. a.: FAZ: Ohne Steiner, o. A. (06. 07. 1973); FAZ: Neuer Eklat?, o. A. (28. 07. 1973).

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das Wort »Untersuchungsausschuß« hören will, auch nicht in dem neutralen Zusammenhang des – von allen Fraktionen versprochenen – Suchens nach einem Weg, wie das Instrument tüchtiger gemacht werden könne für die Aufklärung von Sachverhalten, in denen die Parteien zwangsläufig »Partei« sind. Es zeichnet sich schon ab, daß die Parlamentarier, mit anderem beschäftigt, die Lust daran verlieren.1031

In einem viel später verfassten Artikel bezog sie sich erneut auf diesen Ausschuss und forderte zwingend eine Reform, um den »Verschleierungs-Absichten« einiger und »den propagandistischen Attacken« anderer Gruppen in den Untersuchungsausschüssen entgegenzutreten.1032 In diesem Ausschuss zeigte sich also schon deutlicher als in den 1950er Jahren der Vorwurf, mit dem Untersuchungsausschüsse heute häufig in Verbindung gebracht werden: die Idee, dass sie vornehmlich als Waffe der Opposition dienen. Der Ausschuss wurde von der Union gefordert, um das Verhalten der SPD zu untersuchen. Die Union nutzte regelmäßig die Öffentlichkeit der Ausschüsse, um die SPD anzugreifen. Aber auch umgekehrt. Die Konflikte sind jedoch nicht annähernd mit denen in der Weimarer Republik zu vergleichen, in denen das eindeutige Ziel der Ausschüsse war, die gegnerischen Parteien zu degradieren. Der Union kann in diesem Fall sicherlich auch ein Interesse an der Untersuchung des Falles unterstellt werden, was nicht zwingend damit zu tun hatte, die SPD zu degradieren. Im Vergleich zu den 1950er Jahren wird allerdings deutlich, dass es nicht mehr darum ging, das gemeinsame Interesse zu betonen und die Republik zu schützen – die parteipolitischen Konflikte wurden hier offen ausgetragen. Dies wird auch anhand der Teilberichte des Ausschusses deutlich. Hier herrschte keine Einigkeit mehr, sondern es wurde zwischen dem Ergebnis der Mehrheit und der Minderheit unterschieden. Dadurch wird deutlich, dass es kein objektives Ergebnis der Ausschussarbeit gab. Es stellt sich erneut die Frage, ob es überhaupt möglich ist, in einem solchen politischen Rahmen objektive Fakten zu gewinnen oder ob diese nicht immer subjektiv und parteipolitisch geprägt bzw. interpretiert werden. Diese Frage sollte noch anhand weiterer Beispiele näher untersucht werden, da sie insbesondere im aktuellen Kontext der »Fake News« besonders interessant ist. Das Kapitel hat vor allem die Grenzen von Transparenz aufgezeigt. Es herrschte auch in den 1970er Jahren die Sorge, dass die durch die Ausschüsse geschaffene Transparenz die Verhandlungen oder sogar einzelne Individuen gefährden könnte. Anders als in der Weimarer Republik wurde die Notwendigkeit der Ausschüsse aber weiterhin betont. Es ging vielmehr darum, in Einzelfällen die Transparenz einzuschränken, als ganz auf die Arbeit der Ausschüsse zu verzichten. 1031 FAZ: Ausschuß am Ende, o. A. (21. 03. 1974). 1032 FAZ: Eine Reform ist fällig, o. A. (23. 07. 1979).

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Untersuchungsausschüsse in der Bonner Republik

Im Gegensatz zu den 1950er Jahren nahm die Kritik insgesamt aber zu. Die Republik war bereits gefestigt und musste nicht mehr zwingend geschützt werden. Das Verhalten und die Entscheidungen der Politikerinnen und Politiker wurden hinterfragt und kritisiert. Es lässt sich also bereits eine »kritische Öffentlichkeit« konstatieren. In den Ausschussarbeiten zu diesem Fall lässt sich bis zu einem gewissen Grad auch die »Liberalisierung« nach Herbert und DoeringManteuffel beobachten. Dennoch war die Kritik noch zögerlich und richtete sich vor allem gegen einzelne Mitglieder und nicht gegen den gesamten Ausschuss oder gar das politische System. Die Ausschüsse selbst waren etabliert. Lediglich der Wunsch nach Reformen war groß, wie das folgende Kapitel zeigt.

4.4.6 Weitere Kritik und die Enttäuschung über die Arbeit des Ausschusses – Der Bedarf einer Reform Ein Kritikpunkt kam in den Debatten nahezu gar nicht mehr vor: Die Sorge vor der Gleichzeitigkeit der juristischen und der parlamentarischen Ermittlung. Beide versuchten sich möglichst wenig in die Quere zu kommen. Der Untersuchungsausschuss achtete penibel darauf, dass nicht der Eindruck entstand, er würde die Arbeiten der juristischen Untersuchung irgendwie behindern, wie unter anderem der CDU-Abgeordnete Josef Klein betonte.1033 Der Vorsitzende unterstrich ebenfalls, dass er auf keinen Fall die juristischen Ermittlungen »hindern« wolle.1034 Allerdings nahm nicht nur der Untersuchungsausschuss Rücksicht auf die juristischen Ermittlungen, sondern auch umgekehrt. Die Befragung Steiners durch die Bundesstaatsanwaltschaft wurde so zum Beispiel zunächst zurückgestellt, bis der Untersuchungsausschuss seine Befragung beendet hatte. Ähnlich ging die Bundesstaatsanwaltschaft bei den Befragungen Wienands vor. Hier pausierte sie ebenfalls ihre Arbeit, um die Ausschussarbeiten nicht zu behindern. Obgleich zwischendurch auch hier die Frage aufkam, ob der Untersuchungsausschuss seine Arbeit mit Rücksicht auf die juristischen Ermittlungen unterbrechen sollte,1035 wurde während der Ausschussarbeiten deutlich, dass die Gefährdung der juristischen Ermittlungen durch seine Öffentlichkeit nicht zwingend gegeben war. Beide konnten mehr oder weniger parallel ermitteln und nahmen dabei gegenseitig Rücksicht aufeinander.

1033 Redebeitrag Josef Klein, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 27, S. 3. 1034 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 25, S. 10. 1035 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 64, S. 16.

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Wenngleich der Untersuchungsausschuss alles tat, um seiner aufklärerischen Tätigkeit nachzukommen und diese hervorzuheben, verstärkte sich die Kritik an diesem Instrument im Korruptionsskandal um Steiner und Wienand insgesamt allerdings zunehmend. Dabei ging es vor allem um das nicht zufriedenstellende Teilergebnis des Ausschusses und darum, dass der Ausschuss sich selbst nicht einmal einig war und es nicht schaffte, einen gemeinsamen Abschlussbericht zu verfassen. Die Kritik kam dabei häufig vom Ausschuss selbst: Mit den vorgegebenen Mitteln und Richtlinien habe er nicht richtig arbeiten können. Bevor eine zufriedenstellende Arbeit möglich sei, sei erst einmal eine dringende Reform der Gesetze bezüglich der Untersuchungsausschüsse notwendig. Damit bat der Ausschuss selbst um Auflösung, um zunächst eine Reform der Untersuchungsausschüsse zu erzwingen. Aber auch die Presse kritisierte seine Arbeit heftig. Sie teilte nicht seine Ansicht, dass er nicht parteipolitisch arbeite, sondern nur im Interesse der Aufklärung. In seiner jetzigen Form sei er vielmehr ein parteipolitisches Kampfinstrument, welches Transparenz eher verhindere. Bereits zu Beginn der Arbeiten des Untersuchungsausschusses wurde Kritik an diesem Instrument geäußert und wenig Hoffnung in seine Arbeit gesetzt. Kleinert schilderte dazu: In der Öffentlichkeit […] ist oft gesagt worden, dieses Verfahren gehe mit Sicherheit wie das Hornberger Schießen aus. Darin kommt zum Teil Resignation, zum Teil Abwertung der Einrichtung der Untersuchungsausschüsse, leider auch Mißtrauen gegen Politiker im allgemeinen und im besonderen – wahrscheinlich ohne dezidierte Unterscheidung zwischen den einzelnen Fraktionen und Parteien – zum Ausdruck.1036

Wie schon in der Weimarer Republik war auch hier die Sorge, die Arbeit des Ausschusses könnte wie »das Hornberger Schießen« ausgehen, also mit viel Lärm um nichts. Kleinert sprach dabei aber noch viel mehr an als nur die Skepsis gegenüber Untersuchungsausschüssen. Er sprach von einem »Mißtrauen gegen Politiker im allgemeinen und im besonderen«, welches in der Bundesrepublik vorherrsche. Anders als zur Zeit der Hauptstadtaffäre, als die Bevölkerung und die Presse eher zurückhaltend gegenüber der Politik agiert hatten, um die junge Demokratie nicht zu gefährden, schien diese Demokratie nun bereits gefestigt genug, um stärker kritisiert zu werden. Dies deckt sich auch mit den Feststellungen Herberts und Doering-Manteuffels. Insbesondere das Ergebnis des Ausschusses führte zu starker Kritik. So erklärte Schäuble nach der Veröffentlichung des Berichts, dass der »gemeinsame Wille dieses Hohen Hauses, Korruption zu bekämpfen, Mißstände schonungslos aufzudecken«, deutlicher gewesen wäre, »wenn [die Mitglieder des Ausschusses] zu gemeinsamen Ergeb-

1036 Redebeitrag Detlef Kleinert, in: Stenographisches Protokoll, 27. 03. 1974, S. 5969.

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Untersuchungsausschüsse in der Bonner Republik

nissen gekommen wären«.1037 Das wichtigste schien für ihn weiterhin die Selbstreinigung des Parlaments und das Stärken des Vertrauens der Bevölkerung in das Parlament, was der Ausschuss ihm zufolge nicht wirklich erreichen konnte.1038 Er betonte außerdem, dass die Ausschussarbeit von Beginn an mit zu großen Erwartungen befrachtet gewesen sei und das »hochgespannte Interesse der Öffentlichkeit, genährt auch durch spektakuläre Begleitumstände« sowie die »parteipolitischen Spekulationen«, diese nur erschwert hätten.1039 Schäuble unterstrich vor allem die verfahrenstechnischen Schwierigkeiten, die der Untersuchungsausschuss mit sich brachte und die er nicht lösen konnte. Dieser Aussage schlossen sich andere Abgeordneten, wie Sieglerschmidt oder Hirsch, an. Letzterer plädierte zum Beispiel für ein Vorverfahren und eine Beweisaufnahme unter Ausschluss der Öffentlichkeit: »Ein Ermittlungsverfahren in der Form einer öffentlichen Beweisaufnahme ist ein denkbar untaugliches […], ein groteskes Instrument der Wahrheitsermittlung, in dem sich jeder Zeuge durch eigene Beobachtung auf seine spätere Aussage einrichten kann«.1040 Die Transparenz der Ausschusssitzungen gefährdete ihm zufolge also die »Wahrheitsermittlung« und eine Reform sei dringend notwendig. Der SPD-Abgeordnete Wischnewski sprach sich ebenfalls für eine Reformierung der Untersuchungsausschüsse aus, die in diesem Format »der parlamentarischen Demokratie nicht dient[en]« und nur zu Unzufriedenheit führen würden.1041 Auf dieses Argument bezogen sich noch spätere Debatten zu anderen Skandalen, wie dem GuillaumeSkandal, die den Steiner-Wienand-Untersuchungsausschuss immer wieder als Beispiel für einen missglückten Untersuchungsausschuss heranzogen. Der stellvertretende Vorsitzende des Steiner-Wienand-Ausschusses, Vogel, kritisierte zwar die Ergebnisse des Ausschusses, betonte aber, dass das Instrument selbst unabdingbar sei.1042 Der SPD-Abgeordnete Günther Metzger schloss daran an und forderte eine Reformierung, da Untersuchungsausschüsse in dieser Form nicht zielführend seien und eher negativ von der Öffentlichkeit wahrgenommen würden.1043 Neben der allgemeinen Reformierung und der besonderen Frage der Öffentlichkeit spielte ein weiterer konkreter Punkt eine wichtige Rolle, der bereits in der Weimarer Republik diskutiert wurde: die Vereidigung. Zeuginnen und Zeugen wurden im Ausschuss in der Regel nicht vereidigt. Einige Abgeordnete forderten nun – besonders auf den Wunsch der Öffentlichkeit hin –, dass dies in 1037 1038 1039 1040 1041 1042

Redebeitrag Wolfgang Schäuble, in: Stenographisches Protokoll, 27. 03. 1974, S. 5970. Ibid. Ibid., S. 5976. Redebeitrag Burkhard Hirsch, in: Ibid., S. 5992. Redebeitrag Hans-Jürgen Wischneski, in: Ibid., S. 5997. Redebeitrag Friedrich Vogel, in: Stenographisches Protokoll der Plenardebatte des Deutschen Bundestages am 06. 06. 1974, 7. Wahlperiode, 105. Sitzung, S. 7108. 1043 Redebeitrag Günther Metzger, in: Stenographisches Protokoll, 06. 06. 1974, S. 7108.

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die neuen Richtlinien aufgenommen werde. Dadurch sollten Zeuginnen und Zeugen bei ihrer Aussage unter größeren Druck gesetzt werden, die Wahrheit zu sagen.1044 Der Einfluss der Öffentlichkeit spielte also eine wichtige Rolle. Die Presse hielt sich bei diesem Untersuchungsausschuss keineswegs mit Kritik zurück. Der Spiegel kritisierte bereits im Juni 1973, dass das Instrument zur »Selbstreinigung« des Parlaments an seine »Grenzen« gekommen sei.1045 Einen Monat später unterstrich er, dass der Ausschuss noch zu keinen Ergebnissen gekommen sei, bei einer Affäre, die sich zum »Prüfstein für Bonns Parlament« entwickelt habe.1046 Selbst die Ausschussmitglieder würden nicht mehr »an den Erfolg der Mission« glauben1047 und die Enttäuschung sei »interfraktionell«: »FDP-MdB Detlef Kleinert hat ›die Nase voll‹. CDU-Mann Hans Hugo Klein hängt es ›längst zum Hals heraus‹, SPD-Genosse Wilfried Penner würde am liebsten ›eine Kommission zur Untersuchung des Untersuchungsausschusses‹ einsetzen.«1048 Das Problem, weshalb der Ausschuss keine klaren Ergebnisse hervorbrachte, lag dem Spiegel zufolge unter anderem daran, dass es keine »genau definierte[n] gesetzliche Existenz-Grundlagen […] [oder] einen eigenen Ermittlungsapparat« gab.1049 Der Ausschuss arbeite eher planlos und ergebnislos, wie eine Karikatur vom 6. August 1973 darstellt:1050 Die Ausschussmitglieder stehen eng in einer Runde; was sich in ihrer Mitte befindet, ist nicht einsehbar. Unter der Karikatur steht geschrieben »Ene, mene, muh und unbefangen bist du …«. Die Karikatur zeigt also die Unfähigkeit des Ausschusses, nach bestimmten Kriterien Ergebnisse zu erzielen. Stattdessen zählt der Ausschuss willkürlich aus, wer unbefangen ist. Hinzu kommt, dass bei diesem Verfahren keine Nachvollziehbarkeit möglich ist. Niemand kann erkennen, was genau im Inneren des Kreises geschieht. Die FAZ schloss sich dieser Kritik an. Sie stellte bereits vor der offiziellen Einsetzung die Frage, ob der Ausschuss wirklich das richtige Mittel zur Untersuchung dieser Behauptungen sei.1051 Sie kritisierte von Anfang an die parteipolitischen Interessen bei seiner Einsetzung und Durchführung sowie das Verhältnis von Mehrheit und Minderheit. Er sei hauptsächlich aus individuellen und parteipolitischen Interessen eingesetzt worden.1052 Außerdem würde die Mehrheit alles dafür tun, zumindest einen Bericht der Minderheit, »der den Vorsprung 1044 Redebeitrag Friedrich Vogel, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 90, S. 10f. 1045 Der Spiegel: (Noch kein) Watergate in Bonn, 25 (18. 06. 1973). 1046 Der Spiegel: Fall Steiner. Kriminelles im Spiel, 31 (30. 07. 1973). 1047 Der Spiegel: Steiner-Affäre. Ich war’s nicht, 32 (06. 08. 1973). 1048 Ibid. 1049 Ibid. 1050 Ibid. 1051 FAZ: Affäre eines Unbekannten. 1052 FAZ: Als hätten alle den besten Willen, o. A. (16. 06. 1973).

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Untersuchungsausschüsse in der Bonner Republik

der Offenheit für sich hat«, zu verhindern.1053 Spannend ist an dieser Aussage auch, dass die Glaubwürdigkeit der Berichte unterschiedlich bewertet wurde. Der Bericht der Minderheit schien glaubwürdiger und transparenter zu sein als der der Mehrheit, da sie nicht die Beschuldigten in dem Fall waren. Die durch die Berichte geschaffene Transparenz wurde also nicht als gleichwertig empfunden. Die FAZ betonte zudem die allgemeine Nutzlosigkeit der Untersuchungsausschüsse, die nicht das Geringste in Erfahrung bringen könnten und nicht einmal die wichtigsten Zeuginnen und Zeugen vorladen würden.1054 Am Ende werde – trotz des Scheins sinnvoller Ermittlungen – kein klares Ergebnis herauskommen. Die Demokratie gehe eher geschädigt als gestärkt aus diesen Untersuchungen hervor,1055 obgleich ein allgemeines Desinteresse der Öffentlichkeit an der Politik konstatiert wurde: Der Untersuchungsausschuß kann noch manches tun. Er wird Gegenüberstellungen vornehmen, er wird in Akten schauen. Am Ende wird stehen, daß die Koalitionsmehrheit Wienand als entlastet ansieht, die Unionsminderheit als nahezu überführt. Das Publikum wird finden, daß Politiker halt so sind, wie man es immer gedacht hat, und daß die Demokratie eben Leute wie Wienand nach oben spült. Der SPD wird dabei etwas mehr Schaden erwachsen als der CDU, einfach weil »man« letzthin geglaubt hat, in der SPD verwirkliche sich auf neue Weise unser altes Idealbild von der übernatürlichen Obrigkeit.1056

Sie beschrieb in einem Artikel vom August 1973 auf eine sehr sarkastische Art und Weise die Sinnlosigkeit und die Heuchelei des Ausschusses, der lediglich vortäusche, an der Ermittlung von Tatsachen interessiert zu sein. Dabei kritisierte sie vor allem, dass Parteien ihre eigenen Mitglieder vernahmen und der Ausschuss gar nicht versuche, wirklich Tatsachen zu ermitteln, sondern vielmehr alles dafür tue, keine Erkenntnisse zu gewinnen.1057 Der Untersuchungsausschuss bringe keinerlei Transparenz, vielmehr komme er »aus dem Dschungel nicht heraus« und »wenn am Horizont der Lichtblick der Aufklärung erscheint, schiebt sich eine Wolke des großen Zufalls dazwischen«.1058 So sprach die FAZ davon, dass der Untersuchungsausschuss »erwartungsgemäß« kein Ergebnis bringe und »das aufwendige Spektakel [ausgehe] wie das Hornberger Schießen«.1059 Dies illustriert eine Karikatur vom Januar 1974.1060 Auf dieser ist eine Schnecke zu 1053 1054 1055 1056 1057 1058 1059 1060

FAZ: Steiner, Wienand…. FAZ: Ohne Steiner. Siehe hierzu u. a. auch: FAZ: Neuer Eklat? FAZ: Wienand und die Maßstäbe, o. A. (21. 07. 1973). FAZ: Herziger Ausschuß, o. A. (02. 08. 1973). FAZ: Die Fülle der Zufälle, o. A. (26. 09. 1973). FAZ: Unter Eid erklären, o. A. (09. 11. 1973). FAZ: Fraktionen wollen sich einigen. Dennoch drei Konzepte für den Bericht des Untersuchungsschusses, o. A. (17. 01. 1974).

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sehen, die den Ausschuss symbolisieren soll. Während die Schnecke sich langsam voran bewegt, findet im Hintergrund ein Tauziehen zwischen zwei Personengruppen statt. Durch den Titel wird die Stoßrichtung der Karikatur deutlich: Es handelt sich um ein Tauziehen der Parteien in einem ohnehin schon zähen Verfahren. Während die Fraktionen es nicht schaffen, sich zu einigen, geht die Arbeit des Untersuchungsausschusses nur sehr langsam und ohne die aktive Mithilfe der Beteiligten voran. Nicht nur die FAZ, sondern auch die Öffentlichkeit sei enttäuscht von den Arbeiten und Ergebnissen dieses Ausschusses und zweifle allgemein seinen Nutzen an.1061 Das Interesse der Bevölkerung nehme im Laufe der Verhandlungen stetig ab.1062 Dieses Phänomen sei nicht nur beim Skandal um Steiner und Wienand zu beobachten gewesen, sondern bereits seit dem ersten Untersuchungsausschuss zur Hauptstadtaffäre. Der Bericht des Steiner-Wienand-Ausschusses scheint schließlich besonders enttäuschend für die Zeitung gewesen zu sein. Sie hoffte dabei, dass es nicht so weit komme, »daß keiner mehr das Wort ›Untersuchungsausschuß‹ hören will«, sondern dass nach einer Möglichkeit gesucht werde, die Ausschussarbeit zu verbessern.1063 So sprach sie sich für dringende Reformen der Untersuchungsausschüsse aus, damit diese effektiver würden.1064 Dabei erklärte sie in einem späteren Artikel, der sich auch auf den Steiner-Wienand-Ausschuss bezog: »Parlamentarische Untersuchungsausschüsse haben die Bonner Politik immer belebt. Die Motivationen aufzuspüren für die Einsetzung solcher Untersuchungsausschüsse ist nicht schwer, aber unklar ist, was sie sind.«1065 Obgleich sie sich selbst als eine Art Gericht ansähen, würden sie immer aus parteipolitischen Interessen eingesetzt: »Unter der Behauptung, man suche nach der Wahrheit, gab es das handfeste Bestreben, der Regierung am Zeuge zu flicken oder sie reinzuwaschen.«1066 Die Berichte seien, falls vorhanden, lückenhaft und »[d]as Hornberger Schießen war die Regel.«1067 Die Redewendung, dass die Ausschussarbeit wie das Hornberger Schießen ausgehe, entwickelte sich zu einer Art Topos, der seit der Weimarer Republik genutzt

1061 FAZ: In Trauerspielen gibt es nichts zu lachen. Aus der Arbeit zweier hessischer Untersuchungsausschüsse, o. A. (05. 09. 1973); FAZ: Der Steiner-Ausschuß schließt die Akten. Verdacht gegen Wienand weder bewiesen noch beseitigt, o. A. (14. 03. 1974). 1062 FAZ: Der Steiner-Untersuchungsausschuß. Die Beweiserhebung wird zu einer Sammlung von widersprüchlichen Aussagen führen, o. A. (20. 06. 1973). 1063 FAZ: Ausschuß am Ende, o. A. (21. 03. 1974). 1064 FAZ: Nur blasses Licht im Dschungel. Halbzeit im Untersuchungsausschuß, o. A. (15. 08. 1973). 1065 FAZ: Die vierzehn Untersucher von Bonn. Geht auch der Guillaume-Ausschuß zu Ende wie das Hornberger Schießen?, o. A. (03. 09. 1974). 1066 FAZ: Die vierzehn Untersucher von Bonn, o. A. (03. 09. 1974). 1067 Ibid.

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Untersuchungsausschüsse in der Bonner Republik

wurde, um Kritik an den Ausschüssen, ihren Entwicklungen und insbesondere an ihren Ergebnissen zu äußern. Bei diesen Reformforderungen zeigte sich ebenfalls, dass mehr Transparenz nicht zwingend zu mehr Vertrauen führte. Vollständige Transparenz war auch hier nicht möglich und es bestand immer die Sorge, dass – obgleich die meisten Sitzungen öffentlich waren und auch andere Zugänge zu Informationen geschaffen wurden – Dinge verheimlicht worden waren. Zudem zeigt sich auch, dass Untersuchungsausschüsse als eine Waffe der Opposition wahrgenommen wurden und nicht mehr wie 1950 als ein mehr oder weniger geeignetes Instrument zur Aufklärung von Skandalen. In den Folgejahren kam es daraufhin zu verschiedenen konkreteren Reformvorschlägen, die nach dem Zwischenfazit näher erörtert werden sollen.

4.4.7 Zwischenfazit Die Untersuchungsausschüsse wurden in den 1970er Jahren weiterhin als besonders wichtig wahrgenommen. Mit ihrer Transparenz waren sie ein bedeutendes Symbol für die Demokratie und die Stärke des Parlaments: Sie behandelten Missstände öffentlich und versuchten aufzuklären. Dadurch sollte das Parlament in die Lage versetzt werden, sich selbst zu reinigen. Diese Maßnahmen sollten Korruption bekämpfen, aber vor allem das Vertrauen der Bevölkerung stärken. Die durch die Untersuchungsausschüsse geschaffene Transparenz hatte also eine symbolische Bedeutung, die ihnen noch eine wichtige Rolle zuschrieb, auch wenn sie nicht unbedingt die Aufklärung der Tatbestände herbeiführten. Es wurde hin- und nicht weggeschaut. Insbesondere durch ihre öffentlichen Sitzungen sollte Vertuschungen und Verleumdungen vorgebeugt werden. Gleichzeitig nahm die Kritik an ihnen zu. Anders als zur Zeit der Hauptstadtaffäre war die Bonner Republik in den 1970er Jahren bereits gefestigter und die Sorge, Kritik an dem politischen System könne zu seinem Umsturz führen – wie in Weimar –, war nicht mehr präsent. Dies wirkte sich auf das Ansehen der Untersuchungsausschüsse aus. Es zeigte sich bis zu einem gewissen Grad, dass – wie Herbert und Doering-Manteuffel konstatierten – eine Art »Liberalisierung« stattgefunden hatte. Politische Handlungen wurden nicht mehr einfach akzeptiert, um die Demokratie zu schützen. Es war bereits eine »kritische Öffentlichkeit« entstanden, die die Ausschussarbeiten mit Argusaugen beäugte und anprangerte. Die Kritik beruhte dabei unter anderem auf den möglichen Verleumdungen durch die Ausschüsse sowie dem Missbrauch der Ausschussöffentlichkeit für den parteipolitischen Kampf. Kritik wurde meistens gegen einzelne Mitglieder geäußert und nur selten gegen das gesamte Instrument. Vor allem die parteipolitische Nutzung wurde angeprangert und die Ausschüsse als

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eine Waffe der Opposition wahrgenommen. Insgesamt wurde aber besonders das Fehlen fester und ausreichender Richtlinien für den Ausschuss, die seine Arbeit klar strukturieren sollten, kritisiert. Die Ausschüsse selbst sollten aber weiterhin erhalten bleiben. Bis zu den neuen Richtlinien vergingen aber noch einige Jahre und viele weitere Ausschüsse mussten mit den Richtlinien der IPA arbeiten. Transparenz bezog sich in diesem Fall in der Regel auf eine Zugänglichmachung von Informationen für die Bevölkerung. Es ging darum, diese zu informieren und dadurch zu beruhigen. Dabei wurde aber auf eine beschränkte Transparenz gesetzt. Weitestgehend sollte eine »Prozess-Transparenz« in Echtzeit geschaffen werden. Da jedoch nicht alle Informationen zugänglich gemacht werden sollten – insbesondere zum Schutz einzelner Personen, aber auch um das Ansehen des Ausschusses nicht zu gefährden –, konnte die Transparenz eingeschränkt werden. Während sich alle über die Form der Transparenz einig waren, herrschte eher Uneinigkeit darüber, in welchen Fällen Transparenz eingeschränkt werden durfte. Es handelte sich allerdings vor allem um individuelle Ansichten, die nicht zwingend bestimmten Parteien zugeordnet werden können. Viele forderten den Ausschluss der Öffentlichkeit sogar explizit, unter anderem in den Reformvorschlägen. Hierbei sollte die Transparenz durch Voruntersuchungen noch weiter eingeschränkt werden, um bessere Ermittlungen zu ermöglichen. Öffentliche Verhandlungen konnten die Ermittlungen gefährden. Zudem schaffte mehr Transparenz nicht zwingend mehr Vertrauen. Es existierte immer auch die Befürchtung, dass Dinge bewusst verheimlicht würden.

4.5

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4.5.1 Reformvorschläge Neben der Kritik an den Untersuchungsausschüssen und den allgemeinen Forderungen nach Reformen im Zusammenhang mit dem Fall Steiner-Wienand gab es diesbezüglich auch konkretere Ausarbeitungen. Besonders die Vorschläge zweier Personen werden in diesem Kapitel näher betrachtet. Bei diesen Personen handelt es sich um Mitglieder des Steiner-Wienand-Ausschusses, die dessen Arbeit und damit auch die Stärken und Schwächen dieses Verfahrens hautnah miterlebt hatten. Es waren aber nicht irgendwelche Ausschussmitglieder: Die Rede ist von Friedrich Schäfer, dem Vorsitzenden des Ausschusses, und Friedrich Vogel, dem stellvertretenden Vorsitzenden. Beide verfassten Schriften, die sich auf mögliche Reformen der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse bezogen. Diese beruhten auf den eigenen Erfahrungen aus dem Steiner-WienandAusschuss. Zudem beschäftigte sich der bereits häufiger zitierte Politikwissenschaftler Steffani mit diesem Ausschuss und der Forderung nach einer Reform.

