Thesaurus proverbiorum medii aevi: Band 8 Linke - Niere 9783110802665, 9783110163131

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Thesaurus proverbiorum medii aevi: Band 8 Linke - Niere
 9783110802665, 9783110163131

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THESAURUS PROVERBIORUM MEDII AEVI Lexikon der Sprichwörter des romanisch-germanischen Mittelalters Begründet von Samuel Singer Herausgegeben vom Kuratorium Singer der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften

Band 8: Linke — Niere

W DE

G Walter de Gruyter · Berlin · New York · 1999

Gefördert vom Schweizerischen Nationalfonds Mitarbeiterinnen von Samuel Singer: Marga Noeggerath-Bauer f, Gertrud Strich-Sattler f Kuratorium Singer: Maria Bindschedler, Rolf Eberenz, Peter Glatthard, Siegfried Heinimann t, Ricarda Liver, Eckart Conrad Lutz, Christoph Schäublin, Cecile Vilas Wissenschaftliche Leitung: Ricarda Liver, Gertrud Strich-Sattler f, Werner Ziltener Redaktion: Mathilde Brachna, Eva Delz, Christian Hostettler, Ricarda Liver, Vroni Mumprecht, Hans Ruef, Hans-Ulrich Seifert

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüüt,

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufrtahme Thesaurus proverbiorum medii aevi = Lexikon der Sprichwörter des romanisch-germanischen Mittelalters / hrsg. vom Kuratorium Singer der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften, Begr. von Samuel Singer. JWiss. Leitung: Ricarda Liver ...]. - Berlin ; New York r de Gruyter, Literaturangaben ISBN 3-11-008529-1 Bd. 8. Linke - Niere. - 1999 ISBN 3-11-016313-6

© Copyright 1999 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmunger und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, Printed in Germany Einbandgestaltung: Sigurd Wendland, Berlin, unter Verwendung von Pieter Brueghel d.Ä. „Die niederländischen Sprichwörter", Staatliche Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Gemäldegalerie Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer GmbH, Berlin

l

LINKS

LINKE (die) s. HAND, LINKS LINKS / gauche / left Hier auch LINKE (die) Vgl. HAND 1. Die linke (und die rechte) Hand 1.1. Die linke Hand darf nicht wissen (sehen), was die rechte tut (gibt) (1-14), Variiert (15) 1.2. Redensart: Mit der linken Hand segnen (16-17) 1.3. Verschiedenes (18-19) 2. Der linke FUSS (Stiefel) (20-23^ 3. Man gehe den rechten und nicht den linken Weg -> WEG 53. Vgl. WEG 32

l. Die iinke (und die rechte} Hand 1.1. Die linke Hand darf nicht wissen (sehen), was die rechte tut (gibt) 1 Bib L Te autem faciente eleemosynam, nesciat sinistra tua, quid faciat dexter a tua 2 VULG., MATTH. 6,3. Wenn du aber Almosen gibst, So las deine lincke hand nicht wissen, was die rechte thut LUTHERBIBEL, EBD. 3 M l a t , Cum facts eleemosynam, nesciat sinistra tua quid faciat dextera tua Wenn du Almosen gibst, wisse deine Linke nicht, was deine Rechte tut OTLOH., PRO v. 305 A. 4 Fr. Qu'il done sehne l'evangile Sanz ypocrisie et sanz guile, Qui dit: ,ne sache ta senestre Le bien quant le fera ta desire' Dass er gemäss dem Evangelium ohne Heuchelei und ohne Hintergedanken gebe, welches sagt: „Deine Linke wisse nicht um das Gute, wenn deine Rechte es tun wird" CRESTIEN, PERCEVAL 29. s Engl. And peruore zayp oure Ihord ine his spelle. >Huanne fiou dest elmesse. ne wyte najt ßi left hand: huet pi r/ji band" Und deswegen sagt unser Herr in seinem Evangelium: „Wenn du Almosen gibst, wisse deine linke Hand nicht, was deine rechte 6 Hand tut" MICHEL, AYENBITE 196. Nesciat sinistra quid faciat dextra. - Lat noujte /?/' left half. late [ne] rathe, Wyte what pow worchest , with pi r/ji syde Deine Linke wisse nicht, was die Rechte tut. - Lasse deine linke Seite nicht wissen, weder früh noch spät, was du mit deiner rechten Seite tust! LANGLAND(?), PLOWMAN B 3,73. 7 Nl. Mär alse du ghefs dine almosene, so ghefse also, dat dine slinke hant nin wete wat dine rechte hant doet Aber wenn du deine Almosen gibst, so gib sie so, dass deine linke Hand nicht weiss, was deine rechte Hand tut! MNL. GEISTL. PROSA 3,42 (Leben Jesu). 8 Dt. ... Daz sin rehtiv hant alhie Der erhermde were begie, Daz ez die linggen wart uerholn Dass seine rechte Hand hier die Werke der Barmherzigkeit tat (und) es der 9 linken verborgen blieb NIKOLAUS 15 (2. H. 13. Jh. [+GERMANIA 4,241]). Dar umb spricht diu geschrift; dein denkiu hant schol niht wizzen, was dein gerehteu hant würkt Darum sagt die Heilige Schrift: „Deine linke Hand soll nicht wissen, was deine rechte 10 Hand tut" KONR. v. MEGENBERG 120,20. Aber wenne du almüsen gist, so ensol din lingge hant nut wissen so was din rechte hant tut Aber wenn du Almosen gibst, dann 11 soll deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte Hand tut TAULER 186,23. Wente wat dar gift din vordere hant, Dat si der luchteren vmbekant Denn was da deine rechte 12 Hand gibt, das sei der linken unbekannt STEPHAN, CATO ND. 542. Unse leve here dait uns sulven bekand, Wat so dait jue regiere hand, En shal weten de lugtere nigt: So gevet, dar men dat nigt gesigt Unser lieber Herr tut uns selbst kund: „Was eure rechte

LINSE

2

Hand tut, soll die linke nicht wissen; gebt also (dort), wo man es nicht sieht!" LAIEN13 DOCTR. 30. Der lucbtern schal sin unbekant, wat dar gift de vorder bant Der linken soll unbekannt sein, was [da] die rechte Hand gibt CLAUS BÜR 831 (1523 [-* SCHULZE 14 187]), Wie Matthei vj (3), das die linck handt nit watß, was die recht thut Wie (es in) Matthäus 6,3 (ausgedruckt wird), dass die linke Hand nicht weiss, was die rechte tut SACHS XXII, 63,.21 (1524). Variiert: J5 S p a n . Porque la esquierda non deve fazer $i non despender, e la diestra retener Denn die Linke darf nichts tun als ausgeben, und die Rechte zurückbehalten LIBRO DE Jos. ABAR. 1,43,21.

1.2, Redensart: Mit der linken Hand segnen 16 Engl. Andjafe pe stiwarde hire blessing withpe lefte hand Und sie gab dem Verwal17 ter ihren Segen mit der linken Hand 1 GESTA ROM, ENGL. 65 S. 285. / blysse yow with my lyfte honde Ich segne dich mit meiner linken Hand MANKIND 508. 1.3. Verschiedenes 15 M l a t , Sinistrae manui mentitur dextera Die rechte Hand belügt die linke ANALECTA 21,179,1. 19 Fr. Utebatur Aiot sinistra man» pro dextra. — La mein senestre est mis pour desire E tort en droit pour gain encrestre Ehud gebrauchte die linke Hand für die rechte. Die linke Hand wird für die rechte gebraucht und Unrecht zu Recht (verkehrt), um den Gewinn anwachsen zu lassen NICOLE BOZON, PROV. 100.2

2, Der linke FUSS (Stiefel) 20 La t. Sed ut fieri adsolet, sinistro pede profectum me spes compendii frustrata est Aber wie es zu geschehen pflegt: Mich, der ich mit dem linken FUSS aufgebrochen bin, 21 hat die Hoffnung auf Gewinn getäuscht APUL., MET. 1,5. Quid quod ei pessumo pede domum nostram accessit nee quicquam idonei lucri exinde cepimus Hat er nicht obendrein unser Haus auch noch mit dem linken (wörtl.: schlechten) FUSS betreten, und haben wir nicht seither nicht einmal die Spur eines lohnenden Geschäfts gehabt? EBD. 6,26. 22 Mlat. Vestimur caltgis ex omni parte sinistris, Aduersts quotiens includimur undique fatts Wir ziehen uns ganz und gar linke Stiefel an, sooft wir von allen Seiten her von 23 widrigem Geschick umgeben werden EGBERT., FEC, RAT. 1,989. Sinistro pede palatiutn ingressus Er ist mit dem linken FUSS in den Hof eingetreten PETRARCA, EP. 110 (Farn. 19,9).

3. s. Inhaltsübersicht H. U. S.

Anmerkungen 1

2

Die Ausg. erläutert, dass in Irland „segnen mit der linken Hand" als euphemistische Umschreibung für „verfluchen" verwendet werde. Vgl. VULG., IUD. 3,15: Qui (seil. Aod) utraque manu pro dextera utebatitr Welcher (Ehud) beide Hände wie die rechte brauchte, u. LUTHERBIBEL, RIGHT. 3,15: Der (seil. Ehud} war Linck Er (Ehud) war Linkshänder.

LINSE -» KÖNIG 113, WUNDER 7.

3

LIST

LIPPE / levre / lip Vgl. MUND 1. Wem die Lippen herabh ngen, der weint leicht (1-4) 2. Die Lippen verehren Gott, das Herz ist ihm fern -* HERZ 191-194, 196, 198 3. Entsprechend den Lippen ist der Salat —* SALAT Ϊ -8 4. Zwischen Lippe und Becher (S-lS). Vgl. MUND 16.

1. Wem die Lippe herabh ngen, der weint leicht 1 1 2 3 4

Fr. De ligier plore, qui la lippe pent Leicht weint der, dem die Lippe herabh ngt RAWLINSON 343 (= MORAW. 512). De petit pleure a qui la lippe pend Wegen wenig weint der, dem die Lippe herabh ngt ET. LEGRIS 192. De legier pleure a qui la lippe pent bers, wie 3 CH. D'ORLEANS Rondeau 42 Refrain. Tost pleure a qui la lippe tend2 Schnell weint der, dem sich die Lippe verzieht J. MOLINET 578,275.

2.-3. s. Inhalts bersicht 4. Zwischen Lippe und Becher 5-7 Gr. Πολλά μεταξύ πέλει κύλικος και χείλεος ακροο Viel geschieht zwischen Becher und Lippenrand ARISTOT., FRG. 571. ZENOB. 5,71. GELLIUS 13,18,3. S. 9 Mgr. Πολλά μεταξύ πέλει κύλικος και χείλεος άκρου PS. DIOGENIAN. 7,46. ΜΑΚΑ10. n RIOS 7,31. Πολλά μεταξύ κύλικος και χείλεος άκρου GREG. GYP. 3,38. AP STOLIOS 12 14,46. Πολλά μεταξύ κύλικος και χείλεος Viel (geschieht) zwischen Becher und Lippe GREG. GYP. LEID. 2, 95. 13 Mlat. Multa cadunt inter calicem sttpremaque labra, inter os et off am Viel f llt herab zwischen Becher und Lippenrand, zwischen Mund und Bissen ERASM., ADAG. COLL. 14 12r ( — M U N D 322). Multa cadunt inter calicem supremaque labra. — Schau das nichts derzwischen kumm, schrey nicht zu fr e froe ... — Schau zu, dass nichts dazwi15 schenkommt! Frohlocke nicht zu fr h! HAUER 388 (= ZWISCHEN 2), Multa cadunt inter calicem supremaque labra ERASM., ADAG, CHlL, 1,5,1. Vgl. MUND 16.

V.M. Anmerkungen 1

Vgl.

2

Vielleicht sollte man mit Singer state tend wie in den ndern Sprw. der Gruppe pend lesen.

HASSELLL73,

LISPELN / zezayer / to lisp Vor gelispelten Worten h te man sich -> KIND 439, WORT 1318, 1332

1331-

LIST / ruse / cunning Hier auch ARGLIST, HEIMT CKE, HINTERLIST(IG), KNIFF, KUNSTGRIFF, LISTIG, R NKE, SCHLAU, T CKE, BERLISTEN Vgl. FUCHS, K NNEN, TR GEN, WEISE

LIST

4

1. Verbreitung der List 1.1. List ist allgemein verbreitet (l) 1.2. Gewisse Wesen sind besonders listig

1.2.1. Die Frau — FRAU 1.3.1.1., 208, 1.3.2.1., 218-226, 228-237, 1.3.2.3., 301, 983, 10191020, 1022, 1024-1026, 1032, 1400-1401 1.2.2. Der Fuchs -> FUCHS 1.2., 2l, 41, 78, 80, 93-94, 136, 235 1.2.3. Der Kuckuck — KUCKUCK 9. 2. Wertung der List 2.1. Positiv 2.1.1. Gut angewendete List ist erlaubt (2—4) 2.1.2. List macht sich bezahlt (5-8). Vgl. TRÜGEN 1.2. 2.1.3. List vermag viel 2.1.3.1. AI Ig. (9-10) 2.1.3.2, Spez. 2.1.3.2.1. List vermag mehr als Gewalt (11-18). Vgl. FUCHS 3.1., WEISE 4.1. 2.1.3.2.2. List vermag mehr als Klugheit (19) 2.2. Negativ: List ist verwerflich und verdächtig (20-25). Vgi. LÜGEN 3.1.2., TRÜGEN 1.1. 3. Gegen List kommt nur List auf 3.1. List gegen List (26-47). Vgl. DIEB 2,2.4.,-GLEICH 5., LÜGEN 8.5., SCHLECHT 6.11.1.2., TREUE 4,2,, TRÜGEN 2., 3.2., 4.1., UNTREUE 2.1.2., VERRAT 4., WORT 33.16. 3.2. Gleich Listige sind einander gewachsen (betrügen einander) (48—56), Vgl, ÄFFEN L, LÜGEN 8.5., TRÜGEN 2.

3.3. Es ist schwer, gegen Listige aufzukommen —* TRÜGEN 126. Vgl. TRÜGEN 5.2. 3.4. Auch Listige werden überlistet (57-63). Vgl. LÜGEN 8,5., SCHURKE 1.4., TRÜGEN 3.2,, 4.1,, UNTREUE 2.1.1., VERRAT 4. 4. Verschiedenes (64 — 68)

1. Verbreitung der List 1.1. List ist allgemein verbreitet 1 Dt. Wer nu an gevaerde st, Und alt si über siben far, Der hab dank Wer jetzt ohne Hinterlist ist und älter als sieben Jahre, der verdient Lob BONER 74,110.

1.2. s. Inhaltsübersicht 2. Wertung der List 2.1. Positiv 2.1.1. Gut angewendete List ist erlaubt 2 Dt. Der vriuntliche kündikeit Mit rehter fuoge kan began,, Dem hat dar an niht missetän Wenn einer List in freundlicher Absicht auf angemessene Weise anwenden 3 kann, hat er damit nichts Böses getan STRICKER, KL. GED. 4,308. Oesn bazze ich kündikeit nibt. Da si mit fuoge noch geschiht Darum verurteile ich List nicht, wenn sie 4 auf angemessene Weise angewendet wird EBD. 4,337. Ich habe dicke gehoeret singen unde lesen, Daz ein man mit listen mac ouch hulde vil erwerben Ich habe oft singen und sagen hören, dass einer mit List auch zu grosser Gunst kommen könne COLM. 55,59.

2.1.2. List macht sich bezahlt s It. Con arte e con inganno Se vive el ntezo anno: con inganno e. arte $e vife laltra parte Mit List und Betrug lebt man das halbe Jahr; mit Betrug und List lebt man die 6 andere Hälfte NUNEZ 1,254 (el Italiano). Pero si dice in Italia ehe per arte, e inganno

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LIST

si vine il mezzo anno: per inganno e arte si viue Valtra parte Darum sagt man in Italien: ... MERBURY 17. 7 Span. Faz arte, y caerte ha parte Wende List an, und es wird dir etwas zufallen! 8 LOPEZ(?), REFRANES 333. Haz arte, y caerte ha en parte NUNEZ II, 167. Vgl. TRÜGEN 1.2.

2.13. List vermag viel 2.1.3.1. Allg. 9 Fr. C'est l'art qui fait du blanc le noir, De la mensonge fait le voir Es ist die List, die aus weiss schwarz macht, aus der Lüge macht sie die Wahrheit REN. CONTR. 279 (= SCHWARZ 24). 10 Eng]. For craft is al, whoso that do it kan Denn List ist alles, wenn man sie beherrscht CHAUCER, MERCHANT'S T. E 2016.

2.1.3.2. Spez. 2.1.3.2.1. List vermag mehr als Gewalt 1) Mlat. ... Ui mu$ muscipula, uts solet arte capi Wie stets die Maus mit der Mausefalle (und) Gewalt mit List gefangen wird NIVARD., YSENGR. 1,398. 12 Fr. Subtilite vault mieulx, que force List ist besser als Gewalt NUNEZ 111,413 (el Frances). 33 Engt. Betere is liste pene ufel strende List ist besser als schlimme Gewalt LAYAMON 14 17211. Vor sop hit is fiat seide Alvred: Ne mat no strengpe ajen red. Oft spet wel a litte liste, Par muche strengpe solde miste Denn wahr ist, was Alfred sagte: „Keine Gewalt kommt gegen Vernunft auf. Oft hat ein wenig List guten Erfolg, wo grosse is Gewalt (ihren) Lohn verfehlte" EULE u. NACHT, 761. Many do more ivyth crafte and connyng than with myght and strengthe Manche erreichen mehr mit List und Klugheit als mit Kraft und Gewalt CAXTON, REYNARD 10 (20,2). 16 Nl. Hets menich, die met liste can Dat werken, ende met goeden rade, Dat hi met erachte niet ne dade Es gibt manchen, der mit List und mit Klugheit das bewerkstelligen 17 kann, was er mit Kraft nicht könnte (wörtl.: täte) WILLEM, REINAEKT 1034, List doet oic op menighen dach, Des die cracht niet doen en mach List vollbringt auch oft, was die Kraft nicht zu vollbringen vermag POTTER, MINNENLOEP 2,3807, 15 Dt. Mit liste wirt gewalt zerstoert, Recht als daz viur daz ts enpfroert Durch List wird Gewalt zunichte gemacht, genau wie das Feuer das Eis zum Schmelzen bringt BONER 16,49. Vgl. FUCHS 3,1., WEISE 4.1. 2.1.3.2.2. List vermag mehr als Klugheit 19 It. Astuzia vince senno List besiegt Verstand ARETIN, RAGIONAMENTI II, 167.

2.2. Negativ: List ist verwerflich und verdächtig 20 M l a t . Mens infecta dolis et verbis tecta serenis Est pixis depicta forts, sed plena venenis Eine Gesinnung, die von List verseucht ist und durch heitere Worte verborgen 21 wird, ist eine aussen bemalte Büchse, (innen) jedoch voller Gift AVIAN. PROS, 324, Ctti sunt cura doli, cui fraus, huic credere noli! Wem List und Betrug ein Anliegen sind, 22 dem vertrau nicht! WERNER- c 163. Credäs, humorern quo monstret callidus, ignem 23 Man könnte glauben, dort, wo der Listige Wasser zeige, sei Feuer MSD 27,2,29. Credas, humor em cum monstrat callidus, ignem Wenn der Listige Wasser zeigt, könnte man glauben, es sei Feuer WERNER 2 c 129.

LIST

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24 Dt. Wizzetj swer swarze kündikeit Ze wizer und siebter wärheit leit, Daz der vil boesen Ion enpfehet Swenne er dem swarzen rihter nehet Wisst, dass derjenige, der schwarze List zu weisser, schlichter Wahrheit legt, ganz schlimmen Lohn empfängt, 25 wenn er sich dem schwarzen Richter nähert! HUGO v. TRIMBERG 8851. Vortheil tregt auch nit allmal für. Durch vortheil wirt ein man verechtüch, Bey frumen außgschert und verdechtlich List nützt auch nicht immer. Durch List wird einer verächtlich, bei den Guten ausgestossen und verdächtig SACHS III, 179,19 (1540). Vgl. LÜGEN 3.1,2., TRÜGEN 1.1.

3. Gegen List kommt nur List auf 3.1. List gegen List 26.27 Lat. Sie ars deluditur arte So wird List durch List überlistet PS. CATO, DIST. 1,26 (vgl. WORT 1361). ROMULUS 72 Epim. (r. v.}. 28 M l a t . Arte artem eludens List durch List überlistend G. MALM., HIST. NOV. § 466. 29 Error in errorem crescit; frans fallitur ipsa, It dolus in fraudem, fit dolus ipse dolus Ein Fehler erzeugt einen ändern; der Betrug wird selbst betrogen, List wird zu Betrug, 30 und die List wird selbst überlistet VITAL. BLES,, AULUL. 727. fraude cadunt fraudes, falluntur et arübus artes, Obruiturque dolus praeveniente dolo Durch Betrug kommt Betrug zu Fall, und Listen werden mit Listen getäuscht; Heimtücke wird zunichte ge31 macht, wenn Heimtücke sie übertrifft NIGEL. WIREK., STULT. 48. Do/o dolum vincere 32 statuit Er beschloss, List durch List zu besiegen OTTO SANBLAS., CHRON. 61,3. Valli33 tur ars arte List wird durch List betrogen GERMANJA 18,63 (Hs. 1372). Nulla sto parte, si frans fallatur ab arte Ich ergreife keine Partei (wörtl.: Ich stehe auf keiner Seite}, wenn Betrug von List betrogen wird WERNER 2 n 287. 34 It, Imperoche ars deluditur arte; il nostro Cato Denn „List wird durch List überlistet", (so sagt) unser Cato ARETIN, MARESCALCO 20 (1,9). 35 S p a n , Co« una cautela otra se quiebra Mit einer List besiegt man die andere NUNEZ 36 1,237. Una cautela con otra se quiebra EBD. 111,472. 37 Nord. Ek mundi koma lata prett t moti prett Ich dachte daran, List gegen List zu setzen HROA i>ÄTTR 3 (+FMS V, 260). 38 Dt. List Wider list gesetzet ist List wird der List entgegengestellt GOTTFR, v. STRASS39 BURG, TRISTAN 13867. Der list mit listen wart wider listet schiere Die List wurde 40 alsbald mit Listen überlistet ALBR. v. SCHARFENBERG, J, TITUREL 3932. List gein listen 41 List gegen Listen HUGO v. TRIMBERG 8485. List list bedarf, ob si sol sin betrogen List verlangt nach List, wenn sie überwunden werden soll FRAUENLOB, SFR. 269,6. 42 So wert de kunst mit kunsten bedrogen So wird die List mit Listen überwunden STE43 PHAN, CATO ND. 709. Hie pei merke und derkenn, Wie man list mit listen temml Merk und erkenn daran, wie man List mit Listen eindämmt! WITTENWILER, RING 4524. 44 Fallacta alia aliam trudit, — List über list Ein Betrug bringt den ändern zu Fall. — ... 45 HAUER 132 (vgl. TRÜGEN 29). Darmit er ... Ein list mit andrem list vertreibt Damit 46 er eine List durch die andere vertreibe SACHS IX, 155,15 (1558). Wie er sich mächt am pfaffen rechen, Sein list mit gegenlist mächt brechen Wie er sich am Pfaffen rächen könnte und dessen List mit Gegenlist unschädlich machen könnte EBD. XXI, 238,2 47 (1563). Dergleich spricht man on hindernuß: Widergeltn unverboten ist, Das man bezalet list mit list Ebenso sagt man ohne Widerspruch: „Vergelten ist nicht verboten, (nämlich) List mit List heimzuzahlen" EBD. XXI,241, l (1563). Vgl. DIEB 2.2.4., GLEICH 5., LÜGEN 8.5., SCHLECHT 6.11.1.2., TREUE 4.2., TRÜGEN 2., 3.2., 4.1., UNTREUE 2.1.2., VERRAT 4., WORT 33.16.

LISTIG

48 49

50-54 55 56

3.2. Gleich Listige sind einander gewachsen (betrügen einander) Fr. Car ancontre voisex covient estre recuit Denn einem Schlauen gegenüber muss man abgefeimt sein J. BODEL, CHANS. DES SAXONS 2032. Mes membre tei d'un reprovier Ke jo te voil ore enseigner: Se H cointes set cloufichier, Li veziez set bien repleier Aber merk dir ein Sprichwort, das ich dich jetzt lehren will: „Wenn der Kluge zu nageln versteht, versteht es der Schlaue wohl, (den Nagel wieder) auszureissen"! Roa. DE Ho 2372 {mit Zus.). Encontre (MoRAW.: Contre) vezie recuit Gegen einen Schlauen einen Abgefeimten REN, 2, 808. MEON 11,237,46. CLERC DE VAUDOI {*Juß., N. REG. II, 145). HAUREAU VI, 68 (l3. Jh.). MORAW. 420. L'en seaut dire, e veirs est, ce cuit: Encontre vezie recuit Man pflegt zu sagen, und es isr wahr, glaube ich: ... J. DE MEUN, ROSE 7351. N o r d . Enn mun troll verda jafnsl> flagöi Wiederum wird ein Troll woht ebenso listig werden wie ein Trollweib GRIPLUR 5,40 {*JONSSON, ARKIV 414 [=JONSSON 168]). Vgi, ÄFFEN 1., LÜGEN 8.5,, TRÜGEN 2. 3.3. s. Inhaltsübersicht

57 58 59 60 61 62 63

64 65 66 67 68

3.4. Auch Listige werden überlistet La t. Versutus in versutia sua saepe decipitur Der Listige wird in seiner List oft betrogen ROMULUS 56 Prom. (r. v.). Fr. Les plus rouges sont (es premiers prins Die Listigsten werden zuerst erwischt LEROUX II, 334 (l5. Jh.). Les plus rouges y sont bien pris Die Listigsten werden dabei erwischt LA FOLIE DES GORRIERS (um 1465 [>SOTTIES 5,357]}. Car les plus rouges y sont prins Denn ... AMANT CORD. 1031. Car souvent les plus rouges gueux Y sont surprins, bien l'entendez Denn oft werden die listigsten Schelme dabei erwischt, beachtet das gut! CHANS. DU XV E s. 127,19. Affine est aucunes foys le fin Der Listige wird zuweilen überlistet GRINGORE 1,163. N o r d . Callidus opprimttur dum callidior reperitur. — Naar kyndhegh kommer tijl klogh tha hawer klogh tabeth Der Schlaue wird überlistet, wenn sich ein Schlauerer findet. — Wo der Schlaue zum Klugen kommt, da zieht der Kluge den kürzeren LÄLE 118. Vgl. LÜGEN 8.5., SCHURKE 1.4., TRÜGEN 3.2.,.4.1., UNTREUE 2.1.1., VERRAT 4. 4. Verschiedenes M l a t . Calliditas ita grata foretf si calleat unus Schlauheit wäre dann angenehm, wenn nur ein einziger schlau wäre EGBERT., FEG. RAT. 1,275. Arcus äoli insidiarum spiculum ladt Der Bogen der List entsendet den Pfeil der Hinterlist SAXO GRAMM. 146,29, Span. De los escarmentados se levantan los arteros Aus den Gewitzigten werden (wörtl.: erheben sich) die Schlauen 1 NUNEZ 1,293. AI astucioso su astucia le pierde Der Listige geht durch seine List zugrunde HALLER 170. Dt. Alle listicheit en batet alle tyt nicht. — Saepe doius caruit faustis sttccessibus omnis Alle List nützt manchmal gar nichts (wörtl.: nicht immer). — Oft ist alle List ohne Erfolg (wörtl.: glücklichen Ausgang) TUNNICIUS 106. R, L„ rev, E. D. Anmerkung 1

D.h. nach REFRANERO 168: Erfahrung macht klug.

LISTIG s. LIST

LOB

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LOB / louange / praise Hier auch LOBEN, LÖBLICH, LOBPREIS, LOBREDNER, PREIS (Lob), PREISEN, RÜHMEN, VERHERRLICHEN Vgi. EHRE, PRAHLEN, RUHM, WERT 1. Seibstlob, Eigentob 1.1. Man lobe sich (und sein Tun und Wissen} nicht selbst (l —22) 1.2. Man tobe und tadle sich nicht selbst (23-39. Vgl. 47, 127-129) 1.3. Nicht du selbst, sondern ein anderer lobe dich (40—48) 1.4. Eigenlob ist verwerflich und verhasst (49-54). Vgl. PRAHLEN 1. 1.5. Eigenlob ist (ohne fremde Zustimmung) wertlos und entehrend (55-80, Vgl. 48) 1.6. Eigenlob ist dreckig, besudelt und stinkt (81 -l09. Vgl. 43-44} 1.7. Eigenlob ist ein Zeichen von Torheit und Eitelkeit (110-123). Vgl. PRAHLEN 1.

1.8. Eigenlob erzeugt Neid -* NEID 172-173 1.9. Wer sich selbst lobt, heisst Lästertein (Schande!) (124-130) 1.10. Wen keiner lobt, der lobt sich selbst (131-133) 1.11. Wer schlechte Nachbarn hat, der lobt sich selbst — NACHBAR 68-83 1.12. Jeder lobt das Eigene 1.12.1. Allg. (134-137). — WARE 2 1.12.2. Spez. -> AFFE 21, BAD 44, HIRT 98, KRÄMER 5-6, NARR 321, PFAFFE 2*5, 217218, TIER 1-2, VOGEL 300-301 1.13. Verschiedenes (138-145} 2. Lob und Tadel (Verleumdung) Vgl, unten 3.3, 2.1. Man soll sich selbst weder loben noch tadeln s, oben 1.2. 2.2. Man soll nicht zuerst loben und nachher tadeln und schmähen (146-160) 2.3. Man empfindet Lob als angenehm, Tadel als unangenehm (161—165) 2.4. Man spricht viel eher Tadel als Lob aus —* SCHELTEN 1.3. 2.5. Man spende(t) dem Feind Tadel, dem Freund Lob (166 — 169) 2.6. Tadelnswertes loben und Lobenswertes tadeln ist schlecht (üblich) —' SCHELTEN 1.5., SCHLECHT 135 2.7. Tade! (Verleumdung) durch Böse und Narren ist ein Lob -> SCHELTEN 1,6,, SCHLECHT 320, 322, 327-330, VERLEUMDEN 44 2.8. Lob durch schlechte Leute ist soviel wie ein Tadel s. unten 3.9, 2.9. Schlechtes und übermässiges Lob ist soviel wie Tadel s. unten 3,7, —3.8. 2.10. Verschiedenes (l70-l73) 3. Wert und Wirkung des Lobes 3.1. Lob ist begehrt 3.1.1. Allg. (l 74). — EHRE 13. Vgl. EHRE 1.1. 3.1.2. Spez. — FUCHS 1.1., NARR 8.4.2. 3.2. Lob verdienen ist mehr wert als Lob erhalten (175 — 177) 3.3. Lob ändert nichts am Wesen (178-180) 3.4. Lob hat die Ware noch nicht verkauft -* VERKAUF 12-14 3.5. Unverdientes Lob ist werttos und schädlich (181 — 182) 3.6. Schlechtes und falsches Lob ist wertlos und trügerisch (183 — 186) 3.7. Schlechtes Lob ist soviel wie ein Tadel (187-190) 3.8. Zuviel Lob ist soviel wie ein Tadel und bringt wenig Ehre (191 — 195) 3.9. Lob durch schlechte Leute ist soviel wie ein Tadel (196). — SCHLECHT 318-319, 321, SCHURKE 97 3.10. Lob des Ehrlosen ist wertlos (197-198) 3.11. Lob des Schmeichlers ist nicht aufrichtig — SCHMEICHELN 13-14, 17, 20 3.12. Lob des Feindes ist wertvoll (wertlos) (199-201) 3.13. Lob im eigenen Land (Haus) ist von grösstem Wert (202—210). Umkehrung (211)

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3.14. Lob von guten und weisen Leuten ist wertvoll (212-213) 3.15. Lob fördert das Gute und regt zu mehr an (214-221). — GUT (Adj.) 506, 510 3.16. Verschiedenes f222-227j 4, Zweck und Absicht des Lobes 4.1. Man lobt etwas, das man verkaufen will —· VERKAUF 7-8, 10-1 4.2. Verschiedenes (228-230) 5. Vorsicht gegenüber Lob 5.1. Man verlasse sich nicht auf fremdes Lob, sondern auf sich selbst (231-243) 5.2. Verschiedenes (244-246) 6. Zeit, Art und Ort des Lobes 6.1. Man lobe nicht zu schnell (247-251) 6.2. Man lobe nichts (niemanden), bevor man es (ihn) geprüft hat und kennt (252-255). — FREUND 597-598, MENSCH 109, WORT 711-712, 760. Ähnlich f256; 6.3. Man lobe etwas erst, wenn es vorbei ist (257-258) 6.4. Man tobe (lobt) etwas erst am Ende —· ENDE 58, 74-75, 80, 83, 89, 93-94, 100, 106, 122, 124, 141-142, 151, 172, 175, 183. Vgl. ENDE 5 , 69, 97-99, 113, 116, 128, 134, 136, 154, 157, 162,316 6.5. Man lobe erst beim Abschied - SCHEIDEN 6. 6.6. Man lobe (lobt) den Tag erst am Abend — ABEND 27-32, 34-37, 39, 41-51, 53-65, TAG 145-149. VgL ABEND 33 6.7. Man lobe (lobt) den Wirt erst am Morgen -* ABEND 34, 36-37, 42, 46-47, 50, 68, TAG 146 6.8. Man lobe niemanden vor seinem Ende (259-262). -. ABEND 51, 53, LEBEN 1.3.2.5. 6.9. Man lobe nicht einmal beim Leichenmahl (während den Mahlzeiten) (263-267) 6.10. Man lobe nur mit Mass (268-286). Vgl. FREUND 802 6.11. Man lobe niemanden in seiner Gegenwart (287—292) 6.12. Verschiedenes (293-294) 7, Was und wer Lob verdient und erhält Vgl. oben 2.5. 7.1. Lernen und Wissen — LERNEN 29-30, 38-39, 42, 56, WISSEN 69 7.2. Mass in allem -» MASS (Massigkeit) 57, 152-153, 157, 160, WORT 72 7.3. Sieg über sich selbst — ZORN 52-53 7.4. Gnädig sein nach dem Sieg —· SIEG 75 7.5. Geben, Geber und Gabe — GEBEN 53-86, 89, 252, 321, 419-420, 425, 427-433, 596, 721,791, 793-794, 802, 807, 816-819, 830, GEIZ 250, HABEN 238, 251, NEHMEN 15 7.6. Gute und Gerechte (295-297). — GUT (Adj.) 215, 514 7.7. Der und das Geliebte (298-303, Vgl. 293) 7.8. Dreierlei: keusche Frau, guter Geselle und treuer Freund —* FRAU 1755 — 1762, 176-4 7.9. Tote — LEBEN 242, TOD 1300-1304 7.10. Besitzer und Besitztum — GELD 39, REICH 237-239, 242 7.11. Verschiedenes (304-306) 8, Was und wer kein Lob verdient (erhält) 8.1. Anfang ohne Ende -» ANFANG 255, ENDE 79-80, 94, 260 8.2. Rasch vergehende Liebe — LIEBE 1079-1083 8.3. Übermass — VIEL 109-112 8.4. Freigebigkeit bei Besitzlosigkeit -» GEBEN 444-446 8.5. Geiz-»GEBEN 7 285 8.6. Seibstvorwürfe — SCHELTEN 23-24 8.7. Beliebtheit bei Fürsten — HERR 7.6, 9. Voraussetzung und Ursprung wahren Lobes 9.1. Tugend verschafft Lob — TUGEND 34, 66 9.2. Das (gute) Ende bringt Lob — ANFANG 237-238, 247, ENDE 69, 74-75, 80, 82-83, 89, 97-98, 100, 106, 113, 116, 122, 124, 127-129, 141-142, 154, 157, 162, 175, 192-193, 218,316

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9.3. Das Werk lobt den Meister — WERK 79-94, 97-102. Vgl. oben Sl 9.4. Vereinzelt (307) 10, Verschiedenes (308-317)

1. Selbstlob, Eigenlob 1.1. Man lobe sich (und sein Tun und Wissen) nicht selbst 3 Fr. Mais »MS, ne chevaliers ne dame, Ne se doit par lui sol loer Aber keiner, weder Ritter noch Dame, soll sich allein von sich aus loben RAOUL DE HOUDENC(?), VENG. 2 RAGUIDEL 2274. Nuls sages ne se doit de chou qu'il fait vanter Kein Weiser soll sich 3 dessen rühmen, was er tut GILLES LI MUISIS 1,286, De se vanter doit l'en prendre garde Mart soil sich davor hüten, sich zu rühmen LEROUX 11,287 {15. Jh.). 4 Prov. Vostre saber, si tot s'es bos Ni cars, no lauzetz a las fens Euer Wissen, wenn es auch gut und trefflich ist, lobt ja nicht vor den Leuten! (Bohs) RAIMON VIDAL, ABRILS issi' 1687. 5 I t . No se de alcun laudar de soa propia boca Es soll sich keiner mit seinem eigenen 6 Mund loben PATEG 65. D/o dice nella Scrittura: Guarda ehe tu non laudi le tue opere Gott sagt in der Schrift: „Hüte dich davor, deine Werke zu loben!" TRATTATO DI VIRTÜ 7 34 S. 87. P er ehe sapete ben, ehe non conmene ehe l'uomo laudi le cose sue proprie Denn Ihr wisst wohl, dass es sich nicht gehört, dass der Mensch seine eigenen Dinge lobt CASTIGLIONE, CORTEGIANO 3 S, 199. s Span. Nin seas de ti mtstno e de tu fechos loador Lobe nicht dich selbst und deine 9 Taten! ARCIPRESTE 557. La cosa que el onbre deve callar aun que sea verdad, es alabarse a si mesmo Was der Mensch verschweigen soll, auch wenn es die Wahrheit ist, ist das, dass er sich nicht selbst loben soll ENF. SAGE KASTIL. 95. 10 D t . Sich selben nieman loben so!; Su>er frum ist, den gelobt man wol Niemand soll i l sich selbst loben; wer gut ist, den lobt man wohl FREIDANK 61,3. Dz« selbes lop gar 12 verbir Verzichte darauf, dich selbst zu loben! CATO 158. 5m selbes pris den sol ein man versteigen, Wil er sich selben hohen . mit lobe es mvz an wirde nider sigen Sein eigenes Lob soll einer verschweigen; will er sich mit Lob selbst erhöhen, muss er an 13 Würde niedersinken ALBR. v. SCHARFENBERG, J. TITUREL 4501. Dein selbs lob verpir, Lasz dich loben nit ze vil Verzichte darauf, dich selbst zu loben; lass dich (auch) nicht 14 zuviel loben! HÄTZLERIN 2,70,92. Ob ez mir ist ergangen wol, Da von ich mich niht ruemen sol; Wen ruemen daz ist Got[e} leit Wenn es mir gut ergangen ist, soll ich mich dessen nicht rühmen; denn (sich) rühmen, das ist Gott verhasst ZWINGAUER, SCHWANG. 15 MÖNCH 249 (+HAGEN, GA 24). Vir probus et largus commendatur sine fraude, Nemo tarnen propria se debet tollere laude. — Den fromen lobt man wol, Nymant sich selbtr lobin sol Ein rechtschaffener und freigebiger Mann zeichnet sich ohne Tauschung aus; dennoch soll sich niemand durch Eigenlob erhöhen. — Den Guten lobt man wohl, 16 niemand soll sich selbst loben FREIDANK LAT. (GÖRLiTZ) 1365. Sich selber nymant loben shol; Wer wol tutt, lobt sich selber wohl Niemand soll sich selbst loben; wer gut 17 handelt, lobt sich selbst genug KLAGENFURT 31. Lob dich zu mossen! daz stet wol, Sich selber nyman loben sol Lobe dich gar nicht, das ist gut! Niemand soll sich selbst is loben KELLER, ERZ. 538,31. Du so/t auch nimer ertoben Daz du dich beginnest loben Du sollst auch nie so von Sinnen kommen, dass du dich zu loben beginnst FACETUS 19 DEUTSCH 63 S. 232. Niemant geb im selber lob.' Niemand spende sich selbst Lob 20 FOLZ, SAL. u. MARK. (+FASTNACHTSP. 526,17). Freydanck ... Sich selber niemand loben soll Wer wol thut lobt sich selber wol Frei dank: „Niemand soll sich selbst loben. 21 Wer gut handelt, lobt sich selbst genug" AGRICOLA Nr. 214. Freidanck singet: Sich

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22 selber niemand loben soll, Wer wol that, lobt sich selbs wol EBD. Nr. 666. Freidanck singt: Sich selber niemand loben soll. Wer wol thüt, lobt sich selber wol EGENOLFF 242 v.

1.2, Man lobe und tadle sich nicht selbst 23 Lat. Nee te conlaudes nee te culpaueris ipse; Hoc. faciunt stulti, quos gloria vexat inanis Lobe dich nicht selbst und tadle dich auch nicht selbst! Das tun die Narren, welche eitle Ruhmsucht plagt PS, CATO, D IST. 2,16. 24 Mlat. Nemo sibi culpam vel laudem conferat umquam; Conuenit hoc uams quos gloria uexat inanis Niemand soll sich je tadeln oder loben; es passt dies zu Prahlern, 25 die eitle Ruhmsucht plagt CATO NOVUS 121. Scriptum est, nee te collaudes nee te eulpaveris ipse; hoc faciunt stulti, quos gloria vexat inanis Es steht geschrieben: „Lobe dich nicht selbst und tadle dich auch nicht selbst! Dies tun die Narren, welche eitle 26 Ruhmsucht plagt" IAC. VORAG., LEG. AUREA 172 S. 790. Nemo sibi culpam nee laudem conferat umquam! Niemand soll sich je tadeln oder loben WERNER 2 n 38. 27 Fr. Se me erois ne te löeras, Ja nul jor ne te blasmeras. Plusors le font par vainne gloire; Ce ne leur vaust pas une poire Wenn du mir glaubst, wirst du dich nie loben noch tadeln; viele tun dies aus eitler Ruhmsucht; das hat ihnen aber keine Bohne 28 (wortl.: Birne) genützt J. DE PARIS, CATO 507. Ne vous loeis jai ne blameis, car e'est costume de fol que vainne glore demoinet Lobt Euch nie noch tadelt Euch; denn das 29 ist die Gewohnheit eines Narren, den eitle Ruhmsucht verführt CATO LOTHR, 89. De toy löer ne te doiz entremettre, Ne de blamer, ee te deffent la lettre. Blame pour mal et loz pour la victoire Quierent les folz menez de vaine gloire Du sollst dich nicht darauf verlegen, dich zu loben oder zu tadeln, das verbietet dir das Sprichwort. Tadel für Schlechtes und Lob für den Sieg begehren die Narren, verführt von eitler Ruhmsucht J. LEFEVRE, CATO 325. 30 It. E dicea (seil. Aristotile) ehe l'uomo non dee parlare di se ne in lode ne in biasimo; ehe a lodarsi e vanitade, e biasimarsi e follia Und er (Aristoteles) sagte, dass der Mensch weder lobend noch tadelnd von sich sprechen soll; denn sich zu loben ist Eitelkeit, sich zu tadeln Torheit FIORE DI FILOSOFI 11. 31 N o r d . Sjalfan sik Skyldi seggja bverr Lasta eigi ne lofa: Peir pat gera, Er gegnir erut Qk vilja po heimsskraut hafa Jeder sollte sich selbst weder tadeln noch loben. Diejenigen tun dies, welche nicht tüchtig sind und doch den Ruhm der Welt haben wollen 32 HUGSVINNSMÄL 72. Svo er ritat, at hvarki skuli maör lofa sik ne lasta, pviat pat gera heimskir menn, peir er ser leita hegomligrar dyrdar So ist es geschrieben, dass ein Mann sich weder selbst loben noch tadeln soll; denn das tun die Toren, diejenigen, die sich eitlen Ruhm suchen HEIL M. s. 1,403,19 {Katerine saga). 33 Eng l. Ne do pu nader, ne pe sylfen ne here, ne pe sylfen ne leh; azigöer p&re is dysigre manna peaw, pe swineaö &fter idele gelpe Tu keines von beidem, lobe dich weder selbst noch klage dich an! Beides ist törichter Männer Brauch, die nach eitlem Ruhm streben 34 EARLY Ho M. 5,7. For in is boke pe wise Man: Catun seith al~$o: Pat Man ne schal htm-sulue preist: ne blamie no-pe-mo, For so doth foles pat wilniez muche: ofjelpingue and of sunne Denn in seinem Buch spricht der weise Mann Cato so, dass man sich selbst nicht loben soll noch auch tadeln; denn das tun die Narren, die viel wünschen 35 an Ruhm und an Sünde LEGENDARY 25,41. Nee te collaudes, nee te eulpatteris ipse: Hoc faciunt stulti, quos gloria vexat inanis. — Tei ne deuez loyer Ne tei meymes blamer, Ceo eyez en memorie; Kar se fount i eeus Ke saunt brieons e fous E pleyn de veyne glorie. — Preise no mon him-seluen, Ne blame him-self also; So dan foles, pat veyn glorie Trauaylep euer-mo Übers, wie 23, — Du sollst dich selbst weder loben noch tadeln, halte[t] dies in Erinnerung; denn das tun diejenigen, welche Toren und Narren

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sind und voll von eitler Ruhmsucht. — Keiner lobe sich selbst, noch tadie er sich auch. So handeln die Narren, welche stets die eitle Ruhmsucht plagt VERNON MS. 50,345. Preyse no pt seife, ne lak not py nowgh werk Lobe dich nicht selbst, noch schm he dein eigenes Werk! RYLANDS fo. 10 v. 1 Dt. Sich daz du nimmer so ertobest Daz du dich scheidest oder lobest: Toren tuont dicke also, Die ppic loben machet vro Sieh zu, dass du nie so von Sinnen kommst, dass du dich tadelst oder lobst! Toren handeln h ufig so, die berm ssiges Loben erfreut CATO 289. Aristoteles s gt de here In stme boke de lere: Ji en sholen ju sulven loven nigt, O'k jo nigt l steren wat geshigt Der erhabene Aristoteles spricht in seinem Buch die Lehre aus: „Ihr sollt euch nicht selbst loben und euch auch nicht tadeln, was (immer) geschieht"2 LAIENDOCTR. 106. Wiss, du scholt dich selten Loben oder schelten! Wisse, du sollst dich nie loben oder tadeln! WITTENWILER, RING 4915. Vgl. unten 47, 127-129

1.3. Nicht du selbst, sondern ein anderer lobe dich 40 B i b l . Landet te alienus, et non os tuum Ein Fremder soll dich loben und nicht dein 41 eigener Mund VULG., PROV. 27,2. Las dich einen ndern loben, vnd nicht deinen Mund Lass einen ndern dich loben und nicht deinen eigenen Mund! LUTHERBIBEL, SPR. 27,2. 42 M l a t . Alterius potius quam tua laus tibi sit Du sollst eher das Lob eines ndern 43 haben als dein eigenes ABAELARD,, ASTRALAB. 166. Ymnificet de te tua non, sed vox atiena, Nam bene festivos stercorat illa viros Nicht deine Stimme soll einen Lobgesang ber dich singen, sondern eine fremde; denn jene besudelt artige M nner sehr HENRIC. 44 SEPT. 895 (vgl. unten 1.6.}. Quoniam scriptum est· os alienum te cotnmendet et non proprium, quia omnts laus in proprio ore sordescit Da geschrieben steht: „Fremder Mund soll dich loben und nicht der eigene; denn jedes Lob im eigenen Mund wird unrein" MAYN. MAYNER., DIAL, GREAT. 46 S. 188,31 (vgl. unten 1.6.). 45 Pro v. Et es mager cortezia Que sos laus es pels paes Per autruy que per el mes Und es ist feinere Art, wenn das eigene Lob durch einen ndern ber die L nder {verbreitet worden) ist als durch sich selbst BERN. MARTI 5,69, 46 Dt. Sich r emet manic man, Daz er vil Wunders hab getan, Und im st h her prts geschehen, Liez er des ander Hute jehen, Daz st ent im lobelichen an Mancher lobt sich (selbst daf r), dass er viele Heldentaten vollbracht habe und ihm grosses Lob zuteil geworden sei. Es st nde ihm wohl an, wenn er andere davon sprechen Hesse FLEIER, 47 GAREL 4095, Ein vr mder munt sol loben mich; Dm munt sol ouch nicht schelten dich Ein fremder Mund soll mich loben; dein Mund soll dich auch nicht tadeln BONER 48 68,49 (vgl. oben 1.2.}. Dat lof seal k rnen van deme houe Dines nagebures, so ist vormert; Egen lof is nichtes wert Das Lob soll vom Hof deines Nachbarn kommen, so ist es bekannt; Eigenlob ist nichts wert STEPHAN, CATO ND. 1198 (vgl. unten 1.5., 224).

1.4. Eigenlob ist verwerflich und verhasst 49 Gr. Ουδέν ούτως άκουσμα φορτικόν ως ό καθ' έαυτοΰ έπαινος Es gibt keine so verwerfliche Rede wie Selbstlob STOB., ANTH. 3,12,21 (Themistios}. 50 It. Converebbe essere me laudatore di me medesimo, la qu l cosa e al postutto biasimevole a chi lo fae Ich m sste mein eigener Lobredner sein, was berhaupt tadelnswert ist f r den, der es tut DANTE, V. N. 28 S. 205. 51 Dt. Papias: Eins meinsters werck yn loben sol; Lobt er sich selb, daz stet nit wol Papias: „Eines Meisters Werk soll ihn loben; lobt er sich selbst, schickt sich das gar 52 nicht" WERNER, BEITR, 178,169 v, 14 (14. Jh.). In proprias laudes odiosa iactatio est. — Eygen lavinge is gebatet Prahlerei zum Eigenlob ist verhasst. — Eigenlob ist verhasst

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53 MURMELLIUS 21. Eygen r hüm ist lesterns wer dt Eigenlob ist tadelnswert FRANCK 54 1,40 v. Eygen rhüm ist lasters werdt EGENOLFF 301 r. Vgl. PRAHLEN 1.

1.5. Eigenlob ist (ohne fremde Zustimmung) wertlos und entehrend 55 B i b l . No« enim qui se ipsum cotnmendat, ille probatus est, sed quem Deus commen56 dat VÜLG., II COR. 10,18. Denn darumb ist einer nicht tüchtig, das er sieb selbs lobet, Sondern das fn der Herr lobet LUTHERBIBEL, EBD. 57 Ml a t. Quisquis se laudat multum sibi detrabit ipse-r Landet se factis, ore tacente suo Jeder, der sich viel lobt, setzt sich selbst herab. Er lobe sich durch seine Taten, während 58 sein Mund schweigt ABAELARD., ASTRALAB. 182. Est sine fulgore laus, que proprio fluit ore Lob, weiches vom eigenen Mund fliesst, ist ohne Glanz NIC, BIBERA 266. 59 Qui se ipsum commendat, non ille probatus est Wer sich selbst lobt, ist noch nicht als 60 tüchtig erwiesen PS. C^RILL. 1,26 S. 34,15, Noli tu quicquam rerum laudare tuarum, Ni sit ab alterius ore probata priust Lobe du nichts von deinen Dingen, wenn sie nicht 61 zuvor vom Mund eines ändern gebilligt worden sind! WERNER 2 n 100. Qui sibi dat laudem, laudis privatur honore Wer sich selbst Lob spendet, beraubt sich der Ehre des Lobes EBD. q 128. 62 Fr. Tens vaut petit, gut mout se he Der ist wenig wert, der sich viel lobt CRESTIEN, 63 EREC 4436. Amis, sauoir devez Qui en son bien se glorefie, Que son bien ne valt une alie Freunde, ihr sollt wissen, dass, wenn einer sich mit seiner Wohltat verherrlicht, seine Wohltat keine Beere wert ist MEON 11,348,546. 64 It. Non lauda propria di proprio laude Eigenlob über das Eigene ist kein Lob (wörtl.: 65 lobt nicht) FRANCESCO DA BARB., Doc. 11,229. Quando uno huomo si loda lui medesinio, il suo honore gli torna a uergogna; et quando altro h loda, egli ne e pregiato di meglio Wenn ein Mensch sich selbst lobt, wendet sich ihm seine Ehre zur Schande, und wenn ihn ein anderer lobt, wird er dadurch um so mehr geschätzt LANCILLOTTQ 14. 66 Span. Ca el que mucho (Ausg.: muncho] se alaba, de $t misrno es denostador Denn 67 wer sich viel lobt, beschimpft sich selbst ARCIPRESTE 557. Porque la mesma loor En tu boca Non ensal$a, mas apoca Tu valor Weil das eigene Lob in deinem Mund deinen Wert nicht vermehrt, sondern vermindert LOPEZ, PROV. 61. 68 Dt. Swer sich lobt und priset, Der hat nieman, der in lobe, Wan im lit diu schände obe, Als ir tuot ze dirre stunde; Allez lop im eigem munde Ervulet und verdirbet Wer sich selbst lobt und preist, der hat niemanden, der ihn loben kann; denn ihn besiegt die Schande, wie es euch zu dieser Stunde ergeht. Jedes Lob im eigenen Munde verfault 69 und verdirbt HEINK. v. D. TÜRLIN 9855. Min eines loben ist ein wiht, Volgents ander liute niht Mein eigenes Lob ist nichts, wenn ihm die ändern nicht folgen FREIDANK 70 61,1. Swer sich lobt al eine, Des top ist leider kleine Wer sich allein lobt, dessen Lob 71 ist leider klein EBD. 61,5, Swer sich lobet aleine, Des ere ist leider kleine ... dessen 72 Ehre ist leider gering FREI D AN (PAUL) 703. Lop, daz von eigem munde gäf, Daz ist 73 nicht lop Lob, das vom eigenen Munde kommt, ist kein Lob BONER 68,45. Laus mea non prodest, hominum si laus mihi non est, Omnis laus siquidem proprio vilescit in ore. — Mein eigens lob ist entwicht, Und vorbringen is ander levt nicht Mein eigenes Lob nützt nichts, wenn ich nicht das Lob der Menschen habe. — Mein eigenes Lob ist überhaupt nichts, wenn es die ändern Leute nicht vorbringen FREI DANK LAT. (GöRLiTz) 74 116. Wer sich selber lofet, Sin lop nit wol enhofet Wer sich selbst lobt, dessen Lob 75 bringt wohl keine Ehre SAL. u. MARK. 245. Und der vil lobt sein aigen leib, Secht, der hat lützel er davon Und wer sich selbst oft lobt, seht, der hat davon wenig Ehre! 76 OSWALD v. WOLKENSTEIN 121, 51. Ob du übertreffest in frumkeyt Eines ändern mannes gelegenheyt, Noch lob dich selbs dorumb nicht; Wann aygens lob ist gar enwicht

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Wenn du eines ändern Mannes Art an Tüchtigkeit übertriffst, dann tobe dich deswegen dennoch nicht; denn Eigenlob ist ganz und gar nichts! FACETUS DEUTSCH 110 S, 165. Wann lob von eygim munde Wirt böse an aller stunde Denn Lob aus dem eigenen Mund wird stets wertlos EBD. 63 S. 232. Vor rome dik nicht, wen me dy lovet; Wente dyn egben lof nicht en hovet Rühme dich nicht, wenn man dich lobt; denn dein eigenes Lob bringt nicht Ehre! EBD, 79 S. 276. Freydanck singet ... Der alle zeit sich $elbs lobt allayn, Des hb ist schwach und allzeit kleyn ... Wer sich selbst stets allein lobt, dessen Lob ist stets schwach und gering AGRICOLA Nr. 666, Freidanck singt ... Der allzeit sich selbs lobt allein, Des lob ist schwach, gering vnd klein EGENOLFF 242 v. VgL oben 48

1.6. Eigenlob ist dreckig, besudelt und stinkt 81 Mlat. Laus in proprio ore sordescit Lob im eigenen Munde wird unrein AVIAN. PROS. 82 329. Ut nunquam illo vulgari iuste valeant proverbio denotari, Quo fertur, ornnem in ore proprio sordescere laudem Damit man nie zu Recht mir jenem volkstümlichen Sprichwort auf sie hinweisen kann, mit dem man sagt, dass jedes Lob im eigenen 83 Munde unrein werde ANDR. CAP. 22. Si quemuis superexcelles probitatis honore, Non iactes, quia laus proprio sordescat in ore Wenn du etwa irgendeinen an Ehre, die deine Rechtschaffenheit dir einbringt, übertriffst, dann prahle nicht, da Lob im eigenen 84 Munde unrein wird! FACETUS 77. Laus sordet propria, laus nobilis est aliena Eigenlob 85 ist unrein, fremdes Lob ist rühmlich PRO v. WR ATI s LAV. 298. Laus mea sordet eo, quod venit ore meo Mein Lob ist deshalb unrein, weil es aus meinem Mund kommt 86 WERNER 2 l 29. Laus nostro more proprio sordescit in ore; Laus sordet propria; laus nobilis est aliena Es ist bei uns Brauch, dass Lob im eigenen Mund unrein wird. Eigen87 lob ist unrein, fremdes Lob ist rühmlich EBD. l 30. Laus [tua] cum decore proprio sordescit in ore Dein Lob im eigenen Munde wird zusammen mit der Ehre unrein EBD. 131. 88. $9 Fr. Qui se he si s'enboe Wer sich lobt, besudelt sich LEROUX II, 405 (13. Jh.). Ki se toe, si s'enboe PROV. RUR. 58 (= Mo RAW. 2128).3 90 It. Chi si loda si s'imbroda Wer sich lobt, besudelt sich PAOLO DA CERTALDO 215 91 S. 138. Chi si loda, s'imbroda MERBURY 8. 92 Dt. Ist daz dich ieman loben wil Und dir erunge bewisen vil, Des berüeme dich ze keiner stunt; Wen lop stinket uz eigenem munt Wenn dich jemand loben und dir viel Ehren erweisen will, dann rühme dich dessen nie; denn Lob aus eigenem Mund stinkt! 93 FACETUS DEUTSCH 58 a S. 50.

Lov unde prys in eigen mund Dat is unreine in aller

94 stund Lob und Preis im eigenen Munde, das ist jederzeit unrein LAIENDOCTR. 106. Is das dich ymant irhogen wil Von deiner ere adir fromkeit ane czil, Des berume dich czu keynir stundt; Wenne eygen hub styncket in dem munde Wenn dich jemand unaufhörlich erhöhen will wegen deiner Ehre oder Tüchtigkeit, dann rühme dich dessen nie; 94a denn Eigenlob stinkt im Munde! FACETUS DEUTSCH 80 S. 140. Aigen hb stinket in 95 dem munde STEINHÖWEL, AESOP 357, ... So doch der wisz man gibt vrkund Das, lob stinck, vsz eym eigenen mundt Während doch der Weise davon Zeugnis ablegt, dass 96 Lob aus dem eigenen Mund stinke BRANT, NARRENSCHIFF 46,11. Ob yemans überhebet sich Das er von ere vnd gut syg rieh Nit ruem dich, dann zu aller stundt Lob stinckt vsz eym eygnem mundt Wenn jemand sich dessen überhebt, dass er an Ehre und Gut reich sei, dann rühme dich nicht; denn Lob aus dem eigenen Munde stinkt jederzeit! 97 BRANT, FACETUS 273. Dyn hb saliu nit selber mere, Du siehst from, rich ader vol eren; Ich will dir das thun kunth: Eygen lob stinket gern in synem mundt Dein Lob sollst du nicht selber mehren, auch wenn du tüchtig, reich oder angesehen bist; ich will dir dies kundtun: Eigenlob stinkt leicht im eigenen Munde FACETUS DEUTSCH 70 S. 210.

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98 Tud dy we haven sik an ere, Des hebbe van my desse lere: Berome dy des nicht alto vil, Wente eghene lof stinken w'd Setzt dich einer an Ehre über sich selbst, dann empfange von mir diese Lehre: Rühme dich dessen nicht allzuviel; denn Eigenlob pflegt zu 99 stinken! EBD. 82 S, 258, Eigen lof dat stinket. - Non te laudabis; proprio laus foetet in ore Eigentob, das stinkt. — Du sollst dich nicht loben; Lob im eigenen Munde stinkt 100 TUNNICIUS 1057. ,Eygen lob stincket', spricht Salomon LUTHER, WA VIII, 150,31 301-303 (1521). Eygenlob stinckt EBD. XVII.2,143,2 (1525). AGRICOLA Nr. 214. Eigen 104 lob stinckt LUTHER, WA XIX,409,2 (1526). Eigen lob stinckt gerne EBD. 105-308 XXXIH,512,40 (1531). Eigen lob stincket EBD. XLI,514,15 (1536). Eygen lob 109 stinckt FRANCK 1,40 v. 1,133r. EGENOLFF 113r. Eygen lob stincket EGENOLFF 301 r. Vgl. oben 43-44 110 n3

312 113 114 315 316 337 i is

9 120.12? 322.123

1.7. Eigenlob ist ein Zeichen von Torheit und Eitelkeit Lat. Stultus se ipsum laudat Der Narr lobt sich selbst ROMULUS 46 Prom. (r. v.) (=NARR3i9). Mlat. Idem Aristoteles de semetipso in neutram partem loquendum esse dicebat, quoniam laudare se vani, et vituperate. set stulti est Aristoteles sagte auch, dass man über sich nach keiner von beiden Seiten reden dürfe, da es die Art eines Prahlers sei, sich zu loben, und die Art eines Narren, sich zu tadeln IOH. SARESB., POLICRAT. 771 B. Alterim laudes moderate dicere laudo, Sed proprias nemo, si sapit, ipse refert Ich gebe den Rat, das Lob des ändern massvoll auszusprechen; das eigene aber bringt niemand vor, wenn er bei Verstand ist FACETUS (MOREL) 13. It. Perche chi si loda e vano e chi si biasima e pazzo Denn wer sich selbst lobt, ist eitel, und wer sich selbst tadelt, ist töricht ARLOTTO 210,49, Dt. Die when jehent, swer sich lobe Sunder volge, daz er tobe Die Weisen sagen, dass der, welcher sich ohne Zustimmung lobe, nicht bei Verstand sei RUD. v. EMS, GUT. GERH. 37. Merket, swer sich selbe lobet Ane volge, daz er tobet Merkt, dass der, welcher sich ohne Zustimmung lobt, nicht bei Verstand ist! FREIDANK 60,23. Ez dunket etsltche wie ich tobe, Daz ich mir (lies: mich)4 selbe so wol gelobe Es kommt manchen so vor, als ob ich nicht bei Verstand sei, wenn ich mich selbst so schön lobe ULR. v. ESCHENBACH, ALEX. 5049. Ich waene, daz er sere tobet, Wer unverschult sich selber lobet Ich glaube, dass der gar nicht bei Verstand ist, der sich selbst grundlos lobt BONER 68,55. In propriam laudem quern tollit gloria vana, Ni constet reliquis, mens Ulms est male sana. — Merck, wer sich selber lobt, Sein solch (lies mit den ändern Hss.: Ane volge), aast da (lies: der, Red,} tobt Wen der eitle Ruhm zum Eigenlob fortreisst, ohne dass er für die übrigen feststeht, dessen Verstand ist nicht gesund. - Merke, dass der, welcher sich ohne Zustimmung selbst lobt, nicht bei Sinnen ist! FREIDANK LAT. (GÖRLITZ) 112. Freydanck. Man merckt bald wer sich lobet, Daß er in narrheyt wuetet und tobet Freidank: „Man merkt schnell, dass der, welcher sich lobt, in Narrheit wütet und tobt" AGRICOLA Nr. 214. Wer sich selbs lobt, der ist ein narr, wer sich selbs schendet (tadelt), der ist unsynnig (nicht bei Sinnen) AGRICOLA Nr. 665. Nr. 666. Wer sich selbs lobt ist ein narr, Wer sich selbs schent, ist gar unsinnig (ganz und gar nicht bei Sinnen) FRANCK II, 50 v. EGENOLFF 51 v. Vgl. PRAHLEN l. 1.8. s, Inhaltsübersicht

1.9. Wer sich selbst lobt, heisst Lästerlein (Schandel) 124.125 Dt. Wer sich selbst lobt, der haist schantl PRAG 64. Wer sich selbs lobt, heyßt der 126.127 lesterlin FRANCK 1,40 v. Der sich selbs lobt, der heyßt der lesterlin EBD. 1,133 r. Der

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sich selbs lobt, heyßt lesterlin, Schilt er sich dann, so ists nit fein Wer sich selbst lobt, heisst Lästerlein. Tadelt er sich dann, so ist es nicht schön EBD. 1,152 r (vgl. oben 1.2.). 128.129 Wer sich selbs lobt, der heyßt der lesterlin, schendt (tadelt) er sich dann, er hat kein 130 sinn (ist er nicht bei Verstand) EBD. II, 50 v. EGENOLFF 51v (vgl. oben 1.2.), Wer sich selbs lobt, heißt lasterlin EGENOLFF 301 r.

1.10. Wen keiner lobt, der lobt sich selbst 131 M l a t . Postremo sequor tritum illud vulgi proverbium, quo dicitur is recte laudare sese, cut nemo alias contigit laudator Schliesslicb greife ich jenes verbreitete Sprichwort des Volkes auf, in dem es heisst, dass der sich selbst mit Recht lobt, dem kein anderer Lobredner zuteil geworden ist ERASM., STULTITIAE LAUS 8. 132 Eng l. / wall preyse my seife Sen no man ehe wyll Ich werde mich selbst loben, wenn i.3.i es sonst keiner (tun) will RYLANDS fo. 10 v. / wyll prayse my-selfe, syn no man ellys wyll DOUCE (MS. 52) 60.

1.11. s. Inhaltsübersicht .1.12. Jeder lobt das Eigene 1.12.1. Allg. 134 Mlat. Laudat quisque suum, quamvis laudabile non sit Jeder lobt das Eigene, auch wenn es nicht lobenswert ist WERNER 2 l 23. 135 Fr. Car chascun si loe le sien Denn jeder lobt das Eigene GODEFROY DE PARIS 4812. 136 Dt. Malk lovet dot syne. - Cuique suum cordi laudat quod diligit omnis Jeder lobt das Seinige. - Jedem liegt das Seine am Herzen, jeder tobt, was er liebt TUNNICIUS 337 366. Eyn yglicher lobet das seine AGRICOLA Nr. 248. -» WARE 2

1.12.2. s. Inhaltsübersicht 1.13. Verschiedenes 138 M l a t . Si cut iactari probitas sine crimtne posset, Edidici pacem ferre decenter ego Wäre es erlaubt, sich seiner Fähigkeiten zu rühmen, so würde ich sagen, dass ich gründlich gelernt habe, den Friedensschluss geziemend zu geben (Schönfelder) NIVARD., 339 YSENGR. 7,79. Cumque suam reticet laudem, vicinia dicet Und wenn er sein Lob 140 verschweigt, wird es seine Nachbarschaft singen NIC, BIBERA 269. Est laudis plena propria sine laude camena Ein Lied ohne Eigenlob ist lobenswert WERNER 2 e 62. 141 It. Et di questo parla il Savio, quando dice : — Chi non si loda, si e lodato Und davon spricht der Weise, wenn er sagt: „Wer sich nicht lobt, wird gelobt" TAV, RIT. 1,34 Kap. 142 10. Ne come quel facciano Che per lodar se stesso ahn riprende Noch wollen wir wie jener handeln, welcher andere tadelt, um sich selbst zu loben GUGLIELMO IL GIUGGIOLA (+ CANTI CARNASC. B 49). 143 N o r d . Qui iactando vocat se iustum: tempus is occat. — Det er ey leyest äff daghen at man sig selffuer roser Wer sich durch Prahlen gerecht nennt, der verliert die Zeit. Der Tag ist nicht zu Ende (wörtL: Das ist nicht das Niedrigste vom Tag), weil man sich selbst lobt5 LALE 1206. 144 Dt. Swer sich gerüemet alze vil, der kan der besten maze niet Wer sich zuviel rühmt, 145 der kennt das richtige Mass nicht DIETM. v. EIST (*MF 33,33). Eygner rhüm stet nyemand wol an dann dem alter Eigenlob steht niemandem gut an an ausser dem Alter FRANCK I, 90 r.

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2, Lob und Tadel (Verleumdung) Vgl. unten 3.3. 2.1, s. Inhaltsübersicht 2.2. Man soll nicht zuerst loben und nachher tadeln und schmähen 146 La t. Laudaris quodcumque palam dictuque probaris, Hoc vide ne rursus leuitatis crimine damnes Sieh zu, dass du nicht alles, was du offen gelobt und mit Worten gebilligt hast, wieder verurteilst und dir so den Vorwurf der Leichtfertigkeit zuziehst (worth: unter der Anschuldigung der Leichtfertigkeit)! PS. CATO, DIST, 4,25. 147 M l a t . Si quis damnabit quod primitus ipse probauit, Talis iaudator leuitatis habetur amator Wenn einer verurteilen wird, was er ursprünglich selbst gelobt hat, dann wird ein solcher Lobredner für einen Anhänger der Leichtfertigkeit gehalten CATO NOVUS Its 257, Si quis damnabit, quod primitus ipse probabit (lies: probarit}6 Talis Iaudator levitatis habetur amator WERNER 2 s 115. 149 Fr. Quant ameras aucunne riens, Lores de lui löer te tien, Car se apres l'a[s] enba'te, Du blasmer sera villanie Wenn du etwas liebst, dann verzichte darauf, es zu loben; denn wenn du es nachher zu hassen begonnen hast, ist es eine Gemeinheit, es zu tadeln

150 J, DE PARIS, CATO 775. CV que vous aveis loeit an apert gardeis que vous ne l'acuseis legieremant d'acun blaime Gebt acht, dass Ihr nicht das, was Ihr öffentlich gelobt habt, 5 leichtsinnig mit irgendeinem Vorwurf anklagt! CATO LOTHR. 132. Ce que tu as hue avant, Ne va pas apres deslouant, Cils se ho(u)njst qui chose hue Et puis apres si ia desloue Was du zuvor gelobt hast, das tadle nicht nachher! Der fügt sich selbst Schande isz zu, welcher etwas lobt und es dann nachher tadelt ADAM DE SUEL, CATO 711. Et se tu veulx löer publiquement Ou difamer aucun ligierement, Avise toy qu'apres ton tesmoingnage N'aies blame de ton ligier langage Und wenn du leichtfertig jemanden offen loben oder schmähen willst, dann gib acht, dass du nach deinem Urteil nicht für 153 deine leichtfertige Rede getadelt wirst! J. LEFEVRE, CATO 599. Louer autruy, puts blasmer par usage, D'estre inconstant est signe et petit saige Einen ändern loben (und) dann nach eigenem Umgang tadeln, ist ein Zeichen dafür, dass man unbeständig ist und unklug CHRISTINE DE PISAN, PROUV, MOUR. 12, 154 Pro v. Si as alcuns lausats, Guarda non digues mal, Car seras ne blesmats De lieu sen venertzal Wenn du irgendwelche Leute gelobt hast, dann sieh zu, dass du nichts Schlechtes sagst; denn man wird dich deswegen eines leichtfertigen (und) gemeinen Sinnes beschuldigen! G. DE CERVERA 1089. 155 S p a n . No« torrnes a denostar al que alabaste Wende dich nicht dazu, das zu tadeln, was du gelobt hast! Boc. DE ORO 226. 156 N o r d . lila Iota Skalt yfir engum blut, Peim er pu hielt hefir, Ne fiat ley fa, Er pu lastat hefir; lit er veillyndum vera Du sollst über keine Sache, die du gelobt hast, Schlechtes sagen, noch sollst du das loben, was du getadelt hast. Es ist schlecht, wankelmütig zu sein HUGSVINNSMÄL 127. 157 E n g l. Laudaris quodcumque palam, quecumque probar is, Prospice ne rursus leuitatis crimine dampnes. - Ceo ke tu as (owe En comunite Par tei derechef, Ne seit a redampner Pur nul regreter, Taunt seiez sage e gref. — t>ing frat pou hast ones preised Be-fore pe folk oner al Blame hit not per-afturwardt Beo hit gret or smal Sieh dich vor, dass du alles, was du offen gelobt und gebilligt hast, nicht wieder verurteilst und dir so den Vorwurf der Leichtfertigkeit zuziehst (wörtl.: unter der Anschuldigung der Leichtfertigkeit}! — Was du in Gesellschaft gelobt hast, soll von dir nicht wieder verurteilt werden, damit du es nicht bedauerst; so weise und streng sollst du sein. — Etwas, was du einmal über alles gelobt hast vor den Leuten, das tadle nachher nicht, ob es nun gross oder klein sei! VERNON MS. 50,561.

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158 Dt, Wat du louest opembare, In vil maneger lüde schare, Deme scaltu sodan lof anleggen, Dat du dar nicht endoruest seggen Van eme laster vnde schände. Quergeit in ienigem lande Lasteren na vnde lauen vore, Dar is der bösen lüde köre Was du offen in der Schar von sehr vielen Leuten lobst, dem sollst du solches Lob erteilen, dass du davon nicht (später) Tadelnswertes und Schändliches erzählen musst. Geschieht es in einem Lande, dass nachher getadelt und vorher gelobt wird, so herrscht da die Ordnung 159 der bösen Leute STEPHAN, CATO ND. 2104. Laudaris quemcumque palam quecumque probans Hoc fac ne rursus leuitatis crimine dampnes. — Was du offinbar begerst Czu loben adir gut gewerst Sich daz sehende wedir nicht Daz man dich vorspotte icht Mach, dass du jeden, den du offen gelobt, und alles, was du gebilligt hast, nicht wieder verurteilst und dir so den Vorwurf der Leichtfertigkeit zuziehst (wortl.: unter der Anschuldigung der Leichtfertigkeit)! - Was du offen zu loben begehrst oder als gut billigst, sieh zu, dass du es nicht wieder tadelst, damit man dich nicht verspotte! CATO 160 OMD. (ZroA 72) 90. Was du ein mal lobst vnd erbebst, Das schilt nit leicht mehr, weil du lebst ... das tadle nicht mehr leichtfertig, solange du lebst! FRANCK 1,156 r.

2.3. Man empfindet Lob als angenehm, Tadel als unangenehm 261 D t . Ei« ieglich man wo! lop vertreit; Schelten ist in allen leit Jedermann lässt sich 162 Lob gerne gefallen. Tadel ist ihnen allen verhasst FREIDANK 61,15. Da von sprach her Fridanc: „Lop ein ieglich man vertreit, Schelten ist uns allen leit" Davon sprach Herr Freidank: „Jedermann lässt sich Lob gefallen. Tadel ist uns allen verhasst" HUGO 163 v. TRIMBERG 15426. Quod commendetur, bene quisquis homo pacietur, Est lautem] nullt placitum, quod vituperetur. - Ein ieglich man lob wol vortreit, Scheltin ist in allen leyt Jeder wird es gerne ertragen, wenn er gelobt wird. Niemandem aber ist es 164 angenehm, wenn er getadelt wird, — ... FREI DANK LAT. (GöRLiTz) 1424. Freydanck singet ... Eyn yeglicb man gern lob vertreyt, Doch schelten thut uns allen leyet (lies: 165 leydt, Red.) AGRICOLA Nr. 666. Freidanck singt... Ein feglich man gern lob vertreit, Das schelten thut vns allen leidt EGENOLFF 242 v.

2.4. s. Inhaltsübersicht 2.5. Man spende(t) dem Feind Tadel, dem Freund Lob 166 M l a t. Crime« ad invisos redhibetur, laus ad amicos Tadel wird den Feinden zurücker167 stattet, Lob den Freunden WERNER 2 c 146. Crimen ad tngratum saevit, laus ornat amatum Tadel wütet gegen den Verhassten, Lob schmückt den Geliebten EBD. c 147. 16S Criminis mgrato sint laudis plunma grato Dem Verhassten werde sehr viel Tadel, dem 169 Geliebten sehr viel Lob zuteil EBD. c 151. Criminis inuiso satis est et laudis atnico Dem Feind wird genügend Tadel und dem Freund genügend Lob zuteil MSD 27,2,33.

2.6.—2.9. s. Inhaltsübersicht 2.10. Verschiedenes 170 M l a t . Laus enim iusti iniusti est uituperatio Denn den Gerechten loben ist soviel wie den Ungerechten tadeln GUIGO L, MEDIT. 19. 171 It. Lauaar lo mal non e ehe ben blasmare Das Schlechte loben ist soviel wie das Gute tadeln FRANCESCO DA BARB., Doc. H, 118, 172 Dt. Ama tamquam osurus, oderis tamquam amaturus.7 — Lob den also, das du in auch sehenden magst Liebe, als ob du einmal hassen, hasse, als ob du einmal lieben 173 würdest! — Lobe den so, dass du ihn auch tadeln könntest! HAUER 132. Ich will es weder loben noch schelten AGRICOLA Nr. 216.

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3. Wert und Wirkung des Lobes 3.1. Lob ist begehrt 3.1.1. Allg. 174 Ml at. Nullus tarn gnarus, gut non sit laudis auarus; Credere laudisonis titulis est ambitionis Keiner ist so klug, dass er nicht gierig nach Lob wäre. Es gehört zum Ehrgeiz, lobreichen Ehrentiteln zu glauben FLOR. GOTTING, 267 (= EHRGEIZ 1). — EHRE 13. Vgl. EHRE 1.1.

3.1.2. s. Inhaltsübersicht 3.2. Lob verdienen ist mehr wert als Lob erhalten 175 Ml at. Bonum est non laudari et esse laudabilem Gut ist es, nicht gelobt zu werden und {doch} lobenswert zu sein PS. SEN., MOR. 38 Var. 176 Fr. O, quam magnum est non laudari et esse laudabilem. - A hon houre fust onkes ne Ky est prisable et poy prise O wie grossartig ist es, nicht gelobt zu werden und (doch) lobenswert zu sein! - Der ist wahrhaftig zur guten Stunde geboren worden, welcher lobenswert ist und wenig gelobt wird NICOLE EOZON, PROV. 70. 177 It. £ buona cosa esser lodato, ma e meglior il meritarlo Es ist etwas Gutes, gelobt zu werden, aber es ist etwas Besseres, es zu verdienen MERBURY 10.

3.3. Lob ändert nichts am Wesen 178 M l a t . Non es sanctior si laudaris: Nee vilior si vituperaris. Quod es hoc es Du bist nicht heiliger, wenn du gelobt wirst, noch geringer, wenn du getadelt wirst. Du bist, was du bist THOMAS KEMP.(?), IMIT. CHR. 2,6,41. 179 Dt. Du bist nicht hilgber, werstu ghelovet; ok bystu nicht legher, werstu ghelastert, Wat du byst, dat blyvestu Du bist nicht heiliger, wenn du gelobt wirst, auch bist du nicht geringer, wenn du getadelt wirst. Was du bist, das bleibst du MND. IM. 7,27. 180 'Werstu ghelavet, du bist dar umme de hilgeste mcht; werst(uj ghelastert, du bist dar umme de snodeste nicht. Dat du bist dat bistu Wirst du gelobt, so bist du deshalb nicht der Heiligste; wirst du getadelt, so bist du deshalb nicht der Geringste. Was du bist, das bist du EBSTORFER LHS. 6.

3.4. s. Inhaltsübersicht 3.5. Unverdientes Lob ist wertlos und schädlich 181 Prov. Q'anc mais non vim lauzor qe pro tengues Si! laus passet del lauzat sä valenza Denn nie sahen wir, dass das Lob Nutzen hatte, wenn das Lob das Verdienst des Gelobten übertraf SORDELLO 14,3. 182 Dt. Swer stnem vriunde lobes gibt Swenn er unprh verdienet hat, Der sterket in üf missetät Und liebet im ein sivachez leben Wer seinem Freund Lob spendet, wenn er Tadel verdient hat, der muntert ihn (noch) auf zur Missetat und macht, dass ihm ein schlechtes Leben lieb ist KONR. v. WÜRZBÖRG, SILVESTER 2466.

3.6. Schlechtes und falsches Lob ist wertlos und trügerisch 383. J&4 Dt. Gelogen lop ist unwert Erlogenes Lob ist unwert HELBLING 2,1321. Nü ist mir bezzer geswigen danne krenklicben gelobet Nun (aber) ist mir geschwiegen lieber als 85 schlecht gelobt BERTHOLD 11,74,15. Entlentez lop gät dicke wider; Erdächtiu böchvart vallet nider Geborgtes Lob verschwindet oft wieder; erdachter Hochmut fallt nie186 der BONER 67,55. Ein swacher lober trüget dich, tritst du üf sinen kloben Ein schlechter Lobredner betrügt dich, wenn du auf seine Falle trittst HEINR. v. MÜGELN, FABELN 14,18.

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3.7. Schlechtes Lob ist soviel wie ein Tadel 187 188 189 190

Fr. Uns malvais los vaut un grant blasme Ein schlechtes Lob ist soviel wert wie ein grosser Tadel ADAM DE SUEL, CATO 420. Un mauveys loos vaut un grant blasme CAMBR. SAMML. {»LEROUX 11,483). Ung mauvais los vault ung grant blasme MORAW. 2453. Un mauvais los vaut un grand blasme LEROUX 11,432 (15. Jh.}.

3.8. Zuviel Lob ist soviel wie ein Tadel und bringt wenig Ehre 191 Pro v. E grans lauzors se vif en gran maldir Und grosses Lob wandelt sich in grosse 192 Schmähung RAIMON DE MIRAVAL (*BARTSCH 154,2). Car massa lauzor es blasmars 193 Denn gar grosses Lob ist Tadel GIR. RIQUIER 70,7 {+ MAHN IV, 103). Qe trop lauzar destriga la lauzor Del trop lauzat e blasmal lauzador Denn zuviel Loben macht das Lob des allzusehr Gelobten zunichte und bringt dem Lobredner Tadel SORDELLO 14,5. 194 Qe trop lauzat es blasmes e faillenza Denn zuviel Lob ist Tadel und Versagen EBD. 14,10. 195 N o r d . Garritus laudis meritis fit cedulo (lies mit Druck B: sedulo) claudis. — Offthe faar stoortb laff lidhen cera; Das Lobhudeln wird absichtlich unvollkommenen Verdiensten zuteil. — Oft macht grosses Lob wenig Ehre LÄLE 426.

3.9. Lob durch schlechte Leute ist soviel wie ein Tadel 196 Fr. Loenge de genz loeis Est droit blaumes a mon avis Lob käuflicher Leute ist meines Erachtens geradezu ein Tadel CLARIS 23509. -* SCHLECHT 318-319, 321, SCHURKE 97

3.10. Lob des Ehrlosen ist wertlos 197 Dt. Swer eren sich bewegen hat, Des lobes tuon ich Ithten rät Wer selbst auf Ehre verzichtet hat, dessen Lob kann ich leicht entbehren (Bezzenberger) FREIDANK 92,27. 198 Ne [sit] laudandus, qui sie a laude recessit, lllius a corde modicum laudis mibi crescit, — Wer eren sich irwegin hat, Desz lobesz nem ich keinen rat Den sollte man nicht loben, der sich so von der Ehre zurückgezogen hat. Aus dem Herzen jenes erwächst mir wenig Lob. - ... FREI DANK LAT. (GöRLiTz) 315.

3.11. s. Inhaltsübersicht 3.12. Lob des Feindes ist wertvoll (wertlos) 199 Mlat. Laus plus quam uera quam dabit hostis erit Das Lob, das der Feind geben wird, wird eher wahr sein (wörtl,: wird mehr als nur wahr sein) VITAL, BLES., AULUL. 420.

200 Fr. Nul los si grant que de bauche anemie Kein Lob ist so gross wie das aus dem Mund des Feindes LEROUX, CHANTS HIST. 23,34 (1465/6). 201 It. Losenge de nemigo e como pasare a panigo Lob des Feindes ist wie ein Sperling bei der Hirse GEREMIA DA MONTAGNONE 37.

3.13. Lob im eigenen Land (Haus) ist von grösstem Wert 202 Mlat. Laus lest] in propria laudari maxima turba Es ist das grösste Lob, irn eigenen Volk gelobt zu werden WERNER 2 l 28. 205 Dt. Ez enwart nie mannes lop so guot So daz von sinem huse vert Es war noch nie eines Mannes Lob so gut wie dasjenige, das von seinem Hause kommt SPERVOGEL 204 (*MF 20,4). Wan lop von lantliuten Sol nieman verkiuten Denn Lob von Landsleuten 205 soll niemand ablehnen ULR. v. ZATZIKHOVEN, LANZEL, 8401. Swer lop in sime lande treit, Deist diu groeste werdekett Wenn einer Lob in seinem Land hat, ist dies die

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206 höchste Auszeichnung FREI DAN 61,13. Ein lop, daz uz der künde vert, Daz hat der wtsen volge in fremden landen Ein Lob, das von den Einheimischen kommt, das hat 207 die Zustimmung der Weisen in fremden Ländern WERNHER (BRUDER) 14,7. In regione sua quisquis portare meretur Laudem, res ista uenerabilis esse videtur, — Wer loub in seinem lande treit, Das ist eyn grosse wirdikeyt Wenn einer in seiner Heimat Lob zu bekommen verdient, dann scheint dies eine ehrenvolle Sache zu sein. — Wenn einer Lob in seinem Lande hat, ist dies eine grosse Auszeichnung FREIDANK LAT. (GÖR208 LITZ) 1732. In propria patria qui laudis dona meretur, Cum sit res cara, laudandus jure videtur. — Lob im eigenen lande Ist her an schände Wer im eigenen Vaterland die Gaben des Lobes verdient, scheint mit Recht lobenswert zu sein, da dies etwas Wertvol209 les ist, - Lob im eigenen Lande ist Ehre ohne Schande EBD. 1736. Freidanck sagt. Wer lob inn seinem lande treyt. Das ist ein michel wirdigkeyt ,..; „Wenn einer Lob 210 in seinem Lande hat, ist dies eine grosse Auszeichnung" AGRICOLA Nr. 210. Freydanck sagt, Wer lob in seinem lande treyt, Das ist ein grosse wirdigkett EGENOLFF 112 r. Umkehrung: 211 Dt. Lop wart ie vül, da manz da beime vant Lob war stets faul, wenn man es daheim fand FRAUENLOB, SPR. 270,12.

3.14. Lob von guten und weisen Leuten ist wertvoll 212 Dt. Swer vrumer Hute lop hat, Der mac wol tuon der boesen rät Wer das Lob guter 213 Leute hat, der kann die schlechten wohl leicht entbehren THOM. v. ZIRCLARIA 81. Ein lop, daz mit der volge uz wisem munde gät, Daz lop bestät Von tage ze tage ie Hüter Ein Lob, das mit der Zustimmung aus weisem Munde erfolgt, dieses Lob wird von Tag zu Tag vernehmlicher FRAUENLOB, SPR. 64,7.

3.15. Lob fördert das Gute und regt zu mehr an 214 Lat. Laudataque virtus Crescit, et inmensum gloria calcar habet Gelobte Tugend nimmt zu, und Ruhm hat einen unermesslichen Antrieb OVID., EX PONTO 4,2,35. 215-217 M l a t . In qua laudatur, rem quisque libens operatur Jeder tut das gern, wofür er gelobt wird WERNER 2 i 61. PROV. WRATISLAV. 270. WALTHER 11967. 218 Dt. Swaz man lobet an dem man, Da kert er sinen fitz an Was man an einem lobt, 219 darauf richte: er seinen Eifer FREIDANK 61,25. Swaz man lobet an dem man, Da so! er sich fitzen an Was man an einem lobt, damit soll er sich eifrig beschäftigen HUGO v. 220 TRIMBERG 16119. In nobis quicquid laudari sepe videmus, Semper ad hoc studia convertere nostra solemus. — Was man lobt an dem man, Do kert her seinen fleisz an Was auch immer wir oft an uns gelobt sehen, darauf pflegen wir immer unseren Eifer 221 zu richten. — Übers, wie 218 FREIDANK LAT. (GÖRLITZ) 1856. A/s her Fridanc spricht hie vorn; swaz man lobt an einem man, da legt er sinen an Wie Herr Freidank hiervor spricht: ... HEINR. D. TEICHNER (KARAJAN) 32. -* GUT (Adj.) 506, 5 3.16. Verschiedenes 222 M l a t . Now est speciosa laus in ore peccatons Das Lob im Munde des Sünders ist 22j nicht schön OTLOH., PROV. 319 D. Cogit honoripetas laus nana subire ruinas Eitles Lob bringt die Ehrsüchtigen dazu, Ungemach auf sich zu nehmen MSD 27,2,24 (vgl. HOCHMUT 5.1.2.}. 224 Fr. Et om a dit tresqu'al four d'ui, Que los de voisin passe tout Und man hat bis zum heutigen Tag gesagt, dass das Lob des Nachbarn alles übertrifft GAUT. D'ARRAS, ILLE 5032 (vgi. oben 48}.

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225 Pro v. Lauzor engenr' amor May c' una sola res, E sabetz que vers es C' om ama de cor ft Femna que anc no vi Sol per auzir lauzar Lob erzeugt mehr Liebe als irgend etwas, und wisset, dass es wahr ist, dass man eine Frau aus vollem Herzen liebt, welche man noch nie gesehen hat, einzig deshalb, weil man sie loben hört! AMANIEU DE SESCARS 432*. 226 Dr. Manic tor gar ze einem äffen wirt, So man mit valschem lobe in smirt Mancher Tor wird ganz zu einem Affen, wenn man ihn mit falschem Lob salbt HUGO v. TRIM227 BERG 15433. Wiss, fremder leute lob ist gut, Pesser wann das der freunt tut Wisse: „Fremder Leute Lob ist gut, besser als das, welches der Freund gibt"! SECRETA DEUTSCH D 167.

4. Zweck und Absicht des Lobes 4.1. s. Inhaltsübersicht 4.2. Verschiedenes 228 Pro v. Cel quet lauza ta folor, Vol que la fassas major Der, welcher dir deine Torheit lobt, will, dass du eine grössere begehst LEYS III, 278. 229 Span. Qui te alaba con lo que non es en ti, Sähe que quiere levar lo que äs, de ti Wenn dich einer für das lobt, was nicht an dir ist, wisse, dass er dir das, was du hast, wegnehmen will! MANUEL, CONDE LUCANOR 32,19. 250 Dt. Wer über gyt (lies mit Wallner 8 : giut) der wil zevil Wer übermässig lobt, der will zuviel JOH. v. KONSTANZ, MINNELEHRE 105. 5, Vorsicht gegenüber Lob

5.1. Man verlasse sich nicht auf fremdes Lob, sondern auf sich selbst 23l La t. Cum te altquis laudat, iudex tuus esse memento; Plus aliis de te (Ausg.: dete) quam tu tibi credere noli Wenn dich irgendeiner lobt, denke daran, dein eigener Richter zu sein; glaube ändern nicht mehr über dich als dir selbst! PS. CATO, DI ST. l, 14. 232.233 MIat. Si quis te laudat, nunquam te gloria fallat: Plus laudatori quam tu tibi credere noli Wenn dich einer lobt, soll dich nie der Ruhm täuschen. Glaube dem Lobredner nicht mehr als dir selbst! CATO NOVUS 27. WERNER 2 s 132. 234 Fr. S'(e) aucun te loue par losange, Ne te sott rien de sä loange. Tu sez mieus que nus ta covine Et se c'est voirs que l'en devinne Wenn einer dich mit einer Schmeichelei lobt, dann halte nichts von seinem Lob! Du kennst besser als irgendeiner dein Wesen und 235 weisst, ob es wahr ist, was man verkündet J, DE PARIS, CATO 319. Quant on vom loe, soieis vo$ juges ne de vous ne croiets plus atrui que vous me'ismes Wenn man Euch lobt, seid Euer eigener Richter! Glaubt in bezug auf Euch nicht einem ändern mehr als 236 Euch selbst! CATO LOTH R, 55. Quant on vous loe, soies vostre fuge, ne de vous ne creeis plus aultrui que vous meysme Wenn man Euch lobt, dann seid Euer eigner Richter und glaubt in bezug auf Euch einem ändern nicht mehr als Euch selbst! PSEUDO237 CATO FR G. l, 14 S. 143. S On te loe, fay en le jugement De toy meismes, car tu sees proprement Se c'est a tort ou se la cause est voire; A nul autre plus qu'a toy n!en doiz croire Wenn man dich lobt, dann mache dir daraus das Urteil über dich selbst; denn du weisst selbst, ob dies zu Unrecht erfolgt oder ob der Grund wahr ist! Du sollst keinem ändern mehr glauben als dir selbst J. LEFEVRE, CATO 141. 238 N o r d . Metnaö pinn, Pott pik menn lofi, Lät eigi miklaz til mjok; Hielins manns ordi Parf eigi hverju trua; Sjalfr kenn sjalfan pik Dein Selbstbewusstsein lass nicht zu gross werden, auch wenn die Leute dich loben! Niemand darf jedem Wort eines prahlerischen Mannes trauen. Du sollst dich selbst erkennen HUGSVINNSMÄL 30.

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239 E n g l . t>eh pe manig man herige, ne gelefpu heom to we!, ac ged&ncpe sylf hwtet bit soöes seo, l&t pe sceomtgen p&s hlysen Wenn dich auch mancher Mann lobt, glaube ihnen nicht zu sehr, sondern denke selbst, was davon wahr ist! Schäme dich (wörtl.: 240 Lass dich schämen) des Ruhmes! EARLY HOM, 6,26. Cum te aliquis laudat iudex tuus esse memento: Plus alijs de te quam tu tibi credere noli. - Quaunt tu tey orras loyer, luggez en toun quer Ly quei est veir ou noun, Eia autre ne creyez De vertu ke tu eyez Plus ke ta resoun. — 3if men preise pe for godnesse, Pin oune herte pou ta$t; Leeue non heitre pen pi self, Wheper pou pat vertu hast Übers, wie 231, — Wenn du hören wirst, dass man dich lobt, dann beurteile in deinem Herzen, was wahr ist oder nicht, und glaube ändern bezüglich der Tugend, die du hast, nie mehr als deiner Einsicht! Wenn man dich lobt wegen deiner Rechtschaffenheit, dann prüfe dein eigenes Herz! Glaube niemandem mehr als dir selbst, ob du diese Tugend hast! VERNON MS. 50,165. 24j Nl. Alse die iemene gheuet lof, Ne wes te blider niet daerhof: Die vroede merct ende verstaet, Eer hi van yemen lof ontfaet Wenn dir jemand Lob spendet, dann sei darob nicht zu froh! Der Kluge merkt und versteht es, bevor er von jemandem Lob erhält CATO MNL. 55. 242 Dt. Lobe dich ieman dir ze hage, So merke ob er war sage, Und gloube im nibt baz denne dir Lobt dich jemand dir zuHebe, dann pass auf, ob er die Wahrheit sagt, und 243 glaube ihm nicht mehr als dir selbst! CATO 155. Sone myn, wan du kanst prouen, Dat di de lüde mit loue willen ouen, So se suluen in dine samwitticbeit Vnde richte di na rechticheit. Loue eyneme anderen nicht mer den dy, Went du weist, dat in dy si Mein Sohn, wenn du sehen kannst, dass dich die Leute mit Lob ehren wollen, so blicke selbst in dein Gewissen und beurteile dich nach Recht und Gebühr! Glaube einem ändern nicht mehr als dir, da du wetsst, was in dir ist! STEPHAN, CATO ND, 524. 5.2. Verschiedenes 244 Span. Anst entendet sano los proverbios antiguos, E nunca vos creades loores de enemigos So hört genau auf die alten Sprichwörter und glaubt nie den Lobreden der Feinde! ARCIPRESTE 165. 245 Dt. fremdes lob sol nieman begeren, daz er nit ze gespött werd Niemand soll fremdes 246 Lob begehren, damit er nicht zum Gespött wird STEINHÖWEL, AESOP 357. De ein dink to ser louen den geiove nicht. — Ex musca barrum facienti credito nunquam Denjenigen, die etwas zu sehr loben, glaube nicht! — Dem, der aus einer Mücke einen Elefanten macht, sollst du niemals glauben TUNNICIUS 355.

6, Zeit, Art und Ort des Lobes 6.1. Man lobe nicht zu schnell 247 Ml at. Neminem cito laudaveris, neminem cito accusaveris: semper puta te coram diis testimonium dicere Lobe niemanden schnell, klage (auch) niemanden schnell an; bedenke immer, dass du vor den Göttern Zeugnis ablegst! PS. SEN., MOR. 78. 248 Dt. Dir sol ze loben niht sin ze gach, Daz dich geriuwen müge hernach Du sollst nicht zu sehr Eile haben zum Loben, damit du es danach nicht bereuen musst CATO 249 487. Man sal nummande to holde lästeren of loven. — Non cito laudabis quemquam ne crimine laedes Man soll niemanden zu schnell tadeln oder loben. - Du sollst nie250 manden schnell loben oder mit Tadel verletzen TUNNICIUS 1172. Schilt vnd lob nye251 mandt bald Tadle und lobe niemanden schnell! FRANCK I, 72 r. Schiit vnd loh niemand bald EGENOLFF 314 v,

6.2. Man lobe nichts (niemanden^ bevor man es (ihn) geprüft hat und kennt 252 Mlat. No« decet ut laudes, quem non temptaveris ante Es ziemt sich nicht, den zu loben, welchen du vorher nicht geprüft hast DE DIMIDIO AMICO 37 (Hs. 13. Jh. [-* ALTD, BL. 2,383]).

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253.254 Span. Antes que conozcas, ni alabes, ni cohondas Bevor du Kenntnis hast, lobe oder 255 tadle nicht! NUNEZ 1,99. HALLER 514. No alabes hasta que pruebes Lobe nicht, bevor du pr fst! N NEZ III, 72. — FREUND 597-598, MENSCH 109, WORT 711-712, 760 hnlich: 256 E n g l. Ne Icet pu na unlofed p SEIN 46. Vgl. GESETZ 33

3.1.1.2. Spez. 57 Fr. Quar d'armes et d'amour s mentir ne doit on mie In bezug auf Waffen und Liebe soll man auf keinen Fall lügen GIR. DE Ross. ALEX. 50.

3.1.2. Lügen ist nicht gut 58 Dt. Liegen unt triegen ist selten guot Lügen und betrügen ist selten gut GÄNSELEIN 264 {+ HAGEN, GA 23). — HOCHMUT 256. Vgl. LIST 2.2., TRÜGEN 1.1.

3.1.3. Lüge ist Teufelswerk ^NEID l H, TEUFEL 1.3. Anders: 59 Fr. Dehez eit la bouche en mensonge desiret (lies mit MORAW. 4-47 Anm.: desrle]iet[?]) Verflucht sei der im Lügen ungezügelte Mund! CAMBR. SAMML. (+LEROUX H,475 [= MORAW. 447]).

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3.1.4. Lüge ohne Scham ist schlimm 60 Dt. Swer sich nibt liegens schämen wil, der volget eime boesen spil Wer sich fürs 6 i Lügen nicht schämt, der treibt ein übles Spie! FREI DANK 53,2 a. Swer sieb lüge nibt enschamt, Der bat ein ungetriuwez amt Wer sich der Lüge nicht schämt, versieht einen 62 treulosen Dienst EBD. 53, 3. Und swer sich lügen niht enschamt, Der hat ein ungetriu63 wez ambt Und wer sich nicht schämt zu lügen ... HUGO v. TRIM BERG 15153. Quisquis mentiri semper studet absque pudere, Exequitur studia nuüo decoratus honare. — Wer sieb nicht ligens schempt, Der bat vil ein poses ampt Jeder, der sich immer ohne Scham des Lügens befleissigt, gibt sich Neigungen hin, mit denen er keine Ehre erlangt. — Wer sich des Lügens nicht schämt, der versieht einen sehr üblen Dienst FREIDANK LAT. (GöRLiTz) 580. Vgl. unten 228

3.1.5. Ein Lügner ist schlimmer als ein Dieb 64 Bibl. Potior für quam assiduitas viri mendacis. perditionem autem ambo bereditabunt Lieber ein Dieb als ein Mensch, der aus Gewohnheit lügt; aber beide werden ins 65 Verderben stürzen (worth: das Verderben erben) VULG., SIRACH 20,27. Ein Dieb ist nicht so böse, als ein Menscb der sich zu Lagen gewehnet, Aber zu letzt körnen sie beide an den Galgen Ein Dieb ist nicht so schlimm wie ein Mensch, der sich ans Lügen gewöhnt ... LUTHERBIBEL, EBD. 66 Mlat. Assidue mendax füre magis malus esf Ein hartnäckiger Lügner ist schlimmer als ein Dieb HUGO SOTOVAGINA 223. 67 Fr. O« se peut bien garder düng laron, düng menteur garder ne se peult on Man kann sich wohl vor einem Dieb hüten, vor einem Lügner sich hüten kann man nicht NUNEZ III, 107 (el Frances). 67a lt. E da amare enan^i [\}o ladro cb'el continuo boxaro Den Dieb muss man eher lieben als den notorischen Lügner FIORE DI VIRTU A 39,24. 67b Dt. Der lugner ist pöser denn ain diep Der Lügner ist schlimmer als ein Dieb VINTLER 4027.

3.2. Rechtfertigung von Lügen (in bestimmten Situationen) 3.2.1. Allg. 3.2.1.1. Lügen ist (manchmal) mehr wert als die Wahrheit 68 Fr. Mieiz vaut mentir pur bien auoir, que per are pur dire voir. — Malo mendaci mihi prospera cuncta parart, Quam mihi veraci prospera nulla dari Besser lügen und einen Vorteil haben als die Wahrheit sagen und Verlust erleiden (Singer 3 ). — Lieber will ich durch Lügen mich mit allen Gütern schmücken, als dadurch, dass ich die Wahrheit sage, gar keine Güter zu bekommen ZACHER 63 (= MORAW. 1269). 69 Prov. £ ges ades non deu horn dire ver, Soven val mais mentirs et escondires Und man muss keineswegs immer die Wahrheit sagen. Oft sind Lügen und Ausflüchte besser 70 ARNAUT DE MAREUIL 16,41. Val gens mentirs assatz Plus que folha vertatz Eine artige Lüge ist viel mehr wert als eine törichte Wahrheit GAUC. FAIDIT (+ARCHIVUM ROMANICUM 17,378,89).

3.2.1.2. Lügen ist (manchmal) nützlich (und die Wahrheit schädlich) 73 Mlat. Crede quod interdum multis mendacia prosunt, Et quandoque nocet omnia uera loqui Glaube, dass Lügen bisweilen vielen Leuten nützen und dass es manchmal 72 schadet, die ganze Wahrheit zu sagen! PAMPHILUS 123. Credo, quod inter dum multis mendacia prosint, Et quandoque nocet omnia vera loqui Ich glaube, dass ... WERNER 2 73 c 140. Credo, quad interdum multis mendacia prosunt PROV. WRATISLAV. 82.

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74 Fr. Bows mentirs a la fois aiue Gutes Lügen nützt manchmal PROV. RUR, 452. 75 It. Che a dir la bugia si riceve bene, e a dir la veritä male Denn wenn man lügt, geht's einem gut, und wenn man die Wahrheit sagt, schlecht ARETIN, RAGIONAMENTI 11,63. 76 Kat. Mas si s' ave sayso e loch Mentir no nou, ab que dur poc, Car per retrer les veritats Del altre part les amistats Aber wenn Zeit und Ort passen, schadet Lügen nicht, vorausgesetzt, es dauert nicht lange; denn dadurch, dass einer die Wahrheitfen] sagt, gehen die Freundschaften von ihm weg FASSET 33 (vgl. unten 5.4., VERBERGEN 73 >77 Span. ... que es uerdad lo que disse el sabio, que a las vegadas enpece la mentira, e a las vegadas aprovecha Dass es stimmt, was der Weise sagt: dass die Lüge manchmal schadet und manchmal nützt CAV, CIFAR 1,62 S. 100. 78 Dt. Lügen doch manigen Hüten frument, Daz si ze grözen eren kument: So schadet diu wärheit manigem man, Der nibt denne sieht gereden kan Aber Lügen nützen vielen Leuten, so dass sie zu grossen Ehren kommen. Die Wahrheit hingegen schadet manch einem, der nur aufrichtig reden kann HUGO v. TRIMBERG 15267. Vgl. TRÜGEN 1.2., WAHR 1.7., 5.3.

3.2.1.3. Lügen ist manchmal unumgänglich (wäre manchmal besser) 79 Fr. Porquant si ment om a besoing Dennoch lügt man aus Not PARTONOPEU 7829. SO U fault mentir pour .1. motten Trouver, quant le requiert le cas Man muss lügen, um si einen Kompromiss zu finden, wenn es die Lage erfordert FROISS., MEL. 2173. Mentir a mestier ä la fiee Lügen ist manchmal nötig LEROUX 11,345 {15. Jh.). 82 Dt. Wer nit mit wärheit kan bestan, Der muz mit logen sich began Wer mit Wahrheit nicht bestehen kann, der muss sich mit Lügen beheifen SAL. u. MARK. 381. Vgl. WAHR 6.6. Anders: 83 Dt. Wolte got gelogen hän, Die Juden heten im niht getan Wenn Christus gelogen hätte, hätten ihm die Juden nichts getan FREIDANK 169,26 (—LIEDERSAAL 101,7) (vgi. unten 7.3.).

3.2.2. Spez. 3.2.2.1. Gut ist, des Friedens halber zu lügen S4 Fr. Bon satt {lies: fait) mentir pour paix avoir Gut ist zu lügen, um Frieden zu haben 85 J. MIELOT 38 (= MORAW. 280). Mieulx vault mentir pour paix avoir Qu'estre batu pour dire voir Besser ist zu lügen, um Frieden zu haben, als geschlagen zu werden, weil man die Wahrheit sagt CH. D ORLEANS Rondeau 149,2. Vgl. WAHR 5.2.

3.2.2.2. Man muss oft der Ehre halber lügen 86 Dt. Man muoz dicke wise lüge Erdenken durch ere Man muss oft der Ehre halber 87 {eine} kluge Lüge ersinnen FLECK, FLORE 988. Man muoz umb ere liegen Und sol niht friunt betriegen Man muss gelegentlich der Ehre halber lügen, aber man soll nicht den 88 Freund betrügen FREIDANK 169,6. fallere sepe solent pro gloria nunc sapientes, Non tarnen est ulli licitum fraudare parentes. — Man soi vor eren lyegen, Doch nicht dy frunt betrigen Oft pflegen heutzutage die Weisen des Ruhmes halber zu lügen, doch ist gleichwohl keinem erlaubt, Verwandte zu betrügen. — ... FREIDANK LAT. (GöRLirz) 89 1953. Wir sagen, wilt verfallen, so verfall nach gold, wilt ye liegen, so thü es ehrn halb Wir sagen: „Willst du (einer Sache) verfallen, so verfalle dein Gold; willst du je 90 lügen, so tu es um der Ehre willen!" FRANCK H, 97 r (= GOLD 282). Wir sagen; Wih verfallen, so verfall nach goldt; wilt je liegen, so thü es ehrn halb EGENOLFF 90 v {= GOLD 283},

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3.2.2.3. Wenn es ums Leben geht, darf man lügen 91 Dt. Ein berr soll billich liegen Vmb seines leibes not Ein Herr darf von Rechts wegen lügen, (wenn es) um sein Leben (geht) HELDENB. 64,25 (Ortnit). -» KÖNIG 63 Ähnlich: 92 Fr. Ainz ment U hon qu'il muhe Eher lügt der Mensch, als dass er stirbt VILAIN 139 (=MORAW. 38). 93

94 95 ge

97 98 99 100. JOi

102,103

3.2.2.4. Verschiedenes M l a t . Quod si aliquando coarcteris uti mendacio, utere non ad falsi, sed ad veri custodiam Wenn du aber einmal gezwungen bist, eine Lüge zu gebrauchen, dann gebrauche sie zur Wahrung der Wahrheit, nicht der Unwahrheit! MARTIN. BRAC., FORM. VIT. 4 (27 B). Mentiri poteris, si nullum laedere quaeris Lügen wirst du dürfen, wenn du keinen beleidigen willst WERNER 2 m 28. Fr. Et s'aucune aventure aviegne, Que U a mentir te convtegne: Nel faire sans grant occoison Und wenn eine Situation eintritt, wo du lügen musstr Tu's nicht ohne wichtigen Grund! FORM. HV 933. De mentir ne refoit pointe d'onte, Cut griez violance espaonte Dem erwächst aus Lügen keine Schmach, den rohe Gewalt erschreckt ISOPET DE LYON 32,55. Pro v. Qui per gar dar fezeutat men, Tals mentirs a escusamen Wer lügt, um die Treue zu bewahren, dessen Lüge findet Entschuldigung DAUDE DE PRADAS, VERT. CARD. 1681. Dt. Doch seite mir ein wiser predegaere, Daz hübische lüge niht groziu sünde waere Doch ein weiser Prediger sagte mir, dass höfische Lüge keine grosse Sünde sei RUMSLAND v, SCHWABEN 1,11 {-»MSH III, 68 b). Cleyne logene schadet nicht, De men mach beteren in der hiebt Kleine Lüge, die man in der Beichte büssen kann, schadet nicht STEPHAN, CATO ND. 1464. Man solkeyn lug von eins worts wegen verschnetzeln, vnd mit Worten nicht versäumen, darff manns doch nit kauffen Man soll keine Lüge eines Wortes wegen zerschneiden (seil, und dadurch verderben), und (man soll) mit Worten nicht sparen, braucht man sie doch nicht zu kaufen FRANCK 1,80 v. EGENOLFF 322 r. Man sol kein lüg von eins worts wegen verschnitzlen FRANCK II, 131 r. EGENOLFF 135 v.

