Trainingswissenschaft für die Sportpraxis: Lehrbuch für Studium, Ausbildung und Unterricht im Sport [1. Aufl.] 9783662582268, 9783662582275

Dieses motivierende und reichhaltig illustrierte Lehrbuch wendet sich an Studierende im Fach Sportwissenschaft sowie an

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German Pages XIII, 668 [677] Year 2020

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Trainingswissenschaft für die Sportpraxis: Lehrbuch für Studium, Ausbildung und Unterricht im Sport [1. Aufl.]
 9783662582268, 9783662582275

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XIII
Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft (Alexander Ferrauti)....Pages 1-19
Grundlagenwissen zum sportlichen Training (Alexander Ferrauti, Hubert Remmert)....Pages 21-65
Leistungssteuerung (Alexander Ferrauti, Christoph Schneider, Thimo Wiewelhove)....Pages 67-186
Krafttraining (Christian Raeder, Jo-Lâm Vuong, Alexander Ferrauti)....Pages 187-252
Schnelligkeitstraining (Thimo Wiewelhove)....Pages 253-321
Beweglichkeitstraining (Hubert Remmert)....Pages 323-344
Ausdauertraining (Florian Hanakam, Alexander Ferrauti)....Pages 345-404
Techniktraining (Arno Krombholz)....Pages 405-454
Regenerationsmanagement und Ernährung (Thimo Wiewelhove)....Pages 455-505
Training im Kindes- und Jugendalter (Alexander Ferrauti, Tobias Stadtmann, Alexander Ulbricht, Jennifer Kappenstein)....Pages 507-546
Training im mittleren und höheren Lebensalter (Alexander Ferrauti, Laura Hottenrott)....Pages 547-578
Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten (Alexander Ferrauti, Janina Fett, Adam Frytz, Janina-Kristin Götz, Florian Hanakam, Til Kittel et al.)....Pages 579-659
Back Matter ....Pages 661-668

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Alexander Ferrauti  Hrsg.

Trainings­ wissenschaft für die Sportpraxis Lehrbuch für Studium, Ausbildung und Unterricht im Sport

Trainingswissenschaft für die Sportpraxis

Alexander Ferrauti Hrsg.

Trainings­ wissenschaft für die Sportpraxis Lehrbuch für Studium, Ausbildung und Unterricht im Sport Mit Beiträgen von Alexander Ferrauti, Janina Fett, Adam Frytz, Janina Kristin Götz, Florian Hanakam, Laura Hottenrott, Jennifer Kappenstein, Til Kittel, Arno Krombholz, Jasper Möllmann, Christian Raeder, Hubert Remmert, Christoph Schneider, Tobias Stadtmann, Alexander Ulbricht, Jo-Lâm Vuong, Thimo Wiewelhove

Hrsg. Prof. Dr. Alexander Ferrauti Lehrstuhl für Trainingswissenschaft Fakultät für Sportwissenschaft Ruhr-Universität Bochum Bochum, Deutschland

Die Online-Version des Buches enthält digitales Zusatzmaterial, das durch ein Play-Symbol gekennzeichnet ist. Die Dateien können von Lesern des gedruckten Buches mittels der kostenlosen Springer Nature „More Media“ App angesehen werden. Die App ist in den relevanten App-Stores erhältlich und ermöglicht es, das entsprechend gekennzeichnete Zusatzmaterial mit einem mobilen Endgerät zu öffnen. ISBN 978-3-662-58226-8    ISBN 978-3-662-58227-5 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Spektrum © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Einbandabbildung: Olympiateilnehmerin und A-Kader-Athletin Laura Hottenrott Planung/Lektorat: Marion Krämer Grafiken: Dr. Martin Lay, Breisach a. Rh. Springer Spektrum ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

V

Vorwort Liebe Sportstudierende, Trainerinnen und Trainer und liebe Sportinteressierte, dieses Buch wurde mit großer Freude und voller Überzeugung geschrieben, da wir die Lehrinhalte für viele Berufsfelder von Sportwissenschaftlern in Schule, Nachwuchs-, Leistungs- und Alterssport als sehr wichtig erachten. Es vermittelt den aktuellen trainingswissenschaftlichen Wissensstand und ergänzt diesen durch vielfältige didaktische Elemente, sportpraktische Beispiele und interaktives Zusatzmaterial in Form von Videosequenzen. An der Ruhr-Universität Bochum wird das Fach Trainingswissenschaft durch ein tolles Team vertreten. Allen Autorinnen und Autoren gilt mein herzlicher Dank dafür, dass sie ihre Expertise eingebracht haben. Zur Qualitätssicherung diente ein internes Review Verfahren. Zusätzlich erfolgte eine externe Begutachtung ausgewählter Kapitel durch Experten der Universitätsallianz Ruhr (UAR). Herzlichen Dank dafür an Prof. Dr. Daniel Hahn (Ruhr-Universität Bochum) und Prof. Dr. Thomas Mühlbauer (Universität Duisburg-Essen). Katharina Raasch war für die Koordination im Hintergrund verantwortlich und Kilian Kimmeskamp stand als Fotograph stets professionell zur Seite. Vielen Dank speziell auch an Regine Bakenecker, Katharina Raasch, Pia Wagner und Jo-Lâm Vuong für die gelungene Darstellung von Trainingsformen und Testverfahren. Sportwissenschaftlich relevante Themen erkennen und erforschen, adressatenund berufsfeldspezifisch aufbereiten, praxis- und forschungsnah lehren und lernen. Diesem Leitbild unserer Fakultät für Sportwissenschaft folgend, versucht dieses Lehrbuch die Lehrinhalte auf der Basis notwendiger theoretischer Grundlagen aus einer angewandten Perspektive zu vermitteln. Denn, die Sportpraxis ist fast immer Ausgangspunkt und Zielperspektive für Fragestellungen der Trainingswissenschaft.

Alle Autorinnen und Autoren auf einen Blick von oben links nach unten rechts: Dr. Florian Hanakam, Janina Fett, Katharina Raasch, Christoph Schneider, Dr. Jennifer Kappenstein, Dr. Arno Krombholz, Adam Frytz, Dr. Hubert Remmert, Dr. Tobias Stadtmann, Dr. Thimo Wiewelhove, Janina Götz, Til Kittel, Dr. Alexander Ulbricht, Jo-Lâm Vuong, Dr. Christian Raeder, Laura Hottenrott, Prof. Dr. Alexander Ferrauti

Vorwort VI

zz Hinweis zur gendergerechten Sprache

Den Autorinnen und Autoren liegt eine gleichberechtigte Ansprache aller geschlechtlichen Identitäten sehr am Herzen. In Ermangelung einer bislang einheitlichen sprachlichen Umsetzung und fehlender Vorgaben durch den Buchverlag, hat sich der Herausgeber dazu entschieden, je nach konkretem Anwendungsfall sowohl Doppelnennung (für den Duden die höflichste Variante der sprachlichen Gleichstellung), Neutralisierung (sofern diese nicht missverständlich ist) und die männliche oder weibliche Schreibweise zuzulassen. Auf die Verwendung weiterer orthographischer Varianten (z. B. Gendergap oder Gendersternchen) wurde in der vorliegenden Erstausgabe verzichtet, weil nicht in allen Umsetzungsformen alle Geschlechter in gleicher Weise angesprochen werden können. Da es sich ferner um ein Herausgeberwerk handelt, welches Beiträge und Auffassungen zahlreicher Autorinnen und Autoren vereint, wurden alle zuvor genannten Genderschreibweisen zugelassen und keine Vereinheitlichungen vorgegeben. Dies spiegelt die Vielfalt dieser Thematik wider. Selbstverständlich werden immer alle Geschlechtsidentitäten angesprochen. Alexander Ferrauti

Bochum, Deutschland 2020

VII

Inhaltsverzeichnis 1

Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    1 Alexander Ferrauti

1.1 Trainingswissenschaft als sportwissenschaftliche Teildisziplin . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    2 1.2 Gegenstandsbereiche der Trainingswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    5 1.3 Forschungsmethoden in der Trainingswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    9 1.3.1 Grundlagenforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    9 1.3.2 Anwendungsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   10 1.3.3 Evaluationsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   12 1.3.4 Trainingswissenschaft und Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   13 1.3.5 Kommunikation trainingswissenschaftlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   13 1.4 Paradigmenwechsel durch Trainingswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   14 1.5 Trainingswissenschaft im Zeitalter von Digitalisierung und Pandemie . . . . . . . . . . .   16 1.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   18 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   18 2

Grundlagenwissen zum sportlichen Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   21 Alexander Ferrauti und Hubert Remmert

2.1 Trainingscharakteristika und Trainingsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   23 2.1.1 Trainingsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   25 2.1.2 Trainingssystematik und Planmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   26 2.1.3 Trainingsinhalte, Trainingsmethoden und Trainingsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   28 2.2 Bedeutung der Belastungsnormative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   29 2.2.1 Belastungsintensität (Reizintensität, Reizhöhe, Reizstärke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   29 2.2.2 Belastungsdauer (Reizdauer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   30 2.2.3 Erholungsdauer und Belastungsdichte (Reizdichte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   31 2.2.4 Belastungshäufigkeit und Belastungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   32 2.2.5 Belastungsqualität (Ausführungsqualität) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   33 2.2.6 Bedeutung der Belastungsnormative aus metabolisch-muskulärer Sicht . . . . . . . . . . .   33 2.2.7 Bedeutung der Belastungsnormative aus technisch-­koordinativer Sicht . . . . . . . . . . . .   35 2.3 Trainingsprinzipien und Trainingswirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   36 2.3.1 Leistungs-, alters- und geschlechtsspezifische Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   38 2.3.2 Wettkampfspezifische Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   39 2.3.3 Rechtzeitige und zunehmende Spezialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   39 2.3.4 Systematische Trainingssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   41 2.3.5 Individualisierte Belastung und Belastungssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   42 2.3.6 Trainingsplanung durch Periodisierung und Zyklisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   42 2.3.7 Optimale Relation von Belastung und Erholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   44 2.3.8 Wechselnde, variierende und ansteigende Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   45 2.3.9 Belastungsfolge innerhalb der Trainingseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   46 2.3.10 Trainingswirksamer Reiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   49 2.4 Anpassungsprozesse durch Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   51 2.4.1 Das Homöostase-Prinzip und die Reizstufenregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   52 2.4.2 Antagonistische Modelle der Anpassung durch Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   53

Inhaltsverzeichnis VIII

2.4.3 2.4.4 2.4.5 2.4.6 2.5

Komplexe und synergetische Konzepte der Anpassung durch Training . . . . . . . . . . . . .   54 Strukturelle Anpassungen durch Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   56 Metastrukturelle Anpassungen durch Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   59 Das Übertrainingssyndrom als Fehlanpassung durch Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   60 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   62 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   62

3

Leistungssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   67 Alexander Ferrauti, Christoph Schneider und Thimo Wiewelhove

3.1 Komponenten der Leistungssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   69 3.2 Wettkampfanalyse und Wettkampfleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   72 3.2.1 Ergebnisanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   72 3.2.2 Pacing-Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   73 3.2.3 Systematische Spielanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   75 3.2.4 Tracking-Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   78 3.2.5 Belastungs- und Beanspruchungsanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   81 3.2.6 Leistungsstrukturanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   82 3.3 Wettkampfsteuerung und Wettkampfvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   86 3.3.1 Phasenstruktur und Ziele der Wettkampfvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   87 3.3.2 Inhalte, Dauer und Intensität der Wettkampfvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   89 3.3.3 Precooling zur Wettkampfvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   95 3.4 Leistungsdiagnostik und Testverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   97 3.4.1 Möglichkeiten der Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   99 3.4.2 Qualitätssicherung und Testgütekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  103 3.4.3 Testnormierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  110 3.4.4 Diagnostik von Anthropometrie und Reifegrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  113 3.4.5 Diagnostik der Körperkomposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  115 3.4.6 Kraftdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  117 3.4.7 Schnelligkeitsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  128 3.4.8 Beweglichkeitsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  134 3.4.9 Ausdauerdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  136 3.4.10 Sportartspezifische Leistungsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  148 3.5 Trainingssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  151 3.5.1 Allgemeine Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  152 3.5.2 Individuelle Schwerpunktsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  155 3.5.3 Individuelle Belastungsdosierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  160 3.5.4 Aktuelle Feinjustierung durch Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  163 3.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  178 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  178 4

Krafttraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  187 Christian Raeder, Jo-Lâm Vuong und Alexander Ferrauti

4.1 Bedeutung und Erscheinungsformen der Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  189 4.1.1 Maximalkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  192 4.1.2 Schnellkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  194 4.1.3 Reaktivkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  195 4.2 Biologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  197

IX Inhaltsverzeichnis

4.2.1 Aufbau der Skelettmuskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  197 4.2.2 Muskelquerschnitt und Muskelarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  198 4.2.3 Muskelfaserspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  199 4.2.4 Neuromuskuläre Signalübertragung und Muskelkontraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  202 4.2.5 Spinale und supraspinale Kraftregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  204 4.2.6 Intra- und intermuskuläre Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  205 4.2.7 Kraft-Längen-Relation des Muskels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  207 4.2.8 Stiffness des tendomuskulären Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  209 4.2.9 Postactivation Potentiation (PAP) und Komplextraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  211 4.2.10 Exzentrisches Krafttraining und Muskeldestruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  211 4.2.11 Energiebereitstellung beim Krafttraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  213 4.2.12 Okklusion und Hypoxie im Krafttraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  213 4.3 Anpassungseffekte durch Krafttraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  214 4.3.1 Neuronale Adaptationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  215 4.3.2 Muskelfaserhypertrophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  216 4.4 Trainingsmethoden und Belastungsdosierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  221 4.4.1 Maximalkrafttraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  223 4.4.2 Schnellkrafttraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  228 4.4.3 Funktionelles Krafttraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  229 4.5 Ausgewählte Trainingsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  232 4.6 Trainingsprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  241 4.7 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  246 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  246 5

Schnelligkeitstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  253 Thimo Wiewelhove

5.1 Bedeutung und Erscheinungsformen der Schnelligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  255 5.2 Biologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  263 5.2.1 Anlage-, entwicklungs- und lernbedingte Einflussgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  265 5.2.2 Neuronale und tendomuskuläre Einflussgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  266 5.2.3 Einflussgrößen im Kontext der Erscheinungsformen der Schnelligkeit . . . . . . . . . . . . .  272 5.3 Anpassungseffekte durch Schnelligkeitstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  273 5.3.1 Anpassungen im Kontext der informatorischen Schnelligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  274 5.3.2 Anpassungen im Kontext der motorischen Schnelligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  274 5.4 Trainingsmethoden und Belastungsdosierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  276 5.4.1 Ausgewählte trainingsmethodische Leitlinien zum Schnelligkeitstraining . . . . . . . . . .  277 5.4.2 Trainingsbereiche und Methoden des Schnelligkeitstrainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  279 5.4.3 Reaktionstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  280 5.4.4 Antizipationstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  281 5.4.5 Frequenzschnelligkeitstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  282 5.4.6 Sequenzschnelligkeitstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  282 5.4.7 Antritts- und Sprintschnelligkeitstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  283 5.4.8 Aktionsschnelligkeitstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  283 5.4.9 Supramaximale Schnelligkeitsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  285 5.4.10 Widerstandsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  286 5.4.11 Kontrastmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  287 5.4.12 Koordinationsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  288 5.5 Ausgewählte Trainingsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  291

Inhaltsverzeichnis X

5.6

Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  318 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  318

6

Beweglichkeitstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  323 Hubert Remmert

6.1 Bedeutung und Erscheinungsformen der Beweglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  324 6.2 Biologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  325 6.2.1 Gelenkstrukturen und Beweglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  326 6.2.2 Muskelphysiologische Grundlagen und Dehneffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  327 6.2.3 Bindegewebe und Nervensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  330 6.3 Anpassungseffekte durch Dehnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  334 6.4 Trainingsmethoden und Belastungsdosierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  335 6.4.1 Belastungsdosierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  338 6.4.2 Anforderungsgerechtes Beweglichkeitstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  338 6.5 Ausgewählte Trainingsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  339 6.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  343 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  343 7

Ausdauertraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  345 Florian Hanakam und Alexander Ferrauti

7.1 Bedeutung und Erscheinungsformen der Ausdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  346 7.1.1 Grundlagenausdauer versus sportartspezifische Ausdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  348 7.1.2 Kurz, Mittel- und Langzeitausdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  350 7.2 Biologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  351 7.2.1 Grundlagen des Energiestoffwechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  351 7.2.2 Energieumsatz und Substratverwertung im Ausdauersport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  360 7.2.3 Energiestoffwechsel bei Intervallbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  365 7.3 Anpassungseffekte durch Ausdauertraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  368 7.3.1 Internistisch-präventivmedizinische Anpassungseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  369 7.3.2 Genetisch bedingte Anpassungseffekte (African Runners) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  371 7.3.3 Trainingsbedingte Anpassungen der maximalen Sauerstoffaufnahme . . . . . . . . . . . . .  372 7.4 Trainingsmethoden und Belastungsdosierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  376 7.4.1 Dauermethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  377 7.4.2 Intervallmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  379 7.4.3 Wiederholungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  382 7.4.4 Kleinfeldspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  383 7.4.5 Belastungsdosierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  384 7.5 Ausgewählte Trainingsprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  392 7.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  400 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  401 8

Techniktraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  405

8.1 8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3

Bedeutung und Erscheinungsformen von Technik und Koordination . . . . . . . . . . . .  406 Bewegungsanalyse und Technikleitbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  409 Ermittlung und Ableitung von Technikleitbildern und Sollwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . .  411 Funktionale Analysen sportlicher Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  415 Morphologische und biomechanische Analysen sportlicher Technik . . . . . . . . . . . . . . .  416

Arno Krombholz

XI Inhaltsverzeichnis

8.3 Biologische Grundlagen und Modelle des Techniktrainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  419 8.3.1 Biologische Grundlagen der Motorik und des motorischen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . .  419 8.3.2 Informationsverarbeitende Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  421 8.3.3 Systemdynamische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  423 8.3.4 Ansätze der Effektkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  426 8.4 Ziele und Methoden des Techniktrainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  427 8.4.1 Koordinationstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  433 8.4.2 Bewegungskorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  441 8.4.3 Videofeedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  445 8.5 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  451 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  451 9

Regenerationsmanagement und Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  455 Thimo Wiewelhove

9.1 Bedeutung des Regenerationsmanagements im Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  458 9.2 Biologische Grundlagen von Ermüdung und Regeneration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  459 9.2.1 Metabolische Ursachen von Ermüdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  460 9.2.2 Mechanische Ursachen von Ermüdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  462 9.2.3 Neuronale Ursachen von Ermüdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  465 9.2.4 Messung von Ermüdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  467 9.3 Regenerationsinterventionen und deren Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  469 9.3.1 Aktive Erholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  470 9.3.2 Stretching . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  471 9.3.3 Kälteapplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  473 9.3.4 Wärmeapplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  475 9.3.5 Kompressionskleidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  476 9.3.6 Massage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  477 9.3.7 Schlaf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  478 9.3.8 Foam-Rolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  480 9.3.9 Sonstige Regenerationsinterventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  483 9.4 Regeneration und Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  484 9.4.1 Ausgleich von Flüssigkeits- und Mineralstoffverlusten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  485 9.4.2 Kohlenhydratzufuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  486 9.4.3 Proteinzufuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  489 9.4.4 Mikronährstoffe und Nahrungsergänzungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  491 9.5 Individualisierung des Regenerationsmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  494 9.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  497 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  497 10

Training im Kindes- und Jugendalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  507

10.1 10.2 10.2.1 10.2.2 10.3 10.3.1 10.3.2

Bedeutung und Anwendungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  508 Biologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  510 Allgemeine körperliche und motorische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  510 Physiologische Besonderheiten im Kindes- und Jugendalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  514 Empfehlungen zum Training im Kindes- und Jugendalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  521 Allgemeine Trainingsempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  521 Empfehlungen zum Ausdauertraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  523

Alexander Ferrauti, Tobias Stadtmann, Alexander Ulbricht und Jennifer Kappenstein

Inhaltsverzeichnis XII

10.3.3 Empfehlungen zum Krafttraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  524 10.4 Talentförderung im Nachwuchsleistungssport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  527 10.4.1 Das sportliche Talent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  527 10.4.2 Talentidentifikation und Talentselektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  528 10.4.3 Talentforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  530 10.4.4 Talentförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  531 10.4.5 Der Relative Age Effect . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  533 10.5 Training im Schulsport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  535 10.5.1 Rahmenbedingungen und curriculare Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  535 10.5.2 Möglichkeiten von Training im Schulsport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  536 10.5.3 Möglichkeiten der Leistungsdiagnostik im Schulsport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  539 10.6 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  541 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  541 11

Training im mittleren und höheren Lebensalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  547

11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 11.5.1 11.5.2 11.5.3 11.5.4 11.5.5 11.6 11.6.1 11.6.2 11.7

Bedeutung und Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  548 Biologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  550 Epidemiologische Befunde zu Training und Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  552 Training und Übergewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  555 Körperfunktionen, Leistung und Trainierbarkeit im Altersgang . . . . . . . . . . . . . . . . . .  556 Kognitive und koordinative Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  557 Kardiorespiratorische und neuromuskuläre Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  559 Wettkampfleistungen und Masterathleten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  560 Trainierbarkeit von Kraft und Ausdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  563 Regenerationsbedarf im Altersgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  565 Trainingsempfehlungen und Trainingsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  566 Allgemeine Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  566 Sportartspezifische Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  569 Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  575 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  575

12

Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  579

Alexander Ferrauti und Laura Hottenrott

Alexander Ferrauti, Janina Fett, Adam Frytz, Janina-Kristin Götz, Florian Hanakam, Til Kittel, Jasper Möllmann, Christoph Schneider und Hubert Remmert 12.1 Beckenschwimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  581 12.1.1 Leistungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  581 12.1.2 Belastungs- und Beanspruchungsprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  582 12.1.3 Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  585 12.1.4 Langfristiger Leistungsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  588 12.2 Triathlon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  590 12.2.1 Wettkampfstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  590 12.2.2 Belastungs- und Beanspruchungsprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  591 12.2.3 Wettkampfanalyse und Leistungsbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  594 12.2.4 Trainingssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  595 12.3 Basketball . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  597 12.3.1 Belastungs- und Beanspruchungsprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  597

XIII Inhaltsverzeichnis

12.3.2 Konditionelle Leistungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  600 12.3.3 Leistungsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  601 12.3.4 Leistungsentwicklung im Jugendbasketball . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  602 12.3.5 Spieler-Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  604 12.3.6 Trainingssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  606 12.3.7 3 × 3-Basketball: eine andere Sportart?! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  614 12.4 Fußball . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  615 12.4.1 Leistungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  615 12.4.2 Belastungs- und Beanspruchungsprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  617 12.4.3 Leistungsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  623 12.4.4 Trainingssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  625 12.4.5 Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  626 12.5 Volleyball . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  628 12.5.1 Leistungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  629 12.5.2 Belastungs- und Beanspruchungsprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  630 12.5.3 Leistungsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  633 12.5.4 Trainingssteuerung athletischer Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  634 12.5.5 Ausgewählte Trainingsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  635 12.5.6 Beach-Volleyball: eine andere Sportart?! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  637 12.6 Tennis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  639 12.6.1 Leistungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  639 12.6.2 Belastungs- und Beanspruchungsprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  641 12.6.3 Beanspruchungen im Tennis-Training . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  644 12.6.4 Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  648 12.6.5 Ausgewählte Trainingsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  650 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  652

Serviceteil Bildnachweis����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 662 Stichwortverzeichnis ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 663

1

Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft Alexander Ferrauti 1.1

 rainingswissenschaft als sportwissenschaftliche T Teildisziplin – 2

1.2

Gegenstandsbereiche der Trainingswissenschaft – 5

1.3

Forschungsmethoden in der Trainingswissenschaft – 9

1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5

 rundlagenforschung – 9 G Anwendungsforschung – 10 Evaluationsforschung – 12 Trainingswissenschaft und Ethik – 13 Kommunikation trainingswissenschaftlicher Ergebnisse – 13

1.4

Paradigmenwechsel durch Trainingswissenschaft – 14

1.5

 rainingswissenschaft im Zeitalter von Digitalisierung T und Pandemie – 16

1.6

Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels – 18 Literatur – 18

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_1

1

2

1

A. Ferrauti

Die Sportpraxis ist Start- und Ziellinie für die Trainingswissenschaft

Zusammenfassung Die Trainingswissenschaft ist eine von mehreren sehr unterschiedlichen sportwissenschaftlichen Teildisziplinen. Sie zeichnet sich durch ihre interdisziplinäre Arbeitsweise, ihre Nähe zur Sportpraxis und eine anwendungsbezogene Forschungsperspektive aus. Die drei inhaltlichen Gegen­ standsbereiche sind „Training und Trainingssteuerung“, „Leistung und Leistungsdiagnostik“ sowie „Wettkampf und Wettkampfoptimierung“. Die Handlungsfelder gehen weit über den Bereich des Leistungssports hinaus und schließen auch den Schulsport, den Freizeit- und Fitnesssport sowie den Altersleistungssport ein. Forschungsmethodisch dominieren die Anwendungs- und Evaluationsforschung mit vereinzelt notwendigen Vertiefungen durch Grundlagenforschung. Die moderne Trainingswissenschaft ist zunehmend international vernetzt und aufgestellt und trägt im Diskurs mit der Sportpraxis zu bedeutsamen Paradigmenwechseln im Trainingsprozess bei.

1.1

von Studierenden im Fach Sportwissenschaft als sehr bedeutsam evaluiert. Im 2017 von der dvs verabschiedeten Kerncurriculum für Bachelorstudiengänge gehört die Vermittlung des Kompetenzbereichs „Training & Leistung“ zu einem festen Bestandteil. Beispiel: Meisterlehre Woldemar Gerschler führte den völlig unbekannten Rudolf Harbig zu mehreren Weltrekorden über 400, 800 und 1000 m (Gerschler 1939, . Abb. 1.1). Hiermit begannen der Siegeszug und die wissenschaftliche Begründung des Intervalltrainings und der herzfrequenzgesteuerten „lohnenden Pause“. Harbig lief hierzu im Winter vor allem 200-Meter-Wiederholungsläufe (z. B. 20 × 200 m mit 90 s Geh-/Trabpause). Zur Saison hin wurde die Anzahl der Wiederholungen geringer und die Geschwindigkeit höher (Gerschler 1939). Vergleichbare Protokolle werden derzeit unter dem modernen Etikett des High-Intensity-­Interval-Trainings (HIIT) für zahlreiche Sportarten empfohlen und in der Trainingswissenschaft hinsichtlich ihrer Effekte intensiv untersucht.  

Trainingswissenschaft als sportwissenschaftliche Teildisziplin

Der historische Ursprung der Trainingswissenschaft geht auf Bestrebungen in der Sportpraxis zurück, das Trainerhandeln und die darauf aufbauenden Trainingskonzepte („Meisterlehren“) auf eine systematische Grundlage zu stellen (Hottenrott und Seidel 2017). Hieraus etablierte sich die Trainingswissenschaft als eine der jüngeren sportwissenschaftlichen Disziplinen. Sie bildet seit 1992 eine von elf Sektionen der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs; 7 www.­ dvs-­trainingswissenschaft.­de). An über 30 der 64 sportwissenschaftlichen Hochschuleinrichtungen in Deutschland führen Lehrstühle und Professuren einen der Begriffe „Trainingswissenschaft“, „Training“ oder „Trainingslehre“ in ihrer Denomination (Lames et al. 2013). In Deutschland hat sich die Trainingswissenschaft daher als eigenständiges Lehrgebiet fest etabliert und wird  

..      Abb. 1.1  Cover des Buches von Woldemar Gerschler aus dem Jahr 1939

3 Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft

Obwohl die Trainingswissenschaft in vielen anderen europäischen und außereuropäischen Ländern in den Curricula von sportwissenschaftlichen Studiengängen fest verankert ist, existiert bislang keine internationale Wissenschaftsorganisation. Folglich ist eine gängige englischsprachige Übersetzung noch nicht einheitlich etabliert, obwohl die Bezeichnung „Training & Exercise Science“ den Inhaltsbereich am ehesten abbildet. Die international wachsende Wertschätzung der Trainingswissenschaft kann auch an den Statistiken des European College of Sport Science (ECSS), der europäischen Dachorganisation der Sportwissenschaft, abgelesen werden. Die Mehrzahl der bis zu 3000 Beiträgen aus aller Welt zum jährlich stattfindenden ECSS-­Kongress werden regelmäßig dem Bereich „Training & Testing“

1

zugeordnet (Analysen zum eigens veranstalteten ECSS-Kongress MetropolisRuhr 2017). In der Organisationsstruktur der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft können medizinisch-naturwissenschaftlich orientierte Sektionen (Biomechanik, Sportmedizin und Sportmotorik) von vorrangig erziehungs-, geistes- und sozialwissenschaftlich orientierten Sektionen (Sportgeschichte, Sportinformatik, Sportökonomie, Sportpädagogik, Sportphilosophie, Sportpsychologie und Sportsoziologie) unterschieden werden. Die Trainingswissenschaft ist vorrangig medizinisch-­ naturwissenschaftlich ausgerichtet, bedient sich jedoch bei der Beantwortung vieler Fragestellungen auch dem originären Methodeninventar anderer sportwissenschaftlicher Disziplinen (interdisziplinäre Perspektive).

Beispiel: Interdisziplinarität In der Trainingspraxis zahlreicher Sportarten steht die Frage nach der angemessenen Reizhöhe bzw. Trainingsintensität vielfach im Zentrum der Trainingsplanung. In jüngster Zeit rückt das hochintensive Intervalltraining (HIIT) vermehrt in den Fokus der Sportpraxis, obwohl keine ausreichende Evidenz da­rüber vorliegt, welche der zahlreichen verschiedenen Trainingsprotokolle mit welchen akuten und langfristigen Effekten in Bezug auf Leistungssteigerung und Erholungsbedarf einhergehen. Die Trainingswissenschaft widmet sich daher

Ein ganz wesentliches Alleinstellungsmerkmal der Trainingswissenschaft besteht darin, dass ihre Fragestellungen im Diskurs mit der Trainingspraxis (zum Beispiel mit den Wissenschaftskoordinatoren der Sportverbände im Deutschen Olympischen Sportbund, DOSB) bzw. aus der Beobachtung des sportpraktischen Handlungsfeldes entstehen. Die generierten Wissensbestände werden zunächst mit Vertretern der Sportpraxis disku-

der systematischen Evaluation verschiedener in der Sportpraxis verwendeter HIIT-Varianten und benutzt hierbei originär trainingswissenschaftliche (z. B. Messung der Intervallsprintleistung), aber auch sportmedizinische (z. B. Ermüdungsmarker im Blut), biomechanische (z. B. Reflexaktivität der Arbeitsmuskulatur) und sportpsychologische (z. B. Erholungs- und Belastungsevaluation) Erhebungsmethoden und reflektiert die aus der Gesamtschau sich ergebenden Empfehlungen an die Sportpraxis (Wiewelhove et al., 2016).

tiert, bevor diese als Empfehlung oder gar Konzept bzw. Leitlinie transferiert werden (angewandte Perspektive). Die Trainingswissenschaft kann im dargestellten Kreismodell folglich in engerer Anlehnung zur Theorie und Praxis der Sportarten lokalisiert werden, wobei die Grenzen zu den übrigen sportwissenschaftlichen Teildisziplinen (Peripherie) und zur Sportpraxis durchlässig sind (. Abb. 1.2).  

Die Trainingswissenschaft versteht sich als diejenige sportwissenschaftliche Disziplin, die sich aus einer interdisziplinären (Verwendung von Methoden verschiedener Disziplinen) und angewandten Perspektive (Bearbeitung sportpraktisch und sportartspezifisch relevanter Fragestellungen) mit der wissenschaftlichen Fundierung und Optimierung von Training und Trainingssteuerung, Leistung und Leistungsdia­gnostik sowie Wettkampf und Wettkampfoptimierung in verschiedenen Adressaten- und Handlungsfeldern von Sport und Bewegung beschäftigt.

Renommierte deutsche Trainingswissenschaftler haben sich in der Vergangenheit sehr intensiv mit der theoretischen Fundierung ihrer Disziplin auseinandergesetzt und ihre Position in einer Vielzahl an Beiträgen und Lehrbüchern zum Ausdruck gebracht. Einen wertvollen Positionsbeitrag zur Lage der universitären Trainingswissenschaft lieferten Lames et al. (2013). ..      Abb. 1.2 Trainingswissenschaft als interdisziplinäre, integrative und angewandte Disziplin zwischen sportwissenschaftlichen Basisdisziplinen in der Peripherie sowie den Sportarten und Bewegungsfeldern als Ausgangspunkt und Wesenskern

Als klassische Lehrbücher der Trainingswissenschaft sind an dieser Stelle die Arbeiten von Carl (1983); Harre (1979); Schnabel et  al. (2008); Martin et al. (1993) – jetzt neu überarbeitet und herausgegeben von Hottenrott und Seidel (2017); Hohmann et al. (2002) – aber auch Joch und Ückert (1998); Weineck (2010) sowie das Kapitel zur Trainingswissenschaft von Hottenrott und Hoos (2013) im Bachelorlehrbuch für das Sportstudium (Güllich und Krüger 2013) exemplarisch zu nennen. Sie alle bilden in ihrer Gesamtheit einen guten Quer- und Längsschnitt durch die Geschichte der deutschen Trainingswissenschaft und besitzen je nach eigener Biographie und Interessenslage der Autoren ihre spezifischen Besonderheiten und Abgrenzungsmerkmale. Die historische Entwicklung der Trainingswissenschaft aus Meisterlehren der Sportpraxis, die spät erfolgte wissenschaftliche Orientierung, das Bekenntnis zu einer inter­disziplinären und integrativen Strategie von Theorieentwicklung und Problemlösung sowie das hochgradig komplexe und spezifische For­schungsfeld verschiedener Sportarten und Bewegungsfelder bergen

Theorie und Praxis der Sportarten

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Medizin und Naturwissenschaften

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interdisziplinärangewandte Trainingswissenschaft

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Trainingswissenschaft

Erziehungs-, Geistes- und Sozialwissenschaften

1

A. Ferrauti

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4

1

5 Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft

jedoch auch eine ernstzunehmende Angriffsfläche für Kritik. Die Identifikation der eigenen spezifisch trainingswissenschaftlichen Forschungsstrategie und deren Abgrenzung zu jener der anderen Disziplinen erscheint unscharf (Lames et  al. 2013). Vereinzelt wird daher aus unterschiedlichen Basiswissenschaften Kritik an der forschungsmethodischen und wissenschaftstheoretischen Fundierung der Trainingswissenschaft geübt (u. a. Mader 2015). Sogar das Ausbleiben nennenswerter olympischer Erfolge deutscher Athleten wird unter anderem auf Fehler in der Trainingssteuerung und beispielsweise auf eine unzureichend biologisch-naturwissenschaftlich ausgerichtete Trainingswissenschaft zurückgeführt (Hartmann 2016). Zusammenfassend steht die Trainingswissenschaft in Deutschland aktuell in einem Spannungsfeld: Sie erfährt höchste Anerkennung bei Studierenden (als Studienfach in den Curricula der Bachelorstudiengänge im Fach Sportwissenschaft) sowie bei zahlreichen nationalen und internationalen Nachwuchsforschern und wird von den meisten Sportfachverbänden des DOSB aufgrund ihrer trainingswissenschaftlichen Unterstützungsleistungen sehr wertgeschätzt. Vereinzelt ­ betrachten Vertreter verschiedener sportwissenschaftlicher Basisdisziplinen die Trainingswissenschaft wegen ihres forschungsmethodischen Zugangs jedoch kritisch. Im inter­nationalen Umfeld erscheint der Umgang mit trainingswissenschaftlich-angewandter Forschung deutlich unkomplizierter und pragmatischer. Zahlreiche renommierte Trainingswissenschaftler liefern einerseits wertvolle Unter­ stützungsarbeit in der unmittelbaren Athletenbetreuung nationaler Sportorganisationen und genießen gleichzeitig mit ihren Publikationen in der Scientific Community höchste Anerkennung (u. a. Halson 2014; Coutts 2017). Das vorliegende Lehrbuch sieht sich dieser internationalen und praxisorientierten Interpretation der Trainingswissenschaft verpflichtet. Es soll zudem explizit die an der Fakultät für Sportwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum gewachsene und gelehrte medizinisch-­ naturwissenschaftliche Sichtweise des Lehrstuhls für Trainingswissenschaft vertreten und

als begleitendes Lehrbuch zur dortigen Bachelorvorlesung im Fach Trainingswissenschaft fungieren. Diese wird gewöhnlich im ersten oder zweiten Semester von Studierenden der Ein-Fach-(außerschulisch ausgerichteter Bachelor of Science) und Zwei-Fach-Studiengänge (schulisch ausgerichteter Bachelor of Arts) besucht. Das Lehrbuch grenzt sich daher von den zuvor genannten Kompendien an vielen Stellen ab und besitzt keinen Anspruch auf eine vollständige Behandlung aller relevanten Themen und der zugrundeliegenden Literatur. Es beinhaltet auf der anderen Seite in hohem Maße die eigenen Forschungsergebnisse bzw. jene aller Mitarbeitenden des Lehrstuhls (Doktoranden und Postdocs). Der Buchtitel signalisiert die hohe Affinität unserer Arbeitsgruppe zur Sportpraxis und unserem Bekenntnis zum eingangs definierten Motto: „Die Sportpraxis ist Startund Ziellinie für die Trainingswissenschaft“. 1.2

Gegenstandsbereiche der Trainingswissenschaft

Die trainingswissenschaftlichen Adressaten- und Handlungsfelder sind vielfältig und umfassen unter anderem das Kindes- und Jugendalter (mit den Handlungsfeldern Schulsport, Talentforschung und Nachwuchsleistungssport), den Leistungssport mit seinen vielfältigen Handlungsfeldern sowie das mittlere und höhere Lebensalter (mit den Handlungsfeldern Freizeit-, Fitness- und Gesundheitssport sowie den Bereich der „Master-Athleten“ als Altersleistungssportler). Es ist unbestritten und evident, dass in jedem der aufgelisteten Adressaten- und Handlungsfelder (. Abb. 1.3) sehr spezifische Fragestellungen existieren und einen jeweils darauf ausgerichteten Forschungszugang erfordern (7 Kap. 10 und 11). Die Trainingswissenschaft ist zu einem wesentlichen Teil aus der leistungssportlichen Trainingsmethodik entstanden. Insofern ist es nachvollziehbar, dass der Leistungssport in der Vergangenheit das wichtigste Handlungsfeld der Trainingswissenschaft darstellte. Forschungsbemühungen fokussieren daher unter anderem auf eine Optimierung der Leistungssteuerung als  



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A. Ferrauti

Adressatengruppen und Handlungsfelder Kinder und Jugendliche Schulsport Talentforschung Nachwuchsleistungssport

Athleten im Hochleistungsalter Trainingsmethoden & -geräte Trainingswirkungsanalysen Individualisierung

mittleres/höheres Lebensalter Freizeit-/Fitnesssport Gesundheitssport Altersleistungssport

Gegenstandsbereiche Training und Trainingssteuerung Trainingsplanung, Trainingsinhalte & -methoden, Belastungsnormative, Monitoring, Regeneration

Leistung und Leistungsdiagnostik allgemeine & sportartspezifische Testverfahren, Testnormierung & Leistungsmodellierung

Wettkampf und Wettkampfoptimierung Beanspruchungsprofile, Wettkampfanalyse, Wettkampfsteuerung und Coaching, Regeneration

Themenschwerpunkte Athletik Training & Diagnostik von Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit & Ausdauer

Sportartspezifität Individualsportarten, Sportspiele (Mannschafts- & Rückschlagspiele), Zweikampfsport, Trendsport u.s.w.

Technik und Taktik Technikvermittlung, Techniktraining, Taktiktraining, Technik& Taktikanalyse

..      Abb. 1.3  Adressaten- und Handlungsfelder sowie Gegenstandsbereiche und ausgewählte dominante Themenfelder der Trainingswissenschaft

Synopse von Leistungsdiagnostik und Trainingsplanung (z.  B.  Entwicklung und Validierung neuer und sportartspezifischer Leistungstests) sowie auf die Überprüfung neuartiger oder spezieller Trainingsmethoden und Trainingsgeräte (z. B. das exzentrisch akzentuierte Krafttraining, der Einsatz von Vi­ brationen oder aktuell das Hypoxie- oder Okklusionstraining). Darüber hinaus stellen die langfristige Trainingswirkungsanalyse und die Individualisierung des Belastungs- und Erholungsmanagements große Herausforderungen dar. Es besteht Konsens darüber, dass im Hochleistungssport allgemeine technologische Regeln bei der Trainingsplanung und die Anwendung allgemeiner Trainingsprinzipien häufig versagen. Vor dem Hintergrund minimaler Leistungsreserven und der Gefahr einer chronischen Fehlbelastung muss diesem Umstand durch ein individuell ausgerichtetes Belastungs- und Erholungsmanagement begegnet werden. In diesem Zusammenhang beschreibt das Zauberwort „Monitoring“, auch unter Nutzung von technischen Unterstützungsgeräten (z.  B.  Wearables), ein

derzeit von der nationalen und internationalen Trainingswissenschaft intensiv bearbeitetes Forschungsfeld (u. a. Halson 2014). Durch die Öffnung des Trainingsbegriffs sind jedoch bedeutsame Handlungsfelder hinzugekommen. Exemplarisch soll an dieser Stelle auf das Training im Kindes- und Jugendalter, den Schulsport und den Freizeit- und Fitnesssport eingegangen werden. Im Kindes- und Jugendalter und dem dort stattfindenden Nachwuchstraining hat die unzureichende Grundlagenforschung zur Trainierbarkeit und Belastbarkeit von Kindern und Jugendlichen dazu geführt, dass überkommene Vorstellungen unkritisch und ungeprüft tradiert wurden. Aktuelle Forschungsergebnisse zum Krafttraining (Behm et al. 2017) unter anderem aus der KINGS-Studie (Krafttraining im Nachwuchsleistungssport) und aus unserer eigenen Arbeitsgruppe zum Ausdauertraining im Kindesalter (z. B. Kappenstein et al. 2013) belegen die Dringlichkeit einer weiteren trainingswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Thematik.

7 Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft

Auch die Zusammenarbeit von Trainingswissenschaft und Schulsport ist bis auf wenige Arbeiten unzureichend (Thienes 2008). Die komplizierte politische und ideologische Gemengelage und der schwierige Diskurs über die pädagogisch relevanten Zielsetzungen des Sportunterrichts, gepaart mit unzureichenden finanziellen Fördermöglichkeiten (ein unverzeihlicher Fehler der zuständigen politischen Entscheidungsträger), mögen dies vorrangig verursacht haben (Weber und Pieper 2006). xkurs: Konzentrationssteigerung durch E körperliche Aktivität Sofern Sie momentan vergeblich versuchen zu lernen und sich zu konzentrieren, gebe ich Ihnen einen Tipp: Treiben Sie 30 bis 45 Minuten intensiven Sport, welche Aktivität auch immer Sie bevorzugen. Wer kann sich nicht an die produktivsten Stunden im Mathematikunterricht erinnern? Ausgepowert und immer noch schwitzend nach Sportunterricht oder Pausenfußball saß man zunehmend entspannt an seinem Schultisch und die Differenzialrechnung wurde zum Kinderspiel. Ist es das, was die Psychologen als Flow-Erleben bezeichnen und welche physiologischen Ursachen stehen dahinter (Harmat et al. 2016)? Welche Dosis-­Wirkung-­ Beziehung existiert zwischen der Intensität einer vorgeschalteten Belastung und der nachfolgenden Konzentrationssteigerung (Galotta et al. 2012)? Sind diese Effekte abhängig vom Trainingszustand der Schüler? Viele Fragen, die trainingswissenschaftlich (und somit auch interdisziplinär) im schulischen Setting nach wie vor auf ihre umfassende Beantwortung warten. Nur eines ist klar: Die Sportstunde freitags am Ende des Schultages verfehlt ihre Wirkung auf den Mathematikunterricht!

Gemäß dem offenen Trainingsverständnis handelt es sich jedoch auch beim Schulsport um ein „reguläres“ Anwendungsfeld der Trainingswissenschaft. Denn insbesondere im Sportunterricht werden planmäßig und systematisch Inhalte realisiert, um Ziele im oder durch Sport zu erreichen, ohne gleichzeitig pädagogische Zielsetzungen und Perspektiven zu gefährden. Auch aus gesundheitlicher und gesundheitspolitischer

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Sicht sind eine Aufwertung trainingswissenschaftlicher Aspekte im Schulsport und eine angemessene didaktische Aufbereitung dringend erforderlich. Parallel hierzu vermittelbare Kompetenzen über eine gesunde und lebenslang aktive Lebensweise sowie über die biologischen Grundlagen von Bewegung und Training (einschließlich der Möglichkeiten zur Vorbeugung von Zivilisationserkrankungen) werden bislang von keinem anderen Fach im schulischen Fächerkanon thematisiert. Sie lassen sich jedoch in idealer Weise und unmittelbar praxisnah im Sportunterricht vermitteln und würden eine beachtliche gesellschaftliche Bildungslücke schließen (Weber und Pieper 2006). Schließlich sind auch die Transfereffekte des Schulsports auf die Qualität der Wissensvermittlung in den übrigen Fächern nicht zu vernachlässigen. Zahlreiche Befunde belegen den akuten Einfluss von körperlicher Aktivität auf die kognitive Leistungsfähigkeit im schulischen Setting (u.  a. Galotta et  al. 2012). Der Freizeit- und Fitnesssport ist ebenfalls ein bislang nur marginal durch die Trainingswissenschaft bearbeitetes Forschungsfeld (Ferrauti und Remmert 2006). Durch die Spezifität von Motiven, Alter und Trainingszustand der Aktiven sowie die besonderen sozialen und zeitlichen Rahmenbedingungen avanciert der Freizeitsport zu einem eigenständigen trainingswissenschaftlichen Forschungsbereich, dem trotz seiner hohen gesellschaftlichen Bedeutung bislang zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Freizeitsport gehört in den Aufgabenbereich der Bundesländer, eine Förderung und Systematisierung der Forschungsbemühungen findet auf Länderebene jedoch nur unzureichend statt. Folglich wird die Entwicklung des Freizeitsports bislang vorrangig durch Sportartikelhersteller gesteuert. Diese versuchen ihre Produkte und Methoden nach wirtschaftlichen und weniger nach funktionell trainingswissenschaftlichen Gesichtspunkten zu vermarkten. In der Folge begegnet der kritische Sportler, Trainer und Trainingswissenschaftler zahlreichen Mythen und naiven Theorien über die Effektivität von Trainingsmethoden. Lifestylemagazine, in denen sport-

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..      Abb. 1.4  Freizeitsportler bilden weltweit die mit Abstand größte Gruppierung an Sporttreibenden. Es lohnt ein Besuch der weltweit größten Metropolen des

Outdoor-Freizeitsports. Dies sind unter anderem New York (Central Park) und Paris (das Hippodrome im Bois de Boulogne)

und gesundheitsbezogene Themen populär und vielfach auch falsch dargeboten werden, gehören zu den erfolgreichsten Zeitschriftenneugründungen der vergangenen Jahre. Fatburning als Primärschlüssel für eine Neujustierung der Körperkomposition und die Vorgabe eines idealen Trainingspulses sind nur zwei Beispiele von Mythen, die ohne ausreichende Evaluation an den Freizeitsportler vermittelt werden. Aus trainingswissenschaftlicher Sicht besteht folglich auch für diesen weltweit in allen Metropolen quantitativ bedeutsamen Adressatenkreis der Freizeitsportler (. Abb.  1.4) ein erheblicher und dringlicher Nachholbedarf an seriöser Forschung mit angemessenen Untersuchungsansätzen und Fragestellungen, dem sich in diesem Buch das 7 Kap. 11 widmet. Die inhaltlichen Gegenstandsbereiche der Trainingswissenschaft (. Abb.  1.3) fokussieren im Wesentlichen auf drei Aspekte: Training und Trainingssteuerung (Trainingsprinzipien, Trainingsplanung, Trainingsinhalte und -methoden, Belastungsnormative, Monitoring, Individualisierung), Leistung und Leistungsdiagnostik (allgemeine und sportartspezifische Testverfahren und

Leistungsmodellierung) sowie Wettkampf und Wettkampfoptimierung (Beanspruchungsprofile, Wettkampfanalyse, Wettkampfsteuerung und Coaching). Terminologisch vergleichbare Auflistungen der Gegenstandsbereiche finden sich auch in der übrigen trainingswissenschaftlichen Literatur (u. a. Hohmann et  al. 2002; Schnabel et  al. 2008). Im vorliegenden Lehrbuch werden diese allgemeinen Gegenstandsbereiche in 7 Kap. 2 und 3 behandelt, sodass eine Vertiefung an dieser Stelle unterbleibt. Ein Schwerpunkt der trainingswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Aspekten Training und Trainingssteuerung bilden traditionsgemäß die konditionellen bzw. motorischen Hauptbeanspruchungsformen Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Ausdauer. Letztere stellt dabei zugleich auch eine Domäne in der sportmedizinischen Forschung dar. Das Training von Koordination und Technik wird ebenfalls von verschiedenen anderen Disziplinen intensiv bearbeitet (speziell von der Sportmotorik und der Sportbiomechanik). Der Bereich der Taktik besitzt enge Anknüpfungspunkte zur Sportpsychologie. Den in . Abb.  1.3 genannten Schwerpunktthemen











9 Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft

widmen sich ausführlich die 7 Kap.  4,  5,  6,  7 und 8 des vorliegenden Lehrbuchs. Ein weiteres wesentliches Merkmal trainingswissenschaftlichen Arbeitens besteht in der Sportartspezifität (. Abb.  1.3). In Kenntnis der erheblichen Unterschiede im Belastungs- und Beanspruchungsprofil verschiedener Sportarten und Sportartengruppen können praxisrelevante Schlussfolgerungen nur auf der Grundlage eines sportartspezifischen und somit ausreichend validen Forschungszugangs gewonnen werden (z.  B.  Individualsport versus Sportspiele versus Zweikampfsport). Hierdurch ist auch eine Schwerpunktsetzung hinsichtlich der vorzugsweise angewendeten Forschungsstrategien gegeben. Eine allumfassende sportartspezifische trainingswissenschaftliche Auseinandersetzung würde verständlicherweise den Rahmen dieses Lehrbuchs sprengen. Exemplarisch werden die Individualsportarten Schwimmen und Triathlon, die Mannschaftssportspiele Fußball, Volleyball und Basketball sowie das Rückschlagspiel Tennis behandelt (7 Kap. 12).  





1.3

Forschungsmethoden in der Trainingswissenschaft

Die Trainingswissenschaft setzt ein breites Spektrum an Forschungsstrategien ein, das primär Anwendungs- und Evaluationsforschung, seltener auch Grundlagenforschung, beinhaltet. Trainingswissenschaftliche Forschung findet somit üblicherweise in der Trainings- oder Wettkampfpraxis unter mehr oder weniger kontrollierten Feldbedingungen, mitunter auch unter

standardisierten Laborbedingungen, statt. Dabei kommen sowohl verhaltenswissenschaftliche als auch naturwissenschaftliche Methoden aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen zum Einsatz, soweit diese zur Klärung trainingswissenschaftlicher Fragestellungen geeignet sind. Im Einzelnen können unter anderem folgende Methoden bzw. ­Untersuchungsverfahren unterschieden werden: sportmethodische bzw. sportmotorische Tests, biomechanische, leistungsphysiologische und kognitive Messungen, standardisierte Wettkampf- und Spielbeobachtung, schriftliche Befragung und Interview, Trainingsdokumentation und Trainingsanalyse (Monitoring).

1.3.1

Grundlagenforschung

Hier besteht das Forschungsziel primär darin, vertieftes Hintergrundwissen für die Erklärung eines trainingspraktischen Phänomens zu generieren. Dies verlangt vielfach eine aufwendige Messtechnik und kann oft nur unter standardisierten Laborbedingungen und mit Unterstützung oder unter der Leitung von kooperierenden Forschern aus den Basis- oder Mutterwissenschaften umgesetzt werden. Der Vorteil von Grundlagenforschung besteht im detaillierteren Aufklärungswert, der Nachteil besteht unvermeidlich darin, dass die Untersuchungsbedingungen artifiziell verändert werden müssen und sich aus dem realen sportpraktischen Handlungsfeld entfernen (geringe externe Validität).

Beispiel: Grundlagenforschung Wir konnten in experimentellen Feldstudien mehrfach nachweisen, dass Kinder maximale Intervallsprintbelastungen ohne nennenswerte Leistungsverluste gut tolerieren. Über einfach strukturierte psychometrische Befragungen ergaben sich niedrige subjektiv empfundene Beanspruchungen. Im peripheren Kapillarblut waren die Blutlaktatkonzentrationen und die pH-Wertveränderungen deutlich geringer als bei Erwachsenen. Erst die Kooperation

1

mit dem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum in Köln ermöglichte im Labor mittels magnetresonanzspektroskopischer Untersuchung (31P-MRS) den Nachweis, dass Kinder einen geringeren Abfall an Kreatinphosphat (KP) in der Muskelzelle bei Belastungsbeginn und folglich eine raschere KP-Regeneration in der Intervallpause aufweisen, was unter anderem auf die raschere Sauerstoffkinetik zurückgeführt werden kann (. Abb. 1.5a).  

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a

b

..      Abb. 1.5  Zwei „Schnappschüsse“ aus Untersuchungen zum Training im Kindesalter, die a der Grundlagenforschung (links, im Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum Köln) bzw. b der

1.3.2

Anwendungsforschung

Die meisten trainingswissenschaftlichen Fragestellungen können der Anwendungsforschung zugeordnet werden. Es empfiehlt es sich, die Untersuchung angemessen im Praxisfeld anzukündigen, um die Rekrutierung geeigneter Probanden sicherzustellen (. Abb.  1.6). Das Ziel der Anwendungsforschung besteht darin, konkrete Handlungsanweisungen bzw. Leitlinien für die Trainingspraxis abzuleiten. Anwendungsforschung erfolgt im Normalfall unter Feldbedingungen, das heißt im realen und unveränderten sportpraktischen Handlungsfeld. Hierbei werden gewöhnlich experimentelle oder quasi-experimentelle Untersuchungsdesigns (je nach Zufälligkeit bei der Auswahl der Kontrollgruppe) eingesetzt, um die Effekte einer Intervention (z. B. Trainingsmethode oder auch Regenerationsintervention) zu überprüfen. Die Experimente werden in der Regel als Längsschnittstudie (mit mehreren Messzeitpunkten über einen mehr oder weniger langen Zeitraum) und unter Feldbedingungen (unter Aufrechterhaltung der realen Trainingssituation) durchgeführt. Dabei soll die Hypothese überprüft werden, ob die Intervention eine unabhängige Variable (z.  B. die Leistungsfähigkeit) beeinflussen kann (. Abb. 1.6). Dies kann sowohl im Kontrollgruppendesign (die Intervention erfolgt ausschließlich in einer  



Anwendungsforschung zuzuordnen sind (rechts, unsere Trainingsgruppen die „Runketen“ (rot) und die „Marathonis“ (gelb) im Rahmen der Run-KidsStudie)

Interventionsgruppe und nicht in einer Kontrollgruppe) oder im Cross-Over-Design (jeder Proband absolviert alle Interventionsbedingungen nacheinander mit dazwischengeschalteter Auswaschphase) erfolgen. Je länger der Interventionszeitraum andauert (z.  B. ein achtwöchiges Training), desto schwieriger wird ein Cross-Over Design im sportpraktischen Umfeld zu realisieren sein. Die Messung einmaliger Interventionen (z. B. die Erfassung der akuten bzw. kurzfristigen Reaktionen verschieden konzipierter Trainingseinheiten) ist hingegen fast zwingend an ein Cross-Over-Design gebunden. Dabei muss die Reihenfolge der verabreichten Trainingsinterventionen ausbalanciert werden, um Reihungsbzw. Gewöhnungseffekte zu vermeiden. Beispiel: Anwendungsforschung Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter wurden im Rahmen unserer Run-Kids-Studie randomisiert und parallelisiert in zwei Interventionsgruppen (Intervalltraining, IT oder variable Dauermethode, VD) und eine Kontrollgruppe (kein Training, KG) aufgeteilt. Sie absolvierten ein vierwöchiges Ausdauertraining mit zwei Trainingseinheiten pro Woche. Die Kinder der Gruppen IT und VD verbesserten sich in gleicher Weise gegenüber KG. Die Kinder empfanden IT jedoch interessanter und motivierender. Als Handlungsanweisung könnte ein regelmäßiges Intervalltraining (z. B. durch Staffelformen) in der Grundschule empfohlen werden (. Abb. 1.5b).  

11 Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft

1

..      Abb. 1.6  Beispiel für die Ausschreibung eines Projekts aus dem Bereich der Anwendungsforschung

Für Fragestellungen, die einen grundsätzlichen trainingswissenschaftlich relevanten Zusammenhang aufklären sollen (z.  B. zwischen Alter, Spielposition und Leistungsfähigkeit im Basketball) eignen sich Querschnittuntersuchungen, bei denen zum gleichen Zeitpunkt unterschiedliche Personen(-gruppen) in großen repräsentativen Stichproben untersucht werden. Hierbei wird eine empirische Untersuchung (z. B. eine Befragung oder ein Leistungstest) gewöhnlich nur einmalig durchgeführt und die Ergebnisse sowohl inferenzstatistisch (z. B. Unterschiede zwischen unterschiedlichen Jahrgängen oder Spielpositionen) als auch korrelationsstatistisch (z.  B.  Zusammenhang zwischen Sprunghöhe und Sprintleistung) ausgewertet. Querschnittstudien sind nicht eindeutig der Anwendungs- oder Evaluationsforschung zuzuordnen. Umfangreiche flächendeckende Querschnittuntersuchungen wurden in unserer Arbeitsgruppe speziell mit Nachwuchsspielern des Deutschen Basketball Bundes (DBB) und des

..      Abb. 1.7  Cover einer Broschüre zur Talentförderung im Deutschen Basketball Bund (DBB) als Ergebnis eines langjährigen Projekts, gefördert vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp, Fördernr. IIA1-080703/06-11). Die Empfehlungen basieren unter anderem auf umfangreichen Querschnittuntersuchungen. Beispielsweise wurden in ganz Deutschland die Leistungen in sportmotorischen Tests (z. B. im Jump-and-Reach-Test) in Abhängigkeit von Jahrgang, Geschlecht, Altersklasse, und Spielposition erhoben. Diese repräsentativen Normprofile bieten wichtige Orientierungen und können zur Individualbeurteilung aber auch zur Ableitung grundsätzlicher Anforderungen an verschiedene Spielpositionen genutzt werden (Stadtmann 2013)

Deutschen Tennis Bundes (DTB) durchgeführt und werden im Zusammenhang mit dem Thema Leistungssteuerung (7 Kap. 3) im Detail beschrieben (. Abb. 1.7).  



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A. Ferrauti

1.3.3

Evaluationsforschung

Im Hochleistungssport versagen fast alle gängigen Untersuchungsdesigns, da normalerweise keine Stichprobengröße mit ausreichender statistischer Power und Homogenität realisiert werden kann. Ferner ist ein Kontrollgruppen- oder gar Doppelblindversuchsdesign ethisch nicht zu rechtfertigen, wenn es um die Verabreichung einer erfolgversprechenden Intervention geht. Schließlich schränken individuelle Besonderheiten im gesamten Trainingsumfeld sowie in der Toleranz und im Antwortverhalten auf eine definierte Intervention (Response) die Übertragbarkeit allgemeiner Handlungsempfehlungen ein. Dies gilt erst recht, wenn diese an Athletengruppen geringerer Expertise evaluiert wurden. Die grundsätzlichen Qualitätskriterien an experimentelle Rahmenbedingungen wie beispielsweise die Standardisierung der Umgebungsbedingungen werden von Topathleten normalerweise nicht erfüllt und widersprechen auch den notwendigen Anforderungen des leistungssportlichen Umfelds. Die vielfältigen Ansätze der Evaluationsforschung (Hohmann et al. 2002, S. 34) bieten angesichts dieser Problematik einen möglichen alternativen trainingswissenschaftlichen Zugang. Grundsätzlich versuchen diese Ansätze, Ergebnisse systematisch unter einer bestimmten Fragestellung zu dokumentieren, zu beschreiben und in ihrem Gesamtzusammenhang zu interpretieren. Dies kann aufgrund der oben beschriebenen Stichprobenproblematik im Hochleistungssport auch als Einzelfallanalyse erfolgen. Im Sinne einer Panel-Un-

tersuchung als Sonderform der klassischen Längsschnittuntersuchung werden in diesem Rahmen mehrere Athleten bei zahlreichen Messzeitpunkten über einen längeren Zeitraum (Trainingszyklus) individuell erfasst. Aktuelle Ansätze basieren beispielsweise auf einer engmaschigen individuellen Dokumentation von Trainingsinput (External Training Load), der daraus resultierenden körperlichen Beanspruchung (Internal Training Load) sowie der Entwicklung des Leistungsoutputs (Performance). Die resultierenden einzelfallbezogenen Zeitreihen können durch informatische Modellierung (vgl. hierzu das antagonistische Modell „PerPot DoMo“ nach Pfeiffer (2008)) zum grundsätzlichen Verständnis der individuellen Abhängigkeit von Trainingsinput und Leistungsentwicklung beitragen. Andere Ansätze versuchen die Daten unmittelbar für die Trainingssteuerung zu nutzen, indem „behandlungsbedürftige“ Auffälligkeiten univariat (alleinige Betrachtung eines wichtigen Parameters) oder multivariat (gleichzeitige Betrachtung mehrerer Parameter) identifiziert und zur Neujustierung des Trainings genutzt werden (z. B. Hecksteden et al. 2015). Die großen Herausforderungen bestehen hierbei: 55 in der Festlegung aussagekräftiger Parameter (. Abb. 1.8), 55 in der statistisch abgesicherten Identifikation von relevanten Datenveränderungen gegenüber einem zufallsbedingten Artefakt und 55 in der multivariaten Interpretation verschiedener Parameter unterschiedlicher methodischer Herkunft (z. B. psychometrische Daten und Blutmarker).  

Beispiel: Evaluationsforschung Ein Badmintonnationalspieler klagt am Wochenende nach intensiven Mikrozyklen während der Vorbereitung auf ein internationales Turnier über erhebliche Muskelbeschwerden (Anstieg auf der Schmerzskala um mehr als 50 % gegenüber seines Baselinewertes). Ein Blick auf die Konzentration der Kreatinkinase im Blut (CK) als Marker für muskuläre Schäden zeigt einen ebenfalls erheblichen Anstieg. Auch die Sprungleistung im Counter Movement

Jump (CMJ) ist um über 10 Prozent von 50 cm auf 44 cm reduziert und die submaximal abgeleitete Herzfrequenz ist deutlich verringert (. Abb. 1.8). Ein derartig eindeutiger Befund bezogen auf alle Parameter erfordert unbedingt die Schonung des Spielers und den Einsatz regenerativer Maßnahmen am Wochenende. Schwieriger wird die Interpretation, wenn jeweils zwei der genannten Indizien in unterschiedlicher Weise reagieren.  

1

13 Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft

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post Recovery post Training

170

160 155

20 18 16 14 12 10 8 6

150 145 140 135 1

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22

29

RPE (6–20)

HRex (bpm)

165

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Days ..      Abb. 1.8  Individualverlauf der submaximalen Herzfrequenz (HRex) eines Badmintonspielers aus dem A-Kader des Deutschen Badminton Verbandes (DBV) im Verlauf mehrerer Wochen. Die Messungen wurden bei standardisierter Laufgeschwindigkeit während des Warm-up zum Training entweder montags nach einer Erholungsphase am Wochenende (post Recovery, weiß) oder am Ende einer in-

Als Grundvoraussetzung muss zunächst eine statistisch abgesicherte individuelle Baseline (z. B. Mittelwert und Streuung unter Ruhebedingungen) für jeden Parameter bestimmt werden. 1.3.4

Trainingswissenschaft und Ethik

Trainingswissenschaftliche Untersuchungen müssen selbstverständlich von einem unabhängigen Gremium auf ihre ethische Unbedenklichkeit geprüft werden. Hierzu existieren an den sportwissenschaftlichen Einrichtungen bzw. in deren Umfeld gewöhnlich Ethikkommissionen, die das verschriftliche Forschungsvorhaben nach Antragstellung gemäß einem vorgegebenen Kriterienkatalog prüfen. Als Grundlage ihrer Beurteilung zieht die Kommission die ethischen Richtlinien der einschlägigen Fachvereinigungen heran. Hierzu liegen auch von Seiten der dvs grundsätzliche Leitli-

tensiven Trainingswoche am Freitag (post Training, blau) erhoben. Der jeweils wechselnde Verlauf zeigt, dass der Abfall der submaximalen Herzfrequenz am Ende der Woche als Indikator für eine Überlastung gewertet werden kann. Gleichzeitig deutet der im Trend feststellbare Abfall auf eine Leistungssteigerung über mehrere Trainingswochen hin (Schneider et al. 2018).

nien des Ethik-Rates vor. Die Fakultät für Sportwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum verfügt über eine eigens eingerichtete Ethikkommission. 1.3.5

Kommunikation trainingswissenschaftlicher Ergebnisse

Trainingswissenschaftliche Forschungsergebnisse müssen stets in zwei Richtungen kommuniziert werden: zur Sportpraxis und zur Sportwissenschaft. Für die Kommunikation zur Sportpraxis eignen sich unter anderem Traineraus- und -fortbildungen sowie die kompakte Verschriftlichung der relevanten Erkenntnisse in Broschüren oder Handreichungen bzw. sportpraktisch orientierte Lehrbücher (u. a. Weineck 1999; Ferrauti et al. 2016). Auch die seit 1970 im Philippka-Sportverlag herausgegebene Zeitschrift Leistungssport kann als etablierte und wertvolle Informationsquelle herangezogen werden.

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Die Kommunikation innerhalb der Trainingswissenschaft kann im heutigen Zeitalter der Globalisierung nur international und gewöhnlich unter Nutzung von wissenschaftlichen Zeitschriften in englischer Sprache erfolgen. Diese sind auch für Studierende im Fach Sportwissenschaft neben den klassischen Lehrbüchern bereits frühzeitig im Studienverlauf als zusätzliche Informationsquelle unverzichtbar. Studierenden kann somit der Besuch der gängigen Internetplattformen zur Recherche von Veröffentlichungen in Fachzeitschriften empfohlen werden (unter anderem die Datenbank PubMed). Von der Vielzahl an trainingswissenschaftlich orientierten Zeitschriften sollen an dieser Stelle nur einige Erwähnung finden wie das Journal of Sport Sciences, das European Journal of Sport Science (Zeitschrift des European College of Sport Science), die Zeitschriften Medicine and Science in Sport and Exercise und das International Journal of Sports Physiology and Performance. Als junge, aber bereits etablierte Open Access-Zeitschrift sei auf PLoS One hingewiesen. Für allgemein ausgerichtete Übersichtsartikel (Reviews) bzw. Metaanalysen führt kein Weg an der Zeitschrift Sports Medicine vorbei. Auch in Deutschland wurde der zunehmenden Internationalisierung Rechnung getragen, sodass die Zeitschrift Sportwissenschaft seit 2017 als German Journal of Exercise and Sport Research zunehmend in englischer Sprache herausgegeben wird. 1.4

Paradigmenwechsel durch Trainingswissenschaft

In den vergangenen Dekaden ermöglichten trainingswissenschaftliche Erkenntnisse eine Absicherung, Veränderung oder gar vollständige Neujustierung von Trainingsgewohnheiten in der Praxis. Nicht immer erfolgte der Primäranstoß aus der Trainingswissenschaft heraus. In vielen Fällen wurden bereits bestehende Erfahrungen und Gewohnheiten aus der Sportpraxis einer nachträglichen Evaluierung zugeführt. Auch dieser Weg besitzt seine Legitimation, da hierdurch das bestehende Verhalten besser ab-

gesichert, begründet und dadurch mit höherer Überzeugung aufrechterhalten werden kann. In einigen Fällen waren jedoch auch Umwege erforderlich, sodass in Zukunft sicher noch mit weiteren überraschenden Wendungen zu rechnen sein wird. Dies soll im Folgenden anhand von drei Beispielen verdeutlicht werden. zz Dynamisches versus statisches Dehnen

Noch heute trifft man während der Wintermonate rüstige Rentner im südeuropäischen Ausland, die morgens am Strand ruckartig und synchron die gestreckten Arme nach hinten beschleunigen. Diese Form der „Schwung- bzw. Zerrgymnastik“ war spätestens Mitte der 1980erJahre strengstens verboten und wurde durch das sanfte Stretching bzw. die Funktionsgymnastik abgelöst. Als Begründung diente das Wissen um neuromuskuläre Zusammenhänge, insbesondere die Wirkung des Dehnungsreflexes, der der angestrebten Muskelverlängerung widerspräche (u. a. Knebel et al. 1994). Insbesondere die Wuppertaler Arbeitsgruppe um Wiemann und Klee (2000) konnte aufgrund molekularbiologischer Erkenntnisse zum Muskelgewebe und ihrer kreativen Experimente belegen, dass sich der Muskel nicht nennenswert verlängern kann und dynamische und statische Dehnmethoden eine identische Steigerung des Bewegungsumfangs ermöglichen. Es folgte die „Wiedergeburt“ des dynamischen Dehnens, zumal das statische Dehnen nachweislich die Schnellkraft verringert (Hennig und Podzielny 1994). Heute ist jedoch bekannt, dass dieser passagere leistungsmindernde Effekt nicht für alle Sportarten von Relevanz ist, sodass sportartspezifisch und je nach individuellen Bedürfnissen unterschiedlich akzentuierte und kombinierte Dehnprogramme empfohlen werden (Remmert 2006; 7 Kap. 6).  

 xtensive Dauermethode versus Highzz E Intensity-­Interval-Training

Bereits eingangs wurde auf die Meisterlehre Gerschlers zum Intervalltraining hingewiesen (Gerschler 1939). Insbesondere im Fußball mehrten sich in der Nachkriegszeit Protagonisten, die ein hochintensives Intervalltraining nicht zuletzt mit dem Ziel der Disziplinierung ihrer Spieler

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15 Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft

..      Abb. 1.9 Theorie der adaptationsmindernden Regeneration. Orange = gesunde, geschädigte oder adaptierte Muskelzelle, roter Blitz = Trainingsreiz, blaue Tonne = Regeneration

bessere Regeneration + Regeneration versus stärkere Adaptation – Regeneration

einsetzten. Dabei ignorierten sie das Beanspruchungsprofil und die üblichen Belastungs- und Pausenzeiten des Wettspiels sowie die Regenerationsbedürftigkeit der Spieler komplett. Anfang der 1990er-Jahre kehrte sich vor dem Hintergrund der primär deutschen Laktatschwellendiskussion diese Lehrweise diametral um, und es mehrten sich Trainingsempfehlungen aus dem Langstreckenlauf. Fußballspielern wurde im Rahmen der Saisonvorbereitung in den ersten vier Wochen die extensive Dauermethode empfohlen (Bisanz 1985). Die Zweifel an der Wirksamkeit dieser Maßnahme blieben in der Sportpraxis bestehen, und die Umsetzung erfolgte nie mit der in der Theorie geforderten Konsequenz, bis das Intervall­ training als High-Intensity-­ Interval-­Training (HIIT) im neuen Jahrtausend „wiedergeboren“, intelligenter und spielnäher interpretiert sowie mit den zugrundeliegenden physiologischen Anpassungsmechanismen bes­ ser begründet werden konnte (Wahl et al. 2010). Aktuell ist jedoch auch hier vor einer zu großen HIIT-Euphorie zu warnen. Zum langfristigen Leistungsaufbau, in speziellen Einzelfällen (z. B. nach längerer Verletzungspause oder bei Spielern mit spezifischen Defiziten oder besonderen taktischen Aufgaben) und aus regenerativen Gründen zu definierten Zeitpunkten im Mikrozyklus besitzt die extensive Dauermethode selbstverständlich ihre Rechtfertigung. An dieser Stelle erscheint deshalb ein individuell abgestimmter Methodenmix gerechtfertigt. zz Regeneration versus Nachwirkungseffekt

War es nicht seit jeher unbestritten, dass man sich nach einem intensiven Training oder

Wettkampf ausläuft, um rasch zu regenerieren? Aktuell wird dies vor dem Hintergrund kontrovers diskutiert, ob die entscheidenden adaptationsauslösenden molekularen und zellbiologischen Mechanismen die durch das Training ausgelöste Heterostase möglichst lange benötigen, um sich maximal zu entfalten (Hunt et al. 2008). Würde sich demnach, wie in . Abb. 1.9 dargestellt, ohne diese Form der Regeneration ein besserer Trainingseffekt einstellen? Andererseits könnte man im Auslaufen noch einen zusätzlichen aeroben Trainingsreiz sehen oder die seit jeher erwartete raschere Wiederherstellung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Unsere bisherigen Befunde zur akuten Wirksamkeit von aktiver Erholung oder auch anderen in der Praxis bewährten Regenerationsinterventionen sind allerdings insgesamt nicht überzeugend. Eine langfristig bessere Trainingswirkung konnte jedoch ebenfalls nicht eindeutig nachgewiesen werden (Meyer et  al. 2016). Folglich bleibt momentan noch offen, ob beispielsweise der Zeitpunkt der Regenerationsmaßnahme über ihre Rechtfertigung entscheidet. Dies könnte bedeuten: Ja, zur raschen Wiederherstellung im Turnierverlauf, aber Nein, zur Optimierung der Trainingswirkung. Die Beispiele für Paradigmenwechsel ließen sich weiter fortführen. Nur exemplarisch soll auf die Diskussion zwischen Einsatz- und Mehrsatztraining im Krafttraining (Remmert et  al. 2005) sowie zwischen Erholung und Vorbelastung im Technikanwendungstraining (Olivier 1996) hingewiesen werden. In allen Fällen lieferten trainingswissenschaftliche Untersuchungen einen wertvollen Erkenntnisfortschritt.  

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1.5

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Trainingswissenschaft im Zeitalter von Digitalisierung und Pandemie

Gesellschaftliche Veränderungen erfordern mit rasender Geschwindigkeit auch von der Trainingswissenschaft Antworten auf stetig neue Herausforderungen. Aus der Kombination einer fortschreitenden Digitalisierung und den daraus entstehenden Möglichkeiten für Trainingssteuerung und Trainingsdurchführung sowie den spätestens seit 2020 erlebten Einschränkungen während der COVID-19 Pandemie ergeben sich neue trainingswissenschaftliche Aufgabenbereiche. zz Datenmanagement und Datenanalyse

Die zunehmende Messwertdichte basierend auf stetig neuartigen Erfassungssystemen (z.  B.  Wearables) erfordert wissenschaftlich validierte Kenntnisse über eine funktionsgerechte Datentransformation und -interpretation für die Trainingssteuerung in Freizeit-, Gesundheits- und Leistungssport. Digitalisierte Handlungsanweisungen werden aus rein marktwirtschaftlichen Gründen häufig unzureichend geprüft an den Sportler herangetragen. Sogenannte Fitness-Tracker werden bereits von einem Großteil der Bevölkerung verwendet. Apps überwachen das Training und bieten Anreize für soziale Leistungsvergleiche. Trotz des hohen Marktpotentials für die Nutzung dieser digitalen Medien zur Trainingssteuerung fehlt es jedoch an ausreichender Forschung zur Qualität der damit verknüpften Dienstleistungen, so dass auch Trainingsfehler bis hin zu gesundheitsschädlichen Konsequenzen befürchtet werden können. Hier mag auch ein Zukunftsmarkt für gut ausgebildete Trainingswissenschaftler liegen, in dem diese durch eine intelligente Datenauswertung und Fernbetreuung die automatisierten Abläufe kompetent und individuell angemessen feinsteuern (Stichworte „E-Health“ und „Sports Analytics“). Es ist davon auszugehen, dass algorithmi-

sche Lösungen vorerst nicht die Qualität der menschlichen Expertise erreichen. Auch das Monitoring (Überwachung) von Belastungsund Erholungsreaktionen im Leistungssport beinhaltet eine Reihe von Qualitätsansprüchen an Sensitivität und Spezifität der verwendeten Marker sowie an Datenerhebung und –verarbeitung, so dass Athletinnen und Athleten vor der Verwendung von unseriösen Technologien geschützt werden müssen. Speziell die Unterscheidung zwischen zufälligen und „behandlungsbedürftigen“ Veränderungen („meaningful changes“) von Parametern ist ohne fundierte Kenntnisse schwer zu treffen. Hieraus ergibt sich als eine der Zukunftsaufgaben der Trainingswissenschaft, die Veränderungen und Angebote der digitalen Welt kritisch zu prüfen und für Sportlerinnen und Sportler aller gesellschaftlichen Handlungsfelder bestmöglich weiterzuentwickeln (7 Abschn. 3.5).  

zz Training und Pandemie

Soziale Einschränkungen bis hin zum vollständigen Lock-Down treffen den Leistungssport erheblich. Leistungssportlerinnen und Leistungssportler von Sportarten, die auf ihre Trainingsstätten wie Schwimmbäder oder Sporthallen angewiesen sind, müssen intelligente Alternativen für die Trainingssteuerung finden. In vielen Individualsportarten bleibt nur die Möglichkeit sich auf solche Trainingsinhalte zu konzentrieren, die in Eigeninitiative im häuslichen Umfeld oder im Gelände umgesetzt werden können. Hierbei sind athletische oder präventiv wirksame Aspekte sowie spezielle individuelle Defizite zu berücksichtigen, die im normalen Trainingsalltag zu kurz kommen. Trotz allem ist ein Verlust an Trainingsqualität unumgänglich und eine Periodisierung nur bedingt möglich. Für die Trainingswissenschaft besteht eine neue Herausforderung darin, sportartspezifisch maßgeschneiderte digitalisiert vermittelte Heimtrainingsprogramme zu konzipieren und evaluieren. Speziell im Freizeit- und Gesund-

17 Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft

heitssport aber auch im Schulsport können soziale Einschränkungen durch angemessene Trainingsprogramme sinnvoll überbrückt werden. Die bereits online bestehenden Trainingsprogramme sind in Zeiten von Home-Office und School@home kritisch zu prüfen, denn deren Qualität variiert sehr. Auch im Leistungssport existieren bereits motivierende Anwendungen (Rollentrainer mit Softwareanbindung zur virtuellen Teilnahme an Gruppenfahrten und Wettkämpfen gegen international renom-

1

mierte Athleten). Auch diese Anwendungen sind hinsichtlich der abgeleiteten Leistungsdaten und der Vergleichbarkeit zum gewöhnlichen Training zu evaluieren. Die Erfahrungen im Zusammenhang mit COVID-19 haben insgesamt gezeigt, dass in Zeiten der Öffnung des sozialen Lebens die dringende Notwendigkeit besteht, zumindest prophylaktisch an der Weiterentwicklung zumeist digital basierter Worst-Case Szenarien zu forschen.

18

1

1.6

A. Ferrauti

Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels

1. Reflektieren Sie Aufgaben und Ziele der Trainingswissenschaft durch einen Besuch auf der Homepage der dvs-Sektion (7 www.­dvs-trainingswissenschaft.­de) und durch die Lektüre von Lames et al. (2013). 2. Formulieren Sie eine trainingswissenschaftliche Fragestellung, die Sie später einmal im Rahmen ihrer Bachelorarbeit interessieren könnte. Beschreiben Sie eine zur Beantwortung geeignete Forschungsstrategie und ein mögliches Untersuchungsdesign. 3. Überprüfen Sie in einem kleinen Experiment, welche Auswirkungen eine aktive Pause mit unterschiedlicher Intensität auf Ihr anschließendes Wohlbefinden und Ihre kognitive Leistungsfähigkeit besitzt und beschreiben Sie die Ergebnisse in einem einseitigen Abstract (150 Wörter).  

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19 Aufgaben und Inhalte der Trainingswissenschaft

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21

Grundlagenwissen zum sportlichen Training Alexander Ferrauti und Hubert Remmert 2.1

Trainingscharakteristika und Trainingsqualität – 23

2.1.1 2.1.2 2.1.3

T rainingsziele – 25 Trainingssystematik und Planmäßigkeit – 26 Trainingsinhalte, Trainingsmethoden und Trainingsmittel – 28

2.2

Bedeutung der Belastungsnormative – 29

2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6

 elastungsintensität (Reizintensität, Reizhöhe, Reizstärke) – 29 B Belastungsdauer (Reizdauer) – 30 Erholungsdauer und Belastungsdichte (Reizdichte) – 31 Belastungshäufigkeit und Belastungsumfang – 32 Belastungsqualität (Ausführungsqualität) – 33 Bedeutung der Belastungsnormative aus metabolisch-muskulärer Sicht – 33 Bedeutung der Belastungsnormative aus technisch-­ koordinativer Sicht – 35

2.2.7

2.3

Trainingsprinzipien und Trainingswirksamkeit – 36

2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.3.7 2.3.8

L eistungs-, alters- und geschlechtsspezifische Belastung – 38 Wettkampfspezifische Belastung – 39 Rechtzeitige und zunehmende Spezialisierung – 39 Systematische Trainingssteuerung – 41 Individualisierte Belastung und Belastungssteuerung – 42 Trainingsplanung durch Periodisierung und Zyklisierung – 42 Optimale Relation von Belastung und Erholung – 44 Wechselnde, variierende und ansteigende Belastung – 45

Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_2. Die Videos lassen sich mit Hilfe der SN More Media App abspielen, wenn Sie die gekennzeichneten Abbildungen mit der App scannen. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_2

2

2.3.9 2.3.10

 elastungsfolge innerhalb der Trainingseinheit – 46 B Trainingswirksamer Reiz – 49

2.4

Anpassungsprozesse durch Training – 51

2.4.1 2.4.2 2.4.3

 as Homöostase-Prinzip und die Reizstufenregel – 52 D Antagonistische Modelle der Anpassung durch Training – 53 Komplexe und synergetische Konzepte der Anpassung durch Training – 54 Strukturelle Anpassungen durch Training – 56 Metastrukturelle Anpassungen durch Training – 59 Das Übertrainingssyndrom als Fehlanpassung durch Training – 60

2.4.4 2.4.5 2.4.6

2.5

Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels – 62 Literatur – 62

23 Grundlagenwissen zum sportlichen Training

Gartenarbeit und Schneeschippen sind kein Training! Trotz eines nennenswerten kalorischen Umsatzes wird hier kein definiertes Trainingsziel verfolgt (sagen Sie das ihren Eltern, wenn man versucht, Sie mit diesem Argument dazu zu überreden).

Zusammenfassung Der Trainingsbegriff erscheint trivial. Eine inhaltliche Präzisierung des Gegenstandes ist jedoch notwendig, zumal der Trainerberuf hierdurch seine gesellschaftliche Legitimation erfährt. Im Sinne einer sehr offenen Auslegung findet Training im Kontext von Bewegung und Sport in zahlreichen Anwendungsfeldern statt. Diese schließen neben dem Leistungssport auch den Freizeit-, Gesundheits- und Rehabilitationssport sowie den Vorschul- und Schulsport ein. Training verfolgt stets ein definiertes Ziel, wobei dieses sehr vielfältig sein kann. Neben einer Leistungssteigerung kann es den Leistungserhalt, die Reduktion eines Leistungsverlustes im Altersgang, die kontrollierte Leistungsreduktion nach Beendigung einer Spitzensportkarriere sowie leistungsunabhängige Zielsetzungen wie Gewichtsreduktion oder Wohlbefinden beinhalten. Zum Erreichen definierter Trainingsziele sind konkrete Trainingsinhalte und -methoden erforderlich. Die zu deren Realisierung definierten Belastungsnormative müssen für jedes Trainingsziel sorgfältig ausgewählt werden, um eine ausreichende Trainingsqualität und somit die erwünschte Trainingswirksamkeit sicherzustellen. Allgemeine Trainingsprinzipien bieten zusätzlich hilfreiche Orientierungen. Die durch Training ausgelösten Anpassungsprozesse (Adaptationen) sind komplexe Phänomene, die auf verschiedenen Funktionsebenen des menschlichen Organismus ablaufen. Fehlsteuerungen in der Trainings- und Wettkampfplanung können auch mit Fehlanpassungen (Übertrainingssyndrom) einhergehen. Folglich ist speziell im Leistungssport stets eine systematische (Orientierung der Inhalte an Außenkriterien) und planmäßige (Einordnung der Inhalte in einen zeitlichen Gesamtkontext) Vorgehensweise einzufordern.

2

2.1  Trainingscharakteristika und

Trainingsqualität

Der Begriff des sportlichen Trainings war ursprünglich nur auf den Leistungssport bezogen. Die in 7 Kap. 1 beschriebenen vielfältigen Gegenstandsfelder der Trainingswissenschaft in der heutigen Gesellschaft erfordern jedoch eine Öffnung des Trainingsbegriffes (Hohmann et al. 2002). Demnach beginnt Training bereits in der Kindertagesstätte durch die systematische Vermittlung vielfältiger Bewegungsangebote und wird im Idealfall während der Schulzeit anhand von klar definierten Zielsetzungen durch den Sportlehrer fortgesetzt (z.  B. halbjährlich den Schülern und Eltern gegenüber kommuniziert). Training dient selbstverständlich auch der Leistungsoptimierung im Sportverein, allerdings nicht nur unter leistungs-, sondern auch unter breiten- und gesundheitssportlichen Zielsetzungen. Zahlreiche pros­ pektive epidemiologische Untersuchungen erkannten schon frühzeitig die gesundheitserhaltende und -wiederherstellende Wirkung des sportlichen Trainings im mittleren und höheren Lebensalter (u. a. Paffenbarger und Olson 1996, . Abb. 2.1). Offenbar kann lebenslanges körperliches Training den Bewegungsmangel unserer Zivilisationsgesellschaft kompensieren und den phylogenetischen Anforderungen unseres – von körperlich deutlich aktiveren Vorfahren – überlieferten Erbguts entsprechen. Wildor Hollmann, einer der renommiertesten nationalen und internationalen Sportmediziner, belegte schon in den 1970er-Jahren, dass regelmäßiges Training den altersbedingten Leistungsverlust stabilisieren bzw. zumindest reduzieren kann. Dies führte zur Prägung der Formel: „Durch ein geeignetes körperliches Training gelingt es, 20 Jahre lang 40 Jahre alt zu bleiben“ (Hollmann und Strüder 2009). Hohmann et al. (2002) proklamieren daher: „Training ist offen für alle, vom Anfänger über den Fortgeschrittenen bis zum Spitzensportler, vom Schüler über den Jugendlichen, den Aktiven bis  



2

A. Ferrauti und H. Remmert

..      Abb. 2.1 Plateauförmiger Verlauf der Vitalitätskurve im Altersgang durch regelmäßiges körperliches Training. Der stetige Vitalitätsverlust bereits jenseits des 35. Lebensjahres kann vermieden werden (modifiziert nach Paffenbarger und Olson 1996). Der dargestellte Läufer ist 81 Jahre alt und gehört zu den Schnellsten seiner Altersklasse (Ü 80) in NRW

Rectangularizing the Life Curve

ideal Vitalität

24

typisch

35

45

55

zum Alterssportler, für den, der seine Leistung steigern, für den, der seine Fitness erhalten, aber auch für den, der sie wiederherstellen will“. Der Trainingsbegriff wird von den verschiedenen sportwissenschaftlichen Disziplinen unterschiedlich ausgelegt. Medizinisch-naturwissenschaftlich handelt es sich um die „systematische Wiederholung überschwelliger Muskelanspannungen mit morphologischen und funktionellen Anpassungserscheinungen zum Zwecke der Leistungssteigerung“ (Hollmann und Hettinger 1976). Hohmann et  al. (2002) favorisieren eine umfassendere Sichtweise, die auch technisch-koordinative, kognitiv-affektive, taktische und charakterliche Merkmale einschließt. Im sozialen Kontext ist Training normalerweise eingebunden in eine enge Trainer-Athlet-Beziehung, sodass dem Trainerhandeln im Rahmen des Coachings über die Organisation des Trainings hinausgehend eine komplexere, auch stark pädagogische Aufgabe zukommt (Borggrefe et al. 2006). Training Training ist die Realisierung von Maßnahmen (Trainingsinhalte und -methoden) im Kontext von Sport und Bewegung zur kurz-, mittel- und langfristigen Erreichung definierter Trainingsziele. Diese Maßnahmen sollten im Leistungssport stets systematisch und planmäßig erfolgen (modifiziert nach Hohmann et al. 2002).

Alter

65

75

85

Die Definition des Trainingsbegriffs verdeutlicht die Komplexität des Handlungsfeldes eines Trainers, und es wird deutlich, dass zur Sicherstellung einer hohen Trainingsqualität eine Vielzahl an strukturellen Voraussetzungen erfüllt werden muss. Das dargestellte Baukastensystem soll für den unerfahrenen Coach als Hilfe dienen, um keine dieser Qualitätsmerkmale im Planungsprozess zu übersehen (. Abb. 2.2). Im Zentrum steht hierbei die Definition eines angemessenen Trainingsziels. Dieses sollte in Abhängigkeit von grundsätzlichen systematischen Überlegungen (z. B. eines leistungsdiagnostisch festgestellten Defizits in einer wichtigen Leistungskomponente) sowie basierend auf einem zeitlich überdauernden Gesamtkonzept (z. B. Passung zur Periodisierung im Jahresplan) definiert werden. Hierbei darf der Trainer jedoch keinesfalls auf einer starren Zielerfüllung beharren, sondern sollte stets zusätzliche aktuelle und individuelle Befindlichkeiten des Athleten bei der Festlegung bzw. Nuancierung des Trainingsziels berücksichtigen. Erst jetzt gilt es, eine angemessene Auswahl der Trainingsinhalte vorzunehmen. Hierunter versteht man im einfachsten Fall die konkreten Übungs- oder Trainingsformen, die zur „Verabreichung“ verwendeten allgemeinen Trainingsmethoden (z. B. Wiederholungsmethode) sowie die Auflistung der notwendigen Trainingsmittel zur konkreten Umsetzung in der  

25 Grundlagenwissen zum sportlichen Training

2

..      Abb. 2.2  Baukasten mit den Determinanten einer hohen Trainingsqualität pl sy an ste m m in äß at ei ige isc ko n G Ei he nz es nb un ep am et d t t- tun g

r ne ei e em i lg ow r al s le g ien el u n p du ig zi ivi ten ht rin nd ei ) sic sp , i hk ng ck ng ler lic ri rü ini el nd ito Be Tra ktu Befi on a (M

er e n l d alt de l) ah inh ho tte sw gs et mi Au inin gsm ngs a n i Tr ini ain ra Tr ( T nd u

Praxis (z. B. materielle Hilfsmittel wie Stoppuhr oder Pylonen). Schließlich sollte der Festlegung der Belastungsnormative (z.  B.  Belastungsintensität, Belastungsdauer und Erholungsdauer) unter Berücksichtigung des Trainingsziels ein besonderes Augenmerk gewidmet werden (. Abb. 2.2). Selbstverständlich sind neben den genannten strukturellen Komponenten einer hohen Trainingsqualität stets auch personenbezogene kommunikative und affektive Aspekte bei der erfolgreichen Realisierung in der Trainingspraxis erforderlich (u. a. Spilker 1975; Hotz 1990; Borggrefe et al. 2006).  

2.1.1

Trainingsqualität

Be F la es Er (In stu tleg ho te ng u lu ns sn ng ng it o d , A ät, rm er us Da ati fü ue ve hr r, un g)

Definition Trainingsziel

Baukasten

Trainingsziele

Training muss stets zielgerichtet sein, wobei die Trainingsziele im Vorfeld definiert sein sollten. Anderenfalls erscheint es unmöglich, eine angemessene Auswahl von Trainingsinhalten und Trainingsmethoden und die für deren Verabreichung erforderlichen Belastungsnormative zu treffen. Die Beurteilung eines Trainings durch außenstehende Experten (z. B. bei Lehrproben im Rahmen der Trainerausbildung) kann nur valide erfolgen, wenn die zugrundeliegenden Trainingsziele bekannt

Beispiel: Schnelligkeitsverbesserung im Fußball als Trainingsziel Wiederholungssprints zwischen Strafraumgrenze und Mittellinie sind grundsätzlich geeignete Trainingsinhalte zur Verbesserung der Laufschnelligkeit. In der Praxis steht der Kader auf der Linie verteilt, Trainer und Co-Trainer befinden sich an einer Seite. Für die Spieler im Sichtfeld des Trainers wird die zur Schnelligkeitsverbesserung erforderliche maximale Reizsetzung und somit das definierte Trainingsziel aus Motivationsgründen erreicht. Bei Spielern mit zunehmender Distanz zum Sichtfeld des Trainers sinkt jedoch die Intensität,

und das Trainingsziel wird verfehlt. Ist die Erholungspause zwischen den Sprints zu gering und die Belastungsdichte demnach zu hoch, um die energiereichen Phosphate in ausreichendem Maße zu regenerieren, wird das Trainingsziel sogar für den gesamten Kader verfehlt bzw. ein anderes Trainingsziel angesteuert. Das Beispiel belegt die Relativität bei der Beurteilung der Trainingsqualität eines identischen Trainingsinhalts vom jeweils definierten Trainingsziel.

26

2

A. Ferrauti und H. Remmert

sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies für den Prüfling bzw. Auszubildenden, aber auch für die Athleten und Trainierenden, dass vor jeder Trainingseinheit zunächst die Trainings- oder Lehrziele eindeutig offengelegt sein müssen. Dies erscheint trivial; in der täglichen Praxis können jedoch genügend Trainer beobachtet werden, die sich erst während der Trainingseinheit über die angestrebten Trainingsziele Klarheit verschaffen. Das präzise Erreichen des definierten Trainingsziels stellt in der Trainingspraxis ein vielfach unterschätztes Problem dar. Trainingsziele können vielfältiger Natur sein. In den meisten Fällen wird eine Leistungssteigerung durch die positive Beeinflussung von physiologischen (z. B. Steigerung der maximalen Sauerstoffaufnahme), neuromuskulären (z.  B.  Muskelhypertrophie), motorischen (z. B. Technikstabilisierung), kognitiven (z. B. beim Taktiktraining) und psychologischen Aspekten (z.  B.  Wahrnehmungsvermögen) bzw. eine Kombination mehrerer Trainingsziele angestrebt. Im Freizeitsport oder im touristischen Umfeld, wenn nur kurze Kontaktzeiten zwischen Trainer und Sportler realisierbar sind, können wichtige Trainingsziele auch rein affektiv – z. B. die Vermittlung von Spaß und Wohlbefinden – definiert sein. Trainingsziele Gesamtheit an motorischen, kognitiven, physiologischen, neuromuskulären und affektiven Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie an pädagogischen und psychologischen Eigenschaften, die durch die Trainingsmaßnahmen (Trainingsinhalte und -methoden) positiv beeinflusst werden sollen.

2.1.2

Trainingssystematik und Planmäßigkeit

Trainingsmaßnahmen sind gemäß der Definition von Hohmann et  al. (2002) nicht willkürlich festzulegen, sondern sie folgen unter

leistungssportlichen Zielsetzungen im Idealfall einer Trainingssystematik und einer kurz-, mittel- und langfristigen Trainingsplanung. Eine übergeordnete Systematik kann beispielsweise darin bestehen, dass die jeweiligen Trainingsmaßnahmen realistisch und an den momentanen Leistungsvoraussetzungen des Trainierenden orientiert werden. Systematisches Training bedeutet somit die gezielte Festlegung von Trainingszielen und -inhalten anhand von objektiven Informationen (. Abb. 2.2). Dies kann beim Ausdauertraining eines Freizeitläufers in der Vorbereitung auf einen Marathon die Ableitung seiner Trainingsgeschwindigkeit von den Ergebnissen einer zuvor durchgeführten Leistungsdiagnostik bedeuten. Diese Form der Trainingssystematik als gezielte Koppelung von Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung wird in 7 Kap.  3 vertieft. Vielfach erlauben leistungsdiagnostische Befunde aufgrund ihrer zeitlichen Distanz zum aktuellen Training jedoch nur eine Groborientierung, sodass die Feinjustierung der Trainingsmaßnahmen zusätzlich unter Berücksichtigung aktueller individueller Befindlichkeiten auf der Basis erhobener Marker für Belastungsfähigkeit und Erholungszustand (Monitoring) erfolgen sollte (. Abb. 2.2). Die per Definition zusätzlich geforderte Planmäßigkeit garantiert, dass die Festlegung von aktuellen Trainingszielen in eine zeitlich übergeordnete Gesamtperspektive eingeordnet werden kann. Die Legitimation von Trainingszielen und damit die Sicherstellung einer Planmäßigkeit kann sowohl evidenzbasiert auf der Grundlage von trainingswissenschaftlichen Befunden als auch auf Erfahrungswissen bzw. vorwissenschaftlichen Annahmen des Coaches bzw. auf allgemein akzeptierten Trainingsprinzipien basieren (Hohmann et al. 2002). Planmäßigkeit stellt sich bei dem gegebenen Beispiel des Marathonläufers demnach erst dann ein, wenn die Trainingslaufgeschwindigkeit stufenförmig bis zum Wettkampf gesteigert wird und zusätzlich die übrigen Trainingscharakteristika und Belastungsnormative (unter anderem Trainingsdauer, -häufigkeit und -umfang) in den aufeinanderfolgenden  





27 Grundlagenwissen zum sportlichen Training

Trainingsperioden sinnvoll festgelegt und schriftlich fixiert werden. Vor dem Hintergrund dieser strengen und engen Definition erscheinen zahlreiche Aktivitäten im Freizeit-, aber sogar auch im Leistungssport als reiner Zeitvertreib und nicht als sportliches Training. Im professionellen Leistungssport ist dies tatsächlich vereinzelt zu monieren, und es belegt, welch beachtliche Anforderungen in der heutigen Zeit an eine qualitativ hochwertige Ausübung des Trainerberufs gestellt werden müssen. Andererseits sind im Hochleistungssport regelmäßig plötzliche und unvorhersehbare Ereignisse zu berücksichtigen, die eine vollständig systematische und planmäßige Vorgehensweise verhindern oder zumindest erschweren. Dies ist selbstverständlich im Einzelfall zu betrachten, entlastet den verantwortlichen Coach jedoch nicht von seiner grundsätzlichen Verantwortung. Schwieriger und komplexer erscheint die Beurteilung freizeitsportlicher Aktivitäten vor

Beispiel: CrossFit im Freizeitsport CrossFit ist ein aktueller Trend im Freizeit- und Fitnesssport und gleichzeitig ein Wettkampfsport. Als Trainingsziel wird die Verbesserung von Kraft, Schnelligkeit (Schnellkraft) und Ausdauer angestrebt. Hierzu werden abwechselnde Ganzkörperaktivitäten großer Muskelgruppen mit dem Ziel absolviert, in einer gegebenen Zeit eine möglichst hohe Wiederholungszahl zu erreichen. Diese Challenge führt in der Praxis häufig zu einem Verlust an Trainingsqualität, da letztere in der Trainingsgruppe nicht kontrolliert werden kann. Sprünge werden nicht mehr explosiv und maximal ausgeführt, sondern verkümmern zu einem leichten Hüpfen; Klimmzüge reduzieren sich zu kurzen Zuckungen. Das komplexe Trainingsziel, alle motorischen Hauptbeanspruchungen anzusprechen, wird in der Trainingswirkung verfehlt. Letztere besteht einzig in einer freudvollen Verbesserung der Kraftausdauer unter hohem Energieverbrauch. Ein tolles Training, wenn dies auch die im Vorfeld definierten und vermittelten Trainingsziele sind und die Trainingsqualität konsequent eingehalten wird.

2

dem Hintergrund der vorliegenden Definition von Training, sodass aus den zeitlichen, beruflichen und motivationalen Rahmenbedingungen vieler Freizeitsportler eine Planmäßigkeit nicht immer eingefordert und auch jede einzelne Trainingseinheit isoliert als wertvoll betrachtet werden kann, wenn die definierten Trainingsziele erreicht werden. In ähnlicher Weise betrifft dies den Schulsport. Andererseits sind die in diesem Bereich tätigen Lehrer und Trainer aufgerufen, im Rahmen der eingeschränkt steuerbaren Gegebenheiten ihres Handlungsumfelds eine möglichst hohe Trainingsqualität sicherzustellen und die Kriterien einer solchen zu vermitteln. So sollten die Trainingsziele zwischen den handelnden Akteuren realistisch und in gegenseitiger Übereinkunft definiert, die Wege dorthin bestmöglich gemeinsam festgelegt sowie im Idealfall systematisch und planmäßig verfolgt und kontrolliert werden. Dies ist in der freizeitsportlichen Praxis nicht immer der Fall.

A. Ferrauti und H. Remmert

2.1.3

Trainingsinhalte, Trainingsmethoden und Trainingsmittel

die Trainingsmethoden innerhalb der einzelnen Sportarten hinsichtlich ihrer Sportartspezifität eingeteilt werden. So werden in grober Abstufung allgemeine (unspezifische), semispezifische und sportartspezifische Trainingsmethoden unterschieden (Hottenrott und Seidel 2017). Eine vertiefte Betrachtung der Trainingsmethoden folgt in den 7 Kap. 4, 5, 6 und 7. Als Trainingsmittel werden sämtliche organisatorischen (z.  B.  Spielfelder, Sportstätten), materiellen (z. B. Trainingsgeräte und methodische Hilfen) und informellen (z. B. audiovisuelle Unterrichtsmedien wie Videos und Bildtafeln)

Die Trainingsinhalte umfassen alle konkreten Maßnahmen zur Realisierung kurz-, mittelund langfristiger Trainingsziele (Hottenrott und Seidel 2017). Dies beinhaltet alle Aktivitäten zur Trainingsvorbereitung (z.  B. das Aufwärmen), -nachbereitung (z.  B.  Regenerationsverfahren) und selbstverständlich die Trainingsübungen oder Spielformen selbst. Die Trainingsinhalte sind durch den Trainer in der Trainingsplanung in Abhängigkeit des definierten Trainingsziels sorgfältig auszuwählen. Sie alleine garantieren jedoch noch nicht deren zweckmäßigen Einsatz. Hierzu müssen zusätzlich die bei der Umsetzung der Trainingsinhalte verwendeten Trainingsmethoden und die hierfür erforderlichen Trainingsmittel festgelegt werden. Unter Trainingsmethoden versteht man nach Weineck (2000) alle planmäßigen Verfahren der Ordnung und Dosierung von Trainingsinhalten zur optimalen Verwirklichung des Trainingsziels. Die Bezeichnung der Trainingsmethoden differiert in Abhängigkeit von den übergeordneten Trainingsinhalten (z.  B. zwischen einem Kraft oder Ausdauertraining). So wird beispielsweise im Ausdauertraining grob unterschieden zwischen der Dauermethode, der Intervallmethode und der Wiederholungsmethode (. Abb.  2.3). Auf einer zweiten Differenzierungsebene können



 eispiel: Trainingsmethode und TrainingsB mittel bei Small-Sided Games Kleinfeldspiele (Small-Sided Games) sind beliebte Trainingsinhalte in den Mannschaftsspielen zur Verbesserung der sportspielspezifischen Ausdauerleistungsfähigkeit. Die hierbei verwendete Trainingsmethode ist üblicherweise die extensive oder intensive Intervallmethode. Gleichzeitig kann diese Form des Trainings den sportspielspezifischen Trainingsmethoden zugeordnet werden. Zur organisatorischen Durchführung sind als Trainingsmittel neben mehreren Bällen auch Markierungspylonen zur Abgrenzung der Spielfelder sowie ggf. ein Maßband zu deren Abmessung und ein Zeitgeber für die Einhaltung der definierten Belastungsnormative notwendig. Die Beanspruchung kann über Herzfrequenzüberwachungssysteme gleichzeitig für alle Spieler kontrolliert werden.



..      Abb. 2.3  Vergleichende Darstellung der Laktatkinetik bei unterschiedlichen Trainingsmethoden im Ausdauertraining (Hottenrott und Hoos 2013, S. 466)

12 Wiederholungsmethode 10

Laktat (mmol/l)

2

28

intensive Intervallbelastung

8 6

extensive Intervallbelastung

4

intensive Dauerbelastung

2

extensive Dauerbelastung 0

1 Zeit (h)

2

4

29 Grundlagenwissen zum sportlichen Training

Maßnahmen zur Unterstützung des Trainingsprozesses bezeichnet (Weineck 2000). Hottenrott und Seidel (2017) zählen hierzu auch die für alle trainingsbegleitenden sportmedizinischen oder physiotherapeutischen Maßnahmen erforderlichen Materialien (z.  B. zur Verabreichung von Massage, Kälte oder Hypoxie). 2.2  Bedeutung der

Belastungsnormative

Die Festlegung des angestrebten Trainingsziels und die Auswahl der Trainingsinhalte (Trainingsmethoden und -mittel) garantieren alleine noch nicht eine treffsichere Realisierung des Trainingsziels. Die Vielzahl an Freiheitsgraden bei der praktischen Umsetzung von Trainingsübungen birgt im Leistungssport die stetige Gefahr einer Über- oder Unterforderung des Athleten bzw. sogar einer für das Trainingsziel vollkommen ungeeigneten Belastung. Die im Folgenden dargestellten Belastungsnormative (Synonyme: Belastungskomponenten, -merkmale oder -faktoren) sind überaus wichtige Steuerungselemente für die quantitative und qualitative Belastung im Training. 2.2.1

Belastungsintensität (Reizintensität, Reizhöhe, Reizstärke)

Die Belastungsintensität kennzeichnet die Stärke des im Trainingsverlauf verabreichten Einzelreizes. Sie ist gewöhnlich die wichtigste und erste Größe, die zur Charakterisierung einer Trainingsbelastung festgelegt werden sollte, da sie maßgeblich die physiologischen Reaktionen und damit die angestrebten Anpassungsmechanismen auf das Training beeinflusst. Beispielsweise kann das Unterschreiten einer minimalen Reizschwelle im Training sogar dazu führen, dass jegliche Anpassungsprozesse ausbleiben. Die Quantifizierung der Belastungsintensität ist je nach Trainingsinhalt oder Sportart sehr unterschiedlich.

Belastungsnormative Belastungsnormative sind Steuerungselemente der quantitativen und qualitativen Belastung im Training. Sie entscheiden maßgeblich über die akuten motorischen, physiologischen und neuromuskulären Reaktionen und die daraus resultierenden mittel- und langfristigen Adaptationen durch Training und müssen somit sorgfältig in Abhängigkeit des definierten Trainingsziels für jeden Trainingsinhalt festgelegt werden. Im Allgemeinen unterscheidet man: Belastungsintensität - (Synonyme: Reizintensität, Reizhöhe, Reizstärke): Stärke des Einzelreizes (z. B. % HFmax beim Ausdauertraining oder % 1 RM beim Krafttraining). Belastungsdauer (Reizdauer) - Dauer des Einzelreizes (z. B. Sekunden oder Minuten beim Ausdauertraining oder Anspannungsdauer (Time under Tension) bzw. Wiederholungen innerhalb eines Satzes beim Krafttraining). Erholungsdauer - Pause zwischen zwei Wiederholungen innerhalb einer Serie beim Intervalltraining, die Pause zwischen zwei Serien bzw. Sätzen (Serien- bzw. Satzpause) oder die Pause zwischen zwei Trainingseinheiten. Als „lohnende Pause“ wird oft die Zeitphase der rasch erfolgenden Erholung unmittelbar nach Belastungsende bezeichnet. Belastungsdichte (Reizdichte) - zeitliches Verhältnis von Belastung zu Erholung (z. B. Verhältnisdarstellungen wie 1:2 oder prozentuale Anteile wie 33 % Belastung und 67 % Erholung).

Belastungshäufigkeit (Trainingshäufigkeit) - Anzahl der Trainingseinheiten in einem definierten Zeitraum (z. B. 15 Trainingseinheiten/ Woche). Belastungsumfang (Trainingsumfang) - zeitlicher oder inhaltlicher Umfang des Trainings in einem definierten Zeitraum (z. B. Distanzangaben wie km/Woche im Ausdauersport, die summierte Gesamtlast in kg/Woche im Kraftsport oder die Anzahl an Wiederholungen/Woche in technisch-­kompositorischen Sportarten).

Belastungsqualität (Reizqualität) - qualitative und nur schwer operationalisierbare Bewegungsmerkmale (z. B. Bewegungsumfang oder Line of Pull im Krafttraining).

2

30

2

A. Ferrauti und H. Remmert

Bei Weg-/Zeit-abhängigen Sportarten kann im einfachsten Fall die im Training realisierte absolute Zeit [s, min] über eine definierte Laufoder Schwimmstrecke zur Beschreibung der Belastungsintensität zugrunde gelegt werden. Diese Angabe kann in gleicher Weise prozentual in Bezug zur jeweiligen individuellen Bestleistung [% t max] oder in absolute [m/s, km/h, min/km] bzw. relative Geschwindigkeiten umgerechnet werden [% vmax]. Beim Krafttraining korrespondiert diese Angabe mit der absoluten Höhe des zu überwindenden Widerstandes [kg, N] bzw. der Relativierung zur Maximalkraft, die üblicherweise als das „Einfach-Wiederholungsmaximum“ (One Repetition Maximum, 1 RM) bezeichnet wird (% 1 RM). Weitere in der Sportpraxis übliche Parameter zur Operationalisierung der Belastungsintensität sind die mechanische Leistung in Watt (W) sowie verschiedene physiologische Messgrößen wie unter anderem die Herzfrequenz (HF, % HFmax), die Geschwindigkeit bei definierten Blutlaktatkonzentrationen wie der aerob-­ anaeroben Schwelle (% v4) sowie die Relativierung der Trainingsbelastung zur maximalen Sauerstoffaufnahme (%V̇ O2 max). Bei zyklischen Aktivitäten wie Rudern oder Radfahren werden zusätzlich die Schlagzahl sowie die Trittfrequenz (Kadenz) herangezogen. Für den Freizeitläufer (Buskies et al. 1993; Hanakam 2011) existieren zusätzlich Empfehlungen zur Relativierung von Laufschritten und Atemzyklus (der sogenannte Schritt-Atem-Rhythmus mit beispielsweise sechs oder acht Schritten pro Ein- und Ausatmungszyklus). Schließlich können zur Beschreibung der Belastungsintensität in der Praxis auch subjektive Skalierungen wie sehr einfache lineare Abstufungen mit drei (leicht, mittel schwer) oder fünf Stufen (sehr leicht, leicht, mittel, schwer, sehr schwer) oder validierte und publizierte Verfahren wie die Varianten der RPESkala (Rating of Perceived Exertion) nach Borg (1998) herangezogen werden. Derartige Likert-Skalen haben vor allem dann eine hohe sportpraktische Bedeutung, wenn in Ermangelung vorausgegangener leistungsdiagnostischer Verfahren keine individuellen Angaben über

persönliche Bestleistungen oder physiologische Reaktionen vorliegen. Dies ist zumeist im Freizeitsport, aber auch im Schulsport der Fall. 2.2.2

Belastungsdauer (Reizdauer)

Die Belastungsdauer kennzeichnet die Einwirkungsdauer einer Einzelbelastung einer Trainingsübung während einer Trainingseinheit. Im einfachsten Fall beim Ausdauertraining nach der Dauermethode ist dies gleichbedeutend mit der Trainingsdauer und wird mit einer Zeitangabe [s, min] beschrieben. Bei intervallartig oder nach der Wiederholungsmethode verabreichten Trainingsreizen im Ausdauersport bezeichnet die Belastungsdauer gewöhnlich die Dauer einer einzelnen Wiederholung bis zum Beginn einer zwischengeschalteten Pause. Gleiches gilt für intervallartig oder nach der Wiederholungsmethode gesetzte Belastungsreize in den Spielsportarten (beispielsweise die zeitliche Dauer einer von mehreren Belastungsphasen beim Kleinfeldspiel im Fußball). Beim klassischen „Drilltraining“ im Tennis oder Badminton bezeichnet die Belastungsdauer die Dauer für mehrere Schläge in Folge (eine Wiederholung). In diesem Fall wird in der Praxis an Stelle einer Zeitangabe alternativ auch die Anzahl an Schlägen zur Beschreibung der Belastungsdauer verwendet. Die Gesamtzahl der einzelnen Wiederholungen wird hier wie beim Intervalltraining auf der Laufbahn als eine Serie bezeichnet (z. B. 8 Serien mit je 4 Wiederholungen, bestehend aus jeweils 6 Schlägen, also etwa jeweils 15 s Belastungsdauer). Als Pendant hierzu werden beispielsweise beim Intervallsprinttraining 4 Serien mit je 6 Wiederholungen über eine Belastungsdauer von jeweils 5 s oder 40 m bei maximaler Belastungsintensität bzw. Reizhöhe (All-Out) gefordert (. Abb. 2.5a) Aufgrund der bekannten Kaskade aufeinander folgender bzw. ineinander übergehender alaktazider, laktazider und aerober Mechanismen der Energiebereitstellung bei  

31 Grundlagenwissen zum sportlichen Training

erschöpfender Belastung im zeitlichen Verlauf (De Marées 2002) ist die Belastungsdauer speziell bei submaximaler und maximaler Belastungsintensität von entscheidender Bedeutung, um die Gesamtbelastung einer ­ Trainingseinheit zu beschreiben. Beim Krafttraining wird die Belastungsdauer im Idealfall als Anspannungsdauer der Arbeitsmuskulatur über mehrere dynamische Wiederholungen hinweg beschrieben. Dieser Zeitraum wird beim Krafttraining zumeist als „Satz“ und nicht als „Serie“, die effektive Belastungsdauer während eines Satzes auch als Anspannungsdauer (Time under Tension, TUT) bezeichnet, zumal eine Bewegungswiederholung in der exzentrischen und konzentrischen Bewegungsphase unterschiedlich schnell ausgeführt werden kann. In der Praxis wird jedoch gewöhnlich der Einfachheit wegen die Anzahl der Wiederholungen innerhalb eines Satzes zur Beschreibung ­verwendet. Praxistipp: Training Load

Da sich die Belastung meist aus der Kombination von Belastungsintensität und -dauer ergibt, wird in der Praxis häufig der Training Load als dimensionslose Größe durch einfache Multiplikation von RPE (CR-10-Skala) und Belastungsdauer zur sogenannten Session-RPE verwendet (z. B. RPE 6 × 75 min = 450). Banister (1991) schlägt als Alternative den TRIMP (Training Impulse) im einfachsten Fall als Produkt der mittleren prozentualen Ausschöpfung der maximalen Herzfrequenz und der Belastungsdauer (% HFmax × min) vor.

Zur Darstellung von Wettkampfbelastungen wird die Quantifizierung der Belastungsdauer komplexer und nicht immer einheitlich vorgenommen, da hier im Normalfall nicht mehr trennscharf zwischen Einzelbelastungen innerhalb des Wettkampfs differenziert werden kann. So umfasst die Belastungsdauer

2

im Fußball entweder die gesamte Spielzeit (90 min) oder die Nettospielzeit (z. B. 60 min bzw. 67 %). In den technisch-­kompositorischen Sportarten wird die Zeit für eine Kürübung und in den Zweikampfsportarten die akkumulierte Rundenzeit verwendet. 2.2.3

Erholungsdauer und Belastungsdichte (Reizdichte)

Der Begriff der Erholungsdauer wird in unterschiedlichen zeitlichen Dimensionen verwendet. So kann sowohl die Pause zwischen zwei Wiederholungen innerhalb einer Serie beim Intervalltraining bzw. während der Wiederholungsmethode, die Pause zwischen zwei Serien bzw. Sätzen (Serien- bzw. Satzpause) oder die Pause zwischen zwei Trainingseinheiten gemeint sein (. Abb. 2.4). Als Belastungsdichte wird das Verhältnis zwischen Belastungs- und Erholungszeit bezeichnet (Hottenrott und Seidel 2017). Aus physiologischer Sicht ist zwischen den Begriffen der Erholungsdauer und Belastungsdichte streng zu unterscheiden, speziell dann, wenn die Pause zwischen zwei Wiederholungen innerhalb einer Serie angesprochen wird. Denn bei allen intervallartig verabreichten Trainingsreizen spielt die Erholungsdauer eine wesentliche Rolle für die Beschreibung der Gesamtbelastung und für die realisierbare Trainingsleistung. Dies liegt im Wesentlichen an der physiologisch erforderlichen Zeit für die Wiederherstellung von Kreatinphosphat (KP) bzw. Phosphocreatine (PCr) aus Kreatin (im englischsprachigen Raum wird die Bezeichnung PCr an Stelle von KP verwendet). Die KP-Konzentration spielt im Muskelzellplasma eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung einer hohen Energieflussrate (Bildungsrate von Adenosintriphosphat, ATP), die beispielsweise bei intensiven Muskelkontraktionen wie bei submaximalen und maximalen Sprints zwingend erforderlich ist. Die Menge an KP im Muskel ist jedoch rasch verbraucht und für deren Wiederherstellung beträgt die Halbwertszeit ca. 30 s (Harris et al. 1976). Folglich wird die  

32

A. Ferrauti und H. Remmert

a

b

2

..      Abb. 2.4  Erholungspause zwischen zwei Wiederholungen (links) bzw. nach Trainingsende (rechts) beim High-Intensity-Interval-Training (https://doi.org/10.1007/000-04e)

zweite bzw. folgende Wiederholung innerhalb einer Serie bei kürzeren Erholungszeiten von unter 30–45 s mit geringer gefüllten KP-Speichern begonnen, sodass schon frühzeitig andere, zumeist anaerob-glykolytische bzw. auch aerobe Mechanismen die Energiebereitstellung in zunehmendem Maße übernehmen. Dies geht jedoch mit einer geringeren Energieflussrate, einer Reduktion der Leistungsfähigkeit und in der Folge mit einer Veränderung der Trainingsqualität einher. Der Begriff der Belastungsdichte oder Reizdichte sollte somit nicht nur relativ zueinander (also beispielsweise als Belastungs-/Pausenverhältnis wie 1:2 bzw. prozentual mit 33  % Belastung und 67 % Erholung), sondern stets auch unter Nennung der absoluten Dauer von Belastung und Erholung verwendet werden. Aus den beschriebenen physiologischen Gründen führt nämlich ein Training mit identischer relativer Belastungsdichte von 1:2 zu völlig unterschiedlichen Reaktionen, wenn die Belastungsdauer von 15 auf 30 s und Erholungsdauer von 30 auf 60 s angehoben werden. Auch zur Beschreibung von Wettkampfbelastungen wird die Belastungsdichte verwendet. So ergeben sich im Spielverlauf in den Mannschafts- und Rückschlagspielen unterschiedliche Verhältnisse zwischen Belastungsund Erholungsdauer, die durch den prozentualen Belastungsanteil oder auch die prozentuale Nettospielzeit quantifiziert werden können.

2.2.4

Belastungshäufigkeit und Belastungsumfang

Die Belastungshäufigkeit oder Trainingshäufigkeit benennt die Anzahl der Trainingseinheiten (TE) über einen definierten Zeitraum in absoluten Häufigkeiten. Dies kann auf einen Tag oder eine Woche bzw. eine bestimmte Trainingsperiode (z.  B.  Mesozyklus) bezogen sein. Während die Trainingshäufigkeit im Freizeitsport häufig nur 2–3 TE/Woche erreicht, sind im Leistungssport bis zu 15 TE/Woche keine Seltenheit. Aus der Trainingshäufigkeit und der Dauer der einzelnen Trainingseinheiten resultiert der Belastungs- bzw. Trainingsumfang, wenn dies in Zeitangaben (Minuten, Stunden) zum Ausdruck gebracht wird. In der Praxis wird dann zumeist die summierte Gesamttrainingszeit (einschl. Aufwärmen, Regeneration und Erholungsdauer) und nicht die summierte „reine“ Nettobelastungsdauer zur Quantifizierung verwendet, da diese zumeist nur schwer operationalisierbar ist. Der Trainingsumfang kann selbstverständlich im Ausdauersport auch in Distanzangaben (km/Woche) und im Kraftsport in der summierten Gesamtlast (kg) beschrieben werden, die im definierten Zeitraum bewegt wurde. In technisch-­kompositorischen Sportarten oder in den Spielsportarten kann auch die Anzahl an Wiederholungen einer

2

33 Grundlagenwissen zum sportlichen Training

bestimmten Technik zur Beschreibung von Belastungs- bzw. Trainingsumfang herangezogen werden. 2.2.5



Belastungsqualität (Ausführungsqualität)



In zahlreichen Sportarten wird der Trainingsreiz zusätzlich ganz wesentlich durch qualitative Bewegungsmerkmale definiert, die nur schwer durch metrische Angaben beschrieben werden können. Hottenrott und Seidel (2017) unterscheiden beispielsweise nach Explosivität, Frequenz, Rhythmisierung und Lockerheit einer Bewegung. Im Krafttraining (7 Kap.  4) sind neben den oben aufgelisteten klassischen Belastungsnormativen beispielsweise das subjektive Ausmaß des Muskelversagens, der Bewegungsumfang einer dynamischen Einzelbewegung (Range of Motion, ROM), die fraktionelle Verteilung der Anspannungsdauer auf die exzentrische und konzentrische Bewegungsphase sowie die exakte anatomische Bewegungsausführung und damit die Beteiligung unterschiedlicher Muskelgruppen und Muskelfasern (Line of Pull) als wesentliche Kriterien der Belastungsqualität zu unterscheiden (Toigo 2006).  

2.2.6

(Tschakert und Hofmann 2013). Neben dem HIIT wird mit ähnlicher Zielsetzung auch ein Intervallsprinttraining (Repeated Sprint Ability Training, RST) vermehrt angewendet (7 Kap. 6). In unseren Untersuchungen konnten wir feststellen, dass die Veränderung der Belastungsnormative (. Abb. 2.5a) mit statistisch signifikant unterschiedlichen metabolischen (Laktatkonzentration und pH-Werte im Blut) und muskulären Anforderungen einhergeht (Wiewelhove et al. 2016). Beispielsweise liegt die anaerob-laktazide metabolische Belastung bei den längeren H ­ IIT-Protokollen über 2 bis 4  Minuten unter der vorgegebenen Belastungsintensität (80–85  % der Maximalleistung) höher als bei einer kürzeren Belastungsdauer von 15–30 Sekunden, obwohl hier die Belastungsintensität auf 90–95  % der Maximalleistung ­angehoben wurde. Noch beanspruchender ist jedoch das Intervallsprinttraining mit nur 5 Sekunden Belastungsdauer, dafür aber mit 100 % Belastungsintensität. Hier finden sich nicht nur sehr hohe anaerob-laktazide metabolische Belastungen, sondern auch die höchsten Kreatinkinasekonzentrationen im Serum (. Abb. 2.5b). Offenbar ist vor allem der Übergang von submaximaler zu maximaler Belastungsintensität im Training besonders ernst zu nehmen und sollte mit einer sorgfältigen Justierung der übrigen Belastungsnormative (z.  B.  Verlängerung der Pausendauer und Senkung des Trainingsumfangs) einhergehen. Durch die höhere Laufgeschwindigkeit sind auch die muskulären Anforderungen deutlich erhöht, sodass sich aufgrund der zunehmenden Schrittlänge, der höheren exzentrischen Kräfte bei der Landung und dem stärkeren Abdruck schon bald kleinste Muskelschäden einstellen. So klagten die Probanden vor allem nach Protokoll 5 über erheblichen Muskelkater am Folgetag (post 24 h). Das Enzym Kreatinkinase wird bei Verletzungen der Muskelmembran vermehrt ausgeschwemmt und kann als Indikator für eine hohe muskelmechanische Beanspruchung interpretiert werden (Howatson und Milak 2009; Baird et  al. 2012, . Abb. 2.5b).

Bedeutung der Belastungsnormative aus metabolisch-muskulärer Sicht

Die Bedeutung der Belastungsnormative für die Ansteuerung einer gewünschten Reizsetzung kann durch den Vergleich verschiedener Belastungsprotokolle eines laufspezifischen hochintensiven Intervalltrainings (High-Intensity-Interval-Training) verdeutlicht werden. Das HIIT wird in verschiedenen Varianten mit unterschiedlichen Belastungsnormativen zunehmend als Trainingsmethode der ersten Wahl zur Verbesserung der semispezifischen bzw. spezifischen Ausdauerleistungsfähigkeit in den Sportspielen eingesetzt





34

A. Ferrauti und H. Remmert

Protokoll

2

Serien × Wdhl.

Pause/Serienpause

Belastungsform

1

1x4

4 min/80 % VIFT

180 s

Lauf

2

1x7

2 min/85 % VIFT

120 s

Lauf

3

2 x 10

30 s/90 % VIFT

45 s/3 min

Lauf

4

3x9

15 s/95 % VIFT

30 s/3 min

Lauf

5

4x6

5 s/all out

25 s/5 min

Sprint

Belastungs-PausenVerhältnis

Belastungszeit/ Trainingsumfang

1

2:1

16 min/25 min

2

1:1

14 min/26 min

3

1:2

10 min/26,5 min

4

1:3

6,75 min/24,75 min

5

1:6

2 min/25,3 min

Protokoll

a

Dauer/Intensität

Intervallmuster

*

14

7,50 *

* 7,40

10 Blut- pH

Blutlaktat (mmol/l)

12

8 6 4

7,20 7,10

2 0

7,30

1

2 3 4 HIT-Protokoll

5

7,00

1

2 3 4 HIT-Protokoll

5

600 400 200 0

b

Protokoll 1 (4 × 4 min) Protokoll 2 (7 × 2 min) Protokoll 3 (2 × 10 × 30 s) Protokoll 4 (3 × 9 × 15 s) Protokoll 5 (4 × 6 × 5 s)

Post24h

800

Post30min

1000

Pre10min

Kreatinkinase (U/l)

1200

1

2

3 HIT-Protokoll

..      Abb. 2.5  a Ausgewählte Belastungsprotokolle beim HIIT (1–4) oder RST (5) mit unterschiedlicher Belastungsintensität (% VIFT), Belastungsdauer pro Einzelreiz, Erholungsdauer zwischen den Wiederholungen und innerhalb der Serienpause sowie die entsprechenden

4

5

Belastungs-/Pausenverhältnisse und Trainingsumfänge. b Blutlaktatkonzentration und Blut-pH nach Trainingsende sowie die Kreatinkinasekonzentration im Erholungsverlauf (modifiziert nach Wiewelhove et al. 2016) (https://doi.org/10.1007/000-04d)

35 Grundlagenwissen zum sportlichen Training

2.2.7

Bedeutung der Belastungsnormative aus technisch-­koordinativer Sicht

Bei verschiedenen Untersuchungen in den Mannschafts- und Rückschlagspielen, in deren Verlauf praxisübliche und spielspezifische Trainingsformen hinsichtlich ihrer Rahmenbedingungen und der zugrundeliegenden Belastungsnormative geringfügig modifiziert wurden, konnten neben dem Einfluss auf die metabolischen Anforderungen auch nennenswerte Effekte auf technisch-koordinative Aspekte festgestellt werden. Exemplarisch werden hier zwei Untersuchungen vorgestellt. Es dauerte viel zu lange, bis im Kinderfußball Spielfeld- und Mannschaftsgröße kindgemäß aufeinander angestimmt wurden (. Abb.  2.6). Heute spielen die E-Junioren (9–10-Jährige) beispielsweise ihre Wettspiele in Mannschaften mit sieben Spielern (6 + 1). Wesentliche Vorarbeiten hierfür lieferten unter anderem Untersuchungsergebnisse  

..      Abb. 2.6 Bereits im Kinderfußball führen wichtige trainingswissenschaftliche Befunde zu einer Verbesserung von Trainingsqualität und Wettkampfstruktur

2

von Theune-Meyer und Tritschoks (1996), die neben der metabolischen Beanspruchung verschiedener Spieler-Spielfeldgrößen-Konstellationen auch die koordinative Beanspruchung dieser Spielformen auswerteten. Die Ergebnisse weisen eindeutig darauf hin, dass die Anzahl der individuellen Ballkontakte negativ korreliert zur mittleren Quadratmeterfläche des Einzelspielers. Mit anderen Worten: Wenn mehr Kinder auf engem Raum miteinander spielen, nimmt die Zahl der Ballkontakte zu (. Abb. 2.7). Zur Steigerung der technisch-koordinativen Fähigkeiten in spielnaher freudvoller Umgebung ist dies sicher ein erstrebenswertes Ziel. Um sich jedoch nicht zu weit vom Zielspiel und den dortigen taktischen Anforderungen – auch auf gruppentaktischer Ebene – zu entfernen und um die physischen Anforderungen angemessen hoch und zielspielnah zu halten, bietet die Mannschaftgröße 6  +  1 auf dem halben Spielfeld bei kleineren Toren einen guten Kompromiss (Theune-Meyer und Tritschoks 1996).  

36

..      Abb. 2.7  Fünf ausgewählte Spielfeld-/Mannschaftsgrößen-Verhältnisse im E-Juniorenfußball, die jeweilige durchschnittliche „Verantwortungsfläche“ (m2) pro Kind (einschl. Torhüter) und die Mittelwerte der Ballkontakte pro Kind innerhalb von 10 min Spielzeit (modifiziert nach Theune-­ Meyer und Tritschoks 1996)

25

Ballkontakte pro Kind in 10 min

2

A. Ferrauti und H. Remmert

20

15

10

5

0

4:4 6:6 7:7 7:7 11:11 (30 × 20) (40 × 35) (55 × 35) (70 × 50) (95 × 70) 75 m2/Kind 116 m2/Kind 137 m2/Kind 250 m2/Kind 302 m2/Kind

Im Tennis absolvierten zehn Spieler der nationalen Rangliste an zwei Versuchstagen in randomisierter Reihenfolge (Cross-Over) zwei Varianten einer typischen Trainingsform (Passierball-Sprint), die sich scheinbar nur marginal durch eine Veränderung der Erholungsdauer um 5  s (10 versus 15  s) zwischen den Einzelsprints unterschieden (. Abb.  2.8). Den Spielern wurden die Bälle mittels einer Ballwurfmaschine individuell so zugespielt, dass diese den Ball nur nach einem maximalen Sprint erreichen konnten (Ferrauti et al. 2001a). Die geringfügige Verlängerung der Erholungspause (vergleichbar mit einem Training in der Zweier- oder Dreiergruppe bzw. einer Veränderung des Belastungs-/Pausenverhältnisses von 1:1 auf 1:2) bewirkte eine Stabilisierung der Blutlaktatkonzentration, bessere Sprintzeiten zu Ball (Lichtschranke t3) sowie eine dauerhaft erhöhte Schlagschnelligkeit beim Passierschlag (. Abb. 2.8). Dieses einfache Beispiel verdeutlicht erneut, dass die Belastungsnormative mit Bedacht ausgewählt werden müssen, um das jeweils definierte Trainingsziel sinnvoll anzusteuern. Keinesfalls darf der Coach sein Training unreflektiert fort 



setzen, wenn ein Spieler der Dreiergruppe überraschenderweise krankheitsbedingt fehlt. !!Achtung! Es handelt sich bei dem geschilderten Beispiel nicht um eine „bessere“ oder „schlechtere“ Variante der Trainingsform. Beide Formen haben je nach Trainingsziel ihre Rechtfertigung. Besteht jedoch das Trainingsziel in einer maximal schnellen Sprint-/Schlag-Kombination, dann ist eindeutig die längere Erholungsdauer zu favorisieren. Ursächlich wirkt hier die bereits oben beschriebene Halbwertszeit zur Wiederherstellung von Kreatinphosphat (KP) in der Erholungspause (Ferrauti et al. 2001a), die offensichtlich bei der kürzeren Pause (10 s) unterschritten wird.

2.3  Trainingsprinzipien und

Trainingswirksamkeit

Trainingsprinzipien sind allgemeine Handlungsorientierungen für Trainer und Athleten, die unter anderem eine ausreichende

2

37

Schlagschnelligkeit (km/h)

Grundlagenwissen zum sportlichen Training

BM

130 120 110 100

1,50

Laufzeit (s)

1,45 1,40 1,35 12 Laktat (mmol/l)

10 8 6 4 2 0

t1

t2

10 s Pause 5

10

15 s Pause 15

Sprints

20

25

30

t3

..      Abb. 2.8  Metabolische Beanspruchung der Trainingsform „Passierball-Sprint“ im Tennis mit 30 Sprint-Schlag-Kombinationen entlang der Grundlinie und einer Erholungsdauer von 10 s (Training in Zweiergruppe) oder 15 s (Dreiergruppe) sowie die

Auswirkungen auf die Laufzeiten bis Lichtschranke t3 und die Schlagschnelligkeit (Radarmessung aus der Vorhandecke). Zuspiel mittels Ballwurfmaschine (BM; mod. nach Ferrauti et al. 2001a)

Trainingswirksamkeit sicherstellen sollen. Sie finden sich seit vielen Dekaden in unterschiedlicher Anzahl und Strukturierung in der trainingswissenschaftlichen Literatur. Sie fußen sowohl auf Plausibilitätsannahmen und auf sportpraktischem Erfahrungswissen, sind aber auch zunehmend evidenzgesichert. Studierende im Fach Sportwissenschaft finden bei genauerer Betrachtung der Prinzipien zahlreiche Anknüpfungspunkte für weiterführende Fragestellungen und Untersuchungen. Demnach werden die Prinzipien vergleichsweise ausführlich dargestellt und an verschiedenen Stel-

len durch den allgemeinen Forschungsstand sowie durch Beispiele eigener Untersuchungsergebnisse ergänzt. Bei genauerer Betrachtung lassen sich die hier aufgeführten 10 Trainingsprinzipien unterschiedlichen zeitlichen oder inhaltlichen Betrachtungsebenen (Weineck 2000) zuordnen. Trainingsprinzipen sollten sich stets den aktuellen Bedürfnissen anpassen. So wird schon bald ein elftes Trainingsprinzip auf eine hohe Prioritätsstufe rücken: Dem „Prinzip der technologischen Unterstützung von Trainingsprozessen“ (Link 2017) widmen wir uns in 7 Kap. 3.5.  

38

A. Ferrauti und H. Remmert

Trainingsprinzipien

2

Trainingsprinzipien sind wichtige Handlungsorientierungen für Trainer und Athleten, die sich auf unterschiedliche ­ zeitliche Ebenen von Trainingsplanung und -durchführung beziehen. Im Einzelnen werden allgemeine und zeitlich übergeordnete Aspekte (Prinzip 1, 2, 11 neu), trainingskonzeptionelle Grundsätze im Rahmen der Perspektivplanung (Prinzip 2, 3, 4) sowie Prinzipien zur Gestaltung von Jahresplan oder Makrozyklus (Prinzip 5), Mikrozyklus (Prinzip 6, 7) sowie zur Trainingseinheit selbst unterschieden (Prinzip 7, 8, 9, 10). 1. Prinzip der leistungs-, alters- und geschlechtsspezifischen Belastung 2. Prinzip der wettkampfspezifischen Belastung 3. Prinzip der rechtzeitigen und zunehmenden Spezialisierung 4. Prinzip der systematischen Trainingssteuerung 5. Prinzip der individualisierten Belastung und Belastungssteuerung 6. Prinzip der Trainingsplanung durch Periodisierung und Zyklisierung 7. Prinzip der optimalen Relation von Belastung und Erholung 8. Prinzip der wechselnden, variierenden und ansteigenden Belastung 9. Prinzip der richtigen Belastungsfolge innerhalb einer Trainingseinheit 10. Prinzip des trainingswirksamen Reizes 11. neu (Prinzip der technologischen Unterstützung von Trainingsprozessen)

2.3.1

 eistungs-, alters- und L geschlechtsspezifische Belastung

Selbstverständlich muss die absolute Trainingsbelastung leistungsspezifisch ausgerichtet werden. Dieses Prinzip spiegelt sich unmittelbar in der regelmäßigen Abfolge von Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung wider, auf die in 7 Kap. 3 de 

tailliert eingegangen wird. Demnach werden aus den Ergebnissen der Leistungsdiagnostik (beispielsweise eines Stufentests auf dem Laufbandoder Fahrradergometer) die Belastungsnormative für definierte Trainingsbereiche abgeleitet (. Abb. 3.61). Neben der absoluten Trainingsbelastung werden jedoch auch die relative Trainingsbelastung und speziell die Trainingsumfänge mit zunehmender Leistungsfähigkeit ansteigen müssen, da auf höchstem Leistungsniveau nur noch minimale Adaptationsreserven vorliegen und zur Auslösung von Anpassungsprozessen qualitativ und quantitativ andere Trainingsreize erforderlich sind. Die Forderung nach Altersspezifität wurde am Beispiel des Juniorenfußballs bereits an anderer Stelle dieses Kapitels thematisiert (. Abb.  2.7, 7 Abschn.  2.2.7). Sie betrifft aber ebenfalls das mittlere und höhere Lebensalter, in denen beispielsweise eine verlangsamte Regenerationsfähigkeit besteht, sodass auch die Belastungsdichte merklich reduziert werden muss (Fell und Williams 2008; Velders und Diel 2013). Da altersbedingt Beschwerden am passiven Bewegungsapparat zunehmen, müssen häufig auch die Belastungsinhalte verändert werden (so entwickeln sich ehemalige Fußballspieler zu Joggern oder Tennisspielern und gehen schließlich zum Walking oder Golf). Die theoretischen Hintergründe für dieses Phänomen, basierend auf den vielfältigen molekularen Mechanismen der Zellalterung (Behl und Ziegler 2016), werden in 7 Kap. 11 vertieft. Die Forderung nach einer Geschlechtsspezifität der Trainingsbelastung basiert auf den besonderen physiologischen Voraussetzungen. Hieraus ergeben sich neue Herausforderungen, aber auch Chancen im Zusammenhang mit einem menstruationszyklusgesteuerten Training (Platen et  al. 2011). So steigt in der ersten Follikelphase die Östradiolkonzentration bei geringer Progesteronkonzentration bis zur Ovulation im Blut an, wodurch in der Summe günstigere anabole (aufbauende) Verhältnisse gegeben sind. Dies kann beispielsweise im Rahmen der individuellen Festlegung von kraftorientierten Trainingsblöcken Berücksichtigung finden. Ein völlig anderer Aspekt leitet sich aus  







39 Grundlagenwissen zum sportlichen Training

der in vielen Sportarten geschlechtsspezifisch qualitativ unterschiedlichen Wettkampfbelastung ab. Vor dem Hintergrund, dass die Trainingsbelastungen möglichst eng an der Wettkampfbelastung angelehnt werden sollten, sind Trainingsinhalte dementsprechend festzulegen.

Wettkampfbeanspruchung analysiert werden. Darüber hinaus liefern die Daten der Sportartanalyse ebenfalls einen sinnvollen Bezugspunkt für Auswahl oder Entwicklung von sportartspezifischen leistungsdiagnostischen Verfahren (. Abb. 2.9).  

Beispiele

Beispiel: Beanspruchungsprofil im Fußball

1. In den leichtathletischen Wurfdisziplinen bestehen geschlechtsspezifische Unterschiede, die sich u. a. aus dem langsameren Aufbau der Muskelmasse bei Frauen ergeben und zu einer Veränderung in der Periodisierung mit einer längeren Kraftaufbauphase führen. 2. Beim Triathlon liegen vergleichsweise günstige Voraussetzungen von Frauen im Schwimmen vor, sodass der Trainingsumfang hier gegenüber dem Radfahren verringert werden kann. 3. Das Grundlinienspiel speziell mit der beidhändigen Rückhand und die Return-Qualität haben im Damentennis eine höhere leistungslimitierende Bedeutung als im Herrentennis und müssen demnach auch im Training in besonderer Weise verbessert werden.

Die Laufdistanzen erreichen während eines Fußballspiels (Soccer) die mit Abstand höchsten Umfänge. Folglich kommt der Entwicklung der aeroben Kapazität im Fußball im Vergleich zu anderen Sportspielen eine besondere Bedeutung zu. Gleichzeitig müssen im Spielverlauf jedoch zahlreiche Sprints – überwiegend über eine Distanz von unter 20 m – sowie vielfältige weitere motorische Aktivitäten absolviert werden. Diese Daten unterscheiden sich wesentlich von jenen in anderen Sportspielen und liefern einen wichtigen Orientierungsmaßstab für die Festlegung zentraler Trainingsinhalte, aber auch von validen leistungsdiagnostischen Verfahren (. Abb. 2.9).

2.3.2

Wettkampfspezifische Belastung

Dieses wichtige Trainingsprinzip wird erstaunlicherweise nicht in den bisherigen Auflistungen erwähnt (u. a. Grosser et al. 1987; Weineck 2000; Hottenrott und Hoos 2013; Hottenrott und Seidel 2017). Es findet sich jedoch bereits frühzeitig in Modellen zur Steuerung und Regelung der sportlichen Leistung in Training und Wettkampf (Grosser et  al. 1987). Demnach besteht der erste Schritt einer systematischen Leistungssteuerung in einer nach Leistung, Alter und Geschlecht differenzierten Sportartanalyse (Belastungs- und Beanspruchungsanalyse), da diese einen maßgeblichen Orientierungsrahmen für die Ziel- und Normsetzungen im Rahmen der Trainings- und Wettkampfplanungen liefert. So sollte die Trainingsqualität in einer Sportart im Leistungssport niemals isoliert, sondern immer im Kontext ihrer Validität (Gültigkeit) für die

2



2.3.3

Rechtzeitige und zunehmende Spezialisierung

Bezogen auf den Nachwuchsleistungssport spricht dieses Prinzip den sportartspezifisch rechtzeitigen und angemessenen Zeitverlauf bei der Spezialisierung auf eine Kernsportart, eine Teildisziplin, ein Sportgerät oder eine Lage innerhalb der Sportart (z. B. in den Individualsportarten Leichtathletik, Turnen und Schwimmen) sowie auf eine Spielposition innerhalb der Mannschaftsspiele an. Die Umsetzung dieses Prinzips ist seit Jahren ein Streitthema zwischen Experten in der Sportpraxis und ein sportsoziologisch differenziert bearbeitetes Forschungsfeld (u.  a. Güllich 2013). Die Zielperspektive besteht in der bestmöglichen Förderung von Talenten zu sportlichen Höchstleistungen und besitzt somit Verwandtschaft zur Expertiseforschung in anderen soziokulturellen Bereichen wie Wissenschaft, Kunst und Musik. In den Rahmentrainingskonzeptionen der Fachverbände wird einheitlich ein vielseitiger

40

2

A. Ferrauti und H. Remmert

Parameters

Football

Soccer

Basketball

Icehockey

Tennis

Squash

Duration (min) net/gross

60/> 180

50–60/90

40/80–90

60/120–150

–/60–200

–/20–120

Net Playing Time (%)

30

60

50

40–50

15–25

50–60

Running Distance (km)

1–5

8–14

4–5

4–5 (6)

0,6–2,5

1–3

Work/Rest Periods

1:5–1:10 Work 1–5 s Rest 36 s

1:1–1:2

2:1–1:2 Work 2–3,5 s Rest 2–150 s

1:4/1:5 Work 30–40 s Rest 120–150 s

1:2–1:5 Work 7 s Rest 17 s

1:1–3:2 Work 9–10 s Rest 6–7 s

Work Profile

20 Sprints, 50 Runs, 70 Plays

20 min Jog, 10 min Run, 5 min Press, 5 min + Ball

Walk 24 % Run 62 % Sprint 14 % 46 max Jumps

Glide 15–20 % Run 60–65 % Sprint 15–20 %

50 % < 4 s 35 % 5–10s 15 % >10 s

50 % < 10 s 20 % > 20 s 8 % > 30 s

Sprint Profile

20 Sprints 30–60 m

150 Sprints 60 % < 5 m 35 % 5–20 m 5 % > 20 m (max 60 m)

100 Sprints (mean 1,7 s, max 5 s)

Special Activities (n)

10–80 Blocks

Blood Lactate (mmol/l) Heart Rate (% max) cm/kg/BMI

186/94/27,2

30–50 Sprints 50–150 Sprints 3–6 m (Dur 2–3 s) (max 8 m) 65 % < 5 m 30 % 5 –15 m 5 % > 15 m

50–70 s 1500 Activities 1000 Activities Owning of the incl. incl. Puck incl. 100 max & 20 Slidings, 10–40 Jumps, submax Jumps, 44 Contacts, 21 Passes, 32 Dribblings, 10–30 Shots, 4 Shots 80 Passes, 634 m Def Slides

1–2 m

300–800 Strokes 2–5/Rally

1700 Strokes 12–13/Rally

4–6

5–9

5–11

2–3 (5)

3–7

85–90

90

90

75–80 (85)

80–90

182/79/23,9

198/96/24,4

183/86/25,7

184/76/22,4

175/73/23,8

..      Abb. 2.9  Vergleichende Darstellung der Belastungs- und Beanspruchungsprofile im Wettkampf unterschiedlicher Mannschafts- und Rückschlagspiele, zusammengetragen aus verschiedenen Originalpublikationen (mod. nach Ferrauti und Remmert 2003)

und langfristig gestufter Leistungsaufbau gefordert (Ferrauti 2008; Remmert 2008). Einigkeit besteht jedoch auch darüber, dass im Verlauf der langfristigen Leistungsentwicklung früher oder später eine zunehmende Spezialisierung erfolgen sollte und der hierfür erforderliche Zeitpunkt keinesfalls überschritten werden darf. Ansätze in der Talentforschung (7 Kap. 10) beinhalten nicht nur die retrospektive Expertiseforschung (z.  B. basierend auf der rückblickenden Analyse des Karriereverlaufs erfolgreicher internationaler Athleten im Hinblick auf Einstiegsalter, Trainingsumfang, Zeitpunkt der Spezialisierung), sondern auch Studien zur prospektiven Prognosegenauigkeit. Letztere überprüfen die Übergangswahrscheinlichkei 

ten von einem grundständigen Kader zu einem übergeordneten Kader bis hin zur nationalen und internationalen Spitze und somit indirekt die Bedeutung einer frühen Spezialisierung. In diesem Zusammenhang berechnen Güllich und Emmrich (2012) abfallende Stabilitätskoeffizienten, wenn es um die Übergangswahrscheinlichkeit über viele Jahre hinweggeht. Der Erfolg im Kindersport kann somit nur bedingt den Erfolg im Spitzensport erklären, was indirekt für eine spätere Spezialisierung spricht. Gleichzeitig werden eine Reihe von Fallbeispielen von internationalen Stars wie Usain Bolt (Leichtathletik) und Andy Murray (Tennis) benannt, die noch bis zum 15. Lebensjahr Fußball auf hohem Leistungsniveau gespielt haben.

41 Grundlagenwissen zum sportlichen Training

Konsens besteht jedoch auch darüber, dass die Kernsportart bereits frühzeitig, kontinuierlich ansteigend mit hohem Umfang, aber auch freudvoll (Deliberate Play) und planmäßig (­Deliberate Practice) betrieben werden sollte. Güllich und Emmrich (2012) empfehlen zusätzlich mindestens eine weitere Aktivität (Sportart), die ebenfalls möglichst zielorientiert bis zum 14. Lebensjahr betrieben werden sollte (Diversification). Zumindest unterscheiden sich in den zugrundeliegenden Analysen Weltklasseathleten von Sportlern der nationalen Klasse in genau diesem Merkmal. Der sportartspezifische Aspekt und die Anforderungen des sozialen Umfelds (z. B. Schule mit G8) kommen bei dieser Idealzeichnung leider etwas zu kurz. So muss der Zeitpunkt der Spezialisierung in den technisch-kompositorischen Sportarten und in jenen mit hohem koordinativen Anspruch (z.  B.  Tischtennis) sicherlich deutlich früher als mit 15 Jahren liegen. Demgegenüber erscheint eine spätere Spezialisierung bei Sportarten mit hoher Abhängigkeit von anthropometrischen Merkmalen (z. B. Basketball) eher plausibel (Stadtmann 2013; Ferrauti et al. 2015, . Abb. 2.10).  

2.3.4

Systematische Trainingssteuerung

Für die Trainingssteuerung sind die Daten der Leistungsdiagnostik (Trainings- und Wettkampfdiagnostik) zu nutzen und planbezogen zu werten (Hottenrott und Seidel 2017). Diesem zentralen Trainingsprinzip widmet sich 7 Kap. 3 dieses Buches. Ein wesentlicher Ansatz für die Umsetzung dieses Prinzips wurde erstmals von Grosser et al. (1987) und von Grosser und Neumaier (1988) beschrieben. Dabei bedienten sich die Autoren Begriffen und Vorstellungen aus der Steuerungs- und Regelungstechnik (Kybernetik) und übertrugen diese systematische Vorgehensweise auf den Trainingsprozess. Demnach wird die aktuelle Leistungsfähigkeit (Istwert) durch Kontrollverfahren (Leistungsdiagnostik) in regelmäßigen Abständen erfasst und mit definierten Zielgrößen(Sollwert) ver 

2

..      Abb. 2.10  Im Rahmen eines langjährigen Projekts mit dem Deutschen Basketball Bund (gefördert durch das Bundesinstitut für Sportwissenschaft) wurden Leitlinien und Empfehlungen zur Talentselektion und Nachwuchsförderung aus soziologischer, trainingswissenschaftlicher und sportpsychologischer Sicht formuliert (Stadtmann 2013)

glichen (. Abb.  3.1). Negative Abweichungen (Ist-/Sollwert-­Differenzen) sind im Rahmen der darauf aufbauenden Trainingsplanung so lange durch eine Neujustierung der Trainingsinhalte zu berücksichtigen, bis sich der definierte Sollwert einstellt. Ähnlich der Arbeitsweise eines Thermostats unter Nutzung eines Messfühlers (Thermometer) für die Regelung der Raumtemperatur auf einen voreingestellten Sollwert fungiert die Leistungsdiagnostik als Messfühler für den Ist-Zustand der sportlichen Leistungsfähigkeit. Somit ist sie ein wichtiger Bestandteil in einem sich ständig wiederholenden Dreierschritt von Diagnose, Analyse und Ansteuerung (Grosser und Neumaier 1988).  

42

2

A. Ferrauti und H. Remmert

..      Abb. 2.11  Beispiel einer „Heatmap“ während eines Tennismatches (rechts) und isolierte Darstellung aller Antritte mit einer maximalen Laufgeschwindigkeit von >4,5 m/s. Der blau dargestellte Spieler sollte sein Training insbesondere aus der Rückhandecke absolvieren (https://doi.org/10.1007/000-04f)

2.3.5

Individualisierte Belastung und Belastungssteuerung

Verfahren der Leistungsdiagnostik werden im Normalfall nur außerhalb der Wettkampfsituation eingesetzt und liefern folglich nur bedingt Aussagen über die komplexe und individuelle Wettkampfleistung. Folglich sind zusätzlich Informationen aus der Wettkampfdiagnostik systematisch in den Trainingsprozess zu integrieren. Moderne Tracking-Verfahren liefern diesbezüglich insbesondere in den Sportspielen wertvolle Informationen. „Heatmaps“ typischer Laufwege einzelner Spieler können unmittelbar zur Konstruktion individueller On-Field-Trainingsprogramme genutzt werden, um Laufschnelligkeit oder Schnelligkeitsausdauer valide zu verbessern (. Abb.  2.11). „Individual Training in Football“ ist eines der Topthemen der heutigen Zeit (Bangsbo und Mohr 2014). Neben der Individualisierung der motorisch relevanten Wettkampfmuster unter Trainingsbedingungen (External Load) spielt auch die engmaschige (tägliche) individuelle Gestaltung der physiologischen Trainingsbeanspruchung (Internal Load) eine bedeutsame Rolle. Hier 

durch können die Trainingsempfehlungen für einen Athleten entsprechend der täglich schwankenden individuellen Leistungsvoraussetzungen (Readiness) fein reguliert werden (7 Kap. 3.5).  

2.3.6

Trainingsplanung durch Periodisierung und Zyklisierung

Die Gesamttrainingsbelastung wird gewöhnlich über den geplanten Zeitraum unter Berücksichtigung von Periodisierung und Zyklisierung strukturiert (Hottenrott und Seidel 2017). Diese zeitliche Strukturplanung des Trainings (Trainingsplanung) geht auf erste Periodisierungsmodelle aus den 1960er-Jahren zurück (Matwejew 1972) und wurde anschließend umfassend und systematisch von Starischka (1988) bearbeitet. Hintergrund für die Festlegung dieses Trainingsprinzips war die sportpraktische Erfahrung, dass die „sportliche Form“ oder „Topform“ ein sehr instabiler Zustand ist und Athleten aus physiologischen und motivationalen Gründen nicht in der Lage sind, eine konstant hohe Trainingsbelastung zu tole-

43 Grundlagenwissen zum sportlichen Training

Rahmenplan/Trainingskonzeption

bei zumeist immer ein Kalenderjahr oder ein Olympiazyklus für die zeitliche Strukturierung zugrunde gelegt wird (. Abb. 2.12 und 2.13). Selbstverständlich wird dieses vergleichsweise starre Raster den vielfältigen und heterogenen Anforderungen verschiedener Sportarten mit völlig unterschiedlicher Wettkampfstruktur nicht gerecht (Issurin 2010). So besteht das Trainingsjahr in vielen Sportspielen fast ausschließlich zu 65–85 % aus der Wettkampfperiode mit zahlreichen Wettkampfhöhepunkten (In-Season), während die Übergangsperiode (Post-Season Break und Off-Season) nur ca. 10  % und die Vorbereitungsperiode (Pre-Season) nur 10–30 % ausmachen. Somit geht der saisonale Einfluss zunehmend verloren und eine völlige Trainingspause bleibt in einigen Sportarten (leider auch aus finanziellen Gründen) sogar völlig aus. Speziell in den Sportspielen muss ein klassischer Zugang mit Peaking und Tapering bezogen auf wenige Saisonhöhepunkte daher scheitern oder sehr stark modifiziert werden (Issurin 2010). Diese Sportarten verlangen spezifisch ausgerichtete Konzepte der Trainingsplanung, die speziell während der langen Wettkampfphase den drohenden Leistungsabfall und die Zunahme des Verletzungsrisikos verhindern. Eine Möglichkeit bieten „ondulierende“ Modelle bestehend aus sich regelmäßig wiederholenden Trainingsblöcken mit klarer punktueller Schwerpunktsetzung (Issurin 2010). So können beispielsweise kürzere Mikrozyklen (Schock-­Mikrozyklen) punktuell im Saisonverlauf zu definierten Trainingsinhalten eingebaut werden, um die Leistungsfähigkeit über einen möglichst langen Zeitraum aufrechtzuerhalten. Selbstverständlich verlangt dies den Mut zur Anpassung des Wettkampfkalenders sowie den stetigen aufgeklärten Informationsaustausch zwischen Trainer und Athlet, um auch dem besonderen Regenerationsbedarf gerecht zu werden (Wiewelhove 2016). Insgesamt ist der Bereich der mittel- und langfristigen Trainingsplanung trainingswissenschaftlich am wenigsten evidenzbasiert, was auf die Vielzahl an Freiheitsgraden im Planungssystem und den hierdurch erschwerten forschungsmethodischen Zugang zurückzuführen ist. In  

individueller Trainingsplan

langfristig

Gruppentrainingsplan

Mehrjahrestrainingsplan (Perspektivplan)

allgemein

Jahrestrainingsplan

Makro(Meso-)zyklusplan

Wochentrainingsplan

kurzfristig

Trainingseinheitenplan

speziell

..      Abb. 2.12  Zeitliche und inhaltliche Ebenen der Trainingsplanung. Die Spezifität der Planungsinhalte nimmt vom Perspektivplan bis zum Trainingseinheitenplan kontinuierlich zu (Starischka 1988, S. 11)

rieren. In der Konsequenz wird seit vielen Dekaden empfohlen, die Leistungsfähigkeit durch Training phasenartig zu entwickeln (als Peaking bezeichnet) und dabei (fast gesetzmäßig) drei Entwicklungsphasen bzw. Makrozyklen (Vorbereitungs-, Wettkampf- und Übergangsphase) zu durchlaufen. Diese werden wiederum in einzelne Zyklen kürzerer Dauer unterteilt, woTrainingsplanung durch Periodisierung und Zyklisierung Unter Periodisierung und Zyklisierung versteht man auf der Basis übergeordneter Orientierungen (Rahmenplan, Perspektivplan, Jahresplan) die Festlegung von längeren Entwicklungsphasen (Makrozyklen über einen bis mehrere Monate) und Zeitabschnitten kürzerer Dauer (Mesozyklen über mehrere Wochen, Mikrozyklen gewöhnlich über eine Woche). Die unterschiedlichen Phasen sind durch unterschiedliche Trainingsziele und -inhalte gekennzeichnet, um eine möglichst hohe individuelle Leistungsfähigkeit zu definierten Zeitpunkten oder Zeiträumen innerhalb eines Trainingsjahres bzw. eines Olympiazyklus sicherzustellen.