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In der Zeitschrift für Parlamentsfragen veröffentlichten Schäfer und Vogel 1974 jeweils einen eigenen Artikel sowie einen gemeinsamen Artikel im Zuge ihrer Beiträge bei der »Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen«. Bei dem gemeinsamen Artikel handelte es sich allerdings vielmehr um die Diskussion im Anschluss an die Ausführungen der beiden. Alle drei Texte bezogen sich auf den Bedarf einer Reform der Untersuchungsausschüsse und einer möglichen Umsetzung dieser Reform. Schäfer begann seinen Artikel »Der Untersuchungsausschuß (I). Kampfstätte oder Gericht?«1068 mit dem Satz: Für alle Mitglieder des 1. Untersuchungsausschusses des 7. Bundestages ist zu sagen, daß sie sich bemüht haben, im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten – jetzt: was? – den Erwartungen zu entsprechen, die die Öffentlichkeit meines Erachtens mit Recht in die Ergebnisse eines Untersuchungsausschusses setzt.1069

In diesem Satz sprach er nicht nur das Bemühen der Ausschussmitglieder um Aufklärung an, sondern auch das große Interesse der Bevölkerung an dieser Arbeit. Gleichzeitig verdeutlichte er hier bereits die Kritik, dass die Aufklärung nur »im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten« erfolgen könne. Seine Kritik führte er im Verlauf des Artikels weiter aus. Dabei galten seine Beanstandungen vornehmlich der Zusammensetzung des Ausschusses, die die Mehrheit und Minderheit des Parlaments widerspiegelte. Dadurch, dass die »Regierungskoalition«, welche in der Regel die Beschuldigten waren, im Ausschuss immer die Mehrheit habe, sei eine richtige Ermittlung nicht möglich.1070 In einem späteren Werk kritisierte er auch die Minderheit, die die Öffentlichkeit der Ausschüsse ausnutze, um die Regierung bloßzustellen.1071 Er sprach sich daher dafür aus, neben den üblichen Mitgliedern des Ausschusses außerdem drei Berufsrichter in den Ausschuss zu entsenden. Dadurch sei die Objektivität besser gewahrt und »jede Seite [könnte] Mehrheit werden«.1072 Ferner betonte er, dass der Untersuchungsausschuss, wie er zu diesem Zeitpunkt war, ein »Kampfausschuß« gewesen sei, also ein »zusätzlicher Austragungsort für die unterschiedlichen politischen Positionen von Parlamentsmehrheit und Opposition«.1073 Sollte dies so bleiben, »befürchte [er] ernstlich, daß die Erwartungen, die man in der Öffentlichkeit in einen solchen Ausschuß setzt, nicht erfüllt

1068 Schäfer, Friedrich: Der Untersuchungsausschuß (I). Kampfstätte oder Gericht? In: Zeitschrift für Parlamentsfragen 1974 (5/4), S. 496–502. 1069 Ibid., S. 496. 1070 Ibid., S. 498 1071 Schäfer, Friedrich: Der Bundestag. Eine Darstellung seiner Aufgaben und seiner Arbeitsweisen. Opladen, 1975², S. 280. 1072 Schäfer 1974: Der Untersuchungsausschuß (I), S. 499. 1073 Ibid., S. 500.

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werden können«.1074 Zusätzlich zu den Berufsrichtern forderte er ein Vorverfahren, um mögliche Verleumdungen durch die öffentlichen Verhandlungen zu verhindern. Zudem sollte dadurch schon bereits vor den öffentlichen Sitzungen aussortiert werden, welche Aussagen für die Verhandlungen wichtig sein könnten und welche nicht. Schäfer sah damit in den öffentlichen Verhandlungen eindeutig eine Gefahr für die Arbeit der Ausschüsse. Er sprach sich daher dafür aus, die Öffentlichkeit zu begrenzen und somit auch den direkten Zugang zu Informationen, den Untersuchungsausschüsse gewähren sollten, zu reduzieren. So würden die Informationen, die durch die öffentlichen Verhandlungen an die Öffentlichkeit gelangten, bereits durch eine Vorauswahl gefiltert – noch mehr als dies womöglich bereits durch die Berichterstattung der Presse der Fall war. Die Transparenz der Ausschüsse würde hierdurch also weiter eingeschränkt. Trotzdem betonte er die Bedeutung der Untersuchungsausschüsse, sprach sich also klar gegen eine Abschaffung sowie für die Notwendigkeit der öffentlichen Verhandlungen aus.1075 So unterstrich er auch, dass gerade die öffentlichen Verhandlungen der Minderheit die Möglichkeit der Kontrolle und des Einflusses garantieren würden und daher unabdingbar seien.1076 Der stellvertretende Vorsitzende Vogel nahm in seinem Artikel »Der Untersuchungsausschuß (II): Fehlende Befugnisse oder Fehleinschätzung?«1077 eine drastischere Position gegenüber parlamentarischen Untersuchungsausschüssen ein. Er erklärte zum Steiner-Wienand-Ausschuss zunächst: Nehmen wir den 1. Untersuchungsausschuß der 7. Legislaturperiode. Ich würde die Behauptung wagen, daß es diesem Untersuchungsausschuß in keiner Phase gelungen ist, nach draußen den Eindruck zu vermitteln, hier tage ein um Objektivität bemühtes Gericht. Er ist in der Öffentlichkeit von vornherein als ein politischer Kampfausschuß gesehen worden, und ich meine, daß er sich im wesentlichen auch so betätigt hat. Das liegt in der Institution des Untersuchungsausschusses begründet.1078

Er betonte außerdem, dass durch ihn keinesfalls eine »Selbstreinigung des Parlaments« stattgefunden habe, sondern das Ansehen des Parlaments vielmehr unter den Arbeiten solcher Untersuchungsausschüsse leide.1079 Er kritisierte zudem die häufige Einsetzung von Untersuchungsausschüssen und wünschte sich, das Parlament würde manchmal »weise Zurückhaltung

1074 Ibid. 1075 Schäfer, Friedrich; Vogel, Friedrich: Untersuchungsausschüsse (III): Überforderte Richter in eigener Sache? In: Zeitschrift für Parlamentsfragen 1974 (5/4), S. 509–529, S. 509. 1076 Ibid., S. 521. 1077 Vogel, Friedrich: Der Untersuchungsausschuß (II): Fehlende Befugnisse oder Fehleinschätzung? In: Zeitschrift für Parlamentsfragen 1974 (5/4), S. 503–508. 1078 Ibid., S. 503. 1079 Ibid., S. 504.

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üben«.1080 Er unterstrich in diesem Zusammenhang die Rolle der Öffentlichkeit und den Druck, den diese auf das Parlament ausübe. Durch den »enormen öffentlichen Druck auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses« sei es schwer, dieser Forderung nicht nachzukommen, »weil es in der öffentlichen Meinung zunächst einmal Minuspunkte einbringt, wenn man gegen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses spricht«.1081 Hier diene der Ausschuss der Öffentlichkeit also vor allem als Zeichen, dass das Parlament bereit sei, die Vorwürfe aufzuklären und Konsequenzen zu ziehen. Er sprach sich in seinem Artikel allerdings wiederkehrend gegen die Öffentlichkeit der Ausschüsse aus. Durch diese würde der Untersuchungsausschuss zu einem parteipolitischen Instrument degradiert, bei dem sich neben der eigentlichen Untersuchung verschiedene »Nebenkriegsschauplätze« auftäten.1082 Für ihn stellte Transparenz also die größte Gefahr für die Arbeit dieser Ausschüsse dar. Er hinterfragte außerdem die Sinnhaftigkeit der Untersuchungsausschüsse im Allgemeinen. Eine Reform der Regeln der Ausschüsse sei ihm zufolge nicht die Lösung, lediglich »die Gefahr der Ausuferung der öffentlichen Beweiserhebung« könne hierdurch geregelt werden.1083 Vogel forderte insgesamt »eine Institution außerhalb des Parlaments«, welche erreichen sollte, dass nicht der Eindruck entstehe, dass »eine Krähe der anderen kein Auge aussticht«.1084 Gegen die öffentlichen Verhandlungen sprach sich in der Diskussion auch der SPD-Abgeordnete Dietrich Sperling aus, da diese vor allem Verleumdungen fördern würden. Die Öffentlichkeit sei »zwar für politische Kämpfende etwas, was reinigend wirken kann; sie droht aber für Leute, die in solche Kämpfe einbezogen werden, die selbst jedoch nicht so politisch engagiert sind, etwas überflüssigerweise recht Schädliches zu sein.«1085 Der Politikwissenschaftler Steffani ging in seinem 1974 veröffentlichten Artikel zum ersten Untersuchungsausschuss der siebten Legislaturperiode auf den Wunsch nach einer Reform ein.1086 Nachdem er zunächst immer wieder die »Konstruktionsmängel«1087 und den Reformwunsch der Ausschussmitglieder betonte,1088 sprach auch er sich für eine dringende Reformierung aus. Er unterstrich, dass dieser Ausschuss zwar, im Gegensatz zu den meisten zuvor, schon 1080 1081 1082 1083 1084 1085 1086

Ibid. Ibid. Ibid., S. 507. Ibid., S. 508. Ibid., S. 504+507. Schäfer; Vogel 1974: Untersuchungsausschüsse (III), S. 525. Steffani, Winfried: Der 1. Untersuchungsausschuß des VII. Deutschen Bundestages. Zum Erfahrungsbericht des ›Steiner-Ausschusses‹. In: Zeitschrift für Parlamentsfragen 1974 (5/ 4), S. 470–472. 1087 Ibid., S. 471. 1088 Ibid., S. 470f.

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durch die IPA-Regeln eine »eigene Verfahrensgrundlage besitzt«. Diese reiche allerdings nicht aus. Wie Schäfer sprach er sich für eine Art Vorverfahren aus, das nicht in der Öffentlichkeit stattfinden sollte. Hierbei argumentierte er für die Eingrenzung von Transparenz mit einem Argument aus dem Bericht des Ausschusses: »[D]er Schutz des Bürgers vor einem Eingriff in seine Privatsphäre ist in einem Untersuchungsverfahren wegen des Fehlens eines Vorverfahrens geringer […] als in jedem anderen Verfahren.«1089 Es ging ihm also vor allem um den Schutz von Individuen vor Verleumdungen oder Bloßstellungen. Dies rechtfertige die Eingrenzung von Transparenz. Neben diesen Reformvorschlägen kam es 1977 außerdem zu einem offiziellen Versuch einer Reform der Untersuchungsausschüsse. Dabei sollten die Untersuchungsausschüsse durch eine Verfassungsreform verändert werden, wie im Folgenden gezeigt wird.

4.5.2 Die Verfassungsreform von 1977 Im Dezember 1976 legte die »Enquête-Kommission Verfassungsreform« nach mehr als fünf Jahren Arbeit dem Deutschen Bundestag ihren Schlussbericht vor.1090 Dieser behandelte im vierten Kapitel die Reform der Untersuchungsausschüsse.1091 Sie tagte bereits vor dem Steiner-Wienand-Ausschuss und wurde durch seine Arbeit weiter beeinflusst. In der Verfassungsreform von 1977 sollten auch die Untersuchungsausschüsse reformiert werden. Dabei ging es vor allem darum, ein gültiges Gesetz für diese zu entwickeln. Sie hätten »eine Tradition als Organ zur Untersuchung von Mißständen im Bereich alles dessen, was in die Verantwortung der Bundesregierung oder eines Bundesministers […] sowie des Bundestages selbst fällt«,1092 und seien daher unabdingbar. Dabei legte der Entwurf fest, dass sie rein parlamentarisch bleiben sollten, da es sich um ein Instrument »der Aufklärung tatsächlicher Sachverhalte mit parlamentarischen Mitteln zu Zwecke einer politischen Bewertung« handle und nicht um ein »gerichtsähnliches Verfahren«.1093 Neben einem neutralen, nicht stimmberechtigten

1089 Nach: Steffani 1974: Der 1. Untersuchungsausschuß des VII. Deutschen Bundestages, S. 472. 1090 Lennartz, Hans-Albert: Die Vorschläge der »Enquête-Kommission Verfassungsreform« zur Verfassungsrevision. Bestandsaufnahme und Kritik. In: Kritische Justiz 1977 (4), S. 412– 422, S. 412. 1091 Deutscher Bundestag: Schlußbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform, Drucksache 5924, 7. Wahlperiode, S. 50ff. URL: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/07/059/0705 924.pdf [28. 02. 2023]. 1092 Deutscher Bundestag: Schlußbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform, S. 50. 1093 Ibid., S. 52.

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Vorsitzenden sollten bis zu neun stimmberechtigte Parlamentsvertretende die Mitglieder der Untersuchungsausschüsse bilden.1094 Die Frage der Öffentlichkeit wurde im Rahmen dieses Entwurfes wieder diskutiert. Dabei wurde erneuert, dass das Recht der Bundesregierung auf Zugang zu den Sitzungen eingeschränkt werden sollte, sodass diese nicht mehr uneingeschränkt an nicht öffentlichen Sitzungen teilnehmen konnte. Dazu wurde erklärt: eine Anwesenheit von Vertretern der Bundesregierung kann sich hemmend auf die Arbeit des Ausschusses auswirken, insbesondere auch ihre Transparenz beeinträchtigen, wenn die unerwünschte Anwesenheit von Regierungsvertretern des Bundes oder der Länder dann dazu führt, daß bestimmte Fragen außerhalb der öffentlichen Sitzungen im Wege informeller Besprechungen behandelt werden.1095

Es ist eines der wenigen Male, dass zu diesem Zeitpunkt im Zusammenhang mit Untersuchungsausschüssen direkt von Transparenz gesprochen wurde. Die Reform sollte also die Transparenz der Untersuchungsausschüsse stärken. Dies sollte aber auf einem eher intransparenten Weg geschehen, nämlich durch die Möglichkeit von nicht öffentlichen Sitzungen, zu denen auch Regierungsmitglieder keinen Zutritt hätten. Dadurch sollte die Objektivität des Ausschusses gewahrt werden, damit Aufklärung geschaffen werden könne, welche später öffentlich gemacht werde. Zudem sollte festgelegt werden, dass die Bundesregierung die Akteneinsicht durch den Untersuchungsausschuss lediglich bei wichtigen diplomatischen und Sicherheitsfragen verweigern dürfte.1096 Die Herausgabe der Akten durch die Bundesregierung sei auch für sie wichtig, um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, sie sei in den Fall »verwickelt«.1097 Die Weigerung der Herausgabe der Akten ließe sich »sich einer kritischen Öffentlichkeit gegenüber nur mit wirklich überzeugenden Begründungen durchsetzen«.1098 Die für diese Arbeit wichtigen Gesetze zur Frage der Öffentlichkeit wurden daraufhin in den Paragraphen sieben und acht geregelt, die das bereits Besprochene beinhalteten.1099 Die Reform der Untersuchungsausschüsse wurde als »dringend notwendig« eingestuft.1100 »Die Zeit hierfür ist […] nicht nur reif, sondern überreif«,1101 er1094 Deutscher Bundestag: Gesetzentwurf, Drucksache 1181, 8. Wahlperiode. URL: http://dipb t.bundestag.de/doc/btd/08/011/0801181.pdf [28. 02. 2023]. 1095 Deutscher Bundestag: Schlußbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform, S. 55. 1096 Ibid., S. 51. 1097 Ibid., S. 56. 1098 Ibid. 1099 Deutscher Bundestag: Gesetzentwurf, Drucksache 1181. 1100 Redebeitrag Carl Otto Lenz, in: Stenographisches Protokoll der Plenardebatte des Deutschen Bundestages am 15. 12. 1977, 8. Wahlperiode, 63. Sitzung, S. 4824. 1101 Ibid.

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klärte Lenz. Die wichtige Rolle der Öffentlichkeit wurde daraufhin auch in der Debatte um diese Verfassungsreform aufgegriffen. So negierte Lenz, dass es sich bei dem Untersuchungsausschuss selbst um ein parteipolitisches Instrument handele. Vielmehr werde »[d]ie politisch relevante Wertung […] gar nicht vom Untersuchungsausschuss selbst, sondern von der beobachtenden Öffentlichkeit vorgenommen«.1102 Er kritisierte außerdem die ungerechte Behandlung der Ausschüsse, die »regelmäßig ein Gefühl des Unbehagens bei den Beteiligten und in der Öffentlichkeit [auslöst]«.1103 Er erklärte dazu: »Man ist enttäuscht, daß der Untersuchungsausschuß die letzte Klarheit nicht gebracht hat, und vergißt dabei, daß auch die Gerichte dies in ähnlichen Fällen meistens nicht zu tun vermögen.«1104 Engelhard wiederum erkannte in dem Untersuchungsausschuss ganz klar ein parteipolitisches Instrument und sah darin eine Schwierigkeit, die auch die Öffentlichkeit betraf. Er sprach sich außerdem für eine Gleichberechtigung von Mehr- und Minderheit aus. Für ihn spielte die Öffentlichkeit eine ganz besondere Rolle, da der Ausschuss dazu diene, dieser Klarheit zu bringen: Die Untersuchungsausschüsse waren in der Vergangenheit vom Verfahren wie vom Ergebnis her häufig unbefriedigend. Wir sollten hier unser eigenes, immer subjektives Urteil einmal zurückstellen und die Wertung der Öffentlichkeit etwas ernster nehmen. Wir wollen doch der Öffentlichkeit in einem parlamentarischen Untersuchungsverfahren Tatsachen vermitteln. Wir werden es uns dann gefallen lassen müssen, daß die Öffentlichkeit ablehnend reagiert, wenn sie in diesem Untersuchungsverfahren nichts anderes erlebt, als eine Fortsetzung der parlamentarischen Auseinandersetzungen mit anderen Mitteln. Das parlamentarische Untersuchungsverfahren muß ganz einfach mehr sein als die Verlegung der Debatten in einen anderen Saal, […]. Nach unserem Verständnis ist der Untersuchungsausschuß ein parlamentarisches Instrument zur objektiven Sachaufklärung in einem kontradiktorischen, gestrafften Verfahren, […] das es auch und gerade der Minderheit ermöglicht […] bei der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen, wie auch bei der Durchführung des Verfahrens gleichberechtigt tätig zu sein.1105

Schäfer wiederum kritisierte hier erneut die parteipolitische Nutzung des Untersuchungsausschusses. Durch seine Öffentlichkeit werde das Instrument immer von einzelnen Mitgliedern genutzt, um »sich zu profilieren«.1106 Bemerkenswert ist, dass der Untersuchungsausschuss hier – auch von Mitgliedern des Ausschusses, die dies zunächst geleugnet hatten – als politisches Kampfmittel wahrgenommen wurde. Während er von ihnen erst besonders positiv dargestellt und die Einheit der Mitglieder in dem Ausschuss betont 1102 1103 1104 1105 1106

Ibid., S. 4822. Ibid. Ibid. Redebeitrag Hans Engelhardt, in Ibid., S. 4827f. Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: Ibid., S. 4827.

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wurde, änderte sich dies spätestens mit dem Teilbericht des Ausschusses und dem nicht zufriedenstellenden Ergebnis.1107 Die Forderung nach einer Reform förderte die Kritik der Ausschussmitglieder an diesem Instrument und zwang sie nicht mehr, sich als eine gut funktionierende Einheit zur Aufklärung von Tatsachen darzustellen. Die Konflikte konnten nun mehr oder weniger öffentlich ausgetragen werden. Die Änderung des Artikels 44 des Grundgesetzes trat allerdings nicht in Kraft. Vielmehr arbeiteten noch viele weitere Untersuchungsausschüsse ohne festgeschriebene Regeln und lediglich mit den Richtlinien der IPA. Erst 2001 wurden die Regeln im PUAG-Gesetz schließlich festgeschrieben. Dieses sieht die Öffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse weiterhin als zwingend an; sie kann nur in Ausnahmefällen und bei beratenden Sitzungen ausgeschlossen werden.1108 Welche Ausnahmefälle dies sind, wird im Paragraph 14 genau geregelt.1109 Zudem setzen Paragraph 15 und 16 fest, dass einzelne Beweise, Beweiserhebungen und Beratungen als geheim eingestuft werden dürfen und somit nicht öffentlich zugänglich gemacht werden müssen. Diese dürfen nur von Ausschussmitgliedern, dem Bundesrat, der Bundesregierung oder anderen ermittelnden Institutionen eingesehen werden.1110 Untersuchungsausschüsse und ihre öffentlichen Verhandlungen werden also trotz der Kritik auch weiterhin als unverzichtbar eingestuft.

4.6

Untersuchungsausschüsse in der Bonner Republik

In der Weimarer Republik hatten die Untersuchungsausschüsse für viel Unruhe gesorgt. Anders als ihre eigentliche Funktion als Kontrollinstrument des Parlaments, welches zu dessen Stärkung beitragen sollte, wurden sie häufig gegenteilig genutzt, nämlich um das Parlament und insbesondere einzelne Parteien zu schwächen. Trotz der heftigen Kritik, die an diesem Instrument aufkam, wurde sich im Parlamentarischen Rat 1948 zügig darauf geeinigt, dass Untersuchungsausschüsse unverzichtbar für die neue Verfassung Nachkriegsdeutschlands seien. Sie wurden daher in das Grundgesetz aufgenommen. 1107 Landfried, Christine: Korruption und politischer Skandal in der Geschichte des Parlamentarismus. In: Rolf Ebbighausen und Sighard Neckel (Hg.): Anatomie des politischen Skandals. Frankfurt, S. 130–148, 1989, S. 144. 1108 Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz: Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz – PUAG), Paragraph 12. URL: http://www.gesetze-im-internet.de/puag/BJNR114210001.ht ml [28. 02. 2023]. 1109 Ibid., Paragraph 14. 1110 Ibid., Paragraph 15+16.

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Bereits 1950 wurde der erste Untersuchungsausschuss zur Untersuchung eines Korruptionsfalles einstimmig eingesetzt: der Ausschuss zur Hauptstadtaffäre. Dieser versuchte möglichst objektiv zu arbeiten und mit wenigen Ausnahmen ließen sich kaum größere parteipolitische Konflikte in der Arbeit des Ausschusses und der begleitenden Diskussion erkennen. Der Ausschuss wurde wenig angefeindet und galt im Allgemeinen als ein Mittel, das Aufdeckung schaffen würde. Durch seine transparente und objektive Ermittlung könne er letztendlich nicht nur den Korruptionsfall lösen, sondern vor allem auch das Parlament reinigen und stärken. Obgleich der Ausschuss es nicht schaffte, eindeutige Ergebnisse zu liefern, hielt sich die Kritik trotzdem stark in Grenzen. So wurde vielmehr die Arbeit des Ausschusses entweder zurückhaltend betrachtet oder sogar gelobt. Hierbei spielte die Vorgeschichte der Weimarer Republik und die daraus resultierende Zeit des Nationalsozialismus eine entscheidende Rolle. Sie wurde als abschreckendes Beispiel gesehen, welches es in der Bonner Republik der 1950er Jahre auf jeden Fall zu verhindern galt. Der zweite hier analysierte Untersuchungsausschuss zum Fall Steiner-Wienand fand in den 1970er Jahren statt. In dieser Zeit hatte sich viel verändert. Nicht nur hatten die Untersuchungsausschüsse in den 1960er Jahren mithilfe der IPA erste Richtlinien erhalten, nach denen sie arbeiten sollten, sondern auch in der Politik hatte sich viel verändert. Die Adenauer-Zeit war vorbei und es regierte der SPD-Politiker Brandt. Diese Zeit wird in der Forschung häufig als eine neue Ära der Politik wahrgenommen. Auch im Umgang mit dem Ausschuss ließ sich dabei eine Veränderung feststellen. Noch immer wurde insbesondere seine Transparenz als ein Mittel, um Aufklärung zu schaffen, hervorgehoben. Gleichzeitig häufte sich die Kritik in und an diesem Untersuchungsausschuss. Das System der Bonner Republik hatte sich etabliert und stand nicht mehr auf vermeintlich wackligen Füßen wie noch in den frühen 1950er Jahren. Es wurde wieder vermehrt Kritik an politischen Akteurinnen und Akteuren vor allem von der Presse geäußert. Der Ausschuss galt nicht mehr als wichtiges Instrument, um sich vom Nationalsozialismus abzugrenzen, wenngleich er durch seine Schaffung von Öffentlichkeit weiterhin als bedeutendes Aufklärungs- und Kontrollinstrument galt. Er war zu einem etablierten Instrument der Bonner Republik geworden, an dem nun auch wieder Kritik geäußert werden konnte. So wurde vor allem immer wieder der parteipolitische Kampf im und um den Ausschuss sowie die mangelnden Ergebnisse des Ausschusses kritisiert. Dennoch versuchte der Ausschuss, teilweise durch Eingrenzung von Transparenz, möglichst viel Kritik von sich fernzuhalten. Dies lässt sich vor allem auf die Sorge vor einem »drohenden Verdruss der Bürger an ihrem Parlament und am Staat« zurückführen, der auf alle Fälle verhindert werden sollte.1111 Der Umstand, dass es beim Steiner-Wie1111 Engels 2019: Alles nur gekauft? S. 99.

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nand-Ausschuss zu unterschiedlichen Berichten kam, zeigt erneut, dass Fakten im politischen Kontext selten objektiv sind oder so behandelt werden. Vielmehr werden sie immer (partei-)politisch interpretiert und genutzt. Trotz der mangelnden Kompetenzen und der daraus resultierenden enttäuschenden Ergebnisse des Ausschusses stellten nur wenige Akteurinnen und Akteure Untersuchungsausschüsse vollständig in Frage. Vielmehr sprachen sie sich für eine stärkere Ausarbeitung von Richtlinien und für eine Änderung der Verfassung aus. Die Öffentlichkeit der Ausschüsse wurde dabei weiterhin als wichtigstes Element begriffen, gleichzeitig aber auch als großer Diskussionspunkt. Letztendlich wurde entschieden, die Öffentlichkeit der Ausschüsse unangetastet zu lassen. So übernahm der Untersuchungsausschuss noch in den 1970er Jahren eine wichtige symbolische Funktion. Das Parlament versuche nicht, die Korruptionsskandale zu verheimlichen, sondern behandle diese öffentlich und bemühe sich, aufzuklären. Die Vorstellung der Sauberkeit des politischen Systems und der nötigen Selbstreinigung durch Untersuchungsausschüsse war hierbei von großer Bedeutung. Der Untersuchungsausschuss wurde also sowohl in den 1950er als auch in den 1970er Jahren als ein Transparenzinstrument wahrgenommen. Durch ihn sollte der Bevölkerung ein Zugang zu bzw. eine Zugänglichmachung von Informationen über heimlich geschehene Taten ermöglicht werden. Die Ergebnisse waren dabei nicht immer zufriedenstellend, trotzdem hatte ihre Transparenz eine wichtige symbolische Bedeutung für die junge, aber auch für die bereits etablierte Republik. Anders als noch in der Weimarer Republik wurde die Öffentlichkeit der Ausschüsse also weniger für den parteipolitischen Kampf und die Degradierung des Systems genutzt, sondern vielmehr als Stütze des aktuellen politischen Systems. Die verschiedenen Beteiligten sprachen immer wieder von der transparenten Wirkung der Untersuchungsausschüsse. Der in der aktuellen Forschung häufig vorgebrachte Aspekt, parlamentarische Untersuchungsausschüsse seien vor allem eine Waffe der Opposition, muss anhand dieser Beispiele differenziert gesehen werden. Sicherlich diente der Steiner-Wienand-Ausschuss der Opposition dazu, den politischen Gegner zu degradieren. Es lässt sich erkennen, dass Regierung und Opposition sich gegenseitig Vorwürfe machten und die Arbeit der Ausschüsse teilweise nutzten, um diese Vorwürfe öffentlich vorzubringen. Sicherlich wurde die SPD als in den Fall verwickelte Regierungspartei aber häufiger von der Opposition angegriffen als umgekehrt. Transparenzforderungen wurden hier zwar bereits genutzt, um gegnerische Parteien zu kritisieren und sich selbst lobend hervorzuheben. Zeitgleich dienten die Forderungen offiziell aber weiterhin hauptsächlich dazu, das Interesse an einem gesunden politischen System zu betonen. Anders als in der Weimarer Republik lässt sich nicht erkennen, dass die Demütigung der gegnerischen Partei das primäre Motiv

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zur Einsetzung des Ausschusses war. Hier lässt sich zumindest auch ein wirkliches Interesse an Aufklärung unterstellen. Bei der Hauptstadtaffäre sah dies sowieso anders aus. Hier beriefen mehr oder weniger alle Parteien – unabhängig davon, ob sie der Regierung oder der Opposition angehörten – den Untersuchungsausschuss gemeinsam ein, um ihr parteiübergreifendes Interesse an der Aufklärung von Korruptionsfällen zu zeigen und das junge politische System zu stärken. Die Forderung nach Transparenz wurde hier nahezu gar nicht als Argument genutzt, um eine andere Partei zu kritisieren, sondern vielmehr um das Interesse an der »Sauberkeit« des Parlaments hervorzuheben. Die Debatten im und um den Untersuchungsausschuss fügen sich reibungslos in die verschiedenen Forschungsfelder zu dieser Zeit ein. Die ausgewerteten Quellen bestätigen zunächst die Ergebnisse der Korruptionsforschung. Es wurde über Korruption gesprochen. Es wurde allerdings »pragmatisch« darüber diskutiert und sie wurde als ein schwerwiegender Fehltritt einzelner Personen wahrgenommen und nicht als Fehler des gesamten politischen Systems.1112 Der Untersuchungsausschuss wiederum hatte in diesem Zusammenhang vor allem eine symbolische Bedeutung. Er sollte zeigen, dass die junge Demokratie entschieden gegen solche Vorfälle vorgehe und nichts vor der Öffentlichkeit verheimliche. Vielmehr werde in ihr transparent und gemeinsam – unabhängig der Parteizugehörigkeit – ermittelt. Der Untersuchungsausschuss und die durch ihn erzeugte Transparenz wurden also als stärkende und reinigende Elemente wahrgenommen, die einen bedeutenden Unterschied zu der Zeit des Nationalsozialismus darstellten, in der Korruptionsfälle eher verheimlicht wurden. Transparenz war auch hier ein wichtiges Gegenmittel zu Korruption. Eine besondere Rolle spielte dabei die Idee, Sauberkeit und Reinlichkeit durch Transparenz zu erzeugen – ein Narrativ, das sich in den politischen Diskursen dieser Zeit immer wieder findet. Dies passt auch zur Skandalforschung: Skandale wurden in diesem demokratischen System als ein systemstärkendes Element wahrgenommen, das zur Selbstreinigung führte. Die Skandale waren hier ebenfalls ein Bruch mit der Heimlichkeit von Korruption und führten dadurch zu mehr Transparenz. Der Höhepunkt dieser Skandale war dabei die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, der Aufklärung bringen sollte.1113 Es zeigt sich insgesamt eine Entwicklung von den 1950er zu den 1970er Jahren. Insbesondere von Hodenbergs Feststellung über den Journalismus, der zunächst auf Konsens aus war, sich später aber zu einem kritischeren Akteur entwickelte, findet sich hier bestätigt. War die Berichterstattung in den 1950er Jahren noch 1112 Engels 2019: Alles nur gekauft? S. 13. 1113 Perthen 2021: Korruption kritisieren, S. 23.