3.3. Wahrheit und Lüge Vgl. oben 3.2.1.1.-3.2.1.2. 3.3.3.—3.3.2. s. Inhaltsübersicht 3.3.3. Eine Lüge kann sich als Wahrheit erweisen 104 M l a t . Quia, quod videtur falsitas, Forsan probabitur esse veritas Denn was eine Lüge zu sein scheint, wird sich vielleicht als die Wahrheit erweisen HROTSVITHA 2,15 (praef. 1,4). 105 S p a n , D{ menttra, y sacaras verdad Sage eine Lüge, und du wirst eine Wahrheit offenbaren! NUNEZ 1,330.

100 107 ws 109

3.3.4. Mancher, der lügt, glaubt die Wahrheit zu sagen {und umgekehrt) Fr. Tel cuide voir dire qm ment Mancher glaubt die Wahrheit zu sagen, der lügt ADAM DE SUEL, CATO 102. Teus cuide uoir dire qui ment REQUIS, RICHARS LI BIAUS 441. Tel cuide mentir qui dit voir Mancher meint zu lügen, der die Wahrheit sagt G. ALEXIS 1,87,251 (Faintes). Pro v. E tals cuya dir ver que men Und mancher meint die Wahrheit zu sagen, der lügt PISTOLETA 8,22.

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no Dt. Maniger liegens gewont so gar, Daz er wol swüere er seite war Mancher ist so sehr ans Lügen gewöhnt, dass er sogar schwüre, er sage die Wahrheit HUGO v. TRIMBERG 15155.

3.3.5.-3.3.7. s. Inhaltsübersicht 3.3.8. Verschiedenes 111 It. Sempre si aggiunge bugia a la veritä Immer mengt man der Wahrheit Lüge bei ARETIN, RAGIONAMENTI 1,145. 112 E n g l . Ffull ofte it hath be seide, and trew it is, Ffalshede and trougth is euer atte debate Sehr oft ist es gesagt worden, und es ist wahr: „Lüge und Wahrheit liegen (wörtl.: ist) immer im Kampf" GENERYDES B 5220.

3.4. Lügen ist gesund für die Leber 4 113 Dt. 114. us 90.

Lyegen ist der lebern gesund Lügen ist gesund für die Leber JOH. v. MORSZHEIM Liegen ist der Lebern gesund AGRICOLA II Nr. 88. EGENOLFE 112 v.

4. Das Aufdecken von Lügen Vgl. unten 221 4.1, Jede Lüge wird schliesslich aufgedeckt 116 Gr. ' SOPH., FRG. 59.

Aber keine Lüge gelangt bis ins Alter

117 M l a t . Sets, quod fert longam fictio nulla moram Du weisst, dass kein Lügenmärchen 8 von langer Dauer ist ALBERT. STAD., TROILUS 2,607, Nullum mendacium semper occultum Keine Lüge bleibt immer verborgen BEBEL, PROV. GERM. 545. 119 Fr. Me^onge ne puet durer Lüge kann nicht von Dauer sein J. DE GRIEVILER (+JEUXPARTIS 31,30}. 120 Prov. Qu'ieu ai anc sempres auzit dir Que messonja no-s pot cobrir Que no mueira (Var.: no-s mostre) qualque sazo Denn ich habe oft sagen hören, dass Lüge sich nicht verbergen kann, (ohne) dass sie irgend einmal stirbt (ohne dass sie sich irgend einmal zeigt) FOLQUET DE MARSEILLE 3,26. 121 It. Chi si fonda in sulla bugia, presto manca Wer sich auf die Lüge veriässt, geht bald fehl ARLOTTO 214,106. 122 S p a n . Aunque compuesta la mentira, siempre es vencida Wie gut ausstaffiert die 123 Lüge auch ist, sie wird immer besiegt NUNEZ 1,146. La mentira, presto es vencida Die Lüge ist schnell besiegt EBD. 11,257. 124 Dt. Der schilt wert de.be.ine frist, Der von lüge gemachet ist Der Schild hält nicht 125 lange, der aus Lüge gemacht ist FREI DANK 171, 7. NOK potent scutum longum tempus fore tutum, Nee quandoque ratum falso sermone paratum. — Der schilt wert keine frist, Der mit lugin gemacht ist Das wird nicht lange ein sicherer Schild sein, was von falscher Rede gemacht ist, und wird auch nie fest sein. — ... FREIDANK LAT. (GöRLirz) 126 1775. Man spricht, das chain valsches wort Wer nicht lange hie noch dort Man sagt, 127 dass kein gclogenes Wort lange währt, weder hier noch dort VINTLER 3662. Wann lug t hut sich selber auffdecken, Irm herrn selber in büsen stecken Denn Lüge deckt sich selbst auf, dringt ihrem Herrn selber in die Brust SACHS XX, 515,6 (1562). Vgl. DIEB 11.1., DUNKEL 4., ERDE 90, GEWINN 296, LICHT 8.1., MORD L, OFFEN 6.2.-6.3., SCHNEE 6., SPINNEN 4.2.2.1., STUNDE 2.1.1., SÜNDE 92, 96, 101, 453, TAG 2.3.1., 2.3.3., UNRECHT 3., VERBERGEN 2.-3., WISSEN 9.1., ZEIT 3.1.2.6.

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J2S 229 130 131 132 133 134

135 136.137 13S 139 140

141 142 143

144.145 146 147 J4S 149 150

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4.2. Einen Lügner holt man schneller ein als einen Lahmen M l a t . Loripes exibit Über mendace reperto Der Lahme wird ungehindert davonkommen, nachdem der Lügner ausfindig gemacht worden ist5 EGBERT., FEC. RAT. l, 157. Fr. Ainz est ateint mensongier que dop. — Claudus abit lentm, sed mendax est cito retentus Früher ist der Lügner eingeholt als der Lahme (Singer), — Der Lahme geht langsam weg, aber der Lügnerische ist schnell eingeholt 6 ZACHER 195 (— MORAW. 37}. ön aconsuit aingois ie menteur que le dop Man holt eher den Lügner als den Hinkenden ein ET, LEGRIS 477 (= MORAW. 37 Anm.). It. £550 (lies: El se) zunze pi tosto el bosaro ch'el zoto Eher holt man den Lügner ein als den Hinkenden GEREMIA DA MONTAGNONE 34. Span. Coma dizen, que toman antes al mentiroso que al que coxquea Wie man sagt, dass man eher den Lügner als den, der hinkt, einholt CELESTINA 242 Var. (17), Antes toman al mentiroso que al coxo Eher holt man den Lügner als den Hinkenden ein NUNEZ 11,284. Antes toman al mentiroso: que al coxo HALLER 238. 4.3. Lügen haben kurze (keine) Beine {sind lahm) 7 Mlat, Verum proverbium est, mendacia curta semper habere crura Ein wahres Sprichwort ist, dass Lügen immer kurze Beine haben EKKEH. IV., CAS. 10 S. 132,42. It. Le bugie son zappe Die Lügen sind lahm PULCI 24,38. Cbe le bugie hanno corte gambe Denn die Lügen haben kurze Beine SAVONAROLA 198 (1496). Le busie, acurte le gambe Die Lügen haben kurze Beine NUNEZ 11,291 {el Italiano}. Span. La mentira no tiene pjes Die Lüge hat keine Füsse NUNEZ 11,284. Variiert: It. La bugia ä corta coda Die Lüge hat einen kurzen Schwanz 8 PAOLO DA CERTALDO 88 S. 82. 4.4. Lügner müssen ein gutes Gedächtnis haben La t. Vulgo dicitur, mendacem memorem esse oportere Man sagt gemeinhin, der Lügner müsse ein gutes Gedächtnis haben QUINT., INSTIT. 4,2,91. Saepe audiui non de nihilo did mendacem memorem esse oportere Oftmals habe ich gehört, man sage nicht ohne Grund, ein Lügner müsse ein gutes Gedächtnis haben APUL., APOL. 69. Et oblitus es veteris proverbii: Mendaces memores esse debere Und du hast das alte Sprichwort vergessen: „Lügner müssen ein gutes Gedächtnis haben" HIERON., ADV. RUFINUM 3,13 (467 B). M l a t . Mendacem memorem esse oportet Der Lügner muss ein gutes Gedächtnis haben ERASM., ADAG. COLL. 10 r, ERASM., ADAG. CHIL, 2,3,74, Quia mendaces oportet esse memores Denn Lügner müssen ein gutes Gedächtnis haben LUTHER, WA XXXVIII, 549,26 (1538). Span, Tu que mientes, que dixiste para mientes Du, der du lügst, behalte im Sinn, was du gesagt hast!9 NUNEZ 111,455. Dt. Mendacem memorem esse oportet. — Wer liegen wil, muß sehen, das er nichts verender Wer lügt, muss ein gutes Gedächtnis haben. — Wer lügen will, muss darauf achten, dass er (beim Wiederaufgreifen seiner Lüge) nichts verändere HAUER 389, Die Griechen sprechen: Ein lügener solt ein gut gedechtnis haben LUTHER, WA XXIII, 163, l (1527). Wer liegen wil, der sol ein gut gedechtnis haben (sprechen die Griechen) Wer lügen will, der soll ein gutes Gedächtnis haben, sagen die Griechen EBD. XXX.3,334,28 (1531).

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4.5. Vereinzelt J5i Fr. C'est trop laide chose d'estre de mentir repris Das ist eine usserst h ssliche Sache, beim L gen erwischt zu werden LEROUX 11,264 (15. Jh.).

5. Folgen von L gen 5.1. Dem L gner wird nicht mehr geglaubt (, selbst wenn er die Wahrheit sagt} 152 Gr. Ερωτηθείς τί περιγίνεται κέρδος τοΐς ψευδομένοις, „όταν," έφη, „λέγωσιν άλήθειαν, μη πιστεύεσθαι" Auf die Frage, was die L gner f r einen Gewinn von ihren L gen haben, antwortete er: „Dass man ihnen nicht mehr glaubt, auch wenn sie die Wahrheit sagen" DIOG. LAERT. .5, 17 (Aristoteles). 153 La t. Cum mendaci komini ne verum quidem dicenti credere soleamus Da wir einem L gner nicht einmal dann glauben, wenn er die Wahrheit sagt Cic., DE DIVIN. 2,71,146. 154 M l a t . Mendaci, dum uera canat, nix creditur ulli Es wird kaum je einem L gner geglaubt, wenn er die Wahrheit sagt EGBERT., FEG. RAT. 1,506. 155.156 Fr. Homme bourdeur, de mentir mescre , Quant il dit voir, a paine est jl cre {CHRISTINE DE PISAN, PROUV. MOUR.: est cre ) Jemandem, der aufschneidet und der L ge verd chtig ist, dem glaubt man kaum, wenn er die Wahrheit sagt GALIENS S. 382. 157 CHRISTINE DE PISAN, PROUV. MOUR. 29. Cil qui mant valentiers ne fait pas a croire 158 Dem, der oft l gt, wird nicht geglaubt PRO v. RUR. 218 (= M O RAW. 399). Le menteur est mescre Et, quant voir dit, il n'est cre Dem L gner wird misstraut und, wenn er die Wahrheit sagt, nicht geglaubt CHRISTINE DE PISAN, ENSEIGNEMENS 33,3. J59 lt. E quando vi se' scorso (seil, nella menzogna), Se tu ale fiate Dicessi veritate, Non ti sar creduta Und wenn du dabei (beim L gen) ertappt wirst, wird dir nicht (mehr) geglaubt werden, (selbst) wenn du manchmal die Wahrheit sagtest BRUNETTO LATINI, 160 TESORETTO 1884. Socrates dixe: A continuo boxaro la veritae no la sera a-lluy cre$ua Sokrates sagt: „Dem, der st ndig l gt, wird man (auch) die Wahrheit nicht glauben" 161 FIORE DI VIRTU A 39,25. Socrates dixe: Allo continuo busardo la veritate nolli e creduta ... dem glaubt man (auch) die Wahrheit nicht" FIORE DI VIRTU B 251,28. 162 Quando l'uomo o la femina e scoperta per bugiardo o per bugiarda non e poi (or creduta la verit , benche la dicano Wenn der Mann oder die Frau als L gner oder L gnerin erkannt werden, wird ihnen die Wahrheit nicht mehr geglaubt, obwohl sie 363 sie sagen PAOLO DA CERTALDO 88 S. 82. A noia moltto m'e chi e bugiardo ... Che chi Ί chonosde gli chrede pi tardo Wer (ein) L gner ist, ist mir sehr zuwider; denn 164 wer ihn kennt, glaubt ihm nicht (mehr) so schnell Pucci, NOIE 82, No si crede al bugiardo, anco ehe giuri Dem L gner glaubt man nicht, auch wenn er schw rt MER165 BURY 23. Al Bugiardo non e creduto la verit Dem L gner wird die Wahrheit nicht geglaubt EBD. 25. 166 K a t. Home que sovent dtu falsia, Lo ver que diga par no sia Derjenige, welcher oft L gen sagt, (bei dem) scheint das Wahre, das er sagen mag, nicht (wahr) zu sein LULL, PROV. 70. 167 S p a n . A l mentiroso, quando dize verdad: no le dan autoridad Wenn der L gner die Wahrheit sagt, glaubt man ihm nicht HALLER 185. 168 Nl. We se vil lucht den en louet men nicht Ok ist wol. dat he de wareyt spricht Wer viel l gt, dem glaubt man nicht, auch wenn er die Wahrheit sagt MNL. RSPR. (WACKERNAGEL) 16. 169 Dt. Wan an sivem man wirt gewar, Das er lugt gerne, der wirt bar Quotes lumden, als billich ist. Ob er Joch ze etelicber vrist Seite, das war ware: Das er ein lugenare St,

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i/o 170a 171 172 173 174 175

176 177 17S 179.180

1S1

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das strichet man iedocb Denn wenn man an jemandem gewahr wird, dass er oft iügt, verliert der seinen guten Ruf, was gerecht ist. Selbst wenn er manchmal sagte, was wahr ist, man sagt trotzdem, dass er ein Lügner ist KONR. v. AMMENHAUSEN 12967. Wer trugt vnd lugt ze manger frist An dens du weh gewönnet ist Der verluset arbait vil Ob er du warhait sagen wil jedoch gelobt jm nieman nicht Wer oft betrügt und lügt (und) von dem man das gewohnt ist, der müht sich umsonst ab, wenn er die Wahrheit sagen will; (dann) glaubt ihm doch keiner LIEDERSAAL 243, 97. Socrates spricht: „wer do leugt an under schait, Dem gelaubt man nicht die warheit" Sokrates sagt: „Wer da ununterbrochen lügt, dem glaubt man die Wahrheit nicht" VINTLER 4030. Denn wer oftmals gelogen hat dem soll man nicht so leichtlich glauben ELISAB. v. NASSAU, LOHER 111. Welcher gern lügt, dem gehübt man auch der warhait nit Wer oft lügt, dem glaubt man auch die Wahrheit nicht STEINHÖWEL, AESOP 357. Wer nu ein mal leuget, der ist gewißlich nit auß got, vnd vordechtig ynn allen dingen Wer nun einmal lügt, der stammt gewiss nicht von Gottes Gnaden und ist in allen Dingen verdächtig LUTHER, WERKE II, 112,3 (1521). Darwider das Sprichwort bezeugt, Das do saget: Wer geren leugt, Demselben gelaubt man dest minder Dagegen spricht das Sprichwort, das da sagt: „Wer oft lügt, dem glaubt man um so weniger" SACHS 111,373,32 (1533). Wie das Griechisch Sprichwort oder Chrysippi sophisma zeugt: Si mentiris, etiam, quod verum diets, mentiris, Leugestu, so i$ts auch erlogen, wenn du gleich die warheit sagest Wie das griechische Sprichwort oder Chrysipps Sophismus bezeugt: „Wenn du lügst, lügst du auch in dem, was du der Wahrheit gemäss sagst. Lügst du, so ist es auch (dann) erlogen, wenn du die Wahrheit sagst" LUTHER, WA L, 74,31 (1537). Wer gern leuget, der mus auch liegen wenn er die warheit sagt, wie Chrysippus sagt Wer oft lügt, der muss auch lügen, wenn er die Wahrheit sagt, wie Chrysipp sagt LUTHER, WERKE IV, 323,26 (1541). Mendaci etiam uera baud creduntur. — Wer vil leugt glaubt man destoweniger Dem Lügner glaubt man die Wahrheit erst recht nicht. — Wer viel lugt, dem glaubt man um so weniger FRANCK 1,56 v. Mentitur iniquitas sibi. — ... An Hegen gewinnt man nicht) dann daß mann jm zu nechst dester weniger glaubt Ungebührlichkeit belügt sich selbst. — Mit Lügen gewinnt man nichts, ausser dass man einem vorerst (noch) um so weniger glaubt EBD. II, 94 r. Ihm widerfert das Sprichwort: Der vil leugt, gewint nicht dran, dann so jn got ein mal einer warheyt berath, daß mans jm nit glaubt An ihm erweist sich das Sprichwort: „Wer viel lügt, gewinnt damit nichts; denn wenn Gott ihm einmal zu einer Wahrheit verhilft, dann glaubt man's ihm nicht" EBD. II, 131 r. EGENOLFF 135 r. -* EID 64. Vgl. DIEB 1.3,, EID 2.4., MISSTRAUEN 5., TRÜGEN 13. Umkehrung: It, Ben si crede al verace, anchor ehe menta Dem Wahrhaftigen glaubt man jederzeit, (selbst) noch wenn er lügt MERBURY 23.

5.2. Lüge bewirkt, dass man die Wahrheit nicht mehr glaubt 182 La t. Antiquus sermo est: ,mendaces faciunt, ut nee uera dicentibus credatur' Ein altes Sprichwort ist: „Die Lügner bewirken, dass auch denen nicht geglaubt wird, die die Wahrheit sagen" HIERON., EP. 6, l, 1. 183 Mlat. Mendaces faciunt ut verum falsa putemus Die Lügner bewirken, dass wir das 184 Wahre für falsch halten EU G. To LET., CARM. 89,8. Et propter mendacium familiäre multis, paucorum non creditur veritati Und wegen der Lüge, die vielen geläufig ist, wird der Wahrheit der wenigen nicht geglaubt THOMAS CELAN., VITA I, FRANCISC. 185 2,96. Mendaces faciunt, ne credas vera loquenti Die Lügner bewirken, dass du einem, der die Wahrheit sagt, nicht glaubst WERNER 2 m 22.

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186 Dt, De logene manigen so bedrouet, Dat men der warheit nicht enlouet Die Lüge betrübt manchen so (sehr), dass man die Wahrheit nicht (mehr) glaubt STEPHAN, CATO ND. 262. -*E!N 107 5.3. Reiche Lügner kommen nicht in den Himmel -» ARM (Adj.) 677-678, 652, 684-686, 691-692, 695, 699-701, 704, 706, 708, 710-711, 715, 717. Vgl. REICH 138 Anders: 187 M l a t . Sicut homo mendax in principis comitatu non conuenit, sie a regno celorum excludendus erit So wie ein Lügner im Gefolge eines Fürsten unangebracht ist, so wird er auch vom himmlischen Königreich ausgeschlossen werden müssen PETR. ALR, DISC. CLER. 11, 32. ISS 189

j 90 191

192 i 93 194 195

196. 197 198 199 200. 201 202 203.204 205

5.4. Wer lügt, verliert seine Freunde It. Menttr et enganar fat departir i amisi Lügen und trügen trennt die Freunde PATEG 102. Dt. Wer vil lügt, der ist nyemans fründ Wer viel lügt, ist niemandes Freund BRANT, NARRENSCHIFF 19,70. Vgl. oben 76, WAHR 5.5. Anders: Dt. Ez ist ein armer trügesite, Der vriunden also liuget, Daz er sich selben triuget Es ist ein armseliger Betrug, die Freunde so zu belügen, dass man sich selbst betrügt GOTTFR. v. STRASSBURG, TRISTAN 12308 (vgl. FREUND 3,10.2.}. Liegen scheidet friunde vil, Swä man lügen ghuben wil Lügen scheidet oft Freunde, überall da, wo man Lugen zu glauben bereit ist FREIDANK 171,23. 5.5. Wer lügt, stiehlt auch M t a t . Mendax est für Ein Lügner ist (auch) ein Dieb BEBEL, PROV. GERM. 1. Dt. Mentiri solitus solet et furarier idem ... — Wer do pflegt gerne zcu liegen Pflegt auch stelen vnd betrigen Wer gewohnt ist zu lügen, pflegt ebenso zu stehlen. — Wer da gerne zu lügen pflegt, pflegt auch zu stehlen und zu betrügen FABRI C4r. De lücht, de stqlt ök, — Surripuisse solet crebro mendacia narr ans Wer lügt, der stiehlt auch. — Wer oft Lügen erzählt, pflegt auch zu stehlen TUNNICIUS 632. Mendax est für. — Wer gern leugt, der stilt gern Übers, wie 292. — Wer oft lügt, der stiehlt oft FRANCK 1,75 v. 5.6. Der Mund, der lügt, tötet die Seele B i b l . Os autem quod mentitur, occidif animam VULG., SAP. 1,11. Denn der mund, so da leuget (welcher lügt}, todtet die Seele LUTHERBIBEL, WEISH. l, 11. Mlat. Qui falsitate vivit, animam occidit Wer mit Lüge lebt, tötet die Seele WIPO, PROV. 36. Os quod mentitur, animam jugulare refertur Der Mund, der lügt, ermordet die Seele, wird gesagt OTLOH., PROV. 323 C. Os, quod mentitur, animam ittgulare probatur Es ist erwiesen, dass der Mund, der lügt, die Seele ermordet WERNER, BEITR. 79,172 i. CARM. BUR. 28, 8. Os, quod mentitur, animae mors esse probatur; Quique malum loquitur, laqueo necis illaqueatur Es ist erwiesen, dass der Mund, der lügt, der Tod der Seele ist; wer Schlechtes sagt, verstrickt sich in der Schlinge des Todes FACETÖS 159. OS, quod mentitur, anime mors esse probatur PROV, WRATISLAV. 430. WERNER 2 o 92. Fr. Quar nos le trouons en escrit, La bauche qui ment, l'ame ocit Denn wir finden es geschrieben: „Der Mund, der lügt, tötet die Seele" CHAST. (BARBAZ. ET MEON)

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206 65,44. Car cele boiche 1'arme ocist, Qui volontiers manfonge dit Denn jener Mund 207 tötet die Seele, der oft Lügen sagt ROB. DE BLOIS, CHAST. DES DAMES 563. Et de teh gentz trovoms escrit: La bouche qw ment l'alme oceyt Und über solche Leute finden wir geschrieben: „Der Mund, der lügt, tötet die Seele" MARIAGE DES FILLES DU DIABLE 309 (l3. Jh. [»ROMANIA 29,66]}. 208 Pro v, E per so es escrit que la boca que ment aussi l'arma Und deshalb steht geschrieben, dass der Mund, der lügt, die Seele tötet MARIAGE DES FILLES DU DIABLE PROV. (Hs. 14. Jh. [»ROMANIA 29,60]), 208a It. La bocba ehe mente ocide l'anema Der Mund, der lügt, tötet die Seele FIORE DI 209 VIRTÜ A 39,23. Un' altra scriptura dise: la bocba, ehe mente, alcide l'anema Eine 210 andere Schrift sagt: ... TRATTATI REL. 25,684. Sancto Augustino dise: ... la bocba, ehe mente, si alcide l'anema Der heilige Augustinus sagt; „Der Mund, der lügt, tötet die Seele" EBD. 26,698. 211 Dt. Want wirt ein man ein logenere, Hie doit syn sele ind Verlust syn ere Denn wenn ein Mann zum Lügner wird, tötet er seine Seele und verliert seine Ehre HAGEN, KÖLNER 212 CHRON. 6139 (vgl. unten 5.9.). We gerne lugit und liegen oeft, De wirt der seien doit geproeft; We liegende dich in lugen vint, In den doit he sifch verbint Wer oft lügt und sich des Lügens befleissigt, der stirbt erwiesenermassen an der Seele. Wer lügend dich 213 verleumdet, verstrickt sich in den Tod FACETIJS DEUTSCH 70 S. 181. Der logenhafftige munt Ist der seien todt zcu allir stundt; Ouch wer do obil sprich et, Der selbige wirt ouch mit todsunden begriffen Der lügenhafte Mund ist zu aller Zeit der Tod der Seele; auch wer schlecht redet, lädt eine Todsünde auf sich EBD. 125 S. 146.

5.7. s, Inhaltsübersicht 5.8. Lügen führt zu Streit und Mord 214 Dt. Wan du lüge ist ein bort, Der ntt, bas stiftet unde mort Denn die Lüge ist eine 215 Zuflucht, die zu Neid, Hass und Mord führt KONR. v. AMMENHAUSEN 12963. Lawgen, liegen und driegen Gibt hader, zanck und kriegen Leugnen, lügen und betrügen verursacht Streit, Zank und Kampf SACHS XXII, 388,23 (1547). Anders: 216 M tat. Induttas longat, qui dicere falsa recusat Wer sich sträubt, Lügen zu sagen, verlängert den Waffenstillstand 10 WERNER 2 i 87.

5.9. Lügen führt zum Verlust der Ehre 217 B i b l . Mores hominum mendacium sine honore: et confusio illorum cum ipsis sine intermissione Das Betragen lügnerischer Menschen ist ehrlos, und ihre Schande ist un21* aufhöriich bei ihnen 11 VULG., SIRACH 20,28. Liegen ist dem Menschen ein schendlich ding, Vnd er kan nimer mehr zu ehren körnen Lügen ist eine schändliche Sache für den Menschen, und er kann nie mehr zu Ehren kommen LUTHERBIBEL, EBD. 219.220 M l a t . Corrumpit mores mendax et perdit honores Der Lügner verdirbt die Sitten und verliert die Ehre PROV. WRATISLAV. 80. WERNER 2 c 124. 221 I t , Ch'on dice ehe menzogna Ritorna in gran vergogna, Perö ch'ä breve corso Denn man sagt, dass sich Lüge in grosse Schande verkehrt, weil sie von kurzer Dauer ist BRUNETTO LATINI, TESORETTO 1881. 222 Dt, Swer ... mit stner zungen mül Weizen melt und in die hül Der lügen sin mel dar nach rert, Der hat sm kunst und sich entert Wenn einer mit der Mühle seiner Zunge Weizen mahlt und sein Mehl danach in die Pfütze der Lügen fallen lässt, hat er seine 223 Kunst und sich selbst entehrt HUGO v. TRIMBERG 15316. Liegen, triegen sint zwei

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ding, D/M beide gar an ere sint Lügen und Betrügen sind zwei Dinge, die vollkommen der Ehre entbehren BONER 55,61. —· EID 65, 67. Vgl. oben 211

5.10. Lügen bringt Schaden und ein schlechtes Ende 224 M l a t . Hie sine fine peril, qui falsum dicere quaerit Der erleidet grenzenlosen Schaden, der Lügen sagen will WERNER Z h 24. 22.i Fr. Tels creit menfunge en sun cur age, Ki li aturne a grant damage-, Si fist l'arunde le vilein, Ki les muissuns prist l'endemain Manch einer schenkt in seinem Herzen einer Lüge Glauben, die sich (dann) zu seinem grossen Schaden wendet; so machte es die Schwalbe mit dem Bauern, der am nächsten Tag die Spatzen fing MARIE DE FRANCE, FABLES 83,49. 226 Dt, Wo/ nicht vorderven wil, Der bode sik vor logen und spil, Vor kopen und burgeschop, Vor wiveren und selschop Wer nicht verderben will, der hüte sich vor Lügen und Spiel, vor Kaufen und Bürgschaft, vor Weibern und Gesellschaft EBSTORF 26. 227 Auß viel erfarung es (seil, das alter] erkendt, Lüg, untrew nemb mit schand ein end Aus reicher Erfahrung erkennt es (das Alter): Lüge (und) Untreue nehmen ein schändliches Ende SACHS III, 236,7 (1530), -» GERÜCHT 95, 106. Vgl, TRÜGEN 3.1.

5.11. Verschiedenes 225 Port. Quem setnpre memte, vergona naom semte Wer immer lügt, empfindet nie Scham NUNEZ 111,258 (el Portugues) (vgl. oben 3.1.4.). 229 N o r d . Pseudo duum mendi (lies mit Druck B; mende) faciunt trinum lue pendi. — Thwaa mwx saa lijffwee (lies: !yffw&, Red.) at then tridicE h&ngher Die Lügen von zwei Falschen machen, dass der dritte wegen des Übels gehängt wird. — Zwei können so lügen, dass der dritte hängt LÄLE 817. 230 Dt. Vor war ich dir künde: Liegen brenget groze sunde Ich verkünde dir als etwas Wahres: Lügen bringt grosse Sünde(n) mit sich SAL. u. MARK. 407.

6. Wer (Was) oft und gerne lügt 6.1. —6.6. s. Inhaltsübersicht 6.7. Alte Leute und Landfahrer lügen 6.7.1. Allg. 231 M l a t . Senes et illi qui longinquas regiones peragraverunt, per vim mentiri dicuntur a vulgo Über Alte und diejenigen, die ferne Länder durchwandert haben, sagt das gemeine Volk, dass sie gewaltig lügen BEBEL, PROV. GERM, 42, 232 It. Uomo vejo e forestrio po dir bosia e po dir vero Der alte Mann und der Fremde können Lügen erzählen und können die Wahrheit sagen GEREMIA DA MONTAGNONE 35. 233 K a t . Tres condicions son de persones qui poden dir falsies a lur guisa: gran senyor denant sos vassals, e veyls denant jouens e qui parla de luny terra Es gibt drei Arten von Leuten, die auf ihre Art Lügen erzählen können: grosse Herren vor ihren Vasallen und Alte vor Jungen und wer von fernen Landen spricht LIBRE DE TRES 160. 234 Span. El viejo en su tierra y el mofo enla agena, mienten quanto quieren Der Alte in seinem Land und der Junge im fremden lügen, soviel sie wollen LOPEZ(?), REFRANES 235 256, £/ viejo en su tierra, y el mozo en la agena, miente de und manera ... lügen beide in gleicher Weise (wörtl.: auf eine Art) NUNEZ 11,32.

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236 Engl. Pilgrimes and Palmers ... hedden leue to lyjen, al heore lyf [afttr] Pilger und Wallfahrer konnten nachher 12 ihr ganzes Leben lang lügen LANGLAND(?), PLOWMAN A Prol. 46. 237 Dt. Mit gewalt liegen Landtfarer, Alt Lütt Vnd die Herren! So ist erlaubt ze liegen den Wächtern, Waidlüten vnd den Eulern; So ist notdurft ze liegen Den Ärzten, Kauflüten vnd den Gaugglern! Landfahrer, alte Leute und die Herren lügen gewaltig! Ferner ist es den Wächtern, den Jägern und den Liebenden erlaubt zu lügen; ferner haben es Ärzte, Kaufleute und Gaukler nötig zu lügen HÄTZLERIN S. LXVII, l (vgl. oben 2.6.1., 238 6.1., 6.3., unten 364). Alter man newe mere, geler et man vnbekante mere, verre gewandert man vnd einer, wider den niemant reden tar, gelogen mere wol turren sagen, wann sie von vnwissender Sachen wegen sein vnstreflich Ein alter Mann mag sich wohl getrauen, eine seltsame Geschichte zu erzählen, ein gelehrter Mann eine unbekannte Geschichte, jemand, der weit gewandert ist, und einer, dem niemand zu widersprechen wagt, eine erlogene Geschichte, denn sie sind wegen Sachen, die nicht bekannt sind, 239 nicht dem Tadel unterworfen JOH. v. SAAZ 17,1. Tria genera hominum solent violenter mentiri, scilicet divagantes per diver sä regna, ut lantweren (lies: lantverer^ Red.), senes et magnates, sive divites ac potentes Drei Arten von Menschen pflegen gewaltig zu lügen, nämlich solche, die verschiedene Reiche durchfahren - z.B. Landfahrer -, 24ö Alte und Herren oder Reiche und Mächtige PROV, FRID. 23 Anm. Per vim mentiri potuere senex peregrinus Absque pudore quidem nemo repugnat eis. — Der gewandert vnnd der alte Mögen liegenn mit gewalte Dann irer verdachten rede geprechen Thar nymands füglich widersprechen Gewaltig lügen können der Greis und der Wanderer: Ohne Hemmungen widerspricht ihnen nämlich niemand. — Der Wandersmann und der Alte dürfen gewaltig lügen; denn der Gebrechlichkeit ihrer verdächtigen Erzählung 241 wagt mit Fug und Recht niemand zu widersprechen FABRI A4 r. Wiewol man spricht: Der reich und alt Und landfarer lyegen mit gwalt Obschon man sagt: „Der Reiche und 242 der Alte und der Landfahrer lügen gewaltig" SACHS 111,373, 30 (1533). Grosse herrn, alten, vnd weit gewanderten liegen mit gewalt Grosse Herren, Alte und Weitgewanderte 243 lügen gewaltig FRANCK 1,77 v. Der weit gewandert vnd alt, liegen mit gewalt EBD. 244 , 131 r. Der weit gewandert, der gewaltig, vnd der alt, liegen mit gewalt EGENOLFF 135 v. Vgl. ALT 103, FREMD 33

6.7.2. Spez. 6.7.2.1. s. Inhaltsübersicht 6.7.2.2. Ein Lügner kehrt besser nicht dorthin zurück, wo er gelogen hat 245 M l a t , Utx repedare, tarnen mendis potes ire per orbem Du kannst zwar mit Lügen (wörtl.: Lastern) durch die ganze Welt fahren, kaum (aber) zurückkehren MSD 246 27,2,242. Mendax per terras transit, non redit in illas Der Lügner zieht durch die 247 Lande, (aber) er kehrt nicht in sie zurück PROV, WRATISLAV, 317. Terram transibis nugans redituque carebis Du wirst als Lügner durch die Lande gehen und du wirst nicht zurückkehren WERNER Z t 29. 24S Dt. Man vert mit lügen durch daz lant, Her wider niht, win man bekant Man reist mit Lügen durch das Land, (aber) nicht zurück, wenn man {als Lügner) bekannt wird 249 FREIDANK 169,24. Ein lügner vert wol dur diu lant; Wil er har wider, er wirt geschant Ein Lügner reist gut durch die Lande; will er zurückkehren, wird er beschimpft BONER 250 55,63. Per patriam poteris verbis fallacibus ire, Sed post noscaris nee sie potes inde redire. — Man vert mit lugin durch dasz land, Her wider nicht, wirt man irkant Du wirst mit lügnerischen Worten durch das Vaterland gehen können, aber nachher kannst du bekannt werden und deshalb nicht mehr von da zurückkehren. — Man reist mit Lügen durch das Land, (aber) nicht zurück, wenn man (als Lügner) erkannt wird FREI-

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251 DANK LAT. (GöRLiTZ) 726. Freydanck sagt, Man feret mit liegen durch das landt Aber herwider wirf sie offt geschandt ... aber auf der Rückreise wird sie (seil, die Lüge) oft getadelt AG RICO LA Nr. 21. -> GUTfAdj.) 60. Vgl. GUT (Adj.) 1.7., LAND 1.6.2., 2.3.1., TREUE 2.7. 252 253 25·* 255 256 257 258 259,260

6.7.2.3. Wer lügen will, soll Wundergeschichten (von fernen Landen) erzählen Nl. Die lieghen wilt mach wonder segghen. — Qui vult nugari miranda polest noua fan Wer lügen will, mag Wunder(geschichten) erzählen. — Wer lügen will, kann wunderbare Neuigkeiten erzählen PROV. COMM 196. Dt. Wer liegen wil, der mag wunder sagen; Des muzzen esel secke dragen Wer lügen will, mag Wunder(geschkhten) erzählen; deshalb müssen Ese! Säcke tragen SAL. u. MARK. 475. Wer do lygen wolde, der mochte wunder sagen Wer da lügen will, der mag Wunder(geschichten) erzählen PROV. FRID. 23. Wer do liegen wil, der mag wunder sagen SCHWABACH 97. Dede leghen wyl de mach wunder segghen PROV. COMM. MND. 195. De wil leigen, de kan wat nifes seggen. — Mentiri cupiens nova quit narrare popello Wer lügen will, kann etwas Neues erzählen. - Wer lügen will, kann den Leuten Neues erzählen TUNNICIUS 291. Drumb sagt man: Wer liegen wil, sol von ferren landen ader alten dingen liegen, so kan man jm nit nachfragen Darum sagt man: „Wer lügen will, soll von fernen Ländern oder alten Dingen lügen, dann kann man ihm nicht auf die Spur kommen (wörtl.t nachfragen}" FRANCK 1,77 v. Wer liegen wil, sol von verren landen liegen, so kann man Im nicht nachfragen EBD. II, 131 r. EGENOLFF 135 r.

6.8. Wer von guter Herkunft ist, lügt 261. 262 Span. Quien no miente No viene de huena gente Wer nicht lügt, kommt nicht von guten Leuten PINAR (»CANCIONERO 11,561 b). NUNEZ III, 289.13 263 Port. Quem näo mente, näo de boa gente GIL VICENTE 1,175 (Dialogo sobre a Ressureicäo). Vgl. unten 7.7. 6.9. s. Inhaltsübersicht 6.10. Verschiedenes 264 Span. Daza es buen amigo, mas miente de contino Daza ist ein guter Freund, aber 265 er lügt andauernd 14 NUNEZ 1,263. El oficial que no miente, salgase de entre la gente Der Handwerker, der nicht lügt, mag hervortreten (wörtl.: hebe sich aus der Menge der Leute hervor} 15 EBD. 11,38.

7. Wer (Was) nicht lügt {nicht belogen werden soll) 7.1.—7.2. s. Inhaltsübersicht 7.3. Gott lügt nicht 266.267 B i b l . No« est Deus quasi homo, ut mentiatur VULG., NUM. 23,19. Go« ist nicht ein Mensch das er liege ... so dass er lügen würde LUTHERBIBEL, 4. MOSE 23,19, 26S ... quibus imposstbile est mentiri Deum Bei denen es unmöglich ist, dass Gott lügt 269 VULG., HEBR. 6,18. Denn es ist vmmuglich, das Gott liege Denn es ist unmöglich, dass Gott lügen könnte LUTHERBIBEL, EBD. 270 Fr. Mais Dieu qui ne fault ne ne ment Aber Gott, der weder irrt noch lügt MIRACLE DE LA MERE DU PAPE

650.

271 Prov. Diou pas non ment Gott lägt nicht S. PONCZ 2746. 272 It. Iddio, ehe non puö mentire Gott, der nicht lügen kann SAVONAROLA 363.

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273 Dt, Er kan nitt enliegen, Sin mund wil nieman trigen; Waz er geheissetf, daz ist war Er kann nicht lügen, sein Mund wird niemanden betrügen; was er befiehlt, das ist wahr 274 GÖTTWEIGER TROJANERKRIEG 9433, Goii mag nit ligen Gott kann nicht lügen Lu275 THER, WERKE 1,169,23 (1519). Vmb des warhafftigen worts Christi willen, der dir nit liegen mag Um des wahrhaftigen Wortes Christi willen, der dich nicht belügen kann 276 EBD, 1,178,26 (1519). Got leugt nit wie ein mensch thut Gott lügt nicht, wie ein Mensch (es) tut EBD, 11,77,10 (1521). Vgl. oben 83y GOTT 8.2. 277 278

279 280 281 2S2 283

284

7.4. Gott kann man (auf Dauer) nicht befugen Fr. Ke diu ne puet on pas mentir Denn Gott kann man nicht belügen JACQUES o'AMIENS 1,2312. Dt. N« sit des, frouwe, gewis, Der unsern herren got an liuget Und sieb selben betriuget, Der tuot daz äne der witze rat. Nu wizzet, daz im missegät, Wil erz die lenge triben Nun seid dessen, Herrin, gewiss: Wer unseren Herrgott anlügt und sich selbst betrügt, der tut das ohne Zutun des Verstandes. Ihr sollt aber wissen, dass ihm (das) danebengeht, wenn er's auf Dauer (so) treiben will! OTTE, ERACLIUS 442. Und waenei so got betriegen Dem ntemen ein wort mac geliegen Und bildet sich ein, Gott so zu betrügen, dem gegenüber niemand ein Wort lügen kann THOM. v. ZIRCLARJA 9363. Swie dicke gote wirt gelogen, Er ist doch iemer unbetrogen Wie oft Gott auch belogen wird, er bleibt doch immer unbetrogen FREIDANK 169,18. Das wetz er wol, dem niemen niht geliegen mac Der weiss das wohl, den niemand belügen kann ULR. v. LICHTENSTEIN, FRAUENDIENST 56,23. Gewaltiger herr, dem nieman liegen nob triegen kan Mächtiger Herr, den niemand belügen oder betrügen kann SEUSE 88,18, Quamvis de domino mala quis seu falsa loquatur, Attamen ex ipso sapientia vera moratur. - Wi oft got wirt vorlogin, Her ist doch ymmer unbetrogin Auch wenn einer Schlechtes oder Falsches von dem Herrn spricht, so bleibt doch die wahre Weisheit aus ihm selbst heraus bestehen. - Übers, wie 280 FREI DANK LAT. (GöRLiTz) 1712. Goif kann ntemandt liegen Gott kann niemand belügen AGRICOLA Nr. 553, Vgl. oben 1.4., CHRISTUS 2., GOTT 9.2., WISSEN 4.9. 7.5.—7.6. s. Inhaltsübersicht

285 286 287.288 2S9 290

7.7. Gutes Blut lügt nicht16 Fr. Sang naturel, qui point ne ment Reines Blut, das gar nicht lügt MISTERE DU VIEL TESTAM. 10135. Hely, si fait, bon sang ne poeult mentir Ach, so ist es: Gutes Blut kann nicht lügen J. MOLINET 172,296. James bon sang ne poeult mentir Nie kann gutes Blut lügen EBD. 198,136. 252,32. Prov. Car veramen bon sane no men Denn gutes Blut lügt wahrhaftig nicht BERTR. CARBONEL 57 (+BARTSCH, DENKM. 22,9). E n g l . But as men sayen, ,tme blood may not lye' Doch wie man sagt: „Echtes Blut kann nicht lügen" CAXTON, SONNES OF AYMON 248,25. — KÖNIG 58. Vgl. oben 6.8., ERZIEHEN 103, GUT (Adj.) 913

8. Umgang mit Lüge und Lügnern 8.1. Man soll Lügen nicht glauben 291 Dt. Seit mir ein lügenaere vil, Des gloube ich, als vil ich wil Wenn mir ein Lügner 292 viel sagt, glaube ich davon (nur), soviel ich will FREIDANK 170}8. Seit mir ein lüge293 naere vil, Des geloube ich swaz ich wil ... was ich will FREIDANK (PAUL) 365. Si vir

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me mendax per verba superflua ledit, Non hunc attendo, nisi quantum metis mea credit. — Sagit mir ein lugner ml, Desz gelaub ich nur, wasz ich wit Wenn ein Lügner mich mit einem Schwall von Worten angreift, achte ich auf diesen nur, soweit mein Geist (ihm) glaubt. - Übers, wie 291 FREIDANK LAT. (GöRLiTz) 606. — GLAUBEN 213. Vgl. TRÜGEN 9„ WORT 1362

8.2. Man soll Lügner meiden 294 Span. Co« ei mentiroso basta la puerta Mit dem Lügner bis zur Tür 17 NUNEZ 1,240. 295 Dt. Ich sprechen: alle logenere Sal man scbuwen sere Ich sage: Alle Lügner soll man sehr meiden SAL. u. MARK. 379. Vgl. TRÜGEN 9.

8.3. Eine offensichtliche Lüge verdient keine Antwort 296 297 298 299

Dt. Ein offenbar lugen ist keiner antwort wer a Eine offensichtliche Lüge verdient keine Antwort LUTHER 28. Denn wie man spricht, Ein öffentliche lugen ist keiner antwort werd LUTHER, WERKE 111,406,37 (1528). Ein öffentlich lug, ist keyner antwort werdt FRANCK I, 81 r. Öffentlich lug ist keiner antwort werdt EBD. II, 192 v.

8.4. Auf eine Lüge gehört ein Backenstreich 18 300 Dt. Auffeyn lügen gehöret eyn backenschlag Auf eine Lüge gehört ein Schlag auf die 301 Backe AGRICOLA Nr. 424. Auff ain lugen gehört kam antwort, sonder am Backenstratch Auf eine Lüge gehört keine Antwort, sondern ein Backenstreich AGRICOLA 302 II Nr. 56. Einer lügen gehurt ein backenschlag, maulstreych Einer Lüge gebührt ein Schlag auf die Backe, ein Maulstreich EGENOLFF 189 v.

8.5. Lüge wird (werde) mit Lüge vergolten 303 La t. Multi mentiuntur ut decipiant, multi, quia decepti sunt Viele lügen, damit sie betrügen können, viele, weil sie betrogen worden sind SEN., DE IRA 2,29,2. 304 Fr. Meinte feiz est trove e dit: Meint hume i a, ki mentir vuelt A celui ki mentir li suelt Viele Male hat man (für wahr) befunden und gesagt; „Es gibt manch einen, der 305 den belügen will, der ihn anzulügen pflegt" MARIE DE FRANCE, FABLES 83,44. As menchongier doit l'en mentir Et au veraise dire voir Lügnern gegenüber soll man lügen und dem, der die Wahrheit spricht, die Wahrheit sagen JOUFROIS 1205. 305a Nord. Efpü an annan, faannzfiu tlla truir, Vildu af hanom fio gott geta: fagrt skaltu vid pann m&la, en flatt byggia Ok gialda lausung vid lygi Wenn du einen ändern (seil. Freund) hast, dem du schlecht traust, (und) von ihm dennoch Gutes erlangen willst, dann sollst du schön mit ihm sprechen, aber auf Betrug sinnen und Falschheit mit Lüge vergelten HÄVAMAL 45. 306 Dt. Mir hat manic man gelogen, Und waent, er habe mich betrogen, Den ich ouch kund' betrieben, Wo/ ich hin wider liegen Mich hat mancher belogen und meint, er habe mich betrogen, den ich auch betrügen könnte, wenn ich wieder zurücklügen 307 wollte FREIDANK 172,2. „Triuc du mich, so Huge ich dir, Gib ich dir niht, sam tuo du mir!" Diz hoerent die jungen von den alten „Betrügst du mich, so belüge ich dich; gebe ich dir nichts, verhalte du dich mir gegenüber entsprechend!" Das hören die Jun308 gen von den Alten HUGO v. TRIMBERG 16293. Der ist gar ain wiser man Der lug mit lug gelten kan Der ist ein sehr weiser Mann, der Lüge mit Lüge vergelten kann LIEDERSAAL 242,89,

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— FREUND 675, TRÜGEN 103. Vgl. ÄFFEN l,, DIEB 2.2.4., GLEICH 5., LIST 3.1.3.2., 3.4., SCHLECHT 6.11.1,2., SCHURKE 1.4., TREUE 4.2., TRÜGEN 2., 3.2., 4.1,, UNTREUE 2.1,1.-2.1.2., VERRAT 4, WORT 33.16.

8.6. s. Inhaltsübersicht 8.7. Töricht ist, wer einen ehrenwerten Mann belügt .309 Fr. Car il est fous gut a preudome ment Denn der ist töricht, der einen Ehrenmann 3io belügt BERTR. BAR, GIR. DE VIENNE 371. Car molt est fous qui a riebe home ment Denn sehr töricht ist, wer einen wackeren Mann belügt EBD. 670.

8.8. s. Inhaltsübersicht 8.9. Vereinzelt 3Wa Fr. Menchunge fait a criendre Die Lüge muss man fürchten RAWLINSON 359 (= MoRAW. 1219). 9. s. Inhaltsübersicht 10. Redensarten 10.1. Erstunken und erlogen 311. 312 Dt. So ists erstuncken vnd erlogen MURNER, NARRENB. 32,17. Das e$ erlogen vnd erstuncken ist LUTHER, WERKE 1,331,39 {1520}.

10.2. Lügen, dass es stinkt 313 Dt. Vnd lügt, das vor den leuten stinckt Und (er) lügt, dass es vor den Leuten stinkt 314 MURNER, NARRENB. 6,63. Er leuget das stinckt Er lügt, dass es stinkt LUTHER 348.

10.3. Durch (In) den Hals {das Maul, die Zähne, den Bart, den Kopf) lügen 19 315 Mlat. Mentiti sunt per medios denies Sie haben mitten durch die Zähne gelogen HAS KINS 15. 316 Fr. // vous menti par mi la goule Er belog euch durch den Hals ROB. LE DIABLE 4655. 317 Que manteor parmi les aanz Ferai celui Qui tel anui Et tele honte m'a faite hui Denn zu einem Durch-die-Zähne-Lügner werde ich den machen, der mir heute solchen Ver3is druss und solche Schmach zugefügt hat GAUT. DE COINCY, MIR. N. D. 1,336. Por ce ment eil aval ses dens, Qui preuaefame ne preudome Ne pappelart ne begin nome Deshalb lügt der (durch) seine Zähne hinunter, welcher eine ehrenwerte Frau und einen ehrenwerten Mann einen Heuchler oder einen Scheinheiligen nennt GAUT. DE COINCY 319 (-» BARBAZ. ET MEON 1,318,1482). Atnz mentez parmi la guargate Vielmehr lügt Ihr 320 durch den Hals DAME JOUENNE 127. Mais Uz mentent par la gorge Aber sie lügen 321 durch den Hals . DU XIVE s. 183 (Troilus). Qui tiennent qu'il ment par sa gueule Die behaupten, dass er durch seinen Hals lüge JACQUES MILET (1459 [-»ROMA322 22,241]). Et vous mentes, par voustre dens Und Ihr lügt durch Eure Zähne FARCE DES TROIS COMMERES 28 (E. 15. Jh. [+ROMANIA 10,538]). 323.324 Pro v. Per la gola mentz Du lügst durch den Hals JAUFRE 1510. Mentimini per rostra ... — Per la gola mentes de pla Ihr lügt durchs Maul. — Ihr lügt direkt durchs Maul 325 AGNES 156. El men per mieg lo mor Er lügt mitten durch die Schnauze GARIN o'ApCHIER (+APFEL, POESIES PROV. 43,14). 326 It. lo credo ehe tu menti per la gola Ich glaube, dass du durch den Hais lügst BESTIA325.32S RIUS 69,11. Per la gola menti Du lügst durch den Hals SPAGNA 27,38. PULCI 3,26.

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329-333 Mentono per la gola Sie lügen durch den Hals SACCHETTI 22. Tu menti per la gola Du lügst durch den Hals EBD. 140. ANDREA DA BARBERINO, REALI DI FR. 1,48 S. 164. 334 3,26 S. 315. SAVONAROLA 260 (1496). Che dt tutte mentirä per la gola Der über alle .335 durch den Hals lügen wird BERNARDINO 1,143 (Pred. 6). Tu menti per la gola con tuo inganno Du lügst durch den Hals und betrügst dich dabei selbst STREGHI, Picci336 NINO 7, 86. £ chi dice altro, per la canna mente Und wer etwas anderes sagt, lügt 337 durch den Hals PULCI 22, 92. Mentivo per la gola Ich log durch den Hals BIBBIENA, CALANDRIA 120 (5,3). 338 K a t , £ axi mintre per la gola Und so werde ich durch den Hals lügen FASSET 1302. 339 S p a n . Miente por medio la barba Er lügt mitten durch den Bart PRIMAVERA 1,20,12. 340 Engl. Thowe lyes in thin hede Du lügst in deinen Kopf GESTA ROM. ENGL, 48 S. 215. ,34l Pat he lyeth in hi$ hed Dass er in seinen Kopf lüge EBD. 65 S. 284, 342 Nl. „Ghi lyeghet bet doer uwen croden soens hals!", „Gi lyeghet sehe te dwars ende te langhes doer uwen kinnebacken!" „Ihr lügt es durch Euren Krötensohnshals 20 ! 4 ' „Ihr lügt selbst des langen und breiten (wortl.: quer und lang) durch Eure Kinnbacken!" 343 MNL. GEISTL. PROSA 134 (Des Coninx Summe). In uwen halze hebdijt gheloghen! In euren Hals habt ihr es gelogen POTTER, MINNENLOEP 2,2571. 344. 34S Dt. Daz ist in ir hals gelogen Das ist in ihren Hals gelogen HELBLING 2,1412. h 346 hat gelogen In iuwern hals Ihr habt in Euren Hals gelogen HEIDIN IV 1646. Der hürsuns paur leugt in sein mund Der Hurensohnsbauer lügt in seinen Mund ROSEN347 PLÜT(?) (+FASTNACHTSP. 349,3), In deinen halß hastu gelogen In deinen Hals hast du 348 gelogen SUSANNA 278. In dein baupp bast du gelogen In deinen Kopf hast du gelogen 349 EBD. 290. Des lieg er in sein halß Das lüge er in seinen Hals MURNER, ADEL DT. NAT. 52.

10.4, Lügen, dass sich die Balken biegen (der Boden biegt; die Balken krachen) 350 Dt. Wann einer trügt, der ander !ügt Das sich der boden under in bügt Denn einer 351 betrügt, der andere lügt, dass sich der Boden unter ihnen biegt NETZ 1586. So must sich offt vor seynem ligen Rigel, schlos und palken pigen So mussten sich oft infolge seines Lügens Riegel, Schlösser und Balken biegen KUGLER {+ KELLER, ERZ. 494,3). 352 Vnd liegendt, das die balcken krachen Und (sie) lügen, dass die Balken krachen MUR353 NER, NARRENB. 6,41. Und liegen, das die balcken krachen LUTHER, WA XXVI, 354 565,26 (1528). Sie stand am kanzel ietz und liegend, Dass sieb ganze wend und bollu/erk biegend Sie stehen jetzt auf der Kanzel und lügen, dass sich ganze Wände und 355 Bollwerke biegen MANUEL 108 (Von Papsts u. Christi Gegensatz 125). Unnd leug, sich möchten palcken biegen Und (ich) lüge, dass sich die Baiken biegen könnten SACHS 356 V, 329,10 (1533), Und liegen doch so grob, dass die balcken mochten krachen Und (sie) lügen doch so grob, dass die Balken krachen könnten LUTHER, WA XLVII,506,5 (1539).21

10.5. Verschiedenes 357 S p a n . Preguntaldo a Munoz, que miente mas que yo Fragt [es] Munoz, der lügt mehr als ich!22 LOPEZ{?}, REFRANES 565. 358 Dt, Vor zeyten loug man durch eyn brett, Das etwa drithalb elen hett Früher log man 359 durch ein Brett, das etwa zweieinhalb Ellen dick war MURNER, NARRENB, 6,42. euch die lügen-glocken schein (Die) mit euch mit der Lügenglocke schellen 23 SACHS 360.361 V, 332,27 (1533). Mendacio fucum addit. - Einer lügen ein gestalt geben. Er kan ein lugen wol staffieren Er gibt der Lüge Schminke bei. - Einer Lüge einen Schein (von

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Wahrheit) geben. Er kann eine Lüge gut ausstatten FRANCK H, 35 r. EGENOLFF 44 v. 362 Er wir t vor ainer lugen nicht rot Er wird von einer Lüge nicht rot AGRICOLA Nr. 363 145. Er wirt von einer lügen nit rot EGENOLFF 33 v.

11. Vergleiche 364 M l a t . Vulgo siquidetn cum quis mentiendi nota inuritur, did so/ei, quia quovis excubo, vigilive mendacior est Man pflegt nämlich im Volke, wenn einer durch den Makel des Lügens gekennzeichnet wird, zu sagen, dass er ein grösserer Lügner sei als jeder Wächter oder Bewacher IOH. SARESB., POLICRAT. 462 A (vgl. ohen 237). 365 Engl. l>e lyejere is amang pe men äse pe ualse peny amang pe guode, äse pet chef amang pe corn Der Lügner ist unter den Menschen wie der falsche Pfennig zwischen den guten, wie die Spreu unter dem Korn MICHEL, AYENBITE 62, 24 366 Dt. Ein logenqr snit mer dan ein swert. — Plus gladio mendax offendit lingua minaci Ein Lügner schneidet mehr als ein Schwert. — Mehr als ein Schwert verletzt der Lügner 367 mit seiner drohenden Zunge TUNNICIUS 923 (vgl. ZUNGE 7.6.). Hefte er sollen an der ersten lügen sterben, er were lengst todt Wenn er an der ersten Lüge hätte sterben 368 müssen, wäre er längst tot AGRICOLA Nr. 696. Salt er an der ersten Lugen gestorben 369.370 sein, so were er lange tod AGRICOLA II Nr. 146. Die lüg hanget an einander wie rüriger sandt, den mann nyndert zusamen ballen oder halten kan Die Lüge hängt zusammen wie lockerer Sand, den man nirgends zusammenballen oder -halten kann FRANCK II, 101 v. EGENOLFF 93 r.

12. Verschiedenes 371 M l a t , Qui seit mentiri nequit ars melior reperiri Wenn einer lügen kann, lässt sich keine bessere Kunst finden FLOR. VINDOB. 284. 372 Fr. Quar plus plaist menconge ä bricon Qu'ä femeilleus char de paon Denn dem Narr gefällt die Lüge mehr als dem Hungernden Pfauenfleisch CHAST. (BARBAZ. ET 373 MEON) 72,247. On ne puet mie auques avoir pour mentir auques Man kann nicht etwas (einfach) dadurch bekommen, dass man ein wenig lügt LEROUX 11,362 (l3. Jh.). 374 Span. A tu amigo dile la mentir a, si te guardare poridad dile la verdad Deinem Freund sage die Lüge; wenn er dir das Geheimnis hütet, sage ihm die Wahrheit! NUNEZ 375 1,140. Mentir, hija, mas no tanto que no pica la zarza tan alto Lüge, Tochter, aber nicht so sehr; denn der Dornbusch sticht nicht so weit oben!25 EBD. 11,375. 376 P o r t . A truyta y a mtntira quanta major tanto milhor Die Forelle und die Lüge: je grosser, um so besser NUNEZ 1,139 (el Portugues). 377 Nord. Vel lygr sa, er meö vitnum lygr Gut lügt, wer mit Zeugen lügt E>ORSTEiNs SAGA SIDU-HALLSSONAR 3 S, 305 ( = JONSSON, ARKIV 257. JONSSON 109). 378 Dt. Liegen triegen noch bejagent, Daz sie ze Rome krone tragent Lügen und Betrügen 379 erreichen noch, dass sie in Rom die Krone tragen FREIDANK 167,4. Wo lugner trugners tochter nimpt Und bed swiger huren sind, Do samlet sich ein söliches geschlecht, De$ sich der tufel frewen mächt Wo ein Lügner die Tochter eines Betrügers zur Frau nimmt und beide Schwiegermütter Huren sind, da kommt ein solches Geschlecht zusammen, dass sich der Teufel freuen könnte KEMLI {* WERNER, BEITR. 208). H. U. S.

Anmerkungen 1 2

Vgl. G. Eitler, Die ethischen Anschauungen in ,Freidanks Bescheidenheit', Tubingen 1969, 415. Nunez fährt fort: Anade: y por eso lo man todos tanto Füge hinzu: und deshalb bequemen es sich alle an. Vgt. zu dieser Gruppe auch WANDER 111,256 f. s.v. Lüge 94, 104 u. 135.

79 3

LÜGNERISCH)

SINGER, SPRW. D. MA II, 35 f, Die Leber gilt nach Galen u. Hippokrates als Sitz der Leidenschaften, was auch in Agricolas Komm, anklingt. Vgl. dazu J. Cantera Ortiz de Urbina, Refranes y locuciones del espanol y el frances en torno af bazo, el higado, el corazon y los rifiones, in: Cuadernos de investigation filologica 9, Logrono 1983, 47-62. 5 Die Gl. eriäittert: Ante poteris penes te tnuenire bilmguem et mendatta fingentem quam consequi celerius iterantem loripedem Eher wirst du bei dir den Doppelzüngigen und Lügenerzahlec wiederfinden, als dass du den schneller gehenden Hinkenden einholst EGBERT., FEC. RAT, l, 157 G!. * Vgl. SINGER, SPRW. D. MA 1,80 u. 11,75. 7 Vgl. PHAEDR,, FAB. App. 4 (De Veritate et Mendacio). s Vgl. CRUSCA 5 s. v. coda § 40, 9 Nunez fährt fort: Que los mentirosos ban de tener memoria, dice Quintiliano Denn „die Lügner müssen ein gutes Gedächtnis haben", sagt Quintilian. 10 SEILER, MLAT. SPRW. 464 übersetzt anders: „Wer sich nicht zu nützlichen Lügen versteht, der verlängert die Verhandlungen", Damit könnte das Sprw. in unserer Gruppe 3.2.2.1. stehen. 11 Die Heilige Schrift aus der Vulgata übersetzt von Franz von Allioli, Stuttgart o.J., 5, Aufl., Bd. 2. 12 Gemeint ist: nach der Pilgerfahrt. Vgl. auch WHITING P18. 13 Nunez erläutert: Que los hombres de linage, alabando sus pasados, suelen alargarse y mentir, y quien no lo hace parece no ser de noble casta Denn Leute von edler Abstammung pflegen, indem sie ihre Ahnen emporloben, sich selbst aufzuwerten und zu lügen, und wer das nicht tut, scheint nicht von edler Abstammung zu sein. 14 CORREAS 309 betrachtet Daza als gleichbedeutend mit Daka (= da aea) ,gib her'. Das Sprw. meint offenbar Menschen, die leere Versprechungen machen, 15 D. h., dass fast alle Handwerker Lügner sind, wie C, Oudin in seiner fr. Übers, des Sprw. erklärt {Refranes o proverbios espanoles traduzidos en lengua francesa, Paris 1605, 53). Vgt. auch MARTINEZ KLEISER s.v. oficio. 16 Vgl. HASSELL S26. S27 u. WHITING B368. 17 Vgl, REFRANERO 142 — empfiehlt, mit Lügnern weder Umgang noch Freundschaft zu pflegen. 18 VgL WANDER III,253f. s.v. Lüge 7, 10-11, 74, 185, 192. 19 D. h. schamlos lügen. Vgl. BATTAGLIA X, 102c; CRUSCA ! VIII, 402 b; GRIMM, DWe. IV.2,254f. u. VI, 1276 f.; LE Roux, DICT. COMIQUE 11,63; RÖHRICH 1,376 b; TOBLER - LOMMATZSCH V, 1444,42 u, 1446,14, 20 „Krötensohn" ist ein Schimpfwort, Vgl. A. Lübfaen, Mittelniederdeutsches Handwörterbuch, Norden u, Leipzig 1888, 190 s.v. kroden-sone. 21 Weitere Belege bei GRIMM, DWn, f, 1089. 22 Um jemand, der verlogen ist, zu verspotten, nennt man ihn munos, möglicherweise in Anlehnung an gr. . Vgl. das in Anm. 15 zit. Buch von Oudin S. 136 u. FEW VI,3,63. 23 D.h. ,lügen', vgl. W. Tauber, Der Wortschatz des Hans Sachs, Berlin/New York 1983,1,90. 2 " Weitere Belege bei WHITING L 221. 25 Nunez fährt fort: Lo entero es: dead bija garrida, quien os müncbo la camtsa? madre, las moras de! zarzal Das Ganze heisst: Sagt, hübsche Tochter, wer befleckte Euch das Hemd? Die Beeren vom Brombeerstrauch (waren's), Mutter, Die Verse gehen auf eine Jarcha aus dem portugiesischgalizisehen Raum, La Cancion de Pero Meogo, zurück {vgl. M. Frenk Alatorre, Estudios sobre lirica antigua, Madrid 1978, 124 f.). Zum Motiv des Brombeerpflückens als Bild des Liebesgenusses s. L. Röhrich, Gebärde - Metapher — Parodie, Düsseldorf 1967, 66 f. 4

LÜGENHAFT s. LÜGEN LÜGNER(ISCH) s. LÜGEN

LUKAS

80

LUKAS / Luc / Luke i. 2 Dt. Lucas schreibt nicht also1 (so) AGRICOLA Nr. 422, EGENOLFF 189r.

V.M.

Anmerkung 1

Der Sinn ist: Die Sache ist anders, oder: Das ist eine eingebildete, t richte Erwartung. Vgl. WANDER 111,281 s.v. Lukas 3,4,8.

LUMPEN s. TUCH

LUNGE / poumon / lungs 1. Schlachte(t) Rinder und Hammel, und gib (gebt) mir f r einen Cornado Lunge J Span. Mata vacas y carneros, y dame vn cornado de bofes Schlachte Rinder und 2 Hammel, und gib mir f r einen Cornado Lunge! 1 LOPEZ(?), REFRANES 460. Matad vacas y carneros, dame (lies mit AUTORIDADES 1,636: dadme) un cornado de bofes Schlachtet Rinder und Hammel, gebt mir f r einen Cornado Lunge! NUNEZ II, 342. 2. Tiere ohne Lunge haben keine Stimme 3 G r. Όσα (seil, τφν ζφων) μη έχει πνεύμονα ουδέ φθέγγεται Alle diejenigen (Lebewesen), die keine Lunge haben, haben auch keine Stimme ARISTOT., HIST. AN. 4,9,1. 4 Dt. Wizzet swelck tier niht langen hat, Daz ist ane stimme an aller stat Wisset, dass ein Tier, das keine Lunge hat, berall ohne Stimme ist! HUGO v. TRIMBERG 20967. 5 Aristotiles spricht, daz ain iegleich tier, daz der lungen mangelt, m ez auch rehter stimm mangeln Aristoteles sagt, dass jedes Tier, das keine Lunge habe, auch keine richtige Stimme haben k nne KONR. v. MEGENBERG 30,21. 3. Redensarten

3.1. Aus der Lunge reden 6.7 Dt. Au der Lungen, und nicht au dem hertzen reden AGRICOLA i! Nr. 87. EGENOLFF 112 r.

3.2. Von der Lunge r umen (fegen) 2 s La t. Oum veteres avias tibi de pulmone revello W hrend ich dir alte Grossrnutterweisheiten von der Lunge fege PERSIUS, SAT. 5, 92. 9 Ml at. De pulmone reuellere Von der Lunge fegen ERASM., ADAG. CHIL. 3,5,46, 10.11 Dt. De pulmone reuellere. — Von der lungen r umen ... Persius hey t es die lungenn fegen FRANCK 1,11 v. EGENOLFF 283 r.

H. 17. S.

81

LYAEUS

Anmerkungen 1

2

AUTORIDADES 1,636 erläutert: Sprw, gegen diejenigen, die wegen einer unwichtigen u. lächerlichen Sache, die für sie selbst nützlich ist, von anderen grosse Verausgabung u. Anstrengung verlangen. Ähnlich Dice. DE REFRANES 2888 u. SBARBI 120. Vgl. WANDER 111,285 s.v. Lunge 17: d.h. sich von alten Vorurteilen befreien.

LUST (Fleischeslust) s. WOLLUST LUST (Wonne) s. FREUDE LUST HABEN s. BEGEHREN LÜSTERN(HEIT) s, WOLLUST LUSTIG MACHEN (sich) s, SPOTT LUZIFER -* WALD 37. Vgl. TEUFEL LYAEUS s. WEIN

M MACHEN s. TUN MACHEN (in) s. SCHEISSEN MACHT s. GEWALT MÄCHTIG s. GEWALT MÄCHTIG SEIN (einer Sache} s. KÖNNEN

MÄDCHEN / (jeune) fille / girl Vgl. FRAU, JUNGFRAU 1. Mädchen und Liebe 1.1, Zu den Mädchen gehört die Liebe (1-3). Vgl. MARKT 128-129

1.2. Mädchen sind verführerisch (4—7) 1.3, Die Mädchen sind zur Liebe bereit (8-14).^· MÖRSER 28. Ähnlich (15} 1.4. Mädchenliebe ist wertlos und schädlich (16 — 17) 2. Mädchen und Schönheit (18—22)

3. (Törichte} Mädchen dürfen nicht zuviel reden (23-26). Vgl. FRAU 7.4.1. 4. Gewisse Verhaltensweisen bei Mädchen sind verdächtig (27-32)

5. Mädchen sind schwer zu hüten (33). -* GEFÄSS 62. Vgl. FRAU 1.13. 6. Alle Mädchen haben Fehler — ELSTER 6 7. Redensarten (34-35) 8. Verschiedenes {30-45;

l, Mädchen und Liebe 1.1. Zu den Mädchen gehört die Liebe Mlat. Haec raro contingere atque fere contra naturae cur sum esse traduntur ab Ottosis: Tuella adolescens sine amore, nundinae sine furibus, antiquus ludaeus sine divitiis, antiquum borreum sine muribus, antiqua vestis pellicea sine pediculis, antiquus caper sine barba, antiqua monialis sine religione Die folgenden Dinge gibt es selten, und sie sind sozusagen dem Lauf der Natur zuwider, wie die Müssigen zu sagen pflegen: ein junges Mädchen ohne Liebe, ein Jahrmarkt ohne Diebe, ein alter Jude ohne Reichtum, eine alte Scheune ohne Mäuse, ein alter Pelz ohne Läuse, ein alter Ziegenbock ohne Bart und eine alte Nonne ohne Frömmigkeit BEBEL, FAC. 3,94. Nl. Een iaermarct sonder dief, een schoone maeght sonder lief, een schüre met cor en sonder musen, een oude pelse sonder lusen, een oudt wyf sonder scheiden, dese vyf dinghen vindt men seiden Einen Jahrmarkt ohne Diebe, ein schönes Mädchen ohne

83

MÄDCHEN

Liebe, eine Kornscheune ohne Mäuse, einen alten Pelz ohne Lause, ein altes Weib ohne Keifen, diese fünf Dinge findet man selten OUDE NEDERL. SPREUKEN 87. 3 Dt. Ain junge maid on lieb, Und ain grosser jarmarkt on dieb, Und ain alter fud on gut, Und ain junger man on mut, Und ain alte schewr on meus, Und ain alter beiz on leus, Und ain alter bock on hart: Das ist alles widernatürlich art WACKERN., LB. 1028 (15. Jh.). Vgl. MARKT 128-129

1.2. Mädchen sind verführerisch 4. 5 M l a r . Saepe gerunt bella iuvenes pro virgine bella Oft streiten die Burschen um ein schönes Mädchen WERNER Z s 12. PROV. WRATISLAV. 563, 6 Span. Mas tira moza que soga Stärker zieht ein Mädchen an als ein Strick NUNEZ 11,364 (vgl. ARSCH 3,1., BRUST 1., CUNNUS 7.). 7 Nord. Finnan gat cerdan Harald, Hpnwmpottt solbfort su, Slt'ks doemi verOr morgum nu Das finnische Mädchen brachte Harald jedoch um seine Sinne, sie erschien ihm strahlend wie die Sonne. Heutzutage widerfährt dergleichen vielen Leuten MÄLSHÄTTAKV^DI 11,6.

1.3. Die Mädchen sind zur Liebe bereit 8 S p a n . El mozo no ha la culpa, que la moza se lo busca Es ist nicht die Schuld des 9 Burschen, dass das Mädchen ihn begehrt NUNEZ II, 52. La moza que anda en dezi, y no se casa, dende como fuege abrasa Das Mädchen, das in die Zehner 1 geht und nicht heiratet, brennt von da an wie Feuer EBD. H, 262. 10 N o r d . Ja er meyiar net astenn minn Des Mädchens Nein ist ein Ja, meine Liebe n KALUND 97 ( = JONSSON, ARKIV 199. JONSSON 87) (vgl, FRAU 1.6.6., NEIN 3-4). A sponse more fuit vsa puella pudore Ad lectum gresse que nudipes abnuit esse, — M.00 cer blij som brwdh hwn sprangh i s&ng Tijl dreengh meth baade skoo Das Mädchen verhielt sich schamhaft in der Art der Braut, die zum Bett schritt und nicht barfüssig sein wollte. — Das Mädchen ist schüchtern wie die Braut, die mit beiden Schuhen zum 12 Knaben ins Bett sprang LÄLE 21. fulcra puella placet dum resupina jacet. — Tha thcekkis pikan b&st tha hon liggir a bachin Das schöne Mädchen gefällt, wenn es auf dem Rücken liegt. — Das Mädchen gefällt am besten, wenn es ... LÄLE S 754. 13.14 Dt, Mir ist nicht wie allen meyden (£GENOLFF: magden), die gern menner hetten2 AGRICOLA Nr. 365. EGENOLFF 118 v. -» MÖRSER 28 Ähnlich: 15 Fr. Trop s'avilenist pucele Qui d'amer vait proiant Zu sehr erniedrigt sich ein Mädchen, das um Liebe bittet BAUDE DE LA KAKERIE (»ROM. u. PAST. 3,46,82).

1.4. Mädchenliebe ist wertlos und schädlich 16 Ml at. Impedit ingenium formosae cura puellae Es hemmt den Geist, wenn man sich um ein schönes Mädchen kümmer: WERNER 2 26. 17 S p a n . Mas vale vuelco de olla, que abrazo de moza Besser ist ein gekippter Topf·5 als die Umarmung eines Mädchens NUNEZ 11,361.

2. Mädchen und Schönheit is S p a n . J9 11,389.

Moza galana, calabaza vana Hübsches Mädchen, leerer Kürbis 4 NUNEZ Moza garrida, o bien ganada, o bien perdida Hübsches Mädchen, entweder

MÄDCHEN

84

20 recht gewonnen oder recht verloren 5 EBD. 11,392. Ni moza fea, ni obra de oro que tosca sea Kein hässliches Mädchen und keine grobe Goldschmiedearbeit EBD. 111,37. 21. 22 Dt. Wiewol man sagt, Daß auß heßlichen megden hübsche weiber werden AGRICOLA Nr. 296. EGENOLFF 163 r.

23 24 25 26

3. (Törichte) Mädchen dürfen nicht zuviel reden It. Sancta Maria sapeva ehe loquace Non dee essere la vergine pudica Die heilige Maria wusste, dass ein keusches Mädchen nicht redselig sein darf FELICE DA MASSA 87. S p a n . La moza si es tonta, anden los brazos y calle la boca Wenn das Mädchen töricht ist, sollten die Arme arbeiten, und der Mund soll schweigen NUNEZ II, 260. Si la mozuela fuere loca, anden las manos y calle la boca ... sollen die Hände arbeiten ... EBD. 111,390. Engl. For hyt ys an old Englysch sawe: ,A mayde schuld be seen, but not herd' Denn es ist ein altes englisches Sprichwort: „Ein Mädchen soll man sehen, nicht hören" MYRC, FESTIAL (+ OXFORD 120). Vgl. FRAU 7.4.1.

4. Gewisse Verhaltensweisen bei Mädchen sind verdächtig 27 Fr. Pille qui trote et geline qui vole de legier sont adirees Das Mädchen, das umherläuft, und das Huhn, das fliegt, gehen leicht verloren MORAW. 751 (= LEROUX 1,233) (vgl. FRAU 7.1.5.). 28 S p a n . La moza de la villa, la casa suda, la puerta barrida Stadtmädchen: das Haus 29 dreckig, die Tür blankgefegt NUNEZ 11,248 (vgl. FRAU 648). Moza muy dtsantera, o gran romera, o gran ramera Mädchen, das sehr häufig zur Messe geht: entweder grosse Piigerin oder grosse Hure EBD. H, 390. 30 Port. Moza rinchadeyra, o puta o parleyra Mädchen, das viel lacht: entweder Hure 31 oder Schwätzerin NUNEZ 11,395 (el Gallego). Moza mananenga, primero ergue o cu que a cabeza Ein Mädchen, das schwer aufsteht, 6 streckt zuerst den Arsch hervor und dann den Kopf EBD. 11,396 (el Gallego). 32 N l. Dogters, die tot agten slaapen, En veeltyts door de Vensters gaapen, En lang voor de Spiegel staan, Laaten 't Huys-werk ongedaan Mädchen, die bis acht Uhr schlafen und oft durch die Fenster gaffen und lange vor dem Spiegel stehen, lassen die Hausarbeit ungetan OPSCHR. 11,110.

5. Mädchen sind schwer zu hüten 33 S p a n . Mal ganado es de guardar, doncellas y mozas por casar Junge Mädchen und heiratsfähige Töchter sind eine schwer zu hütende Herde NUNEZ II, 347. - GEFÄSS 62. Vgl. FRAU 1.13, 6. s, Inhaltsübersicht 7. Redensarten 34 Dt. Wy stet der also eyne vorlobete maid! Wie steht der da wie ein verlebtes Mäd35 chen!7 PROV. FRID. 349. Wen du aber wilt sein metz in allen gassen, vnd peterling vff allen suppen, vnd alle winckel wilt erschneicken ... vnd alles durch dein maul muß lauffenn Wenn du aber Mädchen in allen Gassen sein willst und Petersilie auf allen Suppen und alle Winkel durchschnüffeln wilist ... und alles durch dein Maul gehen muss GEILER, HAS IM PFEFFER b3 a (vgl. HANS 2.2.).

85

MAGER

8. Verschiedenes 36 Fr. Puceiles dorment tenrement, Si s'enveillent (lies mit der Mehrzahl der Hss,; s'esveillent) ligierement Junge Mädchen haben einen leisen Schlaf und erwachen leicht 37 PARTONOPEU 6955. Petites pucelles* sont ensemble belles Kleine Mädchen sind zusammen schön LEROUX 1,273 (15.Jh.). 38 Span. Bien paresce la moza lozana cabe la barba cana Das schöne Mädchen macht 39 sich gut neben dem weissen Bart NUNEZ l, 172 (vgl. ALT 6.5.1,2,}. La moza en se componer, y el viejo en beber, gastan todo $u haber Das Mädchen, indem es sich 40 aufputzt, und der Alte, indem er trinkt, bringen ihr ganzes Gut durch EBD. 11,237, La moza en cabello, no la loes companero, damela prenada o parida, y dartela he conoscida Lobe mir nicht das unberührte Mädchen, Kamerad, gib es mir schwanger oder 41 mit einem Kind, und ich werde dir sagen, wie es ist! EBD. 11,251. La moza como es cnada, la estopa como es hilada Das Mädchen, wie es erzogen ist, und das Werg, wie 42 es gesponnen ist EBD. 11,257, No me agrada nada, moza con leche, y bota con agua Ein Mädchen mit Milch und ein Weinschlauch mit Wasser gefallen mir gar nicht EBD. 111,56. 43 Dt. Wente nener luncfrauwen temelk ys, Dat se regnere an mannes wis Denn es geziemt keinem Mädchen, dass es in der Weise eines Mannes herrsche KATHARINA mnd. 44 335 (vgl. FRAU 7.1.4.). Wer dy weysze kan, der ffuret dy mayt heym Wer die Melodie 45 kann, der führt das Mädchen heim PROV. FRID. 94 (vgl. BRAUT 7). Dat is den megeden nicht sere verlycb, Dat se in den vrouwen schoen gaen Das ist für die Mädchen nicht sehr gefährlich, dass sie in den Frauenschuhen gehen BOTE, KOKER 1855.

R. L., rev. E. D.

Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7

s

D. h. von 16 bis 19, wo die Zahlen mit deci- zusammengesetzt sind. D. h., ich habe gar keine Lust. D. h. die letzten Reste, die man noch aus dem Topf kratzen kann, wenn man ihn kippt. D.h. Kopf. Vgl. REFRANERO 289: Hübsche Frauen heiraten früh, andernfalls geraten sie auf Abwege. Nach der Erklärung bei Nunez. Dazu die GL: De pudtcis hominibus so/ei did Das pflegt man von schüchternen Männern zu sagen. Vielleicht zu lesen: parcelles, Vgl. TEIL 3-6.

MADE — PFAFFE 54 MAGD s. DIENEN MAGEN s. BAUCH MAGER / maigre / thin Hier auch MAGERKEIT Vgl. DÜNN 1. Magere von Natur aus sind zäh und meidenswert (1—2) 2. Magere haben mehr Appetit und mehr Blut a!s Fette (3—4) 3. Magere Läuse stechen und beissen schlimm — FLIEGE 5.3. 6. Magere Pferde soll man kaufen — PFERD 298-299 7. Lieber mager im Dickicht als fett im Katzenschlund (5—6) 8. Verschiedenes

(7-8)

1. Magere von Natur aus sind z h und meidenswert 1 S p a n . Seco y no de hambre, buye del como de iandre Mager und (das) nicht vor 2 Hunger, vor dem fliehe wie vor der Pest! NUNEZ 111,377. Seco y no de hambre, mas recio es que arambre ... so einer ist z her als Kupferdraht EBD. 11,378.

2. Magere haben mehr Appetit und mehr Blut als Fette 3 Fr, Les maihres (lies mit Ausg. Salamanca 1555, 68 v: maigres) mengen plus que les 4 gras Die Mageren essen mehr als die Fetten NUNEZ 11,296 (el Frances). Matgres gents ont plus de sang, que non grasses tan por tant Magere Leute haben um soviel mehr Blut als die Fetten EBD. 11,374 (el Frances).

3. —6. s. Inhalts bersicht 7, Lieber mager im Dickicht als fett im Katzenschlund 5. 6 S p a n . Mas vale flaco enel mato, que gordo enel papo del gato Lieher mager im Dickicht als fett im Schlund der Katze LOPEZ(?), REFRANES 442. NUNEZ 11,340.

8, Verschiedenes 7 Miat. A macro, inquit Ericus, et tenui petendus est cibus „Vom Mageren und D nnen", sagte Erich, „muss man Speise verlangen" SAXO GRAMM. 153,33. 8 P o r t . Λ aden, molker, e a cabra be ma cousa sendo magra Die Ente, die Frau und die Ziege sind etwas Schlimmes, wenn sie mager sind NUNEZ 1,2 (el Portugues}.

V.M. MAGERKEIT s. MAGER MAGFRIDUS -> SITZEN 7 MAGNET / aimant / magnet Der Magnet zieht das Eisen an 1 1 Mgr. Kai μη βουλόμενος ό σίδηρος υπακούει τω μαγνίττι Auch gegen seinen Willen folgt das Eisen dem Magnet KLIMAX 25 (-»KRUMB. S. 230). 2 Fr. Con la pierre de l1aimant Trait a soi le fer soutilment Wie der Magnetstein das 3 F-isen geschickt an sich zieht G. DE LORRIS, ROSE 1159. Certes, piere d'aymant Ne desirre le fer tant Con je suis d'un douc samblant Covoitos Gewiss hat der Magnetstein nicht ein solches Verlangen nach dem Eisen, wie ich mich nach einem holden Gesicht sehne GILL. DE BERNEV. 25,4. 2 4 It. £ st como la calamita tr fe a si lo ferro, cusi questo mondo con soe blandicie et cum le soe novitade trage a si lo core humano Und so wie der Magnet das Eisen an

87

5 6 7 S

9 10 11 12 13

MAHLEN

sich zieht, so zieht diese Welt mit ihren Annehmlichkeiten und mit ihren Neuheiten das menschliche Herz an sich EXEMPLES ITALIENS 33,183. Eng l . Right as an adamaund y-wys Can drawen to hym sotylly The yren that is leid therby Genau wie ein Magnet sicherlich das Eisen geschickt an sich ziehen kann, das daneben gelegt wird CHAUCER, ROM. OF THE ROSE 1182.3 Dt. Er hat die art, er eisen an sich zeuht sam der stain magnes tuot Er hat die Art, dass er das Eisen an sich zieht, wie es der Magnetstein tut KONR. v. MEGENBERG 433,20, Magnes der stain ... zeucht daz eisen an sich Der Magnetstein zieht das Eisen an sich EBD. 451,23. Manigen edelen magnes Satzte er ouch in die want; Der stein wart mir also bekant, Daz er daz isen zu sich zuet Unae manigen üffe dem mer müet Er setzte auch manchen edlen Magneten an die Wand; der Stein war mir hierin bekannt, dass er das Eisen zu sich zieht und manchem auf dem Meer Mühe macht HEINR. v. KROLEWIZ 1223. ... magnes, Der daz isen zu sich züt linde so vil Hute müt, Die irre varen üffe den seen Der Magnet, der das Eisen zu sich zieht und so viele Leute verdriesst, die auf den Meeren umherirren EBD. 1457. Der agestein der zuhet noch ime daz isen Der Magnet, der zieht das Eisen zu sich TAULER 81,23. Der Magnet zeucht (zieht) Eisen an sich PARACELSUS, PARAMIRUM 4, Der Magnet zeucht (zieht) an sich das Eisen EBD. 335. ... und zeucht (zieht), wie ein Magnet das Eisen EBD. 358.

V.M.

Anmerkungen 1

2 3

Vorstellung und metaphorischer Gebrauch sind antik, vgl. Paulys Real-Encyciopädie der classischcn Altertumswissenschaft, Neue Bearbeitung, XIV1 (1928), 474 if. Für weitere fr. Belege s, TOBLER - LOMMATZSCH 1,240 f. u. HASSELL A 58. Vgl. WHITING M 2.

MÄHEN s. ERNTE MAHL s. ESSEN MAHLEN / moudre / to grind 1. Wer zuerst zur Mühle kommt (aufschüttet), mahlt zuerst (1-27). Vgt. MÜHLE 57. Ähnlich (28-29) 2. Man mahl: soviel, wie man aufschüttet (30—31} 3. Man soll mahlen, solange es Wasser har (32). — WASSER 109 4. Zwei gleich harte Steine mahlen nicht gut —· STEIN 5.1. 5. Verschiedenes (33-38)

l. Wer zuerst zur Mühle kommt (aufschüttet), mahlt zuerst 1 M l a t . Qui capit ante molam, merito molit ante farinam Wer zuerst bei der Mühle 2 anlangt, der mahlt das Mehl mit Recht zuerst WERNER 2 q68. Ante de iure molit, molam qui prius adivit Der mahlt von Rechts wegen vorher, der vorher zur Mühle 3 gekommen ist PROV. WRATISLAV. 24. lure, molendinum qui tardus adit, malet imum 4 Mit Recht mahlt der zuletzt, der spät zur Mühle kommt WERNER 2 i 158, Qui ad molendinum prior venit, prius molit Wer zuerst zur Mühle gekommen ist, mahlt zuerst s PROV. WRATISLAV, 498. Qui cicius venerit, cicius molit Wer eher gekommen ist, mahlt

MAHLEN

88

6 eher PROV. FRID. 43 Anm. Qui primus uenerit, primus molet Wer zuerst gekommen ist, wird zuerst mahlen ERASM., ADAG. CHIL. 2,10,15. 7 Fr. Qui aincois vient au molin ain$ois doit molare Wer zuerst zur Mühle kommt, soll 8 zuerst mahlen MORAW. 1796. Qui premier vient au moulin doibt mouldre Wer zuerst 9 zur Mühle kommt, soll mahlen ET. LEGRIS 678. Qui premier engrene premier doit mouldre Wer zuerst aufschüttet, soll zuerst mahlen LEROUX 11,403 {15. Jh.). 10 It. Chi prima giogne, prima macini Wer zuerst eintrifft, soll zuerst mahlen BERNARDINO 11,110 (Pred, 19), 11 Span. Miembresevos, buen amigo, de (o que decirse suele: Que cibera en molino, el que ante vierte muele Erinnert Euch, guter Freund, an das, was man zu sagen pflegt: 12 „Korn in der Mühle mahlt der, der zuerst kommt" ARCIPRESTE 712. Quien primero viene, primero muele Wer zuerst kommt, mahlt zuerst NUNEZ III, 340. 13 Engl. Who so first cometh to the mille first grynt Wer zuerst zur Mühle kommt, mahlt zuerst CHAUCER, WIFE OF BATH'S T. ProL D 389, 14 NI. Die eerst ter molen comt sal eerst malen. — Ante molam primo veniens prius hie molet ymo Wer zuerst zur Mühle kommt, soll zuerst mahlen. — Wer zuerst zur Mühle kommt, mahlt hier vor dem letzten PROV. COMM. 240. 15 Dt. Der ouch erst zu der molen kumt, der sol erst malen Wer [auch] zuerst zur Mühle 36 kommt, der soll zuerst mahlen EIKE v. REPGOWE, SACHSENSP. 99,3 (2,59,4), Der ouch e zuo den {lies: der, Red.) mülen kumt, der melt ouch e Wer [auch] früher zur n Mühle kommt, der mahlt auch früher SCHWABENSPIEGEL 312,9. Wer ee gein mul kompt, der malt ee Wer vorher zur Mühle kommt, der mahlt vorher PROV. FRID. 43 18.19 Anm. {= PRAG 43). Wer ee zu der mul kumpi, der melt ee SCHWABACH 105. Wer ee 20 zcu der mole kumpt, der melet ee PROV. FRID. 43. De erst to der molen kumpt de mäld erst Wer zuerst zur Mühle kommt, der mahtt zuerst PROV. COMM, MND. 239. 21 De ersten kumt, de mach ersten malen. — Qui primi veniuntt possunt discedere primi Wer zuerst kommt, der kann zuerst mahlen. — Die, welche zuerst kommen, können 22 zuerst gehen TUNNICIUS 371, Wer ehe kompt der melet ehe Wer vorher kommt, der 23-26 mahlt vorher LUTHER 146. Wer vor kompt der malt vor FRANCK 1,23 v. 1,46 v. Wer 27 vor kompt, malet vor FRANCK 11,171 r. EGENOLFF 217 r. Man sprücht: Welcher ehe In die muH kumpt, wurt ehe gemalen Man sagt: „Wer vorher in die Mühle kommt, (dem) wird vorher gemahlen" ZIMMER. CHRON. IV,233,15. Vgi. MÜHLE 57 Ähnlich: 28 Span. El que esta en el acena muele, que el otro va y viene Derjenige, der in der Mühle ist, mahlt, und der andere kommt und geht {, ohne zu mahlen) NUNEZ 11,71. 29 Quien esta en el molino, muele, que el otro va y viene EBD. 111,282.

2. Man mahlt soviel, wie man aufschüttet 30 Fr. Ki rien n'engraine, rien ne meut Wer nichts aufschüttet, mahlt nichts RENCLUS, 31 MISERERE 136,4. Qui petit engrene $i {a} tost molu Wer wenig aufschüttet, hat bald gemahlen MORAW. 2071,

3. Man soll mahlen, solange es Wasser hat 32 Dt. Wer chorn hab der mal Die weil die päch sind groß Wer Korn hat, der mahle, solange die Bäche gross sind QUODLIBET 50. — WASSER 109

MAI

89

4, s. Inhaltsübersicht 5, Verschiedenes 33 MIat. Clac hac, dac illac, si non molit bac molit illac Klipp hier, klapp dort, wenn es nicht hier mahlt, mahlt es dort RYLANDS fo. 3 {vgl. MÜHLE 4.). 34 Fr. Cm biez ne faut, sovent puet maudre Wem es nicht an Getreide mangelt, der kann oft mahlen RUTEBEUF 1,89,59. 35 Span. Civentela, civeruela, quien te gana ese te muela Mahlgetreide, Mahlgetreide, wer dich gewinnt, der soll dich mahlen 1 NUNEZ 1,226. 36 Eng L A foole he were pat mi$h grynde whete and grindep grauel Der wäre ein Narr, der Weizen mahlen könnte und der Kieselsteine mahlt ANCR. RECL, 29,28. 37, 38 Dt, Es wil hund oss malen Es will Hundefutter mahlen 2 LUTHER 429. Wer nit wil malen, der gerat des mels Wer nicht mahlen will, der soll kein Mehl haben FRANCK 1,27 v. E. D.

Anmerkungen 1 2

CORREAS 301 erklärt: Wer den Gewinn einstreicht, soll auch die Arbeit leisten. D.h. nach LUTHER, WA LI,720,429: „Es kommt schlimm; geht dem Ende zu."

MAHLZEIT s. ESSEN MAHNEN / exhorter / to admonish l M l a t . Verum prudencie monitor, tatnetsi despicabilis uideatur, respuendus non est Aber ein Mahner zur Klugheit ist, auch wenn er verächtlich erscheint, nicht zurückzuweisen SAXO GRAMM. 300,19 (vgl, RAT 6.2.).

V.M.

MÄHRE s. PFERD MAI / mai / May 1. 2. 3. 4.

Der Mai ist wichtig für das ganze Jahr (1—4) Der Mai ist die Zeit der Liebe und Hochzeit (S-12). Vgl. OSTERN 4. Der Mai bringt Rosen (13-15). Vgl. PFINGSTEN 2, ZEIT 3.1.2.3. Es ist nicht immer Mai (16-19). Vgl. AAL 35, BACKEN 33, BEERE 1., FASTNACHT 1., FEST 35, JAGEN 2.1,2., SCHEREN 31, STUNDE 48, TANZEN 6, UNWETTER 2-3, WIND l, 4-5 5. Den April als Mai hinstellen — APRIL 4. 6. Verschiedenes (20—22)

1. Der Mai ist wichtig für das ganze Jahr 1 Mlat. Frigidus inplebtt fmmentis borrea Mains Kalter Mai wird die Scheunen mit 2 Getreide füllen 1 EGBERT., FEC. RAT, l, 227. Vulgo dititur quod melior est ros unus vel

MAI

90

pluvia mau quam thesaurus regis David Man sagt allgemein, dass ein einziger Tau oder Regen im Mai besser sei als der Schatz des K nigs David PETR. DE P LMA (= BAUME) (f 1345 [*HAUREAuni,86]). 3 Fr, Bourbes en may, espies en aoust Morast irn Mai, hren im August NUNEZ 1,174 (el Frances). 4 S p a n . Caienturas de Mayo saludpara todo el ano Fieber im Mai, Gesundheit f r das ganze Jahr NUNEZ 1,196.

2. Der Mai ist die Zeit der Liebe und Hochzeit 5 Gr. Δια τι του Μαΐου μηνός ουκ άγονται γυναίκας; Weshalb nehmen sie im Monat Mai keine Frau zur Ehe? PLUT., MO R. 284 f. 6 L a t . Mense malas Maio nubere volgus ait Das Volk sagt, dass im Monat Mai die blen Frauen heiraten Ovm., FAST. 5,490. 7 M l a t . Mense Maio nubunt malae Im Monat Mai heiraten die blen Frauen ERASM,, ADAG. CHIL. 1,4,9.

s Fr. Mout a dur euer qui en mat n'aime Ein sehr hartes Herz hat, wer im Mai nicht liebt G. DE LORRIS, ROSE 81. 9. 10 Dt. Mense Maio nubunt malae, — Im Meyen gehn hum vnd h ben zukirchen bers, li. 12 wie 7. — ... FRANC κ H, 124 v. EGENOLFF 129 r. Knappen vnd p f ffen Eh werden im Meyen gemacht Gesellen- und Pfaffenehen werden im Mai geschlossen FRANCK II, 124 v. EGENOLFF 129 r. Vgl. OSTERN 4.

3. Der Mai bringt Rosen ιί It. E el magio dove e la rosa Wo die Rose ist, ist der Mai BARZELLETTA (urn 1500 [*ZFRPH47,583]). 14 Dt. So merck, was du nit geren hast, Das dus ein anders auch erlast, Au ff das dir nimmer misseling Vnd dich aber ein stercker zwing Unnd maye-zeyt ir rosen bringl So merke, dass du das, was du selbst nicht gern hast, einem ndern auch ert sst, damit es dir nicht schlecht ergehe und dich wieder ein St rkerer bezwinge, sondern die Maienzeit 15 ihre Rosen bringe! SACHS V, 83,16 (1531) (vgl. ANDER 165). Wann so gott wil das aim gelingt, Der may im sch ne r lem bringt Wenn Gott will, dass es einem gelingt, bringt ihm der Mai sch ne R slein EBD. XIII, 190, 9 (1556). Vgl. PFINGSTEN 12, ZEIT 3.1.2.3.

4. Es ist nicht immer Mai 16 N], Ten duerde nie met seuen maenden. — Non $tat per menses mains septem redolentes Der Mai hat nie sieben Monate gedauert. — Der Mai besteht nicht sieben duftende Monate lang PROV. COMM. 650. 17.18 Dr. Ten ward n meygh souen manthe PROV. COMM. MND. 618. Ouch eyn ys neit alwege mey Auch ist nicht immer Mai VOM NDERN LAND 2 (Hs. 15. Jh. [*ZF A 19 44,127]). De mei en dun nicht achte mant lank. - Perdurat vernum tempus non mensibus octo Der Mai dauert nicht acht Monate lang. — Die Fr hlingszeit dauert nicht acht Monate TUNNICIUS 879, Vgl. AAL 35, BACKEN 13, BEERE 1„ FASTNACHT 1., FEST 35, JAGEN 2.1.2., SCHEREN 32, STUNDE 48, TANZEN 6, UNWETTER 2-3, WIND l, 4-5

91

MALEN

5. s, Inhaltsübersicht 6. Verschiedenes 20 Dt, Me mot den mey nemen, so he kumpt, Kerne he ok in wynter to wynachten Man muss den Mai nehmen, wenn er kommt, käme er auch im Winter zur Weihnachtszeit 21 BOTE, KOKER 1325. In der meityt is it genöchiik up dem velde, — Esse quident run placet herbescentibus agris In der Maienzeit ist es vergnüglich auf dem Feld. — Es ist gewiss schön, auf dem Land zu sein, wenn die Felder grün werden TUNNICIUS 427. 22 Hier nae mey! sede de sügge, do slöch se de hagel vor den ers „Hierauf (kommt der) Mai!" sagte die Sau, da traf sie der Hagel auf den Arsch 2 TAPPIUS 34.

V.M. Anmerkungen 1

2

Vgl, dazu die GL: Hoc dich uulgus: Frigidus implet horrea Maius Das sagt das Volk: „Kalter Mai füllt die Scheunen", Vgl. WANDER III, 345 s. v. Mai 38.

MAINARDO Hund des Mainardo -> HUND 34.

MAINZ — FRANKFURT J -2, RHEIN 20 MAIONIDES s. HOMER MAJORANSALBE — SCHWEIN 48, 51 -S3, 56

MAKLER / courtier / broker 1. Ein ruinierter Krämer ist ein guter Makler —* KRÄMER 5. 2. Vereinzelt l S p a n . Que mucha mala bestia venae buen corredor Denn ein guter Makler verkauft viel schlechtes Vieh ARCIPRESTE 443.

V.M. MALEN / peindre / to paint Hier auch MALER(EI) Vgl. BILD 1. Der Teufe! ist nicht so schwarz, wie er gemalt wird —· TEUFEL 1.21. 2. Der Löwe ist nicht so mutig, wie er gemalt wird —* LÖWE 6. 3. Den Teufel an die Wand (über die Tiire) malen — BRENNEN 160, TEUFEL 9.2. 4. Sich selber malen (l —3)

MALER(EI)

92

5. Auf den Ärmel malen (4—7)

6. In das gemalte Stüblein führen (8—11) 7. Verschiedenes (12-17} 1.—3. s. Inhaltsübersicht 4. Sich selber malen 1 It. Dtceva Cosmo ehe ... ogni dipintore dipigne se Cosimo sagte, jeder Maler male sich selbst POLIZIANO 150 S. 72. 2 Dt. Ipse semet canit, pingit, - Er singt oder malt sich seih Er besingt sich selbst, 3 malt sich selbst. — ... FRANCK 1,6 v. Er ist sein selbs maier Er ist Maler seiner selbst EBD. 5. Auf den Ärmel malen 4-6 Dt. Eins auff den ermel malen FRANCK II, 92 r. EGENOLFF 14 v. Aber der alles $ihet vnd iveyß, laßt jm nicht auff den ermel malen Aber der, der alles sieht und weiss, lässt 7 sich nicht auf den Ärmel malen FRANCK H, 54r. Gott leßt sich nit teuschen ... laßt jm nicht auff den ermel malen Gott lässt sich nicht täuschen ... EGENOLFF 53 r.

6. In das gemalte Stüblein führen %-ii Dt. Ins garn, oder in das gemalt stühlin füren FRANCK 1,27r. EGENOLFF 293 v. das gemalt stüblin füren FRANCK 1,104 r, EGENOLFF 14 v.

In

7. Verschiedenes 12 Pro v. Qui ben peing ben ven Wer gut malt, verkauft gut MONGE DE MONTAUDON 13}49. 13 It. Nessun dipinse mat senza colon Keiner malte je ohne Farben CASTELLANO, SAN TOMMASO (-»RAPPR, 1,440). 14 Kat. e'Qw! ignora que la paret fumada y la cara de les fembres ixen tan blanques y colorades com volrä lo pintor? Wer weiss nicht, dass die rauchgeschwärzte Wand und das Gesicht der Frauen so weiss und so rosig gefärbt herauskommen, wie es der Maler will? BERNAT METGE {+GIESE 209,29). 15 Engl. gret fole is he pat fleijefo pe peyntyng on a wal for pe griselichhede pereof Der ist ein grosser Narr, der vor der Malerei auf der Wand flieht wegen ihrer Scheusslichkeit ANCR. RECL. 120,12. 16 Dt. Swer malen wil, entwirf et e Und merket, wie sin bilde sie Wer malen will, der u entwirft zuerst und merkt (dabei), wie es um sein Bild steht FREIDANK 133,25. Ja harref wyr wollen dyr sie malen lassen Ja warte, wir wollen sie dir malen lassen! 1 LUTHER, WA X. 2,302,27 (1522).

K D. Anmerkung 1

Eine spöttische Antwort auf ein Begehren. Vgl. WANDER 111,354 s.v. Malen *15 u. *17.

MALER(EI) s. MALEN MALVE -» DRECK 24

93

MANDELBAUM

MALZ / malt 1. Da ist Hopfen und Malz verloren — HOPFEN 1. 2. Wer nur Malz hat, tadle fremdes Bier nicht, sondern tobe es (l -2) 3. Verschiedenes (3—4)

1. s. Inhaltsübersicht 2. Wer nur Malz hat, tadle fremdes Bier nicht, sondern lobe es 1 Fr. Qui brais a en cuve, ne doit blasmer autrui cervoise Wer Malz im Fass hat, soll nicht das Bier des ändern tadeln VILAIN 185 ( = MORAW. 1866}. 2 D t . Swer maizes pbligt, die wile ez lit Dur denen af dem slate. Der lobe mm hier ttnz er besehe Wie ime sin würz gerate Wer Malz hat, der lobe, solange es zum Dörren auf dem Kamin liegt, mein Bier, bis er sieht, wie ihm das Kraut gerät SPERVOGEL (*MF 242,21 S. 361).

3. Verschiedenes 3 N o r d . Missum eigi maltanna, ef ver skulum po missa konunnar Wir wollen nicht das Malz verlieren, wenn wir schon die Frau verlieren sollen ViGA-GLUMS SAGA 19,28. 4 Engl. A softe fire makitb swete malte Ein sanftes Feuer macht süsses Malz HILL 104,22. V.M.

MAMMON / mammon Man kann nicht Gott und dem Mammon dienen —» GOTT 1080—1082, 1084-1086, 1089-1091, WELT 277 MANCHER(LEI) s. VIEL MANDEL / amande / almond J S p a n . Da Dtos almendras a quien no tiene muelas Gott gibt dem Mandeln, der keine Zähne hat NUNEZ 1,268 (vgl. BOHNE 22). -> HUNGER 59-160

V.M.

MANDELBAUM / amandier / almond tree J S p a n . El almendro y el villano, el palo en la mano (Für) den Mandelbaum und den Bauern (nimm) den Stock in die Hand! NUNEZ 11,61 (vgl. NUSSBAUM 2.). 2 Dt. Der mandelboum nibt dürkel win, So er bluomen unde nüzze bin Der Mandelbaum wird nicht durchlöchert, wenn er Blumen und Nüsse hervorbringt 1 FREIDANK 24,8. -> MAULBEERBAUM l

V.M.

MANDELBLÜTE

94

Anmerkung 1

Vgl. A. Salzer, Die Sinnbilder und ßeiworte Mariens in der deutschen Literatur und lateinischen Hymnenpoesie des Mittelalters, Linz 1893, 69 u. 170 f.

MANDELBLÜTE — NONNE 8 MANGEL / manque / want Hier auch ERMANGELUNG, FEHLEN, MANGELN 1. Man fische stets, dann leidet man keinen Mangel —· FISCHEN 10. 2. Man gebe nur soviel, dass man keinen Mange! leidet —l GEBEN 447, 449, 4S3 3. Freigebige Hand leidet nie Mangel — GEBEN 172-176 4. Der Habgierige, der Geizige und der Reiche leiden immer Mangel — BEGEHREN 5S, 60, 62, 66, GEIZ 207-210, 212-220, 224, HABEN 83, REICH 28-31 5. Wo Brot fehlt, steht altes zum Verkauf -> BROT 4.5. 6. In Ermangelung von Brot sind Kuchen gut —» BROT 62—64 7. Lange Ermangelung des Geliebten ist ein Stachel des Herzens (1—2) S. Vereinzelt (3)

1. —6, s, Inhaltsübersicht 7. Lange Ermangelung des Geliebten ist ein Stachel des Herzens 1 Dt. Mannes langer mangel Daz ist des herzen angel Die lange Ermangelung des Man2 nes, das ist des Herzens Stachel FLEIER, MELERANZ 688. Liebes langer mangel 1st mimes herzen angel Lange Ermangelung des Geliebten ist meines Herzens Stachel BRAUTBECHER DER MARGARETE MAULTASCH (1342 [in: H. Wieser, Der Brautbecher der Margarete Maultasch, Innsbruck 1965, 27]). 8. Vereinzeit 3 It. Dov' e inopia Magior de quella cosa, piu se aprecia Je grosser der Mangel daran ist, um so mehr schätzt man es BOIARDO, POESIE 293,7 (Pastorale 7) {= "WERT 9. Vgl. APFEL 13., ARBEIT 2.9.1., DIEB 12., ERLAUBEN 5., FERN 1., FREMD 3., GEFAHR 9., GEWINN 4.13., HABEN 3.3., LEICHT 4.2., NARR 8.8.1., NEU 1.1., SEHEN 12., SELTEN 1.1., TEUER 1.1., UMSONST 2.I., VERBERGEN 8.7., VERBIETEN l,, WARE 4., WASSER 8.2.3., WISSEN 80).