2

44

A. Ferrauti und H. Remmert

Übergangsperiode

Saisonhöhepunkt (%)

2

100

Wettkampfperiode

98

Vorbereitungsperiode

96

100 98 96 100 98 96

..      Abb. 2.13  Trainingsperioden im Jahresverlauf dargestellt in der klassischen ein- bis dreigipfligen Form (aus Hottenrott und Hoos 2013, S. 194)

der Konsequenz unterliegt die Trainingsplanung nach wie vor selbst im Hochleistungssport zahlreicher Sportarten einer individuell unterschiedlichen Synopse von abstrakten Modellvorstellungen gepaart mit persönlichem Erfahrungswissen von Trainer und Athlet, die durch unvorhersehbare Ad-hoc-Entscheidungen „gewürzt“ wird. Auch wenn die sportartspezifisch wirkungsvollste Art der zeitlichen Strukturierung von Trainingszielen und -inhalten nicht vollständig aufgeklärt ist, besteht in Theorie und Praxis nach wie vor Konsens über die grundsätzliche Bedeutung des Prinzips der Trainingsplanung durch Periodisierung und Zyklisierung.

Beispiel: Roger Federer Dem Star im Herrentennis gelingt es im fortgeschrittenen Alter zunehmend perfekt, das Wettkampfjahr so zu periodisieren, dass er über zielgerecht eingebaute Wettkampfpausen und passgenau integrierte „Schock-Mikro- oder Makrozyklen“ seine Leistung aufbaut. Nach der anschließenden Beteiligung an Vorbereitungsturnieren erreicht er pünktlich zu den Grand-Slam-Turnieren nach wie vor einen Leistungspeak. Dies basiert natürlich auf optimalen finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen und langjähriger Erfahrung.

2.3.7

Optimale Relation von Belastung und Erholung

Das Prinzip besagt, dass nach einer Trainingsbelastung eine bestimmte Erholungszeit zur Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit notwendig ist, um eine erneute Belastung sinnvoll anschließen zu können (Hottenrott und Seidel 2017). Es bezieht sich primär auf den Zeitraum eines Mikrozyklus und beschreibt in erster Linie die physiologischen Mechanismen während und nach einer intensiven Trainingseinheit. Zur Beschreibung des Prinzips der Interaktion von Belastung und Erholung wird üblicherweise auf die frühen Befunde des russischen Biochemikers Jakowlew (1977) verwiesen. Dieser prägte den Begriff der Superkompensation als vorübergehende Glykogen- und KP-Entleerung während des Trainings, die passager mit einer Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit einhergeht (. Abb. 2.14). In der darauffolgenden Phase konnte eine kontinuierliche körperliche Erholung und eine überschießende Glykogeneinlagerung über einen Zeitraum von zwei bis drei Tagen festgestellt werden. Die vorausgegangene Entleerung (Depletion) fungiert in diesem Zyklus somit als Stimulus für die Anpassungsreaktion. Letztere pendelt sich bei  

2

45

Energievorrat (Muskelglykogen)

Grundlagenwissen zum sportlichen Training

3 Belastungsreiz

Zeit 1

2

..      Abb. 2.14  Das Modell der Superkompensation (1 = Glykogenentleerung durch Trainingsbelastung, 2 = Glykogensynthese, 3 = Glykogensuperkompensation) als

Ausbleiben weiterer Trainingsreize wieder auf das Ausgangsniveau ein (. Abb. 2.14). Folglich gilt es, bei konsequenter Einhaltung des Prinzips der optimalen Relation von Belastung und Erholung den nachfolgenden Trainingsreiz exakt zum Zeitpunkt des Leistungs-Peaks oder bereits während der unvollständigen Erholung zu setzen, um bei dadurch akkumulierter Ermüdung eine noch stärkere Superkompensation zu erzielen (funktionelles Overreaching). Problematisch wird die praktische Umsetzung des Prinzips dadurch, dass neben der energetischen Veränderung während Belastung und Erholung je nach Art und Komplexität des Trainingsreizes weitere neuromuskuläre und strukturelle Ermüdungs- und Erholungsmechanismen mit unterschiedlicher Zeitkonstante parallel ablaufen. Der Trainer erfährt daher nur mittels engmaschiger Feedback-­Informationen durch den Athleten einen ungefähren Hinweis über dessen Erholungsstatus und potenziell mögliche Belastbarkeit. In engem Zusammenhang mit dem hier behandelten Prinzip steht die Zielsetzung, die Regeneration (7 Kap.  9) durch verschiedene Maßnahmen zu beschleunigen (z. B. durch Ernährung, Massage oder Kälteanwendungen), um bei rascher abklingender Ermüdungskurve den folgenden Trainingsreiz bereits frühzeitiger und/oder mit höherer Belastungsintensität setzen zu können (. Abb. 2.15).

Beispiel für das Prinzip der optimalen Relation von Belastung und Erholung (aus Hottenrott und Hoos 2013, S. 444)



Fitness Fatigue

Trainingseinheiten

..      Abb. 2.15  Zeitlicher Verlauf von Leistungsfähigkeit und Ermüdung während der Erholungsphase nach einer intensiven Trainingseinheit und angestrebte Veränderungen von Ermüdungsverlauf (orange gestrichelte Kurve) sowie Reizhöhe und Reizdichte (orange). In Anlehnung an das Fitness-Fatigue-Modell nach Banister et al. (1975) und Banister (1982)

2.3.8

Wechselnde, variierende und ansteigende Belastung





Das Prinzip der wechselnden Belastung kann sich sowohl auf einen Mikrozyklus als auch auf eine Trainingseinheit beziehen. Es betrifft beispielsweise Sportarten mit mehreren Teildisziplinen wie den leichtathletischen Sieben- oder

46

2

A. Ferrauti und H. Remmert

Zehnkampf oder auch den Triathlon. Hier ist eine adäquate Verteilung der völlig unterschiedlichen koordinativen und metabolischen Anforderungen aus rein pragmatischen Gründen im Verlauf des Mikrozyklus bzw. am Trainingstag unumgänglich. Ähnliches gilt für Sportarten mit komplexem Anforderungsprofil wie die Sportspiele, bei denen ein isoliertes „Blocktraining“ in Reinform über längere Zeiträume zu einer unangemessenen Vernachlässigung anderer wichtiger Leistungskomponenten führen würde. Schließlich erfährt das Prinzip auch im Freizeit- und Fitnesssport seine Bedeutung, wenn es darum geht, in aufeinanderfolgenden bzw. auch innerhalb von Trainingseinheiten verschiedene Muskelgruppen anzusprechen und durch diese Sequenzierung das Training und die Ermüdung einer Muskelgruppe und die Erholungsvorgänge einer anderen Muskelgruppe parallel ablaufen zu lassen. In der Summe ermöglicht eine geschickte Umsetzung des Prinzips eine ökonomischere Trainingsgestaltung, da durch die abwechselnde Belastung verschiedener Teilsysteme gleichzeitig mehrere Leistungsfaktoren verbessert werden können (Hottenrott und Seidel 2017). Auch innerhalb einer Trainingsform kann eine Variation der qualitativen Ausführung (z.  B.  Betonung des Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus oder der exzentrischen Phase bei gleicher Kraftübung) aus koordinativer, metabolischer und neuromuskulärer Sicht angemessen sein, um bei Einstellung eines Leistungsplateaus eine erneute Störung der Homöostase und folglich eine höhere bzw. veränderte Trainingswirksamkeit zu erzielen (7 Kap. 2). Im Verlauf einer längeren Trainingsphase (z.  B. während eines Mesozyklus) gilt es, die Belastung zu steigern, wenn ansonsten keine Adaptationen mehr erreicht werden. Dies kann beispielsweise während der Vorbereitung auf einen Halbmarathon zunächst durch einen Anstieg der Belastungshäufigkeit pro Woche und anschließend durch eine Steigerung der Belastungsdauer, somit durch eine Zunahme des Belastungsumfangs, erfolgen. Schließlich sollte die Belastungsintensität bei gleichzeitig  

erneuter Reduktion der Belastungsdauer in Richtung des avisierten Wettkampftempos zunehmen. Das Prinzip der ansteigenden Belastung sollte auch in der Wettkampfplanung berücksichtigt werden, indem Vorbereitungswettkämpfe stets bedeutsamen Saisonhöhepunkten vorgeschaltet werden. Die besonderen psychophysischen Anforderungen von bedeutsamen Wettkämpfen können erfahrungsgemäß nur unter realen Turnierbedingungen valide vorbereitet werden. Beispielsweise stiegen die Adrenalinausscheidungen im Urin bei vergleichenden Untersuchungen unter realen Turnierbedingungen im Tennis (bei identischem Gegner und gleicher Wettspieldauer) um den Faktor 3,5 an (Ferrauti et al. 2001b). Dies besitzt speziell bei koordinativ hoch anspruchsvollen Sportarten einen erheblichen und vielfach störenden Einfluss auf die Technikqualität und sollte durch die Teilnahme an Vorbereitungswettkämpfen geringerer Bedeutung entsprechend vorbereitet werden. Nebenbei zeigt sich hier eine deutlich veränderte metabolische Reaktion (der Stress verursacht eine intensivierte Glykogenolyse und führt zu höheren Blutglukosekonzentrationen; . Abb. 2.16).  

2.3.9

Belastungsfolge innerhalb der Trainingseinheit

Die Trainingseinheit bildet die kleinste funktionelle Planungseinheit. Die Hauptphase einer Trainingseinheit wird üblicherweise von einer Aufwärm- bzw. Warm-up-Phase sowie einer Abwärm- bzw. Cool-down-Phase eingerahmt (Hottenrott und Hoos 2013). Hinsichtlich der Aufwärmphase existieren Angaben zur empfohlenen Dauer (10–30  min), Intensität ( 55 km/h)

3

Der Ball liegt auf der Linie des 5-m-Raums.

Schussgeschwindigkeit

Mit frei wählbarer Anlaufdistanz schießt der Torhüter den Ball so hart wie möglich ins Tor.

10 Versuche im Wechsel li/re Ziel rot: 3 Punkte Ziel gelb: 2 Punkte Ziel blau: 1 Punkt Höchstpunktzahl: 30 Punkte ICC: < 0,5 Validität: 1,7 ± 0,5 3 Schüsse Schussgeschwindigkeit (km/h) per Radarmessgerät Maximalwert Mittelwert ICC: > 0,8 Validität: 3,0 ± 0,9

..      Abb. 3.33  Zwei Beispiele von Testverfahren mit höherer Validität und geringerer Reliabilität (oben: Passgenauigkeit) sowie mit geringerer Validität und höherer Reliabilität (unten: Schussgeschwindigkeit) aus

einer komplexen Testbatterie für den Fußballtorhüter (Ferrauti et al. 2009). Das Expertenurteil zur Validität basiert auf der Einschätzung von Bundesligatrainern (1 = sehr hohe Relevanz, 5 = sehr geringe Relevanz)

der dazugehörige absolute Standardmessfehler (Typical Error of Measurement, TE), der direkt aus der Standardabweichung der individuellen absoluten Messwertdifferenzen geteilt durch deren Quadratwurzel berechnet wird

der zwei Messwertreihen verwendet. Dies sind bei metrischen Variablen üblicherweise der Pearson-Korrelationskoeffizient (r) oder der Intraklassen-Korrelationskoeffizient (Intra-­Class Correlation, ICC) als dimensionslose Größe zwischen zwei intervallskalierten Merkmalen. Die Koeffizienten (r) können Werte innerhalb des Intervalls –1,0 ≤ r ≤ +1,0 annehmen (Atkinson und Nevill 1998). Neben den genannten Indizes werden auch die Konfidenzintervalle und die Limits of Agreement (LOA) angegeben und grafisch mittels sogenannter Bland-Altman-Diagramme dargestellt (Bland und Altman 1986; . Abb. 3.34).

Standardmessfehler =

SDdiff 2

.

TE kann auch als prozentualer Variationskoeffizient (Coefficient of Variation, CV) dargestellt werden (Pyne 2013). Selbstverständlich sollten TE bzw. CV bei guter Reliabilität möglichst gering sein. Zusätzlich werden Koeffizienten als Ausdruck für den statistischen Zusammenhang



Exkurs: ICC versus Pearson Während der Pearson-Korrelationskoeffizient nur den relativen Zusammenhang zweier Messreihen x und y abbildet, entsprechend der Beziehungen y = x + b bzw. y = mx, reagiert der ICC auch auf absolute Veränderungen, indem er beide Datenreihen „poolt“ und die Beziehung y = x prüft. Letzteres ist für den Nachweis der Test-Retest-Reliabilität ein wesentlich wertvolleres Maß. Dies liegt daran, dass ein zuverlässiger Test bei Testwiederholung im Idealfall zu exakt identischen Testergebnissen führt. Der Pearson-Kor-

relationskoeffizient würde hingegen einen bei allen Probanden existierenden identischen Lerneffekt (y = x + b) ignorieren und mit einem hohen Zusammenhang (z. B. r = 1,0) reagieren. Zur graduellen Beurteilung der Zusammenhangsmaße existieren verschiedene Abstufungen (z. B. 0,00–0,39 = geringer Zusammenhang; 0,40–0,59 = mittlerer Zusammenhang; 0,60–0,74 = guter Zusammenhang; 0,75–1,00 = sehr enger Zusammenhang). Weitere sehr differenziertere Vorschläge hierzu liefert Hopkins (2015).

107 Leistungssteuerung

Reaction/Action-Speed-Torhütertest Torecke oben links

a 0,2

Test -Retest (s)

b

+1,96 SD 0,12

0,1

Mean 0,01

0,0

–1,96 SD –0,11

–0,1

–0,2

3

1,2

1,3

1,4

1,5

1,6

1,7

1,8

1,9

Mittelwerte aus Test und Retest (s) ..      Abb. 3.34  a Bland-Altman-Plot mit den Test-Retest-Ergebnissen zur Handlungsschnelligkeit des Fußballtorhüters. b Ein Nachwuchstorhüter von Borussia Dortmund bei der Testausführung. Auf der x-Achse sind die Mittelwerte aus Test und Retest

aufgetragen, auf der y-Achse die individuellen Differenzen bei der Testwiederholung. Der ICC beträgt 0,910. Die Leistung nimmt bei Testwiederholung um 0,01 s zu, und alle Einzelwerte befinden sich innerhalb der LOA (nach Knoop et al. 2013)

zz Validität

Auskunft darüber, ob die Testergebnisse auch tatsächlich gültig sind in Bezug auf den Sachverhalt, der gemessen werden soll. Das folgende Beispiel belegt, dass die sorgfältige Entwicklung valider Testverfahren mehr als nur eine triviale Aufgabe ist und sich zunächst stets die Frage gestellt werden muss, welches Außenkriterium der Test valide messen soll.

Die Zielparameter von Testverfahren sollen Aufschluss über ausgewählte Aspekte der sportlichen Leistungsfähigkeit geben. Dies sind vereinzelt sehr komplexe Konstrukte, sodass die Aussagekraft des Testverfahrens stets kritisch zu hinterfragen ist. Die Validität eines Testverfahrens gibt in diesem Zusammenhang Beispiel: „Das Runde muss ins Eckige“ Bei der Entwicklung von Testverfahren zur Erfassung der Wurf-, Schuss- oder Schlagpräzision stellt sich stets die Frage, wie die Leistung sinnvoll operationalisiert werden kann. Im einfachsten Fall werden Zielsektoren verwendet, die entsprechend einer Zielscheibe aus konzentrischen Kreisen bestehen (. Abb. 3.35). Andererseits passen sich quadratische Zielsektoren besser den linearen Grenzbereichen von Toren oder Spielfeldern an. Bei einem quadratischen Zielfeld würden der orangefarbene Treffer und der gelbe Treffer identisch beurteilt, obwohl der gelbe Treffer eine geringere Entfernung zum definierten Mittelpunkt aufweist. Folglich wäre der Kreis als Zielfläche das validere Verfahren. Nun ist das Tor als regelbedingtes Ziel jedoch bekanntermaßen eckig, und niemand wird bestreiten, dass der rote Treffer ein Optimum darstellt. Wie sollte jedoch der lilafarbene Treffer im Vergleich zum gelben Treffer beurteilt werden? Objektiv beurteilt ist lila sicherlich die bessere Präzisionsleistung als gelb  

oder orange. Aus Sicht der Torschussspiele wäre eine solche Bewertung (z. B. Messung der Distanzabweichung zum Optimum) jedoch nicht valide, wenn als Außenkriterium für Wurf-, Schuss- oder Schlagpräzision der Einfluss auf den Spielerfolg definiert wird (externe oder ökologische Validität).

1 3

10

..      Abb. 3.35  Ideen zur validen Messung der Wurf-, Schuss- und Schlagpräzision in den Torschussspielen

108

3

A. Ferrauti et al.

Im Idealfall existieren sogenannte „Goldstandards“ als Außenkriterium für eine Validitätsprüfung (Kriteriumsvalidität). Häufig werden hierbei physiologische Parameter verwendet (z.  B. die Herzfrequenz bei der Validierung der RPE-Skala). Mittels bivariater Regression lässt sich die Stärke des Zusammenhangs zwischen der Testleistung und dem Außenkriterium als Validitätskoeffizient berechnen (Hopkins 2015). Fehlen geeignete Goldstandards, dann kann das repräsentative Expertenurteil einer sinnvoll ausgewählten Stichprobe als ein Außenkriterium verwendet werden (. Abb. 3.33). Neben der Kriteriumsvalidität unterscheidet man unter anderem die Inhaltsvalidität (auch logische oder triviale Validität), wenn das Messverfahren unmittelbar das zu erfassende Merkmal abbildet (z. B. Bestimmung der Körpergröße in cm mittels mechanischem Messstab) und die Konstruktvalidität (Beziehung der Testleistung zu einem komplexen Konstrukt mehrerer Eigenschaftsdimensionen).  

zz Messfehler und Smallest Worthwhile Change

Bei der Interpretation von leistungsdiagnostischen Befunden ist stets der Messfehler des Verfahrens bei einer Test-Retest-Anwendung zu berücksichtigen. Dies gilt vor allem dann, wenn zwischen zwei Messzeitpunkten eine Intervention (z.  B. ein Schnellkrafttraining) stattgefunden hat und die Veränderungen der Retest-Ergebnisse auf die Intervention zurückgeführt werden sollen. Die Ursache für den Messfehler besteht u.  a. in der biologischen Spontanvariabilität des Menschen, kann aber auch auf eine unzureichende Messgenauigkeit des Verfahrens zurückgeführt werden (z.  B.

bedingt durch die Frequenz bei der Messwertaufnahme in Hz). Das Ausmaß des Messfehlers kann zwischen den Verfahren erheblich differieren und durch den prozentualen Variationskoeffizienten (CV) ausgedrückt werden. Ein relevanter Interventionseffekt muss somit stets in Abhängigkeit vom „Hintergrundrauschen“ des Messfehlers (Noise) beurteilt werden. Auch die sportpraktische Relevanz einer interventionsbedingten Messwertveränderung ist zu berücksichtigen. Hochauflösende Verfahren mit geringem Rauschen liefern möglicherweise Effekte auf einem nur mikroskopisch sichtbaren Niveau, die im sportlichen Wettkampf keine nennenswerte Leistungsverbesserung gegenüber der Konkurrenz ermöglichen. Der Australier Will Hopkins führte die Beurteilungsskalierung des „Smallest Worthwhile Change“ ein (Hopkins et  al. 1999). Die Festlegung dieser Relevanzschwelle kann z. B. in Text Anlehnung an Bestenlisten mittels Experten erfolgen oder statistisch berechnet werden. Vereinbarungsgemäß beträgt die geringste Veränderung von sportpraktischer Relevanz mindestens ein Drittel (33 %) des individuellen Wettkampf-zu-Wettkampf-CV in Individualsportarten. Eine andere stufenweise Effektbeschreibung orientiert sich an der Standardabweichung der getesteten Stichprobe. Eine Test-Retest-Veränderung von Faktor 0,2 der Standardabweichung kann als Smallest Worthwhile Change definiert werden, sofern keine anderen theoretischen und evidenzbasierten Grenzwerte verfügbar sind. Entsprechend abgestuft werden moderate (Faktor 0,6), große (Faktor 1,2) und sehr große Effekte (Faktor 2,0) unterschieden.

3

109 Leistungssteuerung

Beispiel: Einfluss aktiver Erholung auf die Sprungkraft der deutschen Volleyball-­Nationalmannschaft Die Spieler der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft der Männer (. Abb. 3.36) erzielten im Eingangstest im Mittel eine Sprunghöhe von 48 ± 8 cm im Counter Movement Jump (ohne Armeinsatz). An drei aufeinanderfolgenden Tagen absolvierten die Spieler jeweils ein Länderspiel gegen Belgien. Überprüft wurde der Einfluss dieser Turnierbelastung sowie von aktiven Erholungsmaßnahmen direkt nach Spielende auf die Sprungkraft der Spieler. Die unterste Relevanzschwelle von  

Ermüdungs- oder Interventionseffekten wäre nach Hopkins et al. (1999) eine Veränderung um 1,6 cm (Faktor 0,2 der Standardabweichung). Ab 4,8 cm würde von einem moderaten Effekt, ab 9,6 cm von einem großen Effekt gesprochen. Die Sprungleistungen nahmen in unserer Untersuchung um ca. 4 cm ab; unabhängig davon, ob jeweils nach Spielende eine aktive Erholungsintervention verabreicht wurde. Es kann folglich von einem annähernd moderaten Ermüdungseffekt gesprochen werden (. Abb. 3.37).  

..      Abb. 3.36  Die deutsche Volleyball-Nationalmannschaft zusammen mit dem Untersuchungsteam der Bochumer Trainingswissenschaft Deutscher Volleyball-Verband (n = 8) CMJ

70

CMJ (cm)

60

aktiv (nn = 8)

Messs p < 0,01** Int p = 0,07 Messs x Int p = 0,10

passiv

–4,4 cm

50 40

–3,2 cm Spiel 1

30 ET

Pre Match 1

Post Reg

Spiel 2 Pre Match 2

..      Abb. 3.37  Untersuchungen mit der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft im Rahmen des Projekts „Regenerationsmanagement im Spitzensport“ (REGman). Die Sprungleistungen nahmen im Verlauf von drei Wettkampftagen (Trainingsspiele

Post Reg

Spiel 3 Pre Match 3

Post Reg

AT

gegen die Nationalmannschaft von Belgien) um ca. 3–4 cm ab (moderater Effekt); unabhängig davon, ob eine aktive Erholungsintervention jeweils nach Spielende verabreicht wurde

110

A. Ferrauti et al.

3.4.3  Testnormierung

3

Eine exakt gemessene Leistung wird im Idealfall zusätzlich durch die Relativierung an einer angemessenen Vergleichsgruppe interpretiert. Um die Gefahr einer rein subjektiven Beurteilung eines Einzelwertes oder dessen Bewertung an einem unangemessenen Maßstab zu vermeiden, bedarf es für jeden Test zahlreicher Messergebnisse, die unter präziser Einhaltung der Testausführungsbestimmungen bei unterschiedlichen Gruppen von Sportle-

rinnen und Sportlern gewonnen werden. Diese Messergebnisse liefern als geschlechts-, leistungs- und altersdifferenzierte Norm bzw. Normprofile eine objektive Beurteilungsgrundlage für die individuelle Eigenschaftsausprägung. Der Normwert dient folglich dazu, die Leistungsfähigkeit eines Athleten im Verhältnis zur Grundgesamtheit einer vergleichbaren Sportlergruppe bzw. einer ausreichend großen Stichprobe derselben objektiv einzuordnen.

Beispiel: Wie hoch muss ein 15-jähriger Fußballstürmer springen können? Vom ehemaligen Fußball-Nationalspieler Miroslav Klose weiß man, dass er zu seinen aktiven Zeiten aus dem Stand mühelos über 55 cm hochspringen konnte. Glücklicherweise war er auch in der Lage, diese Fähigkeit in der Enge des Strafraums und gegen die Ellbogen der Abwehrspieler beim Sprung zum Kopfball erfolgreich einzusetzen. Viele junge Stürmer eifern diesem Vorbild nach und werden in den Nachwuchsleistungszentren der Fußball-Bundesliga getestet. Hierzu wird beispielsweise der Counter-Movement-Jump-Test verwendet und die vertikale Sprungleistung erfasst. Aber wie sind die erhobenen Werte zu beurteilen? Sicherlich wird kaum ein 15-jähriger Nachwuchsspieler die Leistung von Miroslav Klose erreichen, aber vielleicht 41 cm oder gar nur 36 cm? Aufschluss können hier nur altersentsprechende Normprofile aus dem Nachwuchsfußball geben. Und siehe da: Mit 36 cm ist man leider nur durchschnittlich, mit 41 cm gehört man zu den besten 20 % in dieser Alterskategorie und mit 45 cm ist der Weg frei, um Miroslav Klose in wenigen Jahren zu überflügeln. Zumindest beim Sprung, den Kopfball muss man selbstverständlich auch noch lernen (. Abb. 3.38).  

..      Abb. 3.38  Counter Movement Jump mit fixierten Armen in guter Ausführungsqualität. Die Sprunghöhe wird hier mittels Kontaktplatte nach dem Flugzeitverfahren bestimmt (7 https://doi. org/10.1007/000-04j)  

111 Leistungssteuerung

Das Beispiel verdeutlicht, dass zwischen „idealen Normen“, die an den weltbesten Sportlern gewonnen werden, und „statistischen Normen“ für eine definierte Adressatengruppe unterschieden werden muss (Hohmann et al. 2002). Ideale Normen sind perspektivisch eine Orientierungshilfe für die langfristige Trainingssteuerung und zuweilen auch für die Talentselektion, da sie grundlegende Aussagen über die Leistungsanforderungen einer Sportart erlauben. Für die aktuelle prozessbegleitende Trainingssteuerung sind jedoch nur statistische Normen, einer nach Zusammensetzung und Umfang angemessenen Normstichprobe, von unmittelbar handlungsleitendem Wert. In der Regel kann davon ausgegangen werden, dass sich die Rohwerte einer Normwertskala bei einer ausreichend großen Stichprobe statistisch normal verteilen. Bei einer Normalverteilung ist die Anzahl der Messwerte von niedriger (wenige), mittlerer (viele) und hoher Ausprägung (wenige) symmetrisch verteilt und kann durch eine Gauß‘sche Glockenkurve

dargestellt werden. Auf der Basis dieser Normalverteilung existieren verschiedene Beurteilungs- und Skalierungsmöglichkeiten, nach denen die Ausprägung von Individualwerten klassifiziert wird. Im einfachsten Fall kann ein Vergleich zum Mittelwert der Stichprobe erfolgen (arithmetisches Mittel oder Medianwert), sodass der Individualwert in erster Annäherung als unter- oder überdurchschnittlich bzw. als weitgehend durchschnittlich klassifiziert werden kann. Präziser wird diese Aussage erst dann, wenn das gesamte Verteilungsmuster über die Referenzstichprobe mit entsprechenden Streuungsmaßen (z.  B. die Standardabweichung) und der gesamten Messwertspanne (Range zwischen Minimum und Maximum) einbezogen werden. In der konkreten Umsetzung werden in der Trainingswissenschaft zumeist die z-Skala oder der Prozentrang angewendet. Beide Skalen gewährleisten zudem, dass Rohwerte, die auf völlig unterschiedlichen Intervallskalen basieren (z.  B.  Sprintzeiten in Sekunden versus

Exkurs: P  rozentrang und z-Transformation Der Prozentrang (Perzentil) bringt die relative Position eines Messwertes innerhalb der Stichprobe zum Ausdruck. Das Perzentil einer Stichprobe xp ist der Messwert, unter dem p Prozent der Werte in der Stichprobe liegen. Beispielsweise bezeichnet x30% den Wert, unterhalb dem 30 % der Stichprobe liegen, und x50% den Wert, unterhalb dem 50 % der Stichprobe liegen. Insofern entspricht x50% dem Median und ist ein durchschnittliches Ergebnis. Die Perzentile x10%, x20% bis x90% werden auch Dezile, die Perzentile x20%, x40% x60% und x80% Quintile und die Perzentile x25% x50% und x75% Quartile genannt. Problematisch ist die Festlegung der Grenzwerte, wenn sich die Anzahl der Stichprobe nicht in gleichmäßige Teilabschnitte aufteilen lässt. Hilfreich ist hier eine „lineare Interpolation“, sodass Perzentile für beliebige Prozentanteile bestimmt werden können (Bortz und Schuster 2010). Individuelle Testunterschiede im mittleren Bereich werden durch Prozentränge verstärkt, jene im Randbereich eher nivelliert (Lienert und Raatz 1989). Der große Vorteil gegenüber der z-Skalierung besteht jedoch

3

darin, dass der Perzentilwert als Leistungsindikator für den Laien unmittelbar transparent ist. Die z-Transformation basiert auf dem arithmetischen Mittelwert und der Standardabweichung einer Stichprobe. Die z-Werte erhält man, indem man die Abweichung vom arithmetischen Mittel an der Standardabweichung relativiert. Man berechnet also: x-x z= s Beispiel: Die durchschnittliche Körpergröße von Handballspielern beträgt 190 cm und die Standardabweichung 10 cm. Der Rückraumspieler misst 200 cm. Für ihn ergibt sich ein z-Wert von 1,0. Dies bedeutet, dass sein Rohwert den Mittelwert um die Länge einer Standardabweichung übersteigt. Ein z-Wert von 0,0 entspricht der durchschnittlichen Körpergröße. Ein negativer z-Wert zeigt einen unterdurchschnittlichen Rohwert an. Folglich besitzen z-Werte nicht mehr die Einheiten der Rohwerte. Aus unterschiedlichen Zahlendimensionen und Maßeinheiten resultieren dimensionslose Zahlen (Bortz und Schuster 2010).

112

3

A. Ferrauti et al.

Kraftleistungen in Newton) auf eine einheitliche Normwertskala transformiert und dadurch vergleichbar werden. Ein Beispiel ist das Normprofil von weiblichen Kaderspielerinnen der Altersklassen U14, U15 und U16 des Deutschen Basketball Bundes (DBB). Es zeigt unter anderem, dass die durchschnittliche Körperhöhe um jeweils 3 cm zwischen den Altersklassen von 169 auf 172 bis auf 175  cm ansteigt. Um in der U16 dem größten Quintil anzugehören, muss die Körperhöhe der Mädchen über 181  cm liegen. Ferner steigt die Ausdauerleistung im MFT von der U14 bis zur U16 nur unwesentlich an. Das Erreichen der Stufe 10 entspricht bereits jeweils dem höchsten Quintil (. Tab. 3.3). Die Definition von Grenzwerten oder Schwellenleistungen für die Selektion in höherwertige Kader bzw. die Zuwendung von weitergehenden Fördermaßnahmen ist trotz dieser objektiven Daten problematisch. Nur wenige Spielerinnen werden in allen Teilbereichen gut abschneiden. Konditionelle Defizite können zum Teil kompensiert werden. So müssen herausragende Basketballspielerinnen, die im Wettspiel eine hohe Spieleffizienz erreichen, nicht unbedingt in allen Einzeltests hohe Perzentilränge erreichen. Für die individuelle Priorisierung von Trainingszielen liefern die Normwerte jedoch wertvolle Orientierungen. Selbstverständlich geht es nicht darum, in allen Teilbereichen den Maximalwert anzustreben. Eine Centerspielerin mit 190 cm Körperhöhe kann und muss nicht unter 3,2 s im 20-m-Sprint erzielen. Vielmehr ist in Abhängigkeit von den individuellen Istwerten, den Anforderungen an die Spielposition und einer Trainingsaufwand-­Trainingsnutzen-­Abwägung im Sinne einfacher Heuristiken unter Einbezug der sportpraktischen Expertise ein individuell maßgeschneidertes Trainingsprogramm festzulegen (7 Abschn. 3.5).  



..      Tab. 3.3  Normprofile zur Leistung weiblicher Kaderspielerinnen des Deutschen Basketball Bundes (DBB) in den Altersklassen U14, U15 und U16 in einer Testbatterie, bestehend aus Körperhöhe (KH), 20-m-Sprint, Pendel-Sprint ohne (PSOB) und mit Ball (PSMB), Jump-andReach-­Test (J&R), Standweitsprung (SWS), Brustpassweite (BP), Halbdistanz-Wurftest (HDW) und dem Multistage-20-m-Shuttle-Run-Ausdauertest (MFT). Dargestellt sind die Stichprobengröße (N), das arithmetrische Mittel (MW), die Standardabweichung (SD) und die Quintilgrenzen (80 % bis 0 %; nach Ferrauti et al. 2015)

U14W

N

MW

SD

KH (cm)

190

169

8

20m-Sprint (s)

172

BEST 80% 60% 40% 20%

0% 143

170

166

162

3.54 0.16

2.90 3.40 3.49

3.57

3.67 4.01

187

176

PSOB (s)

184

5.61 0.28

5.01 5.32 5.53

5.64

5.87 6.47

PSMB (s)

172

5.88 0.33

5.16 5.61 5.76

5.96

6.13 7.02

J&R (cm)

184

35

6

51

41

37

34

30

19

SWS (cm)

185

181

17

230

200

185

175

165

130

9.16 1.13 12.00 10.18 9.40

8.84

8.20 6.40

BP (m)

185

HDW (Punkte)

172

26

4

37

30

27

25

23

17

MFT (level)

169

8.4

1.4

12.0

9.5

8.8

8.1

7.1

4.9

BEST 80% 60% 40% 20%

0%

195

149

U15W

N

MW

SD

KH (cm)

289

172

8

20m-Sprint (s)

272

PSOB (s)

288

PSMB (s)

287

J&R (cm)

280

36

5

51

41

38

35

32

21

SWS (cm)

289

184

18

251

200

190

180

170

135

9.90 1.01 12.80 10.70 10.14 9.60

BP (m)

288

HDW (Punkte)

277

MFT (level) U16W

174

170

166

3.51 0.17

3.08 3.36 3.46

3.50

3.63 4.09

5.49 0.25

4.86 5.30 5.41

5.53

5.68 6.50

5.78 0.30

5.07 5.52 5.68

5.82

6.00 6.78

36

179

3

273

8.7

1.5

12.7 10.0

N

MW

SD

BEST 80% 60% 40% 20%

8

194

31

9.00 7.10

29

181

29

28

26

9.2

8.4

7.5

18 4.9 0%

KH (cm)

187

175

176

172

168

20m-Sprint (s)

175

3.48 0.17

3.08 3.33 3.42

3.52

3.62 4.03

155

PSOB (s)

183

5.46 0.23

4.93 5.26 5.40

5.48

5.63 6.30

PSMB (s)

181

5.72 0.28

5.04 5.47 5.66

5.78

5.96 6.96

J&R (cm)

183

38

6

55

43

40

37

32

23

SWS (cm)

182

188

17

230

205

194

185

170

140

BP (m)

185 10.56 1.17 13.50 11.60 10.80 10.24 9.60 7.50

HDW (Punkte)

177

29

4

MFT (level)

163

9.0

1.5

41

32

13.5 10.5

31

29

26

19

9.4

8.6

7.6

4.3

113 Leistungssteuerung

Die folgenden Unterkapitel können jeweils nur einen kleinen Ausschnitt aus der Vielzahl leistungsdiagnostischer Verfahren bzw. sportmotorischer Tests abbilden. Es werden vorrangig jene Verfahren aufgelistet und im weiteren Verlauf näher beschrieben, die in der eigenen Arbeitsgruppe regelmäßig als Standardverfahren eingesetzt werden. Die meisten dieser Verfahren werden ggf. mit geringen Abweichungen im Testverlauf und bei der Messwerterfassung auch in anderen nationalen oder internationalen trainingswissenschaftlichen Einrichtungen verwendet. Die Darstellung erfolgt aufgeteilt nach den primären Testzielen und in Unterkapiteln getrennt zunächst in einer tabellarischen Übersicht und anschließend mit detaillierten Durchführungshinweisen für einige ausgewählte Testverfahren. Die folgenden primären Testziele werden unterschieden: 55 Diagnostik von Anthropometrie, Reifegrad und Körperkomposition 55 Kraftdiagnostik und Muskelfunktion 55 Schnelligkeitsdiagnostik 55 Beweglichkeitsdiagnostik 55 Ausdauerdiagnostik (anaerob und aerob) sportartspezifische Leistungsdiagnostik 3.4.4  Diagnostik von

Anthropometrie und Reifegrad

Anthropometrische Daten liefern einen unverzichtbaren Bezugsrahmen für die Ergebnisse der Leistungsdiagnostik und werden üblicherweise begleitend zu allen Testverfahren im Rahmen der Eingangsdiagnostik erhoben und im Testprotokoll vermerkt. Die verwendeten Parameter unterscheiden sich je nach Fragestellung und Stichprobe. Als Parameter der ersten Wahl gelten das Alter, die Körperlänge und das Körpergewicht des Probanden, aus denen auch der Body-Mass-Index (BMI) berechnet werden kann (BMI = Körpergewicht/ Körperlänge in m2). Die präzise Messung des Körpergewichts (100  g Messgenauigkeit) ist zur Relativierung aller körpergewichtsabhän-

3

gigen Leistungsgrößen (z. B. die relative maximale Sauerstoffaufnahme oder die relative Maximalkraft) unabdingbar. Letztere liefern je nach Anforderungsprofil der Sportarten die wesentlich validere Beurteilungsgröße als absolute Leistungsgrößen. Auch die solide Interpretation von Veränderungen absoluter Leistungsgrößen durch Training oder durch andere Interventionen (z.  B.  Ernährungsmodifikation) kann nur unter Einbezug der Entwicklung des Körpergewichts erfolgen. Verschiedentlich wird zusätzlich eine Relativierung der Leistung zur fettfreien Körpermasse (FFM) vorgenommen (Lean Body Mass, LBM). In diesem Fall muss auch eine Messung der Körperkomposition zur Quantifizierung des Anteils verschiedener Kompartimente und Gewebeanteile (z.  B.  Muskelzellmasse, Fettmasse und Gesamtkörperwasser) mit in die Eingangsdiagnostik einbezogen werden. Hierzu stehen unterschiedliche Verfahren zur Verfügung (. Tab. 3.4). Neben den klassischen und unverzichtbaren Körpermaßen wie Körperlänge und Körpergewicht und dem daraus berechneten BMI werden weitere mittels Maßband oder Zollstock einfach zu erhebende Parameter bestimmt bzw. aus den Primärgrößen berechnet (5  mm Messgenauigkeit). Hierzu zählen unter anderem Beinlänge, Armspannweite, Sitzgröße, Hüftumfang, Taillenumfang, Brustumfang, Halsumfang, Oberarmund Oberschenkelumfang, das Taille-Hüft-Verhältnis und das Taille-Größen-Verhältnis. Aus präventivmedizinischer Sicht kommen dem BMI und den Taillen-Verhältnissen, aber auch dem Halsumfang im Zusammenhang mit der Inzidenz von Zivilisationserkrankungen wie der Arteriosklerose oder dem Typ-II-Diabetes eine dominante Rolle als Surrogat-­Parameter zu (Qiao und Nyamdorj 2010; Seidell 2010). Oberarmund Oberschenkelumfänge können im leistungsorientierten Kraftsport als begleitende Parameter zum Nachweis einer Muskelhypertrophie erhoben werden. Leistungsdiagnostische Untersuchungen im Kindes- und Jugendalter sollten bei der anthropometrischen Eingangsuntersuchung stets begleitend auch Körperlänge, Beinlänge, Sitz 

114

A. Ferrauti et al.

..      Tab. 3.4  Ausgewählte Verfahren zur Diagnostik von Anthropometrie, Reifegrad und Körperkomposition in der Übersicht

3

Testverfahren

Testziele

Testmaterialien

Parameter

Anthropo­ metrie

Körpermaße, abgeleitet daraus der biologische Reifegrad

Messstab, Zollstock oder Maßband, ggf. Klebeband und Peilwinkel, geeichte Personenwaage, Mirwald-­ Formel, BIO-Final-Software

Alter (J) Körperlänge (cm) Körpergewicht (kg) Body-Mass-Index (kg/m2) Beinlänge (cm) Armspannweite (cm) Sitzgröße (cm) Umfänge: Taille, Brust, Hals, Oberarm, Oberschenkel (cm) Taille-Hüft-­Verhältnis Taille-Größen-­Verhältnis ΔAPHV finale Körperhöhe

Körperkomposition

Gewebeanteile

Caliper-Methode, bioelektrische Impedanzmessung, Röntgenabsorptionsspektroskopie

Körperfettanteil (kg; %) Muskelmasse (kg; %) Knochenanteil (kg; %) Körperwasser (L; %)

größe und das chronologische Alter erheben. Aus diesen Prädiktoren und der zugrundeliegenden mathematischen Beziehung kann mit guter Vorhersagequalität das biologische Alter der Probanden berechnet werden (Mirwald et al. 2002). Das biologische Alter ist hier definiert als die Zeit in Jahren bis bzw. nach Erreichen des schnellsten Längenwachstums (Age of Peak Height Velocity, APHV). Das APHV wird mit dem Höhepunkt der Pubertät gleichgesetzt. Die theoretische Fundierung dieser

indirekten Bestimmung basiert auf dem chronologisch disproportionalen Wachstum von Extremitätenlänge und Rumpf. Die berechnete Differenzzeit zum APHV kann nun in einem Folgeschritt zur biologischen Durchschnittsreife chronologisch Gleichaltriger relativiert werden. Ergibt sich ein hier Unterschied von über einem Jahr, dann spricht man von einem frühentwickelten bzw. akzelerierten (BA  – CA  >  +  1) oder von einem spätentwickelten bzw. retardierten Kind (BA – CA  80 %

3

Technikdefizite

Technik o. B.

Bewegungsanalyse & Techniktraining

Handkraft < 60 %

BMI < 60 %

Handkraft > 60 %

Hypertrophie -training & Ernährung

Medizinballwurf < 60 %

Medizinballwurf > 60 %

Spielertyp Ausdauer Schnelligkeit Agility ...

Schnellkrafttraining

Rumpfkraft Sprungkraft ?

..      Abb. 3.71  Exemplarischer Entscheidungsbaum für Maßnahmen der individuellen Trainingssteuerung am Beispiel einer unzureichenden Aufschlaggeschwindigkeit im Tennis

 xkurs: Planmäßige Steuerung versus E kreative Offenheit Aufgrund der Komplexität der Leistungsstruktur und des schnellen Wandels der Spielstruktur (z. B. durch regelmäßige, teils massive Regeländerungen im Basketball) sind festgeschriebene Regularien der Trainingssteuerung in einigen Sportarten – möglicherweise zu Recht – nicht vorhanden. Denn daraus resultiert die Schwierigkeit, sich auf eine halbwegs gültige „Idealvorstellung“ von Trainingsmethoden oder Handlungsstrategien zu einigen, welche die technischen oder athletischen Zubringerleistungen optimal entwickeln. Wäre Dirk Nowitzki entsprechend der damals vorherrschenden Denkweise ausgebildet worden, hätte er vermutlich nicht durch seine teils unorthodoxe Spielweise herausstechen können. Es bleibt somit die Forderung und die daraus resultierende Chance bestehen, sich ein ausreichendes Maß an Kreativität und Offenheit bei der Trainingsgestaltung zu erhalten.

3.5.3  Individuelle

Belastungsdosierung

Eine individuelle Belastungsdosierung ist immer dann erforderlich, wenn zum Erreichen des gewünschten Trainingsziels nicht die maximale, sondern eine exakt ausgerichtete submaximale Belastungsintensität angemessen ist. Dies betrifft im Training der konditionellen Teilkomponenten primär das Kraft- und Ausdauertraining. Während für das Schnelligkeitstraining üblicherweise maximale bis supramaximale Reize empfohlen werden (7 Kap. 5), ist zur Auslösung der erwünschten molekularen Anpassungsvorgänge beim Krafttraining (z. B. Muskelhypertrophie) und beim Grundlagenausdauertraining (z. B. Mitochondrienbildung) eine ausreichende Belastungsdauer bei reduzierter Intensität erforderlich (Bachl et  al. 2018). Die Festlegung submaximaler Trainingsvorgaben orientiert  

3

161 Leistungssteuerung

sich entweder an der individuellen Maximalleistung (persönliche Bestleistung im Wettkampf oder Maximalleistung in der jeweiligen Trainingsübung) oder an submaximalen Grenzwerten, die zumeist leistungsdiagnostisch erfasst werden. Ausführliche Informationen zu Belastungsnormativen finden Sie in 7 Abschn. 2.2. Beim Krafttraining erfolgt die Bestimmung der submaximalen Trainingsintensität in der Praxis häufig in Relation zum maximalen Widerstand, der bei einer definierten Trainingsübung vom Trainierenden überwunden werden kann. Das sogenannte Einfach-­ Wiederholungsmaximum (1 Repetition Maximum oder abgekürzt 1 RM) wird in der Sportpraxis mit der Maximalkraft gleichgesetzt. Für definierte Trainingsziele werden unterschiedliche prozentuale Abstufungen des 1 RM (% 1 RM) empfohlen (7 Kap.  4, . Abb. 4.19).  





Auch in den Weg-/Zeit-abhängigen Sportarten wie Schwimmen, Laufen sowie beim Rudern wird die Trainingsintensität im einfachsten Fall in Relation zur jeweiligen individuellen Best- oder Zielleistung (% vmax bzw. % tmax) oder zur Functional Threshold Power (FTP) gesetzt und in absolute Geschwindigkeiten (m/s, km/h, min/km), Zwischenzeiten (s und min) oder Power (W) umgerechnet. Alternativ werden maximale physiologische Messgrößen wie unter anderem die maximale Herzfrequenz (% HFmax) sowie die Relativierung der Trainingsbelastung zur maximalen Sauerstoffaufnahme (% V̇ O2max) verwendet (7 Abschn. 7.4, . Tab. 7.7 und 7.8). Deutlich schwieriger ist die Individualisierung der Trainingssteuerung beim Intervalltraining und der variablen Dauermethode, da Belastungsintensität und -dauer sowie die Pausendauer aufeinander abgestimmt werden müssen (. Tab.  3.12). Beim Intervallsprinttraining fällt zumindest eine Steuerungsebene weg, da  





..      Tab. 3.12  Beispiele für unterschiedliche HIIT-Protokolle mit oder ohne Richtungswechsel orientiert an der Maximalleistung im 30-15-Intermittent-Fitness-Test (%VIFT ). Leistungsstärkere Athleten absolvieren in der vorgegebenen Zeit (Running Time) eine längere Laufstrecke bis zum Markierungspunkt (Buchheit 2010)

Running Running Intensity time (% VIFT)

Recovery Recovery Intensity duration (% V ) IFT

Recovery modality

Max series duration

Number Recovery time of series Between series

3’ 45” 30”

85–88% 90% 90%

15” 15”

– passive passive

Straight line Straight line Straight line

7’-8’ 7’–8’

5 to 6 2 to 3 2 to 3

3’ 3’ 3’

30” 30” 15” 15” 20”

90% 93% 100% 95% 95%

30” 30” 15” 15” 20”

40% passive passive 25% passive

Straight line Shuttle 40m Straight line Shuttle 40m Straight line

>12 10’–12’ 10’ 15’ 7’–8’

2 2 to 3 2 to 3 2 2

3’ 3’ 3’ 3’ 6–7’active

20” 20”

90% 95%

20” 15”

45% passive

Shuttle 30m Shuttle 30m

7’–8’ 7’–8’

2 2

6–7’active 6–7’active

15” 15”

100% 95%

15” 15”

passive 25%

Shuttle 40m Straight line

7’–8’ 7’

2 2

6–7’active 6–7’active

15” 10” 10”

95% 90% 95%

10” 10” 10”

passive passive passive

Shuttle 40m Shuttle 10m Straight line

7’ 6’ 6’

2 2 2

6–7’active 6–7’active 6–7’active

3”

sprint

17”

passive

6’

2

6–7’active



20m sprint or 2 × 10m Shuttle



162

A. Ferrauti et al.

..      Tab. 3.13  Individualisierungsbeispiel für 15 Spieler mit unterschiedlicher VIFT (Intensität 95 %, Intervalldauer 15 s, Streckenlänge 30 m, individuelle Laufdistanz pro Intervall 57–79 m)

Names

3

Player 1 Player 2 Player 3 Player 4 Player 5 Player 6 Player 7 Player 8 Player 9 Player 10 Player 11 Player 12 Player 13 Player 14 Player 15

VIFT

Time

%

15 15,5 16 16,5 17 17,5 18 18,5 19 19,5 20 20,5 21 21,5 22

15 15 15 15 15 15 15 15 15 15 15 15 15 15 15

95 95 95 95 95 95 95 95 95 95 95 95 95 95 95

die Belastungsintensität maximal ist (all-out). Als einer der wenigen wissenschaftlich publizierten Individualisierungsansätze hierzu soll im Folgenden der Vorschlag von Buchheit (2008) vorgestellt werden. Nach Buchheit (2010) kann die Individualisierung anhand der maximal erreichten Laufgeschwindigkeit im 30-15-Intermittent-Fitness-Test (% VIFT) erfolgen (7 Abschn.  3.4 und . Tab.  3.13). Hierzu müssen in ein Excel-Spread-Sheet (als Smartphone-App oder online zum Download: 7 https://30-15ift.­com/ downloads/) die Maximalleistung (VIFT), die gewünschte prozentuale Belastungsintensität (%VIFT) sowie Belastungsdauer und Pausendauer eingegeben werden. Die individuelle Streckenlänge und die pro Intervall erforderlichen Richtungswechsel werden automatisch berechnet (. Tab.  3.13). Trainiert beispielsweise ein Kader von 20 Spielern auf einem Parcours mit 30 m Länge, so werden bei identischer Startlinie unterschiedliche Zielmarkierungen aufgestellt. Die fehlerfreie Diagnostik der Maximalleistung ist zuweilen problematisch und verursacht in der Periodisierung eine unerwünschte zusätzliche Auslenkung der Gesamtbelastung  





Distance Straight Shuttle 59 61 63 65 67 69 71 73 75 77 79 81 83 85 87

57 58 60 62 61 63 65 66 68 70 72 74 75 77 79

...which is on the field 1 1 1 1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2

Shuttle(s) and Shuttle(s) and Shuttle(s) and Shuttle(s) and Shuttle(s) and Shuttle(s) and Shuttle(s) and Shuttle(s) and Shuttle(s) and Shuttle(s) and Shuttle(s) and Shuttle(s) and Shuttle(s) and Shuttle(s) and Shuttle(s) and

27 28 30 32 1 3 5 6 8 10 12 14 15 17 19

m m m m m m m m m m m m m m m

des Athleten. Folglich ist die Trainingswissenschaft seit jeher bemüht, zusätzlich zu den bereits beschriebenen Methoden valide submaximale Orientierungspunkte für die Trainingssteuerung zu definieren. Für freizeitsportliche Läufer bietet sich beispielsweise eine Relativierung von Laufschritten und Atemzyklus (beispielsweise sechs oder acht Schritte pro Ein- und Ausatmung) an. Dieser sogenannte Schritt-Atem-Zyklus wird bei konsequenter Einhaltung zu einer interindividuell weitgehend identischen relativen Ausbelastung bei deutlich höherer Laufgeschwindigkeit des besser Trainierten führen und kann mit einigermaßen guter Genauigkeit definierte Intensitätsbereiche ansteuern (Buskies et  al. 1993; Hanakam und Ferrauti 2009; Hanakam 2015).



Praxistipp: subjektive Belastungsdosierung Hilfreich sind in der Praxis einfache subjektive Skalierungen mit linearen Abstufungen mit drei (leicht, mittel schwer bzw. als Ampel mit grün, gelb, rot) oder fünf Schritten (sehr leicht, leicht, mittel, schwer, sehr schwer) oder validierte und publizierte Verfahren

3

163 Leistungssteuerung

wie die Varianten der RPE-Skala (Rating of Perceived Exertion) nach Borg (1998). Dies kann sowohl im Kraft- als auch im Ausdauertraining verwendet werden. Es wird bei seriöser Handhabung zu einer angemessenen Individualisierung der Trainingsintensität im Sinne von höheren Belastungen bei besser Trainierten und geringeren bei schlechter Trainierten führen (7 Kap. 7, . Tab. 7.9).

des Diabetes Mellitus Typ 2) wird eine laktatschwellenbasierte Trainingssteuerung auch beim Krafttraining vereinzelt angewendet (Domínguez et  al. 2018). In allen Fällen werden Prozentabstufungen definierter Schwellenleistungen oder die unmittelbar zu definierten Laktatkonzentrationen korrespondierende Leistung für die Festlegung von Trainingsempfehlungen verwendet (. Abb. 3.72). In der Praxis sind beim Ausdauertraining je nach Testprotokoll (speziell bei kurzer Stufendauer) Schwierigkeiten bei der Übertragung auf ein Training nach der Dauermethode unvermeidlich, sodass die Dosierung stets einer Feinjustierung in Rücksprache mit dem Athleten bedarf. Der besondere Vorteil einer Orientierung an submaximalen Schwellenwerten besteht jedoch darin, dass keine maximale Ausbelastung erforderlich ist, um die Trainingsempfehlung festzulegen. In den Sportspielen kann auf dieser Basis die personifizierte Belastungsdosierung aus pragmatischen und auch kommunikativen Gründen durch eine Individualisierung auf Gruppenebene mit Spielern ähnlicher Ausdauerleistungsfähigkeit ersetzt werden (. Tab. 3.14).  

Im leistungsorientierten Radsport wird unter anderem das Konzept der Functional Threshold Power (FTP) verwendet (7 Kap.  7, . Tab. 7.8). Hierunter versteht man die maximale Durchschnittsleistung, die ein Radsportler unter realen Wettkampfbedingungen über eine definierte Dauer bzw. Strecke realisiert hat. Prozentual abgestuft von der FTP werden dann die Wattvorgaben für unterschiedliche Trainingsinhalte (z. B. GA 2 bei 90–110 %) abgeleitet (Allen und Coggan 2015). Für Leistungsläufer erfolgt eine physiologisch begründete Individualisierung der Belastungsdosierung häufig auf der Basis des ergometrisch bestimmten Verlaufs der Blutlaktatkonzentration (7 Abschn. 3.4). Daran angelehnte submaximale „Schwellenwerte“ (u. a. Mader et al. 1976; Keul et al. 1979; Stegmann et  al. 1981; Hollmann 1999) ermöglichen die Ableitung von individuellen Trainingsempfehlungen für ein Ausdauertraining nach der Dauermethode. Aufgrund fließender Übergänge zwischen Ausdauer- und Krafttraining im Gesundheitssport (z.  B. bei der Therapie  







3.5.4  Aktuelle Feinjustierung

durch Monitoring

Das Monitoring (Überwachung) von Belastungs- und Erholungsreaktionen im Sport gilt mittlerweile als zentrale Schlüsselstelle im Prozess der Individualisierung von Trainingsmaßnahmen (Halson 2014). Im Rahmen intensivierter Trainingsphasen stehen Trainer häufig vor der Herausforderung, einerseits die Anpassungsprozesse zu maximieren und andererseits Überbeanspruchung und Überlastungserscheinungen zu vermeiden (Buchheit et  al. 2013). Im Zusammenspiel von Trainingsplanung und -steuerung ist es daher elementar,

..      Abb. 3.72 Beispiel für die Ableitung von intensiven, extensiven und regenerativen Trainingsbereichen anhand einer Herzfrequenz-/ Laktatleistungskurve, orientiert an der aerob-anaeroben Schwelle (v4). Die Belastungsintensität kann sowohl als Geschwindigkeitsintervall als auch als Herzfrequenzbereich abgelesen werden

14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

200

Herzfrequenz Laktat

180 160 140 120

intensiv 90–100 % V4 extensiv 80–90 % regener. V4 70–80 % V4

Ruhe

2,0

2,5

3,0 3,5 v (m/s)

4,0

100 80

Herzfrequenz (min–1)

3

A. Ferrauti et al.

Blutlaktat (mmol/l)

164

60 4,5

5,0

40

..      Tab. 3.14  Beispiel für die Aufteilung einer Fußballmannschaft in vier leistungshomogene Trainingsgruppen (pro Zeile ein Spieler, Trainingsgruppen farbig hervorgehoben) anhand der Ergebnisse eines Feldstufentests

Geschwindigkeit bei 4 mmol/l [m/s]

Grundiagenausdauer 1 Geschwindigkeit [m/s]

Grundiagenausdauer 1 Herzfrequenz [S/min]

3,51 3,53

2,45 - 2,98 2,47 - 3,00

166 -175 164 -168

2,98 - 3,33 3,00 - 3,35

175 - 180 168 - 182

3,33 - 3,68 3,35 - 3,70

180 - 186 182 - 191

3,60

2,52 - 3,06

148 -169

3,06 - 3,42

169 - 181

3,42 - 3,78

181 - 189

3,64

2,55 - 3,09

160 -170

3,09 - 3,45

170 - 182

3,45 - 3,82

182 - 189

3,65 3,68

2,55 - 3,10 2,57 - 3,12

156 -173 142 -171

3,10 - 3,47 3,12 - 3,49

173 - 187 171 - 185

3,47 - 3,83 3,49 - 3,86

187 - 195 185 - 195

3,70

2,59 - 3,15

138 -154

3,15 - 3,52

154 - 168

3,52 - 3,89

168 - 184

3,77

2,64 - 3,20

151 -173

3,20 - 3,58

173 - 183

3,58 - 3,96

183 - 189

3,78 3,84

2,64 - 3,21 2,69 - 3,26

142 -162 135 - 158

3,21 - 3,59 3,26 - 3,65

162 - 174 158 - 167

3,59 - 3,96 3,65 - 4,03

174 - 187 167 - 176

3,86

2,70 - 3,28

134 - 159

3,28 - 3,67

159 - 168

3,67 - 4,05

168 - 178

3,90

2,73 - 3,32

148 - 170

3,32 - 3,71

170 - 183

3,71 - 4,10

183 - 198

4,09

2,86 - 3,47

146 - 168

3,47 - 3,88

168 - 178

3,88 - 4,29

178 - 185

4,13

2,89 - 3,51

3,51 - 3,92

152 - 164

3,92 - 4,34

164 - 177

4,21 4,24

2,95 - 3,58 2,97 - 3,60

< 152 140 - 163 153 - 161

3,58 - 4,00 3,60 - 4,03

163 - 177 161 - 172

4,00 - 4,42 4,03 - 4,45

177 - 189 172 - 187

4,28

3,00 - 3,64

147 - 174

3,64 - 4,07

174 - 183

4,07 - 4,49

183 - 192

4,30

3,01 - 3,65

134 - 153

3,65 - 4,08

153 - 168

4,08 - 4,51

168 - 185

Grundiagenausdauer 2 Geschwindigkeit [m/s]

trainingsinduzierte Wirkungen zeitnah zu registrieren, um Training und Regeneration bedarfsgerecht anzupassen. Die bislang beschriebenen Aspekte der Trainingssteuerung (Sportartspezifität, individuelle Schwerpunktsetzung, angemessene Belastungsdosierung) alleine genügen demnach nicht, um den hochgradig individuell und unvorhersehbar ablaufenden Belastungs- und Erholungs-

Grundiagenausdauer 2 Herzfrequenz [S/min]

Entwicklungsbereich Geschwindigkeit [m/s]

Entwicklungsbereich Herzfrequenz [S/min]

vorgängen im Leistungssport gerecht zu werden (Halson 2014). Vielmehr sind tagesaktuell stets kurzfristige Veränderungen in der Trainingssteuerung erforderlich. Diese können eine Feinjustierung der bestehenden Trainingsplanung bis hin zu einer völligen Umorientierung (Einbau einer längeren Regenerationspause) zur Folge haben. Um diese weitreichenden Entscheidungen auf eine möglichst solide Daten-

165 Leistungssteuerung

basis zu stellen, werden zunehmend Verfahren des Trainings- und Athleten-Monitorings (Monitoring = Überwachung) entwickelt und in der Sportpraxis erprobt. Ein routinemäßiges Monitoring ist von entscheidender Bedeutung, um die Trainingsreaktionen der Athleten zu verstehen und fundierte Entscheidungen in Bezug auf Trainings- und Regenerationsmaßnahmen treffen zu können (Halson 2014; Bourdon et al. 2017; McGuigan 2017; Coutts et al. 2018). Während in den ausdauerorientierten Sportarten bereits seit längerer Zeit individuelle zeitreihenstatistische Zugänge verwendet werden, steht eine konsequente Umsetzung in den Sportspielen in Deutschland erst am Anfang. Demgegenüber werden im Ausland (u. a. in Großbritannien und Australien) bereits vielfach monitoringbasierte Empfehlungen von Trainingswissenschaftlern vom Coach für die individuelle Trainingssteuerung genutzt (Buchheit 2014; Coutts et  al. 2018). Trainings- und Athleten-Monitoring Unter einem modernen Trainings- und Athleten-Monitoring versteht man die objektive, tägliche Dokumentation der externen Belastung (quantitative Merkmale wie Trainingsinhalte und -umfänge sowie qualitative Merkmale wie Geschwindigkeiten und Aktivitätscharakteristika), der internen Beanspruchung bzw. Response (z. B. biologische Marker wie Kreatinkinase, Herzfrequenzvariabilität und psychometrische Skalierungsverfahren) und der Leistungsfähigkeit (z. B. durch Testverfahren, die keine zusätzliche Beanspruchung für den Athleten verursachen). Hierzu werden einfache handschriftliche oder softwaregestützte Datenerfassungs- und Interpretationssysteme mit oder ohne Wearable-Technologien zur automatisierten Datenerfassung genutzt.

3

Das Monitoring soll jedoch keineswegs die tägliche und persönliche Kommunikation zwischen Trainer und Athleten ersetzen. Im Gegenteil: Die systematische Datenerhebung umfasst im Idealfall auch ergänzende externe Faktoren (z. B. berufliche und soziale Rahmenbedingungen) und dient vor allem dazu, subjektive Wahrnehmungen sowie intuitive Entscheidungen von Trainer und Athleten mit objektiven Beobachtungen zu ergänzen. Der größte Nutzen für die tägliche Feinjustierung ergibt sich, wenn eine umfassende historische Datenbasis des jeweiligen Athleten vorhanden ist. Somit können aktuelle Auffälligkeiten im Kontext vorheriger vergleichbarer oder identischer Situationen bewertet und interpretiert werden.

Monitoring verursacht eine Datenflut („Big Data“) und erfordert intelligente Analysemethoden und Filtermechanismen, um die für den Athleten relevanten Informationen für die Trainingssteuerung zu identifizieren und in Handlungsszenarien umzusetzen. Keine der auf den Markt „einstürmenden“ Softwareentwicklungen, Technologien der Datenerhebung und Algorithmen der Dateninterpretation sind bislang überzeugend. Dies liegt auch an der Vielzahl möglicher Monitoring-Parameter und deren angemessener Auswahl. Ferner müssen ausreichend viele Baseline-Bestimmungen für jeden Parameter durchgeführt werden, um zwischen zufälligen und „behandlungsbedürftigen“ Veränderungen (Meaningful Changes) zu unterscheiden. Wenn der Entwicklungsverlauf verschiedener Parameter gegenläufig ist, müssen mehrere Parameter gleichzeitig (multivariat) interpretiert werden (Julian et al. 2017; Thorpe et  al. 2017; Hecksteden et  al. 2018; Schneider et al. 2018).

166

3

A. Ferrauti et al.

Insofern steht die Entwicklung intelligenter Lösungen der Trainingssteuerung durch Monitoring-Daten aktuell erst am Anfang. Andererseits entwickeln sich neue Technologien zur automatisierten Datenerhebung (Wearable Technologies) rasant, sodass in der leistungssportlichen Praxis Klarheit darüber fehlt, welche Daten zu sinnvollen Aussagen führen (Cardinale und Varley 2017; Link 2018). Stets neue Messgrößen und Parameterkonstrukte (z. B. Readiness, Freshness, PlayerLoadTM) verunsichern die Sportpraxis. Derzeit ist Vorsicht bei der Neuanschaffung von Technologien geboten, da eine unabhängige Evaluierung der Produkte i. d. R. erst erheblich nach der Markeinführung erfolgt (Sperlich und Holmberg 2017). zz Monitoring-Parameter in der Übersicht

Zentrales Ziel des Monitorings ist die Quantifizierung der externen Trainingsbelastung, der damit einhergehenden internen Beanspruchung und der resultierenden Leistungsveränderungen (Borresen und Lambert 2009; Buchheit 2014; Halson 2014). Die Dokumentation der externen Belastung (. Tab.  3.15) erfolgt unter Berücksichtigung von Belastungsart (Wettkampfbelastungen sind im Vergleich zu Trainingsbelastungen meist höher einzustufen) und -typ (z.  B. die Disziplinen im Mehrkampf oder unterschiedliche Trainingsbereiche wie Technik- bzw. Taktiktraining). Diese Hauptkategorien werden üblicherweise mit den gängigen Belastungsnormativen (Belastungsdauer, -umfang und  -intensität) beschrieben. Neben den verfügbaren metrischen Skalierungen zur Belastungsintensität (z.  B.  Geschwindigkeit oder Wattleistung) werden in der Sportpraxis subjektive Skalierungen, meist basierend auf der CR-10-Skala nach Borg 1998, verwendet. Durch Multiplikation der daraus resultierenden Session-RPE mit der Belastungsdauer in Minuten ergibt sich eine dimensionslose Größe für den Workload einer Trainings- oder Wettkampfbelastung (Foster 1998).  

Beispiel: Session-RPE und Training Load Ein Triathlet absolviert eine moderate, extensive Trainingseinheit auf dem Rad über 3,5 Stunden bei einer Session-RPE von 3 (CR-10-Skala). Hieraus ergibt sich ein Training Load (oder Workload) von 210 min × 3 = 630. Ein Fußballspieler absolviert ein hochintensives Turnierspiel bei einer Session-RPE von 8, das erst in der Verlängerung entschieden wird. Hieraus ergibt sich ein Training Load (oder Match Load) von 120 × 8 = 960.

Die Erfassung der internen Beanspruchung (. Tab.  3.15) kann objektiv mittels Herzfrequenzaufzeichnung, bewährter Blutparameter für die kurzfristige (z. B. Laktat) und die mittel- bzw. langfristig akkumulierte Beanspruchung (z. B. Kreatinkinase bzw. CK, Harnstoff, freies Testosteron, Insulin Like Growth Factor bzw. IGF-1 und C-reaktives Protein bzw. CRP) erfolgen (Urhausen et  al. 1995; Hecksteden et al. 2016; Meyer et al. 2016). Die genannten Parameter sind unterschiedlich sensitiv für Beanspruchungen in verschiedenen Sportarten: Das Muskelenzym Kreatinkinase (CK) ist z. B. in den Kraft- und Schnellkraftsportarten ein guter Indikator für kleinste Muskelschädigungen wie beim Muskelkater. In den Ausdauersportarten sind hingegen solche Indikatoren aussagekräftiger, die eine erhöhte (katabole) metabolische Beanspruchung (z.  B.  Harnstoff, freies Testosteron und Cortisol) anzeigen. Oft scheitert ein tägliches Monitoring auf der Basis dieser Parameter jedoch an der Praktikabilität, denn nur selten kann die Analytik in der gebotenen Messwertdichte angeboten werden. Am weitesten verbreitet ist die Analytik von CK und Harnstoff, da diese Werte einfach und verhältnismäßig kostengünstig aus Kapillarblut erhoben werden können. Erfahrungen aus dem Projekt „Regenerationsmanagement im Spitzensport (REGman) zeigen, dass Laborwerte einen wesentlichen Beitrag zum Ermüdungs-Monitoring leisten können. Allerdings sollte vor der  

167 Leistungssteuerung

3

..      Tab. 3.15  Ausgewählte Parameter zum täglichen Monitoring von externer Belastung, interner Beanspruchung und Leistungsveränderungen. Externe Belastung

Interne Beanspruchung

Leistungsindikatoren

Sonstiges

Belastungsart

Training, Wettkampf …

Belastungstyp bzw. -modalität

Laufen, Schwimmen, Kraft …

Belastungsdauer

Minuten, Stunden, Tage …

Belastungsumfang und -inhalte

Distanzen (z. B. mittels GPS), Aktivitätsanalysen wie Sprünge, Schüsse oder Würfe, Sonstiges …

Belastungsintensität

Geschwindigkeit, Wattleistung, Beschleunigungen, Sonstiges …

Belastungsindizes

Training Load (min × CR-10-RPE)

Blutmarker

z. B. Laktat, Kreatinkinase, Harnstoff, freies Testosteron, Cortisol, IGF-1, CRP

Herzfrequenz und Herzfrequenzvariabilität (HRV)

HRRuhe, HRsubmax, HRmax, HRE, HRZonen, RMSSD und weitere HRV-Parameter

Training Impuls

z. B. Edwards‘ TRIMP (HRZonen × min)

Psychometrie

z. B. Profile of Mood States (POMS); Erholungs-­ Belastungs-­Fragebogen für Sportler (REST-Q-Sport); Delayed Onset of Muscle Soreness (DOMS); Kurzskala Erholung und Beanspruchung (KEB)

Schlafdiagnostik

Qualität und Dauer

Neuromuskuläre Funktion

Counter Movement Jump, Drop Jump, Multiple Rebound Jump, Reflexaktivität (z. B. Tensiomyographie)

Krafttests

MVIC, RM

Submaximale Ausdauertests

LSCT, YoYo (HRsubmax)

Körpergewicht, Ernährungsdokumentation

Interpretation einzelner Messwerte stets eine solide individuelle Baseline basierend auf mehreren vorausgehenden Messungen ermittelt werden (Hecksteden et  al. 2016; Meyer et  al. 2016, 2020). Auch die Herzfrequenz wird beim Monitoring im Leistungssport verwendet, da dies methodisch vergleichsweise einfach möglich ist (. Tab. 3.15). Zur Beschreibung der akuten Beanspruchung eines Trainings wird meist die durchschnittliche prozentuale Auslastung der maximalen Herzfrequenz (% HRmax) oder die prozentuale Verweildauer in definierten Herzfrequenzzonen (HRZonen) verwendet. Die Aussagekraft dieser Parameter ist bei konstanten  

(Dauermethoden) oder standardisierten Belastungsformen deutlich höher, was auf die verzögerte Reaktion kardialer Messgrößen auf Belastungsänderungen bei der Intervallarbeit zurückzuführen ist (Achten und Jeukendrup 2003; De Marées 2003, S.  450; Buchheit et  al. 2013). Zur Beschreibung der kardiozirkulatorischen Gesamtbeanspruchung über einen definierten Zeitraum wird häufig der „Training Impulse“ (TRIMP) nach verschiedenen Methoden berechnet (Borresen und Lambert 2009). Edwards‘ TRIMP erfasst die jeweilige Belastungsdauer in fünf gleich großen Intensitätszonen (50–60 % HRmax) und berechnet hieraus eine Gesamtbeanspruchung.

168

A. Ferrauti et al.

Exkurs: Herzfrequenzvariabilität

3

Die Herzfrequenzvariabilität beschreibt die Variation innerhalb einer definierten Messreihe aufeinanderfolgender RR-Intervalle (des EKGs). Eine hohe Schlag-zu-Schlag-Variabilität wird als positiver Indikator für die Anpassungsfähigkeit des autonomen Nervensystems verstanden (Achten und Jeukendrup 2003; Horn 2003; Hottenrott 2014). Ein Abfall der HRV spricht i. d. R. für eine dauerhafte Überbeanspruchung (Übertrainingssyndrom) und sollte in der Trainingssteuerung zu einer Belastungsreduktion führen (Achten und Jeukendrup 2003; Borresen und Lambert 2009; Buchheit 2014). Zur Quantifizierung der Schlag-zu-Schlag-Variabilität werden zahlreiche HRV-Indizes verwendet. In der angewandten Trainingsforschung ist der RMSSD (Root Mean Square of Successive Differences) der international geläufigste Parameter, der

Herzfrequenzbezogene Parameter liefern einen nichtinvasiven Einblick in überdauernde Veränderungen des kardial-autonomen Nervensystems (ANS) und damit in die Reaktionsbereitschaft von Sympathikus und insbesondere Parasympathikus. Die hier verwendeten Parameter sind die Ruheherzfrequenz (HRRuhe), die submaximale Herzfrequenz (HRsubmax), die Erholungsherzfrequenz (HRE, bzw. Heart Rate Recovery, HRR) und verschiedene Größen der Herzfrequenzvariabilität (HRV). Die Geschwindigkeit des Herzfrequenzabfalls nach intensiven Belastungen und eine niedrige Ruheherzfrequenz können Indikatoren für einen guten Regenerationsstatus sein. Allerdings besteht noch Diskussionsbedarf hinsichtlich idealer Belastungsprotokolle für die Messung von HRE bzw. HRR (Buchheit 2014). Eine standardisierte Erfassung der Ruheherzfrequenz ist in der Praxis nur schwer über einen langen Zeitraum sicherzustellen. In der Gesamtheit zeigt sich daher, dass herzfrequenzbasierte Messgrößen nur unter strenger Einhaltung der messmethodischen Rahmenbedingungen aussagekräftig sind. Speziell die HRV (s. Exkurs), aber auch die Ruheherzfrequenz müssen stets unter konstanten Bedingungen erhoben werden

mathematisch als Quadratwurzel des Mittelwertes der quadrierten Differenzen aller sukzessiven RR-Intervalle definiert ist. Für eine präzise HRV-Erfassung sind die messmethodischen Rahmenbedingungen (z. B. Tageszeit, Erfassungsdauer, Körperlage) unbedingt konstant zu halten (Horn 2003). Tagesaktuelle Einzelwerte sind trotzdem häufig mit einer hohen biologischen Variabilität und einem hohen „Messfehler“ behaftet. Folglich hat sich die Analyse gleitender Wochenmittelwerte im Sinne einer kontinuierlichen Trendanalyse bewährt (Le Meur et al. 2013; Buchheit 2014; Plews et al. 2014). Bei hohen metabolischen Anforderungen ist ein Orthostase-Test mit Messung des Übergangs vom Liegen zum Stehen aussagekräftig (Schneider et al. 2019).

(z. B. morgens nach dem Erwachen und einem Toilettengang bei identischer Körperlage), um aussagekräftige Ergebnisse zu gewinnen. Das primäre Einsatzgebiet sind die ausdauerorientierten Sportarten, da hier der Zusammenhang zum autonomen Nervensystem am engsten ist (Buchheit 2014) oder in Trainingssituationen mit speziellen Rahmenbedingungen (z.  B. in der Höhe oder in großer Hitze) und besonders hohen Belastungen (z.  B.  Trainingslager, Turniere) (Schneider et al. 2018). Praxistipp: Submaximale Herzfrequenz Eine Sonderstellung nimmt die submaximale Herzfrequenz (HRsubmax) ein. Sie besitzt gegenüber den oben genannten Messgrößen entscheidende Vorteile in der Sportpraxis, da sie unter Anleitung und Beobachtung des Trainers an der Trainingsstätte während eines standardisierten Aufwärmens erhoben werden kann. Dies ist vor allem im Bereich der Sportspiele interessant: Hier können von den Spielern ohne Aufsicht und zu Hause nur selten zuverlässige Daten zur Ruheherzfrequenz und zur HRV gewonnen werden (Buchheit 2014). Im Mannschaftsverbund lässt sich das gemeinsame Warm-up nutzen, um unter stets einheitlichen

3

169 Leistungssteuerung

Bedingungen (z. B. 4–5 min mit 10 km/h oder die ersten 6 min der Yo-Yo Tests) und ohne zusätzlichen Zeitverlust die submaximale Herzfrequenz zu erfassen. Der Vorteil dieser Messung besteht auch darin, dass die Ergebnisse unter moderater Belastung stabiler gegenüber Stör- und Einflussgrößen abgeschirmt sind als unter Ruhebedingungen (Bradley et al. 2011). Der Nachteil liegt wie bei allen herzfrequenzbasierten Parametern darin, dass eine Abnahme nicht immer eindeutig interpretiert werden kann. So kann dies gleichermaßen ein Indikator für eine langfristige Leistungsverbesserung, aber auch für eine akute Ermüdung sein (Schneider et al. 2018). Um dieser Interpretationsproblematik entgegenzuwirken, eignet sich vor allem das gleichzeitige Erfragen des Anstrengungsempfinden mittels RPE-Skala (Buchheit 2014; Bellenger et al. 2016). Neuere Ansätze in den Spielsportarten beschäftigen sich bereits damit, im Rahmen von Kleinfeldspielen (Small Sided Games) externe (GPS und Accelerometrie) und interne (Herzfrequenz) Belastungsgrößen zu einem sogenannten Fitness-Index zu verrechnen. (Lacome et al. 2018).

Psychometrische Skalen weisen für Athleten und Betreuer eine hohe Praktikabilität hinsichtlich der Erfassung von Ermüdung und Erholung auf. Verschiedene standardisierte Verfahren sind zeitökonomisch und für den Athleten wenig belastend (. Abb.  3.73). Sie geben Einblick in den aktuellen individuellen psychophysischen Beanspruchungszustand und unterstützen die Trainingssteuerung erheblich. Trotz allem bedarf es einer situationsangemessenen Auswahl der publizierten Methoden (. Tab.  3.15). Der „Erholungs-­Belastungs-­Fragebogen für Sportler“ (REST-Q-Sport; Kellmann und Kallus 2016) und das „Profile of Mood States“ (POMS; McNair et al. 1992) sind für ein engmaschiges Monitoring aufgrund ihres Umfangs ungeeignet. Aus sportpraktischer Sicht empfehlenswerter ist die „Kurzskala Erholung und Beanspruchung“ (KEB, Hitzschke et  al. 2015), die nur acht relevante Items beinhaltet und in nur einer Minute ausgefüllt werden kann (. Abb.  3.73 und 3.74). Liegt der Fokus primär auf der Erfassung von Muskelkater, kann noch rascher mit 





tels visueller Analogskalen verfahren werden (Langley und Shephard 1985). Die in der Praxis bewährte DOMS-Skala („Delayed Onset of Muscle Soreness“) besteht aus einer nicht weiter unterteilten Linie, auf welcher der Athlet sein aktuelles Empfinden zwischen den Endpunkten „kein Schmerz“ und „unerträglicher Schmerz“ analog (Paper-and-Pencil-­ Methode) oder per Software einträgt. Psychometrische Skalen könnte man fast als „Goldstandard“ der Ermüdungsdiagnostik ansehen, wenn sie von den Athleten nicht leicht „durchschaubar“ wären. So kann ein interessengeleiteter Sportler, der beispielsweise in Kürze an einem Wettkampf teilnehmen möchte, die Absicht haben, seine Ermüdung zu „verschleiern“ (Meyer et al. 2016). Die sportartspezifische Leistungsfähigkeit und Trainingsbereitschaft sollte im Idealfall die primäre Größe für die Trainingssteuerung sein. Wiederholte hochvolumige und/oder -intensive Beanspruchungen verursachen Auslenkungen in verschiedenen Funktionssystemen (z. B. Glykogenentleerung oder autonome Dysregulation des Herz-­Kreislauf-­Systems) und führen zu einer vorübergehenden Absenkung der Leistungsfähigkeit (Meyer et  al. 2016). Für das tägliche Monitoring stehen jedoch nur wenige Testverfahren zur Verfügung, da die meisten leistungsdiagnostischen Untersuchungen eine maximale Ausbelastung erfordern und demnach ungeeignet sowie unverträglich für den Athleten sind. Geeignet sind daher solche Leistungsindikatoren, die ohne nennenswerte Beanspruchung des Sportlers und ohne Störung von Trainingspraxis und Regenerationsverlauf einfach und regelmäßig erhoben werden können sowie gleichzeitig eine hohe Sensitivität für die sportartspezifische Leistungsfähigkeit aufweisen (. Abb.  3.75). Zahlreiche Untersuchungen der eigenen Arbeitsgruppe widmeten sich in der jüngeren Vergangenheit dieser Frage (Wiewelhove et al. 2015; de Paula Simola et al. 2015, 2016; Hammes et al. 2016; Hecksteden et al. 2016; Raeder et al. 2016; Schneider et al. 2019). Die beschriebene Anforderung wird gemäß unserer Untersuchungsergebnisse in den schnellkraftdeterminierten Sportarten und in den  

170

A. Ferrauti et al.

3

Code Datum, Uhrzeit

Kurzskala Erholung Im Folgenden geht es um verschiedene Facetten Ihres derzeitigen Erholungszustandes. Die Ausprägung „trifft voll zu“ symbolisiert dabei den besten von Ihnen jemals erreichten Erholungszustand.

Körperliche Leistungsfähigkeit z. B. kraftvoll, leistungsfähig, energiegeladen, voller Power

Mentale Leistungsfähigkeit z. B. aufmerksam, aufnahmefähig, konzentriert, mental hellwach

Emotionale Ausgeglichenheit z. B. zufrieden, ausgeglichen, gut gelaunt, alles im Griff habend

Allgemeiner Erholungszustand z. B. erholt, ausgeruht, muskulär locker, körperlich entspannt

trifft gar nicht zu

trifft gar nicht zu

trifft gar nicht zu

trifft gar nicht zu

0

0

0

0

1

1

1

1

trifft voll zu

2

3

4

5

6

trifft voll zu

2

3

4

5

6

trifft voll zu

2

3

4

5

6

trifft voll zu

2

3

4

5

6

..      Abb. 3.73  Kurzskala Erholung und Beanspruchung (KEB, Seite 1) mit vier Items zum Erholungsstatus. Seite 2 bildet die Items zur Beanspruchung ab (Hitzschke et al. 2015)

3

171 Leistungssteuerung

..      Abb. 3.74  Jugendliche während eines Trainingslagers beim Ausfüllen des KEB. In diesem Alter besitzt die aktive Auseinandersetzung der Athleten mit den Bereichen Monitoring und Trainingssteuerung auch eine wichtige pädagogische Komponente auf dem mühsamen Weg zum „mündigen Athleten“ (Hitzschke et al. 2015)

Sportspielen (Wiewelhove et al. 2015) nur durch neuromuskuläre Funktionstests (z.  B.  Counter Movement Jump, Drop Jump oder Multiple Rebound Jump; . Abb. 3.75) oder durch die indirekte Bestimmung der muskulären kontraktilen Eigenschaften (beispielsweise mittels Tensiomyographie) erfüllt (de Paula Simola et  al. 2016). Die einmalige Messung der maximalen  

..      Abb. 3.75  Messung von Sprungleistung und submaximaler Herzfrequenz zu Beginn jedes Trainingstages während eines Trainingslagers, um kurzfristig auf individuelle Auffälligkeiten reagieren zu können

isometrischen Kraft (MVIC) oder des Mehrfach-­ Wiederholungsmaximums ist hingegen aus messmethodischen und pragmatischen Gründen nur für wenige Kraftsportler denkbar (Brzycki 1993; de Paula Simola et al. 2015; Raeder et al. 2016). Für die ausdauerorientierten Sportarten (Hammes et al. 2016) sowie für die Sportspiele (Bradley et al. 2011; Schneider et al. 2018) bieten sich zusätzlich standardisierte submaximale Testverfahren an (7 Abschn. 3.4, . Tab. 3.9 und . Abb. 3.57).  





Exkurs: Tensiomyographie (TMG) Die Tensiomyographie (TMG) misst die Verformung des Muskelbauches während einer Kontraktion und gibt somit Aufschluss über die Muskelkontraktilität. Dazu wird eine Sonde von außen auf den Muskelbauch aufgesetzt und Elektroden werden ober- und unterhalb des Sensors angebracht. Aus den Daten des Messsensors lassen sich mithilfe einer speziellen Software das Ausmaß der Muskelverformung, die Verzögerungszeit und die Geschwindigkeit der Muskelkontraktion sowie die Kontraktionsdauer als Folge einer perkutan eingeleiteten Muskelkontraktion ermitteln. Die Ergebnisse unterscheiden sich zwischen Kraft- und Ausdauersportlern und bilden die Muskelermüdung nach einem intensiven Krafttraining ab. Nur bei hoher Standardisierung des Messvorgangs und Bedienung der Apparatur durch einen erfahrenen Diagnostiker lassen sich brauchbare und reliable Ergebnisse erzielen. Wenn diese Voraussetzungen in der Sportpraxis erfüllt werden, besitzt die Methode Vorteile, da sie für den Athleten sehr verträglich abläuft (. Abb. 3.76).  

..      Abb. 3.76  Tensiomyographie am M. vastus medialis des M. quadriceps femoris. Ein standardisierter Impuls wird über Elektroden appliziert; die Federsonde misst die Muskelkontraktion im Zeitverlauf (de Paula Simola et al. 2015, 2016)

172

Auf submaximaler Ebene ist die Herzfrequenz ein relativ einfach zu erfassender Parameter, der bei definierter Belastung und weitgehend standardisierten Umgebungsbedingungen (Flüssigkeitsaufnahme, Temperatur, Tageszeit; ggf. Medikation) wertvolle Informationen liefert (s. Praxistipp). Veränderungen der Herzfrequenz bei gegebener Belastung können ein Indikator für eine veränderte Leistungsfähigkeit, aber auch ein Frühwarnzeichen für Ermüdung oder Erkrankungen sein (Bradley et  al. 2011; Buchheit 2014). Die Messung kann sehr praxisnah in das Warm-up integriert werden (s. Exkurs). Ein Anwendungsbeispiel im Radsport ist der Lambert-and-Lamberts-Submaximal-Cycle-Test (LSCT, . Abb. 3.55). Die Interpretation von Veränderungen der submaximalen Herzfrequenz bei gegebener Laufleistung bzw. der Wattleistung sowie definierten submaximalen Herzfrequenzen erfordert jedoch zusätzliche Informationen und Erfahrungen (Hammes et al. 2016).  

zz Acute versus Chronic Workload

Die Trainingsbelastung (Workload) sollte im Rahmen des Monitorings nicht nur akut zur Beschreibung der Belastung an einem Tag oder ..      Abb. 3.77 Propagierter Zusammenhang zwischen dem Verhältnis der akuten zur chronischen Belastung und der Wahrscheinlichkeit für ein Verletzungsereignis (nach Blanch und Gabbett 2016 und nach Gabbett 2016).

während eines Mikrozyklus (Acute Workload), sondern auch als Durchschnittsbelastung über einen definierten längeren Trainingszeitraum (Chronic Workload) erfasst werden. Hierzu wird meist der gleitende Mittelwert über drei bis vier Wochen Trainingsdauer berechnet. Dem Verhältnis zwischen der akuten und der chronischen Trainingsbelastung wurde ein enger Zusammenhang zur Verletzungsinzidenz zugeschrieben (Blanch und Gabbett 2016; Gabbett 2016). Solange sich die akute Belastung auf dem üblichen Niveau bewegt, soll bleibt die Wahrscheinlichkeit für ein Verletzungsereignis gering bleiben. Erst wenn die akute Belastung das Eineinhalbfache der chronischen Belastung überschreitet, kann von einem nennenswert erhöhten Risiko ausgegangen werden (. Abb.  3.77 und 3.78). Eine deutliche Unterschreitung der chronischen Belastungen ist ebenfalls suboptimal. Hierdurch kann es zu einem raschen Fitness- und Leistungsverlust kommen, der wiederum für ein gesteigertes Verletzungsrisiko verantwortlich sein kann. Die konkreten Angaben für „optimale“ Belastungen und gesteigertes Verletzungsrisiko sind natürlich nur als allgemeine Richtlinien zu verstehen, welche je nach Sportart,  

25 Verletzungswahrscheinlichkeit (%)

3

A. Ferrauti et al.

20 15 10 5 0

0,5

1,0

1,5

Verhältnis akute:chronische Belastung

2,0

3

173 Leistungssteuerung

10-Wochen-Mesozyklus

3,0 Acute Load Chronic Load Acute:Chronic Load

Session-RPE

600 400

2,0 1,5 1,0

200 0

2,5

0,5 1 4 7 10

16

22

28

34 40 46 Trainingstage

52

58

64

70

Acute:Chronic Load

800

0

..      Abb. 3.78  Fallbeispiel für das Trainings-Monitoring eines Freizeitsportlers in der Vorbereitung auf einen Halbmarathon (Acute Load = blaue Linie; Chronic Load = grüne Fläche; Acute:Chronic Load = rote Linie). Die Trainingsbelastung wird am Anfang zu plötzlich gesteigert, sodass nach sieben Trainingstagen ein erhöhtes Risiko (Acute:Chronic ca. 3,0) entsteht. In der Folge bleibt das Verhältnis der akuten zur chronischen Belastung im sog. „Sweet Spot“

(Acute:Chronic  300 U/l) zeigen für diesen Athleten im Rahmen der Trainingssteuerung Regenerationsbedarf an (Meyer et al. 2016, 29)

teriori-Verteilung und damit individuelle Korridore für den erholten oder ermüdeten Zustand (. Abb. 3.81).

Betrachtungskaskade von Psychometrie, Leistung und Labormarkern sind hierzu ein erster möglicher Schritt. Zusammenfassend besitzt das Monitoring eine wichtige Funktion im Sinne einer Feinjustierung und Individualisierung der Trainingssteuerung. Vorsicht ist jedoch vor unseriösen Verfahren geboten, die den genannten Anforderungen nicht entsprechen. Die Weiterentwicklung neuer Parameter und multivariater Verfahren der Entscheidungsfindung bleibt mit Spannung abzuwarten, obwohl reine „Blackbox-Entscheidungen“ auch in Zukunft (glücklicherweise) utopisch bleiben und in der Sportpraxis zudem auf wenig Resonanz stoßen werden. Folglich kann für die Sportpraxis nur empfohlen werden, dass Handlungsentscheidungen im Rahmen der Trainingssteuerung zukünftig nicht vollends automatisiert, sondern stets im vertrauensvollen Diskurs zwischen Athlet und Trainer sowie dem sportwissenschaftlichen Betreuerstab auf der Basis der erhobenen Messwerte getroffen werden sollten.



Anforderung 4  Liegen Daten aus unter-

schiedlichen Messverfahren vor (multivariate Beurteilung), kann die Interpretation für die Trainingssteuerung erleichtert werden, wenn alle Parameter in der gleichen Richtung ausschlagen (z.  B. ein Abfall der Leistung im Counter Movement Jump, ein Abfall der submaximalen Herzfrequenz, hohe CK-Werte außerhalb der individuellen Norm, Muskelschmerzen und geringe allgemeine Leistungsbereitschaft im KEB). Problematisch wird die Entscheidungsfindung jedoch, wenn die Veränderungen tendenziell unterschiedlich ausfallen. Bei mehreren Parametern ist nicht immer eindeutig festzulegen, wie eine Veränderung zu interpretieren ist. Dies trifft zum Beispiel auf die submaximale Herzfrequenz zu (s. Praxistipp). Zukünftig sind folglich die trainingswissenschaftlichen Bemühungen hinsichtlich einer multivariaten Betrachtung zu verstärken. Einfache Entscheidungsbäume mit festgelegter

178

A. Ferrauti et al.

3.6  Aufgaben zur Nachbereitung

des Kapitels

3

1. Nehmen Sie gemäß . Abb. 3.12 eine prozentuale Gewichtung der Leistungskomponenten für die Sportarten Windsurfen, Bobfahren (Anschieber), Bogenschießen, Handball und Badminton vor und begründen Sie diese in kurzen Worten. Erläutern Sie in dem Zusammenhang die Interaktion zwischen technischen und taktischen Komponenten. 2. Recherchieren Sie in der wissenschaftlichen Literatur Daten zum Belastungs- und Beanspruchungsprofil Ihrer favorisierten Sportart, fassen Sie dieses tabellarisch zusammen und leiten Sie hieraus grundlegende Empfehlungen für die Leistungssteuerung ab. 3. Befassen Sie sich mit dem Bereich „Sports Analytics“ auf der Basis aktueller Veröffentlichungen (z. B. Link 2017). 4. Besuchen Sie zwei Wettspiele aus zwei unterschiedlichen Sportarten auf regionaler oder nationaler Ebene und analysieren Sie möglichst systematisch die Inhalte und Dauer der Wettkampfvorbereitung.  

5. Absolvieren Sie den Deutschen Motorik-Test (DMT) 2-mal und reflektieren Sie die Reliabilität der einzelnen Testverfahren. Berechnen Sie die prozentualen Leistungsveränderungen zwischen Preund Post-Test. Welche Einzeltests weisen die geringste Zuverlässigkeit auf? 6. Erstellen Sie eine valide Testbatterie für die von Ihnen favorisierte Sportart. Zu welchen Zeitpunkten sollte diese Testbatterie absolviert werden? 7. Benennen Sie allgemeine Leitlinien und sportartspezifische Schwerpunkte der Trainingssteuerung für eine Sportart Ihrer Wahl und erstellen Sie einen Mikrozyklus für diese Sportart. 8. Gestalten Sie für sich eine praktikable Auswahl von Monitoring-Parametern und dokumentieren Sie Ihr eigenes Training über einen Zeitraum von zwei Wochen. 9. Richtig oder falsch? 55 Leistungssteuerung erfolgt sowohl aus einer kurz- als auch einer langfristigen Perspektive. 55 Wichtige Eckpfeiler der Leistungssteuerung sind Wettkampfanalyse, Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung. 55 Zur täglichen Feinjustierung der Trainingssteuerung sind Trainingsdokumentation und zusätzliche Monitoring-Daten hilfreich. 55 Ist-Sollwert-Vergleiche von individuellen leistungsdiagnostischen Befunden mit alters- und geschlechtsspezifischen Normwerten erleichtern die individuelle Trainingssteuerung.

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179 Leistungssteuerung

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187

Krafttraining Christian Raeder, Jo-Lâm Vuong und Alexander Ferrauti 4.1

Bedeutung und Erscheinungsformen der Kraft – 189

4.1.1 4.1.2 4.1.3

 aximalkraft – 192 M Schnellkraft – 194 Reaktivkraft – 195

4.2

Biologische Grundlagen – 197

4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.2.7 4.2.8 4.2.9 4.2.10 4.2.11 4.2.12

 ufbau der Skelettmuskulatur – 197 A Muskelquerschnitt und Muskelarchitektur – 198 Muskelfaserspektrum – 199 Neuromuskuläre Signalübertragung und Muskelkontraktion – 202 Spinale und supraspinale Kraftregulation – 204 Intra- und intermuskuläre Koordination – 205 Kraft-Längen-Relation des Muskels – 207 Stiffness des tendomuskulären Systems – 209 Postactivation Potentiation (PAP) und Komplextraining – 211 Exzentrisches Krafttraining und Muskeldestruktion – 211 Energiebereitstellung beim Krafttraining – 213 Okklusion und Hypoxie im Krafttraining – 213

4.3

Anpassungseffekte durch Krafttraining – 214

4.3.1 4.3.2

 euronale Adaptationen – 215 N Muskelfaserhypertrophie – 216

Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_4. Die Videos lassen sich mit Hilfe der SN More Media App abspielen, wenn Sie die gekennzeichneten Abbildungen mit der App scannen. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_4

4

4.4

Trainingsmethoden und Belastungsdosierung – 221

4.4.1 4.4.2 4.4.3

 aximalkrafttraining – 223 M Schnellkrafttraining – 228 Funktionelles Krafttraining – 229

4.5

Ausgewählte Trainingsbeispiele – 232

4.6

Trainingsprogramme – 241

4.7

Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels – 246 Literatur – 246

4

189 Krafttraining

Überwinde den Widerstand!

Zusammenfassung Kraft ist eine elementare Grundlage für jede Bewegung des Menschen und somit fundamentale Basis sportlicher Handlungskompetenzen. Das vorliegende Kapitel liefert einen Überblick über Bedeutung und Erscheinungsformen der Kraft, über biologische Grundlagen des Krafttrainings, über Anpassungsvorgänge, Trainingsmethoden und Belastungsdosierung sowie über konkrete Trainingsbeispiele. Krafttraining dient gleichermaßen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit wie auch zur Verletzungsprophylaxe und schafft zugleich Selbstvertrauen und ästhetische Zufriedenheit. Die Kraft basiert auf verschiedenen Erscheinungsformen (z.  B.  Maximalkraft und Schnellkraft) und Kontraktionsformen der Muskulatur (z. B. statisch und dynamisch), die für die Sportpraxis je nach Disziplin von unterschiedlicher Bedeutung sind. Grundlegende biologische Kenntnisse zum Verständnis von Kraft und Krafttraining beziehen sich unter anderem auf den Aufbau der Muskulatur, die Muskelarchitektur, das Muskelfaserspektrum, die neuromuskuläre Signalübertragung und den Vorgang der Muskelkontraktion. Neben den klassischen Trainingsmethoden zur Verbesserung der Maximalkraft, wie dem Hypertrophietraining und dem IK-Training, existieren zahlreiche weitere ergänzende und in..      Abb. 4.1 Ein Klassiker im Krafttraining – die Kniebeuge mit freier Zusatzlast

novative Interventionen. Exemplarisch sind das Vibrationskrafttraining, das exzentrische Overload-Training und das Okklusions- (bzw. besser Blutflussreduktionstraining) zu nennen. Alle Trainingsinterventionen bewirken Anpassungsmechanismen (Reaktionen und Adaptationen) auf teils verschiedenen physiologischen Funktionsebenen, einschließlich Veränderungen auf zellulär-molekularer Ebene. Aus der unendlichen Vielzahl an Trainingsformen werden konkrete Trainingsbeispiele strukturiert nach grundsätzlichen Trainingszielen vorgestellt (. Abb. 4.1).  

4.1

Bedeutung und Erscheinungsformen der Kraft

Die Kraft ist eine elementare Grundlage für jede Bewegung des Menschen. Sportliche Leistungen können ohne ein Mindestmaß an motorischer Kraft nur begrenzt realisiert werden, da komplexe Bewegungsleistungen (z.  B. Änderung von Bewegungsgeschwindigkeit bzw. Bewegungsrichtung) nur durch die beschleunigende Wirkung von Muskelkräften möglich sind (Ehlenz et al. 2003). Somit muss der sportmotorischen Kraft im Gesamtgefüge der konditionellen Leistungskomponenten eine besondere Stellung eingeräumt werden. Krafttraining hat sich als ein integraler Be-

190

4

C. Raeder et al.

standteil im leistungsorientierten Training bei- (Güllich und Schmidtbleicher 1999; Ehlenz nahe jeder Sportart bzw. Disziplin etabliert et al. 2003). (Fröhlich 2003). Aber auch im Freizeit- und Gesundheitssport wird ein rein ausdauerorienKraft tiertes Gesundheitstraining nicht der Vielfalt Aus physikalischer Sicht beschreibt Kraft an erstrebenswerten orthopädischen und medie mechanische Wechselwirkung zwitabolischen Adaptationen gerecht (Boeckh-­ schen Massekörpern und ist die Ursache Behrens und Buskies 2004; Freiwald und Greifür Bewegungsänderungen (Ehlenz et al. wing 2016). Die positiven Wirkungen einer 2003). Kraft wird berechnet als Produkt aus erhöhten Muskelkraft und einer Steigerung der Masse und Beschleunigung und basiert Skelettmuskelmasse werden an der folgenden auf der Formel F = m · a mit F = Kraft [N], Auflistung verdeutlicht (. Abb. 4.1):  

Ziele des Krafttrainings:

55 Steigerung der sportartspezifischen Leistungsfähigkeit 55 Verletzungsprophylaxe durch Steigerung von Stabilität und Belastbarkeit des Stützund Bewegungsapparates 55 Rehabilitation durch schnellere Wiederherstellung von Muskel- und Gelenkfunktion 55 Voraussetzung für den Erhalt von Lebensqualität im Alter in einfachen Alltagssituationen 55 Steigerung von Selbstbewusstsein, Sicherheitsgefühl und ästhetischer Zufriedenheit 55 Erhöhung von Stoffwechselaktivität und Energieumsatz auch in Ruhephasen Kraft kann sowohl aus physikalischer als auch aus rein funktionaler Sicht definiert werden. Da die physikalische Kraft in direktem Zusammenhang zu ihren Determinanten Masse und Beschleunigung steht, kann eine Steigerung der einwirkenden Kraft entweder durch eine Erhöhung der Masse oder der Beschleunigung (zeitliche Änderungsrate der Geschwindigkeit) erfolgen. Eine ausschließlich physikalische Betrachtungsweise erscheint im Hinblick auf die Konsequenzen für das Krafttraining jedoch als nicht hinreichend. In den meisten Sportarten werden komplexe Bewegungsleistungen maßgeblich durch ein kompliziertes System von Muskelschlingen generiert. Dabei sind anthropometrische, aber auch neuronale und tendomuskuläre Einflussgrößen von Bedeutung

m = Masse [kg] und a = Beschleunigung [m · s−2]. Aus funktioneller Sicht beschreibt Kraft die Fähigkeit des Nerv-Muskel-Systems, durch Muskeltätigkeit nennenswerte Widerstände (> 30 % des individuellen Kraftmaximums) zu überwinden (konzentrische Kontraktion), ihnen nachgebend entgegenzuwirken (exzentrische Kontraktion) bzw. sie zu halten (isometrische Kontraktion; Steinhöfer 2015). Die international standardisierte Maßeinheit der Kraft ist das Newton (N), welche als abgeleitete Größe durch die Basiseinheiten Kilogramm (kg), Meter (m) und Sekunde (s) definiert wird: 1 N = 1 kg · m · s−2. Dabei entspricht 1 N der zu generierenden konstanten Kraft, um eine ruhende Masse von 1 kg in einer Sekunde gleichmäßig auf eine Geschwindigkeit von 1 m · s−1 zu beschleunigen (Martin et al. 1991).

Durch die Definition einer Mindestintensität von > 30 % des Kraftmaximums erfolgt die Abgrenzung der Kraft von anderen konditionellen Fähigkeiten (z. B. der Ausdauer). Dieser ungefähre Richtwert wird dadurch begründet, dass die Produktion von Kraftstößen oberhalb von 30  % des Maximums primär durch die Maximalkraft und weniger durch energetische Faktoren determiniert wird (Ehlenz et al. 2003; Steinhöfer 2015).

4

191 Krafttraining

Beispiel: Abgrenzung von Kraft und Ausdauer Ein Marathonläufer muss über eine längere Zeit wiederholt geringe Kraftstöße generieren, die unterhalb von 30 % des individuellen Kraftmaximums liegen. Hierbei sind primär die aerobe Ausdauer und die Ermüdungstoleranz leistungsbestimmend. Demgegenüber bewegt sich ein Gewichtheber am entgegengesetzten Ende des Ausdauer-Kraft-Kontinuums, indem er einen Kraftstoß gegen einen maximalen äußeren Widerstand produziert. Bei Kraftausdauerleistungen wie etwa beim Rudern muss der Athlet

Die Wechselwirkung zwischen den von Muskeln erzeugten endogenen Kräften mit von exogen einwirkenden Kräften kann entweder eine statische (= isometrische) oder dynamische Muskelaktion hervorrufen (. Abb. 4.2). Die isometrische Aktion beschreibt hierbei die Änderung der Muskelspannung bei konstantem Abstand zwischen Muskelursprung und Muskelansatz, d. h., es kommt zu einer Kraftentwicklung im Muskel, jedoch wird effektiv keine physikalische Arbeit verrichtet (Komi 1994; Steinhöfer 2015). Genauer gesagt bewirkt eine isometrische Kontraktion eine interne Verkürzung der Muskelfaszikel, deren Spannungskraft zu einer Dehnung der in Serie geschalteten elastischen Strukturkomponenten der Muskel-Sehnen-Einheit führt (Hoppeler 2015). Exemplarisch können das Halten einer Last oder das Drücken gegen einen unüberwindbaren Widerstand als isometrische Muskelaktionsformen bezeichnet werden. Demgegenüber werden alle Muskelaktionen, die eine sichtbare Änderung des  

..      Abb. 4.2 Strukturierung der Kraft nach Kontraktionsformen (mod. nach Boeckh-­ Behrens und Buskies 2004, S. 21 und Steinhöfer 2015, S. 67)

über einen bestimmten Zeitraum repetitiv hohe Kraftstöße gegen mittlere Widerstände realisieren und dabei die ermüdungsbedingte Abnahme der Kraftimpulse möglichst gering halten. Während die Höhe der Einzelkraftstöße vorwiegend von der Maximalkraft abhängig ist, wird die generierte Kraftstoßsumme maßgeblich durch energetische und metabolische Faktoren determiniert. Somit sind Ausdauer und Kraft keine starren oder unabhängigen Konstrukte, sondern besitzen fließende Übergänge.

Gelenkwinkels hervorrufen, als dynamisch charakterisiert (Komi 1994; de Marées 2002). Eine konzentrische Aktion der Muskulatur kennzeichnet das Überwinden eines Widerstandes durch aktive Verkürzung bzw. Kontraktion des Muskel-Sehnen-Komplexes (dynamisch positive Arbeit; tendomuskuläre Spannung > externer Widerstand). Bei einer exzentrischen Aktion wird der aktiv kontrahierte Muskel hingegen durch von außen einwirkende Kräfte verlängert bzw. gedehnt (dynamisch negative Arbeit; tendomuskuläre Spannung < externer Widerstand; . Abb. 4.2; Hoppeler 2015; Steinhöfer 2015). Beispielsweise arbeitet der Armbeuger konzentrisch beim Hochziehen des Körpers an einer Klimmzugstange und exzentrisch beim kontrollierten Herablassen. Die meisten sportlichen Bewegungen beinhalten Mischformen verschiedener Kontraktionsarten wie beispielsweise Springen oder Werfen (Komi 1994; Ehlenz et al. 2003). Dabei werden kurze exzentrische Muskelaktionen häufig mit anschließen 

Kraft

statisch (haltend oder isometrisch)

konzentrisch (positiv oder überwindend, Muskulatur kontrahiert)

exzentrisch (negativ oder nachgebend, Muskulatur wird trotz Kontraktion gedehnt)

dynamisch (bewegend)

exzentrischkonzentrisch (Kombination aus negativer und positiver Aktionsform)

192

C. Raeder et al.

den konzentrischen Aktionen im Rahmen eines Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ) gekoppelt. Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ)

4

Der Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ) beinhaltet eine Kombination aus exzentrischer und konzentrischer Kontraktionsform im Rahmen einer dynamisch-reaktiven Arbeitsweise der Muskulatur (. Abb. 4.3). Diese stellt eine besonders effiziente Aktionsform dar, da die konzentrische Leistungsfähigkeit durch die vorausgehende exzentrische Phase gesteigert wird. Als Ursachen wirken (1.) gespeicherte Elastizitätskräfte der Muskel-Sehnen-Einheit und (2.) die spinale Reflexaktivität (monosynaptischer Dehnungsreflex) der exzentrisch gedehnten Muskulatur (Komi 1994; Güllich und Schmidtbleicher 1999).  

Eine Systematisierung der motorischen Kraft kann auch auf den zugrunde liegenden physiologischen und morphologischen Einflussgrößen erfolgen (. Abb.  4.3). Dabei wird die Kraft in Maximalkraft, Schnellkraft und Kraftausdauer aufgegliedert, wobei die Maximalkraft die übergeordnete Basisfähigkeit bildet (Schmidtbleicher 2003). Der Ausprägungsgrad von Schnellkraft  

..      Abb. 4.3 Hierarchie der Kraftfähigkeiten (mod. nach Schmidtbleicher 2003)

und Kraftausdauer wird durch die Maximalkraft beeinflusst, deren Verbesserung üblicherweise mit höheren Schnellkraft- und Kraftausdauerleistungen einhergeht (Pampus 2001). 4.1.1

Maximalkraft

Die Maximalkraft stellt die höchstmögliche Kraft dar, die das neuromuskuläre System bei einer maximalen willkürlichen Kontraktion entfalten kann, und umfasst sowohl isometrische als auch dynamisch konzentrische und exzentrische Kontraktionen (Steinhöfer 2015). Die konzentrische Maximalkraft repräsentiert die maximale Gewichtslast, die unter definierten Arbeitsbedingungen einmal über die gesamte Bewegungsamplitude technisch einwandfrei bewegt werden kann. In der deutschsprachigen Literatur wird diese als 1er Wiederholungsmaximum (EWM) bezeichnet. Geläufiger ist die englischsprachige Bezeichnung des One Repetition Maximum (1 RM; Schmidtbleicher 2003). Die isometrische Maximalkraft (Maximal Voluntary Isometric Contraction, MVIC) wird dynamometrisch gegen einen äußeren unüberwindbaren Widerstand ermittelt und stellt den höchsten Wert auf der Kraft-ZeitKurve dar (. Abb. 4.4). Dabei liegen die maximalen konzentrischen Kraftwerte aufgrund der hö 

Maximalkraft

Schnellkraft

isometrisch, konzentrisch Explosivkraft dynamisch real. Kraftmaximum

Kraftausdauer

exzentrischkonzentrisch (DVZ) Reaktivkraft Explosivkraft dynamisch real. Kraftmaximum

isometrisch, konzentrisch

Impulsgröße Ermüdungswiderstand Explosivkraft dynamisch real. Kraftmaximum

physiologische und morphologische Einflussgrößen • tendomuskuläre Faktoren • neuronale Faktoren • anthropometrisch-biomechanische Faktoren

exzentrischkonzentrisch (DVZ) Impulsgröße Ermüdungswiderstand Reaktivkraft Explosivkraft dynamisch real. Kraftmaximum

4

193 Krafttraining

500

tmax

400 300 F (N)

..      Abb. 4.4 KraftZeit-Kurve bei maximaler isometrischer Kontraktion mit den Schnellkraftparametern Start-, Explosiv- und Maximalkraft (mod. nach Bührle 1985, in Steinhöfer 2015, S. 83)

Fmax

∆F

200 ∆t 100 ∆F30 ∆t30

100

heren koordinativen Anforderungen ca. 5–20 % unter den isometrisch erzeugten Werten (Pampus 2001; Schmidtbleicher 2003). Bei exzentrischen Maximalkontraktionen (z. B. beim Abbremsen des Körpergewichts nach einem Sprung oder Richtungswechsel) werden höhere Kräfte erzeugt, die bis zu 45 % über dem isometrischen Maximalkraftwert liegen (Pampus 2001; Schmidtbleicher 2003). Diese höheren Kraftwerte beruhen primär auf der Integration zusätzlich kontrahierender Muskelfasern (Rekrutierung) sowie der Wirkung von passiven Elastizitätskräften und reflektorischer Muskelaktivierung. Bei einer maximalen willkürlichen Kontraktion kann nicht das komplette Muskelkraftpotential entfaltet werden. Eine vollständige Aktivie-

Startkraft (ST) = F30/t30 Explosionskraft (EXK) = ∆F/∆t Schnellkraft (SK) = Fmax/tmax 200

t (ms)

300

400

500

rung der Muskulatur ist gewöhnlich nur durch eine zusätzliche Elektrostimulation möglich. Die daraus resultierende Kraft repräsentiert die Absolutkraft (Güllich und Schmidtbleicher 1999). Exzentrische Maximalkontraktionen nähern sich in Bezug auf die Kraftwerte am ehesten der Absolutkraft an (Steinhöfer 2015). Die Differenz zwischen dem Kraftmaximum bei elektrischer Stimulation (Absolutkraft) und bei maximal willkürlicher Aktivierung (isometrische Maximalkraft) wird als Kraftdefizit bezeichnet und in Prozent zur isometrischen Maximalkraft angegeben. Dabei kann das Kraftdefizit bis zu 45 % betragen. Es kann jedoch durch ein auf neuronale Adaptationen ausgerichtetes Training auf bis zu 5 % reduziert werden (Bührle 1985).

Exkurs: Elektrostimulation zur Diagnostik des Kraftdefizits Die Elektrostimulation kann im Rahmen der Twitch-Interpolationstechnik zur Erfassung der willkürlichen Innervationsfähigkeit motorischer Einheiten während einer isometrischen Maximalkontraktion eingesetzt werden (McKenzie et al. 1992). Hierzu erfolgt, nach Erreichung des isometrischen Maximalkraftplateaus, eine perkutane elektrische Stimulation des Muskelbauchs oder des entsprechenden motorischen Nervs mittels Oberflächenelektroden, wodurch ein zusätzlichen Impuls oder Twich auf die willkürlich generierte Kraftentfaltung des Muskels gelegt wird (de Ruiter et al. 2004; Millet et al. 2011). Die Höhe der durch Elektrostimulation zusätzlich generierten Kraft kann dabei indirekt als Maß der willkürlichen Aktivierungsfähigkeit angese-

hen und entsprechend als prozentuales Kraftdefizit berechnet werden (Zatsiorsky und Kraemer 2008). Ein großes Kraftdefizit deutet auf eine unzureichende willkürliche Innervationsfähigkeit hin. Zur Reduktion des Kraftdefizits eignen sich vor allem neuronale Kraftstimuli. Bei kleinem Kraftdefizit sollten weitere Kraftsteigerungen eher durch Hypertrophie angestrebt werden. Darüber hinaus ermöglicht die Twitch-Interpolationstechnik im Rahmen der Ermüdungs- und Erholtheitsdiagnostik eine Differenzierung zwischen zentraler und peripherer Ermüdung (McKenzie et al. 1992). Wenn das Kraftdefizit ansteigt, kann ein Kraftverlust durch zentrale bzw. neuronale Ermüdungsmechanismen erklärt werden (Byrne et al. 2004).

194

Schmidtbleicher (2003) konnte im Rahmen von Korrelationsanalysen aufzeigen, dass die Zusammenhänge zwischen isometrischer, konzentrischer und exzentrischer Maximalkraft bei r  >  0,85 liegen (bei Krafttrainierten sogar bei r > 0,90). Demzufolge kann ­angenommen werden, dass alle Erscheinungsformen der Kraft annähernd dem gleichen motorischen Grundvermögen unterliegen und sie einer gemeinsamen Dimension, der Maximalkraft, angehören. Diese wiederum wird maßgeblich durch den Muskelquerschnitt, das Muskelfaserspektrum sowie durch die willkürliche neuromuskuläre Aktivierungsfähigkeit bestimmt (Schmidtbleicher 2003; Steinhöfer 2015). 4.1.2

Schnellkraft

Als Schnellkraft wird die Fähigkeit bezeichnet, möglichst hohe Kräfte schnell entfalten zu können (Pampus 2001). Nach Bührle (1985) kann dieses Vermögen in Form eines Schnellkraftindexes durch Bildung des Quotienten aus Maximalkraft (Fmax) und der zu ihrer Entwicklung benötigten Zeit (tmax) anhand der Kraft-ZeitKurve (. Abb. 4.4) abgeschätzt werden (Schnellkraft = Fmax · tmax−1). Weitere Komponenten der Schnellkraft bilden die Startkraft, welche die initiale Kraftentwicklung in den ersten 30 ms repräsentiert (Startkraft = F30 · t30−1), sowie die Explosivkraft, welche durch den größten Kraftanstieg  



..      Abb. 4.5 KraftZeit-Kurven bei unterschiedlichen Lasten (mod. nach Güllich und Schmidtbleicher 1999, S. 21 und Steinhöfer 2015, S. 84)

pro Zeiteinheit operationalisiert wird (Explosivkraft =  ∆F · ∆t−1; Steinhöfer 2015). In zahlreichen Sportarten ist nicht die maximale Kraftentfaltung von entscheidender Bedeutung, sondern die Fähigkeit, den eigenen Körper (z.  B. beim Sprint oder Sprung) bzw. ein Sportgerät (z.  B. den Speer oder Handball) in der verfügbaren Zeit auf eine möglichst hohe Endgeschwindigkeit beschleunigen zu können (Wirth und Schmidtbleicher 2007). In diesem Zusammenhang definiert Schmidtbleicher (2003) die Schnellkraft als die Fähigkeit des neuromuskulären Systems, einen möglichst großen Impuls bzw. Kraftstoß in der zur Verfügung stehenden Zeit zu generieren. Die Höhe des Impulses (p) ist dabei abhängig von der Masse des zu beschleunigenden Körpers, der Größe der erteilten Beschleunigung und der Zeit, in der diese Beschleunigung auf den Körper einwirkt (p = m · a · t). Da die Kraft physikalisch durch Masse mal Beschleunigung (F = m · a) determiniert ist, ergibt sich für den Kraftstoß: p = F · t. Für einen maximalen Kraftstoßes muss daher ein möglichst hoher Kraftwert innerhalb des zur Verfügung stehenden Zeitfensters entfaltet werden (Wirth und Schmidtbleicher 2007). Da die mögliche Impulsdauer (Einwirkungsdauer der Kraft) durch die Struktur sportartspezifischer Bewegungsmuster (vor allem des Beschleunigungswegs) determiniert ist und die zu beschleunigende Masse in der Regel konstant bleibt, kann folglich die Stärke der Beschleuni-

500

Fmax

400 300 F (N)

4

C. Raeder et al.

25 kg Last

200 10 kg Last

100

3,5 kg Last 100

200

t (ms)

300

400

500

195 Krafttraining

gung zur Realisation eines hohen dynamischen Kraftmaximums als leistungsbestimmend angesehen werden (Schmidtbleicher 2003). Ist der zu beschleunigende Widerstand gering (z.  B.  Schlagwurf im Handball), so wird der resultierende Kraftstoß maßgeblich durch die Start- und Explosivkraft (Bestimmungsgrößen des Kraftanstiegsverhaltens) bestimmt (Schmidtbleicher 2003). Die hohe Bewegungsgeschwindigkeit behindert die vollständige Innervation aller Muskelfasern und die Bildung mechanisch wirksamer Querbrücken zwischen Aktin und Myosin. Das dynamisch realisierte Kraftmaximum fällt demnach geringer aus (. Abb. 4.5; Wirth und Schmidtbleicher 2007). Zusätzliche nehmen mit steigender Bewegungsgeschwindigkeit die Antagonistenaktivität (zur Gelenkprotektion und Bewegungskontrolle) und der intramuskuläre Reibungswiderstand (Viskosität) zu (Behm und Sale 1993). Die dynamischen Krafthöchstwerte und die dafür benötigte Zeit steigen bei höheren Widerständen an (z. B. Kugel beim Kugelstoß, Start beim Sprint), da initial höhere Gegenkräfte für die Überwindung bzw. Beschleunigung der äußeren Lasten entfaltet werden müssen. Daher werden optimale Kraftstöße von zeitlich längerer Dauer zunehmend stärker durch die Maximalkraft determiniert (. Abb. 4.5; Schmidtbleicher 2003; Andersen und Aagaard 2006). Allerdings  





verlaufen die initialen Kraftanstiegsraten gegen unterschiedlich hohe bis unüberwindbare Lasten annähernd gleich und beruhen primär auf der Maximalkraft (. Abb. 4.5).  

4.1.3

Reaktivkraft

Eine besondere Erscheinungsform der Kraft sind die Leistungen, die im sogenannten Dehnungs-­ Verkürzungs-Zyklus (DVZ) realisiert werden. Diese beruhen auf einer bestmöglichen reaktiven Kopplung der exzentrischen und konzentrischen Muskelaktionsform. Die Fähigkeit, innerhalb eines schnellen DVZ einen möglichst hohen Kraftstoß bzw. Impuls zu erzeugen, ist eine relativ eigenständige Kraftdimension und wird als Reaktivkraft bezeichnet (Schmidtbleicher 2003). Reaktive Bewegungsleistungen kennzeichnen sämtliche Sprint- und Sprungformen ebenso wie alle Schuss-, Wurf-, Schlag- und Stoßbewegungen (. Abb. 4.6; Güllich und Schmidtbleicher 1999). Komplexe Bewegungsabläufe integrieren zumeist mehrere hintereinandergeschaltete DVZ in verschiedenen Bewegungssegmenten, und die dadurch realisierte Reaktivkraft ermöglicht höhere mechanische Leistungen. Ausschlaggebend für die bestmögliche Auslösung des DVZ ist eine individuell angemessene intermuskuläre Koordination.  



Beispiel: Counter Movement Jump versus Squat Jump Die Bedeutung der Reaktivkraft als eigenständige Kraftdimension, basierend auf der bestmöglichen Nutzung des Dehnungs-­Verkürzungs-­Zyklus (DVZ), kann exemplarisch bei maximalen Strecksprüngen mit (Hocksprung; Counter Movement Jump, CMJ) bzw. ohne (Kauersprung; Squat Jump, SJ) vorausgehende Abwärtsbewegung des Körperschwerpunkts sowie bei Tief-Hochsprüngen (Drop Jump, DJ) verdeutlicht werden (Pampus 2001). Ursächlich für die höhere Leistung beim CMJ gegenüber dem SJ sind primär: 55 die in Abhängigkeit von Dehnungsgeschwindigkeit und Bewegungsumfang in der exzentrischen Phase, zusätzlich gespeicherte kinetische Energie in den elastischen und kontraktilen Strukturkomponenten der Muskel-Sehnen-Einheit (elastische Potenzierung) und

4

55 die durch den Dehnungsreflex additiv wirkende neuronale Aktivierung der Muskelfasern, welche in der nachfolgenden konzentrischen Phase wirksam wird (Schmidtbleicher 2003; Bojsen-Moller et al. 2005). Diese tendomuskulären und neuronalen Eigenschaften haben bei einem schneller ablaufenden DVZ eine deutlich höhere Relevanz als bei langsamen (Gollhofer 1987; Pampus 2001). Daher wird bei reaktiven Sprungleistungen zwischen einem kurzen schnellen DVZ (< 200 ms Bodenkontaktzeit) und einem langen langsamen DVZ (> 200 ms) unterschieden (Schmidtbleicher 2003). Ein Drop Jump bzw. der finale Abdruck beim Weit- oder Hochsprung sind Beispiele für einen schnellen DVZ, während ein Counter Movement Jump oder ein Blocksprung im Volleyball aus tiefer Kniebeugung überwiegend im langsamen DVZ realisiert werden.

196

C. Raeder et al.

4 a

b

c

..      Abb. 4.6  Beispiele für den DVZ in verschiedenen Sportarten. a Während der Oberkörperrotation wird der M. pectoralis der Wurfarmseite durch die Trägheit der Diskusmasse kurz vor der finalen Wurfbewegung erst gedehnt und vor dem Abwurf reaktiv kontrahiert. b Beim Volleyballaufschlag ist der Oberkörper extrem dorsal flektiert und gleichzeitig rotiert, sodass die gerade und schräge Bauchmuskulatur vorgedehnt werden. Hieran schließt sich eine reaktive Ventralfle-

xion des Rumpfes bis zum Treffpunkt des Balles an. c Bei der beidhändigen Rückhand werden die Handgelenksextensoren des Schlagarms beim Übergang von Aushol- zu Schlagbewegung kurzfristig gedehnt und das Handgelenk palmarflektiert. Hieran schließt sich eine reaktive Kontraktion der Extensoren (Zuschnappen des Handgelenks) mit dem Ziel einer maximalen Beschleunigung des Schlägerkopfes zum Treffpunkt des Balles an

Der entscheidende Unterschied zwischen beiden reaktiven Bewegungsformen ist, dass es beim kurzen DVZ zu einer intensiveren Reflexauslösung durch die schnelle Dehnung der vorinnervierten Muskulatur (exzentrische Kontraktion) kommt (Bührle 1989). Hieraus resultiert eine deutliche Kraftzunahme bei gleichzeitig relativ geringer Änderung der Muskellänge bzw. des Gelenkwinkels (Komi 1994; Komi 2000). Zusätzlich werden die potenzierenden Elastizitätseigenschaften der Aktin-Myosin-Querbrücken (Short-Range Elastic Stiffness; SRES) und des Titins bei schnellem DVZ optimal in den anschließenden Kraftstoß integriert (Schmidtbleicher 2003). Beide Effekte fallen bei einem l­angsamen DVZ geringer aus (Bührle 1989; Laube und Müller 2004). Das Ausmaß der DVZ-Wirksamkeit ist abhängig vom Grad der muskulären Voraktivierung und einem Optimum der auf den Muskel einwirkenden Dehnungsgeschwindigkeit (Gollhofer 1987). Ein zu kurzer DVZ kann in der

Sportpraxis jedoch auch nachteilig sein, da die kurze Zeit eine vollständige Innervation aller Muskelfasern zur Erzeugung einer möglichst hohen Kraftleistung limitiert. Außerdem wird der Beschleunigungsweg bei geringerer Gelenkamplitude meist reduziert, sodass ein kurzer DVZ nicht zwangsläufig mit den größten Kraftstößen und den daraus resultierenden höchsten Sprung- und Wurfleistungen einhergeht (Steinhöfer 2015). In der Sportpraxis müssen daher für jede Sportart und jede Bewegung individuell optimierte Kompromisslösungen gefunden werden, die einerseits alle neuromuskulären Möglichkeiten der Reaktivkraftsteigerung nutzen, ohne andererseits zu Lasten der biomechanischen Vorteile eines ausreichend hohen Beschleunigungsweges zu gehen. In technisch anspruchsvollen Sportarten muss zudem stets zwischen einer Optimierung von Bewegungsschnelligkeit und Bewegungspräzision abgewogen werden (. Abb. 4.6).  

197 Krafttraining

4

Exkurs: Schnellkraft, Reaktivkraft und der DVZ Schnellkraftleistungen sind primär von der willkürlichen Aktivierungsfähigkeit (hochfrequente Innervation der Muskulatur), welche wiederum maßgeblich durch die Maximalkraft bestimmt wird, sowie einer schnellen Kontraktionsfähigkeit (optimal schnelle Kraftentfaltung unabhängig vom Maximalkraftniveau) abhängig (Bührle 1989; Schmidtbleicher 2003; Steinhöfer 2015). Reaktivkraftleistungen basieren primär auf der Schnellkraft. Insbesondere bei Bewegungsleistungen, die innerhalb eines schnellen DVZ ablaufen, sind eine angemessene Voraktivierung und eine optimal ausgeprägte Muskelsteifigkeit (Stiffness) in der exzentrischen Phase des DVZ leistungsrelevant (Bührle 1989). Hieraus resultieren eine Speicherung

4.2

Biologische Grundlagen

Jede aktive Bewegung erfordert die zentralnervöse bzw. reflektorische Innervation der Skelettmuskulatur (Ehlenz et  al. 2003). Die Muskulatur kann somit als Exekutiv- oder Erfolgsorgan von Bewegungen angesehen werden, deren Hauptfunktion die situativ angemessene Erzeugung von Kraft ist (Hoppeler und Billeter 2003). Ferner unterliegen Bewegungsleistungen neuronalen Steuerungs- und Regelungsprozessen und basieren auf energetischen Voraussetzungen (Konczak 2003). Zum Verständnis von Kraftleistungen werden im Folgenden zunächst die Strukturund Funktionseigenschaften des Skelettmuskels beschrieben. Hierzu zählen der strukturelle Aufbau der Skelettmuskulatur, der Muskelquerschnitt, seine Architektur und das Muskelfaserspektrum, der Mechanismus von Muskelkontraktion und neuromuskulärer Signalübertragung, spinale und supraspinale Faktoren der Bewegungsregulation sowie ausgewählte Aspekte der Energiebereitstellung. 4.2.1

Aufbau der Skelettmuskulatur

Der Skelettmuskel ist hierarchisch strukturiert (. Abb. 4.7) und besteht aus einer Vielzahl an Muskelfaserbündeln, sogenannten Faszikeln, welche wiederum die Muskelfasern enthalten  

kinetischer Energie in den elastischen Strukturkomponenten der Muskel-Sehnen-Einheit (elastische Potenzierung) und die zusätzliche Auslösung des Dehnungsreflexes (Schmidtbleicher 2003; Bojsen-Moller et al. 2005). Reaktivkraftleistungen im langen DVZ werden vornehmlich durch die dynamische Maximalkraft bestimmt (Schmidtbleicher 2003). Demgegenüber sind die elastische Potenzierung und der additiv wirksame Dehnungsreflex von geringerer Relevanz. Die resultierende Kraftleistung wird jedoch durch eine Verbesserung der biomechanischen ­Rahmenbedingungen (Vergrößerung von Bewegungsamplitude bzw. Beschleunigungsweg) gesteigert.

(Linke und Pfitzer 2010). Diese sind im Vergleich zu anderen Körperzellen große zylindrische Zellen mit einem Durchmesser von ca. 30–80 μm und einer Länge von bis zu 10 cm und beinhalten zahlreiche Zellkerne (Nuklei), welche randständig unterhalb der Plasmamembran (Sarkolemm) angeordnet sind (Hoppeler 2015). In der extrazellulären Matrix befinden sich zusätzlich eingebettete Satellitenzellen. Diese noch undifferenzierten Zellen besitzen eine bedeutsame Schlüsselfunktion für die Regeneration der Muskelfaser, insbesondere nach mechanischen Schädigungen (Toigo 2015). Auf der untersten hierarchischen Strukturebene des Skelettmuskels befinden sich die Myofibrillen (. Abb. 4.7). Sie sind innerhalb der Muskelfaser parallel angeordnet und bestehen in Längsrichtung aus den kleinsten funktionellen Einheiten der Myofibrille, den Sarkomeren (Linke und Pfitzer 2010). Die Anzahl der parallel geschalteten Myofibrillen bestimmt die Kontraktionskraft, während die Anzahl der in Längsrichtung seriell angeordneten Sarkomere primär die Verkürzungsgeschwindigkeit beeinflusst (Ehlenz et al. 2003). Innerhalb des Sarkomers befinden sich die charakteristisch angeordneten kontraktilen Proteine Myosin (dickes Filament) und Aktin (dünnes Filament; Caiozzo und Rourke 2006). Die Myosinfilamente sind in der A-Bande im Zentrum des Sarkomers organisiert und beidseits mit  

198

C. Raeder et al.

4

..      Abb. 4.7  Morphologische Struktur der Skelettmuskulatur. a Hierarchische Organisation; b Längenveränderung des Sarkomers bei Dehnung bzw. Kontraktion (nach Linke und Pfitzer 2010)

dem Strukturprotein Titin assoziiert, welches an den Enden des Sarkomers an der Z-Scheibe verankert ist (Linke und Pfitzer 2010). Innerhalb der I-Bande fungieren die Titinfilamente als molekulare elastische Federn und dienen der Zentrierung der Myosinfilamente (Brenner 2010). Die Aktinfilamente verlaufen ausgehend von einer Hälfte der I-Bande über die Aktin-Myosin-­ Überlappungszone bis an die Grenzen der H-Zone (Caiozzo und Rourke 2006). Der Überlappungsbereich kennzeichnet die kontraktile Zone des Sarkomers (. Abb. 4.7). Im Querschnitt zeigt sich dabei eine hexagonale Struktur, in der jeweils ein Myosinfilament von je sechs Aktinfilamenten und je drei bis sechs Titinfilamenten umgeben ist (Brenner 2010; Linke und Pfitzer 2010).  

4.2.2

Muskelquerschnitt und Muskelarchitektur

Der Muskelquerschnitt (Anzahl und Durchmesser parallel angeordneter Fasern) ist ent-

scheidend für die Realisation hoher Kraftleistungen. Ein enger Zusammenhang zwischen dem Muskelquerschnitt der Oberschenkelmuskulatur und der isometrischen Maximalkraft ist bereits seit Langem bekannt (Maughan et  al. 1983). In der gleichen Untersuchung zeigte sich, dass Männer zwar über eine höhere Maximalkraft als Frauen verfügten, wurde diese jedoch zur Querschnittsfläche relativiert, ergaben sich nur noch geringfügige Unterschiede. Der Vorteil eines gefiederten Muskels besteht darin, dass eine höhere Anzahl von Fasern in das Muskelvolumen integriert werden können und dadurch der physiologische Querschnitt (pCSA) und die Maximalkraft ansteigen. Chronische Krafttrainingsreize führen in der Regel zu einem Anstieg von pCSA und Fiederungswinkel sowie zu einer Abnahme der Faserlänge und bewirken dadurch eine Kraftsteigerung (Aagaard und Bangsbo 2006). Andererseits weisen langfaserige Muskeln größere Verkürzungsgeschwindigkeiten auf, sodass bei zuneh-

199 Krafttraining

 xkurs: Muskelquerschnitt und FiederungsE winkel Hinsichtlich der Muskelarchitektur unterscheidet man in Abhängigkeit von der Muskelfaserausrichtung zwischen einem anatomischen (Anatomical Cross-Sectional Aerea, aCSA) und einem physiologischen Querschnitt (pCSA; Tricoli 2011). Bei einem ungefiederten Muskel (z. B. M. bizeps brachii) entspricht der aCSA dem pCSA, da alle Muskelfasern von Ursprung zu Ansatz parallel zur Kraftwirkungslinie angeordnet sind. Im Kontrast dazu verlaufen die Fasern bei einem gefiederten Muskel (z. B. M. quadrizeps femoris) in einem bestimmten Winkel (Fiederungswinkel α), relativ zur kraftgenerierenden Achse, sodass diese nicht ihr volles Kraftpotential auf die Aponeurose bzw. Sehne übertragen können.

mit einer Erhöhung der Trainingsfrequenz einhergehen könnte (Maughan et  al. 1983; Barry et al. 2015). 4.2.3

Muskelfaserspektrum

Die Fasertypenverteilung im humanen Skelettmuskel bestimmt in hohem Maße Geschwindigkeit und Leistung der Muskelkontraktion (. Abb. 4.8; Toigo 2015). Grundsätzlich lassen sich beim Menschen drei übergeordnete „reine“ Fasertypen hinsichtlich ihrer Funktionscharakteristika unterscheiden: die langsamen Typ-Isowie die schnellen Typ-IIA- und Typ-IIX-Fasern (Caiozzo und Rourke 2006; Tricoli 2011). Die spezifischen Eigenschaften jedes Fasertyps sind in . Tab. 4.1 zusammengefasst. Typ-I-Fasern weisen geringere Kontraktionsgeschwindigkeiten, Kraftanstiegs- sowie Relaxationsraten als Typ-II-Fasern auf, u. a. bedingt durch eine unterschiedliche Myosinkonfiguration und eine geringere Ca2+-ATPase-Aktivität (Caiozzo und Rourke 2006). Aus energetischer Sicht besitzen Typ-I-Fasern eine größere oxidative Kapazität (Volumendichte an Mitochondrien und Kapillaren) und eine höhere aerobe Enzymaktivität. Ferner benötigen Typ-I-Fasern bei gleicher mechanischer Arbeit weniger ATP als Typ-II-Fasern; sie arbeiten folglich ökonomischer und ermüden langsamer (Hoppeler und Billeter 2003; Caiozzo und Rourke 2006).  



mender Muskelfiederung und abnehmender Faserlänge die Schnellkraft leiden kann (Tricoli 2011; Toigo 2015). Es wird angenommen, dass männliche Sportler mit größerer Muskelquerschnittsfläche und höherer Maximalkraft stärkeren Ermüdungsprozessen und Strukturschädigungen nach intensivem Training ausgesetzt sind. In der Folge ist auch die Regeneration verzögert. Da weibliche Sportlerinnen im Vergleich zu Männern eine geringere Maximalkraft aufweisen, wird bei ihnen eine höhere Ermüdungsresistenz und eine schnellere Regeneration erwartet, welche in der praktischen Konsequenz ..      Abb. 4.8 Muskelbiopsie aus dem M. vastus lateralis eines Schwimmers über die Sprintdistanz a und eines Radprofis vom „Roller-Typ“ b. Der höhere Anteil an Typ-I-Fasern des Ausdauersportlers ist mittels myofibrillärer ATPase-Färbung hervorgehoben (Hoppeler und Billeter 2003)

4

a

b

a

200

C. Raeder et al.

..      Tab. 4.1  Strukturelle und funktionelle Eigenschaften unterschiedlicher Fasertypen im menschlichen Skelettmuskel (u. a. Pette und Staron 2000; Hoppeler und Billeter 2003; Steinhöfer 2015)

4

Strukturelle und funktionelle Eigenschaften

Typ I

Typ IIA

Typ IIX

Durchmesser des Motoneurons

ca. 30 μm

ca. 40–60 μm

ca. 70 μm

Rekrutierungsschwelle

gering

mittel bis hoch

hoch

Durchmesser der Nervenfaser

ca. 9 μm

ca. 10–15 μm

ca. 20 μm

axonale Leitungsgeschwindigkeit

30–40 m · s−1

40–90 m · s−1

70–120 m · s−1

Innervationsfrequenz

bis 30 Hz

bis 90 Hz

bis 150 Hz

Muskelfaserleitungsgeschwindigkeit

ca. 2,5 m · s−1

3,0–5,0 m · s−1

ca. 5,5 m · s−1

Querschnittsfläche

2000–4000 μm2

2000–6000 μm2

2000–10.000 μm2

Faserdurchmesser

klein

mittel

groß

Kontraktionszeit

ca. 120–170 ms

40–120 ms

ca. 40 ms

Kontraktionsgeschwindigkeit

langsam

schnell

sehr schnell

Relaxationsrate

langsam

schnell

sehr schnell

Kraftproduktion (Kraft der Einzelfaser)

gering

mittel

hoch

Ermüdungsresistenz

hoch

moderat bis gering

gering

vornehmliche Stoffwechselaktivität

aerob

langzeitig anaerob

kurzzeitig anaerob

maximale Einsatzdauer

> Stunden

< 30 min

< 5 min

oxidative Kapazität

hoch

mittel

gering

glykolytische Kapazität

gering

hoch

hoch

Mitochondriendichte

hoch

mittel

gering

Kapillardichte

hoch

mittel

gering

Myoglobingehalt

hoch

mittel

gering

Myosin-Isoform schwere Kette (MHC)

MHC I

MHC IIA

MHC IIX

Myosin-ATPase-Aktivität

gering

mittel

hoch

2+-ATPase-Aktivität

gering

hoch

hoch

gering

hoch

hoch

Ca

Ca2+-Kanäle

im sarkoplasmatischen

Retikulum

Typ-II-­Fasern sind hingegen reich an Kreatinphosphat und Glykogen und besitzen eine höhere glykolytische Kapazität infolge einer verstärkten Aktivität der anaeroben Schlüsselenzyme Laktatdehydrogenase (LDH), Phosphofruktokinase (PFK) und Kreatinkinase (CK).

Aus struktureller Sicht unterscheiden sich die Muskelfasertypen sowohl durch ihre neuronale Ansteuerung (Durchmesser von Motoneuron und Nervenfaser) als auch durch die ihrer Strukturproteine. Typ-II-Fasern besitzen einen höheren Anteil an schnellen Myosin-­

4

201 Krafttraining

Isoformen im Bereich der schweren Aminosäureketten (Myosin Heavy Chains, MHC). Der menschliche Skelettmuskel enthält jedoch auch sogenannte Hybridfasern mit unterschiedlich gemischten Myosin-Isoformen (Pette und Staron 2000; Andersen und Aagaard 2010; Tricoli 2011). Folglich kann an Stelle einer eindeutigen Kategorisierung von Muskelfasertypen eher von einem funktionalen Kontinuum zwischen schnellen und langsamen Muskelfasern ausgegangen werden (Hoppeler und Billeter 2003; Sargeant 2007). Die Maximalkraft wird vorrangig von der Querschnittsfläche und dem Grad der willkür-

lichen Aktivierung determiniert und ist weniger von der Fasertypenzusammensetzung abhängig, da die Erzeugung mechanischer Spannung bei langsamen und schnellen Muskelfasern annähernd identisch ist (Caiozzo und Rourke 2006; Bogdanis 2012). Das charakteristische Leistungsmerkmal von Typ-II-­ Fasern liegt vielmehr in der Fähigkeit begründet, bei gegebener Kraftentfaltung erheblich höhere Verkürzungsgeschwindigkeiten generieren zu können als Typ-I-Fasern (Fitts und Widrick 1996). Dies spiegelt sich in einer unterschiedlichen Kraft-Geschwindigkeits- bzw. Kraft-Leistungs-Relation wider . Abb. 4.9).  

Praxistipp: Muskelfaseranteil und Training

Die Anteile an Muskelfasertypen sind vorrangig genetisch determiniert. Durch Training können jedoch tendenzielle Verschiebungen in beide Richtungen erfolgen. Typ-II-Fasern können sowohl bei hoher Kontraktionsgeschwindigkeit (Schnellkrafttraining) als auch bei hohem Widerstand (Maximalkrafttraining) angesprochen werden. Indirekte Möglichkeiten bieten reflektorische Methoden (z. B. beim Vibrationskrafttraining) oder die externe Stimulation (EMS-Training). Die Trainingsanpassungen verlaufen meist stufenförmig. Zunächst bewirkt

5

langsam schnell 2A schnell 2X

1,5 Leistung (W/I)

Geschwindigkeit (L/s)

2

neuromuskulärer Stress, speziell beim Hypertrophietraining, eine Transformation zugunsten langsamerer Fasern (Linkstransformation der MHC). Erst nach ausreichender Regeneration bzw. vermindertem mechanischen Stress erfolgt eine Verschiebung zugunsten der schnelleren Fasern (Rechtstransformation der MHC). Für das Schnellkrafttraining ergibt sich daraus als praktische Konsequenz: Dem Muskelaufbau muss ein IK-Training folgen mit anschließendem Tapering zur Sicherstellung der Rechtstransformation.

1

schnell 2X 2,5 schnell 2A

0,5 langsam 0

a

0

10

20 30 40 Kraft (kN/m2)

50

0

60

b

0

10

20 30 40 Kraft (kN/m2)

50

60

..      Abb. 4.9 Kraft-Geschwindigkeits- a und Kraft-­Leistungs-­Relation b langsamer und schneller menschlicher Einzelmuskelfasern (modifiziert nach Schiaffino und Reggiani 2011, S. 1472)

4

202

C. Raeder et al.

4.2.4

Neuromuskuläre Signalübertragung und Muskelkontraktion

Die Innervation einer Muskelfaser durch ein Motoneuron (motorische Einheit) erfolgt auf elektrochemischem Weg an deren Kontaktstelle, dem synaptischen Spalt. Hierbei bewirkt ein eintreffender Nervenimpuls (Na+-getriebenes Aktionspotential) am präsynaptischen Endköpfchen eine kurzzeitige Erhöhung der Ca2+-Konzentration durch spannungsgesteuerte Ca2+-Kanäle (Brenner 2010). Die präsynaptische Depolarisation führt zur Ausschüt-

tung des Neurotransmitters Acetylcholin (ACh) in den synaptischen Spalt. ACh löst postsynaptisch eine lokale Permeabilitätserhöhung für Na+-Ionen aus. Das dadurch entstehende postsynaptische Aktionspotential wird in das Innere der Muskelfaser durch röhrenförmig transversal verlaufende Einstülpungen (transversales tubuläres System, T-Tubuli) weitergeleitet und bewirkt eine Ca2+-Ausschüttung aus dem sarkoplasmatischen Retikulum (Brenner 2010). Das ins Sarkoplasma freigesetzte Ca2+ löst den Querbrückenzyklus als Voraussetzung für eine Muskelkontraktion aus.

Exkurs: Repolarisation und Muskelrelaxation Nach Erreichen des maximalen Aktionspotentials erfolgt die anschließende Wiederherstellung des Ruhemembranpotentials (Repolarisation) von ca. –80 mV durch schnelle Inaktivierung der Na+-Kanäle und Öffnung der extrazellulär ausgerichteten K+-Kanäle. Ferner bewirken ein Cl–-Einwärtsstrom sowie eine ATP-abhängige Na+-K+-Pumpe (Na+-K+-ATPase) eine Stabilisation und Aufrechterhaltung des Ruhepotentials (Linke und Pfitzer 2010). ATP-abhängige Ca2+-Pumpen sorgen für den

Bei der Muskelkontraktion gleiten die Aktinund Myosinfilamente der in den Myofibrillen seriell angeordneten Sarkomere aneinander vorbei. Dieser charakteristische Vorgang wird daher auch als Gleitfilamentmechanismus bezeichnet (. Abb. 4.7 und  4.10; Linke und Pfitzer 2010). Bei aktiver Sarkomerverkürzung werden die Aktinfilamente weiter in die A-Bande in Richtung M-Linie gezogen, wodurch H-Zone und I-Bande gleichermaßen schmaler werden, während die Länge der A-Bande unverändert bleibt. Demgegenüber werden bei einer Sarkomerdehnung die Aktinfilamente aus der Anordnung der Myosinfilamente innerhalb der A-Bande herausgezogen, wodurch das Ausmaß der Filamentüberlappung abnimmt. Entsprechend werden H-Zone und I-Bande gleichermaßen breiter, während die Länge der A-Bande weiterhin konstant bleibt (. Abb.  4.7b; Brenner 2010; Linke und  



Rücktransport der Ca2+-Ionen in das sarkoplasmatische Retikulum (SR). In der Folge werden die Aktin-Myosin-Interaktionen inhibiert, und es kommt zur Relaxation der Muskelfaser (Brenner 2010). Das SR besitzt somit eine zentrale Schlüsselfunktion bei der Aktivierung und Relaxation der Muskelfaser. Die Funktionalität dieses Mechanismus ist bei den Typ-II-­Fasern besser ausgeprägt und determiniert maßgeblich das Potential von Maximal- und Schnellkraftleistungen (Caiozzo und Rourke 2006).

Pfitzer 2010). Kontrahiert ein Sarkomer bis auf ca.  60  % seiner Ruhe- bzw. Gleichgewichtslänge, kommt es zur Kollision der Aktinfilamente im Bereich der M-Linie und der Myosinfilamente mit der Z-Scheibe. Bei Sarkomerdehnung über die Gleichgewichtslänge hinaus werden die Titinfilamente gedehnt und erzeugen wichtige elastische Rückstellkräfte (DVZ und Reaktivkraft, 7 Abschn. 4.1.3) zur Aufrechterhaltung der Sarkomerintegrität (Brenner 2010). Molekulare Basis der Muskelkontraktion ist die energieabhängige Interaktion zwischen Myosinkopf und Aktinfilament (Querbrückenzyklus; 7 Exkurs: Feinregulation der Muskelkontraktion und . Abb. 4.10). Dabei wird unter Hydrolyse des am Myosinkopf gebundenen energiereichen Adenosintriphosphats (ATP) chemische Energie produziert, welche vom Motorprotein Myosin in Muskelkraft zur akti 







4

203 Krafttraining

leichte Kette Konverter

2 ATP-Spaltung

3 niederaffine Bindung ADP Pi

ATP

ADP Pi

4

1 Ablösung ADP

2–4 nm

6 2. Kraftschlag

5 1. Kraftschlag Pi

hochaffine Bindung

6–8 nm

..      Abb. 4.10  Der ATP-abhängige Querbrückenzyklus (Brenner 2010): 1. Nach dem zweiten Kraftschlag (6.) wird ein ATP-Molekül in dem aktiven Zentrum des Myosinkopfes gebunden, was zur Ablösung der hochaffinen Bindung zwischen Myosinkopf und Aktinfilament führt. 2. Die Hydrolyse von ATP in ADP und anorganisches Phosphat (Pi) unter Abgabe eines Wasserstoffprotons (H+) durch die ATPase-Funktion des Myosinkopfes bewirkt ein Umklappen des Hebelarms in Richtung Z-Linie zur erneuten Ausrichtung des Myosinkopfes am Aktinfilament. 3. Der Myosinkopf

geht mit Aktin eine niederaffine Bindung ein (niederaffiner Aktomyosinkomplex). 4. Strukturumlagerungen im Myosinkopf bewirken eine Zunahme der Aktin-Myosin-Affinität. 5. Durch Abspaltung von Pi aus dem Zentrum des Myosinkopfes erfolgt eine Rotationsbewegung des Hebelarms in Richtung M-Linie (erster Kraftschlag des Myosinkopfes und Verschiebung um ca. 6–8 nm). 6. Die Abspaltung von ADP aus dem aktiven Zentrum induziert eine weitere Hebelarmrotation des Myosinkopfes (zweiter Kraftschlag und Verschiebung um weitere 2–4 nm)

ven Längenänderung des Muskels eingesetzt wird (Linke und Pfitzer 2010). Auch bei isometrischer Kraftentwicklung erfolgt der Querbrückenzyklus, obwohl es hierbei zu keiner wesentlichen Veränderung von Muskellänge bzw. Gelenkwinkel kommt. Hierbei bildet der Myosinkopf immer an derselben Bindungsstelle zum Aktin eine mechanisch wirksame Querbrücke, welche eine elastische Verformung des Myosinmoleküls im Bereich der Halsregion, aber keine aktive Filamentverschiebung bewirkt (Linke und Pfitzer 2010). Der kontraktile Mechanismus des Skelettmuskels kann dabei auf molekularer Ebene in sechs elementare Schritte eingeteilt werden (. Abb. 4.10; Caiozzo und Rourke 2006; Fitts 2008; Brenner 2010). Die Aktivität der Aktin-Myosin-­Interaktionen wird durch die Ca2+-Konzentration im Sarkoplasma reguliert, um einer permanenten Kontraktion des Skelettmuskels bei ausreichendem ATP-Angebot entgegenwirken zu können. Hier-

bei wird den Regulatorproteinen Troponin-C und Tropomyosin, die den Aktinfilamenten angelagert sind, eine bedeutsame Rolle zuteil. Bei niedriger zytosolischer Ca2+-Konzentration wirken diese als Inhibitoren des Querbrückenzyklus, da sie eine feste Anlagerung des Myosinkopfes am Aktinfilament verhindern (Linke und Pfitzer 2010). Eine erregungsbedingte Steigerung der Ca2+-Konzentration bewirkt dagegen eine verstärkte Bindung von Ca2+-Ionen an die TroponinC-­Untereinheit, welches zu einer konformatorischen Umlagerung des Tropomyosinmoleküls führt, in deren Folge die hochaffinen Bindungsstellen für die Myosinköpfe am Aktinfilament freigegeben werden können und somit der Querbrückenzyklus bei ausreichendem ATP-Vorrat ablaufen kann (Brenner 2010). Bei Ermüdung und Akkumulation von Stoffwechselendprodukten (ADP, Pi und H+) sind Ca2+-Sensitivität und dadurch Kraftleistung verringert (Allen et al. 2008).



204

C. Raeder et al.

Exkurs: Feinregulation der Muskelkontraktion

4

Aktuelle Forschungsergebnisse weisen auf eine mechano-sensitive Feinregulation der Muskelkontraktion durch das Myosinmolekül hin (Linari et al. 2015). Demnach ruhen im relaxierten Muskel (niedrige Ca2+-Konzentration) zahlreiche Myosinköpfe inaktiv auf dem Myosinfilament, während nur weniger als 5 % der Myosinköpfe durch Verwertung von ATP aktiviert sind. Bei niedriger äußerer Last bewirken diese eine sofortige Muskelverkürzung. Dagegen kommt es erst bei höherer äußerer Last zu einer zusätzlichen Ca2+-induzierten Aktivierung der „ruhenden“ Myosinköpfe. Dieser regulatorische Mechanismus erlaubt eine bedarfsgerechte Feinregulation der kontraktilen Kraftentfaltung.

4.2.5

 pinale und supraspinale S Kraftregulation

Die spinale Kraftregulation beruht auf neuronalen Verschaltungen der Skelettmuskulatur mit dem Rückenmark. Diese besitzen eine besondere Bedeutung bei der funktionellen Verarbeitung von Längen- und Spannungsänderungen in der Muskel-Sehnen-Einheit (de Marées 2002). Im Einzelnen spielen die Muskelspindeln und die Golgi-Sehnenorgane als muskuläre Mechanorezeptoren eine wichtige Rolle. Die Muskelspindel ist parallel zu den Skelettmuskelfasern (extrafusale Fasern) angeordnet und misst fortwährend die Muskellänge bzw. die Längenänderung (. Abb.  6.8). Sie enthält ebenfalls Muskelfasern, sogenannte intrafusale γ-Fasern, die in ihren distalen Polbereichen kontraktil sind. In der nicht kontraktilen Äquatorialregion der Spindel befindet sich der dehnungssensitive Rezeptor. Die Muskelspindel ist  

mit dem Rückenmark verbunden und besitzt eine monosynaptische Verbindung mit den im Vorderhorn befindlichen efferent leitenden α-Motoneuronen (Noth 1994; Lehmann-Horn 2010). Bei plötzlicher Muskeldehnung (z.  B. während des DVZ) bewirken die afferent leitenden Spindelerregungen eine direkte Innervation der α-Motoneurone des Agonisten (monosynaptischer Dehnungsreflex) und eine Inhibition des α-Motoneurons des Antagonisten (reziproke Antagonistenhemmung), wodurch die Kontraktion verstärkt wird (Stone et al. 2007). Praxistipp: Der DVZ und spinale Bewegungs­ regulation

Der im Zusammenhang mit der Reaktivkraft beschriebene Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ) nutzt die spinalen Faktoren der Bewegungsregulation zu einer Steigerung der Kontraktionskraft. Dabei ist die reflexbedingte mechanische Antwort des Muskels umso größer, je schneller (z. B. Drop Jumps) und kra­ftvoller (z. B. Training mit exzentrischer ­Überlast) der aktive Muskel gedehnt wird.

Innerhalb des Rückenmarks ist das α-Motoneuron außerdem mit Interneuronen verbunden (den Renshaw-Zellen), die bei zu starker Innervation im Sinne einer Schutzwirkung hemmend auf das α-Motoneuron wirken (Feedback-Hemmung). Die Empfindlichkeit der Renshaw-Zellen kann zentralnervös verändert werden und ermöglicht hierdurch eine Feinregulation der Kraft. Auch der Dehnungssensor der Spindel besitzt eine zentralnervöse efferente Ansteuerung, um die Muskel-

Exkurs: Muskelkater und Störungen der spinalen Bewegungsregulation Trainingsinduzierte Strukturschädigungen der Skelettmuskulatur (Mikrotraumata) verursachen eine Reduktion der Reflexsensitivität der Muskelspindeln, deren Funktionseinschränkung nachhaltige Störungen des DVZ und Einschränkungen der Reaktivkraftleistung bewirken können (Byrne et al. 2004; Nicol et al. 2006). Der zugrunde liegende Mechanismus wird dabei in einer verstärkten Reizung der im Muskelgewebe befindlichen Nozizeptoren vermutet, welche die Ia-Afferenzen auf spinaler Ebene hemmen

und demzufolge die reflektorische Erregung der α-Motoneurone verringern können (Nicol et al. 1996; Avela et al. 1999). Zusätzlich besitzen diese auch einen inhibitorischen Einfluss auf die zentralnervöse Willküraktivität (Gandevia 2001; Amann 2012). Der adäquate Reiz für die Aktivierung der Nozizeptoren sind neben anaeroben Metaboliten (z. B. Laktat und H+-Ionen) vor allem Entzündungsmediatoren (z. B. Prostaglandine, Bradykinine), deren Ausschüttung durch muskuläre Mikrotraumata verursacht wird.

205 Krafttraining

länge bedarfsgerecht voreinzustellen (Lehmann-­ Horn 2010; Sollwertregulation; Laube 2013). Die Golgi-Sehnenorgane (. Abb.  6.9) befinden sich im tendomuskulären Übergangsbereich und reagieren speziell auf kontraktionsbedingte Spannungsänderungen (Laube 2009). Bei hoher mechanischer Spannung (z. B. bei maximaler isometrischer Kontraktion) wirken die Ib-Afferenzen der Sehnenorgane protektiv hemmend auf die α-Motoneurone des homonymen Muskels (autogene Hemmung) (de Marées 2002). Dieser Effekt begründet auch das Prinzip der postisometrischen Relaxation beim Beweglichkeitstraining, nach dem der isometrisch vorkontrahierte Muskel sich anschließend besser dehnen lässt (7 Kap.  6; Stone et  al. 2007). Im Gegensatz zur Muskelspindel enthalten die Sehnenorgane keine intrinsischen Muskelfasern und verfügen demnach auch über keine efferente Innervation. Zusammenfassend spielt dieses komplexe System der spinalen Bewegungskontrolle (speziell Muskelspindel und Golgi-Sehnenorgane) eine bedeutende Rolle bei der Steuerung von Muskellänge und Muskelkraft sowie bei der sensorisch-motorischen Kontrolle und Stabilisierung von Gelenkwinkeln (Noth 1994; Lehmann-Horn 2010). Für die Trainingspraxis ergeben sich unmittelbare Zusammenhänge zum Krafttraining (z.  B.  Reaktivkrafttraining) und zum Beweglichkeitstraining (z. B. dynamisches Dehnen und PNF-Methoden). Die supraspinale Kraftregulation beruht auf zentralnervösen Kontrollmechanismen. Der zentrale Handlungsantrieb erfolgt im limbischen System und in anderen kortikalen Motivationsarealen, bevor es zum Abruf motorischer Programmentwürfe im Assoziationskortex kommt, welche nachfolgend in konkrete Bewegungsprogramme im prämotorischen Kortex umgesetzt werden. Unter Beteiligung von Kleinhirn und Basalganglien, welche als Kontrollsysteme fungieren, werden die Bewegungsprogramme feinjustiert und zum Motorkortex weitergeleitet, dem Exekutivorgan von Bewegungshandlungen. Über efferente Nervenbahnen (Pyramidenbahn) und unter Mitwirkung der stützmotorischen Funktion des Hirnstammes gelangen die Innervati 



4

onsmuster zu den spinalen α-Motoneuronen im Vorderhorn. In der Summe bewirkt dies eine präzise koordinierte Erregung der motorischen Einheiten der bewegungsrelevanten Skelettmuskulatur (Noth 1994; de Marées 2002; Powers und Howley 2009). Die supraspinale Bewegungskorrektur erfolgt über zwei unterschiedliche Mechanismen. Ballistische Bewegungen (z. B. ein Medizinballwurf) beruhen bei der Ausführung auf einem in den kortikalen Arealen des Großhirns vorliegenden Programm. Sie werden ohne Feedback ausgeführt (Open Loop) und führen erst nachträglich zu einer Beurteilung und ggf. zu einer Programmmodifikation. Bei langsamen Bewegungen (z. B. Balancieren auf instabilen Unterlagen) basiert die Regelung auf der permanent ablaufenden funktionalen Verrechnung sensorischer Rückmeldungen aus der Körperperipherie nach dem klassischen Prinzip eines Soll-/Istwert-Vergleichs (Closed Loop; de Marées 2002; Konczak 2003; Laube 2009). Exkurs: Zentrale Ermüdung beim Krafttraining Eine zentrale Ermüdung wird vornehmlich durch metabolische (z. B. Myokine, ggf. auch Serotoninvorstufen) und/oder mechanische Faktoren (z. B. Muskelschmerzempfinden) in der Peripherie verursacht (MacDougall und Sale 2014; Toigo 2015). Dies verringert das Aktivierungsniveau kortikaler Motoneurone und reduziert die Kraftleistung. Nach Passage der Blut-Hirn-Schranke können periphere Metaboliten neuromodulatorische Wirkungen entfalten, die mit Erschöpfung, Müdigkeit, Benommenheit oder Lethargie sowie einer negativen Gefühls- und Stimmungslage assoziiert sind (Ament und Verkerke 2009; Vargas und Marino 2014; Phillips 2015).