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sehr zurückhaltend, änderte sich dies in den 1970er Jahren. Dies lässt sich auch auf die Politik der Untersuchungsausschüsse übertragen. Hier wurde zu Beginn der Bonner Republik ebenfalls versucht, keine größeren Konflikte aufkommen zu lassen, um die junge Demokratie zu schützen. Der Historiker Moritz Scheibe konstatiert, dass die Bevölkerung in den 1950er Jahren noch keinen richtigen Bezug zur Demokratie gehabt habe.1114 Die Historiker Doering-Manteuffel und Herbert unterstreichen ebenfalls, dass die Gesellschaft der Politik in diesen Jahren eher passiv gegenüberstand. Dies sah im Fall Steiner-Wienand schon anders aus, obgleich die Konfliktparteien auch hier noch weitestgehend zurückhaltend agierten. Doering-Manteuffel und Herbert machen in dieser Zeit die »Kernphase« der »Liberalisierung« bzw. der »Westernisierung« aus. Inwiefern diese Prozesse hier stattfanden, lässt sich nur bedingt nachvollziehen. Es zeigen sich aber Indikatoren, dass sich das politische System der Bonner Republik bis in die 1970er Jahre stabilisiert hat und liberalisiert wurde. Die Untersuchungen bestätigen in gewissem Maße auch die Aussage Hoeres über die Öffentlichkeit als Resonanzraum für Kritik und Skandale. Dennoch müssen diese Befunde mit Vorsicht betrachtet werden. Zunächst können an den beiden untersuchten Fällen nicht die Prozesse, sondern nur Ausgangs- und Endpunkte ermittelt werden. Zudem lassen die hierfür analysierten Quellen nur bedingt einen Rückschluss auf die Gesellschaft dieser Zeit zu. Dadurch ist es nur möglich, Elemente dieser beiden Theorien zu erkennen, nicht aber sie vollständig zu bestätigen. Außerdem lassen sich die Befunde in die Transparenzforschung einordnen. Es wurde bereits in der frühen Bonner Republik von Transparenz gesprochen, ohne dass dieser Begriff fiel. In der Bonner Republik als demokratischem System ging es – wie schon in der Weimarer Republik – vor allem um eine Transparenz »downwards«, also gegenüber der Bevölkerung. Zudem sollte durch die öffentlichen Ausschusssitzungen die »inwards-Transparenz« gewahrt werden, d. h. Außenstehenden sollte die Möglichkeit gewährt werden, Einblicke in die Arbeit der Ausschüsse zu erhalten. »Outwards-Transparenz« wiederum wurde durch Akteneinsicht und Zeugenbefragungen geschafft. Transparenz wurde vor allem als etwas Positives und als ein Gegenmittel zur Korruption wahrgenommen. Durch sie sollte gegen Korruption vorgegangen und das Vertrauen der Bevölkerung gestärkt werden. Anhand der beiden untersuchten Fälle lässt sich auch die Vorstellung erkennen, Transparenz sei ein besonders demokratisches Phänomen, während Geheimnisse vor allem in nicht-demokratischen Systemen vorkämen. Dies zeigt insbesondere die Unterscheidung zu totalitären Systemen in den betrachteten Quellen. 1114 Scheibe, Moritz: Auf der Suche nach der demokratischen Gesellschaft. In: Ulrich Herbert (Hg.): Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945–1980. Göttingen, 2002, S. 245–277, S. 246.

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Neben diesen eindeutig positiv konnotierten Zuschreibungen, die Transparenz in den frühen Jahren der Bonner Republik erfuhr, zeichneten sich aber auch die Grenzen von Transparenz ab. Insbesondere die Schwierigkeit, dass vollständige Transparenz nie erreicht werden konnte, führte immer wieder zu Misstrauen und der Sorge davor, Dinge könnten zurückgehalten werden. Es kam also nicht zwingend zur Schaffung von Vertrauen, sondern teilweise auch zu Misstrauen, wenngleich dies in viel geringerem Maße als in der Weimarer Republik geschah. Zudem existierte die Furcht, transparente Verhandlungen könnten die Arbeit des Ausschusses erschweren, da Politikerinnen und Politiker weniger kooperieren und striktere Haltungen einnehmen würden, um vor der Öffentlichkeit nicht ihr Gesicht zu verlieren. Hierbei zeigen sich vor allem die Probleme der »Prozess-Transparenz«, obgleich versucht wurde, diese durch die Ausschüsse weitestgehend zu ermöglichen. Die Ausschüsse entschieden sich daher regelmäßig dazu, ihren Zugang zu Informationen einzuschränken, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Es bleibt nun die Frage, wie konkret über Transparenz gesprochen wurde. Welche Begrifflichkeiten wurden wann und mit welchen Intentionen genutzt? Das folgende Kapitel analysiert daher die verwendeten Begrifflichkeiten vom Kaiserreich bis zur Bonner Republik, um diese Fragen zu beantworten. Dabei wird auf die in den vorherigen Kapiteln bereits intensiv analysierten Debatten zurückgegriffen.

5.

Transparenz ohne »Transparenz«? Verwendete Begriffe und ihre Bedeutung

In den hier betrachteten Debatten lässt sich das Wort »Transparenz« nur vereinzelt ab den 1960er Jahren finden. In dem untersuchten Zeitraum kam »Transparenz« als Begriff noch nicht die politische Bedeutung zu, die sie heute hat. Vielmehr galt »Transparenz« und »transparent« als eine Stoff- bzw. Materialeigenschaft.1115 So definierte zum Beispiel Meyers Konversationslexikon 1878 »transparent« als »durchscheinend, halbdurchsichtig«, während das Wort »Transparenz« nicht erwähnt wurde.1116 Im Duden fand sich »Transparenz« 1915 zum ersten Mal und wurde auch hier als Materialeigenschaft begriffen.1117 Diese Bedeutung kam ihr noch in der Weimarer und zu Beginn der Bonner Republik zu. Erst in den 1960er und 1970er Jahren änderte sich dies und »transparent« wurde mit politischem Handeln in Verbindung gesetzt. So definiert der Duden 1970 »transparent« nicht nur als »durchsichtig, Licht durchlassend«, sondern auch »bildl[ich]: die politischen Vorgänge sollten t[ransparent]«, also »für die Öffentlichkeit verständlich, durchschaubar sein«.1118 Zu diesem Zeitpunkt verstärkten sich auch zunehmend die Transparenzforderungen in den politischen Debatten.1119 Dennoch wurde bereits vor den 1970er Jahren in politischen Zusammenhängen über Transparenz gesprochen und diskutiert. Der Soziologe August machte hierfür bereits das 17. Jahrhundert mit den Religionskriegen und im 18. Jahrhundert vor allem die Zeit während der Französischen Revolution aus.1120 Transparenz sei etwas, was immer im Zusammenhang mit »Unsicherheit« oder 1115 Siehe u. a.: Schneider 2013. Transparenztraum, S. 11f. 1116 O. A.: Meyers Konversations-Lexikon. Eine Enzyklopädie des allgemeinen Wissens, Bd. 15. Leipzig, 1878³, S. 143. 1117 Duden: Transparenz. URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Transparenz [28. 02. 2023]. Siehe auch: Mülfing, J. Ernst und Schmidt, Alfred C., Reinecke, Otto: Duden, Rechtschreibung der deutschen Sprache und Fremdwörter. Leipzig; Wien, 1918, S. 491. 1118 Bibliographisches Institut: Duden. Bedeutungswörterbuch. Der Grosse Duden, Bd. 10. Mannheim; Zürich, 197016, S. 657. 1119 Ball 2009: What ist Transparency? S. 293f. 1120 Siehe hierzu auch: Gadinger; Yildiz 2016: Transparenz/Intransparenz, S. 205ff.

250

Transparenz ohne »Transparenz«? Verwendete Begriffe und ihre Bedeutung

»Misstrauen« auftauche: »Transparenz beruht auf einer Haltung des Misstrauens und entwickelt institutionelle Praktiken zur Umsetzung von Misstrauen«.1121 Transparenz sei damit nicht ein Mittel zur Vertrauensstärkung, sondern »Ausdruck und Operationalisierung von Misstrauen«. Die verstärkten Transparenzforderungen in den 1970er Jahren erklärt August mit den neuen Krisen, die in dieser Zeit aufkamen, wie dem verstärkten Ost-West-Konflikt oder dem Terrorismus. Der Rechtswissenschaftler Fenster sieht die Verstärkung des Transparenzdiskurses ebenfalls in Bezug auf den Kalten Krieg, legt seinen Fokus hierbei aber auf die USA.1122 Die Wirtschaftswissenschaftler Lars Thoger Christensen und Joep Cornelissen betonen zwar, die Idee von und die Forderungen nach Transparenz hätten sehr alte Wurzeln, sie hätten ihre heutige Bedeutung aber erst in der Moderne erlangt. Insbesondere mit der Aufklärung sei die Idee stärker geworden, Transparenz sei für eine effiziente und gerechte Gesellschaft notwendig.1123 Der Verwaltungswissenschaftler Christopher Hood konstatiert historische Etappen bzw. Ideenzweige von Transparenz ebenfalls bereits vor dem 20. Jahrhundert. Hierbei ging es vor allem darum, dass Regierungen sich an feste Regeln halten, keine geheimen Verträge geschlossen und Organisationen und Gesellschaften »knowable« gemacht werden sollten.1124 Diese Ideen seien durch den Juristen und Philosophen Jeremy Bentham vereint worden, der schließlich auch einer der Erste war, der den Begriff »Transparenz« im Englischen mit Politik in Verbindung brachte.1125 Im 20. Jahrhundert ging es schließlich vor allem um offene Diplomatie, Veröffentlichungen des »general conduct of executive government« sowie die Informationsfreiheit und die Transparenz von Geldern (z. B. Parteispenden).1126 Transparenz sei daher vor allem ein Phänomen der Moderne, was verstärkt mit den Ideen der Aufklärung aufkam.1127 Spätestens seit den 1990er Jahren lässt sich

1121 1122 1123 1124

August 2018: Theorie und Praxis der Transparenz, S. 131. Fenster 2015: Transparency in Search of a Theory, S. 153. Christensen; Cornelissen 2015: Organizational transparency as myth and metaphor, S. 134. Hood, Christopher: Transparency in Historical Perspective. In: David Heald und Christopher Hood (Hg.): Transparency. The Key to Better Governance? Oxford; New York, 2006, S. 3–24, S. 5. 1125 Ibid., S. 9; siehe hierzu auch: Staffiere, Luca: Transparency International. Transparenz als Korruptionsbekämpfung. In: Berliner Blätter 2018 (76), S. 21–38, S. 21. 1126 Hood 2018: Transparency in Historical Perspective, S. 11ff. 1127 Krause Hansen, Hans; Christensen, Lars Thoger; Flyverbom, Mikkel: Introduction. Logics of transparency in late modernity. Paradoxes, mediation and governance. In: European Journal of Social Theory 2015 (18/2), S. 117–131, S. 121f. Siehe hierzu auch: Geroulanos, Stefanos: Transparency in Postwar France. A Critical History of the Present. Palo Alto, 2017, S. 2.

Begriffe rund um »Öffentlichkeit« und »öffentlich«

251

Transparenz aber nicht mehr aus dem politischen Diskurs wegdenken1128 und wurde zu einem wichtigen Gegenbegriff zu Korruption.1129 Obgleich das Wort »Transparenz« in den hier vorliegenden Quellen also keine wichtige Position einnahm, wurde anhand anderer Begriffe über Transparenz im Politischen diskutiert.1130 Verschiedene Wörter erfüllten in dieser Zeit die zuvor festgelegte Definition von Transparenz als Zugang zu und Zugänglichmachung von Informationen und gehörten somit in die gleiche Bedeutungsfamilie. Dennoch hatten diese Begriffe ihre individuelle Bedeutung, die teilweise Rückschlüsse auf die Absichten der Akteurinnen und Akteure, die sie genutzt haben, zulassen. Im Folgenden werden die verschiedenen Begrifflichkeiten mit ihren Bedeutungen und ihrer Verwendung herausgearbeitet. Dadurch wird genauer untersucht, welche Termini bevorzugt in welchem politischen System angewendet wurden und – soweit möglich – warum dies der Fall war.

5.1

Begriffe rund um »Öffentlichkeit« und »öffentlich«

In allen Systemen häufig verwendet wurden die Begriffe rund um »Öffentlichkeit« und »öffentlich«. »Öffentlichkeit« wurde dabei von den Zeitgenossinnen und -genossen einerseits wie ein Synonym zu dem heutigen Transparenzbegriff verwendet. Es ging um »vollste Öffentlichkeit«1131 oder »die Oeffentlichkeit der Verhandlungen«1132 sollte gewährt werden. In diesem Zusammenhang wurde hierunter also ein direkter Zugang zu Informationen verstanden.1133 Gleichzeitig konnte damit die Adressatin von Transparenz gemeint sein, nämlich die Bevölkerung bzw. die Bevölkerung und die Presse.1134 »Öffentlichkeit« als Adres1128 Siehe u. a.: Hood, Christopher: Beyond Exchanging First Principles? Some Closing Comments. In: David Heald und Christopher Hood (Hg.): Transparency. The Key to Better Governance? Oxford; New York, 2006, S. 211–226, S. 215; Heibges 2018: Durchsicht, S. 7. 1129 Engels 2019: Alles nur gekauft? S. 118. 1130 Meijer 2015: Government Transparency in Historical Perspective, S. 192. 1131 Redebeitrag Eduard Lasker, in: Stenographische Berichte 1876, Bd. 2, 29. 03. 1876, S. 891 (r); siehe hierzu auch: Redebeitrag Hugo Preuß, in: Verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung, S. 266. 1132 Frankfurter Zeitung: Frankfurt, 13. November, 315 (13. 11. 1913), in: Bundesarchiv Abteilung Reich R 101/2903, S. 115. 1133 Der Vorstellung, Transparenz und Öffentlichkeit gleichzusetzen, wird in der Forschung teilweise widersprochen. Insbesondere der Soziologe Andreas Schäfer sieht Transparenz vielmehr als »Voraussetzung von Öffentlichkeit« oder als »passive Seite von Öffentlichkeit«: Schäfer, Andreas: Transparenz oder Öffentlichkeit? Zur Funktionsbedingung parlamentarischer Deliberation. In: Vincent August und Fran Osrecki (Hg.): Der Transparenz-Imperativ. Normen–Praktiken–Strukturen. Wiesbaden, 2019, S. 321–351, S. 324. 1134 Redebeitrag Hermann Paasche, in: Verhandlungen des Reichstags XIII, Bd. 289, 23. 04. 1913, S. 5059.

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Transparenz ohne »Transparenz«? Verwendete Begriffe und ihre Bedeutung

satin wurde dabei häufig mit anderen Transparenzbegriffen und -metaphern, wie Lichtmetaphern, in Bezug gesetzt. Die Akteurinnen und Akteure der verschiedenen politischen Systeme nahmen Öffentlichkeit als Adressatin dabei als eine homogene Gruppe mit gleichen Interessen wahr und unterschieden selbst nicht zwischen den verschiedenen »Teilöffentlichkeiten«, die sie ansprachen. So richteten sich die verschiedenen Parteien an unterschiedliche Gesellschaftsgruppen, die auch in sich alles andere als homogen waren. Während »Öffentlichkeit« als Synonym von Transparenz ausschließlich positiv konnotiert war, konnte sie als Adressatin negativ wahrgenommen werden. Obgleich auch hier die meisten Aussagen positiv konnotiert waren, gaben andere Aussagen ihr ein bedrohliches Moment. Hierzu zählte im Kaiserreich vor allem die Sorge, die Bevölkerung könnte unnötig beunruhigt oder das Kaiserreich vor dem Ausland schlechtgemacht werden.1135 Die Begrifflichkeiten rund um »Öffentlichkeit« wurden in beiden untersuchten Fällen des Kaiserreichs häufig verwendet, sowohl positiv als auch negativ konnotiert. Dennoch lässt sich konstatieren, dass insbesondere »Öffentlichkeit« als Adressatin gehäuft in der Kornwalzer-Affäre vorkam. Während es in der Affäre um das Eisenbahnkonzessionswesen vornehmlich um eine Transparenz gegenüber dem Parlament ging, verstärkte sich 1913 die Bevölkerung als Bezugspunkt von Transparenz. Im Vergleich zur Zeit nach 1918 wurden diese Begriffe im Kaiserreich aber noch weniger genutzt. In der Weimarer Republik wurde »Öffentlichkeit« als Synonym zu Transparenz vor allem in Bezug auf die öffentlichen Verhandlungen genutzt, um diese zu rechtfertigen oder lobend hervorzuheben.1136 Als Adressatin wurde sich hier noch häufiger an sie gewendet als im Kaiserreich. Es ging darum, Informationen für die Bevölkerung zugänglich zu machen bzw. das Interesse an diesem Vorgehen vor der Wählerschaft zu betonen.1137 In den meisten Situationen kam diesen Vokabeln eine positive Bedeutung zu. Der Zugang zu und die Zugänglichmachung von Informationen gegenüber der Bevölkerung wurde als positiv und notwendig für die Kontrolle des Parlaments sowie die Bekämpfung von Korruption angesehen. Die »Öffentlichkeit« als Adressatin der Transparenz galt hierbei als eine wichtige Kontrollinstanz. Zeitgleich konnte »Öffentlichkeit« in der Weimarer Republik negativ bewertet und sogar als eine Bedrohung wahrgenommen werden.1138 Meist war hierbei die Sorge, die Bevölkerung könnte 1135 Hamburger Schriften: Gericht und Parlament, 522 (06. 11. 1913). 1136 Redebeitrag Hugo Preuß, in: Verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung, S. 266. 1137 Siehe u. a.: Redebeitrag Eugen Leidig, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56558 M, Bl. 123. 1138 Siehe u. a.: Redebeitrag Siegfried Aufhäuser, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56557 M, Bl. 4; Redebeitrag Hans Koennecke, in: Sklarek-Ausschuss, Bd. 1, 06. 02. 1930, S. 1782.

Begriffe rund um »Aufklärung«, Licht und Sauberkeit

253

durch falsche Informationen zu stark beunruhigt werden. Zudem mahnten einige Beteiligte an, dass das große Interesse der Bevölkerung und ihre Erwartungen zu starken Druck erzeugen und Einfluss auf die Arbeit der Untersuchungsausschüsse nehmen könnten. Die meisten Beteiligten nutzten Begriffe wie »Öffentlichkeit« und »öffentlich«. Häufig führten sie diese innerhalb einer Forderung nach Transparenz an, um diese zu rechtfertigen. Teilweise verwendeten sie die Termini aber auch, um den Zugang zu Informationen einzuschränken, wenn sie nämlich damit argumentierten, dass die »Öffentlichkeit« eine Gefahr darstelle. Wenngleich viel seltener als in der Weimarer Republik verwendeten auch die Zeitgenossinnen und -genossen der Bonner Republik diese Termini rund um »Öffentlichkeit« und »öffentlich«. Diese wurden ebenfalls sowohl als eine Art Synonym1139 als auch als Adressatin von Transparenz verwendet,1140 wobei Letzteres häufiger der Fall war. Die Parlamentsmitglieder schrieben der »Öffentlichkeit« als Adressatin eine wichtige Kontrollfunktion zu. Waren diese Vokabeln in den 1950er Jahren vor allem positiv konnotiert, erhielten sie in den 1970er Jahren teilweise wieder eine negative Konnotation: »Öffentlichkeit« konnte erneut als Bedrohung wahrgenommen werden. Dabei ging es vor allem darum, dass Untersuchungen durch Transparenz erschwert oder sogar unmöglich gemacht werden könnten. Dennoch blieben diese Begriffe auch hier eher positiv konnotiert.

5.2

Begriffe rund um »Aufklärung«, Licht und Sauberkeit

Des Weiteren wurden Begrifflichkeiten wie »Aufklärung« und »Klarheit« in allen Systemen häufig angeführt. Sie beinhalteten ebenfalls die Idee des Zugangs zu und der Zugänglichmachung von Informationen. Dinge, die zuvor geheim oder versteckt waren, wurden nun sichtbar gemacht. Diese Konzepte entsprechen am ehesten der heutigen Transparenzvorstellung, da sich hierbei das betrachtete Objekt selbst veränderte, dieses also durchsichtig gemacht wurde – anders als bei den Lichtmetaphern, wie noch gezeigt wird.1141 Diese Wörter symbolisierten eines der wichtigsten Gegenmittel zur Korruption: Während diese bewusst heimlich stattfand, sollte sie nun öffentlich angeprangert und bekämpft werden.

1139 Siehe u. a.: Redebeitrag Wilhelm Brese, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 14, S. 16. 1140 Siehe u. a.: Redebeitrag Gerhard Reismann, in: Stenographisches Protokoll, 07. 06. 1951, S. 5909. 1141 August 2018: Theorie und Praxis, S. 129. Siehe in dieser Studie Kapitel 5.2, S. 253ff.

254

Transparenz ohne »Transparenz«? Verwendete Begriffe und ihre Bedeutung

Im Kaiserreich waren »Aufklärung«1142 und »Klarheit«1143 sogar die am meisten verwendeten Termini, um Transparenz auszudrücken. Insbesondere hier zeigt sich, dass unter diesen Begrifflichkeiten nicht zwingend eine Transparenz gegenüber der Bevölkerung verstanden werden musste. Diese konnte zwar die Adressatin sein, häufig ging es aber lediglich darum, Aufklärung gegenüber dem Parlament zu schaffen. Diese Begriffe waren alle stets positiv konnotiert. Diese Wortgruppen rund um »Klarheit« und »Aufklärung« standen häufig im Zusammenhang mit der Idee, durch die Zugänglichmachung von Informationen das Vertrauen der Bevölkerung zu stärken bzw. ihr Misstrauen zu reduzieren und sie zu beruhigen. Hierbei zeigte sich in den Transparenzdebatten allerdings nicht die Vorstellung, die Moral der Bevölkerung wiederherzustellen bzw. zu festigen, welche sich in den Korruptionsdebatten dieser Zeit meist wiederfinden ließ.1144 Es ging lediglich darum, das Vertrauen in die Politik dieser Zeit zu festigen. In der Weimarer Republik fanden diese Begriffe ebenfalls sehr häufig Verwendung.1145 Hier kam ihnen die gleiche Bedeutung zu wie bereits im Kaiserreich. Nun setzten die Beteiligten diese Vokabeln aber viel häufiger in Zusammenhang mit »Öffentlichkeit« und unterstrichen daher die Idee einer Transparenz gegenüber der Bevölkerung. Diese Wörter waren auch hier meist positiv konnotiert und die Beteiligten nutzten sie häufig, um das eigene Interesse an der Bekämpfung von Korruption zu unterstreichen. Dadurch sollte die eigene Partei positiv hervorgehoben werden. In der Bonner Republik kam den positiv konnotierten Begrifflichkeiten rund um »Aufklärung«1146 und »Klarheit«1147 eine bedeutende Rolle zu und nahezu alle Beteiligten nutzten sie. Hier ging es ebenfalls darum, dass Durchsichtigkeit entstehen sollte. Ein unklares Ereignis sollte so untersucht werden, dass die einzelnen Vorgänge nachvollziehbar würden. Diese »Aufklärung« bzw. »Klarheit« führe schließlich zur Selbstreinigung und Stärkung des Parlaments und des politischen Systems. Obgleich diese Begriffe wiederkehrend in Zusammenhang mit Öffentlichkeit gesetzt wurden, geschah dies nicht so häufig wie in der Weimarer Republik. Es musste nicht mehr jedes Mal betont werden, dass die Be-

1142 Siehe u. a.: Redebeitrag Hermann Paasche, in: Verhandlungen des Reichstags XIII, Bd. 289, 23. 04. 1913, S. 5059. 1143 Siehe u. a.: Redebeitrag Eduard Lasker, in: Stenographische Berichte 1872, Bd. 2, 15. 02. 1873, S. 1044 (l)f. 1144 Siehe hierzu: Rothfuss 2019: Korruption im Kaiserreich, S. 121. 1145 Siehe u. a.: Redebeitrag Eugen Leidig, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56558 M, Bl. 88. 1146 Siehe u. a.: Redebeitrag Max Solleder, in: Stenographisches Protokoll 07. 06. 1951, S. 5927. 1147 Siehe u. a.: Redebeitrag Gebhard Seelos, in: Ibid., S. 5897.

Begriffe rund um »Aufklärung«, Licht und Sauberkeit

255

völkerung Zugang zu Informationen erhalten sollte. Dies schien implizit in diesen Begriffen schon angelegt. Zudem nutzten die Vertreterinnen und Vertreter aller politischen Systeme regelmäßig verschiedene Lichtmetaphern. Dabei verstanden sie die Schaffung von Transparenz als eine Lichtquelle, die es ermöglichte, Dinge, die zuvor dunkel und geheim waren, zu erhellen. Dieses Licht war für die Zeitgenossinnen und -genossen also ein wichtiger Gegenpart zur Korruption, die sie als Dunkelheit oder Schatten wahrnahmen. Ähnlich sahen sie die Zurückhaltung von Informationen als Dunkelheit und sie war eindeutig negativ konnotiert.1148 Obgleich diese Bilder zunächst wie Synonyme von Transparenz erscheinen und häufig auch so genutzt wurden, arbeitet August eine wichtige Unterscheidung heraus. Bei Lichtmetaphern »können Lichtquelle und Schatten nicht ohne Weiteres ausgeblendet werden«;1149 ein Objekt wird also angeleuchtet, es selbst verändert sich aber nicht. Anders sieht dies bei Transparenzmetaphern aus. Es geht um eine »Veränderung der Körper selbst«, die »transparent [gemacht] werden [sollen]«.1150 Wenngleich es sich bei Lichtmetaphern also nicht um ein Synonym von Transparenz handelt, ähnelt es Transparenz aber »in ihren aufklärerischen Elementen und Ursprüngen«1151 und kann daher einer ähnlichen Bedeutungsfamilie zugeschrieben werden. Im Kaiserreich wurden vor allem Lichtmetaphern genutzt, die häufig in Zusammenhang mit den Begriffen »Aufklärung« oder »Klarheit« gesetzt wurden.1152 Hier ging es darum, die Arbeit der Untersuchungskommissionen und den Wunsch nach Transparenz zu legitimieren. Dies war in der Weimarer Republik weniger notwendig, da die Untersuchungsausschüsse fest etabliert waren. Es ist daher zu bemerken, dass die Beteiligten in den untersuchten Fällen der Weimarer Republik viel häufiger Dunkelheits- als Lichtmetaphern verwendeten. Zwar spielte auch hier noch die Hervorhebung der eigenen positiven Intentionen, nämlich der Untersuchung von Tatsachen, eine gewisse Rolle, es wurden aber zunehmend andere Interessen verfolgt. Es ging meist darum, andere Beteiligte durch diese Aussagen zu degradieren. Hierzu dienten die Dunkelheitsmetaphern, die anderen unterstellten, Dinge bewusst zu verheimlichen.

1148 1149 1150 1151 1152

Siehe u. a.: Redebeitrag Georg Schulz, in: Sklarek-Ausschuss, Bd. 1, 06. 02. 1930, S. 1774f. August 2018: Theorie und Praxis, S. 129. Ibid. Ibid. Siehe u. a.: Frankfurter Zeitung: Frankfurt, 13. November, 315 (13. 11. 1913); Redebeitrag Eduard Lasker, in: Stenographische Berichte 1872, Bd. 2, 15. 02. 1873, S. 1046 (l).