V.M. MANGELN s. MANGEL MANN / homme / man Hier auch EHEMANN, GATTE, HAUSHERR, MANNHEIT, MÄNNLICH{KEIT) Vgl. EHE, FRAU, MENSCH

95

MANN

1. Wesen, Eigenschaften und Merkmale des Mannes 1.1. Mannhaftigkeit, Männlichkeit und Wehrbereitschan: als Kennzeichen des Mannes 1.1.1. Ein Mann soll ein Mann sein (1 — 4). Ähnlich: Mancher ist nur dem Namen nach ein Mann (5-7) 1.1.2. Ein Mann soll mutig und furchtlos sein (8-10). — FLIEHEN 110, HASE 11. Ähnlich: Auch Frauen können mannhaft und standhaft sein (11-12). —> FRAU 1769, ZAUM 6 1.1.3. Ein Mann soll wehrhaft und kampfbereit sein (13 — 16) 1.1.4. Ein Mann soll sich nicht wie eine Frau benehmen und betätigen (17—18). —· FRAU 1320, Ähnlich (19) 1.1.5. Ein Mann soll nicht (wie eine Frau) wehklagen und weinen (20—31). —* KIND 212. Vgl. ERINNERN 13, FRAU 1,8., KIND 5.7.1. 1.1.6. Ein Mann soll nicht (wie eine Frau) lange Haare tragen (32). Vgl. FRAU 16,1.2.2.4., HAAR L, KLEID 2.4.5. 1.2. Eigenständigkeit, Tatkraft und Lakonismus als Merkmale des Mannes 1.2.1. Selbst ist der Mann — SELBST 4.1.1.3. 1.2.2. Handeln ist männlich (33-35). Vgl. FRAU 1.9.1.1. 1.2.3. Bestimmt und ohne Umschweife reden ist männlich (36—38) 1.2.4. An der Rede erkennt man den Mann — WORT 711-712, 714-715, 731t 737, 740-741, 750, 760 1.3. Benehmen, Fähigkeit und Charakterfestigkeit als Prüfsteine des Mannes 1.3.1. Anstand macht den Mann aus -* SITTE 1.2, Vgl. SITTE 13-15, 17, 19-20 1.3.2. Am Amt zeigt sich, was der Mann ist und kann —* AMT l., GEWALT 195 1.3.3. Beim Trinken kommen Charakter und Fähigkeit des Mannes zum Vorschein —* WEIN 135, 144-147 1.4. Äussere Erscheinung als Spiegel des Mannes -» KLEID 1.3.1., SITTE 10. Vgl. MENSCH 3.1.1. 1.5. Unzuverlässigkeit, Treulosigkeit und Heimtücke als Eigenschaften des Mannes 1.5.1. Der Mann ist vergesslich, unbeständig und treulos (39-41). -* JUNGFRAU 48 1.5.2. Der Mann ist eid- und wortbrüchig (42-44. Vgl. 131). Vgl. FRAU 4.1.2.2.3., LIEBE 1.7.2.6. 1.5.3. Jeder Mann hat einen Wolfszahn (45-50). Vgl. ABER 1., DAS 1-7, HALB 1.2., HINKEN 28, MAULTIER 3., MEISTER 1., PFERD 8.1., SCHELTEN 6.2., SCHLECHT 4,1.1,, SÜNDE 2.1., TUGEND 5.2., VERBRECHEN 12, VOLLKOMMEN 1.-2., WELT 60, WENN 1. 1.5.4. Vereinzelt (51) 1.6. Umgang mit dem Rind als Spezialität des Mannes —* RIND 3.1. 2. Wert, Rang und Stellung des Mannes 2.1. Hoher Wert des Mannes im Vergleich zu den irdischen Gütern (52-53;. Vgl. FRAU 2.1.1. Ähnlich (54- 55) 2.2. Höherer Wert und Rang des Mannes im Vergleich zur Frau 2.2.1. Der Mann ist der Frau vorgesetzt (56-77). Vgl. unten 6.1., 7,2, Ähnlich (7S) 2.2.2. Der Mann ist nicht für die Frau, sondern sie für ihn erschaffen (79—81) 2.2.3. Dem Mann ist mehr erlaubt als der Frau (82-92). Vgl. FRAU 2.4.3. Ähnlich (93) 2.2A. Jeder Mann ist besser als eine Frau (94-98). — FRAU 350, 357. Ähnlich (99) 2.2.5. Vereinzelt (100) 2.3. Geringerer Wert des Mannes im Vergleich zur Frau —» EVA 1—2, FRAU 2.2. 2.4. Ebenbürtigkeit von Mann und Frau 2.4.1. Die Frau ist (von Gott) dem Mann gleichgestellt -> FRAU 827-834, 836, 930-936. Vgl. EVA 3-6 2.4.2. Frau und Mann sind (von Gott) verbunden zu einem Leib —· EHE 2, EIN 5.2.3.2.1., FLEISCH 64-65, 72-73, 76-80, LEIB 31-34, 36, 39, 41-47, 53, 55-56, 58-60, 62-68, 71, 75-78. Vgl. EHE 1., FLEISCH 2.9., LEIB 4. 3. Bedeutung des Mannes für die Frau 3.1. Vom Mann hängen Wesen, Befinden, Verhalten und Wert der Frau ab

MANN

96

3.1.1. Allg. (101-102) 3.1.2, Spez. 3.1.2.1. Guter Mann, gute Frau (103-112) 3.1.2.2. Guter Mann, gedeihende Frau (113-114) 3.1.2.3. Schlechter Mann, unglückliche Frau (115-117). Vgi. EHE 49 3.1.2.4. Verschiedenes (l 18-120) 3.2. Vom Mann wird die Keuschheit der Frau bedroht — KEUSCH 3.4. 4. Bedeutung der Frau für den Mann 4.1. Hoher und positiver Wert der Frau für den Mann 4.1.1. Die (gute, fleissige und schöne) Frau ist die Krone und Zierde ihres Mannes —» FRAU 3.1.4., 1159 4.1.2. Die (gute, tugendhafte und schöne) Frau ist das Glück ihres Mannes — FRAU 894-899, 901, 903, 90S, 91$, 919, 923, 927-931, 933, 935-937, 939, 941-945, 964, 968, WEIN 43, 45-47 4.1.3. Die Liebe zur Frau erhöht den Wert des Mannes — HEBE 1.4.8.2.1. 4.1.4. Um der Frau willen verlässt der Mann seine Familie — FLEISCH 64-65, 72-73, 76-79. Vgl. FLEISCH 2.9., LEIB 73 4.2. Negativer Wert der Frau für den Mann Vgl. unten 5., 8. 4.2.1. Die (schöne, treulose ynd böse) Frau ist das Unglück und Verderben ihres Mannes -> FRAU 613, 1048, 1162, 1193, 1199-1200, 1204-1205, 1217, 1227-1228, 1236, 1243-1244, 1274-1278, 1280, PFERD 17S, WEIN 254, 258, 261. Vgl. unten 5.1., EHE 2. 4.2.2. Die (schöne und böse) Frau macht den Mann zum Narren und Dieb -» FRAU 981-985, 989, 1240, 1323, LIEBE 5/0, WEIN 181, 200-201, 203-205. Vgl. unten 5.2., LIEBE 537-538, 544-545 4.2.3. Die (schöne und verschwenderische) Frau macht den Mann zum Bettler und Sklaven —» FRAU 775, 1180, 1183-1187, 1190, SCHÖN 114 4.2.4. Die (böse, zänkische und geschwätzige) Frau treibt den Mann aus dem Haus —* FRAU 1087-1107, 1109. Vgl. ALLEIN 1.3.2., FRAU 3.2.4.2.5. 4.2.5. Die Frau wird bald zur Enttäuschung des Mannes (121-123). Vgl. EHE 2.1., FRAU 3.2.5.1. Ähnlich (124) 4.2.6. Vereinzelt (125-126) 4.3. Vereinzelt (127) 5. Unterlegenheit des Mannes gegenüber der Frau 5.1. Der Mann wird von der Frau (trotz ihrer Niederlage) besiegt und zu Fall gebracht —* FRAU 405, 407. Vgl. oben 4.2,1., FRAU 40S 5.2. Der Mann ist den Ränken der Frau nicht gewachsen — FRAU 177, 243, 979, 006, 10181021, 1026, 1032, 1199, 1323. Vgl. oben 4.2.2, 5.3. Der Mann ist der Frau an bösen Ratschlägen unterlegen —* FRAU 1.4,2,1. 5.4. Der Mann muss der Frau im Haus die Herrschaft überlassen -* FRAU 400, 409-410, HOSE 41, MESSER 16. Vgl. FRAU 418, HERR 655-65S, MEISTERGESANG 1-2 5.5. Der Mann ist nicht imstande, eine Frau zu hüten —· FRAU 674, 730. Vgl, FRAU 1.13, 5.6. Der Mann ist nicht in der Lage, eine einzige Frau zu befriedigen (128—129). —· HAHN 56-59, 61, 64. Vgl. FRAU 1.5.1.2., HAHN 6.1. 6. Richtiges Verhalten der Frau gegenüber dem Mann (hinsichtlich des Mannes) Vgl. FRAU 7.3. 6.1. Die (gute) Frau diene ihrem Mann (mit Liebe und Vorsicht) (130—131). Vgl. oben 2,2.1,, unten 7.2, 6.2. Die (gute) Frau besänftige den Zorn ihres Mannes —* FRAU 7.3,2, 6.3. Die (keusche, gute und kluge) Frau weiss ihren Mann zu nehmen (132 — 135. Vgl. 139} 6.4. Die Frau sage ihrem Mann nicht alles (136—137) 6.5. Verschiedenes (138-139}

97

MANN

7. Richtiges Verhalten des Mannes gegenüber (hinsichtlich) der Frau Vgl, FRAU 4. 7.1. Der Mann liebe und achte seine Frau — FRAU 1514-1516,1519, 1525, 1528, 1531-1532, 1563-1564. Vgl. unten 83., FRAU 4.2.t.-4.2.4, 7.2. Der Mann wahre seine Stellung als Herr der Frau und des Hauses (140—145). —· HOSE 43. Vgl. oben 2.2.1., 6.1., unten 8.4., FRAU 1472, 7.1.4., 9.1.4. 7.3. Der Mann glaube und traue der Frau nicht - FRAU 1300, 3342, 1357. Vgl. ENTSCHLUSS S, FRAU 4.1,2. 8. Schlechtes Verhältnis zwischen Mann und Frau Vgi. oben 4.2., 5. 8.1. Zu grosser Altersunterschied zwischen Mann und Frau —» ALT 406, 409—413, 415—423, 425-426, 428-433, 435-439, HAHN 5-16 8.2. Streit und Disharmonie zwischen Mann und Frau 8.2.1. Mann und Frau zerbrechen oft Gefässe — GEFÄSS 375. Vgl. GEFÄSS 11.5. 8.2.2. Die böse Zunge sät Zwietracht unter Mann und Frau — ZUNGE 283, 292, 294, 296, 317. Vgl, FRAU 1792 8.2.3. Vereinzelt (146) 8.3. Handgreiflichkeit des Mannes gegenüber der Frau (147-149). Vgl. oben 7.1., FRAU 4.2.4., SCHLAGEN 297-298 8.4. Fehlende Durchsetzungskraft des Mannes gegenüber der Frau —· FRAU 1794 — 1795. Vgl. oben 7.2. 8.5. Eifersucht der Frau gegenüber ihrem Mann — FRAU 1.16.1., 1399, 1402,1406, 1409-1414. Vgl. LIEBE 1250 8.6. Egoismus der Frau zum Nachteil ihres Mannes (ISO—154) 8.7. Ehebrecherisches Treiben der Frau und Ahnungslosigkett des Mannes 8.7.L Der Mann wird betrogen und mit Hörnern versehen (ISS). — EIFERSUCHT 13, HÖRN 31, 48, 50 8.7.2. Der Mann erfährt als letzter vorn Treiben seiner Frau {156-157). Vgl, FRAU 1796. Ähnlich (J S 8) 8.8. Wunsch der Frau nach Befreiung vom Mann (159. Vgl. 54}. — FERSE 19 8.9. Verschiedenes (160-162) 9. Harmonisches Verhältnis zwischen Mann um! Frau (163-164). — FRAU 1800-1805. Vgl. FRAU 9,2., LIEBE 34-36 10. Verschiedenes (l 65-173)

1

2 3. 4 5 6. 7

l. Wesen, Eigenschaften und Merkmale des Mannes 1.1. Mannhaftigkeit, Männlichkeit und Wehrbereitschaft als Kennzeichen des Mannes 1.1.1. Ein Mann soll ein Mann sein N o r d . Vel sis mus totus vel vir vegetudine motus (lies mit Druck B u. LÄLE S 1001: notus). — Thtf scalt tenthen w&re man eller mwss Du sollst entweder ganz eine Maus sein oder ein Mann, der sich durch Betriebsamkeit auszeichnet. - Du sollst entweder Mann oder Maus sein LÄLE 1111. Dr. Ein man sol ein man sin, ein frouwe sol ein frouwe sin BERTHOLD 1,326,10. Eyn matt soll eyn man sein AGRICQLA Nr. 665. EGENOLFF 242 r. Ahnlich: Mancher ist nur dem Namen nach ein Mann Dt. Man vint mengen geraden mannes lip, Der doch ein wtbin herze bat Man findet manchen aufrechten Männerleib, der doch das Herz einer Frau (in sich) trägt KONR. v. AMMENHAUSEN 12876. Er ist ein man wie ein ander weih FRANCK 1,28 r. Er heyßt ein man, aber der nam ist an jm verlorn EBD.

MANN

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1.1.2. Ein Mann soll mutig und furchtlos sein s Fr. A home ne faut que cueur Der Mann bedarf nur des Mutes MORAW. 94, 9 Dt. Manmuot unt ritterlicher muot, die kroenen einen beiden Mannheit und ritter10 liehe Gesinnung krönen (auch) einen Heiden FRALTENLOB, SPR. 44,19. Was wer eynman, her tethe den menlicb Was wäre ein Mann, wenn er nicht mannhaft handelte?

PROV. FRID. 154. — FLIEHEN 0, H ÄSE l Ähnlich: Auch Frauen können mannhaft und standhaft sein H lt. Vedian ehe donna piu si tien ehe homo Wir sehen, dass eine Frau standhafter ist als ein Mann FRANCESCO DA BARB., Doc. 11,98. 12 Dt. Doch sol man wissen, das man vint Manig vrouwen, du vestern muot hat, Denn menger man Doch soll man wissen, dass man manche Frau findet, die einen festeren Mut hat als mancher Mann KONR. v. AMMENHAUSEN 15086. — FRAU 3 769, ZAUM 6

1.1.3. Ein Mann soll wehrhaft und kampfbereit sein 13 Fr. Bien aues oi dire et äs uns et äs autres, Que ferne atme tost home qui bien fiert en bataille Ihr habt wohl bei den einen und ändern sagen hören, dass die Frau leicht einen Mann liebt, der sich im Kampf gut schlägt AIOL 5597. 14 Port. Home barragaon, sempre traze a espada na ma on (lies mit Ausg. Salamanca 1555,57 r; mao) Der herzhafte Mann tragt immer das Schwert in der Hand NUNEZ H, 187 (el Portugues). 15 Dt. Man suln stnten unde frouwen suln spinnen Die Männer sollen kämpfen und die

16 Frauen sollen spinnen BERTHOLD 1,325,22 (vgl. unten 18). schwerd gebunden LUTHER 192.

Der man ist an das

1.1.4. Ein Mann soll sich nicht wie eine Frau benehmen und betätigen 17 Dt. Wie stuende, daz ein wip würde uz dem manne, Unde uz dem wibe ein man? Wie stünde es, wenn aus dem Mann eine Frau würde und aus der Frau ein Mann? is MEISSNER 2,9 (+MSH III, 90a). Wibes swertes slakf mannes spinnen hat selten pris bejaget Der Schwertschlag einer Frau und das Spinnen eines Mannes haben sich selten Lob erworben FEGFEUER 2,8 (-»-MSH HI,37a) (vgl. oben 15). — FRAU 2320 Ähnlich: 19 S p a n . Hombre palabri muger, guardeme Dios de el Gott behüte mich vor einem Mann mit Weiberstimme NUNEZ II, 188.

1.1.5. Ein Mann soll nicht (wie eine Frau) wehklagen und weinen 20 La t. Efusissime flere, meminisse parcissime, inhumani animi est ... hoc prudentem virum non decet: meminisse perseveret, lugere desinat Aufs ausgiebigste zu weinen und kaum zu gedenken zeugt nicht von einem menschenwürdigen Charakter. Dies ziemt sich nicht für einen klugen Mann. Er soll (vielmehr) das Andenken bewahren und 21 aufhören zu trauern SEN., EP. 99,24. Feminis lugere honestum est, viris meminisse Für Frauen ist das Trauern ehrenvoll, für Männer das Gedenken TAC., GERM. 27,1. 22 M l a t . Fletu Femineo fades exutt uda virum Durch weibisches Weinen büsst das nasse 23 Gesicht die Männlichkeit ein . VIND., ARS DICT. 1,5,23. No« est flere viri 24 Weinen gehört sich nicht für einen Mann PRIMAS 3,11. Et pre dolore lacrimans fere femina visus sum, turpe quidem homini Und da ich vor Schmerz weinte, erschien ich 25 wie eine Frau, was ja für einen Marin schändlich ist Bocc., EP. 8 S. 131 (1353). Se

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totum effundere in ploratus querelasque sonoras et ululatus ... muliebre profecto est et in viro detestabile Sich ganz den Tränen und lauten Klagen und Schreien hinzugeben ist in der Tat weibisch und bei einem Mann verabscheuenswert EBD. 21 S. 209 (1373). l 26 Fr. Plourer aus fernes apartient, Mes aus hommes pas bien n'avient Weinen ziemt sich 27 für Frauen, aber den Männern steht es nicht gut an G. DE DEGUILEVILLE 6295. florer doivent les femmes, U homme havoir doulour Ne doivent qu'en lor cuers Die Frauen sollen weinen, die Männer (aber) dürfen nur in ihrem Herzen Schmerz empfinden GIR. DE ROSS. ALEX.

4127.

28 Dt. Swer ie manheit gephlac. Der sol sin leit ze mäzen klagen Wer jemals ein männli29 ches Wesen besessen hat, soll sein Leid mit Mass beklagen FLEIER, GAREL 13110. ... Swie leit dem manne geschiht, Daz im daz füegef nibt, Daz er klage als ein wip Dass es sich für den Mann, ein wie grosses Leid ihm auch widerfährt, nicht schickt, dass er 30 wie ein Weib klagt OTTOKAR 18883. Schrien höret den frauwen zu, Den mannen is nit gehört zu Weinen ziemt sich für die Frauen; für die Männer ziemt es sich nicht 31 PILGERFAHRT 6250. Schryen is den tvyven gereit, Den mannen id nyet wale en steit Weinen fällt den Frauen leicht; den Männern steht es nicht wohl an PETER DE MERODE, PILGERFAHRT 6315. — KIND 212. Vgl. ERINNERN 13, FRAU 1.8., KIND 5.7,1. 1.1.6. Ein Mann soll nicht {wie eine Frau) lange Haare tragen 32 M J a t . Cesarie longa fit turpis forma virilis; Femineus cultus sepius esse solet Mit langer Haartracht wird die männliche Gestalt entstellt; es pflegt dies eher der weiblichen Ausstattung zu entsprechen FACETUS (MOREL) 111. Vgl. FRAU 16, 1.2.2.4., HAAR 1., KLEID 2.4.5.

1.2. Eigenständigkeit, Tatkraft und Lakonismus als Merkmale des Mannes 1.2.1. s. Inhaltsübersicht 1.2.2. Handeln ist männlich 2 33 It. Le parole son femine, e fatti son maschi Die Worte sind weiblich, und (die) Taten 34 sind männlich POLIZIANO 394 S. 214. La (lies mit Ausg. Salamanca 1555,68 r: Le) parole son femiene, e y fati maschi ,,. und die Taten männlich NUNEZ 11,294 (el 35 Italiano). Le parole son femine, e i fatti son maschi .,. und die Taten sind männlich MERBURY 21. Vgl. FRAU 1.9.1.1. 1.2.3. Bestimmt und ohne Umschweife reden ist männlich 36 Nl. Wat sal een man hi en sprect als een man. - Hüne virum reputa qui profert grandia verba Was soll ein Mann, wenn er nicht redet wie ein Mann? — Halte den für einen Mann, der bedeutende Worte spricht! PROV. COMM. 744. 37. 38 Dt, Wat is (ist} ein man sunder he spreke alze en man PROV, COMM. MND. 694. Dat is ein man, de strak hallet als ein man. - Esse virum dicas, sermo cui firmus et acer Das ist ein Mann, der geradeheraus spricht wie ein Mann. — Du kannst wohl sagen, dass der ein Mann ist, dessen Rede fest und bestimmt ist TUNNICIUS 1018.

1.2.4. —1.4. s. Inhaltsübersicht 1.5. Unzuverlässigkeit, Treulosigkeit und Heimtücke als Eigenschaften des Mannes 1.5.1, Der Mann ist vergesslich, unbeständig und treulos 39 Span. Huye la memoria del varon, como el esclavo de su senor Die Erinnerung entwischt dem Mann wie der Sklave seinem Herrn NUNEZ H, 205.

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40 Dt. Ez ist noch war, daz man seit, Daz mannes triuwe ist niht ze breit Es stimmt noch immer, was man sagt, dass des Mannes Treue gar nicht gross ist WEIBERLIST 167

41 (» HAGEN, GA 38). Ontrew bat ain langen stii, Der reicht in alle landt Und ist euch mannen wolbekannt Untreue hat einen langen Schwanz; der reicht in alle Länder und ist euch Männern wohlbekannt ZIMMER. CHRON. IV, 227, 32. - JUNGFRAU 48 1.5.2. Der Mann ist eid- und wortbrüchig 42 S p a n . La que cree al ombre jurando, quiebra sus ojos llorando Diejenige, welche einem Mann glaubt, wenn er schwört, entstellt ihre Augen mit Tränen MARTINEZ, 43 TALAUERA 1,21 (-»ZFRPn 61,517). Quarte moza de promesa de hombre, que como cangrejo corre Hüte dich, Mädchen, vor dem Versprechen eines Mannes, das wie ein 44 Krebs (rückwärts) läuft! NUNEZ II, 165. La que al hombre cree el jurar, al no gana que llorar Diejenige, welche dem Schwur des Mannes glaubt, gewinnt nichts als Tränen EBD. 11,257. Vgl. unten 131, FRAU 4.1.2.2.3., LIEBE 1.7.2.6. 45 46 47. 48 49. so

1.5.3. Jeder Mann hat einen Wolfszahn Dt. Dann warltch es ist selten ein mann, Er hab ainen posen wolfzan Denn es gibt wahrlich selten einen Mann, der keinen schlimmen Wolfszahn hat WIE DU 73. Est prouerbtum theutonicum: Es ward nye keyn man, er het ein wolffs zan Es ist ein deutsches Sprichwort: „Es gab nie einen Mann, der keinen Wolfszahn hatte" GEILER, NAV. FAT. XVIII J. Es ist keyn man er hat eins wolffs zan, hat er nit das maul vol Es gibt keinen Mann, der nicht (wenigstens) einen Wolfszahn hat, wenn er nicht das ganze Maul voll (davon) hat FRANCK 1,90 r. EGENOLFF 331 v. Es ist kein man er hat einn wolffszan, und kein roß on einn duck, vnd kein weih on einn teuffei ... und kein Pferd ohne Tücke ... FRANCK II, 115 r. EGENOLFF 102r. Vgl. ABER 1., DAS 1-7, HALB 1.2,, HINKEN 28, MAULTIER 3., MEISTER 1., PFERD 8.1., SCHELTEN 6.2., SCHLECHT 4,1,1., SÜNDE 2.1., TUGEND 5.2., VERBRECHEN 32, VOLLKOMMEN 1.-2., WELT 60, WENN 1.

1.5.4. Vereinzelt 51 Nord. Skatna pykkir hugrinn grar Die Gesinnung der Männer ist heimtückisch MÄLSHÄTTAKV/EDI 12,2.

1.6. s. Inhaltsübersicht

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2. Wert, Rang und Stellung des Mannes 2.1. Hoher Wert des Mannes im Vergleich zu den irdischen Gütern Mlat. Vir prodest sine re, res nicbil absque viro Der Mann ist nützlich ohne Gut, das Gut ist nichts wert ohne Mann BAS L. SPRW. A 17. Dt. De wise Tullius sägt Ök dat: Ik bävve lever man dänne (lies: sunder? Red.) shat, Dän ik shat havve sunder man Der weise Cicero sagt auch: „Ich habe lieber einen Mann ohne Schatz, als dass ich einen Schatz ohne Mann habe" LAIENDOCTR. 125. Vgl. FRAU 2.1,1. Ähnlich; Fr. Moult vaut uns hons, maintes fois l'a-on dit „Viel vermag ein Mann", das hat man oft gesagt GARIN LE LOHERAIN II, 205. Mes mottt vaut li hom, qui en vaut .II. Aber der Mann vermag viel, der soviel wie zwei (Männer) wert ist MARQUES 45 b 3.

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2.2. Höherer Wert und Rang des Mannes im Vergleich zur Frau 2.2.1. Der Mann ist der Frau vorgesetzt 56 Bi bl, Mulieri quoque dixit.,. sub viri potentate eris, et ipse dominabitur tut Der Frau sagte er auch: „Du wirst unter der Herrschaft des Mannes stehen, und er wird dein 57 Herr sein" VULG., GEN. 3,16. Vnd zum Weibe sprach er ... dein wille sol deinem Man 58 vnterworffen sein, Vnd Er so! dein Herr sein LUTHERBIBEL, 1. MOSE 3,16. Caput 59 autem mulieris vir VULG., I COR. 11,3. Der Man aber ist des Weibes heubt (Haupt) 60 LUTHERBIBEL, EBD. Mulieres viris suis subditae sint sicut domino, Quoniam vir caput 61 est mulieris VULG., EPH. 5,22. Die Weiber seien vnterthan jren Mennern, als dem 62 Herrn, Denn der Man ist des Weibes heubt LUTHERBIBEL, EBD. (vgl. unten 76). Mulie63 res, subditae estote viris, sicut oportet, in Domino VULG., Co L. 3,18. Ir Weiber, seid 64 vnterthan ewern Mennern in dem Herrn, wie sicbs gehurt LUTHERBIBEL, EBD. Simili65 ter et midieres, subditae sint viris suis VULG., I PETR. 3,1. Desselbigen gleichen (Desgleichen), sollen die Weiber jren Mennern vnterthan sein LUTHERBIBEL, EBD. 66 M l a t . Cuius ratio est, quia caput mulieris est vir, viri autem caput mulier non est Der Grund davon ist, dass der Mann das Haupt der Frau ist, nicht aber die Frau das 67 Haupt des Mannes IAC. CESS. 759-760. Vir enim non solum corporis, imo bonorum uxoris et dominus est et rector Denn der Mann ist nicht nur der Herr und Lenker des Leibes der Frau, sondern auch der ihrer Güter BRÜNNER SCHÖFFENBUCH 504 S. 233. 68 Fr. Car komme de leur femmes sont chief et U droit sire Denn die Männer sind das Haupt und die rechtmä'ssigen Herren ihrer Frauen GILLES LI MUISIS 11,45. 69 It. Veramente gli uomini sono delle femmine capo Die Männer sind wahrlich das 70 Haupt der Frauen Bocc., DECAMERONE l Prol. S. 6 b. Che, come ehe l'uomo capo sia della donna ... Denn obschon der Mann das Haupt der Frau ist GHERARDI, PARA71 DISO 11,227. Capo di loro (seil, delle donne) eilt (seil, l'ttomo) dee essere Er (der 72 Mann) muss ihr (der Frauen) Haupt sein EBD. 111,29. Capo e l'uom della donna Der Mann ist das Haupt der Frau STROZZI L., COMM. IN VERSI 350. 73 Dt. Der man ist der frowen maister vnd vogt Der Mann ist der Meister und Herr 74. 75 der Frau SPIEGEL DEUTSCHER LEUTE 13 S. 40. Daz ist da von daz der man seines (SCHWABENSPIEGEL: des] weibes vogt ist. vnd ir maister Das kommt davon, dass ... 76 EBD. SCHWABENSPIEGEL 10,10. Die weiber seyen vnterthan ybren mennern als dem Herrn, denn der man ist des weibes heubt LUTHER, WERKE IV, 102,31 (1529) (vgl. 77 oben 61). Weyl der mann ist des weybes haupt SACHS 11,67,22 (1546). Vgl. unten 6.1., 7.2. Ähnlich: 78 M l a t . Mulieres non possunt vovere aliqua mangna aut promittere sine viri voluntate Die Frauen können nichts Wichtiges geloben oder versprechen ohne den Willen des Mannes IAC. CESS. 759-760.

2.2.2. Der Mann ist nicht für die Frau, sondern sie für ihn erschaffen 79 Bibl. No« enim fir ex muliere est, sed mulier ex viro, Etenim non est creatus vir 50 propter mulierem, sed mulier propter virum VULG., I COR. 11,8. Denn der Man ist nicht vom weihe, sondern das Weib ist vom manne. Vnd der Man ist nicht geschaffen vmb des weibes willen, sondern das Weib vmb des mannes willen LUTHERBIBEL, EBD. 51 Pro v. Lo bar non es creat per la femna, mas la femna per lo baro Der Mann ist nicht um der Frau willen erschaffen, sondern die Frau um des Mannes willen TRAD. VULG. COR. (+RAYNOUARD II, 180 b).

2.2.3. Dem Mann ist mehr erlaubt als der Frau 82 M l a t . Qua fronte uxorem integram vult invenire, cum ipse sit corruptus? ... Sed forsitan aliquis putat Heere hoc viris, et feminis non licere; ut enim viris liceat, sicut

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tarn dixi, peccantium obtmuit multitudo Mit welcher Stirn will er eine integre Frau finden, wenn er selbst verdorben ist? Aber vielleicht glaubt einer, den Männern sei dies erlaubt und den Frauen nicht; denn dass es den Männern erlaubt sei, wie ich schon gesagt habe, hat die Menge der Sündigen erreicht CAESAR, AREL., SERM. 32,135. Quamvis enim istud in masculis toleratur propter usum frequentem et sexus privilegium, quo cuncta in hoc saeculo etiam naturaliler verecunda conceduntur homtnibus liberius peragenda, in muliere tarnen propter verecundi sexus pudorem adeo iudicatur esse nefandum Denn obschon dies bei den Männern wegen der häufigen Betätigung und des Vorrechtes ihres Geschlechtes geduldet wird, wonach alles, wovor man in dieser Welt auch Scham empfindet, den Männern freizügiger zu vollziehen gestattet wird, wird es dennoch bei der Frau der Schamhaftigkeit ihres sittsamen Geschlechtes entsprechend als Frevel betrachtet ANDR. CAP. 261. It. Perche st de' punir donna o bia&mare, Che con uno o piü d'uno abbia commesso Quel ehe l'uom fa con quante n' ha appetito, E lodato ne va, non ehe impunito? Warum soll man eine Frau strafen oder tadeln, welche mit einem oder mehr als einem das begangen hat, was der Mann mit so vielen treibt, wie er Lust hat, wobei er nicht nur ungestraft davonkommt, sondern noch gelobt wird? ARIOST, ORL. FÜR. 4,66. Ma ditemi, per quäl causa non s'e ordinato ehe negli uomini cost sia vituperosa cosa la vita dissolute come neue donne Aber sagt mir, weshalb es nicht so bestimmt ist, dass das ausschweifende Leben bei den Männern ebenso schändlich ist wie bei den Frauen! CASTIGLIONE, CORTEGIANO 3 S. 202. S p a n . El hombre haga ciento, a la muger no la toque el viento Der Mann mag hundert Dinge tun, die Frau jedoch darf nicht einmal der Wind berühren 3 NUNEZ 11,20. Dt. Man sol es dem (Var.: den) man erhüben und den vrouwen niht Man soll es dem Mann (den Männern) erlauben und den Frauen nicht ALBR, v. JOHANNSDORF (-»MF 89,20). Die man vil manegez kroenet, Des diu wtp sint gehoenet Den Männern macht sehr vieles Ehre, was die Frauen in Schande bringt FREIDANK 102,18. Wie daz wtp sül hoenen Daz die man sol kroenen? Wie kann das die Frau entehren, was den Mann krönen wird? RUD. v, EMS, ALEX. 18037. Ein wtp diu bat Ion ze got Alles des si ere hat; Umb die man ez anders stät: Ein man hat ere des er hat sunde Eine Frau hat für alles, was ihr Ehre macht, ihren Lohn bei Gott. Um den Mann steht es anders: Ein Mann hat von dem Ehre, was für ihn auch Sünde ist FLEIER, TANDAREIS 17. Tut ain frow ain missetai Der ain man tvol tusent hat Der tusent wil er ere han Vnd sol tr er sin vertan Begeht eine Frau eine Missetat, deren ein Mann wohl tausend (begangen) hat, wird er von diesen tausend Ehre gewinnen, während ihre Ehre verloren sein wird LIEDERSAAL 138,145. Plurima sunt licita maribus solis et agenda, Que sunt illicita mulieribus atque cavenda. — Ein man manches ere hat, Das dem weihe ist ein missetat Sehr vieles ist allein den Männern erlaubt und zu tun vorbehalten, was den Frauen verboten ist und wovor sie sich hüten müssen, - Einem Mann gereicht manches zur Ehre, was für die Frau eine Missetat ist FREIDANK LAT. (GöRLirz) 1377. Vgl. FRAU 2.4.3. Ähnlich: Fr. Femme ayme tant comme eile peut et homme comme il veult Die Frau liebt soviel, wie sie kann, und der Mann, wie er will MORAW, 728.

2.2.4. Jeder Mann ist besser als eine Frau 94 B i b l . Melior est enim iniquitas viri, quam mulier benefaciens Denn besser ist die 95 Schlechtigkeit des Mannes als eine Frau, die Gutes tut VULG., SIRACH 42,14. Es ist sicherer bey einem bosen Man zu sein, denn bey eim freundlichen Weibe LUTHERBIBEL, EBD.

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96 M la t. Melior est iniquitas viri quam benefaciens mulier Besser ist die Schlechtigkeit des Mannes als eine Frau, die Gutes tut OTLOH., PROV, 318 A. 97 Fr. Vault mieulx homs mauvais et quasses Que femme, quant eile fait bien Ein schlechter und ruinierter Mann ist mehr wert als eine Frau, wenn sie Gutes tut J. LEFEVRE, MATHEOLUS 2,2618. 98 Dt. Want der mimte man, de is mere van naturen dan die meiste vrouwe Denn der geringste Mann ist von Natur aus mehr als die bedeutendste Frau KÖLN. PRED. 45,41. — FRAU 350,357 Ähnlich: 99 Dt. Und ist doch ie ein man ein man, Und wenn er schon gleich stroen wer Und ein Mann ist doch immer ein Mann, auch wenn er ganz aus Stroh wäre 4 FASTNACHTSP. 49,22.

2.2.5. Vereinzelt 100 K a t . Respos lo sarrahi: „Deus ha honrat home en est mon sohre fembra, et per aco vol U fer major honor en l'altre setgle que a la fembra" Es antwortete der Sarazene: „Gott hat den Mann in dieser Welt vor der Frau geehrt, und daher wird er ihm in der anderen Welt höhere Ehre erweisen als der Frau" LULL (*GiESE 141,37).

2.3.-2.4. s. Inhaltsübersicht 3. Bedeutung des Mannes für die Frau 3.1. Vom Mann hängen Wesen, Befinden, Verhalten und Wert der Frau ab 3.1.1. Allg. 30l Span. Muestrame tu muger, decirte he que marido tien Zeige mir deine Frau, (und) ich werde dir sagen, was für einen Mann sie hat! NUNEZ 11,403. 102 Port. Por marido reyna, epor marido mezquina Durch den Mann Königin und durch den Mann arm 5 NUNEZ III, 167 (ei Gallego).

3.1.2. Spez. 103 104 105 106-109 no 111 112

3.1.2.1. Guter Mann, gute Frau Mlat. A bono homine bona mulier Von einem guten Mann eine gute Frau SAL. ET MARC. 130 a. It, // homo bono fa la donna bona Der gute Mann macht die gute Frau SAL. E MARC. 30. N l. Van eenen goeden man wort een goet wijf Von einem guten Mann kommt (wörtl.: wird) eine gute Frau SAL. ENDE MARC, 14, Dt. Wie man dann spricht: Ein fromer man Ein frommes weib im ziehen kan Wie man denn sagt: „Ein guter Mann kann sich eine gute Frau erziehen" SACHS V,241,27 (1531), V, 235,32 (1539), XIV, 265,15 (1553). XXI, 191,16 (1563). Weil man doch spricht: Ein frummer man Ein frummes weib im ziehen kan EBD. IV, 363,15 (1538?). Wie man denn spricht: ein frommer man Ein ghorsam weib im ziehen kan EBD. IX, 119,22 (1551). Ein frommer mann Kan im ein frommes weib wol ziehen EBD. XX,238,29 (1555).

3.1.2.2. Guter Mann, gedeihende Frau 113 S p a n . Cresce el hueuo bien batido, como la muger con el buen marido Das gut geschlagene Ei nimmt (an Umfang) zu wie die Frau mit dem guten Gatten NUNEZ 4 1,257. La muger y la vina el hombre la hace garrida Die Frau und den Weinberg macht der Mann schön EBD. 11,228.

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3.1.2.3. Schlechter Mann, unglückliche Frau 115 Fr. Tele a mart, qui a deitl fit Manch eine hat einen Gatten und lebt in Kummer PROV. RUR. 461 {= MORAW. 2314). Qui covent a a mal mart Souvent en a la euer marri Wer einem schlechten Mann angetraut ist, hat oft ein betrübtes Herz AUDEFROI 117 15 Refrain. Qui a covenant a mal mär i A souvent le cueur marri ET. LEGRIS 538. Vgi.EHE49

3.1.2.4. Verschiedenes 118 Fr. Dame qui a mal mart, S'el fet ami, N'en fet pas a blasmer Die Frau, welche einen schiechten Mann hat, darf dafür nicht getadelt werden, wenn sie sich einen Geliebten zulegt ROM. u. PAST. 1,64,26. i 19 Span. La que mal marido tiene, en el tocado se le paresce Derjenigen, die einen schlechten Mann hat, sieht man es am Hut an NUNEZ II, 242. J20 Dt. Ein leider man ist swaerer bi Quoten wtben dann ein bit Ein widerwärtiger Mann

ist bei guten Frauen schwerer als Blei FREIDANK 101,21. 3.2. s. Inhaltsübersicht 4. Bedeutung der Frau für den Mann 4.1. s. Inhaltsübersicht 4.2. Negativer Wert der Frau für den Mann Vgl. unten 5., 8. 4.2.1.-4.2.4. s. Inhaltsübersicht 4.2.5. Die Frau wird bald zur Enttäuschung des Mannes 121 Engt. Mony mon singe/} frat wif hom bryngep: Wiste he, hwat he brouhte, Wepen he myhte Mancher Mann singt, der eine Frau heimbringt. Wüsste er, was er heimgebracht 122 hat, würde er wohl weinen ALFRED A 263 (15). Mo«i mon synge/j, When he hom bringe^ Is jonge wyf; Wyste {hej, wat he brohte Wepen he mohte Er his lyfsyp Mancher Mann singt, wenn er seine junge Frau nach Hause bringt ... würde er von der Zeit an sein Leben beklagen HENDING S. 232 (L 17,7). 123 Dt. Menich man lüde synghet, Wen men em de brut bringet; Weste he wat men em brockte, Dai he wol wenen mochte Mancher Mann singt laut, wenn man ihm die Braut bringt, Wüsste er, was man ihm bringt, möchte er wohl weinen SPRUCH IM BRAUTGEMACH DES LÜBECKER RATHAUSES (+KÜNSSBERG Nr. 63). Vgl. EHE 2.1., FRAU 3.2.5.1. Ähnlich: 124 Span. A las vezas (lies: uezes, Red.) lleva hombre a su casa: con que Höre Bisweilen bringt ein Mann {etwas} in sein Haus, was er zu beweinen hat HALLER 108.

4.2.6. Vereinzelt 125. 126 S p a n . Hablando y andando, marido ala horca Plaudere, aber geh auch vorwärts, zum Galgen, mein Gatte!6 LOPEZ(?>, REFRANES 359, NUNEZ II, 168. 4.3. Vereinzelt 127 Fr. Au semblant de la ferne cognoist //' hom son plait Am Aussehen der Frau erkennt der Mann, wie seine Sache steht MORAW. 193.

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5. Unterlegenheit des Mannes gegenüber der Frau Vgl. oben 4.2., unten 8. 5.1.-5.5. s. Inhaltsübersicht 5.6, Der Mann ist nicht in der Lage, eine einzige Frau zu befriedigen 12S I t , Una femmina stancherebbe molti uomini, dove molti uomini non possono una femmina stancare Eine Frau würde viele Männer ermüden, wo viele Männer nicht eine 129 einzige Frau müde machen könnten Bocc., DECAMERONE 5,10 S. 133 a. E impossibile ehe uno homo post satis far a sette donne, meglio ehe una donna poaese pigliar sette mariti Es ist unmöglich, dass ein Mann sieben Frauen zufriedenstellen könnte; eher (ist es möglich), dass eine Frau sieben Ehemänner nehmen könnte SAL. E MARC. 69. — HAHN 56-59, 61, 64. Vgl. FRAU 1.5.1.2., HAHN 6.1.

6. Richtiges Verhalten der Frau gegenüber dem Mann {hinsichtlich des Man-

nes) Vgl. FRAU 7.3. 6.1. Die {gute} Frau diene ihrem Mann (mit Liebe und Vorsicht) 130 Span. AI marido amalo como a amigo, y temelo como a enemtgo Liebe den Mann 131 wie einen Freund und fürchte ihn wie einen Feind! NUNEZ 1,64. AI marido sirue le como a senör: y guarda te del, como de vn traydor Diene dem Mann wie einem Herrn und hüte dich vor ihm wie vor einem Verräter! HALLER 443 (vgl. oben 1.5.2.}. Vgl. oben 2.2.1,, unten 7.2. 6.2. s. Inhaltsübersicht 132 133 134 135

6.3. Die {keusche, gute und kluge) Frau weiss ihren Mann zu nehmen L a t . Casta ad virum matrons parendo tmperat Die keusche Frau herrscht bei ihrem Mann durch Gehorsam PUBLILIUS c 9. It. La buona donna servendo bene a suo marito, il signoreggia Die tüchtige Frau beherrscht ihren Mann, indem sie ihm gut dient PAOLO DA CERTALDO 170 S. 130. Span. AI marido, cegarlo con gaUinas de apar de! gallo Den Mann blenden mit Hühnern von neben dem Hahn 7 HALLER 444. D t. Casta ad uirum matrona parendo imperat. — Ein fromm weih herscht jren man mit gehorsam Übers, wie 132. — Ein gutes Weib beherrscht ihren Mann durch Gehorsam FRANCK 1,66 v. Vgl. unten 139

6.4. Die Frau sage ihrem Mann nicht alles 136 S p a n . A tu marido o a tu esposo muestrale h tuyo, mas no del todo Deinem Mann 237 oder deinem Bräutigam zeige das Deinige, aber nicht ganz! NUNEZ 1,138. Lo que te dixeren al oido, no lo digas a tu marido Was man dir etwa ins Ohr sagen wird, das sage deinem Gatten nicht! EBD. H, 320. 6.5. Verschiedenes ) 38 MI a t. Et maritus non natalibus, sed moribus est eligendus Und der Ehemann ist nicht nach dem Stand, sondern nach seinen Sitten zu wählen IAC. VORAG., LEG. AUREA 136 S. 602. 139 S p a n . Quieres tener tu marido contento? tenle puesta la mesa con tiempo Willst du deinen Mann zufriedenstellen? Halt ihm den Tisch beizeiten gedeckt! NUNEZ 10,339 (vgl. oben 6.3.).

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7. Richtiges Verhalten des Mannes gegenüber (hinsichtlich) der Frau Vgl. FRAU 4. 7.1. s. Inhaltsübersicht 7.2. Der Mann wahre seine Stellung als Herr der Frau und des Hauses Fr. Une proverbe dissoient U ancestor: ,Home qui tatse et sofre orguel sä hoisor, Si U mete hon sor le chief le ratsor' Die Vorfahren zitierten ein Sprichwort: „Dem Mann, welcher schweigt und den Hochmut seiner Frau erträgt, lege man auf das Haupt das Rasiermesser"8 ENTREE o'Esp. 5692. It. U« uomo, quando e uomo, fa la donna donna Ein Mann macht, wenn er ein Mann ist, die Frau zur Frau MACINGHI, LETTERE 471 (1465). Span. Lleveme Dios a e$e meson, do manda el marido y ia tnuger non Gott führe mich in dieses Haus, wo der Gatte befiehlt und nicht die Frau NUNEZ II, 286. Nord. Bondi a hibylum at raoa Der Mann soll im Hause die Herrschaft haben tORDAR SAGA HREDU 47,20 (+GERING 10 [= JONSSON 19].

344 Dt. Man spricht: ,er si niht ein man, Der stm wibe ist undertan' Man sagt, der sei 145 nicht ein Mann, der seiner Frau Untertan ist HEINR. D. TEICHNER (KARAJAN) 172. Wie man denn spricht; Der mann der so! seyn hen im hauß SACHS XVII, 177,6. -* HOSE 43. Vgl. oben 2.2.1., 6.1., unten 8.4., FRAU 1472, 7.1.4., 9.1.4. 7.3. s. Inhaltsübersicht 8. Schlechtes Verhältnis zwischen Mann und Frau Vgi. oben 4,2., 5. 8.1. s, Inhaltsübersicht 8.2. Streit und Disharmonie zwischen Mann und Frau 8.2.1.-8.2.2. s. Inhaltsübersicht 8.2.3, Vereinzelt 146 Fr. // gele sottvent entre homme et femme Es friert oft zwischen Mann und Frau LEROUX 1,251 (15.Jh.).

8.3. Handgreiflichkeit des Mannes gegenüber der Frau 147. 148 Dt. Wenn eyn man das weih eyn mal schlecht, so schlecht ers mer Wenn ein Mann die Frau einmal schlägt, so schlägt er sie weiterhin AGRICOLA Nr, 416. EGENOLFF 188 r, 149 Wo der man das weih eyn mal schlecht, so schlecht er sie mehr AGRICOLA Nr. 458. Vgl. oben 7.1., FRAU 4.2.4., SCHLAGEN 297-298 8.4.-8.5. S.Inhaltsübersicht

150 rn. 152 153 154

8.6. Egoismus der Frau zum Nachteil ihres Mannes Span, Marido, lleuad el artesa, ed yo el , que pesa como el diablo Mann, tragt den Backtrog, und ich (trage) das Sieb; denn der Trog ist schwer wie der Teufel! LoPEZ(?), REFRANES 455, Pense que no tenia marido, y comime la olla Ich habe gedacht, ich hätte keinen Ehemann, und ass den Topf für mich aus EBD. 562. NUNEZ III, 140. Marido, lleua esa artesa, yo el cedazo, que pesa como el diablo Mann, trag diesen Backtrog, ich (trage) das Sieb; denn der Trog ist schwer wie der Teufel! NUNEZ II, 341. Mal malecillo, para mi, no para mi marido; mal de muerte, a mi marido le caya en

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MANN

suerte Das kleine Übel für mich, nicht für meinen Mann; ein tödliches Übel treffe meinen Mann EBD. 11,354 (vgl. unten 8.8.}. 8.7. Ehebrecherisches Treiben der Frau und Ahnungstosigkeit des Mannes 8.7.1, Der Mann wird betrogen und mit Hörnern versehen 35J It. Quando il Marito fa terra, la moglie fa carne Wenn der Mann die Erde bearbeitet, gibt sich seine Frau der fleischlichen Betätigung hin 9 MERBÜRY 14. -> EIFERSUCHT 13, HÖRN 31,48, SO 8.7.2, Der Mann erfährt als letzter vom Treiben seiner Frau 156 Fr. Et pensa qu'il est coustume que le derrenier qut scet telaffaire que c'est le seigneur de l'ostel Und er bedachte, dass der letzte, der um diese Sache 10 wisse, gewöhnlich der Herr des Hauses sei THOMAS III DE SALUCE, CHEVALIER ERRANT (1395 [+ROMANIA 21,75]}. J57 Dt, Wann eine zur bubin (Hure) win, erferts jhr man am aller letzsten EGENOLFF 61 v. Vgl. FRAU 1796 Ähnlich: 155 Fr. Tout quanque femmes font hommes ne sceuent pas Die Männer wissen nicht alles, was die Frauen tun GALIENS 22,10 S. 17. 8.8. Wunsch der Frau nach Befreiung vom Mann J59 Fr. II n'a mie troys jours que suy marie, et si vouldroie ja que mon man fust mort. — Nee triduo nupta, tarn vellem federa rupta. Opto viri cessum, nee per tres dies nupta sum Es sind noch nicht drei Tage her, seitdem ich verheiratet bin, und schon möchte ich, dass mein Mann tot wäre. — Ich bin noch nicht drei Tage verheiratet, und schon möchte ich, dass der Ehebund gebrochen wäre. Ich wünsche den Tod des Mannes und bin doch noch nicht einmal drei Tage lang verheiratet HILKA 167. — FERSE 19. Vgl. oben 154 8.9. Verschiedenes 160 Fr. Horn's soit marts qui dure Plus d'un mots Schande über den Ehemann, der es länger als einen Monat bleibt AFR. Ls, 52, 31. 161 Span. For si, o por no, marido senor, poneos vuestro capirote Auf jeden Fall, Herr i 62 Gemahl, zieht euren Doktorhut an!n LOPEZ(?), REFRANES 539. Que plazer de marido: $era ardida ei btuo! Welche Freude des Ehemanns: Die Kerze niedergebrannt und er lebend 12 EBD. 577. 9, Harmonisches Verhältnis zwischen Mann und Frau 163. 364 Span. Por mas que me digades (NUNEZ: digais], mi marido es el pastor Was ihr mir auch sagt, mein Mann ist doch der Hirt 13 LOPEZ(?), REFRANES 563. NUNEZ III, 161. -» FRAU 1800-1805. VgL FRAU 9.2., LIEBE 34-36 10. Verschiedenes 165 M l a t . Uritur hinc uiuus defuncti in laude mariti Wenn der verstorbene Gatte gelobt wird, ärgert sich der lebende EGBERT,, FEG. RAT. 1,357. 166 It. Ove omini sono modi sono Wo Männer sind, gibt es Möglichkeiten BIBBIENA, CALANDRIA 102 (4,4).

MÄNNLICH

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167-169 S p a n . A cabo de (NUNEZ. HALLER: den] anos, marido, sois zarco (HALLER: caluo} In hundert Jahren, mein Gatte, seid ihr blauäugig (glatzköpfig) 14 LOPEZ{?), 70 FRANES 95. NUNEZ 1,17. HALLER 22. El bombre es el fuego, la muger la estopa, viene el diablo y sopla Der Mann ist das Feuer, die Frau das Stroh: Es kommt der Teufel und bläst NUNEZ 11,27 (vgl. STROH 7.1.). 171 N o r d . Algegn maör Med aura fjqld Vill $er kjosa konu; Pat fia reyniz, Ef bann reyna (lies mit G. Alexander 15 : reiöa) Mundar-gj^ld mikil Ein sehr tüchtiger Mann mit einer Menge Geld will sich eine Frau wählen. Das zeigt sich dann, wenn er eine grosse Brautkaufsumme entrichten muss HUGSVINNSMÄL 97 (vgl. EHE 315). 172 Dt. Des weiz ich wol daz zoberlist Gein mannes herzen ein wint ist Daher weiss ich wohi, dass Zauberlist gegenüber dem Herzen eines Mannes ohne Wirkung bleibt 173 (wörtl.: ein Wind ist) HERBORT v. FRITZLAR 17674. Des selben loffels muß ich lachen, Der im doch laßt ein menlin machen Über diesen Laffen muss ich lachen, der sich doch ein Männlein machen lässt 16 MURNER, NARRENB. 8,13.

v: M.

Anmerkungen 1

Vgt. ZILTENER471S.

2

Weitere Belege bei POLIZIANO S. 214. Bei REFRANERO 233 heisst es, dass dies ihre Natur und die Rücksicht auf ihren guten Ruf verfange. Das sagt ein Bauer zu einer Frau, die ihren Mann schlecht behandelt. Nunez fügt hinzu: Qual es el marido, tal es la muger en el estado Wie der Mann ist, so ist die Frau der Stellung nach. Dazu steht bei SBARBI 1,109: El odio de las mugeres, extremada mente se executa Der Hass der Frauen äussert sich in ungewöhnlichen Handlungen. Nach CORREAS 586 geht das Sprw. auf den letzten Gang eines Mannes zurück, dessen Frau einen Freund hatte, deshalb die Hinrichtung des Gatten herbeiwünschte und sein hinhaltendes Plaudern mit der Aufforderung unterbrach, er solle beim Sprechen weitergehen. Es wird nach Correas auf Zwangslagen angewandt, aus denen man sich befreien möchte. Die neben dem Hahn schlafenden Hühner sind die fettesten, Vgl. die Anrn. der Ausg. D. h., man schere ihn wie einen Narren. Hinzugefügt ist, dass sich dies auf die schlechte und untreue Ehefrau beziehe. Gerneint ist der Ehebruch der eigenen Frau. Bei SBAREI 1,130 steht dazu, dass sich die Frauen gerne voll Frechheit über die Titel ihrer Männer lustig machten. Dazu steht bei SBARBI 1,134: Las desuergonzadas mugeres: desprecian la salud y vida de sus maridos Die unverschämten Frauen achten die Gesundheit und das Leben ihrer Männer gering. Dazu heisst es bei SBARBI 1,132, dass diejenigen, die einander liebten, sich durch keine üblen Nachreden beeinflussen und von ihrer Liebe abbringen Hessen. D.h., in hundert Jahren sind alle gleich, bzw. ist alles einerlei. ZFDA68,119. D. h., der sich etwas vormachen lässt.

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MANNLICH s. MANN MANTEL s. KLEID MARAVEDI s. GELD MARDER -» MARTHA 3.

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MARKT

MARIA 1. Wie die Sonne ohne Folgen durch Glas scheint, so wurde die Jungfrau Maria zur Mutter —* SONNE 123, 126. Vgi. SONNE 4.2-4.3. 2. Maria in Ravenna suchen —* RAVENNA 1—3 3. Vereinzelt (l)

\.~2, S.Inhaltsübersicht 3. Vereinzelt i M t a t . Vix venit ad veniam, qui nescit amare Mariam Wer Maria nicht zu lieben weiss, erlangt kaum Gnade WERNER 2 v 76. H. U. S.

MARIOS — WO 7 MARK s. GELD

MARKT / marche / market Hier auch GESCHÄFT, HANDEL, JAHRMARKT, Vgl. BILLIG, KAUF, TEUER, VERKAUF

MARKTPLATZ

1. Zweck und Voraussetzung des Marktes (Handels auf dem Markt} 1.1. Verkauf und Gewinn 1.1.1. Umsonst geht auf den Markt, wer nichts zu verkaufen hat (l —2). —· VERKAUF 1.1. 1.1.2, Zum Markt gehe (geht) man, um (mehr) zu gewinnen (3 —S) 1.2. (Eigenes) Geld 1.2.1. Geld aliein macht den Markt und lässt da kaufen —· GELD 308-311, 313-315 1.2.2. Wer auf den Markt geht, habe eigenes Geld und hoffe nicht auf fremdes (6 — 15) 1.3. Lügen und betrügen Vgl, unten 144 1.3.1. Wer Geschäfte tätigen will, muss lügen und betrügen (16-18), Ähnlich (19) 1.3.2. Der Markt wird nur gut, wenn man die Narren schädigt (20—21) 1.4. Die Ware schätzen und kennen 1.4.1. Zu Hause den Preis festlegen und dann die Ware auf dem Markt verkaufen (22~24) l .4,2, Vereinzelt (25) 1.5. Für neues Geschäft neuen Rat suchen —· NEU 5.4, 1.6. Anwesenheit vieler Narren (Kinder) s, unten 2.6. 1.7. Vereinzelt (26) 2, Art und Verlauf des Marktes (Handels) Vgl. unten 3.1. 2.1. Wie der Kaufund Handel, so das Geschäft (27-28) 2.2. Wie der Markt, so der Zoll (29-33) 2.3. Wie der Markt, so der Preis (34-35) 2.4. Wie der Handel (Markt), so der Verkauf (Käufer) (36-50). Variiert (51) 2.5. Langsame, träge und späte Märkte bringen zuletzt die besten Geschäfte (52—59) 2.6. Märkte, zu denen viele Toren (Kinder) kommen, laufen am besten (60—75). Vgl. unten 5.1. Ähnüch (76) 2.7. Märkte lassen sowohl gewinnen als auch verlieren —* VERLIEREN 80, 87

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3, Guter und schlechter, billiger und teurer Markt (Handel) 3.1. Guter und billiger Markt (Handel) zieht das Geld aus der Börse (77—92) 3.2. Abgesprochener Handel ist gut (93 — 94) 3.3. Leichter Handel macht sich schlecht bezahlt (95-97) 3.4. Bei schlechtem (gutem) Geschäft gut leben (98-99) 3.5. Verschiedenes (l 00-103) 4, Erfahrungen auf dem Markt (beim Handel) 4.1. Der Markt lehrt es dich (104-107) 4.2. Der Markt lässt die Leute erkennen (108-111) 4.3. Am Handel erkennt man den Wandel (112 — 113) 4.4. Jeder erzählt vom Markt, je nachdem wie es ihm dort ergeht (114—117). Ähnlich (118) 4.5. Wer auf dem Marktplatz baut, macht es keinem recht (hat viele Lehrmeister) (119—121). Vgl, WEG 13. 5, Besucher des Marktes 5.1. Narren (mit dem Esel) (122-124). Vgl. oben 2.6., ESEL 433 5.2. Narren und Weise (125-126). Vgl. ESEL 433 5.3. Diebe (127-129. Vgl. 139-140). -> MÄDCHEN 1.1. 6, Auf den Markt kommen sowohl Häute von jungen wie von alten Tieren —* HAUT 106 — 117, 119-125 7, Drei Frauen machen einen Jahrmarkt —* FRAU 1,9,2,4. 8, Redensarten und Vergleiche 8.1. Den Tisch gegen den Markt richten (130-132) 8.2. Die Gnade Gottes ist besser als drei Märkte —* GOTT 20.3. 9, Verschiedenes (133-145)

. Zweck und Voraussetzung des Marktes {Handels auf dem Markt) 1.1. Verkauf und Gewinn 1.1.1. Umsonst geht auf den Markt, wer nichts zu verkaufen hat 1 Fr. Por neant foire gut neant n'i enploie Umsonst geht auf den Markt, wer dort 2 nichts einsetzt MORAW, 1694. Pur rien foyre qt rien y desploie ... wer nichts {zum Verkauf) auslegt CAMBR. SAMML. (-»LEROUX 11,480). -^VERKAUF 1.1. 1.1.2. Zum Markt gehe (geht) man, um {mehr} zu gewinnen 3 S p a n , A heria vayas que mas ganes Geh zum Markt, damit du mehr verdienst!1 4 NUNEZ 1,34. A feria vaya que mas gane Zum Markt gehe er, um mehr zu verdienen HALLER 88. 5 Dt. Freydanck ... Z« dem marckt lutzel yemandt gat, Dem sein synne nicht nach gewinne stat Zum Markt geht kaum jemand, dessen Sinn nicht auf Gewinn gerichtet ist AGRICOLA Nr. 698. 1.2. (Eigenes) Geld 1.2.1, s. Inhaltsübersicht 1.2.2. Wer auf den Markt geht, habe eigenes Geld und hoffe nicht auf fremdes 6 Mlat. In proprio speres, fora dum petis, aere crumenae; Fallitur, ad for a quem $pes bursae fert alienae Wenn du die Märkte aufsuchst, dann setze die Hoffnung auf das eigene Geld im Beutel! Wen die Hoffnung auf fremden Beutel auf die Märkte führt, 7. s der wird enttäuscht FACETUS 82. Tendit inane forum fidens loculis aliorum Der sucht umsonst den Markt auf, welcher sich auf die Geldbörse anderer verlässt S. OMER 299.

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PROV. RUST. 10, Tendit inane forum loculis fidens aliorum WERNER 2 124. fallitur ad fora, quern bursa fert aliena Der wird enttäuscht, welchen eine fremde Börse auf den Markt führt PROV. WRATISLAV. 222. Dt. Penninge saltu dich bewaren, As du wolt zu märte varen; Want eyns anders budil luycht Und den koufman dicke bedruycbt Geld sollst: du dir besorgen, wenn du auf den Markt gehen willst; denn der Beutel eines ändern lügt und betrügt den Käufer oft FACETUS DEUTSCH 137 S. 190. Wenn du wild zu marckt gan, So so/ du aygen gelt han; Es wirt offt betrogen den (liesr der) sin Wer fromde pfening pringt dohin Wenn du auf den Markt gehen willst, musst du eigenes Geld haben. Es wird oft der Sinn (desjenigen) betrogen, der fremdes Geld dahin bringt EBD. 83 S. 161. Wan du willt zu dem märt lauffen, So saltu uff dynen eygen bitdell kauffen; Wer sieb uff eynen frimden budell wyll vorlaissen, Der muße dycke gan von dem märte bloyße Wenn du auf den Markt laufen willst, so sollst du (gestützt) auf deinen eigenen Beutel kaufen. Wer sich auf einen fremden Beutel verlassen will, der muss oft mittellos vom Markt wegziehen EBD. 75 S. 211. Wiltu dann gen marckt trachten, Umb deyn selbs zerung soltu achten; Wann wer nach fremdem gut wil fragen Zum marckt, der wirt villeicht betrogen Wenn du dann dein Trachten auf denn Markt richtest, sollst du auf deine eigenen Kosten achten; denn wer nach fremdem Gut für den Markt fragen will, der wird gar leicht betrogen EBD. 103 S. 84. Vff eygnen seckel dich verhsz Wann du zu merckt gast oder strosz Der Kremer würt betrogen vil Wer vfffrombd seckel merckten will Verlass dich auf deinen eigenen Geldbeutel, wenn du auf den Markt oder die Strasse gehst! Der Krämer wird oft betrogen, der (im Vertrauen) auf fremde Beutel handeln will BRANT, FACETUS 297. 1.3. Lügen und betrügen Vgl. unten 344 1.3.1. Wer Geschäfte tätigen will, muss lügen und betrügen Dt. Swer sich koufes wil began, Der muoz sin war sagen lan Wer sich vom Handel ernähren will, der muss davon abstehen, die Wahrheit zu sagen FREIDANK 171,11. Mich dunket niht, daz ieman müge Vil verkaufen äne lüge. Ze market lützel iemen gät, Wan des muot ze triegen stat. Swer koufes pfligt, daz dunket mich, Er triege, e er itez' triegen sich Mir scheint es nicht, dass jemand ohne Lüge viel verkaufen kann. Zum Markt geht nur jemand, dessen Sinn sich auf Trügen richtet. Wenn einer ein Geschäft tätigt, dünkt es mich, dass er lieber (selber) betrügt, als dass er sich betrügen Hesse EBD. 171,13. Wer sich kauffes sal began, Der muz bi wilen sin war sagen lan Wer sich vom Handel ernähren will, der muss bisweilen davon abstehen, die Wahrheit zu sagen SAL. u. MARK. 409. Ähnlich: Pro v. Que quascus homs, senes dubtar, Vol car vendre e vil comprar; Per queis ditz que greu fan mercat Gens entre se senes peccat Denn jeder will ohne Zweifel teuer verkaufen und billig kaufen; deswegen sagt man, dass die Leute kaum ohne Sünde miteinander Handel treiben 2 MATFRE ERM., BREV. D'AM, 17980 (= KAUF 59).

1.3.2. Der Markt wird nur gut, wenn man die Narren schädigt3 20 Dt. Der market wirdet niemer guot, Wan so man tören schaden tuot Der Markt wird 21 nur gut, wenn man den Narren Schaden zufügt FREIDANK 83,13. Freydanck ... Der marckt der wirt auch nymmer gut, Denn so man thoren schaden that AGRICOLA Nr. 698.

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1.4. Die Waren schätzen und kennen 1.4.1. Zu Hause den Preis festlegen und dann die Ware auf dem Markt verkaufen 22 Fr. A meison proiser, e en marche uendre. — Appreciata domo precio plus sepe uidemus Vendita, cumque foro fuerint precium sapiemus Zu Hause den Preis festsetzen und auf dem Markt verkaufen. — Wir sehen öfters, dass der Preis für die Verkäufe zu Hause angesetzt worden ist, und wenn sie auf dem Markt sein werden, werden wir den Preis 23 wissen ZACHER 182 (= MORAW, 72), A lostel aforer et au marche vendre Zu Hause 24 den Verkaufspreis festsetzen und auf dem Markt verkaufen MORAW. 72 Anm. A l'ostel priser et au marche vendre ET. LEGRIS 34 {= MORAW. 72 Anm.). 4 1.4.2. Vereinzelt 25 D t . Wer auch kauffmansschatz treyben wöil, der lern vor wol kennen sein wahr Wer Handel treiben will, der lerne zuvor seine Ware gut kennen SACHS IX, 266,18 (1555).

1.5 — 1.6. s. Inhaltsübersicht 1.7. Vereinzelt 26 Fr. Car j'ai par pluseurs fois oy dire et confer, Que trop pau de marquiez voit-on ä bien aler, Puissedi c'on en fait carite respiter Denn ich habe öfters sagen und erzählen hören, dass man sehr wenig Geschäfte einen guten Ausgang nehmen sieht, weil man den Kauftrunk aufschiebt B. DE SEE. 1,537.

2. Art und Verlauf des Marktes (Handels) Vgl. unten 3.1. 2.1. Wie der Kauf und Handel, so das Geschäft 27 Fr. Tel marchie prent qui tel l'achate Einen entsprechenden Handel schliesst ab, wer 28 es so kauft RUTEBEUF , 177,198. Tels sont les marchiez que on les fait So sind die Geschäfte, wie man sie macht LEROUX 11,425 (l5. Jh.).

2.2. Wie der Markt, so der Zoll 29 M l a t . Quäle forum, tale vectigal Wie der Markt, so der Zoll BEBEL, PROV. GERM. 260. 30 NI. Tot sulker merct suleke toi. - Tale forum querens dabit a era pedagia merens. Quäle forum fuerit vectigal tale requirit Zu solchem Markt ein solcher Zoll. — Wer einen solchen Markt sucht, wird Verdientermassen einen bitteren Zoll entrichten. Wie der Markt gewesen ist, einen solchen Zoll zieht er auch ein PROV. COMM. 693. 3l. 32 Dt. Tho sulkeme markede sulken thol PROV. COMM. MND. 651. Wie der market ist, 33 also ist der zol FRANCK I, 83 r. Wie der marck, also ist der zol EGENOLFF 324 v.

2.3. Wie der Markt, so der Preis 34 E n g t . Greet prees at market maketh deere ware, And to greet cheepe is holde at litel prys Grosses Gedränge auf dem Markt macht die Ware teuer, und zu grosse Billigkeit 35 wird gering geschätzt CHAUCER, WIFE OF BATH'S T. Prol. D 522. Lyke the market, so preyse thy chaff are Wie der Markt (ist), so setze den Preis deiner Ware fest! LYDGATE, MIN. POEMS 11,751,23.

2.4. Wie der Handel (Markt), so der Verkauf (Käufer) 36 Mlat. Sic suus emptori mos, ubi tale forum Ein entsprechendes Benehmen hat der Käufer, wo ein solcher Markt ist WERNER 2 s 151,

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37-39 Fr. A tei marchie tel vente Wie der Handel, so der Verkauf VILAIN 200 (= MORAW. 40. 41 160). PRO v. RUR. 93. ALEX. DE PARIS, ROM. ALIX. 3, 7816. De tel marchie tel vente 42 ALEX. DE PARIS, ROM. ALIX. 1,3079. REN. CONTR, 30836. A tel marche tel vente. Res sit venalis cum venditio $ibi talis. Sie suus emptorum mos, übt tale forum ... — Je nachdem wie der Verkauf ist, muss für die Ware bezahlt werden. Ein entsprechendes Benehmen haben die Käufer, wo ein solcher Markt ist MEYER, Doc. MANÖSCR. C 176. 43 L'en dit: „De tel marchie tel vente" Man sagt: „Wie der Handel, so der Verkauf" 44 RUTEBEUF II, 114,16. Maix ie sai bien ca teil mercbiet teil uante Aber ich weiss wohl, 45 dass bei einem solchen Handel ein entsprechender Verkauf (ist) BERNER LHS. 170. A tel marchie, itele vente. — Res sic venalis, cum venditio sibi talis Übers, wie 37. — Je 46 nachdem wie der Verkauf ist, muss für die Ware bezahlt werden RAWLINSON 18. Mais je sai bien c'a tel marchie tel vente Übers, wie 44 OUDART DE LACENI (+ ROMANIA 47 58,333,19}. De te! merchie li rant tel vante Einen solchen Handel vergilt er ihr (seil. 48 der Seele) mit einem entsprechenden Verkauf ISOPET DE LYON 18,54. De tel marchie 49 tel paie Wie der Handel, so die Bezahlung GIR. DE Ross. ALEX. 1992. De tel merchie so tel vente Übers, wie 37 EBD. 3829. De mal marchie male vengon Von schlechtem Handel schlechter Verkauf ET. DE FOUGERES, LIVRE DES MANIERES 55. Variiert: si Fr. De tel vente tel marchie Wie der Verkauf, so der Handel BARBAZ. ET MEON IV, 186,168 (=MONTAIGL. 11,240).

2.5. Langsame, träge und späte Märkte bringen zuletzt die besten Geschäfte 5 52 M l a t . Primo tarda fora si sunt, fiunt meliora Wenn die Märkte zuerst langsam sind, 53 werden sie (später) besser WERNER 2 p 109. Sepe forum tardum postremo tempere largum Oft werden die langsamen Märkte zuletzt gut PROV, WRATISLAV. 562. 54 Dt. Faule merckt werden die besten Träge Märkte werden die besten LUTHER 274, 55. 56 Die tregen märckt werden gern gut AGRICOLA Nr. 693. Die spaten merckt, werden 57 gern gut FRANCK II, 14 r. Tregr (Träger) märckt wird äfft gut SACHS IX, 84,24 (1551). ss. 59 Die spaten märckt werden gern gut EGENOLFF 16 v, Spate märckt werden gern gut EBD. 249 v.

2.6. Märkte, zu denen viele Toren (Kinder) kommen, laufen am besten 60 M l a t , Cum stulti veniunt, emptoria tunc fora prosunt Wenn die Narren kommen, 61 dann nützen die Kaufmärkte WERNER 2 c208. Deficit omne forum sine conventu fa62 tuorum Ohne die Versammlung der Toren versagt jeder Markt EBD. d 67. Dicitur in proverbio: Pueri cum ad forum veniunt, tunc fit libenter tempus bonum Man sagt im Sprichwort: „Wenn die Kinder zum Markt kommen, dann tritt gerne eine gute Zeit ein" PROV. FRID. 141 Anm. 63 Span. Quieres buen mercado? con el necio necesitado Wünschest du einen guten 64 Markt? Mit dem notleidenden Narren NUNEZ III, 318. Si el nescio no fuese al mer~ cado, no se venderia lo malo Wenn der Tor nicht auf den Markt ginge, würde das Schlechte nicht verkauft EBD. 111,390. 65 Nord. Lucrificare forum solet aduentus fatuorum. — Äff daar&ss tijlkomme wordher torffwet riigh Die Ankunft der Toren pflegt dem Markt Gewinne zu bringen. — Von der Ankunft der Toren wird der Markt reich LÄLE 565. 66 Dt. An toren wird kain market gut Ohne Toren wird kein Markt gut STRASSBURG 67 11. Wen dy kinder vnd toren czum markte körnen, zo win her gut Wenn die Kinder 68 und Toren zum Markt kommen, wird er gut PROV. FRID. 141. Wen de doren to markede kamen so vrowen syck de cop lüde. — Stulti dum veniunt emptores tunc fora prosunt Wenn die Toren zum Markt kommen, dann freuen sich die Kaufleute. — Wenn

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69 törichte Käufer kommen, dann nützen die Märkte PROV. COMM. MND. 734. Man spricht, wen narren zmerch gänt, Daß die kremer gelt enpfänt Man sagt, dass die Krämer Geld empfangen, wenn die Narren auf den Markt gehen FASTNACHTSP. 846,16. 70 Wan de gecken to markede körnen, so krygen de krqmer gelt. — Quando forum tangunt stulti, res venditur omnis Wenn die Narren zum Markt kommen, kriegen die Krämer Geld, - Wenn die Narren den Markt besuchen, wird alles verkauft TUNNICIUS 516. 71 Wie man auch sagt, Wenn die narren zu marckt kommen, so kauffen die kramer gelt 72 ... nehmen die Krämer Geld ein AGRICOLA Nr. 226 S. 171,21. Wenn die narren zu 73 marckt geben, so losen die kramer gelt EBD. Nr. 698. Freydanck ... Denn wenn thoren zu marckt tbun lauffen, So thun die kramer bald verkauffen Freidank: „Denn wenn 74 die Narren zum Markt laufen, verkaufen die Krämer bald" EBD. Das Sprichwort hab ich gleich vernommen: So bald gen marck die narren kommen, So lösen denn die krämer geldt Das Sprichwort habe ich auch vernommen: „Sobald die Narren auf den 75 Markt kommen, nehmen die Krämer Geld ein" SACHS XXI, 44,29 (1558). Wie mann auch sagt; Wann die narren zu marckt kommen, so losen die krämer gelt EGENOLFF 118r. Vgl. unten 5.1. Ähnlich: 76 Dt. Wenn dye toren zu marck kumen, so wirt es gern wolfeyl Wenn die Toren zum Markt kommen, wird es gerne billig SCHWABACH 35, 2.7. s. Inhaltsübersicht 3. Guter und schlechter, billiger und teurer Markt (Handel)

3.1. Guter und billiger Markt (Handel) zieht das Geld aus der Börse 77 Ml a t. Bonum forum trahit denarium de bursa Günstiger Markt zieht das Geld aus 78 der Börse EHSTL. KLOSTER L. 88. Bonum forum aper it ementibus bunas et extrahit de eis denarios Günstiger Markt öffnet den Kaufenden die Börsen und zieht aus diesen 79 die Geldstücke PROV. FRID. 188. Bonum forum trahit denarios de bursa Günstiger SO Markt zieht die Geldstücke aus der Börse EBD. Anm, Bonum forum trahit argentum de bursa Übers, wie 77 HAUREAU II, 193. 81 Fr. Bons marcbiez trait argent de bource Übers, wie 77 HuON LE ROI DE CAMBRAI, 82 DESCRISSION 204. J'ai ott dire en reprovier: „Boens marchies trait de borce argent" 83 Ich habe im Sprichwort sagen hören; ... CHANS. DE CROIS. 2,31. Grant marche trait argent de bourse. — Excitat emptores data pro parvo pretio res. Res placet emptori pro levitate fort ... - Eine zu einem niedrigen Preis angebotene Ware gefällt den Käufern. Die Ware gefällt dem Käufer wegen der Billigkeit des Marktes HILKA 66. 84-86 Bon marchie trait argent de borse MORAW. 291. HAUREAU III, 103 (13./14. Jh.). Bons marchies trait argent de borse. — Dat foris era boni contractus actio poni, Contractu placito stmt foris era cito ... — Der Abschluss eines guten Geschäftes bewirkt, dass Geld für den Markt ausgegeben wird. Wegen eines günstigen Geschäftes haben die 87 Märkte bald Geld ROBERT 39. Bons marchiez trait argent de bourse PROV. RUR. 154. 88. 89 Bon marche tret argent de bourse CAMBR. SAMML. (*LEROUX 11,473}. Grant marche 90 trait argent de bourse MORAW. 833. Grant marchiez trait argent de bource ZFRSpRLiT 91 45,470,65 (Hs. 14, Jh. [= MORAW. 291 Var.]). Bon marche trait argent de bourse ET. 92 LEGRIS 119. Le bon marche tire largent hors de la bourse, et la doulce parole tiere (lies mit Ausg, Salamanca 1555, 68 v: tire) le coeur du ventre Der günstige Markt zieht das Geld aus der Börse heraus, und das süsse Wort zieht das Herz aus dem Leib NUNEZ 11,292 (el Frances).

115

MARKT

3.2. Abgesprochener Handel ist gut 93 Fr. Marchie devise vaint Ein abgesprochener Handel ist mehr wert MORAW. 1190, 94 Marche devise moult fault Ein abgesprochener Handel ist viel wert LEROUX II, 345 (15.JH.).

3.3. Leichter Handel macht sich schlecht bezahlt 95 E n g ] . Limite chep lufiere forjeldedjj Leichter Handel macht sich schlecht bezahlt HEN96 DING l, 32. Lyjt chepe, lythur forjeldys. — Res valet hoc modicum cui leve sit precium 97 ... — Die Ware ist wenig wert, die einen geringen Preis hat RYLANDS fo. 16, And men say „lyght chepe Letherly for-yeldys" Und man sagt; ... TOWNELEY PLAYS 13,170. 3.4. Bei schlechtem (gutem) Geschäft gut leben 98 Fr. A mal marchie bien vivre Bei schlechtem Geschäft gut leben MORAW. 74 (— LE99 ROUX 11,344). A bon marchiet bien vivre Bei gutem Geschärt gut leben PROV. RUR, 200 (= MORAW. 11).

3.5. Verschiedenes 100 Fr. Bons marchiez est troveüre Gutes Geschäft ist ein Glücksfund MORAW. 290. 103 Grant marche ne fut oncques ne[i]s Einen sehr guten Markt gab es noch nie EBD. 832. 102 It. // mal fuoro, no vuol festa Der schlechte Markt erlaubt kein Fest NUNEZ 11,214 (el Italiano). 103 S p a n . Quien usa los mercados, dellos ha buenos, dellos ha malos Wer die Märkte frequentiert, hat von ihnen gute und schlechte (Geschäfte) NUNEZ III, 296.

4. Erfahrungen auf dem Markt (beim Handel) 4.1. Der Markt lehrt es dich 104 Dt. Der marckt wirt dichs wol lernen Der Markt wird es dich wohl lehren AGRICOLA 105. 306 Nr. 247. Der marckt wirt dichs wol leren EBD. Jedoch wird Dich der Markt wol lehren kaufen Der Markt wird dich jedoch wohl kaufen lehren LUTHER, WA TR. 6903 307 (VI,261,6). Der marckt wirdt dichs wol leren Übers, wie 104 EGENOLFF 124 r.

4.2. Der Markt lässt die Leute erkennen los 109 110 111

Dt. Am marckt lert mann die leut am basten (besten) kennen FRANCK II, 154r. Drumb laut diß Sprichwort: am marckt lert man die leut kennen Darum lautet dieses Sprichwort: ... EBD. II, 155 r. Am marckt lernet mann die leut am besten kennen EGENOLFF 200 v. Darumh laut diß Sprichwort: am marckt lernet mann die leut kennen EBD. 201 v.

4.3. Arn Handel erkennt man den Wandel 112. 113 Dt. Am handel kent man den wandel FRANCK II, 154 r. Am handel kennt mann den wandel EGENOLFF 200 v.

4.4. Jeder erzählt vom Markt, je nachdem wie es ihm dort ergeht 114 It. Ogni vn conta della fiera, come egli andö con essa Jeder erzählt vom Markt, wie es ihm dabei ergangen ist MERBURY 12. i 15 S p a n . Que dize cada vno de la feria segund le va en ella Denn jeder erzählt vom 116 Markt, je nachdem wie es ihm dort ergeht CELESTINA 91 (4). Cada vno dize dela 117 heria como le va enella Jeder erzählt ... LOPEZ(?), REFRANES 155. Cada uno dize de la feria como le va en ella NUNEZ 1,195,

MARKT

116

Ähnlich: i; s S p a n . Ida mercar a le heria, vereis como os va en eila Geht auf den Markt einkaufen, ihr werdet sehen, wie es euch dort ergeht! NUNEZ 11,210.

4.5. Wer auf dem Marktplatz baut, macht es keinem recht (hat viele Lehrmeister) 119 It. Chi fa la casa in piazza vn dice ch'ella e alta, e l'altro ch'ella e bassa Wenn einer sein Haus auf dem Marktplatz baut, sagt der eine, dass es hoch sei, und der andere, dass es niedrig sei MERBURV 24. 120 Span. Quien en la plaza a labrar se mete, muchos adestradores tiene Wer sich daran macht, auf dem Marktplatz zu bauen, hat viele Lehrmeister NUNEZ 111,281. 121 Port. Quem a casa faz na praza, un diz que he baxa, otro que he alta Übers, wie 119 NUNEZ 111,238 (el Portugues). Vgl. WEG 13.

5, Besucher des Marktes 5.1. Narren (mit dem Esel) 122 Fr. Ouy l'ai dire vilain en reprovier; Aussi va fals (lies: /b/s, Red.) con ses freres au marchie Ich habe den gemeinen Mann es im Sprichwort sagen hören: „Ebenso geht der Narr mit seinen Brüdern auf den Markt" CHEVALERIE OGIER 1265, 323 It. Chi st fia falle co' lui vengna a mercato Wer ein solcher Narr ist, der komme mit ihm auf den Markt MONTE (»ANTICHE RIME 864,28), 124 S p a n . Bobos van al mercado, cada quäl con su asno Die Dummköpfe gehen auf den Markt, jeder mit seinem Esei NUNEZ 1,173. Vgl. oben 2.6., ESEL 433

5.2. Narren und Weise 125 Fr. Pour ce dit H villains de voir: Au marche vont sot et apert, S'un y gaaigne, l'autre y pert Daher sagt der gemeine Mann wahrbeitsgemäss: „Auf den Markt gehen Narren und Schlaue; wenn der eine dort gewinnt, verliert der andere" RENAUT, GALERAN 5868. 126 Mes U couvient par les marchiez Aler et de foux et de $ages; Tieux est des marchiez li usages Aber sowohl Narren als auch Weise müssen über die Märkte gehen; so ist der Brauch der Märkte CLARIS 12734. Vgl. ESEL 433

5.3. Diebe 127 Span. Alguacil descuidado, ladrones cada mercado Unachtsamer Ordnungshüter, Diebe an jedem Markttag NUNEZ I, 63. 128 Dt. Sag mir, wo ist ein straß an staub? Wo ist ein paum an laub't Und wo ist ein wasser an weiden Und ein junkfrau an heimlich leiden? Wo ist ein schone fr au an lieb? Wo ist ein jarmarkt an dieb? Sag mir: Wo ist eine Strasse ohne Staub? Wo ist ein Baum ohne Laub? Und wo ist ein Wasser ohne Weiden und eine Jungfrau ohne verborgenes Leiden? Wo ist eine schöne Frau ohne Liebe? Wo ist ein Jahrmarkt ohne Diebe? FAST129 NACHTSP, 557,23. Ein jaermarckt ane Deve, Ein schone Frouw ane leve, Ein Budel ane Geldt, D esse are dinge vindt men seiden der Weldt Ein Jahrmarkt ohne Diebe, eine schöne Frau ohne Liebe, ein Beutel ohne Geld: Diese drei Dinge findet man selten in der Welt WERLDTSPRÖKE 52. — MÄDCHEN 1.1. Vgl. unten 139-140

117

MARKT

6. —7. s. Inhaltsübersicht 8. Redensarten und Vergleiche 8.1. Den Tisch gegen den Markt richten 6 130 Dt. Seinn schrägen ghen marckt richten Seinen Krämertisch gegen den Markt richten 13l. 132 FRANCK 1,46 v, Rieht deinn schrägen ghen marckt Richte deinen Krämertisch gegen den Markt! EBD. II, 87r. EGENOLFF 87v.

8.2. s. Inhaltsübersicht 9. Verschiedenes 133 Ml at. No« opus est taxare forum; taxantur ibidem Qmnia: qui sapiens venit hue, stultus redtt istinc Es ist nicht nötig, den Markt einzuschätzen; es wird daselbst alles geschätzt: Wer als Weiser dahin geht, kehrt als Narr zurück WERNER 2 n 226. 134 Fr. E sachiez une chose veire: Gl qui sires est de ia fetre Deit prendre par tout son toulin Und wisset eine wahre Sache: Der, welcher Herr des Marktes ist, pflegt überall J35 seine Steuer einzuziehen! J. DE MEUN, ROSE 13145. Car entree, somes de marchie en bragagne Denn wir sind vom Handel zu Händeln gekommen ENTREE o'Esp. 7689. 136 Len ne s'en va pas de foire come de marchie Man geht vom Jahrmarkt nicht (so) weg wie vom (gewöhnlichen) Markt M o RAW. 1525. 157 Kat. Ce// qui per poch t'a avesat, De tu faria hon mercat Wer auch nur ein bisschen an dich gewöhnt ist, würde aus dir ein gutes Geschäft machen LULL, PROV, 71 (vgl. KAUF 3.1.). 138 Span. O/o alia, que feria va Sieh mal an, es geht zum Jahrmarkt! 7 LOPEZ(?), REFRA139 NES 501. Vaste, feria, y yo sin capa Markt, du gehst vorüber, und ich (bleibe) ohne 140 Mantel EBD. 705 (vgl. oben 5.3.). Vase (lies mit Ausg. Salamanca 1555,127 v: Vaste) 141 feria, y yo sin capa NUNEZ HI, 461 (vgl. oben 5.3.). Comprar en feria, y vender en 142 casa Auf dem Markt kaufen und zu Hause verkaufen EBD. 1,254. La ganancia y la laceria, corren de heria en heria Der Gewinn und die Armut laufen von Markt zu 143 Markt 8 EBD. 11,259. No estes mucho en la plaza, ni te rias de quien pasa Sei nicht oft auf dem Marktplatz und lache nicht über den, der vorübergeht! EBD. III, 79. 144 N o r d . Sub vaframento nicht! ad fora ferre memento. — Thw scalt eij fere swijgh üjl terffmetb tegh Denke daran, nichts mit trügerischer Absicht auf den Markt zu bringen! — Du brauchst den Betrug nicht mit dir auf den Markt zu bringen 9 LÄLE 1034 (vgl. oben 1.3.). 145 Dt. Mancher eym ändern macht eyn kouff Der biibt, so er zum thor usz loufft Mancher verdirbt einem ändern den Handel (durch Unterbieten): Der bleibt, während er (seil, der Unterbieter) zum Tor hinausläuft 1 0 BRANT, NARRENSCHIFF 48,23.

V.M. Anmerkungen 1

2

3 4 5

Nunez fügt hinzu: Otros dicen: a heria vayas, que mejor se te vendan tus alba/as Andere sagen: „Geh zum Markt, damit sich deine Kleinode besser verkaufen!" Vgl. VULG., SIRACH 27,2: Sie et inter medium venditionts et etnptionis angustiabittir peccatwn So drängt sich auch zwischen Verkauf und Kauf die Sünde ein. LUTHERBIBEL, EBD.: Also stickt (steckt) auch Sunde ztfisschen Kauffer vnd Verkauffer.

Vgl. SINGER, SPRW. D. MA HI,46 f. Vgl. HASSELL P277. Gemeint sind Märkte, die zuerst flau (mit geringer Kauflust) beginnen und erst später zu florieren beginnen. Vgl. LUTHER, WA LI, 702,274: Allgemein etwa = langsam, aber sicher.

MARKTPLATZ

118

6

Sich den Umständen anpassen. Vgl. GRIMM, DWß. IX, 1622. Ähnlich ist die Wendung uti foro (vgl, OTTO 710 S. 145 f,}, die FRANCK II, 87r übersetzt mit; Schick dich inn handel. 7 Bei SBARBI 1,125 steht die Erklärung: La composition vana y pnmposa de las personas canuierte en enbidia o cobdicia los ojos de todos Die eitle und prunksüchtige Aufmachung der Leute zieht die Augen aller in Neid und Begehrlichkeit auf sich. 8 Nunez und CORREAS 188 erklären: der Gewinn für die einen, die Armut für die ändern. * D.h., er ist ohnehin da schon üblich. 10 D.h. sich ruiniert. Vgl. GRIMM, DWe. V,321.

MARKTPLATZ s. MARKT MARMOR s. STEIN

MARTER / tourrnent / torture J Dt. Der wil ser gefeyret sein vnd hat der marter nit überwunden Der will sehr gefeiert 2 sein und hat (doch) nicht Marter überstanden 1 SCHWABACH 29. Der wil gefeyert sin vnde bot der martir nicht geleden (erlitten) PROV. FRID. 248,

V.M.

Anmerkung 1

Dazu steht die Erklärung: Hoc dicitur de his, qui aliquando suttt malefici sen modici meritt et multum volunt honorarit quod tarnen est ordo perversus Dies wird von jenen gesagt, die bisweilen gottlos handeln oder von geringem Verdienst sind und sehr geehrt sein wollen, obschon dies eine verkehrte Auszeichnung ist.

MARTHA 1. Die fromme Martha (1—2) 2. Martha und Justa: eine Hure sucht die andere —· HURE 30—31 3. Martha und ihre Jungen (3—4)

1. Die fromme Martha Span, die den 2 Port. Martha Juiz da

Marta la piadosa, que mascaba la miel a los enfermos Martha die Fromme, Kranken den Honig vorkaute NUNEZ II, 353. Nao sam eu Marta a piadosa Que dou Caldo aos enforcados Ich bin nicht die Fromme, die den Gehängten Suppe gegeben hat GIL VICENTE H, 355 (O Beira).

2. s. Inhaltsübersicht 3. Martha und ihre Jungen 3 Span. Aca /o ha Marta con $us polios Hier hat es Martha mit ihren Jungen (zu tun) 4 LOPEZf?), REFRANES 38. Aca h ha marta1 con sus polios HALLER 16.

H. U.S.

119

MARTIN

Anmerkung 1

Marta kann auch den Marder bezeichnen: Hier hat es der Marder mit seinen Hühnchen (zu tun). So fasst Haller das Sprw. auf. Nach Dice. DE REFRANES 1918 soll damit ausgedrückt werden, dass man sich nicht in Händel mit Fremden einlassen soll. Vgl. auch Hallers ergänzende Erläuterung in den Nachtr. (II-, 289} u, B. Pottier, Les noms de personnes dans la paremiologie espagnole, in; Les Langues Modernes 41 (1947), 431.

MARTIN 1. St. Martin

1.1. Wer sich nicht an Martin festhält, ist verloren (1—4} 1.2. Was Martin nicht isst, isst sein Esel (Pilger) (5—U) 2. Si,-Martins-Tag 2.1. Arn Martinstag trinkt man Wein (12 — 16. Vgl. J) 2.2. Jede Sau hat ihren Martinstag (17—18) 2.3. Wetterregel (19) 2.4. Redensart (20-21) 3. Von einem ändern Martin reden (singen) (22—25). Vgl. ANDER 226 4. Verschiedenes (26-28)

1. St. Martin 1.1. Wer sich nicht an Martin festhält, ist verloren 1 Fr. Morz, tu venges les bas des hauz Qui tuit se sont pris a la sauz For saint Martin mieuz guerroier Tod, du rächst die Niedrigen an den Hohen, welche sich alle an der 2 Weide festhielten, um den heiligen Martin besser zu bekämpfen HELINANT 12, 7. Muit est fol, qui lassa (MoRAW.: lessa) saint Mafrjtin por saolesse2. — Qui propter salicem Martinum deseruerunt, Pro uino laticem sensus inopes petierunt. Qui propter salicem, Martine, relinquere uult te, Credimus hunc inopem sensus nee mentis adulte Sehr töricht ist, wer den heiligen Martin aus Völlerei losgelassen hat. — Wer den Martin wegen einer Weide losliess, dessen ratlose Sinne suchten nach Wasser statt nach Wein. Wer dich, Martin, wegen einer Weide loslassen will, der ist unseres Erachtens ohne Sinn und 3 grossen Verstand ZACHER 53 (— MORAW. 1312). // lessa saint Martin, $i s'est pris äs sauz. — ... In cuius festo vetule, immo et iuvenes bibunt vinum Er Hess den heiligen Martin los und ergriff die Weide. — Bei dessen Fest trinken die alten Weiber und noch 4 mehr die Jünglinge Wein LOCUTIONS 15 {- MORAW. 1312 Anm.) (vgl. unten 2.1.). Ei pour ce dit l'en ancor, quant aucun laisse le bien pour le mal, qu'il resamble(nt) ces qui laisserent saint Martin et se pristrent au sauce Und deshalb sagt man noch, wenn einer das Gute um des Schlechten willen fahrenlässt, dass er denjenigen gleicht, die den heiligen Martin fahrenliessen und sich an der Weide festhielten S. MARTIN (BN fr. 988, 15. Jh. [+HELINANT S. 53])3.

1.2. Was Martin nicht isst, isst sein Esel (Pilger) 5 M l a t . Haec non Martina, &ed conveniunt peregrtno Das kommt nicht Martin, son6 dem dem Pilger zu WERNER 2 h 3. Quod non Martinus comedit, suus hoc peregnnus Was Martin nicht isst, isst sein Pilger EBD. q211, 7 Fr. Que ne mange saint Martin, si manie le pelerin. — Que non Martinus comedit, comedit peregrinus Was der heilige Martin nicht isst, isst sein Pilger. - Übers, wie 6 8 ZACHER 95. Que ne menjue Saint Martin, si menjue son pelerin, — Quod non Marti-

MARTIN

120

9 nus, hoc manducat peregrinus HILKA 61. Ce que saint Martin ne mange son äne le w mange Was der heilige Martin nicht isst, isst sein Esel LEROUX 1,49 {13. Jh.). Que ne 11 manjue sainz Martins se manjue ses asnes MORAW. 1771. Se que S. Martins ne menjue, se menjue ses asnes PROV. RUR. 312.

12 U 14 is. 16

2. St.-Martins-Tag4 2.1. Am Martinstag trinkt man Wein 5 Mi at. Festo Martini titubat gens pondere vini Am Martinsfest schwanken die Leute unter der Last des Weines WERNER Z f 36. Fr. la sainct Martin Boit-on le hon vin Am St.-Martins-Fest trinkt man den guten Wein LEROUX 1,125 (15. Jh.). A la feste saint Martin, toutes vieilles boivent vin Am St.-Martins-Fest trinken alle alten Frauen Wein LECOY 240. Dt. Heb an Martini, Trinck wein per circulum anni Fang am Martinstag an, trinke Wein das Jahr hindurch! AGRICOLA Nr. 654. EGENOLFF 239 r. Vgl. oben 3

2.2. Jede Sau hat ihren Martinstag 6 17 Span. Para cada puerco ay su Sanmarttn Für jede Sau gibt es ihren St.-Martins-Tag 18 LQPEZ{?), REFRANES 532. cada puerco: su san martin Jeder Sau ihren St.-MartinsHALLER 20.

2.3. Wetterregel 19 Mlat. Si pluit in festü processi martiniani Quadriginta dies continuare solet Hoc intelige sie st non pluit hie pluit illic Wenn es regnet am Fest der Martinsprozession, pflegt es vierzig Tage lang ununterbrochen zu regnen. Verstehe dies so: Wenn es hier nicht regnet, regnet es dort! BRAUNSCHW. Hs, (14./15, Jh. [-»TAYLOR 113]).

2.4. Redensart 20. 21 Dt.

Zu S Martin, wann die storck kommen7 FRANCK 1,34 v. EGENOLFF 298 v.

3. Von einem ändern Martin reden (singen) 8 22 Fr. De tout autre Martin vos convenra parier Von einem ganz ändern Martin werdet 23 ihr reden müssen GUI DE BOURGOGNE 1404. Par temps li couvendra d'autre Martin pleidier Bald wird er von einem ändern Martin reden müssen MAUG. D'AlGR. 5516 24 (Hs. M [REVUE DES LANGUES ROMANES 30,10l]) 9 . A moy vous convenra d'autre Martin canter Ihr werdet mir von einem ändern Martin singen müssen CHEV. AU CYGNE 2.5 3948. Paries d'autre Martin Redet von einem ändern Martin! EBD. 5274. 10 Vgl, ANDER 226 4. Verschiedenes 26 Fr. Martin baston vadit per domum Martin Stock geht durch das Haus 11 VINC. FERRER, SERM. 4 (de gula [-»ROMANIA 39,91]}. 27.28 S p a n . O dentro, o fuera, Martin sin asno Ob drinnen oder draussen, Martin (ist) ohne Esel 12 LOPE7.{?}, REFRANES 526. NUNEZ 111,90.

V.M. Anmerkungen 1

Nach der Legende von St. Martin, der bei einem Wolkenbruch und dem dadurch entstandenen Ciessbach die sich an ihn Klammernden rettete, während die sich an die am Ufer stehenden Weiden Klammernden ertranken. Vgl. dazu die Anm. zu HELINANT 12,7 in der Ausg.

121 2

3 4 5

6 7 8

9 10 11

12

MÄRZ

Moraw. schlägt die Lesart sauz, vor. Es scheint sich hier entweder um ein Wortspiet zu handeln, das auf die Legende mit der Weide und auf die bekannte Tatsache, dass am Martinstag viel getrunken wird, anspielt, oder um eine Vermischung der Formen saolece ,Sättigung' und saule ,Weide'. Vgl, GODEFROY VII, 328 b. 11. November. Noch heute findet am Martinstag in vielen port. Orten nach alter Sitte die Weinprobe statt. Der heilige Martin ist da als Nachfolger des Bacchus der Schutzheilige der Trinker, Vgl. H. Minnemann, Weinbau und Wein im Spiegel portugiesischer Sprichwörter, in: Volkstum u. Kultur der Romanen 10,1937,96f. (mit zahlreichen port. Belegen). Martinstag ist der Schlachttag. Allgemeiner Sinn: Jeden ereilt einmal sein Schicksal. Also nie, da die Störche ja im Frühling kommen. G. Paris vermutet, es habe ein bekanntes Lied von Martin (nicht dem Heiligen) gegeben {ROMANJA 19,334 Anrn. 1). Vgl. auch ROMANIA 30,569, wo darauf hingewiesen wird, dass es sich bei dieser Wendung vielleicht um eine Vermischung mit chanter (parier) ä'autre matire handelt. = MAUG. D'AIGR. S. 361. Weitere Bsp. bei TOBLER-LOMMATZSCH V, 1209,47ff., GODEFROY V, 188 b u. HASSELL M 92, Martin baston ist als Personifikation des Prügelstockes zu verstehen; vgl. zur Erklärung des Ausdrucks ROMANIA 9,127, 30,432. Nunez fügt hinzu: Que bay cosas que ora se bagan mal, bien, stempre son danosas Denn es gibt Dinge, welche, ob man sie nun gut oder schlecht verrichtet, zum Schaden gereichen. Ähnlich CORREAS 166.

MÄRTYRER / martyr i It. Egli e meglio esser Martire, ehe confessore Es ist besser, Märtyrer als Bekenner zu sein MERBURY 13. -* LIEBE 728, 730, 735,747,9.1., TEUFEL 6.2.

V.M. MARTYRIUM —· JUNG 44, 46

MÄRZ / rnars / March 1. Grüner März endet nicht gut Mlat. Martius adveniens viridis, sic clericus audax, Virgo procax; malus his finis adesse solet Ein März, der grün ist bei seiner Ankunft, ebenso ein wagemutiger Pfaffe und ein freches Mädchen, diesen pflegt ein schlimmes Ende bevorzustehen WERNER 2 mil. N o r d . Corda senum ledit cum flores marcius edit, — Ee gneder gammel man t&rmaanetz gr00dhcE Der März betrübt die Herzen der Alten, wenn er Blumen hervorbringt. — Immer beweint der alte Mann das Wachstum des März LÄLE 169. Dt. Man strichet: si der merze grüene ein tummer pfaffe küene Und ein jungiu meit ze bait, Die wer dent selten mit eren alt Man sagt, wenn der März grün sei und ein törichter Pfaffe kühn und ein junges Mädchen zu übermütig, würden sie selten mit Ehren alt HUGO v. TRIM BERG 12497. Ein Jungfrau? on schäm, Der mensch on than, der Mertz in der blüm, Ein sommer on taw, des würt man am end nit fro Eine Jungfrau

MASCHE

122

ohne Scham, der Mensch ohne Tun, der März in der Blust, ein Sommer ohne Tau: darüber wird man schliesslkh nicht froh FRANCK I, 76 r. _» PFAFFE 144-145, 147, 149-150

2, Frost im März, Tau im April 5 Fr. Quantes gelees en mars, tantes rousees an apvril Wieviel Fröste im März, soviel 6 Tau im April ET. LEGRIS 575. Quantes gelees en mars, tant de roussees en avril LERouxl,109{15.jh.).

3. Verschiedenes 7 Fr. N'est mars qui ne revienne Es gibt keinen März, der nicht wiederkommt MORAW. 8 1365 (vgl. MONAT i). Tu ne peux esteultre quel {lies: qu'el, Red,) mars en a quaresme Du kannst nicht verhindern, dass man im März Fasten hat LEROUX 1,95 (15.JH.) 1 . 9 S p a n . Pascua Marzal, hambre o mortandad Ostern im März, Hungersnot oder Seu10 ehe 2 NUNEZ III, 125. A quinze de Marzo; da el sol en la vmbria, canta la golondrina Am 15. März scheint die Sonne an schattigem Ort und singt die Schwalbe HALLER 428.

v: M.

Anmerkungen 1

Vgl. H A S S E L L M 9 1 .

2

Nuftez fügt hinzu: Opinion loca del vulgo Törichte Meinung des Volkes,

MASCHE / maille / mesh i P o r t . M de cada malla pexe, ni de cada mato fexe Weder von jeder Masche einen Fisch noch von jedem Gesträuch Reisig NUNEZ 111,28 (el Portugues) (vgl. JEDER 2.1.), V.M.

MASKE / masque / mask l It. Or basti del Eurato el motto bello: Non so parlar con maschera sul volto Nun genüge der schöne Ausspruch des Burato 1 : „Mit einer Maske auf dem Gesicht kann ich nicht sprechen" BELLINCIONI Son, 101 S. 147. V.M. Anmerkung 1 In der Anrn, der Ausg. steht dazu: „II Buratto par ehe fosse un tale ehe usava questo motto."

MASS {Masseinheit) / mesure / measure 1. Gott hat alles nach Mass, Gewicht und Zahl geordnet (1 — 9). Vgl. MASS (Massigkeit) 1.1. 2. In deinem Haus soll es nicht zweierlei Mass geben (10-12)

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MASS (Massemheit)

3. Jeder wird mit demselben Mass gemessen, mit dem er selbst misst (13 — IS). —· MESSEN I — 6, 8-16,18-25, 27-28, 34-37, 39-40, 42. Vgl. GLEICH 5., HÖREN 2.4., LOHN 3.5., MESSEN 1., RICHTEN 12.1., TUN 4.3., 4.5., 5., WORT 19. 4. 4. Gewicht und Mass befreien von Streit und Mühe (19—20) 5. Vereinzelt (21)

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1. Gott hat alles nach Mass, Gewicht und Zahl geordnet B i b l . Sed omnia in mensura, et numero, et pondere disposuisti Aber alles hast du nach Mass und Zahl und Gewicht geordnet VULG., SAP. 11,21, Aber du hast alles geordnet mit mas, zal vnd gewicht LUTHERBIBEL, WEISH. 11,22. Mlat. Quanta ... deum omnia in numero et mensura et pondere posuisse quis agnoscit ... Je mehr einer erkennt, dass Gott alles nach Zahl und Mass und Gewicht geordnet hat HROTSVITHA 166,35 (Pafnutius 1,21). Omnia in numero et mensura et pondere posuit Er hat alles nach Zahl und Mass und Gewicht geordnet EBD. 187,22 {Sapientia 3,22). Creatori serviunt omnia subjecta, Sub mensura, numero, pondere perfecta Dem Schöpfer dient alles, was ihm unterstellt ist (und) was nach Mass, Zahl (und) Gewicht geschaffen ist GUALT. MAP., CARM, 32,31. Certis sub ordinibus cuncta deputasti, In mensura numero vel pondere locasti Du hast alles nach bestimmten Ordnungsprinzipien festgelegt, du hast es nach Mass, Zahl oder Gewicht eingeordnet VITA MARIAE 246. Fr. En nombre, en pois et en mesure Fit lo monde qui encor dure Ma force Nach Zahl, nach Gewicht und nach Mass schuf meine Kraft die Welt, die noch fortbesteht ISOPET DE LYON 7,95. It. Cow or dine, con peso e con mtsura Dispose U Signor Dio ogni creatura Nach Ordnung, nach Gewicht und nach Mass schuf der Herrgott jedes Geschöpf FELICE DA MASSA 26. Engl. Of his Werkes es noght vnbale, Bot al in weght and mette and tale Von seinen Werken ist nichts unvollkommen, sondern alles ist vollkommen nach Gewicht und Mass und Zahl CURSOR MUNDI 23563. Vgl. MASS (Massigkeit) 1.1.

2. In deinem Haus soll es nicht zweierlei Mass geben 10 Bibl. Nee erit in domo tua modius maior et minor Und in deinem Haus soll nicht U ein grösseres und ein kleineres Mass sein VULG., DEUT. 25,14. Vnd in deinem hause so! nicht zweierley Scheffel, gros vnd klein sein LUTHERBIBEL, 5. MOSE 25,14. 12 Dt. Er sol tnnemen und usgeben Mit einem messe, nach dem geböte. Das wir haben von gote. Er spricht: ,du solt zwei mes niht hän In dinem hüse' Er soll nach dem Gebot, das wir von Gott haben, mit einem Mass einnehmen und ausgeben. Er sagt: „Du sollst nicht zwei Masse in deinem Haus haben" KONR. v. AMMENHAUSEN 14644.

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3. Jeder wird mit demselben Mass gemessen, mit dem er selbst misst Engl. Thei shal resceyue ageynward suich mesour As thei mesure vnto their neih(e)bour Sie werden ihrerseits ein solches Mass erhalten, wie sie ihrem Nächsten zumessen LYDGATE, FALL OF PRINCES 8,918. The gospel tellith, lerne this of me: So as thow weyest be mercy or rigoure, The mesure same shal be don to the Das Evangelium sagt, lerne das von mir: „So wie du mit Gnade oder Strenge wägst, ein solches Mass wird auf dich angewendet" LYDGATE, MIN. POEMS 11,775,102. Dt. Man sol tu wol Ionen Mit der selben maze Man soll euch ganz mit dem gleichen Mass lohnen KAISERCHRON. 7535. Die selbe mazze, die ir den ändern gebet, div wirt

MASS (Massigkeit)

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w wider gegeben Dasselbe Mass, das ihr den ändern gebt, das wird euch wiedergegeben 17 PREDIGT (12. Jh. [» HOFFMANN, FUNDGRUBEN 1,124, 36]}. Swaz du wilt des man dich erlaze Des gib ändern Hüten die selbe mäze Bei dem, wovon du willst, dass man es dir erlässt, gib den ändern das gleiche Mass! MAGEZOGE 133 (M. 13.Jh. [+ALTD. BL. 18 1,93]}. Und galt seim bruder in dem meczen, darinne er im vormalen unordenleich het gelihen Und (er) vergalt seinem Bruder mit dem (gleichen) Mass (worth: in dem Metzen 1 ), womit (wörtl.: worin) dieser ihm früher auf ungehörige Weise geliehen hatte LEOP. STAINREUTER, OESTERR. CHRON. v. D. 95 HERRSCHAFTEN (+MG DT. CHRON. 6,91,13). —· MESSEN 1-6, 8-16, 18-25, 27-28, 34-37, 39-40, 42. Vgl. GLEICH 5., HÖREN 2A, LOHN 3.5., MESSEN L, RICHTEN 12.1., TUN 4.3., 4.5., 5., WORT 19.4. 4. Gewicht und Mass befreien von Streit und Mühe 19 S p a n . El peso y la medida, sacan al hombre de porfia Das Gewicht und das Mass 20 befreien den Menschen vom Streit NUNEZ II, 73. Peso y medida quitan al hombre fatiga Gewicht und Mass befreien den Menschen von der Mühe EBD. III, 139.

5. Vereinzelt 21 Dt. Im wart mit vollen messe Sin Ion alaa gehvfet Ihm wurde sein Lohn dort mit vollem Mass aufgehäuft HUGO v. LANGENSTEIN 60,62.

V.M. Anmerkung 1 Altes Getreidemass.

MASS (Massigkeit) / moderation / moderation Hier auch AUSSCHWEIFUNG, GLEICHGEWICHT, MASSHALTEN, MASSIGEN, MÄSSIGKEIT, MÄSSIGUNG, MASSLOS(IGKEIT), MASSVOLL, MITTE, MITTELMASS, MITTELWEG, MITTLER, ÜBERMASS, ÜBERMÄSSIG(KEIT), ÜBERSCHREITUNG, ÜBERTREIBEN, ÜBERTREIBUNG, UNMASS, UNMÄSSIG(KEIT) Vgl. VIEL 1. Vorhandensein und Fehlen von Mass 1.1. Überall und in allem gibt es Mass (1-12. Vgl. 304, 310}. — VIEL 108. Vgl. unten 2.3., MASS (Masseinheit) 1. L2, In allem gibt es Mass ausser beim Schlagen der Frau (13 — 14) 1.3. Bei der (wahren) Liebe gibt es kein Mass —» LIEBE 4.5.1. 1.4. In der Nacht gibt es kein Mass -* NACHT 52, 56-58, 60 1.5. Verschiedenes {15-16) 2. Mass als Wert und Vorteil 2.1. Man erkenne und bewahre das Mass, halte die Mitte und gehe den Mittelweg (17—38. Vgl. 87). -* WORT 561. Vgl. unten 3.1. 2.2. Zwischen zuwenig und zuviel muss das rechte Mass (die Mitte) herrschen und eingehalten werden (39-46. Vgl. 139) 2.3. Mass muss (bei allem) herrschen und angewendet werden (47—76). Vgl. oben 1.1. 2.4. Mass ist {bei allem) gut, gesund und nützlich (77-111). — GESUND 82, 84-87. Vgl. unten 3.6.