4.2.6

I ntra- und intermuskuläre Koordination

Die intramuskuläre Koordination bezieht sich auf die bedarfsgerechte Abstufung der Kontraktionskraft eines Muskels. Diese wird vom zentralen Nervensystem durch den Grad der Rekrutierung (Anzahl aktivierter motorischer Einheiten) und Frequenzierung (Erregungs-

206

C. Raeder et al.

rate der Motoneurone) von motorischen Einheiten (ME) moduliert (Linke und Pfitzer 2010; MacDougall und Sale 2014). Intra- u. intermuskuläre Koordination

4

Als „intramuskuläre Koordination“ wird die Qualität des zentralen Nervensystems verstanden, innerhalb eines Muskels die Anzahl der aktivierten motorischen Einheiten (Rekrutierung) und die Erregungsrate bzw. Aktionspotentialfrequenz der Motoneurone von motorischen Einheiten (Frequenzierung) bedarfsgerecht zu modulieren. Als „intermuskuläre Koordination“ wird die Qualität des zentralen Nervensystems zur bestmöglichen Abstimmung mehrerer Muskeln (zwischen Agonisten und Synergisten sowie zwischen Agonisten und Antagonisten) innerhalb eines Bewegungsablaufs mit dem Ziel der Ökonomisierung und Leistungssteigerung verstanden.

Mit ansteigendem Kraftbedarf nehmen Rekrutierung und Frequenzierung kontinuierlich zu. Die Reihenfolge der rekrutierten motorischen Einheiten (ME) folgt nach dem Größenprinzip und dem zugrunde liegenden Rekrutierungsschwellenwert (Toigo 2015). Bei geringen Kraftanforderungen werden die kleinen α-Motoneurone vom Typ-S (slow) rekrutiert. Diese besitzen den niedrigsten Schwellenwert und innervieren die langsamen, ermüdungsresistenten Typ-I-Fasern. Bei steigendem Widerstand schalten sich zunächst die α-Motoneurone vom Typ-FR (fast fatigue resistant) und schließlich jene vom Typ-FF (fast fatigable) dazu, welche die schnellen, jedoch rascher ermüdbaren Typ-IIa- bzw. Typ-­ IIx-­ Fasereinheiten aktivieren. Bei etwa 80–95 % des Kraftmaximums sind weitgehend alle für die motorische Aufgabe einsetzbaren ME rekrutiert. Bei abnehmendem Kraftbedarf werden die Motoneurone sukzessiv in umgekehrter Reihenfolge derekrutiert (MacDougall und Sale 2014).

Auch die Steigerung von Erregungsrate bzw. Aktionspotentialfrequenz ermöglicht größere Kontraktionskräfte (MacDougall und Sale 2014). Im Allgemeinen sind alle Willkürkontraktionen des Skelettmuskels tetanischer Natur (Brenner 2010). Für die Erzeugung von tetanischen Dauerkontraktionen sind bei den schnellen Typ-IIFasern höhere Impulsraten erforderlich. Die intermuskuläre Koordination bezieht sich auf eine koordinativ bestmögliche AbstimPraxistipp: Rekrutierung der Typ-II-Fasern Die Rekrutierung von schnellen motorischen Einheiten erfolgt bei hohen Widerständen von über 80–95 % des 1 RM. Sie kann jedoch auch bei moderaten Intensitäten unterhalb von 80 % des Kraftmaximums gesteigert werden: 55 wenn die Bewegung bei geringerer Intensität bis zum Muskelversagen fortgesetzt wird, 55 wenn die Kraft bei geringerer Intensität maximal explosiv entfaltet wird, 55 wenn durch Applikation von Vibration eine zusätzliche externe Stimulation erfolgt.

 xkurs: Warum zittert die Oberfläche des E Muskels? Bei submaximaler isometrischer Kontraktion (z. B. im Kniegelenksstrecker) beobachten wir, dass die Oberfläche des Muskels in ständiger Bewegung ist. Die Ursache besteht darin, dass die an der Kraftproduktion beteiligten motorischen Einheiten (ME) asynchron, d. h. alternierend, aktiviert werden. Hierdurch kann die Muskelermüdung insgesamt verzögert werden, da die Relaxationsperiode einer ME durch die Kontraktionsphase einer anderen ME überlagert wird (MacDougall und Sale 2014).

mung mehrerer Muskeln innerhalb eines Bewegungsablaufs. Sie kommt bei komplexen mehrgelenkigen Kraftübungen (z.  B. beim funktionellen Krafttraining), aber auch bei sportartspezifischen Trainingsformen (z.  B. Wurf-, Stoß- oder Sprungbewegungen) zum Tragen. Die Qualität der intermuskulären Koordination gilt jeweils nur für eine spezifische

207 Krafttraining

motorische Aufgabe und ist nur eingeschränkt übertragbar auf anders strukturierte Bewegungsleistungen. Für die Trainingspraxis bedeutet dies, dass zwischen mehrgelenkigen komplexen Kraftübungen (z.  B.  Medizinballtraining) und dem Übertrag auf konkrete

4

sportartspezifische Techniken (z. B. Handballwurf) stets ein ausreichender koordinativer Transfer initiiert werden muss (Gamble 2013; Raeder et al. 2015). Die intermuskuläre Koordination besitzt enge Verwandtschaft zum Schnelligkeitstraining (7 Kap. 5).  

Exkurs: Vibrationskrafttraining Das Vibrationskrafttraining besitzt wissenschaftlich nachweisbare Effekte (Luo et al. 2005). Inzwischen existiert eine Vielzahl an Trainingsgeräten, die auf verschiedenartige Weise eine hochfrequente Vibration generieren (seitenalternierende, vertikale und stochastische Systeme) und die zur Ganzkörper- oder Teilkörpervibration (z. B. Vibrationshantel) eingesetzt werden können. Die Idee, eine Vibration als Trainingsreiz zu nutzen, geht auf den Weißrussen Viktor Nazarov zurück, der dieses Verfahren für die Raumfahrt zum Erhalt von Muskel- und Knochensubstanz unter Bedingungen der Schwerelosigkeit erfolgreich einsetzte.

Der Primäreffekt für die Muskulatur besteht in der Auslösung des tonischen Vibrationsreflexes, indem hochfrequente Dehnungen den monosynaptischen Muskelspindelreflex dauerhaft hintereinander auslösen. Hierdurch können auch die schwer rekrutierbaren Typ-II-Fasern zur Kontraktion gebracht werden. Darüber hinaus existieren auch gesundheitssportlich positive Effekte von Vibrationstraining auf Knochendichte (Osteoporoseprophylaxe) und theoretisch auch auf die Regeneration (Durchblutungsförderung, Lymphabfluss; Edge et al. 2009).

Kraft-Längen-Relation des Muskels

lenkwinkels und ein muskuläres Drehmoment (Torque) um das entsprechende Gelenk. Das realisierbare Drehmoment wird hierbei nicht nur durch die Kraft-Längen-Relation des Muskels, sondern auch durch Gelenkarchitektur und Kraftübertragung (interner Momentarm) bestimmt (. Abb.  4.11c). Der Gelenkwinkel der größten muskulären Kraftentfaltung muss daher nicht zwangsläufig mit dem Gelenkwinkel übereinstimmen, in dem das größte Drehmoment erzeugt wird. Dieser hängt somit von muskulären (Filamentüberlappung, passive Elastizitätskraft) und artikulären Faktoren (Größe des internen Momentarms) ab (Toigo 2015). Für die Trainingspraxis ergibt sich aus den beschriebenen Zusammenhängen einerseits die Konsequenz, beim Krafttraining möglichst die gesamte Bewegungsamplitude zu berücksichtigen. Andererseits scheint ein konstanter Widerstand (wie in der Praxis üblich und kaum vermeidbar) unangemessen zu sein, da die relative Auslastung des Muskels im Bereich der Optimallänge unzureichend sein wird. Folglich existieren Trainingsgeräte mit

4.2.7

Die Kontraktionskraft eines Muskels ist abhängig von seiner Länge. Dieser Zusammenhang kann durch die Kraft-Sarkomerlängen-Kurve verdeutlicht werden und basiert auf dem unterschiedlichen Überlappungsgrad von Aktin und Myosin (. Abb.  4.11a). Unter physiologischen Bedingungen kann sich das Sarkomer auf bis zu ca. 160 % seiner Optimallänge im absteigenden Schenkel der Kurve (Descending Limb) verlängern. Wird die isometrische Maximalkraft eines gesamten Muskels gegen die Muskellänge aufgetragen, erhält man die aktive Kraft-Muskellängen-Kurve (. Abb.  4.11b). Mit zunehmender Muskellänge addieren sich abnehmende aktive Kontraktionskräfte und zunehmende passive Elastizitätskräfte (insbesondere bedingt durch das Titin) zur Gesamtkraft (Combined Tension) des Muskels (Brughelli und Cronin 2007; MacDougall und Sale 2014). Beim dynamischen Krafttraining entsteht durch Kontraktion eine Änderung des Ge 





208

C. Raeder et al.

Exzenter (meist eine elipsoide Scheibe), welche den Lastarm und somit den Widerstand im Gelenkwinkel der Optimallänge erhöhen. Entsprechende Entwicklungen setzen sich jedoch in der Praxis nur bedingt durch, weil sie auf geführte eingelenkige (monoartikulare) Bewegungsabläufe reduziert sind. In der leistungs-

4

Plateau region

Descending limb

Force (%)

100 Ascending limb 2,0 2,2

Passive force

1,7

50

0 1,27 1,7

a 80

2,0 2,2 Sarcomere length (µm)

Active tension

Force (N)

20

0

0,5

b

Torque (Nm)

1,0 1,5 Length (cm)

2,0

2,5

Optimum length

Active and passive tension

KnieMomentarm

100

50

0

c



Passive tension

40

150



Combined tension

60

0

3,6

sportlichen Praxis werden jedoch üblicherweise mehrgelenkige (multiartikulare) Trainingsformen bevorzugt. Hierbei stellt sich das Phänomen der Kraft-Längen-Relation noch weitaus komplexer dar und soll im Folgenden am Beispiel der Kniebeuge (der „Mutter aller Kraftsport-Übungen“) vertieft werden. Im Verlauf der Kniebeuge kommt es in den beteiligten Gelenken (Knie- und Hüftgelenk) in verschiedenen Gelenkwinkeln zu einer unterschiedlichen Aktivierung der Arbeitsmuskulatur (Hahn 2011). Das Ausmaß der Muskelaktivität wird von der Widerstandslast, den Gelenkwinkeln und der Länge der externen Lastarme determiniert (Bryanton et  al. 2012; Gottlob 2013). Der Lastarm ist dabei definiert als der horizontale rechtwinklige Abstand zwischen der vertikalen Lastwirkungslinie und dem jeweiligen Gelenkdrehpunkt (. Abb. 4.12). Das Produkt aus Lastarm und äußerer Gewichtslast ergibt das externe Drehmoment (Toigo 2015).

Hüft-Momentarm



20°

40° Angle

60°

80°

..      Abb. 4.11  Beziehungen zwischen Kraft und Sarkomerlänge a, Kraft und Muskellänge b sowie Drehmoment und Gelenkwinkel (c; nach Brughelli und Cronin 2007, S. 809)

..      Abb. 4.12  Externe Momentarme, die auf Hüftund Kniegelenk bei der Parallelkniebeuge einwirken (mod. nach Hartmann und Wirth 2014, S. 7)

209 Krafttraining

4

Exkurs: Die Kniebeuge und das „Residual Force Enhancement“ unter der Lupe Bei der Kniebeuge nimmt mit zunehmender Beugetiefe das Drehmoment zu, da sich die Summe der auf Knie- und Hüftgelenk wirkenden Lastarme vergrößert. Die höchste Quadrizepsaktivität wird jedoch bereits zwischen 60–90° Knieflexion erreicht (in tieferen Gelenkwinkelpositionen werden die Knie häufig v-förmig nach außen geschoben, was den Lastarm verkleinert). Bei etwa 80–90° Knieflexion befindet sich auch der sogenannte Totpunkt (Sticking Point) der Kniebeuge, an dem die Übung häufig zum Erliegen kommt (Escamilla 2001; Newton 2011; Kompf und Arandjelovic 2016). Bei der Tief- bzw. Parallelkniebeuge werden jedoch teilweise höhere Lasten

Praxistipp: Die Kniebeuge

Für eine bestmögliche Beanspruchung von Knie- und Hüftmuskulatur ist bei adäquater Bewegungstechnik und Mobilität ein Training mit großer Bewegungsamplitude zu empfehlen. Aufgrund der höheren Muskelbeanspruchung (speziell im Hüftstrecker) und der höheren mechanisch-induzierten Dehnungsspannung (Hüft- und Kniegelenksstrecker) kann hier ein größeres adaptives Potential erwartet werden (Newham et al. 1988). Die 90°-Kniebeuge und die Parallel­ kniebeuge besitzen hingegen für die meisten Sportarten eine höhere Funktionalität, da die meisten Sprung- oder Sprintstartbewegungen aus eher geringeren Knieflexionen beginnen. Folglich sind Tiefkniebeuge und Kniebeugen mit geringerer Amplitude in Abhängigkeit von Sportart, Trainingsziel und Saisonzeitpunkt bzw. Zeitpunkt der Periodisierung angemessen zu kombinieren.

bewältigt als bei der 90°-Kniebeuge, da die reaktive Beschleunigung aus dem tiefen Umkehrpunkt unter Mitwirkung des DVZ die Überwindung des Totpunkts begünstigt. Ferner kann es nach extremer Muskeldehnung in der tiefen Position der Kniebeuge zu einer Potenzierung der isometrischen Kraft kommen, die auch als Residual Force Enhancement bezeichnet wird (Herzog et al. 2006). Dies wird mit einer kalziumabhängigen Zunahme der strukturellen Stabilität des Titinfilaments mit nachfolgender Erhöhung der muskulären Stiffness und der passiven Kraft begründet (Herzog et al. 2015).

und anschließende Utilisation elastischer Energie eine fundamentale Bedeutung zu. Die Regulation der Stiffness unterliegt neuronalen, kontraktilen und mechanischen Einflussgrößen, deren Interaktion eine Leistungspotenzierung beim Absprung (konzentrische Kontraktion) innerhalb des schnellen DVZ ermöglicht (Ehlenz et al. 2003; Nicol et al. 2006). Stiffness Die Stiffness beschreibt den durch intrinsische Kräfte erzeugten Widerstand, den der tendomuskuläre Komplex einer Längenänderung durch äußere auf ihn einwirkende Kräfte entgegensetzt (Gollhofer 1987). Demnach kann man von einer hohen Stiffness sprechen, wenn bei Einwirkung und Erzeugung hoher mechanischer Spannungszustände (∆K/Q) nur geringe Muskellängen- bzw. Gelenkwinkeländerungen und damit Veränderungen des muskulären Dehnzustandes (∆L/L0) provoziert werden. S=

4.2.8

Stiffness des tendomuskulären Systems

Der Muskelsteifigkeit (Stiffness) kommt insbesondere bei Reaktivkraftleistungen (z. B. beim Drop Jump) für die kurzfristige Speicherung

DK / Q DL / L 0



S - = Stiffness ∆K - = Änderung der Kraft Q - = Querschnittsfläche des Muskels ∆L - = Änderung der Muskellänge L0 - = Ausgangslänge des Muskels

210

4

C. Raeder et al.

Auf neuronaler Ebene spielen die zentralnervös gesteuerte muskuläre Voraktivierung (Feedforward Control) und die Stärke der spinalen Reflexinnervation (Feedback Control) vor bzw. während des Bodenkontakts bei Drop Jumps eine entscheidende Rolle. Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Grad der muskulären Voraktivierung vor der Landung und geringeren Bodenkontaktzeiten beim Drop Jump (Arampatzis et  al. 2001). Des Weiteren kommt es zu einer Erhöhung der Sensitivität der Muskelspindeln (Feedforward Control) und dadurch zu einer verstärkten Reflexinnervation während der Bodenkontaktphase (Gollhofer et al. 1984). Die Regulation der Stiffness im schnellen DVZ wird auch als kurzzeitige reaktive Spannungsfähigkeit der kontraktilen Proteine im Aktin-Myosin-Komplex bezeichnet (Ehlenz et al. 2003). Auch mechanische Einflussgrößen der Muskel-Sehnen-Einheit tragen in hohem Maße zur Stiffness bei reaktiver Kraftentfaltung bei (Kuitunen 2010). Dies betrifft vornehmlich das muskuläre Bindegewebe sowie die Titinfilamente, die bei aktiver Muskeldehnung zur Speicherung von elastischer Energie befähigt sind (Seiberl et  al. 2015). Zu den mechanischen Komponenten zählen

jedoch maßgeblich auch die Sehnen sowie die im Muskelgewebe eingebetteten Aponeurosen (Wilson und Flanagan 2008; Kuitunen 2010). Die Sehnen werden während der exzentrischen Phase im schnellen DVZ stark gedehnt, während die Muskelfasern annähernd isometrisch im Bereich ihrer optimalen Myofilamentüberlappung kontrahieren (Ishikawa und Komi 2008). Demnach erzeugt der Muskelfaszikel die notwendige Gegenkraft, damit die Sehnen die elastische Spannungsenergie in der kurzen Dehnungsphase des schnellen DVZs speichern können, welche in der nachfolgenden konzentrischen Phase leistungspotenzierend wirksam wird. In Hinblick auf die physische Leistungsfähigkeit können positive Zusammenhänge zwischen dem Grad der tendomuskulären Stiffness und der isometrischen und konzentrischen Kraftanstiegsrate (Schnell-und Explosivkraft), dem realisierbaren Kraftmaximum, der maximalen Sprintgeschwindigkeit und der Laufökonomie aufgezeigt werden. Im Altersgang, bei Untrainierten sowie bei Athleten im ermüdeten Zustand nimmt die Stiffness signifikant ab (Kuitunen et  al. 2002; Wilson und Flanagan 2008).

Praxistipp: Exzentrisches Krafttraining für die Sehne Die Sehnen sind das Bindegewebe, das die Muskeln mit den Knochen verbindet und anschließend die Kraft vom Muskel auf den Knochen überträgt. Aus trainingsphysiologischer Sicht ist es kaum möglich, Sehnen isoliert zu trainieren, da jede Bewegungshandlung grundsätzlich eine Interaktion der Sehnen mit den Muskelfasern hervorruft und somit die Muskel-Sehnen-Einheit immer in ihrer Gesamtheit beansprucht wird. Allerdings gibt es Hinweise, dass der adäquate Reiz zur Adaptation von Sehnengewebe hohe mechanische und insbesondere exzentrische Kraftbelastungen sind, die, chronisch und periodisiert verabreicht, sowohl qualitative (Sehnensteifigkeit) als auch quantitative Verbesserungen (Sehnenquerschnitt) bewirken können

(Arampatzis 2009; Douglas et al. 2017). Optimal adaptierte Sehnen können dabei das Verletzungsrisiko senken sowie die Leistungsfähigkeit durch eine Verbesserung der myofaszialen Kraftübertragung steigern. Exzentrische Kraftstimuli werden darüber hinaus erfolgreich in der Rehabilitation von chronisch schmerzhaften und degenerativen Sehnenerkrankungen (z. B. Achillo- oder Patella-Tendinopathien) eingesetzt. Beispiel: Heel-Drops (3 × 15 Wdh.): Stehe mit den  Fußballen auf einem erhöhten Untergrund (z. B. Treppenstufe). Lasse die Ferse langsam und so weit wie möglich (ggf. einbeinig oder mit Zusat­ zgewichten) exzentrisch nach unten gleiten. Das Aufrichten kann bzw. sollte zunächst am Treppengeländer mit Gewichtsentlastung erfolgen.

211 Krafttraining

4.2.9

Postactivation Potentiation (PAP) und Komplextraining

In vielen Sportarten wird versucht, den koordinativen Transfer von Kraftfähigkeiten in hohe Bewegungsgeschwindigkeiten möglichst zeitnah durch die unmittelbare Kopplung von Krafttrainingsreizen und spezifischen Schnellkraftübungen aus der jeweiligen Sportart zu optimieren. Diese Vorgehensweise wird auch

4

als Komplextraining bezeichnet (Ebben 2002; Baker und Newton 2005; Robbins 2005). Die dahinter stehende Theorie besagt auch, dass eine muskuläre Voraktivierung (z.  B.  Kniebeuge mit hoher Zusatzlast und wenigen Wiederholungen) mit einem zeitlich begrenzten Nachwirkungseffekt im Sinne einer Kraftsteigerung (Postactivation Potentiation, PAP) einhergeht (z. B. Verbesserung der Vertikalsprungleistung).

Exkurs: P  ostactivation Potentiation (PAP) Die kurzfristige Steigerung der Sprungkraft durch vorausgehende Kraftinterventionen konnte vielfach experimentell belegt werden (Young et al. 1998; Baker 2003). Der Effekt basiert auf molekularer Ebene auf einer optimierten Aktin-Myosin-Interaktion, einer verbesserten Erregbarkeit und Rekrutierung der schnellen Muskelfasern und insgesamt auf einem verbesserten neuromuskulären Signaltransfer (Güllich und Schmidtbleicher 1996; Sale 2002; Tillin und Bishop 2009).

4.2.10

Exzentrisches Krafttraining und Muskeldestruktion

Beim exzentrisch akzentuierten Krafttraining wird der Widerstand in der nachgebenden Phase der Bewegung gegenüber der konzentrischen Phase erhöht. Ein derartiges Training steigert die muskelmechanische Beanspruchung, ohne zusätzlich das Herz-Kreislauf-­System zu belasten. Die Folge ist eine vermehrte Muskeldestruktion, basierend auf Mikrotraumata im Bereich der Sarkomere (Proske und Morgan 2001). Ursächlich hierfür ist die Tatsache, dass die Muskelfasern entgegen der haltenden Kontraktionskraft in die Länge gezogen werden. Als Sekundärfolge treten Entzündungsreaktionen, Muskelschmerz oder Muskelkater auf (Delayed Onset of Muscle Soreness, DOMS; Aoi et al. 2004; Ascensao et al. 2008; Raeder et al. 2016). Diese scheinbar negativen Effekte sind aus Sicht der Kraftadaptation durchaus positiv zu

Hinsichtlich der Komplexintervention der oberen Extremität ist die Datenlage allerdings weniger eindeutig als bei der unteren Extremität. Offenbar scheint der PAP-Effekt bei koordinativ anspruchsvollen Techniken (z. B. dem Tennisaufschlag) nur bedingt geeignet zu sein, da möglicherweise koordinativ störende Einflüsse entstehen (Ferrauti und Bastiaens 2007). Keinesfalls darf die Voraktivierung bereits so umfangreich sein, dass sich PAP und Ermüdung überlagern.

beurteilen. Eine der wesentlichen Theorien zur Erklärung von krafttrainingsinduzierten Anpassungen des Skelettmuskels ist die Muskeldestruktionstheorie. Diese besagt, dass nach vorausgegangener Schädigung und nach Abschluss der Entzündungsreaktionen die Fusion von embryonalen Muskelzellen (Satellitenzellen) mit der Muskelfaser während der Reparaturvorgänge bessere Voraussetzungen für eine Muskelhypertrophie schafft (Peake et al. 2005; Spiering et al. 2008). In der Praxis kann das exzentrische Krafttraining am leichtesten beim Training an gängigen Krafttrainingsmaschinen eingesetzt werden. Obwohl einige Gerätehersteller bereits auf den Trend reagiert haben und die Programmierung einer elektronisch voreingestellten exzentrischen Zusatzlast anbieten, bedarf es nicht unbedingt derartiger technischer Hilfsmittel. Viel einfacher ist beispielsweise die Kombination von beidarmiger oder

212

C. Raeder et al.

1000

MS

10

*

DS 800

DS 8

EO

PJ

DOMS (cm)

CK (U × L–1)

4

400

200

a

0

EO FW

FW 600

MS

6

PJ

4

2

prä

post 24

post 48

b

0

post 24

post 48

..      Abb. 4.13  Auswirkungen verschiedener Ausführungen einer Trainingseinheit „Kniebeuge“ auf a die Kreatinkinasekonzentration (CK) und b die Entstehung von Muskelkater (DOMS) 24 (post 24) und 48 Stunden (post 48) nach dem Training (Raeder et al.

2016, S. 961). Alle Protokolle unterscheiden sich signifikant vom Ruhewert (Prä). MS = Multiple Sets; DS = Drop Sets; EO = Eccentric Overload; FW = Flywheel YoYo Squat; PJ = Plyometric Jump (7 https://doi. org/10.1007/000-04y)

beidbeiniger konzentrischer mit einarmiger bzw. einbeiniger exzentrischer Bewegungsphase (z.  B. an der Beinpresse oder Leg-­ Extension-­Maschine). Im Freihanteltraining sind exzentrische Overload-Belastungen nur durch Partnerunterstützung zu realisieren und führen dort zur stärksten Muskeldestruktion gemessen an der CK-Konzentration und dem Muskelkater (. Abb.  4.13; Raeder et al. 2016). Interessante Möglichkeiten für ein exzentrisches Krafttraining bieten auch spezielle Seilzuggeräte an (z. B. Versa-Pulley und Flywheel). Diese generieren die exzentrische Mehrbelastung dadurch, dass der Seilzug während der konzentrischen Phase beim Abwickeln ein Schwungrad antreibt, welches diese Energie zur potenzierten Aufwicklung des Seilzugs nutzt (Yo-Yo-Effekt), sodass der Trainierende mit höherer Kraft in die exzentrische Phase gezogen wird (. Abb. 4.14).

..      Abb. 4.14  Exzentrisch akzentuierte Kniebeuge mittels des Flywheels. Eigene Untersuchungen belegen die enorme metabolische Beanspruchung eines solchen Trainings (Raeder et al. 2016) (7 https:// doi.org/10.1007/000-04x)





4

213 Krafttraining

4.2.11

Energiebereitstellung beim wird durch die ATPase-Reaktionen (ca. 70 %) sowie die energieabhängigen Ca2+-ATPasen Krafttraining

Jede Kraftentwicklung erfordert die permanente Bereitstellung von Energie in Form von ATP (Adenosintriphosphat), welche innerhalb des Querbrückenzyklus bei der Interaktion zwischen Aktin und Myosin durch hydrolytische Spaltung von ATP in ADP und Pi freigesetzt wird. Diese Reaktion wird durch ein Enzym, die myofibrilläre MHC-ATPase, im aktiven Zentrum des Myosinkopfes katalysiert. Die Gesamtmenge des ATP-Bedarfs

(Rücktransport von Kalziumionen ins sarkoplasmatische Retikulum) und Na+-K+-ATPasen (Wiederherstellung des Membranpotentials) bestimmt (ca. 30 %). Da der intramuskuläre ATP-Vorrat begrenzt ist, muss ATP kontinuierlich resynthetisiert werden. Diesbezüglich stehen dem Organismus verschiedene Mechanismen der Energiebereitstellung mit unterschiedlicher ATP-Produktionskapazität und Energieflussrate (maximale ATP-Bildung pro Zeiteinheit) zur Verfügung (7 Abschn. 7.2.1).  

Exkurs: Besonderheiten der Energiebereitstellung beim Krafttraining Die energiereichen Phosphate ATP und Kreatinphosphat (KP; anaerob-alaktazider Stoffwechsel) ermöglichen eine hohe Energieflussrate und sind vornehmlich bei kurzzeitig hochintensiven Krafteinsätzen wie beim Maximal- und Schnellkrafttraining mit Anspannungszeiten unterhalb von 10 s von Bedeutung (Stone et al. 2007). Bei erschöpfenden Krafteinsätzen mit submaximaler Intensität und mehreren Sätzen wie beim Hypertrophietraining ermöglicht primär die anaerob-laktazide Glykolyse die Aufrechterhaltung der Kontraktionsintensität bei gleichzeitiger Akkumulation von Blutlaktat sowie intrazellulärem H+-Ionenanstiegs und pH-Abfall (Haff und Triplett 2016).

4.2.12

 kklusion und Hypoxie im O Krafttraining

Das Okklusionstraining (besser: Blood Flow Reduction bzw. Modulation Training) wird aktuell als eine neue Methode im Kraft- und Ausdauertraining diskutiert. Im Krafttraining soll hierdurch die Muskelhypertrophie positiv beeinflusst werden. Hierzu wird die Blut- und Sauerstoffzufuhr in die trainierenden Extremitäten gezielt durch Manschetten

Die physiologischen Ursachen für das finale Muskelversagen sind wie folgt: Ein Anstieg von Pi und die Abnahme von ATP behindern Ca2+-Freisetzung und -Wiederaufnahme aus dem sarkoplasmatischen Retikulum (SR). Des Weiteren verursachen die Anstiege der H+- und Pi-Konzentrationen eine Abnahme der Ca2+-Sensitivität der kontraktilen Proteine (Troponin C) und beeinträchtigen die kontraktile Kraftentfaltung im Querbrückenzyklus. Schließlich führen Veränderungen der intra- und extrazellulären Ionenkonzentrationen zu Störungen in der Auslösung von Aktionspotentialen am Sarkolemm bzw. in den T-Tubuli der Muskelfasern (Allen et al. 2008; Fitts 2008; Ament und Verkerke 2009; MacLaren und Morton 2012; MacDougall und Sale 2014).

oder Gummibänder reduziert. Das Okklusionstraining ist aufgrund seines japanischen Erstbeschreibers in der Praxis auch unter dem Begriff Kaatsu-Training bekannt. Der zugrunde liegende Wirkungsmechanismus besteht darin, dass die metabolische Auslastung der Muskelzelle durch eine Verschlechterung der Sauerstoffzufuhr, ähnlich einem Training unter Hypoxiebedingungen, gesteigert wird. Durch den Blutrückstau können zusätzliche Stoffwechselzwischenprodukte

214

akkumulieren und die lokale Wirksamkeit der Wachstumshormone verbessert werden. Möglicherweise wird auch das aktivierte Faserspektrum zugunsten der schnellen Muskelfasern moduliert (Loenneke und Pujol 2009; Bagley et al. 2015). Wie in vielen anderen Bereichen innovativer Trainingsinterventionen verlangt auch diese theoretisch plausible Methode zunächst eine umfangreiche Prüfung ihrer Wirkungsevidenz unter realen Trainingsbedingungen in der Praxis. So konnte gezeigt werden, dass Okklusion bei sehr moderater Trainingsintensität (20  % 1RM) tatsächlich die beschriebenen Effekte gegenüber einem identischen Training ohne Intervention bewirkte. Andererseits fielen die intramuskulären Reaktionen bei Anwendung des klassischen Hypertrophietrainings mit höheren Lasten (65 % 1RM) ohne Okklusion signifikant höher aus (Suga et al. 2009). Möglicherweise bewirkt eine Steigerung der internen metabolischen Beanspruchung (Internal Load) gleichzeitig eine notwendige Reduktion der externen Belastung (External Load), sodass ein Nettogewinn an Hypertrophiewirkung ausbleibt. Zukünftige Studien werden zeigen, ob ein Okklusionstraining tatsächlich trotz geringerer Last in einer kürzeren Zeit eine ähnlich hohe oder gar höhere Anpassung von Hyper-

Hypertrophie myofibrillen,Bindegewebe, Sarkoplasma

trophie und Maximalkraft bewirken kann. Bei Untrainierten sowie in der Rehabilitation nach Sportverletzungen erscheint es aufgrund der schonenden Wirkung auf den Bewegungsapparat am ehesten attraktiv zu sein. 4.3

Anpassungseffekte durch Krafttraining

Regelmäßiges Krafttraining bewirkt Anpassungsprozesse auf neuronaler und morphologisch-muskulärer Ebene, die sich in einer Erhöhung der Maximalkraft (Muskelquerschnitt, neuronale Aktivierungsfähigkeit, intramuskuläre Koordination), der Schnellkraft (Kraftbildungsgeschwindigkeit, reaktive Spannungsfähigkeit, Muskel- und Sehnenelastizität), der Kraftausdauer (Kapazität der energiebereitstellenden Systeme) sowie komplexer kraftbzw. schnellkraftabhängiger Bewegungsabläufe (verbesserte intermuskuläre Koordination) manifestieren (Schmidtbleicher 2003; Folland und Williams 2007). Morphologische Adaptationen werden durch drei Wirkungsmechanismen ausgelöst, die jeweils über hormonelle Veränderungen und durch die Bereitstellung von zusätzlichem genetischem Material (Satellitenzellaktivierung) zur Hypertrophie von Myofibrillen, kollagenen Bindegewebsstrukturen und Sarkoplasma, zu

Faserspektrum Linkstransformation

Hyperplasie Fusion Satellitenzellen

Proteinbiosynthese Aminosäureverfügbarkeit

mechanische Spannung (Mechanical Tension)

Mikroschädigungen (Muscle Damage)

metabolische Beanspruchung (Metabolic Stress)

neuronale Adaptationen intramuskuläre Koordination (Rekrutierung und Frequenzcodierung) intermuskuläre Koordination (Agonisten- & Synergistenaktivierung, Antagonistendeaktivierung)

Endokrinologische, auto- und parakrinologische Effekte (u. a. GH, IGF-1, Insulin, Testosteron, MGF, IL-6)

..      Abb. 4.15 Übersicht zu Wirkungsmechanismen und Effekten beim Krafttraining

Satellitenzellaktivierung

4

C. Raeder et al.

215 Krafttraining

4.3.1

..      Abb. 4.16  Neuronale (hier: Rekrutierung) und morphologische Adaptationen (hier: Muskelfaserhypertrophie) im Zeitverlauf eines mehrwöchigen Krafttrainings

Veränderungen des Muskelfaserspektrums und im Extremfall zur Muskelfaserneubildung aus Satellitenzellen führen (. Abb. 4.15). Neuronale Adaptationen gehen der Muskelfaserhypertrophie voraus (. Abb. 4.16).  



Neuronale Adaptationen

Die Zunahme von Maximal- und Schnellkraftleistungen in der frühen Trainingsphase nach Beginn eines systematischen Krafttrainings wird primär durch neuronale Adaptationen bestimmt (Aagaard 2003). Diese beinhalten Lerneffekte im Sinne einer verbesserten intermuskulären Koordination (z. B. vermehrte Aktivierung von Agonisten und Synergisten und reduzierte Koaktivierung der Antagonisten) und intramuskulären Koordination (Rekrutierung und Frequenzierung aller für die spezifische Bewegungsaufgabe benötigten motorischen Einheiten; . Abb. 4.16). Additiv führen diese neuronalen Adaptationen auch ohne morphologische Veränderungen des Muskels bereits zu einer verbesserten Kraftentwicklung (Sale 2013).  

Exkurs: Neuronale Adaptationen steigern die Kraft 1. Agonisten-Aktivierung: Trainingsstudien zeigen, dass die myoelektrische Aktivität (via EMG-Messungen) des Agonisten in den ersten 3–4 Wochen eines Krafttrainings ansteigt. Dies wird auf eine erhöhte Rekrutierung speziell höherschwelliger motorischer Einheiten zurückgeführt (Gabriel et al. 2006; Folland und Williams 2007; Sale 2013). Da bei etwa 80–95 % des Kraftmaximums meist die Rekrutierungsgrenze erreicht ist, kann eine weitere Agonistenaktivierung nur über den Grad der Erregungsfrequenz moduliert werden (MacDougall und Sale 2014; Toigo 2015). Speziell explosive Krafteinsätze sowie exzentrisches Training steigern die Entladungsfrequenz der Motoneurone (Aagaard et al. 2002; Sale 2013; MacDougall und Sale 2014). 2. Synergisten-Aktivierung: Eine angemessene Aktivierung und Koordinierung aller an der motorischen Aufgabe beteiligten Synergisten können die Kraftentfaltung erhöhen (Sale 2013). Synergistisch wirkende Muskeln liegen dabei nicht primär in der Kraftwirkungslinie und erfüllen daher größtenteils Hilfs- und Stabilitätsfunktionen, d. h. sie liefern entsprechend geringere Kraftmomente innerhalb

4

eines bestimmten Bewegungsablaufs und unterstützen somit die Arbeit des Agonisten (Gottlob 2013). 3. Antagonisten-Deaktivierung: Eine erhöhte Koaktivierung antagonistischer Muskeln geht mit einer verbesserten Gelenkstabilität (z. B. bei ungewohnten und komplexen Übungen wie der Tiefkniebeuge) einher und ist insbesondere bei erhöhten Stabilitätsanforderungen verstärkt ausgeprägt (Aagaard 2011; Sale 2013). Allerdings verringert die Antagonistenaktivität aufgrund der reziproken Hemmung die Netto-Kraftentfaltung des Agonisten (Folland und Williams 2007). Somit steht das Zentralnervensystem im Rahmen komplexer Bewegungsaufgaben vor einem regulativen Dilemma zwischen erhöhter Kraftproduktion und erhöhter Gelenkstabilität. Durch Verbesserung der intermuskulären Koordination nimmt die als Schutzreflex zu verstehende Antagonistenaktivität im Trainingsverlauf ab. Folglich weisen trainierte Kraftsportler eine geringere Koaktivierung des Antagonisten im Vergleich zu Untrainierten auf (Folland und Williams 2007).

4

216

C. Raeder et al.

4.3.2

Muskelfaserhypertrophie

Die Muskelfaserhypertrophie ist primär das Resultat einer Zunahme der Proteinbiosynthese, einer Abnahme oder Hemmung der Proteindegradation (Atrophie) oder einer Kombination aus beiden Prozessen. Nach einem intensiven Krafttraining ist üblicherweise die Proteinsynthese temporär erhöht. Übersteigt diese die Degradation, so ist die Nettobilanz der Proteinsynthese positiv und die Muskelfaser hypertrophiert (Toigo 2006b; Fleck und Kraemer 2014). Die Muskelfaserhypertrophie basiert primär auf einer Zunahme von Größe und Anzahl der Myofibrillen durch Einlagerung von Aktin-, Myosin- und Titinfilamenten. Dieser Prozess wird als myofibrilläre bzw. sarkomere Hypertrophie bezeichnet und nimmt längere Zeit in Anspruch. Erste Veränderungen ergeben sich gewöhnlich erst nach etwa 4–5 Wochen (ca.  15–18 Trainingseinheiten) eines intensiven Krafttrainings (Ehlenz et  al. 2003). Eine Querschnittszunahme der Muskelfaser geht auch mit einer proportionalen Vergrößerung des zytoskelettalen Gerüsts sowie der extrazellulären Matrix einher (sarkoplasmatische Faserhypertrophie), wodurch die Kraftübertragungsfähigkeit der Faser gesichert wird (. Abb.  4.16; Schoenfeld 2010; MacDougall und Sale 2014). Jede Muskelfaser (Muskelzelle) verfügt im Gegensatz zu den übrigen Körperzellen über zahlreiche Zellkerne. Der Begriff der myonukleären Domäne bezeichnet innerhalb der Muskelfaser das Volumen (die Querschnittsfläche) der Faser in Relation zur Anzahl der Zellkerne. Folglich führt eine Muskelfaserhypertrophie ohne Änderung der Anzahl der Zellkerne zu einer vergrößerten myonukleären Domäne (Toigo 2015). Erreicht die myonukleäre Domäne ein oberes Limit, kann eine weitere Faserhypertrophie nur durch die Fusion mit neuen Zellkernen erfolgen (. Abb. 4.17). Hierzu dienen die außerhalb  





Stress ruhende Muskelfaser

Selbsterneuerung

gestresste Muskelfaser

Satellitenzellaktivierung

Fusion zur Bildung Fusion in Ersetzen der neuer FaserMuskelfaser Myonuklei Myonuklei

Satellitenzellen Muskelfaser

Muskelhyperplasie

Muskelhypertrophie

Muskelreparatur

..      Abb. 4.17  Mechanisch-induzierte Satellitenzellaktivierung im Skelettmuskel (Liu et al. 2007)

der Zelle zwischen der Basalmembran und dem Sarkolemm eingebetteten Satellitenzellen (Petrella et  al. 2008; Toigo 2015). Krafttraining bewirkt die Proliferation (Vermehrung) der Satellitenzellen und deren Verschmelzung mit der Muskelfaser. Hierdurch wird die myonukleäre Domäne dem höheren Querschnitt der Faser angepasst und die transkriptionelle Kapazität der Faser (Proteinbiosynthese) aufrechterhalten. Folglich sind für initiale Hypertrophieeffekte keine Satellitenzellen erforderlich, jedoch für die langfristige Aufrechterhaltung der Hypertrophie (Baar und Wackerhage 2014; Toigo 2015). Die Satellitenzellen ermöglichen bei Strukturschädigungen auch die Reparatur nekrotischer Fasern (Remodellierung). Fusionieren differenzierte Satellitenzellen miteinander, können potentiell sogar neue Muskelfasern entstehen (Hyperplasie), wohingegen die Integration in bereits vorhandene Fasern zur Hypertrophie beiträgt (. Abb. 4.15 und 4.17; Liu et al. 2007; Petrella et al. 2008). Man unterscheidet zwischen radialer und longitudinaler Faserhypertrophie. Bei der radialen Hypertrophie werden die im Rahmen der Proteinbiosynthese (. Abb.  2.26) neu synthetisierten Proteine bzw. Sarkomere bei gleichbleibender Faserlänge radial bzw. parallel zueinander eingebaut mit entspre 



217 Krafttraining

chender Dickenzunahme der Muskelfaser. Demgegenüber werden bei der longitudinalen Hypertrophie die Sarkomere der Länge nach bzw. in Serie eingebaut. Hierdurch nimmt die Länge der Myofibrille bzw. der Muskelfaser zu, die Länge des einzelnen Sarkomers jedoch ab. Dabei begünstigt die radiale Hypertrophie die Zunahme der maximalen Muskelkontraktionskraft, während die longitudinale Hypertrophie die Erhöhung der maximalen Verkürzungsgeschwindigkeit bzw. Muskelkontraktilität positiv beeinflusst. Im Allgemeinen ist der Großteil der Muskelfaserhypertrophie auf einen parallelen Einbau der zusätzlich synthetisierten Sarkomere bis hin zum myofibrillären Splitting zurückzuführen (Toigo 2006a, 2015; Schoenfeld 2010, 2016). Grundsätzlich kann die Muskelfaserhypertrophie auf drei übergeordnete Mechanismen bzw. Stimuli zurückgeführt werden (. Abb. 4.15; Schoenfeld 2010, 2016): 55 mechanische Spannung (Mechanical Tension) 55 Mikroschädigungen des Skelettmuskels (Muscle Damage) 55 metabolische Beanspruchung (Metabolic Stress)  

Exkurs: Myofibrilläres Splitting Innerhalb der Myofibrillen nimmt zunächst die Packungsdichte kontraktiler Filamente bis zu einer kritischen Größe zu, bevor es anschließend zu einem „myofibrillären Splitting“ kommt, d. h. die Myofibrille teilt sich in zwei „Tochtermyofibrillen“ auf und erhöht deren Anzahl in der Muskelfaser (MacDougall und Sale 2014). Es wird vermutet, dass eine kritische Größenzunahme der Myofibrille ungünstige diagonale „Scherkräfte“ der peripheren Aktinfilamente an den Z-Scheiben verursacht. Dies kann bei repetitiven Kontraktionen eine Ruptur der Z-Scheiben bewirken, bis schließlich die komplette Myofibrille der Länge nach geteilt wird (Folland und Williams 2007).

4

Exkurs: S  arkoplasmatische Faserhypertrophie Der Muskelquerschnitt wird zusätzlich durch eine Zunahme der Zellflüssigkeit sowie von nichtkontraktilen Zellorganellen erhöht (z. B. kollagene Strukturelemente, Bestandteile des Zytoskeletts, Muskelglykogen). Dies bezeichnet man als sarkoplasmatische Hypertrophie, welche im Kontrast zur myofibrillären Hypertrophie nicht zu einem Anstieg der Muskelkraft führt. Kraftausdauertraining mit hoher Wiederholungszahl und stärkerer Einbindung der anaeroben Glykolyse bewirkt nachfolgend eine vermehrte Glykogeneinlagerung und dadurch eine sarkoplasmatische Hypertrophie (Glykogen bindet Wasser; MacDougall und Sale 2014; Schoenfeld 2016).

Exkurs: M  uscle Memory Nach aktueller Literatur verfügt die Muskelzelle über ein „Erinnerungsvermögen“ hinsichtlich des Muskelfaserquerschnitts und der myonukleären Domäne. Folglich gelingt es ehemals gut trainierten Kraftsportlern nach vorübergehender Athrophie (z. B. nach Verletzungen) rascher, den Wiederaufbau der Skelettmuskelmasse herzustellen. Zellbiologische Erklärungsgrundlage hierfür ist die dauerhafte Verfügbarkeit der aktiven, während der bisherigen Trainingsbiografie aus Satellitenzellen entstandenen Zellkernmasse. Diese bleibt bis zu 15 Jahre erhalten und erklärt, wieso die Wiederherstellung der mononukleären Domäne auf den ursprünglich hypertrophierten Zustand schneller erfolgt (Gundersen 2016).

Mechanische Spannung (Mechanical Tension) als Ursache für Hypertrophie  Die durch

Kontraktion oder Dehnung erzeugte mechanische Spannung im Skelettmuskel wird als der wichtigste Auslöser der Faserhypertrophie angesehen (Schoenfeld 2016). Überschwellige mechanische Spannungsreize initiieren zelluläre und molekulare Signalkaskaden bis hin zur Stimulation der Proteinbiosynthese. Der zugrunde liegende Prozess wird als Mechanotransduktion bezeichnet (Gonzalez et  al.

218

4

C. Raeder et al.

2016). Die Sensoren für mechanische Reize sind unter anderem dehnungsabhängige Ca2+-Ionenkanäle und verschiedene membrangebundene Mechanosensoren (z. B. Integrine; s. u.  a. Hornberger 2011; Philp et  al. 2011). Diese reagieren auf Größe und Dauer der mechanischen Belastung. Da die größte mechanische Spannung innerhalb exzentrischer Kontraktionen entfaltet werden kann, ist dies ein verstärkter Auslösemechanismus (Schoenfeld 2010, 2016). Mikroschädigungen (Muscle Damage) als Ursache für Hypertrophie  Als zweite Ursache

für die Auslösung der Hypertrophie gelten

trainingsinduzierte Strukturschädigungen (Mikrotraumata) des Muskelgewebes (Schoenfeld 2010). Deren Ausmaß ist maßgeblich von Belastungsintensität und -dauer, Trainingsmethode sowie Trainingszustand des Athleten abhängig. Speziell intensive exzentrische Belastungsreize verursachen Mikrotraumata. Diese finden sich vorwiegend in Typ-II-Fasern. Strukturelle Mikroschädigungen werden vor allem auch bei ungewohnten Bewegungen und somit bei Untrainierten bzw. Anfängern ausgelöst. Man findet sie nur noch in geringeren Ausmaß bei trainierten Kraftsportlern (Ide 2012; Schoenfeld 2016).

Exkurs: Muskeldestruktion und exzentrische Belastung Bei exzentrischer Arbeit steigt die mechanische Spannung der beteiligten Muskelfasern mit zunehmender Dehnung an. Es entstehen hohe Zugkräfte auf die zytoskelettale Matrix insbesondere im Bereich der Z-Scheiben (Enoka 1996; Byrne et al. 2004; Thiebaud 2012; Schoenfeld 2016). Auf die in Serie hintereinander geschalteten Sarkomere wirken unterschiedlich hohe Kräfte ein, da sich die Sarkomere an verschiedenen Bereichen ihrer Kraft-Längen-­Relation befinden (Toigo 2015). Sarkomere mit geringer Filamentüberlappung werden stärker belastet. Die Ausbreitung von Scherkräften innerhalb der Myofibrille führt zunächst zu Mikroeinrissen im Bereich der

Mikrotraumata führen zu einer Entzündungsreaktion, bei welcher neutrophile Granulozyten und Makrophagen in den Bereich der Gewebeschädigung infiltrieren. Dabei werden Entzündungsmediatoren (u.  a. Zytokine) und Wachstumsfaktoren (u.  a. MGF, IGF-1, HGF) ausgeschüttet. Diese führen unter anderem zur Aktivierung der Satellitenzellen (. Abb.  4.17), die mit der beschädigten Muskelfaser fusionieren und somit entscheidend zur Muskelregeneration  

Z-Scheiben (Morgan und Proske 2004; Proske und Allen 2005). Diese können sich sowohl longitudinal auf angrenzende Sarkomere als auch transversal auf anliegende Myofibrillen ausbreiten (Toigo 2015). Starke mechanische Belastungen gehen auch mit einer Öffnung dehnungsabhängiger Ionenkanäle einher, welche neben der Membrandestruktion zu einem Verlust der Ca2+-Homöostase und folglich zu Funktionseinbußen führen. Das Muskelenzym Kreatinkinase (CK) strömt vermehrt aus und wird im Serum mit signifikant erhöhter Konzentration messbar (Proske und Allen 2005; Schoenfeld 2010, 2016; Thiebaud 2012).

beitragen (Toigo 2006b, 2015; Liu et  al. 2007; Shortreed et al. 2008). Des Weiteren kommt es zur zu einer verstärkten Ödembildung und Schwellung am Ort der Gewebeschädigung, die mit erhöhtem Schmerzempfinden (Muskelkater bzw. Muscle Soreness) assoziiert ist (Toigo 2015). Metabolische Beanspruchung (Metabolic Stress) als Ursache für Hypertrophie  Die me-

tabolische Beanspruchung beim Krafttraining

4

219 Krafttraining

bewirkt über biochemische und hydrostatische Veränderungen eine Muskelhypertrophie. Der Primärreiz zur Auslösung von Hypertrophie basiert auf der Akkumulation von anaeroben Metaboliten (Laktat, H+-Ionen und anorganisches Phosphat). Hierbei ist vor allem die Anhäufung von H+-Ionen und der Abfall des pH-Werts in der Muskelzelle relevant. Chemosensitive Muskelafferenzen aus der Peripherie registrieren diese Veränderungen und verursachen im Hy-

pothalamus die Sezernierung von GH und in der Peripherie die Ausschüttung von Wachstumshormonen wie IGF-1 (aus der Leber) und Testosteron (aus den Gonaden) ins Blut (Schoenfeld 2013a). In der Summe führen diese peripheren hormonellen Veränderungen zusammen mit den lokal in der Muskelzelle produzierten Myokinen zur Auslösung anaboler Signalkaskaden und zur Aktivierung von Satellitenzellen und Proteinbiosynthese (Schoenfeld 2013a, b).

Exkurs: Myokine, die Signalstoffe des Muskels Als Myokine werden vom Muskel selbst produzierte hormonähnliche Signalstoffe bezeichnet, die ihre Wirkung direkt vor Ort entfalten (autokrine bzw. parakrine Wirkung). Zu den wichtigsten anabol wirksamen Myokinen zählen das MGF sowie das zu den Zytokinen gehörende IL-6 (Laube 2013; Schoenfeld 2016). Es wird vermutet, dass eine hohe metabolische Beanspruchung zu Hypertrophieeffekten beitragen kann, indem die Ausschüttung anabol wirkender Myokine (u. a.

Im Rahmen von erschöpfender submaximaler Muskelarbeit bewirkt die andauernde kapillare Kompression zusätzlich eine Flüssigkeitsanreicherung im Interstitium, welche einen extrazellulären Druckgradienten erzeugt, der in der Folge zu einer temporären Zunahme der Zellflüssigkeit und damit zur zellulären Anschwellung führt (Schoenfeld und Contreras 2014). Die Zellschwellung und der dadurch veränderte hydrostatische Druck werden über Volumensensoren registriert und gehen mit einem Anstieg der Proteinbiosynthese und einem Rückgang der Proteindegradation einher (Haussinger 1996; Lang et al. 1998; Schoenfeld 2016). Dieser Effekt kann bei Supplementierung durch Kreatinmonohydrat und die dadurch bedingte zusätzliche Wassereinlagerung zusätzlich verstärkt werden. Außerdem scheint

MGF, IL-6) verstärkt und/oder die Freisetzung katabol wirkender Myokine (u. a. TNF-α, Myostatin, MST) gehemmt wird (Pedersen und Febbraio 2008; Laube 2013; Schoenfeld 2013b). Speziell IL-6 verfügt neben seiner anti-inflammatorischen Wirkung über bedeutsame regulatorische Funktionen in der Proliferation und Fusion von Satellitenzellen, wodurch die Faserhypertrophie begünstigt wird (Pedersen und Febbraio 2008; Serrano et al. 2008; Schoenfeld 2016).

die metabolisch induzierte Hyperhydratation an der Proliferation und Differenzierung von Satellitenzellen beteiligt zu sein (Schoenfeld 2016). mTOR als Schaltstelle zur Auslösung von Hypertrophie  Eine für die Muskelproteinsynthese be-

deutsame molekulare Schaltstelle bildet das Mechanistic Target of Rapamycin (mTOR) bzw. der intrazelluläre mTOR-Komplex (. Abb.  2.17). Eine Aktivierung von mTOR bewirkt nach weiteren „flussabwärts“ ablaufenden Phosphorylierungskaskaden regulatorischer Proteine eine Erhöhung der Proteinbiosynthese. Daher wird mTOR auch treffenderweise als molekulare Schaltzentrale der zellulären Wachstumsregulation (Master Growth Regulator) bezeichnet. Die Stimulation von mTOR kann dabei über ver 

220

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C. Raeder et al.

schiedene Auslösemechanismen (Mechanical Tension, Muscle Damage, Metabolic Stress) und die folgenden Signalwege erfolgen (Wackerhage und Ratkevicius 2008): 1. Auf hormonellem Weg durch die Ausschüttung von GH (Somatotropin), IGF-1, Insulin, freiem Testosteron: Diese Hormone weisen nach einem erschöpfenden Krafttraining einen vorübergehenden Konzentrationsanstieg im Blut auf. 2. Auf auto- und parakrinologischem Weg (MGF, IL-6): MGF wird aufgrund seiner lokalen Wirksamkeit (autokrin bzw. parakrine) eine wichtigere Funktion zugeschrieben als dem von der Leber sezernierten und systemisch zirkulierenden IGF-1. 3. Durch Mechano- und Volumenrezeptoren: Dieser Prozess vollzieht sich im Rahmen der Mechanotransduktion durch spezifische membrangebundene Sensoren wie beispielsweise die Phospholipase D (PLD). Diese ist im Bereich der Z-Scheibe des Sarkomers verankert und folglich besonders mechanosensitiv. 4. Durch die Präsenz bestimmter essentieller Aminosäuren (insbesondere Leucin), die unabhängig von den übrigen Auslösemechanismen direkt mTOR aktivieren.

Andererseits wird mTOR im Rahmen von metabolisch intensiven Trainingsreizen (z.  B.  High-Intensity Intervall Training) durch die zunehmende intrazelluläre AMP-­ Konzentration und die damit einhergehende Aktivierung der AMP-Kinase (AMPK) gehemmt. Stark energieabhängige Prozesse wie die Proteinbiosynthese werden prinzipiell blockiert, wenn der Energieumsatz der Muskelzelle anderweitig sehr hoch ist. Intensives Kraftausdauertraining bis zum Muskelversagen ist demnach zur Ausprägung der Hypertrophie mitunter kontraproduktiv. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der mTOR-Komplex ein molekulares Signalübertragungssystem darstellt, welches den integrativen Einfluss von Wachstumsfaktoren (u.  a. IGF-1/MGF, Insulin), mechanischer Stimulation, Aminosäuren sowie zellulären Energiebedingungen verrechnet und entsprechend die Proteinbiosynthese reguliert (Wackerhage und Ratkevicius 2008; Baar und Wackerhage 2014). Speziell hohe, jedoch nicht vollends ermüdende Krafteinsätze in geringerer Dichte mit jedoch erhöhter Serienzahl, bei denen die mechanische Leistungsabgabe über die Sätze nahezu aufrechterhalten werden kann, sind folglich empfehlenswert (Schoenfeld 2016).

Praxistipp: Concurrent Training – ohne Nachteile für das Krafttraining möglich? Im Kontrast zu reinen Ausdauerdisziplinen (z. B. Marathonlauf ) und Kraftsportarten (z. B. olympisches Gewichtheben) fordern die meisten Sportarten einen Ausdauer- und Kraftanteil. Die synchrone Ausbildung von Kraft- und Ausdauerfähigkeiten innerhalb einer Trainingsperiode wird in der internationalen Fachliteratur als Concurrent Training bezeichnet (Murach und Bagley 2016). Dies gelingt im Freizeitsport aufgrund der größeren Adaptationsreserven leichter. Im Leistungssport hingegen ist die Koppelung beider Trainingsziele (z. B. in einer Trainingseinheit oder zumindest an einem Trainingstag) weitaus

problematischer. Ein Interferenzeffekt beider Trainingsinhalte kann auf zellulär-­molekularer Ebene die spezifische Trainingswirksamkeit stören. Bleiben gewisse Periodisierungsstrategien unberücksichtigt, können insbesondere Kraft- und Hypertrophie-Effekte durch gleichzeitiges Ausdauertraining gestört werden. In Anlehnung an Murach und Bagley (2016) und Baar und Wackerhaage (2014) können für die leistungssportliche Praxis folgende Empfehlungen ausgesprochen werden: 1. Hochintensive Ausdauereinheiten (HIIT) sollten weitgehend am Morgen durchführt

221 Krafttraining

werden mit einer anknüpfenden Regenerationsphase von mindestens drei (erhöhte AMPK-Aktivität im Blut nachweisbar) bis sechs Stunden, bevor ein Krafttraining im Rahmen einer zweiten Trainingseinheit absolviert wird. Zudem sollte auf eine adäquate Nährstoffzufuhr unmittelbar nach der HIIT-Einheit geachtet werden, da die AMPK speziell bei niedrigen Glykogenkonzentrationen im Muskel aktiviert wird. 2. Nach Krafttraining ist die zelluläre mTOR-Aktivität für mindestens 18 Stunden erhöht, sodass innerhalb dieses Zeitraumes keine zusätzlichen Trainingsstimuli verabreicht

4.4

Trainingsmethoden und Belastungsdosierung

Das Ziel eines systematischen Krafttrainings besteht in der Verbesserung einer oder mehrerer Kraftdimensionen (Maximalkraft, Schnellkraft, Kraftausdauer). Hierzu werden spezifische Trainingsmethoden empfohlen, die auf unterschiedlichen Belastungsnormativen beruhen (7 Kap. 2). Im Krafttraining werden primär folgende Belastungsnormative unterschieden (Tan 1999; Steinhöfer 2015): 55 Belastungsintensität (externe Last [kg], Auslastung der Maximalkraft [% 1 RM]) 55 Belastungsdauer (Zeitdauer eines Satzes [s]) 55 Belastungsumfang (Serien × Wiederholungen × Trainingslast) 55 Belastungsdichte (Pausenzeit zwischen Wiederholungen und Serien [s])  

Toigo (2006a) schlägt für das Krafttraining zusätzliche mechano-biologische Determinanten vor, wie beispielsweise die Kontraktionsart und den Bewegungsumfang (ROM; . Abb.  4.18b). Ferner postuliert er, dass der Trainingsstimulus erst auf der Basis einer individuell unterschiedli 

4

werden sollten, insbesondere keine intensiven Ausdauerreize. Ferner sollte unmittelbar nach dem Krafttraining und ggf. vorm Schlafengehen (vor allem wenn Krafttraining am Nachmittag durchgeführt wurde) leucinreiches Protein (z. B. BCAAs) supplementiert werden, um die muskuläre Proteinbiosynthese verstärkt zu stimulieren. 3. Moderates Ausdauertraining kann unmittelbar vor dem Krafttraining absolviert werden, ohne dabei die durch Krafttraining induzierten anabolen Signalkaskaden zu stören. Allerdings ist auch hier eine Glykogendepletion zu vermeiden.

chen Responsematrix (u.  a. das Erbgut) seine überaus spezifische Signaltransduktion mit nachfolgender Adaptation hervorruft. Das bedeutet, dass ein identisches Training bei verschiedenen Athleten zu unterschiedlichen Effekten führen kann (. Abb. 4.18a). Folglich dürfen die Belastungsnormative für definierte Trainingsmethoden lediglich als Groborientierung verstanden werden. Außerdem sei darauf hingewiesen, dass eine isolierte Trainingswirkung (z. B. ein ausschließliches Hypertrophietraining) nicht existiert. Vielmehr verfügt jede Trainingsbeanspruchung über ein komplexes Wirkungsspektrum auf verschiedene biologische Funktionsbereiche (u. a. neuronales System, muskuläres System, endokrines System, Energie bereitstellendes System etc.). Initiale Kraftsteigerungen gehen zunächst unabhängig von der gewählten Trainingsmethode mit Verbesserungen der intra- und intermuskulären Koordination einher. Langfristig können unterschiedliche Trainingsmethoden jedoch die Trainingswirkung in Richtung der gewünschten Kraftdimensionen akzentuieren (Ehlenz et al. 2003). Einen guten Überblick über die in der Praxis verwendeten Trainingsmethoden mit ihren  

222

..      Abb. 4.18  a Der Trainingsreiz (A) führt erst unter Modulation durch die individuelle Responsematrix zu spezifischen Signalen (C) mit nachfolgender Adaptation (D) und resultierenden Effekten (E). b Klassische und erweiterte mechano-biologische Deskriptoren im Krafttraining (nach Toigo 2006a)

a

A

e = f(x1...xi)

ei e5

Trainingsstimulus (e) Mechano-biologische Determinanten (x1...xi)

sI

e4

s II

C

sI...i = f(e, m, ...) Signaltransduktion(en) (sI...i)

s s IV si

e3 e2 e1

Responsmatrix (m)

B

m = f(G, Y, S, A, M, T, H, N, I, ...)

D

a = f(s)

Genotyp (G) Alter (Y) Geschlecht (S) Muskelarchitektur (A) Muskuläres Subsystem (M) Muskelanthropometrie (T) Hormonstatus (H) Nutritioneller Status (N) Immunologischer Status (I)

Adaptation (a)

E

z = f(a)

x 1 Höhe des Spannungswiderstands (z. B. in % des 1 RM) x 2 Anzahl Wiederholungen x 3 Anzahl Sätze x 4 Pause zwischen den Sätzen ((s) oder (min)) x 5 Anzahl Trainingseinheiten (pro (d) oder Woche) x 6 Dauer der Trainingsperiode ((d) oder Wochen) x 7 fraktionelle und temporale Verteilung der Kontraktionsarten pro Wiederholung und Dauer (s) einer Wiederholung x 8 Pause zwischen intermittierenden Wiederholungen ((s) oder (min)) x 9 Spannungsdauer ((s) oder (min)) x 10 Muskelerschöpfung x 11 Bewegungsumfang (Range of Motion (ROM)) x 12 Erholungszeit zwischen den Trainingseinheiten ((h) oder (d)) x 13 anatomische Definition der Übungsausführung (Trainingsqualität)

spezifischen Belastungscharakteristika und vornehmlichen Trainingswirkungen (unter Vernachlässigung der reaktiven Methoden) liefert . Abb.  4.19 (Steinhöfer 2015). Hierbei  

kompletter Satz von mechano-biologischen Deskriptoren

b

klassische Deskriptoren

Funktioneller und/oder klinischer Effekt (z)

neue Deskriptoren

4

C. Raeder et al.

wird für jede Trainingsmethode die relative Intensität (bezogen auf das 1RM), die empfohlene Anzahl an Wiederholungen pro Serie und die Ausführungsgeschwindigkeit angegeben.

4

223 Krafttraining

Exkurs: Velocity Based Training Das Velocity Based Training verspricht eine objektivere Kontrolle von Kraftleistung und Trainingsbelastung in Kraftdiagnostik und Krafttraining (Gonzales-Badillo und Sanchez-­Medina 2010). Durch die Messung der Bewegungsgeschwindigkeit wird neben Wiederholungszahl und Last (% 1 RM) eine wichtige zusätzliche Dimension der Kraftleistung berücksichtigt. Bei gleicher Last und Wiederholungszahl führt eine schnellere Bewegungsausführung zu einer höheren mechanischen Leistung (Power Output). Mittels Beschleunigungsaufnehmern im Smart Phone und entsprechenden Applikationen kann daher die Trainingsbelastung wesentlich genauer

4.4.1

Maximalkrafttraining

schiedliches trainingsmethodisches Vorgehen (Ehlenz et al. 2003).

Die Maximalkraft wird maßgeblich durch den Muskelquerschnitt (Vergrößerung durch Hypertrophietraining) und durch die neuronale Aktivierungsfähigkeit (Erhöhung durch intramuskuläres Koordinationstraining) bestimmt. Deren Ausprägung erfordert jeweils ein unter-

..      Abb. 4.19 Krafttrainingsmethoden in der Übersicht (in Steinhöfer 2015, S. 97, modifiziert nach Tidow und Wiemann 1994)

quantifiziert werden. Aufgrund der engen Beziehung zwischen % 1 RM und der Ausführungsgeschwindigkeit sind sowohl die indirekte Prognose des 1 RM als auch die Einschätzung der momentanen submaximalen Trainingsbelastung praxisnah möglich (Gonzales-Badillo und Sanchez-Medina 2010). Auch der Geschwindigkeitsverlust innerhalb eines Trainingssatzes gibt wichtige Auskünfte über den Ermüdungsverlauf. So spricht eine Verlangsamung der Bewegung um 50 % bei der Kniebeuge dafür, dass das Muskelversagen unmittelbar bevorsteht (Pareja-Blanco et al. 2017; Sanchez-Medina und Gonzales-Badillo 2011).

Hypertrophietraining  Zur Stimulation der Hypertrophie werden hohe mechanische Spannungsreize (60–90 % des 1 RM) in Kombination mit einer möglichst hohen Spannungsdauer (20–50  s) und einer intraseriell

100 % (1×) maximale Krafteinsätze

neuronale Aktivierung (klassisches Maximalkrafttraining/lK-Training) 90 % (3×)

submaximale Krafteinsätze (mittlere Kontraktionsgeschwindigkeit)

80 % (7×)

maximale 70 % Krafteinsätze (10×) (hohe Kontraktionsgeschwindigkeit) 60 % submaximale 60 % Krafteinsätze (Kontraktionsgeschwindigkeit je nach Trainingsziel) 30 %

90 % (3×) 80 % (7×)

Querschnittstraining (Hypertrophietraining)

70 % (10×)

Kontraktilitätstraining (Schnellkraft-, Explosivtraining) 60 % 60 %

Kraftausdauertraining

30 %

224

4

C. Raeder et al.

weitgehenden Ausschöpfung der energiereichen Phosphate sowie einer nachhaltigen Metabolitenakkumulation (u.  a. H+, Pi, ADP, AMP, Laktat) empfohlen. Hierzu besteht die Standardmethode aus einem Mehrsatztraining mit 3–5 Serien und 6–12 Wiederholungen und einer interseriellen Pausendauer von ca. 2–5 min. Die Serienpause ist auf die Resynthese von Kreatinphosphat ausgelegt, jedoch nicht auf eine vollkommene metabolische Erholung (Ehlenz et  al. 2003; Schmidtbleicher 2003; Harre 2008; MacDougall und Sale 2014). Neben der Standardmethode existieren weitere Methoden, die geringfügig abweichende Intensitäten und Ausführungsgeschwindigkeiten vorsehen (. Tab. 4.2).  

Exkurs: Trainingswirkungen Hypertrophiemethoden Die vornehmlichen Trainingswirkungen der Hypertrophietrainingsmethoden äußern sich in einer Muskelquerschnittserhöhung der langsamen Typ-I- und insbesondere schnellen Typ-II-Fasern, in einer Vergrößerung der Kreatinphosphat- und Glykogenspeicher sowie in einer Verbesserung des alaktaziden und laktaziden Stoffwechsels durch entsprechend angepasste Enzymaktivität.

Darüber hinaus gibt es spezielle Strategien bzw. Intensivierungstechniken, die eine totale Muskelerschöpfung im Rahmen des Hypertrophietrainings durch eine zusätzliche Steigerung der

..      Tab. 4.2  Klassische Hypertrophietrainingsmethoden in der Übersicht (mod. nach Ehlenz et al. 2003; Hohmann et al. 2003; Schmidtbleicher 2003; Steinhöfer 2015) Hypertrophietraining (allgemeine Belastungsnormative): Intensität: 60–90 % 1 RM; Wdh.: 6–20; Serien: 3–6; TUT = 20–50 s (bis zur lokalen Erschöpfung); Tempo = langsam–zügig; Pause: 2–5 min Methoden

Intensität

Wdh.

Serien

Tempo

Pause

Standardmethode I (konstante Lasten)

70–80 %

6–12

3–5

zügig

3–5 min

Standardmethode II (ansteigende Lasten, Pyramidenmethode)

60–70–80–85–90 % 70–80–90–80–70 %

15–12–10–7–4 12–10–5–8–10

ca. 5

zügig

3–5 min

extensive Bodybuilding-­Methode

60–70 %

12–20

3–5

langsam– zügig

2–3 min

intensive Bodybuilding-­Methode

80–90(95) %

5–8

(3)5–7

langsam– zügig

3–5 min

schnelligkeitsorientierte Maximalkraftmethode

40–60 %

15–25 (schnelle Bewegungsumkehr)

3–5

schnellst– möglich

3–5 min

isometrische Methode

90–100 %

3 Winkelstellungen je 3–4 × 4–12 s

2–5

o. A.

1–3 min

Intensität = % 1 RM; Wdh. = Wiederholungen pro Serie; Serien = Anzahl pro Trainingsübung; TUT = Time under Tension (Spannungsdauer); Tempo = Ausführung; Pause = interserielle Pause

225 Krafttraining

mechanischen und metabolischen Stimuli bewirken (Ehlenz et  al. 2003). Diese Methoden sind jedoch aufgrund ihrer Intensität eher Fortgeschrittenen vorbehalten und erfordern zumeist die Unterstützung durch einen Trainingspartner oder Coach (. Tab.  4.3). Exemplarisch sei das High-Intensity-­Krafttraining bzw. „hoch 

4

intensive Einsatztraining“ genannt. Die Ausbelastung im High-Intensity-Krafttraining wird dadurch erreicht, dass der Widerstand nach einer maximal möglichen Wiederholungszahl bis zum Muskelversagen ohne nennenswerte Erholungspause sofort und in mehreren Stufen kontinuierlich verringert wird (Drop-Sätze).

Praxistipp: High-Intensity-Krafttraining bis zum vollständigen Muskelversagen – ist das sinnvoll? Beim „Bankdrücken“ beispielsweise werden mit Partnerunterstützung nach dem Ablegen der Hantel in kürzester Zeit die äußeren Gewichtsscheiben entfernt, und der Trainierende setzt seine Arbeit so lange fort, bis keine Scheiben mehr aufliegen (Reduktionssätze oder Drop-Sets). In der letzten Phase beendet der Trainierende die Übung mit Liegestütz bis zum vollständigen Muskelversagen. Trainingsuntersuchungen belegen, dass durch ein derartiges Einsatztraining bei geringerem Trainingsvolumen und verkürzter Trainingsdauer ähnliche Effekte bei der Entwicklung der Maximalkraft möglich sind (Remmert et al. 2005, 2007).

In einigen Sportarten besitzt diese Ausbelastungsmethode an Stelle des Mehrsatztrainings den Vorteil, dass hierdurch Trainingszeit für andere wichtige Trainingsinhalte im Bereich von Technik und Taktik gewonnen werden

In der Sportpraxis wird daher oftmals ein Krafttraining bis zum Muskelversagen propagiert (speziell im Bodybuilding), wobei von einer erhöhten Rekrutierung motorischer Einheiten und einem stärkeren anabol-hormonellen Stimulus ausgegangen wird. Insbesondere für ein leistungssportliches Kollektiv sollte ein derartiges Training punktuell eingeplant werden (Davies et al. 2016). Trotz der hohen akuten metabolischen Anforderungen liegt der gesamtkalorische Umsatz deutlich unter jenem eines hochintensiven Ausdauertrainings, sodass hemmende AMKP-bedingte Effekte auf die mTOR-Aktivität (s. Concurrent Training, 7 Abschn. 4.3.2) nur bedingt zu befürchten sind.

kann. Ferner ist der energetisch und möglicherweise koordinativ störende Einfluss eines Mehrsatztrainings (z.  B. auf das „Ballgefühl“) abgeschwächt. In der Praxis eignen sich eher komplexe und mehrgelenkige Übungen wie

..      Tab. 4.3  Intensivierungstechniken mit Partnerunterstützung im Rahmen des Hypertrophietrainings (mod. nach Ehlenz et al. 2003; Hohmann et al. 2003) Bezeichnung

Ausführungsart

erzwungene Wiederholungen (Forced Reps)

bei Erschöpfung noch 2–3 Wdh. mit Partnerhilfe

gewichtsreduzierende Wdh. (Drop Sets bzw. „Einsatz-Training“)

sukzessive Lastreduzierung ohne Serienpause

„brennende“ Wiederholungen (Burns)

Fortsetzung bis zu unvollständiger Ausführung

gemogelte Wiederholungen (Cheatings)

Fortsetzung bis zu unsauberer Ausführung

Negativwiederholungen

Fortsetzung nur exzentrisch mit Partnerhilfe

Superserien (Doppel- bzw. Verbundserien)

zwei unmittelbar aufeinander folgende Serien mit verwandten Übungen (gleiche Muskelgruppen)

Vor- bzw. Nachermüdungsserien

nach einer mehrgelenkigen Übung (z. B. Klimmzüge) folgt eine eingelenkige (z. B. Bizeps-­Curl)

226

C. Raeder et al.

„Kniebeuge“ und „Bankdrücken“ (. Abb. 4.24 und  4.26). Durch die Fokussierung auf diese beiden Übungen kann das Basis-­Krafttraining nach der High-Intensity-­ Methode in nur 15 min abgeschlossen werden.  

4

Intramuskuläres Koordinationstraining Das intramuskuläre Koordinationstraining (IK-Training) verfolgt das Ziel, die Funktionalität des Skelettmuskels durch neuronale Aktivierungsprozesse zu steigern. Hierzu werden Belastungs-

bedingungen verwendet, die eine möglichst vollständige Rekrutierung und hohe Frequenzierung des Motoneuronenpools bewirken. Hierzu eignen sich Methoden der maximalen explosiven konzentrischen Krafteinsätze. Eine hohe Rekrutierung erfolgt hierbei durch den Einsatz einer hohen Trainingslast (ca. 85–90 % der Maximalkraft) und einen steilen initialen Kraftanstieg. Dies verbessert nicht nur die Maximalkraft, sondern auch die Schnellkraft (Schmidtbleicher 2003).

Exkurs: Trainingswirkungen IK-Methoden Trainingswirkungen der IK-Methoden beinhalten die gesteigerte Rekrutierung und Frequenzierung motorischer Einheiten, eine Verringerung des Kraftdefizits (Kraftdifferenz zwischen willentlich isometrischer und exzentrischer bzw. stimulierter Maximalkontraktion), eine Verbesserung der Relativkraft (Maximalkraftsteigerung ohne nennenswerte Hypertrophiewirkung) sowie eine Verbesserung der Kraftanstiegsrate und somit der

Die Anzahl der Übungswiederholungen pro Serie sollte gering und die Serienpausen ausreichend lang sein (3–5  min und mehr), um eine Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit von Erregungsübertragung und elektromechanischer Kopplung sowie eine ausreichende Resynthese von Kreatinphosphat zu gewährleisten (Ehlenz et  al. 2003; Schmidtbleicher 2003; Harre 2008). Grundsätzlich können die in . Tab.  4.4 dargestellten Methoden zur Verbesserung der neuronalen Aktivierungsfähigkeit bzw. der intramuskulären Koordination angewendet werden.  

Explosivkraft (positiver Einfluss auf Schnellkraftleistungen; Ehlenz et al. 2003). Ferner haben insbesondere supramaximale exzentrische Kontraktionen einen positiven Einfluss auf die Elastizität bzw. Stiffness des tendomuskulären Systems. Außerdem scheinen die IK-Methoden die Reflexaktivierung sowie den spinalen und supraspinalen Inhibitionsabbau zu begünstigen (Schmidtbleicher 2003).

Das IK-Training kann auch durch maximale exzentrische Kontraktionen erfolgen (Eccentric Overload Training). Bei exzentrischer Arbeitsweise können etwa 20–50 % höhere Kraftwerte realisiert werden. Dies geht ohne eine nennenswerte Erhöhung der metabolischen Beanspruchung einher und basiert primär auf den passiven Elastizitätskräften des Muskels (Ehlenz et  al. 2003). Demzufolge sind bei kombiniert konzentrischen und exzentrischen Trainingsformen supramaximale Lasten während der exzentrischen Aktionsform notwendig.

Praxistipp: Exzentrisches Krafttraining In der Praxis ist für das Training mit exzentrischer Überlast bei komplexen Bewegungsleistungen mit der Freihantel (z. B. Nackenkniebeuge) unbedingt die Hilfe eines oder mehrerer Partner erforderlich, da die Überlast nach Beendigung der exzentrischen Phase wieder entfernt werden muss (Ehlenz et al. 2003). Einfacher kann eine exzentrische Überlast an der Kraftmaschine durch eine konzentrische bilaterale und exzentrische unilaterale Übungsausführung generiert werden (z. B. an der Kniestreckmaschine). Darüber hinaus ist ein exzentri-

sches Krafttraining auch mit speziell konstruierten Maschinen oder Geräten wie beispielsweise Weight Releasern oder dem Flywheel-YoYo®-Squat möglich. Letzteres kann dabei unabhängig von der Schwerkraft durch eine konzentrisch zu beschleunigende rotierende Scheibe eine Überlast in der darauffolgenden exzentrischen Phase erzeugen, die insbesondere im letzten Drittel des exzentrischen Bewegungsumfangs explosiv abgebremst werden muss (Norrbrand et al. 2008; Norrbrand et al. 2010).

4

227 Krafttraining

..      Tab. 4.4  Methoden des intramuskulären Koordinationstrainings (IK-Methoden) basierend auf maximalen explosiven Krafteinsätzen zur Verbesserung der Maximalkraft (mod. nach Ehlenz et al. 2003; Hohmann et al. 2003; Schmidtbleicher 2003; Steinhöfer 2015) IK-Training (allgemeine Belastungsnormative): Intensität: (85)90–100 % 1 RM; Wdh.: 1–5; Serien: 3–8; TUT = 5–15(20) s; Tempo = maximal–explosiv; Pause: 3–5 min oder länger Methoden

Intensität

Wdh.

Serien

Tempo

Pause

quasimaximale Kontraktionen

90–95–97–100 %

3–1–1–1

1 pro Last

maximal– explosiv

3–5 min

maximale konzentrische Kontraktionen

100 %

1

5

maximal– explosiv

3–5 min

maximale isometrische Kontraktionen

100 %

2 × 5–6 s

5

maximal– explosiv

3 min

maximale exzentrische Kontraktionen

> 100–150 % (supramaximal)

3–6

3–5

langsames Absenken

2–3 min

konzentrisch-­ exzentrisch

70–90 %

6–8

3–5

maximal– explosiv (schnellstmögliche Bewegungsumkehr)

5 min

Explosivkraftmethode

50–95 %

1–2

5

maximal– explosiv

3–5 min

IK-Methode mit ansteigenden Lasten

85–90–95–100 % 90–95–100 %

3–2–1–1 4–3–1

2–4 2–2–2

maximal– explosiv

3–4 min

Pyramidenmethoden (ansteigend bzw. an- und absteigend)

75–80–85–90–95–97,5–100 80–90–95–97,5–100–95– 90–85–80

12–9–7–5–3–1–1 9–5–3–1–1–2–4–6–8

1 pro Last

maximal– explosiv

3–5 min

Intensität = % 1 RM; Wdh. = Wiederholungen pro Serie; Serien = Anzahl pro Trainingsübung; TUT = Time under Tension (Spannungsdauer); Tempo = Ausführung; Pause = interserielle Pause

Das Pyramidentraining mit ansteigenden bzw. an- und abfallenden Lasten ist eine Kombinationsmethode. Die Pyramidenbasis zielt auf Hypertrophie, die Pyramidenspitze vornehmlich auf die IK-Wirkung ab (Ehlenz et al. 2003). Diesbezüglich sei kritisch anzumerken, dass sich die Vorermüdung an der Pyrami-

denbasis negativ auf die maximale Kraftentfaltung in der Pyramidenspitze auswirken kann. Entgegen der üblichen Praxis ist demnach die Konfiguration der Pyramide (steiler mit geringeren submaximalen Krafteinsätzen oder als Doppelpyramide) zu berücksichtigen (Schmidtbleicher 2003).

4

228

C. Raeder et al.

4.4.2

Schnellkrafttraining

Schnellkraftmethoden dienen der Optimierung hoher Kraftstöße, um den Körper bzw. Körpersegmente oder Sportgeräte in der verfügbaren Zeit auf eine möglichst hohe Endgeschwindigkeit beschleunigen zu können (Steinhöfer 2015). Charakteristisch sind explosive Krafteinsätze. Interessanterweise kann ein Schnellkrafttraining sowohl gegen moderate als auch gegen höhere Widerstände durchgeführt werden. Erfolgen die explosiven Krafteinsätze gegen moderate Widerstände, so sind die realisierten Kraftmaxima geringer und aufgrund der geringeren Kraftentfaltungsdauer vornehmlich von Startkraft und Explosivkraft abhängig. Werden höhere Trainingslasten gewählt, so steigen die dynamischen Kraftmaxima an und werden stärker durch die Maximalkraft determiniert (Schmidtbleicher 2003). Im Allgemeinen sollten sich die Trainingslasten an den Widerständen der wettkampf- bzw. disziplinspezifischen Schnellkraftanforderungen orientieren (Harre 2008). Da jedoch im langfristigen Leistungsaufbau die Mobilisation aller Adaptations- und Leistungsreserven von Bedeutung ist und in vielen Sportarten auch variable Widerstände zu überwinden sind, empfiehlt es sich, das Schnellkrafttraining über eine möglichst große Lastbreite, üblicherweise zwischen 30–70  % der Maximalkraft, durchzu-

führen (Ehlenz et al. 2003; Harre 2008; Haff und Nimphius 2012; Steinhöfer 2015). Im Schnellkrafttraining werden vor allem die geschwindigkeitsorientierte Schnellkraftmethode I und die lastorientierte Schnellkraftmethode II sowie die sportart- bzw. wettkampfbezogene Methode mit anforderungsspezifischen Bewegungsmustern favorisiert (u.  a. Antritte, Sprünge, Stöße/Würfe), deren strategische Kombination sich optimal in das langfristige Leistungstraining integrieren lässt (. Tab. 4.5). Hinsichtlich der Verbesserung von reaktiven Bewegungsleistungen, die einen Großteil aller sportlichen Bewegungen ausmachen, werden hauptsächlich die Reaktivkraftmethoden im kurzen (z. B. Drop Jump) und langen DVZ (z.  B.  Counter Movement Jump) angewendet (Schmidtbleicher 2003). Eine besondere Trainingsform stellt dabei die russische Shock Method dar, bei der Tiefsprünge aus einer erhöhten Position (z.  B.  Turnkasten) im langen DVZ absolviert werden (Verkhoshansky und Verkhoshansky 2011). Grundsätzlich sollte das Schnellkrafttraining im ermüdungsfreien Zustand zur Sicherung qualitativer Explosivkrafteinsätze durchgeführt werden und jegliche Anzeichen einer sicht- bzw. spürbaren Reduzierung der Bewegungsgeschwindigkeit sollten zum frühzeitigen Übungsabbruch führen (Steinhöfer 2015).  

Exkurs: Trainingswirkungen Schnellkraftmethoden Die vornehmlichen Trainingseffekte der Schnellkraftmethoden beinhalten die Ausprägung einer hohen Anfangsrekrutierung von Typ-II-Fasern (neben Typ-I-Fasern) sowie einer lastabhängigen Stoßinnervation mit einer oder mehreren Impulsserien der Motoneurone zur Erzeugung einer hohen initialen und weiterführenden Kraftanstiegsrate. Folglich kommt es zur Erhöhung der Kontraktionsschnelligkeit beider Fasereinheiten, welches sich vor allem in einer Verbesserung der Explosivkraft niederschlägt. Bei der sportartspezifischen Schnellkraftmethode verbessert sich außerdem die intermuskuläre Koordinationsleis-

tung, da die Ausbildung der schnellen Kontraktionsfähigkeit in konkrete Bewegungsabläufe integriert wird. Bei den Reaktivkraftmethoden kommt es hauptsächlich zur Ausprägung der reaktiven Spannungsfähigkeit infolge einer adaptiven Erhöhung der Elastizität bzw. Stiffness des tendomuskulären Apparats (reaktive Stiffness). Ferner bewirkt Reaktivkrafttraining insbesondere im schnellen DVZ eine Verbesserung der Vor- und Reflexaktivierung der Arbeitsmuskulatur sowie eine Förderung des Inhibitionsabbaus von motorischen Einheiten, speziell auf spinaler Ebene (Ehlenz et al. 2003; Schmidtbleicher 2003).

4

229 Krafttraining

..      Tab. 4.5  Methoden des Schnellkrafttrainings (Ehlenz et al. 2003; Schmidtbleicher 2003; Steinhöfer 2015) Methode

Intensität

Wdh.

Serien

Tempo

Pause

Schnellkraftmethode I (konzentrisch ballistisch)

30–50 %

6–12

3–5

maximal– explosiv

3–5 min

Schnellkraftmethode II (konzentrisch)

50–70 %

4–8

3–5

maximal– explosiv

3–5 min

sportartspezifische Schnellkraftmethode

ohne bzw. geringere oder höhere Widerstände

5–10

azykl.: 2–6 zykl.: 5–10

maximal– explosiv

2–5 min

Kontrastmethode

initial 100 %, dann Reduzierung auf 30–40 %

5–7 (ca. 5–10 s intraserielle Pause)

6–8

initial statisch, dann explosiv

3–5 min

Reaktivkraftmethode I (kurzer DVZ)

100 % (ohne Zusatzlast)

6–12 (ca. 5–10 s intraserielle Pause)

3–5

maximal– explosiv

5–10 min

Reaktivkraftmethode II (langer DVZ)

100 % (ohne Zusatzlast)

6–12 (ca. 5–10 s intraserielle Pause)

3–5

maximal– explosiv

5–10 min

Intensität = % 1 RM; Wdh. = Wiederholungen pro Serie; Serien = Anzahl pro Trainingsübung; TUT = Time under Tension (Spannungsdauer); Tempo = Ausführung; Pause = interserielle Pause; azykl. = azyklisch; zykl. = zyklisch

4.4.3

Funktionelles Krafttraining

Das funktionelle Training bzw. funktionelle Krafttraining ist ein sportwissenschaftlich nicht klar definierter Begriff, der jedoch in der Sportpraxis zunehmend weit verbreitet ist. Das Angebot an funktionellen Trainingsmitteln wächst stetig, und die Zahl der daran interessierten Freizeit- und Leistungssportler ebenfalls. Die Grundidee des funktionellen Trainings besteht in der Erkenntnis, dass eine rein maschinengebundene und von Bewegungsrichtung, -umfang und -geschwindigkeit starr festgelegte Bewegungsausführung zunächst unfunktionell sein muss, da sie in exakt dieser Form in keiner Sportart und auch nicht unter alltäglichen Bedingungen eingesetzt wird. Ein sportartspezifisches Krafttraining sollte demnach jene Bewegungsabläufe möglichst genau

abbilden, die in der jeweiligen Sportart häufig vorkommen und dort leistungslimitierend sind (Kontextualität). Inzwischen existieren zahlreiche Ausprägungen des funktionellen Trainings, die mit sehr unterschiedlichen Zielsetzungen eingesetzt und propagiert werden. Beispielsweise werden im Rahmen des Rumpfkrafttrainings vielfach destabilisierende Hilfsmittel (z. B. der Pezziball) eingesetzt, um neben der Hauptarbeitsmuskulatur auch die umliegenden synergistisch arbeitenden und tiefer liegenden, meist zusätzlich stabilisierenden Muskeln anzusprechen (. Abb.  4.20). Hierdurch werden solche Muskeln koordinativ in die Gesamtbewegung eingebunden, die auch in der realen Trainings- und Wettkampfsituation helfend und stabilisierend mitwirken. Neben dem Pezziball sind auch einfache Seil/Griff-Kombina 

230

C. Raeder et al.

4 a

b

..      Abb. 4.20  Funktionelle Liegestütze mit instabilem Widerlager (a mittels Pezziball, b als Sling-­Training mit Seilen) (7 https://doi.org/10.1007/000-04w)

tionen ­geeignet, um ein variables funktionelles Ganzkörperprogramm nicht nur zur Rumpfstabilisation, sondern auch für die Extremitätenmuskulatur durchzuführen. Dieses unter dem Begriff des Sling-Trainings populäre Ganzkörpertraining ist für die Praxis zahlreicher Sportarten von Interesse, da es vergleichsweise preisgünstig ist und mobil an jeder Trainingsstätte, zu Hause oder unterwegs eingesetzt werden kann (. Abb. 4.20). Auch das Cross-Training kann dem funktionellen Training zugeordnet werden. Hierbei werden bewusst abweichend von der etwas künstlich-synthetischen Atmosphäre eines traditionellen Krafttrainingsstudios Elemente der Militärausbildung mit Einflüssen aus der Leichtathletik und speziell dem Turnen kombiniert und gleichzeitig Kraft, Ausdauer, Koordination und Beweglichkeit angesprochen. Turnerische Elemente werden beispielsweise als komplexe Ganzkörperübungen an einfachen Gerüststangen absolviert. Klassische Turnseile dienen zum Hangeln, und motivierende Kleingeräte aus dem Markt der funktionellen Trai 

ningsmittel ermöglichen dynamische Ganzkörperübungen. Speziell hierfür konzipierte Trainingsstätten wirken eher rustikal und sprechen somit eine andere Zielgruppe an als das „High-Tech“-Ambiente der gängigen Studios. Exemplarisch sei in diesem Zusammenhang die Kettlebell (auf Deutsch: Kugelhantel) erwähnt, welche als Rundgewicht mit Griffbügel in unterschiedlichen Gewichtsstufen erhältlich ist und zahlreiche komplexe Ganzkörperübungen ermöglicht (. Abb. 4.21). Hierbei werden zumeist reaktivkräftige und schwungvolle ein- oder beidarmige Beschleunigungen der Hantel vorgegeben. Da die Bewegungen jeweils nicht nur die obere Extremitätenmuskulatur ansprechen, sondern stets auch die koordinativ abgestimmte Arbeit der gesamten Muskelschlinge, ausgehend von den Beinen über den Rumpf bis hin zu den Schultern und Armen, einfordert, wird hierbei auch von einem Training in einer teilweise geschlossenen kinetischen Kette (Ross et  al. 2001; Prokopy et  al. 2008) gesprochen (Closed versus Open Kinetic Chain Training).  

Exkurs: Closed versus Open Kinetic Chain Training Krafttraining erfolgt entweder in geschlossenen, teilweise geschlossenen oder offenen kinetischen Ketten. Der Körper symbolisiert dabei eine Kette, wobei die Kettenenden entweder fixiert sind (geschlossene Kette) oder frei beweglich bleiben (offene Kette). Isolierte Bewegungen an gängigen Krafttrainingsmaschinen (z. B. Bizeps- oder

Bein-Curls) charakterisieren offene kinetische Ketten. Geschlossene Ketten sind dann gegeben, wenn Hände und Füße das Körpergewicht oder Gegengewicht während der Übung tragen bzw. fixieren (z. B. Liegestütz oder Kniebeugen). Hierbei erfolgt die Bewegungsausführung größtenteils durch die Beteiligung mehrerer Gelenke (Ross et al. 2001;

231 Krafttraining

Prokopy et al. 2008). Praxisübliche Trainingsprogramme der oberen und unteren Extremität sowie der Rumpfmuskulatur beinhalten häufig eine Kombination beider Varianten. In der trainingswissenschaftlichen Literatur existieren verschiedene Studien zur Wirksamkeit beider Varianten. So konnte gezeigt werden, dass ein Training der unteren Extremität in der geschlossenen Kette mit der Übung Kniebeuge deutlich höhere Sprungkraftleistungen hervorbrachte als ein Training in der offenen Kette mit der Übung Kniestrecken (Blackburn und Morrisssey 1998; Augustsson und Thomeé 2000). Nach Verletzungen (z. B. nach vorderer Kreuzbandruptur) bietet jedoch ein Krafttraining der Beinmuskulatur in offener Kette einen guten Wiedereinstieg (Ross et al. 2001). Zur Verbesserung von Schlag- oder Wurfhärte sind die Befunde in der Literatur weniger einheitlich. So konnten signifikante Leistungsverbesserungen von Aufschlag- und Wurfgeschwindigkeit im Tennis und Handball durch ein Krafttraining in

offener kinetischer Kette (z. B. Bank- und Schulterdrücken) nachgewiesen werden (Chelly et al. 2010; Fernández-­Fernández et al. 2013). Auch ein Krafttraining der oberen Extremität in teilweise offener kinetischer Kette wie bei Medizinballwürfen (Raeder et al. 2015) kann empfohlen werden (die Kette öffnet sich nach dem Abwurf des Balles). Demgegenüber stellten Prokopy et al. (2008) in einem Längsschnittvergleich heraus, dass ein Sling-Training in geschlossener kinetischer Kette höhere Leistungsverbesserungen in der resultierenden Wurfgeschwindigkeit auslöste als ein konventionelles Krafttraining in offener kinetischer Kette, welches die Autoren auf eine verbesserte Schultergelenksstabilisation zurückführten. In der Gesamtbetrachtung kann derzeit daher eine Kombination von Trainingsvarianten für die obere Extremität empfohlen werden. Abschließend sei anzumerken, dass eine genaue Zuordnung aller Trainingsformen zum Closed bzw. Open Kinetic Chain Training mitunter nicht möglich ist.

..      Abb. 4.21  Einarmiges Reißen zur Kräftigung komplexer Muskelschlingen, bestehend aus Kniegelenks- und Hüftstrecker, schräger Bauch-, Schulter- und Armmuskulatur

4

232

C. Raeder et al.

Nicht alle als funktionell propagierten Trai- des Krafttrainings ausgewählt. Zur Strukturieningsformen tragen dieses Etikett zurecht. So rung wird nach fundamentalen Bewegungsist die funktionelle Bedeutung innovativer leistungen unterschieden. Die TrainingsbeiTrainingsmittel wie beispielsweise Sling-­ spiele sind nicht maschinengebunden, sondern Trainer, Pezziball oder die Benutzung von bedienen sich grundsätzlich freier Gewichte: Battling Ropes (Rope Training; . Abb.  4.22) 55 Niveauveränderungen des Körperschwernicht immer gegeben, und die koordinativen punktes (z. B. Kniebeuge) Anforderungen entfernen sich von den sport- 55 hüftziehende Bewegungen (z. B. Kreuzartspezifischen Bewegungsmustern. Andererheben) seits sollte neben der funktionellen Betrach- 55 Druck- und Zugbewegungen in vertikaler tung stets auch der motivationale Aspekt bei und horizontaler Ebene (z. B. Bankdrüder Beurteilung berücksichtigt werden. Erfahcken, Klimmzug) rungen mit Nachwuchssportlern zeigen, dass 55 Rotationsbewegungen des Körpers derartige Trainingsmittel einen hohen Auffor- 55 Lokomotion (Fortbewegung des Körpers derungswert zum regelmäßigen Training begegen Lasten, wie z. B. Ausfallschritte) sitzen und allein deshalb sowie aufgrund der vergleichsweise preisgünstigen Anschaffung in Vor dem Training mit Zusatzlasten ist stets ein das Nachwuchstraining integriert werden soll- ausreichender Technikerwerb zur Vermeidung ten. von Fehl- und Überbelastungen des Bewegungsapparates erforderlich. Eine weitere Strukturierungsebene zur systematischen Stei4.5 Ausgewählte gerung der Anforderungen besteht im Übergang von einer rein symmetrischen zur asymTrainingsbeispiele metrischen sowie von komplexer zur Bewegungsausführung Die folgenden Beispiele werden exemplarisch kontextualisierten aus der unendlichen Vielfalt an Möglichkeiten (. Abb. 4.23).  

4



..      Abb. 4.22 Training mit Battling Ropes, eine Ganzkörperübung in geschlossener kinetischer Kette (7 https://doi. org/10.1007/000-04z)

allgemein

Symmetrie – Asymmetrie – Komplexität – Kontextualität

spezifisch

..      Abb. 4.23  Strukturierung von Trainingsinhalten beim Krafttraining mit freien Gewichten, basierend auf einem Kontinuum zwischen allgemeiner und spezifischer Bewegungsausführung

233 Krafttraining

kKT Beispiel 1

Kniebeuge (Squat) Trainingsziel  Die Kniebeuge bewirkt Niveauänderungen des Körperschwerpunkts (. Abb. 4.24). Positive Transfereffekte können insbesondere auf die Sprung-, Sprint- und Richtungswechselfähigkeit erwartet werden. Die primär beanspruchten Hauptbeweger-Muskeln (Prime Mover) sind die Hüft- und Kniegelenksstrecker. Zusätzlich sind eine Vielzahl an synergistisch wirkenden Muskeln aktiv, die wichtige Stabilisationsarbeit leisten und somit die Funktion der Prime Mover begünstigen. Hierzu zählt vor allem die Rumpfmuskulatur.  

Variationen  Man unterscheidet Nackenkniebeuge (Back Squat) und Frontkniebeuge (Front Squat), die beide mit der Langhantel durchgeführt werden. Die Nackenkniebeuge ist ­vorrangig hüftdominant, während die Frontkniebeuge vornehmlich kniedominant ist. Letztere Variante kann auch mit zentrierter Last in ..      Abb. 4.24 Symmetrische a und asymmetrische Kniebeuge b

a

b

4

Vorhalte durchgeführt werden (Goblet Squat) und eignet sich vor allem für Untrainierte oder Wiedereinsteiger. Anspruchsvoller ist die nicht zentrierte Lasteinleitung in typischer Rack-Position (Rack Squat), die üblicherweise mit der Kettlebell absolviert wird. Alle Varianten sind grundsätzlich in paralleler oder versetzter Fußstellung möglich. Besondere Hinweise  Bei klassischer Ausführung im Parallelstand und bei zentrierter Widerstandseinleitung kann der Kraftaufbau symmetrisch ablaufen. Hierbei werden die höchsten Trainingslasten bewältigt. Dem Rumpf kommt hierbei vor allem eine Anti-Flexion-Funktion für die Wirbelsäule zuteil. Demgegenüber erfolgt in Schrittstellung sowie in nicht zentrierter Widerstandseinleitung der Kraftabfluss weitgehend asymmetrisch. Der Rumpf übernimmt jetzt deutlich komplexere Aufgaben.

234

C. Raeder et al.

kKT Beispiel 2

Lastheben (Deadlift) Trainingsziel  Das Lastheben (Hip Hinge) ist eine hüftziehende Bewegung bei nur geringer bis keiner Niveauveränderung des Körperschwerpunkts (. Abb. 4.25). Die funktionellen Transfereffekte ähneln der Kniebeuge. Die Prime Mover beinhalten neben den Kniestreckern vor allem die Hüftgelenksstrecker (ischiocrurale und gluteale Muskelgruppe). Da jene über die gesamte Bewegungsamplitude stärker aktiviert werden, sind vor allem Verbesserungen in der Antritts- und Sprintfähigkeit zu erwarten. Zudem bewirkt der im Vergleich zur Kniebeuge höhere Lastarm eine gesteigerte Aktivierung der Rückenmuskulatur sowie der Schulterblattstabilisatoren.  

4



Variationen  Man unterscheidet zwei Varianten des Lasthebens: die klassische Form und die Ausführung mit nahezu gestreckten Beinen (Stiff-Leg Deadlift). Bei klassischer Bewegungs..      Abb. 4.25 Symmetrisches a und asymmetrisches Lastheben b

a

ausführung bewirkt die vermehrte Knieflexion eine geringere Oberkörpervorlage bzw. Hüftflexion und somit eine verstärkte Aktvierung der Kniegelenksstrecker. Hierbei kommt es zunächst zu einer Parallelverschiebung des Oberkörpers während des initialen Hebevorgangs, bevor es nach Passage des Kniegelenks zur Aufrichtung des Oberkörpers durch aktive Hüftstreckung kommt. Demgegenüber führt die seltenere Stiff-Leg-Variante zu einer erhöhten Beanspruchung der rückwärtigen Funktionsketten mit geringeren Lasten. Besondere Hinweise  Das Lastheben kann auch in Schrittstellung mit asymmetrischer Kraftentfaltung erfolgen. Hierbei werden erhöhte Anforderungen an die Becken- und Hüftstabilität der trainierenden Beinseite gestellt (spez. bei einbeiniger Ausführung. Letzteres ist vornehmlich gut trainierten Athleten vorbehalten. Die ballistische Form des Lasthebens, der Kettlebell-Swing, dient vor allem der Explosivund Schnellkraftentwicklung. b

235 Krafttraining

kKT Beispiel 3

bilisierenden Aktivierung Rumpfmuskulatur.

Brustdrücken (Chest Press) Trainingsziel  Das Brustdrücken gehört zu den

horizontalen Druckbewegungen (. Abb. 4.26). Positive Transfereffekte können auf Schnellkraftleistungen der oberen Extremität wie Wurf-, Schlag- und Stoßbewegungen erwartet werden. Die Prime Mover umfassen vornehmlich die Brust- und Armstreckmuskulatur sowie den vorderen Anteil der Schultermuskulatur. Die tiefer liegende Rotatorenmanschette wirkt synergistisch. Bei klassisch symmetrischer Ausführung auf der Flachbank (sog. Bankdrücken; Bench Press) werden kaum Anforderungen an die Rumpfstabilität gesetzt. Bei einarmiger Ausführung (z.  B. mit Kettlebell oder Kurzhantel) kommt es bei reduzierter Last zusätzlich zur sta 

..      Abb. 4.26 Symmetrisches a und asymmetrisches Brustdrücken b

a

b



der

4 diagonalen

Variationen  Das Schräg- und Negativbankdrücken zählt zu den häufigsten Übungsvariationen, wobei Erstere vermehrt den oberen Anteil der Brustmuskulatur sowie die Schultermuskulatur beansprucht, während die zweite Variante zunehmend die untere Brustmuskulatur belastet. Beim Negativbankdrücken kann die höchste Trainingslast bewegt werden. Wird das Brustdrücken als Liegestütz oder im Stand mittels Seilzug oder pneumatischem Widerstand durchgeführt, leistet die Wirbelsäule zusätzliche Antiextensionsarbeit. In Schrittstellung oder bei unilateraler Ausführung wird zudem noch die Becken-, Hüft- und Wirbelsäulenstabilität adressiert.

236

C. Raeder et al.

kKT Beispiel 4

Überkopfdrücken (Overhead Press) Trainingsziel  Das Überkopf- bzw. Schulterdrücken zählt zu den vertikalen Druckbewegungen (. Abb. 4.27). Es leistet wichtige Zulieferarbeit für Wurf-, Schlag- und Stoßbewegungen der oberen Extremität und ist zudem ein integraler Übungsbestandteil des olympischen Gewichthebens. Darüber hinaus können beim Überkopfdrücken, ähnlich wie beim Brustdrücken, verletzungspräventive Effekte auf das Zweikampfverhalten innerhalb sportspielspezifischer Manöver erwartet werden (z.  B.  Schlagwurf oder Verteidigungsarbeit im Handball). Zu den Prime Movern zählen die gesamte Schultermuskulatur, die Armstreckmuskulatur, die Nackenmuskulatur sowie vereinzelte Faserzüge des aufsteigenden Trapezmuskels. Da der Kraftabfluss bis zu den Füßen in den Boden erfolgt, muss der  

4

..      Abb. 4.27 Symmetrisches a und asymmetrisches Überkopfdrücken b

a

b

gesamte Körper Stabilisationsarbeit leisten, vor allem im Bereich des Beckens zur Vermeidung einer Hyperlordose. Variationen  Neben der klassischen Ausfüh-

rung mit der Langhantel im Parallelstand kann mit Kurzhanteln oder Kettlebells eine unilaterale Ausführung erfolgen. Hierdurch erhöhen sich die koordinativen Anforderungen im Schultergelenk (stärkere Aktivierung der Rotatorenmanschette) und der Stabilisationsbedarf von Wirbelsäule und Becken-Hüft-Region. Eine besondere Variante stellt das Schwungdrücken (Push Press) dar, bei dem nach einer kurzen Ausholbewegung der unteren Extremität die zu bewegende Last explosiv über den Kopf gestoßen wird. Dies trainiert den zeitlich orchestrierten Kräftetransfer von unten nach oben (z. B. für „Überkopf “-Sportler wie Handball-, Tennis oder Badmintonspieler).

237 Krafttraining

kKT Beispiel 5

Zugbewegungen Trainingsziel  Zugbewegungen setzen sich aus Übungen in vertikaler (z. B. Klimmzug; Pull-Up) und horizontaler (z. B. Rudern; Row) Bewegungsebene zusammen (. Abb.  4.28). Ein direkter Leistungstransfer ist vorrangig in rückenbetonten Sportarten (z. B. Rudern oder Kanurennsport) gegeben. Zu den Prime Movern zählen vor allem der breite Rückenmuskel (M. latissimus dorsi), die Trapezmuskulatur, die Schulterblattstabilisatoren sowie die Armbeugemuskulatur.  

Variationen  Der klassische Klimmzug an der Stange kann wahlweise mit breitem oder engem Griff sowie in verschieden Griffpositionen (proniert, neutral, supiniert) durchgeführt werden. Dies bewirkt einen partiell unterschiedlichen

..      Abb. 4.28 Symmetrische a und asymmetrische horizontale Zugbewegungen b

a

4

Grad der Faserrekrutierung von einzelnen Muskelanteilen. So werden z.  B. beim breiten Klimmzug vermehrt die äußeren Anteile des M. latissimus dorsi trainiert, während mit engem Griff zunehmend die inneren Anteile beansprucht werden. Bei beiden Varianten sollte eine Aufrichtung des Beckens durch simultane Aktivierung von Rumpf- und Glutealmuskulatur angestrebt werden. Beim Training der horizontalen Zugbewegungen können grundsätzlich die gleichen variablen Griffpositionen und Griffweiten angewendet werden. Bei unilateraler Ausführung, z. B. einarmiges Rudern im Stand, wird zusätzlich die diagonale Rumpfstabilität im Sinne einer Antirotationswirkung adressiert. Beim vorgebeugten Rudern gewinnt ergänzend vor allem die lumbale Rückenmuskulatur an Bedeutung.

b

238

C. Raeder et al.

kKT Beispiel 6

Rotationsbewegungen des Körpers Trainingsziel  Drehbewegungen ohne und

mit Zusatzlast stellen eine unverzichtbare Komponente im leistungsorientierten Training dar (. Abb.  4.29). Positive Transfereffekte sind für Richtungswechselmanöver, Stoß-, Schlag- und Wurfbewegungen zu erwarten. Zu den Prime Movern zählen der äußere schräge (M. obliquus externus abdominis) und innere schräge Bauchmuskel (M. obliquus internus abdominis) sowie der quer verlaufende Bauchmuskel (M. transversus abdominis). Wirft man einen Blick auf die Muskelarchitektur der ventralen Rumpfwand, so verläuft ein Großteil der Muskelfaseranteile horizontal. Aus phylogenetischer Sicht scheint daher der Rotation des Rumpfes eine enorme Bedeutung beigemessen zu werden. Dabei bewirkt die Kontraktion des M. obliquus externus eine kontralaterale Rotation, während  

4

..      Abb. 4.29 Trainingsbeispiele für den Übungskomplex Rotationsbewegungen. Diagonaler Lift a, diagonaler Chop b und Landmine Rotations c (7 https://doi. org/10.1007/000-050)

a

die Aktivierung des M. obliquus internus und die einseitige Innervation des M. transversus eine ipsilaterale Rotation herbeiführen. Variationen  Zu den klassischen Rotations-

übungen zählen der diagonale Chop (Kraftvektor von oben nach unten) und diagonale Lift (Kraftvektor von unten nach oben) sowie der rein horizontale Chop. Diese werden zumeist am Seilzug, mit geeigneten Widerstandsbändern oder auch mit der Langhantel (sog. Landmine Rotations) durchgeführt. Die Übungen können wahlweise in verschiedenen Positionen (Kniestand, Halbkniestand, Stand etc.) beidund einhändig absolviert werden, um je nach Zielsetzung mehr oder weniger Gelenke einzubeziehen. Wird eine ballistische Kraftentfaltung zur Entwicklung von Explosivkraft angestrebt, können Medizinbälle insbesondere im Rahmen von sportspezifischen Bewegungsabläufen eingesetzt werden.

b

c

239 Krafttraining

kKT Beispiel 7

Lokomotion (Fortbewegung des Körpers gegen Widerstand) Trainingsziel  Dieser Übungskomplex beschreibt Trainingsinhalte, die eine Fortbewegung des Körpers gegen Widerstand im Kontrast zu rein ortsgebundenen Kraftübungen enthalten (. Abb.  4.30). Da bei Lokomotionsübungen zusätzlich zum Körpergewicht eine Zusatzlast fortwährend abgebremst und wieder beschleunigt werden muss, erhöhen sich die koordinativen Anforderungen hinsichtlich Gelenkkontrolle und Körperstabilität, vor allem für die untere Extremität. Diese Trainingsinhalte leisten daher im besonderen Maße einen koordinativen Leistungstransfer auf fundamentale Bewegungsleistungen wie dem Gehen, Laufen, Springen und Sprinten.  

Variationen  Aufgrund der Vielzahl an Kraftübungen mit lokomotorischem Charakter sei klassischerweise nur auf Ausfallschritte multidirektionaler Art (linear, lateral, diagonal) und den Farmers Walk (Gehen mit schwerer Zusatzlast, z.  B.  Kurzhanteln in Händen) verwiesen. Bei beiden Übungsformen kommt es zu erhöh-

4

ten Kraft- und Koordinationsanforderungen innerhalb der unilateralen Standphase, wobei vor allem die funktionelle Stabilität der Beinachse und des Rumpf-Becken-Hüftkomplexes adressiert wird. Wird die Zusatzlast über Kopf gehalten, wird zusätzlich die reaktive Schulterstabilität trainiert, insbesondere bei unilateraler Ausführung. Druck-, Zug- und Rotationsbewegungen der oberen Extremität können ebenfalls in den lokomotorischen Übungskomplex integriert werden. Da es sich hierbei um sehr anspruchsvolle Trainingsformen handelt, sind solche Inhalte vorrangig trainierten Personen und Athleten vorbehalten. Eine besondere Form des ­lokomotorischen Krafttrainings bildet das Zugwiderstandstraining mittels Zugschlitten oder elastischen Bändern. Ist der zusätzlich zum Körpergewicht beschleunigende Widerstand hoch, wird vorrangig das horizontale Kraftabdruckverhalten innerhalb der linearen oder lateralen Sprintbewegung entwickelt. Ist der Widerstand klein, wird vornehmlich das reaktive Schnellkraftverhalten im Abdruck trainiert, da sich die resultierende Bewegungsgeschwindigkeit rapide erhöht. Letztere Übungsform kann daher kategorisch auch dem Schnelligkeitstraining zugeordnet werden (7 Kap. 5).  

..      Abb. 4.30  Ausfallschritte in Vorwärtsbewegung als Trainingsbeispiel für den Übungskomplex Lokomotion

240

C. Raeder et al.

kKT Beispiel 8

Komplexe und kontextualisierte Kraftbelastungen

4

Trainingsziel  Komplexe Kraftbelastungen beinhalten vornehmlich Trainingsformen, welche die untere mit der oberen Extremität über die myofaszialen Funktionsketten verbinden und entsprechend den von unten nach oben gerichteten Kräftetransfer optimieren. Kontextualisierte Krafteinsätze zeichnen sich zusätzlich durch eine hohe dynamische Korrespondenz zur sportartspezifischen Zielbewegung aus, vor allem hinsichtlich Kontraktionsform und Gelenkwinkelposition der Arbeitsmuskulatur (. Abb. 4.31). Die Übungen werden meist mit Kettlebell, Kurzhantel, Seilzug oder einem Slamball durchgeführt. Die Trainingsanpassungen betreffen insbesondere die intermuskuläre Koordination.  



Variationen  In Horizontalebene bieten sich vor allem Übungsformen mit dem Seilzug (besser noch mit dem Versa-Pulley) an, die nach initialer Schnellkraftentwicklung aus der unteren Extremität mit einer Druck- oder Zugbewegung für die obere Extremität enden, insbesondere in Kombination mit einer Rotation des Rumpfes. Eine weitere komplexe Trainingsform stellt das Medizinballtraining dar. Hierbei handelt es sich um kurze ballistische Krafteinsätze, sodass vor allem das explosive Kraftverhalten innerhalb des Bewegungsablaufs entwickelt wird. Die Programmgestaltung kann je nach Zielsetzung äußerst variabel in verschiedenen Positionen (z.  B. sitzend, halbkniend, stehend) sowie mit unterschiedlichen Wurfvektoren (horizontal, vertikal, diagonal) und Wurftechniken (unterhand, überhand, überkopf) erfolgen.

a

b

..      Abb. 4.31  Trainingsbeispiele für komplexe und kontextualisierte Kraftbelastungen. Stoßen mit der Langhantel a, diagonaler Überkopf-Slam (b, links), und

unilaterale horizontale Streck- und Rotationsbewegung von Bein- und Rumpfmuskulatur (b, rechts) Siehe Video in . Abb. 5.36  

241 Krafttraining

kKT Beispiel 9

Rumpfkraft (Core-Training) Trainingsziel  Das Rumpfkrafttraining bildet

eine unverzichtbare und wichtige Ergänzung für jeden Leistungssportler. Als Basisübungen dienen der Rücken-, Seit- und Unterarmstütz (. Abb. 4.32). In allen Fällen ist auf eine optimale Ganzkörperspannung zu achten und die Ausführungsqualität zu kontrollieren. Je nach Trainingszustand sind verschiedene Schwierigkeitsgrade möglich. Im Nachwuchsleistungssport sind Körperstabilisationsübungen vor allem im Alter des maximalen Größenwachstums (Peak Height Velocity Age) und speziell bei großgewachsenen Athleten erforderlich.  

Variationen  Ein Trainingsmodell zur anfor-

derungsorientierten Entwicklung von Rumpfstabilität, Rumpfkraft und den Möglichkeiten der Übungsvariation zeigt . Abb. 4.33. Dieses Modell strebt dabei die optimale und vielseitige Ausprägung der Rumpffunktion über mehrere aufeinander aufbauende Entwicklungsstufen an. Die jeweiligen Trainingsinhalte werden einerseits durch ansteigende Reizin 

a

tensität und Reizvariation graduell anspruchsvoller und ermöglichen andererseits durch die zunehmende Spezifizität (von links nach rechts) den koordinativen Transfereffekt auf die Zielbewegung. So adressiert das Modell neben den klassischen vorrangig statischen Stützvarianten zur Ausbildung einer soliden Körperkernbasis zusätzlich dynamische Stützund Bewegungsaufgaben sowie insbesondere funktionale und teils hochintensive Bewegungsleistungen mit vorwiegend reaktiver Rumpfstabilisierung (. Abb. 4.33).  

4.6

Trainingsprogramme

Die Gestaltung effektiver Krafttrainingsprogramme ist aufgrund der Vielfalt an unterschiedlichen Trainingsmethoden und ihrer zugrunde liegenden Belastungsdosierung ein komplexer Prozess. Die konkrete Programmgestaltung sollte sich im Idealfall an einer individuellen Bedarfsanalyse des Sportlers hinsichtlich Trainingsziel und Methodeninventar, Trainingsstatus und Belastbarkeit sowie Verletzungshistorie unter Berücksichtigung der sportartspezifischen Anforderungscharakteristik orientieren. Daher ist es in diesem Kapitel kaum möglich, für die verschiedenen Anwendungsfelder des Sports und vielfältigen Trainingsszenarien spezifische Trainingsprogramme zu entwickeln, die jedem Sportler gerecht werden. Dennoch werden im Folgenden drei allgemeingültige Krafttrainingsprogramme exemplarisch für einen Anfänger und Fortgeschrittenen sowie für einen Spielsportler im Rahmen der saisonalen Vorbereitungsperiode zur Groborientierung vorgestellt (. Tab. 4.6, 4.7, und 4.8). Die Trainingsprogramme erstrecken sich über einen Zeitraum von acht Wochen, sie bestehen aus einem umfangsorientierten Vorbereitungszyklus und einem anschließenden Intensivierungszyklus von je vier Wochen Dauer. Die Reizsetzung erfolgt progressiv mit variablen Belastungskomponenten. Entlastungsphasen sind jeweils am Ende der Zyklen zur Ermöglichung von Regeneration und Adaptation eingeplant. Konkrete Trainingsinhalte sind die  

b

c ..      Abb. 4.32 Unterarmstütz a, Rückenstütz b und Seitstütz c, jeweils mit höherem Schwierigkeitsgrad

4

242

C. Raeder et al.

funktionelle Aufgaben der Rumpfmuskulatur (Core) • Stabilisierung der Wirbelsäule • Entwicklung sowie Kontrolle und Transfer von Kräften • rigide Unterstützungsbasis zur kontrollierten (endgradigen) Bewegung distaler Körpersegmente (Proximal Stability for Distal Mobility) Trainingsmöglichkeiten zur Optimierung von Rumpfstabilität & Rumpfkraft

statisch

statisch-reaktiv

dynamisch

dynamisch-funktional

funktional-reakt

niedrige Belastung

niedrige bis moderate Belastung

moderate Belastung

hohe Belastung

moderate bis hohe Belastung

statische (multiplanare) Stützvarianten mit exzentrisch-reaktiven Perturbationen

dynamische (multiplanare) Stützvarianten unter Fokussierung auf Anti-Extension, Antiflexion, Anti-Lateralflexion & Anti-Rotation

4

statische (multiplanare) Stützvarianten mit isometrischem Zug isometrische Partnerübungen in verschiedenen Positionen z. B. bodenbasiert, Knie- und Halbkniestand, offener und geschlossener Stand, Einbeinstand

z. B. durch elastische, partnerbasierte oder instabile Reize bzw. Widerstände in variierenden Positionen

3D-Lifts & Chops, diagonale Rotationsbewegungen in variierenden Positionen

progressiv steigernde Trainingsbelastungen mit Fokus auf:

multidirektionale Krabbelund Rollbewegungen

Anti-Extension, Antiflexion, Anti-Lateralflexion & Anti-Rotation

Balance- und ReachBewegungen distaler Körpersegmente

symmetrische & asymmetrische Bewegungsmuster: 3D-Squat- & Hip-HingeBewegungen 3D-horizontale-Push- & Pull-Bewegungen 3D-vertikale-Push- & Pull-Bewegungen Tragen schwerer Gewichte in Lokomotion

Catch & Throw (z. B. Medizinball) Hit & Kick (z. B. Tornado Ball) Swinging weights (z. B. Kettlebells) 3D-Clean & Jerk, Snatch & Derivative High-Speed-Push & Pull (z. B. Battle Ropes, elastischer Widerstand) Wrestling & Grappling Jump & Sprint

unspezifischer Reiz (niedriger Transfereffekt)

spezifischer Reiz (hoher Transfereffekt)

..      Abb. 4.33  Mehrstufiges Trainingsmodell zur anforderungsorientierten Entwicklung von Rumpfstabilität und Rumpfkraft

in 7 Abschn.  4.5 dargestellten fundamentalen Bewegungsleistungen. Diese werden in Form von Haupt- und Nebenübungen vorgeschlagen. Ergänzend kommen auch Übungen zum Einsatz, die nicht aus 7 Abschn. 4.5 stammen. Detaillierte Erläuterungen zur trainingspraktischen Umsetzung finden sich zudem im Informationskasten innerhalb der Trainingspläne. Zusätzlich zur prozentualen Intensitätsorientierung am 1 RM werden Angaben zum an 



gestrebten Beanspruchungsempfinden gemacht (z.  B. @8 oder @9). Diese Angaben orientieren sich an der RPE-Skala (1–10) und geben an, wie viele Wiederholungen nach Beendigung des vorgegebenen Satzes noch möglich sein sollten. Ein @8 oder @9 würde dementsprechend bedeuten, dass noch zwei oder eine weitere Wiederholung(en) möglich sind. Dementsprechend erfolgt kein Training bis zum kompletten Muskelversagen.

4

243 Krafttraining

..      Tab. 4.6  Trainingsplan Hypertrophie für Anfänger Trainingsplan Hypertrophie für Anfänger Trainingserfahrung: primäre Trainingsziele: Trainingsfrequenz:

Training mit Körpergewichtsübungen seit zwei Monaten Hypertrophie, Technikerwerb, Bewegungskontrolle, Belastungsgewöhnung 2-3 Einheiten/Woche

Warm Up Vor Beginn der eigentlichen Übungen erfolgen Mobilisaonsübungen und bewegungsvorbereitende Übungen zur Akvierung der beteiligten Muskeln. Bei komplexen, mehrgelenkigen Übungen sollten 3-5 Aufwärmsätze, bei einfacheren, eingelenkigen Übungen 2-3 Aufwärmsätze vorgeschaltet werden.

Vorbereitungs zyklus

Woche 1

Woche 2

Woche 3

Woche 4

Intensität

Sätze/Wdh

Intensität

Sätze/Wdh

Intensität

Sätze/Wdh

Intensität

Sätze/Wdh

Hauptübungen (A)

65% 1 RM

2x8@7

67,5% 1 RM

3x8@8

67,5% 1 RM

3x8@8 1x8+@9

65% 1 RM

2x8@6

Nebenübungen (B)

ca. 15 RM

2x12@7

ca. 15 RM

3x10@8

ca. 15 RM

3x12@8

ca. 15 RM

2x10@6

Nebenübungen (C)

ca. 20 RM

2x15@7

ca. 20 RM

3x12@8

ca. 20 RM

3x15@8

ca. 20 RM

2x12@6

Intensivierungs zyklus

Woche 5

Woche 6

Woche 8

Woche 7

Intensität

Sätze/Wdh

Intensität

Sätze/Wdh

Intensität

Sätze/Wdh

Intensität

Sätze/Wdh

Hauptübungen (A)

70% 1 RM

3x8@8 1x8+@9

72,5% 1 RM

3x8@8 1x8+@9

75% 1 RM

3x8@9 1x8+@9

70% 1 RM

2x8@6

Nebenübungen (B)

ca.12 RM

3x10@8

ca.12 RM

3x10@8

ca.12 RM

3x10@8

ca.12 RM

2x8@6

Nebenübungen (C)

ca. 15 RM

3x12@8

ca. 15 RM

3x12@8

ca. 15 RM

3x12@8

ca. 15 RM

2x10@6

Informaonen über den Trainingsplan Das Trainingsprogramm ist in zwei Trainingseinheiten pro Woche unterteilt. In beiden Trainingseinheiten wird sowohl der Unter- als auch der Oberkörper trainiert, wobei sich Druck- und Zugübungen für Unter- und Oberkörper pro Trainingseinheit abwechseln. In den Trainingseinheiten werden die beiden Übungen abwechselnd trainiert, die mit dem gleichen Buchstaben gekennzeichnet sind. Im Rahmen des Vorbereitungszyklus wird der Belastungsumfang progressiv gesteigert, wobei im Intensivierungszyklus vorrangig die Belastungsintensität erhöht wird. Die letzte Woche beider Zyklen dient der Entlastung durch Redukon von Umfang und Intensität.

A1 A2 B1 B2 C1 C2

Einheit 1

Symmetrisches Lastheben Symmetrisches Langhantel Brustdrücken Kurzhantel Überkopfdrücken Diagonale Rumpfrotaon am Seilzug Isolaonsübung für vorderen Schultergürtel Isolaonsübung für Arm- und Beinstrecker

Trainingsinhalte

Einheit 2 Symmetrische Kniebeugen Klimmzüge im Ristgriff mit Bandunterstützung Ausfallschrie linear Vorgebeugtes Rudern Isolaonsübung für hinteren Schultergürtel Isolaonsübung für Arm- und Beinbeuger

244

C. Raeder et al.

..      Tab. 4.7  Trainingsplan Kraft und Hypertrophie für Fortgeschrittene

Trainingserfahrung: primäre Trainingsziele: Trainingsfrequenz:

4

Trainingsplan Hypertrophie für Fortgeschri ene

Regelmäßiges Kratraining seit mehreren Jahren hervorragende Bewegungskontrolle, auch komplexer Trainingsübungen Erhöhung des Maximalkraniveaus Hypertrophie 4-5 Einheiten/Woche

Warm Up Vor Beginn der eigentlichen Übungen erfolgen Mobilisašonsübungen und bewegungsvorbereitende Übungen zur Akšvierung der beteiligten Muskeln. Bei komplexen, mehrgelenkigen Übungen sollten 3-5 Aufwärmsätze, bei einfacheren, eingelenkigen Übungen 2-3 Aufwärmsätze vorgeschaltet werden.

Vorbereitungs zyklus

Woche 1

Woche 2

Woche 3

Woche 4

Intensität

Sätze/Wdh

Intensität

Sätze/Wdh

Intensität

Sätze/Wdh

Intensität

Sätze/Wdh

Einheiten 1 & 3

85% 6 RM

5x6@7

90% 6 RM

4x6@8

95% 6 RM

3x6@8 1x6+@9

85% 6 RM

2x6@6

Einheiten 2 & 4

12 RM

3X@9

12 RM

3X@9

12 RM

3X@9

12 RM

2x@8

Intensivierungs zyklus

Woche 5 Intensität

Einheiten 1 & 3

85% 3 RM

Einheiten 2 & 4

8 RM

Sätze/Wdh

Woche 6 Intensität

Sätze/Wdh

90% 3 RM 3x@9

8 RM

Woche 7 Intensität

Sätze/Wdh

95% 3 RM 3x@9

8 RM

3x@9

Woche 8 Intensität

Sätze/Wdh

85% 3 RM

3x3@6

8 RM

2x@8

Informaonen über den Trainingsplan Das Trainingsprogramm ist in vier Einheiten unterteilt, die alternierend zwischen vermehrt neuronaler und muskulärer Beanspruchung wechseln. In allen Trainingseinheiten wird sowohl der Unter- als auch der Oberkörper trainiert. In den Einheiten mit erhöhter neuronaler Beanspruchung (1 & 3) werden die Übungen nacheinander trainiert und in den Einheiten mit erhöhter muskulärer Beanspruchung (2 & 4) können immer zwei Übungen im Wechsel absoviert werden. In den Einheiten 2 und 4 wird immer bis zum technischen Versagen trainiert, so dass die Wiederholungszahl pro Satz durch die Vorermüdung abnimmt. Sobald im ersten Satz 15 Wiederholungen mit dem ermi§elten 12 RM oder 10 Wiederholungen mit dem 8 RM erreicht werden, wird das Gewicht bei Oberkörperübungen um 2,5 kg und bei Unterkörperübungen um 5 kg gesteigert.

Einheit 1 Symmetrische Kniebeuge Klimmzüge im Ristgriff Symmetrisches schräges Brustdrücken vorgebeugtes Rudern

Trainingsinhalte

Einheit 2 Asymmetrisches Lastheben Kurzhantel Überkopfdrücken Asymmetrische Kniebeuge Vorgebeugtes asymmetrisches Rudern Kurzhantel Brustdrücken Isolašonsübung für Rumpfrotašon Isolašonsübung für gerade Bauchmuskulatur Isolašonsübung für Arm- und Beinbeuger

Einheit 4 Ausfallschri§e linear Asymmetrisches Latziehen Symmetrisches Langhantel Dynamischer asymmetrischer Überkopfdrücken Rückenstütz Schräges Kurzhantel Brustdrücken Symmetrisches Langhantel Isolašonsübung für Schulterbla›ixatoren Bankziehen Symmetrisches Langhantel Isolašonsübung für gerade Brustdrücken Bauchmuskulatur Isolašonsübung für Rumpfrotašon Isolašonsübung für Arm- und Einheit 3 Symmetrisches Lastheben

4

245 Krafttraining

..      Tab. 4.8  Trainingsplan Pre-Season Sportspiele Trainingsplan Pre-Season Sportspiele Trainingserfahrung: primäre Trainingsziele: Trainingsfrequenz:

Regelmäßiges Kratraining seit mehreren Jahren hervorragende Bewegungskontrolle und Technik bei komplexen Trainingsübungen Verbesserung von Maximalkra und Schnellkra Erhöhung der Krabildungsrate Transfer auf Sprint- und Wurfschnelligkeit 4-5 Einheiten/Woche

Warm Up Vor Beginn der eigentlichen Übungen erfolgen Mobilisaonsübungen und bewegungsvorbereitende Übungen zur Akvierung der beteiligten Muskeln. Bei komplexen, mehrgelenkigen Übungen sollten 3-5 Aufwärmsätze, bei einfacheren, eingelenkigen Übungen 2-3 Aufwärmsätze vorgeschaltet werden. Woche 3

Woche 4

Sätze/Wdh

Intensität

Sätze/Wdh

Intensität

Wurf & Stoß (A)

2-3 Kg

2x6

2-3 Kg

3x6

2-3 Kg

4x6

2-3 Kg

2x6

Hauptübungen (B)

12 RM

2X10@8

12 RM

3X10@9

10 RM

3x8@8 1x8+@9

12 RM

2x8@6

Nebenübungen (C)

15 RM

2x12@8

15 RM

3x12@9

15 RM

3x12@9

15 RM

2x10@6

Hauptübungen (B)

10 RM

2x6@6

10 RM

3x6@7

10 RM

4x6@8

10 RM

2x6@6

Nebenübungen (C)

15 RM

2x12@8

15 RM

3x12@9

15 RM

3x12@9

15 RM

2x10@6

K

Intensität

Sprung & Sprint (A)

2x5

2x6

Sätze/Wdh

2x7

2x5

Woche 7

Woche 6

Woche 8

Intensität

Sätze/Wdh

Intensität

Sätze/Wdh

Intensität

Sätze/Wdh

Intensität

Sätze/Wdh

4-5 Kg

3x5

4-5 Kg

4x5

4-5 Kg

5x5

4-5 Kg

3x5

8 RM

3x3@6

3x8@8

10 RM

3x8@8

10 RM

3x8@8

10 RM

2x6@6

Hauptübungen (B)

8 RM

Nebenübungen (C)

10 RM

6 RM

4 RM

K

SK

Wurf & Stoß (A)

Woche 5

Sprung & Sprint (A)

3x4

4x4

Hauptübungen (B)

8 RM

3x4@6

8 RM

Nebenübungen (C)

10 RM

3x8@8

10 RM

5x4 8 RM

3x4 8 RM

3x4@6

10 RM

2x6@6

K

SK

Einheiten 1&3

Woche 2

Sätze/Wdh

Intensivierungs zyklus

Einheit 2&4

Woche 1 Intensität

K

Einheit 2&4

SK

Einheiten 1&3

SK

Vorbereitungs zyklus

3x8@8

10 RM

3x8@8

Informaonen über den Trainingsplan Vor Trainingsbeginn ist eine Kradiagnosk zur Besmmung der Trainingslasten erforderlich. Die Trainingseinheiten sind in einen Schnellkra-block (SK) und einen Krablock (K) unterteilt. In den Einheiten 1 & 3 folgen nach Wurf- & Stoßübungen vorrangig Kraübungen für den Unterkörper, in Einheit 2 & 4 schließen nach Sprung- und Sprintübungen vornehmlich Kraübungen für den Oberkörper an. Die Übungen sind priorisiert in alphabescher Reihenfolge durchzuführen. Übungen mit gleichem Buchstaben werden alternierend ausgeführt. Im SK-Block werden die Übungen explosiv mit maximalem Kraeinsatz durchgeführt.

A1 A2 B1 B2 C1 C2 A1 A2 B1 B2 C1 C2

Einheit 1 Medizinball Rotaonswurf beidhändig Medizinballwurf überkopf vorlings Symmetrische Kniebeuge Asymmetrisches Lastheben Symmetrisches Überkopfdrücken Diagonaler Li Einheit 2 Reakve Sprünge linear & lateral Widerstandssprints linear Asymmetrisches Brustdrücken Klimmzug im Ristgriff (ggf.mit Bandunterstützung) Asymmetrisches Rudern Kelebell Swings

Trainingsinhalte

Einheit 3 Medizinball Rotaonsstoß einhändig Medizinballwurf überkopf rücklings Symmetrisches Lastheben Asymmetrische Kniebeuge Asymmetrisches Schwungdrücken Diagonaler Chop Einheit 4 Reakve Sprünge muldirekonal Widerstandssprints lateral Symmetrisches Brustdrücken Symmetrisches Rudern Asymmetrisches Latziehen Ausfallschrie muldirekonal

246

4.7

C. Raeder et al.

Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels

3. Welche zwei zentralen Mechanismen führen zur Leistungserhöhung beim DVZ? Beschreiben Sie diese mit den exakten Fachtermini, auch unter Berücksichtigung von . Abb. 6.8 in 7 Kap. 6. 4. Bestimmen Sie Ihr 1 RM beim Bankdrücken und bestimmen Sie Ihre persönlichen Belastungsnormative nach . Abb. 4.19 für unterschiedliche Trainingsziele. 5. Absolvieren Sie die dargestellten Rumpfkraftübungen (KT Beispiel 9, . Abb. 4.32) und entwickeln Sie für jede Übung drei bis vier Schwierigkeitsgerade. 6. Was ist richtig?    Kraft … 55 … ist die Fähigkeit des Nerv-Muskel-­ Systems, durch Muskeltätigkeit (= Innervations- und Stoffwechselprozesse mit Muskelkontraktionen > 30 % des individuellen Kraftmaximums) Widerstände zu überwinden (konzentrische Kontraktion), ihnen entgegenzuwirken (exzentrische Kontraktion) bzw. sie zu halten (isometrische Kontraktion). 55 … ergibt sich aus der Addition von Reaktivkraft, Explosivkraft, Schnellkraft und Maximalkraft. 55 … ist gleich Masse mal Beschleunigung, und es gilt: F [N] = m · a, dabei entspricht 1 N (Newton) = 1 kg · m · s−2 55 Das Kraftdefizit ergibt sich aus der Differenz zwischen der individuellen Maximalkraft und der Maximalkraft eines Topathleten.  





4



1. Absolvieren Sie eine Kniebeuge und machen sich dabei den dynamisch-­ konzentrischen und dynamisch exzentrischen Bewegungsanteil bewusst. Verharren Sie bei 90° isometrisch für 10 s in der Halbkniebeuge und absolvieren Sie dann eine Parallelkniebeuge und eine Tiefkniebeuge. Gelingt es Ihnen dabei, die Fersen am Boden zu lassen? Versuchen Sie nun eine einbeinige Kniebeuge. Welche Faktoren sind hierbei leistungslimitierend? 2. Demonstrieren Sie in Zeitlupe einen Schlagballwurf (beispielsweise vor einer Gruppe von Schülern oder Kommilitonen). Zu welchen Zeitpunkten und in welchen Muskelgruppen bzw. Muskeln finden dabei Dehnungs-Verkürzungs-Zyklen (DVZ) statt? Benennen Sie von unten nach oben vier Bewegungsmomente und die dabei beteiligten Muskeln.

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253

Schnelligkeitstraining Thimo Wiewelhove 5.1

 edeutung und Erscheinungsformen B der Schnelligkeit – 255

5.2

Biologische Grundlagen – 263

5.2.1

 nlage-, entwicklungs- und lernbedingte A Einflussgrößen – 265 Neuronale und tendomuskuläre Einflussgrößen – 266 Einflussgrößen im Kontext der Erscheinungsformen der Schnelligkeit – 272

5.2.2 5.2.3

5.3

Anpassungseffekte durch Schnelligkeitstraining – 273

5.3.1

Anpassungen im Kontext der informatorischen Schnelligkeit – 274 Anpassungen im Kontext der motorischen Schnelligkeit – 274

5.3.2

5.4

Trainingsmethoden und Belastungsdosierung – 276

5.4.1

Ausgewählte trainingsmethodische Leitlinien zum Schnelligkeitstraining – 277 Trainingsbereiche und Methoden des Schnelligkeitstrainings – 279 Reaktionstraining – 280 Antizipationstraining – 281 Frequenzschnelligkeitstraining – 282 Sequenzschnelligkeitstraining – 282

5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.4.6

Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_5. Die Videos lassen sich mit Hilfe der SN More Media App abspielen, wenn Sie die gekennzeichneten Abbildungen mit der App scannen. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_5

5

5.4.7 5.4.8 5.4.9 5.4.10 5.4.11 5.4.12

 ntritts- und Sprintschnelligkeitstraining – 283 A Aktionsschnelligkeitstraining – 283 Supramaximale Schnelligkeitsmethode – 285 Widerstandsmethode – 286 Kontrastmethode – 287 Koordinationsmethode – 288

5.5

Ausgewählte Trainingsbeispiele – 291

5.6

Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels – 318 Literatur – 318

255 Schnelligkeitstraining

5

Schnell wird, wer schnell trainiert!

Zusammenfassung Schnelligkeit ist eine koordinativ-konditionelle Fähigkeit, basierend auf einem komplexen Geflecht aus Leistungsvoraussetzungen, auf Reize schnellstmöglich zu reagieren und/oder Bewegungen mit höchsten Geschwindigkeiten zu realisieren. Aus evolutionärer Sicht war die Fähigkeit zur schnellen Fortbewegung überlebenswichtig. Heute ist die Schnelligkeitsleistung ein zentraler leistungslimitierender Faktor in vielen Sportarten. Das Kapitel liefert einen Überblick über Bedeutung und Erscheinungsformen der Schnelligkeit, über biologische Grundlagen für die Realisierung der Schnelligkeitsleistung sowie über Anpassungsvorgänge, Trainingsmethoden und Belastungsdosierung und stellt schließlich ausgewählte Trainingsbeispiele vor. Die Schnelligkeit kann in ihrer Reinform als primär koordinativ-technisch akzentuierte Fähigkeit

5.1

Bedeutung und Erscheinungsformen der Schnelligkeit

Schnelligkeit ist für verschiedenste sportliche Tätigkeiten von Bedeutung. Dies betrifft insbesondere den wettkampforientierten Freizeitund Leistungssport, da die Schnelligkeitsleis-

charakterisiert werden, während komplexen sportartspezifischen Schnelligkeitsleistungen auch ein konditionell-energetischer Fähigkeitscharakter unterstellt werden kann. Neben neuronalen und tendomuskulären Leistungsvoraussetzungen sind sensorisch-kognitive und psychische sowie anlage-, entwicklungs- und lernbedingte Einflussgrößen in Abhängigkeit der sportartspezifischen Besonderheiten in unterschiedlichem Ausmaß von Bedeutung. Zur Verbesserung der Schnelligkeit existieren zahlreiche Trainingsbereiche und Methoden, die hinsichtlich der angestrebten Anpassungsvorgänge den verschiedenen Erscheinungsformen der Schnelligkeit zugeordnet werden können. Hierzu zählt beispielsweise das Training der elementaren oder komplexen Schnelligkeit. Aus der grenzenlosen Vielfalt an Trainingsformen werden konkrete Trainingsbeispiele vorgestellt.

tung in vielen Sportarten ein zentraler leistungslimitierender Faktor ist. Oftmals verlangen die sportartspezifischen Anforderungen von Athleten, schnellstmöglich zu laufen, zu schwimmen oder zu fahren, Sportgeräte (z. B. Fußball, Speer, Tennisball, usw.) schnell und/oder weit zu schießen, zu werfen oder zu schlagen, eine Drehung schnell auszuführen, schnell zu beschleunigen, abzubremsen und

256

5

T. Wiewelhove

die Laufrichtung zu wechseln, schnell und/ oder hoch abzuspringen bzw. sich abzustoßen, technische und taktische Aufgaben schnell umzusetzen oder Informationen in kürzester Zeit zu verarbeiten und auf Reize schnell zu reagieren. In der trainingswissenschaftlichen Literatur existieren unzählige schnelligkeitsverwandte Begriffe und Systematisierungsversuche, die sich zwischen deutsch- und englischsprachigen Publikationen erheblich unterscheiden. Dies verdeutlicht, wie differenziert die Schnelligkeit diskutiert wird. Während beispielsweise im deutschen Sprachraum zwischen komplexer (d. h. von der Anforderungsstruktur der jeweiligen Sportart abgeleiteter spezifischer Schnelligkeitsleistung) und elementarer motorischer Schnelligkeit unterschieden wird, findet man in der englischsprachigen Literatur Begriffe wie Speed, Power, Quickness und Agility (Krug et al. 2019).

Aufgrund ihrer komplizierten Struktur wird die Schnelligkeit nicht einheitlich strukturiert oder definiert. Im Strukturmodell der motorischen Fähigkeiten wird sie nach wie vor als eigenständige konditionelle Fähigkeit angesehen (Prieske et al. 2017; Krug et al. 2019). In ihrer Reinform  – als elementare Schnelligkeit bezeichnet – basiert sie jedoch vorrangig auf der Qualität von Steuer- und Regelmechanismen des Zentralnervensystems und des Nerv-Muskel-Systems (Olivier et al. 2008) und könnte somit auch als primär koordinativ-technisch akzentuierte Fähigkeit charakterisiert werden (Hohmann et al. 2014). Ferner wird Schnelligkeit auch durch informationelle Komponenten determiniert und ist daher ebenso von sensorisch-kognitiven Funktionssystemen abhängig. Die Grundstruktur dieses Kapitels orientiert sich an dem in . Abb. 5.1 vorgeschlagenen Systematisierungsmodell der Schnelligkeit.  

informatorische Schnelligkeit

motorische Schnelligkeit elementare Schnelligkeit zyklische Frequenzschnelligkeit

Einfachreaktionen

Reaktionsschnelligkeit

Handlungsschnelligkeit

komplexe Reaktionen

Agility

azyklische Sequenzschnelligkeit

Bewegungsschnelligkeit

Richtungswechselsprintschnelligkeit

Antizipationsschnelligkeit

komplexe zyklische Bewegungsschnelligkeit

komplexe azyklische Bewegungsschnelligkeit

Schnelligkeitsausdauer

komplexe Schnelligkeit

..      Abb. 5.1  Modell der Erscheinungsformen der Schnelligkeit

5

257 Schnelligkeitstraining

Schnelligkeit Schnelligkeit ist eine koordinativ-konditionell determinierte Fähigkeit, auf Reize schnellstmöglich zu reagieren und/oder zyklische oder azyklische Bewegungen mit höchsten Geschwindigkeiten zu realisieren.

In einem ersten Strukturierungsansatz kann zwischen elementarer und komplexer Schnelligkeit unterschieden werden (. Abb. 5.1). Die elementare Schnelligkeit findet vor allem in einfach strukturierten Bewegungsabläufen (z. B. alternierendes Hand- oder Fußtapping mit maximaler Frequenz) ihren Ausdruck (Prieske et  al. 2017), bei denen die Anforderungen an die Kraftfähigkeit per definitionem unter 30 % des individuell realisierbaren Kraftmaximums liegen. Im Sport sind solche weitgehend koordinativ bestimmten „reinen“ Schnelligkeitsleistungen jedoch selten (Steinhöfer 2008), da disziplinspezifische Schnelligkeitsanforderungen meist enge Verwandtschaften insbesondere mit Kraft- (Maximalkraft, Schnellkraft, Reaktivkraft) aber auch mit Ausdauer- (z.  B.  Schnelligkeitsausdauer) sowie Beweglichkeitsleistungen (u.  a. zur Vergrößerung des Beschleunigungsweges) aufweisen und ferner von technischen Fertigkeiten mitgeprägt werden.  

Beispiel: 100-m-Sprint Der 100-m-Sprint gilt als die Schnelligkeitsdisziplin schlechthin. Neben der Reaktions- und Sprintschnelligkeit spielen in der Beschleunigungsphase jedoch Kraftfähigkeiten die entscheidende Rolle, während die Erreichung einer hohen Sprintgeschwindigkeit von der Bewegungstechnik mitbestimmt wird und die Minimierung des Geschwindigkeitsabfalls auf den letzten Metern durch die Ausdauer beeinflusst wird (Olivier et al. 2008).

Komplexe, sportartspezifische Bewegungen, die mit großer Bewegungsgeschwindigkeit durchgeführt werden, dürfen nicht mit „reinen“ Schnelligkeitsleistungen gleichgesetzt werden. Sie kommen auf der Basis verschiedenster Leistungsvoraussetzungen zustande, zu denen auch die elementare Schnelligkeit gehört (Voss et  al.

2007). Während sich Kraft-, Ausdauer- und Beweglichkeitsleistungen aufgrund ihrer spezifischen anatomisch-­physiologischen Grundlagen leicht voneinander abgrenzen lassen, gelingt eine solch eindeutige Abgrenzung bei der Schnelligkeit nicht. So kann die elementare Schnelligkeit als eine spezifische Fähigkeit innerhalb der koordinativen Leistungsvoraussetzungen aufgefasst werden, während der komplexen Schnelligkeit aufgrund ihrer Beziehungen zu den anderen konditionellen Fähigkeiten auch ein konditionell-energetisch determinierter Fähigkeitscharakter unterstellt werden kann. Die Schnelligkeit lässt sich also als eigenständige Fähigkeitsdimension in das Konstrukt der allgemeinen sportmotorischen Fähigkeiten eingliedern. Aufgrund ihrer vielseitigen Fähigkeitsdimensionen nimmt sie dabei aber eine besondere Rolle ein. Elementare und komplexe Schnelligkeit Die elementare Schnelligkeit ist im Sinne einer „reinen“ Schnelligkeit als grundlegende Leistungsvoraussetzung zu verstehen. Sie findet ihren Ausdruck in einfach strukturierten Bewegungsabläufen, ist stark anlagebedingt und vorrangig abhängig von der Qualität von Steuer- und Regelmechanismen des Zentralnervensystems und des Nerv-Muskel-Systems (Schnabel et al. 2014; Prieske et al. 2017). Die komplexe Schnelligkeit beinhaltet das Ausführen komplexer, sportartspezifischer Bewegungen mit großer Bewegungsgeschwindigkeit. Sie ist abhängig von verschiedensten Leistungsvoraussetzungen, zu denen neben der elementaren Schnelligkeit die Kraft-, Ausdauer- und/oder Beweglichkeitsfähigkeiten sowie die Koordination und Technik gehören (Prieske et al. 2017).

In einem zweiten Strukturierungsansatz kann zwischen Reaktionsschnelligkeit und Bewegungsschnelligkeit unterschieden werden (. Abb. 5.1), da sie sowohl aus leistungsphysiologischer als auch sportpraktischer Sicht  – aufgrund der in Training und Wettkampf eindeutig abgrenzbaren  

258

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T. Wiewelhove

Belastungscharakteristika  – weitgehend unabhängig voneinander sind (Hohmann et al. 2014). Muss auf einen Reiz in kürzest möglicher Zeit mit einer willkürlichen Bewegung geantwortet werden, dann wird von Reaktionsschnelligkeit gesprochen. Dabei bezieht sich die reine Reaktionsleistung lediglich auf die Zeitspanne, die von der Reizsetzung bis zur ersten willkürlichen Muskelkontraktion verstreicht. Sie beschreibt somit die Zeit, die benötigt wird, um nach dem Setzen eines Reizes eine Handlungsentscheidung zu treffen und das entsprechend ausgewählte Handlungsprogramm zu beginnen. Da die Reaktionsschnelligkeit im Wesentlichen von den sensorisch-­ kognitiven Fähigkeiten (Informationsaufnahme und -Verarbeitung) abhängig ist, wird sie auch im Konzept der koordinativen Fähigkeiten als Reaktionsfähigkeit berücksichtigt (Prieske et al. 2017). Bei Reaktionsleistungen sind ferner Einfachreaktionen und komplexe Reaktionen voneinander zu unterscheiden (Schnabel et  al. 2014). Bei Einfachreaktionen reagiert man auf bekannte Signale mit festgelegten Handlungsprogrammen (z.  B. der Sprintstart nach dem Startschuss). Komplexe Reaktionen bzw. Wahlreaktionen oder Auswahlreaktionen sind durch vielfältige, mehr oder weniger vorhersehbare Signale bzw. Reize gekennzeichnet. Auf diese wird mit der möglichst effektivsten Bewegung reagiert, wobei zwei oder mehr Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (z. B. Abwehr eines Elfmeters durch den Torwart). Reaktionsschnelligkeit Die Reaktionsschnelligkeit wird synonym mit der Reaktionszeit verwendet und umfasst den Zeitraum, der vom Setzen eines Reizes bis zum Bewegungsbeginn verstreicht. Sie wird durch die sensorisch-kognitiven Prozesse der Signalidentifikation, Antwortauswahl und Vorbereitung der Bewegungsantwort determiniert. Dabei wird zwischen Einfachreaktionen und komplexen Reaktionen – auch Wahl- oder Auswahlreaktionen bezeichnet – unterschieden (Olivier et al. 2008; Steinhöfer 2008).

Die Reaktionsleistung ist bei Einfachreaktionen und komplexen Reaktionen abhängig von der Art des externen Stimulus. So können taktile und akustische Signale grundsätzlich schneller verarbeitet werden als optische (Prieske et  al. 2017). Die Reaktionszeiten bei Einfachreaktionen auf taktile, akustische und optische Signale betragen in etwa 100, 120 und 150 ms. Bei Auswahlreaktionen sind die Reaktionszeiten jedoch deutlich länger und liegen in Abhängigkeit unterschiedlichster Faktoren  – z.  B. erfolgen Reaktionen mit den Armen schneller als mit den Beinen – zwischen 300 bis über 1000 ms. Solche Zeitspannen stehen in Wettkampfsituationen häufig nicht zur Verfügung (z. B. Feldabwehr im Volleyball), sodass selbst herausragende Reaktionsleistungen nicht immer zum Erfolg führen können (Steinhöfer 2008). Reaktionsleistungen im Sport sind der Start nach einem akustischen Reiz (z. B. in den leichtathletischen Sprint- und Laufdisziplinen sowie im Eisschnelllauf, Ski Alpin, Rudern und Schwimmen) oder nach einem optischen Signal (z. B. im Motorsport). In den Spiel- und Kampfsportarten sind solche Einfachreaktionen nicht von Bedeutung. Hier dominieren komplexe Reaktionen auf sich bewegende Objekte (z. B. Ball, Mit- und/oder Gegenspieler, Fäuste des Gegners; Schnabel et al. 2014). Beispielsweise müssen Athleten in den Rückschlagsportarten (Tennis, Badminton, usw.) zunächst die Ballflugrichtung des gegnerischen Schlages wahrnehmen, um im Anschluss die notwendigen Handlungsprogramme (u. a. Bewegung zum Ball, Ausholen) frühzeitig und in optimaler Geschwindigkeit abzurufen. Die Ballflugrichtung der gegnerischen Schläge ist dabei variabel bzw. nicht festgelegt  – die Spielsituationen erfordern also immer komplexe Reaktionsleistungen. Wenn die Reaktionsschnelligkeit nicht ausreicht, um Handlungssituationen erfolgreich zu lösen – dies gilt vor allem für Sportarten, in denen primär Auswahlreaktionen gefordert sind – steigt der Einfluss der Antizipationsschnelligkeit auf die Reaktionsleistung. Der Stellenwert der Antizipation ist insbesondere dann hoch, wenn vor dem eigentlichen Reiz genügend Zeit für eine Vorentscheidung (Handlungsvorwegnahme) bleibt, jedoch im Anschluss an das Sig-

259 Schnelligkeitstraining

nal der Zeitdruck extrem hoch ist (z.  B. beim Return im Tennis, beim Strafstoß im Fußball oder beim Strafwurf im Handball). Ein Sportler, der voraussehen kann, was in bestimmten Spiel- bzw. Wettkampfsituationen passieren wird, ist gegenüber seinem Gegner im Vorteil. Eine solche Voraussage kann selbstverständ­lich nicht exakt sein, dennoch: Wenn der Athlet die möglichen Handlungsoptionen des Gegners und/oder des eigenen Mitspielers bzw. der eigenen Mitspieler auf eine überschaubare Anzahl eingrenzen kann, gewinnt er einen Vorteil. Dies ist allerdings auch mit einem gewissen Risiko verbunden, da eine Antizipation stets auch zu vereinzelt falschen Vorentscheidungen führt und bei falscher Voraussage ein erfolgreiches Umprogrammieren des vorweggenommenen Bewegungsablaufs schwierig ist (Ferrauti et al. 2016). Antizipationsleistungen werden durch das Wissen von der Sportart bzw. Disziplin und somit im Wesentlichen durch das Trainingsalter und die damit verbundene Wettkampferfahrung bestimmt. Hierbei spielt die Wahrnehmung eine große Rolle. Sportler, die wichtige Schlüsselreize (sog. Cues) kennen, können bei der Informationsaufnahme die Signale optimal filtern und dadurch aus der riesigen Informationsmenge die wichtigsten handlungsrelevanten Signale erkennen. Beispielsweise konnten Untersuchungen im Tennis zeigen, dass sich Fortgeschrittene und Anfänger zum Zeitpunkt der gegnerischen Schlagausführung in ihrer selektiven Aufmerksamkeit unterschieden. Der Blick der Anfänger driftete umher, ohne sich auf bestimmte Bewegungsmerkmale zu konzentrieren. Die fortgeschrittenen Spieler fokussierten ihren Blick auf den Schläger des Gegners und den unteren Teil seines dominanten Arms. Die von diesem Bereich ausgehenden Schlüsselreize ermöglichten es ihnen, Schlagart und vor allem Schlagrichtung zu antizipieren (Kovacs et al. 2016). Im Gegensatz zur Reaktions- und Antizipationsschnelligkeit bezieht sich die Bewegungsschnelligkeit ausschließlich auf die motorische Komponente der sportlichen ­Handlung. Sie äußert sich in einer vom neuromuskulären System erreichbaren maximalen Bewegungsgeschwin-

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Antizipationsschnelligkeit Die Antizipationsschnelligkeit ist die mentale Fähigkeit, vorauszuahnen, was in bestimmten Spiel- bzw. Wettkampfsituationen passieren wird. Insbesondere im Sportspiel hängt die Qualität von Reaktionen daher vor allem von der Antizipationsleistung ab. Erfolgreich antizipatorisch gemeisterte Spielsituationen setzen sportartspezifisches und situatives Erfahrungswissen sowie Kenntnisse über das Verhalten des Gegners bzw. Mitspielers voraus (Hottenrott und Neumann 2016).

digkeit während der Bewegungsausführung. Dabei vollzieht sich die Bewegungsschnelligkeit immer in Raum und Zeit und manifestiert sich in einer Ortsveränderung einzelner Körperteile, des gesamten Körpers oder eines Sportgeräts (Schnabel et  al. 2014). Physikalisch wird sie als Geschwindigkeit (v  =  s/t; v  =  Geschwindigkeit, s = Weg, t = Zeit, Maßeinheit = Meter pro Sekunde bzw. m/s) oder Winkelgeschwindigkeit (ω = φ/t, ω = Winkelgeschwindigkeit φ = Rotationswinkel, t  =  Zeit, Maßeinheit = Rotationswinkel pro Sekunde bzw. °/s) definiert. Bewegungsschnelligkeit Schnelligkeitsleistungen im Sinne der Bewegungsschnelligkeit beziehen sich ausschließlich auf die motorische Komponente der Bewegungsausführung und beinhalten die vom Nerv-Muskel-System erreichbaren höchsten Bewegungsgeschwindigkeiten (Steinhöfer 2008; Schnabel et al. 2014).