256

Transparenz ohne »Transparenz«? Verwendete Begriffe und ihre Bedeutung

In der Bonner Republik fanden beide Metaphern regelmäßig Verwendung.1153 Dabei lassen sich ebenfalls die zuvor beschriebenen Intentionen bei der Nutzung erkennen: das Hervorheben des eigenen Wunsches nach einer Untersuchung der Tatsachen bzw. die Legitimierung von Transparenz, aber auch das Diskreditieren anderer durch Dunkelheitsmetaphern. In eine ähnliche Richtung zielten die Sauberkeitsmetaphern. Diese stellten nicht die Zugänglichmachung von Informationen dar, waren also nicht als Transparenz selbst zu begreifen. Vielmehr wurden sie zur Verbalisierung des Ergebnisses von Transparenzschaffung verwendet und sind daher immer im Zusammenhang mit Transparenz zu begreifen: Durch transparente Ermittlungen könne Sauberkeit geschaffen werden. Diese Metaphern waren vollständig positiv konnotiert. Es ging vor allem darum, »[m]it eisernem Besen« durchzufegen, »die Luft« oder das »öffentliche Leben«1154 bzw. »die Atmosphäre«1155 zu reinigen, »Reinlichkeit«1156 zu schaffen oder »die Sauberkeit des Parlaments«1157 zu wahren. Im Kaiserreich sollten durch die Säuberung schädliche Elemente, wie zum Beispiel Korruption, aus dem politischen System und der Gesellschaft entfernt werden. Das Ziel war unter anderem, durch die Reinigung des politischen Systems die Moral der Bevölkerung zu stärken. Auch in der Weimarer Republik war dies die Idee hinter den Sauberkeitsmetaphern. Es ging vor allem darum, das politische System zu reinigen und dadurch letztlich die Bevölkerung zu beruhigen. Die Beteiligten in der Weimarer Republik verwendeten diese Metaphern allerdings nur selten. Sie dienten dazu, die Einsetzung und die Arbeit der Untersuchungsausschüsse zu rechtfertigen bzw. lobend hervorzuheben und dadurch zu zeigen, dass das Parlament in der Lage sei, Korruption entgegenzutreten. Am meisten Verwendung fanden sie in der Zeit der Bonner Republik. Es ging hierbei lediglich um die vollständige Wiederherstellung der Integrität des politischen Systems und nicht um die Gesellschaft. Dies sollte jedoch durch die Beobachtung der Bevölkerung möglich gemacht werden. Transparenz war hier eindeutig ein wichtiges Mittel zur Bekämpfung von Korruption. Korruption wurde dabei als Schmutz oder Dreck im politischen System wahrgenommen, der 1153 Siehe u. a.: Redebeitrag Heinz Matthes, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 9, S. 35. 1154 Siehe u. a.: Redebeitrag Kuno von Westarp, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 384, 20. 01. 1925, S. 111 (B); Redebeitrag Carl Ladendorff, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 6, 17. 10. 1929, S. 8561. 1155 Redebeitrag Friedrich Deerberg, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56558 M, Bl. 263. 1156 Redebeitrag Ernst Mayer, in: Stenographisches Protokoll, 07. 06. 1951, S. 5911. 1157 Redebeitrag Anton Donhauser, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 4, S. 237.

Gegenteilige Begrifflichkeiten

257

zu entfernen sei. Transparenz wiederum sei genau das geeignete Mittel, um diesen zu entfernen, Sauberkeit zu schaffen und das System zu stärken. Transparenz und Korruption wurden hier also als zwei Seiten einer Medaille verstanden.

5.3

Gegenteilige Begrifflichkeiten

Neben den Begriffen, die Transparenz oder ihre Auswirkungen ausdrücken, gab es auch gegenteilige Termini, die regelmäßig verwendet wurden. Besonders Begriffe wie »Vertuschung«1158 oder »Verschleierung«1159 taten sich hierbei hervor. Hierunter lässt sich nun nicht mehr der Zugang zu oder die Zugänglichmachung von Informationen verstehen. Vielmehr handelte es sich darum, dass Dinge bewusst nicht (mehr) sichtbar gemacht würden und der Zugang zu Informationen verhindert werde. Sie waren stets negativ konnotiert. Bereits die Beteiligten im Kaiserreich nutzten diese Termini. Wenngleich sie viel seltener als die positiv konnotierten Begriffe rund um Transparenz verwendet wurden, nahm ihre Nutzung 1913 im Vergleich zu 1873 zu. Sie dienten zumeist als Argument, entweder um die Untersuchungskommissionen selbst oder andere Akteure anzugreifen. Es ging darum, diesen die bewusste Verhinderung von Transparenz vorzuwerfen. 1873 war die Zufriedenheit darüber, dass überhaupt eine Untersuchungskommission eingesetzt wurde, viel größer und solche Begriffe waren daher kaum zu finden. Die seltene Verwendung dieser Begrifflichkeiten – insbesondere im Vergleich zu den untersuchten Fällen in der Weimarer und Bonner Republik – unterstützt damit die These, dass das Parlament in beiden Fällen trotzdem relativ zufrieden war, mehr Einfluss durch eine solche Kommission erlangt zu haben. Andererseits unterstützt es die Idee, dass den Untersuchungskommissionen im Kaiserreich noch keine sonderlich bedeutende Rolle zukam. In der Weimarer Republik kam Ausdrücken wie »Verdunklung« oder »Verschleierung« eine bedeutende Rolle zu. Die Zeitgenossinnen und -genossen nutzten diese ungefähr genauso häufig wie die Wortgruppe rund um »Aufklärung«. Sie dienten auch hier in der Regel zum Angriff. Es ging darum, politische Gegnerinnen und Gegner zu attackieren, indem diesen unterstellt wurde, sie wollten bewusst Transparenz verhindern. Gleichzeitig – wenngleich weitaus seltener – konnte dieser Wortgebrauch zur Forderung von Transparenz genutzt 1158 Siehe u. a.: Redebeitrag Ernst Schneller, in: Verhandlungen des Reichstags, Bd. 384, 22. 01. 1925, S. 195 (B). 1159 Siehe u. a.: Neue Preußische Zeitung: Zusammenstöße im preußischen Barmat-Ausschuß. Das veröffentlichte Material. Die roten Verteidiger des Schieberkapitals, 64 (07. 02. 1925); FAZ: Eine Reform ist fällig.

258

Transparenz ohne »Transparenz«? Verwendete Begriffe und ihre Bedeutung

werden: Um »Vertuschungen« zu verhindern, müsse dringend eine Zugänglichmachung von Informationen geschaffen werden. Alle Beteiligten nutzten diese Begrifflichkeiten. Bevorzugt waren es jedoch die rechten und linken Parteien, um andere Parteien, die Untersuchungsausschüsse oder gar das gesamte politische System zu degradieren. Diese Wörter lassen sich ebenfalls in den Fällen der Bonner Republik finden, wenn auch viel seltener. Sie waren hier ebenfalls ein Argument zur Diskreditierung anderer Parteien oder des ganzen Systems, welches in den Anfangsjahren vor allem die KPD nutzte. Es diente viel häufiger als ein defensives Argument, welches von den verschiedenen Parteien angeführt wurde, um genau solche Vorwürfe zu entkräften. So sollte nämlich »nichts unter den Tisch fallen«1160 oder »unter den Teppich«1161 gekehrt werden. In eine ähnliche Richtung gingen in der Bonner Republik weitere Metaphern. So sprachen die Beteiligten häufig von »Schleier«,1162 »Nebel«,1163 »Dickicht«,1164 »Dschungel«,1165 »Sumpfgasen«1166 oder »Wolken«1167. Bei allen Ausdrücken handelt es sich um mehr oder weniger natürliche Erscheinungen, die die Sicht versperren. In die gleiche Richtung ging auch die Aussage, dass »dauernd Schafherden über die Spuren gejagt« würden.1168 Obgleich insbesondere die ersten Metaphern eher nach zufälligen bzw. natürlichen Begebenheiten klingen, wurde damit immer der Verdacht oder gar der Vorwurf geäußert, jemand versuche bewusst, Transparenz zu vermeiden. Im Kaiserreich gab es zudem die Wörter »Geheimnis« und »geheim«. Diese Begriffe konnten positiv konnotiert sein. Einige Geheimnisse seien notwendig und könnten nicht vor der Bevölkerung diskutiert werden.1169 Dabei ging es vor allem um »Geschäftsgeheimnisse«.1170 Hier zeigt sich auch eine empfundene Grenze von Transparenz: Vollständige Transparenz war in der Ansicht der Zeitgenossinnen und -genossen nicht möglich. Unternehmen bräuchten für ihre 1160 Redebeitrag Alfred Emmerlich, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 92, S. 20. 1161 Siehe u. a.: Redebeitrag Friedrich Engelhardt, in: Stenographisches Protokoll, 15. 06. 1973, S. 2418. 1162 Redebeitrag Detlef Kleinert, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 58, S. 9. 1163 Redebeitrag Friedrich Vogel, in: Stenographisches Protokoll der Plenardebatte des Deutschen Bundestages am 27. 03. 1974, 7. Wahlperiode, 90. Sitzung, S. 5995. 1164 FAZ: Affäre eines Unbekannten. 1165 FAZ: Die Fülle der Zufälle. 1166 FAZ: Steiner, Wienand. 1167 FAZ: Die Fülle der Zufälle. 1168 Redebeitrag Friedrich Vogel, in: Stenographisches Protokoll, 27. 03. 1974, S. 5995. 1169 Redebeitrag Eugen Schiffer, in: Verhandlungen des Reichstags XIII, Bd. 291, 12. 12. 1913, S. 6448 (D). 1170 Redebeitrag Georg Gothein, in: Ibid., S. 6450 (D).

Kurzes Zwischenfazit

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Geschäfte Geheimnisse. Andererseits fassten einige Beteiligte diese Wörter als Gegenteil von Transparenz wiederholt auch negativ auf. Verhandlungen »hinter verschlossenen Türen«1171 oder der Umstand, »daß die Untersuchung gewissermaßen geheim behandelt wurde«,1172 gaben immer wieder Anlass zur Kritik. Es wurde also zwischen notwendigen und unbedingt überwindbaren Geheimnissen unterschieden. Letztere bezogen sich auf den Ausschluss des restlichen Parlaments sowie der Bevölkerung aus den Kommissionsverhandlungen. Diese sollten – mit Rücksicht auf Geschäftsgeheimnisse – transparent gemacht werden und »Geheimnis« war hier daher negativ konnotiert. Diese Begrifflichkeiten lassen sich erneut verstärkt 1913 feststellen, als die Unzufriedenheit mit der Kommissionsarbeit und die Forderung nach mehr Einfluss des Parlaments und insbesondere der SPD größer wurden. An der Verwendung dieser Begrifflichkeiten und vor allem der Betonung der Notwendigkeit von Geheimnissen im Kaiserreich lässt sich auch die Idee erkennen, dass Geheimnisse eher nicht-demokratische Systeme zugehören, während Demokratien eher mit Transparenz und der Notwendigkeit von Transparenz verbunden werden.1173 Neben diesen regelmäßig verwendeten Ausdrücken gab es noch andere Termini oder Metaphern, die genutzt wurden. So sprach der Abgeordnete von Benda 1876 von »Enthüllung«. Auch die Rote Fahne führte diesen Begriff 1929 einmal an. Hierunter lässt sich Transparenz verstehen, nämlich als Zugänglichmachung von Informationen. Das Besondere hieran war, dass es nicht um die Veröffentlichung irgendwelcher Informationen ging, sondern um negative Schlagzeilen, wie zum Beispiel die angebliche Korruption vereinzelter Personen. Dieser Begriff wurde in der Regel im Zusammenhang mit Skandalisierungen verwendet. Um 1919 führte Max Weber zudem »Publizität« an,1174 was als Zugang zu Informationen verstanden werden kann, sowie auch »Publikum«,1175 was vielmehr ähnlich wie »Öffentlichkeit« als Adressatin möglicher Transparenz begriffen werden muss.

5.4

Kurzes Zwischenfazit

»Transparenz« oder »transparent« wurde in den hier untersuchten Debatten nahezu nicht verwendet, was vor allem damit zusammenhängt, dass das Wort im untersuchten Zeitraum noch keine politische Bedeutung hatte. Es handelte sich lediglich um eine Materialeigenschaft. Dennoch wurde über Transparenz im 1171 1172 1173 1174 1175

Frankfurter Zeitung: Frankfurt, 13. November, 315 (13. 11. 1913). Redebeitrag Eduard Lasker, in: Stenographische 1876, Bd. 2, 29. 03. 1876, S. 888 (l). Siehe hierzu u. a.: Colson 2004: Gérer la tension entre secret et transparence, S. 91. Siehe u. a.: Weber 1918: Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland, S. 66. Redebeitrag Max Quarck, in: Verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung, S. 265.

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Transparenz ohne »Transparenz«? Verwendete Begriffe und ihre Bedeutung

politischen Sinne gesprochen, wenngleich hierfür andere Termini genutzt wurden. Diese Ausdrücke konnten als Synonyme zu Transparenz, als Adressatin dieser oder als das Gegenteil begriffen werden. Anhand der Nutzung der verschiedenen Begrifflichkeiten lassen sich jeweilige Intentionen der Akteurinnen und Akteure herausarbeiten. Im Kaiserreich wurden vorwiegend positiv konnotierte Begriffe verwendet. Diese sollten das gemeinsame Interesse des Parlaments an der Aufklärung der Fälle, aber auch an der Ausweitung ihrer Kompetenzen unterstreichen. Zudem sollten sie die Bereitschaft zur Zusammenarbeit von Parlament und Regierung verdeutlichen. Positiv konnotierte Begriffe wurden meistens angeführt, um den Nutzen der Kommission sowie das eigene Interesse an Aufklärung besonders hervorzuheben. Die negativ konnotierten Begriffe dienten dazu, die Unzufriedenheit über die gemischten Kommissionen bzw. den mangelnden Einfluss des Parlaments auf die Kommissionsarbeiten auszudrücken. Es ging entweder um die Kritik an der Untersuchungskommission an sich oder – und viel häufiger – an ihrer nicht parlamentarischen Umsetzung und dem dadurch entstehenden Mangel an Transparenz. Die Betrachtung der verwendeten Alternativbegriffe in der Weimarer Republik lässt deutlich erkennen, dass die verschiedenen Begriffe auch hier mit unterschiedlichen Intentionen genutzt wurden. Positiv konnotierte Vokabeln dienten eher dazu, die eigene Partei, die Untersuchungsausschüsse oder das politische System zu stärken und zu loben. Die negativ konnotierten Begriffe wiederum blieben der Kritik an den anderen Parteien, dem System oder den Ausschüssen vorbehalten. Die Variationsbreite dieser Begriffe spiegelt gut die verschiedenen Argumentationsmuster und Interessen in den hier analysierten Fällen wider, die in den Kapiteln zuvor vorgestellt wurden: Es lassen sich auch anhand der Verwendung der unterschiedlichen Ausdrücke die parteipolitischen Konflikte dieser Zeit und der Kampf um bzw. gegen das politische System erkennen. Dabei ging es um viel mehr als nur um die meist positiv konnotierte Zugänglichmachung von Informationen, die durch den Begriff »Transparenz« ausgedrückt werden können, und darum, ihre Konsequenzen positiv hervorzuheben. Vor allem sollten auch die negativen Auswirkungen, die durch die Zurückhaltung von Informationen erzeugt würden, angeprangert werden. Die gegenteiligen Begriffe spielten also mindestens eine genauso bedeutende Rolle wie die Ausdrücke um »Transparenz« selbst. Zudem ermöglichten die unterschiedlichen Ausdrücke eine Nuancierung des Transparenzbegriffes, zum Beispiel in Hinblick darauf, gegenüber wem diese Transparenz geschaffen werden sollte. Die verschiedenen Termini ordneten sich gut in das zu dieser Zeit allgemein verwendete politische Vokabular – zum Beispiel im Zusammenhang mit Korruptionsfällen – ein und ermöglichten eine leichtere Identifikation mit den verschiedenen Intentionen der Beteiligten.

Kurzes Zwischenfazit

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Die Bandbreite der in der Bonner Republik verwendeten Begrifflichkeiten, um Transparenz zu umschreiben, war groß und ebenfalls mit verschiedenen Intentionen verbunden. Während positiv konnotierte Begriffe meist genutzt wurden, um die Ausschussarbeiten zu rechtfertigen oder gar zu loben, dienten die negativ konnotierten vor allem der Kritik, aber auch der Verteidigung der Ausschüsse. Die Begriffe, die als Synonyme von Transparenz zu verstehen sind, waren in der Bonner Republik in der Regel alle positiv konnotiert. Transparenz wurde als ein wichtiges Mittel zur Bekämpfung von Korruption und zur Herstellung von Klarheit und Sauberkeit verstanden, was die politischen Debatten dieser Zeit auszeichnete. Lediglich »Öffentlichkeit« als Adressatin von Transparenz hatte eine zweischneidige Bedeutung. Obgleich der Begriff »Transparenz« ab den 1960er Jahren teilweise in den politischen Diskurs eingeführt wurde, setzte er sich gegen diese Vielzahl an Vokabeln noch nicht durch. Die verschiedenen Begrifflichkeiten, die in allen politischen Systemen genutzt wurden, um Transparenz auszudrücken, vermochten es, viel mehr auszudrücken, als es der moderne Transparenzbegriff zulässt. Allein durch die Verwendung unterschiedlicher Begriffe konnten meist die Intentionen der Beteiligten, die Einstellung gegenüber Transparenz und auch die Adressatinnen möglicher Transparenz herausgelesen werden. Es konnte hierdurch viel klarer definiert werden, was für eine Art von Transparenz erwartet bzw. erwünscht war und wie die Beteiligten diese wahrnahmen. Durch die Verwendung des Begriffes »Transparenz« – zunehmend ab den 1970er Jahren – wurden alle diese Vorstellungen unter einen Terminus gefasst, was schließlich zu einer sehr ungenauen Verwendung führte. Jede bzw. jeder kann Transparenz fordern, da alle etwas anderes darunter verstehen. »Transparenz« wurde spätestens ab den 1980er Jahren zu einem ständig genutzten,1176 in gewisser Weise inhaltslosen oder auch inhaltsüberfüllten Begriff, dessen genaue Bedeutung unklar ist.1177 Zuletzt stellt sich nun noch die Frage, wie eigentlich versucht wurde, Transparenz zu erzeugen (oder zu verhindern). Dafür betrachtet das letzte Kapitel, welche Mittel den Untersuchungsausschüssen der Weimarer und der Bonner Republik zur Verfügung standen, um Transparenz zu schaffen, und wie diese genutzt wurden. Es geht dabei nicht darum, zu analysieren, ob sie tatsächlich Transparenz schafften, sondern viel eher darum, wie sie versuchten oder verhinderten, transparent zu arbeiten.

1176 Siehe hierzu: Mainka, Martin: »In Bonn ist Transparenz angesagt«. Die Flick-Affäre und die Durchsetzung eines neuen Politikideals, 1975–1987. Frankfurt; New York, vrstl. 2023 (noch unveröffentlicht). 1177 Baume, Sandrine: Transparency in public affairs. The rise of a successful political metaphor. In: Stefan Berger, Susanne Fengler, Dimitrij Owetschkin und Julia Sittmann (Hg.): Cultures of Transparency. Between Promise and Peril. New York, 2021, S. 17–29, S. 29.

6.

Ein Transparenzinstrument? Die Mittel zur Herstellung von Transparenz in den Ausschüssen der Weimarer und Bonner Republik

Im Folgenden werden die Mittel zur Herstellung von Transparenz näher analysiert. Es wird davon ausgegangen, dass die Untersuchungsausschüsse selbst eigene Mittel besaßen, um Informationen zugänglich zu machen und somit einen gewissen Grad an Transparenz zu gewähren. Vorrangig erzeugten andere – wie z. B. die Presse – Transparenz. Zunächst wird die Diskussion über die Frage der Öffentlichkeit der Verhandlungen und ihren Ausschluss näher betrachtet. Anschließend werden anhand der Debatten und anhand der praktischen Umsetzung die verschiedenen Mittel zur Herstellung von Transparenz untersucht. Hierfür werden alle zuvor analysierten Untersuchungsausschüsse diachron betrachtet.

6.1

Die öffentlichen Verhandlungen und der Ausschluss der Öffentlichkeit

In der Weimarer Republik waren sich alle Parteien darin einig, dass die Sitzungen der Untersuchungsausschüsse in der Regel öffentlich stattfinden sollten. Dies war durch die Verfassung festgeschrieben worden. So entfachte keine größere Diskussion über die Frage der Öffentlichkeit in den Ausschüssen. Vielmehr fühlten sich die Ausschussmitglieder gegenüber der Bevölkerung verpflichtet, die »doch von dem Untersuchungsausschuß etwas hören will«.1178 Die KPD sprach sich – vor allem im Fall Barmat – sogar für eine vollständige Öffentlichkeit der Sitzungen aus und forderte einen proletarischen Untersuchungsausschuss.1179 Andere Parteien wiederum, wie zum Beispiel die SPD, argumentierten im Fall Barmat damit, dass es sich bei den Untersuchungsausschüssen gar nicht um ein Instrument zur Schaffung von Transparenz gegenüber der Bevölkerung handele.

1178 Redebeitrag Wilhelm Brun, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56557 M, Bl. 4. 1179 Urantrag Pieck usw. auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nr. 83.

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Ein Transparenzinstrument? Die Mittel zur Herstellung von Transparenz

Die öffentlichen Verhandlungen seien vielmehr ein »Privileg«.1180 Der Ausschuss sei lediglich ein Instrument des Parlaments, gegenüber dem er zu Transparenz verpflichtet sei. Die Ausschussmitglieder waren sich allerdings darüber einig, dass öffentlich verhandelt werden müsse, egal ob der Ausschuss Transparenz gegenüber den Parlamenten oder der Bevölkerung schaffen sollte. Nur bei beratenden Sitzungen und in dringenden Fällen sollten nicht öffentliche Sitzungen stattfinden. Hierbei handelte es sich unter anderem um Geheimnisse, die gewahrt werden mussten, wie zum Beispiel bei »Gefährdung der Staatssicherheit oder der öffentlichen Sittlichkeit«,1181 sowie das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis. Eine weitere Diskussion kam bei der Frage auf, ob »Ausschluss der Öffentlichkeit« nur Ausschluss der Presse bedeutete oder auch die außenstehenden Parlaments- und Regierungsmitglieder betraf.1182 Größere Debatten zu dieser Frage finden sich im Fall Sklarek kaum wieder. Diskussionen entbrannten lediglich in konkreten Situationen, in denen die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden sollte.1183 Den beiden analysierten Untersuchungsausschüssen der Bonner Republik wurden ebenfalls bereits vom Grundgesetz vorgeschrieben, dass ihre Verhandlungen weitestgehend öffentlich stattfinden mussten. Die Öffentlichkeit sollte dabei der Minderheit die Möglichkeit gewähren, ihre Meinungen und Ansichten vor der Bevölkerung vorzutragen, die im Bericht eventuell nicht beachtet würden.1184 Auch in diesen beiden Ausschüssen wurde stets mit der besonderen Rolle der Öffentlichkeit für die Untersuchungsausschüsse argumentiert, da die Bevölkerung ein Anrecht auf einen Zugang zu Informationen habe.1185 Der SPDPolitiker Heinz Kühn sprach sogar davon, es solle »transparent und rücksichtslos nach allen Seiten« ermittelt werden.1186 Gleichzeitig versuchten die Ausschussmitglieder, »den Eindruck« zu vermeiden, »daß der Ausschuß unter dem Druck der Öffentlichkeit gehandelt hat«.1187 Allerdings hatte der Untersuchungsausschuss nicht nur eine Verpflichtung gegenüber der Bevölkerung. Auch umgekehrt sollte diese die Ausschussarbeiten unterstützen. Dabei wurde ihr vor allem eine wichtige Kontrollfunktion zuge-

1180 Redebeitrag Robert Leinert, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 5, 04. 07. 1925, S. 3233. 1181 GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56557 M, Bl. 253. 1182 Ibid., Bl. 18. 1183 Redebeitrag Hans Koennecke, in: Sklarek-Ausschuss, Bd. 1, 18. 11. 1929, S. 380f. 1184 Siehe hierzu auch: Verhandlungen des Fünfundvierzigsten Deutschen Juristentages 1964, S. 145. 1185 Redebeitrag Hans Engelhardt, in; Stenographisches Protokoll, 15. 06. 1973, S. 2418. 1186 Zitiert nach: FAZ: SPD-Gremien halten am Beschluß über Radikale fest. 1187 PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 30, S. 7.

Die öffentlichen Verhandlungen und der Ausschluss der Öffentlichkeit

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schrieben.1188 Durch ihre (indirekte) Anwesenheit sollten sich die Ausschussmitglieder eher verpflichtet fühlen, objektiv zu ermitteln und Erkenntnis hervorzubringen. Zudem sollte der Untersuchungsausschuss durch ihre Anwesenheit »möglichst ungehemmt«1189 ermitteln und »unter dem grellen Scheinwerfer der Öffentlichkeit Dinge auf[decken]«.1190 Dass dies nicht immer funktionierte und die Öffentlichkeit häufig für den parteipolitischen Kampf genutzt wurde, wurde bereits in den vorigen Kapiteln gezeigt. Die Anwesenheit einiger Politikerinnen und Politiker bei den Verhandlungen des Ausschusses sorgte im Fall der Hauptstadtfrage wiederholt für Unruhe. An den öffentlichen Verhandlungen durften alle Personen – mit Ausnahme der später noch zu vernehmenden Zeuginnen und Zeugen – teilnehmen und auch bei den nicht öffentlichen Sitzungen durften Regierungsmitglieder in der Regel anwesend sein.1191 Trotzdem kritisierte beispielsweise der Abgeordnete Klaus Arndt, dass in einer Sitzung zwei Beamte aus verschiedenen Bundesministerien während ihrer eigentlichen Arbeitszeit saßen.1192 Der Vorsitzende und andere Abgeordnete sprachen sich ganz deutlich für die Öffentlichkeit der Sitzung aus und betonten damit, dass jede und jeder, auch die Beamtinnen und Beamten in Dienstzeit, an dieser Sitzung teilnehmen könnten. Ein weiteres wichtiges Ereignis, das im Untersuchungsausschuss zur Hauptstadtfrage stattfand, war die Gegenüberstellung des Zeugen Loritz mit einem anderen Zeugen. Nachdem der andere Zeuge nicht zur Gegenüberstellung erschien, wurde überlegt, diese später in seiner Heimatstadt München mit einem verkleinerten Komitee durchzuführen. Diese Idee wurde allerdings abgelehnt, da der Untersuchungsausschuss in breiter Öffentlichkeit tagen sollte.1193 Die Gegenüberstellung wurde daraufhin verschoben. Eine weitere Idee der öffentlichen Verhandlungen war zudem, dass die Zeuginnen und Zeugen durch den Druck der Öffentlichkeit eher bereit seien, auszusagen, da es sonst wirke, als hätten sie etwas zu verheimlichen.1194 Dies funktionierte allerdings nicht immer. So nutzten teilweise die wichtigsten Zeugen und

1188 Redebeitrag Gebhard Seelos, in: Stenographisches Protokoll der Plenardebatte des Deutschen Bundestages am 05. 10. 1950, 1. Wahlperiode, 89. Sitzung, S. 3289. 1189 Redebeitrag Max Solleder, in: Stenographisches Protokoll der Plenardebatte des Deutschen Bundestages am 07. 06. 1951, 1. Wahlperiode, 148. Sitzung, S. 5927. 1190 Ibid., S. 5930. 1191 Verhandlungen des Fünfundvierzigsten Deutschen Juristentages 1964, S. 150ff. 1192 Redebeitrag Klaus Arndt, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 4, S. 92f. 1193 PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 11, S. 1ff. 1194 Redebeitrag Horst Ehmke, in: Stenographisches Protokoll, 26. 10. 1973, S. 3660.

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Ein Transparenzinstrument? Die Mittel zur Herstellung von Transparenz

häufig auch Journalisten das Zeugnisverweigerungsrecht.1195 Während es Wienand teilweise zugestanden wurde, da er bei dem in der Vernehmung fraglichen Punkt in seiner Funktion als Abgeordneter gearbeitet hatte,1196 wurde versucht, den Journalisten diese Möglichkeit zu verweigern. Trotz verschiedener Zwangsmaßnahmen, die der Untersuchungsausschuss in der Bonner Republik besaß, wie zum Beispiel Geldstrafe, Haft oder Beugehaft,1197 blieben einige Personen bei der Verweigerung ihrer Aussage. Grund hierfür war neben der häufig sehr geringen Strafe auch die Tatsache, dass der Untersuchungsausschuss in der Bonner Republik (wie auch in der Weimarer Republik) zwar Zwangsmaßnahmen auferlegen, diese aber nicht durchsetzen konnte. Dafür bedurfte es eines Gerichts, welches offiziell die Zwangsmaßnahmen verhängte.1198 Dieser Aufwand wurde in den Ausschüssen in der Regel vermieden. Gleichzeitig deutete zum Beispiel der Abgeordnete Reddemann an, unter einer Verweigerung der Aussage leide die Glaubwürdigkeit des Zeugen. Dies wurde vom Vorsitzenden allerdings direkt gerügt, da das Zeugnisverweigerungsrecht schließlich ein von der Verfassung festgelegtes Recht sei.1199 Trotzdem lässt sich vermuten, dass die Verweigerung der Aussage in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken konnte, die Person habe etwas zu verheimlichen. Schließlich führten häufig bereits nicht öffentliche Sitzungen zu diesen Vorwürfen. In der Weimarer Republik wiederum kam es selten zu Zwangsmaßnahmen, wobei das Zeugnisverweigerungsrecht hier auch weniger genutzt wurde. Vielmehr versuchten die Beteiligten in den hier untersuchten Fällen eine Aussage zu machen, um ihre Glaubwürdigkeit zu unterstreichen und zu zeigen, dass sie nichts zu verheimlichen hätten. Gleichzeitig sollten auch in der Bonner Republik nicht alle Sitzungen öffentlich sein: »Es gibt Punkte, die sich für die Öffentlichkeit eignen, und solche, die sich nicht eignen.«1200 Neben den bereits vom Grundgesetz festgeschriebenen nicht öffentlichen beratenden Sitzungen gehörten hier besondere Ausnahmen 1195 Für die Hauptstadtaffäre siehe u. a.: Redebeitrag Heinz Matthes, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 9, S. 35. 1196 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 21, Anhang S. 1ff. 1197 PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 5, S. 33. Siehe hierzu auch: Eckart 1964: Das Parlamentarische Untersuchungsverfahren in den ersten drei Legislaturperioden des Deutschen Bundestages, S. 10. 1198 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 2, S. 79; zur Weimarer Republik siehe: Steffani 1960: Die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtags, S. 100. 1199 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 21, S. 11f. 1200 Redebeitrag Fritz Wittmann, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 4, S. 3.