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MASS (Massigkeit)

2.5. Mass, Mitte und Mittelweg sind (bei allem) das Beste und Nützlichste (112—136, Vgi. 53} 2.6. Mass und Mittelweg sind golden (137-143) 2.7. Mass ist ein wertvolles Gut und ein Schatz (144—151) 2.8. Mass ist lobenswert und ehrenvoll (152-160. Vgl. 57) 2.9. Mass und Mitte sind tugendvol! {16J-I75. Vgl. 41, 48, 50, 53, 70}. VgL unten 3.3. 2.10. Mass und Mitte sind Zeichen und Ursprung von Weisheit und Glück(seligkeit) (176—192). -» WORT 518-519. Vgl. unten 3.4. 2.11. Mass ist angenehm, erfreulich und wohltuend (193-200}. Vgl. unten 3.8. 2.12. Mass, Mitte und Mittelweg sind sicher und bewahren vor Fall (201—221, Vgl. 25, 35), —* WORT 559. Vgl. unten 3.11. 2.13. Mass lässt alles gelingen und zu stände bringe n (222—225. Vgl. 62} 2.14. Mass ist von Dauer (226-238. Vgl. 79-80). Vgl. unten 3.15. 2.15. Verschiedenes (239-247) 3. Masstosigkeit als Fehler und Nachteil 3.1. Man übertreibe nichts (248-249). Vgl. oben 2.1., VIEL 4.4.1. 3.2. Masslosigkeit enthält und bringt nichrs Gutes (250—257). Vgl. unten 4.4., VIEL 4.1,1., 4.3.1. 3.3. Masslosigkeit ist ein Laster und eine Sünde (255-259. Vgl. 252). Vgl. oben 2.9., VIEL 4.3.7. 3.4. Masslosigkeit ist ein Zeichen von Torheit und Unverstand (260—263. Vgl. 259, 306). Vgl. oben 2.10., VIEL 4,3.5. 3.5. Masslosigkeit führt zu weiterer Masslosigkeit (264-266). VgL ARBEIT 1.1., EIN 1.1., 4.2.1., FEE 7, FREUDE 7.1.1., GLÜCK 9.6., GUNST 5., GUT (Adj.) 4.3.6., GUT ESSEN 173. Vgl. oben 2.4., VIEL 4.3.1.-4.3.2. 3.7. Masslosigkeit verdriesst (274 a - 274 b). Vgl. ÜBERFLUSS 1., VIEL 4.3.4. 3.8. Masslosigkeit bringt Unannehmlichkeit, Schmerz und Krankheit (275—278). —* GESUND 96, 102-103, KRANK 47, SCHMERZ 3-4. Vgl. oben 2.11., GESUND 2.3., KRANK 2.3.1., STARK 5.1., VIEL 4.3.3. 3.9. Masslosigkeit bringt Schande und Spott (279-281). Vgl. VIEL 4.3.6. 3.10. Masslosigkeit beraubt den Menschen seines Werts (282—283) 3.11. Masslosigkeit bringt zu Fall (284-286). -» FALL 53, 69, STEIGEN 49. Vgl. oben 2.12, 3.12. Masslosigkeit bringt Zerstörung und Vernichtung (287-290. Vgl, 46, 77, 308) 3.13. Masslosigkeit bringt den Tod — FRAU 1236, TOD 1003, 1005, 2009, Vgl. unten 295, 299, 308 3.14. Masslosigkeit bricht den Deckel (291 -294). Vgl. VIEL 4,3.9. 3.15. Masslosigkeit ist nicht von Dauer und lässt nichts von Dauer sein (295—302. Vgl, 81, 160, 237). Vgi, oben 2.14. 3.16. Verschiedenes (303-308) 4. Worin man rnasshalten soll 4.1. Man halte mass beim Reden und Schweigen — SCHWEIGEN 4., WEISE 206, WORT 559, 561, 785, 789-791, 1172-1174, 1176-1177, 1221, 1241 4.2. Man sei massvoll in der Freude und im Leid — FREUDE 357, 364-365, LEID 180-183, 187-189, 192, MANN 28. Vgl. oben 28 4.3. Man sei mit Mass demütig — DEMUT 186, 189, 192 4.4. Man sei mit Mass gut (309-310). Vgl, oben 3,2. 4.5. Man halte mass beim Essen und Trinken (311). — ESSEN 201, 206-207, 240, GESUND 94, 97, 101, TRINKEN 195, WEIN 345-346, 350-354, Vgl. WEIN 1.2.1., 75 4.6. Verschiedenes (312-313) 5. Es ist schwer, das rechte Mass zu finden (314—315) 6. Verschiedenes (3 6-317;

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1. Vorhandensein und Fehlen von Mass 1.1. berall und in allem gibt es Mass ϊ La t. Esf modus in rebus, sunt certi denique fines Es ist ein Mass in den Dingen, es gibt schliesslich feste Schranken H R., SAT. 1,1,106. 2 Fr, On dist pieca quil est de tout mesure Man sagt seit langem, dass es in allem ein 3 Mass gibt VID ME DE CHARTRES (* M TZNER 3,28), En toute chose a mesure In allem 4 gibt es ein Mass ROB. DE BLOIS, CHANS. 2,9. De totes choses est mesure S'est saiges qui s'an amesure In allem ist ein Mass; der ist weise, welcher dementsprechend massh lt s ROB. DE BLOIS, CHAST. DES DAMES 461. De tout et partout est mesure In allem und 6 berall ist ein Mass LEROUX 11,287 {l3.Jh.}. De tout et par tout est mesure PROV. 7. g RUR. 98 (=MORAW. 567). En toutes choses a mesure bers, wie 3 ET. LEGRIS 246. LEROUX II,294 (l5. Jh.). 9 Span. Todas las cosas yazen so la mesura Alles ist dem Mass unterstellt MANUEL, CONDE LUCANOR 254,13. JO Engl. In every thing l wot ther li'th mesure In jeder Sache, das weiss ich, liegt Mass CHAUCER, TROILUS 2,715.J 11 Nl. Ick weet wel dat in alle dingen een seker mate is Ich weiss wohl, dass in allen Dingen ein sicheres Mass ist REYNAERT 24 Kap. 9. 12 Dt. Got hat allen dingen gegeben Die maze, wie si sulen leben Gott hat allen Dingen das Mass gegeben, nach dem sie leben sollen FREIDANK 3, l (= LIEDERSAAL 96, 56). -+ VIEL 108. Vgl. unten 2.3., 304, 310, MASS (Masseinheit) 1.

1.2. In allem gibt es Mass ausser beim Schlagen der Frau 13. 14 Fr. De tout est mesure, for s de s ferne batre In allem gibt es ein Mass ausser beim Schlagen der eigenen Frau VILAIN 207. M RAW, 565.

1.3.-1.4. s. Inhalts bersicht 1.5. Verschiedenes 25 M l a t . Mensura Domini sine mensura Das Mass Gottes ist ohne Mass PETR. BLES., IOB 58. 16 Nord. Hof er άά ollu nema hvilu kossum einum Mass ist in allem ausser in Betrk ssen K LUND 80 ( = JONSSON, ARKIV 180. JONSSON 74).

2. Mass als Wert und Vorteil 2.1. Man erkenne und bewahre das Mass, halte die Mitte und gehe den Mittelweg2 17 Gr. Χρή δε κατ' αυτόν αί-Ei παντός όραν μέτρον Man muss seinem Wesen entspre18 chend immer das Mass bewahren FIND., PYTH. 2,34. Γνώθι καιρόν Erkenne das rechte Mass! CLEM. ALEX., STROM. 1,14,61,3. 19 La t. ... Sed verae numerosque modosque ediscere vitae Sondern den Rhythmus und 20 das Mass des wahren Lebens zu lernen H R., EP. 2,2,144. Hi mores, haec duri inmota Catonis Secta fuit, seruare modum finemque tenere Dies war das Wesen des strengen Cato, dies waren seine festen Grunds tze, das Mass zu halten und die Grenze 21 zu wahren LUCAN. 2,380, Noscenda est mensura sui spectandaque rebus In summis minimisque Man soll das Mass f r sich erkennen und es bei den gr ssten und kleinsten 22 Dingen beachten luv., SAT. 11,35. Teneamus salubrem mediocritatem Wir wollen das heilsame Mittelmass einhalten PAULIN. NOL., EP. 12,4 S. 76,26.

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23 Mia t, Modum seruare memento Denke daran, das Mass zu bewahren! NIVARD., 24 YSENGR. l, 807. Cum plurima possis, Posse modum servare velis Auch wenn du sehr viel kannst, sei willens, bei deinem Können das Mass zu bewahren! HUNT. Mus. 31,5. 25 Sicut aristotilis preceptum morde Habitum in ethyeis, quod est quasi tale: In nullo superfluus neque diminutus, Sed per uitam (lies: uiam)3 mediam gradiaris tutus So wie die in der Ethik enthaltene Moraüehre des Aristoteles (ist), welche gewissermassen so lautet: „Überschreite und unterschreite in keiner Hinsicht das Mass, sondern schreite 26 sicher den Mittelweg!" LUDULPHUS 71 (vgl. unten 52, 2.12.). A te quaeratur medium, nimium fugiatur Von dir werde die Mirte gesucht, das Übermass werde gemieden 27 WERNER 2 a 9. Disce tenere modum; cito frangitur immoderatum Lerne das Mass zu bewahren; rasch zerbricht das Masslose! EBD. d 110. 28 Fr. En mileu vus tenez; Trist ne seiez, ne trop leez Haltet euch in der Mitte, seid weder traurig noch allzu freudig! WILLAME DE WADINGTON(?) 4569 (vgl. unten 4.2., 29 ZWISCHEN l). Tiengne en tons estas le moien Halte in allen Lagen die Mitte! EUST. 30 DESCH. V, 240,6. Bon fait aler moyenne voye Es ist gut, den Mittelweg zu gehen J. MIELOT 39. 31 Pro v. Per qu'om den, qui tot vol salvar, Per la mejana via annar Daher muss ein Mensch, der alles bewahren will, den Mittelweg gehen SORDELLO 40,719. 32 It. La via di mezzo adunque si vorrebbe Che ciaschedun servassi Man möchte daher gerne, dass jeder den Mittelweg einhielte CANTI CARNASC. A 107. 33 K a t . £ l'apostol sent Pau Nos monesta suau Tenir via mijana, Car es via ben sana Und der heilige Apostel Paulus ermahnt uns, sachte den Mittelweg einzuhalten; denn dieser ist ein sehr heilsamer Weg FASSET 427 (vgl. unten 2.12.). 34 Nord. Klaufi, Klaufi, kunnpu hofpitt Klaufi 4 , Klaufi, halte mass! SVARFDCELA SAGA (+JONSSON 74).

35 Dt. Darvmb ist vnß nott, das wir auff der rechten mittelstrassen bleyben Deshalb ist es für uns nötig, dass wir auf dem rechten Mittelweg bleiben LUTHER, WERKE II, 322,9 3Sa. 36 (1522). Halt maß FRANCK 1,31 v. Des Kaisers Maximiiiani Reim. „ „Tene mensuram, et respice finem!" " - „das ist: Halte Maß und gedenke aufs Ende" LUTHER, WA 37 TR. 6958 (VI,292,26). ... Das er darinnen alle zeit Halt rechte mittelmessigkeit Dass 3* er darin alle Zeit das rechte Mittelmass halten soll SACHS V, 343,22 (1558). Derhalben der Spruch des allererfarnesten kaisers Maximiiiani, „Halt mass!" wol in acbtung zu haben Deshalb (ist) der Spruch des allererfahrensten Kaisers Maximilian „Halte mass!" wohl zu beachten ZIMMER. CHROM. H, 198,37. -» WORT 561. Vgl. unten 87, 3.1.

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2.2, Zwischen zuwenig und zuviel muss das rechte Mass {die Mitte) herrschen und eingehalten werden Fr. De peu a trop il doit avoir mesure Zwischen zuwenig und zuviel muss es ein rechtes Mass geben OLIVIER DE LA MARCHE, TRIUMPHE 86 S. 47. Pro v. Entre-l trop e-l pauc mesura aiatz (RAYNOUARD: jatz] Zwischen dem Zuviel und dem Zuwenig haltet mass {liegt das Mass)! G. DE MONTAGNAGOUT (+ ARCHIV 34,201 [= RAYNOUARD IV,458a]}. Doncs fora ops q'entrel pauc el trop fos Una vertutq, c'om apela mesura Daher wäre es nötig, dass zwischen dem Zuwenig und dem Zuviel eine Tugend wäre, die man Mass nennt SORDELLO 15,39 (=MAHN, GED. IV, 104) (vgl. unten 2.9.). It. Moderanfa o vero mesura segondo ehe dixe Andronico si e ad avere modo en tute le cosse, scbivando el tropo e'l pocho Massigkeit und wahres Mass besteht gemäss dem, was Andronicus 5 gesagt hat, darin, in allen Dingen masszuhalten, indem man das Zuviel und das Zuwenig meidet FIORE DI VIRTU A 55,5. E '/ mezzo bei tener tra

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troppo e poco Es ist gut, die Mitte zu halten zwischen dem Zuviel und dem Zuwenig 44 GRAZIOLO BAMBAGUOLI 217 {+RiM, BOL. DEL TRECENTO 23), Moderantia e mesura secundo dice Antronico si e ad avere modo in tucte le cose, schifando sempre lo troppo et lo pocho Massigkeit und wahres Mass besteht gemäss dem, was Andronicus 5 sagt, darin, in allen Dingen masszuhalten, indem man immer das Zuviel und das Zuwenig meidet FIORE DI VIRTU B 451,1. 45 Dt. Swer tibten wil, der tibte also Daz weder ze nider noch ze ho Smes sinnes flüge daz mittel halten Wer dichten will, der dichte so, dass die Flüge seiner Gedanken weder 46 zu tief noch zu hoch (gehen, sondern) die Mitte halten HUGO v. TRIMBERG 1207. N« wil ich an ain andre mas chomen, Wa$ massig sei oder rechte ma$, Als Adronico sprichst das, Das ist, das man hab in allen sachen mitterung, Also lert er in seiner summ, Zwischen ze wenig und ze vil, Wann übermas wüestet alle spil Nun will ich zu einem ändern Mass gelangen, (zu dem,) was massvoll oder das rechte Mass ist, wie das Andronicus 5 sagt, d.h. dass man in allen Dingen das Mittelmass halte, so lehrt er (seil. Thomas v. Aquin) in seiner „Summe" 6 , zwischen zuwenig und zuviel; denn Übermass zerstört jedes Spiel VINTLER 6435 (vgl. unten 3.12.). Vgl. unten 139

2.3. Mass muss (bei allem) herrschen und angewendet werden 7 47 La t. Adhibendum modum mensuramque rebus Man wende bei den Dingen das rechte Mass und die rechte Richtlinie an COLUMELLA 1,3, 8. 48 M l a t . Omnibus adde modum, modus est pulcherrima virtus; Quicquid agas, prudenter agas et respice finem Lege an alles Mass an! Mass ist die schönste Tugend. Alles, was du tust, tue weise und erwäge das Ende! FACETUS 175 (= ENDE 219} (vgi. unten 49 2.9.). Omnibus est rebus semper modus adiciendus An alles ist stets Mass anzulegen 50 PROV. WRATISLAV. 423. Omnibus adde modum! modus est pulcherrima virtus Lege an 51 alles Mass an! Mass ist die schönste Tugend WERNER 2 o 63 (vgl. unten 2.9.). Omnis in omni re debet moderamen b^ere Jeder soll bei allem rechtes Mass einhalten EBD. o 75. 52 Quas agimus, cunctis modus est in rebus agendus: Omne quod est nimium, taedia saepe movet In allem, was wir tun, ist das Mass einzuhalten. Alles, was zuviel ist, erregt 53 oft Verdruss EBD. q 51 (= VIEL 104). Et a ce propos dit Seneque; Quid melius auro? Jaspis. Quid jaspide? sensus. Quid sensu? racio. Quid racione? modus. Omnibus adde modum, modus est pulcherrima virtus Und diesbezüglich sagt Seneca: „Was ist besser als Gold? Ein Jaspis. Was als ein Jaspis? Verstand. Was als Verstand? Vernunft, Was als Vernunft? Mass. Lege allem Mass bei! Mass ist die schönste Tugend" ANT. DE LA SÄLE, J. DE SAINTRE 26 (= GOLD 43) (vgl. unten 2.5., 2.9.). 54 It. Donque misura ci convene avere In tutte cose ch'ave l'omo a fare, Che tuttor noce fare oltra misura Daher müssen wir da bei allem, was man zu tun hat, Mass einhalten; 55 denn stets schadet es, über das Mass hinauszugehen GUITTONE, SON. 130, 9. ... Orazio lä ov' eilt disse: „In tutte le cose abbi misura" Horaz, wo er gesagt hat: „Halte in 56 aliem mass!" TRATTATO DI VIRTU 28 S. 71. Mesura e moho de esse in tut le coss ke 57 sia Mass und Beschränkung muss in allem sein, was es gibt BONVESIN 62,179, In ogni tuo fatto abbi modo, e d'ogni tuo fatto arai lodo Bei all deinem Tun halte mass, und du wirst bei all deinem Tun Lob erhalten! PAOLO DA CERTALDO 232 S. 140 (vgl. unten 2.8.}. 58 N o r d , Öllum blutum skyldi stilling fylgja Bei allen Dingen sollte Mässigung sein SVERRIS SAGA 104 (* FMS VIII, 253 [= GERING 114]). 59 Engl. Be mesurable yn alle jryng Sei massvoll in allen Dingen! MANNYNG, HANDLYNG 60 SYNNE 6526. For in alkin thing o dede Aght man mesure wit him lede Denn in jeder Sache oder Tat sollte man masshalten CURSOR MUNDI 29404.

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MASS (Massigkeit)

61 Dt. Man sol die mäze wol ersehen An allen dingen, daz ist guot; An maze i$t niht wol behuot Man soll das Mass bei allen Dingen wahrnehmen, das ist gut; ohne Mass 62 ist nichts gut bewahrt THOM. v. ZIRCLARIA 722. Der ist vervluochet und verwäzen Der stn dine nth t kan gemäzen. Diu maze sol sin an allen dingen, Von der maze mac niht misselingen. Der ist gar ein unsaelec man Der sin gevert niht mezzen kan Der ist verflucht und verdammt, weicher im Seinen nicht masshalten kann. Mass soll in allen Dingen sein; durch Mass kann nichts misslingen. Der ist durchwegs ein unseliger Mann, 63 der sein Benehmen nicht massigen kann EBD. 9929 (vgl. unten 2.13.). Nu seht, swie guot ein dinc si, Da sol doch maze wesen bt Nun seht, wie gut auch eine Sache sei, es 64 muss doch Mass dabei sein EBD. 10383. Sus wilt maisse aller dinge walden So wollet 65 alle Dinge mit Mass betreiben! HAGEN, KÖLNER CHRON. 3744. Zu allen dingen ge66 hört massen (Mass) HÄTZLERIN 1,19,30. Zo allen dyngen hoert gevoch Zu allem 67 gehört Mass KARLMEINET 207,30. Du masse ist gebare Zuo allen guoten dingen Mass 68 ist schicklich für alle guten Dinge KONR. v. ÄMMENHAÜSEN 1544S. Wann mass füegt 69 zu allen dingen Denn Mass geziemt sich bei allern VINTLER 10094. Z« allem dinge 70 gehöret masz Zu allem gehört Mass MUSKATBLUT 67,28. To allen dynghen sy mate voghet; Wente mate is de hogheste doghet; Wat du deyst, dat usysliken do, Se an den ende unde marke ene ;o In allen Dingen soll man masshalten; denn Mass ist die höchste Tugend. Was du tust, das tue weise! Sieh das Ende an und beachte es ja! FACETUS 71 DEUTSCH 133 S. 265 (- ENDE 311) (vgl. unten 2,9.}, Wan zu allem ding gehört maß 72 Denn zu allem gehört Mass MINNEREDEN I 1,384. Zu iglichen sachen gehört maz 73 SECRETA DEUTSCH D 172. Wie Maximilian Offt sprach, der tewer man: Halt maß in allen dingen! Wie Maximilian, der teure Mann, oft gesagt hat; „Halte mass in allen 74 Dingen!" SACHS III, 262,38 (1538). Man sol m all ding ein maß haben FRANCK 1,49 v, 75, 76 O mensch, halt maß inn allen dingen SACHS V, 343,19 (1558). Mann soll in allen dingen ein maß haben EGENOLFF 305 r. Vgl. oben 1.1.

2.4. Mass ist {bei allem) gut und nützlich 77 Mlat. Sicut in omne quod est mensuram ponere prodest, Sic sine mensura demerit omne quod est Wie es bei allem, was es gibt, nützt, ein Mass aufzustellen, so geht alles, 78 was ist, ohne Mass zugrunde GUIARDINUS 69 (vgl. unten 3.12.). Sicut ad omne quod est, mensuram ponere prodest, Sie sine mensura non prosunt omnia iura ... so nützen alle Rechte ohne Mass nicht WERNER 2 s 153. 79 Fr. Quant que en fait par mesure, Si (est} prophete (lies: Profite}* et dure; [Et] Quant que (lies: qu'en) fait sanz raison, Vet a perdicion. — Sicut in omne quod est, mensuram ponere prodest, Sie sine mensura deperit omne quod est Alles, was man mit Mass macht, ist nützlich und von Dauer, und alles, was man ohne Vernunft tut, fallt dem so Verderben anheim. — Übers, wie 77 HILKA 157 (vgl. unten 2.14.). Quanque len fet par mesure si profite et dure, Quanque len fet sans razon fait a perdicion MORAW, 1730 {vgl. unten 2.14.). 51 Kat. En tot loc es bona mesura, Car sen[e]s ella res no dura Überall ist Mass gut; denn ohne dieses ist nichts von Dauer FASSET 95 {vgl. unten 3.15.). 52 Span. Mas en todas las cosas es huena la mesura Aber bei allem ist das Mass gut 83 Boc. DE ORO 135, Que formosa es la mesura en las cosas e que fea es la desmesura Wie schön ist bei den Dingen das Mass, und wie hässtich ist die Masslosigkeit PROVERBIOS {KNUST) 15 (vgl. unten 3,6.). 84 E n g l . Mesure ys good in euery thyng Mass ist bei jeder Sache gut LYDGATE, PILGR. LIFE 1598.9

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85 Nl. Mate es goet tot alien dinghen. — Fertur in omne quod est mensuram ponere prodest Mass ist bei allem gut. — Es ist n tzlich, wie man sagt, bei allem, was es gibt, ein Mass festzusetzen PRO v. COMM. 469. 86 Dt. Maze ist z'allen dingen guot bers, wie 85 OTTO v. BOTENLAUBEN 13,1 (+MSH 87 1,32 a). Die maus hab in rehter h t, Wan sie ist ze allen dingen gut Das (rechte) Mass behandle mit der geziemenden Sorgfalt; denn es ist zu allem gut! SAELDEN HORT 1509 88 (vgl. oben 2.1.}. Maze ist gut, der si kan Mass ist gut, wenn einer es (einhalten) kann 89 V TERBUCH 1706. Masse an allen dingen frumet Mass n tzt bei allem HEI NR. v. 90 BURGUS 3188. Masz ist zu allen dingen gut bers, wie #5 H TZLERIN 2,69,97. 91 Wenne m ze ist ze allen dingen guot Denn Mass ist bei allem gut HUGO v. TRIM BERG 92-95 4739. M ze ist ze allen dingen guot bers, wie 85 EBD. 5457. 9549. 20689. Wan 96 mass ist ze allen dingen guot bers, wie 91 KONR. v. AMMENHAUSEN 7891. Du m sse 97 ist ze allen dingen guot Das Masshaken ist bei allem gut EBD. 17200. M z' ist ze allen 98 dingen guot bers, wie 85 MINNEDURST 260 (+HAGEN, GA 57). Mas ist guot zuo 99 allen dingen WITTENWILER, RING 3067. Eyn mosse ist zcu allen dingen gut [Ein] Mass 100 ist bei allem gut PROV. FRID. 158, Mathe is to allen dynghen ghud bers, wie SS 101. 102 PROV. COMM. MND. 462. Mathe is to allen dyngen gud REINKE Vos 630. Dm m ze 103 ist zallen dingen guot bers, wie 96 COLM. Ill, I. Want mase ist zcu allen dingen 104 gut bers, wie 91 GERMANIA 17,183 (Hs. 15. Jh.). Mae ist zue allen dingen guet W5 bers, wie 86 KELLER, ERZ. 668,7. Want mate is to alien dyngen gud bers, wie 91 106 VEGHE 233,3. Maie is in allen dingen gut. — In rebus servasse modum quam maxima laus est bers, wie 85. — Mass in (allen) Dingen bewahrt zu haben ist weitaus das 107 h chste Lob TUNNICIUS 1251. Ma were zu allen dingen gutt Mass w re bei allem 108 gut HENTZ v. D. EICHEN 43. Von der me ikeit ynn allen dingen zuhalten, sagen sie ... Ma ist zu allen dingen gut Vom Mass (, das) in altem einzuhalten (ist), sagen sie 108a. 109 ... AGRICOLA Vorr. S. 6,16. Ma e ist zu allen dingen gut EBD. Nr. 38. Ein mittel HO ma ist recht und gut SACHS III, 31,8 (1538?). Aber doch ist Ma in allen Dingen gut 111 LUTHER, WA TR. 6400 (V, 643,2). Ma ist zu allen dingen gut EGENOLFF 29 v. -» GESUND 82, 84-87. Vgl. unten 3.6.

2.5. Mass, Mitte und Mittelweg sind (bei allem) das Beste und N tzlichste 112 113 114 JJ5 116 117 us 119 120 121 122 123

Gr. Καιρός δ' επί πασιν άριστος Rechtes Mass aber ist bei allem am besten HES., ERG. 694. Άπεφθέγξατο' μέτρον άριστον Er sagte geradeheraus: „Mass ist das Beste" DIOG. LAERT. 1,93 (Kleobulos). Μέτρον άριστον STOB., ANTH. 3,1,172 S. 112 (Kleobulos). Αί μεσότητες άρισται Das rechte Mittelmass ist am besten BASSOS (-»AP 10,102,3). La t. Modus omnibus rebus, soror, optimus est habitu Mass ist bei allem, Schwester, arn besten [zu halten] FLAUT., POEN. 238. ... in quo, sicut in pterisque rebus, mediocritas optima est Worin wie bei den meisten Dingen das Mittelmass am besten ist Cic., DE OFF. 1,36,130. Optimus tarnen modus est Dennoch ist Mass das Beste PLIN., EP. 1,20,20. ... Lindie quod Cleobule canis ,modus optimus esto' Was du, Kleobulos von Lindos 10 , singst: „Mass soll das Beste sein" SIDONIUS, CARM. 2,158. Lindie tu Cleobule iubesf modus optimus ut sit Du, Kleobulos von Lindos, befiehlst, dass Mass das Beste sei EBD. 15,45. Mensuram optimum ait Cleobulos Lindius in re Mass sei, sagt Kleobulos von Lindos, bei einer Sache das Beste PS. AUSON,, SENT. SAP. 2, 6. Mlat. Auro quid melius? iaspis. quid iaspide? sensus. Quid sensu? ratio; quid rationed modus Was ist besser als Gold? Ein Jaspis. Was als ein Jaspis? Verstand. Was als Verstand? Vernunft. Was als Vernunft? Mass ANTHOLOG. LAT. 1.2,799,1 (= GOLD 45}. Mensur a omnium rerum optima Mass ist von allem das Beste BEBEL, PROV, GERM, 292.

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MASS (Massigkeit)

124 It, ... ehe la migliore cosa di questo mondo si e misura Dass die beste Sache dieser Welt Mass sei NOVELLINO 2, 125 Span. La mejor de todas las cosas es el [medio] Das Beste von ailem ist der Mittelweg Boc. DE ORO 173. 126 Nord. Ok kva , til hof$ bazt at bua Und er sagte, es sei am besten, massvoll zu sein (w rtl.: nach dem Mass zu leben) SMUNDAR SAGA 82,9 ( = JONSSON, ARKIV 180. JONSSON 74). 127 Engi, Mesure i$ best of all thynge Mass ist das Beste von allem LYRICS XVTH CENT. 128 186,8. Quharfor, ty bald the mydlyng vay Is best, As l hard wysmen say Daher ist den Mittelweg zu halten das Beste, wie ich die Weisen sagen h rte RATIS RAVING 2,133.n 129 Dt. Celoube mir, Daz die maze das beste ist Allenthalben in dirre fr ist. Zu kurz zu lang f rhonet als spil Glaube mir, dass Mass berall in dieser Zeit das Beste ist! Zu 130 kurz oder zu lang verdirbt jedes Spiel ALTSWERT 57,23 (Kittel) (vgl. KURZ 3). Mate isz under allen dinghen alder nuttest Mass ist unter allem am allern tzlichsten EBSTOR133 PER LHS. 9,17. Modus rerum omnium est utilissimus. - Mate is onder allen dingen m alre nuute Mass ist am n tzlichsten von allem. - ... MURMELLIUS 12. Mittelma sey 133. 134 das best SACHS 111,262,35 (1538). Im mittet {seil, zwischen armut vnd reichtumb] lebt man am besten In der Mitte (zwischen Armut und Reichtum) lebt man am besten 135 FRANCK 1,39 r. EGENOLFF 300r. Mittel gl ck das best Das mittlere Gl ck (ist) das 136 beste FRANCK 1,57 v. Der mittel weg noch ist der best Der Mittelweg ist doch noch der beste SACHS IX, 34,2 (1544). Vgl. oben 53 137 138 139 140 14/ 142

2.6. Mass und Mittelweg sind golden La t. Auream quisquis mediocritatem Diligit... Wer auch immer den goldenen Mittelweg liebt H R., CARM. 2,10,5. Et quae vocatur aurea debet esse mediocritas Und es muss das Mtttelmass sein, welches golden genannt wird AUSON. 419,6,28. Engl. Bituhhe muchel ant lutel is in euch wordlich ping fie middel wei g ldene Zwischen viel und wenig ist in allen weltlichen Dingen der Mittelweg golden HOMILIES A 255 (vgl, oben 2.2.), Pe middehueie of mesure is euer g ldene Der Mittelweg des Masses ist immer golden ANCR. RIWLE 152,25.12 Dt. Horacius ... Spricht, die ma g lden sey Horaz sagt, das Mass sei golden SACHS 111,262,27 (1538), Die g lden mittel-ma$ Das goldene Mittelmass EBD. 111,263,4

143 (1538).

144 J45 146 147 148. 149 ISO. 15l

Die mittel stra ist guldin FRANCK 1,31 v.

2.7. Mass ist ein wertvolles Gut und ein Schatz Fr. Chiere merz a en mesure Im Mass steckt ein wertvolles Gut RAWLINSON 156 (=MORAW. 384). E n g l . The olde satve seithe: fMesure is tresur' Das alte Sprichwort sagt: „Mass ist ein Schatz" BURGH, CATO 505 (+F RSTER, ANGLIA 42 205). An olde prouerbe, mesour ts tresoure Ein altes Sprichwort: ... LYDGATE, MIN. POEMS 11,773,41. Men wryte of oold how mesour ts tresour Man schreibt seit jeher, wie Mass ein Schatz sei EBD. 11,776,1. Mesure ys tresur Mass ist ein Schatz RYLANDS fo, 13, Mesure is tresure DOUCE (MS. 52) 81. Mesure ys tresure MANKIND 226. For „measure is treasure," the prouerbe doth say Denn das Sprichwort sagt; ... BABEES BOOK 344, 477.13

2.8. Mass ist lobenswert und ehrenvoll 14 152 Gr. 'Ρητέον ούν και περί τούτων, ϊνα μάλλον κατίδωμεν ότι εν πδσιν ή μεσότης έπαινετον Das muss ja auch diesbez glich gesagt werden, damit wir eher einsehen, dass das Mittelmass in allem etwas Lobenswertes ist ARISTOT., NE 2,7,11 (vgl. oben 25).

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153 Mia t. Modus ubique laudandus est Mass ist überall zu loben CASSIOD., VÄR. 1,19,1. 154 Haec res laudatur, in qua modus esse probatur. Saccus saepe datur non plenus et ille ligatur Das wird gelobt, in dem erwiesenermassen Mass ist. Oft wird ein noch nicht voller Sack gegeben, und der wird dann zugebunden WERNER Z h 4, 155 Dt. Sun, merke, daz diu mäze gtt Vil eren unde werdekeit; Die soltü minnen zalter ztt, So wir t dm hp werden breit Sohn, merke, dass das Mass viel Ehre und Würde gibt! 156 Dieses sollst du stets lieben; dann wird dein Ruhm gross WINSBEKE 31,1. Ein iegltcb man hat eren vil, Der rehte in stner maze lebet, Und übermizzet niht sin zil Ein jeder hat viel Ehre, der richtig in seinem Mass lebt und nicht über sein Ziel hinausgeht EBD. 157 41,5, Swer rehte mäs erkande, Sivas im gemasse wäre, Das wäre im lobebare Wenn einer das rechte Mass erkennen würde, was ihm angemessen wäre, wäre das für ihn 15« löblich KONR. v. AMMENHAUSEN 7962. Diu maze eret elliu dinc Das Mass gereicht 159 allem zur Ehre JOH. v. RINGGENBERG 85 (·» SCHWEIZER MS 29). Ellem (lies: Elliu, Red.} dinkch mansleicb (lies: mazzleicb, Red.), Diu sind vnscbamleich. - Res mensurate mihi sunt sine crimine grate Alle massvollen Dinge, die sind ehrenvoll. - Massvol160 les ist mir ohne Kritik angenehm FREIDANK LAT. (GRAz) 163. Horacius zu-lessig Spricht, alle ding mit mas Gar löblich sey, unnd das Darob unnd drundter schlecht, Künn nicht bestehn mit recht Horaz sagt schicklich, alles mit Mass sei gar löblich, und was darüber und darunter schlage, könne mit Recht nicht bestehen SACHS 111,262,27 (1538) (vgl. unten 3.15.}. Vgl. unten 57 163 162.163 164 265 166 167 168

169

i/o 171 172 173

2.9. Mass und Mitte sind tugendvoü Mlat. Virtutum custos est modus atque dator Mass ist der Wächter und Spender der Tugenden NIVARD., YSENGR. l, 686. Fr. Vertu gist au milieu Die Tugend liegt in der Mitte LEROUX 11,434 (15, Jh.). Car en toutes choses, le moten est vertueux Denn in allen Dingen ist die Mitte tugendvoll ANNE DE FRANCE 24 S. 92. It. E perciö il troppo e poco e di malizia, a la (sic) mezzo e di vertute Und daher zeugt das Zuviel und das Zuwenig von Bosheit und die Mitte von Tugend FIORE DI FILOSOFI 12. Vedian nel meco star ogni vertute Wir sehen, dass al!e Tugenden in der Mitte liegen FRANCESCO DA BARB., Doc. 1,66. Come il Filosafo aide: „In tutte cose nel mezzo ella virtü" Wie der Philosoph sagt: „In allen Dingen liegt die Tugend in der Mitte" FRANCESCO DA BARB., REGG. 2,5,10. // mezzo e virtü in tutte le cose In allen Dingen liegt die Tugend in der Mitte ARETIN, LETTERE 380 (11.1,63). Engl. Omnia nimta nocent, et temperancia mater uirtutum dicitur. — Pet is on englisc, alle of er done ping denaö (lies: deriaö), and imetnesse is aire mihte moder Jedes Zuviel schadet, und Mässigung wird die Mutter der Tugenden genannt. — Das heisst auf englisch: „Alles, was übertrieben wird, schadet, und Mässigung ist aller Tugenden Mutter" HOMILIES A 101 (vgl. unten 3.6.). ... wytnessynge the philosophers pat seyth thus; Virtus rerum in media consistit that is to seye: the vertue of thinges is in the myddes Wie der Philosoph beweist, der so spricht: „Die Tugend der Dinge liegt in der Mitte." D.h. ... MANDEV., TRAV, 1,2l. 15 Dt. Wenne mäze mit bescheidenheit Aller tugende kröne treu Denn Mass (zusammen) mit Verstand trägt die Krone aller Tugenden HUGO v. TRIM BERG 3825. Masse ist ein edlü tugent Beidu in alter und in jugent; Si tuot ze lüzel noch ze vil Mass ist eine edle Tugend sowohl im Alter als auch in der Jugend; es tut weder zuwenig noch zuviel KONR. v. AMMENHAUSEN 15453. Diu mäze ist ganzer tugende ursprinc Das Mass ist der Ursprung vollkommener Tugend JOH, v. RINGGENBERG 87 {* SCHWEIZER MS 29). Antonius; Die grost tugent ist: mass kunnen haben in allen dingen Antonius 16 : „Die

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MASS (Massigkeit)

174 grösste Tugend ist es, in allem masshalten zu können" SEUSE 106,28. Wente alle güd unde dogenheid Sint gelägd in middelheid Denn alles Güte und (jede) Tugend liegen J7.T im Mittelmass LAIENDÖCTR. 127. Der selbe meistir {seil. Aristotiles) also spricht: Di togunt in eime mittil sted Derselbe Meister (Aristoteles) spricht so: „Die Tugend steht in der Mitte" RÖTHE, RITTERSPIEGEL 1814. Vgl. oben 4 , 48, 50, 53, 70, unten 3.3.

2.10. Mass und Mitte sind Zeichen und Ursprung von Weisheit und Glück(seligkeit) 17 176-178 M l a t . Medium tenuere beati Die Glückseligen haben (immer) die Mirte gehalten ALANUS 53 (de arte praedicatoria 1). ALBERT, STAD,, TROILUS 3,251. RIOTE 399 (+ 179 S,279 [ = MONTAIGL. II, 256]}. Res sunt dampnose, que fiunt impetuose; Omnia paulatim sapiens facit et moderatim Schädlich ist, was hastig geschieht; der Weise macht JSö alles allmählich und mit Mass FLOR. GÖTTING, 50 (=EILE 54). Medium tene beati Halte dich an die Mitte des Glückseligen} CHANS. CONTRE HUGUES AUBRIOT 13. 181 lussa per aeterna medium tenuere beati Nach den ewigen Geboten haben die Glückseligen die Mitte gehalten WERNER 2 i 163, 182 Fr. N'est nus si grans savoirs com' est amesurance Es gibt keine so grosse Weisheit, 1S3 wie es das Masshalten ist GAUT. DE COINCY, CHRISTINE 1425. Que saiges hons a pou de eure De toutes choses sanz mesure Denn der Weise kümmert sich wenig um alle 184 Dinge ohne Mass ROB. DE BLOIS, BEAUDOUS 7. Ei // sages dist qui ne ment Qu'ades U bonneüres tiennent Le moien partout ou il viennent Und der Weise, der nicht lügt, sagt, dass die Glücklichen überall, wo sie hinkommen, stets die Mitte einhalten G. DE 185 MACHAUT, ROY DE NAVARRE 2922. Benoist de Dieu est qui tient le moien Von Gott gesegnet ist, wer die Mitte hält EUST. DESCH. 1,185, 8. 186 S p a n . Para prospera vida, arte, Orden, y medida Für ein glückliches Leben Kunst, Ordnung und Mass NUNEZ HI, 127. 187 Dt. Swer schone in stner maze kan Geleben, derst ein wise (Var.: saelic) man Wer auf richtige Weise in seinem Mass leben kann, der ist ein weiser (seliger) Mann FREIDANK 188 114,9. Der mitteimäze phlagen ie die when, Oben über gehört ich nie die wisen pnsen: Des st gelobt diu mitteimäze Vür tumbes mannes ufunt abe Die Weisen übten stets das Mittelmass; über das Mass hinaus, (das) horte ich die Weisen nie loben; deswegen sei das Mittelmass gelobt, mehr als des dummen Mannes Auf und Ab REINMAR v, 189 ZWETER 96,7. Ze sür, ze süeze sint beidiu enwiht, Daz mittel hat mit seiden pfliht Zu sauer, zu süss sind beide nichts; das Mittelmass ist mit Glück verbunden HUGO v. 190 TRIMBERG 17481. Want der ist wol eyn sehe man Der glich di mitelmaze kan Denn der ist wohl ein seliger Mann, der gleichermassen das Mittelmass kennt HIOB 233. 191 Verbis et factis quisquis seiet esse modestus, Est sapiens, qui seit [woderare] suos bene gestus. ~- Wer schone zcu massin kan Gelebin, der ist ein seliger man Jeder, der mit Worten und Taten wird bescheiden sein können, ist weise, wenn er sein Benehmen im rechten Mass zu halten versteht. — Wer auf schöne Weise nach rechtem Mass leben 192 kann, der ist ein seliger Mann FREIDANK LAT. (GÖRLITZ) 1917. Die recht maz ist daz zil. Wer recht maz halten kan, Es si das wip oder der man, Die sint selig von got geborn, Zwo friunden han wir sie erkorn Das rechte Mass ist das Ziel. Wer rechtes Mass halten kann, es sei Frau oder Mann, die sind seiige Gotteskinder, zu unseren Freunden haben wir sie auserwählt ALTSWERT 57,27 (Kittel) (vgl. KURZ i). — WORT 518-519. Vgl. unten 3.4.

2.11. Mass ist angenehm, erfreulich und wohltuend 193 M l a t . Sunt mihi plus gratae res, quae fiunt moderatae Mir ist das, was mit Mass geschieht, angenehmer WERNER 2 s 216.

MASS (Massigkeit)

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194 lt. Ch'il mezo segue ä gio' piü sapor osa Wer dem Mittelweg folgt, hat angenehmere Freude CHIARO DAVANZATI (-»ANTICHE RIME 200,28). 19s Eng l, Mesure is a mery mele Mass ist ein fröhliches Mahl PROV. WISD. (BöD.} 33. 196 Mesure i$ a mery mene Mass ist eine fröhliche Mitte LANGLAND{?), RICHARD THE 397 REDELES 2,139. Pen mesuere hit i$ a mery mene Denn Mass, das ist eine fröhliche 198 Mitte AUDELAY 31,26. Mesure is a mery meene Übers, wie 196 RUSSELL, BOKE OF NURTURE 107,18 199 Dt. Swer sich der unvuore wert, Der tuot sele und libe wol Wer sich gegen die Ausschweifungen wehrt, der tut der Seele und dem Leib Gutes KON R. v. AMMENHAUSEN 200 7534. Davon war du mässe guot, Wan si libe und sele sanfte tuot Daher wäre Mässigung gut; denn sie tut Leib und Seele gut EBD. 15849. Vgl. unten 3.8.

2.12. Mass, Mitte und Mittelweg sind sicher und bewahren vor Fall 201 L at. Attius egressus caelestia tecta cremabis, Inferius terras: media tutissimus ibis Wenn du zu hoch gestiegen bist, wirst du den Himmel in Brand stecken, wenn zu tief, 202 die Erde; In der Mitte wirst du am sichersten gehen OVID., MET. 2,136. Tutissima fere per medium via Am sichersten ist so ziemlich der Weg durch die Mitte QUINT., iNSTiT, 12,10,80. 203 Mlat. In medio limes tutissimus est gradient} In der Mitte ist für den Gehenden der 204 sicherste Weg AMARCIUS 4,237. Inter utrumque tene, medio tutissimus ibis Halte dich zwischen beidem, in der Mitte wirst du am sichersten gehen! GUALT. CAST., CARM. 205 II 6,20. Altius eniti stultum satis esse uidetur, Cum medio possis tucior esse loco Es scheint sehr töricht zu sein, sich allzu hoch emporzuarbeiten, da du doch in der Mitte am sichersten sein kannst CARO ET SPIRITUS 2,99 (12. Jh. [*STUDI MEDIEVALI 12,198]). 206 Medio gaudet (seil, virtus) babere viam-t Et quasi sit medio tutissima, provida semper Inter utrumque suum currere cogit equum Sie (die Tugend) freut sich, in der Mitte ihren Weg zu haben, und wie wenn sie in der Mitte am sichersten wäre, zwingt sie 207 vorsichtig ihr Pferd, zwischen beidem zu laufen GUIARDINUS 174, Eligere Media tutius Quam petere Rote sublimius Es ist sicherer, die Mitte zu wählen, als allzu hoch 208 auf das Rad hinaufzustreben CARM. BUR. 14,3,7. Eligerern Media tutius Nee peterem Celsa sublimius Ich würde in grösserer Sicherheit die Mitte wählen und nicht zu hoch 209 in die Höhe streben ANALECTA 21,152,3, Mater virtutum ratio: nocet esse locutum, Esse nocet mutum; reddunt mediocria tutum Vernunft ist die Mutter der Tugenden: Es schadet, gesprochen zu haben, es schadet, stumm zu sein; der Mittelweg verschafft 210 Sicherheit WERNER 2 m 13 (-WORT 559). Vt vivas tutus, medium sis, nate, secutus! Um sicher zu leben, sei auf der Suche der Mitte, Sohn! EBD. v 128. 211 Fr. Li plus seurs estas asses, c'est li moyens; Des rikes et des povres est ainsi qu'um loyens Der weitaus sicherste Stand, das ist der mittlere, zwischen den Reichen und den Armen ist er wie ein Band GiLLES LI MuiSiS 11,2. 212 Pro v. Si mezura vols en tot cas. de leu no vendras albas Wenn du bei allem Mass 213 willst, wirst du nie leicht in die Tiefe geraten LEYS 1,136. Mezura vuelhas en tot cas. E de leu no vendras al has Strebe in allem Mass an, und du wirst nicht leicht in die Tiefe geraten! EBD, 111,278. 214 S p a n . Id por medio, no caereis Geht den Mittelweg, und ihr werdet nicht fallen! NUNEZ II, 210. 215 Dt. Der sol die mittern sträze varn, Der sich nach rehte wil bewarn Der soll den Mittelweg gehen, weicher sich geziemend bewahren will THOM. v. ZIRCLARIA 10019, 216 Oben über unt unden durch gevarn Daz ist ze hoch unt ouch ze nidere: swer daz wil bewarn, Der var enmitten hin: daz ist vür vallen unt vür strüchen guot Oben drüber-

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217 218 219. 220 221

MASS (Massigkeit)

und unten hindurchgefahren, das ist zu hoch und auch zu niedrig; wer sich davor hüten will, der fahre mitten hindurch, das ist gut gegen Fallen und Straucheln REINMAR v. ZWETER 96,1. We gerne en midden geit vp sleichte, Hie geit vaste ind dar zo reichte Wer gerne auf geradem Weg in der Mitte geht, der geht fest und dazu recht HAGEN, KÖLNER CHRON. 3758. Als mitten hindurch so fellesdu nit Immer mitten hindurch, so fällst du nicht GEILER, NAV. FAT. XV O. Die mittel straß die sicherest FRANCK 1,5 r. EGENOLFF 280 r. Der mittelst weg der sicherest FRANCK 1,26 v. — WORT 559. Vgl. oben 25, 33, unten 3.11.

2.13. Mass lässt alles gelingen und zustandebringen 222 N o r d , Ailt kann sa, er hofit kann Alles kann derjenige, welcher das Mass kennt GISLA SAGA 15,15 ( = JONSSON, 180. JONSSON 74}. 223 Dt. Im mag wol gelingen, Swer die mässe halten kan, Es s? wtb oder man Der kann wohl Erfolg haben, welcher masshalten kann, es sei Frau oder Mann KONR. v. AMMEN224 HAUSEN 15450. Es st wtb oder man, Swer die rehten mässe kan Haben an allen dingen, Dem mag wol gelingen Und wir t im däbi selten we Es sei Frau oder Mann, wer das rechte Mass in allem halten kann, der kann wohl Erfolg haben und dem wird dabei 225 selten weh EBD. 15851. Maz ist ain maisterinn aller werk Mass ist eine Lehrerin aller Werke KONR. v. MEGÜNBERG 306,6. Vgl. oben 62

2.14. Mass ist von Dauer 226 Mlat Ut dicitur vulgariter, mensura durat Wie es allgemein heisst: „Mass ist von 227 Dauer" STEPHAN. DE BORBONE § 477. Qui statim respondit vulgariter: mensura, que durat et animam salvat et servat Dieser antwortete sogleich in der Volkssprache: „Mass, 228 das von Dauer ist und die Seele errettet und erlöst" EBD. § 492. Mensura durat LECOY 236. 229, 230 Fr. Mesure dure Mass ist von Dauer VILALN 9 {= MORAW. 1229). REN. CONTR. App. 231 (1,302a). En reprovier dit l'en que dure Ovre menge par mesure Im Sprichwort sagt man, dass ein mit Mass vollbrachtes Werk von Dauer ist ET. DE FOUGERES, LIVRE DES 232 M ANIERE $ 429. Mesure dure: mieiz vaut tirer que rumpre. — Durat mensura: modicum disrumpere «o/o, Parcius ut longum tenders pauca uolo Mass ist von Dauer. Besser ist ziehen als brechen. — Mass ist von Dauer. Ich will das wenige nicht zerreissen, ich will massvoller das wenige wie etwas Langes ziehen(?) ZACHER 52 (— BRECHEN 2). 233 Si m'estuet ovrer par mesure, Car la soe uevre toz forz dure So muss ich mit Mass 234 wirken; denn sein Werk ist immer von Dauer THIB., POIRE 2531. Car toz jors dit on: 23 .s „Mesure dure" Denn immer sagt man: „Mass ist von Dauer" PHIL. DE Nov. 138, P or ce dit on: mesure dure Daher sagt man: ... ROB. DE BLOIS, BEAUDOUS 28 S. V (Inter236. 237 pol.). Pour ehe dist on: „Me$ure dure" J. DE JOURNI 2448. Mesure dure, sans mesure ne pueent riens durer Mass ist von Dauer; ohne Mass kann nichts bestehen bleiben AFR. LEBENSREGELN 7 {vgl. unten 3.15.). 237a. 238 It. Mesura dura Mass ist von Dauer GEREMIA DA MONTAGNONE 121. Misura dura PAOLO DA CERTALDO 3 S. 62. Vgl. oben 79-80, unten 3.15.

2.15. Verschiedenes 239 M l a t . Mediocritate pura gaudet natura Die reine Natur hat Freude am Mittelmass 240 WIPO, PROV. 59. Vis dicam quid sit vita pudica? Modus Du willst, dass ich sage, worin das sittsame Leben bestehe? Im Mass PETR. RIGA, FLOR. ASP. 1427 D. 241 Fr. Mielz valt mesure que ne fait estultte Besser ist Mass als Verwegenheit CHANS, DE 242 ROLAND 1725. Quer mesure vetnt tote rien Denn Mass besiegt alles ROB, DE Ho 84.

MASS (Massigkeit)

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243 It. Chi a mesura per amiga la lo traze d'ogni briga Wer mit dem Mass freundschaftlich verbunden ist, den zieht dieses aus jeder Unannehmlichkeit GEREMIA DA MONTAGNQNE 123. 244 Engl. Mesure is medcyne Mass ist ein Heilmittel LANGLAND{?), PLOWMAN B i, 35. 245 Dt. Oben über gevarn und unden durch Hat belle flügel und belle furch: Swer daz mittel wol kan halten, Der mac wol des himels walten Oben drüber- und unten hindurchgefahren hat Höllenflügel und Hölienrurchen. Wer das Mittelmass gut innehält, 246 der kann wohl den Himmel haben HUGO v, TRIMBERG 23219, Swer m rehter masse vüere Darnach, ich vil wot swüere, Das der rehte täte Wenn einer mit rechtem Mass danach streben würde, würde ich sehr wohl schwören, dass er recht handelte KONR. v. 247 AMMENHAUSEN 7679. Messigkeyt beschützt frawen ehr Masshalten beschützt die Ehre der Frauen SACHS 1,208,6 (1530).

3. Masslosigkeit als Fehler und Nachteil 3.1. Man übertreibe nichts 248 Dt. Stateram ne transgrediaris19, - Hau nicht über die schnür. Ubermachs nit. Trit nicht über das zyl Überschreite das Mass (wörtl.: die Waage) nicht! — Hau nicht über die Schnur! Übertreibe es nicht! Tritt nicht über das Ziel hinaus! HAUER 129 249 ( = STRICK 67, ZIEL 6). Stateram ne transgrediaris. - Vbermachs nit, haw nit über die schnür, laß bey eim beylichen bleiben. Trit nit über das zil ... — Übertreibe es nicht! Hau nicht über die Schnur! Lass es beim Ungefähren bleiben! Tritt nicht über das Ziel hinaus! FRANCK 1,74 v (= STRICK 73, ZIEL 7). Vgl. oben 2.1., VIEL 4.4.1.

3.2. Masslosigkeit enthält und bringt nichts Gutes 250 Fr. ]'ai o'i dire, et si est droit, Que de sorfait ne vint (lies mit Hs. N 2 A: vient] nus biens Ich habe sagen hören, und das ist richtig, dass von Übermass nichts Gutes kommt 251 ATRE PER. 2390. De faire exces ne puet nul bien venir Aus Übertreibung kann nichts Gutes kommen ALAIN CHARTIER, BREV. DES NOBLES 370. 252 Engl. That that is overdoon it wol nat preeve Aright; as clerkes seyn, it is a vice Das, was übertrieben ist, wird nicht gut kommen; wie die Gelehrten sagen, ist es ein Laster CHAUCER, YEOMAN'S T. Prol. G645 (vgl. unten 3.3.). 253 D t, Swie guot ein dinc si, Ist diu unmäze derbt, Et enmac niht wesen guot, Slt manz mit unmäze tuot Wie gut etwas auch sei, wenn Masslosigkeit dabei ist, kann es nicht 254 (mehr) gut sein, sobald man es mit Unmass betreibt THOM. v. ZIRCLARIA 10183. Swaz mit unmäze wir t getan, Daz mac nimmer guot $tn, Daz ist uns dicke worden schin Was mit Masslosigkeit getan wird, das kann nie gut sein, das hat sich uns oft gezeigt EBD. 255 10422, Ez enwirt ouch niemer guot, Swaz man äne maze tuot Das wird auch nie gut, 256 was man ohne Mass tut FREIDANK 114,5. Quicauid agant homines, sint tristia sintque jocosa, Ni modus assit eis, fiunt crebro vicio&a. — Esz wirt nimmer gut, Wasz man ane mase tut Was auch die Menschen tun, sei es ernst oder lustig, das wird oft fehlerhaft, wenn kein Mass dabei ist. — Das wird nie gut, was man ohne Mass tut FREIDANK 257 LAT. {GöRLiTz} 576. Unmass ist ze nichte guet Masslosigkeit ist zu nichts gut VINTLER 5865. Vgl. unten 4.4., VIEL 4.1.1., 4.3.1.

3.3. Masslosigkeit ist ein Laster und eine Sünde 258 Dt. Es sterbent me menschen von volle denn werdent erschlagen, Wan ,unmässikeit Git allen Untugenden gelait' Es sterben mehr Menschen von der Völlerei, als erschlagen

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werden; denn „Unmässigkeit führt alle Untugenden an" CHRISTUS u. D. MINNENDE 259 SEELE 417 (vgl. unten 277, TOD 7.2.6.). Unmäze ist gotes wider strtt, Onmäze in houbetsünden lit, Onmäze treit der ere nit, Unmäze ist unbehende Masslosigkeit ist Gottes Feind, Masslosigkeit gehört zu den Hauptsünden, Masstosigkeit hasst die Ehre, Masslosigkeit ist unvernünftig COLM. 111,23 (vgl. unten 3.4.}. Vgl. oben 2.9., 252, VIEL 4.3.7.

3.4. Masslosigkeit ist ein Zeichen von Torheit und Unverstand 20 260 Ml at. In rebus mens stuita modum deprendere nescit Ein törichter Sinn kann in 261,262 den Dingen kein Mass erkennen SAXO GRAMM. 132,34. Indiscreius homo merito reprehenditur omnis, In factis propriis nescit habere modum Jeder unbesonnene Mensch wird mit Recht getadelt: Er kann in seinen eigenen Handlungen nicht masshalten FLOR. GOTTING. 283. WERNER Z i 84. 2ö3 Pro v, En tal loc fai sens fraitura On hom non garda mezura, So ditz la gens andana An einem solchen Ort mangelt es an Verstand, wo man kein Mass bewahrt, das sagen die alten Leute MARCABRU 30,82. Vgl. oben 2.10., 259, unten 306, VIEL 4.3.5.

3.5. Masslosigkeit führt zu weiterer Masslosigkeit 264 Dt. Ich waen, dehein unmäze st, Da enst ein ander bt Ich glaube, dass es keine Mass265 losigkeit gibt, ohne dass eine andere dabei ist FREIDANK 120,15. Ich entven niht daz kein unfuor si, Da ensi ein ander unfuor bt Ich glaube nicht, dass es irgendeine Aus266 Schweifung gibt, ohne dass eine andere dabei ist HUGO v. TRIMBERG 11253. Supra mensuram nunquam carius gere curam, Namque malos usus pejor comitatur abusus. — Ich wen, wo ein unmasze sey, Do sey ain andre unmase bey Lass dir nie etwas allzu eifrig über das Mass hinaus angelegen sein; denn den schlechten Gebrauch begleitet ein noch schlechterer Missbrauch! — Ich glaube, wo eine Masslosigkeit sei, da sei auch eine andere Masslosigkeit dabei FREIDANK LAT. (GÖRLITZ) 1187. Vgl. ARBEIT 1.1., EIN 1.1., 4.2.1., FEE 7, FREUDE 7.1.1., GLÜCK 9.6,, GUNST 5,, GUT i Adj.) 4.3.6,, GUT (Subst.) 101, KIRSCHE 5, KREUZ 7., LASTER 2., LEID 1.1., MÜDE 3., RACHE 2.4., SCHADEN 2.3., SCHANDE 17, SCHLAFEN 39, SCHLAGEN 14.2., SCHLECHT 1.2.1., SCHULD 2 , SORGE 3-4, SÜNDE 3.1., TRÜGEN 2,, TUGEND 2.6., UNGLÜCK 1.4., UNTREUE 73

3.6. Masslosigkeit ist schlecht und schädlich 267 Mlat. Pauperis ingluuies exhausta protinus archa Prodit, quam noceat deseruisse modum Die Gier des Armen verrät sogleich, wenn die Truhe geleert ist, wie sehr es schadet, das Mass überschritten zu haben NIVARD., YSENGR. 6,345. 26if Fr. Horn $ans mesure est molt tos empiries Ein Mann ohne Mass erleidet sehr bald 269 Schaden RAOUL DE CAMBRAI 2212. „Sorfatt noyst" ait It vilains „Masslosigkeit schadet", das sagt der gemeine Mann RAWLINSON 299 (= MORAW. 2274). 270 It. Niuna cosa nuoce tanto a ogni buona natura, quanto il soprafatto Nichts schadet jeder guten Natur so sehr wie das Übermass MARCO PARENTI (1499 [+MACINGHI, LETTERE 51]}. 271 Nord. Pviat ült er at kunna eigi at CEÜÜ ser hofOenn es ist schlecht, sich zu überschätzen (wörtl.; sich das richtige Mass nicht zumessen zu können) friDREKS SAGA 19. 272 Dt. Sit si (seil, diu übermäze) den man an Übe an guot und an den eren krenket, Si schät auch an der sele, hoere ich jehen die tvtsen Da sie (die Masslosigkeit} den Menschen am Leib, am Gut und an der Ehre beeinträchtigt; sie schadet auch der Seele, höre 273 ich die Weisen sagen WALTHER v. D. VOGELWEIDE 29,27. Unmäze und überere Scha-

MASS (Massigkeit)

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dent dicke sere Massiosigkeit und übermassiges Ansehen schaden oft sehr RUD. v. EMS, 274 ALEX. 14987. Grossen schaden sie (seil, du unvuor] an den tuot; Sie schaffet dik an den grossen zorn, Das alia ir wize wirt verlorn Grossen Schaden fügt sie (die Ausschweifung) diesen zu. Sie ruft bei ihnen oft grossen Zorn hervor, so dass all ihr Verstand verlorengeht KONR. v. AMMENHAUSEN 15944. -* ESSEN 173. VgL oben 2.4., 83> 168, VIEL 4.3.1.-4.3.2.

3.7. Massiosigkeit verdriesst 274a Dt. Swaz man ze vil triben W/7, daz verdriuzet Was man übertreibt, das verdriesst 274b HEINR. v. D. TÜRLIN 25192. Socrates der maister schreibt: „Alles, das man übertreibt, Das macht die leut verdrossen ser" VINTLER 6516 (vgl. unten 292-293). VgL ÜBERFLUSS 1., VIEL 4.3.4.

3.8. Massiosigkeit bringt Unannehmlichkeit, Schmerz und Krankheit 275 Dt. Ouch sint gewis, swaz man wil übertrtben, Daz da daz wol vil tihte am ende wirt ein we Seid auch (dessen) gewiss, dass, wenn man etwas übertreiben wird, das dann sehr leicht am Ende zum Schmerz wird ULR. v. SINGENBERG 14, 8 {·» SCHWEIZER MS 2). 276 Wenne swer sere uz der mäze strebt, Gar unsanft ime der selber lebt Denn wer sehr über das Mass hmausstrebt, der macht sich selber das Leben (ganz und) gar schwer 277 HUGO v. TRIMBERG 10011. Unmazz die chrenchet frw und spat: Sand Paul davon gesprochen hat. Von vrashait leit mer menschen tot, Denn von dem swert mit wunden rot Massiosigkeit macht früh und spät krank. St. Paul hat davon geredet. Vom übermassigen Fressen sterben mehr Menschen als durch die roten Wunden des Schwertes 278 SUCHENWIRT 40,143 (= TOD 1016. Vgl. oben 258}. Sepe fit ingrata res absque modis operata. — Das ding wirt ungenäm zu der frist, Das an mas gemachet ist Oft wird etwas, das ohne Mass gemacht worden ist, unangenehm. — Was ohne Mass gemacht ist, wird zuweilen unangenehm INNSBRUCK 36. -» GESUND 97, 102-103, KRANK 47, SCHMERZ 3-4. VgL oben 2.11., GESUND 2.3., KRANK 2.3.1., STARK 5.1., VIEL 4.3.3,

3.9. Massiosigkeit bringt Schande und Spott 279 M l a t , Probrose interdum uiuit, qui non numerose Wer nicht massvoll lebt, lebt bisweilen in Schande EGBERT., FEC. RAT. 1,262, 280 D t. Da bt mit spotte maneger lebt, Der üz der maze sere strebt Dagegen lebt mancher 251 mit Spott, der sehr über das Mass hinausstrebt FREIDANK 114,11. Sed si forte sibi collatis nesciet uti, Derisus vivet, potent nee adesse saluti. — Do bey in gespot mancher lebt, Der attsz der massin sere strebt Aber wenn es einer zufällig nicht verstehen wird, das ihm Zugeteilte zu gebrauchen, wird er mit Spott leben und nicht am Glück teilhaben können. - ... FREIDANK LAT. (GöRLiTz) 1921. VgL VIEL 4.3.6.

3.10. Massiosigkeit beraubt den Menschen seines Werts 252 Fr. Hons sans mesure ne vaut./. alier Ein Mensch ohne Mass ist nichts {wortl.: nicht 283 eine Etsbeere) wert RAOUL DE CAMBRAI 2103. Homfs] sanz mesure certes vail molt petit Ein Mensch ohne Mass ist gewiss sehr wenig wert MORT DE GARIN 107.

3.11. Massiosigkeit bringt zu Fall 284 Fr. Cil qui se desmesure, il pot mult tos cair Der, welcher das Mass überschreitet, kann sehr bald zu Fall kommen ROM. ALIX. ED. MICH. 549,21. 285 Dt. Unmäze und höhvart Die müezen dicke vallen hart. Swer höhe vert zaller zit, Wizzet daz er nider lit Massiosigkeit und Hochmut müssen oft hart fallen. Wer stets

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hochm tig ist, wisst, class der zu Fall kommt! THOM, v. ZIRCLARIA 10635 (= HOCH286 MUT 87). Vnmose kompt uffte czu zose Masstosigkeit f llt oft auf den Hintern (w rtl: kommt oft zum Sitzen} PROV, FRID, 180. -^ FALL 51, 69, STEIGEN 49. VgL oben 2.12.

3.12. Masslosigkeit bringt Zerst rung und Vernichtung 287 Gr. Τα τοιαύτα πέφυκεν υπό ένδειας και υπερβολής φθείρεσθαι ... φθείρεται γαρ ή σωφροσύνη και ή ανδρεία υπό της υπερβολής και της ελλείψεως, υπό δε της μεσότητος σώζεται Solches pflegt durch Mangel und bermass zerst rt zu werden; denn die Besonnenheit und die Tapferkeit werden durch das bermass und den Mangel vernichtet, durch das Mittelmass jedoch gerettet ARISTOT., NE 2,2,6. 288 Fr. On dit que souvant vient surefait a deffait Man sagt, dass massloses Tun oft auf 289 Vernichtung hinausl uft GIR. DE Ross. ALEX. 1942. Car sorefait vient a deffait Denn massloses Tun l uft auf Vernichtung hinaus ISOPET DE LYON 7,122. 290 Dt. Vnmass w estet alle $pil Masslosigkeit zerst rt jedes Spiel VINTLER 5785 (vgl. VIEL 4.3.8.), Vgl. oben 46, 77, unten 308

3.13. s. Inhalts bersicht 3.14. Masslosigkeit bricht den Deckel 291 It. Ogne soperchio rompe coverchio Jedes bermass bricht den Deckel GEREMIA DA 292 MONTAGNONE 129. Aristotele dixe; Ogni tropo torna en fastidio et el soperchio rumpe el converghio Aristoteles hat gesagt: „Jedes Zuviel wendet sich zum Verdruss, und jedes bermass bricht den Deckel" FIORE DI VIRTU A 55,37 (vgl. oben 274 b). 293 Aristotile dixe: Omne troppo torna m fasttdio et omne supercbio rompe lu copercbio 294 FIORE DI VIRTU B 451,38 {vgl. oben 274b). Lo soperchio rompe il convercbio Das bermass bricht den Deckel NUNEZ 11,311 (el Italiano). Vgl. VIEL 4.3.9. 3.15. Masslosigkeit ist nicht von Dauer und lasst nichts von Dauer sein 295 Lat. Inmodicis brevis est aetas et rara senectus Die Masslosen haben ein kurzes Leben und werden selten alt M RT. 6,29,7 (vgl. oben 3.13.). 296 Mlat. Quod modum excedit, non est diuturnum Was ber das Mass hinausgeht, ist nicht von Dauer BEBEL, PROV. GERM. 421. 297 It. Le cose ehe sono senza modo, non possono lungamente durare Die Dinge, die ohne Mass sind, k nnen nicht von langer Dauer sein Bocc., DECAMERONE l Prol. S. 7b.

29S N o r d . Skammcg pykkia ofin oll Kurzlebig scheinen alle Masslosigkeiten (zu sein) 299 M LSH TTAKV/EDI 15,5 ( = JONSSON, ARKiv 309. JONSSON 127). Skomm er ohofs fevi Kurz ist das Leben des Masslosen (w rtl.: der Masslosigkeit) HRAFNKELS SAGA FREYSGODA 5 S. 122 (= JONSSON, ARKIV 309. JONSSON 127} (vgl. oben 3.13.}. 300 Nl. Qmmate en stont niet langhe. - Quilibet excesses mutat continuo gressus Masslosigkeit besteht nicht lange. — Jedes bermass ndert sogleich den Gang PROV, COMM. 562. 301 Dt. Unm ze pris bat kurzen vuoz Der Ruhm der Masslosigkeit hat kurzen Fuss RUD. 302 v. EMS, ALEX, 14996. Die when jebent, und ist ouch war, Daz kein unmaze nie gewerte drizec j r Die Weisen sagen, und es ist auch wahr, dass keine Masslosigkeit je dreissig Jahre gew hrt hat JOH. v. RINGGENBERG 79 (+SCHWEIZER MS 29). Vgl. oben 81, 160, 237, 2.14.

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3.16. Verschiedenes 303 Fr. Li fruiz qui ne meure Sanble honte sanz mesure Die Frucht, die nicht reif wird, gleicht einem Menschen ohne Mass COMTE DE BRETAGNE 183 (-MORAW. 1085). 304 Pro v. Mas ses mesura non es res: Aissei que-s vol desmesurar, No pot sos fachs en aut poiar Aber nichts ist ohne Mass. Derjenige, der über das Mass hinausgehen will, kann seine Taten nicht in die Höhe bringen BERTR. DE BORN 23,14 (vgl. oben 1.1.}. 305 N o r d . Nesctt habere situm stabilem nimis omne cupitum. — All offwerw&ttks tingh fangber gernce onäb &ndbe Alles übermassig Begehrte kann keinen festen Stand haben. — Jede Übermässige Sache nimmt leicht ein schlechtes Ende LÄLE 651. 305a Dt. Er ist sin selbes meister niht, swer sin alze vil getuot Der ist seiner selbst nicht 306 Herr, der es (seil, das Rühmen) übertreibt DIETM. v. EIST (+MF 34,1). Unmäze ist der Nerrescheit Bote, und der Trunkenheit Gespil, unde der Übermuot Niftel, swer sm war tuot, Unmäze ist des Zornes kraft, Unmäze hat niht Meisterschaft. Unmäze ist des Vräzes munt, Der Erge sloz, der Girde bunt Masslosigkeit ist der Bote der Narrheit und die Gefährtin der Trunkenheit und die Verwandte des Übermuts, wenn einer darauf achtet. Masslosigkeit ist die Kraft des Zornes, Masslosigkeit hat keine Zucht, Masslosigkeit ist der Mund des Frasses, das Schloss des Geizes, der Hund der Begierde THOM. 307 v. ZIRCLARIA 9895 {vgl. oben 3,4.), Swer der mäze brechen wil ir sträze, Dem gevellet Ifhte ein enger p fat Wer dem Mass den Weg zerstören will, dem wird leicht ein enger 308 Pfad zuteil WALTHER v. D. VOGELWEIDE 80,6. Unmäze bringet dicke in not, Unmäze stehet mangen tot, Unmäz stet dicke schamerot, Unmäze boeslich sprichet. Unmäze ist ein scharpfer dorn Unmäz hat dicke den sie verlorn, Unmäze machet grozen zorn„ Unmäze gar zerbrichet, Unmäze gibet dicke und vil gar ein vil boesez ende Masslosigkeit bringt oft in Not, Masslosigkeit schlägt manchen tot, Masslosigkeit steht oft schamrot da, Masslosigkeit spricht in schlechter Art, Masslosigkeit ist ein scharfer Dorn, Masslosigkeit hat oft den Sieg verloren, Masslosigkeit bewirkt grossen Zorn, Masslosigkeit zerstört gänzlich, Masslosigkeit führt sehr oft zu einem überaus bösen Ende COLM. 111,14 (vgl. oben 3.12.-3.13.).

4. Worin man masshalten soll 4.1.—4.3. s. Inhaltsübersicht 4.4. Man sei mit Mass gut 309 M l a t . Sine mensura nil valet esse bonum Ohne Mass nützt es nichts, gut zu sein FACETUS (MOREL) 278. 310 S p a n . Toda buena costomre A certera medida, Que si la pasa omre, Su bondat es perdida Jede gute Gewohnheit hat ein bestimmtes Mass. Wenn der Mensch es überschreitet, so ist seine Güte verloren SANTOB 112 i vgl. oben 1.1.). Vgl. oben 3.2.

4.5. Man halte mass beim Essen und Trinken 3l J Dt. Das ander reht was, als ich hän gelesen, Das menglich sölt gemasse wesen Und niht sölt unvüerig sin, Das beida spise unde win Niht wurde üpeklich verzert Das andere Gesetz lautete, wie ich gelesen habe, dass männiglich massvoll und nicht ausschweifend sein solle, so dass beides, Speise und Wein, nicht übermassig verzehrt werde KONR. v. AMMEN HAU SEN 7529. — ESSEN 202, 206-207, 240, GESUND 94, 97, 101, TRINKEN 195, WEIN 345346, 350-354. Vgl. WEIN 1.2.1., 75

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MASS (Massigkeit)

4.6. Verschiedenes 312 Fr. Co dient ceste saive gent: Mesure cuvent od talent Das sagen diese weisen Leute: „Mass ist beim W nschen angebracht" HUON DE ROTELANDE, IPOMEDON 4605. 313 Engl. Howe bind wisdom Mass binde Weisheit HENDING 1,6.

5. Es ist schwer, das rechte Mass zu finden 314 Nord. AllmjoU er mundangsbofit Sehr schmal ist das Mittelmass21 NYERE LAN D s L. 315 4,17 {+ GERING 92 [ = JONSSON 74, 120]}. M/off ver r mer at hitta Mitt jof {Var.: Miott ver r mundang hitta)22 Schwer (w rtl.: Schmal} wird es mir, mein Mittelmass zu finden (Schwer wird es, das Mittelmass zu finden} STURLA B RDARSON l, l {*SKJALDEDIGTNING B 11,54 [ = JONSSON, ARKiv 285. JONSSON 120]}. 6. Verschiedenes 316 Fr. Car on dit que exces n'est corrige que par exces Denn man sagt, dass berschreitung nur durch berschreitung korrigiert werde RENAUT DE LOUHANS, MELIBEE 219.23 3/7 Dt. Swer sm gevert niht rnezzen kan, Der sol den wolf sehen an, Der vliuhet drat, jeit man in dr t; An smer vluht die m ze er hat Daz er deheiner vluht muot Wan dar nach unde der leger tuot Wer f r sein Benehmen das richtige Mass nicht finden kann, der soll den Wolf ansehen: Der flieht schnell, wenn man ihn schnell jagt; er bemisst seine Flucht so, dass er an Flucht nur denkt in Abh ngigkeit von dem, was der J ger tut THOM. v. ZIRCLARIA 9967, V.M. Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

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Vgt. WHITING M464. Vgl. HASSELL M 242; WHITING M439. Nach einem Vorschlag von Singer. Redender Personenname mit der Bed, , ungeschickter Mensch, T lpel'. Vgl. CLEASBY 342; J. de Vries, Altnordisches etymologisches W rterbuch, Leiden 1961, 315, PS, Andronicus (1. Jh.), Verfasser einer Schrift „De virtutibus et vitiis". Vgl. Thomas v. Aqmn, Summa theologica (Die deutsche Thomas-Ausgabe), Bd. 21 (1964), S. 283, wo der Kontext zwar stimmt, die zit. Stelle jedoch fehlt. Vgl. HASSELL M137; WHITING M 664. So der Vorschlag von Singer, w hrend Hilka selbst prophete zu parfait verbessert. Vgl. WHITING M444. M457. M458, Kleobulos aus Lindos, einer der sieben gr. Weisen. Vgl. WHITING M446. M448, M 456. Vgl. WHITING W117. Vgl. WHITING M 442. M 461. Vgl. WHITING M441. Vgl. WHITING M443. M455. V45. Gemeint ist Antonius der Grosse (3.—4. Jh.), der als Einsiedler in der W ste gelebt hat. Vgl. WHITING W 383. Vgl. WHITING M 454. M 459. = ERASM., ADAG, CHIL. 1,1,2 Sp. 20, hnlich ERASM,, ADAG, COLL. 9 v; Stateram ne tran&ileas. Beides ist eine bers, aus dem Griechischen: DIOG. LAERT. 8,18: Το δε ζυγόν μη όπερβαίνειν Geh nicht ber das Recht (w rtl.: die Waage) hinaus! APOSTOLIOS 8, 340: Ζυγόν μη ύπερβαίνειν.

Vgl. WHITING Μ 463. D.h., es ist schwer masszuhaken. F r weitere Belegstellen vgl. CLEASBY 437. STURLA B RDARSON 1,7 Var. (+SKJALDEDIGTNING A 11,45 [ = JONSSON, ARKIV 285. JONSSON 120]). Vgl. WHITING O 56.

MASSHALTEN

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MASSHALTEN s. MASS (Massigkeit) MÄSSIG(EN) s. MASS (Massigkeit) MÄSSIGKEIT s. MASS (Massigkeit) MÄSSIGUNG s. MASS (Massigkeit) MASSLOS(IGKEIT) s. MASS (Massigkeit)

MASSSTAB / regle graduee / ruter i Fr. Hör s reigle et compas, ie ni szay ne de gre, m pas Ohne Massstab und Zirkel weiss ich weder Grad noch Schritt(einheit) 1 NUNEZ II, 189 (el Frances). V.M. Anmerkung 1

WANDER II, 1480 s. v. Kompass l gibt das Sprw, als Entsprechung zu „Ohne Kompass geht der Schiffer nicht ins Meer", was wohl auf einem Missverständnis beruht.

MASSVOLL s. MASS (Massigkeit) MAST -> SEGEL 15, WIND 25

MÄSTEN / engraisser / to fatten 1. Lieber Gemüse mit Liebe als einen gemästeten Ochsen mit Hass —»· LIEBE 262-263, 265,267 2. Vereinzelt i Dt. Als ain varch sich mesten Siht man fur ere manigen man Anstelle ehrenhaften Benehmens sieht man manchen sich mästen wie ein Schwein JOH. v, WÜRZBURG 13716.

V.M. MATERIE / matiere / matter Hier auch STOFF (Materie) Alles ist aus einem Stoff 1 Fr. Tout est forgte d'une matiere Alles ist aus einem Stoff gemacht J, MIELOT 321. 2 Tout corps sont forges d'une matiere Alle Körper sind aus einem Stoff gemacht LEROUX II, 427 (l5.Jh.). 3 Dt, Qmnia idem pulvis, — Es ist alles ains zeügs Alles ist derselbe Stoff. — Es ist alles aus einem Stoff 1 HAUER 131. - GLEICH 222. Vgl. DIENEN 668, GLEICH 22 J, TOD 52, TÖPFER 2.

H. U. S. Anmerkung 1 Hauers Vorlage bildet ERASM., ADAG, CHIL. 1,7,27.

143

MAUER

MATROSE / matelot / sailor i It. Fra bärcaiuolo, e marinaio non st guadagna (Ausg.: quadagna} $e non cose da ferro vecchio Unter Schiffern und Matrosen verdient man nur, was zum alten Eisen gehört MERBURY 10. V.M.

MAUER / mur / wall Hier auch MAUERN, WAND Vgl. BURG 1. Was Mauern zum Einsturz bringt {durchdringt) Vgl. unten 17. l.t, Gold— GOLD 27-30 1.2. Hunger — HUNGER 4.7. 1.3. Gedanken —· GEDANKE 56, 58, 60 1.4. Der Blick des Luchses — LUCHS 2. 1.5. Die Angst des Geizigen — GEIZ 264-265 1.6. Mangelhaftes Fundament — FUNDAMENT 4,14-15, 26. Ähnlich (1-2) 2. Hartes mit Hartem gibt keine gute Mauer —* HART 1.3. 3. Wände haben Ohren (3-8). Vgl. VERBERGEN 62-63 4. Eine weisse Mauer (geweisste Wand) ist Papier für Narren (9 —10). Anders (11) 5. Ein Brot im Backtrog (in der Hand) ist besser als ein Schild (Geschriebenes) an der Wand —· BROT 32, 34 6. Den neuen Schild hängt man an die Wand, den alten stösst man unter die Bank —» SCHILD 7-8 7. Wie der Esel an die Wand schlagt, so bekommt er's zurück —* ESEL 24, 8. Man lege die Hand nicht zwischen Tür und Wand — HAND 179-181 9. Was die Hände nicht nehmen, geben die Wände von sich -> HAND i 72-174. Vgl. HAND 17. 10. Wer keinen Kalk hat, muss mit Lehm (Dreck) mauern —* KALK 1-4 11. Wenn die Wand des Nachbarn brennt, ist man selbst bedroht — BRENNEN 7, 9, 11 -15, 31, 34,37-38. Vgl. BRENNEN 2.1. 12. Bürger und Bauer trennt nur die Mauer —* BÜRGER 1. 13. Der Mensch baut keine Mauern, wo er ewig dauern wird —· GAST 6, 9 14. Eine Wand wird von der Kerze schwarz —· KERZE 8. 15. Nicht alle, die an die Wand pissen, sind Männer —* PISSEN 1.2. 16. Jeder Hund will an die Mauer pissen —* HUND 9.2. 17. An die Wand, die vom Einsturz bedroht ist, pissen die Hunde (12-13). — HUND 9.2, Vgl. BAUM 9.8., HUND 26.5., LIEGEN 1,2., MISSERFOLG 1. 18. Redensarten 18.1. Zwei Wände (mit demselben Farbtopf) türchen (14 — 17) 18.2. Mit dem Kopf gegen die Wand (18-25). Vgl. HAUPT 8.5. 18.3. Zu einer Mauer reden (26-27). — STEIN 13 18.4. Durch eine Wand reden (28-29) 18.5. Den Teufel an die Wand malen -> TEUFEL 245-246, 249 18.6. Vereinzelt (30)

MAUER

144

19. Vergleiche 19.1. Wagemut ist wie eine Mauer — WAGEN (Vb.) 141-142 19.2. „Wie ein Schatten an der Wand" als Bild für Vergänglichkeit -> GLÜCK 169, JUNG 65, SCHATTEN 7 19.3. Freunde (Treue Diener, Wohlgesonnene) sind wie feste Mauern (31). —* BURG 3$, DIENEN 541, FREUND 1004 -1005. Vgl. BURG 3., GEBEN 203 20. Verschiedenes (32-35)

1. Was Mauern zum Einsturz bringt (durchdringt) Vgl. unten 17. 1.1. —1.5. s. Inhaltsübersicht 1,6. Mangelhaftes Fundament -» FUNDAMENT 4, 14-15, 26 Ähnlich: 1 M l a t . Structures recenübus necdum solidaiis, si tignomm pondus superponitur, non babitaculum, sed ruina fabricatur Wenn man auf neue und noch nicht gefestigte Mauern das Gewicht der Balken legt, wird nicht ein Haus, sondern ein Zusammensturz fabriziert GREG. M., REG. FAST. 3,25 (98 A). 2 Span. Pared socalzada, o dura mucbo, o no vale nada Eine Mauer mit einem neuen Fundament hält entweder lange oder ist nichts wen NUNEZ III, 121.

2. s. Inhaltsübersicht 3. Wände haben Ohren 3 Fr. Les paroys ont aureylles Die Wände haben Ohren NUNEZ 11,296 (el Frances). 4 S p a n , Guarda que dizes, que las paredes a las oras oyen e orejas tienen Pass auf, was du sagst; denn die Wände hören manchmal und haben Ohren! MARTINEZ, TA5 LAUERA 4,2 (*ZFRPH 61,519}. Que en tal caso las paredes Han oydo Denn in einem 6 solchen Fall haben die Wände Ohren LOPEZ, PROV. 23. Como dizen, las paredes han 7 oydos Wie man sagt: „Die Mauern haben Ohren" CELESTINA 51 (1). En consejas, las paredes ban orejas In Ratsversammlungen haben die Wände Ohren NUNEZ 11,110. 8 Monies ven, paredes oyen Berge sehen, Wände hören EBD. II, 394. Vgl. VERBERGEN 62-63 4. Eine weisse Mauer {geweisste Wand) ist Papier für Narren 9 It. Muro bianco carta da matti Eine weisse Mauer (ist) Papier für Narren MERBURY 19. W Span. Pared cayada Papel de locos Eine geweisste Wand (ist) Papier für Narren GIL VICENTE 111,248 (Sermäo). Anders: 11 Dt. Ez ist ain wunderlicher tant Der sin not schribt an ain want Der treibt seltsame Possen, der seine Not an eine Wand schreibt LIEDERSAAL 177, 31. 5. —16. s. Inhaltsübersicht 17. An die Wand, die vom Einsturz bedroht ist, pissen die Hunde 12 Dt. Ein wand die aber den fal träet, dran seychen die hund Eine Wand aber, die vom 13 Einsturz bedroht ist, an die pissen die Hunde FRANCK II, 129 v. Ein wandt aber die den fall drawet, daran seychen die hunde EGENOLFF 134 r. -> HUND 9.2. Vgl. BAUM 9.8., HUND 26.5., LIEGEN 1.2., MISSERFOLG 1.

145

14 14a /5 16 17

15 19 20 21 22

23

24 25

MAUER

18. Redensarten 18.1. Zwei Wände {mit demselben Farbtopf} tünchen Lat. Duo parietes de eadem fidelia dealbare Zwei Wände mit demselben Farbtopf tünchen Cic., AD FAM. 7,29,2. Mgr. Du tünchst zwei Wände APOSTOLIOS 6,37. Mla t. Duos parietes de vna dealbare fidelia Zwei Wände mit einem Farbtopf tünchen ERASM., ADAG. COLL, 10 v. Duos parietes de eadem dealbare fidelia Übers, wie 14 ERASM., ADAG. CHIL. 1,7,3. lt. Assai degn' e ehe poco frutto mieti Chi uuole albar d'un gesso due pareti Durchaus angemessen ist, dass derjenige wenig Erfolg einheimst, der mit einem (Eimer) Gips zwei Wände weissen will BEMBO, MOTTI 195. 18.2. Mit dem Kopf gegen die Wand Mla t, Qui vult scandaiisari, scandalisetur et collidat frontem in parietem Wer sich aufregen will, soll sich aufregen und den Kopf gegen die Wand stossen IAC. VORAG., LEG. AUREA 27,3 S. 129. Fr. Autant vau&ist leur testes encontre un mur choquier Ebensogut könnten sie ihre Köpfe gegen eine Mauer stossen SIEGE DE CASTRES 107. Heurter sä teste au paroy Seinen Kopf an die Mauer stossen NUNEZ 11,201 (el Frances). It. Assa' potreb' om dar del cap' al mur o, Ma, se non ven de la propia natura, Niente vale Man könnte lange mit dem Kopf gegen die Mauer rennen; aber wenn (der Anstoss) nicht aus der eigenen Natur kommt, nützt es nichts ANGIOLIERI 85,9. ... la divina disposizione, contro alia quäle volere adoperare, non e altro se non voler cozzare col mur o, ehe si rompe l'uomo la testaf e 'l muro non si muove Der göttliche Ratsch l uss, gegen den angehen zu wollen nichts anderes ist, als (mit dem Kopf) durch die Wand zu wollen, wobei doch der Mensch den Kopf zerbricht und die Mauer sich nicht bewegt Bocc., COM. 11,253. Quando altri ha una stizza, e volesse dare del capo nel muro per rompare il muro, ehe credareste ehe costui facesse? Wenn einer zornig ist und mit dem Kopf gegen die Mauer stossen wollte, um die Mauer zu durchbrechen, was würdet ihr glauben, dass der ausrichten könnte? BERNARDINO 1,227 {Pred. 9). Span. Mejor que algunos que luego dan de la cabeca a la pared Besser als einige, die dann mit dem Kopf gegen die Wand anrennen MARTINEZ, TALAUERA 2,7' (+ZFRPH 61,514). Nl. Ende wye dan lopen wil teghen die muyer Mitten hoefde, die machet breken Und wer denn mit dem Kopf gegen die Mauer laufen will, der muss ihn zerbrechen POTTER, MINNENLOEP 2,2382. Vgl. HAUPT 8.5. 18.3. Zu einer Mauer reden

26 Fr. Parier a ung mur Zu einer Mauer reden NUNEZ III, 136 (el Frances). 27 Dt. Zun wenden reden Zu den Wänden reden FRANCK 1,27r. -»STEIN 3

18.4. Durch eine Wand reden 28 Mla t. Per parietem loqui Durch eine Wand reden ERASM., ADAG, CHIL. 3,4,54. 29 Dt. Per parietem loqui. — Durch ein wand reden ... Ein loch durch ein brief f reden ... Der redt ein loch durch ein brieff, wand, vna recht FRANCK 1,3 r, 18.5. s. Inhaltsübersicht

MAUERFALKE

146

18,6. Vereinzelt 30 Dt. Von der tnaur die feind bocken Von der Mauer (herab) die Feinde verhöhnen FRANCK 1,45 v,

19. Vergleiche 19.1.~19,2. S.Inhaltsübersicht 19.3. Freunde (Treue Diener, Wohlgesonnene) sind wie feste Mauern 31 Dt. Do lag das veld vol Volkes ... Der bischoff wond, er wäre belegen; nain, her, sprach der von babspurg, das sind min muren, die ich gebuwen bab; wan wie guot min huss wäre, das bulff mich nüt, bette ich kain fründ im land Da lag das Feld voller Kriegsvolk. Der Bischof dachte, er wäre belagert. „Nein, Herr", sprach der (Graf) von Habsburg, „das sind meine Mauern, die ich gebaut habe. Denn wie gut auch mein Haus wäre, das hülfe mir nichts, wenn ich keine Freunde im Lande hätte" KLINGENBERGER CHROM. 19, — BURG 38, DIENEN 541, FREUND 1004-1005. Vgl. BURG 3., GEBEN 203

20. Verschiedenes 32 Prov. Quel pus autz tnurs pert son pretz ah un caire Denn die höchste Mauer verliert ihren Wert durch einen (einzigen fehlenden) Stein GAVAUDAN 4,56. 33 Span. El pueblo seguro no ha menester muro Das sichere Dorf 2 braucht keine Mauer 34 NUNEZ II, 32. Arrofare esta pella a aquel asttal: sino apegare: hara senal Ich werde diesen Klumpen an jene Wand werfen: Wenn er nicht kleben bleibt, wird er (doch) ein Zeichen hinterlassen 3 HALLER 303. 35 Dt. Ist der müre nahe der grabe, Si rtset von ir selben abe Wenn die Mauer nahe beim Graben ist, stürzt sie von selbst ein THOM. v. ZIRCLARIA 5173. H, U. S.

Anmerkungen 1 2 3

Weitere Belege ebd. 2,7. 3,5. 4,3; s. auch 2,8. Kann auch heissen: Das sichere Volk braucht keine Mauer, Haller erläutert: „Das Sprichwort tadelt die Verläumder, welche Jemand fälschlich und boshafter Weise eines Vergehens beschuldigen, das er nicht begangen hat."

MAUERFALKE s. FALKE MAUERN s. MAUER MAUL s. MUND

MAULAFFE1 / badaud / gaper i Dt. Und bet alda Mawlaffen (1549).

fail Und hielt da Maulaffen feil SACHS XXII,488,2

V. M. Anmerkung 1 Vgl. WANDER 111,526f.; GRIMM, DWn, VI,1796f.; RÖHRICH 11,631 äff.

147

MAULTIER

MAULBEERBAUM / mürier / mulberry tree i S p a n . Antes moral que almendro Lieber den Maulbeerbaum als den Mandelbaum 1 NUNEZ 1,96. V.M. Anmerkung 1

Dazu heisst es bei Nunez: El moral echa muy tarde, elalmendro muy presto Der Maulbeerbaum treibt sehr spät Blüten, der Mandelbaum sehr bald. REFRANERO 99 hat die Erklärung: Porque el uno da el fruto tarde y el otro muy temprano. Recomienda que las delerminaciones se tomen con reposo Denn der eine gibt die Frucht spät und der andere sehr früh. Empfiehlt, dass man die Beschlüsse mit Ruhe fassen soll.

MAULESEL s. MAULTIER

MAULTIER / mule(t) / mule Hier auch MAULESEL 1. Ein Maultier kratzt das andere (1-11) 2. Das Maultier sagt nicht, wer sein Vater ist (12-16) 3. Es gibt kein Maultier ohne Fehler (17-l8). Mgl. ABER 1., DAS 1-7, HALB 7, HINKEN 28, LASTER 1., MANN 1.5.3., MEISTER 1., PFERD 8.1., SCHELTEN 6.2., SCHLECHT 4.1.1., SÜNDE 2.1., TUGEND 5,2., VERBRECHEN 12, VOLLKOMMEN 1.-2., WELT 60, WENN 1. 4. Der Mautesel (Das bunte Maultier} ist entweder sehr schlecht oder sehr gut (19—20) 5. Das Maultier für alles (für die Grube) (21—24) 6. Einem alten Maultier ein goldener Zügel (25—26) 7. Man muss dem Maultier schmeicheln (27—28) 8. Wenn das Maultier Junge hat (29-37) 9. Die Meerbrasse tötet ein Maultier —* FISCH 8.4. 10. Verschiedenes (38-54)

l. Ein Maultier kratzt das andere 1 L a t . Mutuum muH scabunt Gegenseitig kratzen sich die Maultiere VARRO, MEN. S. 2 295. Sie fiet ,mutua(m) muH' So wird es geschehen, dass die Maultiere gegenseitig 3 (sich kratzen) VARRO, L. LAT. 7,28. Ut, quod per adagionem coepimus, proverbio ftniamus et ,mutuum muH scalpant' Damit wir, was wir mit einem Sprichwort begonnen haben, mit einem Sprichwort beschliessen und sagen: „Die Maultiere kratzen sich 4 gegenseitig" AUSON. 340,7. Hoc est quod aiunt: tnutuum scabere mulos. cui proverbio ne videür esse confinis ... Das ist dasselbe, wie wenn man sagt, dass sich die Maultiere gegenseitig kratzen. Damit ich diesem Sprichwort nicht nahe zu sein scheine SYMMACH., EP. 10,1,3. l 5 Mlat, No« opus est asinum strigilare neque mulum Ipsorum nam se zabulo bene purgat uterque Man braucht weder Esel noch Maultier zu striegeln, denn mit dem Fell 6 putzen (je) zwei von ihnen einander PROV, WRATISLAV. 393. Quid autem officiosius,

MAULTIER

148

quam cum mutuum muH scabunt? Was ist aber angemessener, als wenn die Maultiere 7, 8 sich gegenseitig kratzen? ERASM., STULTITIAE LAUS 168. Mutuum muH scabunt Übers. 9 wie l ERASM., ADAG. COLL. l v. ERASM., ADAG. CHIL. 1,7, 96. Mutuum muH stabunt 10 (lies: scabunt). — Es lobt ainer (einer) den ändern HAUER 131, U t proverbium est, ,Mutuum scabunt muH' Wie es im Sprichwort heisst: ... LUTHER, WA V, 182,29 n (1519-21), Mutuo muH se scalpunt. — Sie schlagen einander den bal zu. Es krawet ie einer dem ändern ... — Sie schlagen einander den Ball zu. Es kratzt immer einer den ändern FRANCK H, lOv.

2, Das Maultier sagt nicht, wer sein Vater ist 2 12 Mlat. Cut uulpts: habesne patrem aut matrem? Mulus ait: Auunculus meus est equus generosus Der Fuchs {sagte} zu ihm: „(Wen) hast du zum Vater oder zur Mutter?" Das 13 Maultier sagte: „Mein Onkel ist ein edles Pferd" PETR. ALR, DISC. CLER. 9,33. At lupus ... inquit: ,sed quis pater exstitit tuus?' Et mulus: sequus't ait, ,exstitit meus avus' Doch der Wolf sagte: „Aber wer war dein Vater?" Und das Maultier sagte: „Mein 14 Grossvater war ein Pferd" MULUS, VULPES ET LUPUS (* GRIMM, RF 423). Cut vulpes: „vellem scire de qua parentela esses." Cum autem vulpes mstanter quaereret, confusa mula dixit: „Ego sum nepos magnt dextrarü regis hispanie" Der Fuchs (sagte) zu ihm; „Ich möchte wissen, von welcher Verwandtschaft du bist." Als aber der Fuchs beharrlich fragte, sagte das verwirrte Maultier: „Ich bin der Neffe des grossen Streitpferdes des spanischen Königs" HIMMENRODER PRED. 3. 15 Fr, Li muls respondi au goupill, Mes oncles fu cheval genttll Das Maultier antwortete dem Fuchs: „Mein Onkel war ein edles Pferd" CHAST. (BARBAZ. ET ) 71,221. 16 Dt. Swer den mül wil fragen Von stnen höchsten rnägen, So nennt er e den oebein Dan vater oder friunde debein Wenn jemand das Maultier nach seinen vornehmsten Verwandten fragen will, so nennt dieses eher den Onkel oder irgendeinen der Verwandten als den Vater FREIDANK 141,1.

3. Es gibt kein Maultier ohne Fehler 17 S p a n . El que quiere mula sin tacha, y espada sin vuelta, andase sin ella Wer ein Maultier ohne Fehler und ein Schwert ohne Scharte wünscht, muss ohne es auskommen 8 NUNEZ II, 54 (= SCHWERT 27). Nt muger sin tacha, ni mula sin raza (Es gibt) weder eine Frau ohne Fehler noch ein Maultier ohne Mangel EBD. III, 37. Vgl. ABER 1., DAS 3-7, HALB 7, HINKEN 28, LASTER 1., MANN 1.5.3., MEISTER 1., PFERD 8.1., SCHELTEN 6.2., SCHLECHT 4.1.1., SÜNDE 2.I., TUGEND 5.2., VERBRECHEN 12, VOLLKOMMEN 1.-2., WELT 60, WENN 1.

4, Der Maulesel {Das bunte Maultier) ist entweder sehr schlecht oder sehr gut 19 S p a n . Asno mobino, o muy ruin o muy fino Der Maulesel: entweder sehr schlecht 20 oder sehr gut 3 NUNEZ 1,134. Mula bragada o bien fina o bien falsa Das bunte Maultier: entweder sehr gut oder sehr falsch EBD. 11,397.

5. Das Maultier für alles (für die Grube) 21 Span. El asno para polvo, y el rocin para el lodo, y el macho para todo Der Esel für den Staub und der Gaul für den Schlamm und das Maultier für alles4 NUNEZ 11,15.

149

MAULTIER

22. 23 La mula por el tollo, y la buna por el polvo, y el caballo por todo Das Maultier f r den Sumpf 5 und die Eselin f r den Staub und das Pferd f r alles EBD. 11,241, 11,276. 24 Asno par a poluo: rocin par a lodo: mula para todo Ein Esel f r Staub, ein Wallach f r Kot, ein Maultier f r alles HALLER 470. 6. Einem alten Maultier ein goldener Z gel 25 Fr. A vtelle mule frain dore Einern alten Maultier ein goldener Z gel J. MIELOT 12. 26 A vieille mule frein dore, Riebe habit fait foi honnorer ... ein reiches Kleid macht, dass man einem Narren Ehre erweist LEROUX 1,187 (15. Jh.) (= KLEID 42).

7. Man muss dem Maultier schmeicheln 27 Span. A la mula con alhago (lies mit Ausg. Salamanca 1555, 8 r: balago), y a! caballo con el palo Dem Maultier mit Schmeichelei und dem Pferd mit dem Stock NUNEZ 1,68. 28 La mula y la muger, por halago hacen el mandado Das Maultier und die Frau tun das Befohlene auf Schmeichelei hin EBD. 11,234. 8. Wenn das Maultier Junge hat 29 Gr. Τότε γαρ αίρήσετε ήμέας, έπεάν ήμίονοι τέκωσι Denn dann werdet ihr uns erobern, wenn die Maultiere geb ren HDT. 3,151. 30 La t. Mulae partus prolatus est a te: re$ mirabilis, propterea quia non saepe fit Die Geburt eines Maultiers ist von dir vorgebracht worden: eine wunderbare Sache, deswe31 gen weil es nicht oft geschieht Cic., DE DIVIN. 2,22,49. Saepius enim mulam peperisse arbitror quam sapientem fuisse Ich glaube n mlich, dass fter ein Maultier gebo32 ren hat, als dass es einen Weisen gegeben hat EBD. 2,28,61. Cum mula pepererit 33 Wenn das Maultier geboren haben wird SUETON., GALBA 4,2. Egregium sanctumque virum ... fetae compare mulae Einen vorz glichen und unstr flichen Mann ... verglei34 ehe ich mit einem tr chtigen Maultier luv., SAT. 13,64. Tamquam si mula pariat Wie wenn ein Maultier geb ren w rde AUGUSTIN., DE DOCTR. CHRIST. 2,23,91. 35 M l a t . Cum mula peperit Wenn das Maultier geboren hat ERASM., ADAG. CHIL. 1,5,83. 36. 37 Dt. Wann ein Maul esel jungen bat Wenn ein Maulesel Junge hat 6 FRANCK 1,34v. EGENOLFF 296 v.

9. s. Inhalts bersicht 10. Verschiedenes 38 Fr. Quar ce qui est bon a mulon, So n'est pas hon a estalon, C'est ce que Artstote dit en Ethiques ou est escrit Denn das, was f r das Maultier gut ist, ist f r den Hengst nicht gut; das ist es, was Aristoteles in der Ethik sagt, wo es geschrieben steht G. DE 39 DEGUILEVILLE 4705. En fais, en dis, ou en mantien Retrati la mull a l'estallon Im Benehmen, im Ton oder in der Haltung gleicht das Maultier dem Hengst PROV. EN 40 RIMES 1359, A mulet rebours pesant fais Einem widerspenstigen Maultier eine schwere Last J. MOLINET 60,24. 41 S p a n . Que non ay mula de albarda que la troja non consienta Denn es gibt kein 42, 43 Lastmaultier, das die Packtasche nicht duldet ARCIPRESTE 710. Mula blanca, o vieja, o manca Ein weisses Maultier: entweder alt oder lahm LOPEZ(?}, REFRANES 421. Nu44 NEZ 11,400. A la mula freno en gula Dem Maultier den Zaum ins Maul NUNEZ 1,79.

MAULWURF

150

45 Antano murio el mulo, y ogano le hiede el culo Im Vorjahr starb das Maultier, und in 46 diesem Jahr stinkt ihm der Arsch EBD. 1,99. Ese loa mulo, que no tuvo ninguno Der 47 lobt ein Maultier, der keines gehalten hat EBD. II, 128. La mula que de cinco anos no tira, no es buena para la carreta Das Maultier, das mit fünf Jahren nicht zieht, ist nicht 48 gut für den Wagen EBD. 11,282. Muh coxo y bijo bot/o, lo sufren todo Ein hinkendes 49 Maultier und ein dummer Sohn ertragen alles 7 EBD. 11,398. Mula con mataaura, ni cebada, ni herradura Ein Maultier mit einer wunden Stelle: weder Gerste noch Hufeijo sen 8 EBD. 11,406. A mula vieja: cabe$ada$ nuevas Einem alten Maultier neue Halftern HALLER 419. 51 Port. O muleto $empre paresce asno, quer no cabo, quer no rabo Das Maultierjunge scheint immer ein Esel zu sein, sei es am Kopf, sei es am Schwartz9 NUNEZ III, 92 (el 52 Portugues). Queres comprar mu, sem boca e sem cu Du willst ein Maultier ohne Maul und ohne Arsch haben EBD. 111,244 (el Portugues}. 55 Dt. Ein maul kund harffen vnd auch geigen Ein Maultier konnte Harfe spielen und 54 auch geigen KUGLER (*KELLER, ERZ. 492,18) (vgl. ESEL 6.1.). Se holden sik ök vor heren, de einer mulen overste is. - Ei dominos sese iactant quis belua par et (Solche wie der,) der Gebieter eines Maultiers ist, halten sich auch für Herren. — Die spielen sich auch als Herren auf, denen ein Tier gehorcht TUNNICIUS 690.

H.R., rev. V.M.

Anmerkungen 1

2 3 4

5

6 7

8

9

Vgl. auch SYMMACH.J EP. 1,31: Si plttra de te praedtcem, videbor mutuum scebere et magis imitator tm esse alloquii, quam probator Wenn ich mehr von dir rühme, wird es aussehen, als ob ich mich auf ein gegenseitiges Kratzen einliesse und eher der Nachahmer deiner Anrede wäre als deren Würdiger. Vgi. SINGER, SPRW. D. MA III, 103. Nunez fügt hinzu: Otros dtcen: mula mobina Andere sagen: die Mauleselin, Nunez fügt hinzu: De otra manera: el rocin para polvo, y mula para lodo, y macho para todo Anders: Der Gaul für den Staub und die Mauleseiin für den Schlamm und der Maulesel für alles. Dazu steht bei Nunez: For tolio entienden atolladero Unter „tollo" versteht man eine Sumpflache. Von Franck unter der Überschr. Nimmer (Nie) eingeordnet. Dazu REFRANERO 304: forque son las victimas sobre las que se descarga la injusticia brutalidad de los demas Weil sie die Opfer sind, über denen sich die Ungerechtigkeit und Grobheit der übrigen entlädt. Bei Nunez steht dazu: Quiere dear: dexarla holgar en e! estabio, y hartarla de paja, y no herraria Das will heissen: es im Stall ausruhen lassen und es mit Stroh füttern und es nicht beschlagen. Vgl. auch REFRANERO 304: Dice que se debe soltar al prado hastet qtte eure Das heisst, dass es sich auf der Wiese tummeln soll, bis es geheilt ist. Nunez fügt hinzu: De otra manera dice: on na oreila, ou na rabo, a mula be asno Anders sagt man: „Entweder am Ohr oder am Schwanz ist das Maultier ein Esel".

MAULWURF / taupe / mole 1. Maulwürfe sind blind (sehen im Licht nichts} (1-10). -> HAUS 5.2.2. Vgi. EULE 10., FLEDERMAUS -2 2. Der Maulwurf fürchtet, dass ihm die Erde ausgehen könnte (11-12), Vgl. ENTE 9, FURCHT 5.1.4., KRÖTE 1.1., KUCKUCK 8.

151

MAURE

3. Der Tauschhandel des Maulwurfs: die Augen f r den Schwanz (13 — 14} 4. Vergleich: Schwarz wie ein Maulwurf — FRAU 885, 1514, 1519

1. Maulw rfe sind blind (sehen im Licht nichts) 1 i-4 Mgr.

Τυφλότερος άσπάλακος Blinder als ein Maulwurf PS. DIOGENIAN. 8,25, PS.

DlOGENIAN. VlNDOB, 3,79. GREG. CYR LEID. 3,11. APOSTOLIOS 17,35.

5 M l a t . Sicut talpa capta oculis, liberioris aeris beneficium non admittis Wie ein blinder Maulwurf l sst du die Wohltat freierer Luft nicht zu PETR, BLES., EP, 91 (1,281), 6. 7 Talpa Caecior Blinder als ein Maulwurf ERASM., ADAG. COLL. 47 v. ERAS M., ADAG. S CHIL. 1,3,55. Talpa es caecior. — Du bist ganz unverstendig Du bist blinder als ein Maulwurf, - ... HAUER 130. 9 Fr. En tant somes de nature Le fouant, qui en terre oscure Voit der et a leurs ne voit goute Wir sind in so vielem von der Art des Maulwurfs, der in der dunklen Erde klar sieht und anderswo nicht das Geringste [sieht] ROB. D'ARRAS, VERS DE LA MORT 54,1. 10 Dt. Die muwerfen in der erden sint Gar listic und gein dem liebte blint Die Maulw rfe sind in der Erde sehr schlau und im Licht blind HUGO v. TRIMBERG 4801. -* HAUS 5,2.2. Vgl. EULE 10., FLEDERMAUS l -2

2, Der Maulwurf f rchtet, dass ihm die Erde ausgehen k nnte n Mlat. Vnde dicitur, quad talpa timens, ne terra sibi deficiat, nunquam de illa commedit ad saturitatem Daher sagt man, dass der Maulwurf, aus Furcht, dass ihm die Erde ausgehen k nnte, sich nie an dieser satt esse FRANCESCO DA BARB., Doc. Π, 143 (vgl. ERDE ί}. 12 It. Ancora la talpa teme ehe non le venga meno la terra Und dann f rchtet der Maulwurf, dass ihm die Erde ausgehen k nnte GIORD. DA RIVALTO 133. Vgt. ENTE 9, FURCHT 5.1.4., KR TE 1.1., KUCKUCK 8.

3, Der Tauschhandel des Maulwurfs: die Augen f r den Schwanz 2 13 Pro v, La talpa camjet mal Can oyls per coa det Der Maulwurf tauschte schlecht, als er die Augen f r den Schwanz gab G. DE CERVERA 524. 14 S p a n , El trtteque del topo, los ojos por la cola Der Tauschhandel des Maulwurfs: die Augen f r den Schwanz NUNEZ 11,9.

4. s. Inhalts bersicht H. U. S.

Anmerkungen 1

Vgl. TOBLER-LOMMATZSCH X, 142,5 ff. U. ZlLTENER 3229.

2

Belege f r die zugrundeliegende Fabel - Maulwurf und Kr te tauschen Schwanz und Augen, mit dem Resultat, dass ersterer unter der Erde bleibt, letztere sich aber nur noch nachts hervortraut — bei Ralph S. Boggs, Index of Spanish Folktales, Helsinki 1930 (= FF Communications 90), 38, Nr. 287. Vgl. auch CRUSCA J s.v. botta § 2 (La Botta per non chiedere non ebbe coda Wei! die Kr te nicht gefragt hatte, hatte sie keinen Schwanz) u. C. Pasquaiigo, Raccolta di proverbi veneti, Treviso 31882 (Nachdruck Bologna 1976}, 341 (La rana, per no dimandar, g'ha persa ία coa Weil der Frosch nicht gefragt hat, hat er seinen Schwanz verloren).

MAURE s. MOHR

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MAUS / souris / mouse Hier auch MAUSEN, RATTE Vgl. FANGEN, JAGEN, KATZE 1. Katze und Maus 1.1. Katze und Maus leben immer im Streit —* HAHN 12 — 17, 22 1.2. Zwei Katzen und eine Maus kommen nicht überein —* HUND 549, 55 1.3. Die Katze ist der Maus überlegen —· KATZE 7.3. 1.4. Es braucht viele (kühne) Mäuse, wenn sie es mit einer Katze aufnehmen wollen (1—3) 1.5. Die Maus, die sich im Ohr (auf dem Kopf) der Katze einnistet (4-6) 1.6. Maus, bleibe im Loch, willst du nicht den Katzen zum Opfer fallen (7—8) 1.7. Die Maus sucht Orte auf, wo keine Katze ist (9—11) 1.8. Ist die Katze aus dem Haus, so werden die Mäuse übermütig —* KATZE 7.12. 1.9. Die Katze iässt das Mausen nicht — KATZE 4.1., NATUR 28,41 1.10. Die junge Katze lernt rasch mausen -* KATZE 96,98-118 1.11. Die (satte) Katze spielt mit der Maus —* KATZE 7.5. 1.12. Wenn die Katze mit der Maus gespielt hat, frisst sie sie —* KATZE 7,6, 1.13. Wenn die Katze Junge hat, maust sie fleissig —* KATZE 7.7. 1.14. Der schlechten Katze (Ratte) eine schlechte Ratte (Katze) —· KATZE 7.11. 1.15. Wer mit Katzen jagt, fängt Mäuse — KATZE 7.9. 2. Fangt Mäuse, ohne zu miauen (12 — 14) 3. Fuchs und Maus 3.1. Eine kluge Maus lädt den Fuchs nicht zu sich nach Hause ein (15—16) 3.2. Ein Fuchs, der keine Mäuse fängt, muss umkommen —» FUCHS 12.5.2. 3.3. Ein Fuchs, der keine Mäuse fängt, strebt nach einem höheren Amt —· FUCHS 12.5.1. 4. Die Maus und ihr Loch Vgt, oben 1.6.t unten 16,3. 4.1. Der Maus, die nur ein Loch kennt, ergeht es schlecht (17-49). Vgl. FUCHS 15.1. Variiert (SO) 4.2. Die Maus, die nicht ins Loch hineinkommt, bindet sich einen Schlegel an den Schwanz (trägt einen Kürbis) (S l-58) 5. Die Maus und der Sack

5.1. Die Maus im Sack lohnt es ihrem Wirt übel (59-6V. — SCHLANGE 63-66, 68, 71. Vgl. FEUER 1.1.2.2., 14.5., FUCHS 229, KOHLE 7., KRÄHE 6., LAUS SS, SCHLANGE 3.2.4., 5.1. 5.2. Die Maus ist gerne im Beutel des Bettlers (der armen Frau) (62—63) 5.3. Vereinzelt (64) 6. Der satten Maus schmeckt das Mehl bitter (65—75). Vgt. SATT 1.7. Ähnlich {76} 7. Hausmaus (Kellermaus) verdirbt nicht (77—78) 8. Keine Maus erstickt unter einem Heuhaufen (79—81) 9. Noch lebt die Maus (82-83) 10. Mit Speck fängt man die Maus (Ratte) — SPECK 1. Vgl. SPECK 11.1. 11. Die Maus in der Falle muss den Speck teuer bezahlen (hat ein schlechtes Fest) (84—85) 12. Das Haus, in dem die Maus nichts zu fressen findet (86—89) 13. Mäuse zernagen Schuhe (90—91) 14. Die Maus hat Pech versucht (92-104) 15. Die Berge gebären eine Maus —» BERG 4. 16. Redensarten und Vergleiche 16.1. Nach der Maus werfen (105-109) 16.2. Furchtsam wie eine Maus (in der Falle) (110—111)

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16.3. In ein Mauseloch fliehen (112-114) 16.4. Wie ein Rind ins Mauseloch — HIMMEL 2.6.2. 16.5. Schweigen wie eine Maus (115-120). -» MUND 242 16.6. Spielen wie die Katze mit der Maus —* KATZE 23.7. 16.7. Mäusedreck unter dem Pfeffer (als Pfeffer) — PFEFFER 6. 16.8. Mäuse riechen -^ RIECHEN 8.1. 16.9. Verschiedenes (121 -l25) 17. Verschiedenes (126-138)

1. Katze und Maus 1.1.-1.3. s. Inhaltsübersicht 1.4. Es braucht viele (kühne) Mäuse, wenn sie es mit einer Katze aufnehmen wollen 1 Fr. Prow covienf ke soient U rat> Qui voeittent assaillir le chat Die Ratten müssen tapfer sein, die die Katze angreifen wollen ROB. DE BLOIS, BEAÜDOUS 1793 (vgl. FALKE 15., PAPST 14, ZAUNKÖNIG 1). 2 N o r d . Murilegum mures nexuri stnt sibi plures. — The senile wcere manghe mess een kat sculle bijdhe Es müssen viele Mäuse sein, wenn sie eine Katze binden 1 wollen. — ... beissen wollen LÄLE 601. 3 Dt, Swä miuse loufent eine katzen an, Vnde diu verbizzen wirt, Da muoz der miuse sin gar vil Wo Mäuse auf eine Katze losgehen und diese zerbissen wird, da muss es sehr viele Mäuse haben WBKR. FL 17,3.