Entsprechend der Strukturvarianten sportlicher Handlungen wird ferner zwischen zyklischer und azyklischer Schnelligkeit unterschieden (. Abb. 5.1). Werden Bewegungsakte bzw. Bewegungszyklen schnellstmöglich und wiederholt hintereinander ausgeführt, spricht man von zyklischer Frequenz- oder Bewegungsschnelligkeit. Da hierbei häufig eine Wegstrecke zurückgelegt wird,  

260

T. Wiewelhove

Exkurs: Frequenzschnelligkeit

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Frequenzschnelligkeit wird häufig als Synonym für zyklische Bewegungsschnelligkeit gebraucht. Sie gibt an, mit welcher Frequenz (lat. für Häufigkeit) alternierende bzw. sich wiederholende Bewegungen (z. B. die Schrittfrequenz beim 100-m-Sprint, die Trittfrequenz beim Bahnradsprint oder die Beinschlagfrequenz beim 50-m-Kraulsprint) in einer Zeiteinheit realisiert werden können (Olivier et al. 2008; Hottenrott und Neumann 2016). Die maximale Bewegungsfrequenz als Ausdruck grundlegender Schnelligkeit ist an einfache motorische Abläufe gebunden und wird durch die Qualität neurophysiologischer Steuerungsprozesse bestimmt. Sie ist hierbei weitgehend unabhängig von anderen motorischen Leistungsfaktoren und kann daher als Subkategorie der elementaren Schnelligkeit angesehen werden. Innerhalb komplexer zyklischer Bewegungen kann

sprechen einige Autoren von Fortbewegungsschnelligkeit oder lokomotorischer Schnelligkeit (Steinhöfer 2008). Unter disziplinspezifischen Gesichtspunkten ist beispielsweise der leichtathletische Sprint oder der Sprint im Bahnradsport der zyklischen Schnelligkeit zuzuordnen. Ganz allgemein fällt aber z. B. auch der Trommelwirbel beim Schlagzeugspielen in diese Kategorie. Azyklische Sequenz- oder Bewegungsschnelligkeit ist die Schnelligkeitsleistung bei Einzelbewegungen, d. h., wenn Bewegungsprogramme einmalig ausgeführt werden. Azyklische Bewegungen haben also einen eindeutig bestimmbaren Ausgangs- und Endpunkt (Joch

eine bei einfachen Bewegungsabläufen erreichte maximale Bewegungsfrequenz aufgrund der höheren Anforderungen an die Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und/oder Fertigkeitsausprägung jedoch nicht realisiert werden. Beispielsweise ist das Erreichen höchster Geschwindigkeiten im 100-m-Sprint nicht ausschließlich von der Bewegungsfrequenz, sondern ebenso von der Bewegungsamplitude abhängig. Je nach Art der Bewegung muss also zwischen der maximalen Bewegungsfrequenz und der Frequenz als einem Element der komplexen zyklischen Schnelligkeitsleistung unterschieden werden (Thienes 1998). Die Frequenzschnelligkeit sollte folglich nicht als Synonym für zyklische Bewegungsschnelligkeit verwendet werden. Gleiches gilt für den Begriff Sequenzschnelligkeit, der häufig synonym für schnelle azyklische Bewegungsprogramme gebraucht wird.

und Ückert 1999). Hierzu zählen Würfe, Schüsse, (Ab-)Sprünge, Schläge oder Stöße. In der Sportpraxis treten azyklische Bewegungen nicht immer, aber häufig in Kombination mit zyklischen Bewegungselementen in Erscheinung. Beispielsweise wird die Sprung- oder Wurfleistung beim leichtathletischen Weitsprung bzw. Speerwurf durch den zyklischen Anlauf begünstigt. Auch Fußballer erreichen die höchsten Schussgeschwindigkeiten nicht ohne vorherigen Anlauf. Einige Erscheinungsformen der Schnelligkeit lassen sich nicht eindeutig in eine der genannten Schnelligkeitsdimensionen einordnen. Sie sind

Exkurs: Theoretisches Systematisierungsmodell der Schnelligkeit und empirische Daten Krug et al. (2019) sind der Frage nachgegangen, ob sich die Systematisierung der Schnelligkeit mit den Faktoren Reaktionsschnelligkeit, zyklische Schnelligkeit, azyklische Schnelligkeit (zyklische und azyklische Schnelligkeit wurden im Verlauf der Datenanalyse in einem Faktor integriert und als reaktive Schnelligkeit benannt) und willkürlich initiierbare Schnelligkeit (d. h. Schnelligkeit bei nichtreaktiven Bewegungen aus definierter Vorspannung oder relativer Ruhe) mit empirischen Daten bestätigen lässt. In einem ersten Schritt ergab eine explorative Faktorenanalyse eine Differenzierung der Reaktionsschnelligkeit in Einfachreaktion und komplexe Reaktion. Das

Gesamtergebnis einer konfirmatorischen Faktorenanalyse folgte dieser Erkenntnis und zeigte, dass sich Reaktionsschnelligkeit (als übergeordneter Faktor von Einfach- und Wahlreaktion), Frequenzschnelligkeit und willkürlich initiierte Schnelligkeit als eigenständige Faktoren nachweisen lassen, während die reaktive Schnelligkeit keinen eigenen Faktor bildete (möglicherweise weil hierzu zu wenige Tests eingesetzt werden konnten). Basierend auf den ausgewerteten korrelativen Beziehungen vermuten Krug et al. (2019) zudem, dass willkürlich initiierte und reaktive Schnelligkeit nicht unabhängig von Parametern der Schnellkraft sind.

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261 Schnelligkeitstraining



3,8 20-m-LS-Test (s)

entweder zu komplex oder stellen eher eine Leistungsvoraussetzung für schnelle Bewegungen dar, als dass sie eine eigenständige bzw. übergeordnete Schnelligkeitskategorie repräsentieren. Hierzu zählen die Handlungs- und Richtungswechselsprintschnelligkeit sowie die Beschleunigungsleistung und die Schnelligkeitsausdauer. Die Handlungsschnelligkeit ist die komplexeste Schnelligkeitserscheinung. Sie bezieht sich auf die Fähigkeit, strategisch-taktische bzw. technisch-taktische Handlungen in Abhängigkeit der Spiel- bzw. Wettkampfsituation präzise sowie in optimaler Zeit und Intensität zu realisieren (Steinhöfer 2008). Die Handlungsschnelligkeit ist daher vor allem in den Sportspielen und den Kampfsportarten eine wichtige Erscheinungsform der Schnelligkeitsleistung. Die Komponenten der Handlungsschnelligkeit sind die Reaktions- und Antizipationsschnelligkeit sowie die zyklische und azyklische Bewegungsschnelligkeit. Die Qualität der Handlungsschnelligkeit ist also abhängig vom Niveau der koordinativ-konditionellen Fähigkeiten sowie der technisch-­taktischen Fertigkeiten und findet ihren Ausdruck in der für die kognitiven Prozesse (d.  h. Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung) und für die motorische Lösung der Handlungsaufgabe benötigten Gesamtzeit (Weineck 2009; Schnabel et al. 2014; ). Die Richtungswechselsprintschnelligkeit (RWS) beschreibt die Fähigkeit, die initiale Lauf- bzw. Sprintrichtung zu einem zuvor bestimmten und bekannten Ort oder Raum schnellstmöglich zu ändern. Sie hebt sich hinsichtlich ihrer Komplexität ebenfalls von der zyklischen Bewegungsschnelligkeit ab. Dies zeigt sich unter anderem in den Korrelationen zwischen der linearen Sprintfähigkeit und der Leistung im RWS-­Test, die meist nur niedrig bis moderat ausfallen (Brughelli et al. 2008). Eine Untersuchung mit 102 Nachwuchsleistungstennisspielerinnen und -spielern bestätigt diese Befunde (. Abb. 5.2). Auch konnten Trainingsstudien zeigen, dass ein Schnelligkeitstraining mit linearen Sprints die RWS nicht verbesserte. Hingegen beeinflussten Richtungswechselläufe sowie verschiedene Formen des Sprungkraft-

n = 102 r = 0,44 p < 0,001

3,6 3,4 3,2 3,0 2,8

6,0

7,0

8,0

9,0 10,0 RWS-Test (s)

11,0

12,0

..      Abb. 5.2  Mittlerer Zusammenhang (r = 0,44) zwischen der Leistung im 20-m-­Linearsprinttest (20-m-LS-Test) und in einem tennisspezifischen Richtungswechselsprinttest (RWS-Test) bei 102 Nachwuchsleistungstennisspielerinnen und -spielern

trainings die Leistung im RWS-Test positiv (Brughelli et al. 2008). Die Autoren vermuten, dass die RWS im Vergleich zur linearen Sprintschnelligkeit von einem komplexeren Geflecht aus Leistungsvoraussetzungen determiniert wird, zu denen neben der linearen Sprintfähigkeit vor allem verschiedene Kraftfähigkeiten gehören (u. a. exzentrische Kraft der Kniebeuger; Brughelli et al. 2008; Jones et al. 2009). Die RWS ist insbesondere in den Sportspielen eine wichtige Leistungsvoraussetzung, um den disziplinspezifischen Anforderungen gerecht zu werden (Nimphius et al. 2013). Folglich absolvieren Sportspielerinnen und -spieler im Rahmen einer Leistungsdiagnostik regelmäßig RWS-Tests. Die Bewertung der Testleistung erfolgt meist anhand der erzielten Gesamtzeit. Diese gibt jedoch keine differenzierte Auskunft darüber, ob die Testleistung auf der Basis einer guten linearen Sprintfähigkeit und/ oder einer guten Richtungswechselfähigkeit zustande gekommen ist. Um dieser Problematik konstruktiv zu begegnen, wurde die Berechnung des sogenannten RWS-Defizits (Change of Direction Speed Deficit) vorgeschlagen. Das RWSD ergibt sich aus der im RWS-Test erreichten Gesamtzeit abzüglich der 0–10-m-Zwischenzeit im Linearsprinttest (Loturco et al. 2018). Die Berechnung des RWSD ermöglicht eine isolierte Identifikation der Fähigkeit, bei einem Sprint schnell die Laufrichtung zu ändern (Nimphius et al. 2016).

262

T. Wiewelhove

Exkurs: Agility

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Im angloamerikanischen Sprachraum wurde der Begriff Agility meist synonym mit der Richtungswechselsprintschnelligkeit verwendet. Aufgrund von weiterentwickelten Strukturansätzen wird Agility aber mittlerweile von vielen Autoren als Fähigkeit definiert, basierend auf Wahrnehmungen bzw. kognitiven Prozessen schnellstmöglich auf einen Stimulus zu reagieren (z. B. das Bewegungsverhalten des Verteidigers im Fußball) und in der Folge die Lauf- bzw. Sprintrichtung zu verändern (Nimphius 2014). Damit unterscheidet sich die Agility von der reinen RWS dahingehend, dass eine kognitive Komponente als Leistungsvoraussetzung hinzukommt. In der Folge wurden leistungsdiagnostische Tests entwickelt, die zusätzlich zum Richtungswechselsprint eine kognitive Leistungskomponente in die Testaufgabe integrieren (z. B. der Reactive Agility Test oder der Reaction and Action Speed Test for Soccer Goalkeepers; Farrow et al. 2005; Knoop et al. 2013). Zusammenhangsanalysen ergaben, dass die Leistung in Agility-Tests unabhängig

Die Beschleunigungsfähigkeit repräsentiert zwar keine eigenständige Schnelligkeitskategorie. Sie ist aber eine zentrale Leistungsvoraussetzung für schnelle Bewegungen. Das bedeutet, dem eigenen Körper oder einem Sportgerät durch ein zweckmäßiges Nutzen des Beschleunigungswegs eine möglichst hohe Geschwindigkeit zu verleihen, setzt immer Beschleunigung voraus. Die Beschleunigungsleistung wird durch die Relation der eingesetzten Kraft und der zu beschleunigenden Masse bestimmt. Da physikalisch die Kraft das Produkt aus Masse und Beschleunigung ist, ergibt sich, dass die Beschleunigung als Quotient aus Kraft und Masse definiert wird (a = v2 − v1/t2 − t1, a = Beschleunigung, s = Weg, t = Zeit, Maßeinheit = Meter pro Sekunde zum Quadrat bzw. m/s2; Joch und Ückert 1999; Scheid und Prohl 2003; Steinhöfer 2008). Große Kräfte können daher bei gleicher Masse zu schnelleren Beschleunigungen führen als geringe Kräfte. Bei gleichem Körpergewicht könnte ein kräftigerer 100-m-Sprinter schneller beschleunigen als sein weniger kräftiger Kontrahent. Andersherum führen gleiche Kräfte bei unterschiedlichen Massen zu unterschiedlichen Beschleunigungsleistungen. Beispielsweise hat ein Hochspringer Vorteile, wenn er trotz gerin-

von der Leistung in RWS-Tests ohne kognitive Komponente ist (Farrow et al. 2005). Ferner sind Agility-Tests besser in der Lage, zwischen Leistungsund Amateursportlern zu differenzieren. Dies weist daraufhin, dass das kognitive Element des Agility-Tests einen wichtigen leistungssensitiven Faktor darstellt (Young et al. 2015). Zumindest im Kontext der RWS scheint es somit gerechtfertigt zu sein, die reine RWS und die Agility als jeweils eigenständige Fähigkeitskategorie darzustellen, wobei bei der reinen RWS noch zwischen den Dimensionen Richtungswechselsprintfähigkeit und Wendigkeit unterschieden werden kann. Die Richtungswechselsprintfähigkeit betrifft die Leistung in RWS-Tests mit einem oder höchstens zwei Richtungswechseln (z. B. 5-0-5-Test), während die Wendigkeit die Leistung bei RWS-Tests mit drei oder mehr „scharfen“ (d. h. 180°) und/oder „weichen“ (d. h. < 180°) Richtungswechseln beschreibt (z. B. L-Run-Test oder T-Test; Gabbett und Sheppard 2013; Nimphius 2014).

geren Körpergewichts die gleichen Kräfte aufbringen kann wie sein Kontrahent (Scheid und Prohl 2003). Aus den physikalischen Zusammenhängen wird der enge Bezug der Beschleunigungsfähigkeit zur Kraft deutlich. In diesem Sinne sind Beschleunigungsleistungen auch keineswegs reine oder elementare Schnelligkeitsleistungen  – sie können vielmehr als eine spezifische Form der Schnellkraft angesehen werden (Steinhöfer 2008; Schnabel et  al. 2014). Der Einfluss der Kraft auf die Beschleunigungsleistung wird dabei umso leistungsbeeinflussender, je höher die zu beschleunigenden Widerstände sind. Dies gilt sowohl für zyklische (z. B. das Anschieben eines Bobs) als auch für azyklische (z. B. das Stoßen einer Kugel) Bewegungen. Die zyklische Variante der Beschleunigung spielt insbesondere bei kurzen Antritten und Sprints eine Rolle, während sich die azyklische Beschleunigungsleistung auf die Qualität von Sprung-, Wurf-, Schlag- oder Schussbewegungen bezieht. Neben der Kraft können die Beschleunigungsleistungen hier im Zusammenhang mit dem biomechanischen Prinzip der „Länge des Beschleunigungswegs“ und dem Prinzip der „Anfangskraft“ gesehen werden

263 Schnelligkeitstraining

5

Exkurs: Der Zusammenhang zwischen Kraft- und Beschleunigungsleistungen Müssen hohe äußere Widerstände maximal schnell beschleunigt werden, ergeben sich im Kraft-ZeitVerlauf hohe Kraftspitzen. Die Zeit bis zur maximalen Kraftentfaltung ist dabei so lang (>200 ms), dass alle Muskelfasern – selbst die schnellen Typ-II-Fasern – genügend Zeit haben, sich an der Kraftbildung zu beteiligen. Solche Beschleunigungsleistungen sind deshalb eindeutig von der Schnell- bzw. deren Voraussetzung in Form der Maximalkraft abhängig. Je geringer die zu

(Joch und Ückert 1999). Aufgrund ihrer vergleichsweise kurzen Beschleunigungswege gilt dies erst recht für azyklische Bewegungen. Das bedeutet, maximale Beschleunigungsleistungen bei Sprüngen, Würfen, usw. sind neben der eingesetzten Kraft insbesondere von der Länge des Beschleunigungswegs sowie der im Sinne der „Anfangskraft“ eingesetzten Ausholbewegung abhängig. Die Qualität der Ausholbewegung kann ferner durch die biomechanischen Prinzipien der „zeitlichen Koordination von Teilimpulsen“ (7 Abschn.  4.2: Intermuskuläre Koordination) und der „Muskelvordehnung“ (7 Abschn. 4.1: DVZ) erklärt werden. Die Schnelligkeitsausdauer wird nur von wenigen Autoren als eigenständige Leistungsvoraussetzung im Kontext der Schnelligkeitsdimension beschrieben und ist daher auch nicht eindeutig definiert. Dies liegt u. a. an den trainingsmethodischen Überschneidungen, die sich vor allem aus energetischer Sicht zwischen der Schnelligkeitsausdauer und dem Ausdauertraining ergeben. Im weitesten Sinne kennzeichnet die Schnelligkeitsausdauer die Fähigkeit, höchste Geschwindigkeiten über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten zu können bzw. den ermüdungsbedingten Geschwindigkeitsabfall möglichst gering zu halten. Diese Begriffsbestimmung bezieht sich vor allem auf einmalig absolvierte zyklische Bewegungen, weshalb die Schnelligkeitsausdauer häufig auch als Sprintausdauer bezeichnet wird. Sie lässt allerdings offen, ob damit nur relativ kurze (z.  B. 100-m-Sprint) oder auch länger andauernde (z. B. 400-m-Lauf) Schnelligkeitsleistungen gemeint sind (Steinhöfer 2008). Ferner sind in  



beschleunigende Last ist (z. B. der Schläger im Badminton), umso kürzer ist die Kraftbildungszeit bis zur Kraftspitze. Folglich beteiligen sich auch nicht alle zur Verfügung stehenden Muskelfasern bei der Erbringung der Beschleunigungsleistung, weshalb der Kraftimpuls insgesamt niedriger ausfällt. Sind also die zu beschleunigenden Widerstände gering, ist vielmehr die Schnelligkeit und weniger die Kraft leistungsbestimmend (Scheid und Prohl 2003; Steinhöfer 2008).

intervallbasierten Sportarten (z. B. Fußball) wiederholte, kurze bis mittlere Beschleunigungsbzw. Schnelligkeitsleistungen mit teils hohen Krafteinsätzen bedeutsam. Hierbei sollte der ermüdungsbedingte Geschwindigkeitsabfall nicht nur während einer einzelnen Aktion, sondern auch über die Wiederholungen hinweg möglichst gering sein. Es kommt also z. B. auf die Wiederholungssprintfähigkeit an. Schnelligkeitsausdauer Die Schnelligkeitsausdauer bezeichnet im weitesten Sinne die Fähigkeit, höchste Bewegungsgeschwindigkeiten über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten zu können und/oder sowohl bei einmalig als auch bei mehrmals in kurzer Zeit hintereinander absolvierten Schnelligkeitsbelastungen den ermüdungsbedingten Geschwindigkeitsabfall möglichst gering zu halten.

5.2

Biologische Grundlagen

Die Differenzierung der Schnelligkeit in Fähigkeitsdimensionen ist notwendig, um unterschiedliche Methoden des Schnelligkeitstrainings auszuweisen und hinsichtlich ihrer Belastungscharakteristika zu definieren. Zugleich darf die theoriegeleitete Abgrenzung von Erscheinungsformen der Schnelligkeit nicht dazu führen, dass die Wechselbeziehungen der Schnelligkeitskomponenten untereinander au-

264

T. Wiewelhove

anlage-, entwicklungsund lernbedingte Einflussgrößen kalendarisches Alter biologisches Alter Geschlecht

5

Anthropometrie Konstitution Technik

sensorischkognitive und psychische Einflussgrößen Konzentration (selektive Aufmerksamkeit) Informationsaufnahme, verarbeitung, -steuerung und -regelung Motivation, Willenskraft, Anstrengungsbereitschaft und Durchsetzungsvermögen Wissen, Erfahrung, Erwartung und Antizipationsfähigkeit

neuronale Einflussgrößen

tendomuskuläre Einflussgrössen

intramuskuläre Koordination (Rekrutierung und Frequenzierung von motorischen Einheiten)

Muskelfasertypenverteilung

intermuskuläre Koordination (Zusammenwirken verschiedener Muskeln)

Kontraktionsgeschwindigkeit

Muskelfaserquerschnitt

Muskel- und Sehnenelastizität

Koaktivierung

Viskosität (intramuskulärer Reibungswiderstand)

Reizleitungsgeschwindigkeit

Muskellänge und Extremitäten-RumpfHebelverhältnisse

Vorinnervation

Talent

mentale Stärke

Reflexinnervation

Energiebereitstellung

Sozialisierung

Lernfähigkeit

neuromuskuläre Innervationsmuster

Muskeltemperatur

..      Abb. 5.3  Einflussgrößen auf die Schnelligkeit

ßer Acht gelassen werden. Außerdem muss be- durch den Aufbau der Skelettmuskulatur, rücksichtigt werden, dass sowohl die informa- sprich den Muskelquerschnitt, die Muskelartorische als auch die motorische Schnelligkeit chitektur und das Muskelfaserspektrum sowie Relation des in ihren unterschiedlichen Erscheinungen ver- ferner durch die Kraft-Längen-­ schiedensten biologischen und zum Teil sozio- Muskels, die neuromuskuläre Signalübertralogischen Einflussgrößen unterliegen, die die gung und/oder die Energiebereitstellung beQualität von Schnelligkeitsleistungen bestim- einflusst. Eine ausführliche Übersicht über die Einflussgrößen auf die Schnelligkeit bzw. über men (Damerow 2005). Soll schnell reagiert werden und/oder sol- die beteiligten Funktionssysteme des Organislen Bewegungen schnell ausgeführt werden, mus liefern Geese und Hillebrecht (1995); stellt dies unterschiedliche, spezifische Anfor- Grosser (1991) und Weineck (2009). Sie diffederungen an die Funktionssysteme des Orga- renzieren zwischen anlage-, entwicklungs- und nismus. Diese werden aber häufig in ihrer Ge- lernbedingten sowie sensorisch-kognitiven, psysamtheit benötigt. Insofern existiert auch kein chischen, neuronalen und tendomuskulären Einausschließlich schnelligkeitsspezifisches biolo- flussgrößen (. Abb. 5.3), die in Abhängigkeit von gisches System (Schnabel et  al. 2014). Viel- sportart- oder bewegungsspezifischen Besondermehr gelten zahlreiche der bereits in heiten in unterschiedlichem Ausmaß von Be7 Abschn.  4.2 besprochenen anatomisch-­ deutung sind. Die aus biologischer Perspektive physiologischen Strukturen und Funktionen wichtigsten Einflussgrößen auf die Schnellignicht nur für Kraft-, sondern im Wesentlichen keit werden im weiteren Verlauf dieses Kapiauch für Schnelligkeitsleistungen. So wird die tels – in Orientierung an die in . Abb. 5.3 vorSchnelligkeit beispielsweise unter anderem geschlagene Struktur – näher beschrieben.  





265 Schnelligkeitstraining

5

Beispiel: African Sprinters Die afrikanische Bevölkerung liefert in diesem Zusammenhang ein anschauliches Beispiel (vgl. 7 Abschn. 7.3). So haben die besten Langstreckenläufer der Welt ihre Wurzeln im Osten des Kontinents, während die besten Sprinter der Welt westafrikanischer Herkunft sind. Nimmt man die boykottierten olympischen Spiele von 1980 aus, dann gewann 1972 zum letzten Mal ein nicht dunkelhäutiger Sprinter Olympiagold über 100 Meter. Einer der Gründe dafür könnte das α-Actinin-3(ACTN3-)Gen sein. In Abhängigkeit der ethnischen Zugehörigkeit wurde bei etwa 20–50 % der Menschen  

5.2.1

eine Mutation des ACTN3-Gens identifiziert. Das sogenannte R577X-Allel, das im Allgemeinen am seltensten bei Afrikanern auftritt, geht dabei mit einem hohen Anteil an langsamen Muskelfasertypen einher. Hingegen weisen Afrikaner und Topsprinter das höchste Vorkommen der nichtmutierten Version des ACTN3-Gens, das R577R-Allel, auf, das wiederum mit einem hohen Anteil an schnellen Muskelfasertypen verlinkt ist (Yang et al. 2003; Niemi und Majamaa 2005; Pickering und Kiely 2017). Offenbar besitzt also vor allem die aus Westafrika stammende Bevölkerung den „richtigen“ Genpool für den Sprintsport.

 nlage-, entwicklungs- und les Zusammenwirken nervaler und muskulärer A lernbedingte Einflussgrößen Strukturen durch Training positiv beeinflusst

Einige der in . Abb. 5.3 genannten Faktoren, wie beispielsweise die Muskelfasertypenverteilung, die Muskellängen, die Extremitäten-Rumpf-Hebelverhältnisse oder das Geschlecht, sind vornehmlich oder vollständig genetisch festgelegt und durch Training entweder gar nicht oder nur noch bedingt veränderbar (Weineck 2009). Hieraus erschließt sich, warum die Schnelligkeit nach allgemeiner Auffassung stärker anlagebedingt und in geringerem Umfang trainierbar ist als beispielsweise die Kraft. In welchem Maße die genetische Prädisposition die Leistung in schnelligkeitsdominierten Sportarten mitbestimmt, ist jedoch weiterhin umstritten. Während beispielsweise der enorme Einfluss der Veranlagung auf die Leistung beim 100- und 200-m-Sprint außer Frage steht, scheint es, als seien die Gene bei sportlichen Bewegungen wie z.  B. dem leichtathletischen Speerwurf weniger bedeutsam für die Erreichung von Spitzenleistungen. Das bedeutet, je komplexer die Bewegung und je höher die koordinative Anforderung ist, desto geringer ist der anlagebedingte Einfluss auf die Schnelligkeitsleistung. Der Auffassung, dass die Schnelligkeit vordergründig als Problem der Selektion und Talentfindung anzusehen ist, kommt daher keine Allgemeingültigkeit zu. Vielmehr zeigt sich aus Erfahrungen der Trainingspraxis und aus Untersuchungen, dass ein optima 

werden kann. Die Art und Weise dieses Zusammenwirkens wird durch die Schnelligkeitsleistungen bei sportlichen Bewegungen charakterisiert und spiegelt unter anderem die Qualität neuromuskulärer Steuer- und Regelprozesse wider (Bauersfeld und Voss 1992). Aufgrund des komplexen Zusammenspiels verschiedenster Einflussgrößen lässt sich der Einfluss des Erbguts auf eine Vielzahl von Schnelligkeitsleistungen wohl nicht eindeutig klären. Jenseits des 30. Lebensjahrs wirkt sich das fortschreitende Alter schließlich nachteilig auf die Schnelligkeitsleistung aus. Die Schnelligkeit ist nämlich derjenige physische Leistungsfaktor, der mit zunehmendem Alter am frühesten und ausgeprägtesten abnimmt. Dies hängt vorrangig mit der altersbedingten Abnahme von Kraft- und koordinativen Fähigkeiten zusammen, welche die Schnelligkeit im Wesentlichen limitieren. Nichtsdestotrotz kann die Reduktion von Schnelligkeitsleistungen auch im fortschreitenden Alter durch entsprechendes Training zum Teil kompensiert werden (Scheid und Prohl 2003; Weineck 2009). Ferner können anthropometrische Faktoren Schnelligkeitsleistungen beeinflussen. So lässt sich beobachten, dass vor allem großgewachsene Tennisspieler aufgrund günstigerer Hebelverhältnisse die höchsten

266

T. Wiewelhove

Schlagschnelligkeiten aufweisen und somit in der Lage sind, den Gegner unter Druck zu setzen und dadurch auch mögliche Defizite der eigenen Laufschnelligkeit kompensieren. Umgekehrt weisen kleinere Tennisspie-

ler eine meist exzellente RWS und Agilität auf. Dies erscheint notwendig, um die niedrigeren Schlaggeschwindigkeiten als Folge der ungünstigeren Hebelverhältnisse zu kompensieren.

Beispiel: Sensorisch-kognitive und psychische Einflussgrößen

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Auch sensorisch-kognitive oder psychische Faktoren können die Schnelligkeit beeinflussen. Beispielsweise kann eine optimal ausgeprägte Motivationsund Konzentrationsfähigkeit sowie mentale Stärke im Training und Wettkampf schnelligkeitsbegünstigend sein. Asafa Powell liefert in diesem Zusammenhang ein anschauliches Beispiel. Dem mehrfachen Weltrekordhalter im 100-Meter-Lauf gelang es trotz Favoritenstatus nicht, eine Goldmedaille in einem Einzelrennen bei olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften zu gewinnen. Dies liegt womöglich in dem störenden Einfluss antagonisti-

5.2.2

Neuronale und tendomuskuläre Einflussgrößen

Aus biologischer Sicht ist der besondere Einfluss des neuromuskulären Systems bzw. des Nerv-Muskel-Systems auf die Schnelligkeitsleistung hervorzuheben. Dabei spielen ­zentralnervale, peripher nervale und sensomotorische Prozesse eine wichtige Rolle. Zentralnervale Prozesse sind Vorgänge, die im Zentralnervensystem, sprich im Gehirn und Rückenmark bzw. im spinalen und supraspinalen Anteil des Nervensystems, ablaufen. Periphere nervale Prozesse laufen außerhalb des Zentralnervensystems, also im peripheren Nervensystem, ab. Das periphere Nervensystem ist der Teil des Nervensystems, der nicht zum zentralen Nervensystem gehört und somit außerhalb des Schädels und des Wirbelkanals liegt. Es wird durch die Rezeptoren und peripheren Nervenfasern gebildet und verbindet das Zentralnervensystem mit den Effektororganen (z.  B.  Muskeln). Die Abgrenzung zwischen peripherem und zentralem Nervensystem erfolgt jedoch rein topografisch. Aus funktioneller Perspektive sind sie keine eigen-

scher Koaktivierungen begründet, die insbesondere dann auftreten können, wenn Athleten unter großem psychischem Druck stehen. In der Folge versuchen Sportler, eine Bewegung, die normalerweise automatisch ausgeführt wird, willentlich zu beeinflussen. Dies bringt eine Verschlechterung der Koordination im Moment der psychischen Überforderung mit sich, und es setzt eine Dissoziation bzw. Entautomatisierung der Bewegung ein (Weineck 2009). Es ist bekannt, dass Asafa Powell vor bedeutenden Wettkämpfen unter extremer Anspannung und Schlaflosigkeit litt.

ständigen Systeme. Beispielsweise liegt der Zellkörper von motorischen Nerven im Zentralnervensystem, während sich ihre Nervenzellfortsätze im peripheren Nervensystem befinden. Sensomotorische Prozesse beinhalten schließlich all das, was mit Bewegungen zusammenhängt. Hierzu gehören die Aufnahme von Reizen aus der Umwelt über die bewusste und unbewusste Verarbeitung von Informationen und Erfahrungen bis hin zur Bewegungsausführung und deren Reflektion im Bewusstsein des Athleten (Bauersfeld und Voss 1992). Das neuromuskuläre System bzw. neuromuskuläre Prozesse beinhalten demnach das Zusammenwirken von Nerven- und Muskelsystem, was sowohl zentralnervale und periphernervale als auch muskelkontraktile Prozesse einschließt. Zum neuromuskulären System gehören unter anderen: 55 Exterorezeptoren, die Reize bzw. Signale von außen aufnehmen und somit an der Außenwahrnehmung des Menschen beteiligt sind, 55 Propriorezeptoren, wie beispielsweise Muskelspindeln und Golgi-Sehnenorgane, die Signale aus dem eigenen Körper aufnehmen,

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55 afferente und efferente Nervenfasern bzw. motorische Nerven/Motoneurone, 55 Synapsen und motorische Endplatten, 55 Muskeln bzw. Muskelfasern. Das neuromuskuläre System ist dabei auf unterschiedliche Weise limitierend an schnellen Bewegungen und/oder Reaktionen beteiligt. So nimmt die Nerven- bzw. Reizleitungsgeschwindigkeit als schnelligkeitslimitierender Faktor eine solche Rolle ein. Sie gibt an, wie schnell elektrische Impulse entlang einer Nervenfaser weitergeleitet werden. Dabei weisen unterschiedliche Nervenfasern aufgrund ihres unterschiedlichen Aufbaus verschiedene Nervenleitgeschwindigkeiten auf. Ausschlaggebendes Kriterium ist dabei die Ausbildung der Markbzw. Myelinscheide. So leiten dünne unmyelinisierte bzw. marklose Nervenfasern mit etwa 1 m/s, während dicke myelinisierte bzw. markreiche Fasern mit rund 100  m/s eine deutlich schnellere Erregungsleitung ermöglichen. Diskutiert wird, ob der Anteil schnell leitender Nervenfasern als Teilvoraussetzung für schnelle Bewegungen genetisch präformiert ist. Diesbezüglich konnten Untersuchungen zeigen, dass Sportler aus Schnellkraftsportarten und anderen Sportarten unterschiedliche Nervenleitgeschwindigkeiten aufwiesen. Beispielsweise unterschieden sich leichtathletische Sprinter deutlich von leichtathletischen Langstreckenläufern und Gehern (Bauersfeld und Voss 1992). Interessanterweise verfügten einerseits Schnellkraftsportler mit guten Leistungen in ihren Disziplinen auch über vergleichsweise hohe Nervenleitgeschwindigkeiten, während andererseits Athleten mit hohen Nervenleitgeschwindigkeiten zum Teil keine herausragenden Leistungen erreichten (Bauersfeld und Voss 1992). Allerdings konnte keine Spitzenleistung bei niedrigen Nervenleitgeschwindigkeiten beobachtet werden. Hieraus ergibt sich, dass die Nervenleitgeschwindigkeit eine wichtige, jedoch nicht die einzige Voraussetzung für schnelle Bewegungen ist. Inwieweit die genannten Untersuchungsergebnisse auf eine Trainierbarkeit hinweisen oder lediglich eine basierend auf der geneti-

schen Präformierung vorgenommene Selektion widerspiegeln, bleibt unklar. Als ein weiterer schnelligkeitslimitierender Faktor sowohl im Kontext von Schnelligkeits- als auch Schnellkraftleistungen ist die Kontraktionszeit bzw. Kontraktionsgeschwindigkeit der Muskulatur zu nennen. Sie kennzeichnet die Zeit, die ein Muskel bei maximaler Aktivierung im erholten Zustand benötigt, um sich schnellstmöglich um einen definierten Betrag zu verkürzen. Der Vorgang der Kontraktion sowie der in diesem Zusammenhang ablaufende Gleitfilamentmechanismus und Querbrückenzyklus wurde bereits in 7 Abschn. 4.2 beschrieben. Als schnelligkeitslimitierend für die Kontraktionszeit des Muskels, die von der Anzahl und der Geschwindigkeit der einzelnen Querbrückenverbindungen zwischen Aktin und Myosin innerhalb der einzelnen Muskelfasern abhängig ist, gelten unter anderem die Höhe der Kalziumeinströmung sowie die Geschwindigkeit der Hydrolyse (d. h. Spaltung) von Adenosintriphosphat durch die Myosinköpfchen (Gold 2004). Aus funktioneller Sicht wird in diesem Zusammenhang zwischen langsam kontrahierenden Typ-I- sowie schnell kontrahierenden TypIIA- und Typ-IIX-­ Muskelfasern differenziert. Diese unterscheiden sich hinsichtlich ihrer strukturellen, kontraktilen, metabolischen und molekularen Charakteristika (. Tab.  4.1). Die maximale Geschwindigkeit der Muskelkontraktion wird demnach in hohem Maße durch die Muskelfasertypenverteilung im jeweiligen Skelettmuskel bestimmt (vgl. 7 Abschn.  4.2.3: Muskelfaserspektrum). Untersuchungen der Muskelfaserstruktur bei unterschiedlichen Sportlern belegen die Bedeutung eines hohen Anteils schnellkontrahierender Muskelfasern für Sportarten bzw. Disziplinen mit hohen Schnelligkeitsanforderungen. Beispielsweise erreichen Sportler mit einem höheren Anteil an Typ-IIA- und Typ-IIX-Fasern kürzere Bodenkontaktzeiten bei Absprungbewegungen aus dem Lauf als Sportler mit höherem Anteil an langsamen Typ-I-­Muskelfasern (Bauersfeld und Voss 1992). Ganz allgemein zeigte sich, dass der Anteil an schnellzuckenden Muskelfasern positiv mit der Schnelligkeit bei Bewegungen korre 





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liert (Weineck 2009). Dabei gilt allerdings auch für die Muskelfasertypenverteilung, dass eine große Anzahl an schnellen Muskelfasern zwar eine notwendige Bedingung für hohe Schnelligkeit ist, jedoch nicht ausschließlich die Schnelligkeitsleistung des neuromuskulären Systems bestimmt. Die neuromuskuläre Steuerung schneller Muskelkontraktionen erfolgt zunächst über die Erregung von Motoneuronen, die ihren Ursprung im Zentralnervensystem, sprich im Hirnstamm und im Vorderhorn des Rückenmarks, haben. Dabei gilt, dass ein einzelnes Motoneuron mitsamt aller der von ihm innervierten Muskelfasern als motorische Einheit bezeichnet wird. Diese stellt für die Steuerung willkürlicher wie unwillkürlicher Motorik eines Skelettmuskels die kleinste funktionelle Einheit dar und besteht aus einem α-Motoneuron, einem Axon bzw. Neurit, der motorischen Endplatte sowie den über die motorische Endplatte erregten Muskelfasern (. Abb. 5.4; vgl. 7 Abschn. 4.2: Neuromuskuläre Signalübertragung und Muskelkontraktion). Die Zahl der vom Motoneuron innervierten Muskelfasern ist dabei umso kleiner, je kleiner der Muskel ist bzw. je feiner koordiniert die von ihm ausgeführten Bewegungen sein müssen. Beispielsweise bestehen die motorischen Einheiten der Augen-, Zungen- oder Fingerspitzenmuskeln aus nur ca. 5–15 Muskelfasern. Indes werden die Muskeln des Oberschenkels, die eher grob koordinierte Bewegungen ausführen, von Motoneuronen versorgt, die zwischen 100 und 2000 Muskelfasern innervieren (de Marées 2003; Gold 2004; Müller et al. 2015). Muskelfasern einer motorischen Einheit weisen ähnliche Eigenschaften auf. Das bedeutet, dass motorische Einheiten, die hohe Kontraktionsgeschwindigkeiten erreichen, vorwiegend schnelle Typ-IIA- und Typ-IIX-Fasern innervieren. Dabei unterscheiden sich die Muskelfasern innerhalb einer motorischen Einheit zwar hinsichtlich ihrer strukturellen, kontraktilen, metabolischen und molekularen Eigenschaften. Die Variationsbreite innerhalb einer Einheit ist jedoch geringer als im Vergleich zwischen unterschiedlichen motorischen Einheiten (Gold 2004). So bestehen „schnelle“ motorische Ein 



..      Abb. 5.4  Unterschiedlich große motorische Einheiten (1, 2 und 3), illustriert am Beispiel des Musculus biceps brachii

heiten unter anderem aus großen Motoneuronen mit hohen Rekrutierungsschwellen und großer Entladungsfrequenz, Axonen mit großer Übertragungs- bzw. Leitungsgeschwindigkeit sowie entsprechenden Fasern mit kurzen Kontraktionszeiten bzw. hohen Kontraktionsgeschwindigkeiten (7 Abschn.  4.2.3: Muskelfaserspektrum). Motorische Einheiten wirken daher in ihrer Gesamtheit und über ihren jeweiligen strukturellen Aufbau mehr oder weniger schnelligkeitsbegünstigend. Eine der wichtigsten neuromuskulären Voraussetzungen für schnellstmögliche Bewegungen kann daher im individuellen Anteil an großen motorischen Einheiten gesehen werden (Hohmann et al. 2014). Ferner wird diskutiert, inwieweit die bei (schnellen) Bewegungen einsetzende Koaktivierung antagonistischer Muskeln als Bremskraft agiert und somit eine potentiell erreichbare Bewegungsgeschwindigkeit herabsetzt. Antagonis 

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ten sind Gegenspieler der Agonisten, die wiederum als diejenigen Muskeln bezeichnet werden, die am kräftigsten in eine bestimmte Bewegungsrichtung wirken. Eine Koaktivierung der Antagonisten scheint daher für die Erreichung hoher Bewegungsgeschwindigkeiten ungünstig zu sein (vgl. 7 Abschn.  4.1: Schnellkraft). Beispielsweise konnte bei älteren Menschen eine verstärkte Kokontraktion gelenksumgebener Muskeln festgestellt werden. Diese wurde insbesondere bei ballistischen Kontraktionen beobachtet und wirkte sich negativ auf die Schnellkraftfähigkeit im Alter aus (Granacher und Gollhofer 2005). Hinsichtlich der Funktionalität der neuromuskulären Bewegungssteuerung übernimmt die Koaktivierung von Muskeln indes eine wichtige Aufgabe. So kommt ihr einerseits eine Schutzfunktion zu, indem sie als kompensatorischer Mechanismus zur Stabilisierung des Gelenkkomplexes beiträgt (Granacher und Gollhofer 2005). Andererseits dient sie bei schnellen Bewegungen der Präzisierung bzw. Stabilisierung und ggf. Abbremsung der Bewegung. Vor diesem Hintergrund scheint eine antagonistische Kokontraktion im Sinne einer optimalen Bewegungssteuerung durchaus zweckmäßig zu sein. Im Übrigen wird davon ausgegangen, dass bei schnellen Bewegungen, die in der Feinstform ausgebildet und in hoher koordinativer Qualität durchführbar sind, eine Koaktivierung antagonistischer Muskeln keinen bremsenden und insofern auch keinen hemmenden Effekt auf die Bewegungsgeschwindigkeit hat, sondern der präzisen Bewegungsabstimmung dient (Gold 2004). Im Sinne einer optimalen, schnelligkeitsbegünstigenden neuromuskulären Bewegungskoordination geschieht die Steuerung der Muskulatur durch die sogenannte neuronale Aktivierung. Sie wird durch eine entsprechende Motivation (mit Ausnahme des Dehnungsreflexes) ausgelöst und bewirkt die in 7 Abschn. 4.2 im Kontext der intra- und intermuskulären Koordination zusammengefassten Mechanismen. Die intramuskuläre Koordination bezieht sich dabei auf die bedarfsgerechte Abstufung der Kontraktionsleistung des Muskels. Diese wird vom Zentralnervensystem durch den Grad der Rekrutierung und Frequenzierung von motorischen Einheiten ge 



steuert und ist für schnell(kräftige) Bewegungen von wesentlicher Bedeutung (Steinhöfer 2008). Die intermuskuläre Koordination bezieht sich auf die Fähigkeit neuraler Prozesse, Erregungs- und Hemmungszustände der an schnellen Bewegungen beteiligten Muskulatur optimal abwechseln lassen zu können. Dadurch entstehen einerseits ständige Spannungs- und Entspannungszustände in der Muskulatur – so sind schnell und vollständig entspannte Muskeln optimal auf nachfolgende Spannungsphasen wie beispielsweise auf die Stützphasen beim Sprinten vorbereitet. Andererseits wird durch häufiges Wiederholen der schnellen Bewegungen eine hohe koordinative Qualität erreicht. Intermuskuläre Koordination ist damit das (ideale) Zusammenspiel aller an einer Bewegung beteiligten Muskeln und manifestiert sich in einem hohen Qualitätsgrad der Bewegungstechnik (Grosser 1991). Aus neuromuskulärer Perspektive wirken noch zwei weitere physiologische Vorgänge in Abhängigkeit des Trainingszustands mehr oder weniger ­ schnelligkeitsbegünstigend, nämlich die Voraktivierung bzw. Vorinnervation der Arbeitsmuskulatur sowie deren Reflextätigkeit bzw. Reflexinnervation (s. auch 7 Abschn.  4.2: Spinale und supraspinale Kraftregulation sowie Stiffness des tendomuskulären Systems). So ist jeder Muskel, der in einem erlernten und somit bereits bekannten Bewegungsprogramm involviert ist und insofern auch nicht unvorhergesehen reagieren muss, vorinnerviert. Er antizipiert  

Beispiel: Vorinnervation Im Sprintlauf oder beim Absprung im leichtathletischen Hoch-, Weit- oder Dreisprung wird bereits unmittelbar vor dem Aufsetzen des Fußes zu Beginn der Stützphase unter anderem die Sprunggelenksstreckmuskulatur vorgespannt. Dies wird unmittelbar vor dem Bodenkontakt vom Gehirn ausgehend gesteuert. Die Vorspannung entspricht dabei in etwa der Muskelaktivität bei maximaler willkürlicher isometrischer Anspannung, wobei die Aktivität beim Aufsetzen des Fußes bzw. während der Stützphase mithilfe der Reflextätigkeit noch auf das Doppelte bis Dreifache der Vorinnervation ansteigt (Grosser 1991).

im Prinzip das, was ihn erfahrungsgemäß erwartet (Geese und Hillebrecht 1995). Einerseits wird im Sinne eines Schutzmechanismus durch die Voraktivierung eine plötzliche Überdehnung der Muskulatur verhindert. Andererseits wird dadurch die Mehrzahl der motorischen Einheiten schon rekrutiert oder zumindest nah an ihre Rekrutierungsschwelle gebracht, sodass diese auf den depolarisierenden Nervenimpulseinstrom durch die Muskelspindelafferenzen ohne Verzögerung antworten können (Grosser 1991). Infolgedessen wird im Sprintlauf sowie in den leichtathletischen Sprungdisziplinen trotz der extrem kurzen Stützphasen eine optimale Kraftentfaltung erreicht. Neben der Voraktivierung spielt die muskuläre Reflextätigkeit als schnelligkeitsbegünstigender Faktor eine wichtige Rolle. Bei vielen Bewegungen geht der überwindenden bzw. konzentrischen oder positiv beschleunigenden Phase eine nachgebende bzw. exzentrische oder bremsende Phase (auch als Ausholphase oder Amortisationsphase benannt) voraus. In der exzentrischen Phase wird die Arbeitsmuskulatur zwar innerviert. Die Kraftbildung ist jedoch geringer als die Kräfte, die von außen wirken, sodass die Muskulatur zu einem mehr oder weniger schnellen und umfänglichen Nachgeben gezwungen wird. Sie dehnt sich also mehr oder weniger schnell und intensiv (Grosser 1991). ..      Abb. 5.5 Patellarsehnenreflex a und Achillessehnenreflex b. In Beispiel b unterstützen die Reflexe die konzentrische Kontraktionskraft während der Stützphase bei reaktiven Sprungbewegungen

Diese Muskeldehnung löst einen neurophysiologischen Reflexmechanismus aus, der in Abhängigkeit von der Intensität der Muskeldehnung einen bedeutenden Einfluss auf die Kraftentfaltung in der nach der Dehnung einsetzenden konzentrischen Phase hat. Spinalmotorische Dehnreflexe, zu denen auch der Patellarsehnenreflex zählt, laufen wie folgt ab. Jeder Muskel enthält Dehnungsrezeptoren, die als Muskelspindeln bezeichnet werden. Diese den propriozeptiven Rezeptoren zugeordneten Muskelspindeln verlaufen parallel zur quergestreiften Skelettmuskelfaser und bestehen aus einem nicht kontraktilen Mittelstück (dem dehnungsempfindlichen Rezeptor) sowie zwei kontraktilen Endstücken (den sogenannten intrafusalen Muskelfasern). Bei einer Dehnung des Skelettmuskels spannen sich auch die Muskelspindeln, während sie sich bei einer Kontraktion entspannen (de Marées 2003). Wird ein Muskel im Verlauf einer exzentrischen Phase gedehnt, so erhöhen die Dehnungsrezeptoren der Muskelspindeln ihre Impulssalven über schnelle, als Ia-Afferenzen bezeichnete Nervenfasern, die wiederum mit dem Hinterhorn des Rückenmarks verbunden sind. Diese Erregungen werden über im Rückenmark liegende Synapsen auf motorische Vorderhornzellen geleitet, die als Motoneuronen über schnelle Aα-Nervenfasern die Arbeitsmuskulatur innervieren. Mit ausreichend großen Spindelerregungen kommt es schließlich zur Kontraktion

Rückenmark

g

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sensorischer Eingang

nt Ko g hn a

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motorische Endplatte

tio

rak tio

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Muskelspindel

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motorischer Ausgang

De

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des gedehnten Muskels (. Abb. 5.5, Grosser 1991; de Marées 2003; Müller et al. 2015). Die Erregungsfrequenz der Muskelspindeln ist dem Ausmaß der Dehnintensität proportional und somit sowohl von der Größe der Dehnung (Längenzunahme) als auch von der Dehnungsgeschwindigkeit (Längenzunahme pro Zeitein 

heit) abhängig (de Marées 2003). Je weiter und schneller ein Muskel gedehnt wird, desto größer ist die von den Muskelspindeln erzeugte Innervationsfrequenz sowie die in der Folge hervorgerufene Kontraktionsspannung des zuvor gedehnten Muskels. Diese der Dehnung entgegengesetzte Kontraktionskraft hat dabei einerseits eine

Exkurs: Azyklische und zyklische Zeitprogramme Am Beispiel des reaktiven Nieder-Hoch-Sprungs (. Abb. 5.6) und der Tappingfrequenz entwickelten Bauersfeld und Voss (1992) bereits vor einigen Dekaden das Konzept der sogenannten azyklischen und zyklischen Zeitprogramme als Ausdruck der elementaren Schnelligkeit. Nach ihrer Ansicht ist die Schnelligkeit eine elementare Leistungsvoraussetzung, die primär durch die Qualität neuromuskulärer Innervationsprogramme bestimmt wird. Voss et al. (2007) gehen davon aus, dass diese den Zeitprogrammen zugrunde liegende Programmsteuerung im spinalen Nervensystem gespeichert ist und vom Bewusstsein unabhängig abläuft. Sie begründen dies unter anderem mit der spezifischen Muskelaktivität, die über ein Elektromyogramm bei Drop Jumps aufgezeichnet wurde. Untersuchungen konnten jedoch zeigen, dass solch reaktive Sprungformen nicht ausschließlich auf spinaler, sondern auch auf supraspinaler Ebene gesteuert werden (Prieske et al. 2017). Auch Hohmann et al. (2014) benennen über die Zeitprogrammtheorie hinausgehende neurologische, aber auch kognitive und peripher motorische Einflussgrößen auf zyklische und azyklische Schnelligkeitsleistungen. Demnach ließe sich die elementare Bewegungsschnelligkeit auch auf Einflüsse kortikaler und subkortikaler Strukturen sowie reflektorisch ausgelöster Muskelkräfte und elastischer Speicherkräfte in den Sehnen, Bändern und Muskeln zurückführen (Hohmann et al. 2014; Prieske et al. 2017). Zur Realisierung kurzer Zeitprogramme benötigen laut Bauersfeld und Voss (1992) unter anderem Reizleitungsgeschwindigkeit, Muskelfaserstruktur, intermuskuläre Koordination, Vorinnervation und Reflextätigkeit einen bestimmten Ausprägungsgrad. Folgerichtig merken Hohmann et al. (2014) hierzu an, dass elementare Schnelligkeitsfähigkeiten im Sinne des Zeitprogrammmodells mit den gleichen biologischen Mechanismen begründet werden, die ganz allgemein allen Kraft- und Schnelligkeitsleistungen zugrunde liegen. So kann zum Beispiel eine gute Leistung im Nieder-Hoch-Sprung bereits ausschließlich auf neuromuskulärer Ebene mit einem hohen Anteil schnell kontrahierender Muskelfasern erklärt werden. Schnelles Bewegungsverhalten ist aber

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..      Abb. 5.6  Reaktiver Nieder-Hoch-Sprung am Beispiel des Drop Jump natürlich nicht ausschließlich nur muskulär mit einem hohen Anteil schneller Muskelfasern begründbar. Entscheidend ist wohl eher das Innervationsverhalten bei reaktiver Arbeit (Steinhöfer 2008), wie die Schilderungen zu den Zeitprogrammen von Hohmann et al. (2014) verdeutlichen. Dies scheint sowohl für azyklische als auch für zyklische Bewegungen zu gelten. Die Bedeutung der elementaren Zeitprogramme im Kontext trainingswissenschaftlicher Schnelligkeitsbegriffe und Systematisierungsversuche ist unumstritten. Gleichwohl wurde in den letzten Jahren vermehrt Kritik an ihrem Ausschließlichkeitsanspruch hinsichtlich abgeleiteter Trainingsmethoden geübt (Steinhöfer 2008). Diese Kritik ist angesichts der Komplexität von Bewegungsschnelligkeitsleistungen in der sportlichen Praxis berechtigt. So ist die elementare Schnelligkeit in ihrer Reinform nur schwer zu isolieren, da beispielsweise, bezogen auf die Schnelligkeitsanforderungen in einer Vielzahl von Sportarten, enge Verwandtschaften zu Kraftfähigkeiten bestehen. Ein Konzept, nach dem Schnelligkeit unabhängig von Kraft und Querschnitt des Muskels auf gespeicherten Bewegungs- bzw. Zeitprogrammen basiert, scheint den komplexen sportartspezifischen Anforderungen nicht gerecht zu werden.

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Schutzfunktion vor Überdehnungen und mindert somit das Risiko von Verletzungen. Andererseits bringt der spinalmotorische Dehnreflex den gedehnten Muskel bereits vor der konzentrischen Phase in einen für die zu leistende Arbeit nützlichen Erregungs- bzw. Spannungszustand. So findet die Arbeitsmuskulatur im unmittelbaren Anschluss an eine Vordehnung im Sinne der intramuskulären Koordination günstigere Erregungsbedingungen vor als bei Bewegungen, die keine exzentrische Vordehnphase aufweisen. Dabei gilt: Je höher die Reflexaktivität ist, desto effektiver ist die intramuskuläre Koordination und desto kraftvoller ist die assoziierte konzentrische Muskelaktivität (Grosser 1991). Zusätzlich wird bei einer reflektorischen Kontraktion des Agonisten die Kontraktion seines Gegenspielers über Ia-inhibitorische Interneurone gehemmt. Ia-inhibitorische Interneurone sind Kollaterale der Ia-Afferenzen. Sie innervieren α-Motoneurone von antagonistisch wirkenden Muskeln und verhindern über diese dessen Kontraktion. Ia-­Afferenzen regeln also nicht nur die Spannung des Ursprungsmuskels, sondern hemmen auch seine Antagonisten. Man spricht dabei von reziproker Antagonistenhemmung (de Marées 2003). Das bedeutet, dass durch eine Muskeldehnung reflektorische Mechanismen ausgelöst werden, die einem potentiell schnelligkeitsmindernden Einfluss antagonistischer Kokontraktionen entgegenwirken können. Schließlich setzt eine hohe Reaktions- und Bewegungsschnelligkeit eine optimale Muskeltemperatur voraus. Da durch ein Aufwärmen (Thermogenese) unter anderem der intramuskuläre Reibungswiderstand (Viskosität) herabgesetzt wird und die Geschwindigkeit der Reizleitung zunimmt, werden Reaktionsfähigkeit sowie neuromuskuläre Steuerungsprozesse verbessert (Weineck 2009). Zum Erreichen individuell bestmöglicher Schnelligkeitsleistungen  – aber auch zur Reduzierung des Verletzungsrisikos  – ist demnach eine adäquate Trainings- und Wettkampfvorbereitung erforderlich. Zusätzlich zur Thermogenese kann das Warm-up weitere schnelligkeitsbegünstigende Komponenten beinhalten. Hierzu zählen unter anderen das Foam-Rolling

(Wiewelhove et al. 2019), die Aktivierung spezifischer bzw. stabilisierender Muskelgruppen mittels entsprechender Hilfsmittel (z. B. Thera-Band) (vgl. 7 Abschn.  3.3) oder das dynamische Dehnen (Larson 2014).  

 eispiel: Muskeltemperatur und SprintleisB tung im Fußball Mohr et al. (2004) konnten nachweisen, dass die Muskeltemperatur von Fußballspielern, die sich während der Halbzeitpause eines Fußballspiels passiv erholten, absank. Die Abnahme der Muskeltemperatur ging mit einer reduzierten Sprintleistung zu Beginn der zweiten Halbzeit einher. Bei den Spielern, die während der Halbzeitpause ein kurzes und moderates Re-Warm-up absolvierten, waren zu Beginn der zweiten Halbzeit sowohl Muskeltemperatur als auch Sprintleistung auf einem Niveau, das mit dem bei Spielbeginn vergleichbar war.

5.2.3

 influssgrößen im Kontext E der Erscheinungsformen der Schnelligkeit

Bei den schnelligkeitsbeeinflussenden Faktoren findet man eine größere Einigkeit im Vergleich zur Vielfalt der Schnelligkeitsbegriffe und Systematisierungsversuche (Scheid und Prohl 2003). Allerdings sollte die Benennung der Einflussfaktoren auch unter Berücksichtigung der Erscheinungsformen der Schnelligkeit erfolgen. So liefern Geese und Hillebrecht (1995); Grosser (1991) sowie Weineck (2009) ein zwar umfangreiches Bedingungsgefüge aus schnelligkeitsbeeinflussenden Faktoren (. Abb.  5.3). Dieses ist jedoch lediglich nach unterschiedlichen Faktorenstufen strukturiert und nimmt nicht Bezug auf die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Schnelligkeit. Martin et  al. (1993) sowie Scheid und Prohl (2003) unternehmen hingegen den Versuch, die Einflussgrößen den unterschiedlichen Schnelligkeitsformen zuzuweisen. Dieser Versuch soll in . Abb.  5.7 aufgegriffen werden, indem der informatorischen und der motorischen Schnelligkeit ihre jeweils wichtigsten Einflussgrößen zugeordnet werden.  



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273 Schnelligkeitstraining

..      Abb. 5.7 Einflussgrößen auf die informatorische und die motorische Schnelligkeit

motorische Schnelligkeit

informatorische Schnelligkeit Alter

Veranlagung und Alter Motivation, Willenskraft und mentale Stärke

Konzentration

Wissen, Erfahrung und Erwartung

Erregungsfähigkeit der Exterorezeptoren (Auge, Ohr, Haut, Nase, Mund)

afferente und efferente Reizleitungs- und -verarbeitungsgeschwindigkeit

E I N F L U S S G R Ö ß E N

intramuskuläre Koordination

intermuskuläre Koordination

Anteil großer motorischer Einheiten

Koaktivierung

Vor- und Reflexinnervation Energiebereitstellung und Muskeltemperatur

Anpassungseffekte durch Schnelligkeitstraining

thoden und -mittel sowie Belastungsnormative zielgerichtet ausgewählt werden (Steinhöfer 2008; Weineck 2009). Selbst zyklische und azyAufgrund der vielen, vorrangig genetisch ge- klische Zeitprogramme im Sinne neuromuskuprägten Einflussgrößen auf den konditionell-­ lärer Innervationsprogramme können durch ­ rainingsmaßnahmen durchbrochen koordinativ bestimmten Leistungsfaktor geeignete T und optimiert werden (Bauersfeld und Voss Schnelligkeit (u. a. sind der Anteil großer moto1992; Steinhöfer 2008). rischer Einheiten bzw. schneller Muskelfasern und die davon abhängige Koordinations-, Reiz- !!Achtung! leitungs- und MuskelkontraktionsgeschwindigJeder wird durch Schnelligkeitstraining keit weitestgehend genetisch festgelegt) sowie schneller – aber nicht jeder wird durch der damit einhergehenden relativ festen InnerSchnelligkeitstraining schnell. vationsmuster (Zeitprogramme) könnte man davon ausgehen, dass die Reaktions- und Bewe- In nahezu jeder Sportart muss schnell reagiert gungsschnelligkeit vergleichsweise wenig trai- und/oder müssen Arme und/oder Beine nierbar ist. In Anbetracht der Komplexität von schnell bewegt werden. Darum ist ein SchnelSchnelligkeitsleistungen in der Sportpraxis kann ligkeitstraining fester Bestandteil im Trainingsdiese resignative Einschätzung aus trainings- programm von Athleten aus verschiedensten wissenschaftlicher Perspektive jedoch nicht Disziplinen. Dies gilt, abgesehen von den typigeteilt werden. Komplexe Schnelligkeitsleistun- schen schnelligkeitsdeterminierten Sprint-, gen sind vielmehr durch Schnelligkeitstraining Sprung- und Wurfdisziplinen, vor allem auch gut zu verbessern, wenn Trainingsinhalte, -me- für solche Sportarten, in denen die konditio5.3

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nellen Fähigkeiten in den letzten Jahren ins Zentrum der leistungslimitierenden Faktoren gerückt sind (z.  B.  Fußball, Handball, usw.). Dabei intendiert ein Schnelligkeitstraining unter anderem eine Integration der im Rahmen eines konventionellen Krafttrainings erworbenen Kraftfähigkeiten in sportartspezifische Bewegungsmuster (Beaudette und Brown 2015). Beispielsweise nutzt dem Hochspringer ein hohes Maximalkraftniveau nur dann, wenn davon seine sprungspezifische Bewegungskoordination profitiert. Insofern kann das Training der Schnelligkeit auch als eine Verzahnung von (Schnell-)Kraft- und Koordinationstraining betrachtet werden (Olivier et  al. 2008). Die durch ein Schnelligkeitstraining bewirkten Anpassungen unterscheiden sich deshalb auch nicht grundsätzlich von denen des Kraft- und Koordinations- bzw. Techniktrainings. 5.3.1

 npassungen im Kontext A der informatorischen Schnelligkeit

Nerven- bzw. Reizleitungsgeschwindigkeiten, Übertragungszeiten an den Synapsen und Reflexzeiten sind vorrangig durch erbdominante Prozesse geprägt und daher nur bedingt trainierbar. Verbesserungen der Reaktionszeiten sind deshalb auch nur durch eine verbesserte sensorisch-kognitive Leistungsfähigkeit zu erzielen (Olivier et al. 2008). Die Reaktion guter Sportler wird durch Aufmerksamkeits- und Informationsverarbeitungsprozesse bestimmt, die sich zusammen mit der Wettkampferfahrung in der Antizipationsschnelligkeit manifestieren (Steinhöfer 2008). Das möglichst frühzeitige Erkennen und Bewerten einer Situation ermöglicht die vorbereitende Programmierung der Bewegung und verbessert hierdurch die Reaktionsleistung (vgl. 7 Abschn. 5.1). Schnellere, sportartspezifische Reaktionen von Profisportlern kommen nicht dadurch zustande, dass sie schneller reagieren, sondern dass ihnen aufgrund einer erfolgreichen Antizipation für die Reaktion mehr Zeit zur Verfügung steht (Olivier et  al. 2008). Anpassungen der infor 

matorischen Reaktionsschnelligkeit finden daher vorrangig auf der Ebene der sensorisch-kognitiven Einflussgrößen statt. Praxistipp: Sportartspezifisches Reaktionsund Antizipationstraining

Untersuchungen zeigen, dass selbst hochtrainierte Spitzensportler ihre sportartspezifische Reaktions- und Antizipationsschnelligkeit durch gezieltes Training weiter verbessern können. Voraussetzung ist die Verwendung komplexer, sportart- bzw. anforderungsspezifischer Trainingsformen, bei denen die sensorisch-kognitiven Fähigkeiten wettkampfnah geschult werden. Hierzu zählen beispielsweise sogenannte Small-Sided-Games (SSGs) im Fußball oder Basketball (z. B. drei gegen drei auf einem Basketballhalbfeld), bei denen komplexe, disziplinspezifische Stimuli unter hohem Zeitdruck verarbeitet werden müssen. Es wird angenommen, dass das Training der Reaktions- und Antizipationsleistung mit Übungsformen, die sportartspezifische Stimuli beinhalten, einen besseren Übertrag in die Wettkampfsituation gewährleisten und folglich die Wettkampfleistung messbar verbessern (Serpell et al. 2011; Young und Farrow 2013).

5.3.2

 npassungen im Kontext A der motorischen Schnelligkeit

Elementare Schnelligkeitsleistungen im Kontext der motorischen Bewegungsschnelligkeit werden  – wie die Leistung bei Einfachreaktionen – ebenfalls als primär anlage- und entwicklungsbedingt beschrieben, da sie von der Qualität des Zusammenspiels der Steuer- und Regelmechanismen des Zentralnervensystems und des Nerv-Muskel-Systems abhängen (Hohmann et  al. 2014; Prieske et  al. 2017). Aufgrund ihrer Nähe zu den koordinativen Fähigkeiten entwickeln sich elementare Schnel-

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ligkeitsfähigkeiten daher insbesondere im Verlauf des Kindes- und Jungendalters positiv. Sie können also optimal ausgeprägt werden, wenn sie vor allem frühzeitig sowie gezielt mithilfe eines elementaren Schnelligkeitstrainings trainiert werden (Hohmann et  al. 2014). Viele Autoren plädieren deshalb für die forcierte Durchführung eines elementaren Schnelligkeitstrainings bereits im präpuberalen Alter. Nur so könne die langfristig angestrebte Schnelligkeitsleistung optimiert und dem Risiko einer unvollständigen Ausprägung der elementaren Schnelligkeit vorgebeugt werden. Im Allgemeinen werden präpuberale und puberale Phasen bis zum Abschluss der biologischen Reifung als optimale Zeitfenster für ein gezieltes Training von Schnelligkeitsleistungen angesehen (Prieske et al. 2017). Bauersfeld und Voss (1992) fordern sogar, dass das Kinderund Jugendtraining in allen Bereichen schnelligkeitsorientiert gestaltet wird. Ob sich die elementare Schnelligkeit auch nach der Pubeszenz steigern lässt und inwieweit eine mangelhaft ausgebildete elementare Schnelligkeit die komplexen Schnelligkeitsfähigkeiten beeinträchtigt und damit auch indirekt und langfristig die Leistung in schnelligkeitsorientierten Disziplinen limitiert, konnte bislang nicht eindeutig geklärt werden (Hohmann et al. 2014). Zyklische und azyklische Schnelligkeitsleistungen verbessern sich hauptsächlich durch eine Anpassung der inter- und intramuskulären Koordination. Beispielsweise konnten Steigerungen der zyklischen Frequenzschnelligkeit durch sportartspezifische Trainingsformen erreicht werden (Thienes 1998). Ähnliches wird für die azyklische Sequenzschnelligkeit angenommen (Gold 2004). Dies wäre vergleichbar mit Befunden für das Krafttraining, die Anpassungen der Kraftleistung besonders zu Beginn des Trainings mit einer verbesserten intermuskulären Koordination erklären (vgl. 7 Abschn. 4.3). Zur Erreichung höchster Laufund Abfluggeschwindigkeiten bei Sprint-, Sprung- und Wurfbewegungen ist die optimale Koordination verschiedener Muskelgruppen erforderlich. Beispielsweise ist eine Erhöhung der Schrittfrequenz im Sprintlauf nur über  

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eine optimale wechselseitige Aktivierung und Hemmung der beteiligten Muskeln möglich (7 Abschn. 5.2). Für die Realisierung maximaler Abfluggeschwindigkeiten von Wurf- oder Schlaggeräten (z. B. Speer, Kugel, Ball) müssen die beteiligten Muskeln in Abhängigkeit von ihrem Einsatz im zeitlichen Verlauf, der für die jeweilige Kraftentfaltung optimalen Winkelstellung und der Größe des zu beschleunigenden Widerstandes koordiniert werden (Olivier et  al. 2008). Weiterführende, durch Koordinations- und Techniktraining bewirkte Anpassungseffekte können 7 Abschn.  8.3 entnommen werden. Müssen mittlere bis hohe Widerstände beschleunigt werden (z.  B. der eigene Körper beim Sprintstart oder beim schnellen Richtungswechsel im Sportspiel sowie die Kugel im Kugelstoßen), nimmt der Einfluss der Schnellbzw. Maximalkraft auf die Schnelligkeitsleistung zu. Eine Verbesserung der Schnellkraft wird durch ein Training mit hohen Belastungsintensitäten (d.  h. intramuskuläres Koordinationstraining bzw. als IK-Training bezeichnet), aber auch durch ein Training mit mittleren Lasten (d.  h. Schnellkrafttraining) sowie durch ein Reaktivkrafttraining erreicht (vgl. 7 Abschn.  4.4, Olivier et  al. 2008). Die in diesem Zusammenhang bewirkten neuronalen und morphologisch-tendomuskulären Anpassungseffekte können 7 Abschn.  4.3 entnommen werden. Bei schnelligkeitsbezogenem Krafttraining sollte aber immer auch der koordinative Transfer zwischen der Trainingsübung und der Zielbewegung berücksichtigt werden.  







Beispiel: Anpassungen der Laufschnelligkeit Verbesserungen der Laufschnelligkeit können durch unterschiedliche Interventionsmaßnahmen im Training nur in geringem Maße erreicht werden. Untersuchungen belegen jedoch, dass sich sowohl durch einen schnelligkeitsorientierten als auch durch einen kraftorientierten Trainingszyklus bereits nach kurzer Zeit erkennbare Verbesserungen erzielen lassen (Seitz et al. 2014; Ferrauti et al. 2016). Diese sind zwar gering und betragen nur in etwa 3–5 %.

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Andererseits entspricht dies einem Raumgewinn von mehr als drei Metern während eines 100-m-Sprints, was bereits ausreicht, um von den hinteren Rängen auf die Medaillenplätze vorzurücken. Selbst in den Sportspielen, bei denen über kurze Distanzen gesprintet wird, kann bereits der Zugewinn von wenigen Zentimetern eine bessere Schlag-, Schuss-, Wurf- oder Zweikampfposition ermöglichen.

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Praxistipp

Sehr allgemein gefasst sind Anpassungsspielräume bei komplexen Erscheinungsformen der Bewegungsschnelligkeit größer als bei isolierten bzw. elementaren Schnelligkeitsleistungen; bei Bewegungen, bei denen höhere Widerstände überwunden werden müssen, größer als bei einfach strukturierten Bewegungsabläufen gegen kleine Widerstände sowie bei motorischen und antizipatorischen Schnelligkeitsformen größer als bei Reaktionsleistungen.

5.4

Trainingsmethoden und Belastungsdosierung

Für die Trainingspraxis sei an dieser Stelle erwähnt, dass die komplexen sportartspezifischen Schnelligkeitsanforderungen immer ein vielseitiges Schnelligkeitstraining verlangen. So ist aufgrund der engen Verwandtschaften zwischen komplexen Schnelligkeitsleistungen und den anderen motorischen Hauptbeanspruchungsformen ein sportartspezifisches Schnelligkeitstraining nur im fein abgestimmten Zusammenwirken der unterschiedlichen Trainingsarten (d.  h. Kraft-, Beweglichkeits-, Ausdauer-, Koordinations- und Techniktraining) erfolgversprechend. Zum Beispiel ist das Training der Schnelligkeit wenig wirksam oder sinnvoll, wenn nicht im Techniktraining die erforderlichen Bewegungsmuster entwickelt wurden und die Hauptelemente der Bewegung beherrscht werden. Die richtige Bewegungsausführung bzw. -technik ist die notwendige Bedingung,

um das vorhandene Schnelligkeitspotential leistungswirksam auszuschöpfen (Bauersfeld und Voss 1992). Allerdings werden sich auch kaum langfristige Fortschritte hinsichtlich komplexer Schnelligkeitsleistungen einstellen, wenn nicht parallel Kraftfähigkeiten oder koordinative Voraussetzungen geschult werden. Plisk (2008) empfiehlt in diesem Zusammenhang ein hierarchisch strukturiertes Vorgehen zur Ausbildung der Schnelligkeit, bei dem zu Beginn die technische Vervollkommnung der Zielbewegung(en) im Vordergrund steht und anschließend die Schnelligkeit durch ein konkretes Schnelligkeitstraining sowie schließlich durch Kraft-, Beweglichkeits- und Ausdauertraining ausgeprägt wird (Prieske et al. 2017). Für die Auswahl geeigneter Schnelligkeitsübungen ist ferner ein umfassendes Verständnis des jeweiligen disziplin- bzw. wettkampfspezifischen Anforderungsprofils und der daraus abgeleiteten Schnelligkeitsanforderungen grundlegend (vgl. 7 Abschn.  3.2: Belastungs- und Beanspruchungsanalysen). Darüber hinaus müssen die Einflusshöhen verschiedener leistungsbestimmender und voneinander unabhängiger Komponenten auf komplexe sportmotorische Schnelligkeitsanforderungen im Sinne einer Leistungsstrukturanalyse identifiziert werden. (vgl. 7 Abschn.  3.2: Leistungsstrukturanalysen). Basierend hierauf können entsprechende Trainingsziele und Trainingsinhalte definiert und priorisiert werden. Obwohl neuronalen Prozessen bei Schnelligkeitsleistungen eine hohe Bedeutung zukommt, orientiert sich das Schnelligkeitstraining an die spezielle Form des Trainings konditioneller – d. h. energetisch determinierter  – Leistungsvoraussetzungen. Es bedient sich also der klassischen, in 7 Kap. 2 beschriebenen Trainingsmethoden. Beispielsweise wird im leichtathletischen Sprinttraining nach den Regeln der Wiederholungsmethode pro zehn maximal schnell gesprintete Meter eine Pausenlänge von ein bis zwei Minuten veranschlagt. Diese Faustregel hat ihren Ursprung in Erfahrungswerten, basiert aber auch auf der zum Auffüllen der Energiedepots und zur Normalisierung der Herzfrequenz benötigten Zeit.  





277 Schnelligkeitstraining

Ähnliches gilt für die als optimale Sprintdauer angegebene Zeit. Sie orientiert sich an der alaktaziden Energiebereitstellung und damit an der Zeitspanne, in der Kreatinphosphat als Energielieferant zur Verfügung steht (6–10 s; Bauersfeld und Voss 1992). Im Sinne der Wiederholungsmethode wird in den Wiederholungs- bzw. Serienpausen (bei azyklischen Übungen wird das Training meist in Kurzserien organisiert) eine (nahezu) vollständige Erholung gewährleistet und daher innerhalb einer Trainingseinheit auch kein Wiederholungsmaximum, sondern ein -optimum angestrebt. Dies gilt als notwendige Voraussetzung, da Schnelligkeitsanforderungen die intendierten spezifischen Anpassungen nur dann auslösen, wenn Bewegungen mit möglichst hoher Bewegungsgeschwindigkeit bzw. -intensität realisiert werden. Bei unzureichender Erholung treffen die nervalen Impulsmuster auf Muskeln, die u. a. Mängel in der Energiebereitstellung aufweisen und damit die Impulse nicht wie erforderlich verarbeiten können (vgl. . Abb.  2.9). Ein Erreichen der notwendigen (supra-)maximalen Intensitäten wäre dann nicht möglich. So können submaximale Intensitäten von ca. 90 % der maximal erreichbaren Bewegungsgeschwindigkeit bereits zur Konse 

Praxistipp: Pausengestaltung im Schnelligkeitstraining Während für Leichtathleten das lange Warten im Training zwischen einzelnen schnelligkeitsbetonten Belastungen völlig normal ist, möchten Sportspieler „langweilige“ Pausen meist lieber umgehen und möglichst viel der Trainingszeit aktiv nutzen. Notwendige Erholungspausen während des Schnelligkeitstrainings werden daher insbesondere aus Gründen der Trainingsattraktivität oft nicht beherzigt. Mit aktiven Pausen, die abwechslungsreiche, koordinative, niedrigintensive Zusatzaufgaben beinhalten, kann das Problem der scheinbaren Zeitverschwendung umgangen werden. Gleichzeitig ermöglicht es den Sportspielern, sich ausreichend zu erholen und eine maximale Motivation und Bewegungsgeschwindigkeit im Trainingsverlauf aufrechtzuerhalten.

5

quenz haben, dass Leistungssteigerungen durch ein Schnelligkeitstraining ausbleiben (Haugen et al. 2014; Prieske et al. 2017).

5.4.1

Ausgewählte trainingsmethodische Leitlinien zum Schnelligkeitstraining

Zur Verbesserung der Schnelligkeit sowie aus verletzungspräventiven Gründen ergeben sich nach Bauersfeld und Voß (1992); Beaudette und Brown (2015); Hohmann et  al. (2014); Prieske et al. (2017); Schnabel et al. (2014) sowie Steinhöfer (2008) für jegliches Schnelligkeitstraining einige allgemein gültige trainingsmethodische Leitlinien und Grundsätze: 55 Als wesentlicher Grundsatz gilt, dass zur Sicherung der neurophysiologischen Anpassungen maximale und supramaximale Intensitäten im Schnelligkeitstraining dominieren. Das heißt, sowohl Reaktionen als auch Aktionen sind mit (supra-)maximaler Geschwindigkeit auszuführen. Ein Qualitätsverlust sollte immer zum Abbruch der Trainingseinheit bzw. Übung führen. 55 Schnelligkeitstraining ist daher grundsätzlich im Zustand optimaler Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit durchzuführen. 55 Die Bewegungstechnik muss erlernt und beherrscht sein, bevor sie schnelligkeitsbetont trainiert wird. Nur technisch „richtige“ Programme sollten mit höchster Geschwindigkeit durchgeführt werden. Das heißt, die Übungen sollten entweder nicht zu kompliziert sein, oder bei komplizierten Übungen sind ausschließlich solche anzuwenden, die exakt beherrscht werden. Dadurch kann die Konzentration voll auf die Ausführungsgeschwindigkeit der Bewegung und weniger auf die Bewegungstechnik gelenkt werden. 55 Das Schnelligkeitstraining liegt nach gründlicher Belastungsvorbereitung (Warm-up; vgl. 7 Abschn. 3.3) im ersten Teil der Trainingseinheit oder ist in  

278

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gesonderten Trainingseinheiten durchzuführen. Es sollten keine ermüdenden Tätigkeiten vorausgegangen sein. Intensives statisches Dehnen sollte im Rahmen der Trainingsvorbereitung entweder vermieden oder in ausreichendem zeitlichem Abstand zum Hauptteil des Trainings durchgeführt werden, da es den Grundtonus der Muskulatur senkt und in einer akuten Reduktion der Schnelligkeitsund Schnellkraftleistung resultieren kann (vgl. 7 Kap. 6). 55 Schnelligkeitstraining erfordert eine hohe Motivation, Konzentration und Willensstärke des Athleten. Die bewusste Mitarbeit des Sportlers, die Identifikation mit der Trainingsaufgabe und eine hohe Konzentrationsfähigkeit sind Voraussetzungen für den Trainingserfolg. 55 Schnelligkeitsübungen dürfen während der Ausführungsdauer nicht zu Ermüdungserscheinungen (d. h. zu einem offensichtlichen Geschwindigkeitsverlust) führen. Folglich ist der Umfang des Schnelligkeitstrainings vergleichsweise gering. Bei einsetzender Ermüdung sollte die Übung unterbrochen oder beendet werden. Pausen zwischen den Übungen müssen so lang sein, dass der Athlet vor der nächsten Belastung (nahezu) vollständig erholt ist und bei einer folgenden Wiederholung wieder die Geschwindigkeit bzw. Zeit (oder die Anzahl der Versuche pro Zeiteinheit) der vorangegangenen Übung erreicht. 55 Schnelligkeitstraining verlangt einen oftmaligen Wechsel zwischen maximalen und supramaximalen Intensitäten auch innerhalb einer Trainingseinheit sowie einen häufigen Übungswechsel, damit sich  

nicht frühzeitig durch die längere Anwendung ein und derselben Inhalte, Methoden und Belastungen bzw. durch das häufige Wiederholen gleicher Anforderungen Schnelligkeitsstereotype („Geschwindigkeitsbarrieren“) herausbilden. 55 Die hohen neuromuskulären, sensorisch-kognitiven und/oder psychischen Anforderungen erlauben nur eine geringe Anzahl maximaler Versuche innerhalb einer Trainingseinheit und erfordern im Anschluss angemessene Regenerationszeiten. Gerade ein Schnelligkeitstraining kann durch unzureichende Erholungszeiten zu mittel- und langfristigen Ermüdungs- und Übertrainingserscheinungen führen, die den Erfolg der Trainingsmaßnahmen verhindern. 55 Reaktions- und Antizipationsschnelligkeit, azyklische und zyklische Schnelligkeit sowie Handlungsschnelligkeit und Agility sind spezifische und relativ eigenständige Erscheinungsformen der Schnelligkeit. Zu ihrer Entwicklung bedürfen sie daher einer differenzierten Trainingsmethodik. Dabei sind die Verbindungen zum Krafttraining sowie zum Koordinations- und Techniktraining zu berücksichtigen. 55 Für die Ausbildung der elementaren Schnelligkeit ist vor allem der Zeitabschnitt bis zum Abschluss der biologischen Reifung günstig, weil das Zentralnervensystem in den frühen Lebensjahren gut auf Schnelligkeitsreize anspricht und die Ansteuerung schneller Muskelfasern problemloser möglich ist. Dem Schnelligkeitstraining sollte daher besondere Aufmerksamkeit im Nachwuchstraining geschenkt werden.

279 Schnelligkeitstraining

5

Exkurs: Schnelligkeitsstereotyp („Geschwindigkeitsbarriere“) Basierend auf den Überlegungen von Ozolin (1978) wird angenommen, dass sich durch die längere Anwendung ein und derselben Inhalte, Methoden und Belastungen über die Gewöhnung ein Schnelligkeitsstereotyp herausbildet, der die Weiterentwicklung der Schnelligkeit erschwert oder sogar verhindert (Tabchnik 1992; Cissik 2005). Das ständige Wiederholen einer Bewegung im gleichen – wenn auch maximalen oder supramaximalen – Tempo sowie der akzentuierte Einsatz einseitiger Schnelligkeitsübungen könne die räumlichen und zeitlichen Merkmale der Bewegung so verfestigen, dass trotz weiterer Erhöhungen der Trainingsanforderungen anstelle von Trainingsfortschritten eine Stagnation in der Schnelligkeitsentwicklung und damit eine sogenannte „Geschwindigkeitsbarriere“ eintrete (Coh et al. 2011). Eine derartige „Geschwindigkeitsbarriere“ kann demnach nur verhindert werden, indem stets neue und variierende Trainingsreize eine zu starke und vor allem zu frühe Verfestigung des dynamischen Schnelligkeitsstereotyps unterbinden (Weineck 2009; Schnabel et al. 2014). Kommt es trotz allem zum Eintreten einer „Geschwindigkeitsbarriere“, werden zu ihrer Überwindung solche Methoden und Inhalte vorgeschlagen, die es dem Athleten ermöglichen sollen, nicht nur die eigene Maximalgeschwindig-

5.4.2

Trainingsbereiche und Methoden des Schnelligkeitstrainings

Schnelligkeitsleistungen können durch einen Methodenmix aus den Bereichen des Schnelligkeits- und beispielsweise Kraft- oder Techniktrainings verbessert werden. Im Folgenden wird ausschließlich ein Überblick über spezielle Schnelligkeitsmethoden gegeben. Bezüglich schnelligkeitsbeeinflussender Trainingsmethoden, die anderen Beanspruchungsformen ent-

keit zu überbieten, sondern diese auch auf dem neuen Niveau zu halten. Hierbei stehen Methoden mit erleichterten (z. B. Bergabläufe, Schleppläufe, körpergewichtsentlastendes Sprungtraining usw.) und variierenden Bedingungen (d. h. systematischer und alternierender Wechsel zwischen erleichterten, erschwerten [z. B. Zugwiderstandsläufe] und normalen Bedingungen) sowie ein Kontrast- bzw. Komplextraining (vgl. 7 Abschn. 4.2: Postactivation Potentiation (PAP) und Komplextraining) im Mittelpunkt (Tabchnik 1992; Voss et al. 2007; Weineck 2009). Es ist allerdings nicht geklärt, ob das Konzept der „Geschwindigkeitsbarriere“ aus biologischer Perspektive Gültigkeit besitzt und, wenn ja, ob es auch für nichtleichtathletische Schnelligkeitsdisziplinen relevant ist. So absolvieren Sprinter in jeder Woche ihres Trainings zahllose Sprints. Dies gilt jedoch nicht für beispielsweise Fußballer, Handballer oder Basketballer. In Sportarten mit komplexerem Beanspruchungsprofil im Vergleich zu den leichtathletischen Schnelligkeitsdisziplinen werden schnelligkeitsbetonte Bewegungen im Training in viel geringerer Dichte bzw. Häufigkeit und in größerer Variationsbreite absolviert. Das Konzept der „Geschwindigkeitsbarriere“ ist daher für nichtleichtathletische Sportarten womöglich völlig unbedeutend (Cissik 2005).  

lehnt sind (z. B. Schnell- oder Reaktivkrafttraining), sei auf die 7 Kap. 4, 6, 7 und 8 verwiesen. Kongruent zu den Erscheinungsformen der Schnelligkeit existieren in der trainingswissenschaftlichen Literatur ebenso zahlreiche Benennungen sowie Systematisierungsversuche von Schnelligkeitstrainingsmethoden. In Anlehnung an das in . Abb.  5.1 dargestellte Modell der Erscheinungsformen der Schnelligkeit ergibt sich die in . Abb.  5.8 vorgeschlagene Strukturierung von Trainingsbereichen und Methoden des Schnelligkeitstrainings.  





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Training der informatorischen Schnelligkeit

Reaktraionstraining Antizipationstraining

elementares Schnelligkeitstraining

5 Training der motorischen Schnelligkeit

komplexes Schnelligkeitstraining

zyklisches Frequenzschnelligkeits -training

supramaximale Schnelligkeitsmethode

azyklische Sequenzschnelligkeitstraining

Widerstandsmethode

zyklisches Antritts- und Sprintschnelligkeittraining

Kontrastmethode

azyklisches Aktionsschnelligkeitstraining

Koordinationsmethode

..      Abb. 5.8  Trainingsbereiche und Methoden des Schnelligkeitstrainings

5.4.3

Reaktionstraining

Im Reaktionstraining soll die reine Reaktionsfähigkeit als Grundlage für spezifische Reaktionen im Wettkampf geschult werden. Die Übungen erfolgen in aller Regel kombiniert mit anderen Leistungsvoraussetzungen, da Reaktionsanforderungen in der Wettkampfpraxis üblicherweise mit einer Bewegung bzw. Handlung einhergehen (Schnabel et al. 2014). Folglich soll ein Reaktionstraining das Abrufen von Handlungsprogrammen auf äußere Signale hin verbessern, wobei zum Beispiel für leichtathletische Sprinter oder für Schwimmer akustische Reize (u. a. Startschuss, Zuruf, Handklatsch) wichtiger sind als taktile oder visuelle und für Sportspieler oder Kampfsportler visuelle Reize (u.  a. Aktionen des Gegners, Ballflugrichtung) wichtiger sind als taktile oder akustische. Reaktionsübungen werden unter hohem Zeitdruck bei ausreichend langen Wiederholungs- und Serienpausen ab-

solviert, sodass die Ermüdung gering bleibt. Bei eindeutig erkennbarer Verlangsamung der Reaktionszeiten erfolgt der Abbruch des Reaktionstrainings. Damit die reine Reaktionsfähigkeit isoliert trainiert wird, beinhalten die Übungen keine Möglichkeiten zur Handlungsantizipation. Einfache Reaktionshandlungen sind beispielsweise Starts aus unterschiedlichen Körperpositionen, Richtungswechsel und Antritte auf unterschiedliche Signale sowie unter Zeitdruck Bälle fangen, abwehren oder weiterspielen. Eine solch allgemeine Schulung der Einfachreaktionsleistung entspricht den Wettkampfanforderungen im leichtathletischen Sprint oder im Schwimmen. Zur Vorbereitung für spätere Komplexreaktionen könnte sie auch für Sportspieler und Kampfsportler nützlich sein, reicht aber keinesfalls aus (Steinhöfer 2008). Es ist ein sportspiel- bzw. kampfsportspezifisches Reaktions- und Antizipationstraining komplexer Handlungen notwendig.

281 Schnelligkeitstraining

Praxistipp: Reaktionstraining Es gibt keine überzeugende trainingswissenschaftliche Evidenz, dass die reine Reaktionsleistung durch Trainingsinterventionsmaßnahmen deutlich verbessert werden kann. Auch deshalb wird angenommen, dass sie nur bedingt trainierbar ist (Plisk 2008). Untersuchungen zeigen aber, dass reine Reaktionszeiten auf unterschiedliche Stimuli bei Spitzensportlern (z. B. Fußballtorhüter) kürzer sind als bei untrainierten Personen (Ando et al. 2001). Nuri et al. (2013) konnten zudem belegen, dass sich die Reaktionsleistung sportartspezifisch ausprägt. Im Vergleich von Sprintern und Volleyballern reagierten die Sprinter schneller auf akustische Signale, während die Volleyballer eine bessere Leistung bei komplexen Reaktions- und Antizipationsaufgaben zeigten. In Relation zur Trainings- und Wettkampferfahrung in einer bestimmten Sportart lässt sich also eine Reduzierung der spezifischen Reaktionsleistung erwarten. Ein reines Reaktionstrainings sollte daher möglichst anforderungsspezifisch organisiert werden.

5.4.4

Antizipationstraining

Da komplexe Reaktionsleistungen in den Sportspielen oder den Zweikampfsportarten teils unter extremem Zeitdruck erfolgen, muss antizipiert werden. Die Steigerung der Leistung bei

komplexen Reaktionen ist also vor allem das Ergebnis einer verbesserten Antizipationsschnelligkeit, die wiederum in engem Zusammenhang mit der Wettkampferfahrung und Wahrnehmungsleistung steht. Beim Antizipationstraining handelt es sich folglich um ein Reaktionstraining, das im Rahmen des Technikund Taktiktrainings stattfindet. Da die technische, strategische und kognitive Wissenserweiterung Voraussetzung für antizipatives Agieren ist, lässt sich die Antizipationsschnelligkeit nur im Zusammenhang mit Technik und Taktik trainieren. Das Antizipationstraining ist daher auch Bestandteil des Trainings der Handlungsschnelligkeit (Schnabel et al. 2014). Unter erleichterten Bedingungen (z.  B. reduzierte Ballfluggeschwin­digkeiten, Reaktionen mit nur zwei Handlungsmöglichkeiten usw.) erwerben Spieler und Kampfsportler zunächst die Fähigkeit, Schlüsselreize zu erkennen und einzuordnen. Im Vergleich zum Reaktionstraining ist der Zeitdruck erst einmal deutlich reduziert. Mit zunehmendem Können werden Erleichterungen schrittweise abgebaut und die Komplexität, Variabilität und Wettkampfspezifität nehmen zu (Steinhöfer 2008). Zudem sollte ein Antizipationstraining überwiegend solche Übungen enthalten, die die nachträgliche Überprüfung der Wahlreaktionsentscheidungen ermöglichen. Dies kann zum Beispiel auch mithilfe eines Videotrainings erfolgen, bei dem frühzeitig aus den vermittelten Informationen Handlungen bzw. Wettkampfsituationen vorhergesagt werden müssen (Olivier et al. 2008).

Beispiel: Antizipationstraining Broadbent et al. (2015) fassen in ihrer Übersichtsarbeit zusammen, dass ein Antizipationstraining zur Entwicklung und Verbesserung von Wahrnehmungs- und Entscheidungsverhalten von Sportlern beiträgt und somit auch die sportartspezifische Leistungsfähigkeit steigern kann. Die Autoren weisen darauf hin, dass ein Antizipationstraining nur dann sinnvoll und wirksam ist, wenn sich die Übungsinhalte so nah wie möglich am Beanspruchungsprofil der jeweiligen Sportart orientieren. Nur so könne ein optimaler Transfer in die Wettkampfpraxis sichergestellt werden. Das dies

5

auch mit einem rein videobasierten Antizipationstraining gelingen kann, belegen die Untersuchungen von Gabbett et al. (2007) und Williams et al. (2002, 2003). Hockey-, Tennis- und Softball-Spieler schauten sich jeweils teilweise verdecktes Videomaterial an, bei dem sie durch das Identifizieren von bestimmten Bewegungshinweisen die Ballflugrichtung vorhersagen sollten. Es verbesserte sich sowohl die im Labor getestete Antizipationsschnelligkeit als auch die unter wettkampfspezifischen Feldbedingungen erfasste Antizipationsleistung der Sportler.

5

282

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5.4.5

Frequenzschnelligkeitstraining

Die Ausbildung der elementaren zyklischen Frequenzschnelligkeit erfolgt vorrangig durch den Einsatz einfacher, kleinmotorischer und grundlegender (Basis-)Bewegungen, die technisch in der Feinkoordination beherrscht werden. Zudem wird durch verringerte Widerstände eine hohe Bewegungsfrequenz angestrebt bzw. durch methodische Hilfen eine zunächst nicht realisierbare Bewegungsfrequenz erzwungen (Voss et al. 2007; Olivier et al. 2008; Schnabel et al. 2014). In der Sportpraxis können Finger-, Hand-, Arm- und Beintappings in unterschiedlichen Positionen bzw. Lagen (im Stehen, Sitzen oder Liegen), Skippings, kleine Hoppings, simple Leiterdrills oder Arm- und Beinkurbeln ausgeführt werden (Hohmann et al. 2014; Prieske et al. 2017). Während herausragende Bewegungsfrequenzen beispielsweise bei Beintappings teilweise mehr als 15 Hz betragen (Krug et al. 2019), fallen die Bewegungsfrequenzen bei sportartspezifischen komplexen zyklischen Bewegungen meist deutlich geringer aus. So erreichen die besten leichtathletischen Sprinter im Mittel eine Schrittfrequenz von vergleichsweise geringen 4,8 Hz (Salo et al. 2011). Ein Transfer von in ein-

fachen Basisübungen realisierten Bewegungsfrequenzen auf sportartspezifische Schnelligkeitsaufgaben ist nicht belegt. Thienes (1998) zeigte allerdings trainingsbedingte Leistungsverbesserungen bei sportartspezifischen Bewegungsabläufen, die unter anderem durch supramaximale Belastungen (z. B. ergabläufe) unterstützt wurden (7 Abschn. 5.4.9; Olivier et al. 2008).  

5.4.6

Sequenzschnelligkeitstraining

Es gelten dieselben Voraussetzungen und trainingsmethodischen Hinweise, die bereits im Kontext des Frequenzschnelligkeitstrainings beschrieben wurden. Beispielsweise können durch die Verringerung des Bewegungswiderstands (z.  B.  Körpergewichtsentlastung) eine schnellere Bewegungssequenz oder kürzere Bodenkontaktzeiten erreicht werden. Einfache, kleinmotorische azyklische Bewegungsaufgaben ohne größere äußere Widerstände und im kurzen DVZ sind unter anderem Prellsprünge (mit oder ohne Unterstützung durch beispielsweise eine „Sprungspinne“), angefallene und geprellte Liegestütze aus dem Kniestand oder angefallene und geprellte Wandstütze aus dem Stand (Hohmann et al. 2014; Prieske et al. 2017).

Beispiel: Plyometrisches Training Plyometrisches Training beinhaltet Übungen mit meist einfachen, kleinmotorischen Sprüngen, die im kurzen DVZ bei kürzesten Bodenkontaktzeiten realisiert werden. Eine Metaanalyse von Saez de Villarreal et al. (2012) zeigt, dass plyometrisches Sprungtraining selbst bei Spitzensportlern zu praxisrelevanten Verbesserungen der Sprintzeiten führt. Die mittlere Verbesserung der Sprintleistung liegt bei etwa 1 %. Dies erscheint gering, kann aber vor allem für die Leistung bei kurzen Sprints und Antritten relevant sein. Um die

Sprintleistung durch ein plyometrisches Training zu verbessern, ist eine nicht mehr als 10-wöchige Trainingsintervention mit mindestens 18 Trainingseinheiten und ca. 80 Sprüngen pro Einheit notwendig. Plyometrische Horizontalsprünge haben einen größeren Leistungstransfer auf die Sprintleistung als Vertikalsprünge. Sprungübungen mit Zusatzlast besitzen keinen Benefit hinsichtlich der Verbesserung der Antritts- und Sprintschnelligkeit (Saez de Villarreal et al. 2012).

283 Schnelligkeitstraining

5.4.7

Antritts- und Sprintschnelligkeitstraining

Aufgrund der hohen Sportartspezifität liegt es auf der Hand, dass das Antritts- und Sprintschnelligkeitstraining die zentrale Trainingsmethode für alle Sprintlaufdisziplinen repräsentiert. Aber auch der leichtathletische Weitsprung profitiert vom Training der Antritts- und Sprintschnelligkeit. Obwohl Sportspieler meist nur kurze Antritte über wenige Meter absolvieren, kann selbst hier neben dem Antrittsschnelligkeitstraining ein zusätzliches Training der Sprintschnelligkeit empfohlen werden, da ein positiver Transfer zwischen diesen beiden Trainingsformen wahrscheinlich ist (Steinhöfer 2008). Unter Berücksichtigung des Anforderungsprofils im Sportspiel sollte die Gewichtung aber zugunsten eines Trainings der Beschleunigungsleistung erfolgen. Im Sinne der komplexen zyklischen Bewegungsschnelligkeit können die allgemeinen methodischen Belastungsorientierungen der Antrittsund Sprintschnelligkeitsmethode im Übrigen auch auf das Sprinttraining auf dem Rad für beispielsweise Bahnradsportler, auf das Sprinttraining im Wasser für Schwimmsportler und Wasserballer oder auf das Sprinttraining auf dem Wasser für Kanuten und Ruderer übertragen werden, obschon die speziellen sportartspezifischen Anforderungscharakteristika und Rahmenbedingungen bei der Belastungsdosierung berücksichtig werden müssen. Jeder Antritt/Sprint wird mit maximaler Intensität absolviert. Bei einem Abfall der Beschleunigungsleistung bzw. bei einem Geschwindigkeitsabfall werden die Pausen verlängert, oder das Training wird abgebrochen. Im Antrittsschnelligkeitstraining werden kurze Streckenlängen von 10–20  m gewählt, im Sprintschnelligkeitstraining Streckenlängen von 30–50  m nach ggf. fliegendem Start mit submaximaler Vorbeschleunigung. In der Leichtathletik erfolgen Antritte und Sprints aus unterschiedlichen Startpositionen (Tiefstart, Hochstart, usw.) vorwärts-­linear. In den Sportspielen lässt sich ein Antritts- und Sprint-

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schnelligkeitstraining aber auch ausgezeichnet in spielsportspezifische Übungs- und Spielformen mit und ohne Ball integrieren (z. B. Leiter- und Pendelsprints über unterschiedliche Entfernungen mit oder ohne Ball oder [simuliertem] Schlag, Schuss, Pass, und/oder Zweikampf, Sternsprints, bei denen stets zum Ausgangspunkt zurückgekehrt wird, Rückwärts- und Seitwärtsläufe, usw.; Scheid und Prohl 2003; Prieske et al. 2017). Das Antritts- und Sprintschnelligkeitstraining zielt in den Sportspielen auch auf eine Verbesserung der Richtungswechselsprintschnelligkeit ab und ist Bestandteil des Trainings der Handlungsschnelligkeit und Agility. Bei sehr anforderungsnahen Trainingsformen mit Ball und ggf. Schläger muss berücksichtigt werden, dass der Spieler höchstem Zeitdruck ausgesetzt ist. So darf beispielsweise ein Tennisspieler nur mit größter Anstrengung das Trainerzuspiel bzw. den Ball erreichen. Der Schlagerfolg gerät als Trainingsziel teilweise in den Hintergrund. Die ­ Belastungsdosierung lässt sich hierbei jedoch weniger gezielt steuern als bei beispielsweise leichtathletisch orientiertem Beschleunigungs- und Sprinttraining (Steinhöfer 2008). 5.4.8

Aktionsschnelligkeitstraining

Die komplexe azyklische Bewegungsschnelligkeit hängt in vielen Disziplinen aufgrund fehlender oder geringerer äußerer Bewegungswiderstände nicht von der Maximalkraft ab (z.  B.  Boxschläge, Schlagwürfe im Handball, Aufschläge im Tennis oder Angriffsschläge im Volleyball; Hohmann et al. 2014). Das Training der komplexen azyklischen Schnelligkeit beinhaltet daher sportartspezifische Bewegungsakte wie Würfe, Schläge, Schüsse, Stöße, Kickbewegungen, Fechthiebe, Drehungen, Finten, Tanzschritte, usw., die mit maximalem Bewegungstempo absolviert werden (d. h., sie müssen technisch in der Feinkoordination beherrscht werden; Hohmann et al. 2014; Prieske

284

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et al. 2017). Zu unterscheiden ist das Üben von schnellen azyklischen Bewegungen, bei denen die Anforderungen an die Kraftfähigkeiten über 30 % des individuell realisierbaren Kraftmaximums liegen (z. B. Sprünge, Kugelstoßen, usw.). Hier gelten die in 7 Kap.  4 ausführlich behandelten Trainingsmethoden und Belastungsdosierungen (z.  B.  Schnellkrafttraining oder Reaktivkrafttraining, die auf der Nahtstelle zwischen komplexem Schnelligkeits- und Krafttraining angesiedelt sind).  

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Praxistipp: Verletzungs- und Überlastungsprävention

Aufgrund der positiven Transferwirkungen sowie im Sinne der Verletzungs- und Überlastungsprävention sollte das Training der Antritts-, Sprint- und Aktionsschnelligkeit stets mit einem ergänzenden Krafttraining einhergehen. Dies ist angesichts der enormen Belastungen, die bei maximal schnell absolvierten komplexen Bewegungen auf den aktiven und passiven Bewegungsapparat einwirken, dringend zu empfehlen. Zahlreiche Untersuchungen und Übersichtsarbeiten bestätigen, dass kraftorientierte Präventionsprogramme das Verletzungs- und Überlastungsrisiko bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen und in unterschiedlichsten Sportarten reduzieren (Goode et al. 2015; Soomro et al. 2015; Al Attar et al. 2017; Andersson et al. 2017).

So kann ein Sprung- und Reaktivkrafttraining die Entwicklung und Verbesserung nicht nur der Antritts- und Sprintschnelligkeitsleistung, sondern auch der komplexen azyklischen Schnelligkeitsleistung unterstützen. Insbesondere im Jugendbereich sollte hierbei aber zunächst die Technik von Absprung und Landung isoliert und in einfachen Vorübungen (z. B. beid- und einbeinige Sprünge auf Erhöhung mit Landungskontrolle) optimiert werden, da speziell bei weibli-

chen Sportlern die Gefahr der Innenrotation im Kniegelenk bei instabiler Landung besteht. Mit zunehmendem Leistungsniveau kann das Sprungkrafttraining durch variable Sprungparcours (beid- und einbeinige Linear- und Lateralmehrfachsprünge durch die Koordinationsleiter oder über Hürden), Tiefsprünge von Erhöhungen oder Sprungfolgen mit zusätzlicher Gewichtsbelastung (z.  B.  Gewichtsweste) ergänzt werden. Ferner ist ein begleitendes Rumpfkrafttraining sinnvoll, da schnelle Lauf-, Sprung-, Wurf-, Schuss- und Schlagaktivitäten nur auf der Basis einer soliden Ganzkörperstabilisation verletzungsfrei und effizient umgesetzt werden können. Praxistipp: Sprung- und Reaktivkrafttraining

Eine Untersuchung von de Villarreal et al. (2008) sowie eine Übersichtsarbeit von de Villarreal et al. (2009) liefern Hinweise für die Trainingsplanung und Periodisierung eines Sprung- und Reaktivkrafttrainings. Um die Sprungleistung messbar zu verbessern, ist eine Trainingshäufigkeit von zwei Trainingseinheiten über einen Zeitraum von mindestens zehn Wochen notwendig. Eine Erhöhung der Trainingshäufigkeit auf vier Trainingseinheiten pro Woche bringt keinen messbaren Vorteil bei der Entwicklung der Sprungleistung. Im Sinne der Trainingseffizienz sind demnach zwei Trainingseinheiten pro Woche optimal. Gleiches gilt im Übrigen für den Transfer des Sprungtrainings auf die Entwicklung der 20-m-Sprintleistung. Ferner sind mindestens 50 Bodenkonakte/ Sprünge pro Trainingseinheit notwendig, um positive Effekte zu erzielen. Trainingsprogramme, die viele verschiedene Sprungvarianten sowie hochintensive Sprünge (z. B. Drop Jumps) beinhalten, resultieren insgesamt in der größten Zunahme der Sprung- und Reaktivkraftleistung (Fleck und Kraemer 2014).

285 Schnelligkeitstraining

5.4.9

Supramaximale Schnelligkeitsmethode

Ziel des Trainings der motorischen Schnelligkeit ist es, die realisierbare Bewegungsgeschwindigkeit zu erhöhen und gleichzeitig die Bewegungssicherheit zu stabilisieren – zwei Zielsetzungen, die sich gegenseitig stören oder sogar ausschließen. Mit zunehmender Stabilisierung könnte es nämlich, wie bereits beschrieben, zu einer Balance zwischen den energetischen Voraussetzungen und deren Abrufbarkeit durch Steuerprogramme kommen, die eine Weiterentwicklung nicht mehr zulässt, da sie sich auf dem vorhandenen Leistungsniveau gefestigt hat (7 Abschn.  5.4.1: Geschwindigkeitsbarriere). Aus diesem Grund gilt es, solch unerwünschte dynamische Schnelligkeitsstereotype bei unterschiedlichen Bewegungen zu verhindern bzw. zu durchbrechen und bestehende Steuerprogramme hin zu kürzeren Zeitprogrammen zu verändern (Voss et al. 2007; Steinhöfer 2008). Nach Voss et al. (2007) verlangt der Wechsel zu kürzeren Zeitprogrammen ein energetisches „Überpotential“ (d. h. ein höheres energetisches Niveau als das, das zur späteren Programmrealisierung notwendig ist). Ein solches energetisches Überpotential kann durch die Verringerung des Bewegungswiderstandes simuliert werden. Das bedeutet, die supramaximale Schnelligkeitsmethode versucht, den Sportler hinsichtlich der energetischen Anforderungen zu entlasten, indem eine die Bewegung unterstützende Kraft ausgeübt wird. Dies hat vor allem im Nachwuchstraining eine besondere Bedeutung, da das für einen Programmwechsel notwendige energetische Überpotential hier schon aufgrund der entwicklungsbedingten Voraussetzungen oftmals nicht realisiert werden kann. So haben Kinder geringere Kraftvoraussetzungen als Erwachsene  – selbst unter relativer Bezugnahme auf das Körpergewicht (Voss et al. 2007). Eine Erleichterung kann durch eine Entlastung des Gesamtsystems über Gewichtsentlastung oder Verringerung des Bewegungswiderstands, durch eine Erhöhung der horizontalen Bewegungsgeschwindigkeit (z.  B.  Zugunterstützung beim Laufen, Schwimmen oder Ru 

5

dern) oder durch eine Verringerung von Antriebsflächen oder Gewichten von Sportgeräten (z. B. leichtere Wurfgeräte oder kleinere Übersetzungen im Radsport) erfolgen (Voss et  al. 2007). Beispiele für ein supramaximales Schnelligkeitstraining zur Verbesserung der zyklischen Bewegungsschnelligkeit sind Bergabläufe oder Sprints mit Zugunterstützung. Ein supramaximales Schnelligkeitstraining zu Steigerung der azyklischen Bewegungsschnelligkeit beinhaltet Entlastungshilfen wie beispielsweise die Verwendung von leichteren Wurfgeräten und Schlägern sowie (reaktive) Sprungübungen mit einer Sprungspinne oder Partnerunterstützung. Die Belastungsdosierung orientiert sich an der des komplexen Schnelligkeitstrainings. Allerdings empfehlen Kratky et  al. (2009) und Prieske et al. (2017), bei supramaximalen Sprints auf die Anweisung zu maximalem Bewegungstempo zu verzichten. So könne sich der Athlet trotz der künstlich herbeigeführten hohen Bewegungsgeschwindigkeiten auf die Umsetzung der Technikelemente konzentrieren. Voss et al. (2007) weisen ferner darauf hin, dass eine permanente Kontrolle der Bewegungsausführung notwendig ist. So stelle eine Entlastung auch immer eine Gefahr in der Form dar, dass erleichterte Bedingungen in etwas nicht Gewolltem resultieren – und zwar, wenn zum Beispiel ein Sportler beim Üben in der Sprungspinne die elastischen Eigenschaften der Gummiseile passiv nutzt und sich nicht mehr aktiv an der Bewegungsausführung beteiligt. Supramaximales Schnelligkeitstraining erfordert daher einen hohen Bewusstseinsgrad und eine permanente Überprüfung der anvisierten Trainingseffekte. In Sportarten mit komplexem Anforderungsprofil (z. B. Sportspiele und Zweikampfsportarten) ist aufgrund der Vielseitigkeit des disziplinspezifischen Schnelligkeitstrainings die Gefahr der Bildung einer Geschwindigkeitsbarriere gering. Zwar sind Verbesserungen der motorischen Schnelligkeitsleistung durch gezielte Trainingsreize grundsätzlich positiv zu bewerten. Gerade für Sportspieler stellt sich jedoch die Frage, ob Aufwand und Nutzen bei der supramaximalen Schnelligkeitsmethode in einem günstigen Verhältnis

286

T. Wiewelhove

stehen – zumal nicht eindeutig geklärt ist, ob eine Verkürzung von Zeitprogrammen aufgrund der komplexen Schnelligkeitsanforderungen für Sportspieler überhaupt notwendig ist. Daher sind allenfalls trainingspraktisch leicht zu realisierende Entlastungsübungen (z.  B.  Bergabläufe) als ergänzende Trainingsformen empfehlenswert (Steinhöfer 2008).

5

5.4.10

Widerstandsmethode

Die Widerstandsmethode dient der Entwicklung und Verbesserung komplexer Bewegungsschnelligkeitsleistungen, indem unter erschwerten Bedingungen bzw. bei Vergrößerung des Bewegungswiderstandes trainiert wird. Zusatzwiderstände werden allerdings eher mit dem Kraft- als mit dem Schnelligkeitstraining in Verbindung gebracht, da eine Erhöhung des Bewegungswiderstandes zwangsläufig mit einer Verringerung der Bewegungsgeschwindigkeit einhergeht. Auf den ersten Blick unterscheidet sich daher die Wirkungsweise von Krafttraining grundlegend von der des Schnelligkeitstrainings. Allerdings visiert sowohl das Schnelligkeitstraining als auch das Krafttraining eine Entwicklung des neuromuskulären Systems an (Voss et al. 2007). Die Widerstandsmethode zielt in diesem Zusammenhang auf die Veränderung der Ansteuermechanismen der motorischen Einheiten ab. Es wird eine höhere Rekrutierungsrate von insbesondere schnell kontrahierenden Muskelfasern angestrebt. Dies ist vor allem bei schnellen Antritten und Bewegungen unter hohem Zeitdruck erforderlich. Das Innervationsprogramm muss sofort mit Beginn der Bewegung möglichst viele schnelle motorische Einheiten synchron aktivieren. Ein Krafttraining mit maximalen explosiven konzentrischen Krafteinsätzen führt zu einer Verbesserung der Rekrutierungsrate schneller Muskelfasern (vgl. 7 Abschn.  4.4: Maximalkrafttraining). Vergleichbare Effekte hat auch das Training mit schnell entwickelten hohen Muskelzugspannungen, die unter anderem durch leichte Zusatzlasten zustande kommen (Voss et al. 2007).  

Möglichkeiten zur Erschwerung der Bewegungsbedingungen im Sinne der Widerstandsmethode sind die Erhöhung des Gewichts des Gesamtsystems (z. B. mithilfe von Gewichtswesten oder Gewichtsmanschetten) und/oder des Bewegungswiderstandes (z. B. Zugwiderstand beim Laufen oder Schwimmen mittels Zugschlitten oder Widerstandsbändern, Schleppwiderstände beim Rudern, Bergaufsprints oder Partnerübungen) sowie die Vergrößerung von Antriebsflächen (z. B. Flossen oder größere Blattflächen im Rudern) oder Gewichten von Sportgeräten (z. B. schwerere Wurfgeräte oder Schläger; Voss et  al. 2007). Die Belastungsdosierung orientiert sich an derjenigen des Antritts- und Sprintschnelligkeitssowie Aktionsschnelligkeitstrainings. Dabei ist zu beachten, dass die verwendeten Widerstände unter 30  % des individuell realisierbaren Kraftmaximums liegen, um das Widerstandstraining trotz der engen Verwandtschaften vom (Schnell-) Krafttraining abzugrenzen. Das bedeutet auch, dass die erschwerten Bedingungen die maximale Bewegungsgeschwindigkeit um nicht mehr als 10 % reduzieren sollten (Prieske et al. 2017). Studien und Praxiserfahrungen zeigen, dass ein Schnelligkeitstraining nach der Widerstandsmethode zu ähnlich positiven Effekten führt wie ein herkömmliches Schnellkrafttraining. Praxistipp: Zugwiderstandsläufe

Zahlreiche Studien belegen, dass die Verwendung von Zusatzlasten im Sprinttraining langfristig die Laufleistung verbessern. Galpin (2018) empfiehlt einen gemischten Trainingsansatz, bei dem variierend mit hohen, moderaten und niedrigen Zugwiderständen trainiert wird. Diesbezüglich fanden Bachero-Mena und Gonzalez-Badillo (2014) heraus, dass für eine Steigerung der Antrittsschnelligkeit bzw. der Beschleunigung auf den ersten 30 m solche Lasten am wirksamsten waren, die in etwa 20 % des Körpergewichts des Athleten entsprachen. Hingegen wurde eine Erhöhung der Schrittlänge durch Widerstände erreicht, die ca. 5–12,5 % des Körpergewichts des Athleten entsprachen.

5

287 Schnelligkeitstraining

Exkurs: Zusatzlast versus Entlastung Schnelligkeitstübungen unter Zuhilfenahme von Zusatzlasten (z. B. Zugwiderstandsläufe und Sprünge mit Gewichtsweste) sind in der Sportpraxis weit verbreitet. Da der Fokus der Widerstandsmethode auf der Erhöhrung des Bewegungswiderstandes liegt, wird die Erreichung einer maximalen Bewegungsgeschwindigkeit (diese nimmt durch die verwendeten Zusatzlasten erzwungenermaßen ab) vernachlässigt. Dies entspricht auf den ersten Blick nicht den trainingsmethodischen Grundsätzen eines Schnelligkeitstrainings. Dennoch belegen zahlreiche Studien den positiven Einfluss eines Widerstandstrainings auf die Entwicklung und Verbesserung der Schnelligkeits- und Schnellkraftleistung bei Sprint- und/oder Sprungbelastungen (West et al. 2013; BacheroMena und Gonzalez-Badillo 2014; Gil et al. 2018; Rodriguez-Osorio et al. 2019). Die durch ein Training nach der Widerstandsmethode induzierten Adaptationen spiegeln sich dabei vor allem in Anpassungen tendomuskulärer Einflussgrößen wider und äußern sich in einer Steigerung der schnelligkeitsspezifischen Kraftkomponenten (d. h. Schnell- und Maximalkraft). Das Training mit Zusatzlasten wirkt sich daher vor allem auf solche Bewegungsabläufe positiv aus, die von einer raschen Kraftbildungsgeschwindigkeit bzw. Beschleunigung bei vergleichsweise hohen Bewegungswiderständen abhängig sind (z. B. kurze Antritte oder Sprints, bei denen das eigene Körpergewicht möglichst schnell überwunden werden muss). Aus trainingsmethodischer Perspektive steht die supramaximale Schnelligkeitsmethode in scheinbarem Widerspruch zum Training mit Zusatzlasten. Eine Entlastung ermöglicht zwar die Erreichung von supramaximalen Geschwindigkeiten. Durch den reduzierten

5.4.11

Kontrastmethode

Widerstand werden jedoch keine hohen Kraftspitzen erzeugt. Aktuelle Befunde zeigen aber, dass ein Entlastungstraining (z. B. Zugunterstützungsläufe) ebenfalls zu positiven und verglichen zur Widerstandsmethode ähnlichen Anpassungen der komplexen Schnelligskeitsleistung führen kann (Girold et al. 2006; Argus et al. 2011; Upton 2011). Die Trainingstheorie des Unterstützungstrainings beruht dabei auf dem Prinzip der Spezifität (Galpin 2018). Hiermit ist gemeint, dass ein regelmäßiges Training mit Übergeschwindigkeiten dem Sportler ermöglichen soll, seine Schnelligkeitsleistung auf das erzwungene Geschwindigkeitsniveau zu steigern. Das zunächst nur unter erleichterten Bedingungen erreichte Geschwindigkeitsniveau kann also schließlich unter „normalen“ Bedingungen abgerufen werden. Anpassungen werden vorrangig auf der Ebene der neuronalen Einflussgrößen vermutet und entsprechen somit dem Charakter eines „reinen“ Schnelligkeitstrainings. Obwohl das Konzept der supramaximalen Schnelligkeitsmethode nicht neu ist, wurde dessen Effektivität bislang in nur wenigen Trainingsstudien dokumentiert. Aufgrund der unzureichenden Evidenz empfiehlt Galpin (2018) einen ausgewogenen Einsatz von Zusatzlasten und Entlastungen im Schnelligkeitstraining. Dieser kann in Abhängigkeit des Alters und der disziplinspezifischen Schnelligkeitsanforderungen unterschiedlich akzentuiert werden. Beispielsweise sollte dem Schnelligkeitstraining unter erleichterten Bedingungen vor allem im Nachwuchstraining besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, da das Zentralnervensystem in den frühen Lebensjahren gut auf Schnelligkeitsreize anspricht und die Ansteuerung schneller Muskelfasern problemloser möglich.

und Sprintschnelligkeits- sowie Aktionsschnelligkeitstrainings und wird in 7 Abschn. 4.2 im Kontext des Krafttrainings unter dem Begriff Komplextraining behandelt. Es wird versucht, Bewegungsgeschwindigkeiten durch eine unmittelbare Koppelung von Widerstandsübun 

Die Kontrastmethode (auch als Komplextraining oder Contrast Loading bezeichnet) kombiniert die trainingsmethodischen Inhalte der Widerstandsmethode mit denen des Antritts-

288

5

T. Wiewelhove

gen mit spezifischen Schnelligkeitsübungen unter „normalen“ und/oder erleichterten Bedingungen zu optimieren. Die dahinterstehende Trainingstheorie besagt, dass eine neuromuskuläre Voraktivierung (z.  B. ein 30-m-Linearsprint mit Gewichtsweste) im Sinne der Postactivation Potentiation (PAP) eine kurzfristig optimierte Aktin-Myosin-Interaktion, eine verbesserte Erregbarkeit und Rekrutierung schneller Muskelfasern und insgesamt einen verbesserten neuromuskulären Signaltransfer bewirkt. Dieser Nachwirkungseffekt geht für gewöhnlich mit einer zeitlich begrenzten Leistungssteigerung bei schnellen, unter normalen Bedingungen absolvierten Bewegung einher, wenn zuvor die gleiche oder eine verwandte Bewegung unter erschwerten Bedingungen durchgeführt wurde. Die jeweiligen Pausenlängen müssen so gewählt werden, dass die durch die Voraktivierungsübung induzierte Ermüdung abgeklungen ist, der Nachwirkungseffekt aber noch anhält (Fleck und Kraemer 2014). 5.4.12

Koordinationsmethode

In Anlehnung an Joch und Ückert (1999) sowie Steinhöfer (2008) können die bislang beschriebenen Trainingsbereiche und Methoden zur Entwicklung und Verbesserung der motorischen Schnelligkeit als Intensitätsmethoden zusammengefasst werden, da sie durch die wiederholte Ausführung der Bewegung mit maximal möglicher Geschwindigkeit gekennzeichnet sind. Intensitätsmethoden basieren also auf der Annahme, dass eine Verbesserung der Schnelligkeit auf der Grundlage häufig ausge-

führter, maximal schneller Bewegungen möglich ist – schnell wird, wer schnell trainiert. Die Schnelligkeitsleistung wird aber vor allem bei komplexen Bewegungen in erheblichem Maß durch die Bewegungskoordination und -technik mitbestimmt. Während mittels Intensitätsmethoden die Geschwindigkeit bereits gelernter Bewegungsmuster verändert werden soll, wird mit der Koordinationsmethode auf die Entwicklung und Verbesserung schneller Bewegungen im motorischen Lernprozess abgezielt. Die Schnelligkeit bei komplexen Bewegungsabläufen wird meist nicht durch die maximale Geschwindigkeit begrenzt, mit der einzelne Bewegungsteile isoliert ausgeführt werden können, sondern vielmehr durch die koordinative Kopplung mehrerer schnell auszuführender Bewegungselemente. Ziel der Koordinationsmethode ist es deshalb, einzeln herausgebildete schnelle Bewegungen zu einer komplexen Bewegung zusammenzufügen, ohne dass die Teilbewegungen an Geschwindigkeit verlieren (Joch und Ückert 1999). Unter der Koordinationsmethode versteht man daher die Anwendung von spezifischen Übungen, die darauf abzielen, das Zusammenspiel von Agonisten und Antagonisten bei Sprint-, Sprung-, Wurf- und Schlagbewegungen im Sinne spinaler Verschaltungen besser zu koordinieren. Der Wechsel von Anspannung und Entspannung, hohen und geringen Kraftstößen, großen und kleinen Bewegungsamplituden, langsamen und schnellen Bewegungsfrequenzen sowie einfachen und komplexen Bewegungen trainiert jeweils akzentuiert unterschiedliche koordinative Anforderungen der angesteuerten Schnellig-

289 Schnelligkeitstraining

keitsleistungen (Steinhöfer 2008). Bewährte Trainingsübungen sind unter anderem Koordinationsläufe (z.  B.  Läufe durch die Koordinationsleiter), Steigerungsläufe, Sprungläufe, Treppenläufe und vielfältige Übungen des Lauf- bzw. Sprint- und Sprung-ABCs. Grundsätzlich gelten auch hier die trainingsmethodi-

schen Leitlinien für ein Schnelligkeitstraining. Aufgrund der teils niedrigeren Intensitäten im Vergleich zu den Intensitätsmethoden können aber mitunter höhere Wiederholungszahlen und kürzere Pausenzeiten realisiert werden. Eine enge Verwandtschaft zum Techniktraining ist erkennbar.

Exkurs: Schnelligkeitsausdauertraining Für die Verbesserung der Schnelligkeitsausdauer kommt ein Methodenmix aus Schnelligkeitsund Ausdauertraining infrage. Zur Verbesserung der Sprintausdauer werden beispielsweise Sprints von ca. 12–30 s Dauer mit möglichst maximaler Intensität absolviert – dies entspricht Streckenlängen von ungefähr 120–300 m. Das heißt, es werden sogenannte Überdistanzen gesprintet, die rund 120 % der Wettkampfstrecke entsprechen. Die Trainingssteuerung erfolgt nach dem Prinzip der Wiederholungsmethode. Ein weiteres Beispiel zur Verbesserung der Sprintausdauer ist das Absolvieren von sogenannten Unterdistanzen (z. B. 60–80 Meter) bei gleichzeitig geringeren Wiederholungs- und Serienpausen. Das Trainingsprinzip orientiert sich stärker an den Regeln der Intervallmethode (lohnende Pausen). Aufgrund der biologischen und trainingsmethodischen Überlappungen mit dem Ausdauertraining wird für eine vertiefte Betrachtung des Schnelligkeitsausdauertrainings auf 7 Kap. 7 verwiesen. An dieser Stelle sei aber erwähnt, dass es bei der Entwicklung und Verbesserung der Schnelligkeitsausdauer nicht alleine um die Auswahl angemessener Übungen geht, sondern vielmehr um eine individuell verträgliche und wirksame Mischung verschiedener Methoden aus dem Kraft-, Ausdauer 

5

und Schnelligkeitstraining. Die Schnelligkeitsausdauer stellt zwar die größte Leistungsreserve im Hochleistungsalter dar. Sie erfordert aber auch deshalb ein besonders systematisches und individuelles Vorgehen. Trainingsmethodische Fehler können schwerwiegende Auswirkungen auf die Entwicklung und Aufrechterhaltung der Schnelligkeitsleistung haben (Hohmann et al. 2014). Beispielsweise können sich 100- oder 200-m-Sprintzeiten von bereits herausragenden 60-m-Sprintern durch ein Schnelligkeitsausdauertraining verbessern. Gleichzeitig kann es zu erheblichen Einbußen bei der 60-m-Sprintzeit kommen. Auch können zu kurze Pausen im intervallbasierten Schnelligkeitsausdauertraining zu extrem hohen Ermüdungsaufstockungen und raschen Laktatanstiegen führen, sodass sowohl die technomotorische Trainingsleistung als auch die Aufmerksamkeitsleistung zu schnell nachlassen. In der Folge sinken die realisierbaren Trainingsumfänge und die Regenerationsphasen zwischen den Trainingseinheiten reichen nicht aus (Steinhöfer 2008). In der Praxis der Sportspiele ist zudem problematisch, dass das Schnelligkeitstraining primär als Schnelligkeitsausdauertraining praktiziert wird. Aufgrund unterschiedlicher Anpassungen ist dies für die Schnelligkeitsentwicklung eher kontraproduktiv.

290

T. Wiewelhove

Exkurs: Trainingscharakteristika des Schnelligkeitstrainings

5

Die in der trainingswissenschaftlichen Literatur angegebenen Belastungsnormative (d. h. Anzahl der Wiederholungen pro Serie, Anzahl der Serien pro Trainingsübung/-einheit, Pausendauer zwischen den Wiederholungen und Serien) dienen der groben Orientierung bei der Steuerung des Schnelligkeitstrainings. Sie basieren jedoch mehr auf Plausibilitätsannahmen als auf empirischer Evidenz und scheinen teils willkürlich festgelegt zu sein. Abgesehen von der Intensität bzw. vom

Bewegungstempo unterliegen sie erheblichen Schwankungen und sollten unter Berücksichtigung der sportartspezifischen und übungsorganisatorischen Besonderheiten sowie aktueller evidenzbasierter Trainingsempfehlungen überprüft und angepasst werden. In der trainingswissenschaftlichen Literatur finden sich die in . Tab. 5.1 skizzierten Trainingscharakteristika. Fraglich ist vor allem die teils riesige Spanne von Wiederholungen, Serien und Pausendauer.  

..      Tab. 5.1  Trainingscharakteristika der Bereiche und Methoden des Schnelligkeitstrainings Dimension

Trainingsmethodisches Prinzip

Trainingsbereiche und Methoden

Intensität

Wdh.

Serien

Pausen

informatorische Schnelligkeit

Wiederholungsprinzip (vollständige Pausen)

Reaktionstraining

100 %

5–12

1–3

WP: variabel SP: 1–3 min

Antizipationstraining

100 %

5–12

1–3

WP: variabel SP: 1–3 min

Frequenzschnelligkeits-training

100 %

2–3

1–3

WP: 50 s–3 min SP: 3–5 min

Sequenzschnelligkeitstraining

100 %

4–10

1–3

WP: 10–20 s SP: 3–5 min

Antritts- und Sprintschnelligkeitstraining

100 %

2–8

1–4

WP: 1–3 min SP: 4–10 min

Aktionsschnelligkeitstraining

100 %

6–12

1–5

WP: 10–90 s SP: ≈ 2 min

supramaximale Schnelligkeitsmethode

105– 110 %

2–12

1–5

WP: 10 s–3 min SP: 2–10 min

Widerstandsmethode

100 %

2–12

1–5

WP: 10 s–3 min SP: 2–10 min

Kontrastmethode

100 %

2–12

1–5

WP: 10 s–3 min SP: 4–12 min

Koordinationsmethode

90– 100 %

variabel

variabel

variabel

motorische Schnelligkeit

Wdh. = Wiederholungen pro Serie; WP = Pausendauer zwischen den Wiederholungen; SP: Pausendauer zwischen den Serien; ÜD = Überdistanzmethode; DU = Unterdistanzmethode

291 Schnelligkeitstraining

5.5

Ausgewählte Trainingsbeispiele

Die folgenden Beispiele sind exemplarisch aus der grenzenlosen Vielfalt an Möglichkeiten des Schnelligkeitstrainings ausgewählt. Zur Strukturierung werden die Übungen nach den Trainingsbereichen und Methoden des Schnelligkeitstrainings sowie unter Bezugnahme auf die jeweiligen Erscheinungsformen der Schnelligkeit sortiert. Es werden sowohl sportartübergreifende als auch sportart- bzw. disziplinspezifische Trainingsbeispiele vorgestellt. Dabei kann es auch zu Mischformen kommen. Beispielsweise kann eine komplexe Reaktions- oder eine Antizipationsaufgabe mit einem kurzen Antritt oder Sprint kombiniert werden und so auch zu einer Agility-Übung werden. Aus methodischer Sicht wird für ein sportartspezifisches und adressatengerechtes Schnelligkeitstraining zudem eine Vielzahl von Hilfsmitteln benötigt. Hierzu zählen unter anderen: 55 Stoppuhr 55 Trillerpfeife, Startklappe 55 Langkästen bzw. Turn- oder Sprungkästen, Turnbänke, Turnmatten 55 Reaktionsbälle 55 Klettverschlussgurte 55 Radarmessgerät 55 verschiedene leichte und schwere Wurfgeräte (Tennisbälle, Schlagbälle, Vortex, Medizinbälle, usw.) 55 Hütchen, Pylonen, Markierungsmatten, Markierungsstreifen 55 Koordinationsleiter, Gymnastikreifen, Hürden, Softhürden 55 elektronisches Lichtschrankensystem 55 Zugschlitten, Widerstandsbänder 55 Gewichtswesten, Gewichtsmanschetten, Sandbags 55 Zugbänder, Sprungspinne

Praxistipp: Sportartspezifisches und individualisiertes Schnelligkeitstraining

Schnelligkeitstraining sollte immer den sportartspezifischen Anforderungen und Wettkampfstrukturen gerecht werden. Dies gilt im Übrigen auch für alle anderen Fähigkeitsbereiche. Während für Marathonläufer ein Schnelligkeitstraining kaum eine Rolle spielt, sollte bei Mittelstreckenläufern der Anteil des Schnelligkeitstrainings am Gesamttrainingsumfang bereits deutlich höher liegen. Auch benötigt ein Fußballspieler auf der Außenposition andere Trainingsinhalte als ein Fußballtorwart. So muss ein Außenstürmer beispielsweise in der Lage sein, im Spiel wiederholt schnell zu sprinten, während sich ein Weltklasse-Torwart vor allem durch eine herausragende Reaktions- und Antizipationsschnelligkeit sowie azyklische Bewegungsschnelligkeit auszeichnet. Ferner muss der sportartspezifische Wettkampfkalender bei der Trainingsplanung berücksichtigt werden. Da Leichtathleten oder Kampfsportler meist an nur wenigen Wettkämpfen pro Jahr teilnehmen, kann sich die systematische Entwicklung der Schnelligkeit über mehrere Monate erstrecken. Sportspieler sehen sich hingegen mit einer deutlich höheren Wettkampfdichte konfrontiert. Im Rahmen einer Saisonvorbereitung und erst recht während der Saison steht daher deutlich weniger Zeit für eine gezielte Verbesserung von Schnelligkeitsfähigkeiten zur Verfügung (Prieske et al. 2017). Folglich sind aus den unterschiedlichen Möglichkeiten und Trainingsbeispielen des Schnelligkeitstrainings ganz unterschiedliche sportartspezifische Trainingsprogramme abzuleiten, die sich in Abhängigkeit der disziplinspezifischen Rahmenbedingungen als Makro-, Meso- oder sogar nur als Mikrozyklen organisieren lassen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Planung der Trainingsprogramme im Sinne eines individualisierten Schnelligkeitstrainings auch immer auf leistungsdiagnostischen Ergebnissen basieren sollte (vgl. 7 Kap. 3).  

5

292

5

T. Wiewelhove

kST Beispiel 1:

kST Beispiel 2:

Einfachreaktion mit einbeinigem Steigsprung

Einfache Reaktionsspiele mit einem Ball

Trainingsziel  Entwicklung und Verbesserung der Reaktionsschnelligkeit bei Einfachreaktionen.

Trainingsziel  Entwicklung und Verbesserung der Reaktionsschnelligkeit bei Einfachreaktionen.

Trainingsablauf  Auf ein akustisches Signal hin absolviert der Sportler einen einbeinigen Steigsprung auf einem Langkasten oder auf einer Turnbank (. Abb.  5.9). Die Signalgebung erfolgt zum Beispiel mit einer Startklappe, Trillerpfeife, auf Zuruf oder per Handklatschen. Der Sportler konzentriert sich auf eine schnellstmögliche Reaktion. Der Sprung erfolgt im kürzesten zeitlichen Abstand zur Signalgebung möglichst explosiv.

Trainingsablauf  Der Sportler fängt einen fal-



Variationen  Statt eines akustischen Reizes kann die Signalgebung über ein optisches oder taktiles Signal erfolgen. Anstelle eines Steigsprungs können andere Bewegungsprogramme gefordert werden (z. B. ein- und beidbeinige Horizontal-, Vertikal- oder Lateralsprünge, kurze Antritte aus unterschiedlichen Positionen ggf. mit Richtungswechseln und/oder als Wettkampfform gegeneinander, usw.).

lenden Ball auf. Die Signalgebung erfolgt über das Fallenlassen des Balles (optischer Reiz). Der Trainer oder Übungspartner hält den Ball in der Hand. Der Handrücken zeigt nach oben. Der Sportler berührt mit seiner Hand, mit der der Ball gefangen werden soll, den Handrücken des Trainers/Partners und konzentriert sich auf eine schnellstmögliche Reaktion. Sobald der Ball fallgelassen wird, muss der Sportler versuchen, den Ball noch vor dem Auftreffen auf dem Boden aufzufangen.

Variationen  Zur Erschwerung der Übung kann der Trainer/Partner zwei Bälle festhalten (einen Ball in der linken und einen Ball in der rechten Hand). Der Sportler berührt entsprechend mit seinen beiden Händen die Handrücken des Trainers/Partners. Der Trainer/Partner kann nun entweder einen der beiden Bälle oder

..      Abb. 5.9  Einfachreaktion mit einbeinigem Steigsprung

293 Schnelligkeitstraining

..      Abb. 5.10 Einfache Reaktionsspiele mit zwei Bällen

5

a

beide Bälle gleichzeitig loslassen (. Abb. 5.10a). Die Übung kann ebenso mit einer großräumigeren motorischen Aktion verknüpft werden, indem der Sportler einige Meter vom Trainer/ Partner entfernt steht. Sobald der Ball losgelassen wird, sprintet der Sportler los und versucht den Ball aufzufangen (. Abb. 5.10b). In Abhängigkeit des Abstands zwischen Trainer/Partner und Sportler darf der Ball einmal auf dem Boden aufkommen oder muss direkt aus der Luft gefangen werden.  



kST Beispiel 3:

..      Abb. 5.11  Einfaches Duellspiel

Einfache Duellspiele Trainingsziel  Entwicklung und Verbesserung der Reaktionsschnelligkeit bei Einfachreaktionen. Trainingsablauf  Zwei oder mehr Sportler/ Partner knien vor einem Turnkasten, legen eine Hand oder beide Hände auf den Kastendeckel und haben das Ziel, nach einem akustischen Signal als Erster einen auf dem Kastendeckel liegenden Gegenstand (z.  B.  Ball) zu berühren oder zu ergreifen (. Abb. 5.11). Die Signalgebung erfolgt mit einer Startklappe, Trillerpfeife, auf Zuruf oder per Handklat 

schen. Die Sportler konzentrieren sich auf eine schnellstmögliche Reaktion. Es können mehrere Paare gleichzeitig gegeneinander antreten. Nach einigen Wiederholungen wechseln die Paarungen. Variationen  Ausgangsstellung (z.  B. sitzend, stehend, liegend) und Gegenstände können variieren. Gleiches gilt für die geforderte Bewegungsantwort (z.  B.  Berührung mit dem Fuß). Durch die Schaffung eines Zählsystems kann die Übung zudem als Wettkampfform durchgeführt werden.

294

T. Wiewelhove

kST Beispiel 4:

Komplexreaktionen mit kurzen Richtungswechselsprints Trainingsziel  Entwicklung und Verbesserung

der Reaktionsschnelligkeit bei Wahlreaktionen.

5

Trainingsablauf  Der Sportler steht in frontaler Stellung an einer Startlinie. In diagonalem, kurzem Abstand (ca. 2–4 m) von der Startlinie entfernt liegen zwei farblich unterschiedliche (z. B. blaue und gelbe) Hütchen oder Pylonen auf dem Boden. Der Sportler konzentriert sich auf eine schnellstmögliche Reaktion. Auf Zuruf (z. B. „Blau“) sprintet der Sportler im kürzest möglichen zeitlichen Abstand zur Signalgebung um das Hütchen herum und zurück zur Startlinie (. Abb. 5.12).

Variationen  Der Sportler kann aus unter-

schiedlichen Ausganspositionen starten (z.  B. liegend, halbkniend, usw.). Zur Erschwerung der Übung wird die Anzahl der Hütchen erhöht. Auch kann das akustische Signal variiert werden, indem eine Zahl oder die Art des Signals (Trillerpfeife, Handklatschen, Fingerschnippen, Handzeichen, Fußzeichen, usw.) mit einer Farbe verknüpft wird. Die Schwierigkeit kann zusätzlich erhöht werden, indem gegenteilige Bewegungsausführungen gefordert werden (z. B. bei Zuruf „Rot“ zum blauen Hütchen sprinten und andersherum). Die Übung kann mit mehreren Stationen auch als Wettkampfform gegeneinander durchgeführt werden.



..      Abb. 5.12  Komplexreaktion mit Richtungwechselsprint

295 Schnelligkeitstraining

kST Beispiel 5:

Komplexe Reaktionsspiele mit Bällen Trainingsziel  Entwicklung und Verbesserung der Reaktionsschnelligkeit bei Wahlreaktionen bzw. der Agility. Trainingsablauf  Sportler und Trainer/Part-

ner stehen sich in kurzem Abstand gegenüber. Der Sportler konzentriert sich auf eine schnellstmögliche Reaktion. Der Trainer/Partner wirft drei Bälle, die sich farblich unterscheiden (z. B. blau, gelb und rot), in die Luft. Auf Zuruf durch den Trainer/Partner (z.  B. „Rot“) muss der Sportler den passenden Ball auswählen und vor dem Auftreffen auf dem Boden auffangen (. Abb.  5.13a). Das akustische Signal muss so

abgestimmt sein, dass der Spieler unter hohem Zeitdruck steht, die Aufgabe aber lösen kann. Variationen  Der Sportler hat die Augen geschlossen oder steht mit dem Rücken zum Trainer/Partner, öffnet die Augen auf Zuruf oder dreht sich auf Zuruf um, wählt den richtigen Ball aus und fängt ihn auf (. Abb. 5.13b). Zur weiteren Erschwerung der Übung wird die Anzahl der Bälle erhöht. Beispielsweise können drei gleichfarbige Ballpaare hochgeworfen werden, und auf Zuruf müssen zwei Bälle gefangen werden. Auch kann das akustische Signal variiert werden, indem eine Zahl oder die Art des Signals (Trillerpfeife, Handklatschen, Fingerschnippen) mit einer Farbe verknüpft wird.  



a

5

b

..      Abb. 5.13  Komplexe Reaktionsspiele mit Bällen. a Grundversion, b Variante

296

T. Wiewelhove

kST Beispiel 6:

Frequenzsprints durch die Koordinationsleiter Trainingsziel  Entwicklung und Verbesserung der elementaren zyklischen Frequenzschnelligkeit.

5

Trainingsablauf  Der Sportler startet vor der ersten Sprosse der Leiter und sprintet mit höchstmöglicher Schrittfrequenz, kurzen Bodenkontaktzeiten und geringer Bewegungsamplitude mit jeweils einem Bodenkontakt pro Feld durch die Koordinationsleiter (. Abb.  5.14). Die Schrittlänge wird durch die Größe der Felder begrenzt.

durchqueren. Erfolgt vor dem Eintritt in die Leiter eine Beschleunigungsphase oder wird der Sportler von zwei Partner an den Armen durch die Leiter gezogen, können höhere Bewegungsfrequenzen erzwungen werden. In . Abb.  5.15 sind verschiedene Laufmuster dargestellt, die bei optimaler Bewegungstechnik und -koordination als Frequenzsprints durch die Koordinationsleiter absolviert werden können.  



Variationen  Die Schrittfrequenz kann weiter gesteigert werden, indem der Sportler zwei oder drei Schritte pro Feld absolviert. Es muss aber immer eine optimale Bewegungstechnik gewährleistet sein. Die Übung kann mit mehr oder weniger starkem Kniehub durchgeführt werden. Sportspieler und Kampfsportler können die Leiter auch im Seitwärts- oder Rückwärtslaufen ..      Abb. 5.15  Laufmuster für Frequenzsprints durch die Koordinationsleiter

..      Abb. 5.14  Frequenzsprint durch die Koordinationsleiter

linker Fuß rechter Fuß

297 Schnelligkeitstraining

kST Beispiel 7:

Variationen  Die Tappings können in unter-

Tappings auf der Stelle (Nähmaschine)

schiedlichen Positionen (stehend, sitzend, liegend, im Liegehang; . Abb. 5.16b, c), Körperschwerpunkthöhen und Kniewinkeln sowie auf unterschiedlichen sportartspezifischen Untergründen (z.  B.  Rasen) und unter Körpergewichtsentlastung (z.  B. durch das Abstützen auf zwei Turnkästen) absolviert werden. Anstelle von Tappings können Skippings mit und ohne Armeinsatz durchgeführt werden. Ebenso können Hand-, Arm oder Fingertappings in unterschiedlichen Positionen absolviert werden.  

Trainingsziel  Entwicklung und Verbesserung

der elementaren zyklischen Frequenzschnelligkeit.

Trainingsablauf  Der Sportler realisiert über die Vorstellung der schnellen und rhythmischen Bewegungsaktivität einer Nähmaschine hochfrequente Beintappings auf der Stelle. Die Füße heben minimal vom Boden ab. Dadurch werden kurze Bodenkontakt- und Hubzeiten erreicht. Die Arme bewegen sich nicht mit (. Abb. 5.16a).  

a

b

5

c

..      Abb. 5.16  Tappings im Stehen a, Sitzen b und Liegen c

298

T. Wiewelhove

kST Beispiel 8:

Fußgelenkssprünge Trainingsziel  Ausbildung kurzer Zeitprogramme bei einfachen reaktiven Bewegungen. Trainingsablauf  Der

Sportler absolviert beidbeinige, prellende und in kurzen Serien aufeinanderfolgende Sprünge in gestreckter Körperposition durch (. Abb.  5.17b). Die Landung erfolgt jeweils auf dem Fußballen. Während des Bodenkontakts sind die Knie nicht oder nur wenig gebeugt (. Abb. 5.17a). Im Fußgelenk darf nicht nachgegeben werden, und die Fersen dürfen nicht passiv auf den Boden „durchschlagen“. Eine hohe Muskelspannung muss im ganzen Körper – insbesondere  

5



aber in der Waden- und Oberschenkelmuskulatur – während des gesamten Bodenkontakts aufrechterhalten werden. Der Absprung erfolgt prellend aus dem Fußgelenk. Ziel ist es, bei möglichst geringer Bodenkontaktzeit möglichst hoch zu springen. Variationen  Die Fußgelenkssprünge können als Seilspringen sowie vorwärts, rückwärts oder seitwärts durch eine Koordinationsleiter oder über (Soft-)Hürden absolviert werden. In der Koordinationsleiter erfolgt ein Bodenkontakt pro Feld. Geschulte Sportler können die Fußgelenkssprünge einbeinig durchführen. Auch können Sprungvariationen absolviert werden (z.  B.  Prellhopser, Anhocksprünge, Scherensprünge, Jumping Jacks, usw.; . Abb. 5.17c, d).  

a

b

c

d

..      Abb. 5.17 Prellsprünge. a, b Landung und Sprung, c, d Variationen

299 Schnelligkeitstraining

kST Beispiel 9:

Nieder-Hoch-Sprünge (Drop Jumps) Trainingsziel  Ausbildung kurzer Zeitprogramme bei einfachen reaktiven Bewegungen. Trainingsablauf  Nach dem Abfallen von ei-

ner Erhöhung springt der Sportler beidbeinig vertikal ab (. Abb. 5.18a). Das Abfallen erfolgt aus gestreckter Körperposition ohne Beugung der Knie. Auch ein Abspringen sollte vermieden werden. Die Landung erfolgt auf dem Fußballen. Während des Bodenkontakts sind die Knie nicht oder nur wenig gebeugt. Im Fußgelenk darf nicht nachgegeben werden und die Fersen dürfen nicht passiv auf den Boden „durchschlagen“. Eine hohe Muskelspannung  

a ..      Abb. 5.18  Drop Jumps, a Grundversion

5

muss im ganzen Körper – insbesondere aber in der Waden- und Oberschenkelmuskulatur  – während des gesamten Bodenkontakts aufrechterhalten werden. Der Absprung erfolgt prellend aus dem Fußgelenk. Ziel ist es, bei möglichst geringer Bodenkontaktzeit möglichst hoch zu springen. Variationen  Nieder-Hoch-Sprünge können von unterschiedlichen Fallhöhen durchgeführt werden. Die Fallhöhe darf allerdings nur so noch sein, dass ein „Durchschlagen“ der Fersen vermieden werden kann. Ansonsten muss die Fallhöhe wieder reduziert werden. Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich die Trainingswirkung durch Fallhöhen von mehr als 40 cm nicht weiter erhöht.

300

T. Wiewelhove

kST Beispiel 10:

Geprellte Liegestütze (Plyo Push-Ups) Trainingsziel  Ausbildung kurzer Zeitprogramme bei einfachen reaktiven Bewegungen Trainingsablauf  Der Sportler absolviert beid-

armige, angefallene, prellende und in kurzen Serien aufeinanderfolgende Liegestütze (. Abb. 5.19a). Die Liegestütze werden so ausgeführt, dass sich die Hände vom Boden lösen.  

5

Nach den Landungen erfolgt der darauffolgende Liegestütz jeweils prellend mit möglichst geringer Bodenkontaktzeit. Gleichzeitig sollten sich die Hände nach dem Abdruck bei gestreckten Armen möglichst weit vom Boden entfernen. Variationen  Zur Erleichterung der Übung können angefallene geprellte Liegestütze aus dem Kniestand oder mit einem Kasten (. Abb.  5.19b) sowie angefallene geprellte Wandstütze (. Abb. 5.19c) absolviert werden.  



a

b

c

..      Abb. 5.19  Plyo Push-Ups, a in der Standard-Liegestützposition, b mit Erhöhung, c als Wandstürz

301 Schnelligkeitstraining

kST Beispiel 11:

Reaktive Medizinball-Brustpässe Trainingsziel  Ausbildung kurzer Zeitprogramme bei einfachen reaktiven Bewegungen. Trainingsablauf  Der Sportler steht frontal in kurzem Abstand vor einer Wand und absolviert in kurzen Serien aufeinanderfolgende reaktive Brustpässe mit einem Medizinball bei geringer Bewegungsamplitude gegen die Wand

5

(. Abb. 5.20a). Der Sportler kann sich vorstellen, dass der Ball extrem heiß ist und er ihn deshalb schnellstmöglich wieder loslassen will. Das Gewicht des Medizinballs (ca. 1–3  kg) muss den Leistungsvoraussetzungen des Athleten angepasst werden.  

Variationen  Neben dem Brustpass können

zum Beispiel auch Medizinball-Seitwürfe und -Überkopfwürde durchgeführt werden (. Abb. 5.20b, c).  

a

b

c

..      Abb. 5.20  Reaktive Medizinballwürfe, a Brustpass, b Überkopf-, c Seitwurf

302

T. Wiewelhove

kST Beispiel 12:

Variationen  Die Starts können beispielsweise

Start Drills Trainingsziel  Entwicklung und Verbesserung der Antrittsschnelligkeit. Trainingsablauf  Der Sportler startet aus un-

5

terschiedlichen Startpositionen, versucht maximal schnell zu beschleunigen und eine kurze Strecke von ca. 10–20 m in der kürzest möglichen Zeit zurückzulegen (. Abb. 5.21).  

a

c

..      Abb. 5.21  a–c Varianten von Start Drills

aus dem Liegen, aus der Schrittposition ohne (Hochstartstellung) oder mit einseitigem Handkontakt auf dem Boden, aus einer parallelen Fußstellung heraus ohne oder mit einseitigem Handkontakt auf dem Boden, aus dem Anfallen (Fallstart), aus der Drehung oder fliegend erfolgen (. Abb.  5.21a–c). Die Starts können ohne oder – als Kombination aus Reaktions- und Antrittsschnelligkeitstraining  – mit akustischem, taktilem oder optischem Startsignal erfolgen.  

b

303 Schnelligkeitstraining

5

kST Beispiel 13:

Sprint Drills Trainingsziel  Entwicklung und Verbesserung der Antritts- und/oder Sprintschnelligkeit. Trainingsablauf  Der Sportler startet aus un-

terschiedlichen Startpositionen, versucht maximal schnell zu beschleunigen und eine Sprintstrecke von ca. 30–50 m in der kürzest möglichen Zeit zurückzulegen (. Abb.  5.22). Zur Steigerung der Motivation sollten die Sprintzeiten beispielsweise mittels Lichtschrankensystem erfasst und dokumentiert werden.  

Variationen  Die Starts können beispielsweise aus dem Liegen, aus der Schrittposition ohne (Hochstartstellung) oder mit einseitigem Handkontakt auf dem Boden, aus einer parallelen Fußstellung heraus ohne oder mit einsei-

..      Abb. 5.22  Sprint Drill

tigem Handkontakt auf dem Boden, aus dem Anfallen (Fallstart), aus der Drehung oder fliegend erfolgen. Die Starts können ohne oder – als Kombination aus Reaktions- sowie Antritts- und Sprintschnelligkeitstraining  – mit akustischem, taktilem oder optischem Startsignal erfolgen.

304

T. Wiewelhove

kST Beispiel 14:

Richtungswechsel- und Wendigkeitssprints Trainingsziel  Entwicklung und Verbesserung der Richtungswechselsprintfähigkeit und Wendigkeit. Trainingsablauf  Der Sportler startet aus

5

unterschiedlichen Startpositionen, versucht maximal schnell zu beschleunigen und mehrere kurze bis mittlere Sprintstrecken (5–20 m) in kürzest möglicher Zeit zurückzulegen. Die Sprintstrecken werden durch weiche (≤90°) und/oder scharfe (≥180°) Richtungswechsel unterbrochen. Die Richtungswechsel sollten ebenfalls in kürzest möglicher Zeit erfolgen, indem der Sportler maximal schnell abbremst und im Anschluss an den Richtungswechsel wieder maximal schnell beschleunigt

..      Abb. 5.23 Richtungswechselsprint

(. Abb.  5.23). Zur Steigerung der Motivation sollten die Richtungswechselsprintzeiten beispielsweise mittels Lichtschrankensystem erfasst und dokumentiert werden.  

Variationen  Die Starts können aus unter-

schiedlichen Positionen ohne oder mit Startsignal erfolgen (ST Beispiel 12 und 13). Es kann aus zahlreichen Richtungswechselsprintmustern ausgewählt werden, die mehr oder weniger sportartspezifisch sind und entweder die Richtungswechselsprintfähigkeit oder die Wendigkeit trainieren. Zudem können unter anderem Liniendrills, Hütchendrills, Leiterdrills oder Hürdendrills mit unterschiedlichen Laufmustern (Vorwärts-, Rückwärts- und Seitwärtsläufe) absolviert werden. In . Abb.  5.24 sind beispielhaft der 20-m-Shuttle, S-, L-Run-, T-Run- und Cone-Spin-Drill dargestellt.  

5

305 Schnelligkeitstraining

20 m Start

Start

20-m-Shuttle-Drill

10 m

30 m

S-Drill Start L-Run-Drill 10 m

5m 10 m T-Run-Drill Cone-Spin-Drill 10 m 10 m

Start

Start ..      Abb. 5.24  Richtungswechsel- und Wendigkeitssprintmuster

306

T. Wiewelhove

kST Beispiel 15:

Agility Drills Trainingsziel  Entwicklung und Verbesserung

der Agility.

Trainingsablauf  Der Sportler absolviert An-

tritte bzw. Sprints und ändert als Antwort auf einen Stimulus schnellstmöglich die Sprintrichtung (. Abb.  5.25). Dabei versucht er, jeweils maximal schnell zu beschleunigen, die Sprintstrecke möglichst schnell zurückzulegen, auf  

4m

4m

4m

..      Abb. 5.25  Reactive Agility Drills

auf einer Leinwand projizierter sportspezifischer Stimulus

Änderung der Sprintrichtung

Lichtschranke initiiert den Stimulus

Start

Variationen  Es kann aus zahlreichen Sprintund Bewegungsmustern ausgewählt werden, die mehr oder weniger sportartspezifisch sind sowie weiche (≤90°) und/oder scharfe (≥180°) Richtungswechsel beinhalten.

4m

5

den Stimulus möglichst schnell zu reagieren, abzubremsen und die Laufrichtung zu ändern. Zur Steigerung der Motivation sollten bei definierten Sprintstrecken die Sprintzeiten beispielsweise mittels Lichtschrankensystem erfasst und dokumentiert werden.

307 Schnelligkeitstraining

kST Beispiel 16:

Weitwurf Trainingsziel  Entwicklung und Verbesserung der azyklischen Schnelligkeit bei wurfverwandten Bewegungen. Trainingsablauf  Der Sportler wirft unter-

schiedliche Wurfgeräte so weit, wie er kann (. Abb.  5.26). Die Wurfbewegung sollte technisch exakt ausgeführt werden bzw. in ihrer Grobform sicher beherrscht werden. Vor allem etwas leichtere Wurfgeräte können bei instabiler Technik technische Fehler provozieren. Zur Stei 

5

gerung der Motivation sollten Weiten- oder Zielorientierungen gegeben und die Wurfweiten erfasst und dokumentiert werden (z.  B. mithilfe von markierten Zonen). Variationen  Es kann aus dem Stand oder aus vorbereitenden Bewegungen (Anlauf, Angleiten, Drehung) und mit unterschiedlichen Wurfgeräten (z. B. Tennisball, Handball, Baseball, Frisbee, Vortex, Medizinball, Stein, Kugel, Ring, Schlagball, Speer, Diskus, usw.) geworfen werden. Es kann auch so hoch wie möglich geworfen werden. Zur Verbesserung der Differenzierungsfähigkeit kann zudem auf Vorgabe auf unterschiedlich weit entfernte Ziele geworfen werden. kST Beispiel 17:

Radar Trainingsziel  Entwicklung und Verbesserung der azyklischen Schnelligkeit bei sportartspezifischen Bewegungen. Trainingsablauf  Der Sportler wirft, schießt

oder schlägt das jeweilige Sportgerät mit höchstmöglicher Geschwindigkeit. Die Bewegung sollte technisch exakt ausgeführt werden bzw. in ihrer Grobform sicher beherrscht werden. Würfe, Schüsse oder Schläge erfolgen auf ein Ziel (z. B. Tor im Handball oder Fußball; Aufschlagfeld im Tennis). Die erreichten Wurf-, Schuss- oder Schlaggeschwindigkeiten werden mithilfe eines Radarmessgeräts erfasst und dokumentiert.

Variationen  Schüsse, Würfe und Schläge

..      Abb. 5.26  Weitwurf mit unterschiedlichen Bällen

können aus dem Stand oder aus vorbereitenden Bewegungen (z.  B.  Anlauf, Absprung, usw.) absolviert werden. Zur Verbesserung der Differenzierungsfähigkeit kann zudem auf Vorgabe unterschiedlich schnell geworfen, geschossen oder geschlagen werden.

308

T. Wiewelhove

kST Beispiel 18: Trainingsziel  Verbesserung der Antritts- und/ oder Sprintschnelligkeit.

stand absolviert werden. Zur organisatorischen Umsetzung von Zugunterstützungssprints stehen zahlreiche Hilfsmittel bzw. Seilzugsysteme zur Verfügung (u. a. verschiedene Tubes oder der ivo TRAINER®).

Trainingsablauf  Der Sportler wird über ein Band, durch das er mit einem Trainingspartner und einem Gewicht oder mit einem Helfer verbunden ist, geschleppt (. Abb.  5.27). Er erreicht dadurch Schrittfrequenzen und Laufgeschwindigkeiten, die über seinem normalen Sprintvermögen liegen. Der Sportler sollte sich vorrangig auf die korrekte Ausführung der wichtigsten Technikelemente konzentrieren. Aufgrund der supramaximalen Intensität sollten Zugunterstützungssprints in völlig ausgeruhtem und ausreichend aufgewärmten Zu-

Variationen  Zugunterstützungssprints können über unterschiedliche Distanzen absolviert werden. Bei kürzeren Distanzen steht das Training schneller Antritte im Mittelpunkt. Bei längeren Distanzen wird die maximale Sprintgeschwindigkeit trainiert. Aufgrund der hohen Belastungsintensität sollten die Streckenlängen aber nicht viel mehr als 30 m betragen. Die Zugunterstützungssprints können zudem aus unterschiedlichen Startpositionen begonnen werden (z.  B.  Tiefstart oder Hochstart).