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dazu. Dabei ging es oft um Aspekte, die für die Sicherheit der Bundesrepublik wichtig seien oder für den Schutz einzelner Personen und Informationen. Dazu zählte zum Beispiel die Verlesung des Attestes von Steiner, welches – ohne Inhalt – lediglich in das Protokoll einer nicht öffentlichen Sitzung aufgenommen wurde. Dabei ging es einerseits um den Schutz Steiners und sein Recht auf Geheimhaltung gesundheitlicher Details. Andererseits war aber auch die Sorge groß, ein ärztliches Attest Steiners in einer öffentlichen Sitzung werde als eine Art Ausrede dafür begriffen, warum Steiner nicht weiter öffentlich vernommen wurde .1201 Zudem wurde spätestens ab den 1960er Jahren offiziell argumentiert, dass »der Untersuchungsausschuß bei seinen Arbeiten […] auch einer ruhigen und sachlichen Atmosphäre und also eines Schutzes gegen die Öffentlichkeit [bedarf]«.1202 So sollte die Arbeit vor »agitatorischem Mißbrauch« geschützt werden und die Mitglieder sollten in der Lage sein, »ohne ständige Rücksicht auf die Haltung der eigenen Fraktion« zu arbeiten.1203 Einen weiteren wichtigen, wenn auch komplizierteren Zugang zu Informationen stellten die im Untersuchungsausschuss behandelten behördlichen Akten und Dokumente dar. In der Weimarer Verfassung und dem Grundgesetz wurde festgelegt, dass Behörden verpflichtet seien, Untersuchungsausschüssen Auskünfte und Dokumente zu übergeben, wenn diese dies forderten.1204 Das funktionierte jedoch insbesondere in der Weimarer Republik nicht immer, denn häufig waren die Untersuchungsausschüsse in der Rangfolge hinter anderen (gerichtlichen) Verfahren angesiedelt und erhielten Informationen verspätet.1205 In der Weimarer Republik war ein direkter Zugang zu Informationen aus diesen Dokumenten für die Bevölkerung auch dann nicht möglich, wenn der Ausschuss die Dokumente erhalten hatte. Meist wurde zunächst in einer nicht öffentlichen Sitzung beschlossen, ob diese Dokumente öffentlich vorgetragen werden konnten. Grund hierfür war vor allem der Schutz wichtiger Informationen, wie zum Beispiel Akten des Polizeipräsidiums,1206 oder der Schutz vor Verleumdungen.1207 Dennoch kam der Untersuchungsausschuss in der Regel in den Besitz dieser 1201 Redebeitrag Hans-Jürgen Wischnewski, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 80, S. 48. 1202 Verhandlungen des Fünfundvierzigsten Deutschen Juristentages 1964, S. 145. 1203 Ibid. 1204 Es sei denn, die Herausgabe dieser Dokumente gefährde das »Staatswohl«. Siehe hierzu: Olschewski, Andreas: Verweigerung der Herausgabe von Akten an parlamentarische Untersuchungsausschüsse aus Gründen des Staatswohls. In: Ulrich Bachmann und HansPeter Schneider (Hg.): Zwischen Aufklärung und politischem Kampf. Aktuelle Probleme des parlamentarischen Untersuchungsrechts. Baden-Baden, 1988, S. 67–88. 1205 Redebeitrag Eugen Leidig, in: Sklarek-Ausschuss, Bd. 1, 29. 10. 1929, S. 4. 1206 GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56558 M, Bl. 373a. 1207 Redebeitrag Alwin Saenger, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56557 M, Bl. 11.

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Dokumente und obgleich sie nicht immer öffentlich vorgetragen wurden, wurde ihr Inhalt doch in die weitere Arbeit des Ausschusses integriert. Allein dadurch wurde eine – wenn auch beschränkte – Zugänglichmachung von diesen Informationen ermöglicht. In der Bonner Republik wurden Beweismittel, wie wichtige Akten und Dokumente, in der Regel öffentlich eingesehen,1208 es sei denn, diese wurden zuvor als streng vertraulich gekennzeichnet. Zudem wurden in den öffentlichen Sitzungen hochrangige Personen, wie die Mitglieder verschiedener Ministerien, vor den Augen der Öffentlichkeit vernommen.1209 Die öffentlichen Verhandlungen erlaubten demnach einen direkten Zugang zu Informationen und entsprechend eine direkte Schaffung von Transparenz. Nach Heald handelte es sich somit um eine »Prozess-Transparenz« in Echtzeit. Gleichzeitig wurde in der Studie bereits verschiedentlich angeführt, dass diese Möglichkeit nur von wenigen genutzt wurde. Die meisten Personen, die nicht irgendwie an dem Fall oder dem Untersuchungsausschuss beteiligt waren, erhielten Zugang zu Informationen nur indirekt durch die Öffentlichkeit der Sitzungen: nämlich durch die Presseberichterstattung. So war es hauptsächlich die Presse, die von diesem Zugang profitierte und die wiederum die Bevölkerung über die Geschehnisse informierte. Gleichzeitig werden die Grenzen von Transparenz deutlich: Obgleich bei regulären Verhandlungen des Ausschusses die Bevölkerung und die Presse nur mit besonderen Begründungen und der Erlaubnis einer Zweidrittelmehrheit ausgeschlossen werden konnten, waren nicht alle Sitzungen öffentlich. Somit fand hier eine Beschränkung des direkten Zugangs zu Informationen statt. Dennoch versuchten die Ausschüsse auch viele nicht öffentliche Sitzungen weitestgehend zugänglich zu machen, wie im Folgenden gezeigt wird. Bevor darauf näher eingegangen wird, werden zunächst die verschiedenen Grade von Öffentlichkeit untersucht: Denn in der Realität gab es mehr als nur öffentliche und nicht öffentliche Sitzungen.

6.1.1 Grade von Öffentlichkeit In der Praxis der Untersuchungsausschüsse der Weimarer Republik lassen sich verschiedene Grade bzw. Stufen von Öffentlichkeit feststellen. So bedeutete eine öffentliche Sitzung nicht per se volle Transparenz. Genauso wenig wurde durch

1208 PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 24, S. 40. 1209 Redebeitrag Alwin Saenger, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56557 M, Bl. 8.; PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 14, S. 8ff.

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eine nicht öffentliche Sitzung erreicht, die Bevölkerung in völliger Unkenntnis zu lassen. Zunächst gab es die öffentlichen Sitzungen. An diesen Sitzungen durften in der Regel alle Personen teilnehmen, die dies wünschten. Meist handelte es sich dabei allerdings um Parlaments- und Regierungsmitglieder, die Presse oder Personen, die selbst irgendwie in den Fall verwickelt waren. Außenstehende nahmen eher selten an öffentlichen Sitzungen teil.1210 Es gab allerdings noch eine andere – nicht offizielle – Form der öffentlichen Sitzungen. Diese waren theoretisch jeder Person zugänglich. Allerdings spielte hier die Tatsache, dass hauptsächlich zuvor Genannte im Publikum saßen, eine entscheidendere Rolle. So konnte der Ausschuss die Presse oder die anderen Zuhörenden bitten, einige Informationen nicht zu veröffentlichen, wie es mehrfach im Untersuchungsausschuss zum Fall Sklarek geschah.1211 Die nächste Stufe waren die nicht öffentlichen Sitzungen. Von diesen Sitzungen wurden die Presse sowie alle anderen Zuhörenden ausgeschlossen. Zugang zu den Sitzungen und theoretisch zu den Informationen hatten somit nur die Beteiligten am Ausschuss sowie die weiteren Parlaments- und Regierungsmitglieder. Obgleich diese Sitzungen theoretisch den Zugang zu Informationen eindämmten, geschah dies in der Praxis eher nicht. So hatten die Beteiligten häufig ein Interesse daran, Informationen öffentlich zu machen. Daher wurden diese Informationen regelmäßig an die Presse weitergegeben, die diese dann veröffentlichte und somit zugänglich machte.1212 Hierbei spielte der Umstand eine Rolle, dass die Parlamentsmitglieder häufig selbst für Zeitungen arbeiteten. Als Parlamentsmitglieder standen sie unter »Immunitätsschutz und [konnten] strafrechtlich nicht belangt werden«.1213 Diese Tatsache war den Ausschussmitgliedern bewusst bzw. es schien gar nicht verboten, diese Informationen nach außen zu geben.1214 Bei diesen drei Formen gab es also immer eine »relative Öffentlichkeit der Ausschußverhandlungen«.1215 Eine vertrauliche oder geheime Sitzung stellte die letzte Stufe der Öffentlichkeit dar. Es handelte sich um eine nicht öffentliche Sitzung, in welcher einige Informationen als vertraulich eingestuft wurden und somit nicht weitergegeben werden durften. Hier erhielt die Bevölkerung daher keinerlei Zugang. Dies 1210 Siehe u. a.: Vorwärts: Der Barmat-Ausschuß in Moabit; FAZ: Schöner als Bauerntheater. Am Tegernsee kein allzu großes Interesse für Steiner, o. A. (12. 07. 1973). 1211 GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56557 M, Bl. 19. 1212 Siehe u. a.: Vorwärts: Die Sklarek-Untersuchung. Deutschnationale und Kommunisten wollten Stadtrat Gäbel schonen!; Vorwärts: Immer noch Sklarek-Untersuchung. Wie lange noch?; Redebeitrag Hans Koennecke, in: Sklarek-Ausschuss, Bd. 1, 18. 11. 1929, S. 380f. 1213 Steffani 1960: Die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtags, S. 97. 1214 Redebeitrag Erich Kuttner, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56559 M, Bl. 204. 1215 Steffani 1960: Die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtags, S. 97f.

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funktionierte jedoch nicht immer. Während einige Informationen tatsächlich nicht an die Presse gelangten,1216 wurden andere nur kurze Zeit nach der Verhandlung von der Presse verbreitet.1217 Die vertraulichen Sitzungen finden sich vor allem im Fall Barmat. Alle anderen Grade der Öffentlichkeit kamen aber auch im Untersuchungsausschuss zum Fall Sklarek vor, obgleich sie hier häufig nicht so deutlich definiert wurden. In den untersuchten Fällen der Bonner Republik lassen sich insgesamt drei Grade von Öffentlichkeit feststellen.1218 Verfassungsrechtlich wurde auch hier lediglich zwischen öffentlichen und nicht öffentlichen Sitzungen unterschieden. In der Praxis gab es – wie die hier untersuchten Fälle zeigen – zudem noch vertrauliche Sitzungen. In diesen Sitzungen durften in der Regel nur die Ausschussmitglieder oder »zumindest ein[…] engere[r] Kreis von Teilnehmern als bei der nicht-öffentlichen Sitzung« teilnehmen.1219 Zudem wurden die Teilnehmenden zu Verschwiegenheit verpflichtet.1220 Anders als in der Weimarer Republik gab es in den hier untersuchten Fällen keine öffentlichen Sitzungen, in denen die Presse um Verschwiegenheit gebeten wurde. In der Bonner Republik konnte die Presse theoretisch sogar zu nicht öffentlichen Sitzungen zugelassen werden, was in den beiden analysierten Fällen allerdings nie geschah.1221

6.1.2 Die Rundfunkübertragung der Vernehmung Steiners Im Fall Sklarek kam es zum Versuch, einen Teil einer regulären öffentlichen Ausschusssitzung über den Rundfunk zu übertragen. Dadurch sollte der Zugang zu Informationen erweitert und unabhängig vom Tagungsort ermöglicht werden. Da dieser Versuch bereits in einem anderen Kapitel untersucht wurde, wird hier nicht näher drauf eingegangen.1222 Allerdings kam es auch in der Bonner Republik zur Rundfunkübertragung einer Ausschusssitzung. Steiners Gesundheitszustand wurde durch ein ärztliches Attest als kritisch angesehen, weswegen er nicht vor dem Untersuchungsausschuss vernommen werden sollte. Einige Ausschussmitglieder kritisierten jedoch, dass Steiner zwar in der Lage gewesen sei, mit der Presse und dem Fernsehen zu sprechen, nicht aber vor dem Untersuchungsausschuss auszusagen. Vogel bemerkte dazu: »Ich glaube, das ist das 1216 Redebeitrag Zeuge Meyer, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56557, Bl. 29. 1217 Redebeitrag Alwin Saenger, in: Ibid., Bl. 24. 1218 Siehe hierzu auch: Kipke 1985: Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 57. 1219 Verhandlungen des Fünfundvierzigsten Deutschen Juristentages 1964, S. 147. 1220 Ibid. 1221 Ibid., S. 149. 1222 Siehe hierzu Kapitel 3.3.5, S. 139ff.

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äußere Bild, das entsteht und den Eindruck erweckt, daß man mit dem Untersuchungsausschuß sein Spiel treibe.«1223 Es stand daher fest, dass Steiner auf jeden Fall eine Aussage vor dem Untersuchungsausschuss machen müsse. Die Ausschussmitglieder einigten sich jedoch darauf, ihn nicht an den üblichen Örtlichkeiten zu vernehmen, sondern an seinem Aufenthaltsort am Tegernsee. Dabei sollten nur die Ausschussmitglieder anwesend sein. Gleichzeitig war es wichtig, diese Befragung öffentlich vorzunehmen und somit der Bevölkerung einen Zugang zu der Vernehmung zu gewähren. Eine ähnliche Situation kam – wie bereits in einem anderen Kapitel vorgestellt1224 – auch im Fall Barmat vor. Während im Fall Barmat eine ausführliche Protokollierung beschlossen wurde, die nicht ausreichend funktionierte und später heftig kritisiert wurde, entschied sich der Ausschuss bei der Vernehmung Steiners für einen direkteren Zugang zu der Sitzung: Diese sollte per Rundfunk übertragen werden. In der Nähe des Vernehmungsortes wurde daher ein Café zur Verfügung gestellt, in welchem die Sitzung übertragen wurde und alle Interessierten an dieser teilhaben konnten. Vogel erklärte hierzu zunächst: Wir müssen dann auch überlegen, wie die Öffentlichkeit am Tegernsee sichergestellt werden kann. Nur wenn es anders nicht geht, müssen wir mit einer begrenzten Öffentlichkeit oder notfalls ohne Öffentlichkeit auskommen. Ich hielte es für eine schlechte Sache, wenn wir ausgerechnet Herrn Steiner nicht in einer öffentlichen Sitzung vernehmen könnten. […] Mir ist lieber, wir warten eine Woche länger und vernehmen ihn dann in einer öffentlichen Sitzung, als ihn nächste Woche im Krankenzimmer und nur in Gegenwart von Mitgliedern dieses Ausschusses – ohne Öffentlichkeit – zu vernehmen.1225

Der Zugang der Bevölkerung und der Presse zu dieser Sitzung, und sei es auch nur in Teilen, war für ihn unabdingbar. Insbesondere die Bedeutung des Zeugen Steiners für diese Ermittlungen bestärkte die Forderung. Ähnlich argumentierte der Abgeordnete Reddemann. Dieser betonte, die Sitzung dürfe keinesfalls nicht öffentlich stattfinden, damit nicht der Eindruck entstehe, »daß [der Ausschuss] mit Herrn Steiner hinter verschlossenen Sanatoriumstüren rede[t] und hinterher der Öffentlichkeit nur mitteil[t], was er gesagt hat«.1226 Lieber würde auch er die Vernehmung noch einige Wochen herauszögern, als diesen Eindruck zu erwecken. Der Abgeordnete Sieglerschmidt forderte eine reguläre öffentliche Sitzung.

1223 Redebeitrag Friedrich Vogel, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 103, S. 6. 1224 Siehe hierzu Kapitel 3.2.5, S. 103ff. 1225 Redebeitrag Friedrich Vogel, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 103, S. 20. 1226 Redebeitrag Gerhard Reddemann, in: Ibid., S. 21.

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Ein Transparenzinstrument? Die Mittel zur Herstellung von Transparenz

Nicht nur das Gesagte sei wichtig, sondern auch die Reaktionen des Zeugen, die sich nur bei der eigenen Anwesenheit wirklich beobachten ließen.1227 Die Ausschussmitglieder einigten sich schließlich dennoch darauf, den Zeugen an seinem Aufenthaltsort zu vernehmen, da er attestiert noch nicht reisefähig war. Außenstehende wurden zu dieser Befragung nicht direkt zugelassen, sollte aber einen Zugang durch die Direktübertragung erhalten. Zudem einigten sich die Ausschussmitglieder darauf, die Zeugenaussage auf Tonband aufzunehmen und diese anschließend vor der Presse und möglicherweise auch im Amtsgericht abzuspielen.1228 Hiervon durfte aber keine Aufnahme gemacht werden, da dies auch in gewöhnlichen öffentlichen Verhandlungen nicht erlaubt war.1229 Diese Vereinbarungen wurden in der folgenden öffentlichen Sitzung der Presse direkt vorgetragen und erklärt, dass damit »dem bestehenden Informationsbedürfnis am besten Rechnung [ge]tragen [werden] könne«.1230 Die Direktübertragung fand schließlich nicht im geplanten Raum der Bayern-Versicherung statt, sondern im Schloßcafé in der Nähe des Vernehmungsortes und in einem Saal im Bundeshaus.1231 Die Direktion der Bayern-Versicherung hatte die Übertragung in einem ihrer Räume verboten, da sie »mit dem Skandal nicht zu tun haben [wollte]«.1232 Im Schloßcafé standen 200 Sitzplätze zur Verfügung, die insbesondere von der Presse genutzt werden konnten.1233 Zudem sollten die Pressefotografinnen und -fotografen sowie das Fernsehen Gelegenheit erhalten, Aufnahmen von dem Verhandlungsraum in Tegernsee anzufertigen.1234 In einem Vermerk zu der Vernehmung wurde abschließend festgehalten, dass diese bei der Übertragung »mit wenigen Ausnahmen gut verständlich [war]« und dass »ständig ca. 50 bis 80 Zuhörer anwesend [waren]«.1235 Die 200 Plätze wurden

1227 Redebeitrag Hellmut Sieglerschmidt, in: Ibid., S. 23. 1228 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 10, S. 4ff. 1229 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 12, S. 3. 1230 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 11, S. 3. 1231 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 13, S. 3. 1232 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 102, Vermerk. Betr.: Öffentlichkeit der Zeugenvernehmung des Herrn Steiner, S. 2. 1233 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 11, S. 56f. 1234 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 13, S. 5. 1235 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 102, Vermerk: Betr.: Übertragung der 8. bis 10. Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses in den Raum 1903 NH.

Die öffentlichen Verhandlungen und der Ausschluss der Öffentlichkeit

273

demnach nicht vollständig ausgenutzt, was auch die Presse später betonte. Die FAZ erklärte: Obwohl Hochsaison war, hielt sich das Interesse der Urlauber an der in der Tegernseer Heimatgeschichte einmaligen Veranstaltung durchaus in Grenzen. Jeder der Steiners schwäbisches Organ hören wollte, fand einen Sitzplatz im Schloßcafé.1236

Die Bevölkerung nahm dieses Angebot kaum wahr. Trotzdem schien diese Methode den Zweck zu erfüllen, die nötige Transparenz herzustellen, und es kamen keine Beschwerden auf, die dem Ausschuss Vertuschung unterstellten. Die einzigen Vorwürfe in diese Richtung, die sich entdecken lassen, waren, dass zukünftige Zeuginnen und Zeugen des Untersuchungsausschusses durch diese Übertragung die Möglichkeit hatten, an der Sitzung teilzunehmen und die Aussagen Steiners genau zu verfolgen. Die FAZ berichtete von einem besonders kuriosen Vorfall: Die Tatsache, daß Schülcke [sic!], dessen Zeugenvernehmung in der Steiner-Affäre noch nicht abgeschlossen sei, ›maskiert‹ den Übertragungen der Vernehmungen beigewohnt habe, müsse vor dem Ausschuß erörtert werden, schrieb Wischnewski, der dem Ausschuß angehört. Journalisten hatten Schülcke [sic!] im Schloßcafé entdeckt; Schülcke [sic!] war mit einer schulterlangen Lockenperücke ›getarnt‹.1237

Der Spiegel schrieb sogar ein Jahr später noch über diesen Vorfall. In einem Artikel, der sich den Fehlern des baden-württembergischen Verfassungsschutzes widmete, beschrieb und verurteilte er die Situation, in welcher der Verfassungsschutzbeamte Fritz-Jochen Schülke im Auftrag seines Chefs Lahnstein die Arbeit des Ausschusses »observieren« sollte. Dieses Vorgehen hatte jedoch Konsequenzen und Lahnstein musste seinen Posten aufgeben.1238 Die Vernehmung Steiners und die damit verbundene Rundfunkübertragung zeigen, dass das Gebot der Öffentlichkeit weiterhin für den Untersuchungsausschuss bestand. Ähnlich wie bereits im Fall Barmat spielte aber auch die Gesundheit der Zeugen eine wichtige Rolle, die unter keinen Umständen unnötig gefährdet werden durfte. Der Untersuchungsausschuss versuchte daher, diese beiden Aspekte miteinander zu verbinden und die direkte Transparenz bei der Vernehmung einzuschränken, ohne sie vollständig auszuschließen. Im Fall Steiner zeigt sich der Versuch, »Realtime-« und »Prozess-Transparenz« bei einer – anders als bei der Rundfunkübertragung im Fall Sklarek – eigentlich nicht öffentlichen Sitzung durch die Rundfunkübertragung zu erzeugen. Im Falle Barmat wurde vielmehr auf eine Transparenz im Nachhinein gesetzt. Dabei 1236 FAZ: Schöner als Bauerntheater. 1237 FAZ: Ausschuß soll über Schülcke beraten. Beamter des Verfassungsschutzes »getarnt« im Schloßcafé am Tergensee, o. A. (17. 07. 1973). 1238 Der Spiegel: Dinge im Suff, 40 (30. 09. 1974).

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Ein Transparenzinstrument? Die Mittel zur Herstellung von Transparenz

sollten allerdings nicht nur die Ergebnisse transparent gemacht werden, sondern anhand einer genauen Protokollierung auch die Prozesse. Während es im Falle Steiner weitestgehend funktionierte, überzeugte das Vorgehen im Fall Barmat keineswegs.

6.1.3 Die Ortsbesichtigung im Fall Steiner-Wienand unter Aufrechterhaltung der Öffentlichkeit Des Weiteren kam es im Fall Steiner-Wienand im Untersuchungsausschuss zu einer Ortsbesichtigung außerhalb der üblichen Räumlichkeiten. Steiner hatte behauptet, in Wienands Büro gewesen zu sein, um hier das Geld entgegenzunehmen. Dieser sowie seine Sekretärin bestritten diese Tatsache allerdings. Daher forderte der Untersuchungsausschuss eine Ortsbesichtigung, in welcher Steiner zunächst das zu besichtigende Zimmer beschreiben sollte. Danach sollte überprüft werden, ob die Aussagen Steiners plausibel klangen und theoretisch – trotz eventueller Verschiebung der Möbel – überhaupt möglich waren. Der Abgeordnete Klein hatte sogar gefordert, die Ortsbesichtigung direkt durchzuführen, damit sie spontan sei und Steiner sich nicht auf sie vorbereiten könne. Dies wurde abgelehnt und – unter anderem weil der Vorsitzende krank war – auf den nächsten Tag verschoben. Später kam insbesondere bei der Presse in diesem Zusammenhang das Gerücht auf, Steiner habe die Ortsbesichtigung tags zuvor »geprobt«,1239 was dieser allerdings bestritt. Bei der Ortsbesichtigung kam der Ausschuss schließlich zu dem Schluss, dass Steiners Beschreibungen von Wienands Büro nicht mit der Realität übereinstimmten.1240 Diese Ortsbesichtigung konnte aufgrund der Platzbeschränkung nicht im Ausmaß einer öffentlichen Verhandlung stattfinden. Der Untersuchungsausschuss protokollierte die Besichtigung daher genau, damit im Nachhinein alles Geschehene und Gesagte genau nachvollzogen werden konnte.1241 Zudem gestattete er Journalistinnen und Journalisten an dieser Ortsbesichtigung teilzunehmen, obgleich auch hier nicht alle Platz fanden.1242 Den Pressefotografinnen und -fotografen war es jedoch – wie in den öffentlichen Ausschusssitzungen – nicht erlaubt, beliebig Fotos zu machen. Dies durften sie nur zu bestimmten Zeitpunkten. Nachdem einige dies trotzdem versuchten, wurde ihnen mit dem

1239 Redebeitrag Friedrich Vogel, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 45, S. 156. 1240 Deutscher Bundestag: Bericht des Untersuchungsausschusses, Drucksache Nr. 1803, S. 40f. 1241 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 45, S. 156ff. 1242 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: Ibid., S. 156.

Die Protokolle

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Ausschluss von der Sitzung gedroht.1243 Die genaue Protokollierung sowie das Zulassen der Presse bei dieser Ortsbesichtigung betonten die Absicht, die Öffentlichkeit aufrechtzuerhalten, obgleich dies zunächst nicht möglich erschien. Es konnte zwar kein direkter Zugang zu der Sitzung für die Bevölkerung ermöglicht werden, die Zugänglichmachung von Informationen durch die Presse sollte aber aufrechterhalten bleiben. Ein Protokoll allein reichte hier ebenfalls nicht aus und die Presse sollte als eine Art Kontrollinstanz anwesend sein. Dabei konnte zwar keine »Realtime-Transparenz« der Prozesse geschaffen werden, aber es sollte mehr als nur eine »Event-Transparenz« im Nachhinein erzeugt werden.

6.2

Die Protokolle

Ein weiteres wichtiges Mittel zur Schaffung von Transparenz waren die stenographischen Ausschussprotokolle. Durch diese wurde weitestgehend alles Gesagte genau notiert und dementsprechend nachvollziehbar gemacht. So wurde bereits relativ früh in den Verhandlungen des Untersuchungsausschusses des Reichstags im Barmat-Fall festgelegt, es seien stenographische Protokolle über die Verhandlungen zu führen.1244 Diese sollten als ein Mittel der Nachvollziehbarkeit und der Transparenz dienen. Letzteres waren sie allerdings nur indirekt. Der Zugang zu den Protokollen war eigentlich nur den Ausschuss- und Parlamentsmitgliedern gestattet. Gleichzeitig war es in der Regel nicht verboten, diese Informationen weiterzugeben. So wurden die Protokolle immer wieder an die Presse weitergegeben, welche sie in Teilen für ihre Berichterstattung nutzte oder sogar direkt abdruckte. Die Transparenz, die die Protokolle schafften, war zunächst einmal also eine Transparenz gegenüber dem Rest des Parlaments. Nur zweitrangig erschien dabei die Zugänglichmachung von Informationen für die Bevölkerung. Zusätzlich dienten diese Protokolle als ein Mittel zur Nachvollziehbarkeit der einzelnen Sitzungen. So wurden sie in verschiedenen Sitzungen genutzt, um sich auf Inhalte voriger Sitzungen zu stützen.1245 Inwiefern die Ausschussmitglieder diese Protokolle wirklich durchlasen, wurde allerdings schon zu dieser Zeit in Frage gestellt.1246 Gleichzeitig ermöglichten sie eine Zugänglichmachung von Informationen über die einzelnen Verhandlungen für die Gerichtsverhandlungen oder andere Untersuchungsausschüsse, wie im Fall

1243 1244 1245 1246

Ibid., S. 157. GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56557 M, Bl. 1. Redebeitrag Alwin Saenger, in: Ibid., Bl. 10. Redebeitrag Wolfgang Bartels, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, Bd. 5, 12. 11. 1925, S. 6397.