L5. Die Maus, die sich im Ohr {auf dem Kopf) der Katze einnistet 4 M l a t. Rem ludo, si quando fuit mirabile dictu: Mures haud fatiunt nidos in uertice catti Ich spotte darüber, auch wenn es einmal wunderbar zu sagen war: Mäuse machen keine Nester auf dem Kopf der Katze EGBERT., FEC. RAT. 1,709. 5 Engl. AM hardy mows, that is bold to brede In cattys eris Eine kühne Maus, die es 6 wagt, in Katzenohren zu brüten LYDGATE, MIN. POEMS 11,452,95. It is a sotill mowsse, that slepith in pe cattis ere Es ist eine schlaue Maus, die im Ohr der Katze schläft HILL 104,4.

1.6. Maus, bleibe im Loch, willst du nicht den Katzen zum Opfer fallen 7. s Dt.

Mauß bleibe inn dem loch, wiltu nitt den katzen werden FRANCK 1,35 v. EGE-

NOLFF 296 V.

1.7. Die Maus sucht Orte auf, wo keine Katze ist 9 Engl. The mowse goth a-brode, wher fie cat is not lorde. - Mus deuagatur, vbi catus non dominatur Die Maus zieht fort, dorthin, wo die Katze nicht Herrin ist. — ... wo die Katze nicht herrscht HILL 105a,48. w Dt. Diu müs ungerne ziuhet kint, Swä si wetz, da katzen sint Die Maus zieht ungern 11 Kinder auf, wo sie weiss, dass Katzen sind FREI DAN 141,13. Es ist nit groß wunder, ob die mim zuo dem herd gänd so die katz da von körnet Es ist kein grosses Wunder, wenn die Mäuse zum Herd gehen, wenn die Katze von da kommt WACKERN., LB. 840 (Kuchimeister, Casus Sancti GalH).

1.8.-1.15. s. Inhaltsübersicht 2. Fangt Mäuse, ohne zu miauen 12 Nl. Muyst wel ende mauwet niet. — Prendtte feruenter mures abs voce latenter Maust gut, und miaut nicht! — Fangt eifrig Mäuse, still und heimlich! PROV. COMM, 517.

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13 Dt. Muset vnde mawet nycbt Maust, und miaut nicht! PROV. COMM. MND. 502. 14 Muse unde mauwe nicht! — Prende lupum tacite, mures venare latenter Mäuse, und miaue nicht! — Fange den Wolf lautlos, jage die Mäuse heimlich! TUNNICIUS 1224.

3. Fuchs und Maus 3.1. Eine kluge Maus lädt den Fuchs nicht zu sich nach Hause ein is Dt. Ez hat selten wtsiu müs Den fuhs geladen heim ze hüs Es hat selten eine kluge 16 Maus den Fuchs zu sich nach Hause eingeladen FREIDANK 141,11. St $it consilio sano mens praedita muris, Exborret fedas epulas vulpts quasi funs. - Es hat seidin eyn weise maus Den fuchsz gepetin czcu haus Wenn der Verstand der Maus mit gesunder Klugheit begabt ist, schreckt sie vor den grässlichen Mahlzeiten mit dem Fuchs als einem Dieb zurück. — Es hat selten eine kluge Maus den Fuchs nach Hause gebeten FREIDANK LAT. (GöRLiTz) 904.

3.2. —3.3. s. Inhaltsübersicht 4. Die Maus und ihr Loch Vgl. oben 1.6., unten 16.3, 4.1. Der Maus, die nur ein Loch kennt, ergeht es schlecht 17 La t. Cogitato, mus pusillus quam sit sapiens bestia, Aetatem qui non cubili uni umquam committit suam Überlege dir, was für ein kluges Tier die winzige Maus ist, die ihr Leben nie nur einer Lagerstatt anvertraut! FLAUT., TRUG. 868, 18 M l a t . Ad caueas laris ostiolo ue muribus uno! Quo fugient, illud quando obturaueris unum? Wehe den Mäusen mit einem einzigen Türchen zu den Wohnlöchern! Wohin werden sie fliehen, wenn man ihnen dieses eine verstopft hat? EGBERT., FEC. RAT. 19 1,621. Muri nulla salus, cut pervius e$t cavus unus Für die Maus gibt es keine Ret20 tung, der ein einziges Loch zugänglich ist WERNER 2 m 90. Mus (eve capitur, Quod semper utitur Uno refugio Die Maus wird leicht gefangen, wenn sie immer ein einziges 2l. 22 Schlupfloch benützt HAUREAU IV, 314 (13. Jh.). Infelix mus est cui non uno lare plus est Das ist eine unglückliche Maus, die nicht mehr als einen Schlupfwinkel hat MSD 23. 24 27,2,86. WERNER 2 m 93. Mus miser est, antro qui tantum clauditur uno Das ist eine elende Maus, die in einem einzigen Loch eingeschlossen ist PROV. WRATISLAV. 342. 25 WERNER 2 m93. Mus non uni fidit antro. Nihil hodie est decantatius apud uulgus, quam eum murem esse miserum, cut non est nisi unus cauus Die Maus verlässt sich nicht auf ein einziges Loch. Nichts ist heute im Volksmund geläufiger, als dass die Maus unglücklich ist, die nur ein einziges Loch hat ERASM,, ADAG. CHIL. 5,1,4, 26 Fr. Sons ki n'a c'un trau poi dure Die Maus, die nur ein Loch hat, lebt kurze Zeit 27 RENAUT, LAI D'!GNAURE 373, La sorts ki n'a c'un pertruis Est molt tost prise et enganee Die Maus, die nur ein Loch hat, ist sehr rasch gefangen und überlistet EBD. 28 480. La sorit est tote prise que na que un pertus. — Mus cito decipitur, cui tantum rimula scitur Die Maus wird wohl gefangen, die nur ein Loch hat. — Die Maus wird 29 rasch gefangen, der nur eine kleine Spalte bekannt ist ZACHER 252. Mout a souriz povre secours E fait en grant perill sä druige Qui n'a qu'un pertuis a refuige Die Maus erhält sehr wenig Beistand und sammelt ihren Vorrat unter grosser Gefahr, die nur ein 3f> Loch als Zuflucht hat J. DE MEUN, ROSE 13150. Quer la souriz est tantost prise Qui n'a que une voie aprise Denn die Maus ist bald gefangen, die nur einen Weg kennt 31 CLEF D'AM. 3103. La souriz est mauvese qui ne set c'um pertuis Die Maus ist un32 glücklich, die nur ein Loch kennt MORAW. 1035. Perdue est la souris, on le dit de piec'a, S'elle ne scait qu(e)'vng trou; le chat l'estranglera Verloren ist die Maus, man

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sagt es seit langem, wenn sie nur ein Loch kennt: Die Katze wird sie erw rgen GALIENS 105,47 S. 143. Dahez ait la soriz qui ne set c'un pertuis Ungl ck ber die Maus, die nur ein Loch kennt! MORAW. 449. La soriz set plus d'un pertuis Die Maus kennt mehr als ein Loch EBD. 1036. Doiente la souris qui ne set c'un pertruis Ungl cklich (ist) die Maus, die nur ein Loch kennt PROV. RUR. 15. Quant ne set c'un seul trou, perdue est li soris Wenn sie nur ein einziges Loch kennt, ist die Maus verloren B. DE SEB. 3,232. La surriz est abate qi n'ad que un pertuz Die Maus ist ratlos, die nur ein Loch hat CAMBR. SAMML. (+ LEROUX 11,477). La soryce est touth prise qy ne set ke vn pertuz Die Maus ist sicher gefangen, die nur ein Loch kennt MORAW., INEDITA 11 29. La souris est tost prinse qui n'a q'un pertus Die Maus ist bald gefangen, die nur ein Loch hat ET, LEGRIS 370. Li son's qui ne set que par un trou passer Se uoit a son yssure souvent attraper Die Maus, die nur durch eine ffnung schl pfen kann, wird oft gefangen, wenn sie herauskommt MARTIN DE COTIGNIES, POEME SUR LE REGNE DE CHARLES VI (1445 [-»NOTICES ET EXTRAITS 6,466]). Trop maleureuse est la souris Qui ne cognoist plus d'une sorte De pertuys par ou eile sorte Sehr ungl cklich ist die Maus, die nicht mehr als ein[e Art] Loch kennt, durch das sie herauskommt G. ALEXIS 1,49,1134 (ABC). S p a n . No ay cosa mas perdida, hija, que el mur que no sabe sino vn horado Es gibt keine verlorenere Sache, Tochter, als die Maus, die nicht mehr als ein Loch kennt CELESTINA 139 (7). El mur que no sabe mas de un horado, presto le toma el gato Die Maus, die nicht mehr als ein Loch kennt, wird rasch von der Katze gefangen NUNEZ II, 77. Raton que no sabe mas de un horado, presto le toma el gato EBD. III, 343. AI raton, que no s he mas de un horado, aquel atapado: presto le toma el gato Die Maus, die nicht mehr als ein Loch kennt, wird, wenn dieses verstopft ist, rasch von der Katze gefangen HALLER 123. Nord, llle miser mus est cut non vno lare plus est. — Thet &r een vsell mwss tber eij haffwer vdhen eeth hwl Das ist eine elende Maus, die nicht mehr als einen Schlupfwinkel hat L LE 489. Engl. / holde a mouses herte nat worth a leek That hath but oon hole for to sterte to, And if that faille, thanne is al y-do F r mich ist das Herz einer Maus keinen Pfifferling wert, wenn sie nur ein Loch zum Hineinschl pfen hat, und wenn dieses versagt, dann ist altes verloren CHAUCER, WIFE OF BATH'S T. Pro). D 572. D t , Die nit dan ein loch hat, daz ist ein arm mus Das ist eine arme Maus, die nicht mehr als ein Loch hat SAL. u. MARK. 268. Das ist wol ain arme maus, Dy nit mer hatt denn ain haus Das ist wohl eine arme Maus, die nicht mehr als ein Haus hat KLAGENFURT 9. Vgl. FUCHS 15.1. Variiert: Fr. Dolenz li soriz qe ne set pertuz Ungl cklich ist die Maus, die kein Loch kennt MORAW., INEDITA II a 6.

4.2. Die Maus, die nicht ins Loch hineinkommt, bindet sich einen Schlegel an den Schwanz (tr gt einen K rbis) 2 51 Mg r. Μυς εις τρώγλην ου χωρών, κολοκύνταν έφερε ν Die Maus, die nicht ins Loch hineinkam, trug einen K rbis APOSTOLIOS 11, 90. 52 MIat. Mus massam trahit et nequit ipse subire foramen Die Maus zieht einen Schlegel 53 und kann selber nicht ins Loch kriechen EGBERT., FEC. RAT. l, 189. Terratn, nisi massa neget, cum mure subibis Du wirst mit der Maus unter die Erde kriechen, wenn es der 54 Schlegel nicht verbietet EBD. 1,1213, Sorex que non potest ire ad suum foramen malleum ad suam caudam ligat Die Maus, die nicht in ihr Loch gehen kann, bindet

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55 sich einen Schlegel an ihren Schwanz SAL. ET MARC, 98 b. Cum caudam cumulat mus robore, non specus intrat Da sich die Maus den Schwanz mit einem Holzblock belädt, 56 kommt sie nicht ins Loch hinein WERNER 2 c 174. Mus non Ingrediens antrum, cucurbitam ferebat Übers, wie 51 ERASM., ADAG. CHIL. 3,3,79. 57 Span. £/ mur no cabia en el borado, y atose una maza al rabo Die Maus kam nicht ins Loch hinein, und sie band sich eine Keule an den Schwanz NUNEZ 11,44. 58 Dt. Den alten Spruch den sprichst man: Also diu mus ze neste nien' müge, so bind(e) ir einen slegel an Man spricht den alten Spruch: „Wenn die Maus nicht ins Nest hineinkann, so binde ihr einen Schlegel an!" HELLEFIUR 4 (+MSH III, 34a).

5. Die Maus und der Sack 5.1. Die Maus im Sack lohnt es ihrem Wirt übel 59 Mlat. Sie respondet hospiti suo mus in pera So vergilt es die Maus im Sack ihrem 60 Wirt PETR. VIN., IN ECCL. 28. Malum est, murem in pera nutrire; hoc est: babere familiärem et domesticum hostem Es ist schlecht, eine Maus im Sack zu ernähren, d. h., einen vertrauten und zum Hause gehörigen Feind zu haben BEBEL, PROV. GERM. 591. 61 Dt, Waist nicht, daz man sprichet daz: Maus im sak und laus im nak, Matz im baus und feur im kübel, Die bzalent iren Wirten übel? Weisst du nicht, dass man das sagt: „Maus im Sack und Laus im Nacken, ein Mädchen irn Haus und Feuer im Kiibel, die lohnen es ihren Wirten übel"? WITTENWILER, RING 3768. - SCHLANGE 63-66, 68, 73, Vgl. FEUER 1.1.2.2., 14.5., FUCHS 229, KOHLE 7., KRÄHE 6., LAUS 58, SCHLANGE 3.2.4., 5.1.

5.2. Die Maus ist gerne im Beutel des Bettlers (der armen Frau) 62 Mlat. Mus inpune satis mendici in falle superbit Die Maus benimmt sich ganz ungestraft übermütig im Beutel des Bettlers EGBERT., FEC. RAT. 1,347. 63 Nord. Mus vbi quit peris inopis latitat mulieris. - Ee aer mwss som hwn maa i fattigh kones poos& Wenn sie kann, verbirgt sich die Maus in den Taschen der armen Frau. — Immer ist die Maus, wenn sie kann, in der Tasche der armen Frau LÄLE 602.

5.3. Vereinzelt 64 It. Che verra H tempo, ehe topo l[a] borsa roderäe Denn die Zeit wird kommen, wo die Maus den Beutel zernagen wird TAV. RIT. 1,399 Kap. 101.

6. Der satten Maus schmeckt das Mehl bitter 65 Mlat. Sorice iam plena continget amara farina Wenn die Maus schon satt ist, wird 66 ihr das Mehl bitter schmecken MSD 27,2,225. Mus satur insipidam diiudicat esse farinam Die satte Maus beurteilt das Mehl als unschmackhaft WERNER 2 m 95. 67 Dt. So dy maus sät ist, so ist ir das mel pitter. — Dum plenus mus est, tunc tota farinula acerba Wenn die Maus satt ist, so schmeckt ihr das Mehl bitter. — Wenn die 68 Maus satt ist, dann ist alles Mehl bitter FREI DAN LAT. (GRAZ) 124. Wan dy maus 69 vol ist, so ist ir bitter das mel PRAG 54. Wen dy mawsz sath ist, so ist das me} bitter "70 PROV. ERID. 317. Wenn die mauß satt ist, so ist das mebl bitter AGRICOLA Nr. 146. 73, 72 Wann die mauß sät ist, so ist das meel bitter EGENOLFF 80 r. Wann aber die mauß 73 vol ist, so ist das mel bitter FRANCK 1,43 v. Wenn die mauß vol ist, so ist das mel 74. 75 bitter EBD. 1,144 r. Wann die mauß vol, ist das meel bitter EBD. 1,162 v. Wenn die Maus des Mehls satt ist, so schmeckts jr bitter LUTHER, WA XLVIII, 170 Nr. 222 Z. 4. Vgi. SATT 1.7.

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Ähnlich;

76 Dt. Die yhrer kranckheyt vergessen, vnd des melhs, wie die mauß, nu satt sind Die ihre Krankheit vergessen und wie die Maus des Mehls nun überdrüssig sind LUTHER, WERKE 11,350,21 (1522). 7. Hausmaus (Kellermaus) verdirbt nicht 77 Dt. No« raws ille pent, props qui cellaria querit, - Hus mus verdirbet niht Die Maus verdirbt nicht, die die Speisekammern in der Nähe aufsucht. — Hausmaus verdirbt 78 nicht FREI DAN S. 241 (Hs. Stettin S. 242 b). Cheler matts verdirbt nicht. - No« mus tile pent, bona que (lies mit WALTHER 18078: qui} cellaria querit Kellermaus verdirbt nicht. — Die Maus, die gute Speisekammern aufsucht, verdirbt nicht FREIDANK LAT. (GRAZ) 272. 8. Keine Maus erstickt unter einem Heuhaufen 79 D t. £5 erstickt kein mauß vnder einem bew hauffen, sprechen wir, so sich ein klein weiblin, eins grossen mans vndersteht „Es erstickt keine Maus unter einem Heuhaufen", sagen wir, wenn eine kleine Frau mit einem grossen Mann geschlechtlich verkehrt 80 FRANCK II, 149 v. £s ersticket kein mauß vnder einem hawshauffen EGENOLFF 196 v. 81 Das kain maus, wie klain sie Joch ist, under ainem grossen hewschochen erstickt Dass keine Maus, wie klein sie auch ist, unter einem grossen Heuhaufen erstickt ZIMMER. CHRON. 111,81,6. 9. Noch lebt die Maus 82 Fr. Si fais a toutes gens savotr Qu'encore est vive la sottris! So lasse ich alle Leute S3 wissen, dass die Maus noch lebt CH. D'ORLEANS Ballade 82,8. Encore est vive la sons Noch lebt die Maus J. MIELOT 108 (= MORAW. 638). 10. s. Inhaltsübersicht 11. Die Maus in der Falle muss den Speck teuer bezahlen (hat ein schlechtes Fest) 84 It. Topo ehe mangia in trappole, Caro gli costa il lardo Der Maus, die in Fallen frisst, kommt der Speck teuer zu stehen LAPO DEGLI UBERTI (+ ANT. DA TEMPO App. S, 370). 85 Dt. Dm müs hat boese hochgeztt, Die wüe s' in der vallen lit Die Maus hat ein schlechtes Fest, während sie in der Falle liegt FREIDANK 141, 9.

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12. Das Haus, in dem die Maus nichts zu fressen findet Dt. Da keime in min selbes hüs, Da win gefrönt vil selten müs Daheim in meinem eigenen Haus freut sich sehr selten eine Maus WOLFRAM v. ESCHENBACH, PARZIVAL 185,1. ...In ein also armez hüs, Da diu katze noch diu müs Sich niender inne moht ernern In ein so armes Haus, dass sich darin weder Katze noch Maus ernähren konnte REINBOT v. DURNE 1895. Und unrätes ein vollez bus, In dem ofte manic müs Getanzet und geretet hat, So si anderswä was worden sät Und ein ganz leeres Haus, in dem oft manche Maus getanzt und Reigen aufgeführt hat, wenn sie anderswo satt geworden war HUGO v, TRIMBERG 1607. Swelch müs der bachen leben sol, Diu mac wol suochen ein ander hol, Wenne si hie nicht vinden kan Die Maus, die von Speck leben will, die soll nur ein anderes Loch suchen, da sie hier keinen finden kann EBD. 10569.

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13. M use zernagen Schuhe 90 Dt. Seneca spricht. Es ist kein wunder das die me die sch cb (Schuhe) zernagen, es wer aber ein wunder wenn die sch ch die me zernagtent GEILER, BR SAMLIN 91 l, 63 b. Sie quiaam Romani dicebant: Wie gehet mirs so bel, die meuse haben mir die sch ch, non mirum, sea si calcei die meuse ketten etc. So pflegten gewisse R mer zu sagen: „Wie geht es mir so bel, die M use haben mir die Schuhe (zernagt)! Das ist kein Wunder. (Es w re) aber (ein Wunder,) wenn die Schuhe die M use (zernagt) h tten" LUTHER, WA XLIX,13,3 (1540).

92 93 94. 95 96-9S 99 ιοο l Oi 102.103 104

14. Die Maus hat Pech versucht 3 Gr. "Αρτι μυς πίττης γεύεται Soeben hat die Maus Pech versucht DEMOSTH. 50,26. Μυς, φαντί, Θυώνιχε, γεύμεθα πίσσας (Wie) die Maus, Thyonichos, habe ich Pech versucht, wie man sagt THEOKR. 14,51. Mgr. "Αρτι μυς πίττης γεύεται bers, wie 92 PS. DIOGENI N. 2,64. Μυς άρτι πίττης γεύεται EBD. 6,41. "Αρτι Μυς πίσσης γεύεται PS. DIOGENI N. VINDOB. 1,72.4 "Αρτι μυς πίσσης γεύεται MAKARIOS 2,36, APOSTOLIOS 3,81. Μυς πίττης γεύη Maus, du hast Pech versucht MAKARIOS 6,6, Μυς πίσσης γεύεται Die Maus hat Pech versucht APOSTOLIOS 11,89. Mlat. Tandem mus picem gustauit Zuletzt hat die Maus Pech versucht ERAS M., ADAG. COLL. 33 r. M«s picem gustans Die Maus versucht Pech ERASM., ADAG. CHIL. 2,3,68. FRANCK II, 89 r. Dt. Die mau hat das bech, Der vogel den leym versacht FRANCK 1,46 r.

15. s. Inhalts bersicht 16. Redensarten und Vergleiche 16.1. Nach der Maus werfen 5 105 Dt. Sich begab leyder, Das der schneyder bhilt etlich st ck Thttchs, ihm doch selbs zu ungei ck, Die der schneyder warff in seim hau , Wie das Sprichwort sagt, nach der mau Es begab sich leider, dass der Schneider etliche St cke Tuch behielt, sich selber zum Ungl ck, die er in seinem Haus, wie das Sprichwort sagt, nach der Maus warf 106 SACHS IX,276,12 (1556). Het im anzeiget alle fleck An eim panier, so v ... Nach den meu&en geworffen het Et (seil, der Teufel) habe ihm (seil, dem Schneider) an einem Banner all die Tuchst cke gezeigt, die er nach den M usen geworfen habe EBD. 107 XXI, 181,31 (1563}, Nach dem schneit er vom g lden st ck Ein fleck und sprach: Das wait als gl ck! War ff den geschwind hin nach der mau Danach schnitt er vom 108 Goldstoff ein St ck ab und sprach: ... EBD. XXI, 182,24 (1563). Warff nach der mau gleich wie vor hin Sein lebenlang, und steh nach gwinn Er warf gleich wie vorher sein Leben lang nach der Maus und strebte nach Gewinn EBD. XXI, 182,28 (1563). 109 ... Wenn du den leuten ab hast tragen, Die fleck geworffen nach der mau Wenn du die Leute bestohlen, die Tuchst cke nach der Maus geworfen hast EBD. XXI, 184,32 (1563).

16.2. Furchtsam wie eine Maus (in der Falle) no N o r d . Er pv vart sva hreddr ... sem mvs i screppv Der du so furchtsam warst wie eine Maus in der Falle MORKINSKINNA 139,1. ill Engl. Ferful for drede as a litel mows Furchtsam vor Schreck wie eine kleine Maus LYDGATE, TROY BOOK 2,3024.

159

MAUS

16.3. In ein Mauseloch fliehen 112 M l a t . Si posses muris in antrum Repere, momentum non paterere foris Wenn du in ein Mauseloch kriechen könntest, würdest du es keinen Moment länger draussen aushaken NlVARD,,, YSENGR. 3,267. i u Engl. For feere ... l wold haue cropyn in a mouse hoole Aus Angst wäre ich gern in ein Mauseloch gekrochen Ass. OF GODS 1952. 114 Dt. Und fluhen ze loche sam diu müs Und sie flohen ins Loch wie die Maus HARTMANN v. AUE, EREC 6655. 16.4. 115

6 117 118 n? 120

s. Inhaltsübersicht

16.5. Schweigen wie eine Maus La t. Quo victo tanta in Oriente quies fuit, ut, quem ad modum vulgo loquebanturt mures rebelles nullus audiret Nachdem dieser besiegt worden war, herrschte im Orient eine solche Ruhe, dass, wie man im Volksmund zu sagen pflegte, niemand (auch nur) aufständische Mäuse hörte VOPISC., PROB. 18,4. Nl. So stvijcht hi stilre dan een muus So schweigt er stiller als eine Maus L. v, VELTHEM, SPIEGEL HIST. 5,2429. Dt. Sie wären stille sam ein müs Sie waren still wie eine Maus LIVL. RCHRON. 5980. Die firwitz schwaig recht, als am Maus Die Vorwitzige schwieg gleich wie eine Maus HÄTZLERIN 2,8,387. Stvigent darzuo als ain müs Schweigt darüber wie eine Maus! Zu FELDKIRCH 40 (+LILIENCR., HIST. VOLKSL. 11 [= LIEDERSAAL 187,40]}. Er sweig stillert dann ein maus Er schwieg stiller als eine Maus KELLER, ERZ, 296,5. -* MUND 242 16.6.—16.8. S.Inhaltsübersicht

12i 122 123 124 125

16.9. Verschiedenes Fr. Ausi est cum soriz en meie Poples que justice n'aleie Das Volk, welches das Gesetz nicht bindet, ist wie eine Maus auf dem Getreidehaufen BEN., CHRON. 2,11307. Tuit estes pris et mart autresi come U raz est dedenz la ratoire Ihr seid alle gefangen und dem Tod nahe wie die Ratte in der Rattenfalle LIVRE D'ARTUS 19,28, Kat. Aitant com lo rat tem lo gat, Haga paor de far peccat So wie die Maus die Katze fürchtet, sollst du Angst davor haben zu sündigen LULL, PROV. 8. Dt. Dem süln die miuse danken Dem sollen die Mäuse danken HUGO v. TRIMBERG 22258. Sterben si den müsen gseit Sterben sei den Mäusen gesagt6 HUGO v. FORT 29, 80.

17. Verschiedenes 126 M l a t . Est müs ut mater: est amborum color ater Die Maus ist wie ihre Mutter: Beider Farbe ist schwarz WERNER 2 e78 (vgl. ALT 6.4.I., EI 7., ELTERN 1.1., ERZIEHEN 3.3., ESEL 451, FALKE 60, FUCHS 5., HAHN 4.3., HELMBRECHT l, HUHN 86, HURE 2.1., JUNG 4.5.1., KATZE 4.2., KRÄHE 153, KREBS 5-6, KUCKUCK 61, LEHRE 6.1., MUTTER 2.1., REBE 3, RIND 22.1., SCHWEIN 9.3., SINGEN 11., TOCHTER 1.1., VATER 2.1,3., VOGEL 259, WOLF 13.-14.1., ZIEGE 6.-8.J. 127 Fr. A la coue coneyt (Hs. coueyt) len le rate! Am Schwanz erkennt man die kleine 128 Ratte MORAW., INEDITA la 19, A tan se recongnoit le rat ... Quant par la queue le tient chat Zu spät merkt die Ratte, was vorgeht, wenn die Katze sie am Schwanz hält PROV. EN RIMES 694.

MAUSEFALLE

160

129 It. Cascato e ne Vorcio U topo! Die Maus ist in den Ölkrug gefallen BIBBIENA, CALANDRIA 115 (5,2), 130 Span. Acogt al raton en mi agujero, y tornoseme heredero Ich nahm die Maus in meinem Loch auf, und sie wurde meine Erbin NUNEZ 1,14 (vgl. HAHN 2.3,). 131 N o r d . Muribus id dapinat quod crastina cura reclinat. - Then ggmmer til m00$$ til m0rghen g0mmer Er setzt den Mäusen vor, was er aus Sorge für morgen beiseite legt (wörtl.: was die Sorge für morgen beiseite legt). — Der bewahrt für die Mäuse auf, 132 (der) für morgen aufbewahrt LÄLE 603. Mus nequit vt mannus ita pedere ni crepit anus, — Mw$$ ficerther eij som hce&t vdhen r&ffwen reeffner Die Maus kann nicht so furzen wie das Pferd, ausser der Arsch birst. — Die Maus furzt nicht wie das Pferd ... 133 EBD. 628. Quamuis terrore tarnen esus müs vacat ore. — Mwss wil haffwe madroo alligewel thet eer meth r SIEB 35

2.2.4. Ebensogut oder eher könnte das Meer trocken (ausgetrocknet) werden 43 Lat. Tu prius et fluctus poteris siccare marinos Du wirst auch eher die Meeresfluten austrocknen können PROP. 2,32,49. 44 Fr. Mes a la mer feire tarir Porroit autressi bien aniandre Aber es könnte ebensogut darauf ausgehen, das Meer zum Austrocknen zu bringen CRESTIEN, LANCELOT 3332. 45 Dt. Ich wände ez mohten sanfter meres flute. Trvcken werden Ich meinte, es könnten eher die Meeresfluten trocken werden ALBR. v. SCHARFENBERG, J, TITUREL 3583. — ARM (Adj.) 282-283, PFAFFE 126-128 2.2.5. Verschiedenes 46 Dt, Der wil das mer yn eyne flasche gyssin ... Ich sulde das meher in dy flasche gyssin Der will das Meer in eine Flasche giessen. Ich sollte das Meer in die Flasche 47 giessen PROV. FRID. 178. Im meer wasser suchen FRANCK 1,4 r. 3. Das Meer hat salzhaltiges, nicht trinkbares Wasser 3.1. Aus dem Meer gewinnt man Salz 48. 49 Span. A/ mar por sal Zum Meer urn des Salzes willen NUNEZ I, 64, De la mar la sal, de la muger mucho mal Vom Meer das Salz, von der Frau manches Übel EBD. 1,276.

165

MEER

3.2. Meerwasser löscht den Durst nicht 50 MI at. Fönte sitis cedit modico; magnum mare laedit Dank eines kleinen Brunnens weicht der Durst; das grosse Meer (dagegen) reizt ihn WERNER 2 f 57, si Dt. Daz mer ist boese für den durst Und hat doch wäc und manegen uisch Das Meer ist für den Durst schlimm, und es hat doch Wasser und manchen Fisch WALTHER v. D. 52 VOGELWEIDE XXIX, 15 (unecht). Daz mer ist tief unde naz, Doch büezet durst ein brunne baz Das Meer ist tief und nass, doch löscht ein Brunnen den Durst besser FREIDANK 114,17. Vgl. DURST 22 4. s. Inhaltsübersicht 5. Das Meer ist kein entzündbares Element 5.3 M l a t. Sicut scintilla silicis pelagus nequit inflammare Wie der Funke des Feuersteins das Meer nicht entzünden kann HROTSVITHA 158,14 (Abraham 7,11). 54 Fr. Par ma force et par mon pooir Vodrai aler la mer ardoir Ich habe im Sinn (worth: werde wollen), mit meiner Kraft und meinem Können das Meer verbrennen zu gehen ,289,9, 55 Dt. Ob du mit einem vunken, Der da gat von einer glut, Verbrennen mach des meres vlut Wenn du mit einem Funken, der von einem Feuer ausgeht, die Wasserflut des Meeres verbrennen kannst VÄTERBUCH 33098. Vgl. WASSER 10,1. 6. Das Meer hat Gezeiten und Wellenbewegungen 4 6.1. Das Meer hat Ebbe und Flut 56 Fr. O« dist: „Trois fois le jour va li mers et revient" Man sagt: „Dreimal im Tag geht 57 das Meer und kommt wieder zurück" GILLES n MUISIS 11,201. Plaine lune, mer au grant Vollmond: Das Meer bei Hochflut MORAW. 1641. Vgl. EBBE l -4 6.2, Das Meer hat immer Wellen 5S M l a t . Qui prohibere putat pelagus ne fluctuet, ignem Ne caleat, studio fallitur iüe suo Wer zu verhindern glaubt, dass das Meer Wellen hat und das Feuer warm ist, der wird in seinem Eifer betrogen G. BLES., ALDA 541. — FRAU J 99 7. Das Meer hat verschiedenen Seegang 7.1. Wenn das Meer ruhig ist, ist es (leichter) befahrbar 59 M l a t . Quieto mari recte navem et imperitus dirigit Wenn das Meer ruhig ist, lenkt auch der Unerfahrene das Schiff sicher GREG. M., REG. PAST. 1,9 (22 B). 60 Port. Deus diante, he o mär chaom Gott voran, das Meer ist glatt! NUNEZ 1,305 (et Portugues). 61. 62 Dt. Wann das meer still ist, so kan ein ieder faren FRANCK II, 102 r. EGENOLFF 93 v. 7.2. Wenn die Winde wehen, ist das Meer nicht ruhig 63 Lat. Atqutn turbari sine ventis non solet aequor Aber ohne Winde pflegt das Meer nicht aufgewühlt zu werden ANTHOLOG. LAT, L2,726,8.

MEER

166

64 Fr. La mer n'tert ja si apaistee Qu'el ne sott troble a poi de vent Das Meer wird nie so ruhig sein, dass es nicht durch wenig Wind aufgerührt würde G. DE LORRIS, ROSE 3494. 65 Dt. Dat mer is nicht stille als it stormet van winde. — Non märe tranquillum, dum tempestate movetur Das Meer ist nicht ruhig, wenn es von Winden stürmt. — Das Meer ist nicht ruhig, wenn es vom Sturm bewegt wird TUNNICIUS 1091.

7.3. Wenn das Meer bei Windstille aufgerührt ist, kündet dies Sturm an 66 It. Conosco allora a' naviganti grandissima tempesta esser apparecchiata, quando senza vento enfiano i man tranqmtti Ich weiss, dass sich für die Seefahrer dann ein ganz schlimmer Sturm zusammenbraut, wenn die ruhigen Meere ohne Wind anschwellen Bocc., FIAMMETTA 7 S. 167. 67 S p a n . Alta mär no de viento no promete seguro liempo Hoher Seegang {wörtl.: Hohes Meer), und zwar nicht vom Wind, verspricht kein sicheres Wetter NUNEZ 1,76. 8. Das Meer ist ohne Brücken und nicht durchquerbar 6S M l a t . Pontus ponte caret mihi dicunt „Das Meer hat keine Brücke", sagt man mir ALBERT. STAD., TROILUS 2,301. 69 Dt. Dat mer mac nieman überwaten Noch der wende sich gesäten Niemand kann das Meer durchwaten noch sich an der Welt sättigen FREIDANK 132,20. Vgl. unten 95

9. Das Meer ist gefährlich und trügerisch 5 9.1. Allg. 70 Fr. Paors de terre est menre ases Que n'est de mer, bien le saves Die Furcht vor der Erde ist viel geringer, als es die vor dem Meer ist, das wisst ihr wohl PARTONOPEU 745. 71 Span. Nunqua deuia omne en las märes fiar, Traen lealtat poca, sahen mal solazar Nie sollte man den Meeren trauen, sie haben wenig Treue (und) verstehen es schlecht, Freude zu verschaffen APOLONIO 120. 72 N o r d . Mart's ilk i see Viel Schlimmes gibt es auf der See BJARNAR SAGA 20 S. 169 73 (Visa 26) ( = JONSSON, ARKIV 198. JONSSON 85). Svikul er siofar giof Trügerisch ist des Meeres Gabe KÄLUND 162 ( = JONSSON, ARKIV 360. JONSSON 147). -» FRAU 1194, 1196-1198, GEFÄSS 270, KÖNIG 200

9.2. Spez. 9.2.1. Es ist gefährlich und nicht empfehlenswert, das Meer zu befahren 74 S p a n . Quien no se osa aventurar, no pasa la mar Wer sich nicht Gefahren auszusetzen wagt, fährt nicht über das Meer NUNEZ III, 269. -^ FRAU 1458, RAT 217. Vgl. unten 96

9.2.2. s. Inhaltsübersicht 9.2.3. Es ist besser, arm auf dem Land als reich zur See (verheiratet als zur See) zu sein 75 Dt. Es ist besser vff dem land arm sein, dann vff dem Meer reich Es ist besser, auf dem Land arm zu sein als auf dem Meer reich FRANCK 1,45 v, -* EHE 33

167

76

77 78 79 80

81 82 S3 84 85 86 87

MEER

9,2A, Wer zur See fährt, ist dem Wind und dem Wetter ausgeliefert La t. TM, dum tua navis in alto est, Hoc age, ne mutata retrorsum te ferat aura Wenn dein Schiff auf dem hohen Meer ist, pass auf, dass dich der umgeschlagene Wind nicht zurücktreibt! HÖR,, EP. l, 18,87. M Ja t. Tu, dum tua nauis in alto est, Hoc age, ne mutata retrorsum te ferat aura ECBASIS 1047, Fr. Qui est $ur la mer il ne fait pas des vents ce qu'il veult Wer auf dem Meer ist, macht mit den Winden nicht, was er will LEROUX II, 140 (15. Jh.). Dt. Wer vff das mer sich wogen düt Der därff wol glück, vnd wetter gut Wer sich auf das Meet wagt, der bedarf wohl des Glückes und des guten Wetters BRANT, NARRENSCHIFF 109,11. De up der se is, en heft den wint nicht in synen handen. — No« habet in manibus coros qui navigat aequor Wer auf der See ist, hat die Winde nicht in seinen Händen. — Wer das Meer befährt, hat die Winde nicht in den Händen TUNNIcius 524. Vgi. STEUERMANN 2. 9.2.5, Wer nicht beten kann (Wer beten lernen will), befahre das Meer6 Fr. Se voulez veoir faire requeste Et de bon cueur Dieu reclamer, Soyez en bateau sur la mer Quelque fois quant vient la tempeste Wenn ihr sehen wollt, wie man betet und von ganzem Herzen Gott anruft, dann seid einmal, wenn das Unwetter kommt, in einem Schiff auf dem Meer! G. ALEXIS , 18,213 (Passetemps Aiecis). Qui n'a discretion De savoir Dieu pry er En grant devotion, Sy aille sur la mer Wer nicht die Gabe hat, zu Gott in grosser Andacht beten zu können, gehe aufs Meer PROV. EN RIMES 341. Span. St quereys (lies mit Ausg. A: quieres] aprender orar, entra enla mär Wenn du beten zu lernen wünschest, geh aufs Meer! LOPEZ(?), REFRANES 659. Si quieres aprender a orar, entra en la mar NUNEZ 111,385. Dt. Swer niht gebeten künne, Der versuoche des meres wünne Wer etwa nicht beten kann, der lerne die Wonnen des Meeres kennen FREIDANK 5,20 a. Wer nicht peten kunne, Der heb sich au ff den wilden se ... der wage sich hinaus auf die wilde See HEINR. v. NEUSTADT, APOLLONIUS 16156. Es ist ein Sprichwort wer nit trincken mog der sol in daz bad gon, vnd wer nit betten künne oder mag, der sol sich vff daz meer Ion, vnd wer nit schlaffen mog der soll an die predig gon Es ist ein Sprichwort, wer nicht trinken könne, der solle ins Bad gehen, und wer nicht beten könne oder möge, der solle sich aufs Meer wagen, und wer nicht schlafen könne, der solle in die Predigt gehen GEILER, BRÖSAMLIN I,33c.

10. Das Meer kann Glück und Unglück bringen 10.1. Wer Erfolg haben will, lebe am Meer oder zur See 88 Span. Iglesia, o mär, o casa real, quien quiere medrar Die Kirche oder das Meer oder 89 das Königshaus, wenn einer Erfolg haben will NUNEZ II, 212. Quien qui$iere medrar, viva en pie de sierra, o en puerto de mar Wer Erfolg haben möchte, lebe am FUSS eines Berges oder im Hafen eines Meeres7 EBD. 111,308.

10.2.-12. s. Inhaltsübersicht 13. Das Meer geht um Wasser zum Brunnen 90 Dt. Vil ofte daz mer nach wazzer gät Zem brunnen, der sin liitzel hat Sehr oft geht 9! das Meer um Wasser zum Brunnen, der davon wenig hat FREIDANK 41,24, Contingtt sepe, pelagi quod limpha profunda Fontis aquam repetat multam, caret licet unda. —

MEER

168

Wy oft daz mer nach wasser get Czu dem prunne, der sein luczel beet Es geschieht oft, dass das tiefe Meeresgewässer das Wasser des Brunnens begehrt, obschon dieser wenig Wasser hat. — Wie oft geht doch das Meer um Wasser zum Brunnen, der davon wenig hat FREIBANK LAT. (GöRLirz) 176. Vgl. WOLLE 1.1.2.2. 14. Redensarten und Vergleiche

Vgl. oben 2.2., 4.-5., 12.3.-12.4. 14.1. Ins Meer werfen 8 92 Nord. Eigi ska! kann enn pessart visu hafa a glce kastat Er wird doch diese Strophe 93 nicht ins Meer geworfen haben BJARNAR SAGA 29 S. 190. frvi kalla menn a see kastat, er maör Icetr etgu sina ok tekr ekki i mot Denn man nennt es „ins Meer geworfen", wenn einer seine Habe fahrenlässt und nichts dafür bekommt LAXDO.LA SAGA 33,20. 94 Nu skal eigi flenum oröum a glce kasta Nun werde ich nicht die meisten Worte ins Meer werfen FINNBOGA SAGA 12 S. 27,2.

14.2.-14.4. S.Inhaltsübersicht 14.5. Verschiedenes 95 Fr. Ausi bien peussons venir A pie tout sec parmi la mer Ebensogut könnten wir zu Fuss ganz trocken mitten durch das Meer kommen JEHAN, RIGOMER 2816 (vgl. oben 8-)96 Span. Hablar de la mar, y estar en la tierra Vom Meer sprechen und auf dem Lande stehen NUNEZ II, 176 {vgl. oben 9,2.1.). 97 Dt. E strich man uss das mer mit einem besen Eher würde man das Meer mit einem Besen glattstreichen HUGO v, MONTFORT 30,36.

15. Verschiedenes 98 M l a t . Scis enim quia märe et dat et tollit Denn du weisst, dass das Meer sowohl gibt 99 als auch nimmt IOH. MON., MIR. 8,5. Nonne uides quod mare deuehit stercora et paleas, et preciosi lapides in fundttm uadunt? Siehst du nicht, dass das Meer Dreck und Spreu wegführt und die kostbaren Steine auf seinen Grund sinken? PETR. ALF., DISC. CLER. 10,28. 0oo Fr. La mer home n'atent Das Meer kennt kein Ansehen der Person (wörtl.: beachtet 101 den Menschen nicht}9 MORAW, 1009. El leave de la mer; voloir son vi saige representer Sein Gesicht im Meereswasser spiegeln wollen NUNEZ H, 80 (el Frances). 102 It. Che ajuella donna ehe navica il mare, Ben de' saver come si passa il fiume Denn jene Frau, welche das Meer befährt, muss wohl wissen, wie man den Fluss überquert 103 FRANCESCO DA BARB., REGG. 5,16,19. Non rimproverare al märe d'averlo fatto crescere il piccolo ruscelletto Wirf dem Meer nicht vor, dass das kleine Bächlein es zum Anschwellen gebracht hat! Bocc., DECAMERONE 8,7 S. 183 b. J04. 105 S p a n . Repartiose la mar fizose (NUNEZ: Repartiose ... hizose] sal Das Meer wurde aufgeteilt und verwandelte sich in Salz 10 LOPEZ(?), REFRANES 639. NUNEZ 111,346. 106 Buen pensar cerca la mar Da ist gut überlegen, das Meer ist in der Nähe11 NUNEZ 107 1,180. Do va la mar, vayan las ondas Wohin das Meer geht, sollen die Wellen gehen12 EBD. 1,344. 108 Nord. Afli of deilir stzt viö s/o Vergebens kämpft man gegen das Meer MÄLSHÄTTAKV/EEM 13,1 ( = JONSSON, ARKiv 360. JONSSON 147). J09 Engl. In greatest seas moste sorest is tempest Auf den grössten Meeren ist das Unwetter am schlimmsten BARCLAY, ECL. 3,766.

169

MEHL

Dt. Won wir dicke hören sagen: Daz wer wil nit doden dragen Denn wir hören oft sagen: „Das Meer will keinen Toten tragen" BRUCHSTÜCK (13./14. Jh. [+ZFDA 19,160,43]).

V.M.

Anmerkungen 1

Vgl. Z l L T E N E R 9 1 4 f f . ; H A S S E L L R 5 6 .

2

Vgl. WH (TING B 562. F289.

1

Vgl. ZlLTENER 898 ff. Vgl. ZlLTENER 931 ff.

4

5 6 7 8 9

10

11 12

Vgl. ZILTENER 889 ff. 896 f.; WHITING S 107, S114. Vgl. SINGER, SPRW. D, MA H, 163 f.; HASSELL P 267. CORREAS 404 erklärt, weil in den Bergen Viehzucht und in den Häfen Handel getrieben werde. D.h. verschwenden, unnütz vertun, umsonst tun, Vgl, ROMANIA 50,505: „Le mot ,atendre" signifie ici considerer, faire attention ä. Le proverbe veut dire que la mer prend tous les humains, sans acception de personne." CORREAS 571 erklärt, dass bei einer Erbteilung ein grosses Vermögen leicht in unansehnliche Anteile zerfällt. Nach CORREAS 361 ironisch zu verstehen: Vorher hätte man daran denken sollen. Sinn: Wohin das eine geht, gehört auch das andere hin. Vgl. die analogen Sprw, bei CORREAS 332.

MEERBRASSE -» FISCH 188-189, 209 MEERFISCH s. FISCH MEERKATZE s. AFFE

MEHL / farine / flour 1. Es ist wichtig, Mehl im Haus zu haben (1—4) 2. Ohne Mehl ist schlecht Brot backen (S-9). Ähnlich (10) 3. Zum Mehl braucht man Wasser (11 — 13) 4. Gutes Mehl bedarf keines Anpreisers (14-15). Vgl. WEIN 2.5. 5. Nicht alles, was weiss ist, ist Mehl (16-18). Vgl. ELFENBEIN 1., GOLD 7.I., SCHNEE 60 6. Es ist etwas anderes im Fass als Mehl (19—21} 7. In der Mühle wird man mit Mehl bestäubt (22—26) 8. Nachts scheint alle Kleie (jedes Getreide) Mehl zu sein — NACHT 4.2. 9. Wenn Gott Mehl gibt, nimmt (schliesst) der Teufel den Sack — TEUFEL 127, 129-132 10. Viel Mehl ist nötig, um allen das Maul zu stopfen — MUND

57- 6 , 163-166

11. Man kann nicht Mehl im Mund haben und blasen — BLASEN 8-9,11-12 12. Blasen und doch Mehl im Mund haben —* BLASEN 7. 13. Wenn die Maus satt ist, scheint ihr das Mehl bitter —* MAUS 6, 14. Dem Hund, der Asche leckt, vertraue man kein Meh! an —* HUND 12.2. 15. Das Mehl verschürten und die Asche einsammeln (27—28) 16. Verschiedenes (29-35)

MEHL

170

1. Es ist wichtig, Mehl im Haus zu haben 1 Span. Aquella llamo yo duena, que tiene harina en la duerna Diejenige nenne ich 2 Herrin, die Mehl im Trog hat NUNEZ 1,114. Canta el galh, responde la gallina, amarga la casa do no bay harina Es kräht der Hahn, es antwortet das Huhn: Schlimm 3 dran ist das Haus, in dem kein Mehl ist EBD. 1,198. Dios me de paare y madre en villa, y en mis troxes trigo y harina Gott gebe mir Vater und Mutter im Dorf und in 4 meine Speicher Weizen und Mehl EBD. I, 321. Dios te de poder en villa, y en tu casa harina Gott gebe dir Macht im Dorf und Mehl in dein Haus EBD. 1,326.

2. Ohne Mehl ist schlecht Brot backen s Mlat. Panis non confidtur sine farina Brot wird nicht ohne Mehl hergestellt BEBEL, PROV. GERM. 521.

6 Nl. Men en kan gheen broot ghebacken sonder meet, - Panem kafherina non conficit absque farina Man kann kein Brot backen ohne Mehl. - K. macht kein Brot ohne Mehl PROV. COMM. 519. 7. s Dt. Me kan neen brod backen sunder meel PROV. COMM. MND. 503. Sunder mel unde water is quät backen. - Decoxit nullus panem sine farre vel unda Ohne Mehl und Wasser ist schlecht backen. - Niemand hat (je) Brot gebacken ohne Mehl und 9 Wasser TUNNICIUS 742. Man beckt keyn brot on mel FRANCK 1,88 r. Ähnlich: W Fr. II fait hon pestrir pres de farine Es ist gut, beim Mehl zu kneten CAMBR. SAMML. {+LEROUX 11,477 [= MORAW. 874J).

3. Zum Mehl braucht man Wasser 11-13 Span. Agua tras harina va Das Wasser kommt nach dem Mehl1 LOPEZ(?), REFRANES 103. NUNEZ 1,33. HALLER 78.

4. Gutes Mehl bedarf keines Anpreisers 14 Span. Hace buena harina, y no toques bocina Mach gutes Mehl, und du musst keine 15 Trompete blasen! NUNEZ II, 165. Haz buena harina, y no tanas bocina EBD. II, 172. Vgl. WEIN 2.5.

5. Nicht alles, was weiss ist, ist Mehl2 16 Span. Todo bianco no es harina Alles Weisse ist nicht Mehl PINAR (+CANCIONERO 17 II, 561 a}. Ratones arriba, que todo lo bianco no es harina Weg da, Mäuse, denn nicht 18 alles Weisse ist Mehl! NUNEZ 111,343. Todo lo bianco no es harina EBD. 111,444. Vgl. ELFENBEIN 1., GOLD 7.I., SCHNEE 60

6. Es ist etwas anderes im Fass als Mehl 2 19 Mlat. Cattus amat pisces, sed non uult crura madere; hque adeo tumidus, si non uult carpere mures; Nulla farina tarnen quamuis aliud sit in urna Die Katze liebt die Fische, aber sie will sich die Beine nicht nass machen und tut recht geschwollen, wenn sie keine Mäuse fangen will. Mag auch etwas anderes im Fass sein, so ist es doch kein 20 Mehi EGBERT., FEC. RAT. l, 336 (= KATZE 244). „Now est in tina", mus inquit, „sola farina" „Es ist im Fass nicht nur Mehl", sagte die Maus WERNER 2 n 163. 21 Fr. „El ad en tine" dit la $uriz »que farine." - „Non est in tina" mus dixit „sola farina" „Es ist (noch) etwas anderes im Fass als Mehl", sagte die Maus. - ... RAWLINSON 40 (= MORAW. 627).

171

MEHRERE

7. In der M hle wird man mit Mehl best ubt 22 Mgr. Ό φεύγων μύλον άλφιτα φεύγει Wer dte M hle meidet, meidet das Mehl APOSTOLIOS 13,78. 23 M l a t , Qui uitat molam, uitat farinam bers, wie 22 ERASM., ADAG. CHIL. 3,3,59. 24. 25 It. Eg!' e difficilissimo andar a veder macinare, senza imbiancarsi dt farina Es ist sehr schwierig, sehen zu gehen, wie gemahlen wird, ohne sich mit Mehl wetss zu machen MERBURY 10. 25. 26 Dt, Man kann nicht unbemelbt (unbemehlt) durch ein M hlen gehn GEILER {+SEILER 55).

8, —14, s, Inhalts bersicht 15, Das Mehl versch tten und die Asche einsammeln 3 27 S p a n , Deramadora dela harina, allegadora dela ςβηίζα Versch tterin von Mehl, 28 Sammlerin von Asche LOPEZ{?), REFRANES 207, Derramar la harina, γ allegar la ceniza Das Mehl versch tten und die Asche einsammeln NUNEZ 1,288.

16. Verschiedenes 29 Fr. Mult estuvereif ferine, qui en mer freit put Der brauchte viel Mehl, der im Meer 30 einen Brei4 machen wollte RAWLINSON 110 {= MORAW. 1317). // vanne s farine au vent Er worfelt sein Mehl im Wind PROV. EN RIMES 1104. 31 Pro v. Mas ara s t que mans fols pais, So dt lo reproviers, farina „Aber jetzt wetss ich, dass Mehl manche Narren n hrt", das sagt das Sprichwort PEIRE BREMON 6,21. 32 It. Dal summa de la tina se compensa (Hs.: consa) la farina Nach dem, was im Fass zuoberst ist (w rtl.: Nach dem Obersten des Fasses) bezahlt man das Mehl GEREMIA DA MONTAGNONE

157.

34 Span. Harina abalada, no te la vea suegra, ni cunada Aufgelockertes Mehl, lass es weder die Schwiegermutter noch die Schw gerin bei dir sehen!5 NUNEZ II, 177. 35 Dt. Oben Mehl vnd vnden kligen Oben Mehl und unten Kleie MURNER, NARRENB. 70,79. E. D.

Anmerkungen 1

2

3

4 J

Dazu CORREAS 65 b: Ke al masar se vaia echando agua poko a poko Denn beim Kneten soll man nach und nach Wasser dazugiessen. Der Ursprung dieser Sprw. liegt in einer Fabel (vgl. ROMULUS 72). Dort steht anstelle der Katze (wie in 19) das Wiesel, das sich im Meh! versteckt, um so auf weniger anstrengende Alt zur Beute zu gelangen. Bei CORREAS 568 b findet sich ebenfalls ein Hinweis auf diese Fabel (als Komm, zu dem hier ais 17 zit. Sprw,). Vgl. auch GOTTSCHALK 1,96f.; SINGER, SPRW, D, MA 1,93 f. Bedeutet nach COVARRUBIAS 676 a in grossen Dingen verschwenderisch sein und in kleinen sparen. MORAW., ROMANIA 50 512 erkl rt put als pout, pott (lat. puls) ,Brei*. Dazu der Komm.: Abalada es ία que esta fofa en el artesa y paresce mucba siendo poca Aufgelockertes (Mehl) ist dasjenige, das im Backtrog locker ist und viel scheint, w hrend es wenig ist.

MEHREN (sich) s. WACHSEN MEHRERE s. VIEL

MEHRFARBIG

172

MEHRFARBIG s. BUNT MEHRHEIT s. VIEL MEIDEN / eviter / to avoid Hier auch VERMEIDEN Vgl. FLIEHEN, LASSEN, VORSEHEN (sich) 1. Was man meiden soll 1.1. Allg. 1.1.1. Schlechte Frauen — FRAU 1256, 1323, 1354 1.1.2. Streitsüchtige — KAMPF 378-379. Vgl. KAMPF 3.12. 1.1.3. Schmeichler und SchmeicheJworte — SCHMEICHELN l, WORT 1327, ZUNGE 335. Vgl. SCHMEICHELN 1., WORT 33.9. 1.1.4. Irrtum -» TUN 34, 36, 40-41 1.1.5. Ein Zuviel — MASS (Massigkeit) 26, VIEL 155, 169, 176, 178, 183. Vgl. VIEL 4.4,1, 1.1.6. Hochmut — HOCHMUT 2, 4. Vgl. HOCHMUT 2.1. 1.1.7. Umgang mit Bösen — SCHLECHT 254, 256-25S, 261, 265-269, 271, 274-275, 279281. Vgl. SCHLECHT 2.3,1.3. 1.2. Spez. 1.2.1. Wenn man die Blätter fürchtet, meide man den Wald — WALD 2, 8. Vgl. WALD 1. 1.2.2. Wer barfuss geht, soll Disteln meiden -> DISTEL 3, 5~6 1.2.3. Der Kranke meide einen unkundigen (unerfahrenen) Arzt —· ARZT 136, 170—171 2. Das Vermeiden von (grossem) Übel 2.1. Man kann ein Übel nur vermeiden, wenn man es kennt -— SCHLECHT 84 — 85, 87—88 2.2. Das kleinere Übel wählen, um das grössere zu vermeiden —* ZWEI 17, 48, 57. Vgl. VERLIEREN 35 2.3. Durch Schlechtes (Durch ein kleineres Übel) Schlimmeres vermeiden —* SCHLECHT 502, 641, 648, 651. Vgl. SCHLECHT 4.9, 3. Man lerne am Beispiel anderer, welche Taten man meiden soll —» ANDER 5, 7, 10, 35. Vgl. ANDER 1.1.2,1. 4. Mancher tadelt Untreue, der sie selbst nicht vermeiden kann —* SCHELTEN 41, 44 5. Der Vogel meidet die Netze, die allzu sichtbar sind -» VOGEL 110, US, 123, 128. Vgl. FALLE 46, VOGEL 6.1. 6. Was man nicht vermeiden kann, muss man ertragen (1—9). Vgl. ÄNDERN 8., BESSERN 1.1., DULDEN 1.1,2.1., GESCHEHEN 4.4., 6.2., GLÜCK 15.1.-15.2., SEIN 1.4., VERGESSEN 1.2., VERZWEIFELN , WIND 52. Ähnlich (10) l, Meiden bringt Leiden 7.1. Scheiden und einander meiden ist mit Leid verbunden (11 — 14). Vgl. LIEBE 1.5.3., SCHEIDEN 4., VERLIEREN 28 7.2. Lieben und gleichzeitiges Sich-Meiden ist leidvoll —· LIEBE 690, 1461 7.3. Sehnen und Meiden bringt Leiden (ist schlimmer, als erhängt zu werden) —» SEHNEN 7—8

8, Verschiedenes (15-16) 1.—5. s. Inhaltsübersicht 6. Was man nicht vermeiden kann, muss man ertragen 1 1 M l a t . Oebemus nos portare, quod non possttmus vttare Wir müssen ertragen, was 2 wir nicht vermeiden können MAYN. MAYNER., DIAL. CREAT. 122 S. 278,11. Quod vitare nequis, audaci suscipe mente! Was du nicht vermeiden kannst, (das) ertrage mit

173

MEIDEN

2a Mut! WERNER 2 q225. Feras, non culpes, quod uitari non potest Ertrage, was sich nicht vermeiden lässt, (und) schimpfe nicht darüber! ERASM., ADAG. CHIL. 1,3,14 (vgl. ÄNDERN 49). .5 It. Molto e guarito cbi buonamente puo sofferire cia ch' eilt non puote ischifare Der ist ganz geheilt, der das gut ertragen kann, was er nicht vermeiden kann TRATTATO DI VIRTÜ 27 S. 69. 4 Engl. for thyng that may nat be eschiwed But of force mot be $ywed Denn einer Sache, die man nur mit Mühe vermeiden kann, muss man folgen LYDGATE, RES. AND SENS. 4757. J Dt. Meid, hilffts nit, so leid Vermeide, hilft das nicht, so ertrage! FRANCK 1,52(1} r. 6 Was man nit kan meiden, sol man willig leiden Was man nicht vermeiden kann, soll 7. 8 man geduldig ertragen FRANCK II, 192 r. Was man nit kan vmmgehn, sol man gdulfig drein gehn Man soll sich geduldig in das schicken, was man nicht vermeiden kann 9 FRANCK II, 192 r. EGENOLFF 257 v. Was nit kanst meiden, soltu willig leiden. — Feras, non culpes, quad uitari non potest Was du nicht vermeiden kannst, sollst du geduldig ertragen. — Übers, wie 2 a EGENOLFF 257 v. Vgl. ÄNDERN 8., BESSERN 1.1., DULDEN 1.1.2.1., GESCHEHEN 4.4., 6.2., GLÜCK 15.1.-15.2., SEIN 1.4., VERGESSEN 1.2., VERZWEIFELN I, WIND 52 Ähnlich: 10 M l a t . Debet fortiter bellare, qui non potest evitare Wer (den Kampf} nicht vermeiden kann, muss tapfer kämpfen MAYN. MAYNER.,, DIAL. GREAT. 47 S. 190,11. 7. Meiden bringt Leiden 2

7.1. Scheiden und einander meiden ist mit Leid verbunden 11 Dt. Daz ich dich mtden sol, daz tuot mir we Dass ich dich meiden soll, das tut mir 11 a weh OTTE, ERACLIUS 4044. Item in diser zit sang man dit lit oberalle: ,Miden, scheiden, daz dut wer lieh we, ußer maßen we Von einer di ich gerne anse' Weiter: In dieser Zeit sang man überall dieses Lied: „Meiden, scheiden von einer, die ich gerne ansehe, 12 das tut wirklich weh, überaus weh" TILEMANN, LIMBURG. CHROM. 51,21. Das leiden und meiden Sich nindert scheiden wil Das Leiden und Meiden will durchaus kein Ende 13 nehmen OSWALD v. WOLKENSTEIN 16,33. Meiden, neiden, scheiden, das tuet we Mei14 den, neiden, scheiden, das tut weh EBD. 18,2. Meiden ist ein pitter kraut Meiden ist ein bitteres Kraut FASTNACHTSP. 1405,163 r. Vgl. LIEBE 1.5.3., SCHEIDEN 4., VERLIEREN 28

7.2.—7.3. s. Inhaltsübersicht 8. Verschiedenes 15 M3 a t. Hoc prudens vitat, quod post sibi taedia praestat Der Kluge vermeidet das, was ihm nachher Ekel bereitet WER N ER 2 h 35. 3ö Dt, E;w ieglich frum man midet wol, Swaz er ze rehte miden sol, Daz ein swachgemuoter man Niemer wol gemtden kan Jeder rechtschaffene Mann meidet sorgfältig das, was er zu Recht meiden soll, was ein unrechtschaffener Mann (aber} wohl nie vermeiden kann FREIDANK 90,11. H. U. S. Anmerkungen 1 Vgl. SINGER, SPRW. D. MA II, 152. 2

„Meiden" bedeutet in dieser Gruppe wie mhd. miden ,(vom geliebten Menschen} getrennt, fern Kein'.

MEILE

174

MEILE / mille, Heue / mile, league 1. Ein guter Weggefährte lässt einem die Meilen kurz werden -> GESELLE 7, 129 2. Vereinzelt i Span. A cada rato: tres leguas de mal quebranto Zu jeder Zeit drei Meilen von schlimmem Schaden HALLER 21 (vgl, FERN 20, SCHIESSEN 10,, SOLDAT 14-15).

H. U. S. MEIN s. EIGEN MEINEID(IG} s. EID MEINEN / croire / to believe Hier auch DENKEN (wähnen), DÜNKEN, EINBILDEN (sich), GLAUBEN (Wahn, wähnen}, HALTEN (für), MEINUNG, WAHN, WÄHNEN Vgl. ERWARTEN, GEDANKE, GLAUBEN, SINN, TRAUEN L Blosse Meinung {Falscher Wahn) ist nichts wert 1.1. Meinen und Wissen 1.1.1. Meinen ist nicht Wissen (1-18). Vgl. HOFFEN 108 1.1.2. Wissen tst besser als Meinen (19-20). Vgl. AUGE 3.1., GLAUBEN 5.2., SEHEN 3.2., 42-43, WISSEN 60 1.2. Meinen ist töricht 1.2.1. Narren meinen (21-29). Vgl. NARR 6.1., WEISE 15.2.-15.3., WISSEN 2.15., 4.10. 1.2.2. Jeder (Narr) hält sich selbst und die eigene Lebensweise für (sehr) gut —* GUT (Adj.) 290— 296, 298. Vgl. GEFALLEN 4., NARR 6.7., 6.10. 1.3. Meinen ist irreführend 1.3.1. Allg. (30-38). Ähnlich (39-41) 1.3.2. Spez, 1.3.2.1. Mancher meint erwas zu tun (bewirken) und tut (bewirkt) das Gegenteil (etwas anderes} -* ALL 35, ANDER 175,177, ANFANG 275, BINDEN 16, BRENNEN 3.1., BRETONE 7, DORN 109, 112-114, EHRE 63, ERKENNEN 133-135, ESSEN 373, FALL 38, 42, 45, 98, 166, 168, FANGEN 8, 10-11, FRÜH 6-7,9-10, FURZ 22, GESCHOSS 22, GEWINN 2.2., 8.5., GUT {Adj.} 619, JAGEN 71, KITZEL 11, KLEID 11.1., KREUZ 9., LEID 9-10, 12, 6S-69, LÜGEN 106-109, NEHMEN 15., PUNKT 13, RACHE 28-31, 34-56, 59-60, 63-64, REIHER 19, RUHM 69, SCHADEN 133, 166, 226, SCHANDE 61, SCHELTEN 36, SCHLAGEN 21., SCHMECKEN 9, SPIEL 130, STOSSEN 10, TRÜGEN 62, 64-65, 70-72, 74, 78, 82, 88, 91-92, 99, TUN 164-167, VERDERBEN 27, VERRAT 52, VOGEL 273, VORN 3-11, 13-14, VORSEHEN (sich) 96-98, WEG 109, WEIDEN 1-2, WEIN 239, WEINEN -ll, WIND 107- 19, WOLF 555-556, ZAHLEN 99 1.3.2.2. Mancher meint etwas zu sein und ist es nicht -> ADEL U, BAUER 54, ESEL 373, GAST 5, GEFALLEN 56, GESUND 58, GLÜCK 180, GUT (Adj.) 292-293, 296, 300-304, 307, NARR 276, 280-282, UNGLÜCK 2, WEISE 502-505, 507-508, 510, 512-515. Vgl. NARR 6.1. 1.3.2.3. Mancher meint etwas zu haben und hat es nicht -> El 5.3,, FREUND 40, WEISE 407 1.3.2.4. Wie einer selbst ist, so meint er, dass auch die ändern seien —» ANDER 168, BOCK 2—6, DIEB 3.3., GELD 3«, GUT (Adj.) 106, 108, NARR 6.2., SCHLECHT 214, 1S5-J87, TREUE 80, UNTREUE 66, VERBRECHEN 9, WOLF 541. Vgl. WISSEN 263

175

MEINEN

1,3.2.5. Mancher hält fälschlich eine Sache für eme andere — FROSCH 28-30, KRÖTE 27, NAH 8., WEISE 494. Vgl. KRÖTE 2., LATERNE 10-11, 13, 15 1.4. Meinen ist nicht verlässlich (42-44). Ähnlich (45) 2. Die Meinung ist eine Macht 2.1. Sie verändert die Wirklichkeit (46-47) 2.2. Sie regiert die Welt (48-50)

1 2 3 4 s 6 7 8-10 Wa u

12

u 14 15 16 17 18

1. Blosse Meinung (Falscher Wahn} ist nichts wert 1.1. Meinen und Wissen 1.1.1. Meinen ist nicht Wissen Fr. En un mui de quider nest plein poing de sauer. - In modio rendi non est uola plena sciendi In einem Scheffel Meinen ist nicht eine Handvoll Wissen ZACHER 222. Car dedans .L mui de cuidance N'ait mies plain poing de caudance (lies: d'entandance') Denn ... HERB., DOLOP. 11267. Mes entre quidfi]er e saveir Ne sunt pas lie d'une corde Aber Meinen und Wissen zusammen sind nicht an den gleichen Strick gebunden JOHAN, G. MÄR. 17050. E l'em dit en prover pur veir Qe quider n'est pas saveir Und man sagt im Sprichwort zu Recht, dass Meinen nicht Wissen ist ROB. DE GRETHAM 25 {>ROMANIA 15,299). {Car] en .C. muis ne {puetj avoir De cuidier plein poing de savoir Denn in hundert Scheffeln Meinen kann es nicht eine Handvoll Wissen haben HUON DE MERY 151. Et toz jors dit on que cuidier n'est pas savoir Und immer sagt man, dass Meinen nicht Wissen ist PHIL. DE Nov. 35. Mais entre savoir et cuidance Sachiez a mout grant differance Aber zwischen Wissen und Meinen, das müsst ihr wissen, besteht ein sehr grosser Unterschied ADENET, CLEOMADES 1231. En un mui de cuidier n'a pas plain poing de savoir Übers, wie LEROUX £1,148 (15. Jh.). PROV. RUR. 121 (= MORAW. 702). AposTOiLE 8. En un quart de quider n'ad plein poyng de saver In einem Viertel Meinen ... CAMBR. SAMML. (+ LEROUX 11,476). Mais dit en commun proverbe que en ung tonnel de cuidance n'a pas un pot de sapience Aber man sagt allgemein sprichwörtlich, dass in einem Fass Meinen nicht ein Topf Wissen ist CHRON. DE NORM. (15. Jh. [+ LEROUX 11,496]}. Prov. Per que cujars lai on no val valors Non es sabers ni sens, a mo vejaire Denn das Meinen dort, wo der Wert nicht zählt, ist meiner Ansicht nach weder Wissen noch Vernunft GAVAUDAN 4,12. Span. Mas, como dize et vierso, cuydar non es Saber Aber, wie es im Spruch heisst: „Meinen ist nicht Wissen" ALIXANDRE 1728. Pensar no es saber Meinen ist nicht Wissen LOPEZ(?}, REFRANES 550. N o r d . In modio rendi non est vola plena sciendi. - Een skseppe fwldh äff wcenther &r eil enn haandh fwldh äff wijss&r Übers, wie J. — Ein Scheffel voll Meinungen ist nicht eine Handvoll Gewissheiten LÄLE 510. Engl. Wenynge is no wysdome Meinen ist kein Wissen LANGLAND (?), PLOWMAN B 20,33. In a busshell of wynnynge, ys not a hondfull of cunnyng. — In modico (lies: modio, Red.) rendi, non est vola plena sciendi Übers, wie l HILL 105 a,32. Dt. Der waenet, der enweiz Wer meint, der weiss nicht H E LB LING 8, 543. Vgl. HOFFEN 108

1.1.2. Wissen ist besser als Meinen 19 Dt. Waene wenec, wizze vil Meine wenig, wisse viel! MAGEZOGE 157 (M. 13.Jh. 20 [+ALTD. EL. 1,94]). Wene wenich, wizze vil HEIDELB. Hs. 36,241 (Magezoge). Vgl. AUGE 3.1., GLAUBEN 5.2., SEHEN 3.2., 42-43, WISSEN 60

MEINEN

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1.2. Meinen ist töricht 1.2.1. Narren meinen 23 Fr. Mais on suet dire que „Cuidars et esperars furent dui musart" Aber man pflegt zu sagen, dass Wahn und Hoffnung zwei Narren waren MENESTREL DE REIMS 121. 22 Mais on dist Cuidiers fu uns sos Aber man sagt: „Der Wahn war ein Narr" ADENET, 23 CLEOMADES 686. Mes je tieng fol celui qui cuide Aber ich halte den für einen Narren, 24 der meint GODEFROY DE PARIS 1055. Car je tieng por fol eil qui cuide Denn ... EBD. 25 3399. Pour ce est trop foulz qui en cuidier se fonde Deshalb ist sehr töricht, wer sich 26 auf den Wahn verlässt EusT. DESCH. 11,156,10 (Refrain). L'on dit bien que cuider muse Man sagt zu Recht, dass Meinen die Zeit vertrödelt PIPPEE (*FOURNIER 135). 27 Pro v. Savis apren e fols quda Der Weise lernt und der Narr meint TORCAFOL (*ApPEL, POESIES PROV. 53,10 [= REVUE DES LANGUES ROMANES 34,27]). 28 Dt. Waenich unde Trüwesniht Die habent mit den tören pfliht „Ich meine" und „Ich 29 glaube es nicht" 2 , die haben mit den Narren Gemeinschaft FREIDANK 116,1. Credo prudentes, qui sie dubitando loquuntur, Equales stultis in verbis esse feruntur. - Wenich und getrewe sein nicht, Dy habin mit den torin phlicht Die Vorsichtigen, die im Zweifei sagen: „Ich glaube", setzt man mit denen gleich, die Dummes reden. - ... FREI DAN K LAT. (GÖRLITZ) 1076.

Vgl. NARR 6.1., WEISE 15.2.-15.3., WISSEN 2.15., 4.10.

1.2.2. s. Inhaltsübersicht 1.3. Meinen ist irreführend 1.3.1. Allg. 30 Fr. Cuidiers a deceües maintes genz Meinen hat (schon) viele Leute betrogen LANGE31 LOT IV 73. Fol cuider son maistre decboit Närrische Meinung betrügt ihren eigenen 32 Herrn J. MOLINET 62,112. Cuidier t'abuse et espoir te dechoit Meinung täuscht dich und Hoffnung betrügt dich EBD. 189,250.3 33 Pro v. Que cufars fal savi cazer, Si sens non lo dedara Denn die blosse Meinung bringt den Weisen zu Fall, wenn Vernunft sie nicht erhellt GAVAUDAN 4,17. 34 Span. No hay quien yerre sino quien $u parecer quiere Niemand irrt ausser dem, der die eigene Meinung durchsetzen will NUNEZ 111,71. 35 E n g l . But alday faileth thing that fooles wenden! Aber stets geht schief, was Narren 36 gemeint haben CHAUCER, TROILUS 1,217 (vgl. GEDANKE 9.2.}. But often tymis beleuynge desseyuetb hys master Aber oft betrügt die Meinung ihren (eigenen) Herrn BERNERS, HUON OF B. 149,22. 37 Dt. WänolfTriegolfs bruoder ist Der Wahn ist der Bruder des Betrugs4 BONER 80,23. 38 Wonolff, btriegolfs bruder ist* BRANT, NARRENSCHIFF 67, 64. Ähnlich: 39 Fr. Cuideurs sont en vendenges Leute, die meinen, sind die Betrogenen (wörtl.: in der 40 Weinlese) 5 ET. LEGRIS 162 (= MORAW. 439). Tows les cuideurs ne sont pas en vendan41 ges Nicht alle, die meinen, ... GRINGORE 1,193. Cuidiers sont toudis (immer) en vendenges J. MOLINET 661,125.

1.3.2, s. Inhaltsübersicht 1.4. Meinen ist nicht verlässlich 42 Nl. Aen waen en bindt men gheen peerde vast. — Firmiter ad dubium seit nemo ligare caballum An Meinen bindet man kein Pferd fest. — An etwas Zweifelhaftes kann niemand ein Pferd fest anbinden PROV. COMM. 68.

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MEISTER

43 Dt. Ane menend bynd nemand en peerd vast An Meinen bindet niemand ein Pferd 44 fest PROV. COMM, MND. 67 An meinen en bint nummant $yn pqrt. - Ancipiti posti committit nemo cabaüum An Meinen bindet niemand sein Pferd (an). - Einem wackligen Pfosten vertraut niemand sein Pferd an TUNNICIUS 96. Ähnlich:

45 Dt. Wen het ie mit zwifei pfiiht „(Ich) meine" gehörte immer mit Zweifei zusammen HUGO v. TRIMBERG 17822. 2. Die Meinung ist eine Macht 2.1. Sie verändert die Wirklichkeit 46. 47 Dt. Allein der won ist reich oder arm Nur die Meinung ... 6 FRANCK II, 142 v. EGENOLFF 147 r. 2.2. Sie regiert die Welt 48 Dt. Wir leben al nach wäne, Der sorge ist memen äne Wir leben alle nach dem Wahn, 49. SO ohne Sorge ist niemand 7 FREIDANK 116,7. Mundus regitur opinionibm. - Herr iederman regiert der wohn Die Welt wird von Meinungen regiert. - Den Herrn Jedermann regiert der Wahn FRANCK II, 28 r. EGENOLFF 38 r. R, L., rev, E, D. Anmerkungen 1

So wohl zu Recht TOBLER - LOMMATZSCH s.v. Guidance. GODEFROY erklärt caudance (nur aus unserer Stelle) als ,chose ä laquelle on peut se rapporter, fondernent, verite'. 2 Personifikationen. 3 Weitere fr. Belege bei HASSELL C353. 4 Wortspiel mit wan ,blosse Meinung', (be)triegen ,trügen, betrügen' und dem Personennamensuffix -olf. 5 Der lat. Komm, von Legris in der Anm. zu 162 erklärt: Tempore vendemiarum comeduntur racemi habundanter, idcirco venires facile solvuntur, tit dum quis putat solum peaere, brachas ipse coinquinat Zur Zeit der Weinlese isst man reichlich Traubenbeeren, wodurch die Verdauung leicht in Fluss gerät, so dass einer, der nur zu furzen glaubt, selbst seine Hosen beschmutzt. Diese Interpretation wird durch Rabelais, Garg. 1,25 (zit. EBD.) bestätigt, Vgl. FURZ 4,1, * Der Gedanke wird EBD. weiter unten näher ausgeführt: Also ist armüt, elend, not, todt etc. ob sie wol an jn selbs ein last und cretttz sein (obwohl sie an sich eine Last und ein Kreuz sind), kein creutz, dann der (ausser für den, der) es dafür helt. Der willig arm vnnd elend ist, dem ist artnut und elend kein creutz, weil ers gut acht (für gut hält). 7 Bezzenberger (Ausg.) erklärt: „wir schmeicheln uns immer mit schönen Vorstellungen von glück und wiegen uns in schönen träumen, und doch ist keiner ohne sorge."

MEINIG s. EIGEN MEINUNG s. MEINEN MEISE — GEIER 12

MEISTER / maitre / master Hier auch BAUMEISTER, HANDWERKSMEISTER, LEHRMEISTER, MEISTERSCHAFT, WERKMEISTER Vgl. HERR, LEHRER

MEISTER

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1. Jeder Meister macht einen Fehler (1-3). Vgl ABER 1., DAS -7, HALB 2.1., HINKEN 28, LASTER 1., MANN 1.5.3., MAULTIER 3., PFERD 8,1,, SCHELTEN 6,2,, SCHLECHT 4.1,1,, SÜNDE 2.1., TUGEND 5.2., VERBRECHEN 12, VOLLKOMMEN 1.-2., WELT 60, WENN 1. 2. Keiner wird als Meister geboren (4 — 9), Ähnlich (10} 3. Übung macht den iMeister —· ÜBEN 8-16. Vgl. ÜBEN 1. 4. Erfindungskraft und Kunstfertigkeit machen den Meister (l 1). —« KÖNNEN 204 5. (Gute) Werkzeuge machen den WURM 9-10. Vgl. AAS 2., HEUTE 33, 42, REICH 180-181, 183, SEELE 2.5., WURM 4. 4.4.6. Der Mensch ist nur Dreck, Staub und Asche — DRECK 149, 152, GELD 3.3., STAUB 5-6, 9, 13, TOD 1058 4.4.7. Der Mensch ist nur (aus) Erde und wird zu Erde — ERDE 41-42, 44, 55-56, 69, 73-74, TOD 1058. Vgl. NICHTS 9 4.4.8. Vereinzelt (196)

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5. Bestimmung, Aufgabe und Pflicht des Menschen 5.1. Der Mensch ist zu M he und Arbeit geboren (197-210. Vgl. 186). - ARBEIT 3-9, 11. Vgl. ARBEIT 1.2. hnlich (211) 5.2. Der Mensch muss sich auf das Irdische beschr nken — ERDE 8.2., HIMMEL 141-142 5.3. Der Mensch darf Gott nicht zuwiderhandeln —· GOTT 1061-1064, 1066-1068, 10701071, 1074 5.4. Der Mensch kann und darf nicht allein vom Brot leben —· BROT 126-136, 138-143, 146150, 152-157, WORT 5-6 5.5. Der Mensch muss sich der Tugend befleissigen (212-216) 5.6. Der Mensch soll friedfertig sein — FRIEDE 5.4. 5.7. Der Mensch muss sich selbst helfen — HELFEN 72, 75-79, 84-85. Vgl. HELFEN 32 S.S. Der Mensch soll sich zum Menschen halten und nicht allem bleiben (217). —· ALLEIN 10-12, 16, 23-24, EIN 21, GLEICH 141-142, 155. Vgl. ALLEIN 1.2. 5.9. Der Mensch soli f r den Menschen und seine Kinder sorgen — KIND 12S, 127 5.10. Der Mensch halte mass beim Essen (218-219). — ESSEN l, 5, 10, 13, 23, 29, 199. Vgl. ESSEN 2.1. 5.11. Vereinzelt (220) 6. Verhalten gegen ber den Menschen 6.1. Man erweise den Menschen selbst, was man von ihnen erwartet — BAUM 12.1. 7.3. Der Mensch ist wie ein verkehrter Baum (224 — 226) 7.4. Vereinzelt (227)

1. Wesen, Eigenschaften und Merkmale des Menschen Vgl. unten 4. 1.1. hnlichkeit des Menschen mit Gott und der Welt 1.1.1. Der Mensch ist nach dem Bilde Gottes erschaffen j, 2 B i b l . Et creavit Deus bominem ad imaginem suam VULG., GEN. 1,27. schuff den Menschen Jm zum Bilde LUTHERBIBEL, 1. MQSE 1,27.

Vnd Gott

3 It. L'uomo si e immagine di Dio Der Mensch ist das Ebenbild Gottes DETTI DEL BEATO EGIDIO (+FIORETTI 265). — KIND 227 1.1.2. Der Mensch ist eine kleine Welt 4 Gr. Εν τώι άνθρώπωι μικρώι κόσμωι οντι Beim Menschen, der eine kleine Welt ist DEMOKR, 34. 5 M l a t . Quandoque homo mundus dicitur, qma in $e totius mundi imaglnem repraesentat Bisweilen wird der Mensch eine Weit genannt, weil er in sich das Bild der ganzen Welt verk rpert PETR. COMEST., HIST. SCOL. 1055 A. 6 Fr. Des deux mondes, l'ung qui se notnme Le grant et le petit, c'est Vhomme Von den zwei Welten heisst die eine die grosse, und die kleine ist der Mensch G. ALEXIS 7 11,154,1311 (Contemptus mundi). Cbascun homme est ung petit monde Jeder s Mensch ist eine kleine Welt J. MIELOT 53. Aucuns bergers disent que l'homme est un petit monde Einige Sch fer sagen, dass der Mensch eine kleine Welt sei COMPOST (seit 1491 [+NISARD 1,125]}!.

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9 Eng L For pis resunpatjee haue hard Man es clepid pe lesse werld Aus diesem Grund, den ihr vernommen habt, wird der Mensch die kleinere Welt genannt CURSOR MUNDI 551. 10 Dt. Die minner werlt, daz ist der mensch2 Die kleinere Welt ... FRAUENLOB, SPR. 437,8. Vgl. WELT 81

1.2. Überlegenheit des Menschen irn Vergleich zu den Tieren 1.2.1. Der Mensch ist mit seiner aufrechten Gestalt fähig, den Himmel zu sehen 11 L a t. Nam cum ceteras animantis abiecisset ad pasfum, solum hominem erexit et ad caeli quasi cognationis domiciliique pristini conspectum excitavit (seil, natura) Denn während sie (die Natur} die übrigen Lebewesen zur Nahrungsaufnahme abwärts gerichtet hat, hob sie allein den Menschen empor und richtete ihn auf zum Anblicken des Himmels, gleichsam als seines Heimatortes und einstigen Wohnsitzes Cic., DE LEG. 12 1,9,26. Quae (seil, natura} primum eos (seil, homines) humo excitatos celsos et erectos constitutt, ut deorum cognitionem caelum intuentes capere possent Diese (die Natur) hat sie (die Menschen) zunächst vom Erdboden erhoben und aufgerichtet erschaffen, damit sie beim Betrachten des Himmels die Götter erkennen könnten Cic., DE NAT. 13 DEOR. 2,56,140. Pronaque cum spectent animalia cetera terram, Qs homini sublime dedit (seil, opifex rerum sive recens tellus), caelumque videre lussit et erectos ad sidera tollere vultus Während die übrigen Lebewesen abwärts gegen die Erde blicken, gab er/ sie (der Schöpfer der Dinge oder die neue Erde) dem Menschen ein hoch erhobenes Antlitz und befahl ihm, den Himmel zu betrachten und den Blick aufwärts zu den 14 Sternen zu richten OVID., MET. 1,84. lila (seil, natura} voltus nostros erexit ad coelum et quicquid magnificum mirumque fecerat, videri a suspicientibus uoluit Jene (die Natur) richtete unsere Antlitze aufwärts gegen den Himmel und wollte, dass all das Grossartige und Wunderbare, das sie erschaffen hatte, von den Emporblickenden gesehen 15 würde SEN,, EP, 94,56. Erecta statura factus est (seil, homo), ut hoc ipso admoneretur non stbi terrena esse sectanda, ueiut pecora, quorum uoluptas omnis ex terra est Er (der Mensch) wurde mit aufrechter Gestalt erschaffen, damit er gerade dadurch daran erinnert würde, dass er nicht dem Irdischen nachgehen dürfe wie das Vieh, dessen ganze Befriedigung von der Erde kommt AUGUSTIN., DE GEN. AD LITT. 6,12. 16 Mlat. Quae variis vtdeas licet omnia discrepare formis, Prona tarnen fades hebetes valet ingravare sensus. Unica gens hominum celsum levat altius cacument Atque levis recto stat corpore despicitque terras. Haec, nisi terrenus male desipis, admonet figura, Qui recto caelum vultu petis exserisque frontetn, In sublime feras animum quoque, ne gravata pessum Inferior sidat mens corpore celsius levato Mag man auch alle diese durch mannigfaltige Formen sich unterscheiden sehen, das abwärts gerichtete Gesicht kann doch ihre stumpfen Sinne nur noch schwerer machen. Einzig das Geschlecht der Menschen hebt das hoch aufgerichtete Haupt noch mehr aufwärts und steht mit aufrechtem Körper leicht da und blickt von oben auf die Erde hinab. Wenn du nicht erdbefangen und ganz stumpfen Sinnes bist, mahnt dich diese Gestalt, dass du, der du mit erhobenem Antlitz den Himmel suchst und die Stirn emporstreckst, auch die Seele aufwärts zum Erhabenen trägst, damit der Geist nicht durch eine schwere Belastung 17 tiefer herabgezogen wird als der aufgerichtete Leib BOETH. 5,5, 8. Neque ut animalia rationis expercia prona esse uidemus in terram, ita creatus est homo, sed erects in celum corporis forma, admonet (Ausg.: admouet) eum quae sursum sunt sapere Und nicht so wie das vernunftlose Vieh, das wir gegen die Erde gerichtet sehen, ist der Mensch geschaffen; die hoch gegen den Himmel aufgerichtete Gestalt mahnt ihn viel-

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28 mehr, das zu erkennen, was oben ist VlNC. BELL., SPEC. HIST. 2, 31, Augustinus super genesim libro vi ... erecta statura factus est: vt hoc ipso ammoneretur non sibi terrena esse sectanda: velut sunt pecora quorum voluptas omnis ex terra Augustin (sagt) im sechsten Buch über die Genesis: „Er (der Mensch) wurde mit aufrechter Gestalt erschaffen, damit er gerade dadurch daran erinnert würde, dass er nicht dem Irdischen nachgehen dürfe wie das Vieh, dessen ganze Befriedigung von der Erde kommt" VINC. BELL., 19 SPEC. NAT. 24,3. Os homini sublime dedit celumque videre Jussit et erectos ad sydera tollere vultus Er gab dem Menschen ein hoch erhobenes Antlitz und befahl ihm, den Himmel zu betrachten und den Blick aufwärts zu den Sternen zu richten BASL. Hss. A XL71 Bl. 196 v (15. Jh.). 20 Fr. Oisiaus, poissons, bestes sauvages, Si lor establi (seil. Diex) lor usages, Que tout vers tiere garderoient Et tout lor viandes querroient; Homme ne vot pas ensi faire, Ains U leva haut le viaire Den Vögeln, Fischen und wilden Tieren hat er (Gott) ihre Gewohnheiten so bestellt, dass sie ganz gegen die Erde blicken und ausschliesslich ihre Nahrung suchen sollen. Den Menschen wollte er nicht so machen, er hob ihm vielmehr 21 sein Gesicht hoch empor PERCEV. FORTS. 34801. En baut porte e tient la teste, Ceo ne fet pas autre beste. Ceo demustre e signefte: Horn ne deit esgarder mie Vers les biens ki sunt en tere Pur la fause joie cunquere; Mes deit esgarder en haut Vers la joie ki ne faut Hoch aufgerichtet trägt und hält er den Kopf. Das tut kein anderes Lebewesen. Dies zeigt und bedeutet: Der Mensch darf nicht auf die Güter, die auf der Erde sind, blicken, um falsche Lust zu erlangen, sondern er muss in die Höhe blicken zu der 22 Freude, die nie aufhört S. DE FREINE, ROM. DE PHIL. 637. Dex nel' (seil, home) fist, pas com une beste; Bouche li fist et eulz et teste, Et si li donah le pooir Que vers le cielpoist veoir Gott schuf ihn (den Menschen) nicht wie ein Tier. Er machte ihm Mund, Augen und Haupt und verlieh ihm die Fähigkeit, gegen den Himmel zu blicken HERB,, 23 DÖLOP. 11661. Les hommes ont en hattlt les festes; Tout droit son la bauche et les yeulx. Affin de regarder les cteulx, Ce que n'ont pas les autres bestes Die Menschen haben ihre Häupter hoch erhoben; ganz gerade sind der Mund und die Augen gerichtet, um den Himmel zu betrachten, was die ändern Lebewesen nicht können G. ALEXIS 11,9,29 (Passetemps Alecis), 24 It. Che Dio fecie la bestia chinata inver la terra, e gli occhi e la boccha tenendo in essa senpre ... ma l'omo fecie ritto, la te&ta, la bocba, li occhi tenendo al Cielo Denn Gott schuf das Tier so, dass es gegen die Erde gebeugt ist und die Augen und das Maul immer gegen diese gerichtet hält. Den Menschen aber schuf er aufrecht, mit dem Haupt, dem Mund und den Augen gegen den Himmel gerichtet GUITTONE, LETTERE 1,224. 25 La bestia e fagia ingina a quel intendemento Ke pur al venire so faza reficiamento: Ma tu k' e' corpo human, st e' fagio in statura E drigio et aslevao e nobel per natura. Inverse lo ce e volta la toa guardatura Das Tier ist dazu gebeugt erschaffen, dass es nur seinem Bauch Nahrung verschaffe. Aber du, der du ein menschliches Wesen bist, bist in der Gestalt gerade und aufrecht erschaffen und von Natur aus edel. Dein Blick ist gegen den Himmel gerichtet BONVESIN, DE ANIMA 263. 26 E n g l . Mannen he (seil. Go^) sealde upribtne gang, pa nytene he let gan alotene Er (Gott) gab den Menschen einen aufrechten Gang, die Tiere liess er gebeugt gehen EARLY 27 HOM. 8,10. Alle dor and fu$el ifliht Lete he (seil. God) tnakede adunriht. t>ene Mon he lufede and welbipohte. And for-pi bis neb upward he wrohte Alle Tiere und alle fliegenden Vögel schuf er abwärts geneigt. Den Menschen (aber) liebte er, und er war ihm wohlgesinnt, und deshalb machte er sein Gesicht aufwärts gerichtet HO.MILIES A 59,89. 28 Nl. Des menschen antlat is ho van art Van anderen deren to hemele kart Des Menschen Antlitz ist hoch von Natur aus, von den anderen Lebewesen (weg) zum Himmel gekehrt MNL. RSPR. (WACKERNAGEL) 129.

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29 Dt. Er (seil, gof) gischuf in (seil, den mennischtn) uffrecbt, daz er f seht, Da midi si wir gischeidin von dem vehi Er (Gott) schuf ihn (den Menschen) aufrecht, damit er emporblicke. Dadurch sind wir vom Vieh geschieden SUMMA THEO L. 107. Vgl. GESUND 51, TIER 5.1.1., 5.3.2.3.

1.2.2. Der Mensch ist ein mit Vernunft begabtes Wesen 30 Gr. Άνθρώποισι πασι μέτεστι γινώσκειν έωυτούς και σωφρονεϊν Den Menschen ist 31 allen zuteil, sich selbst zu erkennen und verst ndig zu denken HERAKLEIT. 116, Ζωον λογικόν, θνητόν, χερσαϊον, πεζόν, γελαστικόν (seil, άνθρωπος) {Der Mensch ist) ein vernunftbegabtes, sterbliches, auf dem Land lebendes, zu FUSS gehendes (und) zum Lachen f higes Lebewesen CLEM. ALEX., STROM. 8,21,1 (vgl. unten 1.2.4,, 4.3.1,)· 32 Τον ανθρωπον είναι ζωον λογικόν Der Mensch ist ein vernunftbegabtes Wesen SEXT. EMP., PYRRH, HYP. 2,209. 33 Mlat. Humano datum commodo nil maitts est ingenio! Nichts H heres ist dem Menschen zum Vorteil gegeben als der Verstand SACERDOS ET LUPUS {*CARM. CANTABR. 34 35,7). Quia rationale animal homo est Denn der Mensch ist ein vernunftbegabtes Wesen DANTE, DE VULG. EL. 2,10,1. 35 Dt. Homo est animal rationale mortale risus capax. — Ter mennisco ist ein ding libbafte , redohafte . totig . lacbennes machtig Der Mensch ist ein vernunftbegabtes, sterbliches, zum Lachen f higes Lebewesen LAT.-AHD. LOGIK {11. Jh. [+ GERM ΑΝΙΑ 5,289]) {vgl. unten 1.2.4., 4.3.1.). Vgl. unten 45, 82, TIER 5.3.2.1,

1.2.3. Der Mensch hat die Gabe zu sprechen 36 Dt. So merket waz uns geschriben hat Aristotiles an einer stat: „Got hat die spr che dem menschen geben, Daz ez mit ir uz rihte sin leben, Wenne ez vil mer begerunge hat Denne alliu sin ander hant get t" So nehmt zur Kenntnis, was uns Aristoteles an einer Stelle geschrieben hat: „Gott hat dem Menschen die Sprache gegeben, damit er mit ihr sein Leben einrichte, da er viel mehr W nsche hat als alle seine ndern Gesch pfe" HUGO v. TRIMBERG 22219, Vgl. unten 42, FEUER 192, WORT 1079-1080

1.2.4. Der Mensch ist f hig zu lachen 37 Gr. Μόνον γέλα ν των ζφων ανθρωπον Der Mensch lacht als einziges unter den Lebe38 wesen ARISTOT., PART. AN. 3,10. "Ανθρωπος μεν γελαστικόν, όνος δε ου γελαστικόν Der Mensch ist ein Wesen, das lachen kann, der Esel dagegen eines, das nicht lachen 39 kann LUKIAN., VIT. AUCT. 26. Οΰτω γαρ ορίζονται τον ανθρωπον, ότι. μόνος εξ απάντων των ζφων γελφ Denn so setzten sie es fest, dass der Mensch allein unter alien Lebewesen 40 lache POLL. 6,200. Ζωον γελαστικόν (seil, άνθρωπος) (Der Mensch ist) ein Lebewesen, das lachen kann SEXT. EMP., PYRRH. HYP. 2,211.41 M l a t . Neque homo amittit risibile esse, nee Aethiops aut corvus, nigrum Weder b sst der Mensch die F higkeit zu lachen ein noch der Mohr oder der Rabe die schwarze Farbe BOETH., IN PORPH. 2 (69 D) (= KR HE 2), 42 It. Dico anche di lui ehe ridea, ed anche ehe par lava; le quali cose paiono essere proprie de l'uomo, e spezialmente essere risibile Ich sage ausserdem von ihm, dass er lachte, und auch, dass er redete, Eigenschaften, die offensichtlich dem Menschen zuzugeh ren scheinen, besonders allerdings die F higkeit zu lachen DANTE, V. N. 25 S, 43 186 {vgl. oben 1.2.3.}. Per descriver l'uomo, si suol dire ehe egli e un animal risibile Um den Menschen zu beschreiben, pflegt man zu sagen, dass er ein Lebewesen sei, das lachen k nne CASTIGLIONE, CORTEGIANO 2 S. 128.

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44 Dt, Alse ein meiste? sprichit: ,daz ist den menschin eigin daz he lechlich ist for allin ttrin' Wie ein Meister sagt: „Dem Menschen ist dies eigen, dass er vor allen Tieren 45 f hig ist zu lachen" GISELHER v. SLATHEIM (+PARADISUS 91,4). Der mensche ist ein redelich tir, des eigin ist daz he lechlich ist Der Mensch ist ein vern nftiges Wesen, dessen Eigent mlichkeit es ist, dass es (w rtl.: er) lachen kann FLORENTIUS v. UTRECHT (+PARADISUS 133,34) (vgl, oben 1.2.2.). Vgl. oben 31,35

1.2.5. s. Inhalts bersicht 1.3. Zwischenstellung und Mischnatur des Menschen 1.3.1. Der Mensch h lt die Mitte zwischen Engel und Tier 46 Fr. Or Vom si est untre l'angel e ία bestia Nun steht aber der Mensch zwischen dem Engel und dem Tier GALLOIT. PREDIGT (l2.Jh. [+ROM. STUDIEN 4,7 = MONACI 13,42]). 47 It. Come Ί Saggio aide: Homo e mezzo intra Angieli e bestie Wie der Weise sagt: „Der Mensch ist die Mitte zwischen den Engeln und den Tieren" GUITTONE, LETTERE 25,67.

1.3.2. Der Mensch hat Gutes und B ses in sich 48. 49 Dt. Zu eynem lebendigen menschen mu man sich guts und b ses versehen Bei einem lebenden Menschen muss man Gutes und B ses gew rtigen AGRICOLA Nr. 17. EGENOLFF 8 r. -» GUT (Adj.) 720

50 51 52 53 54 55

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1.4. Unvollkommenheit und S ndhaftigkeit des Menschen 1.4.1.—1.4.3. s. Inhalts bersicht 1.4.4. Irren und S ndigen ist menschlich Gr. 'Αμαρτωλά! γαρ εν άνθρώποισιν έπονται Θνητοΐς Denn die Fehler folgen bei den sterblichen Menschen auf dem FUSS THEOGN, 1,327. Άνθρώποισι γαρ Τοΐς πασι κοινόν εστί τούξαμαρτάνειν Denn allen Menschen ist das Irren gemeinsam SOPH., ANT. 1023. Άμαρτεΐν εικός ανθρώπους Es versteht sich, dass die Menschen irren EUR., HIPP. 615. Το γαρ άμαρτάνειν ανθρώπους οντάς ουδέν οιομαι θαυμαστόν Denn dass man als Mensch Fehler begeht, ist meines Erachtens nicht erstaunlich XEN., KYR. 5,4,19. "Ανθρωπος ων ήμαρτον ου θαυμαστέον Da ich ein Mensch bin, ging ich fehl; das ist nicht verwunderlich MEN., FRG. 499. Ήγεΐτο (seil. Σωκράτης) γαρ ανθρώπου μεν είναι το άμαρτάνειν, θεοϋ δε ή ανδρός ίσοθέου τα πταισθέντα έπανορθοΰν Denn er (Sokrates) glaubte, dass es die Art des Menschen sei zu irren, den Fehltritt wieder in Ordnung zu bringen aber die eines Gottes oder gottgleichen Mannes 5 LUKIAN., DEMON. 7. L a t . Censen hominem me esse? Erraui Denkst du, dass ich ein Mensch sei? Ich habe geirrt TER.J ADE L PH, 579. Cuiusvis hominis est errare; nitllius nisi insipieniis in err ore perseverare Es ist Art eines jeden Menschen, dass er irrt; im Irrtum zu verharren ist aber nur die Art eines Toren QIC., PHILIPP. 12,2,5. ,Nemo', inquit ,nostrum non peccat. homines sumus, non dei' „Jeder von uns s ndigt", sagte er. „Wir sind ja Mensehen, nicht G tter" PETRONIUS 75,1. Fateor me, domina, saepe peccasse; nam et homo sum et adhuc iuvenis Ich gestehe, Herrin, dass ich oft ges ndigt habe; denn ich bin ein Mensch und dazu noch ein J ngling EBD. 130,1. Errare hominis est Irren ist Art des Menschen PS. QUINT., DECL. MAIOR. 9,12. Peccare enim hominis est: insidias tendere, diaboli Denn das S ndigen ist Art des Menschen, hinterlistig nachzustellen

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62 aber Art des Teufels HIERON., ADV. RUFINUM 3,33 (481 B). Si errasti ut homo Wenn 63 du geirrt hast wie ein Mensch EBD. 3,36 (483 B). Errasse humanum est Geirrt zu 64 haben ist menschlich HIERON., EP, 57,12,3. Humanum fuit errare, diaboHcum est per animositatem in errore manere Es war menschlich zu irren; teuflisch aber ist es, aus Zorn beim Irrtum zu verharren AUGUSTIN., SERM. 164,10,1 (901). 65 Mlat. Sed quia non est fas hominem non errare ... Aber da es nicht möglich ist, 66 dass der Mensch nicht irrt ENNODIUS 214,4. Humanum est peccare, diabolicum est in peccatis durare Sündigen ist menschlich, teuflisch dagegen ist es, bei den Sünden zu 67 verharren HROTSVITHA 157,16 (Abraham 7,6). Humanum est peccare, diabolicum 68 vero est perseverare ... (dabei) zu verharren OTLOH., PROV. 313 B. Peccare quippe humanum est, peccatum vero defendere diabolicum est Sündigen ist fürwahr menschlich, aber die Sünde zu verteidigen ist teuflisch PETR. DAMIANI, SERM. 17,90 (599 D). 69 Error in humanis comes indefessus oberrat Der Irrtum schweift bei (allen) menschli70 chen Dingen als unermüdlicher Begleiter mit ALANUS 334 (Anticlaudian. 2,1). Sed si homo fuit, et errasse profecto potuit et erravit Aber wenn er ein Mensch gewesen ist, hat er in der Tat auch irren können und (wirklich) geirrt PETRARCA, EP. 135 (Farn. 24,2). 71 Fr. Car pechier est euvre d'omme, mats perseverer en pechte est euvre de deable Denn sündigen ist das Werk des Menschen, in der Sünde zu verharren aber ist das Werk des Teufels RENAUT DE LOUHANS, MELIBEE 206. 72 It. El e humana cossa in questo mond peccar, Ma cossa dr'inimigo si e perseverar Es ist menschliche Art, in dieser Welt zu sündigen, aber Arr des Teufels, dabei zu verharren 73 BONVESIN 10» 189. Perche tal volta e cosa umana errare Et angelica poi presto emendarsi Denn bisweilen ist es menschliche Art zu irren und Art eines Engels, sich danach 74 alsbald zu bessern ABRAMO E AGAR (+ RAPPR. 1,26). Umano e all' uomo errare, diabolico il presseverare, angelico l'emendare Menschlich ist es beim Menschen zu irren, 75 teuflisch, dabei zu bleiben, Art eines Engels, sich zu bessern ARLOTTO 214,32. // peccare e cosa umana; gloriarsi d'aver peccato, e cosa diabolica Das Sündigen ist menschliche Art; teuflische Art (aber) ist es, damit zu prahlen, dass man gesündigt hat 76 SAVONAROLA 42 (1493). Cosa umana e a peccar Zu sündigen ist menschliche Art ARIOST, ORL. FÜR. Giunta 4,76. 77 Span. De los hombres es errar Zu irren ist Art der Menschen CELESTINA 68 (1). 78 Engl. The proverbe seith, that for to do synne is mannyssh, but certes, for to persevere lange in synne is werk of the devel Das Sprichwort sagt, dass sündigen menschlich [sei], aber lange bei der Sünde verharren gewiss das Werk des Teufels sei CHAUCER, 79 TALE OF MELIBEUS B 2454. Be nat abassht: it manly is to synne, But feendly is, longe lye ther-ynne Sei nicht beschämt! Es ist menschlich zu sündigen, aber teuflisch, lange dabei zu bleiben HOCCLEVE, MIN. POEMS I 22,783.4 so Nl. Vollen ende opstaen es menschelijc Fallen und aufstehen ist menschlich J. v. LEEUWEN (+MNL. GEISTL. PROSA 82). AI Dt. Sünden daz ist menschlich, Büezen das ist götlich„ Verzwlfeln daz ist tiufelich Sündigen, das ist menschlich; Busse tun, das ist göttlich; verzweifeln, das ist teuflisch

HUGO v. TRIMBERG 23935. 1.5. Beschränktheit und Uneinsichtigkeit des Menschen 1.5.1. s. Inhaltsübersicht 1.5.2. Der Mensch wird in allen fünf Sinnen von ändern Lebewesen übertroffen 5 82 Mtat, Cum vero in eo homo caeteris animalibus praestet, quod ratione viget, et intelligentia (nam in sensibus, qui licet animae stnt, corporis esse dicuntur, facile superatur,

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neque lynci valeat aequari perspicacia oculorum; SMS auditu praevalet, vultur aut canis odoratu, gustu simia, aranea tactu) ... Da aber der Mensch darin die übrigen Lebewesen übertrifft, dass er sich durch Vernunft und Verstandeskraft auszeichnet — denn in bezug auf die Sinne, die, mögen sie auch zürn Geist gehören, doch vorwiegend körpereigen sind, wie man sagt, wird er leicht übertroffen, und er könnte bezüglich der Scharfsichtigkeit der Augen nicht mit einem Luchs verglichen werden; das Schwein hat ein besseres Gehör, der Geier und der Hund einen besseren Geruchssinn, der Affe einen besseren Geschmacksnerv und die Spinne einen besseren Tastsinn — ... IOH. SARESB., POLICRAT, 639 A (vgl. oben 1.2.2.). 83. 84 Dt, In allen fünff synnen übertreffen den menschen ettliche thiere AGRICOLA Nr. 662. EGENOLFF 240 v. Vgl. EBER 1. Ähnlich: 8$ Mlat. Nihil autem miserum, quod in stto genere constat, nisi forte quis hominem deplorandum existimet, gut neque volare possit cum ambus,, neque quaternis ingredi pedibus cum reliquo pecuditm genere, neque cornibus sit obarmatus, quemadmodum tauri Aber es gibt nichts, was seinem Wesen nach unglücklich ist, es sei denn, dass einer den Menschen für beklagenswert hält, weil er nicht mit den Vögeln fliegen kann noch wie die übrigen Tiere auf vier Füssen zu gehen vermag und auch nicht wie die Stiere mit Hörnern bewaffnet ist ERASM., STULTITIAE LAUS 114.

1.5.3,-1.5.4. s. Inhaltsübersicht 1.5,5. Der Mensch allein ist uneinsichtig und unbotmässig 86 B i b l . Milvus in caelo cognovit tempus suum: turtur, et hirundo, et ciconia custodierunt tempus adventus sui: populus autem meus non cognovit iudicium Domini Der Weih am Himmel kennt seine Zeit; die Turteltaube und die Schwalbe und der Storch halten die Zeit ihres Kommens ein, aber mein Volk kennt das Recht des Herrn nicht 87 VULG., IER. 8,7. Ein Storck vnter dem Himel weis seine zeit, ein Dorteltaube, Kranich vnd Schwalbe mercken jre zeit, wenn sie wider körnen sollen, Aber mein Volck wil das (Ausg.: was] Recht des Herrn nicht wissen LUTHERBIBEL, EBD. 88 Mi at. Mtrabatur, quod audebat homo non parere creatori suo, cum certe omnes creature parerent Er wunderte sich, dass es der Mensch wagt, seinem Schöpfer nicht zu gehorchen, während ihm doch zweifellos alle (ändern) Lebewesen gehorchen KLAPPER, EXEMPLA 31,10. 89 Fr. Kascune mue beste conoist son encombrier ... Mais solement li hom Tot ades siut lo mal et to bien lait aller Jedes stumme Tier weiss, was ihm schadet, allein der Mensch aber folgt immer dem Schlechten und lässt das Gute fahren POEME MORAL I 167. 90 Home est la plus vil rien del monde, Qui deust estre la plus monde: Car tote l'autre criature Obeist solonc sä nature Plus a Den que home ne fait Das niedrigste Wesen der Erde ist der Mensch, der doch das reinste sein sollte; denn jedes Geschöpf gehorcht seiner Natur gemass Gott mehr, als es der Mensch tut G. LE CLERC, TREIS MOZ 497. 91 Engl. Ealle gesceafta heriaö heora Scyppend Butan öam earmum mannum de hine forseoö, And hine herian nellaö Alle Geschöpfe preisen ihren Schöpfer, ausgenommen die elenden Menschen, die ihn missachten und ihn nicht loben wollen EXAMERON 393. 92 f*e al pe world wrahte And alle worldliche fringes, And al wurcheö his wil Bute mon ane Der die ganze Welt erschuf und alles auf der Welt, dessen Wille alles erfüllt mit Ausnahme des Menschen SAINT KATHERINE 369. 93 Dt. Ein iegltch dine sin or den hat, Daz ist von der nature rat, Ane alters eine der man Der stnen orden niht halten kan Ein jegliches Wesen hält sein Gesetz, das es von

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der Natur aus hat, mit Ausnahme des Menschen ganz allein, der sein Gebot nicht halten 94 kann THOM. v. ZIRCLARIA 2611, Merket, weih ein sunder art: der storch erkennet siniu zit; Der wtje und auch diu kleine swal, wä si den kalten winter lit; Der werde mensche erkennt niht den, der in gebildet hat Seht, welch besondere Art! Der Storch erkennt seine Zeit, (ebenso) der Weih, und auch die kleine Schwalbe (weiss), wo sie sich den kalten Winter über aufhält. (Nur) der ausgezeichnete Mensch erkennt den 95 nicht, der ihn erschaffen hat WERNHER (BRUDER) 16, l. Gotes gebot niht übergät Wan der mensche, den er geschaffen hat; Vische, vögele, wurme und tier Hänt ir reht baz danne wir Gottes Gebot übertritt nur der Mensch, den jener geschaffen hat. Fische, Vögel, Würmer und (vierfüssige) Tiere halten ihr Gesetz besser ein als wir FREIDANK 96 5,11. leglich creätiure erkennet wol ir zit, Niht wan die tier in menschen hiute, Die sint gates widerstrit Jede Kreatur erkennt ihre Zeit gut, mit Ausnahme der Tiere in 97 Menschenhaut; diese sind Gottes Widersacher MARNER 14,44. Da von ist ez allez czam Daz da grünt oder lebt. Nur der mensch wider strebt Deshalb ist alles gehorsam, was da grünt oder lebt. Nur der Mensch leistet Widerstand HEINR. D. TEICHNER ( 98 WÖHNER) 1,60 {= LIEDERSAAL 152,60). All creatur tuot loben got In ir geschepft nach sim gebot; Der mensch der tuot doch sünden Jedes Geschöpf, das auf ihr (seil, der Erde) nach seinem Gebot geschaffen ist, lobt Gott. Der Mensch jedoch sündigt 99 HUGO v. MONTFORT 12,16. N» alle creatur, die got beschaffen hat... le dankper ist dem heuen m der maiestat... Ach tummer mensch, wie ist dein herz dann gar so wilt? Wenn jedes Geschöpf, das Gott geschaffen hat, dem Herrn in seiner Majestät immer dankbar ist, weshalb ist dann dein Herz, ach dummer Mensch, gar so wild? OSWALD v. WOLKENSTEIN 94,25. Vgl. GOTT 32.12., TIER 5.2.2.