Zugunterstützungssprints



5

..      Abb. 5.27  Zugunterstützungssprints mit verschiedenen Hilfsmitteln und Partnerunterstützung

309 Schnelligkeitstraining

kST Beispiel 19:

Bergabsprints Trainingsziel  Verbesserung der Sprintschnel-

ligkeit.

Trainingsablauf  Der Sportler sprintet eine

leicht abschüssige Strecke hinab (. Abb. 5.28). Er erreicht dadurch Schrittfrequenzen und Laufgeschwindigkeiten, die über seinem normalen Sprintvermögen liegen. Der Sportler sollte sich vorrangig auf die korrekte Ausführung der wichtigsten Technikelemente konzentrieren. Aufgrund der supramaximalen Intensität sollten Bergabläufe in völlig ausgeruhtem und ausreichend aufgewärmtem Zustand absolviert werden. Zudem sollte eine ausreichend  

..      Abb. 5.28 Bergabsprint

5

lange Gerade als Auslauf zur Verfügung stehen, damit der Athlet seine erhöhte Laufgeschwindigkeit ohne gesteigertes Verletzungsrisiko abbremsen kann. Variationen  Bergabsprints können über unterschiedliche Distanzen und Streckenneigungen absolviert und aus unterschiedlichen Startpositionen (z.  B.  Tiefstart oder Hochstart) begonnen werden. Aufgrund der hohen Belastungsintensität sollten die Streckenlängen aber nicht viel mehr als 30 m betragen. Die Übung ist zudem – aus dem Sprint heraus – fliegend ausführbar. Es muss allerdings beachtet werden, dass zu starke Streckenneigungen gefährliche Stürze verursachen können.

310

T. Wiewelhove

kST Beispiel 20:

Vertikale und horizontale Sprünge mit Körpergewichtsentlastung Trainingsziel  Verbesserung der azyklischen Bewegungsschnelligkeit bzw. Entwicklung kurzer Zeitprogramme bei verschiedenen Sprungformen.

5

Trainingsablauf  Unter

Gewichtsentlastung absolviert der Sportler maximal hohe und/oder weite Sprünge bei möglichst kurzen Bodenkontaktzeiten, ohne dass dabei hohe Bodenreaktionskräfte auftreten (. Abb. 5.29). Die Körpergewichtsentlastung kann durch Partner- oder Gerätehilfen (z.  B.  Sprungspinne) erfolgen und ermöglicht die Erreichung kürzester Absprungzeiten. Der Sportler darf die Körpergewichtsentlastung allerdings nicht passiv nutzen, sondern sollte bewusst aus einer extremen Vorspannung  

heraus prellend auf dem Fußballen abspringen. Ziel der Entlastung ist es, dass Bodenkontaktzeiten von unter 140 ms erreicht werden. Diese können beispielsweise mithilfe einer Kontaktmatte erfasst und dokumentiert werden. Die Sprungtechniken sowie das kurze Zeitprogramm beim Drop Jump müssen sicher beherrscht werden. Variationen  Es können Weitsprünge und Dreisprünge mit Anlauf sowie Nieder-HochSprünge und ein- und beidbeinige Sprungserien (z. B. beidbeinige Hürdensprünge, Sprungläufe, Einbeinsprünge, Wechselsprünge, usw.) absolviert werden. Horizontale Sprungserien können entweder auf dem Laufband mit Entlastung über einen Gummizug oder über eine Rollschiene mit einer beweglichen Rollenaufhängung eingesetzt werden, falls diese zur Verfügung steht.

..      Abb. 5.29  Vertikalsprünge mit Körpergewichtsentlastung

311 Schnelligkeitstraining

5

kST Beispiel 21:

Schläge mit leichteren Schlaggeräten Trainingsziel  Verbesserung der azyklischen Bewegungsschnelligkeit bzw. Entwicklung kurzer Zeitprogramme bei verschiedenen Schlagformen. Trainingsablauf  Mit leichteren Schlaggerä-

ten als dem Wettkampfgerät absolviert bzw. simuliert der Sportler maximal schnelle Schläge (. Abb.  5.30). Beispielsweise kann ein Tennisspieler mit einem Badmintonschläger maximal schnelle Schläge imitieren. Die Schlagbewegung sollte technisch exakt ausgeführt werden bzw. in ihrer Grobform sicher beherrscht werden. Leichtere Schlaggeräte können bei instabiler Technik technische Fehler provozieren.  

Variationen  Der Sportler kann die unterschiedlichen sportartspezifischen Schläge simulieren (z. B. Vorhand, Rückhand, Aufschlag und Schmetterball im Tennis). ..      Abb. 5.30  Simulierter Tennis-Aufschlag mit einem Badminton-Schläger

312

T. Wiewelhove

kST Beispiel 22:

Widerstandssprints Trainingsziel  Verbesserung der Antritts- und Sprintschnelligkeit sowie der horizontalen Beschleunigungsfähigkeit. Trainingsablauf  Der Sportler muss beim

Sprinten gegen einen zusätzlichen Widerstand arbeiten (. Abb. 5.31). Er erreicht dadurch hohe Muskelzugspannungen, wodurch sich die Rekrutierungsrate schneller Muskelfasern verbessert. Mittels verschiedenster Gerätehilfen (z.  B.  Tubes, Schleppschlitten, ivo TRAINER®,  

5

Stroops®) oder einem Partner wird dem Athleten das Sprinten erschwert. Dabei ist die maximale aktive Mitarbeit des Sportlers notwendig. Die Bewegungsfrequenz sollte über der des Wettkampfs liegen und ggf. kontrolliert werden. Es ist zu beachten, dass die erschwerten Bedingungen die maximalen Bewegungsgeschwindigkeiten um nicht viel mehr als 10 % reduzieren sollten. Variationen  Widerstandsprints können über unterschiedliche Distanzen absolviert (ca. 5–20 m) und aus unterschiedlichen Startpositionen begonnen werden (z.  B.  Tiefstart oder Hochstart).

..      Abb. 5.31  Widerstandssprints mit unterschiedlichen Hilfsmitteln und Partnerunterstützung

313 Schnelligkeitstraining

5

kST Beispiel 23:

kST Beispiel 24:

Bergaufsprints

Frequenzsprints mit Gewichtsmanschetten

Trainingsziel  Verbesserung der Antritts- und

Trainingsziel  Verbesserung der Frequenzschnelligkeit beim Sprinten.

Sprintschnelligkeit sowie der horizontalen Beschleunigungsfähigkeit. Trainingsablauf  Der Sportler sprintet eine an-

steigende Strecke hinauf (. Abb.  5.32). Er erreicht dadurch hohe Muskelzugspannungen, wodurch sich die Rekrutierungsrate schneller Muskelfasern verbessert. Es ist die maximale aktive Mitarbeit des Sportlers notwendig. Die Bewegungsfrequenz sollte über der des Wettkampfs liegen und ggf. kontrolliert werden. Es ist zu beachten, dass die erschwerten Bedingungen die maximalen Bewegungsgeschwindigkeiten um nicht viel mehr als 10 % reduzieren sollten.  

Variationen  Bergaufsprints können über unterschiedliche Distanzen absolviert (ca. 5–20 m) und aus unterschiedlichen Startpositionen begonnen werden (z. B. Tiefstart oder Hochstart). Die Übung ist außerdem als Beschleunigungslauf oder – aus dem Sprint heraus – fliegend ausführbar. Zudem können auch Treppen hinaufgesprintet werden. Bei Treppensprints sollte aber berücksichtigt werden, dass durch die Stolpergefahr das Sturz- und Verletzungsrisiko zunimmt.

..      Abb. 5.32 Bergaufsprint

Trainingsablauf  Der Sportler absolviert ei-

nen Frequenzsprint durch Hindernisse hindurch und trägt dabei an den Sprunggelenken Gewichtsmanschetten (. Abb.  5.33). Die Gewichtsmanschetten sollten ein Gewicht von in etwa 0,1–1,0  kg haben und so befestigt werden, dass sie trotz schneller Bewegungen nicht verrutschen können. Der Sportler durchsprintet maximal schnell eine Bahn mit flachen Hindernissen oder eine Koordinationsleiter. Der Hindernisabstand ist variabel, sollte aber eine Schrittverkürzung erzwingen. Die Frequenzen sollten durch Zeitmessung kontrolliert werden.  

Variationen  Frequenzsprints

mit Gewichtsmanschetten sind als Beschleunigungslauf oder  – aus dem Sprint heraus  – fliegend ausführbar. Das Gewicht der Manschetten oder der Abstand der Hindernisse kann variiert werden. Auch können andere Bewegungsformen über bzw. durch die Hindernisse ausgeführt werden (z.  B.  Kniehebelauf, Kreuzlauf, Rückwärtslauf). Im Sinne der Kontrastmethode können Frequenzsprints mit Gewichtsmanschetten mit Antritts- und Sprintschnelligkeitsübungen unter „normalen“ und/oder erleichterten Bedingungen gekoppelt werden.

..      Abb. 5.33  Frequenzsprints mit Gewichtsmanschetten

314

T. Wiewelhove

kST Beispiel 25:

Vertikale und horizontale Sprünge mit Zusatzlast Trainingsziel  Verbesserung der azyklischen Bewegungsschnelligkeit. Trainingsablauf  Der Sportler absolviert ma-

ximal hohe und/oder weite Sprünge und muss dabei gegen einen zusätzlichen Widerstand arbeiten (. Abb. 5.34). Er erreicht dadurch hohe Muskelzugspannungen, wodurch sich die Rek 

5

..      Abb. 5.34  Vertikale Sprünge mit Zusatzlast

rutierungsrate schneller Muskelfasern verbessert. Mittels verschiedenster Gerätehilfen (z. B. Gewichtsweste, Sandbag, Tubes) wird dem Athleten das Springen erschwert. Dabei ist die maximale aktive Mitarbeit des Sportlers notwendig. Die Sprung- und Landetechniken müssen sicher beherrscht werden. Variationen  Es können Counter Movement Jumps, Squat Jumps und Nieder-Hoch-Sprünge sowie Sprungserien absolviert werden.

315 Schnelligkeitstraining

kST Beispiel 26:

5

ligkeit.

schwereren Geräten begonnen. Zur Steigerung der Motivation sollten Weiten- oder Zielorientierungen gegeben und die Wurfweiten erfasst und dokumentiert werden (z.  B. mithilfe von markierten Zonen).

Trainingsablauf  Der Sportler absolviert Wurfübungen mit schwereren Wurfgeräten als das Wettkampfgewicht bzw. mit anderen schweren Wurfgeräten (. Abb.  5.35). Die Wurfbewegung sollte technisch exakt ausgeführt werden bzw. in ihrer Grobform sicher beherrscht werden. Zudem sollte auf eine möglichst explosive Bewegungsausführung geachtet werden. Damit die Technik der Bewegungsausführung kaum beeinflusst wird, werden die Wurfübungen zunächst nur mit geringfügig

Variationen  Es kann aus der Wurfauslage bzw. aus dem Stand oder aus vorbereitenden Bewegungen (z.  B.  Anlauf, Angleiten, Drehung, Absprung) geworfen werden. Als schwerere Wurfgeräte eigenen sich beispielsweise (Medizin-)Bälle, Kugeln, Disken, Hantelscheiben, Keulen, Stäbe, Speere, Steine oder Sandsäckchen. Im Sinne der Kontrastmethode können Würfe mit schwereren Wurfgeräten mit Wurfübungen unter „normalen“ und/oder erleichterten Bedingungen gekoppelt werden.

Würfe mit schwereren Wurfgeräten Trainingsziel  Verbesserung der Wurfschnel-



..      Abb. 5.35  Medizinballwürfe (https://doi.org/10.1007/000-052)

316

T. Wiewelhove

kST Beispiel 27:

Sprint-ABC Trainingsziel  Ökonomisierung der Lauf- bzw. Sprinttechnik sowie Verbesserung des Zusammenspiels einzelner Muskeln und Muskelgruppen sowie einzelner Körperteile und Teilbewegungen beim Sprinten.

5

Trainingsablauf  Der Sportler trainiert ein-

zelne, wesentliche Elemente der Lauftechnik. Übungen des Sprint-ABCs sollten dabei immer technisch exakt ausgeführt werden (z.  B. sollte eine Oberkörperrücklage vermieden werden). Erst bei technisch einwandfreier Ausführungsqualität darf die Ausführungsgeschwindigkeit bzw. Bewegungsfrequenz erhöht werden. Das bedeutet auch, dass beispielsweise eine Erhöhung der Schrittfrequenz nicht mit einer Verschlechterung der technischen Ausführung einhergehen darf. Auch ist darauf zu achten, dass sich die Arme wechselseitig zu den Beinen in leicht gebeugter Haltung bewegen. Für eine gute Lauftechnik sind verschiedene Kriterien von Bedeutung. Hierzu zählen der Ballenlauf, eine

..      Abb. 5.36 Skippings, Kniehebelauf, Storchengang und Anfersen (https://doi.

org/10.1007/000051)

vollständige Fuß-, Knie- und Hüftstreckung bzw. Körperstreckung, ein hoher Kniehub, ein starkes Anfersen des von hinten nach vorn schwingenden Beines und eine leichte Oberkörpervorlage. Zu den Übungen des Sprint-ABCs zählen Fußgelenksarbeit, Skippings, Kniehebelauf, Storchengang und Anfersen (. Abb. 5.36).  

Variationen  Übungen des Sprint-ABCs können mit unterschiedlichen Schrittfrequenzen durchgeführt werden. Zur Unterstützung der Ganzkörperstreckung kann eine Streckung der Arme nach oben erfolgen. Die Übungen können zudem wechselseitig oder einseitig absolviert werden. Außerdem kann aus allen Koordinationsläufen in den Sprint übergegangen werden. Dies ermöglicht einen Transfer der während des Koordinationslaufs geübten Merkmale in den Sprintlauf. Beispielsweise kann ein flüssiger Übergang aus dem Kniehebelauf in den Sprint erfolgen. Dazu behält der Sportler die Frequenz des Kniehebelaufs bei und vergrößert kontinuierlich die Schrittlänge. Oberkörpervorlage, Ballenlauf sowie Fuß-, Knie- und Hüftstreckung bleiben erhalten.

317 Schnelligkeitstraining

kST Beispiel 28:

Sprung-ABC Trainingsziel  Ökonomisierung der Laufbzw. Sprint- und Sprungtechnik sowie Verbesserung der reaktiven (Sprung-)Fähigkeiten bzw. Schulung wesentlicher Bewegungsmerkmale des Abspringens und Landens,

5

weise eine Steigerung der Sprunghöhe nicht mit einer Verschlechterung der technischen Ausführung einhergehen darf. Unterschiedliche Armeinsätze sollten mit den Sprungbewegungen koordiniert werden. Zum SprungABC zählen folgende Übungen: Sprunglauf, Einbeinsprünge, Wechselsprünge, Hopserlauf, Prellhopser, Prellsprünge, Steigsprünge und Froschhüpfer (. Abb. 5.37).  

Trainingsablauf  Der Sportler absolviert un-

terschiedliche ein- und beidbeinige sowie vertikale und horizontale Sprungformen. Diese sollten immer technisch exakt ausgeführt werden. Beispielsweise muss die Rumpfmuskulatur stark angespannt werden. Bei vielen Sprungformen ist zudem ein möglichst kurzer Bodenkontakt erforderlich. Aufgrund der teils hohen Beanspruchungen des aktiven und passiven Bewegungsapparats sollte unbedingt auf eine angemessene Landetechnik hingearbeitet werden. Erst bei technisch einwandfreier Ausführungsqualität darf die Sprunghöhe und/oder Sprungweite erhöht werden. Das bedeutet auch, dass beispiels-

..      Abb. 5.37 Sprunglauf, Einbeinsprünge, Prellhopser und Froschhüpfer

Variationen  Die Sprungformen können einund beidbeinig, vorrangig vertikal oder mit horizontaler Komponente sowie aus dem Stand oder dem Anlauf absolviert werden. Zudem können Sprunghöhen und -weiten (auch innerhalb einer Sprungserie) sowie ggf. die Bewegungsschnelligkeit (z.  B. beim Sprunglauf) variiert werden. Wechselsprünge können in unterschiedlichen Rhythmen durchgeführt werden (z. B. re-re-li-­li-re-re-li-li-etc. oder rere-re-li-li-li-re-re-re-li-li-li-etc.). Es kann über unterschiedlich hohe und weit voneinander entfernte Hindernisse gesprungen werden.

318

5.6

T. Wiewelhove

Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels

5

1. Diskutieren Sie den Fähigkeitscharakter und die Erscheinungsformen der Schnelligkeit mithilfe der trainingswissenschaftlichen Literatur und erläutern Sie die verschiedenen Optionen zur Einordnung der Schnelligkeit in die allgemeine sportmotorische Leistungsfähigkeit. 2. Fassen Sie die aus Ihrer Sicht wichtigsten Einflussgrößen auf die informatorische und motorische Schnelligkeit zusammen und erstellen Sie eine Prioritätenliste von Einflussgrößen auf die Schnelligkeitsleistung in einer Sportart bzw. Disziplin Ihrer Wahl. Diskutieren Sie hierbei auch, inwieweit die Einflussgrößen trainierbar bzw. von der Veranlagung abhängig sind. 3. Warum gewann zum letzten Mal 1972 ein nicht dunkelhäutiger Sprinter Olympiagold über 100 m, während Schwarzafrikaner bislang selten zu Höchstleistungen im

Schwimmsport fähig waren? Diskutieren Sie in diesem Zusammenhang kritisch, inwieweit genetische bzw. anlagebedingte Faktoren, aber auch soziologische bzw. traditionell-gesellschaftliche Aspekte Höchstleistungen in unterschiedlichen schnelligkeitsdeterminierten Sportarten bzw. Disziplinen beeinflussen. 4. Benennen Sie allgemeine trainingsmethodische Leitlinien zum Schnelligkeitstraining. 5. Erstellen Sie ein vierwöchiges, schnelligkeitsspezifisches Trainingsprogramm für eine ausgewählte Sportart bzw. Disziplin mit dem Ziel, eine spezifische, schnelligkeitsdeterminierte Bewegung zu verbessern (z. B. Schlagwurf im Handball, Richtungswechselsprintschnelligkeit im Fußball, Beschleunigungsleistung im 100-m-Sprint). 6. Ermitteln und dokumentieren Sie Ihre Leistung im Standweitsprung und im Jump & Reach Test. Absolvieren sie beim Jump & Reach Test verschiedene Varianten (z. B. ohne und mit Anlauf, ein- und beidbeiniger Absprung nach Anlauf) und finden Sie heraus, mit welcher Variante Sie die höchste Sprunghöhe erreichen. Recherchieren Sie aus der Literatur Normwerte für die Leistung im Standweitsprung und im Jump & Reach Test und vergleichen Sie Ihre erreichten Werte mit den ermittelten Normwerten. Recherchieren Sie aus der Literatur außerdem den Zusammenhang zwischen der Sprungleistung und der Sprintleistung.

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319 Schnelligkeitstraining

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323

Beweglichkeitstraining Hubert Remmert 6.1

 edeutung und Erscheinungsformen der B Beweglichkeit – 324

6.2

Biologische Grundlagen – 325

6.2.1 6.2.2 6.2.3

 elenkstrukturen und Beweglichkeit – 326 G Muskelphysiologische Grundlagen und Dehneffekte – 327 Bindegewebe und Nervensystem – 330

6.3

Anpassungseffekte durch Dehnen – 334

6.4

Trainingsmethoden und Belastungsdosierung – 335

6.4.1 6.4.2

 elastungsdosierung – 338 B Anforderungsgerechtes Beweglichkeitstraining – 338

6.5

Ausgewählte Trainingsbeispiele – 339

6.6

Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels – 343 Literatur – 343

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_6

6

324

H. Remmert

Sport ist Bewegung! Bewegung braucht Beweglichkeit! Aber wie viel Beweglichkeit erfordern unterschiedliche sportliche Aktivitäten? Beweglichkeit und Stabilität sind die zwei Seiten einer Medaille.

Zusammenfassung

6

Ausreichend beweglich ist, wer seine/ihre (sportlichen) Tätigkeiten ökonomisch und (weitgehend) widerstandsfrei ausführen kann. Die Beweglichkeit als eine der fünf motorischen Hauptbeanspruchungsformen rückt demnach immer dann in den Aufmerksamkeitsfokus, wenn sie unzureichend ausgeprägt ist und bewegungslimitierend wirkt. Der Beweglichkeit sind durch Gelenk- und Bindegewebsstrukturen, Muskellängen und -massen sowie äußere Faktoren wie Temperatur und Tageszeit Grenzen gesetzt, die sich insbesondere hinsichtlich der Flexibilität oder Dehnfähigkeit von Muskulatur und Bindegewebe durch Training beeinflussen lassen. Wie mobil und/oder stabil Athleten in einzelnen Gelenksystemen sein müssen, wird durch die sportartspezifischen Anforderungen an die spezielle Beweglichkeit vorgegeben. Mobilität und Stabilität können konkurrierende Trainingsziele darstellen, die nicht immer unter dem Aspekt der langfristigen Athletengesundheit bedient werden (z.  B.  Rhythmische Sportgymnastik). Maßnahmen des Dehnens wirken kurz- und langfristig auf die Vergrößerung der möglichen Bewegungsradien, ohne jedoch den (durch die in den Sarkomeren liegenden Strukturproteine der Titinmoleküle induzierten) inneren Spannungswiderstand der Muskulatur nachhaltig zu beeinflussen. Dieser ist vom unwillkürlichen Spannungstonus aufgrund von reflektorischen Verschaltungen zu unterscheiden. Der unwillkürliche Spannungstonus ist neurogener Natur und kann unterschiedliche Ursachen (z. B. Schmerzen aufgrund von Entzündungen, Verletzungen etc.) haben. Das Erreichen größerer Gelenkwinkel nach dem Dehnen wird vorrangig auf eine kurzund langfristige Adaptation der Schmerzrezeptoren zurückgeführt. Die Vielfalt der möglichen Dehninterventionen (statisches und dynamisches Dehnen, komplexe PNF-Methoden) bietet aufgrund spezifischer Anpassungseffekte adäquate Trainingsmethoden für kurz- (Wettkampfvorbe-

reitung) und langfristige (Erreichen endgradiger Gelenkwinkel) Ziele. Langfristig gesehen wirken sämtliche Methoden ähnlich gut. Als Muskelkater- und Verletzungsprophylaxe ist alleiniges Dehnen ungeeignet, wichtiger sind Maßnahmen der aktiv-dynamischen Bewegungsanbahnung. Moderne Warm-up-Programme berücksichtigen die Funktionalität sportartspezifischer Bewegungsmuster zur Aktivierung, Mobilisierung und Stabilisierung.

6.1

Bedeutung und Erscheinungsformen der Beweglichkeit

Ein „beweglicher“ Athlet wird nicht über absolute Normen, sondern disziplinspezifische Anforderungen und seine individuelle Morphologie definiert. So sind Basketballspieler anders beweglich als Hürdensprinter und dies nicht nur global (in allen Gelenksystemen), sondern auch segmental (einzelne, leistungsbestimmende Systeme betreffend). Es gibt nur wenige Hochleistungsdisziplinen, in denen eine allgemein maximale Beweglichkeit gefordert ist (z.  B.  Rhythmische Sportgymnastik), i.  d.  R. benötigen sportliche Leistungen eine hinreichend große (optimale) Beweglichkeit in spezifischen Gelenksystemen. Beweglichkeit ist die Fähigkeit, willkürliche Bewegungen mit großen Schwingungsweiten in den beteiligten Gelenksystemen auszuführen. Limitierend wirken dabei die knöchernen Strukturen der Gelenke (Gelenkigkeit) und die Eigenschaften der Muskeln, Sehnen, Bänder und des Bindegewebes (Flexibilität, Dehnfähigkeit).

Im Allgemeinen hat das „Dehnen“ die Zielsetzung, die Flexibilität kurz- und langfristig zu beeinflussen. Extreme und umfangreiche Dehninterventionen in frühen Entwicklungsphasen, in denen die Verknöcherung des Ske-

6

325 Beweglichkeitstraining

lettsystems noch nicht abgeschlossen ist, wirken zudem auf die Gelenkigkeit  – jedoch häufig um den Preis einer verminderten Stabilität insbesondere in nachsportlichen Lebensphasen, wenn die Trainingsumfänge zur Sicherung der ausgleichenden Muskelkräfte nachlassen (Bsp.: Hypermobilität der Wirbelsäule im Frauenturnen). Beweglichkeit ist also immer im Kontext von Stabilität zu beurteilen (Remmert 2007). Meist wird in allgemeine (globale) und spezifische (segmentale), aktive und passive sowie statische und dynamische Beweglichkeit differenziert (. Abb. 6.1). Die allgemeine Beweglichkeit beschreibt eine „normale“ Beweglichkeit für den Alltag und grundlegende sportliche Aktivitäten. Spezifische sportliche Anforderungen verlangen eine spezielle Mobilität in bestimmten Gelenksystemen wie etwa die Spreizfähigkeit in den Hüftgelenken beim Hürdensprinter. Aktiv werden Gelenkpositionen durch Einsatz der eigenen, antagonistisch kontrahierenden Muskulatur eingenommen, die passive Beweglichkeit wird durch den Einsatz äußerer Kräfte bestimmt und ermöglicht die Einnahme extremerer Gelenkpositionen. Zuletzt wird zwischen statischer und dynamischer Beweglichkeit unterschieden: Statische Gelenkpositionen werden über einen längeren Zeitraum beibehalten, bei der dynamischen Beweglichkeit werden Bewegungsendpositionen dagegen nur kurzzeitig, rhythmisch hintereinander (intermittierend) eingenommen.

Praxistipp

Aus sportpraktischer Perspektive wäre eine Einteilung in Eigen- und Fremddehnung sinnvoller: Eigendehnungen können „aktiv“ durch eigene Muskelkraft oder „passiv“ mit Hilfsmitteln wie Wänden und Griffstangen realisiert werden, Fremddehnungen nur mithilfe von Partnern (Wydra et al. 1999).

6.2

Biologische Grundlagen



Beweglichkeitsleistungen hängen von verschiedenen exogenen (äußeren, personexternen) und endogenen (inneren, personinternen) Faktoren ab (. Abb.  6.2). Die exogenen Faktoren wirken global auf Gelenkigkeit und Flexibilität. Tageszeit, Außentemperatur und einwirkende Kräfte beeinflussen die Beweglichkeit als Ganzes. Die inneren Wirkfaktoren lassen sich präziser den beiden Dimensionen der Beweglichkeit zuordnen. Die hochgradig trainierbare Flexibilität hängt unmittelbar von der aktuellen Dehnfähigkeit der Muskeln, Sehnen, Bänder und Gelenkkapseln ab. Diese wird wiederum massiv von neurophysiologischen Bedingungen wie Erregung und Ermüdung, antagonistischen Kräften und den jeweils herrschenden Stoffwechselbedingungen beeinflusst. Die (mechanische) Gelenkigkeit wird durch Gelenkstrukturen und umgebende Muskelmassen limitiert, ist im Erwachsenenalter  

Beweglichkeit allgemein durchschnittliches Niveau an Beweglichkeit statisch aktiv

passiv

spezifisch spezielle Beweglichkeitsanforderungen im Sport

dynamisch aktiv

passiv

..      Abb. 6.1  Formen der Beweglichkeit (Thienes 2000, S. 34)

statisch aktiv

passiv

dynamisch aktiv

passiv

326

H. Remmert

Beweglichkeit endogene Faktoren Gelenkigkeit (mechanische Beweglichkeit) kaum beeinflussbar

Dehnfähigkeit von Muskeln, Sehnen, Bändern, Gelenkkapseln beeinflussbar

6

neurophysiologische Bedingungen (emotionaler Erregungszustand, Koordinationsvermögen, Ermüdungsgrad)

antagonistische Kraft bei aktiver Dehnung

Gelenkstruktur

exogene Faktoren äußere Kräfte (Partner, Schwerkraft, Massenträgheit)

Tageszeit

Stoffwechsel (Blutlaktat, Körpertemperatur)

anthropogene Voraussetzungen (Alter, Geschlecht)

Außentemperatur

Umfang der Muskelmassen

..      Abb. 6.2  Einflussfaktoren der Beweglichkeit (Maehl 1986, S. 11)

nicht mehr beeinflussbar, ggf. im höheren Alter durch Anpassungs- und Verschleißprozesse zusätzlich eingeschränkt sowie bei Frauen und Männern grundsätzlich unterschiedlich ausgeprägt. Praxistipp

Kurzfristig beeinflussbare Wirkfaktoren spielen eine besondere Rolle im Beweglichkeitstraining. Trainingsplanung und -umgebung lassen sich beispielsweise gezielt auf Tageszeit und Außentemperatur ausrichten, sodass Beweglichkeitseinschränkungen nach Inaktivitätsphasen oder bei niedrigen Umgebungstemperaturen kompensiert werden können. Eine ausreichende Vorbereitung des Organismus durch physiologisch wirksames Aufwärmen und neuronale Aktivierungsmaßnahmen ist auch im Beweglichkeitstraining notwendig. Zudem sollten starke muskuläre Erschöpfungszustände berücksichtigt werden. Im Anschluss an belastende Trainingsmaßnahmen sind vorsichtig dosierte, regenerativ wirksame Dehninterventionen anzuraten.

Im Altersgang verfestigt sich ganz allgemein das Gewebe, Konsequenz ist eine stetige Abnahme der Beweglichkeit. Frauen weisen dabei im Vergleich zu Männern eine geringere Gewebedichte auf und sind damit grundsätzlich in allen Altersgruppen beweglicher. Bei Inaktivität vermindert sich die Beweglichkeit rasant, regelmäßige alltägliche und sportliche Beanspruchungen reduzieren jedoch die entwicklungsbedingten Negativeffekte auf ein Minimum, wie z. B. aktive Turnerinnen und Turner weit jenseits des Rentenalters beweisen. „Die Trainierbarkeit der Beweglichkeit ist unabhängig von Alter und Geschlecht“ (Olivier et al. 2008, S. 251). 6.2.1

 elenkstrukturen und BeG weglichkeit

Die anatomische Beweglichkeitsgrenze eines Gelenks wird von seiner knöchernen Struktur bestimmt. Das Schultergelenk beispielsweise ist ein sogenanntes Kugelgelenk und besitzt damit größere Freiheitsgrade in seinen Bewegungsmöglichkeiten als das Ellenbogengelenk, das als Scharniergelenk auf eine einfache Beuge- und Streckbewegung beschränkt ist. Das Kniegelenk, ein Kondylengelenk, weist

6

327 Beweglichkeitstraining

..      Abb. 6.3 Unterschiedliche Formen dominierender Gelenkhemmungen: a Knochen-, b Massen-, c Muskel-, d Bänderhemmung (Klee und Wiemann 2005, S. 23)

Elle Oberarmknochen

b Ellenbogen

a

c

wiederum im Prinzip die Bewegungsmöglichkeiten eines Scharniergelenks auf, lässt aber in bestimmten Beugewinkeln auch Rotationsund Gleitbewegungen zu. Je höher die Freiheitsgrade eines Gelenks sind, desto effektiver muss es durch umgebende Muskeln, Sehnen, Bänder und Kapseln geschützt werden. Diese „weichen“ Strukturen bestimmen die physiologische Beweglichkeitsgrenze des Gelenks. Bewegungshemmungen durch Knochen, Muskeln, Sehnen, Bänder und Kapseln (. Abb. 6.3) wirken dabei stets zusammen. Im Ellenbogengelenk wird die Grenze der Beweglichkeit vorrangig durch die knöcherne Hemmung bestimmt (. Abb. 6.3a), der Kapselund Bandapparat verhindert eine Überstreckung. Das Kniegelenk wird dagegen hauptsächlich durch die so genannte Bänderhemmung geführt (. Abb.  6.3d), die aufeinandertreffenden Gelenkflächen sind für eine vorrangig knöcherne Hemmung zu klein. Muskuläre Hemmungen resultieren aus der passiven Ruhespannung (7 Abschn. 6.2.2) eines Muskels und finden sich dort, wo ein Muskel mehr als ein Gelenk überspannt wie beispielsweise die Beugemuskulatur von Fingern und Handge-

d

lenk (. Abb.  6.3c). Darüber hi­naus sind Massenhemmungen der Muskulatur wie bei Bodybuildern möglich (. Abb. 6.3b).  



Praxistipp

Aus diesen strukturell-physiologischen Gegebenheiten lässt sich eine wichtige Konsequenz für das praktische Training ableiten (Wiemann 1993): Nur dort, wo Gelenke bzw. Gelenksysteme in ihrer Reichweite durch die muskuläre Ruhespannung eingeschränkt werden (Muskelhemmung), ist eine Verbesserung der Dehnfähigkeit der Muskulatur durch Dehnungsmaßnahmen möglich und sinnvoll.









6.2.2

 uskelphysiologische M Grundlagen und Dehneffekte

Ein gesunder, nicht kontrahierter Muskel setzt einer erzwungenen Dehnung die sogenannte „Ruhespannung“ entgegen, die mit dem Grad  der Dehnung exponentiell ansteigt (. Abb.  6.4). In vollkommen entspannter,  

328

H. Remmert

..      Abb. 6.4 Ruhespannungs-Dehnungskurve (Wiemann 2000, S. 96)

6

Ruhelänge

Ruhe-Dehnungsspannung

physiologischer Dehnbereich

90

100

experimenteller Dehnbereich

110

120

130

140

150

160

170

180

190

200

Dehnungsgrad (%)

Exkurs: Effekte von Muskeldehnungen Am Verhalten der Ruhespannungs-­Dehnungskurve lassen sich die kurz- und langfristigen Effekte eines Dehntrainings erläutern. Kurzfristig sorgt eine akute Muskeldehnung für ein moderates Absenken der passiven Ruhespannung, weshalb sich ein gedehnter Muskel vergleichsweise entspannt und „lockerer“ anfühlt (. Abb. 6.5). Diese kurzfristigen Effekte sind neben der akuten Einstellung der Schmerzrezeptoren auf die Dehnreize vornehmlich auf Verformungen des Muskel- und Sehnengewebes zurückzuführen, die nach 15 bis 60 Minuten vollständig abgeklungen sind (Viskoelastizität). Langfristig regelmäßige Dehnungen führen sowohl (1) zu einer Erhöhung der Ruhespannung als auch (2) zu einer größeren Gelenkreichweite (. Abb. 6.6). Innerhalb eines Sarkomers sind die kontraktilen Myosinfilamente durch Titinmoleküle mit den Z-Scheiben verbunden. Titin sorgt dafür, dass sich ein Sarkomer nach einer Dehnung wieder zur Ausgangslänge zusammenzieht (. Abb. 6.7). Jedes einzelne Myosinmolekül wird nun von sechs Titinmolekülen umringt, wodurch das Titin quanti 





tativ dominiert. Da sowohl die kontraktilen als auch die passiven Strukturproteine an wiederholte Belastungen durch Wachstum (Hypertrophie) adap­ tieren, steigen die passiven „Rückstellkräfte“ bei strukturellen Anpassungen des Muskels auf Beanspruchungen verhältnismäßig stärker an. Diese Anpassungsreaktionen zeigen sich sowohl auf Dehnungen als auch auf wiederholte Kontraktionen. Kraft- und Dehntraining führen also in der Muskelzelle zu ähnlichen Wachstumsprozessen. Demzufolge setzen (nach Dehn- oder Krafttraining) hypertrophierte Muskeln einer Dehnung zwar größere passive Ruhespannungen entgegen, bewahren oder erweitern jedoch gleichzeitig ihre Dehnfähigkeit im Rahmen der motorischen Beanspruchung. Ein Dehn- wie auch ein Krafttraining über vollständige Bewegungsamplituden führen mittel- und langfristig zur Gewöhnung der Schmerzrezeptoren an endgradige Gelenkpositionen und ermöglichen sukzessiv die Ausweitung der Gelenkreichweiten. Eine Längenanpassung der Muskulatur ist durch Dehnprogramme nicht zu erreichen.

6

329 Beweglichkeitstraining

100 Zunahme der submaximalen Dehnungsspannung von 21,1 % durch 60 Minuten Pause

Dehnungsspannung (%)

95 90

Zunahme der submaximalen Dehnungsspannung von 13,3 % durch 15 Minuten Pause

85 Zunahme der submaximalen Dehnungsspannung von 4 % durch 3 Minuten Pause

80 Abnahme der submaximalen Dehnungsspannung von 22,2 % durch 4 Dehnungen

0

10

20

30

Zeit (min)

40

50

60

70

..      Abb. 6.5  Die Abnahme der submaximalen Dehnungsspannung durch vier Dehnungen und der Wiederanstieg nach 3, 15 und 60 min (Klee und Wiemann 2002, S. 8)

140 120 Dehnungsspannung (Nm)

..      Abb. 6.6 Veränderung der Ruhespannung durch ein 10-wöchiges Dehntraining: Vt = vor der Trainingsphase, Nt = nach der Trainingsphase (Klee 2003, S. 174)

Zunahme der maximalen Dehnungsspannung

100 80

Zunahme der submaximalen Dehnungsspannung

60 40 20 0

Vt Nt 0°

..      Abb. 6.7  Schematische Darstellung des Sarkomers bei Dehnung: ge = gering elastische, he = hoch elastische (PEVK), ne = nicht elastische (mit dem Myosin gekoppelte) Region des Titinfilaments (Wiemann und Klee 2000, S. 7)

20°

40°

60° 80° Hüftbeugewinkel

Z-Scheibe Titin

100°

M-Linie

120°

140°

Dehnungsgrad: 106,4 %

ge

he

ge

ne

ca. 130 %

160,6 % Aktin

Myosin

330

6

H. Remmert

i. d. R. mittlerer Gelenkposition ist kein „Muskeltonus“ messbar, insofern können Dehninterventionen auch nicht Tonus senkend wirken (Klee 2006). Der hoch adaptive Muskel passt sich dagegen in seiner Länge an seine Hauptbeanspruchungsmuster an, sodass z.  B. die „funktionale Länge“ der ischiocruralen Muskulatur bei vorwiegend sitzender Tätigkeit gegenüber der menschlichen „Normallänge“ abnimmt (entwicklungsgeschichtlich gesehen ist der Mensch ein aufrechter Fußgänger). Eine entsprechend kurze Ischiocruralmuskulatur produziert damit beim aufrechten Gang ein Grundmaß an Spannung, da diese Haltung bereits einer erzwungenen Dehnung entspricht. Bei akuten oder chronischen Schädigungen kommt es sogar dazu, dass eine erhöhte elektrische Aktivität der gelenkumschließenden Muskulatur (u. a. bedingt durch reflektorische Verschaltungen) für eine Schonhaltung betroffener Gelenksysteme sorgt. Einer derart dauerinnervierten und -kontrahierten Muskulatur muss mit therapeutischen Maßnahmen entgegengewirkt werden. Ein Dehntraining wirkt unter Umständen kontraproduktiv und schmerzverstärkend.

6.2.3

 indegewebe und NervenB system

Wie die kontraktile Muskulatur adaptieren auch die passiven Bindegewebsstrukturen an Belastungen. Sie werden stärker und damit zugfester, womit eine Erhöhung der m ­ echanischen Belastbarkeit bei gleichzeitiger Zunahme der passiven Dehnungsspannung einhergeht. Im Kontext des Beweglichkeitstrainings sind davon hauptsächlich die Sehnen, Bänder, Gelenkkapseln und Muskelfaszien betroffen. Sehnen bestehen aus in Längsrichtung angeordneten Kollagenfasern und ermöglichen eine effiziente Kraftübertragung der Muskeln auf das Skelettsystem. Sie puffern hohe Kraftspitzen ab, was eine feinmotorische Bewe-

gungssteuerung erst ermöglicht. Sie sind nur kurzfristig und in geringem Maße plastisch verformbar und kehren bei nachlassenden Kräften schnell in ihre Ausgangslage zurück. Die strukturelle Länge von Sehnen bleibt auch bei wiederholten Dehninterventionen unverändert, ansonsten könnten die Sehnen ihren mechanischen Aufgaben nicht nachkommen. Sie passen sich ebenso wie die Muskeln an mechanische Belastungen an, benötigen dazu aber deutlich längere Zeiträume. So kann es bei hohen Kraftzugewinnen in kurzer Zeit durchaus dazu kommen, dass ein Missverhältnis zwischen aktiver Kraftmobilisierung und passiver Belastungsverträglichkeit mit entsprechendem Verletzungspotenzial entsteht. Bänder sind Verbindungen zwischen knöchernen Strukturen wie z. B. die Kreuz- und Seitenbänder des Kniegelenks. Gegenüber den SehExkurs: Bewegungssteuerung Bewegungen werden durch das Zusammenspiel von zentralem Nervensystem (ZNS) mit der ausführenden Muskulatur gesteuert (Koordination). Der Informationsaustausch vollzieht sich über die Nervenbahnen des peripheren Nervensystems, deren Zellkörper im Rückenmark und in den Spinalganglien liegen.

nen sind Bänder deutlich elastischer und in vielfältigere Zugrichtungen belastbarer. Gelenkkapseln wiederum enthalten nur wenige elastische Fasern, sind insgesamt fester und umschließen die Gelenke. Bänder und Gelenkkapseln zusammen begrenzen die Gelenkbeweglichkeit und sollten i. d. R. nicht über ihre natürliche Beweglichkeit hinaus gedehnt werden, was grundsätzlich in gewissen Grenzen möglich ist. Die Folge einer erhöhten Gelenkbeweglichkeit sind jedoch höhere mechanische Freiheitsgrade und damit strukturelle Instabilitäten, die durch die aktive Muskulatur kompensiert werden müssen. Mit Ausnahme von Beweglichkeitseinschrän-

331 Beweglichkeitstraining

kungen als Folge länger dauernder Immobilisierungen ist das gezielte Dehnen des Bänder-Kapsel-Apparates demnach kritisch zu sehen. Das Gerüst der Skelettmuskulatur wird durch die parallel-elastischen Bindegewebe gebildet, insbesondere die Muskelfaszien als äußere Muskelhüllen. Faszien spielen bei der Kräfteverteilung und -übertragung eine wichtige Rolle und ermöglichen Verschiebungen der Muskelfasern innerhalb der Muskulatur. Die Kollagenfasern der Faszien sind scherengitterartig angeordnet und können so ohne eigene Längenveränderungen auf Dehnungen der Muskulatur reagieren. Kräftige Muskelbündel üben einen unter Umständen hohen inneren Druck auf die umgebenden Faszien aus, was sich in einem erhöhten passiven Dehnungswiderstand bemerkbar macht. Bei hohen myofaszialen Spannungen können Faszien durch gezielte physiotherapeutische Techniken gedehnt werden, wobei mögliche Erklärungsansätze wissenschaftlich bislang unzureichend erforscht sind. Nichtsdestotrotz erfreut sich der undifferenzierte Einsatz von „Faszienrollen“ im Sport zunehmender Beliebtheit. Der Aktivierungszustand des ZNS beeinflusst die Dehn- und Belastbarkeit der Muskulatur global. Eine hohe zentralnervöse Akti­ vierung führt zur Sensibilisierung der Muskelspindeln, wodurch die Skelettmuskula-

tur direkter auf Längenänderungen reagiert und insgesamt in einen „angespannten“ Zustand versetzt wird. Eine gegenteilige Deaktivierung des ZNS führt zu tiefen Entspannungszuständen und Desensibilisierung der Rezeptoren. Je nach Sportart, Disziplin und Trainings- bzw. Wettkampfsituation muss der entsprechend optimale Erregungszustand des ZNS gefunden bzw. herbeigeführt werden. Die peripheren Nervenleitungen sind i.  d.  R. gemischter Natur und leiten efferente Impulse an die Muskulatur, afferente Informationen fließen zurück an das Zentralnervensystem. Sie sind wie das Bindegewebe dehnbar, je nach Art in unterschiedlichem Ausmaß von bis zu 20 % ihrer Ursprungslänge. Nervenbahnen können durch traumatische Ereignisse überdehnt werden und reißen, jedoch ­existieren neben ihren besonderen strukturellen Eigenschaften (Anordnung, Lage zu den Gelenken, Elastizität und Plastizität) verschiedene Schutzmechanismen in Form reflektorischer Verschaltungen zur autonomen Bewegungssteuerung. Je nach Lage peripherer Nerven werden diese bei Dehnübungen bis zur Schmerzgrenze strapaziert. So wird beispielsweise der vom Rückenmark bis in den Fuß hineinziehende Ischiasnerv bei Dehnungen der hinte-

Exkurs: Reflexmechanismen Muskelspindeln (. Abb. 6.8) sind in Reflexbögen integriert, die die Muskelkräfte bei ziel- und stützmotorischen Halte- und Bewegungsaufgaben kontrollieren. Die Anzahl der Muskelspindeln pro Muskel steigt mit dem Grad an feinmotorischen Aufgaben, für die dieser Muskel zuständig ist, an. Ihre jeweilige Sensibilität wird durch je nach Muskelspindeltyp spezifische γ-Motoneurone gesteuert, die die intrafusalen Muskelfasern durch Dehnung des sensorischen Zentrums dieser Fasern (intrafusale Vorspannung) verändern. Dadurch wird gewährleistet, dass Muskelspindeln auch bei Kontraktionen des Muskels ihre sensorische Empfindlichkeit behalten, wobei sich die  

6

Wirkungen der α- (efferente Nervenbahnen vom ZNS zum Muskel) und γ-Motoneurone addieren (α-γ-Koaktivierung). Damit lassen sich bei kontrahierter Muskulatur äußerlich wirkende Kräfte reflektorisch korrigieren. Über γ-Motoneurone können Muskelkontraktionen auch unwillkürlich ausgelöst werden, wenn sie die intrafusalen Muskelfasern erregen und die Muskelspindel wiederum für eine Aktivierung der zugehörigen α-Motoneurone sorgt (γ-Schleife). Rückmeldungen an das ZNS (Reafferenzen) erfolgen über die Typ-Ia- (Längenänderung und deren Geschwindigkeit) und Typ-II-Nervenbahnen (Längenänderung). Die Kontrolle von Muskellän-

332

H. Remmert

Muskelspindel

motorische g-Faser (efferent)

(afferent)

6

sensor. Ia-Faser

Muskels verbunden, Rezeptor und Effektor liegen also im gleichen Organ. Die Erregung des α-Motoneurons löst eine Kontraktion der zugehörigen Muskelfasern aus (Bsp.: Patellarsehnenreflex).

kDehnungsreflex durch intrafusale Kontraktion Die intrafusalen Fasern der Muskelspindel können durch Erregung der γ-Motoneurone kontrahieren, wobei deren zentraler sensorischer Teil gedehnt und die Muskelspindel gereizt wird. Reflektorisch laufen gleichen Prozesse an wie bei einer äußerlich erzwungenen Muskeldehnung: Der gleiche Muskel kontrahiert.

Reziproke Hemmung der Antagonisten

motorische g-Faser

Afferente Signale der Muskelspindeln erreichen auch die Interneurone im Rückenmark, wobei hemmende Interneurone die Antagonisten kontrahierter Muskeln hemmen. Eine Dehnung eines kontrahierten Muskels führt damit sowohl zu dessen reflektorischer Kontraktion (Eigenreflex) als auch zur Hemmung des Antagonisten. Die Golgi-Rezeptoren (. Abb. 6.9) oder -organe finden sich v. a. in den Gelenkkapseln und Muskel-Sehnen-Übergängen. Sie sind mit der Muskulatur in Serie geschaltet und mit jeweils einer vergleichsweise langsam leitenden Ib-Nervenfaser verbunden, deren afferente Entladungsrate durch Zunahme der Dehnungsspannung (Kontraktion des Muskels oder Zunahme der Zugbelastung am Sehnenende) ansteigt. Als sensibler Messfühler der Dehnungsspannung können sie den gedehnten Muskel in endgradigen Extrempositionen hemmen und so als Schutzmechanismus vor struktureller Überlastung fungieren. Als Auslöser akuter reflektorischer Schutzmechanismen sind die Golgi-Rezeptoren jedoch aufgrund der geringen Leistungsgeschwindigkeit ihrer Ib-Fasern nur bedingt geeignet. Vom ZNS werden sie hemmend und fördernd innerhalb komplexer funktionaler Muskelketten verschaltet (autonome und Antagonisten-­ Hemmung), ihre eigentliche Bedeutung „liegt wahrscheinlich in der Kontrolle der Kontraktionskraft zum gleichmäßig gesteuerten Bewegungsablauf“ (Freiwald 2009). Eine autonome reflektorische Schutzwirkung entfalten Golgi-Rezeptoren vor 

intrafusale Fasern Dehnungs- = Längendetektoren ..      Abb. 6.8  Muskelspindel eingebettet zwischen quergestreiften Muskelfasern (Müller et al. 2015, S. 417)

genänderungen, die sowohl durch Kontraktionen als auch durch Dehnungen bei Einwirkung äußerer Kräfte induziert werden, ist für die allgemeine Haltungs- und Bewegungskoordination von überragender Bedeutung. Hieraus ergeben sich etliche Reflexmechanismen:

Dehnungsreflex durch Muskeldehnung (monosynaptischer Eigenreflex) Die afferenten Ia-Nervenfasern der Muskelspindel sind über nur eine Synapse (monosynaptisch) direkt mit den Motoneuronen des gleichen

333 Beweglichkeitstraining

Golgi-Sehnen-Organ Muskelfasern

afferente Nervenfasern

6

nehmlich dann, wenn die erwarteten sensorischen Rückkopplungen nicht mit den tatsächlichen übereinstimmen. So sind die hemmenden und aktivierenden Reflexmechanismen während willkürlicher dynamisch-schnellkräftiger Bewegungen nicht aktiv, jedoch bei dabei unvorhersehbaren Veränderungen der Muskelspannung wie beim Treten auf ein Hindernis oder in ein Loch.

dendritische Nervenendigungen

Sehnenfasern ..      Abb. 6.9  Golgi-Sehnen-Organ (Müller et al. 2015, S. 464)

ren Oberschenkelrückseite mitgedehnt, wobei die Zuschreibung des zunehmenden Schmerzgefühls zur Muskulatur oder zur Nervenbahn häufig wenig eindeutig ausfällt. Das Schmerzempfinden stellt einen wichtigen Schutzmechanismus vor Überlastungen dar. In Muskeln, Sehnen, Gelenkkapseln und der Haut liegen eine Vielzahl unterschiedlicher Rezeptoren zur Messung von Spannungs- und Längenänderungen der Muskulatur. Wichtigste Vertreter sind die parallel zur Arbeitsmuskulatur liegenden Muskelspindeln, die muskuläre Längenänderungen und deren Geschwindigkeit registrieren, sowie die im Bindegewebe (Gelenkkapseln, Bänder, Muskel-­Sehnen-­Übergänge) liegenden Golgi-­Rezeptoren, die Dehnungsspannungen der Muskel-Sehnen-­ Einheit überwachen. Bei Überschreitung hinreichender Reizschwellen (Tempo und Höhe von Spannungs- und Längenänderungen) lösen sie autonome Kontraktionen gedehnter Muskeln, Hemmungen der Antagonisten und/oder die Entspannung kontrahierter Muskeln aus. Heute geht man davon aus,

dass diese Reflexe umfassend an der komplexen feinmotorischen Bewegungssteuerung beteiligt sind und nur als akute Schutzmechanismen vor Überspannungen fungieren, wenn diese unerwartet auf den Sportler einwirken. Praxistipp

Für die Trainingspraxis ist von Bedeutung, dass beim Dehnen die induzierten Spannungs- und Längenänderungen von Muskulatur und Bindegewebe vom Sportler antizipiert werden und demzufolge die Rezeptoren kein Missverhältnis zwischen Erwartung und Ausführung erkennen. Demnach wird also auch keine reflektorische Verschaltung provoziert. Das diesbezüglich lange kritisch beurteilte dynamische Dehnen („Reiß- und Zerrgymnastik“) gilt längst als rehabilitiert. Genau so wenig kann die Reflexaktivität durch statische Dehnungen („Stretching“) unterdrückt werden.

334

H. Remmert

6.3

6

Anpassungseffekte durch Dehnen

Dem Dehnen wurden mit dem Aufkommen der „Stretching-Welle“ in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts eine Fülle von Trainingswirkungen unterstellt, die insbesondere die statischen Dehnmethoden in den Rang einer Gesundheitslehre erhoben haben und das eigentliche Ziel eines Beweglichkeitstrainings, die sportartspezifische Optimierung der Gelenkreichweiten, in den Hintergrund gedrängt haben. Statisches Stretching gehörte seitdem zu einem gesunden, sicheren Sporttreiben einfach dazu und wurde aggressiv gegen die bis dahin üblichen Methoden des dynamischen Dehnens im Sport positioniert (u.  a. Hoster 1987). „Richtiges“ Dehnen, also statisches Stretching, erweitert die Muskellänge und behebt so muskuläre Dysbalancen, schützt vor Verletzungen, verhindert Muskelkater und beschleunigt die Regeneration  – so lauteten die damaligen Annahmen. Heute muss man konstatieren, dass von diesen unterstellten Trainingswirkungen nur wenige nachgewiesen werden konnten und sich vor allem die verschiedenen Dehnmethoden als prinzipiell gleichwertig und sicher erwiesen haben. Eine zusammenfassende Gegenüberstellung ergibt folgendes Bild (u. a. Wiemann 2000 und Klee 2006): 55 Vergrößerung der Gelenkreichweite

55 Die funktionelle Länge eines Muskels und dessen Ruhespannung verändert sich langfristig nicht. 55 Die Gelenkreichweite erhöht sich aufgrund einer Zunahme der Schmerztoleranz gegenüber Dehnungsspannungen. zz Verkürzung der Regenerationszeit

55 Ein verbesserter Abtransport von Stoffwechselprodukten oder eine verbesserte „Entspannung“ ist nicht nachgewiesen. 55 Subjektives Erholungsempfinden ist nicht objektivierbar.

zz Schutz vor Muskelverletzungen

55 Eine Erhöhung der Schmerztoleranz gegenüber Dehnungsspannungen kann einen gegenteiligen Effekt haben. 55 Eine Verstärkung des Bindegewebes verbessert möglicherweise den Schutz vor spannungsbedingten Muskelverletzungen. 55 Muskelkater wird nicht verhindert oder reduziert und kann sogar verstärkt werden.

zz Behebung von muskulären Dysbalancen

55 Die funktionelle Muskellänge bleibt erhalten, stattdessen sollte die „abgeschwächte“ Muskulatur gekräftigt werden.

Dehnübungen sind generell zur akuten Verletzungsprophylaxe ungeeignet, da die bei Muskeldehnungen auftretenden hohen Muskelspannun-

Exkurs: Muskuläre Dysbalancen Zur Thematik der „muskulären Dysbalancen“ muss an dieser Stelle ergänzt werden, dass die dargestellten Erkenntnisse über die fibrilläre Struktur der Muskelfaser (Titin) sowie die Befunde zur Wirkung von Beweglichkeits- und Krafttraining auf Ruhespannung und Muskellänge ein Umdenken in der Bewertung und Behandlung muskulärer Ungleichgewichte erfordern. Ursachen arthromuskulärer Ungleichgewichte können ungünstige Körperhaltungen (z. B. durch vorwiegend sitzende Tätigkeiten) oder auch einseitige Kraftausprägungen sein

(. Abb. 6.10). Ein Beweglichkeitstraining des in seiner funktionellen Länge ungünstig eingestellten, „verkürzten“ muskulären Partners innerhalb eines balancegestörten Gelenksystems verspricht kaum Erfolge, da die Umfänge zur Neujustierung der Gelenkposition vor dem Hintergrund der dominierenden Alltagsbelastung und -haltung nicht ausreichen. Erfolgversprechender ist ein gezieltes Krafttraining des schwächeren Gegenspielers, der dann aufgrund seiner höheren Ruhespannung das Spannungsdefizit reduzieren kann.  

6

335 Beweglichkeitstraining

A

Position B

AA

Position M = Balanceposition

Position S

100 90 Dehnungsspannung (Nm)

..      Abb. 6.10 Modell eines einfachen arthromuskulären Systems zur Verdeutlichung der arthromuskulären Balanceposition. A: Agonist. AA: Antagonist (Wiemann 2000, S. 111)

80 Agonist (A)

70

Antagonist (AA)

60 50 40 30 20 10 0

60°

70°

gen häufig die der eigentlichen sportlichen Anforderungen übersteigen und muskuläre Verletzungen sogar noch begünstigen können. Ein „Ausdehnen“ von Muskelschmerzen ist vor diesem Hintergrund besonders kritisch zu hinterfragen. Langfristig betrachtet passt sich jedoch das Bindegewebe an Dehnreize an, es wird stärker, zugkräftiger und somit belastungsresistenter. Im Kontext von Beweglichkeitstraining ist daher eher von einer langfristigen Verletzungsprophylaxe auszugehen (Herbert und Gabriel 2002; Marschall und Ruckelshausen 2004; Thacker et al. 2004). Auch Muskelkater kann durch Dehnen nicht verhindert werden, kann diesen im Gegenteil sogar alleinig auslösen (Klee 2006; Freiwald 2009). Zur Nachbereitung belastender Trainingseinheiten sollte nur leicht im submaximalen Intensitätsbereich (statisch oder dynamisch) gedehnt werden, am besten erst im An-

80° 90° Gelenkwinkel

100°

110°

120°

schluss an niedrig intensive kardiale Belastungen (Auslaufen) und Lockerungsübungen. Insbesondere statische Dehnungen reduzieren die Durchblutung der Muskulatur erheblich, sodass z.  B.  Laktat nicht optimal ausgeschwemmt wird. 6.4

Trainingsmethoden und Belastungsdosierung

Zum Training der Beweglichkeit, in engerem Sinne der Dehnfähigkeit der Muskulatur, kommen in der Praxis je nach Zielsetzung unterschiedliche Methoden zum Einsatz, deren resultierende Wirkungen jedoch hauptsächlich kurzfristig zu unterscheiden sind. Die längerfristigen Effektivitätsunterschiede zwischen sämtlichen Methoden sind gering,

336

H. Remmert

PNF-Methoden (propriozeptive neuromuskuläre Faszilitation) dynamisches Dehnen (DD)

statisch Dehnen (SD)

AC-Stretching: Antagonist wird bei Dehnung angespannt

6

CR-Stretching: (1) Zielmuskel wird vor (2) Dehnung angespannt

CR-AC-Stretching: (1) Zielmuskel wird vor (2) AC-Stretching angespannt

(1) 1

(1) 1

(2)

(2)

..      Abb. 6.11  Die fünf gebräuchlichsten Dehnmethoden (Klee und Wiemann 2002, S. 4)

sodass alle als in etwa gleich geeignet für die in den meisten sportlichen Disziplinen gestellten Anforderungen gelten können (Wiemann 2000). Die auffälligsten und in der Sportpraxis relevanten Unterschiede bestehen zwischen den akuten Trainingswirkungen der statischen und dynamischen Dehnmethoden, was bei der zeitlichen Platzierung von Dehninterventionen im Warm-up oder Cool-down zu beachten ist (Opplert und Babault 2018). Klee und Wiemann (2002) fassen die wichtigsten Methoden zusammen: dynamisches Dehnen (rhythmisch federndes Dehnen), statisches Dehnen („Stretching“, gehaltenes Dehnen), Antagonisten-Kontraktions-­Stretching („AC“, bei der gehaltenen Dehnung wird der muskuläre Gegenspieler aktiv angespannt), Kontraktions-Relaxations-­Stretching („CR“, der Muskel wird angespannt, dann kurz entspannt und anschließend gedehnt) und die Kombinationen aus CR- und AC-Stretching (erst wird der Muskel angespannt, dann bei Kontraktion des Gegenspielers gedehnt; . Abb. 6.11).  

Die Methoden des dynamischen und statischen Dehnens (auch als dynamisches und statisches Stretching bezeichnet) sind in vielen Sportarten, insbesondere in den Sportspielen, die gebräuchlichsten, da sie einfach anzuleiten und auszuführen sind. Die komplizierteren PNF-Dehnmethoden (propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation) haben sich in Studien als besonders effektiv darin erwiesen, die Gelenkreichweite kurzfristig zu verbessern (Klee 2003). Sie nutzen in Kombination mit den eigentlichen Dehnungen kontrastierende Kontraktionen und Entspannungsphasen von Agonisten bzw. Antagonisten, u.  a. um die Reflexaktivitäten der zu dehnenden Muskeln zu reduzieren. Dieser Erklärungsansatz kann jedoch als widerlegt gelten (7 Abschn.  6.2.3). Im Gegenteil: Beim Einsatz der PNF-­Methoden zeigen sich die höchsten elektrischen Aktivierungen der zu dehnenden Muskulatur (Freiwald 2009). Zudem erfordern sie hinsichtlich Körpergefühl und Muskelsinn größere Vorerfahrungen. Langfristig verbessern alle Dehnmethoden die Beweglichkeit.  

6

337 Beweglichkeitstraining

Praxistipp

auch . Abb. 6.12). Diese sind zwar reversibel (7 Abschn. 6.2.2), lassen den Einsatz von gehaltenen Dehnungen in Aufwärmprogrammen jedoch kritisch erscheinen (Remmert 2003, 2007). Da die sportliche Leistung von geschmeidigen Bewegungen im Rahmen der geforderten Gelenkreichweiten unzweifelhaft profitiert, plädiert Freiwald (2009) für ein differenziertes Dehnen im Warm-up. Die

Für viele Sportler ist eher interessant, ob mit dem Einsatz bestimmter Dehnmethoden Nachteile verbunden sind. Vielfach nachgewiesen sind diesbezüglich deutliche Schnelligkeits- und Schnellkrafteinbußen bis in zweistellige Prozentbereiche als Akutreaktion auf gehaltene, passive Dehnungen (statisches Stretching) (Nelson et al. 2005; Simic et al. 2013; Oliveira et al. 2018; siehe Static Jump





Counter Movement Jump Little & Williams (subm.) Young & Behm (2003) Church et al. (2001) Cornwell et al. (2002) Young & Elliot (2001) McNeal et al. (2001 + 2003) Knudson et al. (2001) Cornwell et al. (2001)

90

95

100

105

110

Sprunghöhe (in % der Sprunghöhe ohne Stretching) ..      Abb. 6.12  Effekte von Stretching-­Programmen auf Schnellkraftleistungen (Bösing et al. 2014, S. 87; mod. nach Shrier 2004, S. 269)

für die Schnellkraftproduktion unmittelbar verantwortlichen Muskelpartien sollten mit dynamischen Dehnungen vorbereitet werden (Peck et al. 2014; Oliveira et al. 2018), andere zur Einnahme extre-

mer Gelenkpositionen notwendige Muskeln dagegen durchaus statisch, wenn auch mit relativ kurzer Haltedauer (Beispiele: Hochspringer, Hürdensprinter, Turner; Behm und Chaouachi 2011).

338

6

H. Remmert

Statisches Dehnen ermöglicht dem Sportler ein langsames, kontrolliertes „Hineindehnen“ bis zu endgradigen Dehnpositionen, weshalb es einen festen Platz in der Trainings- und Wettkampfvorbereitung vieler Sportler und Sportarten hat. In Kenntnis der negativen Kurzzeitwirkungen ist es jedoch notwendig, zwischen einem statischen Dehnprogramm und dem Beginn der Leistungsproduktion eine zusätzliche Aufwärmphase der „Reaktivierung“ mit „tonisierenden“ Übungen einzubauen (Faigle 2000). Entsprechend ritualisiert werden heute entsprechende Aufwärmroutinen mit durchaus beachtlichem Zeitbedarf besonders in den Sportspielen „abgespult“: allgemeines Aufwärmen, Stretching, „Tonisierung“, spezifisches Aufwärmen. Die Bevorzugung des aktiv-dynamischen Dehnens im Aufwärmen ist auch aus zeitökonomischen Gründen anzuraten. Dynamisches Dehnen fördert zudem die Durchblutung der Muskulatur und damit deren Aktivierungs- und Entspannungsfähigkeit. Auf extreme Dehnpositionen, die weit über die in der Zielsportart auftretenden Bewegungsreichweiten hinausgehen, sollte generell während des Aufwärmens verzichtet werden. Statisches Dehnen behält einen prominenten Platz im sportlichen Training an anderer Stelle. Statische Dehnmethoden sind besonders geeignet, die muskuläre Wahrnehmung zu schulen und daher für Sportanfänger, Kinder und Jugendliche grundsätzlich zu empfehlen. Bewegungsamplituden und Dehngrenzen können gerade über statische Dehnmethoden ideal wahrgenommen werden, da ein vorsichtiges Herantasten an die Beweglichkeitsgrenzen ermöglicht wird. Ein ruhiges und konzentriertes Stretching wirkt positiv auf das autonome Nervensystem und damit psychisch entspannend (Wiemeyer 2003), ist damit in eigenständigen Einheiten zum Beweglichkeitstraining oder (mit Einschränkungen, 7 Abschn.  6.3) zum Ausklang anstrengender Trainingsmaßnahmen zu empfehlen.  

6.4.1

Belastungsdosierung

Allgemeingültige Belastungsnormative (Trainingsdauer, -umfang, -intensität, -dichte und -häufigkeit) zu den unterschiedlichen Dehnmethoden fehlen in der Literatur, sodass Intensitätsabstufungen eher anhand qualitativer Kriterien vorgenommen werden. Marschall (1999) empfiehlt beispielsweise zur Bestimmung der Reizintensität die Orientierung an der absoluten Dehngrenze (= Schmerzgrenze): Eine maximale Intensität wäre demnach sofort nach Erreichen der Endposition wieder aufzulösen, eine submaximale dagegen über längere Zeit gerade noch tolerabel. Das Überschreiten einer hinreichenden Dehnschwelle wäre nach dieser Klassifikation mit einem deutlichen wahrnehmbaren Dehngefühl verbunden. In jedem Fall bestimmt das subjektive (Schmerz-) Empfinden die mögliche Intensität einer Dehnung. Zur individuellen Intensitätsbestimmung können subjektive Skalen ähnlich der BORG-Skala (Borg 1982, S. 378) herangezogen werden. Empfehlungen zu Wiederholungszahlen beim dynamischen Dehnen, zur Haltedauer beim statischen Dehnen oder zu Trainingshäufigkeiten variieren ebenfalls, sodass kaum allgemeingültige Handreichungen gegeben werden können. Die in . Tab.  6.1 zusammengefassten Eckwerte gelten erfahrungsgemäß als wirksam für die angegebenen kurz- und längerfristigen Ziele. Grundsätzlich muss zur Erweiterung von Gelenkreichweiten dauerhafter und umfangreicher gedehnt werden als zur kurzfristigen Vorbereitung auf anschließende Belastungen (Langzeit- vs. Kurzzeitdehnprogramm).  

6.4.2

Anforderungsgerechtes Beweglichkeitstraining

Die Inhalte eines sportartspezifischen Beweglichkeitstrainings ergeben sich aus den Anforderungen an besonders beanspruchte Gelenksysteme. Die Literatur bietet umfassende

339 Beweglichkeitstraining

6

..      Tab. 6.1  Ziele und allgemeine Belastungsnormative des Dehntrainings (Bösing et al. 2014) Dehnung

Ziele

Belastungsnormative

statisch

Verbesserung der Beweglichkeit

intensiv, bis 45 s (i. d. R. 10–20 s), 4 Serien, 3 ×/Woche

Vorbereitung auf Belastungen, die maximale Bewegungsreichweiten erfordern

submaximal bis intensiv, 10–20 s, 3 Serien

Verbesserung der Beweglichkeit

intensiv, 10–20 Wiederholungen, 4 Serien, 3 ×/Woche

Vorbereitung auf Belastungen, die submaximale Bewegungsreichweiten oder hohe Muskelspannung erfordern

submaximal, 10 Wiederholungen, 2 Serien

dynamisch

Übungssammlungen zu Mobilisierungs-, Dehnungs- und Kräftigungsübungen mit methodischen Empfehlungen und teilweise auch muskelphysiologischen Begründungen (u.  a. Klee und Wiemann 2005; Freiwald 2009). . Tab. 6.2 zeigt ein exemplarisches Mobilisierungs-, Dehn- und Kräftigungsprogramm für die Hüftgelenke, deren Beweglichkeit in vielen Individual- und Mannschaftssportarten gefordert ist (. Abb. 6.13).  



6.5

Ausgewählte Trainingsbeispiele

Das Training der Beweglichkeit ist ein in vielfach kontrovers diskutiertes und wenig empirisch gesichertes Anwendungsfeld. Viele Empfehlungen und Einschätzungen beruhen auf subjektiven Erfahrungen, wie die vorangehenden Ausführungen verdeutlicht haben. Eindeutige Trainingshinweise können demnach nur bedingt und mit aller Vorsicht ausgesprochen werden. Letztendlich sollten Sportler aus Disziplinen, in denen es nicht auf eine Maximierung der Bewegungsreichweiten ankommt, sondern auf die Herstellung optimal hinreichender Beweglichkeitsfähigkeiten, eine positive Einstellung zum Beweglichkeitstraining entwickeln und die Techniken und Methoden

einsetzen, die ihrem subjektiven Gefühl am ehesten entsprechen: 55 Individuelle Gewohnheiten und Rituale können beibehalten werden, zumal experimentelle Befunde keine Ableitung eindeutiger „Rezepte“ ermöglichen. 55 Dehnen zur Vor- und Nachbereitung von Training und Wettkampf hat nach wie vor seine Rechtfertigung (beispielsweise als Muskel-Check), die Bedeutung für Leistungssteigerung und Verletzungsprophylaxe scheint jedoch geringer zu sein als bislang vermutet. 55 Als Dehntechniken sind Kombinationen von PNF-Methoden und dynamischen Dehntechniken bzw. funktionalen Komplexübungen (Movement Preps) zu empfehlen. Letztere sollten möglichst wettkampfnah sein und vorrangig das Bewegungsausmaß und weniger die -geschwindigkeit betonen. 55 Von zu langen insbesondere rein statischen Dehninterventionen vor Wettkampfbeginn ist abzuraten. Der Übergang zum Wettkampf sollte stets durch Laufarbeit mit Integration schnellkräftiger Bewegungen erfolgen. Eine Maximierung der Beweglichkeit ist für die meisten Athleten nicht anzustreben, da die Sta-

340

H. Remmert

..      Tab. 6.2  Übungsprogramm zur Hüftbeweglichkeit (Freiwald 2009, S. 354–366)

Abbildung

Methodenempfehlung

Anweisung

Wirkung

Die hinteren Oberschenkel werden umfasst und zum Körper gezogen.

Erhalt und SD Verbesserung der Hüftbeugefähigkeit.

1 Hüftbeugung in Rückenlage

6 2 Dehnung der Abduktoren und der Gesäßmuskulatur im Langsitz Mit dem Ellenbogen wird der gegenüberliegende Oberschenkel zur Gegenseite gedrückt.

Verbesserung der SD Adduktionsfähigkeit CR der Hüftgelenke.

3 Hüftbeugung mit Außenrotation im Sitzen an der Wand Ein Bein wird gebeugt über das andere geschlagen und an Knie- und Sprunggelenk fixiert. Die Dehnung wird durch Heranziehen des unteren Beines verstärkt.

Verbesserung von Beuge-, Außenrotations- und Adduktionsfähigkeit der Hüftgelenke.

SD

4 Dehnung der Waden-und hinteren Oberschenkelmuskulatur in Rückenlage Der hintere Oberschenkel des nach oben gestreckten Beins wird bei aktiver Fußbeugung umfasst und dosiert zum Körper hingezogen.

Verbesserung der Hüftbeugefähigkeit bei gestrecktem Kniegelenk.

(SD) AC CR-AC

6

341 Beweglichkeitstraining

..      Tab. 6.2 (Fortsetzung)

Abbildung

Anweisung

Wirkung

Methodenempfehlung

5 Dehnung der Waden-und hinteren Oberschenkelmuskulatur im Stand Bei gestreckt aufgelegtem Bein wird der Fuß aktiv gebeugt und der Oberkörper in gerader Haltung nach vorn gelehnt.

Verbesserung der Hüftbeugefähigkeit bei gestrecktem Kniegelenk.

SD DD AC

Die Hüfte wird bei aufrecht gehaltenem Oberkörper aktiv nach vorn geschoben.

Verbesserung der Hüftstreckfähigkeit.

SD (DD)

6 Hüftstreckung im Schrittkniestand

7 Dehnung der Adduktoren im Sitzen mit gebeugten Kniegelenken Die Knie werden mit den Ellenbogen bei geradem Rücken nach außen-unten gedrückt. Das Becken darf nicht nach hinten kippen.

Verbesserung der SD Abduktionsfähigkeit DD der Hüftgelenke bei PNF gebeugten Kniegelenken.

8 Dehnung der Adduktoren im seitlichen Ausfallschritt Das Körpergewicht wird auf das gebeugte Bein verlagert, wobei das Becken bei aufrechtem Oberkörper nach seitlichunten geschoben wird.

Verbesserung der Abduktionsfähigkeit der Hüftgelenke bei gestrecktem Kniegelenk.

SD (DD)

342

6

H. Remmert

bilität wichtiger Gelenksysteme zur Sicherung der passiven Belastungsverträglichkeit Vorrang hat. Dies kann am Beispiel der Schultergelenke in den Hand-Sportspielen verdeutlicht werden, die etwa durch schnellkräftige Armzüge und unkontrollierbare Gegnereinwirkungen extrem beansprucht werden (Rebound-Zweikämpfe im Basketball, blockierte Schlagwürfe im Handball) und durch eine gut ausgeprägte Muskulatur entsprechend geschützt sein müssen. Eine außergewöhnliche spezielle Beweglichkeit ist hier nicht erforderlich, da z.  B. eine Maximierung von Ausholbewegungen wie etwa im Speerwurf in den schnell wechselnden Situationen der Sportspiele unproduktiv wäre. Praxistipp

Ein ganzheitliches Beweglichkeitstraining besteht neben Muskeldehnungen aus spezifischem Mobilisierungs-, Kraftund Koordinationstraining. Gerade die konstitutionellen Voraussetzungen vieler

akzelerierter Nachwuchssportler sollten zu einem vorsichtigen Umgang mit dem Thema Dehnen anregen. Oft ist eine gezielte Kräftigung der Muskulatur sinnvoller als ein zeitaufwändiges Dehnprogramm, zumal der Erhalt der je nach Disziplin notwendigen Bewegungsreichweiten auch durch das sportartspezifische Koordinations- und Krafttraining sichergestellt wird (Remmert 2007).

„Was für das konditionelle Training schon lange gilt, sollte auch für das Beweglichkeitstraining gefordert werden: eine gezielte Durchführung im Rahmen eigenständiger Einheiten, in denen die individuell notwendigen Schwerpunkte durch Dehnen, Mobilisieren, Kräftigen und spezifische koordinative Übungsanteile gesetzt werden können. Beweglichkeitsschulung sollte nicht länger als ‚Anhängsel‘ von Auf- oder Abwärmen gelten“ (Bösing et  al. 2014).

6

343 Beweglichkeitstraining

6.6

Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels

nahmen erachten Sie zur Erreichung der spezifischen Anforderungen an die Gelenkreichweiten in ihrem Beispiel für besonders bedeutsam? 4. Absolvieren Sie an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zur jeweils gleichen Tageszeit und nach gleicher Aufwärmroutine jeweils ein passiv-statisches und ein aktiv-dynamisches Dehnprogramm für die unteren Extremitäten und die Hüftregion (z. B. mit Übungen aus . Tab. 6.2). Ermitteln Sie anschließend ihre Beweglichkeitsleistung mit dem Rumpfbeugetest (7 Abschn. 3.4, . Abb. 3.56) und überlegen Sie, welche Bedeutung verschiedene Reflexmechanismen im Dehntraining haben könnten. 5. Erläutern Sie die Ausführungsweisen der unterschiedlichen Dehnmethoden und diskutieren Sie Einsatzmöglichkeiten des statischen Dehnens (Stretching) in der sportlichen Praxis anhand seiner spezifischen Vor- und Nachteile. 6. Wie würden Sie die Beweglichkeitsfähigkeit eines Sportlers beurteilen? Diskutieren Sie Vor- und Nachteile verschiedener Test- und Screening-­Verfahren vor dem Hintergrund der Problematik einer „normalen“ Beweglichkeit.  





1. Ermitteln und dokumentieren Sie (mit einer Excel-Grafik) die Veränderlichkeit Ihrer persönlichen Beweglichkeit im Tagesverlauf mithilfe des Rumpfbeugetests (7 Abschn. 3.4, . Abb. 3.56) durch mindestens sieben über den Tag verteilte Einzelmessungen nach unterschiedlichen Aktivitäten. Welche Rückschlüsse ziehen Sie hinsichtlich möglicher Einflussfaktoren von Beweglichkeitsleistungen daraus? 2. Warum kann ein Dehntraining alleine nicht zur Verlängerung eines Muskels führen, wenn doch die Anpassung der Muskellänge in relativ kurzer Zeit möglich ist und z. B. bei Ruhigstellung von Gelenksystemen (z. B. Eingipsen des Fußgelenkes in Spitzfußstellung) tatsächlich auftritt? 3. Diskutieren Sie am Beispiel einer selbst gewählten Sportdisziplin den Zusammenhang zwischen Mobilität und Stabilität von Gelenksystemen. Welche Trainingsmaß 

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344

6

H. Remmert

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345

Ausdauertraining Florian Hanakam und Alexander Ferrauti 7.1

Bedeutung und Erscheinungsformen der Ausdauer – 346

7.1.1 7.1.2

 rundlagenausdauer versus sportartspezifische Ausdauer – 348 G Kurz, Mittel- und Langzeitausdauer – 350

7.2

Biologische Grundlagen – 351

7.2.1 7.2.2 7.2.3

 rundlagen des Energiestoffwechsels – 351 G Energieumsatz und Substratverwertung im Ausdauersport – 360 Energiestoffwechsel bei Intervallbelastung – 365

7.3

Anpassungseffekte durch Ausdauertraining – 368

7.3.1 7.3.2 7.3.3

I nternistisch-präventivmedizinische Anpassungseffekte – 369 Genetisch bedingte Anpassungseffekte (African Runners) – 371 Trainingsbedingte Anpassungen der maximalen Sauerstoffaufnahme – 372

7.4

Trainingsmethoden und Belastungsdosierung – 376

7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.4.4 7.4.5

 auermethode – 377 D Intervallmethode – 379 Wiederholungsmethode – 382 Kleinfeldspiele – 383 Belastungsdosierung – 384

7.5

Ausgewählte Trainingsprogramme – 392

7.6

Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels – 400 Literatur – 401

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_7

7

346

F. Hanakam und A. Ferrauti

When your legs get tired run with your heart!

Zusammenfassung

7

Die Ausdauer und das Ausdauertraining sind aus Sicht des Energiestoffwechsels und des kardiopulmonalen Systems für den Leistungs- und Gesundheitssport von höchster Bedeutung. Das Kapitel liefert einen Überblick über die Bedeutung und Erscheinungsformen der Ausdauer und über ausgewählte biologische Grundlagen zum Verständnis des Ausdauertrainings. Hierbei wird speziell dem Energiestoffwechsel und der Substratverwertung (Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel) bei verschiedenen Ausdauerbelastungen viel Aufmerksamkeit gewidmet. Ausdauertraining bewirkt auf verschiedenen Funktionsebenen zahlreiche Anpassungsvorgänge. Diese beziehen sich auf das kardiopulmonale System, den Energie- und Fettstoffwechsel sowie auf mitochondriale, zirkulatorische und hämatologische Anpassungen. Auch den genetischen Ursachen unter anderem für die Überlegenheit der afrikanischen Langstreckenläufer wird ein spezielles Teilkapitel gewidmet. Für die Sportpraxis werden die typischen Ausdauertrainingsmethoden und die Möglichkeiten der Belastungsdosierung beschrieben. Dabei wird speziell der Trainingssteuerung mittels Herzfrequenz und den zugrunde liegenden Formeln detaillierte Aufmerksamkeit geschenkt. Konkrete Trainingsbeispiele runden das Kapitel ab.

7.1

Bedeutung und Erscheinungsformen der Ausdauer

Die Ausdauer ist eine der zentralen konditionellen Fähigkeiten. Sie ermöglicht, eine Belastung physisch und psychisch möglichst lange aufrechtzuerhalten (Ermüdungswiderstandsfähigkeit) und sich nach Abbruch der Belastung möglichst rasch zu erholen (Regenerationsfähigkeit). Die Ausdauer basiert im Wesentlichen auf zentralen (Leistungsfähigkeit des kardiopulmonalen Systems) und peripheren metabolischen Voraussetzungen in der Skelettmuskulatur (u.  a. Mitochondrien-

..      Abb. 7.1  Der Hawaii-Triathlon. Ein Höhepunkt im Leben eines Ausdauersportlers

volumen) und ist in mit ihren spezifischen Ausprägungen für zahlreiche Sportarten leistungslimitierend . Abb.  7.1. Dort erfüllt eine gute Ausdauer nach Zintl (1997) verschiedene Funktionen: 55 Aufrechterhalten einer möglichst hohen bzw. optimalen Belastungsintensität über eine vorgegebene Belastungsdauer bei allen zyklischen Ausdauerdisziplinen (z. B. Langstreckenlauf, Radsport, Schwimmen und Triathlon). 55 Erhöhung der Belastungsverträglichkeit gegenüber intensiven teilweise azyklischen Beanspruchungen in Training und Wettkampf unter anderem in den Sportspielen und in den Zweikampfsportarten (z. B. Fußball und Boxen). 55 Stabilisierung koordinativer Elemente sowie der sportlichen Technik trotz hoher Belastungsintensitäten und -umfänge in allen technisch-kompositorischen Sportarten (z. B. Eiskunstlaufen und Turnen), aber auch in technisch anspruchsvollen Sportspielen (z. B. Tischtennis und Tennis).  

Die Ausdauer kann hinsichtlich ihrer Erscheinungsform nach verschiedenen Kriterien unterteilt werden. Hollmann und Hettinger (2000) unterscheiden nach Umfang der beteiligten Muskelmasse zwischen der lokalen und der allgemeinen Ausdauer, nach der dominanten Energiebereitstellung zwischen der aeroben und anaeroben Ausdauer und nach der vorwiegenden

7

347 Ausdauertraining

..      Abb. 7.2  Erscheinungsformen der Ausdauer (dyn = dynamische, stat = statisch; modifiziert nach Zintl 1997; Hollmann und Hettinger 2000)

Ausdauer lokale Ausdauer aerob dyn



zz Umfang der beteiligten Muskelmasse

Die Unterscheidung zwischen der lokalen und allgemeinen Ausdauer ist von Relevanz, da das kardiopulmonale System bei fortwährender dynamischer Arbeit kleiner Muskelgruppen nicht leistungslimitierend wirkt. Andauernde Bizeps-Curls mit geringen Gewichten werden folglich nur mit geringen Anstiegen der Herzfrequenz einhergehen. Demgegenüber treten lokale Faktoren in der Arbeitsmuskulatur (z.  B.  Ausmaß von Kapillarisierung und Myoglobingehalt, der aerobe und anaerobe Enzymbesatz sowie der Glykogen- und Kreatinphosphatgehalt) stärker in den Vordergrund. Auch wenn der Grenzbereich zwischen beiden Varianten kaum punktgenau zu definieren ist, werden Größenordnungen zwischen 1/6 und 1/7 bzw. 50  % der V̇ O2max) bewirkt eine signifikant beschleunigte Laktatelimination (. Abb.  7.10). Im Anschluss an ein intensives Intervalltraining fiel LA innerhalb einer 15 min passiven Erholung von ca. 10 auf ca. 5 mmol/l ab (0,33 mmol/ min). Ein 15-minütiges moderates Auslaufen beschleunigte die Elimination im gleichen Zeitraum auf ca. 3 mmol/l (0,5 mmol/min). Regelmäßige anaerob-laktazide Beanspruchungen verursachen Anpassungsprozesse, die die Toleranz gegenüber hohem LA steigern. Dies ist primär auf eine verbesserte Pufferkapazität zurückzuführen. Puffer bewirken die Neutralisation von Säuren und Basen und dadurch eine verbesserte Stabilisation des pH-Wertes in der Körperflüssigkeit und im Muskelgewebe. Einen wesentlichen Anteil an der Pufferkapazität besitzt das Bikarbonat. Das ins Blut übertretende LA wird überwiegend durch das Plasma-Bikarbonat abgepuffert. Durch Training kann die Pufferkapazität vergrößert werden (McGinley und Bishop 1985). Auch die orale Zufuhr von Natrium-Bikarbonat kann die Leistung bei hochintensiver Intervallarbeit steigern (Krustrup et al. 2015).

5

4,5 mmol/l

4 3 2 1

Ruhe LA 1,0 mmol/l 15:0

30:0

40:0

Seitenwechsel

15:0

30:0

40:0

(t)

356

a

F. Hanakam und A. Ferrauti

Time: p = 0.001; Interaction: p = 0 . 0 2 0 14

b PAS

12

ACT

T ime : p = 0.001; Interaction: p = 0.001 100

PAS ACT

80 60

8

(%)

(mmol·l –1 )

10

6

40

4 20

2 0

0 Pre Training

Post Training

Post Recovery

..      Abb. 7.10  Anstieg und nachfolgende Elimination von Blutlaktat ((A) sowie relative Blutlaktatelimination (B) relativer Verlauf ) während bzw. nach einem hochin-

7

 erober Prozess (aerobe Glykolyse, zz A oxidativer Glykogenabbau)

Der oxidative Abbau von Kohlenhydraten (Glykogen oder Glukose) und Fetten (freie Fettsäuren) zu Kohlendioxid und Wasser liefert bei geringerer energetischer Flussrate (0,4– 1,0  mmol ATP/min) einen vollständigen und ökonomischen Abbau der Nährstoffe zu ATP.  Wenn bei geringerer Beanspruchung weniger Energie pro Zeiteinheit benötigt wird und die zelluläre Verfügbarkeit von Sauerstoff ausreichend hoch ist, greift der Organismus auf diesen Stoffwechselweg zurück. Aus einem Mol Glukose werden bei vollständigem oxidativen Abbau im Rahmen von Zitronensäurezyklus und Atmungskette in den Mitochondrien 38 ATP gewonnen. 1 mol Fettsäuren (z. B. Palmitinsäure mit 16 C-Atomen) liefert 130 ATP (Zintl 1997). Neben Kohlenhydraten und Fetten können auch Aminosäuren als Bausteine der Proteine oxidativ verstoffwechselt werden. Im Vergleich von Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen liegt der physiologische Brennwert (Energiegehalt pro Gramm Nährstoff) bei den Fetten am höchsten (. Tab.  7.2). Da die Oxidation der drei Nährstoffe jedoch unterschiedlich viel Sauerstoff erfordert, unterscheidet sich das kalorische Äquivalent (Energieproduktion pro Liter Sauerstoff) vom physiologischen Brennwert (. Tab. 7.2). Unter körperlicher Belastung entscheidet das kalori 



Post 0'

3'

6'

9'

12'

15'

tensiven Intervalltraining bei passiver (PAS) und aktiver (ACT) Erholung in Form eines moderaten Auslaufens (Wiewelhove et al. 2018)

..      Tab. 7.2  Physiologischer Brennwert und kalorisches Äquivalent der Grundnährstoffe

sche Äquivalent wesentlich darüber, welche Nährstoffe primär verstoffwechselt werden, da die Verfügbarkeit von Sauerstoff einen entscheidenden Engpass darstellt. Aufgrund des hohen kalorischen Äquivalents der Kohlenhydrate werden diese eher bei höherer Intensität und die Fette eher bei geringerer Intensität und ausreichender Sauerstoffverfügbarkeit verstoffwechselt. Dies liegt an der Sauerstoffarmut des Fettsäuremoleküls. Der aerobe Glykogenabbau verläuft bis zum Pyruvat identisch wie bei der anaeroben Glykolyse (Müller et  al. 2015). Anstelle der Reduktion von Pyruvat zu Laktat erfolgt bei geringerer glykolytischer Flussrate jedoch die oxidative Decarboxylierung von Pyruvat (Abspaltung von 2 H-Atomen und von CO2) zu aktivierter Essigsäure (Acetyl-CoA). Auch der Abbau der Fettsäuren im Rahmen der β-Oxidation und der Abbau der Aminosäuren als Bausteine der Proteine führen (teilweise) zur Bildung von Acetyl-CoA. Das C2-Molekül

7

357 Ausdauertraining

..      Abb. 7.11 Energie freisetzende Stoffwechselwege der eukaryotischen Zelle (Müller et al. 2015, S. 28)

Lipide Fette, Öle Phospholipide

Kohlenhydrate Stärke, Glykogen Zucker (Pentosen, Hexosen)

Proteine Peptide

Aminosäuren Glukose

Fettsäuren

u. a.

Glykolyse

ß-Oxidation

Pyruvat Zytosol

CO2

CO2 Acetyl-CoA

Mitochondrium CO2

Zitratzyklus

CO2

Sauerstoff O2

Wasserstoff Atmungskette

ADP

oxidative Phosphorylierung

Elektronen Energie

2H+

H2O

ATP

Acetyl-CoA wird nun in den Zitronensäurezyklus eingeschleust und verbindet sich zusammen mit Oxalsäure (C4-Molekül) zu Zitronensäure (C6-Molekül). Diese wird im Verlauf des Zitronensäurezyklus sukzessive abgebaut (CO2 und H-Abspaltung), und der frei werdende Wasserstoff im Rahmen der Atmungskette in einer „gesteuerten“ Knallgasreaktion auf Sauerstoff unter Bildung von Wasser übertragen. Die maximale Sauerstoffaufnahme ist für die Effizienz dieser biologischen Endoxidation von herausragender Bedeutung. Die dabei frei werdende Energie geht zwar überwiegend als Wärme verloren. Der verbleibende Teil dient jedoch zur oxidativen Phosphorylierung von ATP aus ADP (. Abb. 7.11). Die Komplexität der skizzierten Stoffwechselwege, die Kompartimente, in denen sie stattfinden, und die Reihenfolge von Substrat 

O2–

mobilisation und Substratabbau sollen anhand von . Abb.  7.12 im Folgenden zusammengefasst werden. Hierbei wird der Übergang von Ruhe zu einer intensiven 30-­minütigen Dauerbelastung zugrunde gelegt. Die Beschreibung folgt im Wesentlichen der Arbeit von Brouns (1993). 1. Anaerob-alaktazide Energiebereitstellung im Zytoplasma der Muskelzelle: Durch das Enzym Kreatinkinase erfolgt während der ersten Muskelkontraktionen die Rephosphorylierung von ADP zu ATP durch KP. 2. Anaerob-laktazide Energiebereitstellung im Zytoplasma der Muskelzelle: Im Rahmen der Glykolyse wird das Muskelglykogen in Glukosemoleküle gespalten, die über Pyruvat bis zu Laktat abgebaut werden. 3. Aerobe Glykolyse (oxidativer Glykogenabbau): Bei geringerer glykolytischer Flussrate und zeitlich etwas verzögert  

358

F. Hanakam und A. Ferrauti

Fettgewebe

Leber

5

7

Gefäße

4

Muskel

7

8

3 GL

6 ZZ+AK KP

1

2

ATP

..      Abb. 7.12  Kompartimente und Reihenfolge der Substratverstoffwechselung zur Energiebereitstellung unter körperlicher Belastung (zu Punkt 1–8 s. Text).

erfolgt bei ausreichender Sauerstoffverfügbarkeit die oxidative Decarboxylierung von Pyruvat zu Acetyl-CoA und dessen Einschleusung in die Mitochondrien zur Endoxidation im Zitronensäurezyklus und in der Atmungskette. 4. Glukose-Uptake und Verstoffwechslung aus dem zirkulierenden Blut: Mit geringer zeitlicher Verzögerung steigert sich die Durchblutung der Arbeitsmuskulatur und zirkulierende Plasmaglukose wird vermehrt in die Muskelzelle aufgenommen und als Substrat für die aerobe Energiebereitstellung verwendet. 5. Glykogenolyse und Glukoneogenese in der Leber: Der sich nach wenigen Minuten einstellende Abfall der Blutzuckerkonzentration wird durch Chemorezeptoren registriert und durch die Ausschüttung von Katecholaminen (Stresshormonen) kompensiert. Diese aktivieren die Glykogenolyse in der Leber und die dabei gespaltenen sowie die im Rahmen der Glukoneogenese neugebil-

deten Glukosemoleküle stabilisieren den Blutzuckerspiegel. 6. Intramuskuläre Lipolyse: Triglyzeride (Synonym: Triacylglyzeride oder Neutralfette) sind in geringem Ausmaß auch intramuskulär gespeichert und beteiligen sich leisten einen Anteil an der Energiebereitstellung. Hierzu werden die Triglyzeride in Glyzerin und Fettsäuren gespalten. 7. Periphere Lipolyse: Auch in der Peripherie nimmt die Lipolyse im viszeralen Fett und im Unterhautfettgewebe zu. Die periphere Fettmobilisation wird ebenso wie die Kohlenhydratmobilisation durch die Stresshormone (speziell Adrenalin) aktiviert. 8. Die Spaltprodukte Glyzerin und freie Fettsäuren nehmen im Blutplasma signifikant zu und werden von der Muskelzelle aufgenommen. Im Rahmen der β-Oxidation im Zytoplasma werden die Fettsäuren zu Acetyl-­CoA abgebaut und in den Zitronensäurezyklus der Mitochondrien eingeschleust.

359 Ausdauertraining

Beispiel: Unterzuckerung und Hungerast Viele Athleten in der Sportpraxis klagen über plötzlich eintretende Leistungsverluste in Training und Wettkampf. Die Begleitsymptome sind leichter Schwindel, Koordinationseinbußen, Kaltschweißigkeit und Heißhunger nach Süßigkeiten. Das Phänomen ist auf den Abfall der Blutzuckerkonzentration unter eine individuelle Sensitivitätsschwelle zurückzuführen. Wenn also das Leberglykogen aufgrund von langandauernden Belastungen verbraucht ist und den Blutzuckerspiegel bei fortwährendem Glukose-Uptake der Muskelzelle nicht mehr stabilisieren kann, reagiert der Körper mit den beschriebenen Symptomen. Eigene Messungen haben ergeben, dass diese „Hypoglykämieschwelle“ sich bei einigen Athleten erst bei einem Abfall der Blutzuckerkonzentration vom nüchternen Normalwert um 80–100 mg/dl auf ca. 40 mg/dl einstellt; andere Athleten verspüren bereits Einschränkungen bei ca. 60 mg/dl. Männer sind

Praxistipp: Kohlenhydrate vor, während, zwischen und nach der Belastung

Auch wenn das „Image“ von Kohlenhy­draten und insbesondere Zucker in der aufgeklärten Allgemeinbevölkerung in der jüngeren Vergangenheit erheblich gelitten hat, im Leistungssport und insbesondere bei Ausdauerbelastungen ist eine ausreichende Kohlenhydratzufuhr unverzichtbar (7 Abschn. 9.4.2). Je höher die Muskelund Leberglykogenspeicher vor Beginn von Training- und Wettkampf durch komplexe, langsam verdauliche, faserreiche Kohlenhydrate (z. B. stärkehaltige Lebensmittel mit niedrigem glykämischen Index) gefüllt wurden, umso länger kann eine hohe Leistungsfähigkeit aufrechterhalten und umso später wird sich eine Unterzuckerung einstellen. Nutzen Sie ferner jede Möglichkeit, bereits während der  

häufiger betroffen als Frauen, und nervöse Wettkämpfer klagen häufiger als entspannte und coole Athleten. Der Grund mag an der höheren adrenergen Stimulation nervöser Männer auf die Glykogenolyserate liegen. Auch unter Hitzebedingungen steigt das Risiko, da hier der Kohlenhy­ dratverbrauch höher liegt. Der Moment des Eintretens ist bei Dauerbelastungen erst nach ca. zwei Stunden Belastungsdauer zu befürchten. Entweder er stellt sich schleichend ein (z. B. bei zyklischen Ausdauerbelastungen mit konstantem Energieumsatz), oder er stellt sich urplötzlich und ohne Vorwarnung ein (bei plötzlichem Anstieg des Energieumsatzes beim Anstieg während der Bergetappe, bei einer Tempoverschärfung im Marathon oder zu Beginn einer zweiten Trainingsoder Wettkampfbelastung nach kurzer Pause). Tennisspieler klagen häufig zu Beginn des Doppels (zweites Match eines Mannschaftswettkampfes) über den plötzlichen Hungerast.

Belastung Kohlenhydrate in schmackhafter Form zuzuführen (als Gel, reife Banane, gelöst im Sportgetränk, in der Halbzeitpause oder beim Seitenwechsel im Tennis). Nutzen Sie die Pause zwischen zwei Belastungen zur Aufnahme von kurz- und mittelkettigen Kohlenhydraten (Oligosaccharide mit hohem glykämischen Index) mittels Trockenkuchen, Milchreis mit Früchten oder kohlenhydratreichen Getränken. Hypoglykämisch sensible Athleten oder ihre Betreuer sollten Kohlenhydrate in der notwendigen Darreichungsform stets vorhalten. Stellt sich trotzdem ein akuter Hungerast ein, so hilft der Konsum zuckerhaltiger Nahrungsmittel (z. B. zwei bis drei Schokoriegel mit Coca-Cola) und beseitigt die Symptome nach ca. 5–10 min. Koffein in Coca-Cola oder im Espresso vermag die Mobilisationsgeschwindigkeit zusätzlich zu steigern.

7

360

7

F. Hanakam und A. Ferrauti

Nach Beendigung der Belastung sind die genannten Prozesse teilweise rückläufig. Die intramuskulären Triglyzeridspeicher werden durch die aus der Peripherie aufgenommenen Fettsäuren neu aufgebaut. Überschüssig in der Peripherie mobilisierte Substrate werden erneut in den Leber- und Fettzellen abgespeichert. Das Muskelglykogen kann durch oral zugeführte Kohlenhydrate über den peripheren Zulieferweg schon während der Belastung geschont und je nach Belastungsintensität sogar neu gebildet werden. Problematisch wird die Situation, wenn die Belastung bei unverminderter Intensität länger andauert. Es droht eine Hypoglykämie, die landläufig auch als „Hungerast“ bzw. „Unterzuckerung“ bezeichnet wird. Während die Fettreserven des Organismus weitgehend unerschöpflich sind, besteht aufgrund der begrenzten Kohlenhydratspeicher (ca. 300–500  g Muskelglykogen, ca. 100 g Leberglykogen, der Trainierte besitzt größere Glykogenspeicher) die Gefahr, dass bei fortwährendem Glukose-Uptake aus dem Blut in die Muskelzelle der Blutzuckerspiegel durch das Leberglykogen nicht mehr stabilisiert werden kann. 7.2.2

Energieumsatz und Substratverwertung im Ausdauersport

Die quantitative Verwertung von Muskelund Leberglykogen sowie von Blutglukose und Fetten als Energiequelle für langandauernde zyklische Ausdauerbeanspruchungen ist vom Trainingszustand sowie von der Dauer und Intensität der Belastung abhängig (Brouns 1993). Bei Ausdauerbelastungen üblicher Dauer wird die benötigte Energie – abgesehen von geringfügigen Anteilen des Proteinstoffwechsels – hauptsächlich aus den beiden wichtigsten Energiequellen, den Kohlenhydraten und Fetten, freigesetzt. Diese beiden Energiequellen werden immer in einem belastungsabhängigen Mischungsverhältnis genutzt (Brouns 1993).

Der gesamtkalorische Umsatz wird primär durch Belastungsintensität, Belastungsdauer und durch das Körpergewicht bestimmt. Auch der Umfang der beteiligten Arbeitsmuskulatur (allgemeine Ganzkörper-Ausdauerbelastungen steigern den Energiebedarf) und das Geschlecht (Männer haben aufgrund der gewöhnlich höheren Muskelmasse einen höheren Energieumsatz) beeinflussen den gesamtkalorischen Umsatz. Intervallbelastungen weisen im Vergleich zu Dauerbelastungen spezifische Auswirkungen auf Kalorienumsatz und Substratverwertung auf, und auch der psychische Stress unter Wettkampfbelastung besitzt einen nicht zu unterschätzenden Einfluss (Ferrauti 1999). Der Ruheumsatz beträgt ungefähr 1 kcal/h/ kg Körpergewicht (7 Abschn.  11). Dabei wer 

Metabolisches Äquivalent (MET) Ein MET ist definiert als die Sauerstoffaufnahme im Sitzen unter Ruhebedingungen, entsprechend 3,5 ml O2/kg Körpergewicht/min. Dies entspricht in etwa 1,0 kcal/kg Körpergewicht/h. Ein normaltrainierter Mann mit einem Körpergewicht von 80 kg wird folglich ca. 80 kcal während einer Stunde in sitzender Tätigkeit verbrauchen (Jetté et al. 1990; McArdle et al. 1991). Ausgehend von diesem Basiswert kann nun jede körperliche Aktivität in der hierfür benötigten Anzahl an METs beschrieben werden, indem die Sauerstoffaufnahme bei dieser Aktivität durch den oben genannten Ruheumsatz dividiert wird. Das Metabolische Äquivalent einer Belastung ist folglich der Multiplikationsfaktor des Ruheumsatzes. Hierzu findet man in der Literatur zahlreiche Angaben für vielfältige Tätigkeiten, die jedoch nicht immer auf experimentellen Untersuchungen basieren, sondern

361 Ausdauertraining

oftmals auch auf Schätzungen. Leichter Hausarbeit werden beispielsweise 2 MET, Gartenarbeit 4 MET, Schneeschaufeln 5 MET und Holzhacken 6 MET zugeordnet. Gemäß der Höhe des MET werden verschiedene Klassifikationen für leichte (10 MET) Aktivitäten unterschieden (Jetté et al. 1990; McArdle et al. 1991). Das metabolische Äquivalent kann in gleicher Weise zur Beschreibung der körperlichen Leistungsfähigkeit und zur Charakterisierung der Trainingsintensität (z. B. % von METmax) benutzt werden. Individuelle Limitationen dieser Messgröße ergeben sich beispielsweise bei Personen mit einem hohen Anteil an Körpermuskulatur (höherer kalorischer Ruheumsatz) und natürlich durch die Ausführungsqualität sportlicher Aktivitäten. Exemplarisch sind einige grobe Orientierungswerte aus der Literatur bzw. aus eigenen Untersuchungen mittels portabler Spirometrie und indirekter Kalorimetrie speziell zum Tennis, Fußball und Golf in alphabetischer Reihenfolge benannt (Jetté et al. 1990, Ferrauti et al. 1997, Ferrauti 1999; Ferrauti et al. 2006). Metabolische Äquivalente ausgewählter Sportarten Alpiner Skilauf: 5–9 Badminton Einzel: 4–5 Basketball: 11,1 Boxen: 13 Fußball: 10–12 Golf: 2–4 Jogging (9 km/h): 8–10 Krafttraining: 3–6 Tennis Einzel: 6–10 Walking (5 km/h): 3–4

7

den nach unseren Messungen ca. zwei Drittel der Energie durch Fette und ca. ein Drittel durch Kohlenhydrate bereitgestellt (Ferrauti 1999). Unter körperlicher Belastung steigt der Energieumsatz je nach Art und Intensität der Belastung an. Die einfachste Form zur Beschreibung des gesamtkalorischen Umsatzes verschiedener Aktivitäten ist die Angabe des Metabolischen Äquivalents (engl. metabolic equivalent, abgekürzt als MET). Aus diesen Basisgrößen können nun für verschiedene Aktivitäten die gesamtkalorischen Brutto- und Nettoangaben für eine realistische Belastungsdauer berechnet werden. So werden beispielsweise in einem 90-minütigen Fußballspiel (Trainingsspiel mit gut trainierten Sportstudenten und einem mittleren Körpergewicht von 80  kg) brutto, also einschließlich des Ruheumsatzes, ca. 5630  kJ (Minimum 4430, Maximum 7290) bzw. 1340  kcal (Minimum 1050, Maximum 1750) verbraucht (Ferrauti et al. 2006). Der Bruttoumsatz eines zweistündigen Trainingseinzels über drei Sätze mit männlichen Turniertennisspielern (Körpergewicht ca. 80 kg, regionale Klasse) entspricht in etwa dem eines vierstündigen Golfspiels über 18 Loch im Dreier-Flight (ca. 4200  kJ bzw. 1000  kcal). Unter realen Turnierbedingungen ist jedoch in allen Fällen von deutlich höheren Werten auszugehen (Ferrauti 1999; Ferrauti et al. 1997, 2001b). Die Angaben für die klassischen zyklischen Ausdauersportarten werden selbstverständlich neben der sehr unterschiedlichen Belastungsdauer im Wesentlichen von der Belastungsintensität bestimmt. Ein gemütlicher Jogginglauf eines 80 kg schweren Läufers über 60 min wird in etwa mit einem Energieumsatz von ca. 3000 kJ bzw. 700 kcal einhergehen. In der gleichen Zeit verbraucht eine 60 kg schwere Läuferin 2250  kJ bzw. 540  kcal. Ein zügiger Marathonlauf eines 80  kg schweren Läufers (Endzeit 3:15  h) wird hingegen bereits mit einem Energieumsatz in Höhe von ca. 13.000 kJ bzw. über 3000  kcal einhergehen. Während einer langen und schweren Tour-de-France-­

7

F. Hanakam und A. Ferrauti

glykogenreich

100

2000

glykogenarm 75

Serum FFS (µmol/l)

..      Abb. 7.13 Arbeitsvermogen (links) und Serumkonzentration an freien Fettsäuren (FFS, rechts) in Abhangigkeit vom Fullungsgrad der Glykogenspeicher. Im Hintergrund ein Querschnitt durch die glykogenreiche Skelettmuskulatur. Muskelglykogen wird in Form von Starkekornern (C) zwischen den Mitochondrien (B) innerhalb der Muskelfasern (A) gespeichert (modifiziert nach Brouns, 1993 und Wagenmakers et al. 1991)

Arbeitsvermögen (% max)

362

B 50

0

30

60

90

120 [min] C

Etappe mit bis zu sechs Stunden Dauer ist mit einem Umsatz von bis zu 30.000 kJ bzw. über 7000 kcal zu rechnen (Müller et al. 2015). Der Füllungsgrad von Leber- und insbesondere Muskelglykogen beeinflusst in hohem Masse den Energieumsatz, die Substratverwertung und hierdurch das Leistungsvermögen des Athleten. Vergleichende Untersuchungen von Wagenmakers et al. (1991) in Glykogenverarmten und -angereichertem Zustand belegen, dass bei selbstgewählter Belastungsintensität die Ausschöpfung der Maximalleistung während einer zweistündigen Dauerbelastung mit entleerten Glykogenspeichern (z. B. durch eine intensive Dauerbelastung am Vortrag mit anschließender kohlenhydratfreier Diät) kontinuierlich von 70 auf 40 % gesenkt werden muss, während im Glykogen angereicherten Zustand die Leistung bei 80 % der Maximalleistung bis zum Belastungsende stabilisiert werden kann (. Abb.  7.13). Interessanterweise hat diese Glykogen-Mangelsituation Konsequenzen auf alle übrigen Mechanismen der Substratmobilisation und Substratverwertung (. Abb. 7.12). So sinkt die Blutglukosekonzentration aufgrund des Glykogenmangels in der Leber (reduzierte Glykogenolyse), und auch die Blutlaktatkonzentration ist als Folge der eingeschränkten muskulären Glykolyse signifikant verringert. Zur Kompensation der Energiedefizite wird der Fettstoff 

A

0

0



1000

500

25

a

1500

0

b

30

60

90

120 [min]

wechsel angekurbelt. Durch vermehrte Lipolyse im Körperfett steigt die Serumkonzentration von freien Fettsäuren (FFS) und freiem Glyzerin deutlich stärker an (. Abb.  7.13). Folglich ist auch von einer vermehrten Aufnahme und Oxidation von FFS in der Muskelzelle auszugehen, was aufgrund der oben beschriebenen Zusammenhänge mit einer Reduktion des Leistungsvermögens einhergeht (. Abb. 7.12 und 7.13).  



!! Achtung: Hohe Laktatwerte sind (auch) ein Indikator für Leistungsfähigkeit

Die Beteiligung der energiereichen Substrate am gesamtkalorischen Umsatz hängt aufgrund der oben beschriebenen Zusammenhänge sehr stark von der Belastungsintensität ab (Romijn et  al. 1993). Bei geringer Belastung überwiegt der Fettstoffwechsel absolut und prozentual an der Energiebereitstellung. Dabei werden vorrangig die über das Blut zugeführten Plasmafettsäuren aus den peripheren Fettspeichern oxidiert (. Abb.  7.14). Erst bei mittlerer Belastungsintensität deckt der Kohlenhydratstoffwechsel aus Muskelglykogen und Plasmaglukose (aus der hepatischen Glykogenolyse) in etwa die Hälfte des Energieumsatzes. Der absolute Fettumsatz erreicht bei 65  % der V̇ O2max sein Maximum, wobei gleichermaßen die intramuskulären und die peripheren Fette eingesetzt werden. Bei hoher Intensität sinkt  

7

363 Ausdauertraining

350 300 250 (cal/kg/min)

..      Abb. 7.14 Beteiligung verschiedener Substrate des Kohlenhydrat- (blaue Farbtöne) und Fettstoffwechsels (gelb Farbtöne) an der Energiebereitstellung in Abhängigkeit von der Belastungsintensität (modifiziert nach Romijn et al. 1993). Der absolute kalorische Fettumsatz unterliegt einer negativen U-Funktion im Verhältnis zur Intensität (gestrichelte Linie). Der gesamtkalorische Umsatz nimmt linear zu

Muskelglykogen Plasmaglukose Plasmafettsäuren intramuskuläre Triglyzeride

Kohlenhydrate Fette

200 150 100 50 0

25 %

der absolute Fettumsatz erneut ab, und das Muskelglykogen deckt den Großteil des Energiebedarfs (Romijn et  al. 1993; . Abb.  7.14). Mit zunehmender Belastungsdauer steigt bei mittlerer Intensität der Beitrag der Plasmafettsäuren sowie der Plasmaglukose, und jener des Muskelglykogens fällt ab (van Loon et al. 2003).

65 % . VO2max



55

Praxistipp: Regeln und Empfehlungen zum „Fettburning“ im Ausdauersport

Der Büchermark mit naiv-populär ausgerichteten Buchtiteln wie „Fettburning – so einfach schmilzt das Fett weg“ sowie zahlreiche Hochglanz-Journale widmen sich seit Jahren dem hohen öffentlichen Interesse, die eigene Körperkomposition durch Reduktion des Körperfettanteils zu optimieren. Dabei werden mitunter auch falsche Empfehlungen bzw. Fehlinterpretationen physiologischer Zusammenhänge propagiert. Im Folgenden sollen daher einige gesicherte Fakten zu dieser spannenden Thematik zusammengefasst werden: 55 Die absolute Fettverbrennung folgt einer negativen U-Funktion zur Reizhöhe mit einem Maximum, dass in Abhängigkeit von Reizdauer, Trainingszustand und Geschlecht zwischen 45 und 70 % der V̇ O2max differiert. 55 Geringe Belastungsintensitäten weisen prozentual den höchsten

55

55

55

85 %

Fettstoffwechsel auf. Von höherer Relevanz für die Praxis ist jedoch der absolute Fettumsatz, der sich bei mittleren Intensitäten einstellt. Submaximale Intensitäten senken den absoluten Anteil der Fettverbrennung. Allerdings kann diese Reduktion teilweise durch den verstärkten Nachbrenneffekt (Excess Postexercise Oxygen Consumption bzw. EPOC) kompensiert werden. Die Fettverbrennung setzt bereits nach wenigen Minuten körperlicher Belastung ein. Das Ausmaß der Fettverbrennung steigt allerdings mit zunehmender Belastungsdauer bis auf ein Plateau an. Beanspruchungen großer Muskelgruppen (z. B. Rudern, Cross-Trainer) sind gegenüber dem Fahrradfahren bei gleicher relativer Belastung zur Steigerung der Fettverbrennung überlegen. Durch Auslassen einer Nahrungs-/ KH-Zufuhr vor einer körperlichen Belastung bzw. bei Glykogenverarmung sowie unter Koffeinzufuhr kann der Fettumsatz bei submaximaler Belastung gesteigert werden. Dies begründet langsame morgentliche Nüchternläufe von Ausdauerathleten zum Fettstoffwechseltraining. Allerdings

364

F. Hanakam und A. Ferrauti

zz Der Nachbrenneffekt

55

55

7 55

55

55

55

geht dies zulasten der Leistung und damit des gesamtkalorischen Umsatzes. Krafttraining ist aufgrund des geringen gesamt- und fettkalorischen Umsatzes für eine direkte Gewichtsregulation weniger gut geeignet. Krafttraining kann jedoch langfristig einen positiven Effekt durch eine Erhöhung der aktiven Körpermasse mit konsekutiver Steigerung des Ruheumsatzes erzielen. Frauen besitzen spezifische Nachteile hinsichtlich der Lipolyse im Gesäß- und Oberschenkelbereich, jedoch einen höheren Fettumsatz unter Belastung. Ursachen hierfür sind beispielsweise die geringere Katecholaminsekretion und der höhere Anteil an Typ-I-Muskelfasern. Lokale Hitze, Kompression, Kontraktion oder elektrische Muskelstimulation besitzen keinen lokalen Einfluss auf die Lipolyse. Deren Aktivierung erfolgt stets systemisch über zirkulierendes Adrenalin im Körperkreislauf. Freizeitrelevante Sportspiele wie Tennis und Fußball besitzen aufgrund ihres Intervallcharakters und der hohen Stressstimulation Nachteile für den Fettstoffwechsel. Sie können diesen Nachteil durch ihre strukturgegebene bzw. motivationsbedingte lange Belastungsdauer kompensieren. Weniger eine Maximierung des Fettumsatzes, sondern eine Maximierung des gesamtkalorischen Umsatzes sollte im Freizeitsport angestrebt werden, wenn dieser mit dem Ziel der Gewichtsreduktion betrieben wird. Es ist eine möglichst lange Reizdauer (1. Priorität) mit möglichst hoher Reizhöhe (2. Priorität) anzustreben. Bei limitiertem Zeitbudget (30 min) darf die Trainingseinheit auch intensiver sein (s. EPOC).

Für die Sportpraxis ist die Erkenntnis interessant, dass auch kürzere und intensivere Belastungen einen nennenswerten Beitrag zur Fettverbrennung leisten können. Vielfach ist das unzureichende Zeitbudget von Trainierenden im Freizeitsport handlungsleitend. Muss die Ausdauereinheit daher aus Zeitgründen auf 30–45  min gekürzt werden, kann die Belastungsintensität aus verschiedenen Gründen hoch gehalten werden, sofern dies der Trainingsplan und die Belastungsverträglichkeit zulassen. Einerseits ist hierdurch von einer stärkeren Reizsetzung für Anpassungsprozesse des Herz-Kreislauf-Systems und einem höheren gesamtkalorischen Umsatz auszugehen; andererseits werden nach intensiveren Trainingseinheiten auch nach Belastungsende noch nennenswert höhere Energie- und Fettumsätze erzielt. Verständlicherweise sind viele Stoffwechselmechanismen aufgrund der nachhaltigen Enzymaktivierung und der erforderlichen Regulationsprozesse bei der Umstellung auf Ruhebedingung noch bis zu zwei Stunden aktiv und sind energetisch relevant (. Abb.  7.15). Dieses Phänomen wird umgangssprachlich auch als „Nachbrenneffekt“ bezeichnet. Er basiert auf der überschießenden Nachatmung von Sauerstoff, sodass in Fachkreisen von der „Excess Post Exercise Oxygen Consumption“ bzw. kurz EPOC gesprochen wird. In eigenen Untersuchungen mittels indirekter Kalorimetrie (eine der Messmethoden zum Energie- und Substratstoffwechsel) ergaben sich höhere EPOC- und speziell höhere Fettoxidationsraten im Anschluss an intensive Trainingseinheiten nach der Dauermethode oder nach der Intervallmethode (z.  B.  Fahrradergometrie bei 70  % im Vergleich zu 40  % der V̇ O2max) sowie bei Aktivitäten mit großen Muskelgruppen (Ruderergometrie; . Abb. 7.15).  



7

365 Ausdauertraining

Exkurs: von der indirekten Kalorimetrie zur „Metabolic Power“ Zur Messung von Energieumsatz und Substratoxidation existieren verschiedene indirekte und direkte Verfahren. Die einfachste Methode ist die auf Atemgasanalysen basierende „indirekte Kalorimetrie“. Bei der indirekten Kalorimetrie wird von einer stöchiometrischen Beziehung zwischen der Aufnahme von O2, dem Abatmen von CO2 und dem kalorischen Ausmaß der dabei freiwerdenden Energie ausgegangen. Der Quotient aus Sauerstoffaufnahme und Kohlendioxidabgabe wird auch als respiratorischer Quotient (RQ) bezeichnet. Dieser beläuft sich bei reiner Kohlenhydratverbrennung auf 1,0, bei reiner Fettverbrennung auf 0,7 und bei gleichmäßiger Verteilung beider Substrate zu je 50 % auf 0,85. Die Ursache für diese Unterschiede liegt im geringen Sauerstoffgehalt der Fettsäuremoleküle begründet und kann aus den Reaktionsformeln bei der Substratoxidation abgeleitet werden (vgl. de Marées 2002): Glucose: C6H12O6 + 6 O2 → 6 CO2 + 6 H2O Fettsäure (Beispiel): C55H102O6 + 77,5 O2 → 55 CO2 + 51 H2O Die spirometrisch gemessene Sauerstoffaufnahme kann nun entsprechend des RQ auf Kohlenhydrat- und Fettoxidation aufgeteilt und mit dem jeweiligen kalorischen Äquivalent verrechnet werden. Methodenkritisch ist hierbei zu berücksichtigen, dass neben metabolischen Gründen auch andere Ursachen einen Einfluss auf den RQ besitzen. Intervallbelastungen erschweren die Interpretation des RQ. Dieser ist in solchen Fällen nämlich nicht nur Ausdruck der aktuellen Verbrennungsvorgänge („Metabolischer RQ“) sondern spiegelt in erster Linie die momentanen Ventilationsverhältnisse wider („Ventilations-RQ“). Nur bei Ruheatmung und bei Arbeiten im Steady State entspricht der ventilatorische RQ dem metabolischen RQ und beschreibt das momentane Verhältnis zwischen CO2-Produktion und O2-Verbrauch. Nach Belastungsende dauert die Abatmung von CO2 länger an, während die O2-Aufnahme rasch abfällt. CO2-Abgabe und RQ werden in dieser Phase zusätzlich durch die

7.2.3

Energiestoffwechsel bei Intervallbelastung

Hyperventilation des Sportlers erhöht. Insgesamt übertrifft die gemessene CO2-Menge in den Belastungspausen somit die Menge des aktuell durch die Oxidationsprozesse entstandenen CO2 erheblich. Zu Beginn der Belastungspausen steigt der RQ folglich zunächst für kurze Zeit erheblich an (Mellerowicz 1979; Chamari et al. 1995). Die als direkte Kalorimetrie bezeichnete „Tracer“-Technologie ist deutlich aufwendiger und basiert auf der Infusion isotopenmarkierter Substrate (sog. direkte Kalorimetrie). Um beispielsweise quantitative Aussagen zur Fettsäureoxidation treffen zu können, wird 13C-markierte PalmitinsÄure als Tracer verabreicht, die in Form von 13CO2 nach Belastung ausgeatmet und quantifiziert werden kann. Aktuell entwickelt sich diese methodisch aufwendige und zum Teil laborabhängige Messmethodik in eine Richtung mit einer höheren praktischen Anwendbarkeit. Grundlage hierfür ist die frühe Erkenntnis, dass der energetische Bedarf einer Laufbewegung und auch der Einfluss von positiven und negativen Beschleunigungen weitgehend genau rechnerisch abgebildet werden können (Di Prampero et al. 2005). Unter „Metabolic Power“ wird in jüngerer Zeit der aus Laufstrecke und Laufgeschwindigkeit sowie Geschwindigkeitsänderungen resultierende Energiebedarf in einer Sportart verstanden, wobei inzwischen versucht wird, dies auch auf die Mannschafts- und Rückschlagspiele zu übertragen (Di Prampero und Osgnach 2018a, b). Basierend auf den Weg-/Zeitbezogenen Daten aus modernen Tracking Verfahren soll der Energiebedarf eines jeden Spielers online und ohne zusätzlich störende Messinstrumente während Wettspiel und Training erfasst werden können. Ungeklärt ist jedoch bislang, wie der erhebliche energetische Bedarf in Zweikämpfen, Sprüngen, Schüssen, Schlägen und Würfen miteinbezogen werden kann, da diese aufwendigen Aktivitäten kaum automatisiert erfasst werden können und deren Energiebedarf allenfalls als konstanter Korrekturfaktor miteinbezogen werden kann.

beschreiben und zu erklären sind (überwiegend basierend auf dem aeroben Energiestoffwechsel der Prozesse 3 und 4  in . Abb.  7.5), stellt eine Intervallbelastung mit wechselnden Intensitäten deutlich komplexere Anforderungen an die Energiebereitstellung. Je nach den  

Während die Abläufe im Energiestoffwechsel bei zyklischen Ausdauerbelastungen nach der Dauermethode vergleichsweise einfach zu

F. Hanakam und A. Ferrauti

.Abb. .       7.15  Verlauf der Fettoxidation nach Belastungsende in Abhängigkeit vom Trainingsinhalt. Bei intensiver Fahrradergometrie nach der Dauermethode (rote Linie) sowie nach Ruderergometrie (schwarze Linie) waren EPOC und Fettoxidation gegenüber moderater Fahrradergometrie (blaue Linie) noch lange nach Belastungsende erhöht (Schnittka et al. 2006)

7

FE = Fahrradergometrie R = Ruderergometrie D = Dauermethode lnt = lntervallmethode • Zahlenwerte = % VO2max

6 Fettoxidation (kJ/min)

366

4

FED70 RD55 FEInt30/80 FED55 FED40

2

0

0

20

Anforderungen an die energetische Flussrate während der Belastungsphasen (vom maximalen „All-out“-Kurzsprint über 20 m bis hin zu einem 1000-m-Lauf nach der extensiven Intervallmethode) und je nach Art und Länge der Belastungspausen (aktiv bei moderater Intensität oder vollkommen passiv) und der Länge der Serienpausen greifen alle Stoffwechselprozesse in einem unterschiedlichen Mischungsund Wechselverhältnis ineinander (. Abb. 7.5). Setzt man das Beanspruchungsprofil der Sportspiele ebenfalls mit einer ausdauerrelevanten Intervallbelastung gleich, dann werden die energetischen Abläufe noch diffuser, da sich kurze Sprintbelastungen mit längeren submaximalen Phasen und zwischengeschalteten passiven und aktiven Erholungsphasen in einem unvorhersehbaren Muster abwechseln. Die daraus resultierenden mittleren und maximalen Stoffwechselgrößen sowie deren individuelle Variationen unter Trainings- und simulierten bzw. realen Turnierwettspielbedingungen wurden verschiedentlich bereits für Fußball und Tennis publiziert (Ferrauti et al. 2001a, b, c, 2006). Das Grundprinzip des Energiestoffwechsels bei Intervallbelastungen besteht in der Nutzung der energiereichen Phosphate zu Beginn der Belastungsphasen (anaerob-alaktazider Stoffwechsel) sowie einem fließenden Übergang zur anaerob-laktaziden Glykolyse (bei längeren intensiven Belastungsphasen) bei gleichzeitig zugeschalteter aeroben Ver 

40

60

80

100

120 (min)

stoffwechslung von Glukose (bei längeren extensiven Intervallphasen). In den dazwischengeschalteten aktiven oder passiven Pausen kommt es zur Oxidation von Laktat-, Glukose- und Fettsäuremolekülen bei gleichzeitiger Rephosphorylierung von Kreatinphosphat und Adenosinphosphat (. Abb. 7.16). Bei kurzen intensiven Intervallen übernimmt der anaerob-alaktazide Stoffwechsel den größten Anteil am Energiefluss. In den Pausen obliegt vorrangig dem aeroben Glykogenabbau die Aufgabe der oxidativen Phoshorylierung im Kreatin/Kreatinphosphat-­Shuttle (. Abb.  7.6). Solange die Belastungsintervalle ausreichend kurz und die Pausenintervalle ausreichend lang sind, kann dieser wechselseitige Ablauf den Energiebedarf decken. Bei intensiven submaximalen Intervallen längerer Dauer wird die anaerobe Glykolyse während der Belastung einen zusätzlichen nennenswerten Beitrag leisten. In der darauffolgenden Pause werden die gebildeten Laktatmoleküle ebenfalls in den oxidativen Stoffwechsel eingeschleust. Bei stetiger Wiederholung entsprechender Intervalle mit hoher glykolytischer Flussrate verringert die in der Muskelzelle angereicherte Milchsäure den intrazellulären pH-Wert. Hierdurch wird die anaerobe Glykolyse gehemmt und stattdessen der aerobe Glykogenabbau unter Einbußen der Leistungsfähigkeit forciert. In der darauffolgenden Pause bleiben der aerobe Glykogen- und Laktatabbau aktiviert.  



367 Ausdauertraining

7

Pause

Belastung anaerob-alaktazid

?



aerober Fettabbau

aerober Glykogenabbau

anaerobe Glykolyse + aerober Glykogenabbau

aerober Laktatabbau

..      Abb. 7.16  Typische Stoffwechselwege und Kombinationsmöglichkeiten bei unterschiedlich gestalteten Intervallbelastungen. Blaue Pfeile = kurze

maximale Intervallsprints; rote Pfeile = intensive submaximale Intervalle mittlerer Länge; grüne Pfeile = lange extensive Intervalle

Bei langen extensiven Intervallen dominiert der aerobe Glykogenabbau sowohl während der Belastung als auch in den Pausen. Gleichzeitig ist in den Pausen auch von einer Beteiligung des aeroben Fettabbaus

auszugehen. Spannend und kontrovers diskutiert ist die Frage, ob sich der Fettstoffwechsel auch bei intensiver Intervallarbeit während der Pausen an der Energiebereitstellung beteiligt.

Exkurs: Fette verbrennen im Feuer der Kohlenhydrate Schon früh widmeten sich verschiedene skandinavische Forscher dem Vergleich des Energiestoffwechsels zwischen intensiver Intervallarbeit und kontinuierlicher Dauerbelastung. Diese Studien wurden größtenteils auf dem Fahrradergometer durchgeführt (Åstrand et al. 1960; Essén 1978). Hierbei ergaben sich keine großen Unterschiede hinsichtlich der Substratverwertung (der RQ lag jeweils zwischen 0,87 und 0,90). Essén (1978) folgerte hieraus, dass der Energiestoffwechsel bei intensiver Intervallarbeit weitgehend jenem bei moderater kontinuierlicher Beanspruchung entspricht und begründet die hohe Beteiligung des Fettstoffwechsels bei Intervallarbeit durch folgenden Mechanismus: Während der Belastungsphasen erfolgt die Energiebereitstellung zunächst durch die energiereichen Phosphate Adenosintriphosphat (ATP) und

Im Rahmen eigener Untersuchungen (Ferrauti et  al. 2001a) erreichte der RQ bei einer intervallförmigen Belastung in einem Tenniswettkampf deutlich höhere Werte (0,94) als bei einer kontinuierlichen Laufbelastung mit identischer Sauerstoffaufnahme auf dem Laufband (0,88). Gemäß der indirekten Kalorimetrie ergibt sich nach 120  min Belastungsdauer da­ raus ein relativer Anteil der Fettoxidation an der Energiebereitstellung von ca. 50 % beim Laufen und ca. 30 % beim Tennis und eine höhere absolute Umsatzrate (. Abb. 7.17).  

Kreatinphosphat (KP) und anschließend durch die anaerobe Glykolyse. In den Pausen wiederum steigt die Acetyl-CoA-­Produktion aus der ß-Oxidation von FFS an. Gleichzeitig wird der Umbau von Pyruvat aus der Glykolyse zu Oxalacetat gefördert. Aus dem Acetyl-CoA der ß-Oxidation und dem Oxalacetat der Glykolyse entsteht Zitronensäure in den Mitochondrien gegen Ende der Pause. Diese passiert die Mitochondrienmembran und hemmt im Zytoplasma die Glykolyse zu Beginn der erneuten Belastungsphase. Dieser von Randle et al. (1963) erstmals beschriebene Fettsäure-­Glukose-­ Zyklus beschreibt die Schnittstelle zwischen Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel und wird populär durch die Grundregel beschrieben, dass Fette nur im Feuer der Kohlenhydrate verbrennen.

Eine Übertragung der im Exkurs beschriebenen Mechanismen auf die realen Bedingungen der Sportart Tennis ist folglich nur bedingt möglich. Die vermehrte Kontraktion der schnelleren und glykolytisch aktiveren Muskelfasern vom Typ II  b beim Tennis und in anderen Sportspielen sowie die erhöhte Adrenalinausschüttung intensivieren möglicherweise die aerobe und anaerobe Glykolyse unter Verstoffwechselung von Kohlenhydraten (Weicker und Strobel 1994). Auch die höhere Laktatkonzentration erschwert in den Sportspielen

368

F. Hanakam und A. Ferrauti

25

20 Fettoxidation (kcal/min)

b

Laufen Tennis

** **

15 **

**

10

7

** ** **

**

40

20

5

0

80

60 Fettoxidation (%)

a

0

30

60

90

120

..      Abb. 7.17  Verlauf der absoluten a und prozentualen b Fettoxidation während eines zweistündigen Tenniseinzels und einer Laufbandbelastung mit

die Einschleusung des aus der ß-Oxidation von FFS entstammenden Acetyl-CoA in den Zitratzyklus und erfordert primär die oxidative Laktatelimination während der Pausen (Ferrauti et al. 2001a). Ein objektiver Vergleich des Substratstoffwechsels zwischen kontinuierlicher und intervallförmiger Belastung ist folglich nur unter Betrachtung der gesamten sportartspezifischen Beanspruchungen möglich. Einschränkend ist jedoch zu berücksichtigen, dass neben metabolischen Gründen auch untersuchungsmethodische Ursachen für die vergleichsweise hohen respiratorischen Quotienten im Tenniswettkampf verantwortlich sein können. Aktuell widmet sich eine Gruppe junger Nachwuchsforscher mit neuartigen Zugängen der Aufklärung des Energiestoffwechsels auch in den Rückschlagspielen, auch unter Anwendung des „Metabolic Power“ Prinzips (Hoppe et al. 2018a; Edel et al. 2019). (s. 7 Exkurs zu den Messmethoden zum Energie- und Substratstoffwechsel).  

Praxistipp: Energiestoffwechsel und was bringt’s für die Sportpraxis?

Aus leistungssportlicher Sicht kommt einer ausreichenden Kohlenhydratzufuhr vor, während und nach der Belastung in den Sportspielen und bei Intervallarbeit im

0

(min)

0

30

60

90

120

(min)

identischer durchschnittlicher Sauerstoffaufnahme (Ferrauti 1999; Ferrauti et al. 2001a)

Ausdauersport speziell unter Stressbedingungen (Turnierwettspiel, nervöse Spieler) eine leistungslimitierende Bedeutung zu. Aus gesundheitssportlicher Sicht kann es von Interesse sein, dass sich die Fettoxidation bei Intervallarbeit weniger an der Energiebereitstellung beteiligt als bei kontinuierlicher moderater Dauerbelastung. Dieser eventuelle Nachteil kann jedoch durch eine ausreichend lange Spiel- bzw. Belastungsdauer problemlos kompensiert werden. Bereits nach zweistündiger Spielzeit übersteigt der Kalorienumsatz aus Fetten beim Tennis (202 kcal) jenen während einer einstündigen Laufbeanspruchung (152 kcal).

7.3

Anpassungseffekte durch Ausdauertraining

Ein einmaliges Ausdauertraining bewirkt akute, unmittelbare Effekte (Reaktionen), die bei regelmäßiger Durchführung zu chronischen Effekten (Adaptationen) führen. Reaktionen und Adaptationen sind sowohl lokal in der Arbeitsmuskulatur als auch übergreifend und systemisch durch allgemeine Veränderungen im Organismus nachweisbar (. Tab. 7.3). Ursächlich für die  

7

369 Ausdauertraining

..      Tab. 7.3  Effekte von aerober körperlicher Aktivität und Ausdauertraining (aus Thiel et al. 2017, S. 25, nach ACSM et al. 2010 und Mujika 2012)

spezifische Wirkung des aeroben Ausdauertrainings, beispielsweise in Abgrenzung zum Krafttraining, ist primär der dauerhaft erhöhte Sauerstoffbedarf und der hohe gesamtkalorische Umsatz bei der Oxidation der Nährstoffe. Das vorliegende Kapitel befasst sich mit den chronischen Anpassungseffekten durch regelmäßiges Ausdauertraining (. Tab. 7.3). In der Arbeitsmuskulatur stehen Kapillarisierung, Erhöhung von Mitochondrienvolumen und Myoglobingehalt, aerobe und anaerobe Enzymaktivierung sowie die Zunahme von energiereichen Phosphaten und Muskelglykogengehalt im Vordergrund. Allgemein-systemische Anpassungseffekte sind auf morphologischer (z.  B.  Herzvolumen und Knochendichte), kardiozirkulatorischer (z. B. Ökonomie und Variabilität der Herztätigkeit, Senkung von peripherem Gefäßwiderstand und systolischem Blutdruck), metabolischer (z.  B.  Optimierung des Lipoproteinprofils und der Insulinsensitivität), hämatologischer (z.  B. verminderte Adhäsivität und Aggregabilität der Thrombozyten und verbesserte Fließeigenschaften des Blutes), endokrinologischer (z. B. Verringerung des Katecholaminspiegels), vegetativer  

(z. B. bessere sympathovagale Balance im autonomen Nervensystem) und immunologischer Ebene nachweisbar (z. B. Senkung der Infektanfälligkeit). In der Summe sind diese Anpassungseffekte sowohl für den Leistungssport (Erhöhung der maximalen Sauerstoffaufnahme und dadurch der Ausdauerleistungsfähigkeit) als auch aus internistisch-präventivmedizinischer Sicht von herausragender Bedeutung. Neben der Vorbeugung von Zivilisationserkrankungen wie der koronaren Herzkrankheit, dem metabolischen Syndrom und dem Altersdiabetes ist auch eine Senkung der Inzidenz vereinzelter Krebserkrankungen nachweisbar (Thiel et al. 2017; . Tab. 7.3).  

7.3.1

Internistischpräventivmedizinische Anpassungseffekte

„Ausdauersport ist das bessere Medikament!“ Zahlreiche prospektive epidemiologische Untersuchungen belegen eine Senkung des relativen Risikos für das Auftreten von Zivilisationserkrankungen bei Personen mit hoher Ausdauer-

370

F. Hanakam und A. Ferrauti

leistungsfähigkeit und/oder einem hohen freizeitkalorischen Umsatz (s. auch 7 Kap.  11). Stellvertretend für die Vielzahl an entsprechenden Untersuchungen der vergangenen Dekaden (u. a. Morris et al. 1973; Paffenbarger et al.  

1986; Sandvic et al. 1993; Blair et al. 1996; Leon et  al. 1997) soll im Folgenden eine für diesen Untersuchungsansatz repräsentative Kohortenstudie aufgrund ihrer extrem langen Laufzeit von 16 Jahren etwas genauer vorgestellt werden.

Exkurs: Prospektive epidemiologische Untersuchungen

Sandvik und Mitarbeiter untersuchten zu Beginn der 1970er-Jahre über 2000 männliche norwegische Firmenmitarbeiter im Alter von 40–60 Jahren und registrierten deren Ausdauerleistungsfähigkeit mittels aufsteigender Fahrradergometrie. Gemäß der maximal erreichten Leistung wurde die Gesamtpopulation in vier gleich große Kohorten aufgeteilt (Fitnessquartile). Die Fitnessquartile (1  =  höchste und 4 = geringste Fitness) unterschieden sich in zahlreichen weiteren Charakteristika. Im Quartil mit der höchsten Fitness fanden sich unter anderen geringere Werte für Body-­Mass-­Index, Ruhepuls, systolischen Blutdruck und Lipoproteine. Dort waren auch die wenigsten Raucher und die sportlich aktivsten Probanden zu finden. In den darauffolgenden 16 Jahren starben 271 der knapp 2000  in die Studie aufgenommenen Personen, darunter die Hälfte an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Die Aufteilung dieser Verstorbenen nach der Zugehörigkeit zu den Fitnessquartilen war sowohl hinsichtlich der Gesamtmortalität als auch hinsichtlich der HerzKreislauf-­Erkrankungen (in Klammern) eindeutig: 61 (45) in Quartil 4, 45 (32) in Quartil 3, 26 (38) in Quartil 2 und lediglich 13 (11) in Quartil 1. Das relative Risiko, an einer Herz-­Kreislauf-­

von Risikofaktoren über eine längere Zeit beobachtet. Aus der Anzahl der in diesem Zeitraum Erkrankten kann das Risiko einer bestimmten Gruppe von Exponierten (z. B. Raucher) gemessen und als relatives Risiko im Verhältnis zu einer Vergleichsgruppe (z. B. Nichtraucher) ausgedrückt werden. Bei prospektiven Kohortenstudien liegt das Studienende weit in der Zukunft und zwischen Beginn und Ende der Studie werden die in diesem Zeitraum liegenden Ereignisse registriert und auf die Ergebnisse einer Eingangsuntersuchung bezogen

Erkrankung zu versterben, war folglich in den ausdauerleistungsstärkeren Quartilen (nach Adjustierung nach anderen Risikofaktoren) um die Hälfte geringer als im ausdauerschwächsten Quartil 4. Die Schutzwirkung bestand in etwas abgeschwächter Form für das leistungsstärkste Quartil auch gegenüber anderen Erkrankungen und Sterbeursachen („All cause mortality“; . Abb.  7.18). Es gilt somit zusammenfassend: „Ausdauersport ist das bessere Medikament!“  

kumulative Mortalität (%)

7

Die Epidemiologie widmet sich den grundsätzlichen Gesetzmäßigkeiten über gesundheitsbezogene Zustände und Abhängigkeiten in großen Populationen. Dabei wird unter anderem die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten bestimmter Erkrankungen (Inzidenzrisiko) auch im Zusammenhang mit soziologischen Attributen (z. B. gesunde oder aktive Lebensweise bzw. Risikofaktoren) quantifiziert. Meistens liegen Beobachtungsstudien mit prospektiver Ausrichtung zugrunde. Bei prospektiven Kohortenstudien werden definierte Gruppen von Menschen mit und ohne Exposition

10

4 = Quartil mit der geringsten Leistung 1 = Quartil mit der höchsten Leistung

8

4 3

6 2 4 1 2 0

0

2

4

6

8 10 Follow-up (Jahre)

12

14

16

..      Abb. 7.18  Kumulative, kardiovaskulär bedingte Mortalitätsrate in Abhängigkeit von der Ausdauerleistungsfähigkeit bei 1960 norwegischen Männern zwischen 40 und 60 Jahren. Dargestellt sind die kumulativen Todesfälle in vier Fitnessquartilen während einer 16-jährigen Follow-up-phase (modifiziert nach Sandvik et al. 1993)

371 Ausdauertraining

7.3.2

Genetisch bedingte Anpassungseffekte (African Runners)

Die Ausdauerleistungsfähigkeit wird durch zahlreiche Faktoren bestimmt. Dabei spielen anthropometrische, biomechanische, physiologische und psychologische Voraussetzungen eine Rolle. Darüber hinaus sind auch genetische Einflüsse unbestritten (Blume et al. 2018). Andererseits unterscheiden sich die Ausdauersportler in den verschiedenen Disziplinen in ihrem Phänotypus erheblich. Radsportler, Schwimmer, Ruderer und Läufer besitzen vollkommen verschiedene Körperbaumerkmale, sodass ein grundsätzliches „Ausdauergen“ vermutlich nicht existieren kann. Trotzdem wird seit Langem der genetisch bedingte Anteil von Ausdauerleistungsfähigkeit und deren Trainierbarkeit diskutiert und erforscht. Dies erfolgt unter anderem durch Familienstudien (z. B. Zwillingsstudien). In Familienstudien wird das Auftreten bestimmter Merkmale (Ausdauerphänotypen wie beispielsweise eine hohe maximale Sauerstoffaufnahme) innerhalb einer Population mit ähnlichen (Familie) oder identischen Erbanlagen (eineiige Zwillinge) untersucht. Als berühmteste und aussagekräftigste Familienstudie gilt die HERITAGE-Studie (HEalth, RIsk factors, exercise Training And GEnetics) nach Bouchard et al. (1995). Ein wichtiges Ergebnis dieser Studie bestand in dem Nachweis, dass sowohl die maximale Sauerstoffaufnahme (V̇ O2max) als auch die Trainierbarkeit der V̇ O2max in weiten Teilen genetisch determiniert sind. In anderen Studien wurde der Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Genen oder Genpolymorphismen und der Ausprägung ausdauerrelevanter physiologischer Phänotypen untersucht. Sogenannte Kandidatengene sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Genprodukte einen engen Zusammenhang zur Ausdauerleistung bzw. der V̇ O2max aufweisen (Blume et al. 2018). Inzwischen sind mehr als 250 Gene mit sportbezogener Relevanz im Rahmen der „Human Gene Map“ bekannt, bei denen davon ausgegangen wird, dass einige

7

signifikant mit der Ausdauerleistungsfähigkeit assoziiert sind. Der Genetik kommt nach Schätzungen ein Anteil von ca. 40–50 % an der Höhe der V̇ O2max zu (Blume et al. 2018). Die Diskussion über den genetischen Anteil für die Entwicklung herausragender Ausdauerleistungen führt unweigerlich zur Frage nach der Überlegenheit der afrikanischen Langstreckenläufer. Der überragende Erfolg von Mittel- und Langstreckenläufern aus dem ostafrikanischen Hochland ist bekannt und wird durch unzählige Athleten insbesondere aus Äthiopien und Kenia in den Besten- und Medaillenlisten der vergangenen Dekaden dokumentiert. Offenbar besitzen Ostafrikaner daher die „richtigen“ Gene für den Ausdauersport (Blume et  al. 2018). Interessanterweise besitzen jedoch auch Ostafrikaner eine erhebliche genetische Variation, sodass mit Ausnahme der Hautfarbe kaum von einem übergreifenden genetischen Fingerabdruck gesprochen werden kann. Genauere Analysen bestätigen allerdings, dass die meisten Topläufer aus sehr eng begrenzten geografischen Regionen in Äthiopien und Kenia entstammen, in denen die Ausprägung eines bestimmten Genoms möglicherweise in der Stammesgeschichte einen Selektionsvorteil ergab. Der genetische Vorteil dieser Läufer wirkt sich weniger metabolisch sondern eher anthropometrisch aus. Der hohe Körperschwerpunkt in Verbund mit einem vergleichsweise geringen Gewicht der unteren Extremitäten wird als Ursache für die nachweislich bessere Laufökonomie im Vergleich zu weißhäutigen Spitzenläufern diskutiert (. Abb. 7.19). Pacing-Analysen sprechen jedoch dagegen, dass der genetische Einfluss auf den Körperbau als alleinige Ursache für die Überlegenheit afrikanischer Läufer angesehen werden darf. Zwar zeigten sich keine nennenswerten Unterschiede zwischen der V̇ O2max europäischer und afrikanischer Spitzenläufer; afrikanische Läufer sind jedoch in der Lage, einen prozentual höheren Anteil der V̇ O2max im Rennverlauf dauerhaft einzusetzen (Pitsiladis et al. 2007; . Abb.  7.20). Dies mag  



372

F. Hanakam und A. Ferrauti

..      Abb. 7.19  Sauerstoffbedarf bzw. Laufökonomie bei unterschiedlichen Laufgeschwindigkeiten von weiß- und schwarzhäutigen Spitzenläufern (mod. nach Harley und Noakes 2007, S. 170)

**

Afrikaner Europäer

*

200

100



V O2 (ml/kg0,66/min)

300

0

10

12

14

16

.

Laufgeschwindigkeit (m/min)

7

..      Abb. 7.20 Laufgeschwindigkeit und prozentuale Ausschöpfung der V˙ O2max im Rennverlauf von weiß- und schwarzhäutigen Spitzenläufern (mod. nach Coetzer et al. 1993)

Laufintensität (% VO2max)

Laufgeschwindigkeit (km/h)

100

*

*

90 Afrikaner Europäer

80

400 **

**

350

300 0

5

10

15

20

25

Distanz (km)

auch an den nachweislich hohen Trainingsumfängen und -intensitäten liegen. Zusammenfassend ist der genetische Einfluss auf die Ausdauerleistungsfähigkeit und die Trainierbarkeit unbestritten. Dies kann zum Teil die Überlegenheit von Läufern aus dem ostafrikanischen Hochland erklären, wobei vor allem günstige Körperbaumerkmale die Laufökonomie verbessern. Darüber hinaus sind jedoch auch trainingsbezogene und soziologische Aspekte (Tradition, soziale Anerkennung und der resultierende riesige Talentpool) zu berücksichtigen (Pitsiladis et al. 2007).

7.3.3

 rainingsbedingte T Anpassungen der maximalen Sauerstoffaufnahme

Für das Erbringen von langwährenden Ausdauerleistungen müssen große Mengen an Sauerstoff von der Umgebungsluft in die arbeitende Skelettmuskelzelle transportiert werden. Die hierfür verantwortliche Sauerstofftransportkaskade beginnt durch die Arbeit der Atemmuskulatur, wodurch die atmosphärische Luft in die Lungenalveolen strömt (Konvektion). In den Alveolen findet per Diffusion ein Gasaustausch statt,

373 Ausdauertraining

sodass Kohlendioxid abgeatmet und Sauerstoff vom Blut aufgenommen werden kann. Das hierdurch arterialisierte Blut gelangt über die Lungenvene in das linke Herz und von dort über die Aorta in den Körperkreislauf. Die dabei transportierte Sauerstoffmenge ist abhängig vom Herzminutenvolumen (Herzfrequenz  ×  Schlagvolumen) und vom Erythrozytengehalt (Hämoglobingehalt) des Blutes (Hoppeler 2018). Bei maximaler aerober Auslastung werden 95  % des aufgenommenen Sauerstoffs von der Arbeitsmuskulatur für energieliefernde Prozesse verbraucht. Hierzu wird der Sauerstoff in einem dichten Kapillarnetz vom arteriellen Zufluss bis zum venösen Abfluss parallel zu den Muskelfasern transportiert. Die Aufenthaltsdauer der Erythrozyten im Kapillarbett beträgt beim Menschen unter Belastung nur ca. 0,5 s, sodass in dieser Zeit die Diffusion von Sauerstoff in die Muskelzelle bzw. in die Mitochondrien erfolgen muss. Besonders günstig ist dabei der Umstand, dass der Sauerstoffpartialdruck in den Mitochondrien sehr gering ist, da Sauerstoff dort schnell verbraucht wird. Der Sauerstoff folgt somit einer Partialdruckkaskade bis zu den Mitochondrien (Hoppeler 2018). Die maximale Sauerstoffaufnahme eines Athleten wird durch alle Elemente der Sauerstofftransportkaskade bestimmt. Sie kann durch Training, unabhängig von den bereits beschriebenen genetisch bedingten Einflussgrößen, um ca. 30–40 % zunehmen. Dies entspricht in etwa der Entwicklung vom Untrainierten zum durch-

schnittlich Trainierten (z.  B. von 35 auf 55  ml/ min/kg) oder vom durchschnittlich Trainierten zum Hochausdauertrainierten (z.  B. von 55 auf 75 ml/min/kg). Es stellt sich dabei die Frage nach der Bedeutung jedes einzelnen Elements der Sauerstofftransportkaskade für diese Anpassung und nach den zugrunde liegenden Mechanismen. Dies wird im Folgenden ausgehend von den Mitochondrien in der Peripherie bis zur Anpassung von Funktion und Kapazität der Lunge besprochen. Hierbei wird im Wesentlichen auf den Beitrag von Hoppeler (2018) Bezug genommen. zz Mitochondriale Anpassungseffekte

Die Biogenese zusätzlicher Mitochondrien ist die zentrale Anpassung des Athleten auf regelmäßiges Ausdauertraining. Das Mitochondrienvolumen der Skelettmuskulatur weist eine enge Übereistimmung mit der V̇ O2max und der mechanischen Leistung im Dauerleistungsbereich auf (Hoppeler 2018). Primärreiz für die hierfür erforderliche Proteinbiosynthese ist bei Ausdauerbelastungen eine langandauernde metabolische Störung. Diese bewirkt eine Steigerung der Transkriptionsrate der relevanten Gene mit nachfolgend erhöhtem mRNA-Gehalt in den Muskelzellen. Zur Steigerung der Gentranskription bis zur Neubildung von Mitochondrien werden durch Ausdauertraining mehrere Signale ausgelöst und über eine komplexe Informationskette (Signalkaskade) weitergeleitet, in der das Regulatorprotein PGC-1α eine bedeutsame Schnittstelle einnimmt.

Exkurs: PGC-1α, Schnittstelle für die mitochondriale Biogenese Ein wichtiger Koordinator und Aktivator der mitochondrialen Biogenese ist das Regulatorprotein PGC-1α. Dieses reagiert auf verschiedene Primärsignale, die im Rahmen eines komplexen regulatorischen Geschehens zusammenwirken und nach Hoppeler (2018) im Folgenden aufgelistet werden: 55 Veränderungen im ATP-Energiestatus und Aktivierung der Adenosinmonophosphat-Kinase (AMPK): Die dauerhafte Abnahme von ATP bei gleichzeitiger Zunahme von ADP und AMP und die dadurch bedingte Abnahme des ATP/AMP-Quotienten führen zur Aktivierung der AMPK.

7

55 Kalziumabhängige Veränderungen: Die Kontraktion der Muskelzelle verlangt eine Kalziumfreisetzung aus dem sarkoplasmatischen Retikulum, sodass bei Ausdauerbelastungen ein dauerhafter Kalziumanstieg in der Muskelzelle vorliegt. 55 Freisetzung von Sauerstoffradikalen: Bei dauerhaft hohem Energieumsatz werden vermehrt reaktive Sauerstoffderivate gebildet (z. B. Wasserstoffperoxid, H2O2), welche neben zellschädigenden Effekten auch wichtige genregulative Funktionen besitzen. 55 Senkung des Sauerstoffpartialdrucks in der Muskelzelle: Hypoxie beeinflusst die PGC-1α Aktivität.

374

F. Hanakam und A. Ferrauti

zz Mikro- und Makrozirkulation

7

Größere Mengen an Mitochondrien können einen größeren Anteil an ATP durch die Oxidation der Nährstoffe regenerieren. Hierzu ist eine stöchiometrisch festgelegte Menge an Sauerstoff erforderlich, die mittels Mikro- und Makrozirkulation in erhöhtem Umfang der Skelettmuskelzelle zugeführt werden muss. Eine Grundvoraussetzung hierfür ist die Erweiterung des Kapillarbetts, die der Vergrößerung des Mitochondrienvolumens zeitlich vorausgeht, im Umfang der Anpassung jedoch geringer ist (Hoppeler 2018). Die Erweiterung des Kapillarbetts kann durch zwei Mechanismen erfolgen: die Neusprossung von Kapillaren (. Abb.  7.21) und die Intussuszeption (Einwachsen periendothelialer Zellen in vorhandene Kapillaren). Für diese sogenannte Angiogenese (Umstrukturierung oder Neubildung des Gefäßnetzwerkes) sind wie bei der mitochondrialen Biogenese komplexe physiologische Voraussetzungen erforderlich. Im Zentrum steht die Erhöhung des endothelialen Wachstumsfaktors VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor), beispielsweise bedingt durch lokale Hypoxie. VEGF spielt bei der Angiogenese eine Schlüsselrolle. Er wird in der Skelettmuskelzelle produziert und vermehrt die Proliferation und Migration von Endothelzellen, eine  

..      Abb. 7.21 Schematische Darstellung der Teilschritte bei der Angiogenese (NO = Stickstoffmonooxid; VEGF = Vascular Endothelial Growth Factor; MMP = Matrix-Metalloproteinase; PDGF = Platelet Derived Growth Factor) (nach Schmidt et al. 2010, S. 605)

Grundvoraussetzung für die Kapillarsprossung (Hoppeler 2018). Die VEGF Wirkung wird im weiteren Verlauf durch die Freisetzung von PDGF (Platelet Derived Growth Factor) unterstützt (. Abb. 7.21). Durch regelmäßiges Ausdauertraining an der Dauerleistungsgrenze nimmt die Größe des Kapillarbetts im Verlauf von zwei Monaten um bis zu 30  % zu. Derzeit spricht einiges dafür, dass die beschriebenen Effekte durch Steigerung der Trainingsintensität in den partiell anaeroben Bereich (s. High-Intensity-Intervall-Training) sowie durch Verschärfung der Umgebungsbedingungen (z.  B.  Hypoxie) gesteigert werden können. Entsprechende Veränderungen der Mikrozirkulation beeinträchtigen auch die Makrozirkulation. So muss das Gefäßbett der zuführenden arteriellen Gefäße (Arterien, kleine Arterien und Arteriolen, . Abb.  7.22) den gewachsenen Bedürfnissen in der Peripherie angepasst werden. Es kann als gesichert angenommen werden, dass Ausdauertraining den Durchmesser der Arterien vergrößert und deren Wandstärke verringert. Periphere Arterien sprechen auf Training besser an als herznahe (z.  B. die Karotiden). Diese peripheren Anpassungen sind sicher auch ein wesentlicher Teil des antiatherogenen Effektes von Ausdauertraining (Hoppeler 2018).  



Hypoxie Schubspannung Produktion angiogener Faktoren

vaskuläre Stabilisierung durch Rekrutierung von Perizyten und glatten Muskelzellen MMP-Aktivierung und Abbau extrazellulär Meratrix

NO-, VEGF-vermittelte Vasodilatation/ Permeabilität 

Endothelzellmigration

Endothelzellproliferation und Ausbildung eines Kapillarlumens

PDGF

375 Ausdauertraining

kleine Arterien

Arteriolen

terminale Kapillaren Arteriolen

..      Abb. 7.22  Hierarchische Struktur des arteriellen Netzwerkes (nach Schmidt et al. 2010, S. 607)

zz Hämoglobingehalt

Der Hämoglobingehalt des Blutes beeinflusst wesentlich die Sauerstofftransportkapazität zur Arbeitsmuskulatur und ist demnach ebenfalls eine limitierende Größe der Sauerstoffaufnahme. Genau genommen ist der totale Hämoglobingehalt (tHb-mass) von Bedeutung. Dieser wird durch die Hämoglobinkonzentration und das Blutvolumen bestimmt (tHb-mass = Hämoglobinkonzentration × Blutvolumen). Regelmäßiges Ausdauertraining vergrößert in erster Linie das Blutvolumen. Hochausdauertrainierte erreichen im Vergleich zu Untrainierten ein um ca. 40–50  % höheres Blutvolumen, während die Hämoglobinkonzentration durch Training unter normalen Umgebungsbedingungen (Normoxie) und ohne unerlaubte Hilfsmittel kaum beeinflusst werden kann (Schmidt und Prommer 2010; Hoppeler 2018). Durch Höhenexposition kann zusätzlich auch die Hämoglobinkonzentration gesteigert werden (Hoppeler 2018). In der Praxis wird jedoch zumeist nicht in der Höhe trainiert, um die Trainingsintensität ausreichend hoch zu erhalten. Durch das Prinzip „Live high  – train low“ werden die Anpassungseffekte der dauerhaften Höhenexposition auf die Hämoglobinkonzentration und die Trainingseffekte unter Normoxie auf das Blutvolumen kombiniert. Hierdurch kann die tHB-mass besonders effektiv gesteigert werden.