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Ein Transparenzinstrument? Die Mittel zur Herstellung von Transparenz

Barmat.1247 Für die heutige Nachvollziehbarkeit der Verhandlungen der Untersuchungsausschüsse spielen die Protokolle noch immer die wichtigste Rolle. Im Fall Sklarek waren die gedruckten Protokolle bereits vollständig etabliert. Sie waren nicht mehr wegzudenken und das Protokollieren der einzelnen Sitzungen schien unerlässlich, auch wenn Schwierigkeiten aufkamen, wie zum Beispiel ein Mangel an Stenographen.1248 Es stand außer Frage, dass weiterhin protokolliert werden musste. Anders sah dies noch beim Barmat-Fall aus. Es musste erst einmal darüber debattiert werden, ob das stenographische Protokollieren überhaupt notwendig war. Die Notwendigkeit dieser Protokolle wurde allerdings schnell akzeptiert. Daraufhin kam es im Untersuchungsausschuss des Preußischen Landtags im Fall Barmat noch zu einer Debatte darüber, ob die stenographischen Protokolle gedruckt werden sollten. Während Gegnerinnen und Gegner des Vorgehens mit finanziellen Aspekten und der Dauer des Drucks argumentierten,1249 nutzten die Befürwortende das Argument der Transparenz. Sie erklärten, die Öffentlichkeit habe ein Interesse an den Informationen und somit einen Anspruch auf den Druck der Protokolle.1250 Für die Presse sei es ebenfalls wichtig, um möglicher falscher Berichterstattung vorzubeugen. Zudem sei ein Druck für die Zeit nach den Ausschüssen wichtig. Die Presse berichte häufig falsche Tatsachen und wenn sich die Nachwelt nur auf die Presseberichte verlasse, führe das zu einer Verzerrung der Arbeit der Ausschüsse. Die Nachvollziehbarkeit der Arbeit der Ausschüsse sei nur durch den Druck der Protokolle gewährleistet.1251 Problematisch ist für die Forschung jedoch, dass es zu den nicht öffentlichen Sitzungen der Weimarer Republik häufig keinerlei Protokolle (mehr) gibt und diese also – vor allem aus heutiger Sicht – nicht mehr nachvollziehbar sind. Ein Grund hierfür lässt sich in den Quellen nicht finden. Wie bereits zur Zeit der Weimarer Republik wurden auch in der Bonner Republik Protokolle über die Ausschussverhandlungen angefertigt. Während sich in den Unterlagen der Untersuchungsausschüsse Weimars in der Regel lediglich die Protokolle der öffentlichen Sitzungen wiederfinden ließen, waren bei den beiden hier analysierten Fällen der Bonner Republik auch die Protokolle der nicht öffentlichen Sitzungen vorhanden. Die Ausschüsse fertigten letztendlich drei Protokolle an: die Wortprotokolle der öffentlichen Sitzungen, die Wortprotokolle der nicht öffentlichen Sitzungen und die Ergebnisprotokolle der nicht öffentlichen Sitzungen. Grund hierfür war, dass die Wortprotokolle der 1247 Redebeitrag Alwin Saenger, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56557 M, Bl. 11. 1248 Vorwärts: Anschuldigungen gegen Böß. Vernehmung im Untersuchungsausschuß, 559 (29. 11. 1929). 1249 Redebeitrag Hermann Schülling, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56558 M, Bl. 390. 1250 Ibid. 1251 Redebeitrag Heinrich Waentig, in: Ibid., Bl. 375.

Die Protokolle

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nicht öffentlichen Sitzungen ausschließlich für die Ausschussmitglieder gedacht waren und nicht an andere Personen weitergegeben werden sollten. Ausnahmen bildeten andere Bundestagsabgeordnete, die die Protokolle einsehen durften. Der stellvertretende Vorsitzende des Steiner-Wienand-Ausschusses Vogel erklärte dazu: »Die Fraktionsführungen bekommen die Protokolle doch so und so […]. Wir sollten also kein Mitglied des Ausschusses in irgendwelche persönliche Schwierigkeiten bringen, sondern dies offiziell vom Ausschuß her beschließen.«1252 Gleichzeitig äußerte der Abgeordnete Reddemann seine Bedenken. Er sorgte sich, es könne der Eindruck entstehen, die nicht öffentlichen Verhandlungen seien gar nicht geheim, sondern nur die Bevölkerung und die Presse würden ausgeschlossen. Letztendlich würden sich die Parlamentsmitglieder aber gegenseitig informieren und somit die Zeugenbefragungen beeinflussen.1253 Trotz dieser Bedenken durften die Protokolle der nicht öffentlichen Sitzungen an die Fraktionsvorsitzenden weitergegeben werden. Damit die Bevölkerung trotzdem über die nicht öffentlichen Verhandlungen unterrichtet wurde, wurden noch Ergebnisprotokolle angefertigt, die von Außenstehenden wie der Presse eingesehen werden konnten. Die restlichen Protokolle und Drucksachen sollten nur an die Ausschussmitglieder sowie ihre Stellvertretenden und an die Fraktionsvorsitzenden weitergeleitet werden. Grund hierfür war, dass nicht zu viele Protokolle im Umlauf sein sollten. Da Bundestagsabgeordnete und Fraktionsvorsitzende sowieso Zugang zu den Sitzungen der Untersuchungsausschüsse hatten, sollten diese im Fall Steiner-Wienand auch ein Anrecht auf die Protokolle haben. Gleichzeitig mussten die Protokolle genau gekennzeichnet werden. Damit sollte verhindert werden, dass diese an die Presse weitergegeben wurden, da so im Zweifel genau nachvollzogen werden konnte, wer diese an die Presse gegeben hatte. Die Protokolle der öffentlichen Sitzungen konnten von Außenstehenden auf Antrag und mit Begründung und der Erlaubnis des Vorsitzenden eingesehen werden.1254 Trotzdem gelang es Zeugen und der Presse immer wieder, an Informationen aus den Protokollen zu gelangen. So bewies der Zeuge Aigner in einer Sitzung, dass er die Protokolle des Untersuchungsausschusses besaß. Woher er diese erhalten hatte, verschwieg er jedoch mit Berufung auf sein Redaktionsgeheimnis.1255 Auch eine größere Diskussion um die Frage, ob er überhaupt ein Recht auf eine Zeugnisverweigerung habe, brachte kein Ergebnis in dieser Frage. In der Untersuchung zur Hauptstadtfrage gestand der Ausschuss der Presse zu, Einsicht in die Protokolle in der Pressestelle des Untersuchungsausschusses 1252 Redebeitrag Friedrich Vogel, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 2, S. 32. 1253 Redebeitrag Gerhard Reddemann, in: Ibid., S. 34. 1254 Ibid., S. 34f. 1255 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 72, S. 154.

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Ein Transparenzinstrument? Die Mittel zur Herstellung von Transparenz

zu nehmen. Er bat sogar darum, damit die Presse nicht voreilig und falschverstandene Nachrichten verbreite.1256 Ein interessantes Beispiel zum Thema Protokollierung findet sich im Fall Steiner Wienand. Im Untersuchungsausschuss wurde beschlossen, dass es eine Reihenfolge der Wortmeldungen geben sollte. Neben den Vorsitzenden und den Berichterstattern sollte von der Mehrheit und der Minderheit jeweils eine »Wortliste« geführt werden, »und dann sollte abwechselnd einer darankommen«.1257 Diese Absprache führte zu einer Diskussion im Untersuchungsausschuss. Einige Mitglieder fürchteten, dass durch diese Absprache ein »falscher Eindruck« entstehen könnte, und plädierten daher dafür, diese Absprache einfach aus dem Protokoll zu streichen.1258 Der Abgeordnete Reddemann wiederum sprach sich dafür aus, diese Passage keinesfalls zu streichen. Erstens sei eine derartige Übereinkunft »kein Verbrechen«.1259 Zweitens würde – falls es bekannt würde – durch eine Streichung dieser Information aus dem Protokoll viel eher der Eindruck erweckt, »man versuche, etwas zu vertuschen«.1260 Daher einigten sich letztendlich die Mitglieder darauf, diese Passage im Protokoll der nicht öffentlichen Sitzung zu belassen, sie aber öffentlich nicht explizit anzusprechen. Dieses Beispiel zeigt, dass der Untersuchungsausschuss nicht unbedingt so transparent war, wie er sich darstellte. Es gab nicht nur keinen direkten Zugriff der Bevölkerung und der Presse auf die Wortprotokolle der nicht öffentlichen Sitzungen, sondern es bestand sogar das Risiko, dass einzelne Dinge gar nicht erst in die Protokolle aufgenommen wurden. Dies lässt sich auch zu anderen Zeitpunkten während der Ausschussverhandlungen feststellen. Immer wieder tauchen Lücken1261 bzw. unvollständige Protokolle auf.1262 Dabei handelte es sich allerdings in der Regel um Schwierigkeiten beim Stenographieren und nicht um Absicht.1263 Andere Dinge, wie Teile der Diskussion um die Frage, ob Schäfer bei der Vernehmung des Zeugen Baeuchles den Vorsitz an Vogel abgeben sollte, wurden ganz bewusst nicht ausführlich stenographiert, wie es in dem Protokoll der nicht öffentlichen Sitzung vermerkt wurde.1264 Gleichzeitig dienten die ver1256 PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 7, S. 12f. 1257 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 19, Erster Anhang, S. 7. 1258 Redebeitrag Hans-Jürgen Wischnewski, in: Ibid., S. 9. 1259 Redebeitrag Gerhard Reddemann, in: Ibid., S. 9. 1260 Ibid. 1261 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 43. S. 337ff. 1262 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 51, S. 52. 1263 Ibid., S. 54. 1264 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 58, S. 53ff.

Die Protokolle

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schiedenen Ausschussmitglieder als Korrektiv, sodass mögliche Lücken oder fehlende Aussagen meist nachträglich aufgenommen wurden. Dies war auch für den stellvertretenden Vorsitzenden Vogel besonders wichtig. Dieser hielt die Vollständigkeit der Protokolle für unabdingbar. Eine wichtige Grenze von Transparenz war allerdings, dass es zu sogenannten »geheimen Sitzungen« keinerlei Protokolle gab, um den Schutz der besprochenen Informationen zu garantieren.1265 Es wurde außerdem kritisiert, dass selbst die Ausschussmitglieder meist lange auf die Protokolle warten mussten und eine Nachvollziehbarkeit des Gesagten daher häufig schwerfiel. Dies lasse sich, so Schäfer, allerdings kaum vermeiden, da der Druck der Protokolle lange Zeit in Anspruch nehme.1266 Zudem waren Protokolle – auch bereits in der Weimarer Republik – nie eine genaue Wiedergabe der Verhandlungen. Zum einen wurde in ihnen vor allem das Gesagte und weniger die Handlungen wiedergegeben. Zum anderen konnten die Protokolle vor der Veröffentlichung von den einzelnen Ausschussmitgliedern überarbeitet werden. Sie durften inhaltlich zwar nicht verändert werden, sprachlich aber sehr wohl.1267 Es stellte sich zudem die Frage, wie mit den Protokollen nach den Verhandlungen des Untersuchungsausschusses umgegangen werden sollte. In der Zeit der Weimarer Republik finden sich hierzu keine näheren Hinweise. Während sie nach den Verhandlungen des Ausschusses zur Hauptstadtfrage weiterhin zunächst nur für die bereits genannten Personen zugänglich waren, versuchte der Steiner-Wienand-Ausschuss mehr Transparenz zu schaffen. Zunächst wurden sie acht Tage vor und nach der Besprechung im Plenum öffentlich ausgelegt. Dabei sollten sie aber nur der Presse sowie Politikerinnen und Politkern zugänglich gemacht werden. Grund hierfür war nicht, dass die Bevölkerung nicht informiert werden sollte. Vielmehr fürchtete der Vorsitzende, diese könnte durch die vielen Informationen überfordert werden.1268 Hierbei klingt ein Argument an, dass auch heute noch häufig gegen vollständige Transparenz angeführt wird: Die Idee, dass zu viele Informationen überfordernd wirken und somit eher zu Unklarheit als zu Transparenz führen könnten.1269 Danach wurde festgelegt, dass die Protokolle der öffentlichen Verhandlungen von jeder Person, die das wünsche, auf Anfrage eingesehen werden konnten. Anders sah dies mit den Verhand1265 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 84, S. 7. 1266 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 66, S. 101. 1267 Redebeitrag Eugen Leidig, in: GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56558 M, Bl. 375; siehe auch: Fischer 1994: Parlamentsdebatten, S. 644. 1268 Redebeitrag Detlef Kleinert, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 90, S. 14. 1269 Siehe u. a.: August 2018: Theorie und Praxis der Transparenz, S. 141.

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lungen der nicht öffentlichen Sitzungen aus. Diese durften nur von den Mitgliedern des Bundestages, der Bundesverwaltung und der Bundesregierung eingesehen werden. Aber auch Gerichte und andere öffentliche Behörden durften sie nach dem Ende der parlamentarischen Beratungen über diesen Ausschuss betrachten. Andere Personen und Institutionen sollten diese und die Sitzungsniederschriften erst nach Ablauf der Wahlperiode und auf Anfrage sehen dürfen.1270 Ein besonderes Beispiel war in diesem Rahmen die Anfrage eines Doktoranden, der die Protokolle des Steiner-Wienand-Ausschusses für seine Dissertation verwenden wollte. Vor dem Hintergrund dieser Anfrage entstand in einer nicht öffentlichen Sitzung eine Diskussion darüber, ob die Protokolle – und insbesondere die Protokolle der nicht öffentlichen Sitzungen – für wissenschaftliche Zwecke zugänglich gemacht werden sollten.1271 Der Untersuchungsausschuss sprach sich dafür aus, die Protokolle der nicht öffentlichen Sitzungen nicht herauszugeben, vor allem in diesem konkreten Fall nicht, während der Untersuchungsausschuss noch tagte, da »dies den Charakter dieser Sitzungen veränder[e]«.1272 Zudem bestand die Sorge, die Anfrage für eine wissenschaftliche Arbeit könnte nur als »Deckmantel« genutzt werden, um an die Protokolle der nicht öffentlichen Sitzungen heranzukommen und zu polemisieren.1273 Später sollten die Protokolle der öffentlichen Sitzungen für alle, also auch für Privatpersonen auf Anfrage, zugänglich gemacht werden. Bei den nicht öffentlichen Sitzungen wollte der Untersuchungsausschuss unterscheiden: Einerseits gab es die Dokumente der geheimen Sitzungen, die auf keinen Fall zugänglich gemacht werden sollten. Andererseits gab es die nicht öffentlichen Sitzungen, die sich eher mit Verfahrensabläufen und Ähnlichem beschäftigten. Diese sollten bei einer begründeten Anfrage zugänglich gemacht werden dürfen.1274 Einige Ausschussmitglieder wiederum plädierten dafür, dass auch die Protokolle aller nicht öffentlichen Sitzungen auf Anfrage einsehbar sein sollten, damit sich um diese nicht »anschließend eine dicke Polemik herumrankt«.1275 Die Überlegung war daraufhin, die Protokolle erst dann zugänglich zu machen, wenn die Ausschussarbeiten endgültig abgeschlossen waren. Begründet wurde dies dadurch, dass Beteiligte in geheimen Sitzungen anders agieren würden. Sie seien viel eher 1270 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 98, S. 58f. 1271 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 94, S. 27ff. 1272 Redebeitrag Burkhard Hirsch, in: Ibid., S. 29. 1273 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: Ibid., S. 30. 1274 Redebeitrag Wolfgang Schäuble, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 94, S. 30f. 1275 Redebeitrag Dietrich Sperling, in: Ibid., S. 31.

Die Protokolle

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dazu bereit, Kompromisse einzugehen, als wenn sie von der Öffentlichkeit beobachtet würden und diese die Beteiligten dann verurteilen könnte. Die Veröffentlichung der Protokolle der nicht öffentlichen Sitzungen erschwere die Zusammenarbeit also im Zweifel; ein Argument, welches im Verlauf dieser Arbeit schon mehrfach angeklungen ist. Eine weitere Kritik an der Zugänglichmachung der Protokolle der nicht öffentlichen Sitzungen war die Sorge vor der Behinderung der Arbeit zukünftiger Untersuchungsausschüsse. Durch die Veröffentlichung würde diese erschwert werden. Denn auch hier wären Beteiligte im Zweifel weniger dazu bereit, zusammenzuarbeiten, wenn sie wüssten, dass ihre Aussagen und Entscheidung kurz darauf öffentlich zugänglich gemacht würden.1276 Der Untersuchungsausschuss entschied bei dieser Diskussion, es solle sich informiert werden, wie andere Ausschüsse dies zuvor gehandhabt hätten. Außerdem sollte eine Karenzzeit von drei bis fünf Jahren angegeben und über ein zukünftiges Gesetz beraten werden.1277 Mittlerweile werden die Protokolle der Untersuchungsausschüsse der Öffentlichkeit auf Anfrage im Parlamentsarchiv in Berlin zugänglich gemacht. Bei heutigen Untersuchungsausschüssen entscheiden diese das Vorgehen selbst. In der Regel werden die öffentlichen Protokolle nach der Verhandlung des Untersuchungsausschusses für alle zugänglich gemacht. Die Protokolle nicht öffentlicher Sitzungen dürfen nach § 73 Abs. 3 GO-BT nur auf Anfrage und mit einem begründeten Interesse eingesehen werden. Die Protokolle vertraulicher Sitzungen »werden nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages behandelt«.1278 Die Protokolle stellen also einerseits eine »Prozess-Transparenz« im Nachhinein dar. Andererseits repräsentieren insbesondere die kurzen Ergebnisprotokolle eher eine nachträgliche »Event-Transparenz«. Der Bericht hatte eine ähnliche Funktion wie die Protokolle. Er verkündete zunächst die Entscheidungen der jeweiligen Untersuchungsausschüsse. Gleichzeitig gab er einen Überblick über die einzelnen Verhandlungen, Debatten und vor allem versuchte er, die Entscheidungen nachvollziehbar zu machen. Die Berichte richteten sich vornehmlich an das Parlament. Dieses sollte daraufhin anhand der Informationen im Bericht sowie durch die Unterstützung der Berichterstatter über die Ergebnisse der Ausschüsse entscheiden und im besten Fall Konsequenzen daraus ziehen. Er schaffte also hauptsächlich »Event-« und 1276 Redebeitrag Detlef Kleinert, in: Ibid., S. 35f. 1277 Ibid., S. 38f. 1278 Siehe hierzu z. B.: Deutscher Bundestag: Beschlussempfehlung und Bericht des 1. Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes, Drucksache 12850, 18. Wahlperiode, S. 206. URL: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/128/1812850.pdf [28. 02. 2023]; Zur Geheimschutzordnung siehe: Deutscher Bundestag: Anlage 3 – Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages. URL: https://www.bundestag.de/parlament/a ufgaben/rechtsgrundlagen/go_btg/anlage3-245182 [28. 02. 2023].

282

Ein Transparenzinstrument? Die Mittel zur Herstellung von Transparenz

»Retrospect-Transparenz«. Bedingt durch das Abstimmungsverfahren spiegelte er dabei – außer im Fall Steiner-Wienand – allerdings vor allem die Meinung der Mehrheit wider.

6.3

Die Medien als Vermittler zwischen Ausschuss und Öffentlichkeit

Bereits in den vorangegangenen Unterkapiteln wurde die Presse immer wieder erwähnt. Obgleich die Ausschussverhandlungen öffentlich waren und auch die Informationen in den Protokollen weitergegeben werden konnten, wäre es ohne die Presse schwierig, von Transparenz zu sprechen. Nahezu alle Zeitungen berichteten intensiv von den Untersuchungsausschüssen in den beiden hier betrachteten Fällen der Weimarer Republik.1279 Die Presse diente als eine Vermittlerin, die die Informationen der Untersuchungsausschüsse an die Bevölkerung weitergab. Gleichzeitig gab sie wichtige Impulse für die Ausschussarbeit. So geht der Historiker Bernhard Fulda in seinem Buch über das Verhältnis von Presse und Politik in der Weimarer Republik sogar so weit, in Hinblick auf den Barmat-Fall zu sagen: »it was press accusations that set the agenda for the investigation committee [of Prussia]«.1280 Die Presse ermöglichte also eine Zugänglichmachung von Informationen und somit die Schaffung von Transparenz. Dies betraf häufig nicht nur die öffentlichen Sitzungen, sondern sie erhielt auch Informationen aus nicht öffentlichen Sitzungen und war somit in der Lage, diese weiterzuverbreiten.1281 In der dritten Sitzung des Reichstagsausschusses im Falle Barmat setzte der Vorsitzende die Presse sogar indirekt mit der Öffentlichkeit gleich.1282 Im Sklarek-Fall wurde diese Gleichsetzung ebenfalls vorgenommen, als der Berichterstatter sich dafür aussprach, gewisse Informationen nicht an die Presse und somit nicht an die »Öffentlichkeit« gelangen zu lassen.1283 Gleichzeitig wurde der Wunsch geäußert, die Presse »in großen Zügen […] zu informieren«,1284 um dadurch Gerüchten und Falschmeldungen entgegenzuwirken.

1279 Siehe für den Sklarek-Fall auch: Fulda, Bernhard: Die Politik der »Unpolitischen«. Boulevard- und Massenpresse in den zwanziger und dreißiger Jahren. In: Frank Bösch und Norbert Frei (Hg.): Medialisierung und Demokratie im 20. Jahrhundert. Göttingen, 2006, S. 48–72, S. 60. 1280 Fulda 2006: Press and Politics, S. 94. 1281 Rote Fahne: Die Barmat-Entlastungsoffensive der SPD. Vor dem Barmat-Ausschuß des Preußischen Landtags, 216 (19. 09. 1925). 1282 GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56558 M, Bl. 376. 1283 Redebeitrag Hans Koennecke, in: Sklarek-Ausschuss, Bd. 1, 18. 11. 1929, S. 380. 1284 Redebeitrag Gerhard Obuch, in: Ibid., S. 381.

Die Medien als Vermittler zwischen Ausschuss und Öffentlichkeit

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Die Presse war also ohne Zweifel ein wichtiges Mittel zur Herstellung von Transparenz für die Untersuchungsausschüsse der Weimarer Republik. Zeitgleich verursachte die Presse verschiedene Schwierigkeiten. Obgleich immer wieder von »der Öffentlichkeit« gesprochen wurde, gab es keine einheitliche Öffentlichkeit. Dies machte sich insbesondere in der Presse bemerkbar. Die verschiedenen Zeitungen schrieben nicht für ein gemeinsames Publikum, sondern richteten sich an viele verschiedene »Teilöffentlichkeiten«, die in sich nicht homogen waren. So handelte es sich in der Weimarer Republik zumeist um eine Parteienpresse, die sich stark an den Interessen der jeweiligen Parteien orientierte. Dieses Phänomen lässt sich auch anhand der hier behandelten Zeitungen feststellen. So gab die Presse zwar keine falschen Informationen weiter, sie filterte die Informationen aber mit ihren eigenen Intentionen. Sie schaffte also nur teilweise Transparenz und gab – geprägt durch ihre politische Färbung – nur ein vages Bild der Ausschussarbeit. In der Bonner Republik spielte die Presse ebenfalls eine herausragende Rolle. Sie diente vor allem als Vermittlerin zwischen der Bevölkerung und dem Untersuchungsausschuss. Informationen aus den Ausschussverhandlungen wurden durch die Presse an die Bevölkerung weitergeben. Zwar berichtete auch hier die Presse für »Teilöffentlichkeiten«, anders als in der Weimarer Republik war die Presse aber nicht so stark parteipolitisch gefärbt und vermittelte dadurch weniger Inhalte, die zur positiven Hervorhebung einer Partei oder zur Diskreditierung einer anderen genutzt wurden. Vielmehr versuchte sie über die gesamte Arbeit der Ausschüsse zu berichten. Dies war im Interesse der Untersuchungsausschüsse, die versuchten, soweit es möglich war, Informationen an die Presse weiterzugeben und falsche Informationen von der Presse richtigzustellen. Die Ausschüsse der Bonner Republik hatten extra eigene Pressestellen eingerichtet und gaben regelmäßig Pressekonferenzen. Im Fall Steiner-Wienand betonte der Vorsitzende, die Abgeordneten sollten keine »Einzelinformationen« geben, sondern sich gemeinsam in der Pressekonferenz nach jeder Sitzung zu den Verhandlungen äußern.1285 Der Gedanke dahinter war einerseits, der Bevölkerung Informationen über die Untersuchungsausschüsse zugänglich zu machen. Andererseits versuchten die Ausschüsse dadurch zu kontrollieren, welche Informationen an die Öffentlichkeit gelangten.1286 Die Ausschüsse beabsichtigten, nach jeder Sitzung eine Pressekonferenz zu halten, auch wenn noch

1285 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 2, S. 12. 1286 Redebeitrag Johannes Semler, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 7, S. 12f.

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Ein Transparenzinstrument? Die Mittel zur Herstellung von Transparenz

nicht alle Fragen der Sitzung geklärt waren. Dadurch sollten mögliche Spekulationen und der Vorwurf der Verdunkelung vermieden werden.1287 Ausschussmitglieder nutzten die öffentlichen Sitzungen häufig zur Kommentierung und Bewertung von Aussagen, die ihrer Ansicht nach nicht den Tatsachen entsprachen. So auch nachdem ein Zeuge in der Hauptstadtaffäre sich gegenüber der Presse falsch geäußert hatte. Der Vorsitzende sprach von einer »bewußte[n] Irreführung der Öffentlichkeit« und schloss ihn von der restlichen Verhandlung aus.1288 Die Presse berichtete regelmäßig über die Sitzungen des Untersuchungsausschusses, die Vernehmungen und auch die Berichte.1289 Teilweise veröffentlichte sie in der Hauptstadtaffäre sogar Auszüge der stenographischen Protokolle.1290 Grundsätzliche Informationen über nicht öffentliche Sitzungen wurden von der Presse ebenfalls an die Bevölkerung weitergegeben.1291 Beim Untersuchungsausschuss zum Fall Steiner-Wienand standen der Presse die Protokolle der öffentlichen Sitzungen nach seiner Arbeit sogar zur Verfügung.1292 Die Untersuchungsausschüsse versuchten also mit Nachdruck, der Presse und den anderen Medien wie Fernsehen und Rundfunk einen guten, wenn auch teilweise gelenkten Zugang zu Informationen zu gewähren, damit diese die Bevölkerung über die Arbeiten und Ergebnissen der Ausschüsse informieren konnten. Gleichzeitig war es wichtig, falsche Berichterstattung zu korrigieren und mögliche Gerüchte und Verleumdungen in der Presse zu verhindern.1293 Mit dem Fernseh- und Rundfunkjournalismus sollte im Untersuchungsausschuss zum Fall Steiner-Wienand genauso verfahren werden wie mit der Presse. So durften sie bis zum Aufruf der Zeuginnen und Zeugen noch aufnehmen, daraufhin allerdings nur noch mitschreiben. Eine Livesendung der Verfahren der Untersuchungsausschüsse sollte nicht erfolgen.1294 Hier fand eine ähnliche Argumentation wie bei der Rundfunkübertragung im Fall Sklarek statt. Würde das Fernsehen live übertragen, müsste es jede einzelne Sitzung übertragen, damit das 1287 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 84, S. 3ff. 1288 Redebeitrag Johannes Semler, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 7, S. 20. 1289 FAZ: Baumgartner bestätigt Bestechungen. Der Vorsitzende der Bayernpartei vor dem Bonner Untersuchungsausschuß, o. A. (07. 10. 1950); FAZ: Keine Bestechung bei der Wahl für Bonn. Der Bericht des Untersuchungsausschusses/Der Bundestag hat das Wort, o. A. (01. 06. 1951). 1290 Der Spiegel: Spiegel-Ausschuß. Aus den Protokollen, 42 (18. 10. 1950). 1291 Der Spiegel: Steiner-Affäre. Ich war’s nicht; FAZ: Bundesanwalt Buback berichtet dem Steiner-Ausschuß, o. A. (21. 09. 1973). 1292 Redebeitrag Detlef Kleinert, in: Stenographisches Protokoll, 27. 03. 1974, S. 5967. 1293 Siehe hierzu auch: Redebeitrag Dietrich Sperling, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 51, S. 19. 1294 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 2, S. 26f.

Die Medien als Vermittler zwischen Ausschuss und Öffentlichkeit

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Publikum »möglichst unmittelbar Zeuge der Beweiserhebung« sein könnte.1295 Da dies technisch nahezu unmöglich und auch nicht im Interesse des Fernsehens sei,1296 wurde sich darauf geeinigt, die Zeugenaussagen gar nicht filmen zu lassen, um kein einseitiges Bild zu erzeugen.1297 Zudem bringe eine Fernsehübertragung »weitere Probleme der Psychologie hinsichtlich der Zeugenaussagen« mit sich.1298 Was genau damit gemeint war, wurde nicht näher erläutert. Vermutlich handelte es sich einerseits um den möglichen Geltungsdrang einiger Personen. Andererseits wären andere vermutlich durch das Fernsehen eingeschüchtert worden und hätten sich in ihrer Aussage nicht frei gefühlt. Dabei hielt der Untersuchungsausschuss sich an die Vorgehensweisen des letzten Ausschusses zum Paninternational-Flug 1121299 und vor allem an die des Bundestages. Die Presseberichterstattung konnte – selbst wenn sie es gewollt hätte – nicht alles transparent machen. So durften weder Ton-, Film- noch Fotoaufnahmen während der Verhandlung aufgenommen werden. Während die Fotografinnen und Fotografen zu Beginn und nach jeder Verhandlung fotografieren durften, war es während der Zeugenvereidigung zum Beispiel strikt verboten. Bei Verstoß gegen das Foto-Verbot wurden die Filme eingezogen.1300 Dies führte allerdings dazu, dass Reaktionen der verschiedenen Anwesenden des Untersuchungsausschusses meist nicht wahrgenommen werden konnten. Die hier untersuchte Presse vermittelte der Bevölkerung auch keine körperlichen Reaktionen der Anwesenden. Bereits die Einsetzung der Untersuchungsausschüsse war meist indirekt durch die Presse verursacht. So wurde durch die Berichterstattung der Presse aus dem Korruptionsfall ein Korruptionsskandal, welcher öffentlich diskutiert wurde. Dadurch wiederum erhöhte sich der Druck auf das Parlament. Eine der ersten Reaktionen war in der Regel die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. So kritisierte der Abgeordnete Heinz Matthes in der Hauptstadtaffäre, dass der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erst gestellt worden sei, »nachdem die Öffentlichkeit, die Presse darüber berichtet«.1301 1295 Redebeitrag Friedrich Vogel, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 2, S. 28. 1296 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: Ibid., S. 27. 1297 Redebeitrag Friedrich Vogel, in: Ibid., S. 27f. 1298 Redebeitrag Friedrich Vogel, in: Ibid., S. 28. 1299 Siehe hierzu: Deutscher Bundestag: Schriftlicher Bericht des 1. Untersuchungsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes, Drucksache VI/2624, 6. Wahlperiode. URL: https://dserver.bundestag.de/btd/06/038/0603830.pdf [28. 02. 2023]. 1300 PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 7, S. 107. 1301 Redebeitrag Heinz Matthes, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 4, S. 243.