1.5.6, Vereinzelt 100 Engl. Al-Maner quik f)ing bat is borw Codes miht, Whon hit comefi fürst forp, con him-self diht... And con him-self purchase mete to his nede, And hap borw kynde mi$ for to gon, Per kynde of mon hap rijt non, Bute vn-mijti wrecches alle are we Jederlei Lebewesen, das durch Gottes Macht existiert, kann, wenn es geboren ist, sich selbst führen und sich selbst Nahrung für seine Bedürfnisse suchen und hat seiner Art gemäss die Fähigkeit zu gehen, wo das Menschengeschlecht gar keine hat; denn wir sind alle schwache Geschöpfe VERNON MS. 37,209.

1.6. Schlechtigkeit und Bosheit des Menschen 1,6.1. Der (schlechte) Mensch ist das Schlimmste, was es gibt 101 It. Pegior bestia de l'omo non ha el mondo Ein schlechteres Tier als den Menschen gibt es auf der Welt nicht BOIARDO, POESIE 352 (Timone 1,4,19). 102 Span. El omne bueno es mejor que todas las animalias que son en la tierra, e el malo es mas vil que todas las animalias que son en ella Der gute Mensch ist besser als alle Lebewesen, die auf der Erde sind, und der schlechte ist viel schlimmer als alle Geschöpfe, die auf ihr sind Boc. DE ORO 117. 3 3 Engl. Alas for woo! why is man Wele woorse than beste onresonable? O wehe! Warum ist der Mensch viel schlimmer als das vernunftlose Vieh? FÜRNIVALL 216,385. 104 Dt. Dehein bourn boeser obez treit Dan diu boese menscheit Kein Baum trägt 105 schlechtere Früchte als die böse Menschheit FREIDANK 21,17. Arbor nulla dabit sie fructus deteriores, Quam viciosus homo multos inutiliores. — Kain boum böser obst treit, Den dy böse menscheyt Kein Baum wird so viele schlechte[re] (und) nutzlosere] Früchte geben wie der sündhafte Mensch. — ... FREI DANK LAT. (GöRurz) 1016.

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1.6.2. —1.6.4. s. Inhaltsübersicht 1.7. Unzuverlässigkeit und Undurchschaubarkeit des Menschen 1.7.1. Auf den Menschen ist kein Verlass 106. 107 Bibl. Maledictus homo, qui confidit in homine VULG., IER. 17,5. Verflucht ist der Man, der sich auff Menschen verlesst LUTHERBIBEL, EBD. 308 I t , Dio dice: Maladetto uomo ehe speranza pone in uomo Gott sagt: „Verfluchter Mann, der seine Hoffnung auf den Menschen setzt" MAZZEI, LETTERE II, 105 (1408 n. St.). — GOTT 1328

1.7.2. s. Inhaltsübersicht 1.7.3. Der Mensch ist schwer zu erkennen 109 M l a t . No« hominis mores cito noscimus inferiores, Hinc laudis flores cito non tribuas uel honores Wir erkennen den inneren Charakter des Menschen nicht schnell. Daher verleihe ihm nicht schnell Blumen des Lobes oder Ehren! FLOR. GOTTING. 70, J S p a n . O quemala cosa es de conocer el hombre! Bien atzen, que ninguna mercaduria ni animal es tan dificil O welch schwere Sache ist es, den Menschen zu erkennen! Man sagt richtig, dass keine Ware und kein Tier so schwer (zu erkennen) ist CELESTINA 107 (5). 311 N o r d . Seint ma reyna mennina hvilikir ero Langsam {nur} kann man erkennen, wie die Menschen sind MORKINSKINNA 190,38 (— GERING S. 11). 3J2 Dt. Eyn mensche en kan den anderen int herte nicht gheseen Ein Mensch kann dem ändern nicht ins Herz Wicken VEGHE 96,8. Vgl. unten 3.2.1., HERZ 7.2. 1.8. Ruhelosigkeit, Begehrlichkeit und Neugier des Menschen 1.8.1. Der Mensch ist nie müssig 6 313 Dt. Ein alt Sprichwort gicht: Des menschen hertz das feyret nicht Ein altes Sprichwort 114 sagt: „Das Herz des Menschen ist nicht müssig" SACHS 111,488,21 (1535). Das menschlich hertz das feyret nicht EBD. XXI, 142, 30 (1563). Vgl. NATUR 188, WELT 2.2.2. 1.8.2.-1.9. S.Inhaltsübersicht

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1.10. Gleichheit und Gleichartigkeit aller Menschen 1.10.1. s. Inhaltsübersicht 1.10.2. Ein Mensch ist wie der andere La t. Homo ego sum, homo tu es Ich bin ein Mensch, du bist ein Mensch FLAUT., TRIM. 447. Tarn ego homo sum quam tu Ich bin ebenso ein Mensch wie du FLAUT., ASIN. 490. Dt. Mir ist von manegem man geseit, Er phlege grözer heilekeit: Als ich in sach, so duhte mich, Er waere ein mensche alsam ich Mir ist von manchem Menschen gesagt worden, er besitze grosse Heiligkeit. Als ich ihn (dann) sah, dünkte es mich, er sei ein Mensch wie ich FREIDANK 21,7. De mttitis fari hene percept, quia vita Ipsorum quoque sit multa virtute polita; Ipsorum [in] voltus mea lamina quando tetendi, Homines hos sicut quoque me reprehendi. — Mir ist von manchem man gesayt, Sein lebin sey grosz bescheidenheyt; Alzo ich in sach, so daucht mich, Her wer ein mensch, recht alzo ich Ich habe über viele gut reden hören, weil ihr Leben [auch] mit viel Tugend ge-

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schm ckt sei. Als ich meine Augen auf ihre Mienen richtete, stellte ich unwillig fest, dass sie Menschen waren wie ich. — Mir ist von manchem Menschen gesagt worden, sein Leben bestehe in grosser Weisheit ... FREIDANK LAT. (G RLiTz) 1191. 1.10.3. s. Inhalts bersicht 1.11. Weitere Eigenschaften und Merkmale des Menschen 1.11.1. Der Mensch ist teilnahmsvoll i 19 La t. Chreme, tantumne ab re tuast oti tibi Aliena ut cures ea quae nihil ad te attinent? — Homo sum: humani nihil a me alienum puto Chremes, lassen dir deine eigenen Angelegenheiten so viel Zeit, dass du dich noch um fremde k mmern kannst, welche dich nichts angehen? — Ich bin ein Mensch (und) bin der Meinung, dass mir nichts 120 Menschliches fremd ist TER., HEA T. 75. Quod st ... homines humani, ut ait poeta, nihil a se alienum putarent Wenn aber die Menschen glaubten, wie der Dichter sagt, 121 dass ihnen nichts Menschliches fremd sei Cic., DE LEG. l, 12,33. Homo ... qui nihil a se alienum debet credere quidquid humani e$t Der Mensch, welcher glauben soll, dass ihm nichts, was es auch an Menschlichem gibt, fremd sei ... AMBROS., DE OFFIC. MINISTROR. 3,7,45 (168 A). 7 122 Mlat. Sed sapientioribus jam venit in dubittm, an {Ausg.: au] quidquam hominis, recte sit, homini alienum Aber die Weiseren bezweifelten es schon, ob es recht sei, dass 123 etwas Menschliches dem Menschen fremd sei IOH. SARESB., POLICRAT, 477 B. Humanum teste cotnico nihil charitas a $e reputat alienum Die N chstenliebe h lt nach dem Zeugnis des Kom diendichters nichts Menschliches f r etwas, das ihr fremd ist IOH, SARESB., EP. 206 (229 D). 1.11.2.-1.11.3. s. Inhalts bersicht 1.12. Vereinzelt 124 Fr. Tex est li hons com U se fait Der Mensch ist so, wie er sich macht RUTEBEUF 11,95,35. 2. Bedeutung, Wirkung und Macht des Menschen 2.1. Positive Bedeutung und Wirkung des Menschen 2.1.1. Der Mensch ist des Menschen Gott 125 Gr. "Ανθρωπος ανθρώπου δαιμόνιον Der Mensch ist des Menschen Gott ZENOB. l, 91. 126 La t. Recte Caecilius comicus, homo, inquit, homini deus est, si suum officium sciat Richtig sagt der Kom diendichter Caecilius: „Der Mensch ist des Menschen Gott, wenn er seine Pflicht kennt" SYMMACH., EP, 9,114,1, 127-132 M g r . "Ανθρωπος ανθρώπου δαιμόνιον

bers, wie 125 PS. DIOGENIAN. 1,80. PS. Dio-

GENIAN. VlNDOB. 1,46. GREG. Of P. LEID. 1,50. GREG. Or. MOSQ. 2, 13. APOSTOLIOS

ί33.134 135 136

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2,89.3,10. Mlat. Homo homini daemonium bers, wie i25 ERASM., ADAG, COLL. 9r, Homo homini deus. — Er ist sein got gewest (gewesen) HAUER 129. Homo homini deus ERASM., ADAG. CHIL. l, 1,69. D t . Homo homini deus. - Ein mensch ist des ndern gof 8 FRANCK 1,41 r. Vgl. unten 150 hnlich: N o r d . Ma r er mannz gaman Der Mensch ist des Menschen Freude H VAM L 47,6 ( = JONSSON, ARKIV269. JONSSON 113).

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2.1.2. Der Mensch verleiht erst allem seinen Wert 138 La t. Homo locum ornat, non hommem locus Der Mensch ziert den Ort, nicht der Ort den Menschen FAB. INC, INC. 35. 139 Mgr. Ούχ ό τόπος τον άνδρα, αλλ' ό άνήρ αυτόν έντιμον ποιεί Nicht der Ort macht 140 den Menschen ehrenwert, sondern der Mensch jenen APOSTOLIOS 13,62. Έπαρε τον ανθρωπον και ϊδε τόπον έρημον Nimm den Menschen weg und sieh eine W ste! KRUME. 107 S. 126. 141 Mlat. Esse solet non quod locus faciat hominem sed homo locum Es pflegt nicht so zu sein, dass der Ort den Menschen macht, sondern der Mensch den Ort FRANCESCO DA BARB., Doc. 1,202, 142 Fr. Romme fait saint lieu, mats lieu par droit Ne fait saint komme en nul endroit Der Mensch macht den Ort heilig, aber nirgends macht von Rechts wegen der Ort einen zum heiligen Menschen GOWER, MIR. DE L'OMME 21097. 143 It. L'huomo honora luogo, e non H luogo l'huomo Der Mensch ehrt den Ort und nicht der Ort den Menschen MERBURY 21. 144 Dt. Die kirchen inmacbent die l de nit helich, sunder die l de machent die kirchen helich Die Kirchen machen nicht die Menschen heilig, sondern die Menschen machen die Kirchen heilig TAULER (DENIFLE) 80. — HAUS 45. Vgl. KLEID 2.

2.1.3. s. Inhalts bersicht 2.2. Negative Bedeutung und Wirkung des Menschen 2.2.1. Der Mensch ist des Menschen Wolf (Feind} 145 La t, Lupus est homo homini Der Mensch ist f r den Menschen ein Wolf FLAUT., ASIN. 495.9 146 M l a t . Quid est omnium inimicissimum hominil alter homo Was ist f r den Men147 sehen das Feindlichste von allem? Der andere Mensch PS. SEN., MOR. 5. Lupus est homo homini non homo Ein Wolf ist der Mensch f r den Menschen, nicht ein Mensch 248 ERAS M., ADAG. COLL. 7 v. Homo homini lupus bers, wie 245 ERASM., ADAG. cm L. 1,1,70, 149 It. L'huomo e dio al huomo, e Lupo Der Mensch ist f r den Menschen ein Gott und ein Wolf MERBURY 23 (vgl. oben 2.1,1.} 150-152 Dt. Ein mensch ist des ndern wo!ff FRANCK 1,17 v. Homo homini lupus. — Ein mensch ist des ndern wolff, Teuffei, oder hagel worden (geworden) bers, wie 145. - ... EBD. II, 15r, EGENOLFF 17r. hnlich: i53 I t . Di qui nasce ehe gli uomini mangiano l'un l'altro Davon kommt es, dass die Menschen einander fressen MACHIAV., IST. FIOR. 3 (1,167). i 54 Ni. Die minsche doet contrari allen dieren Die een wolff den anderen niet en misdoet Der Mensch tut das Gegenteil von allen Tieren. Ein Wolf tut dem ndern nichts zuleide MNL. GEISTL. PROSA 155 (Spiegel der Sonden) (= WOLF 282).

2.2.2. Der Mensch ist am meisten zu f rchten iss La t. Cum tibi proponas animalia cuncta timere, Vnum precipio tibi plus hominem esse timendum Wenn du dir vornimmst, alle Lebewesen zu f rchten, dann lege ich dir ans Herz, dass du den Menschen allein mehr f rchten musst PS. CATO, DIST. 4,11. 156 M l a t . Quamuis quedam animalia bruta sint timenda, tarnen Homo plus est timendus prae omnibus animalibus Obschon einige wilde Tiere zu f rchten sind, muss man doch

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157 den Menschen im Vergleich zu allen Lebewesen mehr fürchten AVIAN. PROS. 340. Maximus est error, cum sint animalia terror, Si tune maioris non est homo causa timoris Es ist der grösste Irrtum, wenn (dir), weil (dich) die Tiere erschrecken, dann nicht der Mensch Anlass zu grösserer Furcht ist CATO NOVUS 229. 158 Fr. Tien done l'omme plus en doutance Qui seur totes a la poissance Habe also mehr Furcht vor dem Menschen, der die Macht über alle {Lebewesen} hat! J. DE PARIS, CATO 159 725. Ancor faisent les bestes a doteir, plus doveis doteir l'ome Auch wenn die Tiere 360 Furcht einjagen, müsst Ihr den Menschen mehr furchten CATO LOTHR. 122. Redouble humaine nature Plus que nulle autre creature. Par komme est toufe riens doubtee Ja tant n'ert fort ne redoubtee Fürchte dich mehr vor dem Menschengeschlecht als vor irgendeinem ändern Geschöpf! Vom Menschen wird jedes Lebewesen gefürchter, auch 161 wenn es nicht so stark und furchterregend ist ADAM DE SUEL, CATO 655. Se par raison tu doubtes toutes bestes, Que te facent injures ou molestes, Je te command que tu craingnes plus i'omme; Plus crüel est que beste que l'en nomme Wenn du (auch) mit Recht alle Tiere fürchtest, (in der Annahme,) dass sie dir Schaden zufügen oder dich belästigen, befehle ich dir (doch), den Menschen mehr zu fürchten; er ist grausamer als irgendein Tier, das man (so) nennt J. LEFEVRE, CATO 543. 162 Engl. Dysig mann him ondrcett nietes and ne ondraztt pone mann, pe him teale laerö Ein törichter Mensch fürchter sich vor Tieren und fürchtet sich nicht vor dem Men163 sehen, der ihn Schändliches lehrt EARLY HOM. 6,2. Cum tibi preponas animalia cuncta timere, Vnum precipio tibi plus hominem e$se timendum. - Quant taunt freie estes Ke vous dotes les bestes E le (lies: les, Red.) serpens, Mout deuez doter Homme de feloun quer, E fuer le tut tens. — Sipen pou art so freie of kuynde Wilde bestes to doute, Doute wel more wikked men, And come not in heore route Übers, wie ISS. — Wenn ihr so schwach seid, dass ihr die Tiere fürchtet und die Schlangen, müsst ihr doch noch mehr einen Menschen von böser Sinnesart fürchten und ihn stets fliehen. — Da ihr von so schwacher Arr seid, dass ihr wilde Tiere fürchter, dann fürchtet noch mehr die bösen Menschen und kommt ihnen nicht in die Quere! VERNON MS. 50,529. 164 Dt. Vbe man alliu dier furtin $al nehein so barto so den man Wenn man auch alle Tiere fürchten muss, so doch keines so sehr wie den Menschen NOTKER, DE PART. LOG. 165 594,13 (- MSD 27, l, 6). Wan du vrochtest alle dere, Dat se di scaden in ander here Vnde dön di famer vnde leit Mit erer harden grimmicheit, So bede ik di fovorn, Vruchte den minscben vnde sinen torn Wenn du alle Tiere fürchtest, (im Gedanken,) dass sie dir schaden durch ihr Gebaren und dir Jammer und Leid mit ihrem schlimmen Grimm zufügen, dann bitte ich dich: Fürchte vor allem den Menschen und seinen Zorn! STEPHAN, CATO ND. 1926. Vgl. unten 169,2.3.

2.2,3. Vereinzelt 166 Nl. Wie mach den mensce doen quader, Dan hi mach hem selven doen Wer kann dem Menschen Schlimmeres antun, als er sich selbst zufügen kann HEINR. v. AKEN, LIMBORCH 6,1736.

2.3. Macht des Menschen über alles Irdische 167 Mlat. Astu vincit homo cuncta creata solo Der Mensch besiegt alle Lebewesen allein mit seiner List WERNER 2 a 131. 168 Dt. Swaz vliuget, gät öde swebet Und $waz in der werlde lebet, Daz dult des mannes meisterschaft Was fliegt, geht oder schwebr und was in der Welr lebt, das erduldet des 169 Menschen Herrschaft THOM. v. ZIRCLARIA 8541. Swaz üf der erden lebend ist, Daz muoz fürhten mannes list: So tuot dem manne herzeleit Daz boeste, daz diu erde treit

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Was auf der Erde lebt, muss des Menschen Arglist fürchten. So fügt (auch) dem Menschen das Schlimmste, was die Erde tragt, Herzeleid zu FREIDANK 119,18 {vgl. oben 170 2.2.2.). Da von sprach ein wiser man: „Allez daz uf erden lebet, Knuchet, fliuget, laufet, swebet, Fürhtet des menschen aneblic, Wenne sin anüütze ist im ein schrie." Der mensche ist guoter witze blint, Der niht merket daz ein kint Rosse und rinder meister ist, Gein den sin kraft ist als ein mist; Und daz sich vor des menschen listen Niht uf erden kan gefnsten, Ez fiirhte sine Meisterschaft Daher sprach ein weiser Mensch (folgendermassen); „Alles, was auf der Erde lebt, kriecht, fliegt, läuft und schwebt, fürchtet den Anblick des Menschen; denn sein Antlitz ist für sie ein Schrecken." Ohne richtigen Verstand ist der Mensch, der nicht merkt, dass ein Kind Herr von Pferden und Rindern ist, im Vergleich zu denen seine Kraft ein Dreck ist, und dass sich nichts auf der Erde vor der List des Menschen retten kann, ohne seine Herrschaft zu fürchten 171 HUGO v, TRIMBERG 23670. De minsche bringet, wo! is he crank, Doch alle ding in stnen dwang Der Mensch bringt, obschon er schwach ist, doch alles in seine Gewalt STEPHAN, CATO ND. 1932. Vgl. oben 2.2.2., LÖWE 76, WOLF 184-185, 188 3, Beurteilung, Bewertung und Wert des Menschen 3.1. Woran (Wie) man den Menschen erkennt 3,1.1. Am Aussehen und Benehmen erkennt man den Menschen 172 Fr. A l'estat congnoit on l'omme An seinem Zustand erkennt man den Menschen Mo RAW. 66. 173 Dt. Das ist im bruch; zeig mir den man, ich zeig dir daz recht Das ist üblich: „Zeig mir den Menschen ..." OBERRHEIN. SPRW. 8. -» GEFÄSS 2, GESICHT 12-13, 15, 19, 22, 24, SCHEIN 3-6, 12, SEHEN 183, SITTE 99-102. Vgl. AUGE 4.1., AUSSEN 1.1., ERKENNEN 13.2.-13.3., GESICHT 2., HERZ 3.1.-3.2., LEIB 2.2., MUND 4.1., SCHEIN 1.-2., SEHEN 183, SITTE 3.1.. WORT 15. 3.1.2.-3.1.4. S.Inhaltsübersicht 3.1.5. An seinen Gefährten ist der Mensch zu erkennen 174 Span. Qual omne es, con tales se aconpana Wie der Mensch ist, mit solchen tut er sich zusammen MANUEL, CONDE LUCANOR 254,20, —· GESELLE 23. Vgl. GESELLE 2.1.2.1.-2.1.2.2., GLEICH 1.1.-1.2. 3.1.6. —3.1.7. s. Inhaltsübersicht 3.2. Woran man den Menschen nicht erkennt 3.2.1. Der Mensch ist nicht an seinem Äusseren erkennbar 375 M l a t . Intus et exterius vix est homini valor unus Das Innere und das Äussere sind beim Menschen kaum gleichwertig WERNER 2 i 123. -> GUT (Adj.) 961, SEHEN 77, 78(3-79, 81, STIRN 2. Vgl. oben 1.7,3., AUSSEN 1.2., GESICHT 3., GLAUBEN 5.1., HERZ 3.3., SCHEIN 3.-4., SEHEN 3.5., SITTE 3.2., STIRN 1., WORT 14. 3.2.2. —3.3, s, Inhaltsübersicht

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3.4. Vereinzelt 176 Dt. Der mensche ist nicht czu vorgelden Dieser Mensch ist unbezahlbar (wörtl.; nicht zu bezahlen) PROV. FRID. 359. 4. Unzulänglichkeit, Vergänglichkeit und Nichtigkeit des Menschen 4.1. s. Inhaltsübersicht 4.2. Elend und Kurzlebigkeit des Menschen 4.2.1. Des Menschen Leben ist wertlos, kurz und unsicher 377 Ml a t. Flens homo nascitur, et cito tollitur, efflat, humatur. Stat breve, mox cadit, est modo, eras abit, hie breve statur Weinend wird der Mensch geboren, und bald wird er dahingerafft, haucht sein Leben aus und wird begraben. Er steht kurz da und fallt bald darnieder. Jetzt lebt er, morgen geht er dahin. Hier bleibt man nur für kurze Zeit BERN. MORL., CONTEMPT. MUNDI 1,857.

178 Dt. Homo bulla. — Es ist bald umb ain menschen Der Mensch ist eine Blase. — Es 179 ist bald um einen Menschen geschehen HAUER 388 (= BLASE 5). Es ist bald geschehen umb eynen menschen, und er kostet doch so recht vil z» erziehen AGRICOLA Nr. 204. -> HEUTE 26, 30, LEBEN W-11, 15, 18, 21, 111, 188-190. Vgl. unten 188, BEGRABEN 1., LEBEN 1.1.1., WELT 1.1.1. 4.2.2.-4.2.3. s. Inhaltsübersicht 4.2.4. Des Menschen Leben ist nur ein Kampf 180 Dt. ... das der mensche müs jemer me vehten Als ein wolgewafenter man, Dem doch sinu ögen verbunden sint Dass der Mensch immer wie ein gutbewaffneter Mann kämpfen muss, dessen Augen jedoch verbunden sind MECHTHILD 194. —· LEBEN 69-70, 73-75, 77-S7, 89, 91, 93-94. Vgl. LEBEN 1.2.2.1. 4.2.5. s. Inhaltsübersicht 4.2.6. Vereinzelt 181 Fr. Lhomme en son heur na que trois iours dhonneur Der Mensch hat gemäss seinem Los nur drei Ehrentage NUNEZ 11,307 (el Frances) (vgl. FRAU 1812). 4.3. Sterblichkeit und Gefährdetheit des Menschen 4.3.1. Der Mensch ist dem Tod geweiht i 82 It. La biada cresce, e li homeni periscono Das Getreide wächst, und die Menschen sterben FELICE DA MASSA 165. 183 Dt. Waz menschen ye geporn wart, Die muezzen auf die selben vart, Unedel und auch hochgeporn Die Menschen, die je geboren worden sind, müssen alle auf die gleiche Fahrt, unedle und hochgeborene SUCHEN WIRT 42,93. -» ANFANG 22, LEBEN 24, TOD 572-573, 1050, 1059-1060, 1366, 1379. Vgl, oben 33, 35, LEBEN l SO-189 4.3.2. s. Inhaltsübersicht 4.4. Gebrechlichkeit und Hinfälligkeit des Menschen 4.4.1. s. Inhaltsübersicht 4.4.2. Der Mensch ist wie eine Blume, die rasch verblüht 1S4 B i b l . Homo ... Qui quasi flos egreditur et conteritur, et fugit veiut umbra, et numquam in eodent statu permanet Der Mensch, der wie eine Blume aufgeht und zerfällt

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und wie ein Schatten flieht und nie in demselben Zustand bleibt VULG., IOB 14,1. iss Der Mensch ... Gebet auff wie eine Blume vnd feilet abe, Fleucht (fällt herab, flieht) wie eine Schatten, vnd bleibt nicht LUTHERBIBEL, HIOB 14,1. 1S6 M l a t . O labilis Sortis humanae status, Egreditur, Ut flos conteritur Et labitur Homo labori natus, Flens oritur, Vivendo moritur O hinfälliges Wesen des menschlichen Loses! Der Mensch, zur Arbeit geboren, kommt hervor, wird zerrieben und vergeht wie eine Blume. Weinend kommt er zur Welt und lebend stirbt er ANALECTA 21,145, l (vgl. 187 unten 5.1.). Est homo res fragilis et durans tempore parvo Et merito similis flori qui crescit in arvo Der Mensch ist etwas, das zerbrechlich und von kurzer Dauer ist, und er wird mit Recht mit einer Blume verglichen, die auf dem Felde wächst HAUREAU 188 VI, 119 (Hs. 13. Jh.). Est homo res fragilis non durans tempore longo; Est ergo similis flori, qui crescit in agro Der Mensch ist etwas Zerbrechliches, das nicht von langer Dauer ist. Er ist also wie eine Blume, die auf dem Felde wächst WERNER 2 e51 (vgl. oben 4.2.l.). 10 189 Fr. La beste (lies: belte, Red.) d'ome et sä grant gloire Blemist com flor, ce davez croire, Au matin fresche, au $oir pasmee Die Schönheit des Menschen und sein grosser Ruhm welken wie eine Blume, das müsst ihr glauben: Am Morgen frisch, am Abend 190 dahin SIMON, TROIS ENNEMIS 797. L'homme vient comme fleur Et s'enfuit comment umbre Der Mensch kommt wie eine Blume und flieht dahin wie ein Schatten G. ALEXIS III, 80 {Crucifix et pelerin). 11 191 Dt. Als her lob gesprochen hat „Der mensche ist niht wan ein schat, Der entwichen muoz vil bait Von der liebten sunnen gwalt. Und niht wan ein blüemelin, Dem gahes benomen wirt sin schin Unt sin liehtiu varwe rot" Wie Herr Hiob gesagt hat: „Der Mensch ist nur ein Schatten, der sehr schnell entschwinden muss vor der Gewalt der bellen Sonne, und nur ein Blümlein, dem sein schönes Aussehen und seine glänzende 192 rote Farbe schnell genommen wird" ALEXIUS A 259. Est in flore status hominis bene singnificatus, Flos nitet atque pent, sic homo crinis (lies; cm/5, Red.) 12 erit. - Des menschen satz der ist bezeichent pei der plumen di plumen di valbet vnd dorret also wirt der mensch ze aschen Das Wesen des Menschen ist in der Blume gut dargestellt. Die Blume blüht und verwelkt; so wird (auch) der Mensch Asche sein. — Das Wesen des Menschen wird durch die Blume dargestellt: die Blume, die welkt und verdorrt; so i 93 wird der Mensch zu Asche CGM. 58 Bl. 101 v (14. Jh.). Weist nit? der mensch ist wie ein blum Und ein vergengklich Wasserblasen Weisst du es nicht? Der Mensch ist wie eine Blume und eine vergängliche Wasserblase SACHS VI, 152,15 (1549)(vgl. BLASE 1., WELT 26). — STAUB 5 -6, 9, U 4.4.3.—4,4.4. s. Inhaltsübersicht 4.4.5. Der Mensch ist nur Aas und Speise für die Würmer 194 Dt. Der mensche ist ein boeser sac, Er hoenet aller würze smac Der Mensch ist ein 195 übler Sack; er spricht dem Geruch aller Gewürze höhn l 3 FREIDANK 21,19. Kein grewUcher aß, denn von menschen AGRICOLA Nr. 208. — WURM 9-10. Vgl. AAS 2., HEUTE 33, 42, REICH 180-181, 183, SEELE 2.5., WURM 4. 4.4,6,—4.4.7. s. Inhaltsübersicht

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4.4.8. Vereinzelt 196 Dt. Magnus albertus: Wenn der mansch recht beaecht wer er wer, Oder wannen er kummen wer, Vnd waz usz jm wurd werden, Der wurd niemer fro hie uff erden ..,: „Wenn der Mensch richtig bedenken würde, wer er ist oder woher er gekommen ist und was aus ihm werden wird, würde er hier auf der Erde nie mehr froh" BASL. Hss. A XI.59 BL 187 r (E. 15./A. 16. Jh.) (vgl. SEIN 8.2.).

5. Bestimmung, Aufgabe und Pflicht des Menschen 5.1. Der Mensch ist zu Mühe und Arbeit geboren14 197 Bibl. Homo nascitur ad laborem, et avis ad volatum (Var.: volandum} Der Mensch 198 wird zur Arbeit geboren, der Vogel zum Fliegen VULG,, IOB 5, 7. Sondern der Mensch wird zu vngluck geborn, wie die Vogel schweben empor zufliegen LUTHERBIBEL, HIOB 5,7. 199 M l a t. Neque enim tarn natus erat homo ad laborem, quam avis ad volandum Denn der Mensch war auch nicht irn gleichen Sinne 15 zur Arbeit geboren wie der Vogel zum 200 Fliegen HE UN AND., EP. AD GAL. 748 D. Homo natus ad labor em, brevi vivens tempore Der Mensch ist zur Arbeit geboren und lebt nur für kurze Zeit OTTO FRIS., GEST. 201 16,4. Homo natus ad laborem Et avis ad volatum Der Mensch ist zur Arbeit geboren 202 und der Vogel zum Fliegen PHIL. CANCELL. (+ANALECTA 21 Anh. l, 17 S. 197). Homo enim natus est ad laborandurn et avis ad volandum Denn der Mensch ist zürn Arbeiten ... PETR. BLES.(?), TRIB. 316. 203 Fr. Sicut advis ad volendon (sic), Sit Homo ad laborandum. — La parolle vaut en franchois, Qui ftt dicte du roy dez roys, Que l'omme si doit labourer Ainssi que l'oissel faut voller So, wie der Vogel zum Fliegen, sei der Mensch zum Arbeiten da. - Das Sprichwort, das vom König der Könige geprägt worden ist, lautet auf französisch so: 204 „Wie der Vogel fliegen muss, hat der Mensch zu arbeiten" PASSION 1105. Les oyseaulx sont nez pour voler Et l'homme est fait pour labourer Die Vögel sind zum Fliegen geboren, und der Mensch ist zum Arbeiten erschaffen G. ALEXIS II, 124,395 205 (Contemptus mundi). Car l'homme est ne pour travailler Ainsi que l'oyseau pour voller Denn der Mensch ist zum Arbeiten geboren wie der Vogel zum Fliegen EBD. III, 59 (Crucifix et pelerin). 206 It. Alia fatica nasce uomo passibile, E al volare nascono gli uccelli Zur Mühe wird der Mensch leidensfähig geboren, und die Vögel kommen zum Fliegen auf die Welt ANT. DA TEMPO 97. 207 Dt. Er spricht: zu gelicher wis als der vogel geborn ist zu vluge, also ist der mensche geborn zu arbeit Er sagt: „Auf gleiche Weise, wie der Vogel zum Flug geboren ist ..." 20« SCHÖNBACH, PRED. 1,245,10. Also der vogel ze vlegene {zum Fliegen), also ist der 209. 210 mensche geboren zo der erbeit HL, REGEL 20,23. Denn Gott hat den Menschen geschaffen zur arbeyt. wie eynen vogel zum fliegen AG R i co LA Nr. 630. EGENOLFF 235 v. -» ARBEIT 3-9, 11. Vgl. oben ISO, ARBEIT 1.2. Ähnlich: 211 Fr. Horn n'est pas faiz por vivre a gas Der Mensch ist nicht dazu erschaffen, um zum Scherzen zu leben HELINANT 43,12.

5.2. —5.4. s. Inhaltsübersicht 5.5. Der Mensch muss sich der Tugend befleissigen 212 Mlat. Ita fit, ut qui probitate deserta homo esse desierit, cum in divinam condicionem transire non possit, vertatur in beluam So geschieht es, dass der, welcher die

201

MENSCH

Tugend aufgegeben und deshalb aufgehört hat, ein Mensch zu sein, zum Tier wird, weil 213 er nicht zu einem göttlichen Zustand überzugehen vermag BOETH. 4,3,55. Boecius in Hbro X de consolatione: Qui virtute deserta homo esse desinit, cum in divinam conditionem transire non potent, vertitur in beluam Boethius (sagt) im zehnten Buch über den Trost: „Wer die Tugend aufgegeben und daher aufgehört hat, ein Mensch zu 214 sein, wird zum Tier, weil ..." IAC. CESS. 643-644. Sine virtutibus enim vitam ducere hominis non est, sed bettue Denn ohne Tugend zu leben ist nicht die Art eines Menschen, sondern die eines Tieres EBD. 825-826. 215 Fr. Vertu seule fait l'homme parfaict Die Tugend allein macht den Menschen vollkommen LEROUX 11,434 {l 5. Jh.). 216 Dt. Boecius ouch hievon giht, Swenne der mensche tugende lät, Das er denne nibt menschen namen hat, Und win stn natür verwandelt gar Boethius sagt hierüber auch, dass der Mensch, wenn er die Tugenden aufgibt, nicht mehr den Namen eines Menschen verdient und dass seine Natur dann ganz verwandelt wird KONR. v. AMMENHAUSEN 15932.

5.6. —5.7. s. Inhaltsübersicht 5.8. Der Mensch soll sich zum Menschen halten und nicht allein bleiben 217 Dt. Ein man sol mit den Hüten wesen, Mit wolven niemen kan genesen Ein Mensch soll mit den Menschen Zusammensein. Mit Wölfen (zusammen) kann niemand am Leben bleiben FREIDANK 135,12. - ALLEIN 10-12, 16, 23-24, EIN 21, GLEICH 141-142, 155. Vgl. ALLEIN 1.2.

5.9. s. Inhaltsübersicht 5.10. Der Mensch halte mass beim Essen 21S It. No« so veder perche homo sappelli Colui ehe vive sol per pascer gola Ich kann nicht einsehen, warum sich der Mensch nennt, der allein dazu lebt, um die Kehle zu füttern FRANCESCO DA BARB., Doc. 11,105. 219 Nord. Syndu mannenn . en eckt mat-keralldet Zeige den Menschen und nicht den Futtertrog!16 KÄLUND 128 (-JONSSON, ARKIV 269. JONSSON 114). —· ESSEN l, 5, 10, 13, 23, 29, 199. Vgl. ESSEN 2.1.

5.11. Vereinzelt 220 Dt. No« in abundantia uita est hominis. - Der mensch lebt nit von vberfluß Nicht im Überfluss liegt das Leben des Menschen. - ... FRANCK 1,39r.

6. s. Inhaltsübersicht 7. Redensarten und Vergleiche 7.1. Den alten Menschen ausziehen 221 B i b l . ... exspoliantes vos veterem hominem cum actibus sui$ Et indttentes novum Indem ihr den alten Menschen mit seinen Taten auszieht und den neuen anzieht VULG., 222 COL. 3,9. Ziehet den alten Menschen mit seinen wercken aus, Vnd ziehet den Netven an LUTHERBIBEL, EBD. 223 M l a t . Sed hominem Veterem nunquam exuunt Aber sie ziehen den alten Menschen nie aus PETR. BLES., CARM. 2,3 S. 340.

MENSCHHEIT

202

7.2. s. Inhalts bersicht 7.3. Der Mensch ist wie ein verkehrter Baum 224 Mlat. Quid est enim homo secundum formam, nisi quaedam arbor inversa? cujus radices sunt crines, truncus caput cum collo, stipes est pectus cum αίνο, rami sunt illa (lies mit Ausg. Maccarrone, Lugano 1955, S. 15: ulne) cum tibiis, fronde$ sunt digiti cum articulis Was ist der Mensch in Bezug auf seine Gestalt, wenn nicht ein verkehrter Baum, dessen Wurzeln die Haare, dessen Strunk das Haupt mit dem Hals, dessen Stamm die Brust mit dem Bauch, dessen Zweige die Arme mit den Beinen und dessen Bl tter die Finger mit ihren Gliedern sind? INNOC, III., CONTEMPT. MUNDI 1,9 (706 A). 225 Fr. Homme est forme et compasse Comme ung arbres tout reverse Der Mensch ist gebildet und gebaut wie ein ganz verkehrter Baum G, ALEXIS II, 121,299 (Contemptus 226 mundi). Lhomme est un arbre renverse Der Mensch ist ein verkehrter Baum NUNEZ Π, 297 (el Frances}.17 7.4. Vereinzelt 227 Prov. No« podem far homes novels Wir k nnen nicht neue Menschen machen RAIMON VIDAL, ABRILS issi' 1215. V.M. Anmerkungen 1

2 3

4

s 6

Vgl, G. Grunau (Hrsg.), Le Grand Calendrier des Bergiers von J. Belot, Genf 1497, Bern 1920, 60.

Der Text beruht auf einer Konjektur des Hrsg. Ganz anders FRAUENLOB (G TTINGEN) 4,10,8. hnlich SIMON. 65 c: Μηδέν άμαρτεΐν εστί θεοδ και πάντα κατορθοΰν Art eines Gottes ist es, keinen Fehler zu begehen und alles in Ordnung zu bringen. Vgl. WHITING S 346.

Vgl. KONR. v. MEGENBERG 118,14 ff,

Sinn: Der Mensch hat st ndig Flausen im Kopf. Deshalb hat ihm Gott die Arbeit auferlegt. Vgl. OTTO 821 S. 165. 8 Es folgt die Erkl rung: Wann ein mensch den ndern vngefar in todts noten erredt, sagt man, der ist sein got gewesen Wenn ein Mensch den ndern unversehens aus Todesgefahr errettet, sagt man: „Der ist sein Gott gewesen." * Vgl. auch SEN., ER 103, l (Ab bomine homini catidianum periculum Dem Menschen droht vom Menschen t glich Gefahr) u. PLIN., NAT. HIST. 7,5 (Homini plurima ex bomine sunt mala Der Mensch hat vom Menschen die meisten bel [zu gew rtigen]}, 10 Vgl. WALTHER 7486. 11 Vgl. ZILTENER 1497. 1500. 1507. 12 Vgl. WALTHER 7517. 13 Vgl, die Anm. der Ausg.: Der ganze Spruch geht auf die Verg nglichkeit und den Unwert des Leibes (Sack). Der zweite V. bezieht sich auf die Verwesung des Leibes. 14 Vgt, H AS SELL T 81; WHITING M l.40. ls N mlich ausschliesslich zum Suchen von Futter. 16 Sinn nach der Anrn. der Ausg.; Zeige, dass du ein Mensch bist und nicht bloss ein Esser! 17 Vgt. ZILTENER 1569; K HLER, KL. SCHR. II, 150 f. 7

MENSCHHEIT s. MENSCH MENSCHLICH s, MENSCH MERIONES-^ WO 16

203

MESSE

MESSE / messe / mass 1. Man soll die Messe hören 1.1. Die Messe hören, beten und das Haus hüten {ist gut) (I —2) 1.2. Die Messe hören kann nicht schaden (3—4) 2. Die Messe und das Essen 2.1. Kurze Messe, langes Essen (lange Würste) (5-71 Vgl. PREDIGEN 1.2., WORT 31.1. 2.2. Verschiedenes (8-10) 3. Eine Messe verkürzt die Tagesreise nicht —* ALMOSEN 41, 43 4. Wie sehr die Priester auch sündigen mögen, die Messe bleibt rein — EDELSTEIN 5, GOLD 149, 161

V.M.

MESSUNG s. MESSEN METALL / metal / metal ] N o r d . Litla hrid sktnn bjartr malmr / moöugri hirzlu Nicht lange glänzt helles Metall in staubiger Kiste HIRDSKRÄ 28 (·> GERING 89). — GELD 514, GOLD 150, 154, TREUE 108

V.M.

METHUSALEM -» ALT 474 METZGER — ALT 249, GELD 538, SCHMEICHELN 44, SCHUSTER 8, WUCHER 16 MEUCHELMÖRDER s. MORD MIAUEN — KATZE 4.5. MICHAEL — RIND 348-351 MIETE / loyer / rent Hier auch MIETEN, VERMIETEN 1. Kauf hebt die Miete auf -» KAUF 2.1.

2. Gemietetes Pferd macht kurze Reise — PFERD 144 > 147-148, 149-150 3. Wer sein Hinterteil vermietet, setzt sich nicht (geht nicht zum Hof), wann er will (l -2)

MIETEN

212

1.—2, s. Inhaltsübersicht 3. Wer sein Hinterteil vermietet, setzt sich nicht (geht nicht zum Hof}, wann er will 1 Span. Quien $u rabo alquila, no se asienta quando quiere Wer sein Hinterteil vermie2 tet, setzt sich nicht, wann er will LOPEZ(?), REFRANES 622. Quien su culo alquila, no al corral quando querra Wer seinen Hintern vermietet, geht nicht zum Hof, wann er möchte NUNEZ III, 268. V.M. MIETEN s. MIETE MILBE —· HAAR 58 MILCH / lait / milk Hier auch RAHM 1. Milch lässt einen zum Mann (Kind) werden (1—2) 2. Milch ist für den Armen kostbar (unerreichbar) (3-5). Vgl. BUTTER 1.-2. 3. Wer keine Milch hat, issr (esse) Molken (6 — 7) 4. Damit die Kuh viel Milch gibt, muss sie gut gefüttert werden —* RIND 8.2. 5. Die Kuh, die oft brüllt, gibt wenig Milch — RIND 8.4. 6. Auch die schwarze Kuh (das schwarze Schaf) gibt weisse Milch —· SCHWARZ 48, 11.

7. Milch ist bei der Katze schlecht aufgehoben -* KATZE 31-32,41,43-46 8. Was man mit der Muttermilch trinkt, das kommt im Leichentuch heraus (8—9) 9. Redensarten und bildliche Ausdrücke 9.1. Die Fliege in der Milch erkennen — FLIEGE 8.2. 9.2. So (sauer) drcinblicken, dass die Milch sauer würde —> SAUER 4.4. 9.3. Hühnermilch {Gänsemilch, Bocksmilch) (10-25). -> BOCK 21-22, SCHLARAFFENLAND J. Vgl. BOCK 4., PFERD 422 10. Verschiedenes (26-J2J

1. Milch lässt einen zum Mann (Kind) werden 1 Port. O ley to e o vino, fay o vello menmo Milch und Wein machen den Alten zum Kind NUNEZ III, 106 (el Gallego). 2 Dt. Von milch ein man, von win ein kint Von Milch (wird man) ein Mann, von Wein ein Kind REIN M AR v. ZWETER 297, l (unecht). 2. Milch ist für den Armen kostbar (unerreichbar) 3 Mlat. Vacca lactiua esi pauperi retinenda Der Arme muss die Milchkuh bewahren SAL. ET MARC. 12 b. 4 It. Le lactidnie e robe dolce debano esser vetate al povero (Feine) Milchprodukte und süsse Sachen müssen dem Armen verboten werden SAL. E MARC. 11. s Nl. Die scatnel ende arme mensche behoort des suvels gade te slaen ende dat te bewaren Für den bedürftigen und armen Menschen gehört es sich, dass er auf die Milchprodukte achtgibt und ihnen sein Augenmerk schenkt SAL. ENDE MARC. 5. Vgl. BUTTER 1.-2.

213

MILCH

3. Wer keine Milch hat, isst (esse) Molken 6 Fr. Qui lait n'a, megue manjust Wer keine Milch hat, soll Molken essen VILAIN 272 7 (= MORAW. 1962). Qui lait n'en a, mesgue desire Wer keine Milch hat, verlangt Molken RAWLINSON 194 ( = MORAW. 1962 Anm.).

4.-7. s. Inhalts bersicht 8. Was man mit der Muttermilch trinkt, das kommt im Leichentuch heraus 8 Span. Lo que enla leche se mama, enla mortaja sale Was man mit der Muttermilch 9 trinkt, das kommt im Leichentuch heraus LOPEZ{?}, REFRANES 406. Lo que en la leche se mama, en la mortaja se derrama ... das ergtesst sich ber das Leichentuch NUNEZ II, 308,

9. Redensarten und bildliche Ausdr cke 9.1.-9.2. s. Inhalts bersicht 9.3. H hnermilch (G nsemilch, Bocksmilch) 10 Gr. Εγώ γαρ ούδ' αν ορνίθων γάλα Αντί του βίου λάβοιμ' αν ου με νυν αποστερείς Denn ich w rde mein Leben, dessen du mich nun beraubst, nicht einmal gegen H hner 11 milch umtauschen ARISTOPH., VESP. 508. Δώσομεν ύμΐν Αύτοΐς, παισίν, παίδων παισίν, Πλουθυγιείαν ... Γάλα τ' ορνίθων Wir werden euch selbst, den Kindern (und) den Kindeskindern Reichtum verbunden mit Gesundheit und H hnermilch geben ARISTOPH., 12 AV. 729. Έφαρμόττειν αύτη {seil, τη εύδαίμονι Σάμω) την λέγουσαν παροιμίαν, οτι φέρει και ορνίθων γάλα, καθάπερ που και Μένανδρος έφη Zu ihm (dem fruchtbaren Samos) passe das Sprichwort, das sagt, dass es sogar H hnermilch hervorbringe, wie auch Menander irgendwo gesagt hat MEN., FRG. 936. 13 La t. ... ut vel lactis gallinacei sperare possis in volumine haustum So dass man in dem Buch sogar auf einen Schluck H hnermilch hoffen kann PLIN., NAT. HIST, praef. 14 24. Lacte gallinaceum st quaesieris, invenies Du wirst H hnermilch finden, wenn du sie suchst PETRONIUS 38,1. 15-17 Mgr. Γάλα ορνίθων H hnermilch PS. DIOGENIAN, 3,92. PS, DIOGENIAN, VINDOB. 18.19 2,15. APOSTOLIOS 5,19. 'Ορνίθων γάλα GREG. CYP. MOSQ. 4,71. Όρνίθιον γάλα MAKARIOS 6,49. 20. 2i Mia t. Lac galltnaceum Huhnerrnilch ERASM,, ADAG. COLL. 42 v. ERASM., ADAG. CHIL. 1,6,3. 22 Prov. De lag de galina Huhnerrnilch PEIRE CARDENAL (-»MAHN, GED. IV, 89). 23 Dt. Zwen dr nck aus einr leren kraivsen Gemischt mit allter gens milch Zwei Schlucke aus einem leeren Krug gemischt mit alter G nsemilch FOLZ (+ FASTNACHTSP. 24 1201,6). Einer predigt aus Aristotele ... Ein ander von h ner milch LUTHER, WA 25 XXXVIII, 231,10 (1533). Es geben nit alleyn sein kuw, sonder auch sein kennen milch Es geben nicht nur seine K he, sondern auch seine Hennen Milch FRANCK 1,14 v (vgl. ARM [Adj.] 132, El 2.3., FLIEGEN 83, 87, GEB REN 13., RIND 24., SCHWEIN 163, 166), -» BOCK 21-22, SCHLARAFFENLAND 1. Vgl. BOCK 4., PFERD 422 10. Verschiedenes 26 Fr. Lait et beurre tout (15.Jh.).

moy Milch und Butter, alles nach Mass1 LEROUX 11,199

MILD

214

27 It, ... e immaginando invano le cfoste del pane por$i alia bocca di coloro ehe ancora H latte suggono Und da er annahm, dass man vergeblich Brotkrusten an den Mund jener h lt, die noch Milch saugen Bocc., VITA Di DANTE 75. 28 S p a n . Despues de los peces, malas son [as leches Nach dem Fisch schmeckt die Milch 29 schlecht NUNEZ 1,309. Dixo la leche al vino, bien seais venido atntgo Die Milch sagte 30 z rn Wein: „Seid willkommen, Freund!" 2 EBD. 1,331. La leche con el vino, l rnase venino Die Milch mit dem Wein wird zu Gift 3 EBD. II, 267. 31 Nord. Vix lac acens fieri wit dulcipete mulier i. — S0dh g&r&n konce sancker si&llen swr flodh Die Milch wird kaum sauer werden f r die Frau, die S sses begehrt. — Die Frau, die S sses begehrt, erhalt (word.: sammelt) selten sauren Rahm L LE 1151. 32 Dt. Elliv trincben sint ein nibt 'Wider der milch eine Div ist genistlich vnt reine Alle Getr nke sind nichts gegen das eine, die Milch. Die ist heilsam und rein MARIENLEGENDE (12./13. Jh. [+GERMANIA 25,84,14]}. E. D.

Anmerkungen 1 2

3

Oder alles reichlich? Vgl. FEW VI.3,12 u. ZfK?n 35,733 ff. Dabei der Zus.: Anaden: y volviose hacia al agua, y dixo: esteis en kora mala, Giros dicen: y dixo el vino a la leche en hora mala aca entraste Man f gt hinzu: Und sie wandte sich zum Wasser und sagte: „Ihr kommt ungelegen." Andere sagen: Und der Wein sagte zur Milch: „Zur Unzeit seid Ihr hier eingetreten." Bedeutet offenbar: Wein soll man nicht zusammen mit Milch trinken.

MILD s. SANFT MILDT TIG(KEIT) s. GEBEN MILZ — KRANK 4 Ϊ

MINERVA Hier auch ATHENE 1. Die Sau liess sich auf einen Wcttkampf mit der Athene (Minerva) ein (l —3) 2. Die Sau belehrt die Athene (Minerva) (4-15). Vgl. ADLER 1.3., ALT 5.6., ARSCH 1.1.4., EI 10., FISCH 2.8., FISCHEN 93, GANS 24, 2.1., HUND 1100, K KEN I., LEHRE 19, RIND 20.1., SARAZENE l, SCHLANGE 3.2.5., VATER 2.4. 3. Die Minerva belehren (wie die Sau) (16-28). Vgl. BRONNEN 9.-10., EULE 14., FROSCH 9.3., HOLZ 2.3., KR TE 12, WASSER 16.1.-l6.3.

1. Die Sau liess sich auf einen Wettkampf mit der Athene (Minerva) ein 1 Gr. Ύς ποτ' Άθηναίαν έριν ήρισεν Die Sau liess sich einst auf einen Wettkampf mit der Athene ein THEOKR. 5,23. 2 Mgr. Ύς ποτ' Άθηναίαν έριν ήρισεν APOSTOLIOS 17,73. 3 Mlat. SMS cum Minerua certamen suscepit Die Sau ging einen Wettkampf mit der Minerva ein ERASM,, ADAG. CHIL. 1,1,41.

215

MINERVA

2, Die Sau belehrt die Athene (Minerva) 4. s Gr. Ή ύς την ΆΟηναν Das Schwein (belehrt) die Athene PLUT., MOR. 803d. PLUT,, VITAE 851b (Demosthenes 11,5}. 6 Lat, Etsi sus Minervam Auch wenn die Sau die Minerva (belehrt) Cic., AD FAM. 7 9,18, 3. „Sus Minervam" in proverbio est, bt quis id docet alterum, cuius ipse inscius est „Die Sau (belehrt) die Minerva", heisst es im Sprichwort, wenn einer den ndern 8 das lehrt, dessen er selbst unkundig ist FESTUS 408,14. Prouerbialiter, ttt: sus Mineruam doceat Sprichw rtlich wie: „Die Sau belehre die Minerva" PORPHYRIO, H R. EP. 9 l, 17,4. ... ne in me, ut vetus adagium est, iure dicatur sus Minervam Damit man nicht mit Recht gegen mich sagt, wie das alte Sprichwort lautet: «Die Sau (belehrt) die 10 Minerva" CENS. 1,7. Novi ego, quid valeat adagio: sus Minervam Ich weiss, welche Geltung das Sprichwort hat: „Die Sau (belehrt) die Minerva" SYMMACH., EP. 1,3,2, i l Haec non sus, ut aiunt, Mineruam Dies (lehrt) nicht die Sau, wie man sagt, die Minerva HIERON., EP. 58,7,2. 12. 13 Mlat. Sus Mineruam Die Sau (belehrt) die Minerva ERASM., ADAG. COLL. 54r. H. 15 ERASM., ADAG. CHIL, l, 1,40. Sus Mineruam (Ausg.: Miueruam) FRANCK H, 13 r. Sus Mineruam docet Die Sau belehrt die Minerva EGENOLFF 15 v. Vgl. ADLER 1.3., ALT 5.6., ARSCH 1.1.4., EI 10,, FISCH 2.8., FISCHEN 93, GANS 24, 2.1., HUND 1100, K KEN 1., LEHRE 19, RIND 20.1., SARAZENE l, SCHLANGE 3.2.5., VATER 2.4.

3. Die Minerva belehren (wie die Sau) ϊό Lat. Nam etsi non sus Minervam, ut aiunt, tarnen inepte quisquis Minervam docet Denn wenn auch nicht die Sau die Minerva (belehrt), wie man sagt, belehrt doch jeder17 mann auf unpassende Weise die Minerva Cic., AC. POST. 1,5,18, Ne veteri proverbio, Sus Minervam docere videar, et in silvam ligna portare Damit ich nicht entsprechend dem alten Sprichwort als Sau die Minerva zu belehren und Holz in den Wald zu tragen scheine HIERON., ADV. RUFINUM l, 17 (410B) (= HOLZ 3). 1$ M l a t . Ridiculus quippe forem si Minervam, ut aiunt, litteras docere vettern Ich w re wahrlich l cherlich, wenn ich, wie man sagt, die Minerva in der Wissenschaft unterrich19 ten wollte BOETH., COMM. IN Cic. TOP. l (1041 A). Minervam ut aiunt, velle docere Die Minerva, wie man sagt, belehren wollen FULB. GARN., EP. 3 {l93 B) (vgl. HOLZ 20 10). Minervam quidem non doceo Ich belehre die Minerva wahrlich nicht Ivo, EP. 40 21 (51 C). Sed quia non est meum aut Minervae sapientiam instruere (Ausg.: instuere) aut Mercurii facundiam exornare Aber da es nicht meine Aufgabe ist, entweder die Weisheit der Minerva auszustatten oder die Beredsamkeit des Merkur herauszuputzen 22 EBD. 279 (280 D). Sed insipiens ego, qui praesumo docere Minervam Aber ich bin t richt, der ich es wage, die Minerva zu belehren PETR. VENERAB., EP. 2,35 (257 C) 23 (vgl. HOLZ 14). Ut vulgo dicitur, Minervam docere Die Minerva belehren, wie es im 24 Volksmund heisst EBD. 4,17 (337D). Videor, ut dicitur, Minervam docere Ich scheine, 25 wie man sagt, die Minerva zu belehren EBD. 4,43 {382 A), Videor, ut dicitur, docere Minervam. Verum ego Minervam non doceo Ich scheine, wie man sagt, die Minerva zu 26 belehren. Aber ich belehre die Minerva nicht EBD. 5,4 (404 D). Quid pergis vel Minervam docere vel Apollinis aptare dtgitos citharae? Was f hrst du fort, entweder die Minerva zu belehren oder die Finger des Apollo der Kithara anzupassen? EP. ANON. AD 27 THOMAM BECK. (+THOMAS BECK., EP, 518 [1066 B]). Haec autem vobis scribo non ut Minervam, ut aiunt, litteras doceam Aber ich schreibe euch das nicht, um, wie es heisst, die Minerva in den Wissenschaften zu unterrichten ARNULF. LEXOV., ER 29 (50 A).

MINUTE

216

28 Nee enim praesumo docere Minervam Denn ich rnasse es mir nicht an, die Minerva zu belehren PETR. CELL., EP. 1,52 (479 B). Vgl. BRUNNEN 9.-10., EULE 14., FROSCH 9.3., HOLZ 2.3., KRÖTE 12, WASSER 16.1-16.3.

V. M, MINUTE -> JAHR 47 MINZE -» NESSEL 2 MISCHEN / melanger / to mix Hier auch MENGEN, VERMENGEN, VERMISCHEN 1. Man mische unter Gold nicht anderes Metall —> GOLD 6.3. 2. Feuer und Wasser miteinander mischen —· WASSER 10.1.2.2. 3. Man mische Freude unter die Sorgen und Leid unter die Freude —* FREUDE 68, 316, 31$— 320, 323, 330, 333, 379-380 4. Verschiedenes (l — 2)

1.—3. s. Inhaltsübersicht 4. Verschiedenes 1 Dt. Hastus wol gemischt, so karts wol Wenn du die Karten gut gemischt hast, dann 2 spiele (sie) gut aus! FRANCK 1,74 v. Man muß eins uns ander mischen, vnnd bose wahr mit guter verkauften Man muss das eine mit dem ändern vermischen und schlechte Ware mit guter verkaufen EBD. II, 57r.

V.M.

MISPEL / nefle / medlar i It. Co« el tempo e con la palia maduran i nespoli Mit der Zeit und dem Stroh reifen die Mispeln1 NUNEZ 1,250 (el Italiano). V.M. Anmerkung J Vgl, GOTTSCHALK II, 64 f. MISSACHTEN s. VERACHTEN MISSERFOLG / echec / failure Hier auch MISSLINGEN 1. Wer Misserfolg hat, dem gegenüber erlaubt man sich viel (1-13). Vgt. BAUM 9.8., HUND 26.5., LIEGEN 1.2., MAUER 17. 2. Wer guten Rat befolgt, dem misslingt selten etwas — RAT 195, 197, 99 3. Wer Gott vertraut und Gott liebt, dem misslingt nichts — GOTT 70S, 788, 1251, 1309

217

MISSFALLEN

1. Wer Misserfolg hat, dem gegenüber erlaubt man sich viel 1 Fr. Et on dit piece a: „Cut il meschiet, tuit li mesoffrent" Und man sagt seit langem: „Wer Misserfotg hat, dem gegenüber erlauben sich alle zuviel" MENESTREL DE REIMS 2 417. Ore pert il bien k'il est voirs de cou ke pluisour vont disant, que qui il meschiet, que on U mesoffre Nun wird ganz deutlich, dass das wahr ist, was viele zu sagen pflegen, dass man sich gegenüber dem, der Misserfolg hat, zuviel erlaubt J. DE TUIM 3 73,3. Celuy ä qui il meschiet tous lui courent Auf denjenigen, der Misserfolg hat, 4 laufen alle los LEROUX II, 256 (13. Jh.). Car on dist souvent, et s'eskiet, C'om ne soffre cui ii maiskiet Denn man sagt oft, und es geschieht (auch wirklich), dass man den nicht s duldet, der Misserfolg hat JAKEME, CAST. DE Couci 1712. Car qui mesquiet on U mesoffre Denn wer Misserfolg hat, dem gegenüber erlaubt man sich zuviel HYST, JOB 6 2610. Cui il meschiet, on lui mesoffre Wer Misserfolg hat, dem gegenüber erlaubt 7 man sich zuviel PROV. RUR. 196 (= MORAW. 442). O« mesoffre quant il meskiet Man 8 erlaubt sich zuviel, wenn einer Misserfolg hat GILLES LI MUISIS 1,14. On mesoffre tantost chascun s'U li meskiet Man erlaubt sich sogleich jedem gegenüber zuviel, wenn 9 er Misserfolg hat EBD. II, 6. Chellui cui il mesquiet on mesoffre toudis Derjenige, der Misserfolg hat, dem gegenüber erlaubt man sich jederzeit zuviel B. DE SEB. 12,145. W Et pour ce est-il dit en reprouvter; >A qui il meschiet, chascun luy mesoffre' Und daher heisst es im Sprichwort „Demjenigen gegenüber, welcher Misserfolg hat, erlaubt sich u jeder zuviel" FROISS, {SPEC. 10) 298,59. C/7 a cuy il meschiet, tous lui mesoffrent Demjenigen gegenüber, welcher Misserfolg hat, erlauben sich alie zuviel ET. LEGRIS 12 163. A qui il meschet Communement on lui mezfait Wer Misserfolg hat, dem tut man allgemein Übles an LEROUX 0,229 (l5. Jh.). 13 Nl. Maer dient mesvalt men mesbiet Hem gherne Aber den, der Misserfolg hat, behandelt man gerne ungebührlich HEINR. v. AREN, LIMBORCH l, 1162. Vgl. BAUM 9.8., HUND 26.5., LIEGEN 1.2., MAUER 17.

2.—3. s. Inhaltsübersicht V.M.

MISSETAT s. SCHLECHT MISSETÄTER s. SCHLECHT

MISSFALLEN / deplaire / to displease Vgl. GEFALLEN 1. Mancher missfällt, wenn er zu gefallen glaubt 1-4 M l a t . Displicet imprudens, unde placere putat Der Narr missfällt, wo er zu gefallen glaubt GUALT. ANGL. 17. ALBERT. STAD., TROILUS 2,605. SALIMB., CHRON. 306. WERNER 2 d 119. 5 Fr, Tel cuide plaire qui desplaist Manch einer wähnt zu gefallen, welcher missfällt J. MIELOT 308 {= MORAW. 2350).

2. Man missefä'llt manchem, der einem auch nicht gefällt 6 Dt. Ich missevalle manegem man, Der mir auch niht gefallen kan Ich missfalle man7 ehern, der mir auch nicht gefallen kann FREIDANK 124,7. Invidus acta mea qui nil

MISSGESTALTET

218

dicit valitura, Hujus facta mihi vidi nunquam placitura. — Ich missgeval mangent man, Der mir ouch nicht gevallin kan Wenn der Neidische sagt, dass mein Tun nichts wert sei, merke ich, dass mir seine Taten auch nie gefallen werden. — ... FREIDANK LAT, (GöRLiTz) 968.

V.M. MISSGESTALTET s. KRÜPPEL MISSGUNST s. NEID MISSGÜNSTIG s. NEID MISSLINGEN s. MISSERFOLG MISSTRAUEN / mefier, mefiance / to distrust, mistrust Hier auch ARGWOHN, ARGWÖHNISCH, BEARGWÖHNEN, MISSTRAUISCH, VERDÄCHTIG(EN) 1. 2. 3. 4. 5.

Der Argwohn ist ein Schelm (1—4) Der Misstrauische ist immer unglücklich (furchtsam, unruhig) (S-14) Ein falscher Mensch ist immer misstrauisch —» TRÜGEN 159, 162 — 164 Glauben und misstrauen — GLAUBEN 166-168 Wer sich einmal vergangen hat, wird immer verdächtigt (15—16). —» LÜGEN ISS, 173, TRÜGEN 155-156. Vgl. DIEB 1.3., EID 2,4., LÜGEN 5.1., TRÜGEN 13. 6. Verdächtiges soll sogleich geprüft werden {17—20) 7. Verschiedenes (21-24)

1, Der Argwohn ist ein Schelm 1-4 Dt. Der arckwon ist ein schalck FRANCK 1,35 v. 1,54r. 1,64r. EGENOLFF 296 v.

2. Der Misstrauische ist immer unglücklich (furchtsam, unruhig) s La t, Suspectus caueas (lies: cave sis, Red.}1 ne sis miser omnibus oris (Var.: horis}; Nam timidis et suspectis abtissima mors est Hüte dich vor Misstrauen, damit du nicht stets unglücklich bist; denn für die Furchtsamen und Misstrauischen ist es am besten zu sterben! PS. CATO, DIST. 4,43 (vgl. VERACHTEN 31). 6 M l a t . Suspiciasus homo numquam requiescit Der misstrauische Mann hat nie Ruhe 7 SAL. ET MARC. 135 a. Nee spem nee requiem suspiciosus habet Der Misstrauische hat weder Hoffnung noch Ruhe BABIO 296. 8 Fr. St (lies: Li, Red.) sospegoneus sunt Tuzjurz pour us (lies mit VERNON MS. 50,608: pourous) Lur vie est meseise; ä tels vaut mielz murir Ke tel mal soffrir Si U ne fussent amende Die Misstrauischen sind immer ängstlich; ihr Leben ist unglücklich; es ist besser für sie zu sterben als solches Elend zu erdulden, falls sie nicht besser geworden sind 9 EVERART, CATO 457. Gardeis que vou$ ne soieis chacune oure dou jour chaitis par vos sopesons, car as (Ausg.: an) sopesonneus et äs coairs n'est nule chose si aferans come mors Hütet Euch davor, zu jeder Stunde des Tages unglücklich zu sein infolge Eures Misstrauens! Denn für die Misstrauischen und die Zaghaften ziemt sich nichts 10 so sehr wie der Tod CATO LOTHR. 148. Ne soies pas souspec(t)o(u)neux De nulle rien,

219

n

12

13 14

MISSTRAUEN

ne cremeteux, Car cilz qtti tel costume amort, Si n'a mestier que de la mart Sei in keiner Sache misstrauisch noch furchtsam! Denn wer eine solche Gewohnheit annimmt, dem kann-nur der Tod helfen ADAM DE SUEL, CATO 787, Et se tu sens chose souspeconneuse, Discuter doiz que ne soit häyneuse, Car ce qu'en seult aucune fotz despire, Nui$t bien souvent et la besoinge empire Und wenn du eine verdächtige Sache erkennst, sollst du sie untersuchen, damit sie nicht verhasst wird. Denn was man einmal missachtet, schadet sehr oft und verschlimmert die Sache J. LEFEVRE, CATO 535. N o r d . Oreiöinn Skyldi yta hverr Ok sja sem gorst viö grunum; Hugsjukr maör Kviöir bvervitna; Aldri honum dagr um dugir Jeder sollte ohne Zorn ausziehen und sich so gut wie möglich gegen Misstrauen vorsehen. Der Ängstliche fürchtet sich überall. Nie nützt ihm der Tag HUGSVINNSMÄL 142. Dt. Von missetriuwe vil ofte geschiht Daz den Hüten missegät Infolge von Misstrauen geschieht es sehr oft, dass es den Leuten übel ergeht WIRNT v. GRAFENBERG 6366. {Suspectus caue] ne sis miser omnibus horis Nam [timidis et suspectis] aptissima mors est. - Vordecht [...] czu allen stunden Das du nicht {..,]istig /.../ wirst funden Wen wer yn [stet]en vorcbten ist Der wirt v[ojr[la}cht2 czu allir vrist Hüte dich vor Misstrauen, damit du nicht stets unglücklich bist; denn für die Furchtsamen und Misstrauischen ist es am besten zu sterben! - ...(?) Wenn jemand in steten Ängsten ist, wird er immer verstossen CATO OMD. (ZroA 48} 434.

3.-4. s. Inhaltsübersicht 5. Wer sich einmal vergangen hat, wird immer verdächtigt 15 Fr. Et l'en dist, qui d'un (lies mit Hs. A: d'une] e$t veüs De .c. est apres mescreüs Und man sagt: „Wer bei einer Gelegenheit gesehen wird, wird nachher bei hundert 16 verdächtigt" J. DE CONDE II 272,167. Qui d'un mesfait est veüs, De pluseurs en est mescreüs Wer bei einer Missetat gesehen wird, wird weiterer verdächtigt J. LEFEVRE, MATHEOLUS 2,2685. — LÜGEN 158, 173, TRÜGEN 155-156, Vgl. DIEB 1.3., EID 2.4., LÜGEN 5.1., TRÜGEN 13.

6. Verdächtiges soll sogleich geprüft werden 17 La t. Quod übt suspectum est, confestim discute, quid sit; Namque solent, primo que. sunt neclecta, nocere Untersuche rasch auf seine Beschaffenheit, was du verdächtigst; denn was zuerst vernachlässigt worden ist, pflegt zu schaden! PS. CATO, DIST. 4,9 (vgl. PRÜFEN 39, VERDERBEN 3). 38 Mlat. Inuestigetur res que suspecta uidetur, Namque, scio uere, solet indiscussa nocere Die Sache, die verdächtig scheint, soll untersucht werden; denn ich weiss in der 19 Tat, dass sie zu schaden pflegt, wenn sie nicht erforscht ist CATO NOVUS 225. Investigetur res, quae suspecta videtur; Namque scio vere, soleant neglecta nocere ... denn ich weiss in der Tat, dass das Vernachlässigte zu schaden pflegt WERNER 2 i 127. 20 N o r d . Fljota raun Skalt vid flest kafa, Pat er grunsamligt geriz; Leyndir lestir Peir er lengi felaz, Gera opt morgum mein Schnell prüfen sollst du das meiste, was sich verdächtig macht. Verborgene Fehler, die man lange geheimhält, bringen oft manchem Schaden HUGSVINNSMÄL 114.

7. Verschiedenes 21 Fr. Von mescroit tel qui souvent n'y a coulpe Man verdächtigt oft einen, der keine Schuld trägt J. MOLINET 642,141.

MISSTRAUISCH

220

22 It. La diffiaenza e la radice di sapienza Misstrauen ist die Wurzel der Weisheit MERBURY 24. 23 Dt. Der argwon hat, der glaubt gar bald Das man tug das jm nit gefalt Wer Argwohn hegt, der glaubt sehr rasch, man tue etwas, das ihm nicht gefällt BRANT, NARRENSCHIFF 24 33,79. Suspitionibus securis. — Dem argwon gehört ein bethel Dem Argwohn das Beil. — Der Argwohn hat das Beil verdient FRANCK 1,54 r, E. D.

Anmerkungen 1

2

Überliefert ist die Form caueris und die Verbesserung caueas, daneben aber auch seit dem 16. Jh. cave sis (vgl. M. Boas [Hrsg.], Disticha Catonis, Amsterdam 1952, 253). Statt des vom Hrsg. eingesetzten vorlacht könnte man auch vordacht ,verdächttgt' oder versmacht ,verachtet' vermuten. Beide Formen sind mehrfach belegt in den von L. Zatocil veröffentlichten Catoversionen (vgl. L. Zatocil, Cato a Facetus. Pojednani a texty, Brno 1952).

MISSTRAUISCH s. MISSTRAUEN MIST s. DRECK MISTEL / gui / mistletoe i It. Entra i fronde, el visco Zwischen den Blättern: die Mistel NUNEZ 11,85 (el Italiano). H. R., rev. V. M.

MISTHAUFEN s. DRECK MITBRINGEN s. BRINGEN MITEINANDER s. ZUSAMMEN MITFREUEN (sich) s, FREUDE MITGIFT / dot / dowry Man heirate eine Frau nicht um ihrer Mitgift willen —* EHE 114 — 117, 121, 134 .MITLEIDS. GNADE MITLEIDEN s. LEID MITNEHMEN s. NEHMEN MITTAG / midi / midday 1. Mittag als Zeit des Tageslichtes (l -2). —· EULE 63 2, Am Mittag eine Lampe anzünden (3—11)

221

MOHAMMED

3. Lebensregeln f r den Mittag 3.1. Schmale Mittagskost ist gesund — ESSEN 7.9. 3.2. Schmale Mittagskost erlaubt reichhaltigeres Abendessen -* ESSEN 50, 52-59 3.3. Reichhaltige Mittagskost bedingt karges Abendessen —» ESSEN 68-71, 73 3.4. Mittag ist die Zeit des Wachseins — GESUND 92, NACHT 71, SCHLAFEN 2.5. 3.5. Wer mittags aufsteht, schl ft nicht den ganzen Tag —· AUFSTEHEN 2.

1. Mittag als Zeit des Tageslichtes 1 M l a t . Meridies testis erit, utrum sit tua uestis Der Mittag wird Zeuge sein, ob es dein Kleid ist S. OMER 144. 2 Fr. C'est apperchu jour a midi Mittag ist sichtbarer Tag J. MIELOT 78. - EULE 63

2. Am Mittag eine Lampe anz nden 3-5 Mgr. Λύχνον εν μεσημβρίςι απτειν Am Mittag eine Lampe anz nden PS. DIOGENIAN. 6. 7 6,27. PS. DJOGENIAN. VINDOB. 3,12. APOSTOLIOS 10, 95. Λόχνον εν μεσημβρία ατ> τεις Du z ndest am Mittag eine Lampe an GREG. GYP. LEID. 2,65. GREG. GYP. MOSQ. 4,30. 8 Mlat. Lucernam in meridie accendere Am Mittag eine Laterne anz nden ERASM., 9 ADAG. COLL. 45 v. Lucernam adhibes in meridie Du verwendest am Mittag eine Laterne ERASM., ADAG. CHIL. 2,5,6. 10 Fr. Partei {lies mit Ausg. Salamanca 1555, 96 v: Porter} lanterne amidy Am Mittag eine Laterne tragen NUNEZ III, 165 fei Frances). n Dt. Lucernam in meridie adhibes. - Ein Hecht im mittag anz nden bers, wie 9, -

,.. FRANCK 1,5 v, 3. s. Inhalts bersicht

V.M.

MITTE s. MASS (Massigkeit) MITTEILEN s. WORT MITTELMASS s. MASS (Massigkeit) MITTELWEG s. MASS (Massigkeit) MITTLER s. MASS (Massigkeit) M GEN s. BEGEHREN M GLICH s. K NNEN MOHAMMED i S p a n . Pues no να Maboma al otero, vaya el otero a Mahoma Da Mohammed nicht zum Berg geht, gehe der Berg zu Mohammed 1 NUNEZ III, 191. — DIENEN 739, 742

H. U. S.

Anmerkung 1

Zu Herkunft und Verbreitung des Sprw. vgl. A. Wesselski, M rchen des Mittelalters, Berlin 1925, 263-265. Weitere Literatur gibt Mieder in: Names 23 (1975), 287.

MOHR

222

MOHR / negre / Moor Hier auch ÄTHIOPISCH, MAURE, NEGER(IN), SCHWARZER 1. Ein Mohr verliert seine Farbe nicht (wird nicht weiss) (1-14), —· KRÄHE 1-2. Vgl, ESEL 5.2., HUND 1.4., KRÄHE 1.1., SCHWARZ 4. 2. Einen Mohren weiss waschen (baden) (15-26). -* KRÄHE 21, WASSER 233. Vgl. ESEL 5.2., HUND 1.4., KRÄHE 1.1. 3. Die Negerin ging ins Bad und musste ein Jahr lang erzählen (27—28) 4. Im Haus des Mauren soll man nicht Arabisch sprechen (29—30) 5. Je mehr Mauren, desto grosser der Gewinn (31-33) 6. Den toten Mauren töten (34—37) 7. Verschiedenes (38-40)

1. Ein Mohr verliert seine Farbe nicht (wird nicht weiss}1 1 B i b t. Si mutare potest aethiops pellem suam, aut pardus varietates suas: et vas poteritis benefacere, cum didiceritis malum Wenn der Mohr seine Haut ändern kann oder der Leopard seine Flecken, werdet auch ihr Gutes tun können, obschon ihr Schlechtes 2 gelernt habt VULG., IER. 13,23. Kan auch ein Mohr seine haut wandeln, oder ein Parder (Leopard) seine flecken? So könnet /r auch guts tbun, weil jr des bösen gewonet seid LUTHERBIBEL, EBD. 3 L a t. Mutat contra naturam Aethiops pellem suam et pardus uarietates suas Der Mohr ändert seine Haut und der Leopard seine Flecken gegen die Natur HIERON., EP. 69,6, 7. 4 Et postquarn se intellexit casso sudare labore, nee pardum mutare varietates, nee Aethiopetn pellem suam ... Und nachdem er eingesehen hatte, dass er in vergeblicher Anstrengung schwitzte und dass weder der Leopard seine Flecken noch der Mohr seine Haut ändert HIERON., ADV. RUFINUM 3,23 {475 A). Si Aethiops, ait, mutaverit pellem suamt et pardus varietatem suam, et vos poteritis facere bonum, cum didiceritis mala Er sagte: „Wenn der Mohr seine Haut geändert haben wird und der Leopard seine Flecken, werdet auch ihr Gutes tun können, obschon ihr Schlechtes gelernt habt" 6 HIERON., ADV. PELAG. 2,26 (565 B). Quid iuuat uestram perfidiam uel prodest pellis Aethiopica et pardi uarietas, si in nostro corpore naeuus apparuerit? Was hilft oder was nützt eurer Schlechtigkeit die äthiopische Haut und die Flecken des Leoparden, 7 wenn an unserem Körper ein Mal erschienen ist? HIERON., EP. 97,2,3. Coepit ... tacita secum uoluere, quomodo eunucbus Aethiops ... mutauerit pellem suam Er begann schweigend bei sich zu überlegen, wie der äthiopische Eunuch seine Haut geändert habe EBD. 108,11,1. 8 Mg r. Der Mohr wird nicht weiss APOSTOLIOS 1,68. 9 Ml a t. Ethiops in balneum niger intrat et niger egreditur, sed tarnen balneator nummos accipit Der Mohr betritt das Bad schwarz, und er geht schwarz hinaus, aber den10 noch bekommt der Bademeister Geld GREG, M., EP. 3,62 (1,223,30). Aethiops non albescit Der Mohr wird nicht weiss ERASM., ADAG. CHIL. 3,10, 88. u Dt. Des mores but unsanfte lät h swarze varwe, die si hat: Des lebarten hiute sam geschiht, Diu enlät ir maneger flecken ntht: Als wizzet, daz ein übel man Sin übel niht vermtden kan Des Mohren Haut verliert schwerlich die schwarze Farbe, die sie hat. Des Leoparden Haut (ist) ebenso eingerichtet; sie verliert ihre vielen Flecken nicht. Ebenso sollt ihr wissen, dass ein schlechter Mensch seine Bosheit nicht unterlassen kann 12 FREI DANK 88,19. Ez spricht auch ein heiliger weissag. Jeremias ... Vil Ivtzel mag ein mor verehern sein vngeschiktev haut oder ein pari mag verehern die varb die chekcbot

223

MOHR

oder vech i$t. Also macht du wol tun wann du hast vbel getan Es spricht auch ein heiliger Prophet, Jeremias: „Gar nie kann ein Mohr seine h ssliche Haut oder ein Leopard seine Farbe, die scheckig oder gefleckt ist, ndern. Ebenso(wenig) wirst du Gutes 13 tun, wenn du bel getan hast" GESTA ROM. DEUTSCH 7 S. 15. Moren werden nymmer 14 wei FRANCK 1,27 v. Aethtops non dealbescit. — Moren werden nimmer wei bers, wie 10. - ... EBD. II,58v. -* KR HE 1-2. Vgl. ESEL 5.2., HUND 1.4., KR HE 1.1., SCHWARZ 4.

2. Einen Mohren weiss waschen (baden) 2 15.16 G r, Αιθίοπα σμήχεις Du w schst einen Mohren weiss PLUT., MOR. VII, 463,7. Κατά την παροιμίαν Αιθίοπα σμήχειν επιχειρώ Entsprechend dem Sprichwort versuche ich, J7 einen Mohren weiss zu waschen LUKIAN., INDOCT. 28. Αιθίοπα σμήχων Einen Mohren 15 weiss waschend ZENOB. 1,46. Αιθίοπα σμήχειν Einen Mohren weiss waschen ISIDOR. 19 PELUSIOTA, EP. 2,16 {468 B). Έλάθομεν Αιθίοπα σμήχοντες Wir merkten nicht, dass wir einen Mohren weiss wuschen EBD. 2,94 (540 A). 20-23 Mgr. Αιθίοπα σμήχεις bers, wie 15 PS. DIOGENIAN. 1,45. APOSTOLIOS 1,71. Ai24 θίοπα σμήχειν bers, wie 18 PS. DIOGENIAN. VINDOB. 1,19. MAKARIOS 1,62. Alθίοπα ρύπτειν Einen Mohren waschen MAKARIOS 5,50. 25.26 Mlat. Aethiopem dealbare bers, wie 18 ERASM., ADAG. COLL. 32 r. Aethiopem lauas: Aethiopem dealbas Du badest einen Mohren, du w schst einen Mohren weiss ERASM., ADAG. CHIL. 1,4,50. —· KR HE 21, WASSER 233. Vgl. ESEL 5.2., HUND 1.4., KR HE 1.1.

3. Die Negerin ging ins Bad und musste ein Jahr lang erz hlen 3 27 Span. Fue la negra al bano, y touo que contar vn ano Die Negerin ging ins Bad und 28 musste ein Jahr lang erz hlen LOPEZ(?}, REFRANES 329. Fue la negra al banao (lies mit der Ausg. Salamanca 1555,53 r: vano), tuvo que contar un ano NUNEZ II, 151.

4. Im Haus des Mauren soll man nicht Arabisch sprechen 29. 30 Span. En casa del tnoro no fables algarauia Im Haus des Mauren sollst du nicht Arabisch sprechen4 LOPEZ(?), REFRANES 268. NUNEZ 11,96.

5. Je mehr Mauren, desto grosser der Gewinn5 31. 32 Span. Mientra mas moros, mas ganancia Je mehr Mauren, desto grosser der Gewinn 33 LOPEZ(?) T REFRANES 453. NUNEZ 11,376. A mas moros, mas ganancia HALLER 191.

6. Den toten Mauren toten 34 S p a n . No 05 deys nada (Ausg.: naaa) A moro muerto dar Ιαηςαάα Es soll euch nichts ausmachen, einem toten Mauren einen Lanzenstich zu versetzen PINAR (+CANCIONERO 35 11,561 a). AI Moro muerto matallo Den toten Mauren t ten GIL VICENTE 111,187 36 (Dom Duardos). Pintar como querer, matar moros en pared Nach seinen W nschen malen (w 'rtL- Malen wie w nschen) (bedeutet) Mohren an der Wand t ten6 NUNEZ 37 III, 149. Al moro muerto, gran Ιαηςαάα Dem toten Mauren einen grossen Lanzenstich HALLER 207.

7. Verschiedenes 38 Mlat. Aethiops non denigrat Aethiopem Der Mohr schw rzt den Mohren nicht an BEBEL, FAC. 3,7.

MOLKE

224

39 Span. Aunque somo negro, bombre somo, alma tenemo Auch wenn wir Neger sind, 40 sind wir Menschen, haben eine Seele7 NUNEZ 1,146. Quien abriga su moro, abriga su oro Wer sein Maurentum (wörtl.: seinen Mauren) verbirgt, schützt sein Gold EBD. 111,280. E. D. Anmerkungen 1 2 3

4

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Für engl. Belege s. WHITING E153. Geht auf eine Fabel von Aesop (AESOP. 13) zurück. Bedeutet nach Dice. DE REFRANES 2141, dass einfache Leute endlos zu erzählen haben, wenn sie etwas noch nie gesehen haben. D.h. nach SBARBI 1,100: Wenn man über jmdn, schlecht reden will, muss man es in einer Sprache tun, die dieser nicht versteht. In einem weiteren Sinn gibt das Sprw, nach Dice. DE REFRANES 731 zu verstehen, dass einer, der sich in einer bestimmten Materie nicht auskennt, sich vor einem Kenner nicht darüber aussern soll. Dieses Sprw. geht nach ALONSO II, 2897 a auf die Kriege der Spanier gegen die Mauren zurück: Je grosser die Herausforderung, um so bedeutender der Sieg. Pintar como querer bedeutet nach AUTORIDADES V, 277 a ,sich etwas vormachen'. Zu matar moros en pared vgl. ALCOVER VII, 585 a, wo die Rda. no matar moros erklärt wird: Sie besagt, dass jemand sich durch nichts Besonderes auszeichnet. Nunez fügt hinzu: Contrabace la habla del negro Ahmt die Sprache der Neger nach.

MOLKE / petit-lait / whey i Dt. Im keß wasser da ligen die matten am boden In der Molke liegt die geronnene Milch am Boden FRANCK 1,83 v.

E, D, MONAT / mois / month 1 Fr. // n'est mois qtti ne reviengne Es gibr keinen Monat, der nicht zurückkommt ET. LEGRIS 337 (vgl. MÄRZ 7). 2 It. Lassa por andar, si e {lies: sei, Red.) me$i per mezo anno Lass nur sechs Monate für ein halbes Jahr vergehen! NUNEZ 11,258 (el Italiano). 3. 4 Span. Quando vn mes demedia, a otro semeja Wenn ein Monat um die Hälfte vergangen ist, gleicht: er einem ändern 1 LOPEZ{?}, REFRANES 594. NUNEZ 111,206. KM. Anmerkung 1

D.h. dem nächsten. Vgl. Drcc. DE REFRANES 1973.

MÖNCH / moine / monk Hier auch BRUDER (Mönch), FRANZISKANER Vgl. PFAFFE l, Mönche sollen nur ihrer geistlichen Berufung leben 1.1. Der Mönch gehört ins Kloster (wie der Fisch ins Wasser) (1-19). Vgl. FISCH 2.1. Ahnlich (20-21) 1.2. Der Mönch darf nicht nach Weltlichem streben {22-25)

225

MÖNCH

2. Mönche sind lasterhaft 2.1. Mönche sind Spitzbuben (26-29) 2.2. Mönche sind falsch (30-38). Vgl. PFAFFE 3.3. 2.3. Mönche sind gewinnsüchtig und schmarotzerisch (39-45). Vgl. ABT 2.1., BISCHOF 3., PFAFFE 3.4.-3.5., ROM :9. 2.4. Mönche sind faul (46-47)' 2.5. Mönche sind gefrassig {48-49} 2.6. Mönche sind Schürzenjäger (50-52;. Vgl. PFAFFE 3,2.3.1., 3.2.3.3. 3. Auf das Glockenzeichen versammeln sich die Mönche (53-54). Vgl. PFAFFE 226 4. Das Kleid macht den Mönch nicht aus-» HUND 996, KLEID 108-109, 111-112, 114-117, 120, 125-126, 128, 130, 132, 134-143, 147-150, 252-353, I S S , 161-162, 164-165. Umkehrung (55) 5. Man soll der Lehre der Mönche folgen und nicht ihrem Leben (56). Vg!. LEHRE 5.4., PFAFFE 3.2.2., PREDIGEN 38, RAT 154, WORT 22.14. 6. 7. 8. 9.

Mönche gehen nie allein (57-60) Wenn Mönche reisen, regnet es (61-63) Verzweiflung macht einen Mönch — VERZWEIFELN 3, Verschiedenes (64-75)

1. Mönche sollen nur ihrer geistlichen Berufung leben 1.1. Der Mönch gehört ins Kloster (wie der Fisch ins Wasser)1 Mlat. Sicut enim piscis ex aqua editctus statim moritur; ita et monachus perit, si for is ceüam suam valuer it tardare Wie nämlich der Fisch, den man aus dem Wasser nimmt, sogleich stirbt, so geht auch der Mönch zugrunde, wenn er ausserhalb seiner Zelle säumen will VITAE PATR. 1,781 B. Quod beatus Antonius admonet, dicens (Vit. Pair., part. , lib. De quiete): „Sicut pisces si tardaverint in sicco moriuntur; ita et monachi tardantes extra cellulam" Was der selige Antonius in Erinnerung ruft, wenn er sagt: „Wie die Fische, wenn sie lange auf dem Trockenen gewesen sind, sterben, so auch die Mönche, die sich lange ausserhalb der Zelle aufhalten" ABAELARD., ER 8 (304 B}. Item Eugenius Papa ... sit daustro suo contentus, quia sicut piscis sine aqua caret utta, ita sine monasterio monachus Ebenso (sagt) der Papst Eugenius: „Er soll mit seinem Kloster zufrieden sein; denn wie der Fisch ohne Wasser kein Leben hat, ebenso der Mönch ohne Kloster" DECRETUM GRATIANI 2,16, l, 8. Dixit iterum Antonius; sicut pisces, si in sicco tardaverint, moriuntur, ita et monachi extra cellam tardantes Antonius hat wiederholt gesagt: Übers, wie 2 IAC. VORAG., LEG. AUREA 21,4 S. 106. Est märe viuentis habitacio congrua piscis, Et claustrum monachi stat domus apta sibi Das Meer ist die angemessene Wohnung für den lebenden Fisch und das Kloster das passende Haus für den Mönch GOWER, vox CLAMANTIS 4,277. Fr. Sicut piscis sine aqua, sic monachus sine daustro. - Nient plus que li pissons poroit sans yawe vivre, Ne peut monnes sans cloistre Wie der Fisch ohne Wasser, so der Mönch ohne Kloster. - Nicht mehr als der Fisch ohne Wasser leben könnte, kann es der Mönch ohne Kloster GILLES LI MUISIS 1,147. Span. El muerto en el cementerio, y el frayle en el monasterio Der Tote (gehört) auf den Friedhof und der Mönch ins Kloster NUNEZ II, 58. P o r t , De amigo lisongeiro, e de fr ade sem monesteiro, naon cures Halte nichts von einem schmeichlerischen Freund und von einem Mönch ohne Kloster! NUNEZ 1,317 (el Portugues). N o r d . Sva sem fiskr af vatni vppdreginn d[e]yr skiott, pegar hann kemr aa pvrra iord, sva leysaz ok mvnkar skiott til veralldligra Ivta ok hegomligrar samnz&v ok deyia

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fra sinvm siöf ef peir dveliaz meö veraüdligvm mavnnvm Wie der aus dem Wasser gezogene Fisch alsbald stirbt, wenn er auf das trockene Land kommt, so wenden sich auch Mönche alsbald weltlichen Dingen und eitlem Gespräch zu und fallen von ihrer Religion ab (wörtl.: sterben ihrer Religion ab), wenn sie bei weltlichen Leuten verweilen HEIL. M. s. 1,113,24 (Antonius saga). En sva sem fiskr fyrirferst skiott ok deyr, ef kann er or vatninu tekinn, sva fyrirferst munkr, ef harm hindrar fyrir utan sitt herbergi ok heima Und wie der Fisch alsbald zugrunde geht und stirbt, wenn man ihn aus dem Wasser nimmt, so geht der Mönch zugrunde, wenn er sich lange ausserhalb seines Wohnorts und Heims aufhält VITAE . NORD. 591,10. Engl. Gregoriepe grete derke, andbe goed pope ... reherseth in his morales,, And seytb it in ensaumple ... Whenne fissches failenpe flode, or pe fresche water, f>ei deyen for drouthe, whanne pet drie ligge; Rijt so, quod Gregorie, religioun roileth, Stertteth and stynketh, and steleth lordes almesses, Pat oute of couent and doystre coueyten to libbe Der grosse Gelehrte und gute Papst Gregor sagt es in seinen „Moralia" als ein Beispiel: „Wenn Fische die Flut oder das frische Wasser entbehren müssen, dann sterben sie vor Dürre, wenn sie auf dem Trockenen liegen. Genau so", sagt Gregor, „wird die Religion (der Mönche) ausschweifend, geht zugrunde und stinkt und stiehlt die Almosen Gottes, wenn sie ausserhalb von Konvent und Kloster leben wollen" LANGLAND(?), PLOWMAN B 10,292. A Monk whan he is reccbelees (Var.: doysterles), Is likned til a fissh that is waterless Wenn ein Mönch pflichtvergessen (Var.: ausserhalb des Klosters) ist, ist er wie ein Fisch ohne Wasser CHAUCER, CANTERB. T. Prol. A 179. For as pey seyn pat groundiden pes doystris, pes men myjten no more dwelle out per-of pan fas myjte dwelle out of water Denn wie diejenigen sagen, die diese Klöster gegründet haben: „Diese Männer (seil, die Mönche) können ebensowenig ausserhalb (seil, des Klosters) leben wie die Fische ausserhalb des Wassers" WYCLIF, WORKS 449 {um 1378). Dt. Rehte alsam der visch tut, Ob er sal uz dem wage wesen, So mac er lange niht genesen ...In der selben wise Einem munche ouch geschiht, Den man uz sime dosiere siht Muzeclichen wandern Genau wie es dem Fisch ergeht: Wenn er ausserhalb des Wassers sein muss, dann kann er nicht lange am Leben bleiben. Ebenso geht es einem Mönch, den man unnötigerweise aus seinem Kloster weggehen sieht VÄTERBUCH 3002. Anthonius sprach: Als die vische sterben, ob sie an der trucken sich svmen, also geschiet den mvnchen, die sieb vzerthalp der celle svmen bie werltlichen Iviten ... Wie die Fische sterben, wenn sie sich auf dem Trockenen aufhalten, so geht es den Mönchen, die sich ausserhalb der Zelle bei weltlichen Leuten aufhalten VÄTERBUCH PROSA 116 S. 40. Abbas Jobannes: Der visch usrent dem wasser und der munch ussrent dem kloster Der Abt Johannes (sagte): „Der Fisch ausserhalb des Wassers und der Mönch ausserhalb des Klosters" SEUSE 104,15. Ein fissch ist nirgend besser quam in aqua, monachus in monasterio, für in patibulo Ein Fisch ist nirgends besser als im Wasser, ein Mönch im Kloster und ein Dieb am Galgen LUTHER, WA TR. 976 (1530—34 [1,493,32]), Eyn münch ist nirgen besser denn (nirgends besser am Platz als) im kloster AGRICOLA Nr. 319. Ein manch ist nirgent besser dann im doster, vnnd ein dieb am galgen FRANCK II, 111 r. Vgl. FISCH 2.1. Ähnlich: M l a t . Unde dicitur quod nullus est pejor monacho qui exivit religionem Deshalb sagt man, dass niemand schlimmer sei als ein Mönch, der das Kloster verlassen hat ROB. SORBON. (-»HAUREAU V, 39). P o r t . Guarte de frade, e de can que sai de grade Hüte dich vor einem Mönch und einem Hund, der aus dem Gitter entspringt! NUNEZ II, 163 (el Portugues).

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1,2. Der Mönch darf nicht nach Weltlichem streben M l a t . Pauonum caudis uisuntur uerrere terram: Longa trahunt fratres indignis syrmata nugis Sie sehen aus, als ob sie mit Pfauenschwänzen die Erde wischen würden. In unwürdiger Leichtfertigkeit ziehen die Mönche lange Schleppen hinter sich her EGBERT,, FEC. RAT. 1,399. Corporis ornatus monachis nimis est fugiendus Vor dem Schmücken des Leibes müssen die Mönche sich sehr in acht nehmen OTLOH., PROV. 307 A. Quod enim rubigo est in ferro, quod in veste tinea, quod fei in lacte, quod venenum in melle, hoc est superbia in habitu monachaii Was nämlich der Rost am Eisen ist, die Motte im Kleid, die Galle in der Milch, das Gift im Honig, das ist Hochmut irn Mönchsgewand PETR. BLES., ER 90 (1,2SO), Monachus qui habet obolum, non valet obolum Ein Mönch, der einen Groschen hat, ist keinen Groschen wert HELINAND., SERM. 13 (589 C). 2. Mönche sind lasterhaft

2.1. Mönche sind Spitzbuben 26 M l a t . Trux tetras est fratrum vulpisque trium quia clatrum, Pixidulam morum vulpecula fert meliomm Es ist eine düstere Vierzahl, die aus drei Mönchen und einem Fuchs besteht, denn den Behälter (?) 2 , das Büchslein mit den besseren Sitten, trägt das Füchs27 iein WALTHER 31608 a. Vulpe creant fratres tetradem trucium socia tres, Sed fert virtutum pre doctis pixida brutum Zusammen mit einem Fuchs bilden drei Mönche eine Vierzahl von Spitzbuben, doch trägt das Tier die Büchse der Tugend den Gelehrten voran EBD. 34216, 28 Engl. Two frereus and a fox maken pre shrewes And euer bereth pe fox the box of alle goode thewes. — Una, duo fratres, vulpes, pravos faciunt tres, Pixidis ast morum gestrix ertt ipsa bonorum. Fratrum termo3 vulpe quaterno trux sociata, Est sine rixis etica pixis ab allope lata Zwei Mönche und ein Fuchs machen zusammen drei Spitzbuben, und immer trägt der Fuchs die Büchse mit allen guten Sitten. — ... aber der Fuchs wird der Träger der guten Sitten sein. Wenn sich einer Dreizahl von Mönchen als vierter ein schlimmer Fuchs zugesellt,4 wird ohne Streit die Büchse mit den (guten) Sitten vom 29 Fuchs getragen RYLANDS fo. 25. Tbre freris and ihre fox maken thre shretvys; And euer berus the fox the box of alle gode tkewys Drei Mönche und drei Füchse machen zusammen drei Spitzbuben, 5 und erst noch trägt der Fuchs die Büchse mit allen guten Sitten DOUCE (MS. 52} 147.

2.2. Mönche sind falsch 30 It. Ne de frati, ni de monacha non aspectar nienti Erwarte nichts weder von einem Mönch noch von einer Nonne! III, 17 (el Italiano). 31 Span. De frayle rebozado, y de judio acosado, y de hambriento soldado (Hüte dich vor) einem hinterlistigen Mönch, einem verfolgten Juden und einem hungrigen Sotda32 ten! NUNEZ 1,310. De frayle balagüeno y medico andariego, guarda tu alma y cuerpo por entero Vor einem schmeichlerischen Mönch und vor einem wandernden Arzt hüte 33 gänzlich deine Seele und deinen Leib! EBD. 1,317. Ni fies en monge prieto, ni en amor de nieto Trau weder einem schwarzgekleideten Mönch noch der Liebe eines Enkels! 34 EBD. III, 33. M frayle por amigo, ni clerigo por vecino Keinen Mönch zum Freund 35 und keinen Pfaffen zum Nachbarn! EBD. 111,38. M buen frayle por amigo, ni rnalo por enemigo Keinen guten Mönch zum Freund und keinen schlechten zum Feind! EBD. 36 111,39. M a frayle desealzo, ni a hombre callado, ni a muger barbada, no le des posada Beherberge keinen Barfüssermonch, keinen schweigsamen Mann und keine bärtige Frau! EBD.

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37 Port. A frade naon fazas cama, de tua molher naon fazas ama Einem Mönch mach 38 kein Bett, deine Frau mache nicht zur Amme! NUNEZ 1,83 (el Portugues}. ludio per la mercaduria, e frade per la hypocresia Jude für den Handel und Mönch für die Heuchelei (seil, sind die richtigen) EBD. 11,222 (el Portugues}. Vgl. PFAFFE 3.3.

2.3. Mönche sind gewinnsüchtig und schmarotzerisch 39 Mlat. Monacbus oblatum cum uiderit äff ore lucrum, Irruit ut pluuio fulgetra mota polo Wenn ein Mönch sieht, dass ihm ein Gewinn entgegenkommt, stürzt er sich darauf wie ein Blitz aus regnerischem Himmel NIVARD., YSENGR. 1,639. 40 Fr. Le cordellier prent tout ce que on iuy donne, S'il n'est trop chault, trop froit ott trop pesant Der Franziskaner nimmt alles, was man ihm gibt, wenn es nicht zu warm, zu kalt oder zu schwer ist J. MOLINET 640,106. 41 I t . Fratri observanti, sparana el soe magna quel daltri Der Franziskaner strenger Observanz spart das Eigene und tsst, was ändern gehört NUNEZ II, 149 (el Italiano) (vgl. 42 EIGEN 5.2.1., 5.2.7., SPAREN 5.}. Frati, acqua e fuogo, presto se fa luogo Mönche, Wasser und Feuer, die verbreiten sich rasch EBD. U, 150 (el Itaiiano), 43 Span. El frayle que pide pan, carne toma st se la dan Der Mönch, der um Brot bittet, 44 nimmt Fleisch, wenn man es ihm gibt NUNEZ II, 60. Frayle que su regla guarda, toma de todos y no da nada Ein Mönch, der seine Regel hält, nimmt von allen und gibt 45 nichts EBD. II, 148. Frayle franciscano, el papo abierto, el saco cerrado Der Franziskanermönch hat den Kröpf offen und den Sack zu EBD. II, 149. Vgl. ABT 2.1,, BISCHOF 3., PFAFFE 3.4.-3.5., ROM 9.

2.4. Mönche sind faul 46, 47 Dt. Wer boltzhawen ein orden, so weren nit souil monch worden Wäre Holzhauen ein Orden, so wären nicht so viele Mönche geworden FRANCK 1,6 r, EGENOLFF 280 r.

2.5. Mönche sind gefrässig 48 M l a t . Dum satur est venter monacborurn sufficienter, Tunc surgunt lente, ,miserere' canunt sine mente Wenn der Bauch der Mönche genügend voll ist, dann stehen sie langsam auf und singen abwesend „Miserere" WERNER 2 d 186. 49 Span. Ni frayle en bodas, ni perro entre las alias Keinen Mönch an Hochzeiten und keinen Hund zwischen den Kochtöpfen NUNEZ III, 32.

2.6. Mönche sind Schürzenjäger 50 M l a t . Quando per urticam monacbus venatur amicam, Pendens in cappa solet ipsum prodere lappa Wenn der Mönch in den Nesseln seiner Freundin nachstellt, pflegt ihn die Klette zu verraten, die an der Kutte hängt WERNER 2 q40. 51 Fr, Qui de mo'me fait son compere, Le cul sä femme le compeire Wenn einer einen Mönch zu seinem Gevatter macht, bezahlt es der Arsch seiner Frau ET. LEGRIS 614 (=MORAW. 1901). 52 Dt. Es sindt vil Mönch, aber wenig verschnitten Es gibt viel Mönche, aber wenig kastrierte 6 FRANCK 1,47 v. Vgl. PFAFFE 3.2.3.1.,3.2.3.3.

3. Auf das Glockenzeichen versammeln sich die Mönche 53 M l a t . His igjtur scriptis in sacrq codice normq: ... „Cum tinnierint ueniendi cimbala signum Fratribus, ad mensas cgtus adesto celer" Da dies also im Buch der heiligen Regel geschrieben ist: „Sobald die Glocken den Brüdern das Zeichen geläutet haben

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zusammenzukommen, soll die Versammlung zu Tische eilen" NIVARD,, YSENGR. 54 1,43l. 7 Certe, campana sonante, monachi ad cyphum vim veniunt et etiam pullt ad micam panis Gewiss, auf das Glockenzeichen kommen die Mönche zum Becher Wein wie die Hühner zur Brosame NICOLAS DE BIARD 273, Vgl. PFAFFE 226 4. Das Kleid macht den Mönch nicht aus — HUND 996, KLEID 108-109,111-112,114-117, 120, 125-126, 128, 130, 132, 134-143, 147-150, 152-153, 155, 161-162, 164-165 Umkehrung: ss Fr. je congnois le moyne a la gönne Ich erkenne den Mönch an der Kurte FR. VILLON, POES. DIV. 3,10. 5. Man soll der Lehre der Mönche folgen und nicht ihrem Leben 56 S p a n , Haz lo que dice el frayle, y no lo que ei hace Tu, was der Mönch sagt, nicht, was er tut! NUNEZ II, 167. Vgl. LEHRE 5.4., PFAFFE 3,2.2., PREDIGEN 38, RAT 154, WORT 22.14. 6. Mönche gehen nie allein 57 S p a n . Vn frayle solo pocas vezes le encontraras por la calle Einen Mönch allein wirst du selten auf der Strasse treffen CELESTINA 139 (7). 58 Nl, Ten gaet een (lies: gheen] monick alleene. — Non decet vt monachus vadat sine compare solus Es geht kein Mönch allein. — Es ziemt sich nicht, dass ein Mönch ohne seinesgleichen allein geht PROV. COMM. 629. 59. 60 Dt. Ten gheyd neen monnyck aüenen PROV. COMM. MND. 600. It geit nein monik aHeine. — Non monachi est castt solummodo carpere gressum ... — Es gehört sich nicht für einen keuschen Mönch, allein einherzugehen TUNNICIUS 892, 7. Wenn Mönche reisen, regnet es 61 M l a t . Est prouerbium apud nostros: Quando monachi peregre proficiscantur, quod sint plwiae Es gibt bei uns ein Sprichwort, wenn Mönche auf eine Reise gehen, dass es dann regne BE BEL, FAC. 3, 87. 62 Dt. So wellen sumeleich dapei, Wann es ungewitter sei, Das sei alles von der münich wegen, Wann die gent under wegen So sagen manche, wenn es schlechtes Wetter sei, 63 das sei alles der Mönche wegen, wenn sie unterwegs seien VINTLER 7880, Als de monike wandelen, so regent it. — Usque piuit, quando monachi spatiantur in agns Wenn die Mönche spazieren, regnet es. — Es regnet immer, wenn die Mönche über Feld spazieren TUNNICIUS 1361. 8. s. Inhaltsübersicht 9. Verschiedenes 64 M l a t . Hie probulus frater corda modulatur amena Da spielt der gute Mönch auf 65 lieblicher Saite 8 EGBERT., EEC. RAT. 1,207. Monachus elatus et simplex officiatus: Hi raro dominis evaluere suis Ein Mönch, den man erhoben, und ein Einfältiger, dem man Ämter verliehen hat, die haben ihren Herren selten etwas genützt WERNER 2 m 39. 66, 67 Fr, Qui moine sert a l'uis le pert Wer dem Mönch einen Dienst tut, der verliert ihn (seil, den Dienst) (schon) auf der Schwelle9 MORAW. 1998. PROV. RUR. 268.

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68 It. Fate frate, non parlate Handelt, Bruder, sprecht nicht (nur)! NUNEZ 11,141 (el Itatiano). 69. 70 S p a n . Mas vale cofes de monje, que falagos (NUNEZ: valen coces de monge, que alhagos) de escudero Besser der Fusstritt eines Mönches als die Schmeicheleien eines 71 Ritters LOPEZ(?), REFRANES 428. NUNEZ 11,337. Frayle que fue soldado, sale mas 72 acertado Ein Mönch, der Soldat gewesen ist, handelt geschickter NUNEZ II, 149. Hice a mi hijo monacillo, tornoseme diabliüo Ich machte aus meinem Sohn ein Mönchlein, 73 und er wurde mir zu einem Teufelchen EBD. II, 185 (vgl. JUNG 5.3.2.). La muger y el frayle, mal parecen en la calle Es macht sich schlecht, wenn die Frau und der Mönch auf der Strasse erscheinen EBD. 11,234. 74 Dt. Ez misticht ein munich auf einer nunnen Es scheisst ein Mönch auf einer Nonne 75 ERLAUER SP, 3,74. Ich muß das Sprichwort erfullenn, Was die weit zuschaffenn hat, da muß ein munch bey sein, vnd salt man yhn datzu malen ... dabei sein, und müsste man ihn dazumalen LUTHER, WERKE 1,364,17 (1520).

R. L., rev. E. D. Anmerkungen 1 Vgl. SINGER, SPRICHWORTSTUDIEN 145 f. 2

3 4 s 6 7

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Clatrum ist bei den Glossatoren belegt als Nebenform des häufigeren Plurals clatri oder clatra ,Schloss, Riegel'. Vgl. THESAURUS LINGUAE LATINAE III, 1295,80, WALTHER 9944 a liest, sicher zu Recht: terno. Die Syntax ist völlig undurchsichtig, Die Arithmetik muss wohl zu 2 + l = 3 verändert werden. Wortspiel mit manch fOrdensgeist!icher' und manch , Wallach'. Vgl. GRIMM, DWs. VI, 2490. Die Vorlage ist BENED., REG. 43,1: Ad horam diuini officii max ut auditus fuerit signus, relictts omnibus, qaelibet fueritit in manibus, summa cum festinatione curratur Zur Zeit des Gottesdienstes, sobald man das Zeichen vernimmt, soll man alles liegen lassen, was man gerade in der Hand hat, und in höchster Eile laufen. Die Gl. EBD. erklärt: Ironice dicitur de malo cantore So sagt man ironisch von einem schlechten Sänger. Gemeint ist wohl der Bettelmönch, der ins Haus kommt.