7

Exkurs: Leistungssteigerung durch Doping Die Einnahme des Hormons Erythropoietin (kurz: Epo) und/oder die Transfusion von Eigenblut erhöhen Hämoglobinkonzentration und Hämoglobingehalt und wirken bei Ausdauerbeanspruchungen leistungssteigernd. Epo wirkt als Wachstumsfaktor für die Bildung roter Blutkörperchen (Erythrozyten) während der Blutbildung. Hierdurch steigt auch der Hämatokrit (prozentualer Anteil zellulärer Bestandteile des Blutes). Durch zahlreiche Dopingfälle im Profisport erlangte Erythropoietin eine negative Bekanntheit, obwohl es auch bei der Therapie von Erkrankungen eingesetzt wird. Die Ausdauerleistung steigt durch entsprechende Dopingpraktiken um bis zu 30 % an. Entsprechend der Zunahme der totalen Hämoglobinmasse steigt auch die V̇ O2max (Hoppeler 2018).

zz Herz

Das Herzminutenvolumen (Schlagvolumen × Herzfrequenz) ist die wichtigste Determinante für die V̇ O2max. Es wird beim Ausdauertrainierten primär durch eine Vergrößerung des Schlagvolumens erhöht, da die maximale Herzfrequenz durch Training unverändert bleibt. Die Vergrößerung des Schlagvolumens durch Training basiert hauptsächlich auf den zwei folgenden Mechanismen: 55 ein größeres enddiastolisches Volumen (Füllung des linken Ventrikels) als Folge einer verbesserten Dehnbarkeit des linken Ventrikels und einer rascheren Relaxation während der Diastole und dadurch einer günstigeren Saugwirkung 55 die Entwicklung einer Herzhypertrophie im Sinne einer Größenzunahme von Herzvolumen und Wandstärke; hierfür ist die Ausschüttung spezifischer Myokine (Muskelhormone) verantwortlich Der altersbedingte Abfall der V̇ O2max ist hingegen weniger durch einen Abfall des Schlagvolumens, sondern primär durch die erhebliche Reduktion der maximalen Herzfrequenz bedingt (Hoppeler 2018).

376

F. Hanakam und A. Ferrauti

zz Lunge und Atmung

7

In den Lungenalveolen erfolgt der Gasaustausch zwischen der atmosphärischen Luft und dem Organismus entsprechend eines Druckgradienten. Sauerstoff wird dabei an die Erythrozyten in den Lungenkapillaren gebunden. Die Lungendiffusionskapazität ist beim Menschen ausreichend hoch, sodass diese auch bei maximaler Auslastung keine limitierende Größe für die Ausdauerleistung darstellt. Dies kann dadurch belegt werden, dass der Sauerstoffpartialdruck im Blut auch beim Erreichen der V̇ O2max nur bei wenigen Hochausdauertrainierten abfällt. Allerdings gibt es derzeit keine gesicherten Hinweise dafür, dass die Diffusionskapazität der Lunge trainierbar ist (Hoppeler 2018) Andererseits zeigen praktische Erfahrungen, dass Qualität und Quantität der Atmung (u. a. Atemtiefe, Atemfrequenz und Atemrhythmus) sehr wohl durch koordinative Gewöhnung und durch Anpassungseffekte der Atemhilfsmuskulatur durch Training verbessert werden können. 7.4

Trainingsmethoden und Belastungsdosierung

Ausdauertrainingsbereiche ermöglichen eine Charakterisierung des Trainings und werden häufig in vier Belastungsbereiche unterteilt: 55 Regeneration/Kompensation (ReKom) 55 Grundlagenausdauer 1 (GA 1) 55 Grundlagenausdauer 2 (GA 2) und 55 wettkampfspezifisches Ausdauertraining (WSA). Synonym zum Begriff Trainingsbereich wird auch von Zonen oder Trainingszonen gesprochen. Die einzelnen Trainingsbereiche können in einer einzelnen Trainingseinheit isoliert absolviert werden (z. B. ein zehn Kilometer langer Dauerlauf im GA-1-­Bereich). Üblich ist im Trainingsalltag jedoch die Kombination von zwei oder mehr Trainingsbereichen innerhalb

einer einzelnen Einheit. Das ergibt sich bereits aus der Notwendigkeit, intensive Belastungen vor- und nachzubereiten. Erwärmungsphase und Cool-down finden meist im GA-1-Bereich statt. Dazwischen werden häufig weitere Trainingsbereiche kombiniert. Ferner gehört auch ein begleitendes Krafttraining (z. B. plyometrisches Training und Rumpfstabilisationstraining) zum festen Trainingsprogramm eines leistungsorientierten Läufers (Ferrauti et  al. 2010). Nachfolgend werden die vier wichtigsten Trainingsbereiche kompakt beschrieben: zz Regeneration/Kompensation (ReKom)

Synonym: Kompensation (Ko) 55 Reizintensität: niedrig 55 Reizdauer: gering 55 Trainingsziel: Regeneration nach intensiven Ausdauertrainingseinheiten, Wettkämpfen oder zur aktiven Erholung innerhalb einer Trainingseinheit zwischen zwei Intervallen. Praxistipp: ReKom

Wird eine ReKom-Einheit an den Folgetagen nach einem intensiven Wettkampf (z. B. nach einer High-Impact-Sportart wie Fußball oder Langstreckanlauf) durchgeführt, so bietet sich ein Training in einer alternativen, weniger reaktiven Sportart wie Schwimmen oder Radfahren an. Würde in der ReKom-Einheit erneut viel gelaufen, könnte eine weitere Muskeldestruktion den Regenerationsprozess verlängern. Im Langstreckenlauf wird in diesem Zusammenhang von Junk-Miles gesprochen, wenn Trainingskilometer gesammelt werden, die hinsichtlich des Trainingsziels keinen Nutzen bringen. In allen weniger reaktiven Low-ImpactSportarten, wie Schwimmen, Skilanglauf, Inlineskaten und Radfahren, kann die ReKom-Einheit problemlos auch in der eigentlichen Sportart durchgeführt werden.

7

377 Ausdauertraining

zz Grundlagenausdauertraining 1 (GA 1)

Synonym: GLA 1 55 Reizintensität: niedrig bis mittel 55 Reizdauer: mittel bis hoch 55 Trainingsziel: Verbesserung des aeroben Ausdauerleistungsfähigkeit Der Grundlagenausdauerbereich 1 ist in der Regel der Trainingsbereich, in dem die höchsten Gesamt-Trainingsumfänge im Ausdauersport absolviert werden. In einigen Ausdauersportarten wird in diesem Trainingsbereich bis zu 90 % der gesamten Trainingszeit verbracht.

zz Grundlagenausdauertraining 2 (GA 2)

Synonyme: Entwicklungsbereich (EB); GLA 2 55 Reizintensität: mittel bis hoch 55 Reizdauer: mittel 55 Trainingsziel: Verbesserung des aerob-anaeroben Mischstoffwechsels

zz Wettkampfspezifisches Ausdauertraining (WSA)

Synonym: Wettkampfausdauer (WA) 55 Reizintensität: hoch 55 Reizdauer: gering bis mittel 55 Trainingsziel: Verbesserung der anaeroben Ausdauerleistungsfähigkeit Exkurs: Sweet Spot schlechter als Polarized Ein weiterer Trainingsbereich, der im Trainingsalltag Anwendung und in der Literatur Erwähnung findet, ist der Bereich zwischen GA 1 und GA 2. Dieser wird häufig als GA 1/2 bezeichnet. Im englischsprachigen Bereich wird vom sog. Sweet Spot gesprochen. Ein Training in diesem Intensitätsbereich soll besonders wirksam sein, was aus unserer Sicht kritisch zu sehen ist. Fälschlicherweise trainieren besonders Freizeitsportler anteilig zu viel in diesem Trainingsbereich und optimieren dadurch weder die Grundlagenausdauer 1 noch die Grundlagenausdauer 2. Dieser häufig begangene Trainingsfehler wird durch den Satz: „Das Schnelle zu langsam und das Langsame zu schnell“ gut beschrieben. Anstelle dessen fokussiert der von Seiler und Kjerland (2006) favorisierte „Polarized Training“ Ansatz auf eine stärkere Kontrastierung der Trainingsintensitäten mit einem hohen Anteil an GA1.

Neben den vier vorgestellten Belastungszonen (ReKom, GA 1, GA 2, WSA sowie GA1/2) existieren eine Vielzahl weiterer Belastungszonen und Subkategorien, welche sportartspezifisch divergieren. Beispiele hierfür sind GA 1 extensiv und GA 1 intensiv (z.  B. im Schwimmsport) sowie GA 1 kurz, mittel und lang (z.  B. in der Leichtathletik). Auch international besteht keine Einigung bezüglich einer einheitlichen Taxonomie. Das sogenannte Norwegische Modell, bestehend aus fünf Trainingszonen (Seiler und Tönnessen 2009), wird häufig verwendet und deshalb an dieser Stelle vorgestellt (. Tab. 7.4). Die einzelnen Trainingsbereiche bieten eine Orientierung, charakterisieren das eigentliche Training aber noch nicht in ausreichendem Maße. Dafür eignen sich besser die Trainingsmethoden. Als klassische Trainingsmethoden werden die Dauermethode (DM) und die Intervallmethode (IM) unterschieden, der auch die Wiederholungsmethode im erweiterten Sinne zugeordnet werden kann (. Abb. 2.3). . Tab. 7.5 bietet eine Übersicht über alle gebräuchlichen Trainingsmethoden und deren Unterkategorien. Diese werden nachfolgend detailliert vorgestellt:  



7.4.1



Dauermethode

Wie der Name schon treffend beschreibt, ist das Kennzeichen der Dauermethode eine Belastung ohne Pause bei weitestgehend aerober Energiebereitstellung. Als Dauermethode werden Trainingseinheiten auch dann noch bezeichnet, wenn sich kurze Pausen beispielsweise beim Radfahren an einer Ampel oder bei der Wende im Rudern ergeben. Es wird die kontinuierliche Dauermethode (extensive und intensive DM) von der variablen Dauermethode (Fahrtspiel, Tempowechselmethode) unterschieden (. Abb. 7.23, 7.24 und  7.25).  

zz Extensive Dauermethode

Charakteristika: 55 Mindestintensität 50 % der maximalen Herzfrequenz (HFmax) 55 Höchstintensität 70 % (80 % bei Hochleistungssportlern) der HFmax

378

F. Hanakam und A. Ferrauti

..      Tab. 7.4  Fünfstufiges Modell zur Festlegung von Trainingszonen mit den im deutschsprachigen Raum gebräuchlichen Trainingsbereichen (mod. nach Seiler und Tönnessen 2009)

7

Zone

. VO2 [ % max]

Laktat [mmol/l]

% der Hfmax

1

45 – 65

0,8 – 1,5

55 – 75

Rekom & GA 1

2

66 – 80

1,5 – 2,5

75 – 85

GA 1 & GA 1/2

3

81 – 87

2,5 – 4,0

85 – 90

GA 1/2 & GA2

4

88 – 93

4,0 – 6,0

90 – 95

WSA

5

94 – 100

6,0 – 10,0

95 – 100

WSA

..      Tab. 7.5  Ausdauertrainingsmethoden und deren Varianten in der Übersicht Methoden

Varianten

Dauermethoden

extensive Dauermethode intensive Dauermethode Fahrtspiel Tempowechselmethode

Intervallmethoden

extensive Intervallmethode intensive Intervallmethode hochintensives Intervalltraining (HIIT) Wiederholungsmethode Kleinfeldspiele (Small Sided Games)

55 Belastungsdauer: kurz (ReKom) bis mehrstündig (Fettstoffwechseltraining) 55 Blutlaktatkonzentration < 2 mmol/l Trainingswirkung: 55 Kapillarisierung 55 Vergrößerung des Mitochondrienvolumens 55 Verbesserung der Fettstoffwechselaktivität 55 Entwicklung und Erhalt der Grundlagenausdauer (GA 1)

Trainingsbereiche

zz Intensive Dauermethode

Charakteristika: 55 Die intensive Dauermethode ähnelt der extensiven Dauermethode sehr. Der Unterschied besteht in einer höheren Belastungsintensität bei zumeist geringerem Trainingsumfang (. Abb. 7.24). 55 Mindestintensität ca. 70 % der HFmax 55 Höchstintensität 85 % (90 % bei Hochleistungssportlern) der HFmax 55 Blutlaktatkonzentration ≈ 2,5 mmol/l bis 4 mmol/l  

Trainingswirkung: 55 Kapillarisierung und Vergrößerung des Mitochondrienvolumens 55 Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahme 55 Verbesserung des aerob-anaeroben Mischstoffwechsels 55 Entwicklung der Grundlagenausdauer 2 (GA 2) zz Fahrtspiel (Synonym: Fartlek) und Tempowechselmethode

Der ursprüngliche schwedische Name Fartlek wurde zunächst nur in Schweden und für das Laufen verwendet. Später wurde der Name auch auf andere Sportarten übertragen. Bei der Tempowechselmethode wird ähnlich wie beim

7

379 Ausdauertraining

Kurve

200

Zoom zurücksetzen

Einstellungen

SportZonen

Vollbild

Herzfrequenz (S/min)

HF (S/min)

182

180

164

160

146

140 120

127

100 109

80 60 00:00:00

00:20:00

00:40:00

01:00:00

01:20:00

01:40:00

02:00:00

02:13:45

91

0%

00:00:00

0%

00:00:00

97%

02:09:03

3%

00:04:19

0%

00:00:07

..      Abb. 7.23  Herzfrequenzverlauf während eines langen Dauerlaufs nach der extensiven Dauermethode im GA-1-Bereich

Kurve 200

Zoom zurücksetzen

Einstellungen

SportZonen

Vollbild

Herzfrequenz (S/min)

HF (S/min)

181

180

163

160 145

140

127

120 100

109

80 60 00:00:00 00:29:24 00:58:48 01:28:12 01:57:36 02:27:00 02:56:24 03:25:48 03:55:12 04:24:36 04:54:00 05:23:24

05:52:55

91

0%

00:00:00

12%

00:43:35

36%

02:05:32

47%

02:45:44

3%

00:10:23

..      Abb. 7.24  Herzfrequenzverlauf während einer kombinierten Trainingseinheit (Koppelraining): zunächst extensive Dauermethode auf dem Rad, dann intensive Dauermethode beim Laufen

Fahrtspiel ein Wechsel zwischen unterschiedlichen Intensitäten durchgeführt. Diese werden jedoch vor dem Training geplant. Deshalb wird zum Teil auch der Begriff planmäßiges Fahrtspiel verwendet. Charakteristika: Das Fahrtspiel ist durch einen unplanmäßigen Wechsel von Belastungsintensitäten gekennzeichnet (. Abb.  7.25). In einigen Ausdauersportarten ergibt sich der Intensitätswechsel bereits durch die Topografie, wechselnde Bodenbeläge und Wind, wenn die Geschwindigkeit relativ konstant gehalten wird. 55 Mindestintensität im Durchschnitt ca. 60 % der HFmax 55 Höchstintensität 85 % (90 % bei Hochleistungssportlern) der HFmax 55 stark ondulierende Blutlaktatkonzentrationen zwischen 3 und 6 mmol/l

Trainingswirkung: 55 Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahme 55 Verbesserung des aerob-anaeroben Mischstoffwechsels 55 Umstellungsfähigkeit der Energiebereitstellung 55 Entwicklung der Grundlagenausdauer 1 und 2 (GA 1 und GA 2)



7.4.2

Intervallmethode

Die Intervallmethode beschreibt eine Trainingsform mit einem festgelegten Wechsel aus Belastungs- und Erholungsphasen. Kennzeichen der Intervallmethode ist die nicht vollständige Pause, die auch als „lohnende“ Pause bezeichnet wird und den ersten raschen Abfall der Herzfrequenz umfasst (De Marées 2002). Die wiederkehrende

380

200

F. Hanakam und A. Ferrauti

HF (S/min)

175 150 125 100 75 50 00:00:00

00:15:00

00:30:00

00:45:00

01:00:00

01:15:00

01:29:25

..      Abb. 7.25  Herzfrequenzverlauf während eines Fahrtspiels

7

Belastung verursacht eine sukzessive Aufstockung der Ermüdung und soll somit die Ermüdungswiderstandsfähigkeit erhöhen. Die Historie des Intervalltrainings reicht mindestens 100 Jahre zurück. Namhafte Mittelund Langstreckenläufer wie Hannes Kohlemainen, Paavo Nurmi und Rudolf Harbig trainierten nach einem intervallartigen Prinzip. Dabei wechselten sich Strecken mit hoher Geschwindigkeit und relativ langen Pausen ab. Der tschechische Ausnahmeläufer Emil Zátopek optimierte die bestehenden Methoden. Er veränderte den Trainingsumfang (höherer Gesamtumfang), die Intensität (geringere Intensität) und insbesondere die Pause (kürzer und aktiv) gegenüber seinen Vorgängern. In der Folgezeit wurde die Methode von vielen erfolgreichen Sportlern anderer Sportarten übernommen, wie zum Beispiel dem Skilanglauf, Rudern und Schwimmen (Laursen und Buchheit 2019). Eine Unterteilung von Intervalltraining kann nach Belastungsintensität oder nach Belastungsdauer erfolgen. Bezüglich der Belastungsintensität wird in extensive und intensive Intervalle unterschieden (. Abb.  7.26 und  7.27). Eine einheitliche und sportartübergreifende Abgrenzung zwischen extensiv und intensiv existiert nicht. In der Trainingspraxis erfolgt die Abgrenzung beispielsweise über die Zielgeschwindigkeit oder Leistung, die im Wettkampf realisiert werden soll. In dem Fall  

werden alle Intervalle, die schneller als im Renntempo absolviert werden (bzw. schneller als die Dauerleistungsgrenze sind), als intenExkurs: Intervallmethode Ein 10.000-m-Läufer mit aktueller Bestleistung von 30:00 min wird diese Leistung niemals im Training realisieren können. In Form von 10 × 1000 m in 3:00 min bewältigt er die Gesamtstrecke von 10 km in 30 min durchaus. Somit lassen sich in Intervallform weitaus höhere Trainingsumfänge mit hoher Intensität realisieren als mit der Dauermethode. Dies gilt für alle Ausdauersportarten.

sive Intervalle bezeichnet und alle langsameren Geschwindigkeiten als extensive Intervalle. Ebenfalls uneinig ist die Literatur bei der Einteilung von Intervalltraining nach Belastungsdauer. Gebräuchliche Bezeichnungen sind Kurz-, Mittel- und Langzeitintervalle. Sehr kurze Sprint-Intervalle werden als Sprint-Wiederholungs-Intervalle und ein entsprechendes Training als Intervallsprint-­Training bezeichnet (Laursen und Buchheit 2019). zz Extensive Intervallmethode

Charakteristika: 55 mittlere Intensität 60–80 % der HFmax 55 Blutlaktatkonzentration < 6 mmol/l 55 relativ hoher Umfang

7

381 Ausdauertraining

Kurve

200

Einstellungen

Zoom zurücksetzen

SportZonen

Vollbild

Herzfrequenz (S/min) 182 0% 164

HF (S/min)

180 160

146

140 120

127

100

109

80 60 00:00:00

00:15:00

00:30:00

00:45:00

01:00:00

01:14:10

91

00:00:00

50%

00:36:53

40%

00:29:51

9%

00:06:52

0%

00:00:09

..      Abb. 7.26  Herzfrequenzverlauf während eines extensiven Intervalltrainings

Kurve

200

Einstellungen

Zoom zurücksetzen

Vollbild

SportZonen Herzfrequenz (S/min)

HF (S/min)

182 164

180 160

146

140 127

120 100

109

80 00:00:00

00:10:00

00:20:00

00:30:00

00:40:00

00:47:20

91

15%

00:07:06

35%

00:16:29

40%

00:18:51

9%

00:04:25

0%

00:00:13

..      Abb. 7.27  Herzfrequenzverlauf während eines intensiven Intervalltrainings

Trainingswirkung: 55 Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahme 55 Verbesserung des aerob-anaeroben Mischstoffwechsels 55 Umstellungsfähigkeit der Energiebereitstellung 55 Entwicklung der Grundlagenausdauer 2 (GA 2) Praxistipp: extensives Intervalltraining

Aller Anfang ist schwer. Gute Vorsätze scheitern oftmals nicht am inneren Schweinehund, sondern an der falschen Trainingsmethode. Die extensive Intervallmethode eignet sich nämlich ideal, um zum Beispiel den „Dauerlauf“ vorzubereiten oder im Schwimmen dauerhaft eine längere Strecke am Stück

schwimmen zu können. Doch gerade bei Jogging-Anfängern wird Pausieren oder Gehen als Schwäche angesehen. Dabei ist die extensive Intervallmethode der ideale Ausgangspunkt für viele weitere darauf aufbauende Trainingsmethoden.

zz Intensive Intervallmethode

Charakteristika: 55 mittlere Intensität 80–90 % der HFmax 55 Blutlaktatkonzentration > 4–6 mmol/l 55 geringer bis mittlerer Umfang Trainingswirkung: 55 Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahme 55 Verbesserung des aeroben und insbesondere des anaeroben Stoffwechsels 55 Umstellungsfähigkeit der Energiebereitstellung

382

F. Hanakam und A. Ferrauti

55 Laktatkompensation (schneller Abbau) 55 Laktattoleranz (Leistung aufrechterhalten trotz hoher Laktatkonzentrationen) zz Hochintensives Intervalltraining (HIIT)

7

55 Blutlaktatkonzentration 4–10 mmol/l 55 mittlerer Umfang (30–45 min) Trainingswirkung: 55 Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahme 55 Verbesserung des aeroben und anaeroben Stoffwechsels 55 Umstellungsfähigkeit der Energiebereitstellung 55 Laktatkompensation und -toleranz 55 Ausdauerverbesserung der sportspielspezifischen Arbeitsmuskulatur

In jüngerer Zeit wird in der Trainingspraxis speziell in den Sportspielen zunehmend der Begriff des hochintensiven Intervalltrainings (HIIT) verwendet. Inhaltlich ähnelt das HIIT der extensiven und intensiven Intervallmethode. Die vorgeschlagenen Trainingsprotokolle beinhalten demnach in gleicher Weise verschiedene Mischformen aus überwiegend aeroben oder vermehrt anaeroben BelastungsPraxistipp: Intervalltraining oder Dauermeintervallen. Dabei soll ein möglichst hoher thode? prozentualer Anteil der maximalen Sauerstoffaufnahme intervallartig über einen längeren Das Intervalltraining entwickelte sich aus Zeitraum eingesetzt werden, wobei die Belasder Trainingspraxis heraus und wurde erst tungsphasen zwischen 15 und 300 s andauanschließend als HIIT zum Forschungsfeld ern. Während die klassische Intervallmethode für die Sportwissenschaft. Als jedoch primär auf zyklische Belastungsformen Forschungsfrage wird dabei häufig (z.  B.  Schwimmen und Laufen) bezogen war, untersucht, ob die Dauermethode oder werden beim HIIT neben linearen Laufaktividie Intervallmethode effektiver ist. täten auch variable Parcours unter Einbau Weiterhin ist die Praxis der Wissenschaft von sportspielspezifischen Bewegungsmustern voraus: Erfolgreiche Sportler im oder (Kleinfeld-) Spielen absolviert. NachweisAusdauersport trainieren sowohl mit der lich können in den Sportspielen durch HIIT-­ Intervallmethode als auch mit der Protokolle in kürzerer Zeit ähnliche Effekte Dauermethode. erzielt werden wie nach der zeitaufwendigeren Intervalltraining oder Dauermethode? extensiven Dauermethode (Laursen und BuchDiese Frage dürfen weiterhin (dumme?) heit 2019). Sportwissenschaftler stellen. Für Das Intervallsprint-Training (IST) oder erfolgreiche Praktiker gibt es kein Repeated-Sprint-Ability-Training (RST) kann entweder oder, sondern nur ein Für und vom HIIT abgegrenzt werden. Mit sehr kurzen Wider, das je nach Sportart, „All-out“-Belastungen über beispielsweise 5  s Saisonzeitpunkt und Trainingsziel kann dieses trotzdem im erweiterten Sinne abgewogen werden muss. dem Ausdauertraining zugeordnet werden und geht mit ganz spezifischen metabolischen und muskelmechanischen Belastungen einher (7 Kap. 2, . Abb. 2.5) (Wiewelhove et al. 2016). Den umfassendsten Überblick über sportspiel- 7.4.3 Wiederholungsmethode spezifische HIIT Trainingsprotokolle lieferten Bei der Wiederholungsmethode werden aktuell Laursen und Buchheit (2019). höchste Belastungsintensitäten bei geringer Charakteristika (je nach Protokoll sehr unter- Wiederholungszahl und vollständiger Pause erreicht. Wie lang die Pause bei einer „vollschiedlich): ständigen Pause“ sein muss, bietet jedoch 55 mittlere Intensität 80–90 % der HFmax  



383 Ausdauertraining

häufig Anlass zur Diskussion. Richtet man die Pause nach der Herzfrequenz, so kommt es oft zu einer Akkumulation der Blutlaktatkonzentration, und die Leistung muss reduziert oder sogar abgebrochen werden. Somit richten sich viele Trainer nach der Formel: So kurz wie möglich und so lang wie nötig, um die angestrebte Anzahl von Wiederholungen ohne nennenswerten Leistungsverlust realisieren zu können. Das führt in der Praxis innerhalb einer Trainingsgruppe zu individuell unterschiedlich langen vollständigen P ­ ausen trotz gleicher Belastungsdauer. Athleten mit gutem Körpergefühl können die Pausendauer über das subjektive Belastungsempfinden steuern. Charakteristika: 55 höchste Belastungsintensitäten (90–100 % der maximalen Leistungsfähigkeit) 55 Blutlaktatkonzentration > 6 mmol/l 55 vollständige Pausen zwischen den einzelnen Belastungen 55 geringer Trainingsumfang pro Trainingseinheit Trainingswirkung: 55 Verbesserung des aeroben und insbesondere des anaeroben Stoffwechsels 55 Laktatkompensation (schneller Abbau) 55 Laktattoleranz (Leistung aufrechterhalten, trotz hoher Laktatwerte) 7.4.4

Kleinfeldspiele

7

Zielstellungen wechseln. Die Methode zeichnet sich vor allem durch ihre Effizienz aus, da die Verknüpfung von unterschiedlichen Trainingsinhalten naturgemäß eine erhebliche Zeitersparnis darstellt. Die allgemein hohe Spezifität wird jedoch durch die oft deutlichen Unterschiede zu den Rahmenbedingungen von Meisterschaftsspielen limitiert, u. a. unterschiedliche Aufgaben, Positionen, Laufwege, Laufstrecken und Geschwindigkeiten. Zusätzlich ist die konkrete Belastungs- und Beanspruchungsstruktur von Spielformen kaum im Detail vorherzusagen, und die Quantifizierung der (individuellen) Anforderungen stellt trotz jüngerer technologischer Entwicklungen selbst im Profisport noch eine große Herausforderung dar. Demnach ist eine individuelle Intensitätssteuerung ausgeschlossen (Laursen und Buchheit 2019). Charakteristika: 55 Belastungsmanipulation durch Aufgabenund Regeländerungen, Spieleranzahl und Feldgröße 55 spezifische, aber quasi-chaotische Belastungsstruktur 55 zahlreiche Be- und Entschleunigungen 55 Belastung kaum standardisierbar; sehr hohe individuelle Variabilität 55 Belastungsdauer üblicherweise zwischen 2–4 min pro Spielform 55 Pausen zwischen den Spielformen oft zwischen 90 s und 4 min (Laursen und Buchheit 2019)

Trainingswirkung: Die Methode der Kleinfeldspiele (engl. Small-­ 55 abhängig von organisatorischen und Sided Games) ist besonders in den Spielsporttechnisch-taktischen Rahmenbedin­ arten weit verbreitet und erfreut sich hier gungen großer Begeisterung. Sie basiert auf dem Trai- 55 geringere Beanspruchung (relative ningsprinzip der (wettkampf-)spezifischen Herzfrequenz, Blutlaktatkonzentration Belastung, wobei technisch-taktische Elemente und Anstrengungsempfinden) bei der Sportart mit den speziellen konditionellen zunehmender Spielerzahl, bei ReduzieAnforderungen kombiniert werden. Der rung der Spielfeldgröße und bei Abweinhaltliche Schwerpunkt kann jederzeit flexisenheit von Traineranweisungen bel zwischen spielerischen und konditionellen (Laursen und Buchheit 2019)

384

7

F. Hanakam und A. Ferrauti

Anpassungseffekte verschiedener Trainingsmethoden

7.4.5

Bei der Vielzahl unterschiedlicher Ausdauertrainingsmethoden und Unterformen darf die entscheidende Frage nicht aus den Augen verloren werden: Welche Trainingsmethode führt zu welchen Adaptionen? Dabei sind Anpassungseffekte von eher zentralen Komponenten des Herz-Kreislauf-Systems (z.  B.  Herz und Lunge), die speziell mit einer Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahme einhergehen (V̇ O2max), von Anpassungen in der Peripherie (z.  B.  Muskulatur und neuromuskuläres System) sowie von vorrangig psychischen Anpassungen (z.  B.  Belastungsverträglichkeit) zu unterscheiden (. Tab. 7.6).

Die Belastungssteuerung ist ein Teil der Trainingssteuerung und beschäftigt sich in besonderem Maße mit der individuellen Regulation während des Trainingsprozesses. Dazu stehen die Steuerungsgrößen Umfang, Dauer, Intensität, Häufigkeit, Dichte und Bewegungsfrequenz zur Verfügung. Im Ausdauersport erfolgt die praktische Umsetzung der Belastungsdosierung häufig mithilfe biologischer Messgrößen wie Herzfrequenz und Laktat, aber auch mittels Kadenz, Schritt- oder Schritt-Atemrhythmus (Buskies et al. 1993), Fortbewegungsgeschwindigkeit und Leistung (Watt) sowie mittels des subjektiven Belastungsempfindens (z. B. nach der RPE-Skala; Hanakam 2011, 2015). Nachfolgend werden



Belastungsdosierung

..      Tab. 7.6  Eigene Darstellung mit den angenommenen Anpassungseffekten von verschiedenen Trainingsmethoden im Ausdauertraining auf unterschiedlichen Funktionsebenen des Organismus (– = geringe, ± = mittlere, + = gute ++ = sehr gute Trainingswirkung)

Parameter

HerzKreislauf

Muskel

Koordination & Schnelligkeit Psyche

. VO2max

Extensive Dauermethode

Variable Dauermethode (Fahrtspiel)

High-Intensity-Interval-Training IntervallsprintTraining Kleinfeld-Spiele

Laufparkur

Laufbahn

+

+

+

+

+

±

Kapillarisierung

++

+

+

+

+

±

Mitochondrien

++

+

+

+

+

±

Glykol. Flußrate

-

+

±

±

±

+

Kreatinphosphat & KPreg

-

+

±

±

-

+

Schnellkraft

-

+

±

+

-

+

Intramuskuläre Koord.

-

+

±

±

-

+

Intermuskuläre Koord.

-

+

+

±

±

+

Sportartspez. Technik

-

±

+

±

-

-

Belastungsverträglichkeit

±

+

+

+

+

+

385 Ausdauertraining

häufig eingesetzte Methoden der Belastungsdosierung vertieft betrachtet. Die Vielzahl von Ausdauersportarten und deren individuelle Belastungsdosierung machen eine vollständige Auflistung an dieser Stelle unmöglich.  elastungsdosierung mittels Herzfrezz B quenz

Belastungsdosierung mittels Herzfrequenzkontrolle ist weltweit die wahrscheinlich am häufigs-

7

ten genutzte Methode (Hanakam 2015). Moderne Sportuhren unterstützen durch eine Vielzahl an Features das Training nach der Herzfrequenz. Trotzdem kommt es aufgrund interindividueller Besonderheiten und Unkenntnissen zu Missverständnissen und fehlerhafter Anwendung dieser Methode. Die Herzfrequenz eines Erwachsenen kann sich unter Belastung gegenüber dem Ruhewert mehr als verdreifachen. Die maximale Herz-

Exkurs: Herzfrequenzformeln zur Belastungsdosierung Sollwerte für die Steuerung des Grundlagenausdauertrainings nach Herzfrequenz basieren auf verschiedenen Formeln, in denen unterschiedliche Faktoren wie das Lebensalter, die Ruheherzfrequenz, die maximale Herzfrequenz, das Geschlecht und der Trainingszustand berücksichtigt werden. Die Formelvielfalt führt zu erheblichen Unterschieden in der Trainingssteuerung, sodass in der Praxis Verunsicherung über die angemessenen Richtwerte existiert. Problematisch ist, dass der Einfluss der Trainingsdauer in den gängigen Formeln nicht berücksichtigt wird.

Allgemeine Trainingsempfehlungen (in Abhängigkeit vom Lebensalter) 55 170 – 1/2 Lebensalter ± 10 S/min 55 180 – Lebensalter 55 180 – Lebensalter ± 5 S/min 55 200 – (Lebensalter × 0,7)

Empfehlungen zur Berechnung der Maximalfrequenz 55 Männer und Frauen: 220 – Lebensalter 55 Frauen: 220 oder 226 – Lebensalter 55 Männer trainiert: 205 – (0,5 × Lebensalter); Männer untrainiert: 214 – (0,8 × Lebensalter) 55 Frauen trainiert: 211 – (0,5 × Lebensalter); Frauen untrainiert: 209 – (0,7 × Lebensalter)

Beispiel: 50 Jahre, HFRuhe 60 S/min, HFmax 170 S/min 55 170 – Lebensalter (Baum 1971) = 120 S/min 55 180 – Lebensalter (Hollmann 1993) = 130 S/min 55 HfRuhe+ 80 % (Hfmax-HfRuhe) (Karvonen et al. 1957) = 148 S/min 55 Hfmax-(0,45∗HfRuhe) (Zintl und Eisenhut 2009) = 138 S/min 55 Trimming 130 (Palm 1984) = 130 S/min

Variable Trainingsempfehlung (in Abhängigkeit von Ruhe- und Maximalfrequenz) HFRuhe + Intensität (%) × (HFmax – HFRuhe) (Karvonen et al. 1957)

frequenz sinkt mit zunehmendem Alter und ist individuell sehr unterschiedlich. Dafür werden unterschiedliche Gründe angeführt, die von Pollock et al. (1993) gut in einer Multifaktorentheorie beschrieben werden. Hierin liegt eine der Ursachen für die Vielzahl formelgeleiteter Empfehlungen begründet (Exkurs: Herzfrequenzformeln zur Belastungsdosierung).

Individuelle Sollwerte zur Trainingsherzfrequenz orientieren sich entweder an der maximalen Herzfrequenz (Spanaus 2002) oder an der Herzfrequenzreserve (HFR; Karvonen et  al. 1957). Die daraus resultierenden Trainingsbereiche können prozentual berechnet werden.

386

F. Hanakam und A. Ferrauti

Exemplarisch ergeben sich für eine Person mit einer maximalen Herzfrequenz von 200  S/ min, einer Ruheherzfrequenz von 50 S/min und einer entsprechenden HFR von 150  S/min folgende Vorgaben für definierte Trainingsbereiche: ii ReKom

50–60 % von HFmax bzw. 35–50 % HFR

100–120 S/min

60–80 % von HFmax bzw. 50–70 % HFR

120–160 S/min

GA 2

80–90 % von HFmax bzw. 70–85 % HFR

160–180 S/min

WSA

90–100 % von HFmax bzw. 85–100 % HFR

180–200 S/min

GA 1

7

Um das Phänomen zu erforschen und insbesondere zu quantifizieren, wurde eine breit angelegte Studie mit 135 Freizeitläufern beiderlei Geschlechts durchgeführt. Diese mussten an drei Untersuchungstagen einen Dauerlauf mit 85 %, 90  % und 95  % der Dauerleistungsgrenze über 45  min durchführen. Im Abstand von jeweils 9  min wurde die Herzfrequenz notiert. Das Ergebnis der Studie verdeutlicht anschaulich den Cardio Drift (. Abb. 7.28). Ferner wird deutlich, dass gleichaltrige weibliche Läuferinnen mit gleichem relativem Leistungsvermögen und ebenfalls gleicher relativer Ausbelastung über deutlich höhere Trainingsherzfrequenzen verfügen. Auch als sehr gering belastend empfundene Trainingseinheiten führen nach 45  min Dauer bei Männern (ca. 150 S/min) und Frauen (ca. 160 S/min) im mittleren Lebensalter zu erstaunlich hohen Herzfrequenzen (. Abb. 7.28). Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Cardio Drift für die Sportpraxis? 55 Bei konstanter Belastungsintensität steigt die Herzfrequenz. 55 Bei konstanter Herzfrequenz kommt es zu einer Geschwindigkeitsreduktion.  

Zusätzliche Unsicherheit bereitet vielen Ausdauersportlern das seit vielen Jahren bekannte Phänomen der ansteigenden Herzfrequenz bei längerer Belastung, der sogenannte Cardiac Drift oder Cardio Drift. Beide Begriffe meinen das Gleiche, nämlich den Anstieg der Herzfrequenz bei Dauerbelastungen trotz konstanter Intensität. Die Begrifflichkeit geht auf Ekelund (1967) zurück, der bereits 1967 das Phänomen beschrieb. Die Ursache von Cardio Drift beruht weitestgehend auf zwei Phänomenen: 55 Dehydration (Wasserverlust durch Schweiß führt zur Eindickung des Blutes) und 55 Hyperthermie (um den Körper zu kühlen wird der Blutfluss vermehrt in die Peripherie geleitet). Beide Phänomene verursachen eine Reduktion des Schlagvolumens. Um während einer längeren Ausdauerbelastung ein konstantes Herzminutenvolumen über den gesamten Zeitraum aufrecht erhalten zu können, muss das zunehmend verringerte Schlagvolumen kompensiert werden. Dementsprechend reagiert der Körper auf das verringerte Schlagvolumen mit einer Erhöhung der Herzfrequenz. Ferner mag auch die reduzierte Sauerstoffverfügbarkeit bei ggf. höherem Bedarf (bei zunehmender Aktivierung der Fettoxidation) eine Rolle spielen (Hanakam 2015).



Soll der metabolische und koordinative Trainingsreiz während der gesamten Trainingsdauer erhalten werden, resultiert aus den Befunden die Empfehlung, dass spätestens nach 30  min Dauerlauf die angestrebte Zielherzfrequenz um ca. 5  S/min erhöht werden muss, nach weiteren 30  min noch einmal 4  S/min, anschließend 3, 2 und 1 S/min pro 30 min (5, 4, 3, 2, 1-Regel). Weil der Cardio Drift immer einen exponentiellen Verlauf aufweist und sich bei längeren Belastungen als Parallele zur x-Achse beschreiben lässt, kann das Grundprinzip der 5, 4, 3, 2, 1-Regel auch auf andere Ausdauersportarten übertragen werden. In den Sportspielen nimmt die Belastungssteuerung mithilfe von Herzfrequenzmonitoren erheblich zu, seit nicht mehr zwingend eine Armbanduhr getragen werden muss. Das war aus Gründen der Verletzungsgefahr (z. B. im Basketball oder Handball) nicht in allen Spielformen möglich. Moderne Herzfrequenzmessung im Sportspiel erfolgt inzwischen über

7

387 Ausdauertraining

190

Hf (S/min)

180

weiblich

170

männlich

160 150 140 130

9

18

27

85 %

36

45

9

18

27

90 %

36

45

9

18

27

36

45

(min)

95 %

..      Abb. 7.28  Herzfrequenzverhalten (Hf ) von insgesamt 135 Freizeitläufern beiderlei Geschlechts während einer Dauerbelastung mit 85 %, 90 % und

95 % der Dauerleistungsgrenze (Geschwindigkeit bei einer Blutlaktatkonzentration von 4 mmol/l; Hanakam 2015)

Herzfrequenzgurte, die ihre Daten online über eine Team-Software z. B. auf das Smartphone des Trainers senden. Somit kann kontrolliert werden, ob der angedachte Trainingsbereich von den Spielern realisiert wird, und über Änderung der Spielform interveniert werden. Zusammenfassend weist die Herzfrequenz verschiedene Vor- und Nachteile für die Belastungsdosierung im Ausdauertraining auf. Die meisten Vorteile ergeben sich für ein Training nach der extensiven und intensiven Dauermethode, sofern die Referenzwerte individuell anhand von Grenzwerten (Ruheherzfrequenz und maximale Herzfrequenz) und submaximalen Erfahrungswerten evaluiert worden sind. Feste formelgeleitete Vorgaben sind hingegen extrem fehlerbehaftet. Schließlich sind die Belastungsdauer (Cardio Drift) und auch die Umgebungstemperatur (bei über 25  °C erfolgt ein weiterer Anstieg um ca. 5  S/min) zu berücksichtigen (Hanakam 2015). Im Gegensatz zur reinen Steuerung nach Laufgeschwindigkeit besitzt die Herzfrequenz den Vorteil, dass sie wind-, bodenbelag- und topografieunabhängig die momentane kardiozirkulatorische Beanspruchung quantifiziert. Problematisch ist hingegen der Einsatz bei allen Intervallmethoden und auch bei der variablen Dauermethode. Speziell kurze Belastungsspitzen, wie beispielsweise beim Intervallsprint-Training, sind hinsichtlich der aktuellen Beanspruchung im jeweiligen Erfassungsmoment aus der Herzfrequenz nur schwer zu interpretie-

ren, weil die Herzfrequenzkinetik zeitlich verzögert erfolgt. Die nachträgliche Messung der Trainings- und Wettspielbeanspruchung über ein definiertes Zeitfenster ist jedoch möglich und kann rückblickend wertvolle Informationen auch für die Sportspiele liefern. Praxistipp: Herzfrequenzmessung am Handgelenk

In der täglichen Praxis mit Athleten erweist sich die Bestimmung der Herzfrequenz über Uhren, die unmittelbar am Handgelenk messen, als häufig etwas unzuverlässig. Dies ist konträr zur Erwartungshaltung, die durch unterschiedliche Hersteller geweckt wird. Daher raten wir bislang noch, einen Brustgurt zu verwenden, auch wenn sich dadurch mögliche Nachteile wie Wundscheuern oder das Gefühl, eingeengt zu sein, ergeben.

zz Belastungsdosierung mittels Geschwindigkeit

Ein probates Mittel zur Steuerung der Belastungsintensität ist die Geschwindigkeit. Mithilfe von Wegstreckenmarkierungen und der Stoppuhr, Tachos oder zunehmend genau mittels GPS kann die Geschwindigkeit sehr exakt gesteuert werden. Als Referenz wird dabei je nach Trainingsziel ein Trainingsbereich definiert. Dies erfolgt beim Laufen beispielsweise über eine prozentuale Berechnung anhand der

388

F. Hanakam und A. Ferrauti

10-km-­ Bestleistung (Hottenrott und Zülch 1998; Joch 2004) oder der Angabe von Trainingsbereichen je nach angestrebter Leistung (Steffny 2004; . Tab. 7.7). Im Radsport werden mit Tachos die aktuelle Geschwindigkeit und die durchschnittliche Geschwindigkeit angezeigt. So kann beispielsweise eine GA-1-Einheit mit einem vorgegebenen Durchschnittswert gefahren werden. Eine Belastungsdosierung im Schwimmen wird von den meisten Sportschwimmern ebenfalls über die Zeiten und somit indirekt über die Geschwindigkeit gesteuert. Die Belastungszonen (BZ) werden über die Zielgeschwindigkeit angegeben, oder es werden Tests über verschiedene Distanzen geschwommen und die Belastungsintensität für die einzel 

7

nen Trainingsbereiche prozentual bestimmt (7 Abschn. 12.1). Im Rudern und im Kanu- und Kajak-Sport kann die Intensität ebenfalls über die Geschwindigkeit gesteuert werden, indem die aktuelle Geschwindigkeit auf 500  m hochgerechnet wird. Zudem wird die Zugfrequenz in Anzahl der Schläge pro Minute angezeigt. Technische Geräte ermöglichen eine sehr exakte Bestimmung der Geschwindigkeit. Äußere Einflussfaktoren wie Hitze, Wind, kupiertes Gelände, aufgeweichter oder schneebedeckter Untergrund, schlechte Sichtverhältnisse oder Strömungsgeschwindigkeit erschweren allerdings die Intensitätssteuerung mithilfe der Geschwindigkeit erheblich.  

..      Tab. 7.7  Trainingsbereiche und -methoden für eine exemplarische Zielzeit von 50 min für einen 10-km-Lauf, modifiziert nach Joch (2004)

Trainingsbereich

Trainingsmethode

Streckenlänge [m]

ReKom

Dauermethode

Unter 10.000 m

07:09

-

06:40

GA 1 GA 1

Dauermethode Dauermethode

3000 m - 10.000 m über 10,000 m

06:15 07:09

-

05:53 06:40

GA 2 GA 2 GA 2

Intervallmethode Intervallmethode Dauermethode

1000m - 3000 m 400 m - 1000 m über 3000 m

05:33 05:16 05:33

-

05:16 05:00 05:53

SA

Wiederholungsmethode

100m - 400 m

04:21

-

04:10

WSA

Wiederholungsmethode

1000m - 3000 m

05:16

Wiederholungsmethode Intervallmethode

400 m - 1000 m 100m - 400 m

05:00 04:33

-

05:00

WSA WSA S

Wiederholungsmethode

bis 100 m

ReKom GA 1

(Regenerations- und Kompensationbereich) (Grundlagenausdauerbereich 1)

GA 2 SA WSA

(Grundlagenausdauerbereich 2) (Schnelligkeitsausdauer) (Wettkampfspezifische Ausdauer)

S

(Schnelligkeit)

Zeit [min pro km]

maximal

04:46 04:21

389 Ausdauertraining

zz Belastungsdosierung mittels Leistung

Im Radsport und bei Ruder-Ergometern kann die leistungsbezogene Belastungssteuerung auf eine lange Tradition zurückblicken. Seit einigen Jahren bietet die Industrie auch für den Laufsport Wattmess-Systeme an, und die Trainingswissenschaft widmet sich diesem Thema (Vance 2016). Ein erheblicher Vorteil gegenüber anderen Verfahren ist die unmittelbare Rückkopplung des Systems. Das ist besonders bei Intensitätsänderungen und allen kurzen Strecken sehr hilfreich. Als ein Maß zur Belastungsdosierung im Radsport hat sich die Orientierung an der Functional Threshold Power (FTP) etabliert (. Tab.  7.8). Hiermit ist die Leistung gemeint, die durchschnittlich über einen Zeitraum von einer Stunde erbracht werden kann. In der Praxis werden häufig kürzere Tests durchgeführt und darüber die Stundenleistung berechnet (Hunter und Coggan 2015). In der Trainingspraxis ergeben sich Probleme mit der Wattmessung im Radsport aufgrund von Messungenauigkeiten. Im Laufen findet eine  

Wattmessung im eigentlichen Sinne nicht statt, sondern es wird ein Watt-Wert berechnet (Vance 2016). Das führt zu erheblichen Problemen in der Belastungssteuerung. Zudem sollte bei der Trainingssteuerung über die Leistung immer das Körpergewicht berücksichtigt werden. Gewichtsveränderungen können die Trainingssteuerung erheblich beeinflussen  – die relative Leistung (Watt pro Kilogramm) ist deutlich aussagekräftiger als die absolute Wattleistung. Während die Wattmessung im Rahmen der Trainingssteuerung und Belastungsdosierung im Radsport bereits etabliert ist, steht dieser Ansatz im Laufsport noch in den Anfängen. Die wesentlichen Vorteile des Verfahrens liegen in der unmittelbaren Anzeige der Leistung, sodass es für alle kurzzeitigen Belastungen gut geeignet ist. Ferner ist eine Differenzierung der absoluten und relativen Leistung sehr präzise möglich. Nachteilig wirken sich die unzureichende Messgenauigkeit beim Laufen und die kostenintensive Ausstattung im Radsport aus (z. B. SRM-System).

..      Tab. 7.8  Ableitung von Trainingsleistungen in Watt für definierte Trainingsbereiche anhand der Functional Threshold Power (FTP) FTP

300

(Functional Threshold Power) klassische Einteilung

nach Hunter Allen

Bereich Ziel

ReKom

< 165

7

% von FTP

errechnete Werte


Lauf Maximalkrafttraining

März 11 12

vermehrt disziplinspezifisches Ausdauertraining mit zunehmenden Anteilen Radtraining unspezifisches Ausdauertraining beibehalten (MTB, Ruderergometer, Aquajogging, Skilanglauf) Koordinationstraining in allen drei Spezialdisziplinen Muskelaufbautraining

5

April 15 16 17 18 TL TL Unmittelbare Wettkampfvorbereitungsphase Grundlagenausdauerleistungsfähigkeit verbessern Entwicklung der höchsten maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2 max) Realisation höchster Trainingsumfänge im Jahresverlauf (Trainingslager)

4 10 km

Februar 6 7 8 9 10 15 km HM Spezielle Vorbereitungsphase Grundlagenausdauerleistungsfähigkeit verbessern Belastungsverträglichkeit erhöhen disziplinspezifische Koordination verbessern spezifische Kraftleistung verbessern Beweglichkeit erhalten/verbessern (bei Bedarf)

Januar 3

21

viel sportartspezifisches Ausdauertraining (Koppeltraining) Freiwasserschwimmen hohe Umfänge GA 1 und mittlere Umfänge GA 1/2 und GA 2 Wettkämpfe bestreiten Krafttraining reduzieren/streichen

Mai 20 KD

Juni 22 23 24 25 26 MD SD LD Wettkampfphase Grundlagenausdauerleistungsfähigkeit stabilisieren Entwicklung der Top-Form hohe Energieflussrate bei geringer Blutlaktatkonzentration Wettkampfroutinen entwickeln hohe Radumfänge in der Aeroposition realisieren 19

..      Tab. 7.12  Triathlon: Jahresübersicht eines leistungsorientierten Triathleten mit einer durchschnittlichen Jahres-Trainingsdauer von ca. 15 h/Woche mit dem Saisonziel Triathlon-Langdistanz (HM = Halbmarathon, KA = Kraftausdauer, KD = Kurzdistanz, LD = Langdistanz, SD = Sprintdistanz, TL = Trainingslager)

Ausdauertraining 397

7

398

F. Hanakam und A. Ferrauti

..      Tab. 7.13  Triathlon: Wochenübersicht eines leistungsorientierten Triathleten mit einer durchschnittlichen Jahres-Trainingsdauer von ca. 15 h/Woche mit dem Saisonziel Triathlon-Langdistanz KW 47– Allgemeine Vorbereitungsphase Trainingseinheit 1

7

Montag

15′ Erwärmung auf dem Ruder-Ergometer 5′ Gelenksmobilisation 4 Sätze Kraftausdauer als Zirkeltraining mit je 2 Übungen für die Arme, Beine und den Rumpf

Dienstag

400 m Einschwimmen 10 × 100 m (25 m Technik, 75 m Kraul GA 1) 4 × 400 m GA 1 mit wechselnden Lagen 8× 100 m (25 m Aquajogging, 75 m Kraul GA 1) 200 m Ausschwimmen

Mittwoch

Nüchternlauf 14 km GA 1 6× 50 m Steigerungslauf mit 2′ Trabpause

Donnerstag

Spinning-Kurs 1

Freitag

400 m Einschwimmen 8× 25 m Technik 8× 50 m Technik 4× 25 m gesteigertes Tempo 8× 50 m Schnelligkeitsausdauer (SA) 200 m locker mit beliebigen Lagen 8× 100 m GA 1 200 m Ausschwimmen

Samstag

200 m Einschwimmen 4× 800 m GA 1 mit wechselnden Lagen 6 × 50 m (15 m maximaler Sprint, 35 m ReKom) 400 m Ausschwimmen

Sonntag

2 h Skating als extensives Fahrtspiel

Trainingseinheit 2

90′ MTB (GA 1/KA)

19 km Dauerlauf GA 1

KW 14 – Unmittelbare Wettkampfvorbereitungsphase Trainingseinheit 1 Montag

15′ Einlaufen 5′ Gelenksmobilisation 4 Sätze Maximalkrafttraining mit je 2 Übungen für die Arme, Beine und den Rumpf

Trainingseinheit 2

399 Ausdauertraining

..      Tab. 7.13 (Fortsetzung) Dienstag

400 m Einschwimmen 10× 100 m (25 m Technik, 75 m Kraul GA 1) 8× 100 m intensive Intervalle 5 × 400 m GA 1 200 m Ausschwimmen

15′ Einlaufen 10′ Lauf ABC 6× 1 km intensive Intervalle 10′ Auslaufen

Mittwoch

Nüchternlauf 18 km GA 1

Donnerstag

90′ Rad, intensive Intervalle

Freitag

200 m Einschwimmen 3× 10 × 100 m GA 1 200 m Rücken locker 6× 50 m (15 m Sprint, 35 m ReKom) 600 m Ausschwimmen

4 h Rad, Fettstoffwechseltraining

Samstag

400 m Einschwimmen 8× 50 m Technik 5 × 200 m GA 2 2× 800 m GA 1

30 km Fettstoffwechsellauf

Sonntag

Koppeltraining GA 1: 3 h Rad + 12 km Lauf

KW 24 – Wettkampfphase Trainingseinheit 1 Montag

Ruhetag

Dienstag

400 m Einschwimmen 10 × 100 m (25 m Technik, 75 m Kraul GA 1) 6 × 200 m GA 1/2 4 × 400 m GA 1 200 m Ausschwimmen

Mittwoch

1:30 h Rad ReKom

Donnerstag

4 x 20′ Rad im Langdistanz-Tempo

Freitag

400 m Einschwimmen 8 × 50 m Technik 5 × 200 m GA 2 2 × 800 m GA 1

Samstag

Freiwasserschwimmen 45′ Dauermethode als extensives Fahrtspiel 2 × ca. 200 m Startsimulation (schnelles Anschwimmen und dann das WK-Tempo der Langdistanz)

Sonntag

Koppeltraining GA 1: 4 h Rad + 10 km Lauf

Trainingseinheit 2

2 km Einlaufen 3 × 4 km GA 1/2 2 km Auslaufen

24 km Lauf in der Wettkampfgeschwindigkeit der Langdistanz

7

400

F. Hanakam und A. Ferrauti

Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels

7.6

7

1. Absolvieren Sie einen 45-min-Lauf auf der Laufbahn oder im Gelände und steuern Sie Ihr Lauftempo so, dass Sie die Beanspruchung auf der RPE-Skala (. Tab. 7.9) für jeweils 15 min als 9 („sehr leicht“), 13 („etwas anstrengend“) oder 17 („sehr anstrengend“) empfinden. 2. Kontrollieren Sie nach jedem Abschnitt Ihre Herzfrequenz und berechnen Sie die prozentuale Ausschöpfung ihrer maximalen Herzfrequenz und der Herzfrequenzreserve, nachdem Sie vorher Ruhe- und Maximalfrequenz bestimmt bzw. berechnet haben. 3. Reflektieren Sie die relevanten Stoffwechselwege in den drei Abschnitten gemäß . Abb. 7.5 und schätzen Sie das metabolische Äquivalent und den kalorischen Umsatz sowie die anteilige Verstoffwechslung von Kohlenhydraten und Fetten in den jeweiligen Abschnitten.  



4. Zeichnen Sie den typischen Ermüdungsverlauf der verschiedenen Ausdauertrainingsmethoden in ein einfaches x/y-Diagramm. 5. Erläutern Sie differenziert die Ursachen für den Erfolg von Langstreckenläufern aus dem ostafrikanischen Hochland. 6. Richtig oder falsch? 55 Musik eignet sich gut zur Steuerung des Trainings, weil die subjektiv empfundene Belastung geringer ist und Dauerbelastungen mit Musik länger toleriert werden. 55 Die von Karvonen entwickelte Formel zur Bestimmung der Trainingsherzfrequenz berücksichtigt die Ruheherzfrequenz, die Maximalfrequenz und die Herzfrequenzvariabilität. 55 Eine stetige Reduktion der Laufgeschwindigkeit beim Training mit konstanter Herzfrequenz kann durch das Phänomen „Cardiac Drift“ beschrieben werden. 55 Die RPE-Skala wurde an der Blutlaktatkonzentration validiert und gilt als praktikables Verfahren der Trainingssteuerung in vielfältigen Ausdauersportarten. 7. Welche Aussagen zum Fahrtspiel treffen zu? 55 Das Trainingsprinzip besteht in einer spielerischen Ausdauerbelastung, wobei der Läufer mit den meisten Punkten ermittelt wird. 55 Das Trainingsziel besteht unter anderem in einer verbesserten Anpassungsfähigkeit des Metabolismus auf wechselnde Intensitäten. 55 Die Leistungsfähigkeit bei einer Intervall-Sprintbelastung kann durch ein Fahrtspiel besser als durch die extensive Dauermethode gesteigert werden. 55 Die Trainingsanpassungen bestehen in der Verbesserung der glykolytischen Flussrate sowie der intra- und intermuskulären Koordination.

401 Ausdauertraining

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405

Techniktraining Arno Krombholz 8.1

 edeutung und Erscheinungsformen von Technik und B Koordination – 406

8.2

Bewegungsanalyse und Technikleitbilder – 409

8.2.1

E rmittlung und Ableitung von Technikleitbildern und Sollwerten – 411 Funktionale Analysen sportlicher Technik – 415 Morphologische und biomechanische Analysen sportlicher Technik – 416

8.2.2 8.2.3

8.3

 iologische Grundlagen und Modelle des B Techniktrainings – 419

8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.3.4

 iologische Grundlagen der Motorik und des motorischen B Lernens – 419 Informationsverarbeitende Ansätze – 421 Systemdynamische Ansätze – 423 Ansätze der Effektkontrolle – 426

8.4

Ziele und Methoden des Techniktrainings – 427

8.4.1 8.4.2 8.4.3

 oordinationstraining – 433 K Bewegungskorrektur – 441 Videofeedback – 445

8.5

Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels – 451 Literatur – 451

Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_8. Die Videos lassen sich mit Hilfe der SN More Media App abspielen, wenn Sie die gekennzeichneten Abbildungen mit der App scannen. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_8

8

406

A. Krombholz

Der Mensch lernt immer und überall. Er kann nicht nicht lernen, auch wenn kein Lehrer oder Trainer in seiner Nähe ist! Lehrer und Trainer sind Wegbegleiter, die dem Lernenden helfen, Umwege und Sackgassen zu vermeiden.

Zusammenfassung

8

Techniktraining findet in einem Kontinuum zwischen der Ausrichtung an einer spezifischen Wettkampftechnik und dem Training allgemeiner koordinativer Fähigkeiten statt. Vor dem Hintergrund informationsverarbeitender Ansätze der motorischen Steuerung und Kontrolle sind Technikleitbilder und deren Herleitung eine essentielle Grundlage für das Techniktraining. Aus der Außenperspektive sind biomechanische, morphologische und funktionale Herangehensweisen leitend für die Technikanalysen. Zur Erfassung der inneren Prozesse und Dispositionen bei der motorischen Steuerung und Kontrolle sowie dem Lernen und Trainieren sportlicher Bewegungen gibt es unterschiedliche Modelle und Erklärungsansätze, die exemplarisch aufgegriffen werden. Die methodischen Vorgehensweisen des Techniktrainings richten sich an der effizienten Realisierung sportlicher Techniken im Wettkampf, im Alltag und in der Freizeit aus (z. B. Leistungssport, Rehabilitationssport, Behindertensport). Sie werden maßgeblich von den Rahmenbedingungen (z. B. Sport..      Abb. 8.1 Florian Preuss bei einem Flatspin 360 (Foto: The Audi Nines 2018)

stätten, Wetter) sowie den Besonderheiten der Sportart, ggf. des Sportgerätes und den Voraussetzungen des Sportlers beeinflusst (. Abb. 8.1). Schließlich wird gesondert auf spezifische Vorgehensweisen (z.  B.  Bewegungskorrektur, Videofeedback) eingegangen, die in der Trainingspraxis häufig zur Anwendung kommen.  

8.1  Bedeutung und

Erscheinungsformen von Technik und Koordination

Die Frage, wie der Mensch Bewegungen effizient lernt und trainiert, stellt bis heute die vielleicht größte Herausforderung für die (Sport-) Wissenschaft sowie die Trainingspraxis im Sport dar (. Abb.  8.1). Das Lernen und Trainieren von sportlichen Techniken ist nicht nur eine wesentliche Leistungskomponente in wettkampforientierten Settings, sondern findet auch im Kontext von freizeit- oder gesundheitssportlichen Aktivitäten ohne Wettkampforientierung statt (z. B. Sport mit behinderten und/ oder chronisch kranken Menschen, . Abb. 8.2). Gleichfalls kann auch eine ökonomische und verletzungsfreie Bewältigung von Alltagssituationen leitend für ein (sportliches) Techniktraining sein (z. B. im Reha- oder Seniorensport).  



407 Techniktraining

8

..      Abb. 8.2  Techniktraining findet in unterschiedlichen Settings in verschiedenen Lebensspannen statt. Auch im höheren Lebensalter kann man noch neue

Techniken/Sportarten erlenen und/oder perfektionieren (Fotos: Andrea Bowinkelmann, © LSB NRW)

Daher ist ein sehr weiter Blickwinkel auf das Techniktraining angemessen, der verschiedene Zielsetzungen und Methoden in den unterschiedlichen Anwendungsbereichen berücksichtigt. In einem ersten Schritt sollen die bestimmenden Begriffe im Kontext von Techniktraining als Grundlage für die Darstellungen in den nachfolgenden Kapiteln erläutert und definiert werden.

In den Publikationen der Sportwissenschaft findet man eine große Bandbreite von Begriffsbestimmungen und Systematisierungsversuchen in Zusammenhang mit Techniktraining, welche unter anderem durch eine mehr oder weniger ausgeprägte Verankerung in den sportwissenschaftlichen Teildisziplinen (Bewegungswissenschaft, Trainingswissenschaft, Sportmedizin, Sportpsychologie, Sportpädagogik, Sportdidaktik) begründet ist und zwei unterschiedliche Betrachtungsweisen erkennen lässt (. Abb. 8.4): 55 Die Innenperspektive fokussiert auf die internen (physiologischen) Prozesse sowie deren Funktionalität in Ausrichtung auf die situativ angepasste Lösung einer Bewegungsaufgabe. 55 Die Außenperspektive betrachtet die sichtbaren Aspekte der Bewegung in Ausrichtung auf die situativ angepasste Lösung einer Bewegungsaufgabe, die sich in Form von qualitativen und quantitativen Bewegungsmerkmalen erfassen lassen.

Begriffsabgrenzung: sportliche Techniken und sportliche Bewegungen Die Begriffe sportliche Techniken und sportliche Bewegungen bzw. Bewegungshandlungen und Aktionen werden in diesem Kapitel kontextbezogen synonym gebraucht. In Anlehnung an Neumaier und Krug (2003) wird in den folgenden Abschnitten somit auch keine Abgrenzung von Bewegungslernen und Techniktraining vorgenommen, da Techniktraining immer das Lernen von Bewegungen beinhaltet und damit auch alle Aspekte der Bewegungskoordination subsumiert. Das Gleiche gilt für die kontextbezogene Benennung der anleitenden Personen (Trainer oder Lehrer) sowie die Adressaten (Trainierende bzw. Lernende).



Sportliche Techniken können sich simultan und sukzessiv aus mehr oder weniger vielen Teilkomponenten zusammensetzen (Krombholz 2009). Die Spezifik einer Technik ergibt sich durch das Handlungsziel, welches durch

408

A. Krombholz

die individuellen Voraussetzungen der Person, die Rahmenbedingungen (z.  B.  Bodenbelag, Wetter, Gegner) und ggf. das Sportgerät bestimmt wird. Sportliche Techniken und Technikelemente Sportliche Techniken verfolgen das Ziel der optimalen Lösung einer (sportlichen) Bewegungsaufgabe in einem spezifischen Kontext (Rahmenbedingungen, Sportgerät). Sie beinhalten die spezifische simultane oder sukzessive Kombination von Teilkomponenten, die als Technikelemente beschreibbar sind und durch interne Dispositionen und Prozesse bestimmt werden.

Koordinative Fähigkeiten Koordinative Fähigkeiten sind relativ verfestigte generalisierte Verlaufsqualitäten von Bewegungen, die auf internen Informationsverarbeitungs-, Steuer- und Regelprozessen basieren. Sie sind die Voraussetzung für die optimale Ausführung ganzer Gruppen sportlicher Techniken und differenzieren sich in Ausrichtung auf die Rahmenbedingungen der Sportarten sowie das Leistungsniveau (Meinel und Schnabel 2007).

8 Die im deutschsprachigen Raum üblichen Differenzierungen zwischen sportmotorischen Fertigkeiten und (koordinativen) Fähigkeiten sind in der Trainingspraxis kaum zielführend abgrenzbar und in einem Kontinuum zwischen der Allgemeinheit bzw. Übertragbarkeit koordinativer Fähigkeiten und der Spezifität von Zieltechniken zu verorten (7 Abschn.  8.4). Somit stehen sportmotorische Fertigkeiten auch in einem unmittelbaren, kaum abgrenzbaren Zusammenhang zu den sportlichen Techniken (. Abb.  8.3). Daher wird in den folgenden Darstellungen lediglich zwischen sportlichen Techniken und koordinativen Fähigkeiten unterschieden. In der englischsprachigen Literatur sind der Gebrauch und die Abgrenzung der Begriffe ähnlich unscharf (sportliche Fertigkeiten = Motor Skills; sportliche Fähigkeiten = Motor Abilities). Den Begriff Sports Technique findet man eher im biomechanischen Kontext.  



..      Abb. 8.3  Ballmitnahme/Dynamic Power Position im Fußballtraining: Training der (koordinativen) Fähigkeiten mittels der sogenannten Agility-Leiter mit dem Ziel einer Verbesserung der (sportlichen) Technik der Ballannahme aus der Bewegung. Die Übergänge zwischen koordinativen Fähigkeiten, Fertigkeiten oder Technik sind fließend. Insbesondere die Unterscheidung zwischen Fertigkeit und (sportlicher) Technik ist kaum trennscharf zu definieren

Aus informationstheoretischer Sicht ist für das Verständnis der internen Dispositionen und Prozesse das Konstrukt einer Bewegungsvorstellung als Grundlage für die Betrachtung

409 Techniktraining

der Steuerung und Kontrolle sportlicher Techniken zielführend, um die internen Aspekte beim Techniktraining als zentrale Instanz abzubilden (7 Abschn. 8.3).  

Bewegungsvorstellung (Synonym: interne Repräsentation der Bewegung) In der Bewegungsvorstellung des Sportlers sind alle ihm zugänglichen impliziten (unbewussten) und expliziten (bewussten) Informationen über den Bewegungsablauf bzw. die sportliche Technik zusammengefasst. Eingeschlossen sind auch die eigenen Bewegungserfahrungen mit unterschiedlichen sensorischen Anteilen (z. B. optisch, akustisch, kinästhetisch), aber auch rein kognitive Aspekte (Grosser und Neumaier 1982; Krombholz 2009).

informationsverarbeitenden Ansätzen der Steuerung und Kontrolle von Bewegungen schlussfolgern (7 Abschn.  8.3): Ist die Bewegungsvorstellung einer handelnden Person komplett und funktional angemessen in Bezug auf die Bewegungsaufgabe bei den herrschenden Umgebungsbedingungen, dann kann man die Bewegung ausführen, sofern es keine internen oder externen Hindernisgründe gibt (z. B. unzureichende physische Voraussetzungen, fehlende Motivation, Krankheit, defektes oder ungeeignetes Material).  

8.2  Bewegungsanalyse und

Technikleitbilder

Einen Überblick der bewegungswissenschaftlichen Betrachtungsweisen sportlicher Technik verschafft . Abb. 8.4. In einem Kontinuum zwischen Außenaspekten und Innenaspekten sportlicher Bewegungen sind auf der linken Seite die morphologischen, biomechanischen und funktionalen Analysen zu verorten, welche in diesem Kapitel im Zusammenhang mit der Ableitung von Technikleitbildern erläutert werden. Auf der rechten Seite der Abbildung finden sich die Erklärungsansätze der Motorik, welche sich auf die internen Dispositionen und Prozesse der Steuerung, Kontrolle und Veränderung sportlicher Techniken beziehen. In 7 Abschn.  8.3 werden exemplarisch die systemdynamischen, informationsverarbeitenden und effektorientierten Erklärungsansätze der Motorik dargestellt.  

Eine Bewegungsvorstellung hat einen sehr komplexen Charakter: In ihr sind alle Aspekte einer Bewegungshandlung mit den kinästhetischen, taktilen, vestibulären, visuellen und auditiven Anteilen sowie der sprachlichen Kodierung derart miteinander verknüpft, dass die zeitlichen und dynamischen Relationen der Bewegung als Gesamtbild repräsentiert sind. Die Modalitäten können, vor allem in Bezug auf die visuellen Aspekte, außenorientiert sein (Außensicht) oder aus der Innensicht heraus erfolgen (Meinel und Schnabel 2007). Meist entsteht beim Erwerb der Grundstruktur einer Technik zunächst eine Vorstellung aus der Außensicht ohne wesentliche Bewegungsempfindungen (z.  B. beim Betrachten von Sollwerten). Im weiteren Trainingsprozess bildet sich die Innensicht aufgrund der Wahrnehmung und Verarbeitung bewegungsbegleitender sensorischer Informationen heraus, welche auch als Bewegungsgefühl bezeichnet wird. Demnach kann man für das Trainieren sportlicher Techniken in Ausrichtung an den

8



Morphologie Lehre von der äußeren Form bzw. Gestalt von Dingen und Erscheinungen. In der sportlichen Praxis übliche Betrachtungsweise des äußeren Bewegungsablaufs (Meinel und Schnabel 2007).

410

A. Krombholz

..      Abb. 8.4 Bewegungswissenschaftliche Betrachtungsweisen sportlicher Techniken (nach Roth und Willimczik 1999; Krombholz 2009; Hossner et al. 2013)

Bewegungsmerkmale

informationsverarbeitende Ansätze

funktionale Analysen

biomechanische Analysen

Sportliche Techniken

morphologische Analysen

Ansätze der Effektkontrolle

Innenperspektive

Außenperspektive

Dispositionen & Prozesse

systemdynamische Ansätze

Steuerung, Anpassung und Veränderung sportlicher Techniken

8

..      Abb. 8.5  Unterschiedliche Körperpositionen in derselben Phase der Technik Kurzschwung beim alpinen Skilauf

Die optimale Realisierung einer sportlichen Technik bildet sich in der Zieltechnik ab, welche im Extremfall für jeden Sportler individuell und situativ bestimmt werden muss (Neumaier 1997) und von nachstehenden Faktoren abhängig ist: 55 Voraussetzungen des Sportlers (anthropometrische, physische, psychische) 55 Rahmenbedingungen 55 ggf. Sportgerät 55 (sport-)medizinische, gesundheitliche Aspekte 55 Ausrichtung der Technik am Bewegungsziel 55 koordinative und sportartspezifische Anforderungen 55 konditionelle Anforderungen 55 psychische Anforderungen

Zieltechnik Die Zieltechnik ist die situative Anpassung der sportlichen Technik an die individuellen Voraussetzungen des Sportlers. Sie lässt qualitative und quantitative Veränderungen eines allgemeinen Technikleitbildes bzw. Sollwerts nicht nur zu, sondern kann diese ausdrücklich erforderlich machen (Martin et al. 1991; Neumaier 1997; Neumaier und Krug 2003; Krombholz 2009).

Zieltechniken weisen somit immer eine gewisse inter- und intraindividuelle Bandbreite auf (. Abb. 8.5). Loosch (2002) spricht in diesem  

411 Techniktraining

Zusammenhang von der Dialektik zwischen Variabilität und Stabilität. So kann sich Stabilität bei Bewegungen ungünstig auswirken, wenn Variabilität zum Beispiel in Anpassung der Technik auf wechselnde Umgebungsbedingungen (z. B. Wind, Wellen, gegnerische Spieler) angebracht wäre. Genauso müssen jedoch bestimmte Aktionen und Funktionen auch bei variablen Umgebungsbedingungen stabil sein, um ein optimales Resultat der Bewegung zu erzielen. Loosch (2002) formuliert einen Klassifikationsansatz von Variabilität, der die nachstehenden unterschiedlichen Funktionen von Variabilität voneinander abzugrenzen versucht: 55 Variabilität als Fehler 55 Variabilität als Anpassung 55 Variabilität als Kompensation 55 Variabilität als Prinzip der Bewegungssteuerung 55 Variabilität als Prinzip des Erwerbs und der Optimierung sportlicher Techniken Variabilität ist somit offenbar ein spezifischer Ausdruck der Flexibilität, Individualität und Anpassungsfähigkeit des Menschen und damit von großem Interesse für die Sport- und

..      Abb. 8.6 Technikdarstellung als Serienbild-­Montage (Foto: DSV 2012, S. 29)

8

Trainingspraxis. Abweichungen bzw. Streuungen der Bewegung besitzen möglicherweise auch eine Art Erkenntnisfunktion in der Orientierung des Sportlers innerhalb der Ausführungsbedingungen einer Bewegung und sind somit grundlegend für die Entwicklung von stabilen Resultaten. Daher stellt beim Techniktraining die Abgrenzung von Fehlern zu notwendigen bzw. tolerablen Variationen von Merkmalsausprägungen eine wesentliche Herausforderung bei der Beurteilung der Istwerte sportlicher Techniken in der Ausrichtung an Sollwerten dar (Schöllhorn et al. 2015). 8.2.1

 rmittlung und Ableitung E von Technikleitbildern und Sollwerten

Ein Technikleitbild bzw. ein Sollwert fokussiert vornehmlich auf die Aspekte der Außensicht und kann in Form von Bildreihen (. Abb. 8.6), Videosequenzen oder auch live, z.  B. durch den Trainer, erfolgen und ggf. mit unterschiedlichen Zusatzinformationen versehen werden (z.  B. grafische Verdeut 

412

A. Krombholz

Technikleitbild (Synonyme: sporttechnisches Leitbild, Technikmodell)

lichung von Gelenkwinkeln). Technikleitbilder haben sich im Kontext des Techniktrainings etabliert, um eine Orientierung für eine Idealtechnik zu schaffen, die zum Beispiel als Sollwert in Lehrwerken abgebildet wird (Neumaier und Krug 2003). Jedoch ist nach dem derzeitigen Kenntnisstand die detaillierte Darstellung einer universellen Idealtechnik, welche sich in einem Technikleitbild widerspiegelt, kaum definierbar, sondern bestenfalls für ein abstraktes Universalindividuum bei weitgehend standardisierten Bedingungen näherungsweise bestimmbar (Krombholz 2009).

Ein Technikleitbild beschreibt die Vorstellung über das nach momentanem Wissensstand optimale Lösungsverfahren einer sportlichen Bewegungsaufgabe als personenunabhängige Vorgabe für das Techniktraining. Das Technikleitbild beschreibt somit die relativ beste, nicht aber die absolut beste Ausführungsform eines sportartspezifischen Bewegungsablaufs für ein abstraktes Universalindividuum bei weitgehend standardisierten Bedingungen (Nitsch und Neumaier 1997).

Sollwerte lassen sich in einem Kontinuum zwischen einem allgemeinen Technikleitbild und einer spezifischen Zieltechnik verorten (. Abb. 8.7). Eine Sollwertdarstellung richtet

8



Technikleitbild

Zieltechnik

Sollwert Rahmentrainingsplan Nachwuchsförderung

Sollwert Lehrplan Sport Schule

..      Abb. 8.7  Verortung von Sollwerten in einem Kontinuum zwischen einem personenunabhängigen Technikleitbild und der individuellen Zieltechnik

(Fotos: Andrea Bowinkelmann, © Landessportbund Nordrhein-Westfalen)

413 Techniktraining

Regelwerk Systematische Beobachtung und Analyse sportlicher Techniken von Spitzensportlern und Freizeitsportlern Praktisch-methodische Erfahrungen und/oder Plausibilitätsbetrachtungen von Lehrern und Trainern Funktionale Analysen sportlicher Technik Morphologische und biomechanische Analysen sowie mathematische Modellierungen sportlicher Technik

..      Abb. 8.8  Vorgehensweisen bei der Ableitung von Technikleitbildern und Sollwerten

sich demnach mehr oder wenig stark an den Voraussetzungen der Sportler, der Sportgeräte und/oder der Umgebungsbedingungen aus und kann daher kaum exakte (nummerischen) Merkmale als Grundlage für das Techniktraining, sondern lediglich einen Orientierungsbereich liefern (Neumaier und Krug 2003). Vor diesem Hintergrund ist für das Techniktraining eine unreflektierte Übernahme von Technikdarstellungen aus Lehrwerken oder anderen Quellen wenig angemessen. Vielmehr bedarf es ihrer kritischen Überprüfung in Ausrichtung auf die Adressaten und die Rahmenbedingungen der Sportart. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, welche prinzipiellen Vorgehensweisen bei der Ableitung bzw. Ermittlung von Technikleitbildern unterschieden werden können . Abb.  8.8 (Roth 1996; Neumaier 1997; Neumaier und Krug 2003; Krombholz 2009). In vielen Sportarten hat das Regelwerk einen erheblichen Einfluss auf die sportliche Technik und damit auch auf die Entwicklung von Technikleitbildern. Diese Reglementierungen können sich auf das Material (z.  B.  Hockey, Ski alpin) oder auch auf Kriterien der Bewegungsausführung beziehen  

8

(z.  B.  Hochsprung: einbeiniger Absprung, Langlauf klassische Technik: Schlittschuhschritte sind verboten, Basketball: Schrittregel). Bei einer Ableitung von Technikleitbildern auf der Basis der Beobachtung und Analyse der Techniken von Spitzensportlern erfordern die besonderen athletischen und sportartspezifischen Voraussetzungen der Spitzensportler ggf. eine zielgruppenspezifische Anpassung der erfassten Merkmale für die Darstellung eines Technikleitbildes. Des Weiteren findet sich gerade im Hochleistungsbereich eine zum Teil starke interindividuelle Streuung von sportlichen Techniken bei gleichen Bewegungsaufgaben wieder. Diese müsste bei der Bestimmung von Techniksollwerten berücksichtigt werden. Zudem wäre es auch möglich, sportliche Techniken der jeweiligen Zielgruppen zu analysieren (z.  B.  Freizeitsportler, jugendliche Sportler). Jedoch muss man bei dieser Vorgehensweise von einer stark ausgeprägten interund darüber hinaus auch intraindividuellen Streuung der sportlichen Techniken ausgehen. Daher müssten größere Stichproben für die Bewegungsanalyse zugrunde gelegt werden. Praktisch-methodische Erfahrungen sowie Plausibilitätsbetrachtungen von Lehrern, Lehrbuchautoren und Trainern können die anderen Verfahren ergänzen oder auch die alleinige Grundlage für die Ermittlung von Techniksollwerten in einer Sportart sein. Dies ist vor allem in Sportarten der Fall, in denen noch wenig gesicherte biomechanische Befunde vorliegen. In diesem Zusammenhang hat sich herausgestellt, dass eine systematische Koordinierung von Expertenwissen hilfreich ist, um die Erkenntnisse aus den vielfach subjektiven Plausibilitätsbetrachtungen zusammenzuführen und abzustimmen (Krombholz 2009).

414

A. Krombholz

Exkurs: Modellierung von Technikleitbildern durch qualitative Bewegungsanalysen von Freizeitsportlern Bei der Ableitung von Technikleitbildern kann auch eine Analyse sportlicher Techniken durch systematische Bewegungsanalysen (größerer Stichproben) zu verwertbaren Erkenntnissen führen (Krombholz 2009). Eine vorausgehende Bestimmung maßgeblicher Merkmale auf der Basis von Plausibilitätsbetrachtungen und/oder biomechanischer Erkenntnisse wäre für eine Fokussierung auf ausgewählte Merkmale bei den Bewegungsanalysen zielführend. Jedoch sind derartige Verfahren sehr aufwendig, da man größere Stichproben anstreben müsste, um die externe Validi-

tät der Erkenntnisse zu gewährleisten. So konnten beispielsweise im Rahmen von Analysen der Technik Kurzschwung im alpinen Skilauf (n = 560), bei der 35 Bewegungsmerkmale erfasst wurden, mithilfe einer konfirmatorischen Faktorenanalyse vier latente Faktoren (Körperhaltung, Skistellung, Skisteuerung, Spurbild) mit jeweils drei Items personenunabhängig und situationsunspezifisch im Sinne eines Technikleitbildes identifiziert werden (. Abb. 8.9, Herrmann et al. 2017).  

Körper

8

.97

Oberkörper

.84

Talkonstanz

.80 .69

.76

Stellung

.71

.96

Skistellung

.96

Skibreite

.92

Unterschenkel

.69 .97 .89

Steuer

.65

.65 .58

.90

1.00 Fahrt

Arme

.86 .80

Skienden Druck Kanten Rhythmus Korridor Tempo

..      Abb. 8.9  Ableitung eines Technikleitbildes Kurzschwung auf der Basis der Analyse von Freizeitsportlern (Herrmann et al. 2017; Foto: Kililan Kimmeskamp)

8

415 Techniktraining

8.2.2

Funktionale Analysen sportlicher Technik

Ein weiteres Verfahren, welches sich als sehr praktikabel erwiesen hat, stellt die deduktive Ermittlung von Strukturen sportlicher Techniken dar. Dieses ist ebenfalls in Ergänzung zu den anderen aufgezeigten Verfahren zu sehen und stützt sich unter anderem auf die Erfassung grundlegender Strukturen sportlicher Bewegung sowie die funktionale Belegung von Bewegungsmerkmalen. Funktionale Betrachtungsweisen fassen menschliche Bewegungen als zielgerichtete Handlungen auf, bei denen jede einzelne Aktion eine zweckhafte, sinnbezogene (Teil-) Leistung zur Bewältigung vorgegebener Situations- oder Problemkonstellationen darstellt

(Wollny 2007). Der Kern einer solchen Herangehensweise ist nach Göhner (1992) dadurch charakterisiert, dass man nach den Bestandteilen bzw. den Technikelementen einer sportlichen Technik sucht, die wesentlich zum Erreichen des Bewegungsziels beitragen. Diese Bestandteile machen die funktionalen Elemente bzw. Funktionsphasen aus, die sich ggf. hierarchisch ordnen lassen (z. B. Absprung bei einem Salto vorwärts). Alle Bewegungsphasen erfüllen eine bestimmte Teilfunktion und sind durch funktionale Beziehungen miteinander verknüpft. Diese Phasenstruktur stellt auch eine zeitliche Gliederung dar (Meinel und Schnabel 2007). Bei azyklischen Bewegungen geht man von einer Dreiteilung aus, die bei komplexen Bewegungen noch weiter unterteilt werden kann.

Beispiel: Grundstruktur der sportlichen Technik Handstützüberschlag Für die azyklische Technik eines Handstützüberschlags zeigt . Abb. 8.10 exemplarisch eine ablauforientierte Grundstruktur. Trotz der zeitlich strukturierten, ablauforientierten Ausrichtung können funktionale Zusammenhänge über  

V2

V1 Anlaufen

Anhüpfen

ursächliche Beziehungen zwischen den Phasen spezifiziert werden. Aufgrund der komplexen Phasenstruktur der Technik ist eine Unterteilung der Vorbereitungsphase und der Hauptphase geboten.

V3

H1

Absenken

Handstütz

Vorbereitungsphase

H2 Überschlag

Hauptphase

Aufkommen

Endphase

..      Abb. 8.10  Grundstruktur einer sportlichen Technik am Beispiel eines Handstützüberschlags

416

8

A. Krombholz

In Erweiterung dieser Grundstruktur mit funktionsbezogenen Untergliederungen entwickelt Göhner (1992) ein Funktionsphasenkonzept, welches eine differenzierte Analyse auch sehr simultankomplexer Techniken ermöglicht. Göhner (1992) geht davon aus, dass bestimmte Phasen oder Elemente einer Bewegung generell auch spezifische Funktionen erfüllen müssen, um sie als eigenständig herauszuheben. Die Funktionen können im Hinblick auf das Bewegungsziel oder auch in Bezug auf andere Phasen gegeben sein. Diese funktionstragenden Bestandteile werden als grundlegende Analyseeinheiten der sportlichen Bewegung angesehen und Funktionsphasen genannt. Der Ansatz von Göhner (1979, 1992, 2002) ist durch die Wozu-Frage geprägt und beinhaltet als Schwerpunkt die Funktionsanalyse der sportlichen Techniken. Eine Funktionsanalyse soll die zweckgerichteten Bestandteile (Aktionen) aufdecken, um diesen anschließend Funktionen zuzuordnen. Göhner (2002) unterteilt die Analyse in drei Erkenntnisschritte: 1. Analyse der Bewegungsaufgabe und der Rahmenbedingungen 2. (objektive) Erfassung der Bewegung 3. funktionale Belegung der funktionalen Bestandteile

..      Abb. 8.11  Teilbereiche der Bewegungsstruktur sportlicher Techniken (Grundstruktur, Feinstruktur)

8.2.3

Morphologische und biomechanische Analysen sportlicher Technik

Betrachtet man sportliche Techniken vor dem Hintergrund der morphologischen und biomechanischen Bewegungsanalyse zur Erfassung von Technikmerkmalen, so lassen sich daraus zwei Anwendungsfelder ableiten (Grosser und Neumaier 1982): 55 Ableiten, Analysieren und Vergleichen von Technikleitbildern und Sollwerten 55 Analysieren des momentanen Entwicklungsstandes des Bewegungsniveaus eines Sportlers im Trainingsprozess (personenspezifische und situative (Ziel-) Technik) Bei der Analyse von Bewegungsstrukturen sollte neben der Ermittlung der funktionalen Grundstruktur der Technik auch die Feinstruktur erfasst werden, um daraus wesentliche Bewegungsmerkmale differenziert ableiten und/oder messen zu können. Eine detaillierte Analyse der Feinstruktur sportlicher Techniken beinhaltet die Erfassung qualitativer und quantitativer Bewegungsmerkmale (. Abb. 8.11 und 8.12).  

Grundstruktur der sportlichen Technik

Funktionsphasenkonzept

Feinstruktur der sportlichen Technik Qualitative Bewegungsmerkmale … quantitative Bewegungsmerkmale Merkmale des Sportlers und ggf. des Sportgerätes Merkmale des Resultats

8

417 Techniktraining

Feinstruktur einer sportlichen Technik

elementar

komplex

Qualitative Merkmale Bewegungsrhythmus

Quantitative Merkmale

Bewegungskopplung - Phasenverschiebung - Schwungübertragung - Rumpfeinsatz - Kopfsteuerung

Kinematische Merkmale

Dynamische Merkmale

translatorisch/ rotatorisch

translatorisch/ rotatorisch Masse

Bewegungsfluss

Bewegungsumfang

Längenmaße Zeitmaße

Kraft

Bewegungspräzision

Bewegungsstärke

Lagemerkmale

Impuls

Geschwindigkeiten



Bewegungskonstanz

Bewegungstempo

Beschleunigungen …

..      Abb. 8.12  Qualitative und quantitative Bewegungsmerkmale (mod. nach Meinel und Schnabel 2007; Krombholz 2009)

Analysen der Feinstruktur sportlicher Techniken können mit mehr oder weniger aufwendigen Messverfahren durchgeführt werden. Schon Grosser und Neumaier (1982) machen deutlich, dass es erhebliche Überschneidungen bezüglich der differenzierten Feinstruktur einer Bewegung gibt. So lassen sich beispielsweise zwischen den qualitativen Merkmalen Bewegungspräzision, Bewegungstempo und Bewegungsumfang bei deren Operationalisierung direkte Verbindungen zu den kinematischen Längenmaßen, Zeitmaßen, Lagemerkmalen und Geschwindigkeitsmerkmalen sowie den Beschleunigungen herstellen (. Abb. 8.12). Liegt ein ausgewogenes, funktionales Verhältnis in der Ausprägung aller Merkmale vor, so ist die sportliche Technik effizient (quantitativ) und/oder wirkt als Ganzes harmonisch (qualitativ; Meinel und Schnabel 2007). Vor allem die sogenannten elementaren qualitativen Bewegungsmerkmale können ohne großen messtechnischen Aufwand beschrieben und beispielsweise im  

Training beurteilt werden. Die Analyse erfordert jedoch Erfahrung und Wissen über die Bewegungsstruktur, die der Beobachtung unterzogen wird (Loosch 1999). Eine solche morphologische Betrachtungsweise von Bewegungen ist gleichermaßen beschreibend und erklärend. Roth und Willimczik (1999) heben die nach wie vor große Bedeutung des morphologischen Ansatzes in der Sportpraxis hervor und bescheinigen ihm, mit einer Ausrichtung auf die äußere Struktur der Bewegung, ein tragfähiges Konzept für Bewegungsanalysen darzustellen, obwohl aufgrund der fortschreitenden digitalen Technologien komplexe biomechanischen Analysen mit überschaubarem finanziellem und organisatorischem Aufwand in der Trainingspraxis einsetzbar sind. Trotzdem sollte stets eine Abwägung zwischen Kosten/Aufwand und Nutzen erfolgen, um einer inflationären Verankerung von digitalen Hilfsmitteln im Techniktraining vorzubeugen. Andererseits können sehr komplexe und schnelle sportliche Bewegungen nur unzurei-

418

A. Krombholz

chend durch das bloße Auge in allen Details erfasst werden. Eindimensionale Videoanalysen (z. B. in Super Slow Motion) liefern hierzu zwar wichtige Hilfestellungen, ermöglichen jedoch nicht die Ableitung von umfangreichen quantitativen kinematischen Größen. Folglich können zur biomechanischen Bewegungsanalyse zusätzlich Verfahren der dreidimensionalen Bewegungserfassung eingesetzt werden. Diese ermöglichen es, auch komplexe menschliche Bewegungen in computergenerierte mathematische Modelle zu überführen. Die Aufzeichnung von dreidimensionalen Bewegungen kann mittels optischer Verfahren, Infrarot, Ultraschall, magnetischer oder inertialer Verfahren erfolgen (Menache 2000). Neben der häufig

8

angewandten markerbasierten (optischen) Methode, bei der reflektierende Marker auf die Haut des Probanden geklebt werden (. Abb. 8.13b), kommen in jüngster Vergangenheit durch den technologischen Fortschritt auch immer mehr markerlose Motion-Capturing-Systeme zum Einsatz (Abrams et al. 2011). Somit werden entweder die Silhouette eines Athleten oder die reflektierenden Markerpunkte vom Hintergrund extrahiert und in ein mathematisches Modell des Menschen integriert. Anschließend können vielfältige Segmentcharakteristika und kinematische Parameter (z. B. Gelenkwinkelstellungen, Bewegungsumfänge sowie Rotations- und Segmentgeschwindigkeiten) aus diesem Modell berechnet werden (Wollny 2007).  

Beispiel: Der schnelle Arm im Tennis Im Rahmen eines vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) geförderten Projekts mit dem Kurztitel TenServe – der schnelle Arm im Tennis erfolgten umfangreiche kinematische Bewegungsanalysen der Aufschlagbewegung im Tennis. Zur Vorbereitung wurden Ranglistenspieler mit 90 reflektierenden Markern an definierten Gelenkpunkten beklebt (. Abb. 8.13b). Mithilfe eines markerbasierten Motion-Capturing-Systems, bestehend aus acht Infrarotkameras, wurden anschließend verschiedene Aufschlagtechniken aufgezeichnet, dreidimensional modelliert und hinsichtlich kennzeichnender kinematischer Parameter analysiert (. Abb. 8.13a). Die Ergebnisse einer vergleichenden Betrachtung von schnellen und langsamen Aufschlägern zeigen eine größere Lateralflexion des Rumpfes (Vorbereitungs 



..      Abb. 8.13 Nachwuchstennisspieler nach der Fixierung reflektierender Marker b und Beispiel für die Modellierung eines Spielers in der sogenannten Trophy Position bei maximaler Knieflexion und Lateralflexion des Rumpfes a (https://doi. org/10.1007/000-053)

a

phase) sowie höhere Winkelgeschwindigkeiten in der Knieextension des hinteren Beins, der Schulterinnenrotation und der Ellenbogenextension (Beschleunigungsphase) bei der schnelleren Aufschlaggruppe. Darüber hinaus wurde die Kinematik der Aufschlagbewegung im Seitenvergleich (Aufschläge von der Einstand-Seite bzw. Vorteil-Seite) untersucht. Dabei wurde deutlich, dass die Spieler von rechts und links erstaunlicherweise zwei völlig unterschiedliche Aufschlagbewegungen realisieren. Dies liegt daran, dass die Spieler ihre Ausgangsposition nur unzureichend an die veränderte Zielperspektive anpassen und ihre Fußposition fälschlicherweise an der Grundlinie ausrichten. Die identifizierten Ergebnisse werden für die Trainingsmethodik aufbereitet und an die Sportpraxis vermittelt.

b

419 Techniktraining

8.3  Biologische Grundlagen und

Modelle des Techniktrainings

Geht man von einem weitreichenden Verständnis der Sportmotorik als Teildisziplin der Bewegungswissenschaft aus, so werden dort die Perspektiven von Dispositionen und Prozessen der motorischen Kontrolle, des motorischen Lernens und der motorischen Entwicklung gleichermaßen berücksichtigt. Sportmotorik Die Sportmotorik befasst sich aus einer funktionalen Perspektive mit den internen Dispositionen und Prozessen der Bewegungskontrolle sowie deren Veränderungen auf verschiedenen Zeitskalen im Kontext der motorischen Kontrolle, des motorischen Lernens sowie der motorischen Entwicklung (Hossner et al. 2013).

Im sportwissenschaftlichen Kontext stehen unterschiedliche Modelle zur Kontrolle und Steuerung von Bewegungen sowie zum motorischen Lernen weitgehend isoliert nebeneinander und führen zu einem Argumentationswettstreit, der nicht selten in einem überzogenen Absolutheitsanspruch mündet (Birklbauer 2006). Der Verfasser teilt die Auffassung von Roth und Willimczik (1999), dass es keine guten oder schlechten und auch keine allein richtigen und falschen Konzepte, Modelle bzw. Theorien gibt. „Jede Perspektive leistet vielmehr einen eigenständigen und wertvollen Beitrag zur Aufklärung der sportbezogenen Bewegungsphänomene. Welche theoretischen Vorgehensweisen und welche Methoden im Einzelfall angemessen sind, hängt vor allem davon ab, was analysiert werden soll, d. h. worauf sich das Forschungsinteresse richtet“ (Roth und Willimczik 1999, S. 12). Bei der Realisierung sportlicher Techniken finden auf der Grundlage interner Dispositio-

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nen neurophysiologische Prozesse und Anpassungsvorgänge statt, die zu mechanischen Resultaten führen. Daher werden im Folgenden zunächst die neurophysiologischen Aspekte beim Lernen und Ausführen sportlicher Aspekte überblicksartig skizziert. Anschließend werden exemplarisch Aspekte von informationsverarbeitenden, systemdynamischen und effektorientierten Ansätzen dargestellt. 8.3.1

 iologische Grundlagen der B Motorik und des motorischen Lernens

Koordinierte Bewegungen und somit auch sportliche Techniken basieren auf einem abgestimmten Zusammenspiel von Nervensystem und Muskulatur unter den gegebenen Umständen. Um die neuronale Kontrolle von Motorik zu verstehen, kann man in Anlehnung an Scott (2008) zunächst eine Grobeinteilung vornehmen: Das Nervensystem entspricht der Steuerund Kontrollinstanz, während die Muskulatur die ausführende Einheit darstellt. Das Nervensystem selbst kann wiederum in einen willentlich kontrollierbaren Teil und weitere unwillkürliche Bereiche unterteilt werden (Konczak 2003). Der willentlich kontrollierbare Teil des Nervensystems zur motorischen Kontrolle entspricht den motorischen Arealen im Gehirn, alle weiteren involvierten Teile des zentralen (z.  B.  Kleinhirn, Rückenmark) und des peripheren (z.  B. somatosensorische Rezeptoren) Nervensystems werden den unwillkürlichen Bereichen zugeordnet. Stark vereinfacht dargestellt, laufen von der Planung bis zur Ausführung einer koordinierten Bewegung folgende Prozesse ab: Im prämotorischen und supplementär-motorischen Kortex werden unter Beteiligung weiterer Gehirnareale Bewegungshandlungen geplant und initiiert, bevor vom primären motorischen Kortex ein entsprechender motorischer Befehl an die Muskulatur gesendet wird.

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A. Krombholz

Dieser Befehl wird vom Motorkortex über den Hirnstamm und die Pyramidenbahn zum Rückenmark geleitet und gelangt über die absteigenden Nervenbahnen des Rückenmarks zu den motorischen Nervenzellen (α-Motoneurone). Über ihre Nervenzellfortsätze (Axone) sind die α-Motoneurone direkt mit den Muskelfasern verbunden und übertragen den motorischen Befehl über die motorischen Endplatten letztendlich auf die Muskulatur. Diese Prozesse werden auch als motorische Steuerung, Feedforward-Kontrolle oder OpenLoop bezeichnet. Allerdings laufen parallel zur Bewegungssteuerung weitere Prozesse ab, die der Feinjustierung und Kontrolle von Bewegungshandlungen dienen. So sendet der Motorkortex seinen motorischen Befehl nicht nur über das Rückenmark und die α-Motoneurone zur Muskulatur, sondern gleichzeitig auch zu verschiedenen anderen Gehirnarealen. Dies sind die Schleifen Motorkortex-Stammhirn (Basalganglien)-Zwischenhirn (Thalamus) sowie Motorkortex-Kleinhirn (Cerebellum)-Zwischenhirn. Diese Schleifen dienen dazu, die Bewegungsrichtung und -amplitude (Stammhirn) sowie die motorische Feinkoordination (Kleinhirn) zu optimieren. Zusätzlich liefern zahlreiche somatosensorische Rezeptoren (z. B. Muskelspindeln) in der Peripherie während und nach der der Bewegungsausführung Rückmeldungen zum somatosensorischen Kortex und tragen somit zur neuronalen Kontrolle von Bewegungen bei, sofern die Bewegungsdauer nicht zu kurz ist. Die beschriebenen Prozesse nennt man Regelung, Feedback-Kontrolle oder Closed-loop. Lernen allgemein und somit auch motorisches Lernen basiert auf neuronaler Plastizität und der langfristigen Abspeicherung von Informationen im Gehirn. Sensorische Erfahrungen werden dabei zunächst im Kurzzeitgedächtnis abgelegt, bevor diese

infolge eines Konsolidierungsprozesses im Langzeitgedächtnis abgespeichert werden. Neuronal drückt sich Gedächtnis als Aktivitätsmuster oder -verhältnis der beteiligten Neurone aus. Gedächtnisbildung im Zuge von (motorischen) Lernprozessen kann folglich dadurch entstehen, dass sich das Input-­ Output-­ Verhältnis der beteiligten Neurone verändert. Dabei verändert sich zunächst die Übertragung von Information an den Synapsen: Synapsen speichern also Erinnerungen. Diese veränderte Übertragung basiert sowohl auf Verstärkung (Langzeitpotenzierung) als auch Schwächung (Langzeitdepression) synaptischer Übertragung. Damit diese Veränderungen nicht wieder verloren gehen, sondern langfristig abgespeichert (d.  h. im Langzeitgedächtnis konsolidiert) werden, bedarf es neben den genannten funktionellen auch strukturellen Veränderungen. Das bedeutet, dass während der Phase der Gedächtniskonsolidierung, wenn das Kurzzeitgedächtnis in ein Langzeitgedächtnis umgewandelt wird, neue Proteine synthetisiert werden müssen. Durch die Bildung neuer Proteine an den modifizierten Synapsen wird also gewährleistet, dass die temporären Veränderungen an den Synapsen langfristig beibehalten werden. Ein weiterer Mechanismus besteht darin, dass durch die Synthese neuer Proteine neue Dendriten und Synapsen gebildet oder bestehende Synapsen zerstört werden. Die Ausbildung eines Langzeitgedächtnisses bedeutet also Synthese neuer Proteine und Ausbildung neuer neuronaler Schaltkreise (. Abb.  8.14; zum vertiefenden Studium s. Engel 2018, 7 Kap.  25). Es wird angenommen, dass die neuronalen Veränderungen beim motorischen Lernen eng mit einer phasischen Dopaminausschüttung verknüpft sind, die vor allem durch überraschende Bewegungserfolge und/oder unerwartete Belohnungen ausgelöst werden (Beck und Beckmann 2010).  



421 Techniktraining

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neue Synapse alte Synapse neue Synapse neue Synapse noch neue Synapse gebildet geht verloren gestärkt vorhanden, aber geschwächt gestärkt c e b d Axon a Dendrit Synapsen Axone Ausgangssituation

neue Erfahrung/ Erfahrung/Training über Lernen einen längeren Zeitraum

Eliminierung der Erfahrung

Erfahrung wiederholt/ Neulernen

..      Abb. 8.14  a–e Umbildung von Synapsen in der Großhirnrinde durch Lernen und Gedächtnis (nach Engel 2018, 7 Kap. 25, S. 972)

Ebenso wie bei der neuronalen Steuerung und Kontrolle von Bewegungshandlungen sind bei den neuronalen Vorgängen motorischen Lernens verschiedene Bereiche und Instanzen des Nervensystems involviert. So treten funktionelle und strukturelle Anpassungen im motorischen und somatosensorischen Kortex, im Kleinhirn sowie im Stammhirn auf (Seidler 2010; Buch et al. 2017). Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass neuronale Plastizität nicht nur die Nervenzellen (graue Substanz), sondern auch die Nervenbahnen bzw. -fasern (weiße Substanz) betrifft (Steele und Zatorre 2018). In Zusammenhang mit der Ausbildung neuer Verschaltungen im Motorkortex spricht man auch von kortikaler Plastizität und kortikalen Karten. Kortikale Karten bezeichnen Gehirnareale, die bei der Ausführung bestimmter Bewegungshandlungen eine erhöhte Aktivität aufweisen, sodass man davon ausgeht, dass es sich hierbei um spezifische neuronale Netze handelt. In diesem Zusammenhang konnte beispielsweise gezeigt werden, dass ein dreimonatiges Jongliertraining zu strukturellen Veränderungen in den Gehirnbereichen führte, die für visuomotorische Aufgaben zuständig sind (Draganski et  al. 2004). Ebenso führten 40 Stunden Golftraining bei 40-60-jährigen Anfängern zu einer Zunahme an grauer Substanz in den aufgabenspezifischen Hirnarea-

len (Bezzola et  al. 2011). Allerdings treten Anpassungen im Rahmen von motorischen Lernen nicht nur im Gehirn, sondern auch hinsichtlich der Rekrutierung und Frequenzierung der spinalen, d.  h. im Rückenmark gelegenen α-Motoneuronen auf (Del Vecchio et al. 2019). 8.3.2

Informationsverarbeitende Ansätze

Die Grundannahme der informationsverarbeitenden Ansätze (Synonyme: kognitive Ansätze, informationstheoretische Ansätze) ist die Steuerung und Kontrolle von Bewegungen durch eine zentrale, höhere Instanz (z. B. motorischer Kortex). Schmidt (1975) und Schmidt und Lee (2011) führen in der Schematheorie (Synonym: Theorie generalisierter motorischer Programme) die Ansätze der Programmtheoretiker (Open-Loop-Kontrolle, z.  B.  Keele 1968) und der Regelkreistheorien zusammen (Closed-Loop-Kontrolle z. B. Adams 1971; Meinel und Schnabel 1976). Grundlagen: 55 (Allgemeine) Motorikprogramme werden durch zeitlich strukturierte Impulse an die relevanten Muskelgruppen (Impuls-­ Timing-­Hypothese) für eine Klasse von

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A. Krombholz

Bewegungen definiert. Als Invarianten werden die Sequenzierung (Reihenfolge der Muskelkontraktionen), die relative Impulsdauer und die relative Impulsstärke (der Krafteinsatz) unterschieden (z. B. Klasse der Wurfbewegungen, Handstütz-Überschläge). 55 Ein (allgemeines) Motorikprogramm wird in Ausrichtung auf eine Zieltechnik, in Abhängigkeit von der Intention sowie den Ausgangsbedingungen, durch die Anpassung der dynamischen und zeitlichen Parameter spezifiziert (spezifische Programmvariante, z. B. in der Anpassung der Wurfweite). 55 Weitere Parameter eines (allgemeinen) Motorikprogramms, welche eine variable Spezifizierung erfahren könnten, sind die Muskelauswahl und damit auch die Richtung der Aktivität (z. B. rechte oder linke Hand, Wurf über Kopf oder seitlich vom Körper). 55 Bei Bewegungen von sehr kurzer Dauer ( 200 ms: Closed-Loop) werden nach, aber auch während der Bewegungsausführung (Bewegungsergebnis, sensorische Informationen) regelhafte Beziehungen zwischen den Motorikprogrammen und den spezifischen Programmparametern in Bezug zu der Intention, den Ausgangsbedingungen und den erwarteten

sensorischen Wahrnehmungen gebildet (Bewegungsgefühl). Bei zukünftigen Versuchen kann dann direkt auf die Parametrisierung sowie die erwarteten sensorischen Wahrnehmungen zugegriffen werden (Recognition-Memory, Wiedererkennungsgedächtnis). Folgerungen für die Trainingspraxis: 55 Bewegungen von kurzer Dauer ( 200 ms) erfahren Bewegungsanpassungen durch einen Sollwert-Istwert-Vergleich auch während der Bewegungsausführung. Beispiel: Handstand, Standwaage. 55 In Bezug auf das Entscheidungsverhalten im Sport muss zunächst ein bestimmtes generalisiertes Motorikprogramm bestimmt werden (Was-Entscheidung), bevor die Programmvariante in Ausrichtung auf die Intention sowie die Ausgangsbedingungen festgelegt wird. Beispiel: Soll beim Volleyball der Ball über das Netz gespielt werden, muss zunächst die Technik bestimmt werden (Pritschen oder Angriffsschlag), bevor z. B. die Richtung und die Ballgeschwindigkeit spezifiziert werden. 55 Externe Rückmeldungen zum Bewegungsergebnis und/oder Bewegungsablauf können die internen Rückmeldungen des Sportlers ergänzen, um die regelhaften Beziehungen zwischen den allgemeinen motorischen Programmen, den Programmparametern und den erwarteten sensorischen Wahrnehmungen zu bilden. Beispiele: Videofeedback, Korrekturen durch den Trainer, biomechanische Zusatzinformationen.

423 Techniktraining

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 raxistipp: Vereinfachungsprinzipien beim Techniktraining (Technikerwerbstraining; Wiemeyer P und Wollny 2017)

Die nachstehend aufgezeigten Vereinfachungsprinzipien basieren auf den Vorstellungen der Informationsverarbeitungsansätze, zum Beispiel der Schematheorie (Schmidt 1975), und sind die Grundlage für die Gestaltung von Übungsreihen: 55 Programmverkürzung (Verringerung der Bewegungskomplexität): Weitsprung-Absprung 55 Verringerung der Programmbreite (Verringerung der Bewegungsorganisation): Rudern ohne Schlitten 55 Vereinfachungsprinzip der Unterstützung der strukturellen, nicht austauschbaren Bewegungsmerkmale (orientierungs- und/ oder bewegungsunterstützende Maßnahmen): akustische Absprunghilfe beim Skisprung 55 Vereinfachungsprinzip der Veränderung der variablen, austauschbaren Bewegungsparameter (bei geringer Bewegungsdauer, großer Bewegungsge-

Die Grenzen der informationsverarbeitenden Erklärungsansätze für das menschliche Handeln sind unter anderem in deren starker Ausrichtung an der Funktion eines Computers begründet. Ein solcher arbeitet seriell, schnell und fehlerfrei. Diese Attribute treffen auf das  informationsverarbeitende System Mensch kaum zu: Dieses System arbeitet mit vielen parallelen Verschaltungen, einer relativ langsamen Nervenleitgeschwindigkeit (im Vergleich zur Leitgeschwindigkeit von Elektronen in einem Medium) sowie einer großen fehlerverursachenden Varianz. Außerdem wird von den Kritikern angezweifelt, dass eine ausgeprägte Präskription der Bewegungsdetails von einer zentralen Programmierung samt deren Parametrisierung ausgehen kann (Hossner et  al. 2013). Aus diesem Desiderat leiten sich unter anderem die auf der Systemdynamik basierenden Ansätze ab (z.  B.  Konnektivismus, Synergetik).

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schwindigkeit, hohem muskulärem Krafteinsatz): leichtere Sportgeräte, Bewegungsausführung mit reduziertem Tempo Übungsreihen verbinden Vereinfachungsprinzipien miteinander: serielle Übungsreihen (Programmverkürzung durch das Training einzelner Technikelemente) funktionelle Übungsreihen (Programmverkürzung und Veränderung der variablen, austauschbaren Bewegungsparameter), beginnend mit der Hauptfunktionsphase Übungsreihe nach dem Prinzip der verminderten Lehrhilfe (Vereinfachungsprinzip der Veränderung der variablen austauschbaren Bewegungsparameter; vom Einfachen zum Komplexen) Übungsreihe nach dem Prinzip der graduellen Annäherung (Vereinfachungsprinzip der Veränderung der variablen austauschbaren Bewegungsparameter; vom Leichten zum Schweren)

8.3.3

Systemdynamische Ansätze

Systemdynamische Ansätze beschreiben Gesetzmäßigkeiten und Prinzipien sportlicher Bewegungen, die sich auf ein heterarchisch (Antonym: hierarchisch) geordnetes selbstorganisiertes System stützen. Im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen komplexe Systeme (hier: der sich bewegende Mensch). Diese erfüllen die nachfolgend aufgelisteten Voraussetzungen für die Selbstorganisation, die im Zentrum der systemdynamischen Ansätze stehen (Birklbauer 2006): 55 Sie sind offen und führen einen ständigen Energie- und Informationsaustausch mit der Umgebung, um Ordnungszustände aufbauen und stabil halten zu können. 55 Sie zeigen ein nichtlineares Verhalten gegenüber den Anfangsbedingungen (kleine Ursachen können große Wirkungen ­haben).

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A. Krombholz

Viele Erkenntnisse der Systemdynamik wurden in der Physik (z. B. Thermodynamik) gewonnen und anschließend auf lebendige Systeme übertragen. Die Grundgedanken im Bereich der Sportmotorik gehen unter anderem auf Bernstein (1987) zurück, der die zielführende Bewältigung einer Bewegungsaufgabe an die Auswahl angemessener Lösungsmöglichkeiten sowie die Überwindung der überflüssigen Freiheitsgrade knüpft. Zu diesem Zweck wird eine Variabilität der Bewegungsparameter erzeugt (Suchtstreuung), um die optimale Anpassung der Bewegungshandlung in Ausrichtung auf die Intention und die Ausgangsbedingungen

8

zu erzielen (. Tab. 8.1; zum vertiefenden Studium s. Künzell 1996; Schöllhorn et  al. 2009, 2015). Grundlagen: 55 Bewegungen sind durch die selbstorganisierte Entstehung von geordneten Strukturen (Emergenz) charakterisiert und differenzieren sich in (relativ) stabile und (relativ) instabile Zustände (. Abb. 8.15). Sie entwickeln sich in Abhängigkeit von externen Parametern selbständig in Richtung stabiler Zustände (z. B. Übergang vom Gehen zum Laufen in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit, Regulation der  



..      Tab. 8.1  Beispiele zu dem aus der Systemdynamik abgeleiteten differenziellen Lernen bei der Annahme im Volleyball und des Sprints in der Leichtathletik (mod. nach Beckmann und Gotzes 2009; Römer et al. 2009) Aufgabe

Veränderte Parameter

Volleyball: unteres Zuspiel nach beliebigem Überspringen eines Hindernisses (z. B. Kastenteil, Turnmatte)

Anfangsbedingungen

Volleyball: unteres Zuspiel mit unterschiedlicher Häufigkeit auf unterschiedliche Ziele

Bewegungsumfänge/-richtungen der Aktionen, Bewegungsgeschwindigkeiten/-beschleunigungen, Endbedingungen

Leichtathletik: Kniehebelauf mit unterschiedlicher Knieführung und Frequenz auf unterschiedlichem Untergrund (z. B. Tartan, Sand, Gras)

Bewegungsumfänge/-richtungen der Aktionen, Bewegungsrhythmus, Durchführungsbedingungen

vom Laufen zum Gehen Gehen

Laufen

Gehen

Laufen

vom Gehen zum Laufen

..      Abb. 8.15  Stabile Zustände und instabile Übergänge zwischen dem Gehen und Laufen in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit als variablem Parameter. Beim Wechsel der Bewegungsmuster (vom Gehen zum Laufen und umgekehrt) verharrt

das menschliche System relativ lange in dem bestehenden Bewegungsmuster. Daher findet der Wechsel des Bewegungsmusters bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten statt (Hystereseeffekte; nach Hossner et al. 2013)

425 Techniktraining

Körperposition und Skibelastung bei unterschiedlichen Schneearten). 55 Das System als Ganzes (hier der Mensch) weist Ordnungsprinzipien auf, an die sich die Systemteile in Abhängigkeit von externen Parametern selbstorganisiert einem Optimum annähern. 55 Bei (bzw. kurz vor) dem Übergang in einen anderen stabilen Systemzustand sind veränderte (instabile) Bewegungsmuster beobachtbar und wurden empirisch nachgewiesen. Folgerungen für die Trainingspraxis (Birklbauer 2006; Schöllhorn et al. 2009): 55 Die Veränderung der (Kontroll-)Parameter ist eine grundlegende Vorgehensweise bei der Gestaltung von Techniktraining. 55 Differenzen zwischen den Bewegungsausführungen können durch folgende Veränderungen von Parametern erzeugt werden: 55 Variation der Anfangs-, Durchführungs- und Endbedingungen 55 Variation der Bewegungsumfänge von Aktionen 55 Variation der Bewegungsgeschwindigkeit und Bewegungsbeschleunigung 55 Variation des inneren und äußeren Bewegungsrhythmus 55 Das Verhalten des Systems lässt sich durch wenige Ordnungsprinzipien auf makroskopischer Ebene beschreiben, obwohl die

internen Vorgänge auf mikroskopischer Ebene sehr komplex sind. 55 Die Voraussetzung für die Erfassung stabiler Systemzustände ist die Identifikation geeigneter Ordnungsparameter, die das Bewegungsmuster hinreichend genau charakterisieren. 55 Bewegungsschwankungen werden zugelassen, ja sogar initiiert und nicht korrigiert. Die Kritik an den systemdynamischen Ansätzen leitet sich vor allem daraus ab, dass die grundlegenden Phänomene vom Unbelebten (Physikalischen) auf den Menschen übertragen werden. So wird beispielsweise die intentionale Ausrichtung sportlicher Bewegungshandlungen kaum berücksichtigt (Nitsch und Munzert 1997). Außerdem werden unfunktionale oder gar gesundheitsgefährdende Bewegungsmuster nicht hinreichend erklärt (z. B. falscher Laufstil, der zu Schädigungen der Gelenke führen kann). Zudem sind die Effekte von Modelllernen (z. B. oberservatives Training) im Kontext der Theorie kaum schlüssig begründbar. Die empirischen Überprüfungen beziehen sich vielfach auf wenig komplexe und/oder zyklische Bewegungen. Daher besteht in Bezug auf komplexe azyklische Bewegungen weiterer Forschungsbedarf in Bezug auf die Fragestellung, ob fremd- oder selbstorganisierte Aneignung effizienter ist (Schöllhorn et  al. 2015). Schließlich stellt die valide Ermittlung der Ordnungs- und Kontrollparameter eine große Herausforderung dar.

Beispiel: Aufmerksamkeitsfokus Der Aufmerksamkeitsfokus (AF, Focus of Attention) im Kontext von motorischem Lernen und Techniktraining bezieht sich auf die bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit, entweder auf die eigene Bewegungsausführung (internaler AF) oder das Bewegungsziel bzw. -ergebnis (externaler AF). Beispielsweise kann man bei einem Volleyball-Angriffsschlag seine Aufmerksamkeit darauf lenken, den Ball mit gestrecktem Arm zu treffen (= internaler AF auf das Strecken des Arms) oder darauf, den Ball am höchsten Punkt zu treffen (= externaler AF auf den Ball). Eine Vielzahl an Studien aus den letzten 20 Jahren zeigte für verschiedenste Sportarten, dass es im Lernprozess meistens von Vorteil ist, die

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Aufmerksamkeit durch geeignete Instruktionen, Hinweise oder Rückmeldungen auf einen externalen Fokus zu lenken. Im Vergleich zu einem internalen AF konnte dadurch der Lernprozess beschleunigt und die Bewegungsqualität im Hinblick auf Genauigkeit, Beständigkeit und Gleichgewicht stärker verbessert werden. Zusätzlich beeinflusst ein externaler AF die Bewegungskoordination und führte zu einer erhöhten Bewegungseffizienz. Trotz der zahlreichen Befunde ist ein systematischer Übertrag auf die Trainingspraxis bisher allerdings kaum erfolgt und stellt eine zukünftige Aufgabe für die Trainingswissenschaft dar (Wulf 2013).

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A. Krombholz

8.3.4

Ansätze der Effektkontrolle

Die effektorientierten Sichtweisen der motorischen Steuerung und Kontrolle beinhalten grundlegende Aspekte der informationsverarbeitenden sowie auch der systemdynamischen Ansätze. Allerdings rückt der zu erzielende Effekt der sportlichen Bewegungshandlung in den Fokus der Präskription und des Kontrollprozesses (. Abb. 8.16). Daher bedarf es keiner repräsentativen motorischen Programme wie beispielsweise bei der Schematheorie. Die Antizipation von Effekten ist ausreichend, um zielgerichtetes Verhalten zu initiieren. Die Bewegung selber sowie deren Parameter sind emergent (im Unterschied zu programmgesteuert; zum vertiefenden Studium s. Hossner et al. 2013; Hossner und Künzell 2003; Scherer und Bietz 2015).

55 Die Auslösung der Aktion in einer Situation erfolgt durch den antizipierten Effekt (Situation – antizipierter Effekt – Aktion = S-A-E). 55 Während der Bewegung finden komplexe, dynamische Wechselbeziehungen zwischen antizipativen und reafferenten Kon­ trollmechanismen statt.  eispiel: Effektkontrolle sportlicher TechniB ken beim Volleyballaufschlag



8

Grundlagen: 55 Der Fokus der sportlichen Bewegungshandlung liegt auf den antizipierten Effekten der gesamten Bewegung oder auch von Teilbewegungen (resultative bzw. prozessuale Effekte). Diese können sich auf Veränderungen in der Umwelt, des Sportgerätes und/oder auf körperbezogene Effekte beziehen (z. B. Zielerreichung bei Torschüssen, erhöhte Muskelspannung einzelner Muskelgruppen).

Ein Volleyballspieler (Person) erkennt einen annahmeschwachen Spieler im gegnerischen Hinterfeld (Situation). Er plant zunächst einen Aufschlag genau auf diesen Spieler (intendierter Effekt), aber wegen der Unruhe in der Sporthalle sowie seiner Nervosität aufgrund des knappen Spielstandes möchte er den Aufschlag nur sicher im gegnerischen Hinterfeld platzieren (antizipierter Effekt und Anpassung der Aktion). Er schlägt mit einem Ass auf (realer Effekt). Den folgenden Aufschlag möchte er wieder als Ass auf denselben Annahmespieler platzieren (intendierter und antizipierter Effekt). Der Ball geht jedoch ins Aus (realer Effekt).

Folgerungen für das Techniktraining: 55 Beim Technikerwerbstraining können in der Regel noch keine Effekte intendiert und antizipiert werden, da noch keine Referenzwerte vorliegen. Der Lernende steht

Verstärkung

Vergleich: Übereinstimmung Person & Situation

Intendierter Antizipierter Effekt Effekt Vergleich

Aktion

Realer Effekt

Vergleich: Abweichung Anpassung Modifikation

..      Abb. 8.16  Effektorientiertes Modell zur Steuerung, Kontrolle und zum Lernen von Bewegungen (mod. nach Hoffmann 1993; Scherer und Bietz 2015)

427 Techniktraining

8

..      Tab. 8.2  Beispiele von Effekterfahrungen im Techniktraining (mod. nach Bietz und Scherer 2015) Maßnahme/Aufgabe

Effektbezug

Intendierter Lerneffekt

Leichtathletik: Kugelstoßen mit fixiertem Stoßarm

prozessual und personenbezogen

Intensivierung von Bein- und Rumpfeinsatz

Handball: Zielwerfen aus unterschiedlichen Ausgangspositionen

resultativ und umweltbezogen

Differenzierung und Anpassung der Wurfbewegung

Skilauf: Schneekontakt halten beim Kurvenfahren in einer Wellenbahn

resultativ/prozessual und gerät-/umweltbezogen

Anpassung der regulierenden Grundposition und der Aktionen

vor einem „Kontrolldilemma“ (Scherer 2014), bevor er seine ersten Bewegungserfahrungen machen kann oder ggf. auf Transferprozesse zurückgreifen kann. 55 Geübte Sportler können oft schon vor dem Eintreten der realen Effekte, auf der Basis der Situationsanalyse und der antizipierten Effekte, die Erfolgswahrscheinlichkeit von Aktionen einschätzen. 55 Nach Eintreten der realen Effekte, die in Teilen schon während der Bewegung erfahrbar sind, werden unterschiedliche Vergleichsmechanismen aktiviert. Sie können die S-A-E-Strukturen modifizieren, sofern Abweichungen zwischen den antizipierten Effekten und den realen Effekten wahrgenommen werden, oder verstärken, wenn keine Abweichungen identifiziert wurden. 55 Die Vermittlung von Effekterfahrungen kann sich auf die Umwelt, das Sportgerät und die Person beziehen (Kombinationen sind möglich). Sie kann prozessual oder resultativ erfolgen (. Tab. 8.2). 55 Für die Ausbildung von S-A-E-Relationen ist die Varianz aller Komponenten einzubeziehen. Nur dann kann man erwarten, dass sich stabile und zugleich flexible funktionale Strukturen bilden.  

8.4  Ziele und Methoden des

Techniktrainings

Dem Techniktraining gehen Überlegungen zur Bestimmung von Zielen und Methoden voraus.

Techniktraining Techniktraining umfasst alle Aspekte der Entwicklung einer sportlichen Technik mit dem Ziel ihrer erfolgreichen Anwendung in spezifischen Handlungssituationen (z. B. Wettkampf, Training, Freizeit, Alltag, Rehabilitation). Es reicht von der Bestimmung des Trainingsziels, der Auswahl und Anwendung der Methoden der Kontrolle der Ergebnisse bis hin zur Abstimmung bzw. Verbindung des Techniktrainings mit dem Konditions- und Taktiktraining sowie dem psychologischen Training (Neumaier und Krug 2003; Krombholz 2009).

Die in . Abb. 8.17 dargestellte Strukturierung des Techniktrainings soll als Orientierung für die Planung und Durchführung von Techniktraining verstanden werden. In Ausrichtung auf das Leitziel des Techniktrainings werden für die praktische Realisierung die Arten und methodischen Vorgehensweisen bestimmt. Kombinationen der Arten sowie auch der methodischen Vorgehensweisen von Techniktraining sind nicht nur tolerabel, sondern notwendig, um das Leitziel des Techniktrainings konsequent und individualisiert zu verfolgen. Die Erfassung bzw. Analyse von Besonderheiten der Sportart und/oder der konkreten Bewegungsaufgabe ist der erste Schritt bei der Planung von Techniktraining. In diesem Zusammenhang sind auch die Rahmenbedingungen der Ausübung, die personalen Voraussetzungen und ggf. die Besonderheiten des  

A. Krombholz

Besonderheiten der Sportart/einer Bewegungsaufgabe Arten des Techniktrainings Training zum Erwerb der Grundstruktur (Technikerwerbstraining) Präzisierungs-/Automatisierungstraining Situations-/Entscheidungstraining Variationstraining Wettkampftraining Leitziel des Techniktrainings: Effiziente Realisierung sportlicher Techniken z. B. im Wettkampf, im Alltag, in der Freizeit

Rahmenbedingungen

..      Abb. 8.17 Das Leitziel, die Arten und die methodischen Vorgehensweisen des Techniktrainings richten sich an den Besonderheiten der Sportart, den personalen Voraussetzungen, den Rahmenbedingungen und ggf. dem Sportgerät aus (mod. nach Neumaier und Krug 2003)

Sportgerät

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Methodische Vorgehensweisen beim Techniktraining Person

8 Sportgerätes zu analysieren und bei der Trainingsplanung zu berücksichtigen. So macht es einen nicht zu vernachlässigenden Unterschied, ob ich einen Volleyballaufschlag in einer relativ standardisierten Situation in der Halle oder bei windigen Verhältnissen im Sand ausführe bzw. einen Slalomparcours auf frisch gewalzter Piste oder bei variablen Schnee- und Geländesituationen bewältige: 55 Die Rahmenbedingungen beziehen sich auf die beeinflussenden Umweltfaktoren (z. B. Witterungsverhältnisse bei ­Outdoorsportarten) sowie Vorgaben durch das Regelwerk, aber auch durch die institutionellen Rahmenbedingungen (z. B. Techniksollwerte in den Lehrwerken von Fachverbänden). 55 Die personalen Voraussetzungen beinhalten anthropometrische, physische Aspekte (z. B. konditionelle, koordinative, sportartspezifsche Voraussetzungen) und psychische Aspekte (z. B. Motivation, Ängste). 55 Die Besonderheiten des Sportgerätes sind in Bezug auf eine optimale Leistungserbringung des Sportlers bei den gegebenen

Rahmenbedingungen relevant und können durch ein verbindliches Regelwerk maßgeblich beeinflusst werden (z. B. einseitiger Gebrauch eines Hockeyschlägers, Reglementierungen der Skitaillierungen im alpinen Skilauf, Schrittregel beim Basketball oder Handball). In Ausrichtung auf die Zielsetzung des Techniktrainings bestimmen die Arten des Techniktrainings die Hauptinhalte und schließlich auch die maßgeblichen methodischen Vorgehensweisen. Polarisierend können bei den Arten des Techniktrainings das Training zum Erwerb der Grundstruktur einer sportlichen Technik sowie das Wettkampftraining gegenübergestellt werden. Darüber hinaus können weitere grundlegende Trainingsarten leitend für die Planung des Techniktrainings sein: 55 Präzisierungstraining mit einer Fokussierung auf den Effekt und/oder den Ablauf der sportlichen Technik 55 Automatisierungstraining in konstanten, aber auch variablen Situationen

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429 Techniktraining

55 Entscheidungstraining in Anpassung an unterschiedliche Situationen 55 Variationstraining in Anpassung an Gegner und/oder Situation (antizipierend oder reagierend) Eine Kombination mit dem gezielten Training koordinativer und konditioneller Fähigkeiten

als Paradigma für die Gestaltung von Techniktraining angesehen werden (zum vertiefenden Studiums. Martin et al. 1991; Meinel und Schnabel 2007; Wiemeyer und Wollny 2017). Grundsätzlich sollte man dem Primat der Zielorientierung beim (Technik-)Training stets folgen und jederzeit die weiteren Schritte der Trainingsplanung und deren Umsetzung

Exkurs: Techniktraining als Komplextraining Der Begriff des Komplextrainings stammt aus dem Krafttraining und besagt, dass sich verschiedene Trainingsmethoden in einer Trainingseinheit synergetisch und effektoptimierend ergänzen können (z. B. Maximalkrafttraining gefolgt von Schnellkrafttraining). Dies wird unter anderem auf einen möglichen Nachwirkungseffekt zurückgeführt (PAP, Robbins 2005). Im Techniktraining der Sportspiele wird die Optimierung von Wurf-, Schlag- oder Schussbewegungen daher vereinzelt durch Interventionen begleitet (Ferrauti und Bastiaens

ist möglich und je nach Zielsetzung des Techniktrainings und dem Niveau der Sportler auch sehr effizient (z. B. Entscheidungstraining mit zunehmender Ermüdung, Automatisierungstraining mit höheren Lasten, Variationstraining bei hohem Komplexitätsdruck). Die in Abbildung . Abb.  8.17 dargestellte Abfolge der Arten von Techniktraining darf jedoch nicht als zwingende Reihenfolge im Sinne eines Phasen- bzw. Stufenmodells missverstanden werden, auch wenn beim Lernen sportlicher Techniken eine grundlegende Phasenstruktur durchaus leitend sein kann: So lassen sich Bewegungsaufgaben kaum variieren oder situationsgerecht anpassen, wenn die Grundstrukturen der Technik noch nicht beherrscht werden. Jedoch wird das Technikerwerbstraining in vielen Natur- und Spielsportarten von Beginn an von situationsbezogenen Entscheidungsprozessen begleitet. Damit können die gängigen Phasen- bzw. Stufenmodelle der Trainings- und Bewegungswissenschaft zwar als eine brauchbare Orientierung, nicht aber  

2007; Raeder et al. 2015). So kann beim Training nach dem Serienprinzip die Serienpause zum wiederholten Einbau der Intervention verlängert werden. Dies sind zur Steigerung der Schnellkraftkomponente üblicherweise bewegungsverwandte Übungen mit schwereren Gewichten (z. B. Medizinballwürfe als Voraktivierung für Handballwürfe). Alternativ sind jedoch zur Steigerung der Bewegungsgeschwindigkeit auch Interventionen mit leichteren Gewichten möglich (z. B. Badminton-Clear-Schläge als Voraktivierung für den Tennis-Aufschlag).

kritisch reflektieren und evaluieren (Kontrolle der Lernergebnisse), um nicht in unreflektierte methodische Gewohnheiten zu verfallen (… das habe ich schon immer so gemacht und es hat immer funktioniert!). Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Erklärungsansätze zur motorischen Steuerung, Kontrolle und zum motorischen Lernen wird nachfolgend eine Strukturierung von methodischen Vorgehensweisen des Techniktrainings vorgestellt, die sich als pragmatische Lösung für die Trainingspraxis versteht (. Abb. 8.18). Die in . Abb.  8.18 dargestellten grundlegenden Vorgehensweisen können zum einen abgrenzend und zum anderen variabel in einem Kontinuum zwischen den aufgezeigten Polen verortet werden. Sie können miteinander kombiniert werden oder auch als leitendes Prinzip in der Trainingspraxis Anwendung finden. In der Regel richtet sich ein Techniktraining an den Technikleitbildern bzw. Sollwerten der jeweiligen Sportart aus (7 Abschn. 8.2).  





A. Krombholz

..      Abb. 8.18 Methodische Vorgehensweisen beim Techniktraining

Besonderheiten der Sportart/einer Bewegungsaufgabe

Sportgerät

grundlegende Vorgehensweisen techniknah … technikfern variabel … monoton elementhaft synthetisch … ganzheitlich analytisch Spezifische Vorgehensweisen Koordinationstraining Bewegungskorrektur & Videofeedback Mentales Training …

Rahmenbedingungen

430

Hilfsmittel Person

8

..      Abb. 8.19 Technikspezifisches Konditionstraining im alpinen Skilauf in Ergänzung zum Training im Schnee

Jedoch kann im Sinne einer breitbandigen sportlichen Ausbildung, zum Beispiel im Kinder- und Jugendtraining, durchaus auch der Transfer zu Techniken aus anderen Sportarten oder auch zu unspezifischen Bewegungsformen leitend sein (z.  B. unterschiedliche Sportspiele, verschiedene Sportgeräte im Kanusport bzw. Schneesport, allgemeine koordinative Bewegungsaufgaben in allen Sportarten; . Abb. 8.19). Außerdem kann Techniktraining auch bei veränderten Rahmenbedingungen und ggf. mit anderen Sportgeräten stattfinden, um beispiels 

weise höhere Trainingsumfänge zu erzielen. Dabei kann die Zieltechnik mehr oder weniger exakt simuliert werden. So kann Techniktraining beispielsweise auch mit Konditionstraining kombiniert werden (oder umgekehrt). Techniktraining kann monoton mit vielen Wiederholungen bei möglichst standardisierten Rahmenbedingungen stattfinden oder auch gezielt variabel gestaltet werden. Im Kontext von variablem Techniktraining können sowohl die Parameter der Rahmenbedingungen (z.  B.  Gegnerverhalten, Umweltbedingungen) als auch die Bewegungs-

431 Techniktraining

8

Exkurs: Variables und monotones Techniktraining In einem Kontinuum zwischen monotonem und variablem Training können Zuordnungen zu den informationsverarbeitenden bzw. systemdynamischen Ansätzen hergestellt werden. Da jedoch auch bei den informationsverarbeitenden Ansätzen der Aspekt der Variabilität bedeutsam ist, können unterschiedliche methodische Vorgehensweisen zwischen den beiden Polen verortet werden. Eine eindeutige Zuordnung zu speziellen Modellen bzw. übergreifenden Ansätzen kann und soll hieraus nicht zwingend abgeleitet werden (. Abb. 8.20). Dem monotonen Training werden überwiegend Vorgehensweisen wie z. B. Demonstrationen  

des Technikleitbildes, Korrekturen im Sinne eines Soll-Ist-Vergleichs, Bewegungsbeschreibungen, Bewegungserklärungen, Bewegungsanweisungen zugeordnet. Dem variablen Training werden Vorgehensweisen wie z. B. Provozieren von instabilen Zuständen, Veränderungen der Bewegungsspielräume, Prozesse der Selbststeuerung und Selbstregulation, Korrekturen und Demonstrationen nur im Sinne der Aufgabenstellung (und nicht bezogen auf ein Technikleitbild), Bewegungsaufgaben zugeordnet (Krombholz und Ott 2015).

Informationsverarbeitungsansätze

Systemdynamische Ansätze

Modelle zur Kontrolle und Steuerung von Bewegungen des Technikleitbilds der Abweichungen vom Technikleitbild v. a. durch Situationsveränderungen monotones Trainieren

der Aufgabenstellung der Aufgabenstellung Provozieren v. instabilen Zuständen

Demonstration Korrekturen Variabilität

Kontinuum der methodischen Vorgehensweisen Selbststeuerung

Bewegungsbeschreibungen Orientierung am Technikleitbild

variables Trainieren

Orientierung am individuellen Optimum

Bewegungsanweisungen Bewegungsaufgabe

..      Abb. 8.20  Methodische Vorgehensweisen im Kontinuum zwischen monotonem und variablem Training

parameter variiert werden (z.  B. simultane und sukzessive Aktionen, die zusätzlich zu der Technik ausgeführt werden, oder auch die Reduzierung der Komplexität von Aktionen). Eine weitere Vorgehensweise beim Techniktraining richtet sich an der Bewegungsstruktur der sportlichen Technik aus (7 Abschn.  8.2). So können sportliche Techniken als Ganzes trainiert werden. Jedoch  

führt diese Vorgehensweise bei schnellen und komplexen Techniken vielfach zu Überforderungen, vor allem beim Training zum Erwerb der Grundstruktur und insbesondere, wenn die Bewegungen kaum langsamer und/oder unter vereinfachten Bedingungen ausgeführt werden können (z.  B.  Rotationssprünge). In Anlehnung an die Konzeptionen zu den Bewegungsstrukturen bzw. -phasen von sportlichen Techniken können auch Technikelemente iso-

432

A. Krombholz

Exkurs: Neue Wege im Techniktraining: Gehirnstimulation Sportliche Bewegung wird in den motorischen Arealen des Gehirns initiiert und im Rahmen von motorischem Lernen und Techniktraining auch zentralnervös abgespeichert. Somit ist es naheliegend zu versuchen, die für Bewegungslernen relevanten Bereiche des Gehirns besonders empfänglich zu machen. Eine relativ neue Technik, die genau dazu eingesetzt wird, ist die transkraniale Gleichstrom-Stimulation (Transcranial Direct Current Stimulation, tDCS). In einer entsprechenden Studie hatten Teilnehmerinnen zur Aufgabe, ihr Gleichgewicht stehend auf einem Wackelbrett zu halten,

8

liert trainiert werden, sofern dies in funktionaler Ausrichtung an der Zieltechnik möglich ist (z.  B.  Absprungphase beim Weitsprung, Ausholphase beim Tennisaufschlag). Eine Kombination der beiden Vorgehensweisen im Sinne einer Ganz-Teil-Ganz-Methode ist, vor allem vor dem Hintergrund einer Binnendifferenzierung beim Training mit heterogenen Gruppen, sinnvoll. Spezifische Vorgehensweisen verstehen sich als eine Bündelung unterschiedlicher Maßnahmen, die im Rahmen von Techniktraining eine herausgehobene Bedeutung besitzen, da sie in

während eine Gruppe tDCS über den motorischen Gehirnarealen erhielt, eine Kontrollgruppe allerdings nur eine Scheinstimulation. tDCS führte dazu, dass das Gleichgewicht signifikant länger gehalten werden konnte und dass die Ausschläge auf dem Wackelbrett geringer ausfielen. Diese Effekte traten auch noch dann auf, als an einem zweiten Tag keine tDCS erfolgte. Insgesamt ist die Studienlage zu Effekten von tDCS beim Erlernen und Trainieren komplexer Bewegungsaufgaben und sportlicher Techniken allerdings noch gering (Kaminski et al. 2016).

der Fachliteratur häufig als eigenständige Bereiche des Sportunterrichts bzw. des Trainings angesehen werden und über eine lange Tradition in den sportwissenschaftlichen Publikationen verfügen. Aufgrund der großen Bedeutung im Kontext der Trainingspraxis werden in diesem Kapitel nachfolgend die Aspekte des Koordinationstrainings, der Bewegungskorrektur und des Videofeedbacks dargestellt und erläutert. Zum vertiefenden Studium des mentalen Trainings sei auf die einschlägige sportwissenschaftliche Literatur verwiesen (z. B. Eberspächer 2012; Mayer und Hermann 2015).

..      Abb. 8.21  Methodische Hilfsmittel im Schneesport (a), Einsatz von Seilen bei einer Partnerübung zur Verbesserung des Kantens beim alpinen Skilauf (b; Foto: DSV 2012, S. 84)

433 Techniktraining

8

Methodische Hilfsmittel unterstützen das Techniktraining und dienen einer Optimierung des Lernprozesses auch vor dem Hintergrund einer ökonomischen Trainingsgestaltung, insbesondere bei größeren Trainingsgruppen (. Abb. 8.21). Der Einsatz von Hilfsmitteln sollte stets kritisch in Bezug auf die Aufwand- bzw. Kosten-Nutzen-Relation betrachtet werden.  

8.4.1

Koordinationstraining

Die intra- und intermuskuläre Koordination ist ein Fundament aller zielgerichteten Bewegungshandlungen (7 Kap.  4 und  5), also auch von sportlichen Techniken. Koordinative Fähigkeiten sind in der gesamten Lebensspanne trainierbar und weisen ein hohes Maß an inter- und intraindividueller Variabilität auf. Die große Bedeutung koordinativer Aspekte bezieht sich jedoch nicht nur auf sportliche Bewegungen im Leistungssport, sondern auch auf unterschiedliche Anwendungsbereiche im Freizeit-, Schul-, Gesundheits- und Behindertensport sowie darüber hinaus auch im Rahmen der motorischer Arbeits- und Alltagsanforderungen, z. B. bei älteren Menschen (. Abb. 8.22).

..      Abb. 8.22  Training mit älteren Menschen (Kopplungsfähigkeit, Gleichgewichtsfähigkeit; Foto: Andrea Bowinkelmann | © LSB NRW)





In einem erweiterten Verständnis sind die positiven Einflüsse von Koordinationstraining auch in Bezug auf die konditionellen Fähigkeiten augenscheinlich und umfassen neben der Kraft und Schnelligkeit sogar die Anforderungen im Bereich des Ausdauertrainings (Hottenrott und Hoos 2013; Steinhöfer 2015). So erhöhen gut ausgeprägte koordinative Fähigkeiten Bewegungsökonomie (energetisch) und Leistung (neuromuskulär) für Ausdauer, Kraft und Schnelligkeitsanforderungen (7 Kap. 4, 5 und 7).  

Exkurs: Koordinationstraining zwischen Generalität/Transferabilität und Spezifität Rostock und Zimmermann (1997) publizierten ein Konzept, welches in Bezug auf die oftmals dogmatische Abgrenzung zwischen (allgemeinem) Koordinationstraining und Fertigkeitstraining (im Folgenden Techniktraining) vermittelt. Sie verstehen Koordination als ein Konstrukt, welches durch das Zusammenwirken von sportlichen Techniken und koordinativen Fähigkeiten vor dem Hintergrund der energetischen Leistungsvoraussetzungen des Sportlers geprägt ist und die bewegungsregulative Qualität einer (sportlichen) Handlung kennzeichnet.

Die Qualität des Handlungsvollzugs (der sportlichen Technik) kann nur dann verbessert werden, wenn Techniktraining und (koordinatives) Fähigkeitstraining sinnvoll aufeinander abgestimmt werden. Die Trainingsformen sind mit fließenden Grenzen in einem Kontinuum angeordnet . Abb. 8.23). Nach Auffassung von Rostock und Zimmermann (1997) weisen die generalisierten koordinativen Fähigkeiten ein hohes Maß an Transferabilität auf und sind damit eine wesentliche Grundlage für den Erwerb von sportlichen Techniken. Die positiven Effekte sind jedoch in  

A. Krombholz

..      Abb. 8.23 Koordinationstraining im Kontinuum zwischen Generalität und Spezifität (mod. nach Rostock und Zimmermann 1997)

8

GENERALITÄT/TRANSFERABILITÄT

beide Richtungen möglich. So kann das Training sowohl als fähigkeitsorientiertes Techniktraining als auch im Sinne eines technikorientierten Fähigkeitstrainings ausgerichtet sein. Die von Rostock und Zimmermann (1997) dargestellten Differenzierungen sind jedoch sehr kleinschrittig und widersprechen in Teilen der Grundidee eines Konzeptes mit fließenden Übergängen. Trotzdem kann man der Aussage von Steinhöfer (2015) folgen, dass

allgemeine Koordination und spezifische Technik gewissermaßen zwei Seiten einer Medaille darstellen. Koordinativ-­konditionelles Grundlagentraining hat den erwünschten Nebeneffekt der Verbesserung der sportlichen Techniken. Genauso beeinflusst Techniktraining auch die koordinativ-­ konditionellen Fähigkeiten. „Eines ist ohne das andere nur begrenzt effektiv“ (Steinhöfer 2015, S. 300).

Fähigkeitstraining

Techniktraining

technikorientiert fähigkeitsbezogen

technikgerichtet

In den sportwissenschaftlichen Teildisziplinen findet man sehr unterschiedliche Sichtweisen und Strukturierungsvorschläge von Koordination. Im engeren, physiologischen Sinne beschreibt Koordination das Zusammenwirken von Zentralnervensystem und Skelettmuskulatur innerhalb eines gezielten Bewegungsablaufs (Hollmann 1990). Bernstein definiert die Koordination der Bewegung als „die Überwindung der überflüssigen Freiheitsgrade des sich bewegenden Organs, mit anderen Worten, seine Umwandlung in ein steuerbares System. Kürzer gesagt ist die Koordination die Organisation der Steuerbarkeit des Bewegungsapparates“ (Bernstein 1987, S. 181–182). Voigt und Westphal (1995) erweitern das Verständnis von Koordination um den, nicht nur aus der Sicht der Sportspiele, sehr wichtigen Aspekt

fähigkeitsorientiert (variabel)

technikbezogen (monoton)

SPEZIFITÄT

434

technikspezifisch

der Informationsaufnahme und -verarbeitung, welcher der nervösen und muskulären Steuerung vorausgeht. Koordination im Sport Koordination ist das Zusammenwirken von gezielter Informationsaufnahme und der Verarbeitung von Informationen sowie der darauf folgenden, nervösen Steuerung mit anschließender muskulärer Ausführung mit dem Ziel, eine Bewegungshandlung effektiv und ökonomisch in Anpassung an die gegebenen Umgebungsbedingungen (Objekte und Ereignisse) auszuführen (Bernstein 1987; Voigt und Westphal 1995; Nitsch und Munzert 1997).

435 Techniktraining

In den 1960er-Jahren bildete das Konstrukt der Gewandtheit die äußerlich beobachtbaren Aspekte der internen koordinativen Aspekte zur schnellen und zweckmäßigen Lösung motorischer Aufgaben ab (Meinel 1960; Meinel und Schnabel 2007). In den 1970er-Jahren erfolgten differenzierte Operationalisierungen des für die Trainingspraxis kaum umsetzbaren Konstrukts der Gewandtheit unter anderem in den Publikationen von Blume (1978) und Hirtz (1977). Sie wurden sowohl deduktiv auf der Basis von Theorien zur Motorik als auch induktiv auf der Basis umfassender sportmotorischer Tests und Beobachtungen hergeleitet. Die Bedeutung des Trainings der koordinativen Fähigkeiten war weitgehend unbestritten und mit den folgenden grundlegenden Zielsetzungen verknüpft: 55 Verbesserung der Steuerungsfähigkeit (Bewegungsqualität und/oder Bewegungsergebnis) 55 Verbesserung der Adaptionsfähigkeit (fremd- und selbstbestimmt) 55 Verbesserung der motorischen Lernfähigkeit (Grad der Schnelligkeit und der Qualität des Lernens). Darüber hinaus werden auch weitere, zum Teil sehr spekulative, positive Effekte des Trainings koordinativer Fähigkeiten beschrieben. Dazu zählen unter anderen die Verbesserung von Gedächtnis- und Lernleistungen und des

..      Abb. 8.24  Sichtweisen von Koordinationstraining

8

psychischen Wohlbefindens, aber auch eine Prophylaxe von Verletzungen. Daher kann der Eindruck entstehen, dass Koordinationstraining eine motorische Allzweckwaffe darstellt. Jedoch sind viele dieser weitreichenden Effekte, insbesondere die psychologischen, kaum durch seriöse Studien belegbar. Die unterschiedlichen Konzeptionen, die zum Koordinationstraining publiziert wurden, lassen zwei unterschiedliche Sichtweisen erkennen (. Abb. 8.24): 55 eine Fokussierung auf die individuellen Fähigkeiten des Sportlers sowie 55 die Analyse der situativen Anforderungen an den Sportler.  

Im Folgenden werden stellvertretend für diese unterschiedlichen, sich jedoch nicht ausgrenzenden Konzepte die Modelle nach Blume (1978) sowie nach Neumaier (1999) dargestellt (weitere Ansätze finden sich z. B. in den Publikationen von Hirtz 1977; Hossner 1995, 2004; Roth 1982). Beide hier dargestellten Ansätze ergänzen sich in ihrer Ausrichtung auf die Adressatengruppe, den Anforderungen der Bewegungsaufgabe sowie die Trainingsziele. Der fähigkeitsorientierte Ansatz geht von klar isolierbaren, spezifischen koordinativen Teilvoraussetzungen und Potentialen des Individuums aus, die aufgrund ihrer Generalität einen Mehrwert für viele Sportarten besitzen sollen (Blume 1978).

Individuelle Fähigkeiten des Sportlers

Situative Anforderungen an den Sportler

Fähigkeitsorientiertes Koordinationsmodell z. B. Blume 1978

Anforderungsorientiertes Koordinationsmodell z. B. Neumaier 1999

Situative Verfügbarkeit

Individuelle Verfügbarkeit

436

A. Krombholz

Definitionen der koordinativen Fähigkeiten (mod. nach Blume 1978; Meinel und Schnabel 2007)

8

55 Differenzierungsfähigkeit: Fähigkeit zum Erreichen einer hohen Feinabstimmung einzelner Bewegungsphasen und Teilkörperbewegungen, die in großer Bewegungsgenauigkeit und Bewegungsökonomie zum Ausdruck kommt. 55 Gleichgewichtsfähigkeit: Fähigkeit, den gesamten Körper im Gleichgewichtszustand zu halten oder während und nach umfangreichen Körperverlagerungen diesen Zustand beizubehalten oder wiederherzustellen. 55 Kopplungsfähigkeit: Fähigkeit, Teilkörperbewegungen (z. B. Extremitäten, Kopf, Rumpf ) untereinander und in Beziehung zu der Gesamtbewegung räumlich, zeitlich und dynamisch funktional aufeinander abzustimmen. 55 Orientierungsfähigkeit: Fähigkeit zur Bestimmung und zielangepassten Veränderung der Lage und Bewegung des Körpers in Raum und Zeit, in Bezug auf ein festgelegtes Aktionsfeld (z. B. Spielfeld, Skipiste, Turngeräte) und/oder ein sich bewegendes Objekt (z. B. Ball, Gegner, Partner). 55 Reaktionsfähigkeit: Fähigkeit zur schnellen Einleitung und Ausführung zweckmäßiger motorischer Aktionen auf mehr oder weniger komplexe Signale (z. B. Aktionen des Gegners). 55 Rhythmisierungsfähigkeit: Fähigkeit, einen von außen vorgegebenen Rhythmus zu erfassen und motorisch umzusetzen. Außerdem die Fähigkeit, einen verinnerlichten Rhythmus (in der eigenen Vorstellung existierenden Rhyth-

mus) einer Bewegung in der eigenen Bewegungstätigkeit zu realisieren. 55 Umstellungsfähigkeit: Fähigkeit, während des Handlungsvollzugs, auf der Grundlage wahrgenommener oder antizipierter Situationsveränderungen, das Handlungsprogramm den neuen Gegebenheiten anzupassen und motorisch umzusetzen oder es eventuell durch ein völlig neues und adäquates Handlungsprogramm zu ersetzen und die Handlung auf völlig andere Weise fortzusetzen.

Die klar umrissenen, wenngleich auch nicht immer trennscharfen Fähigkeitsbereiche ermöglichen nicht nur die Realisierung gezielter und differenzierter Trainingsmaßnahmen, sondern auch die Entwicklung ganzer Testbatterien zur Ermittlung von sportmotorischen Entwicklungspotenzialen von Kindern und Jugendlichen (z.  B.  Bös 2017). Die Trainingsmaßnahmen des fähigkeitsorientierten Koordinationstrainings sind entweder ergänzend zum Techniktraining zu verorten, oder sie werden als eigenständiger Inhaltsbereich der motorischen Fähigkeiten, vor allem im Kinder- und Jugendtraining sowie im Training mit älteren Menschen, angesehen. Trainingsmaßnahmen in Ausrichtung an das fähigkeitsorientierte Koordinationsmodell stoßen in wesentlichen Bereichen jedoch immer wieder an ihre Grenzen (. Abb. 8.25): 55 Die koordinativen Fähigkeiten sind vielfach zu wenig spezifisch in Bezug auf konkreten Anforderungen an sportliche Techniken in unterschiedlichen Situationen, insbesondere auf höherem Leistungsniveau. 55 Wesentliche Parameter sportartspezifischer Anforderungen in den Sportarten  

437 Techniktraining

bleiben unberücksichtigt (z. B. situative ­Druckbedingungen in den Sportspielen, psychischer Belastungsdruck). Daher entwickelten Neumaier und Mechling (1995) und in der Weiterführung Neumaier (1999) ein alternatives Strukturmodell zum Koordinationstraining, welches

a

sich primär an den typischen koordinativen Leistungsvoraussetzungen von motorischen Aufgabenstellungen ausrichtet. Die entscheidende Abgrenzung zu dem fähigkeitsorientierten Konzept besteht in der engen Orientierung an den sportlichen Techniken und Anforderungen bzw. Aufgaben in den Sportarten.

b

..      Abb. 8.25  Gleichgewichtsanforderungen in unterschiedlichen Sportarten: a beim Turnen auf dem Schwebebalken, bedingt durch die schmale Unterstüt-

zungsfläche, b beim Riesenslalom durch die wirkenden Kurvenkräfte (Fotos: a Andrea Bowinkelmann © LSB NRW; b DSV 2012, S. 48)

Exkurs: Modulares Konzept nach Hossner (1995, 2004) In dem Modell von Hossner (1995, 2004) werden Aspekte des Koordinationstrainings, der funktionalen Bewegungsanalyse sowie der Dispositionen und Prozesse der Steuerung und Kontrolle von sportlichen Techniken zusammengeführt. Er orientiert sich bei der Ableitung des modularen Konzeptes an einer effektorientierten modularen Bewegungskontrolle im Sinne der SRE-Modelle (Situation, Response, Effekt, z. B. Modell der antizipativen Verhaltenskontrolle; Hoffmann 1993). Nachfolgend werden die

8

Grundlagen dieses Konzeptes sowie die Folgerungen für die Trainingspraxis kurz skizziert: 55 Grundannahme: Eine Ausgangssituation (S) ist so zu verändern, dass ein bestimmter Effekt (E) eintritt. Die dazu notwendige Situationsveränderung ist durch eine motorische Aktion (R = Response) herbeizuführen. SRE-Modelle sind spezifisch in Ausrichtung auf einen Effekt. Es wird von einer Koexistenz mehrerer Kontrollmodule ausgegangen (Wolpert und

A. Krombholz

55 55 55



In diesem Modell findet ein Perspektivwechsel von einer Fokussierung auf die individuellen Fähigkeiten zu den koordinativen Anforderungen statt, welche sich aus der Bewegungsaufgabe oder auch der Sportart ableiten lassen. Hierzu werden zunächst die konkreten Bewegungsaufgaben der zu betrachtenden Sportarten hinsichtlich der koordinativen Anforderungen analysiert, um anschließend durch die Variation der Anforderungen zielführende Trainingsmaßnahmen abzuleiten (Neumaier 2002). Die Aufgabenschwierigkeit ist dabei unter anderem von dem individuellen Können des Sportlers abhängig. Außerdem schließt eine Bewegungsaufgabe immer auch konditionelle, kognitive und emotionale Anforderungen mit ein (Neumaier 2002). Die koordinativen Anforderungen von Bewegungsaufgaben wurden auf der

Technik B

Technikvariante A 2

Technikvariante B 1

8

Technik A

Technikvariante B 2

55

Technik B

Technikvariante A 1

55

Technik A

Technikbausteine

55

Kawato 1998). Die Anzahl der Module fällt je nach Erfahrung unterschiedlich aus. Sportliche Techniken (Technikgebäude) sind das Resultat der situativ angepassten Zusammenstellung von Motorikmodulen (Technikbausteinen), die einen feineren Körnungsgrad als die klassischen koordinativen Fähigkeiten aufweisen (z. B. Volleyball: Laufweg zum Ball anpassen, Ball im Blick halten). Technikbausteine sind für die Realisierung verschiedener sportlicher Techniken (Technikgebäude) von Bedeutung. Das gilt für unterschiedliche Techniken in einer Sportart, aber auch für Techniken in verschiedenen Sportarten, wobei diese dann mit anderen sportartspezifischen Technikbausteinen kombiniert werden müssen. Transferwirkungen sind umso größer, je mehr gleiche (oder ähnliche) Technikbausteine in unterschiedlichen Techniken vorhanden sind (z. B. Tennisaufschlag, Volleyballaufschlag). Ermittlung der Bausteine durch die Expertise von Fachleuten sowie empirischen Überprüfungen (z. B. im Volleyball). Konsequenzen für das Training (v. a. Anfängerbereich): sportartübergreifendes Technikbausteintraining (z. B. Heidelberger Ballschule). Konsequenzen für das Training im Fortgeschrittenen- und Expertenbereich: sportartspezifisches Technikbausteintraining und/oder Technikgebäudetraining (Techniktraining mit einer möglichst großen Nähe zwischen Trainings- und Wettkampfsituation; . Abb. 8.26).