286

Ein Transparenzinstrument? Die Mittel zur Herstellung von Transparenz

Der Untersuchungsausschuss bezog auch in der Bonner Republik Informationen aus der Presse. Dabei ging es teilweise nur um falsche Äußerungen oder Vorwürfe in der Presse, die er richtigstellen wollte.1302 Der Ausschuss zum Fall Steiner-Wienand allerdings orientierte sich zum Beispiel an der Berichterstattung, um das Verfahren im Interesse der Bevölkerung zu führen bzw. um auf die Bedürfnisse der Öffentlichkeit nach Aufklärung in gewissen Punkten zu reagieren.1303 Gleichzeitig bestand die Sorge, dass der Untersuchungsausschuss sich zu sehr durch die Presseberichterstattung leiten bzw. sogar »von außen her jagen« lasse, was auf jeden Fall verhindert werden müsse.1304 Insgesamt scheinen die Konflikte zwischen Presse und Untersuchungsausschüssen in der Bonner Republik – insbesondere ab den 1970er Jahren – größer geworden zu sein. In der Weimarer Republik war es vor allem die Presse, die die Ausschüsse angriff. Umgekehrt kam es nur zu Kritik an falscher Berichterstattung. In der Bonner Republik hingegen kritisierten die Untersuchungsausschüsse das Verhalten der Presse stärker. Dabei ging es nicht zwingend um falsche Berichterstattung, obgleich auch dies weiterhin ein wichtiger Kritikpunkt blieb.1305 Vielmehr prangerten die Ausschussmitglieder zum Beispiel die »unfair[e]« Kritik der Presse an den Untersuchungsausschüssen an.1306 So kritisiere die Presse, dass der Untersuchungsausschuss »nicht auf den Kern der Sache ein[gehe]«, sie selbst erschwere die Arbeit des Ausschusses aber erheblich durch ihre Berufung auf das vermeintliche Redaktionsgeheimnis.1307 In diesem Fall griff der Ausschuss vor allem den Spiegel an, der neben seiner Funktion als Presseorgan in dem Untersuchungsausschuss außerdem als Zeuge fungierte. Die Journalisten, wie zum Beispiel der Zeuge Blome, erklärten dazu, sie könnten in Bezug auf ihre Quellen keine vollständige Transparenz gewähren.1308 Das Vertrauen der Informantinnen und Informanten würde durch die Offenlegung vor dem Untersuchungsausschuss gefährdet. Dadurch würde die gesamte Arbeit der

1302 Redebeitrag Adolf Arndt, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 5, S. 1f. 1303 Redebeitrag Wolfgang Schäuble, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 2, S. 85. 1304 Redebeitrag Friedrich Schäfer, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 51, S. 21. 1305 Redebeitrag Gerhard Schröder, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 10, S. 53. 1306 Redebeitrag Walter Menzel, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 9, S. 5. 1307 Ibid. 1308 Redebeitrag Zeuge Blome, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 11, S. 74f.

Kurzes Zwischenfazit

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Presse und damit auch ihre Funktion als Organ zur Offenlegung von Korruptionsfällen in Gefahr gebracht.1309 Im Steiner-Wienand Ausschuss kritisierte der CDU-Abgeordnete Wittmann außerdem, dass die Pressevertreterinnen und -vertreter gemeinsam mit den Ausschussmitgliedern im Ausschuss sitzen konnten. Er forderte eine viel strengere Trennung, damit verhindert werde, »daß die Pressevertreter Beratungen zwischen den Ausschußmitgliedern verfolgen können«.1310 Die Sorge war, dass die Presse Interna weitergeben könnte. Durch die eher zurückhaltende Berichterstattung der Presse in den 1950er Jahren lässt sich dies in der Hauptstadtaffäre nicht erkennen.

6.4

Kurzes Zwischenfazit

Das Kapitel hat die Mittel vorgestellt, die den Ausschüssen sowohl in der Weimarer als auch in der Bonner Republik zur Verfügung standen, um Transparenz zu erzeugen. Dabei besaßen sie eigene Möglichkeiten, um mittels öffentlicher Sitzungen, Berichterstattung, Rundfunkübertragung oder Protokollen einen direkten Zugang zu oder eine Zugänglichmachung von Informationen zu erzeugen. Zudem diente die Presse als wichtige Vermittlerin, die die Ausschussarbeiten transparenter gestaltete. Während die öffentlichen Sitzungen und die Rundfunkübertragungen zur Herstellung einer »Realtime-Transparenz« der Prozesse dienten, erzeugten die Berichte und die Presseberichterstattung vor allem Transparenz über die Ergebnisse im Nachhinein. Die Protokolle schafften es auch erst im Nachhinein, Informationen transparent zu machen. Sie erzeugten dennoch eine gewisse »Prozess-Transparenz«. Auffällig ist außerdem, dass sich die Mittel zur Herstellung von Transparenz zwischen der Weimarer und der Bonner Republik kaum verändert haben. Prinzipiell blieben es die gleichen Möglichkeiten. Diese wurden ab 1950/51 nur weiter ausgebaut oder intensiver genutzt. Obgleich die Ausschüsse versuchten, möglichst transparent zu arbeiten, verdeutlicht dieses Kapitel abermals die Grenzen von Transparenz. Einige Sitzungen fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt oder wurden für vertraulich erklärt. Während im Fall der Bonner Republik noch Protokolle hierzu verfügbar sind, existieren diese für die Ausschüsse der Weimarer Republik nicht (mehr). 1309 Siehe hierzu u. a. auch: Redebeitrag Zeuge Heizler, in: PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss), Nr. 16, S. 110; Redebeitrag Zeuge Aigner, in: PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 72, S. 150ff. 1310 PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss), Nr. 10, S. 7.

288

Ein Transparenzinstrument? Die Mittel zur Herstellung von Transparenz

Die Protokolle wiederum waren nicht einfach zugänglich und daher auch in ihrer Transparenz eingeschränkt. Volle Transparenz war nicht nur unmöglich, sondern gar nicht erwünscht. Einige Informationen sollten bewusst intransparent bleiben, z. B. um diese Informationen selbst oder Personen zu schützen und die Ermittlungen nicht zu gefährden.

7.

Fazit

Parlamentarische Untersuchungsausschüsse bilden noch heute ein wichtiges Kontrollinstrument des Deutschen Bundestages. Dabei werden sie häufig für die Untersuchung politischer Korruptionsaffären genutzt. Sie sollen dazu dienen, Transparenz zu schaffen und Aufklärung zu bringen. Obgleich sie gerne gefordert und als notwendig erachtet werden, werden sie regelmäßig für ihre angebliche Sinnlosigkeit kritisiert. All diese Aspekte sind allerdings nicht spezifisch für den Bundestag im 21. Jahrhundert. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse existieren in Deutschland seit der Weimarer Republik und werden seitdem von diesen Aspekten begleitet. Sogar ihre Vorgänger im Kaiserreich mussten sich damit schon auseinandersetzen. Die Studie hat ihren Fokus daher auf die Untersuchungsausschüsse bzw. -kommissionen vom Kaiserreich bis in die 1970er Jahre gelegt und den Zusammenhang von Transparenz(-forderungen) und parlamentarischen Untersuchungsausschüssen anhand von sechs Fallbeispielen untersucht. Bereits seit dem Kaiserreich wurde versucht, Korruption mit Transparenz zu bekämpfen. Dabei spielten die Untersuchungsausschüsse bzw. -kommissionen des Parlaments eine bedeutende Rolle. Sie waren zunächst vor allem ein Kontrollinstrument des Parlaments bzw. der parlamentarischen Opposition gegenüber der Regierung. Diese Ausschüsse und Kommissionen sollten durch ihre Ermittlungen Aufklärung schaffen und die Stärke des Parlaments oder gar des gesamten politischen Systems aufzeigen. Dieses sollte sich »selbst reinigen« und die Bevölkerung dadurch nach einem Skandal beruhigt werden. Insbesondere in diesem Zusammenhang kommt Transparenz eine wichtige Bedeutung zu. Die Ermittlungen sollten weitestgehend transparent vor sich gehen. Insbesondere in den demokratischen Systemen ging es darum, die Bevölkerung an den Ermittlungen teilhaben zu lassen. So konnte diese nicht nur beruhigt werden, sondern diente selbst als eine wichtige Kontrollinstanz, die die Ermittlungen überwachte. Zeitgleich spielte das Argument Transparenz in allen hier untersuchten Fällen eine wichtige Rolle, obgleich der Begriff selbst erst ab den 1960er Jahren vereinzelt Verwendung fand. Transparenzforderungen wurden zunächst meist an-

290

Fazit

geführt, um die Einsetzung eines solchen Untersuchungsgremiums zu rechtfertigen. Es ging darum, dass Tatsachen aus den Skandalen und insbesondere die Ermittlungen der Bevölkerung und dem Parlament zugänglich gemacht werden sollten. Im weiteren Verlauf der Untersuchungsausschüsse wurde dieses Argument häufig mit individuellen oder parteipolitischen Intentionen angeführt. Die Bedeutung und die Rolle von Transparenz sowie die Stellung und das Ansehen der Untersuchungsausschüsse unterschieden sich – trotz vieler Gemeinsamkeiten – in den Fallbeispielen der verschiedenen politischen Systeme.

7.1

Transparenz als Forderung und Argument: Vom Kaiserreich (1873) bis zur Bonner Republik (1974)

Im Kaiserreich gab es noch keine parlamentarischen Untersuchungsausschüsse. Nicht einmal das parlamentarische Untersuchungsrecht fand sich in der Verfassung des Reiches wieder. Lediglich einige Länderverfassungen, wie zum Beispiel die Preußens, gestanden dem Parlament das Recht zu, eigene Untersuchungen anzustellen. Wie dies geschehen sollte, war dabei allerdings nicht genauer festgelegt. Die sogenannten Untersuchungskommissionen im Kaiserreich blieben daher viel mehr ein Zugeständnis der Regierung an das Parlament als ein Recht. In dieser Studie wurden zwei Fallbeispiele näher untersucht: Es handelt sich dabei einerseits um die Korruptionsaffäre rund um das Eisenbahnkonzessionswesen und die Person Bethel Henry Strousberg aus dem Jahre 1873, andererseits um die Korruptionsvorwürfe rund um das Krupp-Unternehmen in Zusammenhang mit den sogenannten Kornwalzer-Papieren 1913. Bei beiden Fällen handelte es sich um politische Korruptionsskandale, in denen Privatpersonen aus der Wirtschaft im Verdacht standen, wichtige Politiker zu ihrem eigenen Vorteil bestochen zu haben. Beide Skandale wurden von Parlamentariern im Parlament öffentlich gemacht. In beiden Fällen wurden keine rein parlamentarischen Untersuchungsausschüsse eingesetzt, sondern gemischte Untersuchungskommissionen, die sowohl aus Parlaments- als auch aus Regierungsmitgliedern bestanden. Während das Parlament im Skandal von 1873 noch die Zusammenarbeit mit der Regierung in der Kommission forderte, verlangten die Parlamentsmitglieder 1913 eine rein parlamentarische Untersuchungskommission mit Kompetenzen, die die Befugnisse des Parlaments noch erweitern sollten. Doch dies gelang nicht und auch 1913 behielt die Regierung die Oberhand über die Ermittlungen. Bereits in diesen beiden Fällen wurde über Transparenz gesprochen und diskutiert. Es ging dabei allerdings nur bedingt um eine Transparenz gegenüber der Bevölkerung. Vielmehr sollten die Ermittlungen und insbesondere die Ergebnisse dieser Untersuchungen dem Parlament zugänglich

Transparenz als Forderung und Argument

291

gemacht werden. Es handelte sich also nach den Kategorien Healds vor allem um eine »Retrospect-Transparenz« der Ergebnisse, aber auch teilweise der Prozesse gegenüber dem Parlament. Parallel sollte durch diese Ermittlungen und insbesondere durch die Ergebnisse die Bevölkerung beruhigt und das Ansehen des Kaiserreichs und vor allem seiner Beamten gewahrt werden. Die Untersuchungskommissionen und ihre Transparenz waren in diesem Zusammenhang vor allem eine Möglichkeit des Parlaments, die eigene Macht und die Befugnisse gegenüber der Regierung zu stärken. Die Studie konnte dabei unterstreichen, dass dem Parlament 1873 bereits eine gewisse Stärke zugekommen war, die bis 1913 noch zunahm, denn die Regierung konnte das Parlament in diesen Skandalen nicht übergehen und musste mit ihm zusammenarbeiten. Dennoch blieb das Parlament insgesamt eher schwach, da es nicht in der Lage war, sich gegen die Regierung durchzusetzen. Anhand dieser Fallbeispiele lässt sich also nicht von einer »stillen Parlamentarisierung« sprechen. In der Weimarer Republik wurden rein parlamentarische Untersuchungsausschüsse schließlich das erste Mal in Deutschland in die Verfassung aufgenommen. Eingeführt nach den Ideen des Soziologen Max Weber dienten sie weiterhin als Kontrollinstrument des Parlaments gegenüber der Regierung. Zudem garantierten sie durch das Minderheitenrecht die Regierungskontrolle der Opposition – ein wichtiges Instrument, da die Parlamentsregierung in den meisten Skandalfällen der Weimarer Republik die bedeutendere Rolle einnahm. Die Untersuchungsausschüsse spiegeln hier ebenfalls die Position des Parlaments wider: Es war das führende politische Element der Weimarer Republik und ihm stand das Kontrollrecht zu. Anders als im Kaiserreich waren diese Ausschüsse – mit Ausnahme von beratenden Sitzungen und in besonderen Fällen – verpflichtet, öffentlich zu tagen und somit der Bevölkerung und der Presse einen direkten Zugang zu den Sitzungen zu gewähren. Bei den gesamten Diskussionen um Transparenz handelte es sich also nicht mehr nur um Transparenz gegenüber dem Parlament, sondern und vor allem um Transparenz gegenüber der Bevölkerung. In dieser Arbeit wurden die zwei größten Korruptionsskandale der Weimarer Republik untersucht: der Barmat-Skandal 1925 und der Sklarek-Skandal 1929. Bei beiden Skandalen wurde der Vorwurf erhoben, Privatpersonen aus der Wirtschaft, die der SPD nahestanden, hätten führende Personen des politischen Systems bestochen. In beiden Fällen wurde mindestens ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt, im Fall Barmat insgesamt sogar drei, wobei nur zwei in dieser Arbeit behandelt wurden. In der Weimarer Republik sollten die Untersuchungsausschüsse ebenfalls vor allem dazu dienen, Aufklärung zu schaffen und die Bevölkerung zu beruhigen. Anhängerinnen und Anhänger des Systems argumentierten zudem, Untersuchungsausschüsse seien ein besonders demokratisches Instrument, welches Korruptionsaffären öffentlich statt heim-

292

Fazit

lich verhandle. Sie sollten also der »Selbstreinigung« des politischen Systems dienen. Zudem seien sie ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zum System des Kaiserreichs, in dem genauso viel Korruption vorgekommen, diese aber bewusst vertuscht worden sei. Die Republikanhängerinnen und -anhänger nutzten die Untersuchungsausschüsse also als Gegenargument zu der Behauptung der Republikgegner, die Weimarer Republik sei besonders korrupt. In all diesen Debatten spielte Transparenz als Argument eine besondere und viel größere Rolle als noch im Kaiserreich. Die Transparenz der Untersuchungsausschüsse wurde dabei sowohl positiv als auch negativ hervorgehoben. So lobten insbesondere Republikanhängerinnen und -anhänger, dass die Transparenz der Ausschüsse der Aufklärung diene, da durch sie nichts mehr vertuscht werden könne. Zudem komme den Ausschüssen dadurch eine besondere symbolische Bedeutung für das demokratische System der Weimarer Republik zu, das nicht nur sich selbst reinigen könne, sondern dabei die Bevölkerung miteinbeziehe. Insbesondere die rechten Parteien hoben die negativen Aspekte der Transparenz der Ausschüsse hervor. Obgleich auch diese sich insgesamt für transparente Ermittlungen aussprachen, sahen sie hier einige Gefahren. So werde durch die vermeintlich transparenten Ermittlungen tatsächlich viel mehr vertuscht. Zudem gefährdeten sie das Ansehen einzelner Personen und die Befugnisse der Judikative. Die KPD kritisierte ebenfalls die Arbeit der Untersuchungsausschüsse, forderte aber eher eine noch weitergehende Transparenz: Die Öffentlichkeit der Sitzungen sollte für alle Sitzungen gelten. Die allgemeinen Diskussionen um die Untersuchungsausschüsse wurden im zweiten untersuchten Skandal bereits weitaus weniger intensiv geführt. Die Diskussionen um den konkreten Ausschuss 1929 waren aber weiter existent. Wenngleich auf das Instrument nicht verzichtet wurde, wurde es 1929 zunehmend kritisiert und infrage gestellt. Deutlich wird zudem eine weitere Problematik: In beiden Fällen wurden die Ausschüsse auch als eine Plattform genutzt, um parteipolitische Konflikte auszutragen. In diesen Konflikten wurde das Argument der Transparenz aufgenommen und so ausgelegt, wie es den jeweiligen Agierenden passte. Es wurde dabei meist angeführt, um die eigene Partei oder das politische System lobend hervorzuheben und andere Parteien oder das politische System zu diskreditieren. Gleichzeitig wurden die parteipolitischen Ansichten durch das Agieren vor der Öffentlichkeit des Ausschusses wiederum transparent gemacht. Bemerkenswert ist zudem, dass trotz dieser großen parteipolitischen Konflikte immer wieder versucht wurde, im Untersuchungsausschuss konstruktiv zusammenzuarbeiten. Die Argumentation rund um die Untersuchungsausschüsse und die Forderung nach Transparenz bzw. Transparenz als Argument wurden in der Weimarer Republik vor allem in die parteipolitischen Konflikte integriert und dazu genutzt, sich für oder gegen das politische System auszusprechen. Die Untersuchungsausschüsse dienten in den beiden Fällen vor allem als eine Waffe der antirepublikanischen Parteien, um die

Transparenz als Forderung und Argument

293

republikanischen Parteien und das gesamte System in ein schlechtes Licht zu rücken. Anhand dieser Konflikte zeigt sich zugleich die Schwäche des Parlaments der Weimarer Republik. Durch die vielen Parteien und ihre unterschiedlichen Ansichten sowie den Hass einiger Parteien auf das politische System waren das Parlament und seine Ausschüsse kaum in der Lage, zielgerecht zu arbeiten. Die Untersuchungsausschüsse der hier untersuchten Fälle agierten zunächst einmal also vor allem als ein Instrument, welches genutzt wurde, um parteipolitische Konflikte öffentlich auszutragen. Gleichzeitig wird deutlich, dass gerade mit diesem Instrument und vor allem auch durch diese Konflikte ausgehandelt wurde, was unter Transparenz zu verstehen war. Hierbei unterschieden sich ebenfalls die Ansichten. Sie unterschieden sich einerseits in der Ansicht darüber, was alles transparent gemacht werden sollte. Andererseits herrschte keine Einigkeit darüber, welche Art der Transparenz die Ausschüsse erzielen sollten: »Realtime-«, »Retrospect-«, »Event-« oder »Prozess-Transparenz«? Weitestgehend einig waren sich die meisten, dass die Ausschüsse Transparenz schaffen sollten und dass diese nicht mehr nur gegenüber dem Parlament, sondern und insbesondere gegenüber der Bevölkerung gelten sollte. Insgesamt vermitteln diese Fallbeispiele den Eindruck, dass das Parlament und die Untersuchungsausschüsse hier nicht zur Stärkung des politischen Systems beitragen konnten. Ihre schwachen Ergebnisse und die Anfeindungen gegen dieses Instrument scheinen eher das Misstrauen gegen die Weimarer Republik geschürt zu haben. Dieser Aspekt sollte allerdings noch genauer und anhand weiterer Fallbeispiele untersucht werden. Trotz der Schwierigkeiten in der Weimarer Republik wurden die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse nach einigen Diskussionen 1949 in das Grundgesetz der Bundesrepublik aufgenommen. Hierbei fanden einige Änderungen insbesondere bei der Einsetzung der Ausschüsse statt, um eine zu große Ausnutzung des Instrumentes durch die Parlamentsminderheit zu verhindern. Bei den beiden Fallbeispielen der Bonner Republik handelte es sich erneut um zwei der größten und spektakulärsten Korruptionsfälle in der Zeit zwischen 1950 und 1973: die Hauptstadtaffäre 1950/51 und die Steiner-Wienand-Affäre 1973. In beiden Fällen wurde der Vorwurf laut, politische Persönlichkeiten hätten andere Politiker bestochen, um dadurch einen Vorteil zu erlangen. Diese Vorwürfe wurden jeweils durch das Nachrichtenmagazin Der Spiegel öffentlich. Den Untersuchungsausschüssen kam in der Bonner Republik eine besondere symbolische Bedeutung zu. Die öffentlichen Ermittlungen der Ausschüsse sollten auch hier die Bevölkerung nach einem Skandal beruhigen und die Stärke des politischen Systems hervorheben. Das System sei durch die Ausschüsse in der Lage, sich selbst zu reinigen. Die transparente Arbeit der Ausschüsse schaffe also nicht nur Aufklärung, sondern stärke das politische System und die Akzeptanz in der

294

Fazit

Bevölkerung. Daher dienten die Ausschüsse erneut als ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal gegenüber undemokratischen Systemen wie dem Nationalsozialismus und der DDR. In den untersuchten Fällen wurde Transparenz als Argument ebenfalls häufig verwendet. Es ordnet sich in den politischen Diskurs dieser Zeit ein. Die Arbeit und Transparenz der Ausschüsse waren dabei weitestgehend positiv konnotiert und wurden von allen Beteiligten als notwendig empfunden. Dennoch wurden sie teilweise kritisiert, vor allem, wenn es um die Sorge vor möglichen Verleumdungen ging. Was dabei unter Transparenz verstanden wurde, unterschied sich auch bei diesen Fällen zwischen den verschiedenen Beteiligten. Im Allgemeinen herrschte aber mehr Einigkeit als in der Weimarer Republik. Es ging eindeutig um Transparenz gegenüber der Bevölkerung. Die Prozesse sollten möglichst in Echtzeit transparent gemacht werden. Nur in Ausnahmen sollten Ergebnisse im Nachhinein öffentlich gemacht werden. Die Untersuchungsausschüsse, die Forderungen nach Transparenz und Transparenz als Argument wurden in den beiden Fällen der Bonner Republik also anders genutzt als in der Weimarer Republik. Obwohl hinter ihnen häufig eine ähnliche Idee wie in der Weimarer Republik stand (z. B. Transparenz als Aufklärung und zur Reinigung des politischen Systems), wurden sie in der Regel anders verwendet. Es ging eher darum, das gemeinsame überparteiliche Interesse an Aufklärung und vor allem das Interesse an einem »sauberen« politischen System zu betonen, als die politischen Gegner zu schwächen. Dennoch gab es Unterschiede zwischen den 1950er Jahren und den 1970er Jahren. Obgleich die Sauberkeit des Systems als oberstes Ziel auch im Steiner-Wienand-Fall betont wurde, nahm hier die Ausnutzung der Ausschüsse als politische Waffe zum Angriff auf die politischen Gegner zu. Es wäre dennoch unangemessen, die Ausschüsse insgesamt als eine Waffe der Opposition zu bezeichnen. Anhand der Fälle zeigt sich auch hier die Stärke bzw. Schwäche des Parlaments und des gesamten politischen Systems: Bei der Hauptstadtaffäre lässt sich allgemein das zögerliche Verhalten, parteipolitisch gegeneinander zu agieren, erkennen. Die Parteien waren noch sehr bedacht darauf, ihre Einigkeit in dem Wunsch nach Aufklärung zu demonstrieren und das noch junge System der Bonner Republik keinesfalls zu gefährden. Im zweiten Fall nahmen die politischen Konflikte innerhalb des Ausschusses zwar zu, blieben aber dennoch eher schwach im Vergleich zur Weimarer Republik. Hier sollten weiterhin die Zusammenarbeit und das gemeinsame Interesse an den Ermittlungen demonstriert werden. 1973 nahm gleichzeitig die Kritik an der Arbeit der Untersuchungsausschüsse und ihren nicht zufriedenstellenden Ergebnissen zu. Die Ausschüsse wurden nicht mehr wie 1951 unhinterfragt akzeptiert. Das System war gefestigt genug, um kritisiert zu werden. Dennoch wurde die Notwendigkeit der Ausschüsse weiterhin betont. Es ging viel mehr um Reformen einzelner Aspekte sowie konkretere Richtlinien für die Ausschüsse. Die transparenten Ermittlun-

Transparenz als Forderung und Argument

295

gen der Ausschüsse wurden in den untersuchten Fällen der Bonner Republik nicht als mögliches schwächendes Element wahrgenommen, sondern eindeutig als Stütze des Systems. Anhand der beiden Fälle lassen sich auch die Thesen Herberts und Doering-Manteuffels verifizieren. Während die Gesellschaft in den 1950er Jahren noch eher zurückhaltend gegenüber der Politik war, änderte sich dies mit der sogenannten »Liberalisierung« gegen Ende der 1960er Jahre. Politische Handlungen wurden wieder offen kritisiert. Ähnliches lässt sich außerdem, wie bereits von Hodenberg konstatiert hat, für die Presse feststellen. Aber auch die Ausschuss- und Parlamentsmitglieder versuchten in den frühen Jahren der Bonner Republik noch möglichst wenige Konflikte nach außen zu tragen. Dies änderte sich ebenfalls in den 1970er Jahren, wobei noch immer sehr viele größere Konflikte in nicht öffentlichen Sitzungen stattfanden. Die Studie konnte also die beiden in der Einleitung vorgestellten Thesen bekräftigen: Die Untersuchungsausschüsse dienten nicht nur als Arenen der politischen Auseinandersetzungen, sondern auch als Arenen zur Forderung nach und zur Herstellung von Transparenz. Sie waren ein wichtiger Ort, an dem ausgehandelt wurde, was zu der jeweiligen Zeit unter Transparenz verstanden wurde. Die unterschiedlichen Vorstellungen trafen hier aufeinander und es konnten, fokussiert auf einen Skandal, Transparenzideen öffentlich diskutiert und präsentiert werden. Dabei hat sich gezeigt, dass es keine einheitliche Vorstellung von Transparenz gab. Die Transparenzvorstellungen wandelten sich nicht nur über den hier analysierten Untersuchungszeitraum und die politischen Systeme, sondern unterschieden sich bereits innerhalb der jeweiligen Fallbeispiele. Dabei war die Vorstellung meist abhängig von der politischen Gesinnung oder den Intentionen, die mit den Transparenzforderungen verbunden wurden. In diesem Zusammenhang konnte die Studie zudem herausarbeiten, dass nicht nur bereits vor den 1970er Jahren über Transparenz gesprochen wurde, sondern dass Transparenz ein wichtiges Argument in den politischen Diskursen der untersuchten Fallbeispiele darstellte. Dabei wurde Transparenz bereits in den untersuchten Fällen als ein besonders demokratisches Element wahrgenommen, was vor allem mit demokratischen Systemen verbunden wurde. Das Transparenzargument wurde in die politischen Diskurse dieser Zeit aufgenommen und gliederte sich als Gegenargument zu Korruption besonders gut in die Korruptions- und Skandaldiskurse dieser Zeit ein. Die Studie hat außerdem die Frage gestreift, inwiefern in einem solchen politischen Raum wie den Untersuchungsausschüssen überhaupt objektive Fakten gewonnen werden können. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass dies nicht möglich ist und die Ergebnisse und Befragungen der Ausschüsse immer subjektiv und parteipolitisch genutzt und wahrgenommen wurden. Wie und mit welchen Begriffen bereits vor den 1970er Jahren über Transparenz gesprochen wurde, konnte das Kapitel zu den verschiedenen Transparenzbegriffen herausarbeiten.