MÖNCHSKUTTE s. KLEID

MOND / iune / moon 1. Das Licht des Mondes kommt vom Sonnenlicht — SONNE 2.4. 2. Das Licht des Mondes ist um so klarer, je ferner er der Sonne ist (l —4) 3. Das Licht des Mondes überstrahlt das Sternenlicht (5 — 14) 4. Die Gunst des Mondes ist wichtiger als die der Sterne (15—16) 5. Die Gunst des Mondes ist unwichtig neben der der Sonne (der Sterne) (17—22) 6. Die Gunst des Mondes schwindet oft mit der der Sterne —· STERN l, 3 7. Das Aussehen des Mondes lasst auf Wetteränderungen (viel oder wenig Regen) schliessen (23-32) 8. Jeden Monat haben wir zu- und abnehmenden Mond (Neumond) (33—34) 9. Bei zunehmendem Mond muss man die Apfel pflücken (35—36)

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MOND

10. Ver nderlich wie der Mond ist der Narr, die Frau und das Gl ck — FRAU 1345, GL CK 92, 96-97, 99,102, 104-106, 120-121, 143, NARR 8.12.1., WEISE 245-247, 249-250. Vgl. unten 14. 11. Sch n wie (Sch ner ais) der Mond erscheint einem der Gegenstand der Liebe —* KR TE 13-19, 21,23-27 12. Nichts ist von Dauer unter dem Mond — DAUER 19-20 13. Wie alt der Mond ist, weiss nur sein Sch pfer (37-38) 14. Zu- und abnehmen wie der Mond (39-41)* Vgl. oben 10. 15. Den Mond anbellen (wie ein Hund) (42). -> HUND 40.28. Vgl. HUND 7.7. 16. Verschiedenes (43-S3)

1. s. Inhalts bersicht 2. Das Licht des Mondes ist um so klarer, je ferner er der Sonne ist 1 ; M l a t . Clarior est luna, quo sole remotior ilia Der Mond ist (um so) heller, je weiter 2 er von der Sonne entfernt ist WALTHER 2793 a. Clarior hoc luna est, quo sole remotior ilia Um so heller ist der Mond, je ... EBD. 2795. 3 Dt. Ye weiter der Mon von der Sonn ist, ye darer leucht er Je weiter der Mond von 4 der Sonne (entfernt) ist, um so klarer leuchtet er FRANCK 1,121 r. Ye weiter der Mon von der Sonnen ist, je klarer leuchtet er EGENOLFF 348 v.

3. Das Licht des Mondes

berstrahlt das Sternenlicht

5 Gr. "Αστέρες μεν άμφί κολάν σελάνναν "Αψ άπυκρΰπτοισι φάεννον είδος, "Οπποτα πλήθοισα μάλιστα λάμπηι Γαν Alle Sterne rings bei dem sch nen Monde, sie verbergen alle ihr strahlend Antlitz, wenn der helle Vollmond sein Licht lasst scheinen ber die 6 Erde {Treu) SAPPHO 4D. Πενταέθλοισιν γαρ ένέπρεπεν ως "Αστρων διακρίνει φάη Νυκτός διχομηνίδος εύφεγγής σελάνα Denn unter den F nfk mpfern stach er so hervor, wie der leuchtende Mond in der Vollmondnacht die Lichter der Sterne berstrahlt BAKCHYL. 9,27. 7 La t. Velut inter ignis Luna minores Wie der Mond unter kleineren Lichtern H R., 8 CARM. 1,12,47. Quantum, cum fulges radiis argentea puris, Concedunt flammis sidera cuncta tuis, Tanto formosis formosior omnibus illast Wie alle Sterne vor deinem Licht weichen, wenn du (seil, der Mond) mit deinen reinen Strahlen silbern leuchtest, so ist jene sch ner als alle Sch nen OVID., HER. 17,71. 9 Mlat. Sicut inter sidera fulget plena luna, Sic luxit inter reliquas virgines hec una Wie der Vollmond strahlt unter den Sternen, so leuchtete diese eine unter all den brigen Jungfrauen hervor VITA MARIAE 635. ίο Fr. Car riient plus qu'une candoile Se puet comparer a l'estoile Ne clarte d'estoile a la lune, N'tent plus n'en puts trover une Qui de biaute a U afiere Denn ebensowenig, wie sich eine Kerze mit dem Stern vergleichen l sst oder das Licht eines Sternes mit dem Mond, kann ich eine darunter finden, die ihr an Sch nheit gleichkommt FLOURS ιι D'AMOUR 205. Aussi com la lune est parans Es estoiles et plus luisans, Sones tout ensement paroit Wie der Mond zwischen den Sternen sichtbar wird und mehr leuchtet 12 (als diese), ganz gleich zeigte sich Sone SONE DE NAUSAY 3237. Comme li lunne a plain resplent Enviers estoilles et nuee Wie der Mond im Vergleich zu den Sternen und den Wolken voll leuchtet EBD. 14904,2 13 Dt. Da gie diu frowe under Sam diu maentn for den Sternen Da trat die Frau dazwi14 sehen wie der Mond vor die Sterne KAISERCHRON. 11753. Sam der liebte mane vor

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den sternen stät, Des sein so lüterliche ab den wölken gät, Dem stuont si nu gelicbe vor maneger frouwen guot Wie der heile Mond vor den Sternen steht, dessen Licht so klar aus den Wolken hervorscheint, ebenso übertraf sie viele gute Frauen NIBELUNGEN 283,1.

4. Die Gunst des Mondes ist wichtiger als die der Sterne3 15 Nord. Plus astris phebes vi conquiniscere debes, - Wey heller maanen &n allce sti&rner Du sollst dich mehr vor der Gewalt des Mondes bücken als vor den Sternen. 16 Weiche lieber dem Mond als allen Sternen! LÄLE 837. Quam pliadum quere plus phebes fedus habere. — Haff b&ller wenskaff metb maanen &n metb alle andres süaerner Wünsche eher ein Bündnis mit dem Mond als mit den Sternen zu haben! - Habe eher Freundschaft mit dem Mond als mit allen ändern Sternen! EBD. 867.

5. Die Gunst des Mondes ist unwichtig neben der der Sonne (der Sterne)3 17 Mlat. Acdpls impune pro stellts odia lun$ Ohne Gefahr nimmst du für die Sterne den Hass des Mondes auf dich MSD 27,2,2. 18. 19 Span. El sol me luzga, que dela luna no be cur a Die Sonne leuchte mir; denn um den Mond kümmere ich mich nicht LOPEZ{?)> REFRANES 253. NUNEZ 11,32. 20 Dt. lehn fürbte niht des manen schm, WH mir diu sänne gnaedtc sin Ich fürchte den Schein des Mondes nicht, wenn mir die Sonne gnädig sein will FREIDANK 108,5 21 (= LIEDERSAAL 96,53). Me terrere nequit splendor lune nee obesse, Pulgores solis mihi si dignentur adesse. - Ich forchte nicht desz mondesz schein, Wil dy sonne gnedig sein Der Glanz des Mondes kann mir nicht Schrecken einjagen noch schaden, wenn mich nur die Strahlen der Sonne ihres Beistandes würdigen. — ... FREIDANK LAT. (GöR22 LITZ) 1163. Fulgores solis mibi si dignentur adesse, Me terrere nequit splendor lunae vel obesse. - Ik eynvrubte nicht des mane schin Wen mine (lies: Wel mic, Red.) de sunne gbnedegben sin MND. S PR. 30.

6. s. Inhaltsübersicht 7. Das Aussehen des Mondes lässt auf Wetteränderungen (viel oder wenig Regen) schliessen 23 Mlat. Si luna .iiii. rubeat quasi aurum, vento (lies: ventum, Red,} ostendit. Si pura sitt serenitatem. Si in summo corniculo maculis nigrescit {Ausg.: ingrescit), pluviam indicat Wenn der Mond am vierten Tag nach Neumond rötlich ist wie Gold, zeigt er Wind an, wenn er rein ist, heiteres Wetter; wenn er an den äussersten Spitzen schwarze 24 Flecken bekommt, zeigt er Regen an WRIGHT, REL. ANT. 1,15 (l.H. 11. Jh.}. Imbres portendit, si cornua luna remittit Wenn der Mond seine Hörner zurückzieht, zeigt er 25 Regen an WERNER 2 i 24. Apparente nova luna dinoscitur aura: Pallida saepe pluit} rubicunda flat, alba serenat Wenn der neue Mond wieder sichtbar ist, erkennt man das Wetter: Wenn er blass ist, bringt er Regen, wenn er rot ist, Wind, wenn er weiss ist, Aufhellung EBD. a 100. 26 S p a n . Cerco de luna nunca hinche laguna, cerco del sol moja el pastor Nebelring um den Mond macht die Pfütze nie voll, Nebelring um die Sonne netzt den Hirten 4 NUNEZ 27 1,216. Cerco de luna, nabaxo enxuga: e&trella en medio, nabajo lleno Nebelring um 28 den Mond trocknet die Pfütze; Stern in der Mirte, volle Pfütze EBD. 1,218. Luna con cerco, lavajo lleno, estrella en medio, lavajo seco Mond mit Nebelring, volle Pfütze; Stern in der Mitte, trockene Pfütze EBD. II, 324.

233

MOND

2t Port. Cerco de luna, pastor enxuga, se a os tres dias naom emxurra Nebelring um den Mond trocknet den Hirten, wenn es innert drei Tagen nicht schüttet NUNEZ 1,218 3ö (el Portugues). Luna con circo, agua tras no bico Mond mit Nebelkreis führt Wasser im Schnabel mit sich EBD. 11,323 (el Portugues). 31 Engl. And oft also, aftir a dropping mone, The weddir clereth Und das Wetter hellt sich auch oft auf nach einem nebelfeuchten Mond LYDGATE, TEMPLE OF GLAS 394. 32 Dt. Wann der mon ist new So mag sich das wetter uerstossen Wenn der Mond neu ist, kann sich das Wetter ändern QUODLIBET 98.

8. Jeden Monat haben wir zu- und abnehmenden Mond (Neumond) 33 Fr. O« dist generalment, et s'est It vois commune, Que tous les mois del an crotst et descroit li lune Man sagt allgemein, und es ist die herrschende Meinung, dass der Mond 34 alle Monate des Jahres wächst und abnimmt GILLES LI Muisis 1,352. Je me conforte ä ce qu'il me $ouvient Que tous les mois avons nouvelle lune Ich tröste mich bei dem Gedanken, dass wir alle Monate Neumond haben FROISS. (SPEC. 10) 317,325.

9. Bei zunehmendem Mond muss man die Äpfel pflücken 35 Mlat. Lunae cremento discerpere poma memento! Nam cum decrescit, quod dempseris, omne putrescit Bei Zunahme des Mondes denke daran, die Äpfel zu pflücken; 36 denn wenn dieser abnimmt, verfault alles, was du gepflückt hast! WERNER 2 174. Lune cremento decerpere poma memento: Que si decrescit, quod carpitur omne putrescit ... Wenn dieser abnimmt, verfault alles, was gepflückt wird RYLAMDS fo. 11 v,

10.—12. s. Inhaltsübersicht 13, Wie alt der Mond ist, weiss nur sein Schöpfer 37 N l. Die de mane maecte weet wel hoe out si es. — Quam vetus est luna seit cuncta creans deus vna Wer den Mond gemacht hat, weiss wohl, wie alt er ist. — Wie alt der Mond ist, weiss Gott, der alles zusammen erschaffen hat PROV. COMM. 284. 38 Dt. De de mane maket heft weeth ivol wo old se is PROV. COMM. MND. 283.

14, Zu- und abnehmen wie der Mond 5 39 Engl. For lyk the moone ay wexe ye and wane Denn wie der Mond nehmt ihr ständig 40 zu und ab CHAUCER, CLERK'S T. E 998. To wexe and wane sone, As dooth the faire white mone Bald zu- und abnehmen, wie es der schöne, weisse Mond tut CHAUCER, 41 Hous OF FAME 1025. To-day pei wexe and to-rnorue wane, as doth pe mone Heute nehmen sie zu und morgen ab, wie es der Mond tut LYDGATE, TROY BOOK 1,3510. Vgl. oben 10.

15. Den Mond anbellen (wie ein Hund) 6 42 E n g l . Can ye bark att the mone? Kannst du den Mond anbellen? TOWNELEY PLAYS 13,662. — HUND 40,28. Vgl. HUND 7.7.

16. Verschiedenes 43 Fr. Nekedent par tut lust la lune Nichtsdestoweniger leuchtet der Mond überall 44 CHARDRY, PETIT PLET 1257. Oieu gart la lune des loups Gott hüte den Mond vor den

MONSTRANZ

234

4$ Wölfen7 MORAW. 583. Lune et soleil dannent vie aux humains Mond und Sonne geben den Menschen das Leben J. MOLINET 373,16. 46 It. Poco senn' ha chi crede a'tar la luna A discorrer il de! per suo sonare, E molto men chi ne crede portare, Morendo, seco l'or ehe qui raguna Wenig Verstand hat der, welcher glaubt, mit seinem Läuten dem Mond zu helfen, den Himmel zu durchlaufen 8 , und noch viel weniger hat der, welcher glaubt, bei seinem Tod das Gold mit sich zu 47 nehmen, das er hier sammelt Bocc., RIME 1,89,5, Ptü $u sta mona Luna! Höher 48 steht Frau Luna BIBBIENA, CALANDRIA 19 (1,2). Bisogna esser tagliato a buona Luna Es muss bei guter Mondkonstellation geschnitten werden 9 MERBURY 19. 49 Span. Si supiese la muger las virtudes de la rueda (lies mit Ausg. Salamanca 1555,119 v: ruda], buscalla de noche a la luna Wenn die Frau die Kräfte der Weinraute kennen würde, würde sie sie nachts bei Mondlicht suchen NUNEZ 111,389. 50 Dt. Genäde, vrouwe, mich. Der sunnen an ich dich, So schtne mich der mäne Sei mir gnädig, Herrin, die Sonne gönne ich dir, dafür scheine mir der Mond! HEINR. v. VEL51 DEKE (+MF 58,20). Die ane sunnen müezen stn, Den waere endanke des manen schm Diejenigen, die ohne Sonne sein müssen, die wären mit dem Licht des Mondes zufrieden 52. 53 FREIDANK 117,8. Zanemenden Man wil iederman han Zunehmenden Mond will jedermann haben FRANCK II, 85 r. EGENOLFF 85 v.

V.M.

Anmerkungen 1

2 3 4

s 6 7

e 9

Vgl. ZILTENER 11 ff. 31. 33. 35.

Vg!. ZJLTENER 30. 32. 34. Vgt. SINGER, SPRW. D. MA Hl, 68. Nuftez fügt hinzu: De otra manera; cerco del sol moja pastor, que de ia luna ese le ettxuga, Giros dicem ei cerco en ia luna agua en la lagtma Auf andere Weise: „Nebelring um die Sonne macht den Hirten nass, während einer um den Mond ihn trocknet". Andere sagen: „Nebelring um den Mond, Wasser in der Pfütze". Vgl. ZILTENER 36ff.; HASSELL L114; WHITING M647. M650. M 652. M 655. M662. Vgl. WHITING M 654. Vgl. LE Roux, DICT. COMIQUE II, 37a: La Lune est ä convert des hups, eiles est en surete. Ce proverbs vient du Latin, Luna tuta a lupis Der Mond ist geschützt vor den Wölfen, er ist in Sicherheit. Das Sprichwort kommt vom Lateinischen: „Der Mond ist sicher vor den Wölfen". Im La t, ist allerdings nichts Entsprechendes zu finden. Es gibt aber neusprachl. Parallelen: La luna non cura l'abbaiare dei cani Der Mond kümmert sich nicht um das Bellen der Hunde (BATTAGLIA s, v. funa). Derselbe Topos in Bocc., FIAMMETTA 3 S. 73. Vgl. CRUSCA^ IX,510b S 29.

MONSTRANZ / ostensoir / monstrance 1.2 Dt. Es ist ein schon monstrantz, wann nur ein heyltumb drinn were Es ist eine schöne Monstranz, wenn nur eine Reliquie drin wäre 1 FRANCK H, 35 r. EGENOLFF 44 v. E. D. Anmerkung 1 Vgl. WANDER 111,717 s.v. Monstranz 7.

235

MOOSIG

MONTAG / lundi / Monday 1. Montag als massgeblicher Anfang der Woche Fr. Ki a lundi main la uairoit Hn'auroit mal en tonte la semaine Wer sie' am Montag 2 morgen sähe, hätte kein Übel während der ganzen Woche BERNER LHS. 91. Qui la verroit a un lundi matin N'aroit mal la semaine ... während der Woche CHANSON (+ ROMANIA 45,388,14). 3 Dt. Sver an dem maentage gät Da er den fuoz lat, Deme ist al die wochun Deste ungemacher Wer am Montag (an einen Ort) geht, wo er sich versäumt {wörtl.: den FUSS lässt), dem ist die ganze Woche um so weniger wohl 2 MSD 49,1. 2. Verschiedenes 4. 5 S p a n . Del lunes a! martes, pocas son las artes Vom Montag zum Dienstag nützen alle Kunstgriffe nichts (wörtl.: gibt es wenig Kunstgriffe) 3 LOPEZ(?)> REFRANES 191. NUNEZ 1,286. 6 E n g l . Lunaris strena pueris est maxima pena. - A monday-ys hanseil' y$ grete pane to chyddryn' Ein Geschenk am Montag nach Neujahr ist für die Kinder die grösste Plage. - Ein Neujahrsgeschenk arn Montag ist für die Kinder eine grosse Plage RAW L. ENGL. 14.

V.M. Anmerkungen 1 2 J

Gemeint ist die besungene Dame. Weil er dann nicht zu Ende kommt mit seiner Arbeit, Vgl, dazu SBARBI 1,91: Do ay poca tardanza. dene esperarse la cosa con paciencia Wo wenig Zeit vergangen ist, muss man auf die Sache mit Geduld warten.

MONTPELLIER Wenn man einen Fairen nach Montpellier treibt, kommt er doch nur als Stier zurück -» RIND 8, 13

MOOS / mousse / moss Hier auch MOOSIG 1. Rollender Stein setzt kein Moos an —·· STEIN 4. 2. Vereinzelt i Pro v. Car qui sovent sä rauba trossa, Jamais non cuyllera mossa Denn wer sein Kleid oft schürzt, wird nie Moos ansetzen TRAD. D'UN EVANG, APOCR. (+RAYNOUARD IV, 273 b [=RAYNOUARD V, 434 a]).

V. M. MOOSIG s. MOOS

MOPSUS

236

MOPSUS l La t. Mopso Ntsa datur; quid non speremus amantes? Der (dumme) Mopsus erhält die (schöne) Nisa, Worauf sollen wir Liebenden nicht hoffen? VERG., ECL. 8,26. 2.3 Ml at. Mopso Nisa dafür ERASM., ADAG. COLL. 55 v. ERASM., ADAG. CHIL. 2,5,100. 4 Mopso nisa datur. — Narren haben me er glück dan rechtsinnig ... — Narren haben mehr Glück als Verständige HAUER 389 (= NARR 855). V.M.

MORAST s. DRECK MORD / meurtre / murder Hier auch ERSCHLAGEN (einen ändern), MEUCHELMÖRDER, MORDEN, MÖRDER Vgl. TOD 1. Mord kommt an den Tag (1-33). Vgl. DIEB 11.1., DUNKEL 4., ERDE 90, GEWINN 196, LICHT 8.1., LÜGEN 4.1., OFFEN 6.2.-6.3., SCHNEE 6., SPINNEN 4.2.2.1., STUNDE 2.1.1., SÜNDE 92, 96, 101, 453, TAG 2.3.L, 2.3.3., UNRECHT 3., VERBERGEN 2,-3., WISSEN 9.2., ZEIT 3.1.2.6. 2. Mord ruft nach Mord (34-36). Vgl AUGE 19., GLEICH 5., HAUPT 6.1., SCHWERT 13., TOD 7.2.5. 3. Dem Mörder seines Bruders (soll man nicht) trauen (37—38) 4. Der Kampf unwillige wird des Mordes beschuldigt (39—40 j 5. Vereinzelt (4l)

l. Mord kommt an den Tag * 1 Mlat. Quod diu non potest, ut aiunt, latere cedes clandestine Denn heimlicher Mord kann, wie es heisst, nicht lange verborgen bleiben GUALT, MAP., NUG. CUR. 17,13. 2 Nullum latrocinium semper absconditum Kein Mord bleibt ewig verborgen BEB E L, PROV. GERM. 518. 3 Fr. Om ne puet celer tratson Ne murdre, que om ne le sacke Man kann Verrat und 4 Mord nicht verbergen, so dass niemand davon weiss GAUT. D'ARRAS, ILLE 6300. Mais murtres ne puet estre celez Aber Mord kann nicht verborgen bleiben VILLEHARDOUIN 5 § 224. Murtre ne traison ne ce cetera ja Mord und Verrat werden sich nie verheimli6 chen lassen FLORENCE 4821. // n'est nus murtres qui n*apere Es gibt keinen Mord, 7 der nicht offenbar wird GAUT. DE COINCY, MIR. N. D. 1,520. Bien avez oy dire mainte fois et retraire Que trayson et murdre couvient k'en la fin paire Ihr habt wohl oft sagen und erzählen hören, dass Verrat und Mord zum Schluss an den Tag kommen 8 müssen ADENET, BERTE 1664. Murtres ne puet estre cele Mord kann nicht verheim9 licht werden MEON 1,326,256 (= MONTAIGL. VI, 125). Par cest come savoir poez, Que nus murtres n'iert ja celez Durch diese Geschichte könnt ihr wissen, dass kein Mord jemals verborgen bleibt MONTAIGL. VI, 253. Nord. Clam mors illata nequit obcludi similata. — Mordh maa eij delies Heimlich vollführter Mord kann nicht heuchlerisch verborgen werden. — Mord kann nicht verheimlicht werden LÄLE 119.

237

MORD

11 Engl. For-pi men sais pat to pis tide, Is naman pat murtb rnai hide Daher sagt man das bis heute: „Es gibt keinen Menschen, der Mord verheimlichen kann" CURSOR 12-H MUNDI 3083. Mordre wol out Mord will ans Licht CHAUCER, NUN'S PRIEST'S T. 15 B4242. 4247, CHAUCER, PRIORESS'S T. B 1766, Moerdre, which mai noght ben bead 16 Mord, weicher nicht verborgen werden kann GOWER, CONF. AM. 3,1920. Ther' may no man hele murdir, pat it wall out atte last Keiner kann einen Mord verheimlichen, 17 ohne dass er schliesslich an den Tag kommt BERYN 2293. Moordre wil out Übers, wie 18 12 LYDGATE, EDMUND AND FREMUND 2,225. The Lord wil nat, which euery thyng may see, Suffre moordre longe to be secre Der Herr, welcher alles sehen kann, wird nicht dulden, dass Mord lange verborgen bleibt LYDGATE, FALL OF PRINCES 3, 860. 19 Nl. Want moordaet enbleef nie verholen Denn eine Mordtat ist nie verborgen geblie20 ben REINAERT 5914. En was nie ondaet noch moort Si en moeten comen voort Es hat nie eine Untat oder einen Mord gegeben, die nicht ans Licht kommen müssen 2 i ESMOREET 791. Moort en bleef noyt verholen. - Mon manet occultum quod latro facit nee inultum Mord ist nie verborgen geblieben, - Es bleibt nicht verborgen noch ungerächt, was der Mörder begeht PROV. COM M. 516. 22 Dt, Uns ist vor langer zit gesagt Und sint der alten when wort, Daz verholn win kein mort Uns ist vor langer Zeit gesagt worden, und es sind Worte der alten Weisen, 23 dass kein Mord verborgen bleibt ULR. v. Es CHEN B AC H, ALEX. 27206. Wand die mordaer sint des verzigen, Daz es betibe versteigert Denn den Mördern ist es verwehrt, dass 24 es verschwiegen bleibt OTTOKAR 38334, Wann ez ist ain alt gesprochen wort Selten sy verswigen mort Denn es ist ein altes Sprichwort: „Selten bleibt ein Mord verschwiegen" 25 LIEDERSAAL 160,57. Ihr wißt wohl, daß Mord und Verrath nicht lange zu verhehlen 26 sind ELISAB. v. NASSAU, LOHER 176. Es bleibt auch das unbarmherzig Mord nimmer verschwiegen, noch angerochen Es bleibt auch der unbarmherzige Mord nie verschwie27 gen noch ungerächt FÜETRER, CHRON. 111. Mord blyft nycbt vorholen Mord bleibt 28 nicht verborgen PROV. COMM. MND. 501. Wente mord blyft nicht ghern vorholen 29 Denn Mord bleibt nicht gerne verborgen REINKE Vos 5278. Mort en blift nicht vorborgen. — Non occultantur latronum facta cruenta Übers, wie 27. — Die blutigen 30 Taten der Mörder bleiben nicht verborgen TUNNICIUS 740. Wie ein alt Sprichwort ist gesprochen, Mordt und ehbrucb verberg sich nicht Wie man in einem alten Sprichwort 31.32 sagt, Mord und Ehebruch lasse sich nicht verbergen SACHS 11,273,32 (1536). Es bleibt kein mord verscbwigen, Das blüt schreiet zu gott FRANCS 1,53 r. EGENOLFF 33 306(2) r. £5 bleibt kein mord verschwigen FRANCK 1,88 r. Vgl. DIEB 11.1., DUNKEL 4., ERDE 90, GEWINN 196, LICHT 8.1., LÜGEN 4.1., OFFEN 6.2.-6.3., SCHNEE 6., SPINNEN 4.2.2.1., STUNDE 2.1.1., SÜNDE 92, 96, 101, 453, TAG 2.3,1., 2.3.3,, UNRECHT 3., VERBERGEN 2.-3., WISSEN 9.2., ZEIT 3.1.2.6.

2. Mord ruft nach Mord 34 Fr. Meurtre requiert d'autel pain souppe Mord verlangt Vergeltung (wörtl,: eine Tunkschnitte aus gleichem Brot}2 BAL. DE FOUGIERES (1449 {> ALAIN CHARTIER 720]). 15 Engl. For qua pat slas or man or wijf, Par gas na raunsun bot Hue for lijf Denn wenn einer einen Mann oder eine Frau erschlägt, gibt es dafür keine Busse ausser Leben um Leben CURSOR MUNDI 1969.3 36 Dt. Also war mordt mit mordt bezalt SACHS VIII, 599,19 (1558). Vgl. AUGE 19., GLEICH 5., HAUPT 6.1., SCHWERT 13., TOD 7.2,5.

MORDEN

238

3. Dem Mörder seines Bruders (soll man nicht) trauen 37 N o r d . Broöurbana stnom ... Veröit maör sva tryggr, at pesso trui gllo! Dem Mörder seines Bruders: niemand werde so vertrauensselig, dass er dem allem traut HAVAMÄL 38 89. Tryggltga trudi... Sinum broour-bana Vertrauensselig traute er dem Mörder seines Bruders SOLARLJOD 20,4.

4. Der Kampfunwillige wird des Mordes beschuldigt 39 La t. Invidiam caedis, pacts amator, habes Als Liebhaber des Friedens hast du die üble Nachrede des Mordes (auf dich gezogen) OVID., RE.M. AM. 20. 40 M l a t . Arguo te cedis, qui spem non ponis in armis Ich beschuldige dich, der du die Hoffnung nicht auf die Waffen setzest, des Mordes EGBERT., FEC. RAT. 1,464.4

5. Vereinzelt 41 Dt. Denn also sagen alle Bucher: Wer ein Meuchler (Meuchelmörder) ist, der ist verzagt LUTHER, WERKE IV, 368,13 (1541),

V.M. Anmerkungen 1

Vgl. HASSELL M148; WHITING M 806.

2

Zum Ausdruck (faire) d'autel pain soupe (Gleiches mit Gleichem vergelten) vgl. BROT 30.3. Vgt. WHITING D91.M808. Vgl. dazu die Anm. der Ausg.

3 4

MORDEN s. MORD MÖRDER s. MORD MORGEN (Adv.) / demain / tomorrow Hier auch MORGIG 1. Morgen im Gegensatz zu heute 1.1. Alig. — HEUTE 2.1.1. 1.2. Spez. 1.2.1. Heute lebend, morgen tot (1-11). — HEUTE 5-32, 34-52. Vg!. ABEND 1.2.2.1., GELD 404, GESTERN 3, MENSCH 177, SCHÖN 32 1.2.2. Heute blühend, morgen verdorrt -* GRAS 51, S3-54, HEU 29-31, HEUTE 2.1.2.2., STAUB H. Vgi. LEBEN 58 1.2.3. Heute gesund, morgen krank —* HEUTE 2.1.2.3. 1.2.4. Heute reich, morgen arm — HEUTE 56, 2.1.2.4., 78 1.2.5. Heute oben (auf dem Glücksrad), morgen unten — GLÜCK 255, 310-311, 336, HEUTE 56, 2.1.2.5. Vgl. GLÜCK 242 1.2.6. Heute froh (lieb und teuer, Liebe), morgen betrübt (verhasst, Leid) —» EHRE 61, FRAU 77, HEUTE 2.1.2,6., LACHEN 18-19, 2l. Vgi. FREUDE 1.1., HEUTE 89-92, LIEBE 1.6.7.1. 1.2.7. Heute befreundet, morgen verfeindet (11-15}.-* FREUND 212,214 1.2.8. Heute ich (er), morgen du (ich) — HEUTE 2.1,2.8. 2. Morgen als Fortsetzung von heute und gestern 2.1. Es gibt keine Änderung van gestern bis morgen (16 — 17) 2.2. Es wird morgen ebenso schlimm sein wie gestern (18—26)

239

MORGEN (Adv.)

2.3. Es wird von heute auf morgen allmählich schlimmer (27-28). — GESTERN 9. Vgi, JAHR 2.3., JETZT 6, SCHLECHT 2.1.1.2., TAG 6.4.1., WELT 1.3., ZEIT 2.2. 2.4. Was heute nicht geschieht, geschieht morgen noch weniger —» HEUTE 2.2.1. 3, Morgen als Ungewisse Zukunft 3.1. Altg. (29-31), -> HEUTE 122-123, 125. Vg!. ABEND 1.1., C-EWISS 2.4., GLÜCK 2.1., HEUTE 124, LEBEN 1.3.1., TOD 3.5.2., WISSEN 7.2.1. Ähnlich (32) 3.2. Spez. 3.2.1. Es gibt kein Morgen (33-37). - GESTERN 33-34, 36-37. Vgl. GESTERN 35, HEUTE 121 3.2.2. Keiner wdss, ob er morgen noch lebt (38-39;. Vgl. LEBEN 1.3.2.1., TOD 3.5.1., WELT 2.1.2.4., WISSEN 7.1.1. 3.2.3. Keiner soll sich um das Morgen kümmern (40-S S). Vgl. ESSEN 91, GEBEN 449, 457458, VERSCHWENDEN 3.5. 3.2.4. Was man für morgen aufspart, ist für die Katze (56-57). Vgl. unten 5.1., AUFSCHUB 2.1.1., HEUTE 3,3., WARTEN 3.2,1. 3.2.5. Jeder soll so leben, wie wenn er morgen sterben würde -> TOD 1064-1065, 1067-1069, 1071, 1082, 1084-1085, W89 4, Morgen als erfolgversprechender Tag 4.1. Morgen ist auch ein Tag {58-62) 4.2. Morgen kommt Rat (63-65), Vgl. KISSEN 2.1., NACHT 1.3., SCHLAFEN 18.3., TAG 6.1.6., ZEIT 3.1.2.2. 4.3. Was heute nicht ist, kann (soll) morgen sein (66-75). — HOFFEN 61, 69. Vgl. HEUTE 2.2.1. 5, „Morgen" als faule Ausrede 5.1. Allg. (76-86). - AUFSCHUB 31 -32,34-35, WARTEN 80, 84-85. Vgl. oben 3.2.4., AUFSCHUB 2.1.1., HEUTE 3.3., WARTEN 3.2.1. 5.2. Spez. 5.2.1. „Morgen, morgen" ist der Ruf der Krähe (87-97). — FROSCH 7.1. 5.2.2. Den Freund vertröste man nicht auf morgen —* FREUND 3.9.2. 5.2.3. Gabe, die auf morgen verschoben wird, ist keine Gabe —* GEBEN 303, ZAHLEN 78. Vgl. GEBEN 339 1. Morgen im Gegensatz zu heute 1.1. Allg. — HEUTE 2.1.1. 1.2. Spez.

1.2.1. Heute lebend, morgen tot 1 J 2 3 4

Bibl. Comedamus, et bibamus: eras enim moriemur Lasst uns essen und trinken, denn morgen werden wir sterben VULG., Is. 22,13. Last vns essen vnd trincken, Wir sterben doch morgen LUTHERBIBEL, JES, 22,13. „Manducemus et bibamus, eras enim moriemur" Übers, wie l VULG., I COR. 15,32. Lasset vns essen vnd trincken, Denn morgen sind wir tod LUTHERBIBEL, EBD.

j M l a t . Manducemus et bibamus eras enim moriemur Übers, wie l NOTKER, PS. 70,7 6 (11,277,17}. S: Manducemus et bibamus: eras moriemur. — M: Sie moritur famelicus sicut refertus Salomon: „Lasst uns essen und trinken, morgen werden wir sterben!" — Markotf: „So stirbt der Hungrige wie der Satte" SAL. ET MARC. 94. 7 Fr, Tex est sains qui demain morra, Tex r it et joue qui plor(e)ra Manch einer ist gesund, der morgen sterben wird. Manch einer lacht und spielt, der weinen wird EN8 SEIGNEMENT MORAL (3. Viert. 13.Jh. [>ROMANIA 6,37,97]} (= LACHEN 15). Tels est ore joians et mainne chiere lie, Qui ne verra demain en sante la compile Manch

MORGEN (Adv.)

240

einer ist jetzt froh und zeigt ein freudiges Gesicht und wird doch morgen nicht in 9 Gesundheit den Abend erblicken BASTARS DE BUILLON 4091. Tel est foyeux quant U se couche Qu'on porte l'endemain en terre Manch einer ist freudig gestimmt, wenn er zu Bett geht, und wird morgen beerdigt G. ALEXIS 1,111,727 (Faintes). W Span. Alegrias antmefo, que manana seras ceniza (Feire) freudig Fastnacht, denn morgen wirst du Asche sein! NUNEZ 1,58. 11 NI. Ic sä! dnnken sonder sorghe. Levic nu, tc sterve morghen Ich will trinken ohne Sorgen; jetzt lebe ich, morgen sterbe ich DRIE DACHE HERE 27. -> HEUTE 5-32, 34-52. Vgl. ABEND 1.2.2.1., GELD 404, GESTERN 3, MENSCH 177, SCHÖN 32

1.2,2.—1.2,6. s. Inhaltsübersicht 1.2.7. Heute befreundet, morgen verfeindet 12 M l a t . Qui hodie tecum sunt, Cras contrarian possunt Et e converso: saepe ut aura vertuntur Die heute mit dir sind, können morgen gegen dich sein und umgekehrt. Oft 3 ändern sie sich wie das Weuer THOMAS KEMP.(?), IMIT. CHR. 2,1,37. Qui non est hodie, est forsitan eras inimicus Wer es nicht heute ist, ist vielleicht morgen ein Feind BERTALOT 96. 14 Dt. De hüte myt dy is, de mach morgen yegen dy syn; unde wedder umme we hüte yeghen dy ys, de mach morgen myt dy syn. De lüde vorwandelen sik dike so dat weedere Wer heute mit dir ist, kann morgen gegen dich sein; und umgekehrt: Wer heute gegen dich ist, kann morgen mit dir sein. Die Leute wandeln sich oft wie das Wetter j.i MND. IM. 2,3. N« leef, nu leet; nu vrent, morghen viant Bald lieb, bald verhasst; jetzt Freund, morgen Feind VEGHE 10,23. — FREUND 212,214

1.2.8. s. Inhaltsübersicht 2. Morgen als Fortsetzung von heute und gestern 2.1. Es gibt keine Änderung von gestern bis morgen 16 Mlat. Cras hodieque sumus, quod fueramus heri Morgen und heute sind wir, was 17 wir gestern gewesen sind NIVARD., YSENGR. l, 548. Heri, inquit, comedi pisa et olera, hodie olera et pisa; eras autem cornedam pisa cum oleribus, postcras olera cum pisis „Gestern", sagte er, „ass ich Erbsen und Kohl, heute Kohl und Erbsen; morgen aber werde ich Erbsen mit Kohl essen, übermorgen Kohl mit Erbsen" HEUNANT S, XX.

2.2. Es wird morgen ebenso schlimm sein wie gestern 18-22 M l a t . Rumor de veteri faciet (ROLAND. PATAV., CHRON.: faciet et) Ventura timeri. Cras poterunt fieri turpia sicut heri Die Rede über Vergangenes wird bewirken, dass man sich (auch) vor dem Kommenden fürchtet. Morgen wird wohl ebenso Schändliches geschehen können wie gestern IOH. SARESB., ER 322 (373 B). ROLAND. PATAV,, CHRON. 23 praef. S. 36,18. CARM. BUR. 101,18. FLOR. GOTTJNG. 134. WERNER 2 r 77. Cras pote24 runt fieri turpia sicut heri WRIGHT, POL. SONGS 32 {12. Jh.). Rumor de veteri faciet Ventura fimeri; Cras poteris fieri perfida sicut heri Die Rede über Vergangenes wird bewirken, dass man sich vor dem Kommenden fürchtet. Morgen wirst du (ebenso) 25 treulos sein können wie gestern2 ALBERT. STAD., TROILUS 6,751. Cras poterunt fieri pessima, sicut heri Morgen wird ganz Schlimmes geschehen können wie gestern WER26 NER c 115. De culpa veteri debent peccata timeri; Cras possent fieri turpia sicut heri Von der alten Schuld her muss man sich vor den (neuen) Sünden fürchten. Morgen könnte Schändliches geschehen wie gestern WERNER 2 d26.

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MORGEN (Adv.)

2.3. Es wird von heute auf morgen allm hlich schlimmer 27 f r . Chascun jour H mondes empire; Hui est mauves et demain pire Jeden Tag wird die Welt schlimmer. Heute ist sie schlecht und morgen schlechter HERB,, DOLOP. 5 (-WELT 45). 28 Prov. Huey mal e pietz deman Heute schlimm und morgen noch schlimmer Gm. RIQUIER 78,59 (*MAHN IV, 158}. -> GESTERN 9. Vgl, JAHR 2,3., JETZT 6, SCHLECHT 2.1.1.2., TAG 6.4.1., WELT 1.3.. ZEIT 2.2. 2.4. s. Inhalts bersicht

3. Morgen als Ungewisse Zukunft

3.1. Allg. 29 Gr. "Ανθρωπος έών μη ποτέ φάσης, τι γενήσεται αύριον Da du ein Mensch bist, sage nie, was morgen sein wird! SIMON. 20. 30 M l a t. Crastina sit, nescis, quid paritura dies Du weisst nicht, was der morgige Tag bringen wird ALBERT. STAD., TROILUS 3,106. 31 It. Quant' e bella giovinezza, Che si fugge tuttavia! Cbi vuol esser lieto, sia: Di doman nan c' e certezza Wie sch n ist die Jugend, die doch dahinflieht! Wer froh sein will, sei es (jetzt), ber das Morgen gibt es keine Sicherheit LORENZO DE' MEDICI H, 249 (Canti carnasc. 7) ( = JUNG4). — HEUTE 122-123, 125. Vgl. ABEND 1.1., GEWISS 2.4., GL CK 2.1., HEUTE 124, LEBEN 1.3.1., TOD 3.5.2., WISSEN 7.2.1, hnlich: 32 Dt. Dann man spricht: Du so/ί dich des mornigen tags nit g den; dann du weist nit, was dir h t zufallen mag Denn man sagt: „Du sollst dich des morgigen Tages nicht freuen; denn du weisst nicht, was dir heute noch zustossen kann" ANT. v. PFORR, BEISPIELE D. ALT. WEISEN 131,11.

3.2. Spez. 3.2.1. Es gibt kein Morgen 33 Fr, Ertsi n'avons demain, ne hier. Dont n'avons nous dou temps for s h re So haben wir kein Morgen noch ein Gestern. Darum haben wir keine Zeit ausser dem Jetzt 34 GILLES LI MUISIS 1,10. Nous avon$ hier, huy sans demain; Autre cose n'avons en main Wir haben (nur) ein Gestern und ein Heute ohne ein Morgen. Etwas anderes 35 haben wir nicht in der Hand EBD. Nul n'est qui ait point de demain Es gibt nieman36 den, der auch nur das Geringste von einem Morgen hat J. MIELOT 213. Riens n'est 37 qui ait point de demain Es gibt nichts, das ... EBD. 289. Len n'a nul demain Man hat kein Morgen MORAW, 1477. —· GESTERN 33-34,36-37. Vgl. GESTERN 35, HEUTE 121

3.2.2. Keiner weiss, ob er morgen noch lebt 38 P r o v . Tals se fi' en l'endema Que ges no sap, s'il se veyra Manch einer verl sst sich auf das Morgen und weiss doch berhaupt nicht, ob er es sehen wird PISTOLETA 8,25. 39 Dt. Wan lebest du hiute, du enweist niht ob du morne lebest Denn wenn du heute lebst, weisst du nicht, ob du morgen {auch noch) leben wirst BERTHOLD 1,7,37. Vgl. LEBEN 1.3.2.1., TOD 3.5.1., WELT 2.1.2.4., WISSEN 7.1.1.

MORGEN (Adv.)

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3.2.3. Keiner soll sich um das Morgen kümmern 40 Bibl. Nolite ergo sollicitt esse in crastinum, Crastinus enitn dies sollicitus erit sibi 41 ipsi; suffidt diet malitia sua VULG., MATTH. 6,34 (= TAG 167), Darumb sorget nicht für den ändern morgen, Denn der morgend tag wird für das seine sorgen. Es ist gnug, das ein jglicber tag sein eigen Plage habe LUTHERBIBEL, EBD. (- TAG 168}. 42 La t. Quid sit futurum eras, fuge quaerere Meide zu fragen, was morgen sein wird! 43 HÖR., CARM. 1,9,13. Pone merum et talos; pereat qui crastina curat Stell Wein und Würfel auf! Des Todes soll sein, wer sich um das Morgen kümmert Co PA 37. 44 Mlat. Noli sollicitus fieri pro luce futura Sei nicht besorgt um den morgigen Tag! 45. 46 NIVARD., YsENGR. 1,453. Pone merum et talos, pereat, qui crastina curat Übers, wie 47 43 CARM. BUR. 201,3. WRIGHT, POL. SONGS 34. Irrationales scurre sum iure sodalis, Qui bibit et iurat: pereat, qui crastina curat! Ich bin mit Recht Genösse des unvernünftigen Lebemannes, der trinkt und schwört: „Des Todes soll sein, wer sich um das Morgen 48 kümmert!" BASL. KLER, 45,18. Cum deus omnia dat, pereat, qui crastina curat! Da 49 Gott alles gibt, soll des Todes sein ,.. WERNER 2 c 177. Rite beneficium presens approbamus, Quoniam de crastino nunquam cogitamus Mit Recht billigen wir die Wohltat des Augenblicks; denn wir denken nie an das Morgen VAGANTENLIED (»ZpoPH 51,117,2). 50 Engi. De crastino non cogitare, pcet se Codes man ne sceolde be pan morgendxge faencean Denke nicht an das Morgen; denn der Mann Gottes sollte nicht an den morgigen Tag denken! BLICKL. HOM. 213. 51 Nl. En syt dan nit sorgende om den margen, want de mar gen sal sorgen vor hem selven, Elken daghe es gnoch syns selves sorge Kümmert euch also nicht um das Morgen; denn das Morgen wird für sich selbst sorgen! Jeder Tag hat genug an seiner eigenen Sorge MNL. GEISTL, PROSA 4,46 (Leben Jesu). 52 Dt. Da Crist zu sinen jüngeren seit Alsus: ,ir suit niht sorgen Umbe den tac morgen' Wo Christus zu seinen Jüngern folgendermassen spricht: „Ihr sollt euch nicht sorgen 53. 54 um den morgigen Tag" VÄTERBUCH 376. Christus sagt im Evangelio also: Yhr solt nicht sorgen für den morgen tage, denn ein yglicher tage bringt sein übel mit sich 55 AGRICOLA Nr. 91 {= TAG 171}. EGENOLFF 71 v (= TAG 172). Spricht (seil Christus): Ir solt gar nicht sorgen Umb den künfftigen morgen Er (Christus) spricht: „Ihr sollt euch gar nicht sorgen um den morgigen Tag (wörtl.: künftigen Morgen)" SACHS IV, 139,36 (1537). Vgl. ESSEN 9J, GEBEN 449, 457-458, VERSCHWENDEN 3.5.

3.2.4. Was man für morgen aufspart, ist für die Katze 56 M I a t . Quod eras seruatur de catta furatur Was für morgen aufgespart wird, wird 57 von der Katze gestohlen Z FD A 22,422 (11. Jh.). Quod eras servatur, a catta saepe voratur ... wird oft von der Katze gefressen WERNER 2 q 197. Vgl. unten 5.1., AUFSCHUB 2.1.1., HEUTE 3.3., WARTEN 3,2.1.

3.2.5. s. Inhaltsübersicht 4. Morgen als erfolgversprechender Tag 4.1. Morgen ist auch ein Tag 58 Ml at. „Diem hodie et diem eras" dicit bös qui leporem sequitur „Heute ein Tag und morgen ein Tag", sagt das Rind, welches den Hasen verfolgt SAL, ET MARC. 140 b. 59 It. „Hozi e doman", dtze el bo ehe seguita el levre „Heute und morgen", sagt das Rind, weiches den Hasen verfolgt SAL. E MARC. 32.

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MORGEN (Adv.)

60 Nl. Nu huden nu morgen seyt den os die den k se iaecht „Jetzt heute, jetzt morgen", sagt das Rind, das den Hasen jagt SAL. ENDE MARC. 15. 61. 62 Dt. Heut und morgen auch ein tag AGRICOLA Nr. 90. EGENOLFF 70 v.

4.2. Morgen kommt Rat 63 Dt, Morgen kompt auch tag vnd rad (Rat) LUTHER, WA BIBEL X.2,114 (1524 [Fred. 64. 65 3,22 Randgl.]). Morgen kompt tag und radt AGRICOLA Nr. 91. EGENOLFF 71 r. Vgl. KISSEN 2.1., NACHT 1.3., SCHLAFEN 18.3., TAG 6.1.6., ZEIT 3.1.2.2,

4.3. Was heute nicht ist, kann (soll) morgen sein 66 Gr. Τάχ' αύριον έσσετ' αμεινον Morgen wird es vielleicht besser sein THEOKR. 4,41. 67 La t. Quod hodie non est, eras erit Was heute nicht ist, wird morgen sein PETRONIUS 45,2. 68 It. Quel, ehe non e ozi, sera domane bers, wie 67 NICCOL DEL Rosso 74 (*So69 NETTI MAS s ERA 234). Quello ehe non st far a oggi, si far domani Was heute nicht getan wird, wird morgen geschehen MACHIAV., CLIZIA 165. 70 Nl. Dat huden misset, dat raket morghen Was heute nicht ger t, das ger t morgen POTTER, MINNENLOEP 1,467, 71 Dt, Swes man hiute niht getuot, Daz tuo man aber morgen Was man heute nicht tut, 72 das tue man doch morgen OTTO KAR 51116. Wes ich hiute niht kau, daz lerne ich 73 morgen Was ich heute nicht kann ... OSWALD (M NCHEN) 1054. V lt es mir heut es trifft leicht morn Schl gt es mir heute fehl, so erreicht es vielleicht morgen das Ziel 74. 75 WITTENWILER, RING 1760. Darumb ob es yhm gleich heut nit geradt, so kan es doch morgen geradten Wenn es ihm darum auch heute nicht gelingt, so kann es doch morgen gelingen AGRICOLA Nr. 31. EGENOLFF 28 v. -^ HOFFEN 61, 69. Vgl. HEUTE 2.2.1.

76 77 78

79 80 J 82

5. „Morgen" als faule Ausrede 5.1. Allg. Mlat. ,Cras! eras! eras!' dicit reprohus, ,de crimine surgo', Donee eras! eras', eras! nox sibi claudit iter „Morgen, morgen, morgen werde ich mich vom Verbrechen losmachen!" sagt der Verworfene, bis ihm die (ewige} Nacht den Weg zum „Morgen, morgen, morgen!" versperrt WERNER 2 c 125. }Cras!' semper clamat, qui bona carnis amat „Morgen!" schreit immer, wer die leiblichen Gen sse liebt EBD. c 126. Noti per ,cras, eras' differre tuas, rogo, metas! Nam per ,cras, eras, eras' omnis consumitur aetas Verschiebe, bitte, das, was du dir zum Ziel gesetzt hast, nicht mit einem „Morgen, morgen!" Denn mit dem „Morgen, morgen, morgen!" verstreicht die ganze Lebenszeit EBD. n 99. Lt. „Doman farof" dice quel ehe non ha volunta de far el servitio „Morgen werde ich es tun", sagt derjenige, welcher nicht willens ist, den Dienst zu leisten SAL. E MARC. 21. Span. Lo que has de hacer, no digas eras, pon la mano y haz Wenn du etwas zu tun hast, sage nicht: „Morgen!", sondern lege Hand an und tue es! NUNEZ 11,308. Dt. Er sprichet alle tage ,morgen\ Wan er wil daz er mit sorgen Koufe swaz er im git Er sagt jeden Tag: „Morgen!", denn er will, dass einer nur um den Preis von Sorgen erhalte, was er ihm gibt THOM. v. ZIRCLARIA 14429. Ein wort hat mir geschadet vil: „bette unz{e] morne." „Ze hant" unde „hiute" daz ist guot: diu morne vrist diu mak mir misseraten Ein Wort hat mir sehr geschadet: „Warte bis morgen!" „Sogleich" und „Heute", das ist gut. Der Aufschub auf morgen kann mir fehlgehen MEISSNER 10,6

MORGEN (Adv.)

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83 (+MSH HI, 100 a) (= HEUTE 327). So schrtget der tiuvel: ,bite unz morgen!' So 84 schreit der Teufel: „Warte bis morgen!" BERTHOLD 1,423,6, Dar durch synt narren vil verlorn Die allzyt süngen, morn, morn, morn Dadurch sind viele Narren zugrunde gegangen, die stets gesungen haben: „Morgen, morgen, morgen!" BRANT, NARRENS85 CHIFF 31,9. Bycbten ist besser morn, dann but Morn went wir erst recht leren tun Als spricht mancher verlorner sün „Beichten ist besser morgen als heute. Morgen wollen wir erst lernen, das Rechte zu tun", so spricht mancher verlerne Sohn EBD. 31,16. 86 Morgen morgen etc. LUTHER, WA BIBEL X. 2, 81 (1545 [Spr. 24, 33 Randgl.]). -* AUFSCHUB 31-32, 34-35, WARTEN SO, 84-85. Vgl. oben 3.2.4., AUFSCHUB 2.1.1., HEUTE 3.3., WARTEN 3.2.1.

5.2. Spez. 5.2.1. „Morgen, morgen" ist der Ruf der Krähe 87 La t. Sunt enim qui praeparant conversionem, et differunt, et fit in illis vox eorvina, Cras, eras Denn es gib: solche, die sich auf die Bekehrung vorbereiten und sie (dann) verschieben, und bei diesen erklingt der Rabenschrei: „Morgen, morgen!" AUGUSTIN., PSALM. 102,16 (1330). 88 M l a t . Cras, eras, vox corvina est „Morgen, morgen" ist der Schrei der Krähe PETR, BLES., EP. 51 (1,157). 89 Fr. Com cante li corbeals: eras, eras, demain, demain Wie die Krähe schreit: „Cras, 90 eras! Morgen, morgen!" ANGLONORM. PREDIGT (A. 13. Jh. [-»LECOY 174]). Et cr'ient com corbiel „eras! eras!" Und sie schreien wie die Krähen: „Morgen, morgen!" HYST. JOB 425. 91 It. Facendo come corvo, ehe dice era era. Cos! e' perditori del tempo sempre dicono: domane farö In der Art der Krähe, welche „era, era" ruft. So sagen auch die Zeit Verschwender immer: „Ich werde es morgen tun" CATERINA, LETTERE 11,125, 92 Span. So« parientas del euer f o, de eras en eras andaban Sie seien der Krähe verwandt: Von morgen auf morgen verschöben sie (Gumbrecht) ARCIPRESTE 1256. 93 Engl. Nu gyfpu cwetst, „Cras, Cras", pcet is pees hrcsfenes stefne Wenn du nun sagst: 94 „Morgen, morgen", dann ist das der Krähe Ruf EARLY HOM. 103,30. The maner off the Rauenys song, Wych by delay (thys the cas) Ys wont to synge ay ,craas, craas' Die Art des Rabengesanges, welcher um des Aufschubs willen - dies ist der Fall — immer „Morgen, morgen" zu singen pflegt LYDGATE, PILGR. LIFE 13810.3 95 Dt. 5ö sehnet der unsaelige rappe; ,cras, eras' So schreit der unglückselige Rabe 96 „Morgen, morgen" BERTHOLD 1,423,15. Wer singt Cras Cras glich wie eyn rapp Der blibt eyn narr bisz jnn syn grapp Wer „Morgen, morgen" singr wie ein Rabe, der bleibt 97 ein Narr bis in sein Grab BRANT, NARRENSCHIFF 31 Motto. Vnd singt Cras, Cras, des rappen gsang Vnd weiszt nit ob er leb so lang Und singt „Morgen, morgen", den Gesang des Raben, und weiss nicht, ob er so lange lebt EBD. 31,7. -»FROSCH 7.1.

5.2.2.-5.2.3. s. Inhaltsübersicht

V.M. Anmerkungen 1 2 3

Vgl. HASSELL H76; WHITING T 351. Angeredet ist Helena, die Frau von Menclaos. Vgl. WHITING R47.

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MORGEN (Subst.)

MORGEN (Subst.) / matin / morning Hier auch FRÜHMORGENS, MORGENROT, MORGENRÖTE 1. Morgen als Stunde der Wahrheit 1.1. Der Morgen bringt es an den Tag — OFFEN 15, WISSEN 176. Vgl. TAG 2.3.3. 1.2. Der Morgen bringt dem Wirt das verdiente Lob — ABEND 34, 36-37, 42, 44, 46-47, SO. Vgl. SCHEIDEN 45 1.3. Der Morgen bringt die Widerlegung der Abend- und Nachtrede —* ABEND 2.1., NACHT 3.2.2., VERSPRECHEN 10. Vgl. WAHR 61 1.4. Der Morgen bringt den Katzenjammer — NACHT 48, TRINKEN 242 1.5. Der Morgen bringt die Sorgen zum Bewusstsein (1-2). Vgl. BLIND 3-4, WACHEN 3.3, 2. Morgen als massgeblicher Anfang des Tages 2.1. Der gute Tag beginnt am Morgen (3-6). Vgl. ABEND 1.4., ERKENNEN 13.2.-l3.3., TAG 6.2.1. 2.2. Der Morgen wirkt sich auf den Tag aus (7). —· GARTEN 7-8 2.3. Der Montagmorgen wirkt sich auf die Woche aus —» MONTAG 1—2 2.4. Der Morgen des Königs wirkt sich auf das Volk aus — KIND 508, KÖNIG 9 3. Morgen als richtiger Zeitpunkt zum Handeln 3.1. Morgenstunde hat Gold im Munde (8—10) 3.2. Morgen werk warte nicht bis zum Abend -» WARTEN 79-S3, 85-86 3.3. Der Morgen darf nicht verschlafen werden (11-13). Vgl. AUFSTEHEN 1.5., FUCHS 153 4. Morgen als Aufbruch ins Unbekannte 4.1. Allg. (14) 4.2. Spez. 4.2.1. Vom Morgen bis zum Abend ändert sich viel —* ABEND 1.2,1. 4.2.2. Was am Morgen blüht, ist am Abend welk — GRAS 49-50, MENSCH 189, SCHÖN 33 4.2.3. Wer am Morgen lacht, weint am Abend — LACHEN 2,1.2.3. Vgl. ABEND i5. Umkehrung (IS) 4.2.4. Verschiedenes (l 6-17) 5. Morgen im Hinblick auf den Abend 5.1, Für den Feierabend tässt sich am Morgen leicht fasten —* FASTEN i S, 20 5.2, Ein Abend ist einem lieber als viele Morgen —· ABEND 3.5. 6. Wetterregeln anhand der Morgen Witterung 6.1. Morgenröte bringt schlechtes Wetter (18-27).^· ABEND 85-86, 88-91, 93. Vgl. DUNKEL 3,, LATEIN 2, NEBEL 3., SONNE 11.1,, UNWETTER 3., WARM 3.5., WETTER 2.1. 6.2. Morgenröte bringt schönes Wetter (28—29) 6.3. Morgenregen ist nicht von Dauer (30—32) 6.4. Trüber Morgen hat oft klaren Tag (Abend) zur Folge (33-37). Vgf. DUNKEL 2., HEUTE 2.1.2.9., NACHT 2.1., NEBEL 3., REGEN 2.1.-2.2., TAG 7.1., TROCKEN 1.-2., UNWETTER 2., WETTER 2.2., WOLKE 4. 7. Lebensregeln für den Morgen 7.1. Am Morgen auf den Berg steigen (38—40) 7.2. Am Morgen (weissen) Wein trinken — TRINKEN 3.7., WEIN 371 7.3. Am Morgen für den ganzen Tag essen —· ESSEN 192. Vgt. ESSEN 7.2. 8. Guter und schlechter Morgen 8.1. Wer einen guten Nachbarn hat, hat einen guten Morgen —» NACHBAR 1.4. 8.2. Wer einen bösen Nachbarn hat, hat einen schlechten Morgen —· NACHBAR 2.4.1. 9. Vereinzelt (4l)

MORGEN (Subst.)

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1. Morgen als Stunde der Wahrheit 1.1. —1.4. S.Inhaltsübersicht 1.5. Der Morgen bringt die Sorgen zum Bewusstsein 1 N o r d . Ar um morgin manna bolva Sutir bveriar sorg um kveykva! Früh am Morgen erwecken alle Sorgen über das Unglück der Menschen den Kummer HAMDISMÄL 1,5. 2 Dt. Mich grüezent iemer sorgen Zem ersten an dem morgen Mich grüssen immer zuerst am Morgen Sorgen FREIDANK 58,23. Vgl. BLIND 3-4, WACHEN 3.3. 2. Morgen als massgeblicher Anfang des Tages 2.1. Der gute Tag beginnt am Morgen 3 It. E buon dt si conosce da mattina Und den guten Tag erkennt man am Morgen 4 CASTELLANO, PRODIGO (+RAPPR. 1,360}. Si conosce e vede El buon dt da mattina Den guten Tag erkennt und sieht man am Morgen ABRAMO E AGAR {*RAPPR. 1,2). 5 Da! mattino si conosce il buon giorno Am Morgen erkennt man den guten Tag MER6 BURY 12. II buon dt si comincia da mattina, E se il principio e buono Suole spesso anche il fin poi buon seguire Der gute Tag beginnt am Morgen, und wenn der Anfang gut ist, pflegt dann auch oft das Ende gut zu erfolgen STROZZI L., COMM. IN VERSI 291 (= ANFANG J 03}. Vgl. ABEND 1.4., ERKENNEN 13.2.-l3.3., TAG 6.2.1. 2.2. Der Morgen wirkt sich auf den Tag aus 7 Fr. Qui par matin prent la colee tonte jor la porte Wer am Morgen den Schlag empfängt, leidet den ganzen Tag darunter MORAW. 2063. ^GARTEN 7-8 2.3.-2.4. s. Inhaltsübersicht 3. Morgen als richtiger Zeitpunkt zum Handeln 3.1. Morgenstunde hat Gold im Munde 1 s Mla t, Aurora consurgens, quae dicitur aurea hora Die aufsteigende Morgenröte, welche die goldene Stunde genannt wird AURORA CONSURG. (13. Jh. [+MLAT. WB. 1,1261,59]). 9 Fr. // nest lumiere que du matin, ni manger qua bone fayn Es gibt kein Licht ausser dem des Morgens und kein Essen, ausser wenn man richtigen Hunger hat NUNEZ II, 224 {el Frances). 10 Pro v. Es aurora apelada, quar es aurea bora Sie heisst Morgenröte, weil es die goldene Stunde ist ELUC. DE LAS PROPR. (-»RAYNÖUARD II, 147a). 3.2. s. Inhaltsübersicht 3.3. Der Morgen darf nicht verschlafen werden Ji Nord. Märt um dvelr, pann er um morgin s0fr, Hai fr er auör und hvotom Vieles versäumt der, der den Morgen verschläft. Halb ist der Reichtum in der Hand des Schnellen HÄVAMÄL 59,4. 12. 13 Dt. Ich haß die den schiafftrunck zu morgens thun FRANCK II, 84 r. EGENOLFF 85 r. Vgl. AUFSTEHEN 1.5., FUCHS 153

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MORGEN (Subst.)

4. Morgen als Aufbruch ins Unbekannte 4.1. Allg. 14 Eng L Ofte springepfre brijth morowe, Many to blisse, many to sorowe Oft bricht der sonnige Morgen, manchem zur Freude, manchem zum Leid, an ALISAUNDER B 1239. 4.2. Spez. 4.2.1.-4.2.2. s. Inhaltsübersicht 4.23. Wer am Morgen Jacht, weint am Abend -» LACHEN 2.1.2.3. Vgl ABEND 15 Umkehrung; 15 Dt. Den morgen sorget mennegltch, So ist der abent fröuden rieh Ist am Morgen männiglich in Sorgen, so ist der Abend reich an Freuden FREIDANK 58,25. 4.2.4. Verschiedenes 16 Fr. Teus au main sue ... qui a viespre a froit Manch einer schwitzt am Morgen, dem am Abend kalt ist COUR. REN. 1288. 17 Span. Tal es rico a la manana que a las viespras non ha nada Manch einer ist am Morgen reich, der am Abend nichts mehr hat KARL UND SIBILLE 366 (vgl. HEUTE 2.1.2.4.). 5. s. Inhaltsübersicht

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19 20

21 22 23 24 25 26 27

6. Wetterregeln anhand der Morgenwitterung 6.1. Morgenröte bringt schlechtes Wetter M l a t . Si rubeat, sincerum, $i palleat tempestuosum coelum, si mane ruhet, tempestuosum significat diem Wenn es (am Abend) rot ist, ist die Atmosphäre rein, wenn es fahl ist, ist sie gewitterhaft. Wenn es am Morgen rot ist, kündigt dies einen stürmischen Tag an WRIGHT, REL. AMT. 1,15 (1. H. 11. Jh.). Fr. Qui voit le solel Au matin vermel, Si atende pluie, Ce dist Salemons „Wer die Sonne am Morgen rot sieht, erwarte Regen", sagt Salomon MARC. ET SAL. (*MEON 1,420,27). Li roge matin et It consail feminin sunt pas a croire. — Non amo mane rubens, vxoris nee documentum; Mane notat pluuiam, mibi suggerit hoc mala centum Dem Morgenrot und dem weiblichen Rat ist nicht zu trauen. — Ich liebe nicht die Morgenröte und den Rat der Frau. Morgenröte kündigt Regen an, dieser bringt mir hundert Übel ZACHER 231 ( = MORAW. 1112). De rouge matinee lede vespree Roter Morgen — trüber Abend CAMBR. SAMML. (+LEROUX 11,475 [= MORAW. 552]). Pro v. Que non fassas lo bei matt, Que tramet el miez luec del jorn La plueja el vent el temps morn Dass ihr nicht wie der schöne Morgen tut, welcher mitten in den Tag den Regen und den Wind und das trübe Wetter schickt COUR D'AM. 1224. S p a n , Arreboles a todos cabos, tiempo do los tiempos Morgenröte an allen Enden, Wetter aller Wetter NUNEZ 1,122. Arreboles al Oriente, agua amanesciente Morgenröte im Osten, Regen bei Tagesanbruch EBD. Aurora rubia, o vtento o pluvia Roter Morgen, entweder Wind oder Regen EBD. 1,145. Arreboles de la manana, a la noche son con agua: arreboles de la noche, a la manana son con sole Morgenröte ist am Abend mit Regen (verbunden), Abendröte am Morgen mit Sonne HALLER 291. E n g l . The sbynyng morwe hath ofte a stormy eve Der leuchtende Morgen hat oft stürmischen Abend BURGH, CATO 279 (+ FÖRSTER, ANGLIA 42 205). —· ABEND 85-86, 88-91, 93. Vgl. DUNKEL 3., LATEIN 2, NEBEL 3., SONNE 11.1., UNWETTER 3., WARM 3.5., WETTER 2.1.

MORGEN (Subst.)

248

6.2. Morgenröte bringt schönes Wetter 28 M l a t . Quast aurora valde rutilans claram auram sequentem designans Wie die glänzende Morgenröte, die anzeigt, dass klares Wetter folgt IOH. HILDESH., HIST. TRIUM REG. I S . 211.

29 E n g l . A shynyng morowetyde bitokeneth a cleer wbeder foloiuing Eine leuchtende Morgenwitterung bedeutet, dass klares Wetter folgt KINGS OF COLOGNE 2,22.

6.3. Morgenregen ist nicht von Dauer 30 Mlat. Non mttltum metuas matutinum bospitem et ymbretn Fürchte den Morgengast und den Morgenregen nicht besonders!2 EGBERT., FEC. RAT. 1,263. .11 Fr. Pluose matinee ne tot iornee. — Dum pluit expletam non reddit tnane dtetam Regen am Morgen, nicht den ganzen Tag. — Wenn es morgens regnet, füllt dies nicht 32 den ganzen Tag aus ZACHER 115. Tel fois va U plouvinant Au main qu'angois jour faiüant Luist le soleil, ce sevent toute gent Bisweilen regnet es am Morgen, und bevor dann der Tag zur Neige geht, leuchtet die Sonne, das wissen alle Leute J. DE GRIEVILER 33,35),

6.4. Trüber Morgen hat oft klaren Tag (Abend) zur Folge 33 Bibl. Erunt quasi nubes matuüna, et sicut ros matutinus praeteriens Sie werden sein 34 wie die Morgenwolke und der Morgentau, der vorübergeht VULG., Os. 13,3. Die selbigen werden haben die Morgenwolcken, vnd den Thaw (Tau), der frae feilet LUTHERBIBEL, Hos, 13,3. 35 Mlat. Et si mane futt vel tota dies nebulosa, Qbscttmm redimat vespera clara diem Auch wenn der Morgen oder der ganze Tag neblig gewesen ist, kann der klare Abend den düsteren Tag verscheuchen NIGEL. WIREK,, STULT. 81. 36 Engl. For / have seyn of a ful misty morwe Folwen ful ofte a merie somer's day; And after winter folweth grene May. Men sen alday, and reden ek in stories, That after sharpe shoures ben victories Denn ich habe sehr oft einem sehr trüben Morgen einen heiteren Somrnertag folgen sehen. Und nach dem Winter folgt der grüne Mai. Man sieht es jeden Tag, und man liest es auch in den Geschichten, dass nach scharfen Angriffen Siege folgen CHAUCER, TROILUS 3, 1060 (= WINTER 6). 37 Dt. Wan sibt auch dicke daz schoen äbentrot Kumt näh mangem morgen, der trüebe ist und timmer Man sieht auch oft, dass schönes Abendrot nach manchem Morgen kommt, der trüb ist und finster ULR. v. BAUMBURG 3, 14 (-» SCHWEIZER MS 23). Vgl. DUNKEL 2., HEUTE 2.1.2.9., NACHT 2.1., NEBEL 3., REGEN 2.1. -2.2., TAG 7.1., TROCKEN 1.-2., UNWETTER 2., WETTER 2.2., WOLKE 4. 7. Lebensregeln für den Morgen 7.1. Am Morgen auf den Berg steigen 38 Fr. Mattn fault amonter la montaigne, au soir aller a la fontaine Am Morgen muss man den Berg besteigen, am Abend zur Quelle gehen NUNEZ II, 352 (el Frances). 39 It. Tu sai il proverbio: la matttna il monte Vicitare alle volte e grata e sano; Pot verso sera vicitar la fönte Du kennst das Sprichwort: „Am Morgen den Berggipfel aufsuchen und dann gegen Abend zur Quelle gehen ist bisweilen angenehm und gesund" PULCI 40 25, 53. Do mane al monte de sere a li fönte Am Morgen auf den Berg, am Abend zur Queue NUNEZ 1, 336 (ei Italiano).

7.2. — 8. s. Inhaltsübersicht

249

MÖRSER

9. Vereinzelt 4l Dt. Mir geit maniger guten morgen Der mich lieber sacb begraben Mir wünscht mancher einen guten Morgen, der mich lieber begraben sähe HEINR. D. TEICHNER, SPR. 4,10 (vgl. FUSS 3.5., HAND 18.4.). V. M,

Anmerkungen 1

2

Vgl. RÖHRICH II, 656 b f.; W. Mieder, Rund um das Sprichwort „Morgenstunde hat Gold im Munde", in: Muttersprache 88 (1978), 378-385. Vgl. dazu die Gl.: Hospitem (Hospes), qui mane ad te uenertt, et pluutam matutmam [non metuas],, horum neutra enim (non) sunt apud te dm mansura Den Gast, der morgens zu dir kommt, und den Morgenregen sollst du nicht furchten; denn keines von beiden wird lange bei dir bleiben.

MORGENROT s. MORGEN (Subst.) MORGENRÖTE s. MORGEN (Subst.} MORGIG s. MORGEN (Adv.) MÖRSER / mortier / mortar 1. Immer riecht der Mörser nach Knoblauch (1-18). — FISCH 770. Vgl. BAUM 114, FISCH 4.4„ GEFÄSS 5.5. 2. Zerstiesse man einen auch im Mörser, er Hesse doch nicht ab von seiner Natur {19—24) 3. Verschiedenes (25—31)

1. Immer riecbt der Mörser nach Knoblauch 1 3 Fr. Mais H mortiers ce oi dire flaire toz iors les auz, si com dit U sages des puis que une sole foiz les i a len batuz Aber der Mörser, das habe ich sagen hören, riecht immer, wie der "Weise sagt, nach dem Knoblauch, sobald man ihn einmal darin zerstossen hat 2 LIVRE D'ARTUS 88,31. Toiors seint le mortier les auz (Ausg.: le sauz) Immer riecht 3 der Mörser nach Knoblauch EUSTL. KLOSTERL. 19. Toz jorz set It mortiers les auz 4 MORAW. 2417. Li mortiers sant tout jours les auz. — Dat fetorem per nares mola fetida semper, Allia petra sapit que semel illa capit ... - Der stinkende Mühlstein gibt für die Nase immer einen üblen Geruch her. Der Stein riecht nach dem Knoblauch, 5 den er einmal berührt hat ROBERT 43. Tozjors sent le mortier les aux, Et le feu monstre sä fumee Immer riecht der Mörser nach Knoblauch, und das Feuer zeigt seinen 6 Rauch GODEFROY DE PARIS 2337, Toudis set li mortiers les aus, car ce que on a apris an jonesce on le mainttent volentiers en viellesce ... denn was man in der Jugend 7 gelernt hat, hält man gerne im Alter fest PROV. RUR. 72. Toudis sent le mortier les 8 aulx REN. CONTR. 26968. Et les aux rescent le mortier Und der Mörser riecht nach 9 Knoblauch ISOPET I 37,67. On dist que mortiers est ades les aux flarans Man sagt, 10-14 dass der Mörser stets nach Knoblauch riecht B. DE SEB, 2,385. Tousjours sent le mortier les aulx Übers, wie 2 EUST. DESCH. II, 77,8. ET. LEGRIS 766. PROV. EN RIMES 15 864, J. MOLINET 197,112. 661,131. TOMS jours sent le mortier les aux J. MIELOT 16.17 340. Tousjours sent le mortier les aux LEROUX 1,57 (15. Jh.). Le mortier sent tous18 jours les aulx COQUILLART 1,106. Toudis sent le mortier les aux J. MOLINET 593,160. -> FISCH 170. Vgl. BAUM 114, FISCH 4.4., GEFÄSS 5.5.

MÖRSER

250

2. Zersttesse man einen auch im Mörser, er liesse doch nicht ab von seiner Natur 19 Bibl. 5i contudens stultum in pila quasi ptisanas feriente desuper pilo, non auferetur 20 ab eo stultitia eius VULG., PRQV. 27,22. Wenn du den Narren im Morser zustiessest {zerstiessest} mit dem stempffel wie gratze, So liesse doch seine Narrheit nicht von jm LUTHERBIBEL, SPR. 27,22. 21 Mlat. Et ut Salomon diät: Si contunderet in pistillo als grucze, non deficeret a sua impietate Und wie Salomon sagt: „Wenn ihn einer im Mörser wie Grütze zerstiesse, würde er doch nicht von seiner Gottlosigkeit lassen" LUTHER, WA XXXI.2,167,12 (1527-30). 22 Dt. Man kundt yhm das heubt ym Morser nicht treffen so klug ist er Man könnte 23 ihm das Haupt im Mörser nicht treffen, so klug ist er2 LUTHER 222. Salomon sagt, Wenn du den narren in eynem moerser zustiessest (zerstiessest) mit eynem stempffel 24 wie grütz, so lest doch sein torheyf nicht von yhm AGRICOLA Nr. 131. Sind so klug, das sie niemand zu narren kan machen, wenn sie einer in einem morser hefte unnd mit dem Stempel zuschlüge, so wieche doch die torheit nicht von jhnen Sie sind so klug, dass niemand sie zu Narren machen kann. Wenn einer sie im Mörser hätte und mit dem Stössel zuschlüge, würde doch die Torheit nicht von ihnen weichen LUTHER, WA LI, 129,39 (1546).

25 26 27 28 29 30 Jl

3. Verschiedenes Fr. S'ay grand double d'estre deceu, Et qu'il n'y ait qu'a exploitier Quelque chose soubz le monier, Qui cy apres grand dueil me face So habe ich grosse Angst, getäuscht zu werden, und dass es hier nur eine verborgene Gefahr 3 (wörtL etwas unter dem Mörser) zu erlangen gibt, die mir nachher grosses Leid bereitet A. GREBAN 7145. Une pillette sans mortier Ne sert pas ung clou a soufflet Ein Stössel ohne Mörser ist keinen Blasebalgnagel wert MENÜS PROPOS (1461 [+SOTTIES 3,265]). // est tousjours bon avoir aucune chose soubz le mortier Es ist immer gut, etwas unter dem Mörser zu haben 4 MORAW. 867 (= LEROUX II, 309). Span. La moza el mortero, y suspiro por el majadero Das Mädchen wusch den Mörser und seufzte nach dem Stössel NUNEZ 11,261. Muchos ajos en un mortero, mal los maja un majadero Viel Knoblauch in einem Mörser zerstösst ein Stössel schlecht EBD. II, 396. Para la muerte que ä Dios debo, de peregil esta el mortero Beim Tod, den ich Gott schulde! Am Mörser klebt Petersilie5 EBD. III, 126. Dt. Samle dich glockspeise der teuffei wil ein morsel giesen Versammle dich, Glockenspeise6, der Teufel will einen Mörser giessen!7 LUTHER 125.

V.M. Anmerkungen 1 2 3 4 5

Vgl. HASSELL M212; TQBLER-L.OMMATZSCH 1,238,21 ff. Vgl, dazu die Anm. unserer Ausg. S. 224 u. die Erklärung bei LUTHER, WA LI, 696,222. Vgl. das Glossar der Ausg. u, HASSELL M 211. Heisst nach MORAW., ROMANIA 50 504: Avoir quelques provisions (ou ressources) qu'on cache, tenir quelque chose en secret. Vgl. auch HASSELL M 211. Nunez fügt hinzu: Contra los que se espantan, y hacen gra» caudal de cosas de no nada, dicen las tnozas que es cantar, y que comienza-, comadrest las mis comadres, yo tengo dos criadas muy bellacas y muy malas, por estarse arrellanadas nunca limpian el majadero, Para la muerte que a Dios debo, de peregil etc. Gegen diejenigen, welche sich entsetzen und wegen nichtiger Dinge ein grosses Aufheben machen. Die Mädchen sagen, es rühre von einem Lied her, das so beginne: „Nachbarinnen, o Nachbarinnen, ich habe zwei Mägde, ganz hintertrieben und böse; die sitzen faul herum und reinigen nie den Mörser usw."

251 6

7

MÜCKE

Glockenspeise bezeichnet im 16. Jh. abschätzig eine Rat s versa m m Jung, ausgehend von der Rda. eine Glocke giessen {— Beschlüsse fassen). Vgt. GRIMM, DWB. IV. 1.5,181. Vgl. die Anm, von Thiele in unserer Ausg.: „Die Redensart, wenn sie nicht einen obscönen Sinn hat, bedeutet vielleicht, dass aus etwas Gutem, wie Glockenspeise ist, der Teufel etwas Böses, ein Mordinstrument macht". Vgl. auch LUTHER, WA LI,680,125: „In einer Glockenspeise (Bronze) ist besondere Mischung von Metallen notwendig, dazu wird beim Einschmelzen allerlei Abfall, altes Metall zusammengeworfen, was sonst nichts mehr nütze ist; das ,Perversum' (am Rande der Hs.) liegt in der Anwendung auf die Machenschaften des Teufels, denen allerlei Mittel dienen müssen".

MÖRTEL — SCHWEISS 2-3

MOSCHUS / musc / musk 1 Ml at, Sicut muscus et ambra? Que quanto plus tanguntur, tanto magis dant odorem säum Wie Moschus und Ambra? Je mehr sie berührt werden, um so mehr geben sie ihren Geruch ab HIST. s. s. l, l, 10. 2 It. Le mani, ehe toccano U moscato, ne odorano subito Die Hände, die den Moschus berühren, riechen sogleich danach ARETIN, CARTE 8. Vgl. HOCHMUT 60-61

V.M.

MOSES / Moise / Moses 1. Gott hört Moses' Gebet und Gedanken — HERZ 206, 208, 210-211 2. Moses herrscht als Papst — KÖNNEN 7.3.

MOST S. WEIN

MOTTE s. SCHABE MÖTTELIN -> VERSCHWENDEN 82 MÖWE -> FALKE 27

MÜCKE / moustique / midge 1. Die Mücke kann es nicht mit ändern Tieren aufnehmen 1.1. Die Mücke ist dem Ochsen an Kraft und Stimme unterlegen —ires culici sint, debet flebotomari Damit die Mücke Kräfte hat, muss sie zur Ader lassen WERNER 2 v 126.

4. Die Mücke folgt ihrem König 12 Dt. So we dir, tiuschiu zunge, Wie stet dm ordenunge! Daz nu diu mugge ir künec bat, Und daz dm ere also zergät Doch wehe dir, deutsche Zunge, wie steht es um deine Rechtsordnung, dass die Mücke nun ihren König hat und dass deine Ehre so vergeht! WALTHER v. D. VOGELWEIDE 9,8. — BIENE 53. Vgl. BIENE 3.1., HEER 1., HERR 1., KÖNIG 1.

5. s. Inhaltsübersicht 6. Redensarten 6.1. Mücken seihen und Kamele verschlucken 1 13 Bibl. Duces caeci, excolantes culicetn, camelum autem glutientes Ihr blinden Führer, 14 die ihr die Mücke seiht, aber das Kamel verschluckt VULG., MATTH. 23,24. Ir verblente (verblendeten) Letter, Die jr Mucken seiget (seiht), vnd Kamel verschluckt LUTHERBIBEL, EBD. 15 M l a t . Colant enim culicem Et camelum glutiunt Denn sie seihen die Mücke und 16 verschlucken das Kamel PETR. BLES., CARM. 2,7 S. 341. Ve, ve vobis, hypocrite, Qui culicem coiatis Wehe, wehe euch, ihr Heuchler, die ihr die Mücke seiht! CARM. BUR. 17 131,3, 9, Et colantes culicem Glutiunt camelum Und während sie die Mücke seihen, IS verschlucken sie das Kamel ANALECTA 21,195,1. Camelum transglutiunt culicem colantes Sie verschlucken das Kamel, während sie die Mücke seihen HUGO TRIMB., REGISTRUM Prol. 56. 19 Eng i. Also frei ben foule ypocritis, clensynge pe gnatte and swolwynge pe gjrjete camaile alhool Ebenso sind sie (seil, die Geistlichen) niederträchtige Heuchler, welche die Mücken seihen und das grosse Kamel ganz verschlucken WYCLIF, WORKS 172 (um 1400). 20 Dt. Sihante uz muccun olbantun Auuar slin tan te Die Mücke seihend, aber das 21 Kamel verschluckend MONSEE FRAGM. 17,20. Die muken si lichent, Die olbenden si verslicbent Die Mücken seihen sie, die Kamele verschlucken sie HEINR. v. MELK, 22 ERINNERUNG 121. Er sprichst ,die muken ir liehet, Die olbenden ir slichet' Er spricht: „Die Mücken seiht ihr, die Kamele verschluckt ihr" HEINR, v. MELK, PRIESTERLEBEN 23 583. Ich meyn, das heysse die mucken seygen und em camel vorschlucken, wie Chri24 stus saget Matt, xxiii LUTHER, WA VIII, 708,13 (1522). Er mus nicht mucken seygen vnd kamel verschlingen Er soll nicht Mücken seihen und Kamele verschlingen LUTHER, 25 WERKE IV, 126,10 (1530). Wenn wir aber solche Camelen verschlingen, vnd da für 26 Mücken seygen EBD. IV, 295,5 (1538). Ein ander seuget mucken, Thet doch camel verschlucken Ein anderer seiht Mücken, verschluckt aber Kamele SACHS 1,339,9 (1539). — BALKEN 3

M CKE

27 28 29 30 31-33 34. 3S 36 37 38 39 40

254

6.2. Aus einer M cke einen Elefanten machen 2 Gr. Κατά την παροιμίαν ελέφαντα εκ μυίας ποιείν Gem ss dem Sprichwort aus einer M cke einen Elefanten machen LUKIAN., MUSC. ENG. 12. Ελέφαντα εκ μυίας ποιεΐν Aus einer M cke einen Elefanten machen ZENOB. 3,68. Mg r. Ελέφαντας εκ μυίας ποιείς Du machst aus einer M cke Elefanten PS. DIOGENIAN. 4,46. Ελέφαντα εκ μυίας Aus einer M cke einen Elefanten (machen) PS. DioGENIAN. ViNDOB. 2,67. Ελέφαντα εκ μυίας ποιείς Du machst aus einer M cke einen Elefanten GREG. CYP. 2,31. GREG. GYP. MOSQ. 3,4. APOSTOLIOS 7,5. M l a t . Elephantum ex musca facts bers, wie 31 ERASM., ADAG. COLL. 26 v. ERASM,, ADAG. CHIL. 1,9,69. Elephantem ex musca facts. — Ey, lieber, wie ml wiltu darau machen? ... — Ei, mein Lieber, wieviel willst du daraus machen? HAUER 131. It. Fa d'vna moscba, vn Elefante Er macht aus einer M cke einen Elefanten MERBURY 11. S p a n . En mugeres, y ciegos y frayles, los mosquitos son elefantes Bei Frauen und Blinden und M nchen sind die M cken Elefanten NUNEZ II, 82. Dt. Ex musca Elephantem facere. — Au einer schnacken ein Elephanten machen bers, wie 28 FRANCK 1,4 v. Die heyden haben ... au einer schnacken (M cke) einen Elephant... gemacht EBD. 1,161 r. Vgl. LAUS 4.4.

6.3. Die M cke f hrt es (auf dem Schwanz) davon 41-43 Dt. Eyn mucke f ret es auff dem schwantze weg AGRICOLA Nr. 404. Was eim nit ist beschert, das f rt ein muck hin Was einem nicht beschert ist, das f hrt eine M cke 44 weg FRANCK 1,86 v. EGENOLFF 328 r. Ein muck f ret es auff dem schwantz ber Rhein EGENOLFF 184 v. 6.4. Die M cke steigt ihm auf die Nase3 45 It. Non domandar ... Se gli mont in sul naso U moscherino Frage nicht, ob ihm die 46 M cke auf die Nase gestiegen sei! PULCI 20,40, Gli monta il moscherino al Naso Ihm steigt die M cke auf die Nase CARO, OPUSC. 175. 47 48

49 50 5i. 52

6.5. Verschiedenes Mlat. Culex de Camelo Eine M cke vom Kamei herab(fallend) 4 LUTHER 373. Engl. Ac ofte be (seil, seint Jame) seip in pis bookepe gnat sweloweb pe flee Und oft sagt er (der heilige Jakob} in diesem Buch: „Die M cke verschlingt den Floh" ANCR. RECL. 5,25. Dt. Die vorkarte meynung der die mucken fahen vnd Elephanten lassen faren Die verkehrte Meinung derer, welche die M cken fangen und die Elefanten fahrenlassen 5 LUTHER, WERKE 1,328,20 (1520). Es stechen /« die bunds mucken6 FRANCK 1,51 v (vgl. GRILLE 10). Wer kein tauben hat, der hat mucken7 FRANCK 1,90 r, EGENOLFF 331 v.

7. Verschiedenes 53 Dt. Ez wahsent ne der liute danc wol m ggn unt bremen, So zinket man daz huon Es wachsen wohl gegen den Willen der Leute M cken und Bremsen, w hrend man das 54 Huhn aufzieht MARNER 15,32 (vgl. FLIEGE 8). Waz sol ... Der muggen swil? Was n tzen der M cke Fusssohlen? FRAUENLOB, SPR. 303,12.

V.M.

255

MÜDE

Anmerkungen 1 2 3 4

5 6 7

Vgl. RÖHRICH H, 659 a: „In Kleinlichkeiten peinlich genau sein und es dabei in wichtigen Dingen nicht genau nehmen", Vgl. RÖHRICH 1,5 8 b: „Erw. stark übertreiben, etw. Unbedeutendes über alle Massen aufbauschen". Vgl. auch WHITING E 66. Vgl, CituscA5 X,583a: Montare al naso, sul naso il moscherino = adirarsi a un tratto e con violenza, infuriarsi. Es handelt sich um die Überseht, einer Fabel, in der eine Mücke (oder ein Floh) zu dem Kamel, von welchem sie (er) herabgefallen ist, sagt: „Ich glaube, du hast gefühlt, was für eine Last dich gedrückt hat," Der Ausspruch wendet sich also gegen Eingebildete und Besserwisser; vgl. die Anm, der Ausg. Etwas unwichtiges wichtig nehmen, sich einen grossen Gewinn um eines kleinen Vorteils willen entgehen lassen; vgl, RÖHRICH II, 659 a. Hundsmücken als Bild für Launen und Tücken; vgl. GRIMM, DWs. IV.2,1939. Mücken in der Bed. von Launen und Eigenheiten ist dem Sinn nach dem völlig verschiedenen Mucken gleichgestellt; vgl. GRIMM, DWn, VI, 2609 u. 2605. Tauben als Bild für Grillen, Phantastereien, alberne Einfalle; vgl. GRIMM, DWß. XI.1,168.

MÜDE / fatigue / tired Hier auch ERMÜDEN, ERMÜDUNG, MÜDIGKEIT Vgl. VERDRIESSEN 1, Was ermüdet 1.1. Wer einen anderen jagt, wird auch selbst müde —* JAGEN 70, Vg], JAGEN 4,3. 1.2. Zu grosse Eile macht müde -> EILE 107-108 1.3. Man wird des schönsten Liedes (Spieles) müde — LIED 11, SPIEL 150, 152 2. Was nicht ermüdet 2.1. Gleichmässig verteilte Last ermüdet niemanden —* LAST 22, 36, 39 2.2, Ein Apfelschimmel i Kohlfuchs) ist eher tot als müde -» PFERD 239, 241 3, Wo einer Müdigkeit abgeholfen wird, wird einer anderen der Weg bereitet (l —2). Vgl. ARBEIT 1.1., EIN 1.1., 4.2.1., FEE 7, FREUDE 7.1.1., GLÜCK 9.6., GUNST 5., GUT (Adj.) 4.3.6., GUT (Subst.) 101, KIRSCHE 5, KREUZ 7., LASTER 2., LEID 1.1., MASS {Massigkeit} 3,5., RACHE 2,4,, SCHADEN 2.3., SCHANDE 17, SCHLAFEN 39, SCHLAGEN 14.2,, SCHLECHT 1.2.1., SCHULD 21, SORGE 3-4, SÜNDE 3.1., TRÜGEN 2., TUGEND 2.6., UNGLÜCK 1.4., UNTREUE 73 4. Lohn der Ermüdung 4.1. Wer bis zur Müdigkeit sät, kann bei der Ernte lachen —* SÄEN 129— 130 4.2. Wer sich müde gearbeitet hat, dem ist Ruhe willkommen — ARBEIT 81, RUHE 39-40 5, Gefahr übermässiger Ermüdung 5.1. Der müde Ochse geht tangsam — RIND 19.2. 5.2. Der müde Ochse tritt hart (übel) auf — RIND 19.3. 5.3. Man soil ein williges Pferd nicht allzusehr ermüden —· PFERD 111, 115, 120, 122, 125 6. Vereinzelt (3}

1. —2. s. Inhaltsübersicht 3. Wo einer Müdigkeit abgeholfen wird, wird einer anderen der Weg bereitet i Lat. Quidquid est übt fatigationi {Hss.: fatigato) succurritur, alia fatigatio inchoatur Überall wo einer Müdigkeit abgeholfen (einem Müden geholfen) wird, fängt eine andere Müdigkeit an AUGUSTIN., PSALM. 102,6 (1321).

MÜDIGKEIT

256

2 Mla t. Fesso in quo succurritur, ecce aliud renouatur Siehe, wo man dem Müden hilft, da erneuert sich etwas anderes! EGBERT., FEC. RAT. 2,406. Vgl. ARBEIT 1.1., EIN 1.1., 4.2.1., FEE 7, FREUDE 7.1.1., GLÜCK 9.6., GUNST 5., GUT (Adj.) 4.3.6., GUT (Subst.) 102, KIRSCHE 5, KREUZ 7., LASTER 2., LEID 1.1., MASS (Massigkeit) 3.5., RACHE 2.4., SCHADEN 2.3., SCHANDE 17, SCHLAFEN 39, SCHLAGEN 14.2,, SCHLECHT 1.2.1., SCHULD 2 , SORGE 3-4, SÜNDE 3.1., TRÜGEN 2., TUGEND 2.6., UNGLÜCK 1.4., UNTREUE 73 4.-5. s. Inhaltsübersicht 6. Vereinzelt 3 S p a n . Alcanza quien no cansa Der erreicht (etwas), der nicht ermüdet NUNEZ 1,70 (vgl. AUFSTEHEN 1.4.2., FAUL [träge] 3.2.14., SCHLAFEN 7.2.). H, U. S.

MÜDIGKEIT s. MÜDE MÜHE(VOLL) s. ARBEIT

MÜHLE / moulin / mill Hier auch MÜHLSTEIN Vgl. MÜLLER, STEIN 1. Die Mühle als Ort, wo man Neuigkeiten erfährt —» OFEN 36—39 2. wer zur Mühle geht, muss früh aufstehen (1—2) 3. Wer zuerst zur Mühle kommt, der mahlt zuerst -* MAHLEN 1-4, 7-8, 11, 13-20, 27 4. Wer in der einen Mühle nicht mahlen kann, der gehe zur ändern (3 — 7), Vgl. MAHLEN 33 5. Eine stillstehende Mühle (Eine Mühle ohne Getreide) ist nutzlos (S-l6). — KATZE 281 -282. Vgl. GEHEN 27 6. Wenn die Mühle nichts zu mahlen hat, zerreiht sie sich selbst (17—20) 7. Das Mühlrad dreht sich immer, ohne vorwärts zu kommen (zu mahlen} (21 —22) 8. Aus schlechter Mühle schlechtes Mehl (23-24; 9. Der Lärm in der Mühle 9.1. Beim Lärm der Mühle hört man die Harfe (Geige, Klapper) nicht (25—36) 9.2. Die Mühlklapper in der Mühle ist überflüssig, wenn der Müller taub ist (37—39) 9.3. Vereinzelt (40) 10. Die Mühle und das Wasser 10.1. Ohne Wasser mahlt die Mühle nicht -* WASSER 110-111 10.2. Das Wasser auf seine eigene Mühle leiten (41-46), Ähnlich (47-49) 10.3. Verschiedenes (50-51) 11. Der Nachbar weiss nicht, was die Mühle wert ist (52-54). — BAUER 159, VERLIEREN 5.14.2.

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MÜHLE

12. Redensarten Vgl, oben 9.2. 12.1. In der Mühle verdursten - DURST 5.3., LIEBE 1577, 1579-1580, 1S82-1S90 12.2. Die Mühle nicht hören (55-56) 13. Verschiedenes (57-69;

1. s. Inhaltsübersicht 2. "Wer zur Mühle geht, muss früh aufstehen 1 Span. Quien va al molino y no madruga, los otros muelen y el se espulga Wenn einer zur Mühle geht und nicht früh aufsteht, dann mahlen die ändern, und er liest sich die Flöhe ab NUNEZ III, 321. 2 Port. Quem a o moyno ha de anaar, cumpre lie de madrugar Wer zur Mühle gehen muss, für den ist es wichtig, früh aufzustehen NUNEZ 111,236 (el Portugues).

3. s. Inhaltsübersicht 4. Wer in der einen Mühle nicht mahlen kann, der gehe zur ändern 3 Fr. E qui ne peut a un moulin, Hez a l'autre trestout le cours! Und wer nicht zu der 4 einen Mühle kann - hü, ganz schnell zur ändern! J. DE MEUN, ROSE 13148. Moulin de , moulin de la, Si l'ttn ne meult, l'autre meuldra Mühle hier, Mühle dort, wenn 5 die eine nicht mahlt, wird die andere mahlen MORAW. 1306. Qui ne peut a ung moulin uoige a l'autre Wer nicht zu der einen Mühle kann, der gehe zur ändern ET. 6 LEGRJS 652 (= MORAW. 2037). Car qui ne puet en ung moulin Mouldre, s'en doit aler en l'aultre Denn wer in der einen Mühle nicht mahlen kann, der muss zur ändern 7 gehen PROV. EN RIMES 1415. Qui ne poeult a ung molin, hez a l'autre Wer nicht zu der einen Mühle kann - hü, zur ändern! J. MOLINET 839,6. Vgl. MAHLEN 33

5. Eine stillstehende Mühle (Eine Mühle ohne Getreide) ist nutzlos 8 M l a t . Stans mola, surda nola, sterilis vola, stans schola sola: Quattuor baec domino nil valuere suo Eine stillstehende Mühle, eine tonlose Glocke, eine leere Hand, eine verlassene Schule — diese vier nützen ihrem Besitzer nichts WERNER 2 s 179. 9 Fr. Autant vault moulin qui ne meult comme four qui ne chauffe. — Profictunt eque furni cessando moleque. Equa mole stantis lucra stnit (lies: sunf, Red,) furnique vacantis Eine Mühle, die nicht mahlt, ist ebensoviel wert wie ein Ofen, der nicht warm wird. — Öfen und Mühlen, die nicht in Betrieb sind, nützen gleich viel. Gleich gross sind die Gewinne bei einer stillstehenden Mühle und bei einem leeren Ofen HILKA 129. Autant vaut moulin qui ne mout come four qui ne cuit Ebensoviel wert ist eine Mühle, die nicht mahlt, wie ein Ofen, der nicht kocht MORAW. 211. 11 Span. Andando gana el acena, que no estando se queda Wenn sie in Bewegung ist, 12 bringt die Mühle Gewinn, und nicht wenn sie stillsteht NUNEZ I, 94. Ni tnolino sin civera, ni sin fuego la caldera Die Mühle nicht ohne Getreide und der Kessel nicht ohne Feuer EBD. 111,32. 13 Dt. ... Daz ain stille stende mül lüzel gewinnet Dass eine stillstehende Mühle wenig 14 einträgt ETTMÜLLER 1,33. Es ist ein gemein Sprichwort: also viel wertb ist eine Mühle, die nicht umgeht, und ein Backofen, der nicht heiß ist, also viel ist wert h ein Land, das nicht erbauet ist und nicht Volk hat Es ist ein geläufiges Sprichwort: „Eben-

MÜHLE

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soviel wert ist eine Mühle, die sich nicht dreht, und ein Backofen, der nicht heiss ist, wie ein Land, das nicht bebaut ist und keine Bewohner hat" ELEONORE v. OESTERR., 15. 16 PONTUS u. SIDONIA 278. Im Ritter Pontus stehet gescbriben ... Denn es ist eyn gemeyner Spruch. Also unwerdt ist eyne muel die nicht umbgehet, und eyn bachofen der nicht heiß tst. Also unwerdt ist auch eyn landt, das nicht erbawet ist, und nicht volck hat AGRICOLA Nr. 217 S. 158,15. EGENOLFF 4 r. -» KATZE 281-2S2. Vgl. GEHEN 27

6. Wenn die Mühle nichts zu mahlen hat, zerreibt sie sich selbst 17 Mlat. Ad instar molendini: quod cum non habet ad molendum bonum frumentum, quia in continuo motu est: molit et consumit seipsum Nach der Art der Mühle: Wenn diese kein gutes Getreide zum Mahlen hat, mahlt sie und verbraucht sie sich selber, weil sie in ständiger Bewegung ist GEILER, NAV. POEM. V U. is Fr. Ei [tout] ausi com se defrie Mole tant que n'a que moudre Et se fait farine et poudre, Ausi ie me vois defriant Par ennui toute et degastant Und genauso, wie die Mühle sich zerreibt, solange sie nichts zu mahlen hat, und sich (selbst) zu Mehl und Staub mahlt, so zerreibe und verzehre ich mich ganz vor Verdruss G. DE DEGUILEVILLE 7172. 19 Dt. Als der mulenstein der ydel get, dun ich, Der nit zu malen bat und von yme gibt staub und mele; Also zurbrechen ich mich viel und snel Ich tue wie der Mühlstein, der sich leer dreht, der nichts zu mahlen hat und Staub und Abfall von sich gibt; so zer20 mahle ich mich sehr schnell PILGERFAHRT 7158, Ind also a$ de moelen zo wry vet sich Die umme gett ind nett en hait zo malen Ind sich selver meelt zo pulver zo male, Also zo wryven ich mich ouch Van verdrösse, so dat ich nett en douch Und ebenso wie die Mühle sich zerreibt, die sich dreht und nichts zu mahlen hat und sich selbst vollständig zu Pulver mahlt, so zerreibe ich mich auch vor Verdruss, so dass ich nichts (mehr) tauge PETER DE MERODE, PILGERFAHRT 7169. 7. Das Mühlrad dreht sich immer, ohne vorwärts zu kommen (zu mahlen) 21 Pro v. Co·/ molinz q'a roda de latz, Qe-s mou tot jorn e non vai re Wie die Mühle, die ein Rad auf der Seite hat, das sich den ganzen Tag bewegt und gar nicht vorwärts kommt ALBERTET 19,63. 22 Engl. Ffor, I am the same' Meile That toumeth ay and grynt ryht nouhf Denn ich bin (wie) die Mühte, die sich immer dreht und überhaupt nichts mahlt LYDGATE, PILGR. LIFE 13834.

8. Aus schlechter Mühle schlechtes Mehl 13 Fr. De mal molin vient male molte Von schlechter Mühle kommt schlechtes Mehl ET. DE FGUGERES, LlVRE DES MANIERES 52.

24 Nord. Que molit inculta mola grana manent male multa. — The t körn wordher ill& maled som po een ond qwcKrn bceres Das Korn, das eine schlechte Mühle mahlt, bleibt schlecht gemahlen. — Das Getreide wird schlecht gemahlen, das in eine schlechte Mühle gebracht wird LÄLE 874.

9. Der Lärm in der Mühte 9.1. Beim Lärm der Mühle hört man die Harfe {Geige, Klapper} nicht 25. 26 M l a t . Cum mola dat strepitum, vocem nescit dare ststrum Wenn die Mühle Lärm macht, kann die Klapper keinen Ton geben PROV, WRATISLAV. 92. WERNER 2 c 191.

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MÜHLE

27 Dt. Swaz ich ir gesinge deist gehärpket in der mal; St verstet es ninder wort Was ich ihr singe, ist wie Harfenspiel in der Mühle; kein Wort davon versteht sie NEIDH, v. 28 REUENTAL 69,38. Mich dunkel niht, daz ieman sül Ze lange barpfen in der mül Mich dünkt nicht, dass jemand in der Mühle zu lange Harfe spielen wird FREIDANK 126,27. 29 Noch voig ich der alten lere: Ich enwil niht werben zuo der mül, Da der stein so riuschent umbe gät Und daz rat so mange unwise hat. Merkent wer da harpfen sül Ich jedoch folge der alten Lehre: Ich will nichts mit der Mühle zu schaffen haben, wo sich der Stein so lärmend dreht und das Rad so manches unschöne Lied hervorbringt. Passt 30 auf, wer da Harfe spielen wird! WALTHER v. D. VOGELWEIDE 65,12. Ja mochte man eine harfen, Als ich mich rechte kan verstän, Noch minner da vernumen hän "Wan in ,den rüschenden müln' Ja man hätte eine Harfe, wenn ich es recht verstehen kann, da noch weniger gehört als in den lärmenden Mühlen HEINR. v. FREIBERG, TRISTAN 2188. 31 Niht guot ist ze gtgen In der tnüle gedoeze Es ist nicht gut, im Getöse der Mühle Geige 32 zu spielen HELBLING 3,192. Niht guot ist herpfen in der mül Es ist nicht gut, in der 33 Mühle Harfe zu spielen EBD. 4, 814. Und swer zer mülen härpfenspil Tribt und süezez gtgen, Der mäht vil baz geswtgen Und wer sich in der Mühle mit Harfen- und süssem Geigenspiel beschäftigt, der würde viel besser schweigen PRESSANT, HELLERWERTWITZ 34 8, 1z ist böse harpen in der muln, Da lecket sin ars ein esels fuln Es ist schlecht Harfe 3s spielen in der Mühle, wo ein Eselfüllen seinen Hintern leckt SAL. u. MARK. 353. £55 ist pozz harpfen in der mül. - Si mola volvatur, lire non arte fruatur Es ist schlecht Harfe spielen in der Mühle. - Wenn sich die Mühle dreht, kann man sich nicht an der 36 Kunst des Harfenspiels erfreuen FREIDANK LAT. (GRAZ) 118. In der bokemolen is quad harpen In der Stampfmühle ist schlecht Harfe spielen BOTE, KOKER 1004.

9.2. Die Mühlklapper 1 in der Mühle ist überflüssig, wenn der Müller taub ist 37 Span. Por demas es la citola en el molino ... Überflüssig ist die Mühlklapper in der 38. 39 Mühle ... CELESTINA 234 Var. (16). Por demas es la citola enel molino, $i el molinero es sordo Überflüssig ist die Mühlklapper in der Mühle, wenn der Müller taub ist LoPEZ(?>, REFRANES 534. NUNEZ 111,164.

9.3. Vereinzelt 40 Dt.

Diu mül lät niht ir gtgen Die Mühle lässt ihr Geigen nicht COLM. 109, 8.

10. Die Mühle und das Wasser 10.1. s. Inhaltsübersicht 10.2. Das Wasser auf seine eigene Mühle leiten 41 Fr. Chascun si trait a son moulin Jeder leitet (Wasser) auf seine Mühle GODEFROY DE 42 PARIS 4930. Gens ... qui scaivent faire venir l'eaue au moulin Leute, die es verstehen, Wasser auf die Mühle zu leiten CENT NOUVELLES 96 (II, 252). 2 43 It. ... recando aqua a tuo mulino come divolgatamente si motta Und dabei leitet sie Wasser auf deine Mühle, wie man öffentlich spottet GHERARDI, PARADISO 11,173. 44 Tuti tira el aqua, al somolin Jeder leitet das Wasser auf seine Mühle NUNEZ 111,458 (el 45 Italiano). Ei ogni vn tira l'acqua al suo molino Und jeder leitet das Wasser auf seine Mühle MERBURY 10. 46 Dt. Der müller findt man warlich vil, Die alle wasser vff ir muH Richten Man findet wahrlich viele Müller, die alle Wasser auf ihre Mühle leiten MURNER, MÜHLE 750.

MÜHLE

260

Ähnlich: 47 Fr. Chascun moulin trait a luy eau Jede Mühle leitet Wasser auf sich LEROUX 11,268 48 (13. Jh.). Chascuns moulins trait a lui yaue PROV. RUR. 437 (= MORAW. 352). 49 It. Perche ciascuno al suo mulino attends Denn jeder ist mit seiner Mühle beschäftigt GRAZIOLO BAMBAGLIOLI 640 (*RiM. BOL. DEL TRECENTO 47).

10.3. Verschiedenes 50 Port. De lomge vent aguoa a o moyno Von weit her kommt das Wasser zur Mühle 51 NUNEZ 1,300 (el Portugues). Ho moino, vay agoa Die Mühle geht zum Wasser EBD. II, 197 (el Portugues) (vgi. BERG 41).

11. Der Nachbar weiss nicht, was die Mühle wert ist 52. 53 Fr. Ne seit veisint que rent mulin Der Nachbar weiss nicht, was die Mühle einträgt 54 RAWLINSON 91. 330. Ne set voisin que vault molin Der Nachbar weiss nicht, was die Mühle wert ist MORAW. 1360. -^ BAUER 159, VERLIEREN 5.14.2.

12. Redensarten Vgl. oben 9.2. 12.1. s. Inhaltsübersicht 12.2. Die Mühle nicht hören 55 Fr. // entre cumme sourd en molyn Er geht hinein wie ein Tauber in die Mühle 56 MORAW., INEDITA 34. Vous ne oriez pas un moulin mouldre Ihr würdet keine Mühle mahlen hören LEROUX II, 177 (15. Jh.).

57

SS 59 60 61 62 63 64 6$

13. Verschiedenes M l a t . Sepe molam petiere canes: in tempore fausti Ante alios, magis infelix ad dampna repertus Oft sind die Hunde nach der Mühle gelaufen: die glücklichen zur rechten Zeit vor den ändern; der unglücklichere hatte das Nachsehen (wörtl.: wurde beim Schaden gefunden) EGBERT., FEC. RAT. 1,597 (vgl. MAHLEN 1.). Fr. Chascun n'a pas son molin net Nicht jeder hält seine Mühle rein J. MOLINET 76,320. It. Molin de consorte va liga con strope Die Mühle der Ehefrau muss mit Weidenruten gebunden werden 3 GEREMIA DA MONTAGNONE 155. A' i molini, e alle donne $empre manca qualche cosa Den Mühlen und den Frauen fehlt immer etwas4 MERBURY 9. Kat. Guarde no ports blat al moli Hon hom ampra lo pa el vi Hüte dich davor, das Getreide in eine Mühle zu bringen, wo man das Brot und den Wein auf Kredit nimmt! LULL, PROV, 155. Span. Vase la vieja al molino Die Alte geht zur Mühle 5 GIL VICENTE II, 358 (O Juiz da Beira). Dinero tenia el nino,. quando molia el molino Das Kind hatte Geld, als die Mühle mahlte NUNEZ 1,332. Quarte de molino por confin, y de puerco por vecin Hüte dich vor einer angrenzenden Mühle und einem Schwein als Nachbarn! EBD. II, 160 (vgl. oben 9.). Haz molinillo en tu corral, y no diran no hay pan Stell eine Handrnühle auf in deinem Hof, und man wird nicht sagen, es gebe kein Brot!6 EBD.

66 II, 175. Mas vale acena parada, que amigo molinero Mehr wert ist eine stillstehende 67 Mühle als der Müller als Freund EBD. II, 349. Molinillo casado te veas, asi rabeas Mühle, die du klapperst (wörtl.: schwänzelst), mögest du dich verheiratet sehen!7 EBD. 11,390.

261

MÜLLER

68 Nord. Communis generis far mala frangit auens. - Gerigh qwern maier alle haande koorn Die gierige Mühle mahlt Mehl von der gewöhnlichen Sorte. - Die gierige Mühle 69 mahlr allerhand Getreide LÄLE 207. Fide minutari far subteriore molari, — Then qwersteen mal oc som vndher liggher Sei sicher, dass das Getreide (auch) vom unteren Mühlstein zerkleinert wird! — Der Mühlstein, der unten liegt, mahlt auch EBD. 376 (vgl. STEIN 214).

E. D. Anmerkungen 1

2 3 4 5

6

7

Ein dünnes Holzbrettchen, das man über dem Mühlrad aufhängt, damit es dem Müller anzeigt, ob sich das Rad dreht oder nicht. Für weitere fr. Belege vgl. HASSELL M 222. Bezieht sich wohl auf die geschwätzige Frau. Zum Mahlen. Weiter heisst es bei Gil Vicente: Entra muy disitnulada, Muy honesta cobijada, Como quien sähe el camino Sie kommt ganz heimlich herein, ganz sittsam verhüllt, wie jemand, der den Weg kennt. Vielleicht ist dies die Quelle zu CORREAS 341 a: Fue la viexa molino: tai vengais kual ella vino Die Alte war in der Mühle; ihr sollt so kommen, wie sie gekommen ist. Dazu CORREAS 582 b: Ke tengas de tuio, t ke trabaxes por tener Damit du vom eigenen [Brot) hast und damit du arbeitest, um (Brot) zu haben. Vgl. BROT 14. D.h., dann wird dir bei den neuen Pflichten der Übermut schon vergehen. Die Quelle zu diesem Sprw. ist ARCIPRESTE 195, wo ein Jungverheirateter mit dem FUSS einen Mühlstein anhalten will, wie er es früher immer getan hat. Diesmal gelingt es ihm aber nicht, und er stosst die Verwünschung aus: „iAy molino recto, aun te vea casado!" „He, starker Mühlstein, dich will ich noch verheiratet sehen!"