Technikbausteine

438

..      Abb. 8.26  Unterschiedliche sportliche Techniken (Technikgebäude) mit deren Technikbausteinen (Technik A und B) und unterschiedliche Varianten der Techniken (Technikvariante 1 und 2; mod. nach Kittel et al. 2016)

Basis von Literaturanalysen und Plausibilitätsbetrachtungen abgeleitet. Das Strukturmodell beinhaltet zum einen die Informationsanforderungen und zum anderen die Druckbedingungen, welche an die Bewältigung einer Bewegungsaufgabe geknüpft sind (. Abb. 8.27). In dem linken Teil der . Abb.  8.27 werden die Informationsanforderungen einer Bewegungsaufgabe hinsichtlich der Informationsverarbeitung mit den unterschiedlichen Analysatoren (optisch, akustisch, taktil, kinästhetisch, vestibulär) und den entsprechenden Sinnesorganen dargestellt. Die herausgehobene Verortung der Gleichgewichtsanforderungen begründet sich zum einen durch die multiplen Sinnesleistungen, welche beim Aufrechterhalten des Gleichgewichts einfließen, und zum anderen durch die große Bedeutung  



439 Techniktraining

..      Abb. 8.27 Anforderungsorientiertes Koordinationsmodell (mod. nach Neumaier 2009)

8

Koordinative Anforderungen von Bewegungsaufgaben

Informationsanforderungen

Druckbedingungen

+ vestibulär

kinästhetisch

taktil

akustisch

optisch

Präzisionsdruck Zeitdruck Komplexitätsdruck Situationsdruck

– Gleichgewichtsanforderung +

Belastungsdruck –

+



Beispiel: Formen der sensorischen Wahrnehmung 55 Visuelle Wahrnehmung (Sehen): z. B. Helligkeit, 55 kinästhetische Wahrnehmung (Spüren, inneres Forme/Kontur, Farbe, Bewegung von GegenBewegungsempfinden): z. B. Muskelspannung, ständen/Personen Gelenkstellung 55 auditive Wahrnehmung (Hören): z. B. (bewegungs- 55 vestibuläre Wahrnehmung (Beschleunigen des begleitende) Geräusche, Absprachen der Gegner Kopfes): z. B. Beschleunigung, Rotation 55 taktile Wahrnehmung (Tasten, Fühlen): z. B. Objektbeschaffenheit, Temperatur, Gegnerkontakt

des Gleichgewichts bei einer Bewegungsaufgabe, da ein Verlust desselben in aller Regel zur Folge hat, dass die Aufgabe nicht erfolgreich bewältigt werden kann. Die Druckbedingungen ergeben sich aus der Zielsetzung der Bewegungsaufgabe, der zur Anwendung kommenden Technik bzw. den Techniken sowie den äußeren und personenbezogenen Ausführungsbedingungen. Die Druckbedingungen werden wie folgt definiert (Neumaier 2002, 2009): Informationsanforderungen und Druckbedingungen (Neumaier 2002, 2009) 55 Präzisionsdruck: Anforderungen hinsichtlich der Bewegungsgenauigkeit (Verlaufs-/ Ergebnisgenauigkeit) 55 Zeitdruck: Anforderungen hinsichtlich der verfügbaren Bewegungszeit und/ oder zu erreichenden Bewegungsgeschwindigkeit 55 Komplexitätsdruck: 55 Anforderungen hinsichtlich der gleichzeitig ablaufenden (simultanen) Teilbewegungen (K 1)

55 Anforderungen hinsichtlich der aufeinanderfolgenden (sukzessiven) Bewegungsteile (K 2) 55 Anforderungen hinsichtlich des Umfangs der dabei einzubeziehenden Muskelgruppen (feinmotorisch, großmotorisch) (K 3) 55 Situationsdruck: 55 Anforderungen hinsichtlich der Variabilität der Umgebungs- bzw. Situationsbedingungen (S 1) 55 Anforderungen hinsichtlich der Komplexität der Umgebungs- bzw. Situationsbedingungen (S 2) 55 Belastungsdruck: 55 Anforderungen hinsichtlich der physisch-konditionellen Belastungsbedingungen (B 1) 55 Anforderungen hinsichtlich der psychischen Belastungsbedingungen (B 2) Beide Anforderungsgruppen (Informationsanforderungen und Druckbedingungen) kön-

440

A. Krombholz

nen als zwei miteinander gekoppelte Schaltpulte mit einzelnen Reglern dargestellt werden, um die Analyseergebnisse zu dokumentieren (. Abb. 8.28). Die Reglerstellungen zwischen den Polen sehr hoch und sehr niedrig entsprechen der Einschätzung des Bedeutungs- bzw. Schwierigkeitsgrads der entsprechenden Kategorie durch den Nutzer. Sie sind daher kaum objektivierbar und  

..      Abb. 8.28 Koordinations-Anforderungs-Regler (KAR) mit exemplarischen Reglerstellungen (mod. nach Neumaier 2009)

somit auch nicht sportartübergreifend vergleichbar. Die Gesamtkonstellation der Reglerstellungen ergibt das koordinative Anforderungsprofil der Bewegungsaufgabe als Grundlage für die abzuleitenden Trainingsmaßnahmen. Je nach Sportart bzw. Bewegungsaufgabe können die Informationsanforderungen und die Druckbedingungen ausdifferenziert, verändert, ergänzt oder reduziert werden (. Abb. 8.29).  

Informationsanforderungen

Druckbedingungen P

+ k

Z

v

o

K2

t

8

a

S1



+

Info-Anforderungen

K3

S2

G –

K1

B1

B2



+

Druckbedingungen Z

+

+ P

KT

K U Bk Bp

OP OB

_

Sv

G –

..      Abb. 8.29 Koordinations-Anforderungs-Regler (KAR) mit exemplarischen Reglerstellungen für einen Aufschlag (hoch-weit) im Badminton (Hasse et al. 2010). Info-Anforderungen: optischer Analysator Bewegungssehen und räumliches Tiefensehen (OB); optischer Analysator peripheres, ganzheitliches Sehen

U Sn

+



+



(OP); kinästhetisches-taktiles Wahrnehmen (KT); Gleichgewichtsregulation (G). Druckbedingungen: Zeitdruck (Z); Präzisionsdruck (P); Komplexitätsdruck simultan, sukzessiv (K); Belastungsdruck körperlich-physisch (Bp); Situationsdruck vor dem Schlag (Sv); Situationsdruck nach dem Schlag (Sn)

441 Techniktraining

8

Praxistipp: Variationsmöglichkeiten beim Koordinations- und Techniktraining

55 Veränderung der Bewegungsziele (z. B. Dynamik/Geschwindigkeit der Gesamtbewegung, Weglassen/Hinzunehmen von (Teil-)Bewegungen) 55 Veränderung der physikalisch-­ biomechanischen Bedingungen ȤȤ Variationen hinsichtlich der Personeneigenschaften (z. B. Zusatzgewichte, Bekleidung, Schuhe) ȤȤ Variation hinsichtlich der Material- bzw. Geräteeigenschaften (z. B. Schläger, Boot, Ski) ȤȤ Variation der Umweltbedingungen (z. B. Untergrund, Witterung, Gelände) 55 Veränderung der Bedingungen der sportlichen Auseinandersetzung und Kooperationsbedingungen ȤȤ Variation des Aktionsraums (z. B. Größe des Spielfeldes) ȤȤ Variation des Körperkontakts (erlauben, einschränken, verbieten) ȤȤ Variation der zeitlichen Realisierungsbedingungen (z. B. zeitgleich mit bzw. vor/nach anderen)

8.4.2

Bewegungskorrektur

Während jeder Bewegungsausführung, also auch beim Techniktraining, erhält man eine Vielzahl an sensorischen Rückmeldungen (Feedback). Diese Rückmeldungen über die eigene Bewegungsausführung basieren auf der Selbstwahrnehmung über körpereigene Sensoren (z.  B. kinästhetisch, visuell), wobei man zwischen intrinsisch internalem und intrinsisch externalem Feedback unterscheidet. Nimmt man beispielsweise wahr, wie sich der Schmetterschlag beim Volleyball in der Schlaghand angefühlt hat, so handelt es sich um ein intrinsisch internales Feedback in Bezug auf den eigenen Körper. Nimmt man zusätzlich das Geräusch des Schmetterschlages wahr, so entspräche dies einem intrinsisch externalen Feedback aus der Umwelt, welches allerdings

ȤȤ Variation des Umfeldes (z. B. Umweltkomplexität, Umweltvariabilität) ȤȤ Variation des Verhaltens mitwirkender Personen (z. B. Gegner-/Mitspielerverhalten) 55 Veränderung der energetischen Bedingungen ȤȤ Variation der Belastungsdauer und der Belastungsintensität 55 Veränderung der psychologischen Bedingungen ȤȤ Variation der sozialen Stressoren (z. B. Zuschauer, Mitspieler, Gegner) ȤȤ Variation der psycho-physischen Befindlichkeit 55 Veränderung der Informationsbedingungen ȤȤ Variation der optischen, akustischen, taktilen, kinästhetischen und vestibulären Wahrnehmung (einzeln oder kombiniert) ȤȤ Variation der Gleichgewichtsanforderungen

selbst (ohne externe Hilfe) akustisch wahrgenommen wurde. Ergänzend dazu unterscheidet man augmented oder verstärktes Feedback. Hierbei handelt es sich um zusätzliche, externe Rückmeldungen, die entweder die eigene (möglicherweise unzureichende) Selbstwahrnehmung unterstützen, oder solche Rückmeldungen, die ohne technische Hilfsmittel oder Trainer nicht verfügbar sind. In Bezug auf das Beispiel aus dem Volleyball entspräche die Rückmeldung: Der Schmetterschlag ging 2 cm ins Seitenaus einer Rückmeldung, die man selbst nicht oder nur ungenau wahrnehmen bzw. abschätzen kann. Bei Bewegungskorrekturen handelt es sich somit also um verstärktes Feedback zur Unterstützung des Trainingserfolgs. Die Herausforderung dabei ist, die Form und die Ausprägung

442

A. Krombholz

der Rückmeldung so zu wählen, dass sie nicht redundant mit der eigenen Selbstwahrnehmung ist, sondern tatsächlich eine zusätzliche und wertvolle Information darstellt (Gollhofer et al. 2012). Die Bewegungskorrektur im Techniktraining ist vor dem Hintergrund der Rahmenbedingungen, der Sportgeräte, den persönlichen Voraussetzungen des Lernenden und schließlich den Besonderheiten der Sportart bzw. einer speziellen Bewegungsaufgabe sehr komplex. Grundsätzlich können sich Korrekturen auf den Bewegungsablauf (Knowledge of Performance) oder auf das Bewegungsergebnis beziehen (Knowledge of Results) (. Tab.  8.3; Hänsel 2006; Marschall und Daugs 2003). Untersuchungen unterstreichen die Vermutung, dass eine Effektorientierung (KR) sehr wesentlich für das Lernen von Bewegungen ist (Scherer 2014). Dieser Umstand bezieht sich sowohl auf die Eigenrealisation als auch auf die Bewegungsbeobachtung, zum Beispiel im Rahmen von observativem Training. Allerdings ist der Erkenntnisstand diesbezüglich noch sehr dürftig. Zudem führen positive überraschende Effekte offensichtlich verstärkt zur nachhaltigen Bildung neuer Synapsen. Jedoch können das auch Effekte sein, die vom Lernenden zwar als positiv wahrgenommen werden, aber dem

Bewegungsziel nicht zuträglich sind. Hier ist der Lehrer als Bewegungsexperte gefragt, damit sich diese für eine weitere Optimierung der Technik hinderlichen Bewegungsmuster nicht ungewollt (positiv) einprägen. Daher liegt der Vorteil von Sportarten, deren Effekte zwingende, also unmittelbar vom Sportler erkennbare Auswirkungen in Bezug auf das vorher dargestellte Phänomen haben, darin, dass die meisten Fehler einen sichtbaren bzw. spürbaren negativen Effekt haben (. Abb. 8.30; z. B. Sturz durch Gleichgewichts 



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..      Abb. 8.30  Zwingende Effekte beim Freeskiing (Kicker): Technikfehler haben einen Sturz zur Folge: Underrotation und Rebonce (Foto: Florian Preuß)

..      Tab. 8.3  Dimensionen von Feedback beim Techniktraining (mod. nach Marschall und Daugs 2003; Hänsel 2006) Dimension

Ausprägung

Form

Knowledge of Results (KR), Knowledge of Performance (KP) Bandwidth-KR/KP, Average-KR/KP

Häufigkeit

absolute bzw. relative Häufigkeit (fremd-/selbstbestimmt)

Informationsgehalt

qualitativ, quantitativ

zeitliche Platzierung

simultan, terminal Präintervall (Zeitspanne zwischen der Bewegung und der Korrektur) Postintervall (Zeitspanne zwischen der Korrektur und der erneuten Bewegung) Gesamtintervall (zusätzliche Aktivitäten zwischen Aufnahme, Wiedergabe und Training)

Modalität

Sinneskanal (visuell, auditiv, taktil, kinästhetisch)

Inhalt

Bezug zu fehlerhaften bzw. korrekten Aspekten der Technik (Sollwertbezug)

443 Techniktraining

verlust beim Windsurfen, Ski- und Snowboardfahren, Treffgenauigkeit bei Torschüssen). Negative Effekte werden somit vom Lernenden auch als solche erkannt und somit gar nicht erst positiv bewertet und gespeichert. Anders verhält es sich bei Sportarten, bei denen man Fehler auch ohne unmittelbar wahrnehmbare negative Effekte, wie beispielsweise den Verlust des Gleichgewichts, machen kann (z.  B. eine fehlerhafte Technik beim Joggen, die erst mittelfristig leistungslimitierend sein kann oder gar zu gesundheitlichen Problemen führt). Positive und vor allem überraschende Bewegungserfolge führen nachweislich zur phasischen Dopaminfreisetzung, welche die für motorisches Lernen relevanten synaptischen Plastizitätsvorgänge bewirkt (7 Abschn. 8.3). Eine Dopaminausschüttung kann auch extern durch motivierende Äußerungen des Lehrers und durch Lob initiiert bzw. verstärkt werden. Daraus leitet sich für den Lehrer bzw. Trainer ab, dass man mit zu  

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häufigem Loben bei fehlerhaften Bewegungen sehr zurückhaltend sein sollte, insbesondere wenn das Bewegungsergebnis, also der Effekt, aus der Sicht des Lernenden (trotzdem) als positiv wahrgenommen werden kann. Somit ist der häufige methodische Hinweis erst Loben, dann den Fehler korrigieren durchaus infrage zu stellen (Beck und Beckmann 2010). Weitere Differenzierungen bezüglich der Form des Feedbacks begründen sich durch den Schwellenwert einer Abweichung von einem Sollwert, der vom Lehrenden als tolerabel eingeschätzt wird und somit nicht zu korrigieren wäre (Bandwidth KR/KP). Bei einer großen Bandbreite von Bewegungsmerkmalen (z.  B.  Windsurfen, Wellenreiten) wäre somit ein gemitteltes Feedback über mehrere Versuche naheliegend (Average KR/KP). Der Informationsgehalt einer Rückmeldung steht offenbar in Zusammenhang mit der Präzision der Bewegungsregistrierung (Marschall und Daugs 2003).

Beispiel: Augmented Feedback im Tennistraining Der Aufschlag im Tennis ist ebenso komplex wie wichtig. Zur Verbesserung der Aufschlaggeschwindigkeit ist es von Bedeutung, diese beim eigenen Aufschlag im Rahmen eines Techniktrainings einschätzen zu können, da ansonsten das entsprechende Feedback in Form eines Knowledge of Result (KR) fehlt. In einer Studie mit jugendlichen Nationalspielern und -spielerinnen konnte diesbezüglich gezeigt werden, dass diese nicht korrekt einschätzen konnten, ob der eigene Aufschlag schneller oder langsamer als der vorangegangene

Bei der Häufigkeit des Feedbacks unterscheidet man zwischen der absoluten und relativen Frequenz in Bezug zu den Ausführungen der Technik bzw. Bewegungszyklen. Das Feedback kann im Rahmen einer Trainingsperiode auch sukzessiv reduziert werden (Fading). Ein simultanes Feedback ist zwar wünschenswert, aber häufig nicht umsetzbar (z. B. Spiegelwand, akustisches Feedback durch Messsohlen). Auch die Gestaltung der Prä- und Postintervalle hängen wesentlich von den Rahmenbedingungen des Trainings und der Sportart ab (z. B. Natursportarten vs. Hallensportarten). Trotz der

Aufschlag war. Im Anschluss daran wurde deshalb eine sechswöchige ­Techniktrainingsstudie durchgeführt, wobei eine Gruppe KR in Form der Aufschlaggeschwindigkeit erhielt, eine andere Gruppe jedoch nicht. Nach den sechs Wochen hatten beide Gruppen eine höhere Aufschlaggeschwindigkeit, die KR-Gruppe steigerte sich aber signifikant mehr als die Kontrollgruppe ohne KR. Dieser Effekt war auch sechs Wochen später ohne weiteres KR-Training noch signifikant nachweisbar (Moran et al. 2012)

weitreichenden Forderung nach sehr kurzen Prä- und Postintervallen kann man evidenzbasiert davon ausgehen, dass auch größere Zeitintervalle in Abhängigkeit von der Informationsdichte lernfördernd sein können (Olivier und Müller 2002). Dies gilt insbesondere für Sportler mit einem hohen Leistungsniveau. Ein Sollwertbezug gilt insbesondere in einem frühen Lernstadium als lernfördernd. Weitgehend wird eine Kombination von sollwertbezogenen Informationen und Rückmeldungen in Bezug auf die Fehler bzw. Mängel des Istwerts favorisiert, wenngleich die empi-

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A. Krombholz

rischen Erkenntnisse auch zu diesen Aspekten sehr dürftig sind (7 Abschn.  8.4.3). Nachfolgend soll eine bewährte Strategie skizziert werden, die sich sowohl bei Korrekturen während des Trainings als auch beim Videofeedback bewährt hat. Die Kurzformel lautet: Beobachten, Beurteilen und (erst anschließend) Beraten (Hotz 1986). Zu Beginn erfolgt die gezielte Beobachtung der Gesamtbewegung in Ausrichtung auf den Schwerpunkt der Technikkorrektur. Jedoch kann auch eine umfassende Analyse der kompletten Technik Gegenstand des Feedbacks sein. Man kann nachstehende Strategien abgrenzen, aber auch miteinander kombinieren: 55 Orientierung an dem zeitlichen Ablauf der Technik unter Berücksichtigung der Grundstruktur der Bewegung (z. B. Anlauf, Absprung, Flug und Landung bei einem Salto vorwärts) 55 Orientierung an den Funktionsphasen der Technik (z. B. Absprung beim Weitsprung, Schlagbewegung beim Angriffsschlag im Volleyball) 55 Orientierung am Sportgerät (Skier, Tennisschläger, Kugel) unter Berücksichtigung der beobachtbaren Effekte (z. B. Spurbild im Schnee, Flugkurve des Balls bzw. der Kugel) 55 Orientierung an den Aktionen und Aktionsspielräumen des Sportlers oder einzelnen Körperteilen 55 Orientierung an der Bewegungsaufgabe  

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Als Ergebnis der Beurteilung der beobachteten Fehler identifiziert man im Idealfall einen Hauptfehler, von dem alle weiteren Probleme abhängig sind. Häufig findet man jedoch mehrere Fehler, die man entsprechend ihrer Bedeutung für den Bewegungserfolg ordnen kann, damit der Sportler die Technik erfolgreich(er) auszuführen kann. Die Beobachtung und auch die Beurteilung des Istwertes erfolgt durch

den Lehrenden schon beim Betrachten der Bewegungsausführung in einem zum Teil sehr kleinen Zeitfenster (z. B. bei schnellen Bewegungen innerhalb einer kurzen Zeitspanne). Daher muss die Analyse in der Trainingspraxis sehr schnell geschehen, nämlich während der (einmaligen) Bewegungsausführung des Lernenden genau bis zu dem Zeitpunkt, an dem dieser beim Lehrenden eintrifft, um die Korrektur mitgeteilt zu bekommen. Wird die Korrektur in Form eines Videofeedbacks erteilt, hat der Lehrer ein wenig mehr Zeit, da man sich die Bewegung im Normalfall mehrfach, ggf. mithilfe von Zeitlupe oder auch Standbildern anschaut. In Zusammenhang mit der abschließenden Beratung des Sportlers stellt sich zunächst die Frage, ob der Lehrende den Sportler mit seinem Erkenntnisprozess (Beobachten/Beurteilen), also den Fehlern bzw. der Fehleranalyse, konfrontieren sollte. Dies ist im Regelfall nicht notwendig. Es sei denn, dass es bei der Korrektur (auch) um die Entwicklung der Lehrkompetenz, beispielsweise im Rahmen der Lehrerausbildung, geht. Die Bewegungskorrekturen können nachstehende Maßnahmen umfassen: 55 Bewegungsanweisungen (Welche Aktionen/Aktionsspielräume sollen in der anschließenden Trainingsphase realisiert werden?) 55 Bewegungserklärungen (Warum ist eine Aktion notwendig? Welche Funktion erfüllt die Aktion?) 55 Bewegungsaufgaben 55 Einsatz methodischer Hilfsmittel 55 usw. Im Idealfall gelingt es dem Lernenden, über eine Sensibilisierung seiner Selbstwahrnehmung die Effekte und auch den Ablauf von Aktionen und Aktionsspielräumen selbstständig zu regulieren. Der methodische Leitsatz sollte lauten: von der Fremdkorrektur zur Selbstkorrektur.

445 Techniktraining

8.4.3

Videofeedback

Die große Bedeutung von Videounterstützung beim Techniktraining ist weitgehend unbestritten. In der Trainingspraxis werden Videos im Wesentlichen zur Sollwertdarstellung, z. B. im Rahmen des observativen Trainings, oder beim Videofeedback eingesetzt. Die technischen Möglichkeiten der Aufnahme, Bearbeitung und Wiedergabe von Videos sind sehr vielfältig und liefern Lösungen für nahezu alle denkbaren Zielsetzungen in unterschiedlichsten Settings. Perspektivisch ist eine intensive Auseinandersetzung mit den sich ständig erweiternden technischen Möglichkeiten beim Techniktraining unerlässlich. Die Szenarien, in der die reale Welt durch digitale Inhalte ergänzt oder zum Teil auch ersetzt wird, sind sehr vielversprechend, jedoch zurzeit vor dem Hintergrund finanzierbarer technischer Möglichkeiten nur eingeschränkt für den allgemeinen Einsatz im Training und in der Lehre einsetzbar (Augmented Reality AR, Virtuell Reality (VR, Exergames und/oder 360-Grad-Videos). In diesem Kapitel liegt der Fokus auf dem Videofeedback beim Techniktraining, dessen vorrangige Zielsetzung darin besteht, die interne Repräsentation des momentanen Istwerts einer Technik (Synonym Selbstbild) anhand der objektiven Entsprechung (Synonym Fremdbild) und ggf. einem Sollwert zu kalibrieren. Zur Verdeutlichung bestimmter Merkmale kann ein Videofeedback weitere Optionen integrieren (z.  B. grafische Hervorhebungen, ergänzende Informationen zum Verlauf und/ oder dem Resultat der Bewegungshandlung). Zudem können Hinweise bzw. Hilfestellungen für das nachfolgende Training gegeben werden (z.  B.  Bewegungskorrekturen, Einsatz methodischer Hilfsmittel). Darüber hinaus kann auch die synchronisierte Darbietung von mehreren Videoclips (z. B. Sollwert vs. Istwert) erfolgen.

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Aus den vorliegenden Publikationen lassen sich grundlegende Prinzipien für den effektiven Einsatz des Videofeedbacks ableiten, die zum einen auf den Erkenntnissen zum (motorischen) Lernen und zum anderen auf den (unterschiedlichen) Modellen der Gedächtnisstrukturen (z.  B.  Präsenzzeiten und Speicherprozesse von Informationen) beruhen. Die nachfolgend exemplarisch aufgelisteten, empirischen Erkenntnisse und Empfehlungen basieren weitgehend auf Studien in überwiegend standardisierten Indoor-Settings (Daugs et  al. 1990, 1991; Olivier und Müller 2002; Marschall und Daugs 2003; Opitz und Fischer 2011), deren externe Validität kritisch zu diskutieren wäre. 55 Eine Darbietung von Istwerten per Video ohne (angemessene) Kommentierung des Lehrenden und ohne Sollwertbezug wirkt sich eher hemmend als fördernd auf den Lernprozess aus, insbesondere auf niedrigem Lernniveau (Daugs et al. 1990, 1991; Opitz und Fischer 2011; Nowoisky et al. 2012). 55 Das (wiederholte) Betrachten von Sollwerten verbessert die Bewegungsvorstellung und die Bewegungsausführung. Außerdem erleichtert es die Identifikation von Fehlern des (eigenen) Ist-Wertes beim Videofeedback (Opitz und Fischer 2011). 55 Die simultane Kombination von Sollwert und Istwert führt zu einem großen Anstieg expliziter Anteile der internen Repräsentation einer sportlichen Technik und außerdem zu einer verbesserten Bewegungsausführung im Vergleich zu einer reinen Sollwert-Instruktion bzw. der reinen ­Darstellung des Istwertes (Daugs et al. 1990, 1991). 55 Die Intervalle zwischen der Bewegungsausführung und der Videoanalyse (Präintervall) sowie dem folgenden Training (Postintervall) sollen möglichst kurz sein (Olivier und Müller 2002; Hänsel 2006).

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A. Krombholz

55 Eine Minimierung des Präintervalls (idealerweise < 10 s bis zu einigen Minuten) hat vorrangige Bedeutung gegenüber dem Postintervall (Daugs et al. 1990; Olivier und Müller 2002). 55 Der Lernende sollte beim Videofeedback den aufgenommenen Istwert zunächst merkmalsbezogen selbst einschätzen bzw. kommentieren, bevor eine externe Rückmeldung erfolgt (Daugs et al. 1991).

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Trotz des teilweise erheblichen organisatorischen und zeitlichen Aufwands bei der Durchführung eines Videofeedbacks sind die positiven Effekte für den Lernenden, welche man durch einen professionellen und angemessenen Einsatz von Videotechnologien beim Techniktraining erzielen kann, hervorzuheben. Jedoch sollten auch potentielle negative Effekte durch einen unprofessionellen Einsatz von Video nicht unerwähnt bleiben: 55 unsachgemäße Handhabung des Equipments bei der Aufnahme und der Wiedergabe 55 unpassende oder fehlende Sollwerte 55 Zerstückelung der Bewegung und damit der zeitlichen Struktur einer Bewegung durch den übermäßigen Einsatz von Zeitlupe/Standbildern 55 ausschweifende Fehler(ursachen)diskussionen mit den Lernenden In der aktuellen Literatur sind die Zuordnungen der unterschiedlichen Möglichkeiten des Videoeinsatzes beim Techniktraining sowie die Terminologie sehr uneinheitlich. Daher basiert der nachfolgende Strukturierungsversuch auf den inhaltlichen Komponenten der Videos (Sollwert/Istwert) und deren Zuordnung zu den Anwendungsformen (. Abb. 8.31). Ein Videofeedback hat zunächst den Istwert des Lernenden im Fokus. Dieser Istwert sollte bei der Videoanalyse im Idealfall mit  

einer Sollwertdarstellung kombiniert werden. Die Zielsetzung des Videofeedbacks besteht, wie schon dargestellt, darin, die interne Repräsentation (Synonym Selbstbild) anhand der objektiven Entsprechung (Synonym Fremdbild) und einem (visualisierten) Sollwert abzugleichen. Darauf aufbauend können Hinweise bzw. Hilfestellungen für das nachfolgende Training gegeben werden (z. B. Aufgaben, Einsatz methodischer Hilfsmittel). Eine spezielle Form des Videofeedbacks stellt das Videotraining dar (Synonyme Messplatztraining, Bildschirmtraining), bei dem die Prä- und Postintervalle minimiert werden sollen, damit auf alle Informationen im Kurzzeitgedächtnis zugegriffen werden kann. Außerdem werden beim Videotraining die Sollwert-Instruktionen und das Videofeedback in den Trainingsprozess integriert und mehrfach systematisch wiederholt (Opitz und Fischer 2011; Nowoisky et al. 2012). Beim observativen Training lernen die Sportler durch die Beobachtung geeigneter Sollwerte. Diese Sollwerte können in Form von Videoaufzeichnungen, Kurzlehrfilmen, aber auch von Bildreihen dargestellt und ggf. durch Kommentare des Trainers begleitet werden. Im Folgenden geht es um unterschiedliche Aspekte des Lernenden, die im Zusammenhang einer Videoanalyse beim Techniktraining zu berücksichtigen sind (. Abb. 8.32). Vor dem Hintergrund der übergeordneten Zielsetzung des Videofeedbacks (Optimierung der Bewegungsvorstellung) ist die Kalibrierung des Selbstbilds mit dem Fremdbild ggf. in Ausrichtung an einen angemessenen Sollwert wesentlich. Bei Personen, die keine oder wenig Erfahrung mit einem Videofeedback haben, können die vorhandenen Differenzen zwischen dem (visuellen) Selbstbild und der objektiven Entsprechung emotionale Befindlichkeiten auslösen, welche derartig dominant sein können, dass die erwünschten Effekte eines ­Videofeedbacks nachhaltig überschattet wer 

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447 Techniktraining

..      Abb. 8.31 Inhalte und Anwendungsformen von Videoeinsatz beim Techniktraining

Videounterstütztes Techniktraining

Videofeedback

Observatives Training

Videotraining

Istwertdarstellung

Sollwertdarstellung

Ergänzende Informationen

..      Abb. 8.32 Idealtypischer Ablauf einer Videoanalyse im Rahmen eines Videofeedbacks

„Einsehen“

Einschätzung durch den Lernenden

Sollwert & Beobachtungsschwerpunkte

Ergänzungen durch Lehrer

Individuelles Visionieren

den. Daher sollte man die Videoanalyse in einem diskreten Umfeld organisieren, den Lernenden nicht bloßstellen (z. B. als Negativbeispiel) und dem Feedback-Neuling Zeit geben, sich mit seinem Fremdbild vertraut zu machen. Im Rahmen eines Videofeedbacks kann man vor allem räumliche (z.  B.  Körperposi-

Korrekturhinweise

tionen, Gelenkwinkel) und räumlich-zeitliche Merkmale analysieren. Dabei ist die Routine des Trainers in Bezug auf die Bewegungsbeurteilung ausschlaggebend für die Qualität des Feedbacks. Darüber hinaus sind weitere Merkmale einer sportlichen Technik abschätzbar. Dazu zählen das Timing (Beginn/Ende bzw.

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Dauer einer Aktion), der Bewegungsumfang (Ausprägung der Veränderung von einzelnen oder mehreren Gelenkstellungen), die Richtung von Aktionen des Körpers oder von Körperteilen und/oder des Sportgeräts und die Dynamik der Aktionen in Bezug auf die Erzeugung und Wirkung von Kräften. Nachfolgend werden einige grundlegende Hinweise zum Einsatz von Videofeedback in Bezug zum Lernniveau dargestellt: 55 Beim Technikerwerbstraining, wenn die Bewegungsvorstellung noch sehr unvollständig ist und Bewegungsgefühle der zu vermittelnden Technik kaum vorhanden sind, ist der Einsatz von Videofeedback noch wenig zielführend und ggf. sogar demotivierend, da die impliziten Anteile der Bewegungsvorstellung überwiegen. Eine Reduzierung der zu beobachtenden Merkmale mit einer gezielten Fokussierung der Wahrnehmung auf räumliche Aspekte, ggf. durch grafische Aufbereitung des Sollwert-Videomaterials, ist zu empfehlen (Nowoisky et al. 2012). Positive Effekte können auch durch die (wiederholte) Betrachtung von Sollwerten erwartet werden. 55 Im Fortgeschrittenenbereich, wenn die Bewegungsvorstellung schon vielfältige Informationen (u. a. Bewegungsgefühle) beinhaltet, liegt ein Haupteinsatzbereich des Videofeedbacks. Räumlich-zeitliche Merkmale der Bewegungsausführung können mit den entsprechenden Komponenten der eigenen Bewegungsvorstellung abgeglichen werden und ggf. an einem Sollwert kalibriert werden. Der gezielte, wiederholte Einsatz von Videofeedback ist auf diesem Lernniveau sehr effizient. 55 Beim Expertentraining ist die Bewegungsvorstellung sehr umfassend und beinhaltet vielfältige, weitgehend sehr differenzierte und variable Informationen. Daher ist der gezielte Einsatz von Videofeedback mit einer Fokussierung auf einzelne Parameter

der sportlichen Technik in unterschiedlichen Anwendungsbereichen sinnvoll. Dieser kann durch zusätzliche, biomechanische Feedbackoptionen ergänzt werden. Zudem können eingeschliffene Bewegungsmerkmale, z. B. beim notwendigen Umlernen von Techniken, verdeutlicht werden. Die Anforderungen an den Lehrenden beim Videoeinsatz umfassen nicht nur den professionellen Umgang mit dem technischen Equipment, sondern auch tiefgründige Kenntnisse in Bezug auf die Zusammenhänge von Aktionen und deren Funktionen als Grundlage für eine hochwertige, individuelle Bewegungskorrektur. So spielen die konstitutionellen und athletischen Voraussetzungen der Lernenden bei einem Videofeedback eine maßgebliche Rolle und sind darüber hinaus ggf. im Zusammenhang mit den Rahmenbedingungen (z. B. Wind, Regen, Bodenbelag) und schließlich dem Sportgerät zu bewerten (z.  B.  Segelgröße, Taillierung der Ski). Jeder Mensch hat andere Lerngewohnheiten, welche dem Lehrenden (und auch den Lernenden) in der Regel kaum bekannt sind. Während der einen Person ein visueller Vergleich von Sollwert und Istwert ausreicht, um die Bewegungsvorstellung erfolgversprechend zu erweitern bzw. verändern, sind für eine andere Person umfangreiche Erläuterungen beispielsweise zu den Zusammenhängen zwischen den Aktionen und den Funktionen zielführend. Darüber hinaus können Ängste Lernblockaden zur Folge haben, die im Training bzw. Unterricht häufig nur mit viel Aufwand oder auch gar nicht zu beseitigen sind. Schließlich zeichnet sich ein guter Trainer durch die Fähigkeit aus, dass er die Fehler angemessen beobachten und analysieren kann sowie die passenden Korrekturmaßnahme zuordnen kann (7 Abschn. 8.4.2).  

449 Techniktraining

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Praxistipp: Aufnahmevorbereitung und E ­ rstellung der Aufnahmen

Vor der Organisation des Videofeedbacks sind folgende grundlegende Fragen zu beantworten: 55 Was soll abgebildet werden (Schwerpunkt(e), Zielsetzung(en) des Videofeedbacks)? 55 Welche Details kann ich mit meinem Aufnahmeequipment abbilden (z. B. Leistungsfähigkeit des optischen Zooms)? 55 Welcher Abstand zwischen Kamera und Sportler ist notwendig bzw. möglich? 55 Passen die Ziele zu den Voraussetzungen der Lernenden sowie zu den gegebenen Umweltbedingungen (Überforderungen der Teilnehmer)? 55 Ist der Aufnahmeort für alle Kursteilnehmer erreichbar? 55 Sind ausreichend Ersatzakkus für die geplante Aufnahmezeit bei den gegebenen Bedingungen vorhanden und geladen?

Die Wiedergabeoptionen einer Videoanalyse sind sehr vielfältig und hängen von der Unterrichts- bzw. Trainingssituation ab. Entscheidend sind nicht nur die G ­ erätevoraussetzungen, sondern auch die Räumlichkeiten. Ein ggf. abzudunkelnder Raum direkt am Trainingsgelände wäre optimal. Außerdem gilt es zu beachten, dass sich mögliche Fehlerquellen mit der Anzahl der zwischengeschalteten Geräte potenzieren, insbesondere, wenn die Videodaten konvertiert werden (z. B. beim Gebrauch eines Laptops als Abspielgerät). Auch die Display-­Helligkeit beispielsweise von Tablets ist im Außenbereich zu berücksichtigen und ggf. limitierend. Im Folgenden soll exemplarisch der optimale Ablauf eines Videofeedbacks aufgezeigt werden. Anpassungen können und sollen, unter Berücksichtigung der in diesem Kapitel dargestellten Aspekte, vorgenommen werden, um den strukturellen Voraussetzungen des Trainings- bzw. Unterrichtssettings gerecht zu werden (. Abb. 8.32).  

55 Ist ein Speichermedium mit ausreichender Kapazität vorhanden? 55 Wurde Reihenfolge und Anzahl der Aufnahmen pro Person festgelegt? 55 Passen der Bildausschnitt und die Perspektive zu den Zielen bzw. Schwerpunkten des Videofeedbacks? 55 Ist der Aufnehmende mit der (ruckelfreien) Handhabung des Zooms vertraut? 55 Lassen die Lichtverhältnisse qualitativ ausreichende Aufnahmen zu (z. B Gegenlicht, Nebel)? Bezüglich der Aufnahmeorganisation sollte man sich darüber hinaus vor Augen halten, dass der normale Unterricht nicht zu kurz kommt (idealerweise gibt es jemanden, der die Aufnahmen von den Teilnehmern (inkl. eines Sollwerts vom Lehrer) kursbegleitend erstellen kann).

1. Der Sollwert und die Beobachtungsschwerpunkte müssen festgelegt werden und für die Teilnehmer des Videofeedbacks (mit den gegebenen Voraussetzungen) auch realisierbar sein. Der Sollwert muss für die Kursteilnehmer transparent und einleuchtend sein und sollte als Videoclip oder notfalls als Bildreihe zu Beginn des Videofeedbacks dargestellt und ggf. erläutert werden. 2. Ein Einsehen der eigenen Istwerte ermöglicht den Abgleich von Selbstbild und Fremdbild (objektive Entsprechung). Bloßstellungen (auch durch andere Kursteilnehmer) sind zu vermeiden und Diskretion ist zu bewahren. Die Fokussierung auf die maßgeblichen Beobachtungsmerkmale sollte vorab erfolgen. 3. Eine erste Einschätzung durch den Lernenden fördert die Aufmerksamkeit und führt zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit der vorhandenen Bewe-

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gungsvorstellung der Technik. Eine Wahrnehmungslenkung und Moderation durch den Lehrenden kann durch gezielten (aber sparsamen) Einsatz von Zeitlupe und Standbild erfolgen. 4. Ergänzungen durch den Lehrer und die Korrekturhinweise beziehen sich auf die maßgeblichen Fehler. Man sollte möglichst positiv korrigieren (Was sollte im Hinblick auf eine erfolgreiche bzw. hochwertige Bewegungsausführung verändert werden?) und den Lernenden immer mit einem Durchlauf der Videosequenz im Originaltempo entlassen, damit der Bewegungsrhythmus in seiner Bewegungsvorstellung nicht verfälscht wird. Die Korrekturhinweise sollte man ggf. im Sinne eines Trainingsplans vom Lernenden aufschreiben lassen, wenn ein Videofeedback nur punktuell durchgeführt werden kann (Schreibzeug ggf. zur Verfügung stellen). 5. Ein individuelles Visionieren des Istwertes und des Sollwertes verfestigt die Kalibrierung als Grundlage für das weitere

Trainieren. Daher sollten die Aufnahmen (inkl. des Sollwerts) den Teilnehmern zur Verfügung gestellt werden. Beim Einsatz von Video im Kontext des Techniktrainings sollten aus Gründen des Datenschutzes sowie des Rechts am eigenen Bild nachstehende Punkte beachtet werden: 55 Lehrende und auch Lernende sollten ethische Grundregeln beachten. Es sollten also nur die relevanten Abläufe gefilmt werden. Außerdem sollte darauf geachtet werden, dass Lernende nicht bewusst unvorteilhaft dargestellt werden. 55 Es sollte das Einverständnis der Lernenden, ggf. schriftlich, eingeholt werden. 55 Die erzeugten Videos sollten nur zur Analyse verwendet werden. 55 Im schulischen Kontext empfiehlt es sich, die Videos nach der Analyse zu löschen. Darüber hinaus sollte man sich vorab über die aktuellen Bestimmungen informieren.

451 Techniktraining

8.5  Aufgaben zur Nachbereitung

des Kapitels

1. Welche Aspekte der einer Bewegungsvorstellung können beim observativen Training gebildet werden? 2. Nennen Sie Beispiele von Sportarten, in denen die Zieltechnik, auch im Spitzensport, starke interindividuelle Streuungen aufweist, und begründen Sie Ihre Auswahl. 3. Recherchieren Sie Beispiele von Sportarten, bei denen sich die Technikleitbilder bzw. Sollwerte aufgrund von Regeländerungen verändert haben. 4. Vergleichen Sie die Grundstruktur von sportlichen Techniken in drei unterschiedlichen Sportarten auf der Basis der Phasenstruktur nach Meinel und Schnabel (2007) mit der Grundstruktur auf der Basis des Funktionsphasenkonzeptes nach Göhner (1992).

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5. Vergleichen Sie die Grenzen der informationsverarbeitenden Erklärungsansätze der motorischen Kontrolle und Steuerung von Bewegungen mit denen der systemdynamischen Erklärungsansätze. 6. Entwickeln Sie ein Vermittlungskonzept für eine sportliche Technik auf der Basis der systemdynamischen und informationsverarbeitenden Erklärungsansätze der motorischen Kontrolle und Steuerung von Bewegungen. 7. Nennen Sie Übungsbeispiele für variables und monotones Training beim Techniktraining in einer von Ihnen auszuwählenden Sportart. 8. Stellen Sie die Kernaussagen der fähigkeitsorientierten und anforderungsorientierten Koordinationsmodelle vergleichend gegenüber und verdeutlichen Sie die Unterschiede an einem selbstgewählten Beispiel. 9. Stellen Sie die Informationsanforderungen und die Druckbedingungen des KAR mit einem selbstgewählten Beispiel dar. 10. Nennen Sie mögliche technische Probleme bei der Aufnahme und Wiedergabe der Videosequenzen im Rahmen eines Videofeedbacks. 11. Entwickeln Sie ein Konzept für ein Videofeedback beim Techniktraining in einer von Ihnen ausgewählten Sportart.

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455

Regenerationsmanagement und Ernährung Thimo Wiewelhove 9.1

 edeutung des Regenerationsmanagements B im Sport – 458

9.2

 iologische Grundlagen von Ermüdung und B Regeneration – 459

9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.2.4

 etabolische Ursachen von Ermüdung – 460 M Mechanische Ursachen von Ermüdung – 462 Neuronale Ursachen von Ermüdung – 465 Messung von Ermüdung – 467

9.3

 egenerationsinterventionen und deren R Wirksamkeit – 469

9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.3.4 9.3.5 9.3.6 9.3.7 9.3.8 9.3.9

 ktive Erholung – 470 A Stretching – 471 Kälteapplikationen – 473 Wärmeapplikationen – 475 Kompressionskleidung – 476 Massage – 477 Schlaf – 478 Foam-Rolling – 480 Sonstige Regenerationsinterventionen – 483

Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_9. Die Videos lassen sich mit Hilfe der SN More Media App abspielen, wenn Sie die gekennzeichneten Abbildungen mit der App scannen. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_9

9

9.4

Regeneration und Ernährung – 484

9.4.1 9.4.2 9.4.3 9.4.4

 usgleich von Flüssigkeits- und Mineralstoffverlusten – 485 A Kohlenhydratzufuhr – 486 Proteinzufuhr – 489 Mikronährstoffe und Nahrungsergänzungsmittel – 491

9.5

Individualisierung des Regenerationsmanagements – 494

9.6

Aufgaben zur Nachbereitung des Kapitels – 497 Literatur – 497

457 Regenerationsmanagement und Ernährung

„Ich leg mich jetzt erstmal drei Tage in die Eistonne“ (Per Mertesacker)

Zusammenfassung Ermüdung und Regeneration sind integrale Bestandteile des Trainingsprozesses. Dabei steht die kontinuierliche Leistungsentwicklung in ständiger Wechselwirkung mit den durch Trainings- und Wettkampfaktivitäten ausgelösten Ermüdungsund Regenerationsvorgängen. Während die Steigerung der Trainingsqualität seit jeher im Fokus trainingswissenschaftlicher Bemühungen steht, richtet sich das Augenmerk zunehmend auch auf die Erholungsprozesse und deren Optimierung. Das Regenerationsmanagement lässt sich dabei im Wesentlichen in die Messung des Regenerationsbedarfs sowie in die individualisierte Planung und Anwendung von Regenerationsstrategien strukturieren. Hierbei ist die Bedeutung einer angemessenen Ernährung sowie von ausreichend Schlaf unbestritten. Zusätzlich kann in der (leistungs-) sportlichen Praxis aus einer Vielzahl an regenerationsfördernden Maßnahmen ausgewählt werden, deren Wirksamkeitsnachweis jedoch nur selten unter wissenschaftlich kontrollierten Bedingungen

überzeugend erfolgt ist. Dies gilt sowohl für „traditionelle“ und bei den Athleten beliebte Maßnahmen wie beispielsweise die Massage als auch für neuartige Regenerationstrends wie Foam-Rolling oder für technologisch unterstützte Interventionsstrategien wie z. B. LED-Bestrahlung oder Kältekammern. Sowohl Ermüdungs- als auch Erholungsprozesse sind äußerst komplexe und multifaktorielle Phänomene, die in Abhängigkeit von den Belastungsmerkmalen sowie adressaten- und umweltspezifischen Besonderheiten auf verschiedenen Funktionsebenen des menschlichen Organismus (u.  a. Muskulatur, Bindegewebe, zentrales Nervensystem, autonomes Nervensystem, endokrines System) in unterschiedlichen zeitlichen Dimensionen sowie in unterschiedlicher Geschwindigkeit und Ausprägung stattfinden. Basierend hierauf werden in diesem Kapitel sowohl die Wirkmechanismen und Effekte von Regenerationsinterventionen, die sich in der Sportpraxis großer Beliebtheit erfreuen, diskutiert als auch Grundlagen zum Ernährungsmanagement im Sport besprochen. Unter Berücksichtigung individueller und sportartspezifischer Rahmenbedingungen werden Praxistipps für die Regenerationssteuerung im (Leistungs-)Sport vorgestellt.

9

T. Wiewelhove

9.1  Bedeutung des

a

9







reduzierte Leistungsfähigkeit

Regeneration

Superkompensation

initiale Leistungsfähigkeit

Zeit

b initiale Leistungsfähigkeit

Belastung

Regeneration

Belastung

Belastung

Regeneration

reduzierte Leistungsfähigkeit

Regeneration

Ermüdung und Regeneration sind integrale Bestandteile des Trainingsprozesses. Dabei steht die kontinuierliche Leistungsentwicklung in ständiger Wechselwirkung mit den durch Trainings- und Wettkampfaktivitäten ausgelösten Ermüdungs- und Regenerationsvorgängen. Die Ermüdung kann im Allgemeinen als reversible – im Sinne der Superkompensation beabsichtigte – Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit charakterisiert werden, die in Abhängigkeit des Schweregrads erst nach einigen Minuten, Stunden oder Tagen abklingt (Barnett 2006). Die Regeneration dient somit der Wiederherstellung und Superkompensation der Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit nach intensiven, ermüdenden Trainings- und Wettkampfbelastungen (. Abb. 9.1a; vgl. 7 Kap. 2: Prinzip der optimalen Relation von Belastung und Erholung). Bleiben die hierfür notwendigen Erholungszeiten bei der Trainings- und Wettkampfplanung unberücksichtigt, nimmt das Risiko für chronische Überlastungsreaktionen sowie Leistungsstagnation oder Leistungsreduktion zu (. Abb.  9.1b, Meeusen et al. 2013). Dies betrifft insbesondere den Leistungs- und Hochleistungssport, da Trainingsumfang, Trainingsintensität und Trainingsdichte sowie Wettkampfhäufigkeit und Leistungsdichte in vielen Disziplinen in den letzten Jahren deutlich angestiegen sind. Während die Steigerung der Trainingsqualität seit jeher im Fokus trainingswissenschaftlicher Bemühungen steht, richtet sich das Augenmerk zunehmend auch auf die Erholungsprozesse und deren Optimierung. Im Gesamtgefüge der Leistungssteuerung bietet eine optimierte Planung und Gestaltung der Regenerationsphasen die Chance, kompensatorische Wiederherstellungsvorgänge zu unterstützen, chronische Missverhältnisse zwischen Belastung und Erholung zu vermeiden, die Trainingstoleranz bei hoher Trainingsdichte zu steigern und die Wiederherstellung der Wettkampfleistung zu beschleunigen. Das Regenerationsmanagement

erhöhte Leistungsfähigkeit

Trainings- oder Wettkampfbelastung

Regenerationsmanagements im Sport

Belastung

458

Zeit

..      Abb. 9.1  Eine Trainings- oder Wettkampfbelastung geht mit einer Ermüdung einher. a Während der Regenerationsphase kommt es zur Wiederherstellung und schließlich zur Superkompensation der Leistungsfähigkeit. b Bei wiederholten Belastungen und unzureichender Erholungsdauer nimmt die Leistungsfähigkeit kontinuierlich ab (modifiziert nach Meeusen und de Pauw 2013)

lässt sich dabei im Wesentlichen in die Messung des Regenerationsbedarfs (vgl. 7 Abschn.  2.4: Trainings- und Athleten-Monitoring) sowie in die individualisierte Planung und Anwendung von Regenerationsstrategien strukturieren.  

Praxistipp: Akute Ermüdung versus chronische Überlastung

Im Einzelfall mag es zwar darum gehen, ein sogenanntes Übertrainingssyndrom zu vermeiden oder zumindest spezielle chronische Überlastungszustände zu verhindern. Der Fokus dieses Kapitels liegt jedoch auf der Bewertung und Beeinflussung der „normalen“ akuten Ermüdungsvorgänge nach intensiven Trainings- oder Wettkampfbelastungen. Denn sie prägen fast täglich die Handlungsentscheidungen von Trainern und Athleten und sind somit von großer sportpraktischer Bedeutung (Meyer et al. 2016).

459 Regenerationsmanagement und Ernährung

9.2  Biologische Grundlagen von

Ermüdung und Regeneration

Sowohl Ermüdungs- als auch Erholungsprozesse sind äußerst komplexe und multifaktorielle Phänomene, die in Abhängigkeit von den Belastungsmerkmalen (u.  a. Reizintensität, -dauer und -dichte) sowie adressaten- und umweltspezifischen Besonderheiten auf verschiedenen Funktionsebenen des m ­ enschlichen Organismus (u.  a. Muskulatur, Bindegewebe, zentrales Nervensystem, autonomes Nervensystem, endokrines System) in unterschiedlichen zeitlichen Dimensionen sowie in unterschiedlicher Geschwindigkeit und Ausprägung stattfinden. Die kurzfristigste Form der Ermüdung ereignet sich bereits während jeder einzelnen Muskelkontraktion. So führt beispielsweise die Abstoß- bzw. Stützphase während des Sprintens zu einer unmittelbaren Ermüdung der beanspruchten Muskulatur, indem Adenosintriphosphat verbraucht wird

9

und während der Schwungphase resynthetisiert werden muss (Bishop et al. 2008). Ferner kann zwischen akuter und mittelfristiger Ermüdung unterschieden werden. Erstere sind Ermüdungsmechanismen im direkten Anschluss an eine akute körperliche Aktivität, die noch während der Trainingsoder Wettkampfbelastung die Leistungsfähigkeit beeinflussen. So führen die in relativ kurzer Zeit häufig wiederholten hochintensiven Spielanteile während eines Fußballmatches dazu, dass das initiale Leistungsniveau im Verlauf des Spiels abnimmt. Der Belastungsstress geht dabei mit einer akuten Homöostasestörung einher und äußert sich in kurzfristigen physiologischen Belastungsreaktionen, zu denen u.  a. eine verstärkte Atmung, eine Steigerung der Herzfrequenz und Sauerstoffaufnahme, eine Erhöhung der Energie- und Schweißflussrate, eine Akkumulation des anfallenden Laktats sowie eine Umverteilung des Blutflusses zählen (. Abb.  9.2, Lambert und Mujika 2013). In der Erholungsphase im  

Homöostasestörung

Minuten • Herzfrequenz • Blutlaktatkonzentration • Körpertemperatur

Trainings- oder Wettkampfbelastung

Regeneration

Stunden • kognitive Funktionen • Sauerstoffaufnahme Tage • Serum-Kreatinkinase • Muskelglykogen • Muskelkater Wochen • Muskelfunktion • neuromuskuläre Koordination

Zeit ..      Abb. 9.2  Eine Trainings- oder Wettkampfbelastung geht mit einer akuten Homöostasestörung einher. In Abhängigkeit der Belastungscharakteristika (u. a. Belastungsintensität, -dauer und -qualität)

benötigen die Wiederherstellungsprozesse, die im Verlauf der Regenerationsphase stattfinden, zwischen einigen Minuten und mehreren Wochen (modifiziert nach Lambert und Mujika 2013)

460

9

T. Wiewelhove

unmittelbaren Anschluss an eine körperliche Belastung erreichen solche akuten physiologischen Anpassungen innerhalb von wenigen Minuten bis hin zu einigen Stunden ihr Ruheniveau. Mittelfristige Ermüdungsreaktionen können sich hingegen über Tage und Wochen manifestieren und die Leistungsbereitschaft auch noch während anschließender Trainingsoder Wettkampfbelastungen beeinflussen. Zu ihnen zählen metabolisch (z. B. Entleerung der muskulären Glykogenspeicher), mechanisch (z.  B.  Muskelkater infolge von mikroskopisch kleinen Muskelverletzungen) und neuronal bzw. zentral-nervös bedingte (z.  B. negative Gefühls- und Stimmungslage) Ermüdungsmechanismen. Neben der Differenzierung nach zeitlichen Merkmalen wird zwischen muskulär-­ peripheren (distal der motorischen Endplatte) und neuronal-zentralen (proximal der motorischen Endplatte) Ermüdungsvorgängen unterschieden (Ament und Verkerke 2009). Deren zugrundliegende Wirkmechanismen beeinflussen sich zwar gegenseitig und laufen somit nicht unabhängig voneinander ab. Sie treten aber in Abhängigkeit der Belastungscharakteristika in unterschiedlich starker Gewichtung auf. Während niedrigintensive, langandauernde Krafteinsätze oder wiederholt ausgeführte Bewegungsabläufe bei hoher koordinativer Beanspruchung mit zentralen Ermüdungsmechanismen assoziiert sind, werden Aktivitäten mit moderaten bis hohen Kraftspitzen bzw. Muskelzugspannungen vorrangig durch periphere Ermüdungsvorgänge determiniert. Hierbei besteht allerdings eine hohe interindividuelle Variabilität und motorische Aufgabenspezifität, sodass nicht immer eindeutig die dominante Komponente der belastungsinduzierten Ermüdung ermittelt werden kann (Shei und Mickleborough 2013). Peripher bedingte Funktionseinschränkungen ergeben sich dabei hauptsächlich durch metabolische und mechanische Ermüdungsursachen, während zentrale Ermüdungsprozesse auf spinaler und supraspinaler Ebene ablaufen bzw. auf neuronale Ermüdungsursachen zurückgeführt werden können (Raeder 2017).

Aufgrund der außerordentlichen Komplexität und der zahllosen Wechselwirkungen von Ermüdungs- und Erholungsprozessen erheben die im weiteren Verlauf dieses Kapitels geschilderten allgemeinen Ursachen von Ermüdung keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 9.2.1

 etabolische Ursachen von M Ermüdung

Zu den metabolisch bedingten Ermüdungsmechanismen zählen im Wesentlichen der Substratverbrauch (v. a. Adenosintriphosphat [ATP], Kreatinphosphat [KP] und Glykogen) sowie die Akkumulation von Metaboliten (u.  a. Adenosindiphosphat [ADP], anorganisches Phosphat [Pi], Laktat). Sie tragen maßgeblich zur akuten Muskelermüdung während und unmittelbar nach sportlichen Belastungen bei (Sahlin 1992). Dabei wird die intramuskuläre ATP-Konzentration einigermaßen geschützt und nimmt während intensiver körperlicher Aktivität im Schnitt um nicht viel mehr als 50 % ab (MacIntosh et al. 2012). In schnell kontrahierenden Typ-IIA- und Typ-IIX-­Muskelfasern ist die relative ATP-Verarmung allerdings stärker ausgeprägt als in den langsam kontrahierenden Typ-I-Fasern (Casey et  al. 1996). So bewirken beispielsweise intensive Maximal- und Schnellkrafteinsätze einen rapiden Abfall der intramuskulären ATP- und KP-­Konzentration speziell in den schnell zuckenden Muskelfasern. Da ATP und KP in der Folge nicht in ausreichender Menge und Geschwindigkeit resynthetisiert werden können, führt dies zu einer unmittelbaren Beeinträchtigung der kontraktilen Kraftentfaltung und letztlich zu einer kurzfristigen Minderung der Maximal- und Schnellkraftleistung (Raeder 2017). Eine Abnahme der ATP- und KP-­ Konzentration resultiert darüber hinaus in einem korrespondierenden Anstieg von ADP und Pi in der Muskelzelle. Eine Erhöhung der ADP-Konzentration wirkt sich negativ auf die Kontraktilität (d.  h. maximale Verkürzungsgeschwindigkeit) der Muskelfaser aus, indem sie die Querbrückenbildungsrate mindert. Der Anstieg der Pi-Konzentration beeinträch-

461 Regenerationsmanagement und Ernährung

9

tigt die kontraktile Kraftentfaltung sowie die rechterhaltung des initialen Leistungsniveaus elektromechanische Kopplung (d.  h. verrin- resynthetisiert werden kann. Infolge einer regerte Kalzium-Ionen- [Ca2+-]Ausschüttung duzierten Glykogenverfügbarkeit bzw. glykolyaus dem sarkoplasmatischen Retikulum durch tischen ATP-Resyntheserate muss zunehmend Bindung von Pi an Ca2+) durch eine Vermin- auf die phosphagene Energiebereitstellung und derung der Ca2+-Sensitivität myofibrillärer vor allem auf den aerob lipolytischen StoffProteine (Allen et  al. 2008; Ament und Ver- wechsel zurückgegriffen werden. Dieser nutzt kerke 2009). Die temporäre Reduktion der zwar die nahezu unerschöpflichen körpereigeintramuskulären ATP-Verfügbarkeit führt nen Fettreserven, erreicht jedoch nur einen zudem zu einer vorübergehenden Verlang- Bruchteil der ATP-Bildungsrate des aerobsamung der Funktionsfähigkeit von ATP-ab- und anaerob-glykolytischen Stoffwechsels. Dahängigen ATPasen (Enzyme, die ATP in ADP rüber hinaus scheint eine belastungsinduzierte und Phosphat aufspalten können). Dadurch Glykogenentleerung in einer Beeinträchtigung ist u. a. der Transportmechanismus der Natri- der elektromechanischen Kopplung und insum-Kalium-ATPase (Na+-K+-ATPase, auch als besondere der Ca2+-Freisetzung aus dem sarNatrium-Kalium-Pumpe bezeichnet) gestört, koplasmatischen Retikulum zu resultieren was zu einer extrazellulären Anreicherung von (Ørtenblad et  al. 2013; Kent et  al. 2016). Im K+-Ionen führt. Hierdurch wird die Amplitude Verlauf der Regenerationsphase werden die der nachfolgenden Aktionspotentiale sukzes- Glykogenspeicher bei adäquater Kohlenhydsive verringert, was schließlich in einer ver- ratzufuhr mit einer Rate von etwa 5–7  % pro minderten Ca2+-Ionen-Ausschüttung aus dem Stunde wieder aufgefüllt. Im Extremfall dauert sarkoplasmatischen Retikulum resultiert (Mac- die komplette Wiederauffüllung des MuskelglyDougall und Sale 2014). Eine Verringerung kogenspeichers mehrere Tage (Raeder 2017). der Ca2+-Freisetzung wird zusätzlich durch die Ein rascher Abbau der intramuskulären Hydrolyse (Spaltung einer biochemischen Ver- Glykogenspeicher, der insbesondere während bindung durch Reaktion mit Wasser) von ATP intensiver körperliche Aktivität und der davorangetrieben. Sie bedingt eine intrazelluläre bei vermehrt ablaufenden anaeroben StoffAkkumulation von Magnesium (Mg2+; ATP ist wechselvorgänge stattfindet, führt außerdem an Mg2+ gebunden), das wiederum einen star- zu einer Zunahme der intramuskulären Lakken inhibitorischen Einfluss auf die Funktions- tat- und Wasserstoff- (H+-)Ionen-Konzentraweise der Kalziumkanäle im Rahmen der elekt- tion sowie zu einem Abfall des intrazellulären romechanischen Kopplung ausübt (Lamb 2002; pH-­Werts. Einige Autoren (u. a. Robergs et al. Allen et  al. 2008). Die beeinträchtigte Funkti- 2004) sind der Meinung, dass zwischen der inonsfähigkeit der Ca2+-ATPase – sie pumpt die tramuskulären Laktatkonzentration und dem Ca2+-Ionen nach deren innervationsbedingtem zellulären pH-Wert zwar ein negativer linearer Konzentrationsanstieg zurück ins sarkoplasma- Zusammenhang besteht. Bei diesem handele tische Retikulum – kann außerdem eine verzö- es sich aber nicht um eine Ursache-­Wirkungs-­ gerte Relaxation der Muskelfaser verursachen Beziehung. Das bedeutet, Laktat stünde in (MacDougall und Sale 2014; Raeder 2017). keinem kausalen Zusammenhang mit einer Intensive körperliche Aktivität bewirkt belastungsinduzierten und stoffwechselbeferner eine Entleerung des intramuskulären dingten Übersäuerung. Es fungiere im RahGlykogendepots. Aufgrund ihrer höheren men der Laktatdehydrogenase-­Reaktion vielglykolytischen Leistungskapazität gilt dies mehr als Puffer von H+-Ionen und würde insbesondere für Typ-IIA- und Typ-IIX-­ demnach nicht zur metabolischen Ermüdung Muskelfasern. Der Zusammenhang zwischen der Muskelzelle betragen. Hingegen würde die Glykogenverarmung und Ermüdung liegt vor- intrazelluläre H+-Ionen-­Akkumulation, die rangig darin begründet, dass ATP ohne Glyko- von den Autoren als die Hauptursache für die gen nicht mehr ausreichend schnell zur Auf- nichtrespiratorische Arbeitsazidose genannt

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9

T. Wiewelhove

wird, maßgeblich zu der Beeinträchtigung der kontraktilen Muskelfunktion beitragen. So bewirkt die H+-Ionen-­induzierte Arbeitsazidose eine potentielle Reduktion der Ca2+-Sensitivität myofibrillärer Proteine, da die H+-Ionen mit den Ca2+-Ionen um die Bindung an Troponin C konkurrieren. In der Folge werden die Anzahl mechanisch wirksamer Querbrücken verringert und die Kontraktilität reduziert (Allen et al. 2008; Ament und Verkerke 2009; Keyser 2010; Debold et al. 2016). Schließlich wird angenommen, dass der Abfall des intrazellulären pH-Werts die Glykolyserate drosselt, da H+-Ionen inhibitorischen Einfluss auf das Enzym Phosphofructokinase ausüben. Phosphofructokinase spielt eine zentrale Rolle im Glukosestoffwechsel. Sie wird als Schrittmacherenzym der Glykolyse bezeichnet, da durch die Regulation ihrer Aktivität gleichsam die Aktivität der Glykolyse gesteuert wird (Raeder 2017). Es ist zu berücksichtigen, dass es unter den Bedingungen körperlicher Aktivität immer zu einer kombinierten Wirkung aller metabolischen Ermüdungsfaktoren kommt. Sie tragen nicht isoliert, sondern additiv in unterschiedlichem Ausmaß und mit verschiedenen Wirkmechanismen sowie in unterschiedlichen zeitlichen Dimensionen zur Muskelermüdung bei. 9.2.2

 echanische Ursachen von M Ermüdung

Mechanisch bedingte Ermüdungserscheinungen betreffen den Schädigungsprozess der Skelettmuskulatur infolge der bei Muskeltätigkeit auftretenden intramuskulären Zug- und Scherkräfte. Die hierbei entstehenden mikroskopisch kleinen Muskelverletzungen (sog. Mikrotraumata) werden speziell durch intensive dynamisch-negative (exzentrische) Muskelbeanspruchungen ausgelöst, da hierbei die einwirkenden Kräfte auf die Muskelfaserstrukturen um ein Vielfaches über denen bei statischer oder dynamisch-positiver (konzentrischer) Muskelarbeit liegen (Wiewelhove 2016). Mik-

rotraumata treten aber auch bei ungewohnter und/oder langandauernder Muskeltätigkeit mit exzentrischen Anteilen auf. Zudem verursachen hohe bis maximale exzentrische Kraftbelastungen bei langer Muskellänge und hoher Dehnungsgeschwindigkeit größere Muskelzellschädigungen als exzentrische Muskelaktionen bei kurzer Muskellänge und geringer Dehnungsgeschwindigkeit (Fridén und Lieber 2001; Chapman et al. 2006). Der Schädigungsmechanismus kann folgendermaßen erklärt werden: Bei exzentrischer Arbeit kommt es auf beiden Seiten der Z-Scheiben zu entgegengesetzten Zugbewegungen, da die kontraktilen Einheiten der Muskelzelle trotz der hohen äußeren Dehnungskräfte versuchen, ihre Kontraktionsarbeit zu verrichten und den Muskel bzw. das Sarkomer zu verkürzen. Dies führt zu einem Überschreiten der individuellen Dehnbelastungstoleranz (Yield Point) vereinzelter Sarkomere (Armstrong et  al. 1991; Proske und Morgan 2001). Bei gleichem Bewegungswiderstand und exzentrischer Kontraktion sind im Vergleich zu isometrischer oder konzentrischer Arbeitsweise zudem eine geringere Anzahl motorischer Einheiten in die Kontraktion involviert. Die absolute mechanische Beanspruchung der rekrutierten Muskelfaserstrukturen ist mit ansteigendem Dehnungsgrad daher teils deutlich erhöht (Fridén und Lieber 2001; Byrne et  al. 2004). Aufgrund der heterogenen Verteilung der Kräfte- und Längeneigenschaften der Sarkomere innerhalb der Myofibrille werden außerdem einige Sarkomere stärker und schneller gedehnt als andere. Histologische Untersuchungen mittels elektronenmikroskopischer Analyse von Muskelbiopsien sowie Magnetresonanztomographie und Ultraschall deuten darauf hin, dass exzentrisch induzierte Mikrotraumata speziell mit der Auflösung des charakteristischen myofibrillären Strukturmusters einhergehen (. Abb.  9.3). Hierbei zeigen sich neben Beschädigungen des Sarkolemms und der an das sarkoplasmatische Retikulum angrenzenden  

463 Regenerationsmanagement und Ernährung

a

b

c

d

9

..      Abb. 9.3  Elektronenmikroskopische Aufnahmen bioptischer Skelettmuskelproben vor und 72 Stunden nach einem intensiven plyometrischen Training. a Normales myofibrilläres Strukturmuster mit regulärer Z-Scheiben- (Z-)Anordnung; b beschädigte Muskelfaserstruktur mit Aufquellungen, Verbreiterungen und vielfältigen mikroskopischen Einrissen der Z-Scheiben,

aber intakte Mitochondrien (Mt); c beschädigte Sarkomere mit geschwollenen Mitochondrien (sMt); d beschädigtes myofibrilläres Strukturmuster mit völliger Absenz der Z-Scheiben und Mitochondrien. 1 = wellenförmiges Aussehen der Z-Scheiben; 2 = moderate Aufquellungen und Verbreiterungen der Z-Scheiben; 3 = Auflösung der Z-Scheiben (nach Macaluso et al. 2012)

T-Tubuli vor allem Aufquellungen, Verbreiterungen und vielfältige mikroskopische Einrisse der Z-Scheiben. Dies geht in der Folge mit einer erheblichen Beeinträchtigung der mechanischen Strukturstabilität des myofibrillären Zytoskeletts einher. Hiervon sind sowohl Typ-­I- als auch Typ-IIA- und Typ-IIX-Muskelfasern betroffen. Aufgrund der geringeren Strukturfestigkeit der Z-Scheiben gegenüber mechanischen Dehnbelastungen ist der Schädigungsgrad bei schnellen Muskelfasertypen allerdings stärker ausgeprägt (Fridén und Lieber 2001; Toigo 2014). Folglich ist das Entstehungsrisiko von Mikrotraumata bei hohen und vor allem exzentrischen Krafteinsätzen in

großer Bewegungsamplitude deutlich erhöht (Raeder 2017). Durch die mechanisch bedingten Schädigungen des myofibrillären Zytoskeletts und den damit einhergehenden Membrandeformationen wird die Funktionsfähigkeit der elektromechanischen Kopplung beeinträchtigt, was sich letztlich in einer Minderung der Muskelfunktion manifestiert (Fridén und Lieber 2001; Clarkson und Hubal 2002). Ferner bewirken die wiederholten Dehnbelastungen, die auf die Membranen einwirken, eine Öffnung dehnungssensitiver Ionenkanäle. Dies führt zusammen mit der erhöhten Durchlässigkeit für Ca2+-Ionen (und Signalmoleküle) des in

464

9

T. Wiewelhove

Mitleidenschaft gezogenen Sarkolemms und/ oder sarkoplasmatischen Retikulums zu einem Verlust der Ca2+-Homöostase, da es zu einem unkontrollierten Ca2+-Einstrom in das Sarkoplasma kommt. Der Ca2+-Einstrom löst durch die Ca2+-abhängige Aktivierung endogener Proteasen die enzymatische Auflösung geschädigter Strukturproteine aus, wodurch sich der mittelfristige Muskelfunktionsverlust intensiviert (Proske und Allen 2005; Toigo 2014; Raeder 2017). Die Erhöhung der intrazellulären Ca2+-Konzentration kann außerdem eine lokale Verletzungskontraktur hervorrufen, die sich in einem mehrtägigen Anstieg der passiven Muskelsteifigkeit und einer Verschlechterung der Gelenkbeweglichkeit niederschlägt (Proske und Morgan 2001; Proske und Allen 2005). Darüber hinaus gehen die mechanisch bedingten Verletzungen mit lokalen inflammatorischen Reaktionen einher. Hierbei werden Entzündungszellen wie Neutrophile und Makrophagen durch die Ausschüttung bzw. Bildung von Botenstoffen an den Ort der entzündlichen Reaktionen angelockt (Chemotaxis) und wandern in der Folge in den Bereich der Gewebeschädigung ein. Die Entzündungszellen verstärken dadurch zunächst die Gewebeverletzungen, treiben aber auch die Elimination von zerstörtem Muskelzellmaterial voran (Toigo 2014; Raeder 2017). Dabei kommt es zur Freisetzung von lokalen chemischen Entzündungsmediatoren (v.  a. Bradykinine, Histamine und Prostaglandine), die u.  a. an der Erhöhung der Membranpermeabilität und Vasodilatation beteiligt sind. Infolgedessen kommt es zu einer verstärkten Ödembildung und Schwellung am Ort der Gewebeschädigung, die bis zu mehrere Tage nach Belastungsende anhalten kann (Howell et  al. 1993; Proske und Morgan 2001; Toigo 2014; Raeder 2017). Durch die Beschädigungen am myofibrillären Zytoskelett und der damit einhergehenden Zunahme der Membranpermeabilität kommt es letztlich zu einer verstärkten Freisetzung bzw. Diffusion von intrazellulä-

ren Proteinen/Enzymen (u.  a. Kreatinkinase, Myoglobin und Laktatdehydrogenase) in den Blutkreislauf. Deren Blutkonzentration kann über venöse oder kapilläre Blutentnahmen bestimmt werden. Dadurch lässt sich indirekt der muskuläre Schädigungsgrad quantifizieren. Beispielsweise haben eine Vielzahl von Studien belegt, dass intensive exzentrische Kraftbelastungen in einem signifikanten Anstieg der Plasmakonzentration von Kreatinkinase resultieren (Fridén und Lieber 2001; Clarkson und Hubal 2002; Raeder 2017). Die Akkumulation von Entzündungszellen bewirkt zusätzlich eine Schmerzempfindlichkeitssteigerung, da die chemischen Entzündungsmediatoren an die extrazellulären Schmerzrezeptoren binden (Proske und Morgan 2001; Proske und Allen 2005). Das Gefühl von Muskelschmerz manifestiert sich bei Palpation, Dehnung oder Aktivierung des betroffenen Muskels gewöhnlich erst einige Stunden nach Belastungsende und kann durch reflektorische Verspannungen noch verstärkt werden. Es erreicht seinen Höchstwert etwa 24–48 Stunden nach der Belastung und klingt dann in den darauffolgenden Tagen allmählich ab (Proske und Morgan 2001; Clarkson und Hubal 2002; Byrne et al. 2004; Toigo 2014; Raeder 2017). Praxistipp: Indirekte Marker für Muskelzellschädigungen

Die Konzentration muskelspezifischer Proteine/Enzyme (z. B. Kreatinkinase) im Blut sowie das Auftreten von Muskelschmerz stehen in keinem direkten Zusammenhang mit dem Verlust der muskulären Leistungsfähigkeit. So ist ein Anstieg der Kreatinkinasekonzentration lediglich ein Indiz für eine erhöhte Permeabilität der Muskelzellmembran infolge belastungsinduzierter Strukturschädigungen des myofibrillären Zytoskeletts. Der Anstieg bildet jedoch nicht eins zu eins eine Einschränkung der kontrakti-

465 Regenerationsmanagement und Ernährung

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chen (Gandevia 2001; MacDougall und Sale 2014). Beispielsweise wurden nach intensiven plyometrischen Krafteinsätzen der unteren Extremitäten akute und mittelfristige Beeinträchtigungen der Reflexsensitivität von Muskelspindeln sowie der Regulation der aktiven Gelenksteifigkeit (reaktive „Stiffness“) beobachtet. Dies ging mit einer signifikanten Verringerung der reaktiven Sprungleistungsfähigkeit einher (Horita 1996; Nicol 1996; Byrne et  al. 2004). Im supraspinalen Anteil des Nervensystems kann die verstärkte Reizung der III- und IV-Muskelafferenzen, die über sensorische Feedbackschleifen direkt ins Zentralnervensystem projizieren, ein vermindertes Aktivierungsverhalten kortikaler Motoneurone bewirken. Dies schlägt sich in 9.2.3 Neuronale Ursachen von einem reduzierten neuromotorischen Antrieb und einer entsprechenden Leistungsreduktion Ermüdung nieder (Ament und Verkerke 2009; Gandevia Neuronale Ermüdungsursachen betreffen das 2001; Toigo 2014; Laurin et  al. 2015; Raeder neuronale Antriebsverhalten des Zentralner- 2017). In diesem Zusammenhang zeigte sich, vensystems, sprich des spinalen und supra- dass belastungsinduzierte Mikrotraumata den spinalen Anteils des Nervensystems, und des Grad der willkürlichen Aktivierungsfähigkeit peripheren Nervensystems. Sie sind über- bei einzelnen kurzen ( 600 kcal/Tag) weiter anstieg. In beiden Studien zeigte sich demnach ein positiver Effekt, jedoch keine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung. Eine minimale Reizschwelle bzw. Belastungsintensität sollte jedoch überschritten werden (. Abb. 11.4b). Morris et al. empfahlen schon 1973 ein metabolisches Äquivalent von mindestens 4 (besser 6) (Moderate Vigorous Sports, d.  h. Jogging ist besser als Walking). Gleichzeitig sollte die tägliche Zeitspanne sitzender Tätigkeit möglichst reduziert werden (Bouchard et al. 2015). Selbstverständlich sind diese Angaben nur als grobe Richtwerte zu verstehen. Erstens wird der erhebliche Einflussfaktor des Körpergewichts auf den Energieumsatz vernachlässigt (die Angaben gelten für erwachsene Männer,  



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A. Ferrauti und L. Hottenrott

(pro 10.000 Lebensjahre)

a 80

(pro 1000 Lebensjahre)

b

total 60 40 20 0

fatal

8-mal

3000 –3999

>4000

Vigorous Sports (> 7,5 kcal/min) - Jogging - Tennis - Fußball Non Vigorous (< 7,5 kcal/min) - Tanzen - Tischtennis - Golf

..      Abb. 11.4  a Historische epidemiologische Befunde zum Einfluss von freizeitkalorischem Umsatz und b zum Einfluss von Art und Anstrengungsgrad der körperlichen Aktivität auf das Herzinfarktrisiko insgesamt (total) bzw. mit (fatal) oder ohne tödlichem Ausgang (nonfatal; a: modifiziert nach Paffenbarger und Olsen 1996; b: modifiziert nach Morris et al. 1973)

für Frauen liegen die Richtwerte ca.  20–25  % niedriger). Zweitens schwanken die Angaben zum optimalen freizeitkalorischen Energieverbrauch zwischen verschiedenen Autoren erheblich (Reimers 2003). Drittens handelt es sich bei den zugrunde liegenden Studien um unkontrollierte Beobachtungsstudien unter Benutzung von Messinstrumentarien geringer Trennschärfe. Und schließlich vernachlässigen großangelegte prospektive epidemiologische Studien zum Teil andere Risikofaktoren und die genetisch bedingt individuell sehr spezifischen Entwicklungsverläufe während des Alterungsprozesses. Folglich gelten plakative Empfehlungen zur körperlichen Aktivität keinesfalls für jedes Individuum, und der prognostizierte gesundheitsfördernde Effekt muss sich nicht zwingend in allen Fällen einstellen. So zeigte Bouchard (2012) im Rahmen der „Canadian Heritage Study“, dass ein Fünftel

der Bevölkerung nicht adäquat und erwartungsgemäß auf definierte Trainingsreize adaptiert. Trotz der erwähnten methodischen Vorbehalte herrscht unter Experten aufgrund der überwältigenden Fülle an epidemiologischen Befunden Konsens, dass regelmäßige körperliche Aktivität präventiv wirksam ist im Hinblick auf verschiedene chronische Erkrankungen wie die koronare Herzkrankheit, zerebrovaskuläre Erkrankungen, arterielle Hypertonie, Altersdiabetes, vereinzelte Krebserkrankungen (z.  B.  Kolonkarzinom) sowie auch Osteoporose und psychologische Erkrankungen (Reimers 2003). Training und Leistung können den Alterungsprozess allerdings nicht stoppen, wie Analysen zur Entwicklung der Weltbestleistungen von Masterathleten vermitteln (Lazarus und Harridge 2018). In dieser Selektion hochaktiver älterer Menschen kann die gleiche altersbedingte Verlaufskurve zum Leistungsverlust festgestellt werden, allerdings verläuft die Kurve auf höherem Niveau. Alterssportler und Masterathleten leben somit nicht zwingend länger, sondern möglicherweise nur auf qualitativ höheren Niveau. Das Ziel kann folglich nicht in der Lebensverlängerung liegen, sondern in der Verlängerung eines krankheitsfreien und selbstbestimmten Lebensabend, was durch den Slogan „LifeFit“ (Paffenbarger und Olsen 1996) und den Begriff der Healthspan (Lazarus und Harridge 2018) zum Ausdruck kommt. Die Autoren vertreten darüber hinaus die Theorie eines individuellen, sehr unterschiedlichen Aktivitätssollwerts, der auch auf mittlerem Niveau liegen kann, ohne den Verlauf der Langlebigkeit nennenswert zu beeinflussen. Allerdings sollten die individuellen Mindestanforderungen an körperliche Aktivität nicht unterschritten werden. Die dargestellte Sichtweise ist insofern bedeutsam, als dass sie die gängige „Fitnesseuphorie“ etwas relativiert, andererseits bleibt die Frage unbeantwortet, wie jeder Einzelne seinen individuellen Sollwert erkennen kann.

555 Training im mittleren und höheren Lebensalter

11.4  Training und Übergewicht

Inwieweit körperliche Aktivität der Zielsetzung Übergewicht zu vermeiden bzw. entgegenzuwirken gerecht werden kann und in welchem Maße genetische Aspekte oder die Ernährung eine Rolle bei der Entstehung von Übergewicht besitzen, wird umfassend von Bouchard und Katzmaryk (2010) beschrieben. Adipositas muss speziell im mittleren und höheren Lebensalter als chronische Volkskrankheit mit länder- und kontinentübergreifender Ausbreitung (Pandemie) ernst genommen werden (James 2010), ist assoziiert mit zahlreichen Sekundärerkrankungen (Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen, u. a. Krebs) und geht mit enormen Kosten für das Gesundheitssystem einher (Katzmaryk 2010). Zur Prävention und Therapie sind prinzipiell zwei grundlegende Maßnahmen isoliert oder in Kombination miteinander möglich (Energiebilanz-Prinzip): 55 hypokalorische Diät durch Nahrungsrestriktion 55 hyperkalorischer Energieumsatz durch körperliche Aktivität Verschiedene Autoren weisen der weltweit unzureichenden körperlichen Aktivität die Primärursache zu:

»» „Increasing energy expenditure therefore

is the key. Without such activity, attempts at reducing caloric intake are unlikely to be effective.“ Shook et al. (2014)

Andere Autoren reklamieren den Anstieg von Kalorienzufuhr und veränderter Nährstoffdichte:

»» „As physical activity expenditure has not

declined over the same period that obesity rates have increased dramatically it is unlikely that decreased expenditure has fuelled the obesity epidemic.“ Westerterp und Speakman (2008)

Die isolierten Effekte beider Maßnahmen sind vergleichsweise leicht zu erklären (. Abb. 11.5). Eine hypokalorische Diät ohne zusätzliche körperliche Aktivitätssteigerung verursacht eine negative Energiebilanz und senkt sowohl die  

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Fettmasse als auch die fettfreie Muskelmasse sowie den Ruheumsatz. Kalorische Restriktion hat sich in zahlreichen Tierversuchen als ein wirksamer Eingriff in den Prozess des Alterns bewährt (Behl und Ziegler 2016), da insbesondere die molekulare Signaltransduktion in ihrer Sensitivität und Effizienz (z. B. Insulinsensitivität) verbessert wird. Insgesamt ist jedoch temporär ein Verlust an körperlicher Leistungsfähigkeit (u.  a. durch Glykogenverarmung und negative Proteinbilanz) zu erwarten. Eine isokalorische Steigerung von körperlicher Aktivität und Nahrungszufuhr verursacht einen Anstieg von fettfreier Masse und Ruheumsatz bei gleichzeitigem Verlust an Fettmasse (. Abb.  11.5). Hand und Blair (2014) heben die Bedeutung einer hohen Energieflussrate (Energy Flux) hervor. Demnach ist eine ausgeglichene Energiebilanz mit hoher Umsatzrate einer solchen mit geringer Umsatzrate vorzuziehen. Als wichtige Begleiteffekte sind trainingsbedingte Anpassungen von Herz-­Kreislauf-­System, Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel und Skelettmuskulatur zu erwarten, wodurch auch der kalorische Ruheumsatz steigt. Aktuelle Veröffentlichungen weisen zusätzlich darauf hin, dass körperliches Training auch die Zusammensetzung des Fettgewebes positiv beeinflussen kann, indem speziell im viszeralen Bereich eine Transdifferenzierung vom weißen ins adipositasresistentere braune Fettgewebe (Browning) erfolgt (Cinti 2016; Aldiss et al. 2018). Nicht ganz eindeutig sind die Effekte einer kombinierten Anwendung. Auch hier ist ein Verlust von Fettmasse (ggf. in höherem Umfang), aber auch von Muskelmasse (ggf. in geringerem Ausmaß) trotz eines begleitenden Trainings vermutlich unvermeidlich (Heymsfield 2010), sodass auch hier eine Reduktion des Ruheumsatzes zu erwarten ist. Während die Ausdauerleistung (speziell die körpergewichtsabhängige Leistung) steigen wird, ist eine geringfügige Reduktion der Kraft-/ Schnelligkeitsleistung so lange wahrscheinlich, bis nach erfolgter Gewichtsabnahme die Energiebilanz wieder ausgeglichen wird. Besteht das Ziel in einer Gewichtsabnahme, dann ist  

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A. Ferrauti und L. Hottenrott

hypokalorische Diät ohne Training Energiebilanz = negativ fettfreie Körpermasse ↓ Fettmasse ↓ Ruheumsatz ↓ ---------------------------------molekulare Signaltransduktion ↑ Leistungsfähigkeit ↓

isokalorische Diät mit Training Energiebilanz = neutral fettfreie Körpermasse ↑ Fettmasse ↓ Ruheumsatz ↑ ---------------------------------molekulare Signaltransduktion ↑ Kohlenhydrat-/Fettstoffwechsel ↑ Browning (von WAT zu BAT) ↑ Ausdauerleistung ↑ Kraft-/Schnelligkeitsleistung ↑

hypokalorische Diät mit Training Energiebilanz = negativ fettfreie Körpermasse (↓) Fettmasse ↓ Ruheumsatz (↓) ---------------------------------molekulare Signaltransduktion ↑ Kohlenhydrat-/Fettstoffwechsel ↑ Browning (von WAT zu BAT) ↑ Ausdauerleistung ↑ Kraft-/Schnelligkeitsleistung ↔

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..      Abb. 11.5  Die Effekte von hypokalorischer Diät (links) und körperlicher Aktivitätssteigerung (rechts) auf allgemeine (oberhalb der gestrichelten Linie) und speziellere Aspekte (unterhalb der Linie) von

Körperkomposition, Metabolismus und Leistung sowie die hypothetischen Effekte bei kombinierter Anwendung (unten; modifiziert nach Heymsfield 2010, S. 243)

demnach eine kombinierte Anwendung von (leicht) hypokalorischer Diät und körperlicher Aktivität gegenüber einer isolierten Diät eindeutig vorzuziehen. Leider wird die öffentliche Aufmerksamkeit (auch bedingt durch die Nahrungsmittelindustrie) jedoch viel zu einseitig und frühzeitig schon im Vorschul- und Schulkindalter einzig auf Ernährungsaspekte gerichtet (. Abb. 11.6).  

11.5  Körperfunktionen, Leistung

und Trainierbarkeit im Altersgang

Wichtige Körperfunktionen unterliegen im Altersgang leistungsmindernden Veränderungen. In diesem Zusammenhang sind im Zen­

..      Abb. 11.6  Das „gesunde Frühstück“. Mehrmals in der Woche werden in Kitas und Grundschulen Obstund Gemüsetage eingelegt. Dem wäre überhaupt nichts entgegenzusetzen, wenn zusätzlich fünfmal pro Woche eine abwechslungsreiche und auch belastende „aktive Stunde“ organisiert würde

557 Training im mittleren und höheren Lebensalter

11

Beispiel: Germany’s next Topmodel (GNTM) macht keinen Spaß Der Ruheumsatz (RU) eines erwachsenen jungen Mannes mit normalem Anteil an Körperfett und Skelettmuskulatur beträgt ca. 1 kcal/kg Körpergewicht/h und liegt bei Frauen darunter. Er verringert sich mit zunehmendem Alter und abnehmender Leistungsfähigkeit und wird vor allem durch den Anteil an Skelettmuskelmasse bestimmt (McMurray et al. 2014). Die folgende Modellrechnung legt bei einer jungen Frau die Grenzen der 95 %-Konfidenzintervalle zugrunde. Demnach ergibt sich ein RU, der bei athletischer Statur um 0,9 und bei geringer Muskelmasse (GNTM) nur um 0,8 kcal/kg Körpergewicht/h liegt. Die Athletin erreicht durch den erhöhten Ruheumsatz, das intensivere und längere Training (hier: 1 h bei 8 MET) und den Nachbrenneffekt (Excess Postexercise Oxygen Consumtion, EPOC) einen um 550 kcal höheren Tagesumsatz. Dies entspricht beispielsweise einer

tralnervensystem strukturelle und funktionelle Einbußen der Gehirnfunktion, der kognitiven Leistung und hier speziell der Sensorik zu nennen (Godde et al. 2018a, b; Olk et al. 2018a). Auch komplexe Persönlichkeitsmerkmale unterliegen altersbedingten Veränderungen (Olk et al. 2018b). In der Körperperipherie umfassen die Veränderungen den Verlust an aktiver Muskelmasse (Sarkopenie) und insbesondere schnellen Muskelfasern, aber auch an neu­ romuskulären und tendinosen Strukturen (Bohm et al. 2018). Kontraktilität und Elastizität des Herzmuskels sowie der Blutgefäße nehmen ab, sodass erhebliche Einbußen (ca. 10 % pro Lebensdekade jenseits des 30.  Lebensjahres) der Kraft-, Schnelligkeits- und Ausdauerleistung unvermeidlich sind (Steineck und Weisser 2018). 11.5.1  Kognitive und koordinative

Veränderungen

Im Bereich der Sensorik (Godde et  al. 2018a) sinken Sehleistung (z.  B.  Altersweitsichtigkeit durch Versteifung der Linsen, Schwächung der Augenmuskeln und dadurch reduzierte Ak-

großen Portion Pasta mit Tomatensauce als Mittagsmahlzeit. GNTM muss derweil hungern … GNTM 55 60 kg Körpergewicht, 180 cm, BMI 18,5 55 Ruheumsatz 0,8 kcal/kg/h 55 Ruheumsatz 1150 kcal/Tag 55 Freizeitumsatz 200 kcal/Tag 55 PEOC 50 kcal/Tag 55 Gesamtumsatz 1400 kcal/Tag Athletin 55 60 kg Körpergewicht, 165 cm, BMI 22,1 55 Ruheumsatz 0,9 kcal/kg/h 55 Ruheumsatz 1300 kcal/Tag 55 Freizeitumsatz 500 kcal/Tag 55 PEOC 150 kcal/Tag 55 Gesamtumsatz 1950 kcal/Tag (+ 550 kcal)

kommodationsfähigkeit), Hörleistung (Schal­ leitung im Außen- und Mittelohr sowie Schallempfindung im Innenohr durch Verlust von Haarsinneszellen) und Tastsinn (Verlust an Hautrezeptoren und schlechtere Reizweiterleitung). Auch übergeordnete kognitive Leistungen nehmen im Alter ab, speziell das Aufmerksamkeitsvermögen (Abnahme der zielgerichteten selektiven Aufmerksamkeit) und die Gedächtnisleistung. Die kognitive Leistung nimmt speziell dann ab, wenn eine hohe Informationsdichte wahrgenommen und verarbeitet werden muss. In der Summe geht dies in kognitiv anspruchsvollen Sportarten (z. B. Sportspiele, Ziel-Schuss-Sportarten, aber auch Skifahren) mit nennenswerten Leistungseinbußen einher. Kompensationen durch Sehhilfen oder Hörgeräte sind möglich, aber auch diese mechanische Zusatzausstattung ist für Sportlerinnen und Sportler hinderlich. Auch das Gehirn unterliegt strukturellen und funktionellen Alterungsvorgängen (Godde et al. 2018b). Es kommt zu einer Verringerung der grauen (Nervenzellen und Dendriten) und weißen Substanz (Nervenfasern). Speziell der Rückgang der Dendriten und Spines senkt die synaptisch übertragene Informa-

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A. Ferrauti und L. Hottenrott

tion und dadurch die Funktionalität des Gehirns. In den Nervenfasern ist eine Abnahme der Myelinisierung der Axone zu beobachten, was mit einer Verlangsamung sensorischer, kognitiver und motorischer Prozesse einhergeht. Im Alter vermindern sich auch Produktion und Sensitivität von Neurotransmittern und deren Rezeptoren (speziell dem Dopamin wird eine Schlüsselrolle zugeschrieben) sowie Durchblutung und Kapillarisierung und demzufolge die Sauerstoffverfügbarkeit im Gehirn. Trotz der genannten Einschränkungen bleibt eine Plastizität des Gehirns (Reorganisation und Differenzierung) auch im Alter erhalten, wenn vielfältige Reize zu verarbeiten sind. Bezogen auf das Beanspruchungsprofil gängiger Freizeitsportarten könnte dies bedeuten, dass neben dem reinen Kraft- und Ausdauertraining auch koordinativ anspruchsvollere Trainingsreize gesetzt werden sollten. Zur Veränderung komplexer Persönlichkeitsmerkmale im Altersgang liegen divergente Befunde vor (Olk et al. 2018b). Gewissenhaf-

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tigkeit (eher ansteigend), Emotionalität (eher gleichbleibend) und subjektives Wohlbefinden (in höheren Bildungsschichten eher gleichbleibend) verlaufen sehr individuell. Eine besondere Bedeutung kommt der stetigen Anpassung realistischer Lebensziele für den Erhalt der Lebenszufriedenheit zu (Olk et al. 2018b). Hier kann jede Form des sportlichen Engagements hilfreich sein. Eine neue Sportart erlernen, wie Golf oder Yoga, an einem Volkslauf gemeinsam mit der Familie teilnehmen oder den Jakobsweg pilgern sind nur einige Beispiele attraktiver Zielsetzungen im sportlichen Kontext die, finanzielle und gesundheitliche Ressourcen vorausgesetzt, helfen, eine hohe Lebenszufriedenheit zu erhalten. Selbstverständlich können attraktive Zielsetzungen auch kultureller oder spiritueller Art sein und somit jenseits aller sportlichen Aktivitäten liegen. Folglich wird eine zu einseitige „Bewegungs- und Fitnesspropaganda“ vereinzelt kritisiert (Exkurs: Pro und Kontra).

Exkurs: Pro und Kontra einer trainingsorientierten Konzeption des Alterssports aus philosophischer Sicht Kontra: Die nachgewiesene Trainierbarkeit und der Erhalt der Gesundheit werden in einem unzulässigen Schluss „vom Sein aufs Sollen“ als eine leitende Zielsetzung für alternde Menschen definiert (Kolb 1998). „Nicht Altern“ ist jedoch nicht gleichzusetzen mit „erfolgreichem Altern“, und die körperliche Leistungsfähigkeit korreliert nicht unbedingt mit hoher Lebensqualität und individuellem Wohlbefinden. Wenn die Trainingswissenschaft dies jedoch als Leitbild propagiert, sind normative Nebeneffekte und die Entstehung einer „Konkurrenz um Rüstigkeit“ unvermeidbar (Gronemeyer 1987). Denn all jene, die dem vorgegebenen Bild eines fitten Alten nicht gerecht werden können oder wollen, werden ausgegrenzt und negativ stigmatisiert. Die Gefahr besteht, dass ältere Menschen in der öffentlichen Wahrnehmung aufgeteilt werden in jene, die durch eigene Anstrengung positiv altern und solche, die durch mangelhafte Aktivitäten selbstverschuldet negativ altern (Kolb 1998).

Pro: Die Fülle an gesundheitsfördernden physischen und psychischen Potentialen von Sport, Bewegung und Training in unserer Gesellschaft muss sehr ernst genommen werden. Ein über Jahre entwickeltes positiv-­ realistisches Bild des eigenen Körpers fördert körperliche Aktivität und wirkt immunisierend gegenüber Krisenereignissen (Thiel et al. 2018). Das entwickelte Vertrauen in die Steuerbarkeit körperlicher Entwicklungen und die Messbarkeit leistungsbezogener Trainingseffekte liefern alltäglichen Optimismus, der sich auch in anderen Lebenslagen auszahlt (Thiel et al. 2018). Menschen mit einem negativen Körperbild laufen im Alter hingegen Gefahr, sich in einen Teufelskreis zwischen ungesunder Lebensweise und zunehmend negativem Körperbild zu begeben, der allenfalls noch selbstironisch kompensiert werden kann.

11

559 Training im mittleren und höheren Lebensalter

11.5.2  Kardiorespiratorische und

neuromuskuläre Veränderungen

˙ O2max) Die maximale Sauerstoffaufnahme (V sinkt pro Lebensdekade jenseits des 30. Lebensjahres um ca. 10 %. Ursächlich wirken alle für ˙ O2max relevanten Körperfunktionen. Die die V maximale Herzfrequenz und das Herzschlagvolumen sinken im Altersgang kontinuierlich, sodass auch das Herzminutenvolumen entsprechend abfällt (Steineck und Weisser 2018). Dies wird primär auf eine reduzierte Kontraktilität und Elastizität des Herzmuskels zurückgeführt. Auch die Elastizität der Gefäße ist rückläufig (Arteriosklerose), was mit erhöhtem systolischen Blutdruck und größerer Blutdruckamplitude (Differenz zwischen systolischem und diastolischem Blutdruck) einhergeht. Die ge­ nannten (zentralen) kardiozirkulatorischen Ver˙ O2max jeänderungen erklären den Abfall der V doch nur zur Hälfte (Strait und Lakatta 2012). In

gleichem Umfang sind periphere Veränderungen im Altersgang verantwortlich. So sinkt beispielsweise bei körperlich nicht aktiven Menschen die Muskelmasse vom 25. bis 80. Lebensjahr um ca. 40–50 %. Dieses als Sarkopenie bzw. Dynapenie bezeichnete Altersphänomen tritt speziell ab dem 75.  Lebensjahr gehäuft auf (Cruz-Jentoft et  al. 2010; Narici und Maffulli 2010). Der Rückgang der Knieextensionskraft beläuft sich ab dem 40. Lebensjahr ebenfalls auf ca.  8–10  % pro Lebensdekade und betrifft Männer und Frauen in gleichem Maße (Granacher et al. 2008). Betroffen sind insbesondere die dynamische Maximalkraft und die Verkürzungsgeschwindigkeit, während die isometrische Maximalkraft geringer abfällt. Gerade die dynamische Maximalkraft ist jedoch für alltägliche Bewegungen (z. B. Treppensteigen) und die Verkürzungsgeschwindigkeit zur Sturzprophylaxe sehr bedeutsam (. Tab.  11.1; Bohm et  al. 2018). Insgesamt sind zahlreiche

..      Tab. 11.1  Neuromuskuläre und tendinose Veränderungen im Kontext des Kraftverlusts im Alter (↑ Zunahme, ↓ Abnahme, ? unklar; mod. nach Bohm et al. 2018, S. 315) zentralnervöse Aktivierung

willkürliche maximale Aktivierung (↓?) Muskel-Co-Aktivierung (↑?) Aktivierung bei submax. Kontraktionen (↓)

spinale Motoneurone

Anzahl (↓) Reinnervationspotential (↓) Entladungsfrequenz (↓)

Muskelmorphologie

anatomischer Querschnitt (↓) Volumen (↓) Fett- und Bindegewebseinlagerungen (↑) Satellitenzellenzahl und -aktivität (↓)

Muskelarchitektur

Faserlänge (↓) Fiederungswinkel (↓) physiologischer Querschnitt (↓)

Muskelfasern

Faserquerschnitt (v. a. Typ II) (↓) Faserzahl (↓) Deinnervation (↑) myofibrilläre Proteinbiosythese (↓)

Sarkomere

Myosinkonzentration (↓) Erregungs-Kontraktions-Koppelung (↓) Querbrückenbindungen (↓)

Sehne

Steifigkeit (↓)



560

A. Ferrauti und L. Hottenrott

neuromuskuläre (u.  a. Rekrutierung und Frequenzierung motorischer Einheiten) und morphologisch-tendomuskuläre Prozesse (u.  a. Reduktion der Sehnensteifigkeit) an den Kraftverlusten im Alter beteiligt. Von den originär muskulären Veränderungen sind Abnahmen des Faserquerschnitts (spez. der Typ-II-Fasern), der Faserzahl und der Muskelarchitektur sowie der Anzahl und Aktivität von Satellitenzellen hervorzuheben (. Tab.  11.1). Bis zum Ende der siebten Lebensdekade nehmen primär die Typ-II-Fasern ab, erst danach erfolgt auch ein Verlust an langsam zuckenden Fasern (Narici und Maffulli 2010). Dies wiederum ist einerseits auf eine neuronale Denervation und den Verlust spinaler Motoneurone schneller motorischer Einheiten und andererseits auf eine Reduktion der myofibrillären Proteinbiosynthese zurückzuführen (Bohm et al. 2018).  

tativen Querschnitt eignet sich gut, um den altersbedingten Leistungsverlust abzubilden, da von einer hohen Leistungsmotivation und einem vo­ rausgegangenen leistungsorientierten Training ausgegangen werden kann. Von mehreren Autoren liegen aktuelle Analysen für die leichtathletischen Disziplinen vor, da diese einen hohen Standardisierungsgrad aufweisen ­(Conzelmann 2018; Röcker 2018; Neumann et al. 2019). Demnach fällt die Leistung im Altersgang zunächst über weite Strecken linear und erst ab der 6. und insbesondere 7. Lebensdekade parabolisch ab.  Bei leistungsorientierten Freizeitsportlern (München Marathon) und speziell bei Frauen erfolgt dieser deutlichere Leistungsrückgang bereits ab dem 55.  Lebensjahr (Neumann et  al. 2019). Einheitlich sinkt die Leistung in den Sprungdisziplinen prozentual bereits früher und stärker ab (. Abb.  11.7). Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist dies auf die im Vergleich zum Lauf höheren mechanischen Belastungen des passiven Bewegungsapparates in den schnellkraftdeterminierten Sprungdisziplinen und die damit einhergehende Verletzungsgefahr zurückzuführen. Nicht ganz plausibel ist jedoch der Befund, dass dies nicht auch die Leistung im 100 m-Sprint betrifft (Neumann et al. 2019).  

11.5.3  Wettkampfleistungen und

Masterathleten

Wettkampfsport wird zunehmend auch von Personen im mittleren und höheren Lebensalter betrieben. Die Analyse der Wettkampfleistungen (Weltbestleistungen) im repräsen-

Entwicklung der Weltbestleistungen im Altersverlauf

100 90 80 70 (%)

11

60 Männer

50

Frauen

40 30

100-m-Lauf WR

Weitsprung

40–44 50–54 60–64 70–74 80–84 Männer

..      Abb. 11.7  Entwicklung der Weltbestleistungen im Altersverlauf (Mittelwert der zehn besten Leistungen) von Männern (links) und Frauen (rechts). Dargestellt

WR

Marathon 40–44 50–54 60–64 70–74 Frauen

sind die prozentualen Leistungsverluste gegenüber dem Weltrekord im Aktivenalter (mod. nach Conzelmann 2018, S. 445)

561 Training im mittleren und höheren Lebensalter

Ein grundsätzlicher Rückschluss von der altersbedingten Leistungsentwicklung verschiedener Sportarten auf deren Eignung für das mittlere und höhere Lebensalter ist jedoch problematisch. Aufgrund der unterschiedlichen und abfallenden Stichprobengröße in den Altersklassen sind Stichprobeneffekte durch genetisch herausragend prädisponierte Einzelathleten sehr wahrscheinlich. Viel mehr als die Bestleistungen erscheint die Anzahl der Aktiven in den unterschiedlichen Disziplinen ein geeigneter Indikator für die Wahl der Sportart im Alter zu sein. Diesbezüglich überrascht es nicht, dass speziell in den etwas weniger belastenden Ausdauersportarten wesentlich mehr Alterssportler aktiv sind, wie die Ergebnislisten und Finisherzahlen großer Volksläufe belegen (Conzelmann 2018). a

..      Abb. 11.8  a Reinhard Dahms von der LD Alsternord Hamburg (80 Jahre) ist Mehrkämpfer und wirft Diskus und Speer immer noch über 35 m und weiter. Auch seine Leistungen im Kugelstoßen und in anderen Disziplinen würden ausreichen, um den Eignungstest für ein Sportstudium zu bestehen (Foto: Dr. Alex Rotas). b Willi Sontowski vom BTC-Herne (82 Jahre, rechts) kam erst im Alter von über 40 Jahren zum Laufsport. Damals noch übergewichtig, entwickelte er

11

Wettkampfsportliche Aktivitäten werden heute in vielen Sportarten von Athleten im mittleren und höheren Lebensalter betrieben, die ab dem 35. Lebensalter als Masterathleten bezeichnet werden. Sie weisen keinesfalls einheitliche sportliche Laufbahnen auf. So finden sich in der Leichtathletik sowohl ehemalige Leistungssportler (speziell in den Wurfdisziplinen) als auch zunehmend Personen, die erst als „Späteinsteiger“ mit systematischem Training und regelmäßiger Wettkampfteilnahme begonnen haben. Letzteres betrifft insbesondere die ausdauerorientierten Laufdisziplinen und dort speziell den Halbmarathon und Marathon (. Abb.  11.8). Die vergleichsweise geringen technisch-­ koordinativen Anforderungen und die gute Trainierbarkeit der Ausdauerleistung im Alter (im Vergleich auch  

b

schon bald eine besondere Leidenschaft und besaß zudem ein herausragendes Talent für den Laufsport. Seine Bestleistung im Marathon erzielte er im Alter von 55 Jahren mit 2:47 h. Aktuell wurde er in der Altersklasse M80 NRW-Meister im Halbmarathon mit einer Laufzeit von 2:08 h. Neben dem Laufen betreibt er täglich zu Hause intensives Krafttraining und Gymnastik. Zurzeit beträgt sein Laufpensum wöchentlich ca. viermal 15 km mit leichten Berganstiegen

562

A. Ferrauti und L. Hottenrott

zur Schnelligkeitsleistung) sowie das breitgefächerte Angebot an Lauftreffs und Volksläufen sind ursächlich hierfür (Conzelmann 2018). Auch die Sportart Triathlon boomt in den Seniorenklassen, wobei hier speziell die früheren Wettkampfschwimmer mühelos den Einstieg finden, während das technisch anspruchsvolle Schwimmen für ehemalige Radsportler meist ein unüberwindbares Hindernis darstellt.

Späteinsteiger mit hohen Wettkampfambitionen finden sich jedoch nicht nur in den klassischen Ausdauerdisziplinen, sondern auch in all jenen Sportarten, in denen ein attraktives Altersklassensystem mit regelmäßigen Wettkämpfen angeboten wird und wo das Belastungsprofil den zunehmend eingeschränkten orthopädischen Voraussetzungen gerecht wird. Dies ist unter anderem auch im Golf und im Tennis der Fall.

Exkurs: Seniors Tour der International Tennis Federation (ITF) In den Altersklassen M und F40, 45, 50, 55, 60, 65, 70, 75, 80 und 85 treffen weltweit regelmäßig Masterathleten aufeinander. Die Teilnehmer rekrutieren sich aus ehemaligen „Turnierspielern der zweiten Reihe“ (seltener auch ehemalige Weltklassespieler) sowie aus hoch engagierten Späteinsteigern. Wegen der attraktiven Mischung aus sportlichem Wettkampf gepaart mit internationalen Sozialkontakten und touristischer Bereiche-

11

rung bereisen zunehmend viele Seniorentennisspieler (die sich dies zeitlich und finanziell erlauben können) die Welt und können ihre Turnierreise aus dem Angebot eines reichhaltigen Turnierkalenders planen. Die Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus dem ITF-Senior-­ Turnierkalender mit parallel stattfindenden Turnieren während einer zufällig ausgewählten Woche im März.

563 Training im mittleren und höheren Lebensalter

11.5.4  Trainierbarkeit von Kraft

und Ausdauer

Alle Organsysteme weisen auch noch im Alter eine beachtliche Plastizität auf. Aufgrund der abfallenden Leistungsfähigkeit sinkt auch die untere Reizschwelle für das Auslösen von positiven Anpassungen, so dass eine nennenswerte Trainingswirksamkeit erhalten bleibt (. Abb.  2.18). Dies betrifft sowohl die Kraftals auch die Ausdauerleistung. Krafttraining im Alter ermöglicht eine Verbesserung der neuromuskulären Aktivierung auf verschiedenen Ebenen (Steigerung des willkürlichen Aktivierungsniveaus der Agonisten beispielsweise durch supraspinal erhöhten Erregungsfluss, Reinnervation dener­vierter Muskelfasern und/oder Reduktion antagonistischer Co-Kontraktionen; Häkkinen et  al. 2000). Aber auch eine nennenswerte Vergrößerung des anatomischen Muskelquerschnitts wird beschrieben (Ferri et  al. 2003). Demgegenüber scheint der trainingsbedingte Einfluss auf die Muskelarchitektur (z.  B.  Remodellierung durch Anstieg des Fiederungswinkels) mehr Zeit in Anspruch zu nehmen. Grundsätzlich sind die Anpassungseffekte bei älteren Menschen geringer als im Hochleistungsalter, aber sowohl neuronale und muskelmorphologische Plastizität als auch funktionelle Kraftzuwächse sind im Alter nachweisbar (Mersmann et al. 2018). Ein Krafttraining mit höheren Intensitäten (bei ca.  80  % des 1  RM) bewirkt deutlichere Effekte im Vergleich zu moderatem Training (bei ca. 45 % des 1 RM). Dieser Unterschied kann jedoch durch ein höheres Trainingsvolumen bei moderater Last weitgehend kompensiert werden (Csapo und Alegre 2016).

Gerät mit hoher Anspannungsdauer (time under tension) und geringer Belastungsintensität, aber hoher Trainingsdichte (geringe Pausendauer) absolviert werden soll. Definitionsgemäß grenzt sich dieses Einsatztraining vom hochintensiven Einsatztraining ab, bei dem bis zum absoluten Muskelversagen trainiert wird (Gießing et al. 2005). Ungeachtet der Tatsache, dass die Effekte eines Mehrsatztrainings bei Aktiven im Hochleistungsalter stärker ausfallen, bietet das Einsatztraining bei älteren Trainierenden eine gute Alternative, da dieses mit einer geringeren orthopädischen Belastung und zusätzlich auch mit einer Stimulation des Herz-Kreislaufsystems einhergeht.



Praxistipp: Einsatztraining lohnt sich im mittleren und höheren Lebensalter

Seit Beginn des Jahrtausends existieren in den Fitnessstudios attraktive Angebote von Gerätezirkeln, an denen, durch optische Signale unterstützt, ein Satz pro

11

Ausdauertraining induziert im mittleren und höheren Lebensalter prinzipiell die gleichen Veränderungen wie bei jüngeren Erwachsenen ˙ O2max, (7 Abschn.  7.3). Einen Anstieg von V Herzminutenvolumen, Herzfrequenzvariabilität, Kapillardichte, Mitochondrienvolumen, Myoglobingehalt und Arterienelastizität beschreiben Selmer und Weisser (2018) bezugnehmend auf verschiedene Originalarbeiten und Metaanalysen. Je nach A ­ usgangsniveau ˙ O2max von gesunden Personen im kann die V mittleren und höheren Lebensalter nach vier Monaten mit drei Trainingseinheiten pro Wo˙ O2max) che ausreichender Intensität (> 60 % V um ca. 20 % bzw. ca. 3–5 ml/min/kg ansteigen (Cadore et al. 2014). Größere Verbesserungen erfordern eine längere Trainingsdauer, aber nicht zwingend eine höhere Belastungsintensität, es sei denn, ein Intervalltraining wird absolviert (Huang et  al. 2005; Mendonca et  al. 2016). Im Vergleich zu den rein physiologischen ˙ ̇O2max fallen die funkVeränderungen der V tionellen Leistungsanpassungen zuweilen noch deutlich stärker aus. So können sich die Laufzeiten im Marathonlauf bei sportlichen Späteinsteigern im mittleren Lebensal 

564

A. Ferrauti und L. Hottenrott

ter erheblich verbessern und in Einzelfällen Ausdauertrainings (2 TE/Woche) und eines innerhalb von wenigen Jahren um über 30 % kombinierten Kraft-/Ausdauertrainings (2 von 4:30  h bis unter die 3:00  h-Marke sin- TE Ausdauer und 2 TE Kraft/Woche) in drei ken. Verantwortlich hierfür sind neben den Interventionsgruppen und einer Kontrollphysiologischen Veränderungen vielmehr gruppe über einen Zeitraum von fünf Monaauch langfristige Anpassungen des passiven ten mit untrainierten Frauen und Männern Bewegungsapparates und der neuromusku- zwischen 40 und 67 Jahren. Bemerkenswert lären Steuerung, eine Optimierung von ist, dass in allen Trainingsgruppen gegenüber Wettkampftaktik (z. B. Pacing) und Ernäh- der Kontrollgruppe ein signifikanter Leisrungsverhalten sowie eine Reduktion des tungszuwachs festgestellt werden konnte Körpergewichts und in der Summe eine Ver- (teilweise sogar mit Transfereffekten von besserung der Laufökonomie. Krafttraining auf die Ausdauerleistung und Eine Kombination von Kraft- und Aus- umgekehrt). Auch ergaben sich erwartungsdauertraining würde den alltäglichen Bedürf- gemäß durch Krafttraining stärkere Effekte nissen und den gesundheitssportlichen Ziel- auf die Maximalkraft und durch Ausdauersetzungen im Altersgang am besten gerecht, training stärkere Effekte auf die Entwicklung ˙ O2peak (signifikante ANOVA-Interaksofern hierdurch beide konditionellen Fähig- der V keiten verbessert werden können bzw. sich tion zwischen Trainingsgruppe und Messzeitdie Trainingseffekte nicht gegenseitig redu- punkt). Erwähnenswert ist, dass die Response zieren (s. Diskussion um Concurrent-­ für Kraft- und Ausdauerverbesserungen in Training in 7 Kap. 2, . Abb. 2.17). Eine inter- der kombinierten Trainingsgruppe gegenessante Studie hierzu absolvierten Karavirta über den isolierten Trainingsgruppen nicht et al. (2011). Sie verglichen die Trainingswir- reduziert war (. Abb.  11.9). Allerdings erkung eines Krafttrainings (2 TE/Woche), reichte die individuelle Response in der kom 





11 Ausdauertraining 60 VO peak (∆%) 2 50 M 10 (6 to 15) % 40 W 18 (12 to 24) % 30

Krafttraining

Ausdauer- plus Krafttraining

Kontrollgruppe 60

M -1 (-5 to 4) % W 6 (0 to 12) %

M 9 (5 to 12) % W 17 (12 to 21) %

P = 0.006

M 0 (-6 to 5) % W 1 (-5 to 7) %

50 40 30

20

20

10

10 0

-10

-10

-20

-20 60

60 MVC (∆%) 50 40

M 9 (5 to 14) % W 7 (0 to 14) %

M 15 (10 to 19) % W 17 (10 to 24) %

M 20 (14 to 26) % W 23 (14 to 26) %

M 6 (1 to 12) % W 6 (1 to 12) %

50 40

30

30

20

20

10

10 0

-10

-10

-20

..      Abb. 11.9  Individuelle prozentuale Veränderungen von Ausdauer (V˙ O2peak) und Kraft (MVC) durch ein fünfmonatiges Ausdauer- oder Krafttraining sowie ein kombiniertes Ausdauer-/Krafttraining im Vergleich zur

-20

nicht trainierenden Kontrollgruppe für männliche (blau Säulen) und weibliche Probanden (rote Säulen; Karavirta et al. 2011)

11

565 Training im mittleren und höheren Lebensalter

binierten Trainingsgruppe sowohl für die ˙ O2peak (von −8 % bis +42 %) als auch für die V Maximalkraft (von −12 % bis +87 %) eine erhebliche Variation, und die jeweiligen Leistungszuwächse bei Ausdauer und Kraft korrelierten nicht. Für die Sportpraxis bedeuten diese Befunde: 55 Kraft- und Ausdauertraining bewirkt im mittleren Lebensalter bei Untrainierten im Durchschnitt bei fast allen Personen eine beachtliche und spezifische Leistungsverbesserung. 55 Eine Kombination von Kraft- und Ausdauertraining ist möglich, ohne dass sich die Trainingsresponse gegenseitig reduziert. !!Achtung! Die individuelle Response auf Training variiert erheblich. Folglich besteht für den einzelnen Sportler keine Gewähr auf einen nennenswerten Leistungszuwachs. Dieser Befund darf jedoch niemanden vom Training abhalten. Denn alleine der erhöhte Stoffwechselumsatz (Energy Flux) wird auch ohne Anpassungserscheinungen gesundheitlich positive metabolische Auswirkungen besitzen (Hand und Blair 2014).

Altersgang

Plausible Argumente sprechen für eine Zunahme des Regenerationsbedarfs im Altersgang (. Abb. 11.10). Im Bereich der Skelettmuskulatur sind bei gleicher relativer Beanspruchung eine stärkere Muskelschädigung (Muscle Damage) und/oder eine Verlangsamung der Reparaturvorgänge wahrscheinlich (Fell und Williams 2008). Methodologisch ist die Kausalanalyse zu diesem Phänomen jedoch schwierig, da in den wenigsten Fällen von einer identischen Leistung und einem vergleichbaren Trainingsumfang ausgegangen werden kann, wenn die Ermüdungs- und Erholungsvorgänge von jüngeren und älteren Personen verglichen werden. Altersunterschiede im Sinne einer vermehrten Ermüdung werden hinsichtlich der Kreatinkinase- und Entzündungsreaktion sowie dem Auftreten von Muskelschmerz, begleitet von stärkeren Kraft-, Kontraktilitäts- und Beweglichkeitsverlusten diskutiert (Fell und Williams 2008). In Bezug auf Erholungs- und Reparaturvorgänge sind eine verminderte Glykogenresynthese und Glukose-4-­Transportaktivität möglich. Speziell die Wiederherstellung der Schnellkraft scheint verzögert zu sein, und eine Abnahme des „Muskelgedächtnisses“ (Muscle Memory Ef 

110

junger Sportler

105 100 Leistung (%)

..      Abb. 11.10 Hypothetische Response von jüngeren und älteren Athleten auf Training. Die langsamere Regeneration der Älteren führt zunehmend zu einem Leistungsabfall (Fell und Williams 2008)

11.5.5  Regenerationsbedarf im

95 90 85

älterer Sportler

80 75 0

12

24

36

48 60 Zeit (h)

72

84

96

108

566

A. Ferrauti und L. Hottenrott

fect) verringert eine dauerhafte Schutzwirkung auf die Muskulatur. Ursächlich für viele Veränderungen sind Aktivitätsminderungen der hypothalamus-hypophysär-gonadalen Achse, die mit einer Abnahme von Steroidproduktion und Testosteronrezeptor-­Sensitivität einhergehen (Stanworth und Jones 2008). In der Summe scheint die funktionelle Leistung des alternden Muskels über eine längere Dauer reduziert zu sein als bei jungen Athleten. Neben metabolischen und neuromuskulären Faktoren spielen sicher auch akkumulierte Beschwerden des passiven Bewegungsapparates eine bedeutsame Rolle. Folglich werden Anpassungsprozesse älterer Menschen auch deshalb in der Praxis geringer ausfallen, da sowohl die Trainingsintensität als auch die Trainingsdichte reduziert werden muss. 11.6  Trainingsempfehlungen und

Trainingsbeispiele

11

Die Vielzahl an funktionellen Verlusten verursacht im Altersgang eine Abnahme fast sämtlicher Leistungsfaktoren, wobei die Entwicklung von Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Beweglichkeit und Technik bzw. Koordination unterschiedlichen Verläufen unterliegt. In der Ätiologie werden neben den biologisch determinierten Alterungsvorgängen (7 Abschn. 11.2) auch soziologische und psychologische Aspekte wirksam. Alterungsbedingte Funktionseinschränkungen beginnen meist in einer Lebensphase, in der aufgrund familiärer und beruflicher Verpflichtungen das Zeitbudget für gesundheits-, freizeit- oder leistungssportliche Aktivitäten stark begrenzt ist. Zunehmende Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Sehnen- und Gelenksystem, aber auch die wachsende Unlust, sich intensiv zu belasten, limitieren zudem Reizhöhe bzw. Reizintensität im Training und schränken die verbleibenden sportlichen Aktivitäten erheblich ein. Altersbedingte Funktionseinschränkungen, geringes Zeitbudget und chronisch unterschwellige Trainingsreize verstärken die biologisch bedingten Leistungsverluste. Diesen Teufelskreis gilt es aufzubrechen.  

Die Heterogenität der Sporttreibenden im mittleren und höheren Lebensalter verbietet es jedoch, allgemeingültige Trainingsempfehlungen zu formulieren. Aufgrund der enormen Alters- und Leistungsspanne sind folglich in diesem Kapitel keine generellen und allgemeingültigen Hinweise möglich. Insbesondere jüngere, gesunde und leistungsorientierte Personen im mittleren Lebensalter können in der Regel ohne nennenswerte Einschränkungen trainieren. Marathonweltrekordler Eliud Kipchoge (KEN, Jahrgang 1984), NBA-Star Dirk Nowitzki (GER, Jahrgang 1978) und Tennis-­ Rekordchampion Roger Federer (SUI, Jahrgang 1981) sind bereits an der Schwelle zum mittleren Lebensalter und gehören noch der absoluten internationalen Klasse in ihren Sportarten an. Inwieweit auch bereits bei diesen Athleten Trainingsumfänge und -intensitäten angepasst bzw. die Regenerationszeiten verlängert werden müssen, ist ein interessantes zukünftiges Forschungsfeld. Die folgenden Ausführungen widmen sich jedoch weder diesen außergewöhnlichen Athleten noch den in 7 Abschn. 11.5 beschriebenen Masterathleten. Die Empfehlungen richten sich vielmehr an gesunde und normal trainierte Personen im mittleren und höheren Lebensalter.  

11.6.1  Allgemeine Empfehlungen

Aus den beschriebenen soziologischen, biologischen und epidemiologischen Befunden (7 Abschn. 11.1, 11.2, und 11.3 sowie 7 Abschn. 11.5) können allgemeine Leitlinien und Empfehlungen für ein gesundheitsorientiertes und funktionelles Training im mittleren und höheren Lebensalter abgeleitet werden.  



Beispiel: Allgemeine Empfehlungen

1. Trainieren Sie möglichst viele konditionelle und koordinative Faktoren. 2. Trainieren Sie das Herz-Kreislauf-System und die Ausdauerleistung.

567 Training im mittleren und höheren Lebensalter

3. Kräftigen Sie die Körpermuskulatur und erhalten Sie eine funktionelle Beweglichkeit. 4. Steigern Sie den freizeitkalorischen Energie- und Fettumsatz. 5. Entlasten Sie den passiven Bewegungsapparat. 6. Trainieren Sie mit Freude, regelmäßig und mit Gleichgesinnten.

Im Idealfall richten sich die Trainingsreize an sämtliche grundlegenden konditionellen und koordinativen Leistungsfaktoren. Leider besteht jedoch die Gefahr einer unangemessenen Spezialisierung, da jeder Einzelne nur auf diese Weise eine besondere Expertise in seinem sozialen Umfeld erreichen kann. Fanatische Läufer verlieren hierdurch zunehmend an Körperspannung, und der reine Kraftsportler versäumt es, die Leistung des Herz-Kreislauf-Systems zu erhalten. Nicht zu unterschätzen sind auch koordinative und kognitive Anforderungen (beispielsweise in den Sportspielen). !!Achtung: Vielseitig angelegte Trainingsprogramme sind empfehlenswert! 1. Alleiniges Ausdauertraining kann mit einem Verlust an Rumpf- und Haltungsmuskulatur einhergehen. Alleiniges Krafttraining besitzt eine unzureichende kardiovaskuläre Trainingswirkung!. 2. Alleiniges Ausdauer- und Krafttraining sind kognitiv und koordinativ unzureichend stimulierend! Ohne Beweglichkeitstraining werden Alltagsaufgaben (z. B. Schuhe und Strümpfe ankleiden) beschwerlich!

Die Konkretisierung der genannten Empfehlungen in konkrete Trainingsprogramme lässt viele Freiheitsgerade offen (Beispiel 1). Beispiel 1: Wöchentliches Minimalprogramm

55 Täglich 15 min Beweglichkeitstraining und Rumpfkräftigung zu Hause

55

55

55 55

11

(Heimprogramm), zusätzlich eventuell kombiniert mit Yogaübungen. 2 Mal pro Woche 45–60 min Fahrradfahren, Schwimmen oder Joggen, dabei auch mal außer Atem kommen (es kann auch der Weg zur Arbeitsstätte sein). 2 Mal pro Woche Krafttraining für Unter- und Oberkörper im Fitnessstudio oder im Gelände (z. B. Liegestütz an Parkbank o. Ä.), (eingebettet in einen Jogginglauf oder Walking). 1 Mal pro Woche Badminton, Volleyball, Tennis oder eine Runde Golf (min. 9-Loch). Funktionelle Alltagsübungen wie Treppensteigen und Einbeinstand (z. B. beim Zähneputzen oder an der Kasse im Supermarkt).

Vom American College of Sports Medicine (ACSM) wurde ein Positionspapier mit konkreten Trainingsempfehlungen veröffentlicht (Chodzko-Zajko et al. 2009). Auch diese sind entsprechend der definierten Leitlinien breit angelegt (Beispiel 2). Beispiel 2: ACSM Konsensus zur körperlichen Aktivität im höheren Lebensalter (Chodzko-Zajko et al. 2009)

Ausdauertraining 55 Trainingshäufigkeit: 150–300 min/ Woche, davon jeweils 75–150 min moderate und anstrengendere Aktivitäten. 55 Trainingsintensität: auf der CR-10Skala Level 5–6 für moderates und Level 7–8 für anstrengendes Training. 55 Trainingsdauer: mindestens 30 min/ Tag moderates und 20 min/Tag anstrengendes Training. 55 Trainingsinhalte: jede Form aeroben Trainings, welches nicht mit hohen orthopädischen Beanspruchungen einhergeht; Gehen, Schwimmen oder Radfahren werden speziell bei erhöhtem Körpergewicht empfohlen.

568

A. Ferrauti und L. Hottenrott

Krafttraining 55 Trainingshäufigkeit: an mindestens zwei Tagen pro Woche. 55 Trainingsintensität: auf der CR-10Skala Level 5–6 für moderates und Level 7–8 für anstrengendes Training. 55 Trainingsinhalte: 8–10 Übungen für die Hauptmuskelgruppen, dabei jeweils 8–12 Wiederholungen; darüber hinaus funktionelle Übungen wie Treppensteigen. Beweglichkeitstraining 55 Trainingshäufigkeit: an mindestens zwei Tagen pro Woche. 55 Trainingsintensität: auf der CR-10Skala Level 5–6 für moderates und Level 7–8 für anstrengendes Training. 55 Trainingsinhalte: statisches Dehnen ist dem dynamischen Dehnen vorzuziehen. Gleichgewichts-/Koordinationstraining 55 Gleichgewichtsübungen werden zur Sturzprophylaxe für gefährdete Personen ohne genaue Angaben der Trainingsinhalte und Belastungsnormative empfohlen. 55 Allgemeine Hinweise sind: Einbeinstand, Fersen- und Vorfußstand, Drehbewegungen, Augen phasenweise schließen.

11

Jüngere und gesunde Freizeitsportler sollten entgegen gängiger Empfehlungen (s. ACSM-­ Richtlinien) beim Ausdauertraining das gesamte Intensitätsspektrum nutzen und auch intensive Belastungen absolvieren. Rein moderate Beanspruchungen führen dauerhaft zu einer Schonhaltung, und die in der Fitnessszene beobachtbare Fettstoffwechseleuphorie ist wissenschaftlich nur bedingt haltbar (s. 7 Kap.  7, . Abb.  7.13 und  7.14), zumal der Nachbrenneffekt (Excess Post Exercise Oxygen Consumption) und der höhere gesamtkalorische Umsatz den geringfügig geringeren Fettstoffwechselumsatz weitgehend kompensieren.  



Praxistipp: Gehen Sie auch mal an Ihre Grenzen!

Gängige gesundheitssportliche Empfehlungen zum Ausdauertraining legen moderate Belastungen bei 50–85 % der V̇O2max bzw. bei 70–80 % der Herzfrequenzreserve oder bei maximal 7–8 auf der der CR-10-Skala nahe. Grundsätzlich ist ab dem 35. bis 40. Lebensjahr eine regelmäßige kardiologische Gesundheitsuntersuchung (inkl. Belastungs-EKG) vonnöten. Leistungsorientierte, trainierte und gesunde Personen im mittleren und höheren Lebensalter sollten neben moderaten Belastungen jedoch auch intensive und hochintensive Belastungsphasen in ihr Training einbauen. Sprengen Sie die Grenzen der moderaten, wohligen Schonhaltung. Versuchen Sie punktuell auch einmal ihren Maximalpuls zu erreichen, um den altersbedingten Rückgang der HFmax zu stoppen. Als angenehmen Nebeneffekt werden Sie merken: Die nächste moderate Trainingseinheit geht Ihnen viel leichter von der Hand, und Sie spüren die kurzfristige Grenzverschiebung. Ähnliche Effekte bewirkt die Teilnahme an Wettläufen, die aus Motivationsgründen stets einen hochintensiven Trainingsreiz mit sich bringt.

Zur weiteren Präzisierung von Übungsauswahl und zur Trainingssteuerung von Ausdauer-, Kraft- und Beweglichkeitstraining sowie zur Begründung der oben aufgelisteten allgemeinen Empfehlungen und Leitlinien (speziell Leitlinien 1–5) sei auf die 7 Kap. 4,  5,  6, und  7 dieses Buches verwiesen. Die bedeutsame Leitlinie 6 „Trainieren Sie mit Freude, regelmäßig und mit Gleichgesinnten“ wird jedoch abschließend vertiefend betrachtet. Speziell die Betrachtung des Aspekts der „Freude“ ist sicherlich problematisch, zu 

569 Training im mittleren und höheren Lebensalter

mal der Zusammenhang von körperlicher Aktivität und Wohlbefinden zwar grundsätzlich nachweisbar ist, jedoch individuell erheblich differiert. Inwieweit die körperliche Aktivität selber oder das in dem Zusammenhang stehende soziale Setting eine Rolle spielen, ist methodisch schwer zu trennen. Auch die Auswirkungen bestimmter Trainingsinhalte und -charakteristika auf Freude und Wohlbefinden sind kaum pauschal festzulegen (Bragina und Voelcker-Rehage 2018). Die Autorinnen beschreiben einen größeren Effekt gering intensiver Aktivitäten auf das Wohlbefinden und gehen davon aus, dass soziale und kognitive Komponenten einen stärkeren Einfluss besitzen als biochemische. Allerdings fehlen systematische Befragungen zu den unmittelbaren, kurzfristigen Effekten verschiedener Belastungsnormative auf das Wohlbefinden. In der Sportpraxis begegnet man gerade nach intensiven Beanspruchungen während der Erholungsphase sehr häufig einem akuten wohligen Gefühl der Erholung und Entspannung. Insgesamt besteht an dieser Stelle im Sinne einer zukünftig anzustrebenden personalisierten Trainingsintervention noch erheblicher Forschungsbedarf (Bragina und Voelcker-Rehage 2018). Die Bedeutung der „Regelmäßigkeit“ nimmt im Altersgang zu. Trainingsanpassungen sind von abnehmender Nachhaltigkeit. Krankheits- und verletzungsbedingte Trainingsausfälle und Leistungseinbußen sind bei älteren Personen kaum mehr aufzuholen, da androgene Stimulation und Muskelgedächtnis abnehmen (7 Abschn.  11.5). Folglich ist eine Trainingskontinuität bei älteren Personen von besonderer Bedeutung und führt im Alltag zu der schwierigen Abwägung, kleinere Verletzungsbeschwerden auszukurieren und die Regenerationszeiträume zu verlängern oder zur Wahrung der Kontinuität mit alternativen Trainingsmitteln (kompensatorisch) weiter zu trainieren. In dem Zusammenhang ist die dauerhafte Gesunderhaltung durch sorgfältige Trainingsvor- und Nachbe 

11

reitungen (z.  B.  Foam-Rolling, Muskelhygiene, Wechselbäder) sowie begleitende immunstimulierende Maßnahmen (z.  B. jährliche Grippeimpfung, vitaminreiche Basiskost) von besonderer Bedeutung. Regelmäßigkeit basiert auch auf intrinsischer Motivation. Die soziale Interaktion mit Gleichgesinnten in der Gruppe und die dadurch geschaffene terminliche Verbindlichkeit (. Abb.  11.11) können ebenso motivierend wirken wie die Anleitung durch einen Personal Coach oder die Anschaffung eines attraktiven Sportgeräts (z. B. Golfset, Rennrad oder einfach nur Nordic-Walking-Stöcke). Nicht zu unterschätzen ist die Definition von Trainingszielen und die Überprüfbarkeit ihrer Realisierung mit modernen Wearables (z.B. Activity-Tracking) sowie die (gemeinsame) Anmeldung zu Wettkämpfen. Nicht zuletzt die Kombination mit touristisch-­kulturell attraktiven Ereignissen (z.  B.  Städteläufe, Rad-­ Touristik-Fahrten, Gebirgswanderungen) bieten einen zusätzlichen emotionalen Antrieb. Regelmäßigkeit basiert jedoch auch auf einer guten praktischen Umsetzbarkeit. Diese ist nur dann gegeben, wenn die Kosten verträglich sind und die Trainingsstätte auf kurzem Wege leicht erreicht werden kann.  

11.6.2  Sportartspezifische

Empfehlungen

Das Angebot an Freizeitsportarten für Personen im mittleren und höheren Lebensalter ist groß. Die Auswahl geeigneter Aktivitäten sollte kriterienbezogen erfolgen und sich an den in . Tab. 11.2 definierten Leitlinien und Empfehlungen orientieren. Selbstverständlich gilt ein derart subjektiver Vergleichsansatz nur bedingt für die gesamte freizeitsportliche Realität, da die Ausführungsvariabilität der Aktivitäten und die Heterogenität der aktiven Freizeitsportler sehr vielfältig sind. Insbesondere „die Gewährleitung von Freude, Regelmäßigkeit und Sozialkontakten“ kann kein objektives Unterschei 

570

A. Ferrauti und L. Hottenrott

..      Abb. 11.11  Der wöchentliche „Jogging-Treff“ des BTC-Herne. Jeden Sonntagvormittag und nach Feierabend an Wochentagen treffen sich weltweit hunderte Jogger und Walker und absolvieren eine Stunde an körperlichem Training in verschiedenen Leistungsgruppen. Die Aufteilung nach Leistungsgrup-

11

pen ist funktionell notwendig, aber auch motivierend. So schließt ein Einstieg in der „5er“-Gruppe (5 km in 60 min) nicht aus, dass man schon bald in der „7er“- oder gar in der „10er“-Gruppe (10 km in 60 min, also im „6er-Schnitt“) mitläuft. Warm-up und Cool-down in der Gesamtgruppe bilden einen funktionellen und geselligen Rahmen

..      Tab. 11.2  Beispiel einer kriterienbezogenen, subjektiven Beurteilung ausgewählter Freizeitsportarten für gut trainierte Personen im mittleren Lebensalter (– = unzureichend; ± = indifferent; + = angemessen; (+) = angemessen je nach Adressaten und Ausführungsmodalität). 1 = möglichst viele konditionelle und koordinative Faktoren werden angesprochen; 2 = ausreichender Trainingsreiz für Herz-­Kreislauf-­System und Ausdauerleistung; 3 = ausreichender Trainingsreiz auf Kraft und funktionelle Beweglichkeit; 4 = hoher freizeitkalorischer Energieumsatz 5 = angemessene Beanspruchung des passiven Bewegungsapparats; 6 = Gewährleistung von Freude, Regelmäßigkeit und Sozialkontakten Kriterien

1

2

3

4

5

6

Walking



(+)



±

+

(+)

Jogging



+



+

±

(+)

Fahrradfahren



+

(+)

+

+

(+)

Schwimmen

±

(+)



±

+

(+)

Fußball

+

+

±

+



(+)

Tennis

+

(+)

±

+

±

(+)

Golf







+

+

(+)

Aerobic/Kurse

+

+

±

±

+

(+)

Gymnastik/Yoga

+



±



+

(+)

Krafttraining





+

±

+

(+)



571 Training im mittleren und höheren Lebensalter

Golf

Nettoumsatz Ruheumsatz

1 Std. 2 Std. 3 Std. 4 Std.

ca. 680 kcal

11

oberer Extremität ein höherer Anteil an Skelettmuskulatur involviert wird. In den meisten Fällen bleibt die Reizsetzung auf Herz-­Kreislauf-­ System und Skelettmuskulatur bei gut trainierten Personen im mittleren Lebensalter unterschwellig. Das Stütz-und Bewegungssystem wird beim Walking geringer belastet als beim Jogging.

Tennis 1 Std. 2 Std. 0

200

400

600 (kcal)

800

1000

1200

..      Abb. 11.12  Golf und Tennis, zwei beliebte Aktivitäten im mittleren und höheren Lebensalter. Trainingswissenschaftliche Untersuchungen zum Energieumsatz lassen die Ableitung folgender Formel für männliche Seniorenspieler mit ca. 80 kg Körpergewicht zu: 2 h Tennis = 4 h Golf = 1000 kcal brutto (Ferrauti et al. 1997; Ferrauti 1999)

dungskriterium darstellen. Trotzdem bietet dieser Ansatz eine grundsätzliche Hilfestellung für die Abwägung der gesundheitssportlichen Wirksamkeit (. Tab. 11.2 und . Abb. 11.12).  



Exkurs: The Copenhagen City Heart Study In einer prospektiven Studie von Schnohr et al. (2018) wurden 8577 Personen im Jahr 1994 und nach 25 Jahren erneut in 2017 systematisch hinsichtlich ihrer freizeitsportlichen Aktivitäten befragt. Im Vergleich zu einer inaktiven Kontrollgruppe stieg der nach sonstigen Einflussfaktoren adjustierte Gewinn an Lebenserwartung durch fast alle Aktivitäten nennenswert an. Erwähnenswert ist, dass vor allem jene Sportarten einen hohen Zugewinn erzielten, die zahlreiche Sozialkontakte bedingen. An der Spitze liegen Tennis (9,7 Jahre), Badminton (6,2 Jahre), Fußball (4,7 Jahre), aber auch die Ausdauersportarten Fahrradfahren, Schwimmen und Jogging (3–4 Jahre).

Walking und Nordic Walking  Im Vergleich zum Walking steigert Nordic Walking bei korrekter Ausführung und gleicher Fortbewegungsgeschwindigkeit den Energieumsatz, da durch den Einsatz von Rumpfmuskulatur und

Jogging  Die Reizintensität wird beim Über-

gang zum Jogging gegenüber Walking oder Nordic Walking erheblich gesteigert (von ca. 3–4 auf mindestens 6 MET), sodass eine ausreichende Trainingswirkung auf das Herz-Kreislauf-­ System und ein angemessener Energieumsatz mit hoher Fettstoffwechselbeteiligung resultieren. Die Auswirkungen auf Kraft und Koordination nehmen mit dem Beanspruchungsprofil von Gelände und Laufuntergrund zu. Der Bewegungsapparat wird bei übergewichtigen Menschen beim Jogging stark belastet und die exzentrisch-reaktive Beanspruchung der Muskulatur verlangt längere Regenerationszeiten.

572

A. Ferrauti und L. Hottenrott

Fahrradfahren  Die Wirkung auf das Herz-­ Kreislauf-System unterscheidet sich zwischen lockerem Fahren auf dem (E-)Bike und sportlichem Fahren erheblich. Trainierte sollten anspruchsvolle Strecken mit Mountainbike oder Rennrad favorisieren und den Übergang zum E-Bike möglichst lange vermeiden. Die Gefahr eines zu unterschwelligen Trainings besteht. Radfahren besitzt positive Auswirkungen auf die Kraft der Oberschenkel- und Wadenmuskulatur. Radfahren ist im Gelände und für ältere Menschen koordinativ anspruchsvoll (Gleichgewichtssinn). Der passive Bewegungsapparat wird auch bei höherem Köpergewicht relativ wenig belastet (je nach Fahrposition, mit Ausnahme des Rückens).

11 Fußball  Die Durchführung erfolgt im Freizeitsport eher in Form von Kleinfeldspielen (teilweise Indoor-Soccer), da ein Spiel 11:11 nur schwer organisierbar ist. Die Wirkung auf Herz-­Kreislauf-­System und Energieumsatz (ca. 10 MET) ist dennoch meist sehr hoch (s. 7 Abschn. 12.4). Positive Auswirkungen auf die Kraft der Oberschenkel- und ­Gesäßmuskulatur sind durch die stetigen Start- und Stoppbewegungen möglich). Die koordinativen und kognitiven Anforderungen sind ebenfalls hoch. Die Beanspruchung von Muskulatur und Bewegungsapparat sowie die Verletzungsgefahr (Oberschenkelrückseite, Knie und Sprunggelenke) sind auch durch den möglichen Gegnerkontakt hoch.  

Schwimmen  Das Herz-Kreislauf-System wird bei sportlichem Schwimmen ausreichend belastet. Bei Freizeitschwimmern besteht die Gefahr der Einnahme einer unterschwelligen Reizintensität sowie eines unzureichenden Energieumsatzes. Auswirkungen auf die Kraft der oberen Extremitäten sind möglich. Das Erlernen der Schwimmtechniken ist koordinativ höchst anspruchsvoll. Eine ideale Aktivität für den passiven Bewegungsapparat (beim Brustschwimmen sind, je nach Ausführung, Probleme in Halswirbelsäule und Kniegelenken möglich).

573 Training im mittleren und höheren Lebensalter

Tennis  Das reguläre Wettspiel im Einzel erreicht aufgrund der hohen schlagtechnischen Anforderungen nur bei guten Freizeitspielern eine ausreichende Wirkung auf Herz-­Kreislaufsystem und Energieumsatz (ca. 6–8 MET). Dagegen liegt die Beanspruchung beim Schlagtraining meist höher (s. 7 Abschn.  12.6). Positive Auswirkungen auf die Kraft der Oberschenkel- und Gesäßmuskulatur sind möglich. Muskulatur und Bewegungsapparat werden durchschnittlich beansprucht (Oberschenkelrückseite, Ellbogen, tiefer Rücken und Sprunggelenke).  

11

Golf  Das Spiel im 3er-Flight besitzt eine unzureichende Wirkung auf das Herz-Kreislauf-­ System (2–3 MET), weist jedoch aufgrund der hohen Belastungsdauer (18 Loch in 4 h) einen hohen Fett- und Energieumsatz auf (. Abb. 11.12). Die Auswirkungen auf die Muskelkraft sind gering. Muskulatur und Bewegungsapparat werden eher gering beansprucht. Vereinzelt ist mit Rücken- (Rotationsbewegungen) und Ellbogenproblemen (Golferarm am Epikondylus medialis) zu rechnen.  

574

11

A. Ferrauti und L. Hottenrott

Aerobikkurse  Für die Vielzahl unterschiedlicher Kursangebote kann eine mittlere Wirkung auf Herz-­Kreislauf-­System und ein durch die Kursdauer (45–60 min) beschränkter Energieumsatz erwartet werden. Positive Auswirkun-

gen auf die Kraft (zumeist Kraftausdauer) sind je nach Kursinhalt möglich. Die koordinativen und kognitiven Anforderungen sind ebenfalls hoch, und Schäden am Bewegungsapparat sind kaum zu befürchten.

Gymnastik/Yoga  Yoga ist eine der am meis-

Krafttraining an Maschinen  Die Wirkung

ten expandierenden Freizeitaktivitäten. Die Wirkung auf Herz-­ Kreislauf-­ System und Energieumsatz ist dabei gering. Sehr positive Auswirkungen sind auf Kraft (überwiegend Kraftausdauer), Beweglichkeit, Koordination und Kognition möglich, und die Verletzungsgefahr ist gering.

auf das Herz-Kreislauf-System ist gering, es sei denn, ein Einsatztraining wird als Zirkel mit geringen Satzpausen absolviert. Der Energieumsatz ist im Mehrsatztraining ebenfalls gering (3–4 MET). Langfristig kann bei Muskelhypertrophie der Ruheumsatz gesteigert werden. Positive Auswirkungen auf Kraft und Muskelhypertrophie (zumeist Extremitätenmuskulatur) sind je nach Trainingsinhalten sehr wahrscheinlich. Die koordinativen und kognitiven Anforderungen sind gering, Schäden am Bewegungsapparat sind bei geführten Bewegungen kaum zu befürchten.

11

575 Training im mittleren und höheren Lebensalter

11.7  Aufgaben zur Nachbereitung

des Kapitels

häuslicher Umgebung absolviert werden kann (z. B. Kniebeuge an der Türklinke). 4. Erweitern Sie die nachfolgende Tabelle und beurteilen deren gesundheitliche Wirksamkeit für Alterssportler anhand der vorgegebenen Beurteilungskriterien gemäß . Tab. 11.2.  

Kriterien

1

2

3

4

5

6

Indoor-Cycling Alpiner Skilauf Klettern Aqua-Jogging Badminton Boxtraining Segeln … …

Literatur 1. Recherchieren Sie weitere Hintergrundinformationen zu den molekularen Mechanismen des Alterns und reflektieren Sie diese hinsichtlich der Möglichkeiten mit körperlicher Aktivität, die Alterungsvorgänge zu verlangsamen. Vermitteln Sie diese Kenntnisse mit einfachen Worten in Ihrem privaten Umfeld. 2. Recherchieren Sie die Weltbestleistungen ausgewählter Disziplinen in höheren Altersklassen und vergleichen diese mit Ihrer persönlichen Bestleistung. Informieren Sie sich bei Eltern und Großeltern über deren Wahrnehmung von Leistungsveränderungen und Altern. 3. Entwickeln Sie ein Heimtrainingsprogramm für Senioren, das konditionelle, kognitive und koordinative Anteile möglichst breit abbildet und mühelos in

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577 Training im mittleren und höheren Lebensalter

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11

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579

Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten Alexander Ferrauti, Janina Fett, Adam Frytz, Janina-Kristin Götz, Florian Hanakam, Til Kittel, Jasper Möllmann, Christoph Schneider und Hubert Remmert 12.1

Beckenschwimmen – 581

12.1.1 12.1.2 12.1.3 12.1.4

L eistungsstruktur – 581 Belastungs- und Beanspruchungsprofil – 582 Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung – 585 Langfristiger Leistungsaufbau – 588

12.2

Triathlon – 590

12.2.1 12.2.2 12.2.3 12.2.4

 ettkampfstruktur – 590 W Belastungs- und Beanspruchungsprofil – 591 Wettkampfanalyse und Leistungsbeurteilung – 594 Trainingssteuerung – 595

12.3

Basketball – 597

12.3.1 12.3.2 12.3.3 12.3.4 12.3.5 12.3.6 12.3.7

 elastungs- und Beanspruchungsprofil – 597 B Konditionelle Leistungsstruktur – 600 Leistungsdiagnostik – 601 Leistungsentwicklung im Jugendbasketball – 602 Spieler-Monitoring – 604 Trainingssteuerung – 606 3 × 3-Basketball: eine andere Sportart?! – 614

12.4

Fußball – 615

12.4.1 12.4.2 12.4.3 12.4.4 12.4.5

L eistungsstruktur – 615 Belastungs- und Beanspruchungsprofil – 617 Leistungsdiagnostik – 623 Trainingssteuerung – 625 Monitoring – 626

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Ferrauti (Hrsg.), Trainingswissenschaft für die Sportpraxis, https://doi.org/10.1007/978-3-662-58227-5_12

12

12.5

Volleyball – 628

12.5.1 12.5.2 12.5.3 12.5.4 12.5.5 12.5.6

L eistungsstruktur – 629 Belastungs- und Beanspruchungsprofil – 630 Leistungsdiagnostik – 633 Trainingssteuerung athletischer Komponenten – 634 Ausgewählte Trainingsbeispiele – 635 Beach-Volleyball: eine andere Sportart?! – 637

12.6

Tennis – 639

12.6.1 12.6.2 12.6.3 12.6.4 12.6.5

L eistungsstruktur – 639 Belastungs- und Beanspruchungsprofil – 641 Beanspruchungen im Tennis-Training – 644 Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung – 648 Ausgewählte Trainingsbeispiele – 650

Literatur – 652

12

581 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

12.1  Beckenschwimmen Janina-Kristin Götz „Wer im Wasser nicht glücklich ist, kann nie richtig frei sein.“ (Pierre Gruneberg)

Zusammenfassung 1886 wurde der deutsche Schwimmverband (DSV) in Berlin gegründet, welcher die fünf olympischen Sportarten Schwimmen, Freiwasserschwimmen, Wasserspringen, Wasserball und Synchronschwimmen repräsentiert. Seit den 1970er-Jahren ist der Schwimmsport zu einem festen Bestandteil im Bereich der sportwissenschaftlichen Forschung geworden und wird den Ausdauersportarten zugeordnet. Die Wettkampfdauer reicht von 20 Sekunden bis 15 Minuten. Dies erfordert die Ausbildung der anaerob-alaktaziden, anaerob-laktaziden und der aeroben Energiebereitstellungsprozesse und stellt somit für die Trainingsgestaltung enorme Herausforderungen an den Trainer dar. Um die aeroben Leistungsfähigkeit in Abhängigkeit unterschiedlicher Intensitätsvorgaben bei definierter Streckenlänge zu ermitteln, wird vom deutschen Schwimmverband die Durchführung des Laktatstufentests nach Pansold empfohlen. Auf Grundlage der Testergebnisse erfolgt die Steuerung der Trainingsbelastung mithilfe der acht Belastungszonen, welche die anteiligen physiologischen Voraussetzungen für die Wettkampfleistung trainingsmethodisch abbilden. Das Landtraining nimmt neben dem Wassertraining einen festen Bestandteil im Trainingsprozess ein. Die Art und Häufigkeit des Landtrainings unterscheidet sich in Abhängigkeit der verschiedenen Etappen des langfristigen Leistungsaufbaus, welcher zielgerichtet und systematisch im Schwimmsport mit der Einschulung im Alter von 6 oder 7 Jahren erfolgen sollte.

12.1.1

Leistungsstruktur

Wettkämpfe der Beckenschwimmer werden in vier verschiedene Schwimmarten und deren Kombination (Lagenschwimmen) sowie sechs Wettkampfstreckenlängen eingeteilt. Das olympische Wettkampfprogramm umfasst 35 Entscheidungen. In der Schwimmart Kraul werden 50  m, 100 m, 200 m, 400 m, 800 m und 1500 m sowie die 4 × 100-m- und 4 × 200-m-Staffel geschwommen, in den Schwimmarten Rücken, Brust und Delfin 100 m und 200 m und beim Lagenschwimmen 200  m und 400  m sowie die 4  ×  100-m-Lagen-Mixed-Staffel. Die Wettkampfdauer reicht dabei von 20 Sekunden bis 15 Minuten und stellt je nach Streckenlänge und Schwimmart unterschiedliche Anforderungen an die Gestaltung der Rennstruktur (s. Pacing, 7 Abschn. 3.2) und die Energiebereitstellung der Sportler (Rodriguez und Mader 2011; Rudolph 2014). Daher zielt das Training auf die Anpassung des Sportlers an spezifische Wettkampfanforderungen und hierzu unter anderem auf eine Verbesserung seiner aeroben als auch anaeroben Energiebereitstellung ab (Pyne und Sharp 2014). Die Leistungsstruktur (7 Abschn.  3.1, . Abb. 3.15 und 3.16) im Schwimmen setzt sich „… aus bestimmten Elementen und ihren Wechselbeziehungen“ zusammen (Schnabel  





582

A. Ferrauti et al.

et al. 2008, S. 45). Demnach vereinen sich nach Gundlach (1980) die azyklische (Start, Wende, Anschlag) und die zyklische (Schwimmarten) Bewegungsregulation. Die konditionellen Anforderungen (Grundlagenausdauer, Schnelligkeitsausdauer, Kraftausdauer, wettkampfspezifische Ausdauer) einer Wettkampfstrecke sind primär von der Belastungsdauer abhängig. Für Start, Wende und Anschlag werden Reaktionsund Aktionsschnelligkeit (speziell Schnellkraft) benötigt. Auf der Ebene der Handlungsregulation bedarf es der Willenskraft, der Leistungsbereitschaft, Taktik und Erfahrung, die einen guten Schwimmer kennzeichnen. Weiterhin stellen ­ anthropometrische Merkmale (metromorpher Körperbau mit leptomorph-hyperplastischer Tendenz; Rudolph 2004), die Beweglichkeit (besonders im Fuß-, Knie-, Rumpf- und Schultergürtelbereich) und die Belastungsverträglichkeit eine wesentliche Grundlage zur Eignung für die Sportart Schwimmen im Hochleistungsbereich dar (Gundlach 1980). Jedoch ist die Erhöhung der Antriebskraft im Wasser auch maßgeblich von der Ausprägung des Technikniveaus der jeweiligen Schwimmart abhängig (Mujika und Crowley 2019).

12

12.1.2 Belastungs- und

Beanspruchungsprofil

Ein Wettkampfrennen wird mithilfe des Schwimmgeschwindigkeitsverlaufs, der Bewegungsfrequenz (Zugfrequenz) und des Zykluswegs während einer Wettkampfstrecke (Craig et al. 1985; Chollet et al. 1997) sowie der gesonderten Betrachtung des Start- und Wendenabschnitts und des Anschlags analysiert (Rudolph 2014). Je kürzer die Schwimmstrecke, desto höher ist die Startgeschwindigkeit und auch der Geschwindigkeitsabfall am Ende der Wettkampfstrecke (Rudolph 2014). Durch Start und Wende können bei Spitzenschwimmern „… zwei- bis dreimal höhere Geschwindigkeiten als in der zyklischen Bewegung der Schwimmarten“ (Küchler 2014, S. 136) erreicht werden. Die Zugfrequenz beim Schwimmen beschreibt die Anzahl der Armzyklen pro Mi-

nute, wobei in den Wechselschwimmarten Kraul- und Rückenschwimmen ein Armzugzyklus zwei Armzügen entspricht. Spitzenschwimmer weisen lange Zykluswege auf ­(Wakayoshi et al. 1993; Chollet et al. 1997) und können die Zugfrequenz und die Zuglänge bei steigender Ermüdung variieren (Dekerle et al. 2005). Obwohl die Zugfrequenz neben der Streckenlänge und Schwimmart von individuellen Parametern abhängt, können den unterschiedlichen Wettkampfdisziplinen typische Frequenzbereiche zugeordnet werden (. Tab. 12.1; Rudolph 2014). Zu den individuellen Parametern, welche sich positiv auf den Zyklusweg auswirken und somit die Armzugeffektivität verbessern, zählen beispielsweise ein hohes Kraftniveau der oberen Extremitäten (Mujika und Crowley 2019), ein langer Rumpf (Bejan et al. 2010) und eine hohe Beinschlagfrequenz (bei den Wechselzugschwimmarten; Sortwell 2011). Die metabolische Beanspruchung einer jeden Wettkampfstrecke setzt sich aus einer unterschiedlichen Kombination der aeroben, anaerob-laktaziden und anaerob-alaktaziden Energiebereitstellung zusammen, die aus der Streckenlänge, der Schwimmart und den individuellen Leistungsvoraussetzungen resultiert. Generell steigt der Energiebedarf mit zunehmender Schwimmgeschwindigkeit an (Toussaint und Hollander 1994; Wakayoshi et  al. 1995; Barbosa et al. 2006) und hängt vom Leistungsniveau, der Anthropometrie (Chatard et  al. 1991), dem Geschlecht (Zamparo et  al. 2008) und in hohem Maße vom Niveau der Schwimmtechnik (Holmer 1974; Pendergast et al. 1977; Montpetit et al. 1983, 1988; Costill et al. 1985; Chatard et al. 1990, 1991; Zamparo et  al. 2000) ab. Frauen weisen dabei im Vergleich zu Männern eine 10–30  % höhere Schwimmökonomie auf (Zamparo et al. 2008), was hauptsächlich auf die Körperkomposition (größerer Fettanteil und geringere Muskelmasse am Körpergewicht (Pyne und Sharp 2014)) und deren positive Auswirkung auf den Auftrieb (durch das geringere spezifische Gewicht) zurückzuführen ist (Chatard et  al. 1991). Zudem steigt der Energiebedarf bei de 

12

583 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

..      Tab. 12.1  Mittelwertvergleich der Zugfrequenzen (Armzyklen/min) der Finalteilnehmer WM/OS (1996 bis 2009), differenziert nach Streckenlänge, Schwimmart und Geschlecht (nach Rudolph 2014, S. 80)

(m)

Männer

Frauen

Freistil

Brust

Delfin

Rücken

Freistil

Brust

Delfin

Rücken

50

60,41 ± 1,7

63,22 ± 2,1

64,73 ± 0,5

57,00 ± 0,9

56,10 ± 1,2

59,76 ± 0,9

63,30 ± 1,0

52,00 ± 1,4

100

51,45 ± 0,9

50,49 ± 0,9

55,58 ± 0,6

48,90 ± 0,6

52,61 ± 0,4

49,24 ± 1,7

56,16 ± 0,7

47,20 ± 1,3

200

44,31 ± 1,2

38,50 ± 1,6

49,39 ± 0,6

41,68 ± 0,9

45,93 ± 1,9

39,45 ± 1,5

51,38 ± 0,8

41,26 ± 0,9

400

42,16 ± 1,1

-

-

-

46,10 ± 1,9

-

-

-

>800

41,54 ± 1,1

-

-

-

46,05 ± 1,6

-

-

-

finierter Schwimmgeschwindigkeit mit zunehmendem Alter an (Zamparo et al. 2008). Auf Grundlage verschiedener Untersuchungen, welche die Zusammensetzung des Energiebedarfes bei maximaler Schwimmgeschwindigkeit und unterschiedlicher Streckenlänge betrachteten, erstellten Rodriguez und Mader (2011) eine auf Computersimulation basierende Verteilung der prozentualen Anteile der drei Energiebereitstellungwege für das Kraulschwimmen von 20–900 Sekunden (. Abb. 12.1). Für die Belastungsdauer der Kurzstrecken (50 m) wird die Energiebereitstellung überwiegend durch energiereiche Phosphatverbindungen (ATP, ADP, Kreatinphosphat) realisiert (Pyne und Sharp 2014). Dabei werden über die 50-m-Strecke (ca. 22  s) die ATP- und Kreatinphosphatspeicher schnell aufgebraucht, und die Glykolyse wird zur maßgeblichen Energiequelle (Rodriguez und Mader 2011). Die daraus resultierenden Blutlaktatkonzentrationen betragen im Wettkampf ca. 12–14  mmol/l (Rodriguez und Mader 2011). Eine Anpassung dieses Energiesystems ist laut Pyne und Sharp (2014) durch das wiederholte Realisieren von supramaximalen Schwimmgeschwindigkeiten im Training möglich. Dieses verbessert die Fähigkeit, in mi 

nimaler Zeit die höchste Schwimmgeschwindigkeit zu erreichen und diese über die Dauer der Schwimmstrecke möglichst lange aufrecht zu erhalten (Pyne und Sharp 2014). Capelli et  al. (1998) ermittelten die Zusammensetzung der Energiebereitstellung bei maximaler Schwimmgeschwindigkeit über 45,7  m (50  Yards) Kraulschwimmen. Die Dauer umfasste 25,38 s bei einer Schwimmgeschwindigkeit von 1,92 m/s. Die Anteile der Energiebereitstellung setzten sich zu 25,8  % aus dem anaerob-­alaktaziden, 58  % aus dem anaerob-laktaziden und zu 15,3 % aus dem aeroben Energiestoffwechsel zusammen. Insgesamt wurden dabei 26,9 kcal/112,5 kJ verbraucht. Die 100-m-Wettkampfstrecke benötigt eine schnelle Aktivierung der anaeroben und aeroben Energiebereitstellungsprozesse zu gleichen Maßen (Rodriguez und Mader 2011). Daher bezeichnet Olbrecht (2000) die Weltklasse-­100m-Sprinter als am besten ausgebildete Schwimmer im Hinblick auf die gleichermaßen herausragend entwickelte Energiebereitstellung der aeroben und anaeroben Kapazität. Die Schwimmer erreichen dabei Spitzenlaktatwerte von bis zu 20 mmol/l (Rodriguez und Mader 2011). Bei deutschen Schwimmern wurden im Vergleich als Mittelwert nach 100  m Freistil im Wett-

584

A. Ferrauti et al.

100 90 80

aerob

70

• % E tot

60 50 40 30

Glykolyse

20 10

ATP/PCr

0 0

50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800 850 900 Zeit (s)

12

..      Abb. 12.1  Verteilung der Energiebereitstellungsprozesse (% Etot) am Gesamtenergiebedarf bei maximaler Belastung, bezogen auf die Belastungsdauer (Zeit (s))

beim Kraulschwimmen. Die Symbole kennzeichnen 50, 100, 200, 400, 800 und 1500 m Kraul (nach Rodriguez und Mader 2011, S. 237)

kampf 15,0 ± 2,3 mmol/l und bei Schwimmerinnen 12,8  ±  2,3  mmol/l gemessen (Rudolph und Berbalk 2000). Hellard et al. (2018) berichteten eine Energiebereitstellung der anaerob-­ alaktaziden, anaeroben-laktaziden und aeroben Bereitstellung über 100 m Kraul in maximaler Schwimmgeschwindigkeit von 18 %, 31 % und 51 %. Insgesamt wurden über die 100-m-Kraulstrecke bei einer maximalen Schwimmgeschwindigkeit von 1,58  m/s (Belastungsdauer 63,29 s) 27,7 kcal/116 kJ Energie verbraucht. Bei den mittleren Distanzen (200/400 m) überwiegt bereits die aerobe Energiebereitstellung. Die Glykolyse erfüllt für die 200-m-Strecke dennoch eine wichtige Funktion (Rodriguez und Mader 2011). Die erreichten maximalen Blutlaktatwerte werden von Rodriguez und Mader (2011) für die 200 m Kraul mit 16–18 mmol/l und für 400 m Kraul mit 14–16 mmol/l angegeben. Rudolph und Berbalk (2000) gaben für die männlichen Schwimmer über 200/400  m Kraul im Mittelwert 14,1 ± 2,8/12,3 ± 2,7 mmol/l und

für die weiblichen Schwimmer 11,8 ± 2,4/9,3 ± 2,4 mmol/l an. Nach Figueiredo et al. (2011) benötigen Schwimmer über 200 m Kraul bei einer maximalen Schwimmgeschwindigkeit von 1,42  m/s (Belastungsdauer 141,3  s) 76,3 kcal/319,2 kJ Energie, und die Verteilung der Energiebereitstellung erfolgt zu 20,4  % anaerob-alaktazid, zu 13,6 % anaerob-­laktazid und zu 65,9 % aerob. Über die 400  m Kraul ermittelten Ring et  al. (1996) bei einer Schwimmgeschwindigkeit von 1,3  m/s und einer Belastungsdauer von 315 s ein Verteilungsverhältnis der anaerob-alaktaziden:anaerob-laktaziden:aeroben Energiebereitstellung von 4,4:9,1:86,4  %. Bei den Langdistanzwettkämpfen im Becken über 800/1500 m Kraul dominiert die aerobe Energiebereitstellung. Die maximalen Blutlaktatwerte betragen nach Rodriguez und Mader 2011 ca. 8–12 mmol/l. Zamparo et  al. (2005) ermittelten über eine Schwimmstrecke von 2000 m Kraul bei einer Schwimmgeschwindigkeit von 1,43  m/s und einer Zeit von 23  min

585 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

18 s für männliche Schwimmer einen Energiebedarf von 676,9 kcal/2832 kJ. 12.1.3

Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung

Der Laktatstufentest nach Pansold (Pansold und Zinner 1994) wird durch den Deutschen Schwimmverband zur Ermittlung der aeroben Leistungsfähigkeit in Abhängigkeit unterschiedlicher Intensitätsvorgaben bei definierter Streckenlänge empfohlen. Der Test dient zur Trainingssteuerung, zur Leistungsprognose und, bei wiederholender Testdurchführung, zum Längsschnittvergleich. Auf Grundlage der Testergebnisse erfolgt die Steuerung der Trainingsbelastung in den folgenden Belastungszonen (. Tab. 12.2). Durch die in . Tab. 12.3 dargestellten acht Belastungszonen sollen die anteiligen physiologischen Voraussetzungen für die Wettkampfleistung trainingsmethodisch abgebildet werden (Rudolph 2014). Die Vielzahl an Belastungszonen und deren Übergänge sind in der Trainingspraxis nicht immer exakt anzusteuern (Rudoph 2008). Der Tabelle lassen sich die wichtigsten Informationen bezüglich der Belastungsnormative und der angestrebten primären Trainingsziele zu jeder Belastungszone ablesen. Die Tabelle ist erst für Sportler gültig, die sich im Anschlusstraining oder darüber befinden und hinsichtlich einer zunehmenden Spezialisierung der differenzierten Belastungsaussteuerung bedürfen, was der Durchsetzung des Prinzips der zunehmenden Individualisierung des Trainings entspricht. Das Training in den Belastungszonen 1–5 ist gekennzeichnet durch hohe Umfänge und geringe Intensität und verbessert grundlegend das gesamte Spektrum der aeroben Ausdauer. Dabei bilden die Belastungszonen 1–3 das „Fundament der Leistungspyramide“ (Wilke und Madsen 2015, S.  157). Der Ausbildung dieses Bereichs wird sowohl im langfristigen Leistungsaufbau als auch im Verlauf jeder Saison ein hoher Stellenwert für alle Streckenlängen zugeschrieben. Je besser der Athlet in den unteren  



12

Zonen ausgebildet ist, desto belastungsverträglicher ist das Training in den da­rüber liegenden Zonen mit zunehmenden Belastungsintensitäten. Das Training in den Belastungszonen 3–5 verbessert hauptsächlich die maximale Sauerstoffaufnahme und deren Ausnutzungsgrad. Die Spitze der Leistungspyramide besteht aus den Belastungszonen 6–8, wodurch vor allem die anaerobe Kapazität entwickelt werden soll. Dabei wird zusätzlich die inter- und intramuskuläre Koordination ausgebildet, um hohe Schwimmgeschwindigkeiten realisieren und aufrechterhalten zu können. Exkurs: Individualisierung und Spezialisierung Es soll darauf hingewiesen werden, dass gerade die Blutlaktatkonzentrationen der Belastungszonen für das Training eine Orientierungshilfe darstellen sollen, es jedoch nach Geschlecht, Strecke und Schwimmart noch zu Abweichungen kommen kann (. Tab. 12.4).  