296

7.2

Fazit

Transparenzbegriffe

In den hier untersuchten Fallbeispielen kam der Begriff »Transparenz« nur selten vor. Lediglich in den 1960er und 1970er Jahren fiel er vereinzelt, war jedoch noch lange kein so bedeutendes Wort der politischen Sprache, wie es heute der Fall ist. Bis in die 1970er Jahre hatte Transparenz noch nicht ihre politische Bedeutung, sondern wurde nur als Materialeigenschaft definiert, also als etwas Durchsichtiges, etwas, wodurch das Licht scheinen konnte. Dennoch wurde bereits vor dieser Zeit über die Zugänglichmachung von bzw. den Zugang zu Informationen und damit über Transparenz im politischen Diskurs gesprochen, wie die untersuchten Debatten gezeigt haben. Dafür wurden unterschiedliche Wörter genutzt, die fast alle in den verschiedenen Fallbeispielen vorkamen. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Termini rund um »öffentlich« und »Öffentlichkeit«. Hiermit konnte sowohl der direkte Zugang zu Informationen als auch die Adressatin von Transparenz verstanden werden. Zudem wurden alle Ausdrücke im Wortfeld von »Aufklärung« sowie verschiedene Lichtmetaphern regelmäßig angeführt, um Transparenz auszudrücken. Entscheidend waren außerdem die Sauberkeitsmetaphern, die eher das Ergebnis von Transparenz darstellten: Durch transparente Ermittlungen sollte das Parlament bzw. das politische System gereinigt werden. Diese Begriffe waren in der Regel – genau wie Transparenz – positiv konnotiert und wurden angeführt, um den Willen der Beteiligten zu unterstreichen, in den Fällen rücksichtslos und gründlich ermitteln zu wollen. Ausschließlich »Öffentlichkeit« wurde teilweise auch negativ gebraucht, nämlich als Gefahr für die Ermittlungen. Neben diesen der Transparenz sehr ähnlichen Ausdrücken fanden auch gegenteilige Begriffe Verwendung. Insbesondere Wörter wie »Vertuschung« oder »Verschleierung« wurden regelmäßig angeführt. Diese waren negativ konnotiert und es ging bei ihrer Verwendung meist darum, den politischen Gegnerinnen und Gegnern ein mangelndes Interesse an Transparenz zu unterstellen. Teilweise wurden sie allerdings auch genutzt, um die Einsetzung der Untersuchungsausschüsse zu rechtfertigen. Vokabeln wie »geheim« oder »Geheimnis« wurden zwiespältig aufgenommen. Einerseits wurden damit verbundene Praktiken kritisiert, andererseits wurde die Notwendigkeit einiger Geheimnisse unterstrichen. Im Kaiserreich wurden vor allem positiv konnotierte Begriffe verwendet, während die negativen eher genutzt wurden, um die Unzufriedenheit über die gemischten Kommissionen auszudrücken. In der Weimarer Republik wurden beide Wortgruppen ähnlich häufig verwendet, was die verschiedenen Argumentationsmuster und Interessen der jeweilig Beteiligten gut widerspiegelt: Es ging meistens darum, das politische System und andere Parteien zu kritisieren oder das System und die eigene Partei zu loben. In der Bonner Republik wurden ebenfalls beide Begriffsgruppen verwendet. Negativ konnotierte Begriffe dienten

Die Mittel zur Herstellung von Transparenz

297

hierbei aber weniger dem Angriff als vielmehr zur Rechtfertigung der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Die Nutzung der verschiedenen Begrifflichkeiten ermöglichte es dabei, viel mehr auszudrücken und besser die jeweilige Vorstellung von Transparenz zu vermitteln, als das moderne Wort »Transparenz« es vermag. Wie verschiedene Arbeiten über den modernen Transparenzbegriff bereits herausgearbeitet haben, wurde dieser in den letzten Jahrzehnten zu einer Art von hüllenlosem Modewort der Politik, was von nahezu jeder Person verwendet wird, ohne zu verdeutlichen, was diese darunter versteht. Transparenz wird dabei immer positiv aufgenommen und als unbedingt erforderlich dargestellt. Durch die unterschiedlichen Ausdrücke konnten die Intentionen der Nutzenden sowie die unterschiedlichen Adressatinnen und Adressaten von Transparenz deutlicher herausgearbeitet werden. Obgleich auch die mit Transparenz verbundenen Begrifflichkeiten in der Regel positiv konnotiert waren, ermöglichten sie es dennoch auch, Transparenz zu kritisieren. Inwiefern die Untersuchungsausschüsse als Transparenzinstrument agierten und welche Formen von Transparenz gefordert und gefördert wurden, wurde im letzten Kapitel der Studie herausgearbeitet.

7.3

Die Mittel zur Herstellung von Transparenz

Die Studie konnte zeigen, dass die Untersuchungsausschüsse verschiedene Mittel nutzten, um Transparenz herzustellen. Neben eigenen Möglichkeiten zur Herstellung von Transparenz kooperierten sie mit Außenstehenden, wie der Presse, um die Zugänglichmachung von Informationen zu garantieren. Dabei gab es allerdings große Unterschiede zwischen dem Kaiserreich und den beiden analysierten demokratischen Systemen. Die beiden analysierten Untersuchungskommissionen des Kaiserreichs besaßen nicht die Mittel, um einen Zugang zu bzw. eine Zugänglichmachung von Informationen zu erzeugen. Die Sitzungen waren nicht öffentlich und nicht einmal das gesamte Parlament durfte ihnen beiwohnen. Über die Protokollierung lassen sich nur schwer Aussagen treffen. So sollte offiziell protokolliert werden, es finden sich aber nur noch einzelne Protokolle in den Archiven. Es gibt auch keine Aussagen darüber, inwiefern die Protokolle dem Parlament oder gar der Presse zugänglich gemacht wurden. Die Presse berichtete vereinzelt über Sitzungen, teilte hierbei aber eher die Ergebnisse der Sitzungen mit. Die Berichte wurden – falls sie überhaupt besprochen wurden – für ihre Lückenhaftigkeit kritisiert. Wenn die Kommissionen des Kaiserreichs es also überhaupt schafften, eine Art von Transparenz zu erzeugen, so war es eine Ergebnistransparenz im Nachhinein. Diese blieb allerdings eher lückenhaft. Schließlich wurden die Ausschüsse auch nur bedingt als ein Transparenzinstrument wahrgenommen.

298

Fazit

Anders sah dies in der Weimarer und Bonner Republik aus. Die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse waren bereits durch die Verfassung dazu verpflichtet, öffentlich zu tagen. Allein die öffentlichen Sitzungen ermöglichten also einen direkten Zugang zu Informationen, obgleich hier zwischen unterschiedlichen Graden unterschieden werden muss. In den Fällen der Weimarer Republik gab es öffentliche Sitzungen, öffentliche Sitzungen mit Einschränkungen, in denen nicht alles veröffentlicht werden durfte, geheime Sitzungen, in denen Informationen aber weiterhin öffentlich werden konnten, und vertrauliche Sitzungen. In den beiden Fallbeispielen der Bonner Republik kamen ebenfalls die öffentlichen, die nicht öffentlichen und die vertraulichen Sitzungen vor. An den öffentlichen Sitzungen konnte theoretisch jede Person – mit Ausnahme späterer Zeuginnen und Zeugen – teilnehmen. Sie ermöglichten also einen direkten Zugang. Die nicht öffentlichen Sitzungen waren nur den Ausschuss-, Parlaments- und Regierungsmitgliedern vorbehalten. Dabei ging es vor allem um beratende Sitzungen oder solche, in denen eine Gefährdung einzelner Personen oder des gesamten Staates durch die Aussage einer Zeugin bzw. eines Zeugen befürchtet wurde. Neben diesem direkten Zugang zu den Sitzungen wurden sie stenographisch protokolliert. Die Protokolle waren vor allem den Parlamentsmitgliedern zugänglich, diese ermöglichten häufig aber auch der Presse einen Zugang. Die Protokolle durften sprachlich überarbeitet werden und bieten damit keine vollständig authentische Wiedergabe der Sitzungen. Inhaltlich durften sie aber nicht überarbeitet werden und ermöglichen somit zumindest eine Zugänglichmachung der Sitzungen. Für die Transparenz der Ausschüsse spielte die Presse eine besonders herausragende Rolle. Obgleich eigentlich ein direkter Zugang der Bevölkerung zu den Sitzungen geschaffen wurde, nutzte sie diesen nur selten. Daher waren es primär die Presse und andere Medien, die die Informationen der Ausschüsse an die Bevölkerung vermittelten und ihr zugänglich machten. Die Informationen waren meist verkürzt und bezogen sich nur auf das Gesagte, nicht auf das Getane. Zudem spielte insbesondere in der Weimarer Republik die parteipolitische Färbung der Presse noch eine herausragende Rolle, da sie bestimmte, wie und worüber berichtet wurde. Dennoch war die Presse zu allen Zeiten eine wichtige Vermittlerin zwischen Ausschuss und Bevölkerung, die Informationen für die Bevölkerung zugänglich machte und gleichzeitig Informationen an die Ausschüsse weitergab. Die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse der Weimarer und Bonner Republik verfügten also über unterschiedliche Mittel, um sowohl »ProzessTransparenz« in Echtzeit als auch »Ergebnistransparenz« im Nachhinein zu erzeugen. Wie die Fallbeispiele zeigen, nutzten sie diese Mittel auch, um einen Zugang zu bzw. eine Zugänglichmachung von Informationen für die Bevölkerung zu erzeugen. Sogar in Situationen, in denen die Öffentlichkeit der Verhandlungen nur schwer gewahrt werden konnte – wie bei der Vernehmung

Erkenntnisse der Arbeit für die historische Forschung

299

Barmats und Steiners –, versuchten die Ausschüsse, diese aufrechtzuerhalten: mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Sie waren also insbesondere in der eigenen Wahrnehmung und der Wahrnehmung vieler Parlamentsmitglieder ein wichtiges Transparenzinstrument. Die Presse teilte diese Wahrnehmung – je nach parteipolitischer Färbung – weitestgehend, aber nicht uneingeschränkt.

7.4

Erkenntnisse der Arbeit für die historische Forschung

Die Studie hat einen Beitrag zu den einzelnen in der Einleitung vorgestellten Forschungsfeldern geleistet. Dabei konnte sie Ergebnisse früherer Forschungen ergänzen und bestätigen. Zudem hat sie es geschafft, die historische Forschung zu Transparenz mit der historischen Forschung zu Untersuchungsausschüssen zu vereinen. Sie hat damit einen Beitrag zu zwei bis dato eher vernachlässigten Themen der Geschichtswissenschaft geleistet und vor allem den Mehrwert dieser Forschungen und ihrer Kombination aufgezeigt. Die historische Transparenzforschung ist bislang dürftig. Noch immer sind es vor allem die Sozial- und Politikwissenschaften, die sich mit dem Thema Transparenz beschäftigen. Ähnlich sieht es bei der Forschung zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen in Deutschland aus. Hier sind es vor allem die Politik- und Rechtswissenschaften, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Dabei geht es meist um mögliche Reformen und Verbesserungen dieses Gremiums. Die Geschichtswissenschaft – mit wenigen Ausnahmen – streift dieses Thema meist nur und widmet den Untersuchungsausschüssen im Zusammenhang mit der Skandal- und Korruptionsforschung höchstens ein Kapitel. Diese Studie hat die Untersuchungsausschüsse in den Fokus ihrer Analyse gestellt und sie im Zusammenhang mit Transparenz(-forderungen) untersucht. Dabei konnte bestätigt werden, dass bereits vor 1970 in Deutschland Transparenz gefordert und über sie diskutiert wurde, obgleich andere Begriffe verwendet wurden. Die meist positive Konnotation, die mit Transparenz verbunden wird, konnte auch für die Zeit vor 1970 herausgearbeitet werden. Die Wahrnehmung von Transparenz als ein wichtiges Gegenmittel zu Korruption konnte ebenfalls für diesen Zeitraum festgestellt werden. Untersuchungsausschüsse spielten dabei eine ganz besondere Rolle: Sie dienten als Arenen zur Forderung nach und zur Herstellung von Transparenz. Zudem wurde in ihnen anhand eines Skandals debattiert, was unter Transparenz zu verstehen war. Dabei wird deutlich, dass verschiedene Arten, Kategorien und Vorstellungen von Transparenz vorlagen, die gefordert wurden. Es handelte sich also nicht um etwas Universelles, unter dem alle das Gleiche verstanden, wie es das moderne Wort »Transparenz« suggeriert. Vielmehr war die Transparenzvorstellung durch die politische Einstellung und die gewünschten Ziele beeinflusst. Transparenz wird zudem in der

300

Fazit

Forschung als eine besonders demokratische Eigenschaft wahrgenommen. Dies lässt sich auch in den hier untersuchten Fallbeispielen erkennen. Die Anhängerinnen und Anhänger der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse warben besonders mit ihrer Transparenz, nicht nur als Gegenmittel zu Korruption, sondern auch als besonders demokratisches Instrument und Vorgehen, das die Republiken von ihren politischen Vorgängersystemen unterschied. Tatsächlich waren die Untersuchungsausschüsse bzw. Untersuchungskommissionen in nicht-demokratischen Systemen viel schwächer oder gar nicht vorhanden. Im Kaiserreich waren insgesamt auch die Transparenzforderungen, obgleich sie existent waren, schwächer als in den untersuchten demokratischen Systemen. Transparenz wurde im Kaiserreich hinterfragt und Geheimnisse für notwendig erachtet. Die Studie hat außerdem einige in der Transparenzforschung diskutierte Grenzen von Transparenz herausarbeiten und bestätigen können. So haben die verschiedenen Fälle gezeigt, dass nicht alles öffentlich verhandelt werden konnte. Einige Informationen durften aus Gründen des Bank- oder Staatsschutzes nicht in öffentlichen Sitzungen diskutiert werden. Seit der Weimarer Republik wurde zudem angeprangert, die Öffentlichkeit der Verhandlungen könnte die Zusammenarbeit im Ausschuss erschweren. Dies ist eine Kritik, die noch heute häufig in Verbindung mit Transparenz angeführt wird: Personen seien nicht so kompromissbereit, wenn sie unter Beobachtung der Bevölkerung stünden. Sie würden dadurch viel eher an den Vorgaben ihrer Parteien festhalten. Die Fallanalysen haben außerdem deutlich gemacht, dass Transparenz nicht zwingend zu mehr Vertrauen führte – ein noch immer sehr präsenter Ansatzpunkt für Kritik an Transparenz. Der Zugang zu bzw. die Zugänglichmachung von Informationen hat in den Fällen häufig zu mehr Misstrauen und Kritik geführt. Es kam dabei – insbesondere in der Weimarer Republik – der Verdacht auf, es würden nur bestimmte Informationen öffentlich gemacht, während andere vertuscht würden oder mittels vermeintlicher Transparenz bewusst von anderen Informationen abgelenkt werde. Insbesondere das parteipolitische Interesse und die Ausnutzung der Ausschüsse zu diesem Zwecke wurde dabei heftig hinterfragt. Die Debatten um Transparenz gliedern sich somit auch in die jeweiligen Korruptionsdiskurse der Fallbeispiele ein. Wurde über Korruption gesprochen, wurde Transparenz als Gegenmittel zur Bekämpfung von Korruption angeführt. Im Kaiserreich wurde daher insgesamt weniger über Transparenz gesprochen als in den demokratischen Systemen, da Korruptionsskandale hier möglichst klein gehalten werden sollten. Das Kaiserreich sollte als unkorrumpierbar und die wenigen öffentlich gemachten Skandale als Ausnahmefälle dargestellt werden. In diesem Zusammenhang musste auch weniger grundsätzlich über ein Mittel zur Bekämpfung von Korruption gesprochen werden.

Ausblick und Desiderate

301

Die Transparenzforderungen ordnen sich in den Fällen der demokratischen Systeme ebenfalls in die Korruptionsdiskurse dieser Zeiten ein. Ähnlich wie Korruption wurden das Argument Transparenz und die Transparenzforderung insbesondere in der Weimarer Republik sowie teilweise in der Bonner Republik als ein politisches Machtmittel verwendet. Anders als der Vorwurf der Korruption wurden sie in der Regel nicht zum Angriff auf andere Parteien oder das politische System genutzt, sondern vielmehr, um sich selbst positiv darzustellen oder das System zu stützen. Transparenz diente also auch hier als wichtigstes Gegenargument zu Korruption. Zudem wurden die Debatten um Transparenz – wie die Debatten um Korruption – von der Presse aufgenommen, weitervermittelt und öffentlich diskutiert. Die Untersuchungsausschüsse stellen zudem einen wichtigen Aspekt in der Skandalforschung dar, da sie in der Regel im Verlauf eines Korruptionsskandals den Höhepunkt des Interesses repräsentieren. Die Debatten um die Einsetzung der Ausschüsse sind dabei ein sehr aufschlussreiches Forschungsfeld für die Transparenzforschung, da hier das öffentliche Interesse an Transparenz am größten war, wie auch die Fallbeispiele zeigen konnten. Obgleich das Interesse im Verlauf der Verhandlungen nachließ, wurde weiterhin über diese berichtet und die Transparenzforderungen und -debatten gingen auch währenddessen weiter. Zudem dienten Untersuchungskommissionen vor allem im Kaiserreich – ähnlich wie und insbesondere in Verbindung mit Skandalen – als ein wichtiges Mittel zur Stärkung der Parlamente bzw. der Erweiterung ihrer Kompetenzen. Die Arbeit konnte zeigen, dass viele Erkenntnisse aus der modernen Transparenzforschung sich bereits an früheren historischen Fällen beobachten lassen. Dennoch gibt es wichtige Unterschiede und individuelle Eigenschaften, die die historische Transparenzforschung so interessant machen. Die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse stellen dabei ein besonders spannendes Untersuchungsobjekt dar und lassen sich zudem sehr gut in die Korruptions- und Skandalforschung einordnen.

7.5

Ausblick und Desiderate

Die Studie konnte die Sinnhaftigkeit der Kombination der Forschungsfelder zu Transparenz und Untersuchungsausschüssen aufzeigen. Sie konnte aber vor allem verdeutlichen, wie sinnvoll es ist, überhaupt historisch zu diesen Forschungsfeldern zu arbeiten. Untersuchungsausschüsse als wichtige Instrumente zur Bekämpfung von Korruption in Korruptionsskandalen sind ein bedeutender Forschungsgegenstand für die Skandal- und Korruptionsforschung und sollten zukünftig thematisch nicht nur gestreift werden. Die Transparenzforderungen und -debatten in den und um diese Ausschüsse sowie das Instrument selbst

302

Fazit

zeigen außerdem die Kontextabhängigkeit von Transparenz und unterstreichen erneut die Legitimität der historischen Transparenzforschung. Dennoch konnte mit dieser Studie nur ein kleiner Einblick in dieses Forschungsfeld gegeben werden. Es wurden nur einzelne Fallbeispiele untersucht, die auf Deutschland begrenzt blieben. Es wäre daher spannend, weitere Fälle aus den verschiedenen politischen Systemen zu analysieren und auch kleinere, vermeintlich unbedeutendere Fälle näher zu betrachten. Zudem wäre es ergiebig, diese Forschung für andere Länder durchzuführen1311 und vielleicht sogar einen Vergleich anzustreben. Es könnte außerdem vielversprechend sein, zu analysieren, welche weiteren Mittel – abgesehen von den Untersuchungsausschüssen – in der Vergangenheit verwendet wurden, um mithilfe von Transparenz Korruption entgegenzuwirken. Außerdem ließen sich die möglichen Quellen ausweiten: In dieser Arbeit wurden offizielle und amtliche Dokumente genutzt. So wäre es sicherlich auch aufschlussreich, zusätzlich Ego-Dokumente der Beteiligten zu nutzen. Ein weiteres Thema, welches im Rahmen dieser Arbeit nicht näher beleuchtet werden konnte, sicherlich aber ein lohnenswertes Forschungsfeld darstellt, ist die Frage nach der Bewertung von Fakten. In den Debatten in den und über die Untersuchungsausschüsse gab es immer wieder Hinweise darauf, dass Darstellungen, Begebenheiten und Beweismittel von den verschiedenen Beteiligten unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert wurden. Die Untersuchungsausschüsse waren aufgrund der ihnen vorgelegten Aussagen und Beweismittel sowie der Voreingenommenheit der Ausschussmitglieder nicht in der Lage, Fakten objektiv zu ermitteln. Dies wirft die sehr aktuelle Frage auf, inwiefern objektive Fakten im politischen Raum überhaupt existieren oder ob sie nicht immer von der subjektiven Interpretation abhängig sind. Diese Frage ist spätestens seit Donald Trump und seiner Kritik an vermeintlichen »Fake News« sehr präsent und wäre im Zusammenhang mit den Untersuchungsausschüssen daher sicherlich ein spannendes und vielversprechendes Forschungsthema, das in dieser Studie nur kurz angeschnitten wurde und das noch näher zu beleuchten ist. Die Aktualität des Themas dieser Studie wurde erst kürzlich durch die Maskenaffäre wieder deutlich. Die Einsetzung des Ausschusses wurde im Dezember 2021 vom Bayerischen Landtag beschlossen.1312 Die Ähnlichkeit der Argumente zur Einsetzung des Ausschusses im Vergleich zu den hier untersuchten Fällen ist frappant. Es bleibt nun abzuwarten, wie sich dieser Fall und die Debatten im und um den Untersuchungsausschuss entwickeln. 1311 Zu Frankreich arbeitet aktuell Paul Rebière an der Universität in Avignon. 1312 Bayerischer Landtag: Beschluss des Bayerischen Landtags, Drucksache 18/19471, 18. Wahlperiode. URL: https://ua-maske.de/wp-content/uploads/2021/12/0000013846.pdf [28. 02. 2023]. Siehe außerdem die Website zum Ausschuss: Untersuchungsausschuss Maske. URL: https://ua-maske.de/ [28. 02. 2023].

8.

Quellen-und Literaturverzeichnis

8.1

Quellenverzeichnis

8.1.1 Zeitungen Berliner Tagblatt Der Spiegel Der Tag Der Volksstaat Deutsches Tagblatt Frankfurter Allgemeine Zeitung Frankfurter Zeitung Germania Hamburger Nachrichten Hamburger Schriften National-Zeitung Neue Badische Landeszeitung Neue Berliner Zeitung Neue Preußische Zeitung Neue Preußische Kreuz-Zeitung Rote Fahne Volksblatt für Halle und den Saalkreis Volksstimme Vorwärts

8.1.2 Ungedruckte Quellen Archiv der Stiftung Naturschutzgeschichte 1050/IPA-0084 1050/IPA-0090 1420/IPA 2071/IPA

304

Quellen-und Literaturverzeichnis

Bundesarchiv Abteilung Militärarchiv (Freiburg) Bundesarchiv Abteilung Militärarchiv RM 3/9376 Bundesarchiv Abteilung Militärarchiv RM 3/9377 Bundesarchiv Abteilung Militärarchiv RM 3/9378 Bundesarchiv Abteilung Militärarchiv RM 3/9379 Bundesarchiv Abteilung Militärarchiv RM 3/11043

Bundesarchiv Abteilung Reich (Berlin)

Bundesarchiv Abteilung Reich R 101/2903 Bundesarchiv Abteilung Reich R 101/5403

Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz

GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56557 GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56558 GStaPK, HA Rep. 84a Justizministerium, Nr. 56559 GStA PK, I. HA Rep. 90 A Staatsministerium, Nr. 1686

Parlamentsarchiv Deutscher Bundestag

PA-DBT-3305 44. Untersuchungsausschuss der 1. Wahlperiode zur Hauptstadtfrage (Spiegelausschuss) PA-DBT-3318 1. Untersuchungsausschuss der 7. Wahlperiode (Steiner / Wienand-Ausschuss)

8.1.3 Gedruckte Quellen Bericht des Untersuchungsausschusses (16. Ausschuss) zur Untersuchung der Kreditgewährungen der Preußischen Staatsbank an ausländische Konzerne, in: Verhandlungen des Preußischen Landtags, 2. Wahlperiode, 1. Tagung: begonnen am 5. Januar 1925, Bd. 5, Berlin. Bericht des 21. Ausschusses, in: Preußischer Landtag, 3. Wahlperiode, 1. Tagung 1928/31, Berlin, 1931, Nr. 7470 A, B und C, S. 1–2. Bibliographisches Institut: Duden. Bedeutungswörterbuch. Der Grosse Duden, Bd. 10. Mannheim; Zürich, 197016. Deutscher Bundestag: Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Entwurf der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, Abschnitt VI, §22, Drucksache 2550. O. A., 1951. Deutscher Bundestag; Bundesarchiv: Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd. 2: Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee. Boppard, 1981. Deutsche Richterzeitung 17/8 (01. 10. 1925). In: Roland Schmid (Hg.): Deutsche Richterzeitung Jahrgang 1925. Miltenberg a.M., S. 469–516.

Quellenverzeichnis

305

Eckart, Klaus: Das Parlamentarische Untersuchungsverfahren in den ersten drei Legislaturperioden des Deutschen Bundestages. Eine Studie zum parlamentarischen Verhalten und zu dessen Reform. Inaugural- Dissertation. Freudenstadt, 1964. Gutachten des Herrn Rechtsanwalts Dr. Max Alsberg-Berlin. In: Verhandlungen des Vierundreißigsten Deutschen Juristentags (Köln). Berlin; Leipzig, 1926, S. 332–394. Gutachten des Herrn Reichsgerichtsrats Dr. h.c. Werner Rosenberg-Leipzig. In: Verhandlungen des Vierundreißigsten Deutschen Juristentags (Köln). Berlin; Leipzig, 1926, S. 1–29. Kaufhold, Joseph: Der Barmat-Sumpf von Dr. Kaufhold Mitglied des Barmat-Untersuchungsausschusses des preußischen Landtags. Berlin, 1925. Lennartz, Hans-Albert: Die Vorschläge der »Enquête-Kommission Verfassungsreform« zur Verfassungsrevision. Bestandsaufnahme und Kritik. In: Kritische Justiz 1977 (4), S. 412–422. Mülfing, J. Ernst und Schmidt, Alfred C., Reinecke, Otto: Duden, Rechtschreibung der deutschen Sprache und Fremdwörter. Leipzig; Wien, 1918. O. A.: Meyers Konversations-Lexikon. Eine Enzyklopädie des allgemeinen Wissens, Bd. 15. Leipzig, 1878³. Schäfer, Friedrich: Der Bundestag. Eine Darstellung seiner Aufgaben und seiner Arbeitsweisen. Opladen, 1975². Schäfer, Friedrich: Der Untersuchungsausschuß (I). Kampfstätte oder Gericht? In: Zeitschrift für Parlamentsfragen 1974 (5/4), S. 496–502. Schäfer, Friedrich; Vogel, Friedrich: Untersuchungsausschüsse (III): Überforderte Richter in eigener Sache? In: Zeitschrift für Parlamentsfragen 1974 (5/4), S. 509–529. Schmid, Roland: Deutsche Richterzeitung Jahrgang 1925. Der sechste deutsche Richtertag in der Kritik. Miltenberg a.M., o.A, S. 76–80. Schnabel, Eginhard: Der parlamentarische Untersuchungsausschuß. Ein wirksames Kontroll- und Informationsorgan des Parlaments? Tübingen, 1969. Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages: Verhandlungen des fünfundvierzigsten Deutschen Juristentages Karlsruhe. Empfiehlt es sich, Funktion, Struktur und Verfahren der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse grundlegend zu ändern? München; Berlin, 1964. Steffani, Winfried: Der 1. Untersuchungsausschuß des VII. Deutschen Bundestages. Zum Erfahrungsbericht des ›Steiner-Ausschusses‹. In: Zeitschrift für Parlamentsfragen 1974 (5/4), S. 470–472. Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses zu den Formulierungen der Fachausschüsse. Stand vom 10. Nov – 5. Dez. 1948, in: Deutscher Bundestag; Bundesarchiv: Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd. 7: Entwürfe zum Grundgesetz. Boppard, 1981, S. 36–90. Verhandlungen des Preußischen Landtags: Niederschriften über die 1. bis 27. Sitzung des (21.) Untersuchungsausschusses [Sklarek-Ausschuss], Bd.1–2. Berlin, 1931. Verhandlungen des Preußischen Landtags: Sitzungsberichte des Preußischen Landtags, 2. Wahlperiode, 1. Tagung: begonnen am 5. Januar 1925, Bd. 1–5. Berlin, 1926. Verhandlungen des Preußischen Landtags: Sitzungsberichte des Preußischen Landtags, 3. Wahlperiode, 1. Tagung: 1928/31, Bd. 6–8. Berlin, 1931. Vogel, Friedrich: Der Untersuchungsausschuß (II): Fehlende Befugnisse oder Fehleinschätzung? In: Zeitschrift für Parlamentsfragen 1974 (5/4), S. 503–508.

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8.1.4 Online-Quellen Bayerischer Landtag: Beschluss des Bayerischen Landtags, Drucksache 18/19471, 18. Wahlperiode. URL: https://ua-maske.de/wp-content/uploads/2021/12/0000013846.pdf [28. 02. 2023]. Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz: Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz – PUAG), Paragraph 12. URL: http://www.gesetze-im-internet.de/puag/BJNR1142 10001.html [28. 02. 2023]. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23. Mai 1949. URL: https://www. 1000dokumente.de/index.html?c=dokument_de&dokument=0014_gru&object=pdf& l=de [28. 02. 2023]. Deutscher Bundestag: Antrag betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, Drucksache Nr. 1397 (neu), 1. Wahlperiode. URL: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/01/013 /0101397.pdf [28. 02. 2023]. Deutscher Bundestag: Antrag der Fraktionen der Bayernpartei, CDU/CSU, SPD, FDP, DP, WAV und des Zentrums betr. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes, Drucksache Nr. 1397, 1. Wahlperiode. URL: https://dserve r.bundestag.de/btd/01/013/0101397.pdf [28. 02. 2023]. Deutscher Bundestag: Bericht des Untersuchungsausschusses, Drucksache Nr. 2274, 1. Wahlperiode. URL: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/01/022/0102274.pdf [28. 02. 2023]. Deutscher Bundestag: Bericht des Untersuchungsausschusses, Drucksache Nr. 1803, 7. Wahlperiode. URL http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/07/018/0701803.pdf [28. 02. 2023]. Deutscher Bundestag: Gesetzentwurf, Drucksache 1181, 8. Wahlperiode. URL: http://dipb t.bundestag.de/doc/btd/08/011/0801181.pdf [28. 02. 2023]. Deutscher Bundestag: Schlußbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform, Drucksache 5924, 7. Wahlperiode. URL: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/07/059/0705924. pdf [28. 02. 2023]. Deutscher Bundestag: Schriftlicher Bericht des 1. Untersuchungsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes, Drucksache VI/2624, 6. Wahlperiode. URL: https://dserver.bundestag.de/btd/06/038/0603830.pdf [28. 02. 2023]. Deutscher Bundestag: Stenographische Protokolle der Plenardebatten des Deutschen Bundestages, 1. Wahlperiode. Bonn, o. A.

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308

8.2

Quellen-und Literaturverzeichnis

Literatur

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Literatur

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