Neben dem Wassertraining liegt ein weiteres wichtiges Augenmerk auf dem Krafttraining an Land. Im Wasser führt der Schwimmer mechanische Arbeit überwiegend gegen die entstehenden hydrodynamischen Widerstandskräfte aus. Je höher die Schwimmgeschwindigkeit, desto größer ist der hydrodynamischer Widerstand, denn dieser steigt proportional zur Schwimmgeschwindigkeit im Quadrat (Toussaint und Hollander 1994; Barbosa et al. 2008). Ziel des Krafttrainings ist es, die gesteigerte Muskelkraft auf das Wasser zu übertragen, um eine höhere Schwimmgeschwindigkeit zu generieren. Generell gibt es zahlreiche Möglichkeiten, an Land Krafttraining auszuführen. Dazu gehören Krafttraining zur Erwärmung, Zirkeltraining, Satztraining, Sprungkrafttraining, biokinetische Schwimmbank, exzentrisches Krafttraining, Vi­ brationstraining, Training auf instabilen Unterlagen, Core-Training und weitere (Mujika und Crowley 2019). Das Krafttraining für Beckenschwimmer ist unbedingt erwünscht und wird als elementare Ergänzung an Land zum Wassertraining verstanden. Um das Verletzungsrisiko

586

A. Ferrauti et al.

..      Tab. 12.2  Berechnungsvorgaben der ersten Stufe (als Anhaltspunkte für Sportler ohne Vortest) und der Durchführungsvorgaben des Stufentests nach Pansold in Abhängigkeit der Teststrecke; Schwimmart Freistil (F), Brust (B), Schmetterling (S), Rücken (R) (nach DSV 2000, S. 169) Strecke

100 m

200 m

400 m

12

Stufe

Anzahl der Wieder-­ holungen

Angestrebter Laktatwert

Intensitätsvorgabe für 1. Stufe (%)

Männer

Frauen

Pause

Serienpause

Abnahme-­ zeitpunkt

1

3

2–3

F

65–70

70–75

1 min.

3 min.

sofort

2

2

3–4

B

70–75

80–85

1 min.

3 min.

sofort

3

1

4–6

S

60–65

70–75

5 min.

nach 1. min.

4

1

6–8

R

70–75

75–80

ca. 20 min.

nach 1–3. min.

5

1

max.

danach 3–4 s je Stufe

1

3

2–3

F

75–80

80–85

1 min.

3 min.

sofort

2

2

3–4

B

75–80

83–87

1 min.

3 min.

sofort

3

1

4–6

S

70–75

75–80

5 min.

nach 1. min.

4

1

6–8

R

75–80

80–85

ca. 20 min.

nach 1–3. min.

5

1

max.

danach 5–8 s je Stufe

1

1

2–3

F

2

1

3–4

danach 8–12 s je Stufe

3

1

4–5

4

1

max.

80–85

85–90

4./7./10. min.

4./7./10. min. 3 min.

nach 1 min.

5 min.

nach 3 min.

bis 30 min.

nach 3 min. 4./7./10. min.

Exkurs: Der Pansold-Test Der Laktatstufentest nach Pansold (Pansold und Zinner 1994) wird routinemäßig im Rahmen der komplexen Leistungsdiagnostik von Kaderathleten 2–3-mal pro Jahr auf der 50-m-Bahn durchgeführt. Die Laktatwerte werden der Schwimmgeschwindigkeit gegenübergestellt, mithilfe der exponentiellen Regressionskurve können die Schwimmgeschwindigkeitsbereiche der einzelnen Belastungszonen bestimmt werden. Doch erst in Verbindung einer begleitenden Kraft-Technik-Diagnostik kann die Laktat-Leistungskurve aussagekräftig interpretiert werden (Rudolph 2014). Bei der praktischen Durchführung des Pansold-Tests sind die Anfangsgeschwindigkeiten auf der ersten Teststufe abhängig von der Schwimmart, der Streckenlänge und dem Geschlecht sowie dem Leistungsniveau

auf der Spezialwettkampfstrecke (Schwimmzeit) und können . Tab. 12.3 entnommen werden. Als Berechnungsgrundlage wird die aktuelle Bestzeit der Spezialwettkampfstrecke aus dem vorangegangenen Trainings- und Wettkampfjahr herangezogen. Im Zweifelsfall sollte eine langsamere Einstiegsschwimmgeschwindigkeit gewählt werden, da bei zu hohen Laktatwerten auf der ersten Stufe keine adäquate Einteilung in die unteren Belastungszonen gewährleistet werden kann und es insgesamt das Testergebnis verfälscht (Rudolph 2014). Weitere ausführliche Hinweise zur Interpretation der Laktatleistungskurve des Laktatstufentests nach Pansold können in Rudolph (2014) ab S. 96 nachgelesen werden.  

- zu Laktatabbau

>1 h

< 60 min

Belastungen

(aerob+Fettverbrennung)

- extensive aerobe

> 100 %

-

-

- anaerobe-aerob

wettkampfspezifisch

4–6 mmol/l

- Starts/Wenden

möglich)

Bedeutung

- Sprintschnelligkeit v 100m

Maximalpuls Nicht von

- Unterdistanz

- weitgehend alaktazid

0–10 unter

100 % max

> 180 oder 95–

maximal

Maximalpuls

10–20 unter

90–100% max

170–200 oder

Maximalpuls

40 unter

90–95 % max 30-

- Übergang von GAII zu WA

(bis 8 mmol/l

100–105 %

(20 s – 120 s je TS)

Glykolyse

105–110 % von

> 6 mmol/l

Unterdistanz

10–20 min

- anaerob-laktazid mit

bis 15 min

(LZA BZ 5)

u. Nachbereitung)

- Mobilisation

> 8 mmol/l

TE wie WK mit Vor-

Strecke )

(je nach WK-

möglich

(bis über 10

< 6 mmol/l

Distanz voll oder gebrochen

(Zielzeit)

/Streckenlänge

Wettkampfzeit (eine

Schwimmart

- Nähe Distanzbereich • max. VO2

3–10(15) min

je nach

85–95 %

Leistungsfähigkeit

- aerob/anaerobe

- nahe Distanzbereich

10–30 min

Sprinter > 80 %)

- GA-Entwicklung

- intensive Ausdauer

(Schmett/

> 85 %

150–180 oder

20–45 min

Übergangsbereich

- aerob-anaerober

40–60 unter Maximalpuls

Schwimmart)

- Schwimmgeschw. bei 3

mmol/l Laktat

nach

Ausdauer/Glykolyse 85–90 % max

140–160 oder

- intensive aerobe

75–85 % max

120–150 oder

Maximalpuls

> 80 unter

80 % max

Maximalpuls 2,5–4 mmol/l

2–3 mmol/l

(< 2 mmol/l)

Puls < 120 oder 70–

70–80 unter ca. 80–85 % (je

Laktat Laktatabbau

- Überdistanzbereich

(zumeist F/R)

> 75 %

Bedeutung)

ohne

(bei Lockerung

< 70 %

v % akt. BZ

Intensität

Belastungskrierien

Kohlenhydratverbrennung

30–60 min

kurz 5–30 min

Nachbereitung von

Ausdauer bei Fett- u.

- zur Lockerung

Gesamtdaurer (inkl. Pausen)

- zur Regeneration und

Charakteristik Dichte (Pause)

TS 1-3 min

je nach

30 s - 2 min

10 s - 2 min

relevant

Nicht

75+25/100

Wdhlg. > 400

Stehvermögen

(TS 50–200

800

(TS 50–400m)

(50/50)

1000m

(TS 100–800)

2400m

(TS 200–800)

>50 min Dauer

800–3000 m

Erholung

4–10x

50–100 (200) Kanaltraining (20/30/60 s) P 1 min

4–10x

25–50 (100)

bis 4 min (aktiv) 15–25m vollständige

200+200

150+50

100+100

(TS 100–400)

1200

(TS 100–800m)

(100/100)

2000m

(TS 200–1500)

3000m

(TS 200–1000)

>60 min Dauer

1500–3000 m

Prognoseschwimmen im Kanal

Ko (SP 10-20 min) 50+50+50+50

(SP 10–20 min)

LZA (800/1500)

4–10x

50–200 (400)

2/4 x 400

4/12 x 200

8/15 x 100

WA–Training

für Langstreckler

(TS 200–1000m)

(200/200)

4000m

(TS 200–2000)

4000m

(TS 400–1500)

>90 min Dauer

2000–5000 m

800m und mehr (z.B. nach Krafttraining/WA)

25+25/50+50

1-3 min

MZA (200/400)

je nach vorangegangener Belastung 25m bis

KZA (50/100)

10/15/20 s bei

bis 8 min

94–100 % 1-5 min

87–94 %

80–87 %

65–80 %

45–65 % ohne Pause

• V O2 max

Methoden (Strecken/Teilstrecken)

(Ko)

mit aktiver Pause

Wiederholmethode,

Intervallmethode

Intensive

(Wettkampfidentität)

Wettkampfmethode

Wiederholmethode

Intervallmethode,

Intensive

HS und NS

Intervallmethode in

(aerob/anaerob)

Wechseltempo

Intervall Fahrtspiel

Dauermethode, ext.

Intensive

Freistil/Rücken

(überlange TS).

extensives Intervall

Dauertraining,

Lockerschwimmen

kurzzeitiges

Dauermethode bzw.

Kontinuierliche

Methoden

587

(S)

8

(SA)

7

(WA)

6

(GAIIEntw)

5

(GAIIÖko)

4

(GAIint)

3

(GAIext)

2

(Ko)

1

(TB)

BZ

..      Tab. 12.3  Darstellung der Belastungszonen und Trainingsbereiche im Schwimmen ab Anschlusstraining. Belastungszone (BZ), Trainingsbereich (TB), Kompensation (Ko), Grundlagenausdauer I extensiver Bereich (GAIext), Grundlagenausdauer I intensiver Bereich (GAIint), Grundlagenausdauer II Ökonomisierungsbereich (GAIIÖko), Grundlagenausdauer II Entwicklungsbereich (GAIIEntw), Wettkampfspezifische Ausdauer (WA), Schnelligkeitsausdauer (SA), Schnelligkeit (S), prozentuale Schwimmgeschwindigkeit der aktuellen Bestzeit (% v akt. BZ), maximale Sauerstoffaufnahme (V˙ O2max), Kurzzeitausdauer (KZA), Mittelzeitausdauer (MZA), Langzeitausdauer (LZA), Wettkampf (WK), Teilstrecke (TS), Hauptschwimmart (HS), Nebenschwimmart (NS), Serienpause (SP)

Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

12

588

A. Ferrauti et al.

..      Tab. 12.4  Laktatvorgaben (mmol/l) für die Belastungszonen (BZ) 1–4 in Abhängigkeit von der Leistungszielstrecke. Kompensation (Ko), Grundlagenausdauer I extensiver Bereich (GA Iextensiv), Grundlagenausdauer I intensiver Bereich (GA Iintensiv), Grundlagenausdauer II (GA II; nach Rudolph 2014, S. 100.) Trainingsbereich

50/100 m

100/200 m

2,5

>2,0

>1,5

GA Iextensiv (BZ 2)

2,5–3,5

2,0–3,0

1,5–2,0

GA Iintensiv (BZ 3)

3,5–5,0

3,0–4,0

2,0–3,0

GA II (BZ 4)

5,0–7,0

4,0–6,0

3,0–5,0

Praxistipp: Krafttraining im Hochleistungstraining der Beckenschwimmer

Der deutsche Schwimmverband empfiehlt derzeit seinen Topathleten, eine Kombination aus Volumentraining, IK-Training und reaktivem Training je nach Saisonabschnitt durchzuführen. Details zur empfohlenen Übungsauswahl, Planung von Wasser- und Landeinheit in Wochen-, Saison- und Jahres- sowie Mehrjahresplanung können dem „DSV Rahmentrainingsplan zum Krafttraining im Beckenschwimmen“ (Fuhrmann et al. 2017) entnommen werden.

..      Tab. 12.5  Beispielhafte Wochenplanung von Kraft- und Wassereinheiten für eine Wettkampfzielstrecke von 200 m, für Schwimmer im Hochleistungstraining; mögliche Schlüsseleinheit im Wasser (SH) (nach Fuhrmann et al. 2017, S. 65)

12

Uhrzeit

Mo

Di

Mi

Do

Fr

Sa

08:00–10:00

Wasser

Wasser

Wasser

Wasser

Wasser

Wasser

13:00–15:00

Kraft Beine

18:00–20:00

Wasser

reaktives Training Wasser SH

Kraft Oberkörper

durch Überlastung bei hohen Schwimmumfängen zu minimieren, sollten Schwimmer die gesamte Saison über Krafttraining durchführen (Pelot und Darmiento 2012). Dabei ist es wichtig, die Anforderungen für das Krafttraining dem Leistungsstand des Athleten im langfristigen Leistungsaufbau und dem jeweiligen Saisonabschnitt anzupassen. Eine temporäre Trennung von Kraft- und Ausdauertraining im Wasser wird befürwortet, da sich somit die Effektivität des jeweiligen Trainings erhöht (Lundberg et al. 2013). Fuhrmann et al. (2017) empfehlen demnach einen Mindestabstand von drei Stunden zum und nach dem Wasserstraining (. Tab. 12.5). Eine Zunahme der Muskelkraft der oberen Extremitäten kann zu einer Erhöhung der Schwimmgeschwindigkeit durch Verlängerung  

So

Kraft Beine Wasser SH Wasser

Wasser SH

der Zuglänge und/oder Erhöhung der Bewegungsfrequenz führen. Das Anheben der Muskelkraft der unteren Extremitäten weist auf eine mögliche Verbesserung der Start- und Wendenabschnitte hin (Mujika und Crowley 2019). 12.1.4

Langfristiger Leistungsaufbau

Ericsson (1996) stellt heraus, dass bis zum Anschluss an die Weltspitze mindestens zehn Jahre Training oder 10.000 Trainingsstunden notwendig sind. Das Alter der sportlichen Höchstleistung im Schwimmsport wird bei den Frauen mit 22 Jahren und bei den Männern mit 24 Jahren erreicht. Der Anschluss an die Weltspitze wird im Alter von 16 (Frauen) bzw. 18 Jahren (Männer)

12

589 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

AK

Bildungseinrichtung Klasse Einrichtung

Entwicklungsstufe

Ausbildungsetappe

Familie Kindergarten

Vorschulalter (frühes Kindesalter)

GRUNDAUSBILDUNG

4 5 6 1 2 3

Förderung durch Familie Verein Kindergarten

(Schwimmkurs)

(Leistungsgruppe im Verein)

7 8

Kaderkreis

Primärstufe (Grundschule)

frühes Schulkindalter (SKA)

GRUNDLAGENTRAINING (GLT)

9

Verein LANDESKADER

4 10 5

Spätes SKA

11

D

6

ABT

12 Pubeszens

7 13 8 14 9

ABT

Pubeszens

Sekundärstufe I (Gymnasium, Realschule, Hauptschule)

AST AST

10

Adoleszens Adoleszens

11 17 12 18 (13)

D D-C D-C C

LSV (DSV)

D D-C D-C D C C-Übergang C-Übergang DSV

19 20

D

C

Sekundärstufe II (Gymnasium, Fachoberschule) Studium (Beruf)

D D

15 16

Landeskader

frühes Erwachsenenalter

HOCHLEISTUNGSTRAINING C-Übergang (HLT) C-Übergang B1

B1 B2 A/B

..      Abb. 12.2  Etappen des langfristigen sportlichen Leistungsaufbaus in Zuordnung zu ontogenetischem (AK) und schulischem Entwicklungsalter; Aufbautrai-

ning (ABT), Anschlusstraining (AST) (nach Rudolph et al. 2006, S. 8)

angestrebt (Rudolph et al. 2006). Demnach empfiehlt sich der Beginn des zielgerichteten und systematischen langfristigen Leistungsaufbaus im Schwimmsport mit der Einschulung im Alter von 6 oder 7 Jahren (. Abb. 12.2; Rudolph et al. 2006). Das Grundlagentraining schließt sich der Grundausbildung, dem Erlernen des Schwimmens, an. Im Alter von 7–10 Jahren werden 5–8 Trainingsstunden im Wasser und 2–4 Stunden mit Übungen an Land angestrebt (Rudolph et  al. 2006). Der Trainingsumfang im Wasser pro Jahr wird mit 210–528 km empfohlen (Rudolph et  al. 2006). Die Fertigkeitsausprägung mit einem lernorientierten Training steht in diesem Abschnitt an erster Stelle und ist unbedingt der Realisierung von hohen Um-

fängen, besonders in den ersten beiden Jahren des Grundlagentrainings, vorzuziehen (Rudolph et al. 2006). Da die körperliche Differenzierung von Jungen und Mädchen nach dem neunten Lebensjahr einsetzt (Weineck 2010), werden ab dem Aufbautraining die Geschlechter getrennt betrachtet. Das Aufbautraining kategorisiert das Alter bei Mädchen/Jungen zwischen 11/12– 13/14. Dabei werden die Trainingsstunden im Wasser mit 12–16 Stunden und an Land mit 5–6 Stunden erhöht (Rudolph et al. 2006). Der Jahresumfang des Wassertrainings beläuft sich hierbei auf 1150–1880 km (Rudolph et al. 2006). In diesem Abschnitt stehen die Steigerung der Belastungsumfänge zur Steigerung der Belas-



590

A. Ferrauti et al.

tungsverträglichkeit im Vordergrund sowie das Aufrechterhalten einer hohen Bewegungsqualität der schwimmtechnischen Fertigkeiten (Rudolph et al. 2006). Beim Europäischen Olympischen Jugendfestival (European Youth Olympic Festival) können sich Mädchen im Alter von 13/14 und Jungen von 15/16 Jahren, nach vorausgegangener Qualifikation, erstmals mit der europäischen Konkurrenz messen. Das Anschlusstraining beginnt mit Abschluss der Pubertät und bereitet die Athleten auf den Übergang in das Hochleistungstraining vor. Im Alter von 15/16 Jahren für von Mädchen/Jungen wird das Wassertraining um eine Stunde pro Woche erhöht auf 17 und das Landtraining mit 6 Stunden pro Woche beibehalten (Rudolph et al. 2006). Der Trainingsumfang im Wasser wird auf 2160 km im Jahr angehoben (Rudolph et  al. 2006). Mädchen im Alter von 14–17 Jahren und Jungen im Alter zwischen 15–18 Jahren können nach kriterienbezogener Qualifikation an Jugendeuropameisterschaften, Olympischen Jugendspielen und Jugendweltmeisterschaften teilnehmen. Exkurs: Nachwuchssicherung im DSV

12

Detaillierte Ausführungen zu Trainingsempfehlungen und gesamtgesellschaftlichen Besonderheiten im langfristigen Leistungsaufbau können in „Nachwuchskonzeption Schwimmen. Vom Grundlagentraining bis zum Anschlusstraining“ (Rudolph et al. 2006) nachgelesen werden.

12.2  Triathlon Florian Hanakam Mensch schwimmt  – Mensch fährt Rad  – Mensch läuft

Zusammenfassung Seit mehr als 100 Jahren werden die drei Ausdauersportarten Schwimmen, Radfahren und Laufen in unterschiedlicher Reihenfolge und mit divergierenden Streckenlängen als Wettkämpfe kombiniert. Jedoch konnte sich kein

..      Abb. 12.3  IRONMAN Hawaii – aus einer verrückten Idee wird ein Massenphänomen

anderes Rennformat annähernd so durchsetzen wie der Triathlon. Auch wenn es bereits 1974 den Mission Bay Triathlon in San Diego gab (Habenicht 1991), fand die eigentliche Initialzündung viele Tausend Kilometer vom Festland entfernt mitten im Pazifik statt. Am 18.02.1978 wurde auf Oahu (Hawaii) der erste IRONMAN gestartet . Abb.  12.3. Dabei wurden drei bestehende lokale Wettkämpfe miteinander verwoben: Das 3,86 km lange Waikiki-Brandungsschwimmen, das 180,2  km Radrennen Around Oahu und der Honolulu Marathon mit 42,2  km. Der Name IRONMAN leitet sich von einem Ausspruch des Initiators, John Collins, ab: „Who­ever finishes first, we’ll call him the Iron Man“. In diesem Unterkapitel wird der Fokus auf den unterschiedlichen Distanzen, Disziplinen und dem jeweiligen Anforderungsprofil liegen. Anschließend wird eine triathlonspezifische individuelle Wettkampfanalyse und Leistungsdiagnostik vorgestellt. Abschließend werden Hilfestellungen zur Erstellung eines Trainingsplanes auf der Basis eines Anamnesebogens sowie weitere Informationen rund um die Trainingsplanung gegeben.  

12.2.1

Wettkampfstruktur

Was als verrückte Idee mit 15 Teilnehmern und 12 Finishern begann, weitete sich vergleichsweise schnell zu einem Massenphänomen mit weltweit mehreren Millionen Startern pro Jahr aus. In Deutschland fand der erste Triathlon in

12

591 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

Essen über die Distanz von 1 km Schwimmen, 70  km Radfahren und 10  km Laufen im Jahr 1982 statt (Hottenrott et al. 2004). Nachfolgend entwickelten sich immer weitere Rennformate. Zudem wurden Organisationsstrukturen geschaffen, indem die Deutsche Triathlon Union (DTU), die Europäische Triathlon Union (ETU) und der Weltverband Internationale Triathlon Union (ITU) gegründet wurden. Diese richten nationale und kontinentale Meisterschaften sowie Weltmeisterschaften über jeweils unterschiedliche Distanzen aus. Seit dem Jahr 2000 wurde Triathlon in den olympischen Kanon aufgenommen. Die olympische Distanz wird für Männer und Frauen über die Distanzen von 1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren und 10 km Laufen ausgetragen. Der Start findet als Massenstart statt, und auf der Radstrecke ist das Windschattenfahren (Drafting) erlaubt. Ab 2021 wird bei den Olympischen Spielen zudem der Wettkampf als Team-Relay ausgetragen, wobei jeweils zwei Frauen und zwei Männer nacheinander über sehr kurze Distanzen (Supersprint) an den Start gehen. Der Teamgedanke spielt auch bei Liga-­ Wettbewerben eine große Rolle. In Deutschland etablierte sich bereits früh ein ausgeprägtes Ligasystem. Die Triathlon-Bundesliga ermittelt in

mehreren Wettkämpfen über ein Punktesystem den deutschen Mannschaftsmeister. Innerhalb der Bundesländer existiert ein mehr oder weniger ausgeprägtes Ligasystem mit beispielsweise ca. 300 Mannschaften und 14 unterschiedlichen Ligen in Nordrheinwestfalen. Hinzu kommen Formate für Kinder und Jugendliche. Alternativ werden auch Rennformate wie der Wintertriathlon (Crosslaufen, Mountainbiken, Skilanglauf) und Duathlon (Laufen, Radfahren, Laufen) angeboten. 12.2.2

Belastungs- und Beanspruchungsprofil

Ausgehend von der Langdistanz des IRONMAN haben sich im Laufe der Jahre viele unterschiedliche Streckenlängen mit festgelegten Bezeichnungen etabliert (. Tab.  12.6). Aber auch innerhalb eines Rennformats variieren die jeweiligen Distanzen zum Teil erheblich und sind weitaus weniger stark reglementiert als in der Leichtathletik. Das hat zum Teil erhebliche Auswirkungen auf die Gewichtung der jeweiligen Teildisziplinen und folglich auf das Belastungs- und Beanspruchungsprofil.  

..      Tab. 12.6  Häufig verwendete Rennformate mit den dazugehörigen Wettkampfdistanzen im Triathlon, wobei das Rennformat Supersprint in der Regel als Team-Relay stattfindet Supersprint

Sprintdistanz

Olympische Distanz

Mitteldistanz

Langdistanz

Abkürzungen

SD

OD/KD

MD

LD/IM

Synonyme

Volksdistanz

Kurzdistanz

70.3

IRONMAN

Strecken in km Schwimmen

0,25

0,75

1,5

1,9

3,86

Radfahren

8

20

40

90

180,2

Laufen

1,5

5

10

21,1

42,2

Elite Männer

0:18

0:50

1:45

< 3:45

< 8:00

Elite Frauen

0:20

0:55

2:00

< 4:15

< 9:00

Belastungsdauer in Stunden

592

12

A. Ferrauti et al.

So existieren Wettkämpfe mit zeitlich ähnlicher Schwimm- (1  km) und Laufdistanz (10 km), die sich um den Faktor 2,5 beim Radfahren unterscheiden (40  km vs. 100  km). Häufig wird bereits mit der Bezeichnung ein Bezug zur Streckenlänge hergestellt, wie zum Beispiel 226 (Gesamtstrecke auf der Langdistanz in Kilometern), IRONMAN 70.3 (Gesamtsumme der Mitteldistanz in Meilen) oder 111 (1  km Schwimmen, 100  km Radfahren, 10 km Laufen). Das Beanspruchungsprofil einer Ausdauersportart kann insbesondere bei Individualsportarten gut über die Belastungsdauer beschrieben werden. Nachfolgend wird zunächst die Gesamtbelastungsdauer betrachtet, bevor auf jede Einzeldisziplin und die Disziplinwechsel eingegangen wird. Weil selbst die kürzesten Distanzen im Wettkampf knapp unter einer Stunde dauern, erfordert der Triathlon eine gute Langzeitausdauer. Die einzige Ausnahme bildet derzeit noch der Supersprint, der im Rahmen des Team-Relay ausgetragen wird. Dass die Ausdauerleistungsfähigkeit von hoher Bedeutung ist, belegen Miura et al. (1997). Demnach korreliert die maximale Sauerstoffaufnahme ˙ O2 max) mit der Wettkampfleistung. Bei sehr (V langen Distanzen sind offensichtlich andere Faktoren von höherer Bedeutung, denn Sleivert und Rowlands (1996) wiesen nach, dass der Zusammenhang zwischen Wettkampfer˙ O2 max mit zunehmender Stregebnis und V ckenlänge abnimmt. Hier scheinen die Bewegungsökonomie bei deutlich submaximaler Belastung (O’Toole und Douglas 1995), der mentale Aspekt (Gjerdingen 2013), die Pacing-Strategie (Wu et al. 2014) und die Ernährungsstrategie (Jeukendrup 2017) eine wichtigere Rolle zu spielen als die maximale Sauerstoffaufnahme. zz Spezielle Anforderungen des Schwimmens

Das Schwimmen ist mit dem geringsten Anteil an der Gesamtzeit des Triathlons beteiligt, besitzt jedoch erheblichen Einfluss auf das gesamte Rennen (Laursen et al. 2000). Bei allen Rennen mit Windschattenfreigabe wird die

Bedeutung zusätzlich erhöht, weil anschließend in einem Pulk gefahren wird und der Anschluss an eine der vorderen Gruppen nicht verpasst werden darf. Gegenüber dem Beckenschwimmen findet Triathlon häufig in freien Gewässern statt, sodass besondere Fähigkeiten wie die Orientierung, das Schwimmen mit Wellengang, Körperkontakt bei Positionskämpfen und das Umschwimmen von Bojen nötig werden. Zudem sollte der Wasserschatten seitlich neben einem Mitschwimmer oder direkt hinter einem Konkurrenten ausgenutzt werden. Als Technik der Wahl wird auf hohem Leistungsniveau ausschließlich das Kraulschwimmen verwendet. Die Vorteile der Kraultechnik liegen in der Schonung der Beine und dem Vorteil, dass es die schnellste Schwimmart ist. Spezielle Anforderungen des Radfahrens  Der zeitliche Anteil des Radfahrens kann beim Triathlon 50  % und mehr betragen. Erhebliche Unterschiede des Anforderungsprofils bestehen zwischen Rennen mit und ohne Windschattenfreigabe. Rennen mit Windschattenfreigabe ähneln eher dem Radsport: Neben guter Ausdauerleistungsfähigkeit müssen Renntaktik, Kurventechnik, das Fahren im Pulk und die Toleranz von Belastungsspitzen beherrscht werden. Bei allen Rennen mit Windschattenverbot entspricht das Radfahren einem mehr oder weniger langen Zeitfahren. Von besonderer Bedeutung ist die Tatsache, dass nach dem Radfahren noch das Laufen erfolgt. Dementsprechend muss eine optimale und nicht maximale Radleistung erbracht werden. Es empfiehlt sich, die vortriebswirksame Laufmuskulatur beim Radfahren, wie zum Beispiel die Wadenmuskulatur, so gut wie möglich zu schonen. Das wird durch geringfügige Veränderungen der Fußstellung auf dem Pedal gegenüber dem normalen Radsport erreicht. Ein weiterer Unterschied zum Radsport ist die Bedeutung der Beweglichkeit. Um eine möglichst aerodynamische Position auf einem Zeitfahrrad einnehmen zu können, wird die Stirnfläche verkleinert. Um dem Wind wenig Angriffsfläche zu geben, wird der Oberkörper stark vorgeneigt und die Schultern werden

593 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

aktiv nach innen geführt. Das erfordert eine erhebliche Flexibilität, aber auch eine gute Stabilität des unteren Rückens, der Hals- und Brustwirbelsäule. Spezielle Anforderungen des Laufens  Die Laufzeit entspricht relativ unabhängig von der jeweiligen Distanz ca. einem Drittel der Gesamtbelastungsdauer. Im olympischen Triathlon kommen häufig große Gruppen in die zweite Wechselzone. Anschließend beginnt ein langer Ausscheidungswettkampf, der nicht selten erst auf der Zielgeraden entschieden wird. Somit erfordert der Triathlon durchaus auch ein hohes Stehvermögen und Spurtfähigkeiten. Bei den längeren Distanzen, wie Mittel- und Langdistanztriathlon, wird angestrebt, dass es möglichst lange zu keiner Verringerung der Laufgeschwindigkeit kommt. Dafür müssen Energieflussraten, Flüssigkeits- und Mineralstoffaufnahmen über mehrere Stunden realisiert werden. Anforderungen an den Disziplinwechsel  – ­Koppel- und Wechseltraining  Triathlon wird

häufig als Addition von Schwimmen, Radfahren und Laufen bezeichnet. Dabei kann auf Grund der Verbundenheit der Disziplinen inklusive der Wechsel eher von einer Integration von Teilleistungen gesprochen werden (Neumann et  al. 2004). Trotz einer relativ kurzen Gesamtdauer der beiden Wechsel (Schwimmen → Radfahren und Radfahren → Laufen) können diese rennentscheidend sein und die Gesamtleistung im Triathlon erheblich beeinflussen. Zu Verwirrung führen die Bezeichnungen Koppeltraining und Wechseltraining. Dabei beschreibt das Wechseltraining den eher technischen Anteil des Wechsels. Hierzu zählen zum Beispiel das Wissen um den genauen Ablauf der Wechsel inkl. Regelkunde, die Fähigkeit, den Neoprenanzug möglichst schnell auszuziehen, das Rad zu schieben und die Laufschuhe anzuziehen. Diese Abläufe müssen möglichst automatisiert werden, damit sie auch unter hohem Stress im Wettkampf schnell und reibungslos ablaufen. Der Wechsel vom Schwimmen zum Radfahren ist häufig komplexer als der Wechsel vom Radfahren zum

12

Laufen, weil mehr Handlungsabläufe simultan und sukzessiv erfolgen. Demgegenüber löst der zweite Wechsel häufig größere Probleme bezüglich der Motorik aus und nimmt somit großen Einfluss auf die Leistung. Es zeigte sich in Studien, dass insbesondere ungeübte Athleten nach erfolgtem Wechsel zum Laufen deutliche Probleme haben, eine angemessene Geschwindigkeit zu realisieren. Ursächlich ist eine Abweichung von dem individuell optimalen Verhältnis zwischen Schrittlänge und Schrittfrequenz festzustellen (Neumann et  al. 2004). Nach längerer Belastung in hockender Position auf dem Rad fällt die Aufrichtung beim Laufen schwer. Von außen betrachtet „sitzt der Athlet“ beim Laufen, wodurch die wichtige Hüftstreckung fehlt. Hier setzt das sogenannte Koppeltraining an. Durch entsprechendes Training sollen spezifische Fertigkeiten in Bezug auf die Energiebereitstellung und muskuläre Arbeitsweise erzielt werden (Neumann et al. 2004). Praxistipp: Koppeltraining und Wechseltraining

In der Praxis kann beim Koppeltraining zwischen dem Radfahren und dem Laufen durchaus eine kurze Pause mit Kleidungswechsel erfolgen, um nicht mit der Radhose laufen zu müssen. Beim Wechseltraining werden einzelne Handlungsabläufe auch isoliert geübt, wie zum Beispiel das Schieben des Rades durch einen Parcours. Üblich sind auch sich mehrfach wiederholende Wechsel zwischen zwei Disziplinen. Dabei kann der im Wettkampf wichtige Wechsel mit höherer Geschwindigkeit erfolgen: 2 km Rad → schneller Wechsel → 1 km Lauf → entspannter Wechsel → 2 km Rad → schneller Wechsel → 1 km Lauf … Zudem kann zum Beispiel jeweils eine Minute vor und nach dem Wechsel mit der angestrebten Wettkampfgeschwindigkeit agiert werden, um eine höhere Wettkampfspezifität zu erreichen.

594

A. Ferrauti et al.

Der Wechsel vom Schwimmen zum Fahrradfahren verursacht bei den meisten Athleten weitaus weniger Probleme. Lediglich der Lagewechsel von der Bauchlage beim Kraulschwimmen in den aufrechten Stand führt aufgrund der Volumenumverteilung des Blutes in Richtung der Beine zur orthostatischen Hypotonie und den damit verbundenen Schwindelgefühlen und Gangunsicherheiten. Deshalb ist es sinnvoll, das schnelle Verlassen des Wassers zu trainieren, um sich daran zu gewöhnen. Ein häufiges Koppeltraining Schwimmen → Radfahren ist ansonsten eher unüblich. Sowohl im Ausdauersport als auch in den Mehrkampfdisziplinen (Moderner Fünfkampf, Siebenkampf, Zehnkampf) sind hohe Trainingsumfänge notwendig, um Spitzenleistungen erbringen zu können. Triathlon, als Ausdauermehrkampf, erfordert sehr hohe Trainingsvolumina. Eine entsprechend hohe Anzahl von ca. 1500 Trainingsstunden pro Jahr bzw. 30 Wochenstunden wird im Spitzenbereich absolviert (. Tab.  12.7). Auf der Langdistanz werden tendenziell weniger Trainingseinheiten pro Woche, aber dafür höhere Gesamttrainingsumfänge absolviert als auf der olympischen Distanz. Mit Ausnahme der Saisonpause trainieren Triathleten der Spitzenklasse täglich mindestens zwei Disziplinen (Pfaff 2011).  

12

12.2.3

Wettkampfanalyse und Leistungsbeurteilung

Wettkampfanalysen sind ein probates Hilfsmittel, um ein individuelles Stärken-­SchwächenProfil abbilden zu können (7 Abschn.  3.2). Hilfreich sind sowohl subjektive als auch ob 

jektive Analysen. Als subjektive Beurteilung bietet sich eine retrospektive Betrachtung des Wettkampfes an  – möglichst in chronologischer Reihenfolge, stichpunktartig oder als Fließtext. Das kann wie folgt aussehen: 55 Vor dem Start: Verpflegung wie üblich: helles Brötchen mit Marmelade 90’ vor Start, letztes Iso-Getränk 20’ vor Start. Gewöhnliche Aufregung. Einschwimmen war vor Ort nicht erlaubt, deshalb die übliche Routine mit Armgymnastik. 55 Schwimmen: Weit rechts gestartet. Schnell und gut in den Rhythmus gekommen. Bojen alle gut getroffen. Ab ca. km 3 leichter Einbruch → bin ab da viel überholt worden. Am Ende fehlten die Motivation und die Kraft, um das Tempo weiter hoch zu halten. Atmung fast durchgängig 2er nach rechts. Delphinsprünge vor Ausstieg erst sehr spät begonnen, insgesamt gut. 55 T1: Wechselzone war sehr lang → Neo ca. 500 m zu gelassen, um schneller laufen zu können. Socken angezogen, weil sandige Füße, wollte mir keine Blasen in den Radschuhen holen. 55 Rad: …. 55 T2: …. 55 Lauf: …. Parallel dazu empfiehlt sich eine objektive Analyse, die die jeweiligen Einzelleistungen berücksichtigt. Ebenfalls zu empfehlen ist ein mathematischer Ansatz: Die eigene Leistung wird mit einem Mittelwert aus den Leistungen der fünf besser Platzierten und fünf schlechter platzierten Athleten verglichen. Die jeweilige Differenz zwischen den Disziplinen sollte in Prozent und absoluter Zeit angegeben werden.

..      Tab. 12.7  Trainingsumfänge und Trainingsdauer bei einem Triathleten der Weltspitze Schwimmen (km)

Radfahren (km)

Laufen (km)

Athletiktraining (h)

Jahresleistung

1200–1500

20.000–25.000

4500–5500

300–400

Wochenleistung

24–30

400–500

91–112

h/Woche

8–10

13–17

6,5–8

6–8

12

595 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

Rad

Schwimmen

NN 00:59:47

Laufen

05:03:17

03:32:10

Gesamtzeit 09:35:14 03:30 min. (–6,2 %)

Mittelwerte +5 & –5 00:56:17

08:57 min. (2,9 %)

03:56 min. (–1,9 %)

05:12:14

03:28:14

Gesamtzeit 09:36:45 0:00

1:12

2:24

3:36

4:48

6:00

7:12

8:24

9:36

..      Abb. 12.4  Wettkampfanalyse einer Triathletin der nationalen Spitzenklasse auf der Langdistanz (NN) mit den jeweils fünf vor und nach ihr platzierten Athletin-

nen differenziert nach Einzeldisziplinen. Die individuelle Stärke liegt auf der Radstrecke

Eine vermeintliche Schwimmschwäche auf der Langdistanz fällt prozentual vielleicht sehr groß aus, macht anteilig an der Gesamtzeit aber nur wenig aus (. Abb. 12.4).

werden muss (7 Box. 12.1). In der eigenen Praxis der Athletenbetreuung im Zentrum für Diagnostik und Intervention (ZeDI) der Fakultät für Sportwissenschaft an der Ruhr Universität Bochum werden zusätzliche Fragebögen verwendet, um wichtige Basinformationen zur Erstellung eines Trainingsplanes zu bündeln (. Abb.  12.5). Erst in der synoptischen Betrachtung dieser Angaben mit individuellen Wettkampfanalysen und klassischen leistungsdiagnostischen Befunden (Informationen zur Fahrrad- und Laufbandergometrie sind 7 Abschn.  3.4 zu entnehmen) ergibt sich ein Gesamtbild, aus dem ein individualisierter Trainingsplan erstellt werden kann.



12.2.4

Trainingssteuerung

Die Erstellung eines Trainingsplans nach dem Prinzip „one size fits all“ funktioniert im Triathlon nicht. Training und Trainingspläne sollten so individuell wie ein Fingerabdruck sein. Welche Faktoren die Trainingsplanung beeinflussen, wird durch den nachfolgenden Fragenkatalog deutlich, der zuvor im Rahmen einer Anamnese vom Athleten beantwortet







Box 12.1  Fragenkatalog im Sinne eines Anamnesebogens zur Individualisierung der Trainingssteuerung im Triathlon 55 Welches Trainings-Motiv besitzt der Athlet? 55 Welche kurz- und langfristigen Ziele bestehen? 55 Welche Wettkämpfe sollen bestritten werden?

55 Welche Anthropometrie liegt vor (Größe, Gewicht, Körperbau, Muskel-/Fettmasse)? 55 Wie ist die familiäre Situation? 55 Welche klimatischen Verhältnisse bestehen am Wohnort?

596

A. Ferrauti et al.

55 Wie ist das momentane Leistungsniveau (differenziert nach Disziplinen)? 55 Wie ist das Leistungsniveau der anderen sportmotorischen Fähigkeiten (Kraft, Koordination, Flexibilität und Schnelligkeit)? 55 Wie ist die sportliche Biografie/Anzahl der Lebenstrainingsjahre? 55 Bestehen gesundheitliche Probleme (orthopädisch, internistisch, viral, ….)? 55 Welcher zeitliche Aufwand in h/Woche ist durchschnittlich und maximal realistisch? 55 An welchen Wochentagen kann welche Disziplin trainiert werden?

..      Abb. 12.5 Auszug aus einem Fragenkatalog zur Erfassung wichtiger Informationen zur Erstellung eines Trainingsplans im Triathlon

55 Wie ist die berufliche Situation (körperliche Belastung, Arbeitszeiten etc.)? 55 Wie ist die Ernährungssituation (Alltag, Wettkampf )? 55 Wie erfolgt die Trainingssteuerung bislang? 55 Wie ist die Materialausstattung (Roadbike, Zeitfahrrad, MTB, Rollentrainer/Ergometer, Uhr, Wattmesssystem, Kraftgeräte/Fitnessstudio etc.)? Werden Trainingslager geplant?

ZeDI

RUHR UNIVERSITÄT BOCHUM

Zentrum für Diagnostik und Intervention im Sport

RUB

Trainingsberatung Triathlon Name

Datum

Vorname Verein Triathlon seit

12

Ziele 2023 2022 2021 2020 Bestleistungen 20 km

40 km

90 km

180 km

Lauf

5 km

10 km

21 km

42 km

100 km

Schwimmen

100 m

200 m

400 m

500 m

1 km

Rad

Gesundheit Erkältungskrankheiten Beweglichkeit Orthopädie Menses Sonstiges

1,5 km

2 km

3,8 km

597 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

12.3  Basketball Hubert Remmert und Christoph Schneider Basketball is a game easy to play and difficult to master.

Zusammenfassung Im 1949 gegründeten Deutschen Basketball Bund (DBB) sind zurzeit etwa 200.000 Aktive, davon knapp ein Viertel Mädchen und Frauen, in 16 Landesverbänden mit ihren 2000 Vereinen organisiert. Basketball ist besonders bei den unter 18-Jährigen beliebt und mit positiven Attributen wie „dynamisch“, „fair“ und „kämpferisch“ besetzt, das Spiel auf zwei Körbe zählt in der Schule seit langer Zeit zu den beliebtesten Sportarten. Basketball wurde 1891/92 vom Kanadier James Naismith am YMCA-College in Springfield, Massachusetts (USA), als Alternative zum American Football erfunden. Das neue Spiel zeichnete sich insbesondere durch das Gebot, Körperkontakt zu vermeiden und die neuartigen, horizontal über Sprunghöhe angebrachten Ziele aus und verbreitete sich rasant über die ganze Welt. Heute sind in der FIBA (Fédération Internationale de Basketball) 213 nationale Verbände sowie u.  a. der Internationale Rollstuhl Basketball Verband (IWBF) und der Gehörlosen Basketball Verband (DIBF) organisiert. Die Leistungsanforderungen im Basketball sind zum aufgrund ihrer Heterogenität und Komplexität je nach Geschlecht, Altersgruppe und Spielniveau nur eingeschränkt darstellbar. Die technisch-taktischen, athletischen und psychischen Leistungsvoraussetzungen manifestieren sich in einer individuell sehr spezifischen Spielleistungsfähigkeit. Auf hohem Niveau erfordert das Basketballspiel eine intervallförmige Ganzkörperaktivität von beachtlicher Gesamtdauer. Intensive (v.  a. Laufund Sprung-)Belastungen von wenigen Sekunden bis im Ausnahmefall mehreren Minuten Dauer werden dabei durch regelbedingte Pausen (Viertel- und Halbzeitpausen, Auszeiten, Freiwurf- und Einwurfpausen) unterbrochen, die

12

Beanspruchung des kardiopulmonalen Systems und des laktaziden Muskelstoffwechsels ist hoch. Die Leistungssteuerung orientiert sich sowohl am objektiven Belastungs- als auch am subjektiven Beanspruchungsprofil. Seit 2007 etabliert sich der dem Streetbasketball ähnliche Ableger „3 × 3-Basketball“ als eigene Wettkampfdisziplin und wird bei den Olympischen Spielen 2020 vertreten sein. Das Spiel 3 gegen 3 weist aufgrund der auf 12 Sekunden begrenzten Angriffszeit und der Orientierung auf nur einen Korb eine eigene Belastungs- und Beanspruchungsstruktur auf, die sich deutlich vom 5-gegen-5-Basketball unterscheidet.

12.3.1

Belastungs- und Beanspruchungsprofil

Basketball als Wettkampfspiel setzt anspruchsvolle technomotorisch-physiologische Grundlagen voraus und fordert als Teamsport besondere sozialpsychologische Dispositionen ein. Es ist weltweit eines der schnellsten Sportspiele und verlangt Entscheidungsfindungen unter hohem psychophysischem Druck. Taktische Aufgaben sind grundsätzlich von allen Spielern zu bewältigen, die Funktionsaufteilung ist nicht so ausgeprägt wie zum Beispiel im Fußball. Wissenschaftliche Spielanalysen (Spielbeobachtung und Monitoring) liefern die physiologisch bedeutsamen Fakten zu den so umrissenen Spielhandlungen (u.  a. McInnes et  al. 1995; Ferrauti und Remmert 2003; Schmidt und von Benckendorf 2003; Schmidt und Braun 2004; Ben Abdelkrim et al. 2006; Papadopoulos et  al. 2006; Matthew und Delextrat 2009; Schnittker et al. 2009; Puente et al. 2017; Stojanović et al. 2018): 55 Die Bruttospielzeit beträgt im Mittel zwischen 80 und 90 min. 55 Das durchschnittliche Belastungs-Pausen-­ Verhältnis liegt zwischen 2:1 und 1:2. Die absolut meisten Belastungen dauern 2 bis 3,5 s, Spielunterbrechungen (ohne Viertel- und Halbzeitpausen) zum Teil deutlich länger (1,5 bis 150 s).

598

A. Ferrauti et al.

55 89 % aller Angriffe (im Durchschnitt ca. 95 Angriffe pro Mannschaft) werden innerhalb der ersten 20 s mit einer Erfolgsquote von etwa 50 % abgeschlossen. Spätere Abschlüsse sind signifikant erfolgloser. 55 Spieler legen bei bis zu 6 km Gesamtlaufstrecke 150 m/min zurück, davon etwa 15 m in tiefer Verteidigungshaltung. 24 % der Gesamtlaufstrecke werden im Gehen und langsamen Laufen zurückgelegt, 62 % im mittelintensiven Laufen, 14 % im Sprint. 55 Sprints dauern im Mittel 1,7 s. Im Spiel werden bis zu 100 Kurzsprints ausgeführt. 55 Durchschnittlich werden pro Spiel und Spieler 1050 Sprint-, Sprung-, Lauf-, Gehund Steh-Aktionen (mit und ohne Ball) unterschiedlichster Intensitäten ermittelt, Wechsel der Bewegungsformen erfolgen alle 2 s. Spielerinnen erreichen etwa zwei Drittel dieser Aktionsdichte. 55 Jeder Spieler absolviert in 40 min 45 Maximalsprünge bei Würfen, Rebounds und Verteidigungsaktionen (Center: 49, Aufbau- und Flügelspieler: 41).

12

Das subjektive Belastungsempfinden der Spieler hängt von den situativen Anforderungen ab. Äußere Umstände (Spielstand, Freundschafts- oder Punktspiel, Heim- oder Auswärtspartie, Saison- oder Play-Off-­Begegnung, Bedeutung des Spiels für Auf- oder Abstieg etc.) prägen die personeninterne psychophysische Verarbeitung und tragen erheblich zur inneren Beanspruchung der Spieler bei, was bei einer sinnvollen Trainingssteuerung und langfristigen Vorbereitung von Nachwuchssportlern berücksichtigt werden muss. Die objektiven Anforderungen lassen zunächst die Ableitung der wünschenswerten Ausprägungen wichtiger Fähigkeits- und Fertigkeitsbereiche zu. Jedoch erlaubt erst die Kenntnis der konkreten Belastungswirkungen die Ansteuerung von Trainingszielen über entsprechende Trainingsmethoden: 55 Energieverbrauch und Flüssigkeitsverlust: Basketballspieler benötigen aufgrund der

hohen anaerob-laktaziden Anteile an der Energiebereitstellung viel Energie. Ein 95 kg schwerer Spieler verbrauchte schon vor über 20 Jahren im Wettkampf 14 kcal/ min und im Training 13,1 kcal/min (McArdle et al. 1996), von den Sportspielen war nur Eishockey beanspruchender (15,1 kcl/min). Eine spürbare Gewichtsreduktion von bis zu 0,29 g/kg/min Spielzeit, die sich zum größten Teil auf Flüssigkeitsverluste zurückführen lässt, geht damit einher. Ein 90 kg schwerer Spieler verliert bei 40 min Einsatzzeit bis zu 3 kg Körpergewicht (Bösing et al. 2019 nach Hagedorn et al. 1996). 55 Herzfrequenz: Für Spitzenspieler werden Maximalherzfrequenzwerte von 170 bis 193 s/min angegeben, die mittlere Herzfrequenzbelastung variiert über die Spieldauer zwischen 160 und 185 s/min. Damit wird die maximale Herzfrequenz bis zu 95 % ausgeschöpft (Puente et al. 2017). 50 % der Herzfrequenzwerte liegen im submaximalen Intensitätsbereich von 161 bis 180 s/min, etwa 25 % noch darüber (. Abb. 12.6). Im Wettkampf liegen die durchschnittlich ermittelten Herzfrequenzen etwa 20 Schläge höher als im Training, was einerseits die Bedeutung der psychischen Beanspruchung im Wettkampf unterstreicht, andererseits die Bereitschaft von Basketballspielern zu intensiven Trainingsanstrengungen infrage stellt (Zimmermann et al. 2006). 55 Laktatkonzentration: Im modernen Spiel müssen durchschnittlich 5–6 mmol/l Laktat im Blut über die gesamte Spieldauer toleriert werden, kurzzeitige Spitzenbelastungen von bis zu 13,2 mmol/l bei Männern und 11,8 mmol/l bei Frauen sind dabei nicht selten (Metcalfe et al. 1999; Rodríguez-Alonso et al. 2003; Ben Abdelkrim et al. 2006; Matthew und Delextrat 2009; Castagna et al. 2011). Bereits bei 15-jährigen regionalen Auswahlspielern liegen über 40 % der unmittelbar nach Auswechslungen erhobenen Messwerte oberhalb der 4-mmol-Schwelle  

12

599 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

50 45,2

45

47,47

40 Prozent aller Werte

35 30 25

21,1

20

17,7

15

12,9 8,4 8,83

10

6,45

4,27 3,39

5 0

18,35

4,18 0,08 0,08

0

1 200

Intensitätsbereich der HF

..      Abb. 12.6  Prozentuale Anteile der Herzfrequenz (HF) in sieben Intensitätsbereichen während zweier Trainingsspiele (blau, rot), 15-jähriger Basketball-

(Empfehlungen für Trainingsintensitäten an der 4-mmol-Schwelle von Spitzenbasketballspielern liegen nach Sallet et al. (2005) bei 4,3 bis 4,6 m/s). Die durchschnittlichen Laktatkonzentrationen fallen in der zweiten Halbzeit bis zum Ende des Spiels ab (Zimmermann et al. 2006; . Abb. 12.7). 55 Konzentrationsverläufe im Blut von Alanin (nichtessentielle Aminosäure, die am Pyruvatabbau beteiligt ist), Blutglukose, Ammoniak, Harnstoff und Harnsäure sowie Glycerin und FFA (freie Fettsäuren) belegen einerseits die nennenswerte Beteiligung der laktaziden Energiebereitstellung im Basketball, andererseits die höhere Intensität des Wettspiels gegenüber Trainingseinheiten (Dorsch et al. 1995). Auch eine differenzierte Beanspruchung nach Spielpositionen lässt sich dokumentieren: So weisen Aufbauspieler am Spielende vergleichs 

spieler (Bösing et al. 2019; mod. nach Zimmermann et al. 2006, S. 294)

weise hohe Glukose- und niedrige FFA-Spiegel als Indizien einer höheren anaeroben Beanspruchung auf (Ben Abdelkrim et al. 2009). zz Anforderungen an Spielpositionen

Basketball zeichnet sich einerseits durch eine Differenzierung zwischen den möglichen Spielpositionen aus (Remmert 2009), anderseits aber auch dadurch, dass überdurchschnittlich gute Spieler mehrere Positionen effektiv ausfüllen können. Idealerweise beherrschen alle Spieler auch positionsfremde technisch-­ taktische Grundlagen, um individuelle Vorteile im 1 gegen 1 ausnutzen zu können. Aufbauspieler (Point Guards) sind die Spielgestalter ihrer Teams und müssen neben eigenem Scoring vor allem ihre Mitspieler einsetzen. Technisch sind Pass-, Dribbel- und Distanzwurfqualitäten gefragt, konditionell sind Aufbauspieler aufgrund ihrer häufig lan-

600

A. Ferrauti et al.

9 8 7

Laktat (mmol/l)

6 5 4 Messzeitpunkte 0 = Ruhe 1 = Aufwärmen 2 = nach 1. Viertel 3 = nach 2. Viertel 4 = nach 3. Viertel 5 = nach 4. Viertel 6 = 3 min nach Spielende

3 2 1 0 0

1

1. Viertel

2

2. Viertel

3

3. Viertel

4

4. Viertel

5

6

Messzeitpunkt

12

..      Abb. 12.7  Durchschnittliche Laktatkonzentrationen bei Spielunterbrechungen und Einzelwerte nach Auswechslungen im Trainingsspiel 15-jähriger

Basketballspieler (Bösing et al. 2019, mod. nach Zimmermann et al. 2006, S. 295)

gen Einsatzzeiten von einer hervorragenden spielspezifischen Ausdauer abhängig. Flügelspieler prägen das Spieltempo und die damit verbundenen Möglichkeiten von Schnellangriff und Schnellangriffsverteidigung, sie legen die meisten längeren Wege mit hohen Intensitäten zurück. Der Shooting Guard ist i. d. R. der beste Distanzwerfer seines Teams, der Small Forward agiert auch in Korbnähe und profitiert dabei von einer gut ausgeprägten Maximal- und Schnellkraft. Centerspieler besetzen im Angriff die Räume unmittelbar am Korb und agieren häufig mit dem Rücken zu diesem, wofür sie über ein spezifisches Repertoire an technisch-taktischen Fertig- und Fähigkeiten verfügen. Sie müssen sich vor allem physisch durchsetzen. Ihren Athletikschwerpunkt bildet die Maximalkraft, die sie bei entsprechender

Physis (Körpergröße und -gewicht) auch zu den Haupt-Reboundern ihres Teams macht. Taktisch werden Centerspieler im modernen Basketball auch für Blocksituationen auf Höhe der 3-Punkte-Linie genutzt. Der Power Forward ist der variablere und agilere Spieler von beiden, der auch über gute Distanzwurf- und Passfähigkeiten verfügen muss. Der „echte“ Center agiert fast ausschließlich am Zonenrand mit dem Rücken zum Korb. 12.3.2

Konditionelle Leistungsstruktur

Basketballspieler verfügen über besondere Ausdauer-, Kraft- und Schnelligkeitsfähigkeiten. Die Anforderungen an die nur

601 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

schwer fassbare motorische Mischeigenschaft Schnellkraftausdauer sind hoch  – für Trainingspraktiker eine enorme Herausforderung. Die spezifische Ausdauerfähigkeit des Basketballspielers wird von Neumann (1990, S. 165) durch den Begriff der „azyklischen Langzeitausdauer mit Intervallcharakter“ gekennzeichnet. Dabei ist eine hinreichend ausgeprägte aerobe Grundlagenausdauer zur Sicherung kurz-, mittel- und langfristiger Regenerationsfähigkeit genauso leistungswirksam wie die spielspezifische, eng mit den Schnelligkeitsfähigkeiten verbundene anaerob-­ alaktazide und laktazide Kurzzeitausdauer. Die Bedeutung der Kraftfähigkeiten wird für den Basketballspieler schon bei oberflächlicher Betrachtung des Spielgeschehens offensichtlich. Sprünge, Antritte, Richtungswechsel, Stopps und Positionskämpfe sind ohne gut e­ ntwickelte Kraftfähigkeiten nicht zu realisieren. Zur Sicherung von Belastungsverträglichkeit (Verletzungsprophylaxe!) und Spielleistungsfähigkeit benötigen Basketballspieler eine gut ausgeprägte Maximalkraft im Bereich des Rumpfes und der Extremitäten, insbesondere zur Stabilisierung des Schultergürtels. Insbesondere auf den Positionen, die häufig mit großen Spielern besetzt sind (Power Forward, Center), ist eine enorme Stabilität und Robustheit des Oberkörpers gefragt. Nicht vernachlässigt werden sollte die Kraftentwicklung der Fingerbeuger und -strecker als Prophylaxe gegen die häufigen Kapselverletzungen. Die Spielleistungsfähigkeit verlangt ein Training der spezifischen Schnellkraft von Beinen und Armen, zum Beispiel für das Antritts- und Beschleunigungsvermögen im 1 gegen 1 und das Passvermögen. Um von der ersten bis zur letzten Spielminute leistungsfähig zu sein, sind Schnellkraftleistungen dauerhaft abzurufen. Schließlich benötigt der Basketballspieler für offensive und defensive Richtungswechsel und Sprünge, die im Dehnungs-Verkürzungs-­ Zyklus realisiert werden, eine technikspezifische Reaktivkraft der unteren Extremitäten. Die hohe Aktionsdichte auf engem Raum erfordert darüber hinaus komplexe Schnelligkeitsfähigkeiten. Im Basketballspiel äußern sie sich in erster Linie in kurzen

12

Antritten, Richtungswechseln und Sprüngen, wodurch der enge Bezug zu Schnell- und Explosivkraft deutlich wird. Zyklische Schnelligkeit und Schnelligkeitsausdauer sind weniger bedeutend. Leistungslimitierend ist eher die Fähigkeit, die azyklischen Bewegungsanforderungen über die Gesamtspielzeit hinweg mit hoher Intensität ausführen zu können: die bereits erwähnte Schnellkraftausdauer. Im Zusammenhang mit Technik und Taktik ist die Entwicklung der spezifischen Handlungsschnelligkeit wichtigstes Trainingsziel. Die Beweglichkeitsfähigkeiten werden im Basketball auf durchschnittlich sportlichem Niveau beansprucht. Ein gezieltes Beweglichkeitstraining ist immer dann notwendig, wenn zu geringe Bewegungsamplituden die Bewältigung der technisch-taktischen Bewegungsanforderungen zu behindern drohen. Problembereiche bei Nachwuchsspielern sind meist die Hüft- und Schulterregion, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. „Bewegt sich der Spieler effizienter, benötigt er weniger Energie bei gleicher Arbeit“ (Lindner 2017, S. 13). 12.3.3 Leistungsdiagnostik

Die leistungsdiagnostische Begleitung des Basketball-Trainingsprozesses ist wie bei allen Spielsportarten vielschichtig, und die ermittelten Daten sind angesichts der Komplexität der Leistungs- und Bedingungsstruktur wenig eindeutig und interpretationsbedürftig. Vielfältige Methoden von Spielbeobachtungs- über Monitoring-­Verfahren bis zu naiven sportmotorischen Tests (siehe 7 Abschn.  3.4) kommen zum Einsatz. Die Forderungen aus der Trainingspraxis nach Ökonomie verlangen häufig die Reduzierung der zu untersuchenden Variablen auf ein Minimum weniger Zubringerleistungen, während die komplexe Spielleistung durch Experten beurteilt wird. Weitgehend durchgesetzt haben sich dabei vor allem standardisierte Testverfahren zur Ermittlung der spezifischen konditionellen Eigenschaften, wobei das Problem der Spielnähe einzelner Tests nach wie vor  

602

A. Ferrauti et al.

ungelöst ist. „Die“ allgemein akzeptierte Basketballtestung gibt es bis heute nicht. Wir haben in einem langjährigen Projekt zur Begleitung von Basketball-Talenten (BISP-­ Fördernr. IIA1-080703/06-11) u.  a. eine konditionelle Testbatterie zu den Fähigkeitsbereichen Schnellkraft, Schnelligkeit und Agility (siehe 7 Abschn.  5.1) entwickelt und daraus jahrgangsspezifische Normprofile unterschiedlicher Selektionsstufen ableiten können (20-/5-m-Sprint, Pendelsprint mit und ohne Ball, Jump-and-­Reach-Test, Standweitsprung, Brustpass-­ Weitenmessung, Halbdistanzwurf-Test, Multistage-Fitness-Test; Ferrauti et al. 2015), die als Orientierung für ein perspektivisches Nachwuchstraining dienen können (. Tab. 12.8). Die Spielerinnen und Spieler der höchsten Selektionsstufe (Nationalkader (3) vs. D- (2) und LV-Kader (1)) weisen dabei nicht in allen Testleistungen bessere Werte auf. Als talentsensitiv und damit selektionswirksam haben sich nur die Kraft- und Schnellkraftfähigkeiten des Rumpfes und der oberen Extremitäten (Brustpass-Weitenmessung) sowie die komplexe Schnelligkeit mit Richtungswechseln und Ball herausgestellt. Insgesamt erlaubt die im Projekt erprobte Talentdiagnostik eine Verortung eines jeden Spielers im Basketball-­ Leistungsgefüge und ermöglicht amit die individuell passgenaue Planung und Steuerung weiterer Trainingsmaßnahmen (. Abb. 12.8). Der Deutsche Basketball Bund setzt in seiner aktuellen Athletikkonzeption für seine Auswahlspieler ab der U16 ebenfalls auf eine Batterie erprobter, ökonomischer Verfahren zur Leistungsdiagnostik und fokussiert dabei auf die Bereiche Beweglichkeit, Bewegungskompetenz, Kraft und Ausdauer (Lindner 2017): 55 Ruheherzfrequenzmessung in liegender Position über 5 Minuten, 55 Ermittlung der Beweglichkeit mittels Toe-Touch-Test im Stand und Knee-to-­ Wall-Test in Schrittstellung,  



12



55 Functional Movement Screen (FMS, siehe 7 Abschn. 6.4), 55 Sprungkrafttests mit Kontaktmatte (Squat Jump, Counter Movement Jump, Drop Jump mit 40 cm Fallhöhe; 7 Abschn. 6.4), 55 sportmotorische Krafttests (Flachbankdrücken und Klimmzüge für U18/20, Liegestütze und Klimmzughang für U16), 55 30-15-Intermittent-Fitness-Test (IFT, siehe 7 Abschn. 6.4).  





Zu sämtlichen Tests werden altersstufenabhängige Sollvorgaben präsentiert (. Tab. 12.9). Zur Testung der komplexen anaerob-­ laktaziden Schnelligkeits- und Kurzzeitausdauer werden meist Richtungswechselläufe von etwa 10 s bis zu 2 min Dauer herangezogen, die je nach konkreter Zielstellung auch mit Ball durchgeführt werden. Allerdings sucht man akzeptierte Standards vergeblich.  

12.3.4

Leistungsentwicklung im Jugendbasketball

Durch die Verfügbarkeit sportart- und altersspezifischer Normdaten im konditionellen Bereich (Ferrauti et  al. 2015) sowie die handlungsorientierte DBB-Athletikkonzeption (Lindner 2017) sind Trainer im deutschen Jugendbasketball in der komfortablen Lage, die konditionelle Leistungsfähigkeit und vor allem die Leistungsentwicklung von Nachwuchsspielern zu beurteilen und klare Zielsetzungen zu definieren. In Kooperation mit einem ambitionierten ProB-Ligisten haben wir in den vergangenen Jahren im Rahmen jährlicher, im Herbst stattfindender Leistungscamps eine an das Basketball-Talente-Projekt (s. o.) angelehnte Testbatterie umgesetzt. . Abb.  12.9 zeigt zwei Fallbeispiele daraus mit Leistungsentwicklungen über zwei bzw. drei Testungen. Die Visualisierung durch Spinnendiagramme liefert einen Überblick des konditionellen ­Leistungsprofils zum Zeitpunkt der Testungen sowie Einblicke in die Entwicklung der relati 

5,72

38

188

PSMB (s) 181

183

J&R (cm)

SWS (cm) 182

17

6

0,28

0,23

0,17

8

SD

230

55

5,04

4,93

3,08

194

BEST

205

43

5,47

5,26

3,33

181

80%

194

40

5,66

5,40

3,42

176

185

37

5,78

5,48

3,52

172

60% 40%

N

49 219

285

170 140 285

9,0

MFT (Level)

1,5

4

13,5

41 10,5

32 9,4

31 8,6

29 7,6

26 4,3

19

270

280

265

73

4,81

4,46

2,90

209

237

54

5,11

4,93

3,11

195

BEST 80%

222

50

5,23

5,01

3,18

189

60%

215

47

5,37

5,14

3,27

185

40%

205

43

5,52

5,28

3,36

180

20%

145

30

6,14

6,07

3,98

158

0%

10,9

31

1,7

4

15,3

43

12,3

34

11,3

32

10,5

30

9,4

27

5,1

20

KH; Körperhöhe, PSOB; Pendel-Sprint ohne Ball, PSMB; Pendel-Sprint mit Ball, J&R; Jump & Reach Test, SWS; Standweitsprung, BP; Brustpassweite, HDW; Halbdistanz-Wurftest, MFT; Multistage 20 m Shuttle-Run Ausdauertest

163

29

HDW 177 (Punkte)

19

7

0,26

0,23

0,15

9

SD

13,14 1,57 17,20 14,60 13,52 12,60 11,80 8,30

5,33

5,96 6,96 282 23

5,10

5,63 6,30 285

32

3,24

187

MW

3,62 4,03 281

168 155 289

20% 0%

U16 männlich

185 10,56 1,17 13,50 11,60 10,80 10,24 9,60 7,50 286

5,46

183

PSOB (s)

BP (m)

3,48

20-m175 Sprint (s)

MW

175

N

187

KH (cm)

TEST

U16 weiblich

..      Tab. 12.8  Normprofile des Basketball-Talente-­Projekts des Jahrgangs U16 (Ferrauti et al. 2015, S. 39–40)

Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten 603

12

604

A. Ferrauti et al.

PSMB

PSOB 20-mSprint

J&R

100 % 80 % 60 % Normprofil 40 % 20 % Athlet

KH SWS MFT BP

HDW

..      Abb. 12.8  Netzdiagramm mit den Individualleistungen (Perzentile) eines Basketballtalents (rote Linie) im Vergleich zum Normprofil (Ferrauti et al. 2015, S. 29)

ven Leistungsfähigkeit im Vergleich zu den altersgemäßen Normwerten. In den Liniendiagrammen wird zusätzlich sichtbar, dass die reine Betrachtung absoluter Veränderungen (oder Verbesserungen) ohne den Bezug zur Veränderung der altersbedingten Normwerte nur schwer möglich ist. Obwohl sich beim Spieler sowohl Sprint- als auch Sprungleistung absolut verbesserten, blieb die relative Sprintleistung unverändert (. Abb.  12.9a). Die Sprungleistung (Sprunghöhe) hingegen entwickelte sich von einer mittleren Leistungsfähigkeit (40–60  % Perzentil) in den Bereich der besten 20  % seiner Altersklasse (80  % bis „Best“). Die Spielerin konnte über zwei Jahre hinweg durch eine große absolute Verbesserung ihrer Sprintzeit eine ursprünglich deutlich unterdurchschnittliche (< 20  %) zu einer guten Leistung (60–80  %) entwickeln (. Abb. 12.9). Bei zunehmender Körpergröße gehörte die Spielerin in den ersten beiden Testjahren jeweils zu den größten 20  % ihrer Altersklasse (80 % bis „Best“), wobei sie sich im dritten Jahr „nur noch“ im Bereich der größten 40 % ihres Alters (60–80 %) befindet.  

12



12.3.5

Spieler-Monitoring

In Wissenschaft und Praxis ist in den letzten Jahren verstärkt ein Trend hin zu umfassenden

Monitoring-Maßnahmen zu beobachten. Inhaltlich überschneiden und vermischen sich hier die kontinuierliche Dokumentation und Quantifizierung von Trainingsinhalten und -belastungen mit der regelmäßigen und trainingsbegleitenden Anwendung von zeitökonomischen Messverfahren der Leistungsdiagnostik (i. d. R. Felddiagnostik und sportmotorische Tests). Zusätzlich kommen üblicherweise ergänzende Fragebögen zum subjektiven Wohlbefinden von Spielerinnen und Spielern zum Einsatz. In . Abb. 12.10 sind exemplarisch die Ergebnisse eines semiprofessionellen Basketballspielers (ProB) dargestellt, der über eine Saison hinweg täglich sämtliche absolvierten Trainingsinhalte dokumentierte. Im Rahmen einer weiteren Saisonvorbereitung kam neben der täglichen Trainingsdokumentation jeweils am Anfang und am Ende der Trainingswochen zusätzlich ein Kurzfragebogen zum Erholungs- und Beanspruchungsempfinden, ein Counter Movement Jump und ein 5-minütiger submaximaler Shuttle-Run-­ Test zum Einsatz. . Abb.  12.11 verdeutlicht, dass sich die Ergebnisse der unterschiedlichen Testverfahren z. T. deutlich voneinander unterscheiden und sich nur an wenigen Tagen ein klares Bild zum aktuellen Gesamttrainingszustand ergibt. Eine als gering empfundene körperliche oder allgemeine Beanspruchung vor Trainingsbeginn spiegelt sich nicht zwangsläufig in einem geringen Anstrengungsempfinden während des submaximalen Shuttle-Runs oder in einer vergrößerten Sprunghöhe wider. Die Langzeitentwicklung der Belastungsherzfrequenz deckt sich hingegen mit der starken Verbesserung der intermittierenden Laufleistung des Spielers (+1,5 km/h Abbruchgeschwindigkeit im 30-15-Intermittent-­Fitness-Test nach Buchheit 2008). Insgesamt stellt ein detailliertes und engmaschiges Monitoring des gesamten Kaders erhebliche Anforderungen an Personalbedarf, Finanzbudget und auch (Trainings-)Zeit, was stets einer kritischen Kosten-Nutzen-Analyse bedarf. Die Auswertung und Aufbereitung  



605 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

12

..      Tab. 12.9  DBB-Standards für die Laufleistung beim 30-15-IFT und Sprungleistung beim CMJ (mod. nach Lindner 2017, S. 23) Test

30-15-IFT

CMJ

Bewertung

Altersklassen U16

U18

U20

3 (Bronze)

< 17,5 km/h

< 19,5 km/h

< 21,0 km/h

2 (Silber)

17,5–19,0 km/h

19,5–21,0 km/h

21,0–22,0 km/h

1 (Gold)

> 19,0 km/h

> 21,0 km/h

> 22,0 km/h

3 (Bronze)

< 35,2 cm

< 38,5 cm

< 41,8 cm

2 (Silber)

35,2–38,5 cm

38,5–41,8 cm

41,8–45,1 cm

1 (Gold)

> 38,5 cm

> 41,8 cm

> 45,1 cm

a

b

..      Abb. 12.9  Fallbeispiele der Entwicklung konditioneller Leistungsgrößen eines Spielers a und einer Spielerin b, getestet im Rahmen jährlicher Leistungscamps im Herbst

..      Abb. 12.10  Wöchentlicher Trainingsumfang und durchschnittliche Trainingsintensität eines Spielers im Verlauf einer Saison in der 2. Basketball-­Bundesliga (ProB)

606

A. Ferrauti et al.

12 ..      Abb. 12.11  Ergebnisse des Spieler-Monitorings während einer Saisonvorbereitung in der 2. Basketball-Bundesliga ProB: Befragung zu Erholungs- und Beanspruchungsempfinden (Nässi et al. 2017), Messung von Sprunghöhe (Counter Movement Jump),

Belastungsherzfrequenz und Anstrengungsempfinden während eines 5-minütigen submaximalen ShuttleRun-Tests (Schneider et al. 2018) sowie tägliche Dokumentation des Training Load (Trainingsdauer in min × Session-RPE (0–10))

umfangreicher Monitoring-Daten ist nur sinnvoll, wenn sie auch tatsächlich in die trainingspraktischen Entscheidungen einfließen.

diese im Verlauf des Spiels schneller und länger umsetzen zu können. Es gilt: „Trainiere so viel wie nötig (um die Leistung zu steigern bzw. um zu gewinnen) und nicht so viel wie möglich“ (Lindner 2017, S. 7). Durch das konditionelle Training (heute nicht ganz zutreffend auch oft als Athletiktraining bezeichnet) sollen Basketballspieler auf die Bewältigung der hohen physischen Belastungen einer langen Saison (kurzfristig) und Karriere (langfristig) vorbereitet werden. All-

12.3.6

Trainingssteuerung

Ein hohes physisches Potential verschafft dem Basketballspieler größere Spielräume für die Entwicklung seiner technisch-taktischen Fertigkeiten und Fähigkeiten und erlaubt es ihm,

12

607 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

gemeine Trainingsinhalte dienen dabei der Entwicklung und Stabilisierung einer grundlegenden körperlichen Ausbildung, während spezielle Inhalte die basketballspezifische Leistungsfähigkeit ausprägen. Langfristig gesehen baut somit die spezielle auf der allgemeinen Leistungsfähigkeit auf, die Sicherung einer soliden Belastungsfähigkeit sollte vor der Spezialisierung erfolgen. In der Expertiseforschung (Ericsson et al. 1993; Hohmann 2009) geht man davon aus, dass bis zum Erreichen von (sportlichen) Spitzenleistungen ein Übungs- bzw. Trainingsaufwand von ca. 10.000 Stunden notwendig ist, die im Basketball auf Koordinations-, Technik- und Taktiktraining, spezielles Athletiktraining sowie Wettkämpfe zu verteilen sind. Dieser Stundenumfang würde bei einem täglichen Trainingsaufwand von 2,5 Stunden eine zeitliche Gesamtinvestition von 11 Jahren bedeuten  – schon daraus wird ersichtlich, dass ein allgemeines Basistraining eine wichtige Voraussetzung für die Tolerierung langfristig einwirkender spezifischer Trainingsmaßnahmen ist. Im speziellen Athletiktraining geht es um die Verbesserung der spezifischen Leistungsfähigkeit in Abhängigkeit von Technik und Taktik. Über die Basket..      Abb. 12.12 Verteilung der allgemeinen und speziellen Trainingsinhalte im Athletiktraining im Verlauf der langfristigen Entwicklung des Spielers (Lindner 2017, S. 9)

ballkarriere gesehen nimmt der Anteil spezieller Trainingsinhalte kontinuierlich zu, die anfangs dominierenden allgemeinen Inhalte werden sukzessive zurückgedrängt (. Abb.  12.12). Aber auch im Verlauf einer einzelnen Saison kommt es zu einer derartigen Verschiebung zwischen allgemeinen und speziellen Trainingsinhalten. Ein derart idealtypischer Saisonverlauf ist auf semiprofessionellem Leistungsniveau jedoch nicht zwangsläufig wiederzufinden (. Abb. 12.11). Aus dem Talentprojekt (siehe 7 Abschn. 12.3.3) abgeleitete Empfehlungen zum langfristig wirksamen Training berücksichtigen die Positionsspezifik und Anthropometrie der Basketballnachwuchsspieler (Ferrauti et  al. 2015). Die umfassende Ausbildung zum Spitzenspieler kann nur gelingen, wenn ein funktionsorientiertes Kraft- und Schnellkrafttraining langfristig durchgeführt wird. In der Praxis wird diesem spezifischen Athletiktraining jedoch noch zu wenig Beachtung geschenkt: 55 Nachwuchsspieler sollten frühzeitig und regelmäßig ein Rumpfstabilisierungs- und funktionales Mobilisationstraining durchführen. Trainer müssen auf die  





20 %

80 %

allgemeiner Trainingsinhalt

spezieller Trainingsinhalt

80 %

20 %

Train to win U20–A1 Train to compete U16–U18 Train to train U14–U16 Learn to train U12 FUNdamentals U10

608

12

A. Ferrauti et al.

durch Beanspruchung und Körpergröße bedingten Probleme hingewiesen und bzgl. entsprechender Diagnose- und Interventionsmöglichkeiten instruiert werden. 55 Ein rechtzeitig begonnenes Kräftigungsund Stabilisationstraining führt zu Leistungsgewinnen und ist der technisch-taktischen Verbesserung der Spieler zuträglich. Es bildet auf weiteren Stufen des Entwicklungsprozesses die unverzichtbare Grundlage für das spezifische Leistungstraining mit freien Gewichten. 55 Das spezifische Leistungstraining sollte die Kraftentwicklung des Oberkörpers besonders betonen, um international konkurrenzfähig zu werden. 55 Ab der U17 (bei Jungen) und der U16 (bei Mädchen) flachen die natürlichen Entwicklungskurven der Schnellkraftfähigkeiten ab. Da bis zur internationalen Spitzenklasse ab hier weitere Leistungsentwicklungen unbedingt notwendig sind, muss spätestens in diesem Alter ein forciertes Athletiktraining beginnen. Dazu ist ein Trainingsumfang von drei bis vier Trainingseinheiten pro Woche notwendig. 55 Um koordinationsbedingte Schnelligkeitsverluste möglichst gering zu halten, ist ein verstärktes koordinatives Lauftraining in allen Altersstufen zu absolvieren. 55 Die Laufschnelligkeit muss überwiegend auch basketballspezifisch (mit und ohne Ball) unter Berücksichtigung üblicher Laufwege und Richtungen trainiert werden. 55 Eine feste Positionseinteilung manifestiert die im Nachwuchsbasketball vorhandenen größenabhängigen Unterschiede in der Laufschnelligkeit. Das sich wandelnde Spiel und möglicherweise auch Positionswechsel im Übergang zum Seniorenbereich verlangen jedoch eine Abkehr von zu frühen Positionsfestlegungen, um für alle Spieler adäquate Trainingsreize zu setzen.

zz Trainingsaufbau und exemplarische Inhalte

Durch die Notwendigkeit einer sowohl lang- als auch kurzfristigen Entwicklung der Leistungsfaktoren sollte der inhaltliche Fokus bis zur Adoleszenz eindeutig auf der langfristigen Wirksamkeit der Trainingsmaßnahmen liegen, während mit dem Übergang in die Seniorenspielklassen die kurzfristige Leistungsentwicklung von Spielzeit zu Spielzeit an Bedeutung gewinnt. Im individuell je nach Trainingszustand und -alter durchaus unterschiedlich lang ausfallenden Übergangsbereich treten kurz- und langfristige Trainingsziele mitunter in Konkurrenz und lassen sich nicht immer miteinander vereinbaren. So kann ein 18-­jähriger Basketballspieler mit Defiziten im Grundlagenausdauerbereich durchaus innerhalb eines 2- bis 3-monatigen spezifisch-­ intensiven Ausdauertrainings für die anstehende Saison „fit“ gemacht werden. Dies geht jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Kosten seiner Regenerationsfähigkeit und damit der langfristigen Trainingswirksamkeit. Im Einzelfall steht am Beginn der Planung konditioneller Trainingsmaßnahmen eine verlässliche Diagnostik und Festlegung der konkreten Zielsetzungen. Im Prozess der Ausdauerschulung werden unterschiedliche Trainingsmethoden angewendet, die jeweils spezifische Anpassungsvorgänge im Organismus auslösen. Dabei ist deren zeitliche Abfolge bedeutsam: Eine hinreichende allgemeine aerobe Grundlagenausdauer bildet in jedem Fall die Basis für das Training der spezifischen, anaerob-­laktaziden Ausdauer. Die Transformation im Trainingsprozess gelingt dabei durch die sukzessive Integration der Intervalltrainingsmethoden (Bösing et  al. 2019, S.  42.) Über alle Altersklassen kann ein schnelligkeitsbzw. schnellkraftbetontes Training der spielspezifischen Handlungsschnelligkeit nach der Wiederholungsmethode, also ohne nennenswerte Laktatakkumulation, durchgeführt werden. Inhaltlich müssen mit zunehmender Spielnähe die Belastungsformen des Wettkampfs simuliert werden. Basketball als „Fußgängersport“ beinhaltet natürlich zunächst hohe

609 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

12

P 1

3

5

7

1 2

Sprint

2–3

Sprint

3

3 × ans Brett springen

3–4

Sprint

4–5

Sprint

5

4

Start unter dem Korb – 3 × ans Brett springen

1–2

3 × ans Brett springen

5–6

Sprint

6–7

Sprint – Ballannahme bei *, Drive zum Korb

7

Dunk/Power-Shot

6

..      Abb. 12.13  Beispiel für einen intensiven Court-Drill mit läuferisch-spielspezifischer Belastung, Belastungssteuerung nach der Intervallmethodik (mod. nach Brittenham 1996, S. 130–131)

läuferische Anteile, die aber zunehmend um Richtungswechsel, Sprünge, Verteidigungsbewegungen und ballgebundene Aktionen ergänzt werden (Gamble 2010). Die spielspezifischen extensiven und intensiven Intervalltrainingsmethoden werden deshalb i. d. R. nicht nur läuferisch, sondern auch mit azyklischen Bewegungen ausgefüllt (. Abb. 12.13). Auch die Kraftentwicklung folgt einem langfristigen Aufbau: Nach einem präventiv wirksamen Rumpfstabilisationstraining erfolgt die substanzielle Erweiterung der Maximalkraftbasis und zum späteren Zeitpunkt ein spielleistungsverbesserndes Schnell- und Reaktivkrafttraining. Im Laufe der Spielerkarriere kann jedoch keine dieser Trainingsphasen als abgeschlossen betrachtet werden. Die einzelnen Phasen werden je nach Saisonzeitpunkt und kurzfristigen Zielen schwerpunktmäßig verfolgt. Ein allgemein vorbereitendes und präventiv wirksames Krafttraining beinhaltet die Gewöhnung an wiederholte Kraftreize  

durch Halteübungen im statischen und durch niedrige Zusatzlasten im dynamischen Kraftausdauertraining, letzteres bereitet zudem über anfangs geringe, später mittlere Zusatzlasten auf das „richtige“ Krafttraining (der Maximalkraft) vor. Dort wird das Kraftpotenzial von Rumpf- und Extremitätenmuskulatur über Hypertrophie und die nachfolgende neuronale Aktivierung verbessert. Das unmittelbar leistungswirksame Schnellkrafttraining besteht aus maximal-­explosiven semispezifischen (mit moderaten Zusatzlasten) und spielspezifischen (ohne Zusatzlasten) Trainingsübungen, bei Ermüdungsanzeichen muss der Trainingssatz abgebrochen werden. Die Reaktivkraft wird hauptsächlich mit Trainingsübungen ohne Zusatzlasten geschult (leichte Plyometrie): Der Fokus liegt dabei auf ein- und beidbeinigen Sprungserien (über verstellbare Hürden, Bricks etc., bei höherer Qualifikation auch Kästen) und kleinräumigen Richtungswechseln mit kurzen Bodenkontaktzeiten.

610

A. Ferrauti et al.

Praxistipp

Erst Technik, dann Kraft: Im langfristigen Trainingsaufbau leistungsorientierter Spieler muss zunächst die korrekte technische Ausführung der wichtigen mehrgelenkigen Freihantelübungen, zum Beispiel der Kniebeugevarianten, vermittelt werden. Geeignete Trainingsmittel sind Gymnastikstäbe, leichte Langhantelstangen bis 10 kg, leichte Kurzhanteln und Kettle Bells etc. Die Belastungsverträglichkeit gegenüber dem entwickelnden Maximaltraining wird erst nach Jahren kontinuierlichen, allgemein-vorbereitenden Krafttrainings erreicht: Zatsiorsky und Kraemer (2008) empfehlen zum Beispiel, maximal- und schnellkraftorientierte Langhantelübungen erst nach 3-jähriger Anbahnung der Technik und Gewöhnung an leichte bis moderate Lasten durchzuführen.

12

Das Krafttraining von Basketballspielern folgt methodisch in der Regel dem Wiederholungsprinzip mit vollständigen Pausen. Eine Ausnahme stellt die komplexe Entwicklung der (Schnell-) Kraftausdauer nach dem Intervallprinzip dar. Im Leistungstraining dominiert das Maximal- und Schnellkrafttraining mit unterschiedlich akzentuierten Trainingsblö-

cken, um die verschiedenen Faktoren der Kraftleistung anzusteuern. Zur Erzielung substanzieller Trainingsfortschritte sind einerseits die in . Tab.  12.10 dargestellten Mindestzeiträume und -umfänge zu beachten, andererseits führt eine zu lange Beibehaltung identischer Trainingsblöcke aufgrund der dann auftretenden Deckeneffekte zur Stagnation. Für Spielsportler ist es wichtig, zwischen den beiden Phasen des Maximalkrafttrainings (Hypertrophie und neuronale Aktivierung) eine Übergangsphase zur Annäherung an die Bewältigung hoher Lasten einzuplanen. Die Hauptübungen des Krafttrainings beanspruchen große Muskelgruppen in komplexen Bewegungsketten, die den fundamentalen Bewegungsmustern des Menschen entsprechen („Fußgängersportart“). Geeignet sind dazu vor allem uni- und bilaterale Varianten von Hebungen (z.  B.  Kreuzheben) und Kniebeugen sowie mehrgelenkige Druck- und Zugbewegungen für den Oberkörper (z. B. Bankdrücken und Ruderzüge). Weitere Übungen dienen zur Ergänzung und zum Ausgleich der im Basketballtraining oft vernachlässigten Muskelgruppen (. Tab. 12.11). Trainingsmittel sind variabel einsetzbar und reichen von freien Gewichten (Lang- und Kurzhanteln, Kettle Bells etc.) über Zugwiderstandsbänder bis zu Kraftgeräten, die aber nur zur Gewöhnung an  



..      Tab. 12.10  Abfolge der Trainingsmethoden und Zeitspannen des basketballspezifischen Krafttrainings (Bösing et al. 2019, S. 62) Etappe

Trainingsziel

Trainingsmethode

Wochen

TE/ Woche

1

Zunahme der Muskelmasse

Hypertrophiemethode

5–8

3–4

1–2

Gewöhnung an höchste Lasten

4–8 Wiederholungen bei 80–95 % Intensität

2

2–3

2

neuronale Aktivierung

Methode der maximalen Krafteinsätze

3–4

2–3

3

allgemeine Schnellkraftverbesserung

Schnellkraftmethode I & II

2–3

2–3

4

spezifische Schnellkraftverbesserung

sportartspezifische Schnellkraftmethode

2–3

2–3

611 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

12

..      Tab. 12.11  Haupt- und Ergänzungsübungen mit Trainingszielen im allgemeinen Basketballkrafttraining Trainingsziel

Hauptübung

Ergänzungsübung

Rumpfstabilisierung

Unterarmstütz (Plank), Crunches (Rumpfbeugen), Russian Twist, Rumpfseitheben, Rückenstrecken dynamisch, Frontkniebeuge (tief, halb), Reißkniebeuge,

Rumpfdrehen in Rückenlage Seitstütz auf Unterarm Seitstütz auf Handfläche Rückenstrecken statisch Beckenheben in Rückenlage Arm- und Beinabheben in Bauchlage …

allgemeine Kräftigung und Massezunahme (Hypertrophie)

Nackenkniebeuge (tief, halb) Kniebeuge einbeinig Wadenheben einbeinig Bankdrücken/Schrägbankdrücken Bankziehen/Ruderzug Nackendrücken (alternierend) Klimmzug/Latzug Kreuzheben

Kniebeugung isoliert Beinab-/-adduktion Überzüge Armheben seitlich/frontal Trizepsdrücken Außen-/Innenrotation Schulter Auf-/Abrotation Schulter …

Widerstandstraining bzw. gezielten Rehabilitation isolierter Muskelgruppen benutzt werden sollten. Eine Ausnahme stellen Seilzüge dar, die sich v. a. für komplexe Rotationsübungen eignen. Halteübungen zur Rumpfkräftigung erfolgen progressiv. Sie reichen von der Bewältigung des eigenen Körpergewichts über dynamische Anteile bis zu dynamischer Ausführung gegen Zusatzwiderstände (Bänder, Kurzhanteln etc.). Praxistipp

Für entwickelnde Trainingszyklen ist organisatorisch das Mehrsatzprinzip zu bevorzugen. Pausen zwischen einzelnen Sätzen können für Trainingsübungen anderer Körperpartien genutzt werden, zum Beispiel Bankdrücken und Kniebeugen im Wechsel. Im Kraftausdauertraining kann das Circuit-Training genutzt werden, um eine Aufstockung der energetischen Ermüdung nach dem Intervallprinzip zu erreichen. Langfristige Krafttrainingsprogramme müssen zum Erhalt der adaptiven

Reaktivität und auch der Motivation abwechslungsreich gestaltet werden. Ein systematischer Methodenwechsel, der Wechsel der Haupttrainingsübungen, die Veränderung der Reihenfolge von Trainingsübungen und der Einbau kontrastierender Trainingseinheiten (z. B. im Hypertrophiezyklus alle fünf bis sechs Trainingseinheiten eine Schnellkrafteinheit) sind hierzu geeignet. Abwechslung im Trainingsalltag wird auch durch Split-Programme mit inhaltlicher Fokussierung auf einzelne Teile des Muskelkorsetts erreicht. Da die erschöpfte Muskulatur je nach Trainingsmethode zwei bis vier Tage Pause benötigt, bietet sich ein solches Vorgehen an. Man vermeidet damit die Gestaltung überlanger und zentral erschöpfender Krafttrainingseinheiten mit negativen Auswirkungen auch auf die anderen Inhalte des Basketballtrainings. Eine Dauer von 90 min sollte im Krafttraining nicht überschritten werden.

612

A. Ferrauti et al.

Bei Schnellkraftübungen reicht das methodische Spektrum von der Bewältigung des eigenen Körpergewichts (Antritte, Sprünge, Stöße etc.) über leichte bis zu mittleren Zusatzlasten (. Tab.  12.12; Steinhöfer 2008). In jedem Fall ist auf eine maximal-explosive Bewegungsgeschwindigkeit zu achten. Bei Anzeichen von Verlangsamung soll der Satz abgebrochen werden. Die Reaktivkraft wird mit bewegungsspezifischen Trainingsübungen ohne Zusatzlasten geschult (leichte Plyometrie: schnelle, prellende Bewegungen und kleinräumige Richtungswechsel), bei höherem Leistungsniveau auch mit kleinen Hindernissen wie Bricks, Hürden und kleinen Turnkästen (mittlere Plyometrie). Die Bewegungsqualität (kurze Bodenkontaktzeiten) steht im Vordergrund, Umfänge dürfen nicht zur Ermüdung führen. Zur Krafterhaltung während der Wettkampfsaison liegt das Hauptaugenmerk auf Schnellkraftübungen, die von einer separaten Krafttrainingseinheit mit submaximalen Belastungen unterhalb der Erschöpfungsschwelle ergänzt werden. Das Schnelligkeitstraining des Basketballspielers zielt auf die Verbesserung der vorrangig azyklischen Bewegungsschnelligkeit in technisch-taktischen Spielhandlungen (Handlungsschnelligkeit) und muss  

12

unter energetischen Gesichtspunkten wiederholt-dauerhaft abrufbar sein. Bis in das Schulkindalter hinein werden allgemeine Grundlagen von Bewegungsfrequenz und -fluss über die Schulung von Koordination, Reaktion und Lokomotorik gelegt. Mit Beginn der Pubertät werden diese immer mehr von den Kraft- und anaeroben Ausdauerfähigkeiten bestimmt. „Damit verändert sich das Schnelligkeitstraining des Nachwuchssportlers im Laufe des langjährigen Trainingsprozesses immer mehr von einer sportartunspezifischen Grundausbildung zu einem ‚techniknahen‘ speziellen Konditionstraining“ (Martin et al. 1993, S. 316). Geeignete Inhalte zur Schulung von Bewegungsschnelligkeit und Beschleunigungsfähigkeit sind die Laufschule und das Sprint-ABC, positive und negative Beschleunigungen auf kurzen Distanzen, kombinierte Sprint-Sprung-­ Übungen, technikorientierte schnelle Fußarbeit etc. (Brown und Ferrigno 2015). Alle Inhalte lassen sich auch mit Ball ausführen, sofern die technische Sicherheit vorhanden ist und können mit vorgeschalteten akustischen, taktilen und optischen Signalen zur Schulung der Reaktionsfähigkeit verknüpft werden. Treten sichtbare Geschwindigkeitsverluste auf, sollte das Schnelligkeitstraining abgebrochen

..      Tab. 12.12  Trainingsübungen zur Entwicklung der Schnell- und Reaktivkraft Trainingsziel

Übung

Schnellkraft

Umsetzen aus hoher und tiefer Position Ausfallschritte vorn und seitlich (Lunges) Kastenaufsteiger (kleiner Kasten) Kastenaufsprünge (kleiner und hoher Kasten) Medizinballstöße Medizinballwürfe vor- und rückwärts Antritte, Sprünge vor-, rück-, seitwärts

Reaktivkraft

prellende Hüpf- und Sprungserien (Linien, Bricks, Hürden, kleine Kästen) Sprungläufe vorwärts und lateral Hot Steps (Wechselsprünge) Seilchensprünge ein- und beidbeinig Niederhochsprünge (kleiner Kasten)

12

613 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

Purpose To improve change of direction and body position , transitions between skills, and cutting ability.

2

5 yards

l rda

Sp rin

ck p

t

Ba Shuffle

3

rin

5 yards

t

Shuffle

Sp

Procedure • Place five cones in an A shape such that cone 1 and cone 5 are 10 yards or meters apart on the starting line. Cones 2 and 3 are 5 yards or meters in front of 1 and 5 and 5 yards or meters apart. Cone 4 is 5 yards or meters in front of and between 2 and 3. • Sprint from cone 1 to cone 2. • Shuffle from cone 2 to cone 3. • Shuffle back from cone 3 to cone 2. • Sprint from cone 2 to cone 4. • Backpedal from cone 4 to cone 5.

4

1

10 yards

5

Variation Perform an additional skill, such as dribbling, while performing the drill.

..      Abb. 12.14  A-Movement (Brown und Ferrigno 2015, S. 129)

werden, weshalb nach dem Wiederholungsprinzip trainiert wird: 55 Antritte über kurze Distanzen (3–10 m), 55 Kurzsprints bis 30 m, aus dem Stand oder anderen Positionen, 55 Richtungswechselsprints mit kurzer Gesamtdauer (Bsp. in . Abb. 12.14), 55 Kombinationen aus Sprints, Richtungswechseln und basketballspezifischer Fußarbeit (z. B. Verteidigungsschritte), 55 Bewegungskombinationen mit Sprint-­ Sprung- und Technikanteilen (Dribbling, Pass, Wurf).  

Das Beschleunigungstraining erfordert zur Überwindung der Körpermasse bereits hohe Krafteinsätze und ist damit inhaltlich ein Schnellkrafttraining, die Ausführungsbedingungen können dabei gezielt erschwert werden (Bergauf- und Treppensprints, Sprints mit Gewichtswesten). Die Belastungsnormative lassen sich in Richtung der Intervallmethoden verändern, und damit kann die komplexe Schnell-

kraftausdauerfähigkeit angesteuert werden. Ziel ist es, eine hinreichende Ermüdungswiderstandsfähigkeit bei den spieltypischen Aktivitätsmustern auszuprägen, wozu auch komplexe basketballspezifische Drills und Spielformen (Wurfdrills mit Zusatzbelastung, Schnellangriffskontinuum etc.) eingesetzt werden. Diese sind hinsichtlich ihrer jeweiligen Belastungs-Pausen-Dynamik allerdings nicht immer leicht zu steuern. Die komplexe, taktisch wirksame Handlungsschnelligkeit wird über unterschiedliche Zugänge ausgebildet (Bösing et al. 2019): 55 Reaktions- und Entscheidungstrainings in spielerischen Organisationsformen zur sogenannten inzidentellen, beiläufigen Taktikschulung (freies Spielenlernen), 55 Einbettung stabil und schnell beherrschter Techniken in taktische Entscheidungssituationen zur Kopplung des Taktiktrainings mit Schnelligkeitsanforderungen (systematisches Spielsituationstraining).

614

A. Ferrauti et al.

12.3.7

12

3 × 3-Basketball: eine andere Sportart?!

Mit der Aufnahme des 3 × 3 in den Kreis der olympischen Sportarten (2020) hat sich die seit 2007 von der FIBA forcierte Halbfeldvariante des Basketballspiels als eigene Sportdisziplin etabliert. Das Regelwerk basiert auf den offiziellen 5-gegen-5-Spielvorschriften mit folgenden Besonderheiten: 55 Es wird auf einem 15 × 11 m großen Feld mit einem Korb und den üblichen Linien (Zone, 6,75-m-Distanzwurflinie, No-­ Charge-­Halbkreis) gespielt. 55 Die Spielzeit beträgt 10 Minuten, die bei Erreichen der 21-Punkte-Grenze vorzeitig beendet wird. Jede Mannschaft kann eine Auszeit von 30 Sekunden nehmen. 55 Erzielte Körbe innerhalb der Distanzwurflinie und Freiwürfe zählen einen Punkt, erfolgreiche Würfe von außerhalb der Distanzwurflinie zwei Punkte. 55 Die Angriffszeit beträgt 12 Sekunden und beginnt mit dem Wechsel des Ballbesitzes. Nach Korberfolg beginnt der Ballbesitz für die zuvor verteidigende Mannschaft unter dem Korb, der Ball muss wie nach Defensiv-­Rebound und Ballgewinn hinter die Distanzwurflinie gepasst/gedribbelt werden. 55 Nach ruhenden Bällen wird der Ball außerhalb der Distanzwurflinie übergeben. 55 Jedes Team besteht aus vier Spielern (ein Auswechselspieler), Coaching ist nicht erlaubt. Spielerwechsel sind bei ruhenden Bällen möglich.

55 Die Teamfoulgrenze liegt bei sechs, danach wird jedes Foul mit zwei Freiwürfen geahndet. Ab dem zehnten Teamfoul wird zusätzlich zu den Freiwürfen noch Ballbesitz gewährt. Die kurze Spielzeit und die 12-s-Shot-­Clock sorgen im 3 × 3-Basketball für eine besondere Dynamik und Attraktivität. Der rasante Situationswechsel stellt andersartige Anforderungen als das Spiel 5 gegen 5. In 10 Minuten Spielzeit werden etwa 30 Angriffe pro Spiel und Team gezählt. Durch das Spiel auf nur einen Korb ist der Bewegungsradius im 3 × 3 deutlich kleiner, die Gesamtlaufbelastung wird durch sehr kurze, hoch intensive Antritte und tiefe Verteidigungsschritte in 1-gegen-­ 1-Situationen bestimmt. Wenig intensive Laufbewegungen finden im 3 × 3 abseits des Balls statt, wenn Positionen aufgefüllt oder (seltener) Blocks gestellt werden. Verteidiger müssen ständig bereit sein zu helfen, die Rotationswege zur Verteidigung der 2-Punkte-Linie sind lang. Zusammen mit einer hohen Rebound-Dichte ergibt sich eine intensive Kurzeitintervallbelastung, die nur durch die beiden möglichen 30-Sekunden-Auszeiten und Freiwurfpausen unterbrochen wird. Die Leistungsfähigkeit der Spieler wird somit durch die Fähigkeit limitiert, die vorhandenen Energiereserven wiederholt und maximal zu mobilisieren. Das für das 5-gegen-5-Spiel typische Anforderungsprofil verschiebt sich zum dominant schnellkräftigen „Kurzzeitleister“ (Montgomery und Maloney 2018), die aerobe Ausdauerfähigkeit tritt deutlich in den Hintergrund und erfüllt allenfalls regenerative Funktionen.

615 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

12.4  Fußball Adam Frytz und Jasper Möllmann Football is more than a game

Zusammenfassung Es existieren unterschiedliche Überlieferungen über die Anfänge des Fußballspieles. Seit dem 15 Jahrhundert wurden in Frankreich und Italien die ersten rüden Treibspiele gespielt. Die späteren Ursprünge erlebte der Fußball in England, dem Mutterland des Fußballs, auch weil dort 1857 die Football Association gegründet wurde, die sich vom Rugbysport löste. Laut FIFA spielen weltweit 265 Millionen Menschen Fußball. Der Deutsche Fußball-Bund e. V. (DFB) ist der Dachverband von 26 Fußballverbänden in der Bundesrepublik Deutschland, denen wiederum mehr als 25.000 Fußballvereine angehören. Seinen Sitz hat der gemeinnützige Verein in Frankfurt am Main. Ordentliche DFB-­Mitglieder sind der Ligaverband, die fünf Regional- und 21 Landesverbände. Mit fast sieben Millionen Mitgliedern der angeschlossenen Vereine ist der DFB der größte nationale Sport-Fachverband der Welt (. Abb. 12.15). Betrachtet man die Tendenzen von absolvierten Europa- und Weltmeisterschaften sowie der Champions League, Europa League und der Top-Ligen Europas, so kann man festhalten, dass der Fußball  

12

sich in allen Punkten (Athletik, Technik, Taktik, Professionalität und Technologisierung) stetig weiterentwickelt. In diesem Kapitel wird versucht, die Leistungsstruktur des Fußballsports anhand von empirischen Daten zu quantifizieren. Eine fundierte Analyse des fußballspezifischen Belastung- und Beanspruchungsprofils zeigt auf, dass in der Praxis ein systematisches Training mit einer individuellen Trainingssteuerung, je nach Position und Leistungsstand, unumgänglich ist. Die technischen und athletischen Komponenten müssen in einem langfristigen Trainingsprozess durch psychologische und mental-kognitive Aspekte ergänzt werden. Das Anforderungsprofil der Sportart, eine ganzheitliche Diagnostik sowie ein engmaschiges Monitoring liefern konkrete Erkenntnisse für die Trainingssteuerung. Hierzu werden differenzierte Befunde vorgelegt und mit vereinzelten Ergebnissen aus Trainingsuntersuchungen verglichen. Das Unterkapitel endet mit Empfehlungen für die Trainingspraxis.

12.4.1 Leistungsstruktur

Die Leistungsstruktur im Fußball ist determiniert durch die vom International Football Association Board festgelegten Regeln (Feldgröße, Spieleranzahl, Größe des Tores und Bruttospielzeit; IFAB 2019). Die Aktionen der 22 Spieler beschränken

..      Abb. 12.15  Der Fußballsport ist heute ein globales Massenphänomen, wird immer professioneller und bietet aus trainingswissenschaftlicher Sicht zahlreiche Fragestellungen

616

A. Ferrauti et al.

sich auf den Aktionsraum und die Aktionszeit. Der interaktive Spielverlauf kann grob in vier Spielphasen eingeteilt werden (. Abb. 12.16). Der Ballbesitz im Profifußball wechselt im Spielverlauf durchschnittlich ca. 400-mal (Anderson und Sally 2014), wodurch ein fließender und beständiger Phasenübergang entsteht (. Abb.  12.17). Daraus ergibt sich, dass jeder Spieler im Durchschnitt alle 3,4 s eine neue Aktion ausführt (Rienzi et al. 2000). Die Ballaktionen eines Spielers sind mit zwei Ballkontakten und 1,1  s Kontaktzeit pro Ballaktion sehr kurz und akkumulieren pro Spiel mit nur 53,4 Sekunden zu einem sehr geringen Anteil der Gesamtaktionen (Carling 2010). Die Aktionen ohne Ball beinhalten zum Beispiel Freilaufaktionen, Anlaufbewegungen oder Verschiebeaktionen im Gruppen- und Mannschaftsverbund. Die Nettospielzeit beträgt ­zwischen 55 und 62 min (Tschan et al. 2001; Mislintat 2011). In dieser Zeit absolvieren Profispieler ca. 1400 unterschiedliche Aktionen mit und ohne Ball und überbrücken dabei eine Distanz von 8–12 km (Dellal et al. 2012).  



12

Taktik Spielstil Spielphase System/Grundordnung Coaching-Philosophie Positionsanforderung

Im Rahmen der beschriebenen Leistungsstruktur muss der Fußballspieler vielfältigen Anforderungen gerecht werden. Energetisch dominiert aufgrund des großen Spielfeldes vor allem die aerobe Ausdauer. Die ständigen Intensitätswechsel sind ein zusätzlich prägendes Hauptmerkmal. Während dieser azyklischen Ausdauerbelastung wechseln die überwiegend aeroben Beanspruchungen beim Gehen und Joggen mit anaerob-­alaktaziden und anaerob-laktaziden Beanspruchungen bei höheren Laufgeschwindig-

Offensive

Umschalten von Defensive auf Offensive

Umschalten von Offensive auf Defensive

Defensive

..      Abb. 12.16  Spielphasenmodell im Fußball (Henseling und Marić 2016, S. 20)

technische Aktivitäten mit taktischem Ziel technische Aktionen im Umschaltspiel technische Aktionen im Spielaufbau

Psyche Taktik

Technik

universale Vernetzung

Technik Pässe Tackling Schüsse Kopfbälle Dribblings Flanken Diagonalpässe

Physis physische Aktivitäten mit taktischem Ziel Erholungslauf (Gehen, Joggen) Raumdeckung überlappend Decken Fallen, Sinken , Balleroberung Hochschieben Hinterlaufen „Tiefe" Läufe/Durchbrechen in den 16er

Physis Gesamtlaufdistanz Distanz hochintensiver Läufe Sprintdistanzen Beschleunigung Tempovariation

physische Aktivitäten mit technischem Ziel Dribbling schneller Lauf zur Flanke, zum Pass mit Folgeaktion Sprung zum Kopfball

..      Abb. 12.17  Venn-Diagramm zur Leistungsstruktur des Fußballspiels mit komplexer Interaktion verschiedener Anforderungskomponenten (mod. nach Bradley und Ade 2018, S. 658)

12

617 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

keiten (z.  B.  Laufen >14  km/h, Tempolauf >20 km/h, Sprints >25 km/h) stetig und in unvorhersehbarer Folge ab (. Tab.  12.13). Andere Autoren sprechen in diesem Fall unter anderem auch von Schnellkraftausdauer, Schnelligkeitsausdauer, Sprintausdauer und Spiel-/Kampfausdauer (Eisenhut und Zintl 2014, S. 34). Im Kontext mit der Anzahl von Spielern, der Größe des Feldes, dem Spielen mit dem Fuß, der Seltenheit eines Tores und den kurzen Ballkontaktzeiten einerseits sowie dem vergleichsweise kleinen und bewachten Ziel (Tor) in sich ständig wechselnden Umgebungsbedingungen spielt der Zufall im Fußball eine große Rolle. Der Einfluss des Zufalls, also der Einfluss jener Faktoren auf das Spielergebnis, die nicht prognostizierbar sind, lag in der Bundesliga bei 53 % (Quitzau und Vöpel 2009). In dem Zusammenhang wird in den Medien auch von Glück, Pech und zufälliger Tagesform berichtet, insbesondere, wenn aus wenigen Gelegenheiten viele Tore erzielt werden. Im Strafraum, in dem 82  % der erfolgreichen Torschüsse abgegeben werden (Buschmann et  al. 2013), herrschen hoher Raum-, Zeit- und Gegnerdruck, wodurch die Vorbereitung des Torschusses und der Torschuss selbst auch kognitiv enorm erschwert werden. Die aus d ­ iesen Überlegungen resultierende allgemeine Leistungsstruktur und die darin zugrunde liegenden Anforderungsgrößen stehen in einer komplexen Interaktion und bedingen sich gegenseitig (. Abb.  12.18). Schließlich geht es im Fußballspiel fast immer darum, kognitiv unter höchstem Komplexitätsdruck die richtigen Entscheidungen zu treffen und die daraus resultierende technisch-taktische Performance unter hoher bis sehr hoher physischer Beanspruchung abzurufen.  



12.4.2

Belastungs- und Beanspruchungsprofil

Laufdistanzen  Die Laufdistanzen sowie deren Differenzierung nach Geschwindigkeitsbereichen sind wichtige Parameter zur Beschreibung des Belastungsprofils (External Load) und können durch moderne Tracking-Verfahren weitgehend objektiv und unter offiziellen Wettspielbedingungen er-

fasst werden. Die Daten aus ausgewählten Veröffentlichungen zu diesem Thema (. Tab.  12.13) können wie folgt zusammengefasst werden: 55 Gesamtlaufdistanz: 10.000–12.000 m (meist ca. 11.000 m) 55 Gehen: 3000–4000 m 55 Joggen: 4000–5000 m 55 Laufen: 1000–2000 m 55 Tempoläufe: 500–1000 m 55 Sprints: 200–400 m (ggf. bis 900 m)  

Bei genauer Betrachtung der . Tab.  12.13 fällt auf, dass ein direkter Vergleich der aufgeführten Laufleistungen kaum möglich ist. Offensichtlich unterscheiden sich die Untersuchungen in Messmethodik und Messgenauigkeit sowie in den definierten Geschwindigkeits- und Positionskategorien (Mislintat 2011). Trotzdem liefern die Daten neuartige und wichtige Informationen zur Leistungsstruktur. Chmura et al. (2017) konnten bei der WM 2014 einen Zusammenhang zwischen dem Titelgewinn und den mehr gelaufenen Kilometern insgesamt sowie der höheren Anzahl an Tempoläufen der deutschen Nationalmannschaft feststellen. In der Fußball-­Bundesliga stellten die Autoren fest, dass bei gewonnenen Spielen die Flügelspieler und Stürmer mehr Tempoläufe absolvierten als bei verlorenen Spielen oder bei Unentschiedenen (Chmura et al. 2018). Dalen et al. (2016) ergänzen zu den Belastungen in Form von Laufleistungen noch die Richtungswechsel, Beschleunigungen und das Abstoppen, die in den Geschwindigkeitskategorien anderer Untersuchungen keinerlei Berücksichtigung finden, obwohl sie nach ihrer Untersuchung bis zu 17 % der Gesamt-Laufbelastung ausmachen. Die erbrachten Laufleistungen in den verschiedenen Geschwindigkeitskategorien sollten stets mit den damit verbundenen Anschlusshandlungen in Verbindung gebracht werden, um Trainern eine konkretere Vorstellung über den kontextualen Zusammenhang zu geben (Bradley und Ade 2018) (. Abb. 12.18). Die Abbildungen liefern wertvolle Informationen für die Trainingssteuerung. So erfolgt ein erheblicher Anteil der Tempoläufe von offensiven Mittelfeldspielern und Stürmern mit Ball steil in die Spitze (schwarz markierte Anteile in . Abb. 12.18).  





12

Liga

England Premier League

French First League Players

Sweden First League Players

Italian First League Players

Autoren

Bradley et al. (2010)

Dellal et al. (2012)

Dalen et al. (2016)

Vigne et al. (2010)

SICS Multi-­ Camera Match Analysis System

ZXY SportTracking AS

Amisco Pro

ProZone Version 3.0

Methode

8946 ± 3.992 7734 ± 3.650

Mittelfeldspieler

Stürmer

10.429 ± 874

Stürmer 9699 ± 2.901

11.990 ± 771

Offensives Mittelfeld

Abwehrspieler

11.573 ± 768

9951 ± 491

Innenverteidiger

Defensives Mittelfeld

10.943 ± 979

Stürmer

11.426 ± 648

11.726 ± 984

off. Mittelfeld

Außenverteidiger

12.029 ± 978

Mittelfeld

10.656 ± 860

Außenverteidiger 11.501 ± 901

10.426 ± 808

Innenverteidiger

def. Mittelfeld

10.841 ± 950

Gesamtdistanz (m)

alle Positionen

Spielposition

3410 ± 1647

3263 ± 1482

3791 ± 1172

4051 ± 347

3704 ± 276

3727 ± 273

3908 ± 178

4084 ± 153

3809 ± 270

Gehen 25 km/h (m)

618 A. Ferrauti et al.

619 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

..      Abb. 12.18  Verteilung der Tempolauf-Distanz nach Ballbesitz und technisch-taktischer Anschlusshandlung (CB – Innenverteidiger, FB – Außenverteidi-

12

ger CM –zentrales Mittelfeld, WM – äußeres Mittelfeld CF – Mittelstürmer; nach Bradley und Ade 2018, S. 658)

..      Tab. 12.14  Interpretation und Beschreibung der passenden Trainingsmaßnahmen für vier Spielertypen mit unterschiedlichen Ergebnissen im Reactive-Agility-Test (modifiziert nach Gabbett et al. 2008, S.180) Spieler

Entscheidungszeit

Bewegungszeit

Interpretation

Fast Mover/ Fast Thinker

+

+

herausragende kognitive und motorische Schnelligkeitsvoraussetzungen für das Fußballspiel, bestmögliche Integration dieses Spielertyps

Fast Mover/ Slow Thinker



+

Spieler, die ihre guten motorischen Fähigkeiten suboptimal umsetzen, im Training spielnahe, komplexe Situationen favorisieren

Slow Mover/ Fast Thinker

+



gute Wahrnehmungsfähigkeit, aber unzureichende motorische Schnelligkeit, im Training Verbesserung der Basisschnelligkeit

Slow Mover/ Slow Thinker





schlechte Geschwindigkeit und langsame Entscheidungszeit tragen zu unterdurchschnittlichen Antizipationsfähigkeiten bei, langfristige Verbesserung aller Faktoren in wiederholten Trainingsblöcken

Sprintbelastungen  Die Kategorie der Sprintbelastungen (. Tab. 12.14) weist zwar einen vergleichsweise geringen Umfang im Wettspiel auf (200–400  m, teilweise bis 900  m), ist jedoch nach Expertenmeinung übereinstimmend eine leistungslimtierende Fähigkeit, da sie häufig mit spielentscheidenden Aktionen und hohen kognitiven Anforderungen sowohl in der Offensive als auch in der Defensive kombiniert wird. Ein Spieler absolviert zwischen 10–20 Sprints in jedem Spiel, welche zum Großteil 2–4 Sekunden  

dauern. Die Anforderungen an die kognitiven Fähigkeiten verdeutlichen die 1000–1400 verschiedenen kurzen Aktivitäten im Spiel, die sekündlich wechseln (Stølen et  al. 2005, S.  503). Kombinierte Schnelligkeits- und Kognitionsanforderungen werden auch unter dem Begriff Agility zusammengefasst (7 Kap. 5) und spielen im Fußball eine besondere Bedeutung (Dalen et al. 2016; Bradley und Ade 2018; Chmura et al. 2018). Sheppard und Young (2006) definieren Agility als eine schnelle Ganzkörperbewegung  

620

A. Ferrauti et al.

mit Richtungs- oder Geschwindigkeitsänderung als Reaktion auf einen sportartspezifischen Stimulus. Gabbett et  al. (2008) definieren auf der Basis eines Reactive-Agility-Tests vier Spielertypen und geben Empfehlungen für ein gezieltes Training (. Tab. 12.14). Ein zielgerichtetes Training zur Verbesserung der Agility muss entsprechend der Erkenntnisse von Gabbett et al. 2008 zum Spielertypen passen und ist dementsprechend bestmöglich individuell zu gestalten. Da die Schnelligkeit auch bei der Talentsichtung eine große Rolle spielt, sollte eine Testbatterie im Fußball stets neben der Ausdauerleistung auch die Schnelligkeitsleistung abprüfen. Problematisch ist die Erfassung der Agility unter Einhaltung der Testgütekriterien, da mit zunehmender kognitiver Anforderung Lerneffekte entstehen und die Reliabilität sinkt. Folglich empfehlen wir stets eine Kombination aus Linearsprints, Richtungswechselsprints und komplexen Agility-Tests (7 Abschn. 3.4).  



12

Kraftfähigkeiten  Für den Fußballspieler sind körperbetonte Bodenzweikämpfe, Kopfballduelle (Sprünge), Antritte, Richtungswechsel, abrupte Stopps, Schüsse und intensive Dribblings von großer Bedeutung und ohne gut entwickelte Kraftfähigkeiten kaum zu realisieren. Dementsprechend muss nicht nur hinsichtlich der Verletzungsprophylaxe und der wettkampfspezifischen Spielleistungsfähigkeit eine gut ausgeprägte Maximalkraft, im Bereich des Rumpfes sowie der oberen und unteren Extremitäten, langfristig aufgebaut und erhalten werden. Dies gilt für fast alle Spielpositionen, die Anthropometrie der weltbesten Spieler zeigt jedoch, dass insbesondere Torhüter, Innenverteidiger, aber zunehmend auch für Offensivspieler in ihren 1-gegen-­ 1-Situationen von ihren Kraftfähigkeiten profitieren. Beweglichkeitsanforderungen  Ein Fußballspieler braucht zugleich eine gute Beweglichkeit bei gleichzeitiger Stabilität in Sprung-, Knie und Hüftgelenken. Eine gute Beweglichkeit (Mobility) verringert außerdem das Verletzungsrisiko (s. auch FIFA 11+ Präventionsprogramm des DFB, Fernandes et  al. 2015), verbessert die Be-

wegungsamplituden innerhalb der Gelenke und Muskulatur und erhöht die Bewegungsradien bei der Durchführung von Schüssen, Pässen und Flanken in unterschiedlichen Drucksituationen. Kardiovaskuläre und metabolische Beanspruchung  Fußballspieler besitzen eine hohe ae-

robe Kapazität. Die maximale Sauerstoffaufnahme liegt in der Regel über 60,0  ml/kg/min (u. a. Arnason et al. 2004; Chamari et al. 2005; Kalapotharakos et al. 2011), wobei häufig keine nennenswerten Unterschiede zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Teams sowie zwischen unterschiedlichen Profiligen existieren (Arnason et al. 2004). Dies ist auf die grundsätzlich hohen Laufleistungen der Spieler unter den gegebenen Spielfelddimensionen bzw. die Spielfeld/Spieler-Relationen zurückzuführen. Hinsichtlich der kardiovaskulären und metabolischen Beanspruchungen im Wettspiel existieren aufgrund der methodischen Limitationen nur wenig valide Informationen. Ein aktueller Ansatz basiert auf dem Konzept der Metabolic Power und berechnet aus Laufdistanzen sowie Beschleunigungs- und Abbremsungsphasen den energetischen Bedarf (di Prampero et al. 2005; Osgnach et al. 2010). Die vorliegenden Modelle basieren einerseits auf realen Wettspieldaten, sind jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit fehlerbehaftet, da der Energiebedarf für Tacklings, Schüsse, Kopfbälle und andere azyklische technische Elemente nicht in die Berechnung einfließen. Aufgrund der hohen Praktikabilität wird dieses Konzept zukünftig in überarbeiteter Form präzisere Hinweise liefern. Methode der ersten Wahl und somit Goldstandard für die Berechnung metabolischer Umsätze bleibt daher unter Feldbedingungen bislang noch die portable Spirometrie und indirekte Kalorimetrie. Ferrauti et al. (2006) registrierten in einer entsprechenden Untersuchung mit zehn Amateurfußballern folgende Befunde: 55 Die mittlere Sauerstoffaufnahme beträgt während des Wettspiels ca. 40 ml/min/kg, wobei ca. 75–80 % der V˙O2 max ausgeschöpft werden. 55 Die Sauerstoffaufnahme fällt von 42 ml/ min/kg (erste Hälfte der ersten Halbzeit)

621 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

60



(n = 10)

V O2 max



VO2 (ml/min/kg)

50 40 30

42,4

(84 %)

12

39,0

37,1

(77 %)

(73 %)

33,6

(67 %)

20 14,0

10 0

HZ 1A

HZ 1B

HZP

HZ 2A

HZ 2B

..      Abb. 12.19  Sauerstoffaufnahme während eines simulierten Wettspiels (11:11) im Fußball, gemittelt über fünf Messzeiträume, sowie die prozentuale Ausschöpfung der V̇ O2 max (HZ 1A = erste Hälfte der

ersten Halbzeit, HZ 1B = zweite Hälfte der ersten Halbzeit, HZP = Halbzeitpause, HZ 2A = erste Hälfte der zweiten Halbzeit, HZ 2B = zweite Hälfte der zweiten Halbzeit; mod. nach Ferrauti et al. 2006)

auf 33 ml/min/kg (zweite Hälfte der zweiten Halbzeit) kontinuierlich ab (. Abb. 12.19). 55 Die Blutlaktatkonzentrationen variieren intra- und interindividuell erheblich und liegen überwiegend zwischen 4 und 8 mmol/l. Auch hier ist ein Abfall von der ersten Halbzeit (5–8 mmol/l) zur zweiten Halbzeit (4–6 mmol/l) auffällig. 55 Die Herzfrequenz beträgt im Mittel 160–170 Schläge/min. 55 Der Energieumsatz sinkt von 16,7 kcal/min (erste Hälfte der ersten Halbzeit) auf 13,1 kcal/min (zweite Hälfte der zweiten Halbzeit) und erreicht insgesamt brutto in einem 90 min Wettspiel ca. 1300–1400 kcal, davon entfallen in etwa 65–75 % auf den Kohlenhydrat- und 25–35 % auf den Fettstoffwechsel. Individuell schwankt der Energieumsatz pro Spiel zwischen 900 und 1800 kcal (entspricht einem metabolischen Äquivalent von ca. 7,5 bis 15).

Einschränkungen im individuellen Aktivitätsverhalten zu erwarten (Mislintat 2011). Trotz der genannten Einschränkungen belegen die Befunde eine hohe Belastungsintensität und einen beachtlichen Energie- und insbesondere Kohlenhydratumsatz. Es überrascht daher nicht, dass in frühen Publikationen eine erhebliche Entleerung der Glykogenreserven im Verlauf eines Fußballspiels nachgewiesen wurde (Karlsson und Saltin 1971). Dies mag auch den Abfall der Belastungsintensität im Verlauf der zweiten Halbzeit erklären, der im Übrigen auch von anderen Autoren und in anderen Sportspielen bestätigt wurde (Bangsbo 1994).



Methodenkritisch ist anzumerken, dass es sich bei den untersuchten Spielern nicht um Hochleistungssportler handelte und eine Wettspielsimulation niemals die realen Anforderungen eines offiziellen Wettspiels abbilden kann. Ferner sind durch das Tragen portabler Messgeräte (jeweils nur zwei Spieler wurden pro Spiel mit einem Spirometriegerät ausgestattet) erhebliche

Praxistipp: Wettkampfsteuerung und Ernährung im Fußball

Die kardiovaskulären und metabolischen Daten legen nahe, dass einem Leistungsverlust gegen Spielende entgegengewirkt werden muss. Maßnahmen hierfür sind eine ausreichende Kohlenhydratzufuhr am Vorabend sowie vor und während des Wettspiels (in der Halbzeitpause, sowie über kohlenhydratreiche Getränke vom Spielfeldrand). Ferner ist die Möglichkeit der Auswechslung strategisch sinnvoll zu nutzen.

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A. Ferrauti et al.

Psychologisch-kognitive Beanspruchung  Die psychologisch-kognitive Beanspruchung umfasst sowohl die Anforderungen an die verschiedenen Sinnessysteme als auch den Umgang des Spielers mit den daraus erhaltenden Informationen. Hierbei steht am Ende einer jeden Aktion die für den Außenstehenden sichtbare taktische Handlung. Der Prozess, der während der gesamten Aktion im Spieler stattfindet, wird von Henseling und Marić (2016) in sechs Phasen unterteilt (. Abb. 12.20). Die besondere Bedeutung dieser Beanspruchung wird speziell im Mittelfeldspiel deutlich, wenn  

auf engstem Raum Mitspieler und Gegner peripher in der Tiefe und Breite und gleichzeitig der frei bespielbare Raum erkannt werden müssen. Die zen­trale Rolle im Mittelfeld erfordert hohe Anforderungen an die Wahrnehmungs- und Orientierungsfähigkeit. Der Mittelfeldspieler zeigt ein höchstes Maß an Kreativität, Dynamik und vor allem Effektivität. Der Spieler muss in Bruchteilen von Sekunden Entscheidungen fällen  – die spielentscheidend sein können. Dieses analytische Vorgehen bezeichnet die Psychologie als heuristische Strategie (Raab 2012).

Exkurs: Heuristik Die Heuristik – die Anwendung von vereinfachenden Regeln – räumt mit der weit verbreiteten Annahme auf, dass Entscheidungen besser werden, je mehr Informationen dafür herangezogen und verarbeitet werden. In der Sportwissenschaft und in der Leistungspsychologie ist dieser Ansatz zwar noch relativ jung, verspricht aber die Möglichkeit, das Entscheidungsverhalten von Athleten zu erklären und zu beschreiben (Raab 2012). Man unterscheidet: 55 Take-the-First-Heuristik: Wähle die erste Option, die dir in den Sinn kommt. Empirische Unter-

suchungen bestätigen, dass 60–90 % der Athleten dieser intuitiv entstehenden Option folgen (Raab und Johnson 2007; Hepler und Feltz 2012). 55 Take-the-Best-Heuristik: Wähle die beste Option. Der Spieler im Ballbesitz scannt die Spielsituation und beurteilt dabei Erfolgswahrscheinlichkeiten der sich ihm bietenden Optionen. Auf dieser Basis trifft er die aus seiner Sicht bestmögliche Entscheidung.

12 1 . Wahrnehnumg der Situation 6. Wahrnehmung 2: Reflexion des Ergebnisses

5. Ausführung: Spielhandlung als motorische Lösung

2. Verarbeitung 1: Analyse der Situation

4. Entscheidung: Auswahl einer situationsgerechten motorischen) Lösung

3. Verarbeitung 2: Handlungsplan als geistige Vorwegnahme einer Lösung

..      Abb. 12.20  Phasen des taktischen Handelns (modifiziert nach Henseling und Marić 2016; Bruckmann und Recktenwald 2010, S.42)

12

623 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

Kontextualität der Beanspruchung und Teamdynamik  Der Erfolg im Fußball ist letztendlich

nicht von der Leistung eines Einzelnen, sondern von der Leistung des gesamten Teams abhängig. Entscheidend hierbei ist die kollektive Kompetenzüberzeugung, also die Überzeugung jedes einzelnen Teammitglieds, eine Aufgabe zusammen mit den anderen und den vorhandenen Fähigkeiten erfolgreich bewältigen zu können (Hermann und Mayer 2016). Es konnte ein Zusammenhang zwischen der kollektiven Kompetenzüberzeugung und tatsächlich erzielter Leistung nachgewiesen werden (Hermann und Mayer 2016). Ein Beispiel hierfür stellt die Studie von Fransen et al. (2015) dar, in der eine Korrelation zwischen dem Vertrauen in die Fähigkeiten des Teams durch die einzelnen Mitglieder und der Leistungswahrnehmung des Teams nachgewiesen werden konnte. Neben dem Vertrauen in die Leistungsfähigkeit eines Teams spielt auch die Leidenschaft, die die Mitglieder für das eigene Team empfinden, eine entscheidende Rolle. Slater et al. (2018) konnten nachweisen, dass Teams, die bei der Europameisterschaft 2016 in Frankreich ihre Nationalhymne vor Spielbeginn mit mehr Leidenschaft gesungen haben, im Spiel eine bessere Leistung erbracht haben. Das Singen der Nationalhymne verbinden sie in diesem Kontext mit der sozialen Identität im Team. Der Einfluss der sozialen Identität auf die Leistungsfähigkeit konnte auch unter dem Gesichtspunkt der Lohnstreuung innerhalb eines Teams festgestellt werden. So spielen Fußballteams besser, wenn sie eine geringe oder eine extreme Lohnstreuung im Team haben, da in beiden Fällen keine leistungsstörende Konkurrenz um den Status im Team vorliegt (Franck und Nüesch 2011).

Individualität der Beanspruchung und Positionsspezifik  Die im Beanspruchungsprofil

zum Großteil universell beschriebenen Leistungsfaktoren sollten zur Ableitung von Trainingsmaßnehmen auf die einzelnen Spielpositionen heruntergebrochen werden. Hughes et  al. (2012) begründen dies mit den spezifi-

schen Rollen und Aufgaben, die ein jeder Spieler auf seiner Position einnehmen und erfüllen muss, um ein erfolgreiches Team sein zu können. Durch Positionsspezifika werden die Anforderungen und die Ziele abgestimmt. Daraus ergibt sich ein technisch-taktisches Profil einer speziellen Position, mit spezifischen konditionellen Belastungsprognosen (z. B. wird von einem Außenverteidiger verlangt, dass er nach einem längeren 10–30-m-Sprint in der Lage ist, nach einer möglichst offensiven Ballmitnahme eine präzise Flanke oder ein Early Cross Pass vor das Tor des Gegners zu spielen). Die Aktionen eines zentralen Mittelfeldspielers hingegen sind von vielen kurzen, hochexplosiven Anritten geprägt, seine meisten Ballaktionen sind kurze Pässe unter 10 m, wodurch er eine zentrale Rolle im Kombinationsspiel erhält. 12.4.3

Leistungsdiagnostik

Im Rahmen der konditionellen Leistungsdia­ gnostik werden im Fußball traditionell Feldtests zur Erfassung von Ausdauer- und Schnelligkeitsleitung zu Beginn und am Ende der Saisonvorbereitung sowie zusätzlich in der Winterpause absolviert (. Abb. 12.21). Vereinzelt wird dies durch Laboruntersuchungen auf dem Laufband (Spiroergometrie) und durch eine isokinetische Kraftdiagnostik ergänzt. Hinsichtlich der verwendeten Testverfahren (z. B. Feldstufentest, YoYo-Intermittent-­Recovery-Test, Linearsprint-­ Tests oder Agility-Tests) sei auf 7 Abschn.  3.4 verwiesen. Neben dieser Basistestung rückt die Dia­ gnostik der fußballspezifischen Handlungsschnelligkeit zunehmend in den Fokus. Forschungsrelevante Aspekte zur Erfassung der Wahrnehmungsfähigkeit in direkter Kombination mit der technisch-taktischen Performance erfordern jedoch aufwendige Messverfahren. Vereine wie Borussia Dortmund und TSG Hoffenheim leisten sich die Anschaffung eines „Footbonauten“, um diese fußballspezifischen Anforderung standardisiert erfassen zu können.  



624

A. Ferrauti et al.

Exkurs: Footbonaut

50 km/h

1,4 m

Der Footbonaut ist ein Ballroboter, der Reaktionsfähigkeit, Handlungsschnelligkeit, peripheres Sehen, Orientierungsfähigkeit und vor allem technischen Komponenten des Passspiels testen und trainieren kann. Am Rand eines Käfigs (14 × 14 m) sind acht Wurfmaschinen integriert, die automatisch, aber randomisiert, Bälle mit bis zu 120 km/h in die Mitte des Feldes spielen. Die Testperson steht im Zentrum des Käfigs und versucht die zugespielten Bälle in eines der 72 peripheren Gittertore zu passen. Die 1,40 m großen Tore können abwechselnd farbig aufleuchten, und der Spieler muss sich immer wieder neu orientieren, um ins vorgegebene Tor zu schießen. 20 definierte Bälle werden in knapp einer Minute ins Feld gespielt, sodass insgesamt 100 Bälle in ca. fünf Minuten bearbeitet werden müssen. Der Footbonaut ermöglicht ein attraktives individuelles Training zentraler Leistungskomponenten (Vogt et al. 2018, s. a. Abbildung hierzu). Bei der

1,4 m 14 m

Verwendung als leistungsdiagnostisches Verfahren sind geringfügige Abstriche hinsichtlich der Testgütekriterien aufgrund der hohen Testkomplexität unvermeidlich (Saal et al. 2018).

12

..      Abb. 12.21  Feldstufentest während der Winterpause auf einer 200-m-Indoorbahn

Die Entscheidungskompetenz von Spielern wird in der sportpsychologischen Forschung vornehmlich über videobasierte Tests im Labor erfasst. Die Testpersonen bekommen auf einer Videoleinwand fußballspezifische Situationen präsentiert, in denen sie sich so schnell wie möglich für eine taktische Handlung entscheiden müssen, zum Beispiel Dribbling oder Pass zum rechten oder linken Mitspieler (Höner 2017). Aus diesen Erkenntnissen lässt sich das heuristische Entscheidungsverhalten von Spielern erklären.

Zur Talentförderung installierte der DFB nach der sportlich wenig zufriedenstellenden EM 2000 in Belgien und den Niederlanden insgesamt 360 Talentstützpunkte, verteilt in ganz Deutschland. Als zentrales Trainingsziel wurde damals die Verbesserung der technisch-­ motorischen Fähigkeiten der jungen Talente definiert. Zur sportwissenschaftlichen Begleitung dieser Maßnahme wurde eine entsprechend ausgerichtete, fußballspezifische technisch-motorische Testbatterie entwickelt, die seit 2004 regelmäßig bundesweit die Trainingsmaßnahmen

625 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

begleitet und die Erfolge evaluiert (Lottermann et al. 2003). Die Erfolge der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der WM 2014 in Brasilien werden unter anderem auf diese fokussierte Talentförderung zurückgeführt. Die aktuelle Testbatterie umfasst fünf Tests (20-m-Linearsprintleistung, Gewandtheitslauf, Dribbling, Ballkontrolle inkl. Passen und Balljonglieren), die halbjährlich im Frühjahr und Herbst mit den ca. 12.000 Spielern an den Stützpunkten durchgeführt werden. Die individuelle Auswertung der einzelnen Testungen liefert sehr genaue Normwerte für die Erstellung von Spielerprofilen und gibt Auskunft über ihre Entwicklungsverläufe in den jeweiligen Tests (. Abb. 12.22).  

12.4.4 Trainingssteuerung

Eine angemessene Trainingsplanung im Rahmen der Periodisierung einer Saison verlangt trainingswissenschaftliche und fußballspezi-

..      Abb. 12.22  Beispiel eines Leistungsprofils von einem männlichen U12-Spieler (Höner 2015). Der dargestellte Spieler weist Defizite in der linearen Sprintschnelligkeit auf (Leistungskategorie C). Auch

12

fische Fachkompetenzen des gesamten Funktionsteams einer Fußballmannschaft. Dabei bildet die fundierte Kenntnis über die Leistungsstruktur und über das Belastungs- und Beanspruchungsprofil des Fußballspiels eine grundlegende Orientierung. Das übergeordnete Ziel des Athletiktrainings sollte vor allem die Vorbereitung auf die Wettkampfbelastung sein. Durch eine gute Grundlagenausdauer (aerobe Basis) in Kombination mit einer hohen fußballspezifischen Ausdauerleistungsfähigkeit (aerob-anaerobe Kapazität) werden die Aufrechterhaltung der Belastung über die gesamte Spielzeit (einschließlich einer möglichen Verlängerung) sichergestellt und die Regenerationsfähigkeit nach einer Belastung positiv beeinflusst. Neben der Ausdauer sind selbstverständlich auch die Verbesserung von Kraft und Schnelligkeit nicht zu vernachlässigen. Die Empfehlungen für eine isolierte Verbesserung dieser einzelnen konditionellen Fähigkeiten sind vielfältig und

die Schnelligkeit beim Dribbling ist unzureichend. Demgegenüber sind Ballkontrolle und Balljonglieren überdurchschnittlich gut (Leistungskategorie A)

626

A. Ferrauti et al.

werden an anderer Stelle dieses Buches beschrieben (7 Kap. 4, 5, 6 und 7). Als eine in der Sportpraxis vielfach bevorzugte Alternative bieten sich spielnahe Trainingsformen bzw. Kleinfeldspiele (engl. Small-Sided Games) an. Spielnah bedeutet hierbei nicht, das Wettspiel zu kopieren, sondern über Regeländerungen (z.  B. Spielfeldgröße, Spielerzahl, Spielfeld/Spielerzahl-­Relation, Spielzeit oder Spielintention) eine spielerische Schwerpunktsetzung im Hinblick auf technisch-taktische Komponenten oder ausgewählte konditionelle Fähigkeiten vorzunehmen.  

»» „Offensichtlich ist 11 vs. 11 nicht immer

12

die ideale Trainingsübung, um bestimmte Aspekte im Fußball zu verbessern. In diesem Fall muss 11 vs. 11 vereinfacht werden, ohne die typischen Fußballeigenschaften wie die Kommunikation zwischen den Spielern und die Spieleinblicke, die Technik und die Fußballfitness der einzelnen Spieler zu verlieren. Selbst in dieser weniger komplexen Trainingssituation sind alle Bestandteile des Fußballs noch vorhanden. Trotz der temporär niedrigeren Anforderungen müssen sich die Spieler sowohl auf der Entscheidungsals auch auf der Umsetzungsebene immer noch mit Positionierung, der Situation, Richtung und Geschwindigkeit auseinandersetzen.“ (Verheijen 2014).

Bezüglich der fußballspezifischen Ausdauer ist es inzwischen unstrittig, dass sie innerhalb von Small-Sided Games ebenso verbessert werden kann wie in Intervall- oder Dauerlauftrainingsformen. Durch das Spielen mit dem Ball zeigt sich jedoch eine erhöhte Motivation der Spieler im Vergleich zu anderen beiden Trainingsformen (Owen und Dellal 2016). Hinsichtlich der Verbesserung von Schnelligkeit und Kraft ist die Sachlage etwas weniger überzeugend. Hier kann jedoch im Sinne eines Komplextrainings durch Zusatzübungen in den Serienpausen ein Akzent gesetzt werden.

Entscheidend für die effektive Gestaltung von Small-Sided Games ist eine angemessene Ausrichtung der Belastungsnormative (7 Kap.  2). . Tab.  12.15 zeigt die Auswirkungen unterschiedlicher Gestaltungsparameter in Form von Spielformat, Anzahl von Spielern pro Mannschaft, Pausenzeiten, Wiederholungen und Serien auf die Intensität und den Trainingseffekt. In zahlreichen experimentellen Untersuchungen zu dieser Thematik konnten weitere interessante Aspekte nachgewiesen werden: 55 Bei einem 4 vs. 4 steigt die Intensität, wenn ohne große Tore auf Ballhalten oder auf Minitore gespielt wird (González-Rodenas et al. 2015). 55 Die Herzfrequenz steigt mit zunehmender Größe des Spielfeldes (Owen und Dellal 2016). 55 Die Anzahl an Ballaktionen am Boden steigt mit abnehmender Spieleranzahl pro Mannschaft (Owen et al. 2014). 55 Die kardiovaskulären Anpassungen sind mit jenen eines rein lauforientierten HIIT (High-Intensity-Interval-Training) vergleichbar (Iaia et al. 2009).  

12.4.5



Monitoring

In Wissenschaft und Praxis ist in den letzten Jahren verstärkt ein Trend hin zu umfassenden Monitoring-Maßnahmen zu beobachten (7 Abschn.  3.5). Fußballspieler sind innerhalb einer Saison enormen körperlichen Belastungen ausgesetzt, die zur Ermüdungserscheinungen und strukturellen Schädigungen führen können. Aufgrund des komplexen Beanspruchungsprofils wird dementsprechend ein mehrdimensionales Monitoring der körperlichen Beanspruchung (Internal Load), bestehend aus laborchemischen, psychome­ trischen und leistungsdiagnostischen Markern, empfohlen (Urhausen et al. 1995; Meyer et al. 2014; Nédélec et al. 2012). Darüber hinaus bietet auch die Herzfrequenz (insbeson 

12

627 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

..      Tab. 12.15  Übersicht über Typen des Ausdauertrainings mittels Kleinfeldspielen (mod. nach Deutscher Fußball Bund 2019)

Geeignete Trainingsbelastung Insensität Trainingstyp

%HR

RPE

Dauer Laktat [mmol/l]

Gesamtdauer [min]

Dauer pro Wiederholung

Anzahl an Wiederholungen

Pause

Spielformat

5x5 6x6 Laktatschwelle

80 - 90

ziemlich anstrengend

3-6

30 - 60

6 - 30 min

1-8

85

anstrengend

maximal

6 - 12

>10

12 - 35

3 - 6 min

4-8

0,5-1 Be-/ Entlastungsverhältnis

4 - 16

20s to 3 min

2-4 Sätze bei 4 - 8 Wdh

1-4 Be-/Entlastungsverhältnis

3x3 4x4 2x2 3x3

%HR = Prozent maximaler Herzfrequenz; RPE = subjektive Belastungseinschätzung

dere die standardisiert ablaufende submaximale Messung beispielsweise regelmäßig während des Aufwärmens) interessante Informationen über den vegetativen Erholungszustand (Schneider et  al. 2018). Zusätzlich wird die Trainings- und Wettkampfbelastung (External Load) per GPS oder andere Tracking-Verfahren aufgezeichnet und zusammen mit den Beanspruchungsdaten statistisch ausgewertet. Speziell eine plötzliche Erhöhung der körperlichen Belastung eines Spielers ist aufmerksam zu beobachten. Bereits an anderer Stelle dieses Buches wurde auf den Zusammenhang zwischen dem sogenannten Acute:Chronic Workload Ratio (Gabbett et al. 2016) und der Verletzungsinzidenz hingewiesen (7 Abschn. 3.5). Viele der zugrunde liegenden Untersuchungen wurden im Fußball durchgeführt.  

Zunehmend bestimmen Technologien und die daraus generierten Daten die tägliche Trainingsarbeit. Der Bereich der Videoanalyse ist im Leistungsfußball nicht mehr wegzudenken. Durch neueste Soft- und Hardwarelösungen bereiten professionelle Videoanalysten die Trainings- und Spielsessions auf, die in kategorisierten Szenen den Trainern und Spielern ein visuelles Feedback bieten. Durch festinstallierte Kameras, GPS-Sensoren, Radaranlagen und andere technische Innovationen werden zunehmend differenzierte Daten während Training und Wettspiel im Fußball erhoben (3D-Positionsdaten, Laufdistanzen, Geschwindigkeitssektoren, Herzfrequenzdaten, Ballpositionen, Ballaktionen, Teamperformance usw.). Den Mehrwert dieser Informationsflut (Big Data) erreicht man aber nur durch sinnvolle Analysen, zeitnahe Verarbei-

628

12

A. Ferrauti et al.

tung und eine angemessene Datenfilterung. Diese Form des funktionellen Wissensmanagements stellt den Trainerstab und das gesamte Beraterteam derzeit vor neue Probleme. Digitalisierung und technologischer Fortschritt verlangen Experten mit fußballspezifischem Sachverstand, die die Daten hinsichtlich ihrer Verwertbarkeit sichten und filtern müssen. Insgesamt stellt ein detailliertes und engmaschiges Monitoring des gesamten Kaders erhebliche Anforderungen an Personalbedarf, Finanzbudget und auch (Trainings-) Zeit, was stets einer kritischen Kosten-Nutzen-Analyse bedarf. So erscheinen die Auswertung und Aufbereitung umfangreicher Daten nur dann als sinnvoll, wenn sie auch tatsächlich in trainingspraktische Entscheidungen einfließen. Neben der aktuellen Wettkampfanalyse einzelner Fußballspiele und der unmittelbaren Trainingssteuerung von Spielern zur Vorbereitung auf das nächste Spiel liefern aggregierte Daten aus einer repräsentativen Anzahl von Fußballspielen wichtige grundlegende Erkenntnisse über erfolgversprechende Strategien und deren Entwicklung (. Abb.  3.2, 7 Abschn. 3.1 und  3.2). Memmert et al. (2016) haben versucht, anhand der Big Data aus den Spieltagen der Bundesligasaison 2014/15 einige Indikatoren (Key-Performance-Indikator) zur Bestimmung des Erfolges im Spiel zu evaluieren. Anhand dieser Ergebnisse und weiterer Erkenntnisse lassen sich folgende Aussagen zusammenfassen: 55 Erfolgreiche Mannschaften kontrollieren den meisten Raum vor allem beim Passspiel in der Angriffszone. 55 Erfolgreiche Mannschaften überspielen mit vertikalen Pässen oder vertikalen Dribblings gleichzeitig mehr Gegenspieler. 55 Erfolgreiche Mannschaften zeichnen sich durch besseres Positionsspiel und durch Raumdominanz aus. 55 Heimmannschaften überspielen mehr Gegenspieler bei Pässen und kontrollieren mehr Räume.  



55 Mannschaften mit mehr Schüssen und Schüssen auf Tor gewinnen in der Regel die Spiele (Lago-Peñas et al. 2009; ­Castellano et al. 2011). Exkurs: Packing In diesen Thesen finden sich Aspekte der neuen Fachbegriffe Packing-Rate und Expected Goals wieder, die von externen Dienstleistern für die tägliche Trainingsarbeit und die Matchplanung einbezogen werden und in aufwendigen Auswertungen den Trainerteams und den Spielern zugänglich gemacht werden können (Impect GmbH und WyScout)

12.5  Volleyball Til Kittel „Volleyball ist wie Schach, nur mit Tempo 200.“ (Hans-Friedrich Voigt)

Zusammenfassung Der Deutsche Volleyballverband (DVV) wurde 1955 gegründet. Im Moment sind etwas mehr als 410.000 Aktive in 17 Landesverbänden und 7000 Teams organisiert. Volleyball ist heute eine der weltweit verbreitesten Sportarten (gemessen an der Zahl der Aktiven) und findet auch in Deutschland im Leistungs-, Breiten- und Schulsport umfassende Beachtung. ­Erfunden wurde Volleyball 1895 vom US-Amerikaner William G. Morgan am YMCA-College in Holyoke, Massachusetts (USA) unter dem Namen Mintonette, als Zeitvertreib für ältere Mitglieder. Die Zahl der Spieler war zunächst ebenso unbegrenzt wie die Anzahl der Ballkontakte. Von diesem Ausgangsprunkt aus erfolgte eine Verbreitung und Versportlichung des Spiels über die ganze Welt. Die Leistungsanforderungen im heutigen Volleyball sind, wie in allen Sportspielen, aufgrund ihrer Heterogenität und Komplexität nicht vollständig darstellbar. Die technisch-­ taktischen, athletischen und psychischen Anforderungen lassen sich idealtypisch modellieren, münden aber immer in einer individuell

629 Trainingswissenschaft in ausgewählten Sportarten

..      Abb. 12.23  Höchste kognitive und athletische Beanspruchungen im Leistungsvolleyball

sehr spezifischen Spielleistungsfähigkeit. Auf hohem Niveau verlangt Volleyball eine Kurzzeit-Intervallbelastung von 4–7  s, in der unter hohem Zeit- und Präzisionsdruck aufgrund der regelwerkbedingten Ballkontaktdauer und in Kooperation mit anderen Spielern auf einem kleinen Raum (13,5 qm pro Spieler) agiert werden muss (. Abb.  12.23). Zur Leistungsentwicklung und -steuerung im Volleyball bietet sich eine Ableitung der Trainingsempfehlungen an einem volleyballspezifischen Anforderungsprofil an, welches inzwischen aufgrund einer breiten Datengrundlage gut zu modellieren ist. Seit etwa 30 Jahren etabliert sich die Variante Beach-Volleyball als eigene Wettkampfdisziplin und ist seit den Olympischen Spielen 1996 mit einem eigenen Turnier vertreten. Beachvolleyball weist durch die reduzierte Spielerzahl (2:2), das geringfügig verkleinerte Feld (8  ×  16  m), verschiedene Regelunterschiede und den Sportboden Sand eine eigene Belastungs- und Beanspruchungsstruktur auf, die sich  – zumindest in konditioneller Hinsicht  – trotz ähnlicher Spielstruktur vom Hallenvolleyball unterscheidet.  

12.5.1

Leistungsstruktur

Aus dem „Zeitvertreib für Ältere“ ist in den gut 120 letzten Jahren ein athletisches, schnelles Sportspiel geworden  – das Spiel wurde „versportlicht“ (Spitzer 1987; Voigt et al. 2010). Die

12

Leistungsstruktur im Volleyball setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, die  – ausgehend von dem „Ideal“ der Weltspitze  – je nach Alter, Niveau und anderen Rahmenbedingungen variieren. Volleyballspieler müssen aufgrund der hohen Ballgeschwindigkeiten auf einem relativ kleinen Spielfeld und den regelbedingten Rückschlagbedingungen schnell reagieren (dies setzt hohe Wahrnehmungsleistungen voraus). Dazu müssen ihnen verschiedenste sportliche Techniken stabil und präzise zur Verfügung stehen, die während des Kontakts nicht regulierbar sind (Bewegungskoordination unter Zeitdruck). Um sich einen spielerischen Vorteil unter sehr standardisierten Bedingungen zu verschaffen (nur drei Ballberührungen erlaubt), werden auf kleinem Feld ausgeklügelte taktische Verhaltensweisen (kognitive Fähigkeiten) verlangt, um komplexe gruppentaktische Angriffs- und Abwehrmuster in hoher Geschwindigkeit zu realisieren. Spieler mit großer Reichhöhe (Genetik, Anthropometrie) sind bevorteilt (die durchschnittliche Körperhöhe der männlichen Olympiateilnehmer hat von 1968–2000 von 1,86 auf 2,00 m zugenommen). Etwa jede sechste Spielsituation wird im „Fehlerspiel“ Volleyball nicht erfolgreich bewältigt. Dieser Umstand verlangt besondere Eigenschaften der Spieler im Bereich der Frustrationstoleranz/Psyche. Volleyball wird über eine lange Spielzeit mit vielen kurzen Wiederholungen gespielt (alaktazid-anaerobe Energiebereitstellung) bei vergleichsweise wenig Sprüngen, Schlägen und Läufen (dosierte Explosiv- und Schnellkraft) in einem Mannschaftsspiel, in dem jeder jede Situation bewältigen muss (Universalismus und Spezialisierung). Diese hohen, sich aus der Tätigkeitsanalyse ergebenden, vielschichtigen und veränderlichen Anforderungen des Spiels, grafisch dargestellt als Anforderungsprofil (. Abb. 12.24), stellen zuvorderst hohe Anforderungen an die Informationsverarbeitung unter Zeitdruck (Voigt et al. 2010). Insgesamt kann von einem hohen Stellenwert einer dem  

630

A. Ferrauti et al.

Ball-­Zeit ist inzwischen auf 14,7 % gesunken, in der Regel ist ein Ballwechsel nach fünf Ballberührungen und knapp zwei Netzüberquerungen beendet (FIVB 2017; . Tab. 12.16). 12.5.2 Belastungs- und Demzufolge ist ein Spiel im Volleyball körperBeanspruchungsprofil lich gekennzeichnet durch eine azyklische Kurzzeit-Intervallbelastung (im Durchschnitt dauert Als Kurzeit-Intervall-Spiel beträgt die absolute ein Ballwechsel auf internationalem Niveau bei Spieldauer (Herren, Spitzenbereich) zwischen den Herren 5,60 s, bei den Damen 7,52 s). 64 und 131 Minuten, der Anteil der Flying-­ Wegen der vielen Unterbrechungen, die sich aus Pausen zwischen Aufschlägen, längeren technischen und taktischen Auszeiten, Koordination Satzpausen und neuerdings auch Video-­ als Bewegungspräzision unter Zeitdruck Challenges zusammensetzen, bestehen die Psyche Ballwechsel nur aus kurzen Phasen der Aktials Umschalten und Regulation vierung (. Abb. 12.25). Aus der prozentualen Verteilung von BallRessourcenmanagement als spielspezifische Ausdauer wechseldauern über ihre zeitliche Länge ergibt sich, dass Ballwechsel von über 15 Sekunden Explosivkraft praktisch nicht vorkommen. Die meisten Fehfür Sprung und Schlag ler entstehen bei eigenem Aufschlag (