MÜHLSTEIN s. MÜHLE MÜHSAM s. MÜHE

MÜLLER / meunier / miller Vgl. MÜHLE 1. Müller verlangen einen mehrfachen Mahllohn (1—3) 2. Der Müller als Dieb {4-8} 3. Verschiedenes (9- ; 1. Müller verlangen einen mehrfachen Mahllohn 3 E n g l . Wel koude he (seil, the millere} ... tollen thries Er (der Müller) konnte gut das 2 dreifache Mahlgeld verlangen CHAUCER, CANTERB. T. PROL. A 562. Double lollyng myllers Müller, die das doppelte Mahlgeld verlangen Ass. OF GODS 698. l D t . Sem mitz er (seil, der mülner) all mal toppelt nam Er (der Minler) nahm seinen Mahllohn immer doppelt SACHS IX, 450,13 (1559). 2. Der Müller als Dieb 1 4 M I a t . Dicitur in proverbio nostro: Nihii esse audacius indusio molitoris ... quoniatn omni tempore matutino furem collo apprebendat Es heisst in unserem Sprichwort; Nichts ist kühner als das Hemd des Müllers, da es zu jeder Morgenzeit den Dieb arn Hais packen kann 2 BEBEL, FAC, l, 88.

MUND

262

5 Span. Cient sastres, y dent molineros, dent texedores, sont {lies mit Ausg. Salamanca 1555,25 r: son) trezientos ladrones Hundert Schneider und hundert Müller und hundert Weber sind dreihundert Diebe NUNEZ 1,225. 6 Engl. Wei koude be (seil, the millere) stelen corn Er (der Müller) konnte gut Korn 7 stehlen CHAUCER, CANTERB. T. PROL. A 562. A theef he (seil, the millere) was, for sothe, of corn and mele Er (der Müller) stahl wahrhaftig Korn und Mehl CHAUCER, REEVE'S T. A 3939.3 s Dt. Ein müller der nie gestal Ein Müller, der nie gestohlen hat WENZELS LANDFRIEDE 22 (+LILIENCR., HIST. VOLKSL. 41).

3, Verschiedenes 9 Span. A buen ano y malo, molinero, o hortolano In gutem Jahr und in schiechtem: w Müller oder Gärtner 4 NUNEZ I, 8, A piedra queda amigo molinero Dem Stein bleibt der Müller Freund 5 EBD. 1,109. li N o r d . Pista placenta focis multoris cor lettat ocis. — Äff dijst kaghen wordher melieren modigh Der Kuchen aus feingemahlenem Mehl im Ofen hebt die Stimmung des Müllers rascher. — Wegen des Kuchens aus feinem Mehl wird der Müller kühn LÄLE 783. E. D.

Anmerkungen 1

2

3 4 5

Fr. Belege bei HASSELL M 142. VgL auch „La Farce du munyer" in: Recueil de farces, soties et moralites du quinzieme siede, hrsg. von P. L. Jacob (d.i. P. Lacroix), Paris 1876, 231 ff. Vgl. dazu E. Goetze und C. Drescher (Hrsg.), Sämtliche Fabeln und Schwanke von Hans Sachs IV (Halle 1903), 123,20 (1546): Das fraidtgst ist attain des muellers hemb ...All morgen, so der müeller auf wil stone ...So placzt sein hemb m one, Felt im vntb sein balß vnd fecht einen dieb Das Kühnste ist allein des Müllers Hemd: Jeden Morgen, wenn der Müller aufstehen will, so greift sein Hemd ihn an, fällt ihm um seinen Hals und fängt einen Dieb, Weitere engl. Belege bei WHITING M 560. Weil diese zwei Berufe immer einträglich sind (vgl. REFRANERO 63). D.h. wohl; dem Stein und sonst niemandem.

MUND / bouche / mouth Hier auch MAUL Vgl. LIPPE, ZUNGE 1. Man hat nur einen Mund 1.1. Man hat nur einen Mund, damit man wenig redet, isst und trinkt (1 — 14), Vgl. HÖREN 1.1., OHR 1.3.1., WORT 19.1., ZUNGE 1. 1.2. Man isst nur mit einem Mund {15—16} 1.3. Vereinzelt (17) 2. Man hüte den Mund 2.1. Allg. (18-38).-* WEISE 209, 211. Vgl. SCHWEIGEN 4., WORT 32.1., 32.18., ZUNGE 2.3.-2.S. 2.2. Spez. 2.2.1. Wer seinen Mund hütet, hütet seine Seele (und bewahrr sie vor Angst) (39-51). Vg!, ZUNGE 2.8. 2.2.2. Wer seinen Mund hütet, behält seinen Freund (52-55). Vgl. FREUND 3.4.5., ZUNGE 2.10. 2.2.3. Wer seinen Mund nicht hütet, muss dafür Bussen (56 — 57). Vgl. unten 3.3. 2.2.4. Verschiedenes (58-59)

263

MUND

3. Was der Mund redet Vgl. unten 4.1.-4.2., 14.3. 3.1. Der Mund des Feindes sagt nichts Gutes und Aufrichtiges —» FEIND 65—66, 68—81 3.2. Was der Mund redet, kommt nicht wieder zurück — WORT 186, 189, 191-193, 195, 208, 211 3.3. Was der Mund (Böses) sagt, fällt auf einen zurück (60—61), Vgl. oben 2,2.3. 3.4. Vereinzelt (62) 4. Mund und Herz (Sinn) 4.1. Der Mund sagt, was im Herzen (Sinn) ist (63-64). — HERZ 97-135, 117-122, 124, 128, 131-141, 144-152, 154-159, 161-166, 168-170, 172, NARR 208-209, 211, 215216, 224-225, 229, 231, 339-340, 344, 353, TRINKEN 40-46. Vgl. AUGE 4.1., AUSSEN 1.1., ERKENNEN 13.2-13.3., GESICHT 2., HERZ 3.1.-3.2., LEIB 2.2., MENSCH 3,1.1., SCHEIN 1.-2., SEHEN 183, SITTE 3.1., WORT 15. 4.2. Der Mund spricht anders, als das Herz denkt -* HERZ 173-175, 178-180, 182-185, 187-188 4.3. Der Mund lacht (singt), das Herz weint und ist traurig —* LACHEN 51-52, 56-59, 6 , SINGEN 14 4.4. Der Mund lügt, das Herz lügt nicht — HERZ 89-94 4.5. Der Mund enthält Honig, das Herz Gift und Galle -* FEIND 164, FREUND 382, HONiG 89-94, 96, 99, 143, 148, HURE 62, SCHMEICHELN 11 4.6. Der Mund verehrt Gott, das Herz ist ihm fern -» HERZ 191-192, 194-195, 197, 199 4.7. Auf den Mund hört Gott nicht, sondern auf das Herz — HERZ 205, 208-209, 211-212 5. Mund und Seele 5.1. Wer seinen Mund hütet, hütet seine Seele s. oben 2.2.1. 5.2. Der Mund, der lügt, tötet die Seele — LÜGEN 396-l97, 99-210 6. Mund und Auge -> AUGE 16., LACHEN 57 7. Mund und Hand 7.1. Der Mund gibt lieber als die Hände (65—68) 7.2. Mit der Hand und dem Mund sagen — HAND 22.19. 7.3. Verschiedenes (69-71) 8. Mund und Bauch (Magen) 8.1. Der Mund ist des Bauches Henker und Arzt — BAUCH 4.1. 8.2. Was für den Mund süss ist, ist oft für den Magen nicht gut — SÜSS 2.2. Vgl. BAUCH 4.3. 9. Speise für den Mund (im Mund) 9.1. Wie der Mund, so die Speise — ESSEN 266-272, SALAT 9-10, 13-14 9.2. Wer Geld in der Hand hat, hat Speise im Mund — GELD 323-325 9.3. Wer mich liebt, das merkt mein Mund (72-74). Vgl. LIEBE 1.1.1. 9.4. Verschiedenes (75-77) 10. Honig im Mund 10.1. Im Mund Honig, im Herzen Gift und Galle haben — FEIND 164, FREUND 3S2, HONIG 89-94, 96, 99, 143, 148, HURE 62, SCHMEICHELN 33 10.2. Im Mund Honig, in der Hand das Messer haben — HONIG 4.8.1., HURE 63 10.3. Im Mund Honig haben und hinterrücks stechen — BIENE 21, 31, HONIG 345, 167-168, 170 11. Lachender Mund 11.1. Nicht jeder lachende Mund will küssen — LACHEN 3.3.2. 11.2. Man kann Jachen und einen schönen Mund machen —* LACHEN 9.1. 12. Höflicher Mund 12.1. Höflichkeit des Mundes ist viel wert und kostet wenig—* HÖFLICH 2.1. 12.2. Schöne, gute und höfliche Worte schaden dem Mund nicht — WORT 141-142, 144, 149150

MUND

264

13. Geschwätziges Maul — WORT 256, 645, 6S7 14. Böses Maul 14.1. Böses Maul hält grossen Hof (78-79) 14.2. Böses Maul übertrifft alles an Bosheit (80-81). Vgl. ZUNGE 7.1. 14.3. Böses Maul redet über keinen Gutes (82-S3). Vgl. ZUNGE 7.10. 14.4. Böses Maul ist schärfer als ein Schwert (84-85). Vgl. WORT 34.3L-34.32., ZUNGE 7.6. 14.5. Böses Maul bringt Zwietracht und Unglück, Tod und Zerstörung (86-95). Vgl. WORT 13.13., 13.19., ZUNGE 7.18, 14.6. Böses Maul nimmt die Ruhe und bringt viel Unruhe (96-99). Vgl. SCHWEIGEN 1.13., WORT 13.18., ZUNGE 7.15. 14.7. Böses Maul macht redliche Frauen ehrlos und arm (100-103), Vgl. ZUNGE 7.17. 14.8. Böses Maul muss bestochen und beschwichtigt werden (104 — 114). Vgl. ZUNGE 344 14.9. Böses Maul rnuss gestopft werden (115—118). Vgl, unten 17. 14.10. Vereinzelt (119) 15. Von selbst ins Maut fliegen (laufen, fallen) 15.1. Gebratene Hasen, Tauben, Hühner, Enten und Lerchen fliegen (nicht) ins Maul — PFERD 302-304, 306, 309-3 320,322-338

, 314, 318,

20. Dreschendem Ochsen nicht das Maul verbinden —>· RIND 6.2, 21. Redensarten und Vergleiche Vgl. oben 15.1., 16.-18. 21.1. Das Maul hängen lassen (184-187) 21.2. Ein Maul machen (188-195) 21.3. (Sagen, schreiben,) was einem in den Mund kommt (fällt) (196-221). — NARR 339-340 21.4. Kein Blatt vor den Mund nehmen — BLATT 8.1. 21.5. Kein Spinnengewebe vor dem Maul (wachsen lassen) —» SPINNE 6. 21.6. Zwei Zungen in einem Mund haben — ZUNGE 370, 373-376, 380 21.7. Kalt und warm aus einem Mund blasen —» KALT 1.8. 21.8. Mit vollem Mund blasen -» BLASEN 7. 21.9. Brei im Maul (haben, behalten) — BREI 10. 21.10. Durch den Mund lügen — LÜGEN 324, 346 21.11. Das Maul wischen (222-251;, -> BRENNEN 163 21.12. Das Maul schmieren (252-291). -» HODEN 6 21.13. Honig (Süsses) um das DIEB Ϊ20, FREUND 189 3.7.12. s. Inhalts bersicht 3.7.13. Verschiedenes 143 a Mgr. Ό γείτων δε παράμονος τοις γειτονοϋσι σκόλοψ Der treue Nachbar ist den Nachbarn ein Dorn (im Auge} GLYKAS (-»KRUME. S. 56).

NACHBAR

306

344 Fr. La fille son veisin n'est prus Die Tochter seines Nachbarn ist nicht brav CAMBR. SAMML. (+LEROUX 11,477 f=MoRAW. 1001]). 145 Span, Lo que come mi vecino no aprovecha a mi tripa Was mein Nachbar isst, nützt meinem Bauch nichts NUNEZ 11,303.

3.8. Wer wissen möchte, wer er ist, frage (tadle) seine Nachbarn 13 146 Dt. Swer niht wizze, wer er si, Der schelte sinre gebure dri Wer nicht weiss, wer er 147 ist, schelte drei seiner Nachbarn FREI DAN 62,16. Der nicht wais, wer er sei, Der frag seiner nachpauer drei; Es sei im lib oder laid, So wird is im doch gesait. — Consule vicinos, tibimet non cognite, ternos; Hü dicent verum, velis et nolis, tibi merum Wer nicht weiss, wer er ist, frage drei seiner Nachbarn. Es sei ihm angenehm oder unangenehm, so wird es ihm doch gesagt, — Du, der du dir selbst nicht bekannt bist, befrage drei Nachbarn! Die werden dir reinen Wein einschenken, ob du willst oder nicht FREI14S DANK LAT. (GRAZ) 213. Wer nicht wil wizzen, wer er $ , Der schelt sinr nächgeburen 149 dri "Wer nicht wissen will, wer er ist, schelte drei seiner Nachbarn BONER 41,65. Swer niht wizze wer er si, Der schelte stner nächbürn dri War umbe sprach her Fridank daz? Wer nicht weiss, wer er ist, schelte drei seiner Nachbarn. Warum sagte Meister Freidank 150 das? HEINR. D. TEICHNER (KARAJAN) 32. Wer nicht weis, wer her sey, der frage synen nogver, adder: frage syner nackgebur dry Wer nicht weiss, wer er ist, frage seinen 151 Nachbarn, oder: frage drei seiner Nachbarn PROV. FRID. 377. Der da wylt wyssen, wer er sy, Der scheid sych myt syner naperen dry Wer da wissen will, wer er ist, der streite sich mit drei seiner Nachbarn NIEDERRHEIN. SPR. (15.Jh. [+ GERMANIA 152 19,303]). Freydanck sagt also. Wer da will wissen wer er sey Der frage seiner nachpawrn zwen oder drey Werdens yhm die drey vertragen Der vier dt wirts yhm doch wol sagen ... der frage zwei oder drei seiner Nachbarn. Wenn die drei es ihm hingehen 153 lassen, wird der vierte es ihm doch wohl sagen AGRICOLA Nr. 59. Wer da will wissen 154 wer er sey, der schelte seiner nachbawern zween oder drey, etc. EBD. Nr. 157. Wer wil wissen wer er sei, der erzürn seiner nachbaurn zwen oder drei FRANCK II, 112 r. 155 A/50 sagt mann: Wer da wil wissen wer er sei, Der frag seinr nachpaurn zwen oder drei. Werdens jm die drei vertragen, Der vierdt wurts jm doch wol sagen Übers, wie 156 152 EGENOLFF 31 r. Wer da wil wissen wer er sei, Der frag seiner nachbaurn zwen oder drei. Werdens jm die vertragen, Der vierdt wirts jm doch wol sagen. Also singt meyster Fretdanck ... EBD. 270v.

3.9. Um es den Nachbarn recht zu machen, muss man früh aufstehen 157 Dt. Der mußt zwar frü auffstohn, der nur sein nachbaurn wolt recht thun Der müsste wirklich früh aufstehen, der es seinen Nachbarn recht machen wollte FRANCK 1,28 r. 155 Der must frü auffston, der allen nachbauten wolt recht thun Der müsste früh aufstehen, der es allen Nachbarn recht machen wollte EGENOLFF 294 v.

3.10. Verschiedenes 159 Fr. 5) ton voisin se va n[o]yer Tu ne dois point pour tant aller (lies: aidier}14 Wenn dein Nachbar sich anschickt zu ertrinken, musst du deshalb noch lange nicht helfen 160 MORAW. 2257. L'en doit avoir joye du bien a son voystn Man soll Freude am Wohlergehen seines Nachbarn haben LEROUX 11,335 (15. Jh.). 161 Pro v. Als vests malamen No trenchs la earn ne l'ossa: Membret de la serpen, De l'osqu' e de la fossa Schneide den Nachbarn nicht auf böse Weise ins Fleisch oder in die Knochen! Denke an die Schlange, die Furche und den Graben! 15 G. DE CERVERA 630.

307

NACHFOLGER

4. s. Inhaltsübersicht 5. Borgen bei Nachbarn bringt einem billig Anschaffungen 162 Fr. // a hon marcbe de l'outil a son voisin qui pour le rendre Der bekommt das Werkzeug seines Nachbarn billig, der es borgt (wörtl.: der es hat, um es zurückzugeben) MORAW. 855. 163 S p a n . Vezina mala haze a su veztna con alhaja Die schlechte Nachbarin zwingt ihre 164 Nachbarin, Hausrat anzuschaffen 16 LOPEZ(?}, REFRANES 715. Vecina mala, a su vecina bace con alhaja NUNEZ 111,450(2). 6.-9. s. Inhaltsübersicht 10. Vereinzelt 165 Di. Ich wäis kain bessern nauchgebur, Wan da am oedu hofstat ist Ich kenne keinen besseren Nachbarn [,] als [wo] eine verlassene Hofstatt [ist] HERMANN v. SACHSENHEIM, MOERIN 4398.

H, U.S. Anmerkungen 1 2

3 4 5 6 7 8

9

10

11 12 13 14 15 16

Vgl, bereits HES., ERG. 344. Vgt, SINGER, SPRW. D, MA 11,70. Weitere Belege bei HASSELL V138, O'KANE 226 u. WHITING N 77. Vgl, WANDER 111,825 s.v. Nachbar 37. Vgl. WANDER III, 825 s. v. Nachbar 38. Vgl. SINGER, SPRW. D. MA 11,70; HASSELL V139; ARTHABER 1437. Vgl, SINGER, SPRW. D. MA 1,50 u. WHITING N 79. Es folgt die Erklärung: Dicitur in iactatores et ghriosos Sagt man zu Prahlern und Ruhmsüchtigen. SBARBI 1,98: Die Menschen tragen fremden Gewinnen eher Rechnung als fremden Ausgaben und Verlusten. Dice. DE REFRANES 2913: Leute mit schlechten Absichten sehen und beachten nur, was sie verurteilen können. D. h,, dass ein Nachbar einen durch die Nachbarschaft bedingten Nachteil in Kauf nehmen muss. Weitere Belege: LUTHER, WA XXIX,597,31 (1529), XXXI.l, 439,22 (1532). XLVI, 716,8 (1538). LI,596,24 (1541). Bezzenberger zitiert die bei WALTHER 27125 als Sprw, belegte Gl. Saepe fit, ut caupo dicat sua pocula clara vmaque vicini, quamquam bona, dicat amara {Es geschieht oft, dass ein Schankwirt seinen Trank als hervorragend und die Weine des Nachbarn, obwohl sie gut sind, als bitter bezeichnet) und erläutert, dass trinken in manchen Gegenden das für den Hausgebrauch gebraute Bier bezeichne. SBARBI 1,106: Nichts erleichtert so sehr die Leiden wie die Erkenntnis ihrer Vergänglichkeit, Ähnlich CORREAS 341 u. Dice. DE REFRANES 558. Vgl. WANDER III, 823 ff. s.v. Nachbar 3, 16-20, 24-25, 111, Nachbann 1. Vgl. SINGER, SPRW. D. MA III,32f. Mlat. Belege bei WALTHER 24679-24680. So Morawski in der Anm., doch auch ohne die Konjektur interpretierbar im Sinne von pour tant aler te noyer musst du dich deshalb nicht gleich auch ertränken. Vgl. ALB IG. 11,281 Anm. 2 zu möglichen Quellen in der Fabelliteratur. Weil sie den geborgten Hausrat nicht zurückbringt.

NACHBARIN s. NACHBAR NACHBARSCHAFT s. NACHBAR NACHFOLGE(N) s. FOLGEN NACHFOLGER s. FOLGEN

NACHGEBEN

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NACHGEBEN / ceder / to yield Hier auch AUSWEICHEN, PLATZ MACHEN, WEICHEN, ZURÜCKWEICHEN 1. Der Klügere gibt nach (1-4) 2. Dem Mächtigeren, Grösseren und Stärkeren muss man nachgeben (weichen) {S —23). —· HELFEN 143, 145. Vgl. GROSS S3, KAMPF 1.6.1., MEISTER 11. Anders (24) 3. Der Menge und dem Pöbel muss man nachgeben (weichen) —* PÖBEL 2—4, VIEL 36—39 4. Wenn man nicht siegen kann, muss man nachgeben (25 — 26) 5. Auch wenn man ebenbürtig oder überlegen ist, soll man bisweilen nachgeben (weichen) (27-30}. -* FREUND 239, 245-247, GESELLE 135- 37, 140, SIEG 56, 70. Vgl. DULDEN 1.1.2.4., SIEG 6 6. Nachgeben besänftigt Unglück, Zorn und Zank (31-37). Vgl. ANTWORT 4-5 7. Nachgeben bringt oft Schaden und Ärger (38—39)

1. Der Klügere gibt nach 1 Nord. t>at er ok forn orÖskviör, at jafnan v&gir hinn vitrari Das ist auch ein altes Sprichwort, dass stets der Klügere nachgibt HARALDS SAGA HARDRÄDA 31 (+FMS 2 VI, 220). f>at er ok forn stör, at inn vitrari V(Egi Das ist auch eine alte Regel, dass der Klügere nachgebe SNORRI, HEIMSKRINGLA 464,6 (Haralds saga haröraöa 27 [= JONS3 SON, ARKIV 463. JONSSON 182]}. t>at er fornt mal at enn vitrari scyli vegia Das ist ein altes Sprichwort, dass der Klügere nachgeben solle MORKINSKINNA 22,28 (= JONSSON,

4 ARKIV 463). Jafnan vcegir hinn vitrari Stets gibt der Klügere nach GROSSE OLAFS SAGA TRYGGVASONAR 161 (*FMS 11,33 [= GERING S. 13. JONSSON 184]}. 2. Dem Mächtigeren, Grösseren und Stärkeren muss man nachgeben (weichen) 5 La t. Maiori concede Gib dem Mächtigeren nach! PS. CATO, BREVES SENT. 11 (vgl. 6 KAMPF 81). Cede locum lesus fortune, cede potenti; Ledere qui potuit, prodesse aliquando ualebit Wenn du versehrr bist, weiche dem Geschick, weiche dem Mächtigen! Wer dich versehren konnte, wird (dir) bisweilen auch nützen können PS. CATO, DIST. 4,39 (~ HELFEN 142}. 7~io M l a t . Cgde majori Weiche dem Mächtigeren! ALIXANDRE 1786. Cedere maiori non est pudor inferiori Für den Geringeren ist es keine Schande, dem Mächtigeren zu weichen FLOR. VINDOB. 285. PROV. WRATISLAV. 62. WERNER 2 c 34. n Fr. Faites ieus as plus grans de vous Macht denen, die mächtiger sind als Ihr, Platz! 12 CATO LOTHR. 11. St t'avient aventure aucune, Do(u)ne lieu a poissant Fortune, Car cells qui te puet bieder, Te puet puis garir et aidier Wenn dir irgendeine Begebenheit zustösst, weiche dem mächtigen Schicksal; denn was dich verletzen kann, kann dich . später heilen und dir helfen! ADAM DE SUEL, CATO 767. Faites lieu a grigneur de vous 14 Macht dem, der mächtiger ist als Ihr, Platz! PSEUDO-CATO FRG. 10 S. 142. Se de toy voiz greignor, Donne lui lieu et l'appele seignor Wenn du einen siehst, der mächtiger ist als du, dann mach ihm Platz und nenne ihn Herrn! J, LEFEVRE, CATO 63. 15 N o r d . For par, sem vt'öa eru dcemi til, at enir l&gri verda at luta Es ging dort so, wie es mancherorts Beispiele dazu gibt, dass die Niedrigeren nachgeben müssen GRETTIS 16 SAGA 89,16. Cedere maiori non est pudor inferiori. — Tbet cer ey skam at then mijnne wtjghe then st0ne Übers, wie 8. - Das ist keine Schande, dass der Kleinere dem Grösseren weiche LÄLE 137.

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NACHGEBEN

17 E n g l . Cede (ocum lesis {lies: lesus, Red,) fortune, cede potenti; Ledere qui poterit, prodesse aliquando valebit, - Donez lu a graunt, E suffrez le pussaunt Quant il fet mal a tey; Kar dl ke peut blesser, Purra profyter Acune fez, ceo crey, — 3if pou stude to grete men, Pauh ofte pei greuep pe; Oper-tyme pet may pe profyte — And her-ofloke pou leeue me Übers, wie 6, — Macht dem Mächtigen Platz und duldet den Gewaltigen, wenn er dir Böses antut; denn der, welcher Schaden zufügen kann, wird dir bisweilen nützen können, glaube das! - Weiche den grossen Männern, auch wenn sie dich oft verletzen; ein andermal können sie dir nützen — und in der Beziehung siehe zu, dass du mir glaubst! VERNON MS, 50,597 {= HELFEN 144). is Dt. Du soli aim merren entwichen Du sollst dem, der mächtiger ist als du, weichen 19 CATO 63. Deme groteren scaltu vntwiken Dem Grösseren sollst du weichen STEPHAN, 20 CATO ND. 92. Cede loco lesus fortune cede potenti. Ledere qui potuit eciam prodesse ualehit. — Du vorserfer dem serer weycbe. Der gewaldig ist vnd reyche. Wisse das der selbe mag. Dir vromen vil ofeynen tag Übers, wie 6. - Du, der du verletzt bist, weiche dem, der dich verletzt hat (und) der gewaltig ist und reich! Wisse, dass derselbe dir 23 eines Tages sehr nützen kann! CATO OMD. (ZroA 34) 251 {= HELFEN 146}. Do grosztr quam, müste deynir weychin Wo der Grössere käme, miisste der Kleinere wei22 chen PROV. FRID. 478. It is neine schände, den groten wyken. — Dedecus est certe maiori cedere nullt Es ist keine Schande, dem Grossen zu weichen. — Es ist gewiss für 23 keinen eine Schande, dem Mächtigeren zu weichen TUNNICIUS 981. Dem sterckern weich, Rieht dich an dein gleich Weiche dem Stärkeren, halte dich an deinesgleichen! FRANCK 1,31 v. -> HELFEN 143, 145. Vgl. GROSS 53, KAMPF 1.6.1., MEISTER 11. Anders; 24 Ml at. Abaielardus diät: Majori parti ne cedas, sed meliori Abälard sagt: „Weiche nicht der stärkeren Partei, sondern der besseren!" GAUT. DE COINCY, CHASTEE AS NONAINS S. 32. 3. s. Inhaltsübersicht 4. Wenn man nicht siegen kann, muss man nachgeben 25 Ml a t. Vincere aum nequeunt, bene cedunt hostibus hostes, Submissoque humiles intrantur vertice postes Solange sie nicht siegen können, weichen die Feinde den Feinden mit Vorteil aus. Die niedrigen Häuser werden mit gebeugtem Nacken betreten WER26 NER 2 v 41, Vincere quando nequit, sapiens in tempore cedit Wenn er nicht siegen kann, gibt der Weise zur rechten Zeit nach EBD. v 42. 5. Auch wenn man ebenbürtig oder überlegen ist, soll man bisweilen nachgeben (weichen) 27 M l a t . Cedas sepe pari, quamuis possit superari: Hoc idea dico, quia sie eris aptus amico Gib deinem Gefährten oft nach, auch wenn er besiegt werden könnte! Das sage ich deshalb, weil du so mit dem Freund verbunden sein wirst CATO NOVÜS 67 2S.29 {= FREUND 242). Cedas sepe pari, quamuis nequeas superari; Hoc ideo dico, quia sie fit amicus amico ... auch wenn du nicht besiegt werden kannst! Das sage ich deshalb, weil dem Freund auf diese Weise ein Freund zuteil wird FLOR. GOTTING. 313 (= FREUND 243). WERNER 2 c33 (= FREUND 244). 30 N o r d . Fyr oörum vtegja Samir per iduliga, f>ottpu meira megir Es ziemt sich für dich oft, vor ändern zurückzuweichen, auch wenn du überlegen bist HUGSVINNSMÄL 51,1 (vgl. DULDEN 44).

NACHGEHEN

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— FREUND 239, 245-247, GESELLE 135-137, 140, SIEG 56, 70. Vgl. DULDEN 1.1.2.4., SIEG 61

6. Nachgeben besänftigt Unglück, Zorn und Zank 31.32 Dt. Nachlassen (Nachgeben) stillt vil zom FRANCK 1,52(1)r. EGENOLFF 306{l)v. 33-36 Nachgeben stillt vil krieg FRANCK II, 178 r. EGENOLFF 224 r. Ein wenig weichen vnnd nachgeben stillt oft vil krieg, vnd kost alles nachgeben nit so vil als ein krig ... und es kostet alles Nachgeben nicht so viel wie ein Krieg FRANCK II, 178 r, EGENOLFF 224 r, 37 Nachgebn stillt offt groß unglück SACHS XIX, 403,5 (1567). Vgl, ANTWORT 4-5

7, Nachgeben bringt oft Schaden und Ärger 38 Dt. Men sprich: zu vyl geh engen Deyt dicke groisse schade bringhen Man sagt: „Zu39 viel nachgeben bringt oft grossen Schaden" MINNEREDEN II 26,289. Deteriores omnes summ licentia.l - Nachlassen machet arger Durch zu grosse Freiheit werden wir alle schlimmer. - Nachgeben verursacht Ärger EGENOLFF 191 r.

V.M. Anmerkung 1 =TER.,HEAUT. 483.

NACHGEHEN s. FOLGEN, GEHEN NACHGESCHMACK s. SCHMECKEN

NACHHER / apres / afterwards Hier auch DANACH, HINTENNACH, HINTERDREIN, HINTERHER, SPÄTER 1. Nachher im Vergleich zu vorher 1.1. Nachher im Unterschied zu vorher 1.1.1. Allg. (1-2) 1.1.2. Spez.

1.1.2.1. Jetzt froh, nachher betrübt oder tot -» JETZT 2-3. Vgl. SCHELTEN 195 1.1.2.2. jetzt zu FUSS, nachher zu Pferd —* JETZT 5 1.1.23. Vorher wenig ist besser als nachher viel — ALMOSEN 61, EIN 154, WORT 1170 1.2. Nachher in Übereinstimmung mit vorher — LACHEN 188-189, WEINEN 5.2. 2. Nachher als zu späte Zeit 2.1. jMan muss vor der Tat überlegen, damit man nachher nicht bereut —* GEDANKE 119, RAT 218-219, 337, REUE 34-35, 37-40, VORSEHEN (sich) 45-46, 50, WORT 857, ZORN 16 2.2. Nachher überlegen und Rat holen ist wertlos und nachteilig (3-4), — GEDANKE 123, 125, 128-130, RAT 349-354, 366, 369-370. Vgl. NARR 67, 69, 7l 2.3. Reue hinterher lohnt sich nicht (5). — REUE 11,14. Vgl. REUE 1.1. 2.4. Nachher ist man weise — GEDANKE 4.6., RAT 363-366, 369-370, WEISE 332 2.5. Hinterher handeln ist wertlos (6). — VERACHTEN 27-2S

311

NACHSEHEN

1. Nachher im Vergleich zu vorher 1.1. Nachher im Unterschied zu vorher 1.1.1. Allg. 1.2 Dt. Lieber bruder Jesu, zu Jersualem empfieng man dich schon, wie gieng dirs aber hernach ... schön. Wie ging es dir aber nachher? AGRICOLA Nr. 283. EGENOLFF 160r. 1.1.2. —1.2. s. Inhaltsübersicht 2. Nachher als zu späte Zeit 2.1. s. Inhaltsübersicht 2.2. Nachher überlegen und Rat holen ist wertlos und nachteilig J It. El seno de drio val pocho Der kluge Einfaü hinterher nützt wenig GEREMIA DA 4 MONTAGNONE 145. Che senn' di dietro poco pud valere Denn der kluge Einfall hinterher kann wenig nützen ANGIOLIERI 133,3. — GEDANKE 123, 125, 128-130, RAT 349-354, 366, 369-370. Vgl. NARR 67, 69, 71

2.3. Reue hinterher lohnt sich nicht 5 Dt. Achter na dat is dunneber (Reue) nachher, das ist dünnes Bier REDENTINER OSTERSP. 1631. -> REUE 11, 14. Vgl. REUE 1.1. 2.4. s. Inhaltsübersicht 2.5. Hinterher handeln ist wertlos 6 It. G/i avvenimenti di dietro poco vagliono o niente Die Geschehnisse hinterher sind wenig oder nichts wert Bocc., FILOCOLO 1,319. — VERACHTEN 27-28 V.M. NACHJAGEN s. JAGEN NACHKOMMEN s. FOLGEN NACHLÄSSIGKEIT s. VERNACHLÄSSIGEN NACHLAUFEN s. JAGEN NACHRECHNEN s. RECHNEN NACHREDE s. VERLEUMDEN NACHREUE s. REUE NACHRICHT s. GERÜCHT NACHRUHM s. RUHM

NACHSEHEN / etre indulgent / to indulge Hier auch NACHSICHT, ÜBERSEHEN {nachsichtig hingehen lassen) Vgl. DULDEN, ÜBERHÖREN

NACHSETZEN

312

1. Nachsichtiges Übersehen ist gut, angenehm und notwendig (1—6). —' ÜBERHÖREN 7, 9-11, 14, WORT 1198-1200. Vgl. HERR 4.8.1., OHR 7.1. 2. Nachsicht gegenüber Sünde und Bosheit fördert sie (7-11). Vgl. VERGEBEN 5.3.

1. Nachsichtiges Übersehen ist gut, angenehm und notwendig 1 E n g l . Passe-over is an ese Übersehen ist eine Erleichterung CHAUCER, MERCHANT'S 2 T. E 2115. Passe ouer is an ese PROV. WISD. (RwL.) 10l.1 3 Dt. Wetz got, der man muoz harte vil An disem borge übersehen Man muss, weiss Gott, bei diesem Handel sehr viel übersehen GOTTFR. v. STRASSBURG, TRISTAN 278. 4 Ein man muoz vil übersehen durch ere Ein Mensch muss um der Ehre willen viel s Nachsicht üben HUGO v. TRIMBERG 12304. Wir miiezen einander vil vertragen, Wolle wir niht nit und haz befagen! Wir müssen einander viel nachsehen, wenn wir nicht 6 Neid und Hass erlangen wollen EBD. 15407. Es ist ain alt Sprüchwort, Das hab ich the und ie gehört: „Wer wol kan übersehen, Dem mag wol guts beschehen" Es ist ein altes Sprichwort, das ich immer wieder gehört habe: „Wer gut nachsehen kann, dem kann wohl Gutes widerfahren" ZIMMER. CHRON. IV,219,28. -> ÜBERHÖREN 7, 9-11, 14, WORT 1198-1200. Vgl. HERR 4.8.1., OHR 7.1.

2. Nachsicht gegenüber Sünde und Bosheit fördert sie 7-9 M l a t . Criminis indultu secura audacia crescit Durch Nachsicht gegenüber der Sünde wächst die sorglose Vermessenheit PS. CATO, MONOST. 22. MARBOD. 1736 B. MSD 10 27,2,32, Criminis indultu secreta audacia crescit ... die heimliche Kühnheit WERNER* c 150. 11 Dt. Wan das ist der argen site, Das man ir schalkeit meret mite (Das ist vor menger ztt geseit), So man in ie me vertreit Denn es ist die Art der Bösen, das ist vor langer Zeit gesagt worden, dass man ihre Bosheit vergrössert, je mehr man ihnen mit Nachsicht hingehen lässt KONR. v, AMMENHAUSEN 3339. Vgl. VERGEBEN 5.3.

V.M. Anmerkung 1 Vgl. WHITING P 44. S 859.

NACHSETZEN s. JAGEN NACHSICHT s. NACHSEHEN NÄCHST s. NAH NACHSTELLEN s. JAGEN NACHT / nuit / night 1. Nacht als schicksalsträchtige Zeit 1.1. Manchem Ahnungslosen steht eine schlechte Nacht bevor (1—6). Vgl. ABEND 1.3. Ähnlich W 1.2. Über Nacht beschert Gott — GOTT 28.7. 1.3. Über Nacht kommt Rat (8-18). Vgt. KISSEN 1.3., MORGEN (Adv.) 4.2., SCHLAFEN 18.3., TAG 6.1.6., ZEIT 3.1.2.2.

313

NACHT

1.4. In der Nacht kommen Sorgen und Gedanken (19-22). Ähnlich (23) 1.5. Über Nacht kann alles besser oder schlechter werden (24-25). — GLÜCK 522 1.6. Über Nacht wird Grünes zu Heu — HEU 8-9 1.7. Über Nacht ändert sich das Wetter — WINTER 34, 37-38 1.8. Eine Nacht Aufschub ist verhängnisvoll (viel wert) — AUFSCHUB 2-3, W, 56, 59-61 2. Nacht als Übergangszeit 2.1. Nach der Nacht kommt der Tag (26-32;. - ARBEIT 83, WINTER l, 9. Vgi. DUNKEL 2., HEUTE 2.1.2.9., MORGEN (Subst.) 6.4., NEBEL 3., REGEN 2.1.-2.2., TAG 7.1., TROCKEN 1.-2., UNWETTER 2., WETTER 2.2., WINTER L, WOLKE 4. 2.2. Nach dem Tag kommt die Nacht — HONIG 114, TAG 1.1. 2.3. Nächte vergehen schnell (33-39). Vgl. GEHEN 2.1., GESCHEHEN 6.1., HIN L, JAHR 1.3.1., JUNG 1.3., STUNDE .3., TAG 5.2.1.-5.2.2.,TUN 3.1.-3.2., VERGEHEN 2., ZEIT 1.1.1.-1.1.2. 2.4. Über Nacht ändert sich nichts — NAME 22, WACHEN 15, WEIN 35-36, WEISE 543 3. Nacht als Gegensatz zu Tag 3.1. Allg. (40-42). Ähnlich (43) 3.2. Spez. 3.2.1. In der Nacht redet man anders als am Tag (44-45). Vgl. ABEND 2.1. 3.2.2. In der Nacht tut man, worüber man tags lacht (46-47) 3.2.3. In der Nacht ist man verträglicher als am Tag (48-49) 3.2.4. In der Nacht tut man, was man tagsüber nicht tun würde (50—69). Vgl. unten 6.2.1., DUNKEL 5., LIGHT 4.2. 3.2.5. In der Nacht ist verborgen, was dann am Tag offenbar wird — OFFEN 15, TAG 2.3.3. 3.2.6. In der Nacht ruht man sich von der Arbeit des Tages aus {70-74. Vgl. 96), — SCHLAFEN 37 3.2.7. In der Nacht leistet man nicht dasselbe wie am Tag —* TAG 2.5.2. 4. Nacht a!s trügerische Zeit 4.1. Nachts scheinen alle Katzen grau (schwarz) (75-80). Vgl. FRAU 1-4,7-8 4.2. Nachts scheint alle Kleie (jedes Getreide) Mehl zu sein (81-84) 4.3. Nachts scheint faules Holz zu leuchten — HOLZ 97, 300 4.4. Verschiedenes (85-86) 5. Nacht als gefährliche Zeit 5.1. Die Nacht ist keinem gut gesinnt (87—9 ) 5.2. Nachts ist es gefährlich, aufs Eis zu gehen —* EIS 4. 5.3. Nachts ist es gefährlich zu reiten und zu reisen (92). — REITEN 27, SEGEL 15, WIRTSHAUS 17. Vgl. TAG 15 5.4. Nachts muss man die Türen schhessen —> SCHLIESSEN l 6. Umkehrung von Tag und Nacht 6.1. Allg. (93-95) 6.2. Spez. 6.2.1. Die Nacht ist der Tag der Spitzbuben (96). — DIEB 103-l05, HURENJÄGER l, SCHLECHT 202, WUCHER 17. Vgl. oben 3.2.4., DIEB 3.7., FURCHT 255, JÜNGSTER TAG 3-7, SCHLECHT 2.2.9., TEUFEL 1.5., TOD 3.2.2.1. 6.2.2. Die Nacht ist der Tag gewisser Lebewesen -> EULE 11., 69, FLEDERMAUS 4, GLÜHWURM 2., GRILLE 2, SCHNECKE 4, 6 6.2.3. Die Nacht ist die Wachsiumszeit gewisser Pflanzen — KÜRBIS 2, PILZ i 6.2.4. Die Nacht ist die Arbeitszeit der Jüdin —> JUDE 10. 7. Verschiedenes (97-99)

1. Nacht als schicksalsträchtige Zeit 1.1. Manchem Ahnungslosen steht eine schlechte Nacht bevor J Fr. Tel n'est coucbie qui ara male nuit Manch einer ist noch nicht im Bett, der eine 2 schlechte Nacht haben wird J. MOLINET 69,120. Encore n'est pas couche qui aura

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male nuyt Der ist noch nicht im Bett, welcher eine schlechte Nacht haben wird LEROUX 11,295 (15.Jh.). 3, 4 Dt. Sie seind noch nit alle schlaffen, die heind ein bose nacht sollen haben Sie schlafen noch nicht alle, die heute nacht eine schlimme Nacht haben werden AGRICOLA Nr. 471. 5. 6 EGENOLFF 195 v. Es seind noch nit alle entschlaffen, die ein bo nacht haben sollen Es sind noch nicht alle eingeschlafen, die eine schlimme Nacht haben werden FRANCK II, 84 v. EGENOLFF 85 v. Vgl, ABEND 1.3. hnlich: 7 Span. Noche mala, para quien te aparejas? para perro de vacas, o pastor de ovejas Schlimme Nacht, f r wen bereitest du dich vor? F r den H terhund oder den Schafhirten NUNEZ 111,42,

1.2. s. Inhalts bersicht 1.3.

ber Nacht kommt Rat

8 Gr. Εν νυκτΐ βουλή τοΐς σοφοΐσι γίγνεται Ι π der Nacht wird den Weisen Rat zuteil 9 MEN., MONOST. 222. Εν νυκτΐ βουλή In der Nacht (kommt) Rat ZENOB, 3,97. 30-35 Mgr. Εν νυκτϊ βουλή PS. DIOGENIAN. 5,95. APOSTOLIOS 7,47, 9,48. Εν νυκτΐ βουλήν In der Nacht (findet man) Rat PS. DIOGENIAN. VINDOB. 2,46. GREG. CVp. LEID. 2.4. GREG. CYP. MOSQ. 3,32. 16 Ml at. Nox habefbijt consilium Die Nacht wird Rat haben PASSIO IUSTICIARIOR, ANGLIE (um 1290 [+LEHMANN 24,36]}. 17. is Fr. La nuit a conseil Die Nacht hat Rat ET. LEGRIS 360 (= MORAW. 1017). La nutet porte conseil Die Nacht bringt Rat NUNEZ II, 282 (el Frances). Vgl. KISSEN 1.3., MORGEN (Adv.) 4.2., SCHLAFEN 18.3,, TAG 6.1.6,, ZEIT 3.1.2.2.

1.4. In der Nacht kommen Sorgen und Gedanken 19 La t. Talia dicenti curarum maxima nutrix Nox intervenit W hrend sie noch so sprach, brach die Nacht herein, die gr sste N hrmutter der Sorgen OVID., MET. 8, 81. 20 M l a t . Nox erat una viro curarum maxima nutrix Eine einzige Nacht war f r den Mann die gr sste N hrmutter der Sorgen ALBERT. STAD., TROILUS 3,739. 21 It. La notte e madre de' pensieri Die Nacht ist die Mutter der Gedanken POLIZIANO 22 398 S. 223. La note e madre de i pen$ter NUNEZ 11,268 (el Italiano). hnlich: 23 Kat. La nit quant entraras al Hit Membret que has al jorn fallit Nachts, wenn du ins Bett gehst, denke daran, wohn du tags ber gefehlt hast! LULL, PROV. 26. 1.5. ber Nacht kann alles besser oder schlechter werden 24 Mlat, Quod noctu volitat, tibi prospera, quae valet, addat! Was in der Nacht flattert, m ge dir Gl ck, das dauerhaft ist, bringen 1 WERNER 2 q210. 25 Dt. Dat dine win bezzer uver naht Die Sache wird ber Nacht besser HERMANN (BRUDER) 2492. -^ GL CK 522

1.6. —1.8. s. Inhalts bersicht

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2. Nacht als Übergangszeit 2.1. Nach der Nacht kommt der Tag2 26 Mtar. Post noctis tenebras floridum diet lucem accipies Nach der Finsternis der Nacht wirst du das blühende Licht des Tages empfangen PASSIO CHRYSOGONI (5. —6. Jh. 27 [*MOMBRITIUS 1,356,17]). Post noctis tenebras lux Nach der Dunkelheit der Nacht 28 das Licht OTTO FRIS., CHROM. 179, 7. Post noctem sperare diem, post nubila solem, Post lacrymas risum laetitiamque potes Nach der Nacht kannst du auf den Tag hoffen, nach den Wolken auf die Sonne, nach den Tränen auf Lachen und Freude ALANUS 424 (parab. 1). 29 Fr. Car apres la nuyt vient le jour Denn nach der Nacht kommt der Tag GENS NOUVEAULX {-»FOURNIER 69).

30 It. II mondo e tondo, e dopo (a notte vien U giorno: e ogni tempo vien, ä chi lo puö aspettare Die Welt ist rund, und nach der Nacht kommt der Tag, und jede Zeit kommt für den, der darauf warten kann MERBURY 8 (= WELT 31, ZEIT 464). 31 E n g l . And next the derke night, the gladde morwe; And also joye is next the fyn of sorwe Und nach der dunklen Nacht der frohe Morgen, und ebenso folgt nahe auf das 32 Ende der Sorge die Freude CHAUCER, TROILÖS 1,951 (= FREUDE 71). The glade morwe ffolweth the dirke nyght Der heitere Morgen folgt der dunklen Nacht LYDGATE, MIN, POEMS II, 519,82. — ARBEIT 83, WINTER I, 9. Vgl. DUNKEL 2., HEUTE 2.1.2.9., MORGEN (Subst.) 6,4., NEBEL 3., REGEN 2.1.-2.2., TAG 7.1., TROCKEN 1.-2., UNWETTER 2., WETTER 2.2-, WINTER 1., WOLKE 4.

2.2. s. Inhaltsübersicht 2.3. Nächte vergehen schnell 33-35 36 37 38

Fr. One nuyt sera tost passee Eine Nacht wird schnell vergangen sein MISTERE DU VIEL TESTAM. 13171. 13183. 13201. Une nuyt est tantost passee Eine Nacht ist alsbald vergangen EBD. 13195, Une nuit est tost passee Eine Nacht ist schnell vergangen J. DE BUEIL, JOUVENCEL 2,11 S. 178. Courte nutet est tantost passee Kurze Nacht ist alsbald vergangen]. MOLINET 179,464.3 39 Dt. Ein nacht doch nicht gepunden ist An einen stekchen, hör ich sagen Eine Nacht ist doch nicht an einen Stecken gebunden, höre ich sagen SUCHENWIRT 22,30 (vgl. JAHR 10, STUNDE 9-10, TAG 59, WELT 38, ZEIT 19, 57, 60-61). Vgl. GEHEN 2.1., GESCHEHEN 6.1., HIN 1„ JAHR 1.3.1., JUNG 1.3., STUNDE 1.3., TAG 5.2.1.-5.2.2., TUN 3.1.-3.2., VERGEHEN 2., ZEIT 1.1.1.-1.1.2.

2.4. s. Inhaltsübersicht 3. Nacht als Gegensatz zu Tag 3.1. Aug. 40 Span. Noche tinta, bianco el dia Die Nacht schwarz, der Tag weiss NUNEZ 111,64. 41 Dt. Dat is so geiyk als dach unde nacht. — Testudo lepori, coeno confertur et aurum Das ist so gleich wie Tag und Nacht. - Die Schildkröte wird mit dem Hasen und das 42 Gold mit Dreck verglichen TUNNICIUS 612. Es ist von einander wie weiß vnd schwartz, tag vnd nacht FRANCK 1,17 v. Ähnlich: 43 E n g l . Yf no nyght fne] were, no man, as ich leyue, Sholde wife witerly, what day were to mene Wenn es keine Nacht gäbe, würde meines Erachtens niemand genau wissen, was Tag bedeutet LANGLAND{?}, PLOWMAN C 21,216 (vgl. GEGENSATZ 10., SCHWARZ 2.).

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3.2, Spez. 3.2.1. In der Nacht redet man anders als am Tag 44 Ml at. Verbula nocturna raro sunt facta diurna, Verbula de sero eras sunt contraria uero Sch ne Nachtworte werden selten zu Taten des Tages. Sch ne Abendworte sind am ndern Tag nicht mehr wahr PROV. YSENGR. {*NIVARD., YSENGR. S. X). 45 S p a n . A la noche chichirimoche, y a la manana chichirinada In der Nacht viel „Chichiri", am Morgen kein „Chichiri" 4 NUNEZ 1,46. Vgl. ABEND 2.1. 3.2.2. In der Nacht tut man, wor ber man tags lacht 46 Mgr. Ηώς όρώσα τα νυκτός έργα γελά Der Morgen lacht ber die Werke der Nacht, 47 wenn er sie erblickt APOSTOLIOS 8,77g. Της νύκτας τα καμώματα ή ήμερα άναγελα τα Der Tag lacht ber die Bem hungen der Nacht KRUME. S. 240. 3.2.3. In der Nacht ist man vertr glicher als am Tag 48 Span. A la noche convida y a la manana porfta In der Nacht lade ein und am Morgen streite! NUNEZ 1,66. 49 Dt. De $ik des dages baggen, De Uggen des nacktes under den plaggen Die sich des Tags zanken, die liegen des Nachts unter den Laken TAPPIUS 31 (vgl. LIEBE 1,6,5.3., 2.8.1.}. 50 51 52 53

54 55

56. 57 58 59 60 61 62

3.2.4. In der Nacht tut man, was man tags ber nicht tun w rde La t, Quia istoc inlecebrosius Fieri nil potest: nox mulier vinum homini adulescentulo Denn nichts kann f r den jungen Mann verlockender werden als folgendes: die Nacht, die Frau (und) der Wein FLAUT., BACCH. 87. Persuasit nox amor vinum adulescentia Dazu hat (ihn) die Nacht, die Liebe, der Wein {und) die Jugend gebracht TER., ADELPH. 470. Nox et Amor vinumque nibil moderabile suadent: lila pudore vacat, Liber Amorque metu Die Nacht und die Liebe und der Wein raten nichts Massvolles. Jene ist ohne Scham, Wein und Liebe (sind) ohne Furcht OVID., AM. 1,6,59. Nocte latent mendae, vitioque ignoscitur omni Nachts sind die S nden verborgen und verzeiht man jedem Laster OVID., ARS 1,249. Mlat. Scuta die portat, sed node in stercore iactat Tags ber tr gt er den Schild, aber nachts wirft er ihn in den Dreck EGBERT., FEC. RAT. 1,452. Distulit ergo nefas in idonea tempora noctis, Noctis, quando solent patrari turpia, noctis, Quando impune placent quae sunt in luce pudori Er schiebt also den Frevel f r die g nstige Zeit der Nacht auf, der Nacht, wenn man Sch ndliches zu treiben pflegt, der Nacht, wenn ungestraft das gef llt, wor ber man sich bei Tageslicht sch mt GUALT. CAST., ALEX. 6,535. Nox et amor vinumque nichil moderabile suadent; Ilia pudore caret, Bachus (FLOR. GOTTING.: Liber} Amorque metu bers, wie 52 WERNER, BEITR. 143,374. FLOR, GOTTING. 295. Nox et amor vinumque carent moderamine, semper lila pudore caret, Liber Amorque metu Die Nacht und die Liebe und der Wein haben nichts Massvolles. Jene ist immer ohne Scham, Wein und Liebe (sind stets) ohne Furcht HAUREAU VI, 123 (l3.Jh.). Nox est culpae socialis, Crimen quaerit angulum Die Nacht ist die Bundesgenossin der S nde. Das Verbrechen sucht einen Schlupfwinkel ANALECTA 21,186,2. Nox ei amor vinumque nibil moderabile suadent Die Nacht und die Liebe und der Wein raten nichts Massvolles MONES ANZ. 7,507,133 (Hs. 13. Jh.). It. Ma il ben si fa di dt, aperto e fisto, E! mal di notte, in luogo ascoso e tristo Aber das Gute tut man tags, offen und sichtbar, das B se jedoch nachts, an verborgenem und d sterem Ort ABRAMO E AGAR (-»RAPPR. 1,22). Ogni scuffia lorda serue per la notte Jede dreckige Haube dient bei Nacht MERBURY 23.

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NACHT

63 N o r d . Pviat notten gerer margan diarvan at drygia, pat er rqzla meö scamfylle bannar a dagenn at gera Denn die Nacht macht manchen kühn, das auszuführen, was ihm die Furcht zusammen mit der Scham verbietet am Tage zu tun ALEXANDERS SAGA 104. 64 Nl. Nachtwerc scaemt hem gheerne. - Nocte laboratum non e$t opus vndique gratum Nachtwerk beschämt einen oft. — Was in der Nacht vollbracht worden ist, das ist kein Werk, das überall gefällt PROV, COMM. 541, 65 Dt. der naht tuot man vil Des man tages niht tuon wil In der Nacht tut man viel, 66 was man tags nicht tun wird THOM. v. ZIRCLARIA 8259. Nachtwerk beschemet ene 67 gherne Übers, wie 64 PROV, COMM. MND. 519. D^s nachtes doet men wal wat, des men sick des dagbes schamede to done Des Nachts tut man wohl etwas, was man sich 68 tagsüber schämen würde zu tun VEGHE 46,27. Nachtbölschap, vulheit, spei hebben mannigen in schaden gebrocht, - Nox, amor, ebrietas, ludus nocuere vel omni Nachtbuhlschaft, Völlerei und Spiel haben manchem Schaden gebracht. — Nacht, Liebe, Be69 trunkenheit und Spiel haben wohl jedem geschadet TUNNICIUS 769. Man spricht: die nacht ist unvor&champt: das ist war, drumb thutt man auch die werck ynn der nacht, der man sich schemet am tage Man sagt: „Die Nacht ist schamlos," Das ist wahr; darum tut man auch die Werke, deren man sich am Tag schämt, in der Nacht LUTHER, WAX. 1.2,13,3 (1522), Vgl. unten 6.2.1., DUNKEL 5., LICHT 4.2.

3.2.5. s. Inhaltsübersicht 3.2.6. In der Nacht ruht man sich von der Arbeit des Tages aus 70 M l a t . Quippe dies labori, noctesque quieti familiäres existere Denn die Tage sind gewöhnlich für die Arbeit und die Nächte für die Ruhe da SAXO GRAMM. 505, 36. 71 Fr. Coucher de nuict, matin seoir, droict a midy, aller au soir Des Nachts liegen, am Morgen sitzen, mittags aufrecht (stehen), am Abend gehen NUNEZ 1,250 (el Frances). 72 Pro v. Establi nueg e jorn ben e ginhozamens ... Lo jorns (lies mit RAYNOUARD: jorn} per afanar, la nuegz (lies mit RAYNOUARD: nueg) per pauzamens Er richtete Nacht und Tag gut und sinnvoll ein, den Tag zur Arbeit, die Nacht zum Ausruhen PEIRE DE COR(*MAHN 111,293 [= RAYNOUARD IV, 461 b ] ) . 73 Span. Haz la noche noche, y el dia dia, viviras con alegria Mach die Nacht zur Nacht und den Tag zum Tag, und du wirst mit Freuden leben! NUNEZ II, 178. 74 E n g l . For men sein that nyht hath reste Denn man sagt, dass die Nacht Ruhe hat GOWER, CONF. AM. 5,7296. — SCHLAFEN 37. Vgl. unten 96

3.2.7. s. Inhaltsübersicht 4. Nacht als trügerische Zeit 4.1. Nachts scheinen alle Katzen grau (schwarz) 75 S p a n . De noche los gatos, todos son pardos Nachts sind die Katzen alte grau NUNEZ 1,314. 76 Nl. By nachte sijn alle catten graeu. — Quod niger est nocte quiuis cattus latet hoc te Bei Nacht sind alle Katzen grau. — Dir ist es unbekannt, weil nachts jede Katze schwarz ist PROV. COMM. 126. 77 Dt. By nachttyden synd alle catten graw Zu Nachtzeiten sind alle Katzen grau PROV. 78 COMM. MND. 125. Des nachtes $int alle hatten grau, — Omnia nocte latent, nocttt omnis musio canus Des Nachts sind alle Katzen grau, — Alles bleibt in der Nacht

NACHT

79. so verborgen; nachts 1st jede Katze grau TUNNICIUS 184. schwartz FRANCK 1,34 v. EGENOLFF 296 r. VgL FRAU 1-4, 7- 8

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Zu nacht sindt all katzen

4.2. Nachts scheint alle Kleie (jedes Getreide) Mehl zu sein #J 82 83 84

Fr. Tout bren semble par nuit ferine Jede Kleie scheint in der Nacht Mehl zu sein CLEF D'AM. 220, Par nuyt semble bren far ine In der Nacht scheint die Kleie Mehl zu sein ET. LEGRIS 522 (= MORAW. 1591}. La nuyct tout bren semble farine Übers, wie 81 MISTERE DU VIEL TfesTAM. 1255. Par nuyt semble tout ble farine In der Nacht scheint jedes Getreide Mehl zu sein LEROUX 1,60 {l5. Jh.).

4.3. s. Inhaltsübersicht 4.4. Verschiedenes SS Fr. Fait de nuit est trop fort a prouver Nächtliche Tat ist zu schwer zu beweisen LEROUX II,299 (15. Jh.). 86 Span. De noche a la vela, la buna paresce doncella Nachts bei Kerzenlicht gleicht die Eselin einer Jungfrau NUNEZ 1,320.

s? ss. 89 90 91

5. Nacht als gefährliche Zeit 5.1. Die Nacht ist keinem gut gesinnt Dt. Dye nacht jst nymantz freunt Die Nacht ist niemandes Freund SCHWABACH 59. Dy nacht ist nymandis frund PROV. FRID, 6, Ir wißt, das die nacht ist niemands freund Ihr wisst, dass die Nacht niemandes Freund ist FASTNACHTSP. 388,18. Ir wist die nacht ist nimantz freunt Ihr wisst, die Nacht ist niemandes Freund EBD. 1243, 6. Hast du es nit vernummen, Das die nachte ist nyemand freund? Hast du es nicht vernommen, dass die Nacht niemandem freundlich (gesinnt) ist? SACHS 111,72,28 (1536).

5.2. s. Inhaltsübersicht 5.3. Nachts ist es gefährlich zu reiten und zu reisen 92 Dt. By nacht to wancken bringet var! Sodanen mochte vns by daghe mothen, He scholde vns seer vruntlyk graten-, Queme he by nachte in vnse ghemod, He dede vns quad vnde nummer gud Bei Nacht zu wandern bringt Gefahr. Mancher könnte uns bei Tag begegnen (und) würde uns sehr freundlich grüssen. Käme er uns bei Nacht entgegen, täte er uns Böses an und niemals Gutes REINKE Vos 994. -* REITEN 27, SEGEL 15, WIRTSHAUS 17, Vgl. TAG 15 5.4. s. Inhaltsübersicht 6. Umkehrung von Tag und Nacht

6.1. Alig. 93 Bibl. Noctem verterunt in dient Sie haben die Nacht zum Tag gemacht VULG,, IOB 94 17,12. Vnd haben aus der nacht tag gemacht LUTHERBIBEL, HIOB 17,12. 95 Prov, Pan de la nueg Jörn, e del jorn nueg Sie machen aus der Nacht Tag und aus dem Tag Nacht VICES ET VERTUS (-»RAYNOUARD IV, 318 a).

6.2. Spez. 6.2.1. Die Nacht ist der Tag der Spitzbuben 96 Span. La noche es descanso delos trabafos, encobrtdora de todos los malfechores Die Nacht ist die Ruhe von der Arbeit und die Hehlerin aller Übeltäter ENF. SAGE KASTIL. 37 (vgl. oben 3.2.6.}.

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NACHTIGALL

-^ DIEB 103-105, HURENJÄGER l, SCHLECHT 202, WUCHER 17. Vgl. oben 3.2.4., DIEB 3.7., FURCHT 255, JÜNGSTER TAG 3-7, SCHLECHT 2.2.9,, TEUFEL 1.5., TOD 3.2.2.1. 6,2,2.—6,2.4. s, Inhaltsübersicht 7. Verschiedenes 97 Ml a t. Quid est delectabile et odiosum? — Nox „Was ist erfreulich und verhasst?" — „Die Nacht" ADRIAN. ET EPICTITÜS 42. 98. 99 Span. Andar toda la noche, y amanecer en la posada (HALLER: en casa) Die ganze Nacht hindurch gehen und am Morgen zu Hause erwachen LOPEZ{?), REFRANES 86. HALLER 225.

V.M. Anmerkungen 1

2 3 4

Quod noctu volltat ist möglicherweise, wie SEILER, MLAT. SPRW. 465 vermutet, bloss eine Umschreibung für noctua ,Eule'. Vgl. ERASM., ADAG. CHIL. 1,1,76: Hoctua uoiat Die Eule fliegt (= glückliches Vorzeichen). Vgl. HASSELL] 31; WHITING N 101. N108. Vgl. HASSELL N 45. Dazu steht bei Nunez: Contra los inconstantes que cada dia mudan proposito Gegen die Unbeständigen, die jeden Tag ihren Entschluss ändern.

NACHTEIL -* GEWINN 7.1. NACHTFALTER s. SCHMETTERLING

NACHTIGALL / rossignol / nightingale 1. Die Nachtigall verdriesst es oft, wenn ein Esel oder ein Ochse brüllt (l —2) 2. Der Eselsschrei passt nicht zur Nachtigall (3 — 7) 3. Der Esel und die Nachtigall haben ungleichen Gesang (8 — 12) 4. Die Nachtigall und die Krähe (Lerche, der Kuckuck) singen nicht gleich (13 — 16). —» BAUM 171, ESEL 140, KUCKUCK 4, 5. Die Elster (Der Häher) werteifert mit der Nachtigall (17-19) 6. Die Nachtigall singt, auch wenn ihr niemand zuhört (20 — 21) 7. Wenn sich die Liebe der Nachtigall vollendet, dann schweigt sie (22—25) 8. Die Nachtigall kann nicht singen (26-28)

9. Verschiedenes (29-40)

1. Die Nachtigall verdriesst es oft, wenn ein Esel oder ein Ochse brüllt 1 Dt. Die nahtegal dicke müet, Swa ein esel öd ohse tuet Die Nachtigall verdriesst es oft, wenn irgendwo ein Esel oder Ochse brüllt FREIDANK 142,9 (=CARM. BUR. 2 17*, 29). Da von sprach her Frtdanc: „Ein nahtigai ofte sere müet, Ob ein ohse bi ir lüet" Darüber sprach Herr Freidank: „Eine Nachtigall verdriesst es oft sehr, wenn ein Ochse nahe bei ihr brüllt" HUGO v. TRIMBERG 15316,14.

NACHTIGALL

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2. Der Eselsschrei passt nicht zur Nachtigall 3 M I a t . Vox asinina non concordat philomene Der Eselsschrei passt nicht zur Nach4 tigall PROV. WRATISLAV. 630. Vox asinina bene non concordat philomenae ... passt 5 nicht gut zur Nachtigall WERNER 2 v 95. Vox asini quid ad pkilomelam? Was soll der Eseisschrei bei der Nachtigall? BEBEL, PROV. GERM. 538. 6 Dt, Wo kumt dat dar by? — Quid factt ad cantum philomelae turpis asellus? Wie passt das dazu? — Was tut der h sslkhe Esel beim Gesang der Nachtigall? TUNNICIUS 7 1326. Wie feyn stympt Em er mit S, Paulo> wie der Esell mit der nachtgall Wie gut stimmt Emser mit St. Paulus berein·, wie der Esel mit der Nachtigall LUTHER, WA VII, 649,20 (1521).

3. Der Esel und die Nachtigall haben ungleichen Gesang 8 Dt. Der esel und diu nabtegal Singent ungesehen schal Der Esel und die Nachtigall 9 singen einen ungleichen Gesang FREIDANK 142,7 (=CARM. BUR, 17*,41). Non sunt voce pares asinus cantu philomela, Horrida vox hujus, vox est illius amena. — Der esel und dy nachtigal Singent nicht gleichin schal Der Esel und die Nachtigall haben beim Singen nicht die gleiche Stimme; die Stimme jenes ist schrecklich, die Stimme dieser ist lieblich. — Der Esel und die Nachtigall singen nicht den gleichen Gesang FREIDANK 10 LAT. (G RLiTz) 774. Der esel und die nahtigal Die hant gar ungelichen schal Der Esel n und die Nachtigall haben sehr ungleichen Gesang STRASSBURG 4, Ein es! und dy nachtigail habent ungelichen hal Ein Esel und die Nachtigall haben ungleichen Hall 12 PRAG 39. Der esell und dy nachtigail Haben gar vngeleich schall. — Vox asinina non concordat ad philomena Der Esel und die Nachtigall haben sehr ungleichen Gesang. Der Eselsschrei passt nicht zur Nachtigall KLAGENFURT 2.

4. Die Nachtigall und die Kr he {Lerche, der Kuckuck) singen nicht gleich 13 Dt. Der nahtegalen und der kr sanc Die gebent ungelichen klanc, Als tuot der galander Der Gesang der Nachtigall und der Kr he ergeben einen ungleichen Klang; ebenso H verh lt es sich mit der Lerche H EIN R. v. D, TURLIN 6302. Nahtegal und raben sanc R t gar ungelichen klanc Nachtigallen- und Rabengesang haben sehr ungleichen Klang /5 HEINR. D. TEICHNER (KARAJAN) 131. Ich tuon als da der goche sanck. Galander unde nachtigal Die haben ungelichen schal Ich singe (w rtl.: tue), wie wenn der Gesang der Kuckucke (ert nt): Lerche und Nachtigall haben einen ungleichen Gesang HERMANN 16 v. SACHSENHEIM, MOERIN 1160. Ain nahtgall singet suss gesank, vnd auch ain gukauch seinen klank. Ain rab singt als ain rabe, Er schreiet nur ,grub, grabe!' Eine Nachtigall singt s ssen Gesang, wie auch ein Kuckuck seinen Gesang (singt); ein Rabe singt wie ein Rabe, er schreit nur: „Grub, grabe!" BEHEIM, BUCH v. D. WIENERN 49,28. -» BAUM 171, ESEL 340, KUCKUCK 4.

5. Die Elster (Der H her) wetteifert mit der Nachtigall 17 Gr. Ου θεμιτόν, Λάκων, ποτ' άηδόνα κίσσας έρίσδειν Es geh rt sich nicht, Lakon, dass H her mit der Nachtigall wetteifern THEOKR. 5,136. is M l a t . Pica cum luscinia certat Die Elster wetteifert mit der Nachtigall ERASM., ADAG. CHIL, 1,8,72. 19 Dt. Pica cum luscinia certat. ~ Die hetz streit mit der Nachtgall FRANCK 1,2r.

6. Die Nachtigall singt, auch wenn ihr niemand zuh rt 20 Dt. Diu nahtigale singet, Ir sanc vil ofte erklinget, Da niemen hoeret sinen klanc Die Nachtigall singt; ihr Gesang ert nt sehr oft da, wo niemand seinen Klang h rt KONR.

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NACHTIGALL

21 v. WÜRZBURG, PARTONO p, 123. Ich taete alsam diu nahtegal, Diu mit ir sanges döne selben dicke schone Die langen stunde kürzet Ich täte wie die Nachtigall, die mit der Weise ihres Gesangs sich selbst oft auf angenehme Weise die lange Zeit verkürzt KONR. v, WÜRZBURG, TROJ. KR. 192,

7. Wenn sich die Liebe der Nachtigall vollendet, dann schweigt sie l 22 M l a t . Philomena ... statim quando vacat actui generations cum femella, incipit perdere cantum Sobald sich die Nachtigall zusammen mit dem Weibchen mit der Zeugung beschäftigt, geht ihr Singen zu Ende IAC. LAUS., SERM. 128. 23 Fr. Quant le rossignol a jouy de ses amours, il suhle Wenn die Nachtigall ihre Liebe genossen hat, dann pfeift sie LA TOUR LANDRY 224. 24 Engl. As the nightyngales, as longe as they be amerouses, they synge plesauntiy day and night; and whanne they haue reioysed tbaire amerous desyre and piesaunces, thei make abacs melodye, for thei synge no more Wie die Nachtigallen Tag und Nacht angenehm singen, solange sie verliebt sind; und wenn sie ihr verliebtes Verlangen und Vergnügen genossen haben, lassen sie die Melodie herabsinken, denn sie singen nicht mehr LA TOUR-LANDRY ENGL. 156,28. 25 Dt. Ez ist site der nahtegal, Swan sich ir liep volendet, so geswiget sie Es ist Gewohnheit der Nachtigall: Wenn sich ihre Liebe vollendet, dann schweigt sie HEINR. v. MORUNGEN {*MF 127,34}.

8. Die Nachtigall kann nicht singen 26 La t. Pol ego metuo, luscimoiae ne defuerit cantio Ich fürchte wahrhaftig, dass die Nachtigall keinen Gesang mehr hat FLAUT., BACCH. 38.

27 Miat. Lusciniae deest cantio Die Nachtigall hat keinen Gesang ERASM., ADAG. CHIL. 3,6,77. 28 Dt. Lusciniae deest cantio. - ... Die nachtgall kan nit singen FRANCK 11,21 r.

9. Verschiedenes 29 M l a t , Dulcfs in solitis cantat philomela rubetis Die süsse Nachtigall singt in den Sträuchern, die sie gewohnt ist ALBERT. STAD., TROILUS 6,35. 30 Fr. // n'est mie fol Ki croit conseil de ioussignol Der ist nicht dumm, der dem Rat der Nachtigall vertraut WISTACE 1164, .u It. ... ilgocciolone ehe l'asino dal rosignuolo non discerneria Der Narr, der den Esel nicht von der Nachtigall unterscheiden würde BIBBIENA, CALANDRIA 53 (2,9). 32 Span. Antes al ruisenor que cantar, que a la muger que pariar Eher (wird) der Nach33 tigall das Singen (vergehen) als der Frau das Schwatzen NUNEZ 1,103. Mayor velador, que en verano el ruisenor Einer, der länger wacht als die Nachtigall im Sommer EBD. II, 362. 34 Dt. Mir geschiht ... Als der nahtegal, diu stzzet tot ob tr vröuden sank Mir geht es wie der Nachtigall, die über ihrem Freudengesang stirbt 2 OTTO v. BOTENLAUBEN 5,2 35 (*MSH 1,28 b) (vgl. SCHWAN 2.}. Die nahtegal Die müs je singen, Wan ir nature spilet von minnen al. Der ir das beneme, so were si tot Die Nachtigall muss immer singen; denn ihre Natur ist von Liebe ganz vergnügt. Wenn ihr jemand das nähme, 36 dann wäre sie tot MECHTHILD 27. Aleine ein stolziu nahtigal In weiden habe gar süezen schal, Doch ist ein esel nutzer vil Denne si, swer ez eben merken wil Obschon eine prächtige Nachtigall in den Wäldern einen gar süssen Gesang hat, ist ein Esel dennoch viel nützlicher als sie, wenn es sich jemand genau merken will HUGO v. TRIM-

NACHWERFEN

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37 BERG 24500. Singh ich nicht mit der nachtegal, So gworr ich mit den wuschen in dem grabe Singe ich nicht mit der Nachtigall, so quake ich mit den Fr schen im Graben 38 HANS (BRUDER) 1117 (vgl. FROSCH S3). De nachtegale kan alle wege singen. - Non deest lusciniae cantus nee verba puellis Die Nachtigall kann immer singen, — Der Nachtigall fehlt der Gesang nicht, und den M dchen (fehlen) die Worte nicht TUNNI39, 40 cius 158. Es bat kein nacbtgall so gn g im kefich, sie sucht lieber dau jr spei Keine Nachtigall hat so viel (zu fressen) im K fig, dass sie nicht lieber ihre Nahrung draussen sucht FRANCK II, 124 r. EGENOLFF 129 r (vgl. VOGEL 1.6.). H. R., rev. V. M.

Anmerkungen 1

Vgl.

ZlLTENER4027ff.

2

Vgl.

ZlLTENER4024f.

NACHWERFEN s. WERFEN NACKEN -* HALS 2.1., MAUS 61, SEHEN 134 NACKT / nu / naked 1, Nacktheit ais Anfangs- und Endzustand 1.1. Nackt kommen wir zur Welt, nackt scheiden wir aus ihr (l -SO), Vgl. BAHRE 1., BRINGEN 6., ELLE 1., ERDE 9.2., FUSS 5., GELD 3.3., GRAB !., GUT (Subst.) 3.3., HABEN 3.6., HAUS 8., HERR 11., KAISER 1.2., KLEID 2.8., KNOCHEN 1.1., K NIG 7., LASSEN 7., LEBEN 1.7.1.4., NICHTS 3., REICH 4.2., TOD 6.4.2.2., TUCH 6., TUN 74-75, WO 1. 1.2. Nackt wie aus dem Mutterleib (51-59) 2, Nacktheit als Nachteil 2.1. Der Nackte ist verlegen (vor dem Bekleideten) (60-61) 2.2. Verschiedenes (62—63) 3. Nacktheit als Vorteil 3.1. Der Nackte ist schwer zu berauben und zu entkleiden (64-84). Vgl. ARM (Adj.) 3.5.2., DIEB 13.L, GEHEN 8.8., GUT (Subst.) 3.9., HABEN 6.3.1.2., NICHTS 6., REICH 66, SCHLAFEN 4,2,3., SINGEN 12. 3.2. Der Nackte ist dem Bekleideten im Kampf berlegen (85-88). hnlich (89) 3.3. Der Nackte kann besser schwimmen -> SCHWIMMEN 24-25 3.4. Eine h bsche Frau ist nackt sch ner als ausstaffiert (90-92) 4. Verschiedenes (93-99)

l. Nacktheit als Anfangs- und Endzustand 1.1. Nackt kommen wir zur Weit, nackt scheiden wir aus ihr 1 2 3 4

B i b l . Nudus egressus sum de utero matris rneae, et nudus revertar illuc VULG., IOB 1,21. Ich bin nacket von meiner Mutterleibe k rnen, nacket werde ich wider da hin faren LUTHERBIBEL, HIOB 1,21. Sicut egressus est nudus de utero matris suae, sie revertetur, et nihil auferet secum de labore suo VULG., ECCLES. 5,14. Wie er nacket ist von seiner Mutterleibs komen, So feret er wider hin .,. und nimpt nichts mit sich von seiner Erbeit LUTHERBIBEL, PRED. 5,14. 5 Gr. Γης έπέβην γυμνός γυμνός θ1 οπό γαΐαν απειμν Kai τί μάτην μοχθώ γυμνον ορών το τέλος; Nackt bin ich aus der Erde gekommen, und nackt gehe ich wieder unter die

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Erde. Und da ich sehe, dass das Ende nackt ist, was soll ich mich dann vergeblich abm hen? PALLADAS (*AP 10,58). La t. Haut ullas portabis opes Acherontis ad undas, Nudus at inferna, stalte, vehere rate Du wirst keine Sch tze zu den Gew ssern des Acheron bringen, vielmehr wirst du nackt, du Tor, auf der Unterweltbarke fahren PROP. 3,5,13. At ego ... tnanimis, nudus et frigidus et lotto periutus, quasi recens utero mains edttus Und ich bin leblos, nackt und kalt und mit Urin bersp lt gleichsam wie neu aus dem Bauch der Mutter zur Welt gebracht worden A PUL,, MET. 1,14. Infantem nudum cum te natura crearit Paupertatis onus patienter ferre memento Da dich die Natur als nacktes Kind hervorgebracht hat, denke daran, die B rde der Armut geduldig zu tragen! PS. CATO, DIST. 1,21 ( - A R M [Adj.] 1). Mg r. Γης έπέβην γυμνός· γυμνός δ' υπό γαΐαν άπειμι bers, wie 5 APOSTOLIOS 5,41 e. M l a t . Nudis aduentus, nudisque reuersio certa Nackten ist die Ankunft und Nackten die R ckkehr bestimmt EGBERT., FEC. RAT. 2,62. Est hominis nudum nasci nudumque reverti Ad matrem Es ist des Menschen Los, nackt geboren zu werden und nackt zur Mutter zur ckzukehren HILDEBERT. (HAUREAU) 84 (= WERNER, BEITR. 96,223,64 Zus.). Nudus eras prime et postea nudus ens Nackt warst du zuerst und nackt wirst du zuletzt sein HENRIC. SEPT. 600. Cum sit inops natus quisquis nudusque creatus, Pauperiem grandem uincat patientia tandem Da jeder arm geboren und nackt erschaffen worden ist, m ge Geduld schliesslich die grosse Armut berwinden CATO NOVUS 41. Nudus tngrederis, Nudus egrederis Nackt kommst du, nackt gehst du PHIL, CANCELL. (+ANALECTA 21,139,2). Intrasti nudus hue, nicht! inde feres Du bist nackt hierhergekommen, nichts wirst du von da wegtragen GUIARDINUS 152. Stcque fui nata, sic surgere nuda par ata Und so wurde ich geboren, und ebenso bin ich bereit, nackt zu auferstehen PETR. LEMOVICENS., DISTINCT. SUB MULIERE (*LECOY 446). Nudum me genuit mundus, nudum me {WERNER2: nudumque} remittit Nackt brachte mich die Erde hervor, (und) nackt schickt sie mich zur ck PROV. WRATISLAV. 399. WERNER 2 n 2 82. Fr. Refoif volentiers la poverte Que dameldieu t'aura soufferte; Riens contre dieu ne doiz requerre, Car tu nasquis tot nuz seure terre Nimm die Armut willig an, welche dir der Herrgott auferlegt hat! Nichts sollst du gegen Gottes Willen (w rtl.: gegen Gott) verlangen; denn du wurdest ganz nackt auf der Erde geboren J. DE PARIS, CATO 347. Soies liez en ta povrete, Car tu scez bien te verite Que tu fus nus et povres nez; Cils confors est a touz do(u)nez Sei froh in deiner Armut; denn du kennst die Wahrheit wohl, dass du nackt und arm geboren wurdest! Dieser Trost wird allen gegeben ADAM DE SUEL, CATO 253. Soiez lie En ta poverte Car tu sees Bien de verite Que tu fus nu Et povre ne; Se counseil est a touz Donne Sei froh in deiner Armut; denn du weisst in Wahrheit wohl, dass du nackt und arm geboren wurdest! Dieser Rat wird allen gegeben PSEUDO-CATO FRG. 147c. Enfant tout nu t'a procree Nature; Rien n'aportas tout gist a l'aventure. Soiez proudom de bonne conscience; Τα povete doiz prendre en pascience Als ein ganz nacktes Kind hat dich die Natur hervorgebracht, nichts brachtest du mit; alles liegt beim Zufall. Sei ein Ehrenmann von guter Gesinnung! Deine Armut musst du in Geduld hinnehmen J, LEFEVRE, CATO 169. Tout nud fuz nez de ta propre nature, Riens n'apportas: tout gist en adventure. Soy es preudhons de bonne conscience; Ta pouvrete dois prendre en pacience Ganz nackt wurdest du von deiner eigenen Natur geboren, nichts brachtest du mit; alles liegt beim Zufall ... PROV. D. SAGES 111,191. De cecy dit Job, pour sa part: „Je vins du ventre nu sur terre; Nu m 'y fault retourner grant erre" Davon sagt Hiob seinerseits: „Ich kam nackt aus dem Bauch auf die Erde, nackt muss ich rasch dahin zur ckkehren" G. ALEXIS II, 120,278 (Contemptus mundi). Je suis ne et issu tout nu Du ventre ma meret et si Je congnois bien qu 'U est ainsi Que

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tout nu y retourneray Ich bin ganz nackt geboren worden und aus dem Bauch meiner Mutter gekommen, und ich erkenne sehr wohl, dass ich ebenso ganz nackt dahin zurückkehren werde MISTERE DU VIEL TESTAM. 36950. Pro v. Nu a! mont venen e nu nos en retornen Nackt kommen wir auf die Welt, und nackt kehren wir daraus zurück CHOIX II, 104 (La Barca). It. Ben sai q'eu uigni en questo mondo nuo Ich weiss wohl, dass ich nackt in diese Welt gekommen bin UG. DA LODI 531. Cbe gnudo fue primeramente nato Denn nackt wurde er zuerst geboren CHIARO DAVANZATI (+ANTICHE RIME 285,38 [= ANTICHE RIME voLG. 219]). Nudo di madre uom nacque e cosi stä, Poscia ritorna nudo e stassi li Nackt wurde der Mensch von der Mutter geboren und so ist er da, danach kehrt er nackt zurück und bleibt dort ANT. DA TEMPO 106. Impero ehe noi nasciamo tutti nudi, e nudi ritormamo nel corpo della prima nostra madre Da wir aile nackt geboren werden und nackt in den Leib unserer ersten Mutter zurückkehren ANDREA DA BARBERINO, REALI DI FR. 1,37 S. 112, Engl. Gyf pu earm wurde, geoaenc past pu hit eaöe gedolige, geöcsnc facet pin moder /je hnacodne geb&r Wenn du arm wirst, denke daran, dass du es willig erträgst, denke daran, dass deine Mutter dich nackt gebar! EARLY HOM. 4,7. Job ... cwceö, „Hnacod ic corn of minre moder innoöe, and nacod ic sceal heonen gew&ndan" Hiob sagte: „Nackt bin ich aus meiner Mutter Bauch gekommen, und nackt werde ich von hier weggehen" EBD. 125,3. Sopliche nakede and bare. Wtp wope and wip kare. We come to pisse lyue. And so we schule fare. And a! we prude pare Vor-leten and bileuen Wahrhaftig nackt und bloss, mit Tränen und Sorgen kamen wir in dieses Leben, und so werden wir davongehen und all unsern Hochmut da zurücklassen und aufgeben RELIGIOUS POEMS 3,211. How I com in to pis world: Bope naked and bare Wie kam ich in diese Welt? Nackt und bloss VERNON MS. 37,198, In to pis world pus com I wrecched and bare, And so, wot I we!, I schal hepen fare In diese Welt kam ich auf diese Weise elend und nackt, und so, das weiss ich wohl, werde ich von hier weggehen EBD. 37,205. Infantem nudttm cum te natura creauit, Paupertatis onus pacienter ferre memento. — Kant en le mound venisti vif, Poure e cheytif, E nu e dolent, Le charge de pouerte, De meseyse e de pite Suffrez le bonement. — Sipen pat kynde hap pe formed A luytel naked chylde, Pe charge of pouert loke pou bere, And beo hope meke and mylde Übers, wie 8. — Da du lebend, arm und elend und nackt und leidend in die Welt gekommen bist, ertrage willig die Bürde der Not und des Elends! - Da die Natur dich zu einem kleinen, nackten Kind geformt hat, schau zu, die Bürde der Armut zu tragen, und sei demütig und sanft! EBD. 50,193. Ffor, pore we kam in-to this lyffe, And nakyd, (Who taketh heede ther-to,) Out off this lyffe we schal eke go Denn arm und nackt kamen wir in dieses Leben - wer beachtet dies? -, und (so) werden wir auch aus diesem Leben scheiden LYDGATE, PILGR. LIFE 18338. Nl. AI bestu arem man van hauen Ende van rijcbeden zeere bescauen, Bepeinsti dattu hier te voren Naect ende arem waers gheboren Wenn du an Vermögen ein armer Mann und ganz ohne Reichtum bist, (dann) bedenke, dass du hier zuvor nackt und arm geboren worden bist! CATO MNL. 79. Ende wy quamen alle op eerterike arme ende naect Und wir kamen alle arm und nackt auf das Erdreich SIDRAC MNL. 63,7. Dt. Zer werlde komen wir äne wat; In swacher wät ouch sie un$ lät. Zer werlde ich blözer komen bin, Dm lät mich ouch mhi füeren hin Auf die Welt kommen wir ohne Kleider. In geringem Kleid entlässt sie uns auch. Auf die Welt bin ich nackt gekommen, sie lässt mich auch nichts mitnehmen FREI DANK 177, l (= KLEID 222). Welt, ich bän dinen Ion ersehen: Swaz du mir gist, daz nimest du mir. Wir scheiden alle bloz von dir Welt, ich habe deinen Lohn gesehen, Was du mir gibst, das nimmst du mir. Wir scheiden alle nackt von dir WALTHER v. D. VOGELWEIDE 67, 8. Wan du nacket würde geborn,

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So lä dir niht wesen zorn, Qbe dir armuot Under wnen bre&ten tuot Da du nackt geboren wurdest, werde nicht zornig, wenn dir deine Armut bisweilen weh rut! CATO 175. Wir wurden alle nacket geborn Wir wurden alle nackt geboren ULR. v. ESCHENBACH, ALEX. 2002. Der wise man Aristotiles Disiu wort sprach, under des Er scheiden muoste von disem Itbe, Diu ich in tiutsche iu hie schribe: „In dise werlt kam ich bloz Und lebet mit angest, diu was gröz, Und scheide betrüebet nu van hinnen Ane witze, äne sinnen uzen und innen!" Der weise Mann Aristoteles sprach, als er aus diesem Leben scheiden rnusste, diese Worte, die ich euch hier auf deutsch hinschreibe: „In diese Weit kam ich nackt und lebte da mit einer Angst, die gross war. Und nun scheide ich ohne Wissen, ohne Empfindung aussen und innen von hinnen!" HUGO v. TRIMBERG 24381. Als her Job spricht, Nagket pin ich auf die erd chomen und nagkchend chom ich hin wider Wie Herr Hiob sagt: „Nackt bin ich auf die Erde gekommen, und nackt gehe ich wieder davon" GESTA ROM. DEUTSCH 78 a. Vnde sprek: blot bistu geboren. Hirvmme litt de armode In der dult mit diner gude Und spricht: „Nackt bist du geboren, daher ertrage kraft deiner Güte in Geduld die Armut!" STEPHAN, CATO ND. 623. Infantem nudum cum te natura creauit. Paupertatis hontts pacienter ferre memento. Sint dy nature dich so linde. Nack geschaffen hot von kinde. So gedenke vnd trag geduldeclich, Armutis bürde druckit se dich Übers, wie 8. — Da die Natur dich von Kindheit an auf so weiche Art nackt geschaffen hat, so denke daran und trage die Bürde der Armut geduldig, wenn sie dich drückt! CATO OMD. (ZroA 34) 250. Aristotiles schreibt in seinem puech: „Ich cham nackent an ain tuech, Recht als ain tor ane sin, Und nackend var ich wider bin" Aristoteles schreibt in seinem Buch: „Ich kam nackt (und) ohne ein Tuch genau wie ein Tor ohne Verstand; und nackt fahre ich wieder von dannen" VINTLER 367. Wand wir sind alle glich in sunden empfangen Und uß müterlip nackend gegangen, Also scheidend wir glich nackend von hinnen Denn wir sind alle gleicherweise in Sünden empfangen worden und nackt aus dem Mutterleib gekommen, desgleichen scheiden wir ebenso nackt von hinnen SPIEGELBUCH 564. Wyr werden alle naket gebaeren; Geyn eygen goet yn haynt wyr tzwaren Dan vnse siele Wir werden alle nackt geboren. Kein Eigentum haben wir fürwahr ausser unserer Seele VOM ÄNDERN LAND 20 (Hs. 15. Jh. [+ZFDA 44,120]}. Vgl. BAHRE 1., BRINGEN 6., ELLE 1., ERDE 9.2., FUSS 5., GELD 3.3., GRAB 1., GUT (Subst.) 3.3., HABEN 3.6., HAUS 8., HERR 11., KAISER 1.2., KLEID 2.8., KNOCHEN 1.1., KÖNIG 7., LASSEN 7., LEBEN 1.7.1.4., NICHTS 3., REICH 4.2., TOD 6.4.2.2., TUCH 6., TUN 74-75, WO 1.

1.2. Nackt wie aus dem Mutterleib si-S3 Mgr. Nackt wie aus dem Mutterleib PS. DIOGENIAN. 4,2. GREG. OP. LEID. 1,82. APOSTOLIOS 5,72. 54 M l a t . Tam nudus, quam ex matre So nackt wie aus der Mutter ERASM., ADAG. COLL. 55 27 v. Nudus tanquam ex matre Nackt wie aus der Mutter ERASM,, ADAG, CHIL. 56 2,8,44. Hoc dictum et hodie uulgo nostrati est in ore, tarn nudus quam natus erat Dieses Sprichwort ist auch heute bei unsern Leuten geläufig: „So nackt, wie er geboren war" EBD. 57 E n g l . Ner also naked, so he was born Beinahe so nackt, wie er geboren war HAVE LOK SS 1949. As naked as he was bore So nackt, wie er geboren war MANNYNG, HANDLYNG SYNNE5697. 1 59 Dt. Die aller bände kleider bar Unde nackent wären, Als si ir müeter gehären Die von Kleidern jeder Art entblösst und nackt waren, wie ihre Mütter sie geboren hatten HEINR. v. D. TÜRLIN 28637.

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2. Nacktheit als Nachteil 2.1. Der Nackte ist verlegen (vor dem Bekleideten) 60 Nord. Neiss er nekkvi&r hair Verlegen ist der nackte Mann HÄVAMÄL 49,6, 61 Dt. A/so der nackete sich me schämet vor dem gekleideten denne vor ändern nacketen Genauso wie der Nackte sich vor dem Bekleideten mehr schämt als vor ändern Nackten DAVID v. AUGSBURG 349,34.

2.2, Verschiedenes 62 Fr. Meuz vaut gros qe nue dos Besser ist ein fetter a is ein nackter Rücken CAMBR. SAMML. (*LEROUX 11,478 [=MORAW. 1264]). 61 N o r d , Segja skal fmrsi, ef bann sitr nokkvidr viö eld Man soll zu einem Riesen sprechen, wenn er nackt beim Feuer sitzt HEIBARVIGA SAGA 14 S. 258.

3. Nacktheit als Vorteil 3.1. Der Nackte ist schwer zu berauben und zu entkleiden 64 La t, Nudo detrahere vestimenta me iubes Du befiehlst mir, einem Nackten die Kleider 65 wegzunehmen FLAUT., ASIN. 92. An ignores, inepte, nudum nee a decem palaestritis despoliari posse? Oder weisst du, Tor, nicht, dass ein Nackter auch von zehn Ring66 kämpfern nicht beraubt werden kann? APUL., MET. 1,15. Nudus latrones non timet Der Nackte fürchtet die Räuber nicht HIERON., VITA HILAR. 12 (33 B). 67 Ml at. Nudum culum nullus spoltabit Keiner wird einen nackten Arsch berauben SAL. 6« ET MARC. 68 b Var. Armati nudum non privant quattuor unum Vier Bewaffnete be69 rauben keinen einzigen Nackten WERNER 2 a 115, Difficile est nudum spoliare Es ist 70 schwierig, einen Nackten zu berauben BEBEL, PROV. GERM. 469. Nudo vestimenta 71 detrahere Einem Nackten die Kleider wegnehmen ERASM., ADAG. COLL. 7 r. Nudo uestimenta detrahere2 ERASM., ADAG. CHIL. 1,4,76. 72 Fr. Quarante bien vestu ne despoilleroient un nu Vierzig gut Gekleidete könnten nicht 73 einen Nackten berauben VILAIN 107 (=MoRAW. 843 Anm.). Home nu ne puet on despoillier Man kann einen Nackten nicht berauben VJLAIN 107 Var. {= M o RAW. 843). 74 Homme nu ne pent nus hom despoillier Keiner kann einen Nackten berauben PROV. 75 RUR. 126. O« ne peut komme nu despouller Man kann einen Nackten nicht berauben ET. LEGRIS 505. 76 It. Nissun spogliera el cul nudo Keiner wird den nackten Arsch berauben SAL. E MARC. 20. 77 Nl. Eenen naecten aers can nyemant berooven Einen nackten Arsch kann niemand 78 berauben SAL. ENDE MARC. 10. Den naecten es quaet beroeuen. — Nudum priuare graue fit re vel spoliare Der Nackte ist schlecht zu berauben. — Es ist schwer, dem Nackten auch nur eine Kleinigkeit zu nehmen oder zu stehlen PROV. COMM. 172. 79 Dt. De nakede is quad to berouende Der Nackte ist schlecht zu berauben PROV. 80 COMM. MND. 172. De nakede is quät to beroven, — Vestimenta potest a nudo tollere nemo ... — Niemand kann von einem Nackten die Kleider nehmen TUNNICIUS 119. 81 Dusent en nemen nicht einem nakeden. — Mille nihil soli possunt subducere nudo Tausend nehmen einem Nackten nichts weg. — Tausend können einem einzigen Nack82. 83 ten nichts wegnehmen EBD. 242. Ein nackenden außziehen FRANCK 1,4 r. Man kan 84 keinn nackenden außziehen EBD. 1,117 r. Nudo uestimenta detrahere. ~- Man kan keinn nackenden außziehen Einem Nackten die Kleider wegnehmen. - ... EBD. II, 97r. Vgl. ARM (Adj.) 3.5.2., DIEB 13.1., GEHEN 8.8., GUT (Subst.) 3.9., HABEN 6.3.1.2., NICHTS 6,, REICH 66, SCHLAFEN 4.2.3., SINGEN 12.

327

NACKT

3.2. Der Nackte ist dem Bekleideten im Kampf überlegen 85 Mlat. Nudi ergo cum nudis luctari debemus. Nam si vestitus quisquam cum nudo luctatur, citius ad terram dejicitur, quia habet unde teneatur Nackt müssen wir mit Nackten kämpfen; denn wenn ein Bekleideter mit einem Nackten kämpft, wird er schneller zu Boden geworfen, weil er etwas hat, woran er gehalten werden kann GREG. 86 M,, HOM. IN EVANG, 2,32,2 (1233 B). Vestitus si cum nudo luctamina temptet, Sternitur indutus, quod uestibus inpediatur Wenn der Bekleidete mit dem Nackten Kämpfe aufnimmt, wird der Bekleidete zu Boden geworfen, weil er durch die Kleider behindert 87 wird EGBERT., FEC. RAT. 2,57. Nudus athleta fortius dimicat. Natator exuitur, ut ftumen transeat Der nackte Athlet kämpft tüchtiger. Der Schwimmer zieht sich aus, um den Fluss zu überqueren PETR. BLES., ER 44 (1,135} (= SCHWIMMEN 24). 88 It. Mai non e ioco ben partito D'antre to nuo el ben uestito Es gibt nie ein gut verteiltes Kampfspiel zwischen dem Nackten und dem gut Bekleideten UG. DA LODI 1127. Ähnlich: 89 N o r d , Puiat kl&ölausum er bezt at leika Denn die Nackten (wörtL: die Kleiderlosen) können sich am besten bewegen ISL. &\. 22,163 (= GERING 69. JONSSON 93) (= KLEID 335).

3.3. s. Inhaltsübersicht 3.4. Eine hübsche Frau ist nackt schöner als ausstaffiert 90 La t. Pulchra mulier nuda ent quam purpurata pulchrior Eine schöne Frau wird nackt schöner sein als in Purpur PLAUT., MOST. 289. 1i K a t . Si no haguesses dit que no Serien preades res, si höm les veya en l'estament qtte ixen del Hit. Af o verament no es de soferirr car jo he vist lo contrari d'algunes qui eren sens comparacio pus belles nues que vestides, y desüigades que ben parades Wenn du nicht gesagt hättest, dass sie geringgeschätzt würden, wenn man sie so sähe, wie sie aus dem Bett steigen. Das ist wahrlich nicht zu dulden; denn ich habe bei einigen im Gegenteil gesehen, dass sie nackt unvergleichlich schöner waren als angekleidet und ausgezogen (schöner) als herausgeputzt BERNAT METGE (-»GIESE 209,4). 92 Dt. £5 schreibt Plautus, das ein hübsche, nackende fraw sey hübscher, dann so sie ist mit purpur gekleidet Es schreibt Plautus, dass eine hübsche Frau nackt hübscher sei, als wenn sie mit Purpur bekleidet ist ALBR. v. EYB, EHEBÜCHLEIN 17,21.

4. Verschiedenes 93 M l a t . Heu! Quid agam? aum nudus earn, tarn praeterit aestas-, Ad patnam remeare meam me cogit egestas Wehe! Was soll ich tun? Während ich nackt wandle, vergeht nun der Sommer; Armut zwingt mich, in meine Heimat zurückzukehren WERNER 2 b 12. 94 Rem nudi nescit, qui tnulta veste calescit Der weiss nicht um das Los des Nackten, welcher sich mit vielen Kleidern wärmt EBD. r 44 (vgl. BAUCH 2.2.6., DURST 6., GESUND 3.2., KRANK 8.2., REICH 6.7., SATT 4.2.). 95 It. E un' altra Scrittura dice: L'uomo st vuole stimare ignudo, a voler sapere ciö ehe e' vale Und eine andere Schrift sagt: „Man muss den Mann nackt einschätzen, wenn 96 man wissen will, was er wert ist" MAZZEI, LETTERE 1,202 (1398). Spogliateci tutti ignudi, foi ci vedrete simtli Zieht uns alle nackt aus, (und) ihr werdet uns (alle) gleich seheni MACHIAV., IST. FIOR. 3 {1,166). 97. 98 S p a n . AI hombre desnudo mas valen dos camisones que uno Für den nackten Mann 99 sind zwei Hemden mehr wert als eines NUNEZ 1,49. HALLER 434, Desnuda ni vestida,

NADEL

328

nunca pude (lies mit CORREAS 321; puede] ser limpia Nackt oder bekleidet, nie kann sie sauber sein NUNEZ I, 306.

V.M. Anmerkungen 1 2

Vgi. WHITING B466. M721. W221. Erasmus zitiert an dieser Stelle Dion Chrysostomos: Addudt et D. Cbrysostomus proverbium uulgo iactatum, quo dicebant, nee a centum uirts unum nudum spoliari posse Auch Di o Chrysostomus führt dieses im Volksmund verbreitete Sprichwort an, in dem man sagte, dass auch von hundert Männern nicht ein einziger Nackter beraubt werden könne. Vgl. auch EISELEIN 493 (mit der Quellenangabe „Apuleij. et Chrysost."); WALTHER 18885a. 39044. 39044al; WANDER 111,856 s.v. Nackter 6.

NADEL / aiguille / needle Hier auch AHLE, NADELÖHR, PFRIEM 1. Nadel und Faden sind wichtig —» FADEN 1. 2. Eine Nadel kann eine mit Luft gefüllte Blase durchstechen — HUND 526-527, 532-539, 543, 551, 558, 592-593, 611, 616-617, 621-623 1. Rom nagt an den Händen 1 1 Mtat. Roma quasi rodens manus Rom heisst soviel wie die an den Händen Nagende 2 GUALT. CAST., CARM. I 12,5. Roma manus rodit; quas rodere non valet, odit Rom nagt an den Händen; diejenigen, an denen es nicht nagen kann, hasse es WERNER 2 r 76. 3 Fr. Car de reungier mains est dite La citeiz qw n'est pas petite Denn nach dem an den Händen Nagen ist die Stadt benannt, die nicht klein ist RUTEBEUF 11,224,161. 2.-4, s. Inhaltsübersicht

V.M.

NAH

336

Anmerkung 1

Nach einer pseudo-etymologischen Deutung des Namens Roma aus rodens manus ,die an den Händen Nagende'.

NAH / proche / near Hier auch NÄCHST, NÄHE, NÄHERN (sich) Vgl. NACHBAR 1. Nähe ist von Vorteil 1.1. Je näher man bei der Quelle schöpft, um so reiner ist das Wasser —* BRUNNEN 44, 47 1.2. Nahe am Knochen ist das Fleisch am besten — HERR 406-407, 411, 414415. Vgl. FREUND 5,5. Ähnlich (l) 2. Das Nahe ist dem Fernen vorzuziehen 2.1. Allg. (2-4) 2.2. Spez. 2.2.1. Wenige (Freunde) in der Nähe sind besser als viele iti der Ferne (5—7). Vgl. FREUND 4.4.1., GUT (Adj.) 1.10. 2.2.2, Besser ein Freund in der Nähe als ein Bruder (Verwandter) in der Ferne (S—10). Vgt. FREUND 4.4.1., GUT (Adj.) 1.10., NACHBAR 1.3. 2.2.3, Besser ein Nachbar in der Nähe als ein Bruder (Freund, Verwandter) in der Ferne —· NACHBAR 9-H, 17-18, 20-21 2.2.4. Lieber Binsen in der Nähe als Wiesen (ein Steinbruch) in der Ferne —* BINSE L, NACHBAR 11, WIESE 60-62, 64-68 3. Was einen selbst betrifft, liegt einem am nächsten 3.1. Jeder ist (sei) sich selbst der Nächste (11-24). — GLÜCK 705, Vgl. GUT (Adj.) 3,2., LIEBE 7.1.2. 3.2. Die Zähne sind einem näher als die Verwandten —* ZAHN 3. 3.3. Das Knie ist näher als die Wade -» KNIE 1. 3.4. Das Hemd ist näher als der Rock — HEMD 5, 7-13, 15-29 3.5. Keine Fehde geht einem so nahe wie diejenige, die man zu Hause hat —* HAUS 60—161. Vgl, KAMPF 279 4. Die Nase steht nahe bei den Augen und dem Mund —· NASE 3—6

5. Der ist einer Sache am nächsten, der sie in der Hand hält —» HAND 165—166 6. Nähe in Verbindung mit Tod, Feinden, Gefahr, Feuer, Schaden, Unglück, Unerwünschtem, Unangebrachtem und Kirchen 6.1, Der Tod ist nahe (rückt immer näher) — ENDE 35, TOD 384-385, 396, 404-405, 1003. Vgl. JÜNGSTER TAG 8 6.2, Wer den Tod von jemand anderem wünscht, ist seinem eigenen Tod nahe —* TOD 439, 441, 446 6.3, Man hüte sich vor heimlichen Feinden in nächster Nähe —* FEIND 36, 165. Vgl. FEIND i64 6.4, Wer vom Wolf spricht (seine Ohren sieht), vermutet ihn auch schon in der Nähe —* WOLF 177-178, 193-196 6.5, Man meide die Nähe von Herren —"· HERR 13, 6.6, Im Wald sind oft Zuhörer nahe -> HÖREN 182-184, Vgl, WEG 222, WORT 1178 6.7, Mancher freut sich über fremdes Unglück und ist dem eigenen nahe —* FREUDE 11.4. 6.8, Freue dich nicht über das Ungiück deines Nächsten — FREUDE 429, 435-436. Vgl. FREUDE 11.3. 6.9, Wenn die Schüssel (der Tisch) fern ist, ist der Schaden nahe —· GEFÄSS 14.3., TISCH 40

337

NAH

6.10. Je n her bei der Kirche, um so weiter weg von Gotf -* KIRCHE 1. Vgl. PAPST 4, 6.11. Je n her Rom, desto schlechter die Christen — ROM 12. Vgl. PAPST 4,

6.12. Die N he von Feuer 6.12.1. Je n her beim Feuer, um so eher verbrennt man sich -* BRENNEN 75, FEUER 38-39, 41, 43-44, 46-52, 54-55, 58-60, 63, 66, LIEBE 603 6.12.2. Stroh wird rasch vom nahen Feuer ergriffen — STROH 105, 110-111, 118-120, 123125, 127-128, 133. Vgl. STROH 7.1. 6.12.3. Werg (Heu) entz ndet sich nahe am Feuer leicht — FEUER 310, WERG 13-16, 18-19. Vgl, WERG 3.L 6.12A, Wenn es in der Nahe brennt, darf man sich nicht in Sicherheit wiegen — BRENNEN 7, 11 -14, 34-35. Vgl. BRENNEN 2,1. 6.12.5. Nahe am Feuer ist die Hitze gross — FEUER 19-21, 23, 25-26, 28, 30, 34-35 6.12.6, Fernes Wasser l scht nahes Feuer nicht — WASSER 10.2.2. 7. Der N chste Vgl. oben 3.1.,6.8. 7.1. Man soll seinen N chsten lieben wie sich selbst (25). — GLEICH 141, 155, GOTT 1140, 1I81-II82, 1201, 1210, 1215, 1234-1237, 1256, 1258, LIEBE 1503-1515, 1517-1538, 1540-1551, 1554, 1792-1793, 1795-175*7, SORGE 15 7.2. Den Splitter im Auge des N chsten sehen, den Balken im eigenen nicht —* AUGE 361, 363364, 387, 391, 395, 399-400, Vgl. AUGE 11.3. 7.3. Was einer will, dass man ihm tue, tue er seinem N chsten — TUN 226, 242, 251 8. Oft sind uns die nahe, von denen wir meinen, dass sie fern seien (26-27). —» WORT 1178 9. Wer sich von weitem vorsieht, der freut sich in der N he -» VORSEHEN (sich) 54-59, 61, 64-72. Vgl. FERN 22 10. Wer von ferne schaut, freut sich von nahem —* SEHEN 9.1.

11. Wenn die Furcht (Not) am gr ssten ist, ist die Hilfe am n chsten — FURCHT 49-50, GOTT £38-839, 841, HELFEN 8.2. 12. Wenn man selbst nicht der Beste sein kann, sei man wenigstens dem Guten ganz nahe —* GUT (Adj.) 116-118 13. Den Augen fern, dem Herzen nah —* AUGE 266-269 14. Freude und Leid sind nah beieinander — FREUDK 30, 96. Vgi. LIEBE 737 15. Lause im Bart (im

rmel) sind nahe bei der Suppe —> LAUS 3.

16. Nahe schiessen n tzt nichts, treffen z hlt —> SCHIESSEN 1.1. 17. Redensart: Nahe am Brett — BRETT 3, 5

1. N he ist von Vorteil 1.1.-1.3. s. Inhalts bersicht 1.4. Freundschaft mit Leuten aus n chster N he ist am besten -* HERR 406-407, 411,414-415. Vgl. FREUND 5.5. hnlich: 1 Fr. Bon est loifnjgtain enemi et prochain ami Gut ist ferner Feind und naher Freund MORAW. 288.

2. Das Nahe ist dem Fernen vorzuziehen 2.1. Allg. 2 Mg r. Τα μικρά και θαυμαστά τα κοντά τε και (lies mit Anm. S. 213: μακρά 'ναι θαυμαστά, τα κοντά [δε] 'ναι) έπίκερδα Das Ferne ist bewundernswert, das Nahe aber ist gewinnbringend KRUMB, 99 S. 126 (vgi. JEDER 3.1.1.2.4.1.).

NAH

338

3 It. D'una cosa non vi iscordi; ella e provata, canuta e antica: Meglio e ü vicino suo con cinque, ehe il lontano per died Eine Sache vergesst nicht; sie ist erwiesen, klug und alt: Besser ist der, welcher in ihrer Nähe wohnt mit fünf als der Entfernte mal zehn 1 MAZZEI, LETTERE 11,67 {1406} (vgl. oben 1.3.). 4 N o r d . Her sannask pat, sem mxlt er: nysir fjarri, en ncer sjaldan Hier bestätigt sich das Sprichwort; „Man späht in die Ferne, aber selten in die Nähe" 2 HEIDARVIGA SAGA 14 S. 258.

2,2. Spez, 2.2.1. Wenige (Freunde) in der Nähe sind besser als viele in der Ferne 5 Dt. Ein friunt ist nützer nähe hi Dan hin dan verre dri Ein Freund in der Nähe ist 6 von grosserem Nutzen als drei (Freunde) in grosser Entfernung FREI DANK 95,14. Plus mihi vicini duo praestant sepe praesentes, Quam lange positi $ex, utilitate carentes, Ein frunt stevr ist nuczer nahe bei, Dan vor hin zcwir drei Zwei Nachbarn, die oft da sind, sind von grosserem Nutzen für mich als sechs in weiter Ferne, die ohne Nutzen (für mich) sind. — Ein Freundesdienst in der Nähe ist von grosserem Nutzen als zwei7 mal drei in der Ferne FREI DANK LAT. (GÖRLITZ) 295. Zwene frunde sint besser nohe by, denne ferrer fründe zwurent dry Zwei Freunde in der Nähe sind besser als zweimal drei Freunde in der Ferne KARLSRUHER Hs. D. FREIDANK {* SCHULZE 97). Vgl. FREUND 4.4.1., GUT (Adj.) 1.10.

2.2.2. Besser ein Freund in der Nähe als ein Bruder (Verwandter) in der Ferne 8 Ml at. Patentur et Hebraeorum prouerbia, potius esse, amicum habere uitinum, quam fratrem qui procul absit Auch die Sprichwörter der Hebräer bestätigen, dass es besser sei, einen Freund in der Nähe als einen Bruder, der weit weg ist, zu haben ERASM., ADAG. CHIL. 2,3,86.

9 Fr. Mieux vault prochatn amy que lointain parent Ein naher Freund ist besser als ein ferner Verwandter 3 ET, LEGRIS 443. 10 It. Mieg e un amtg ui$ino, qi Va presso de ca, Qe un fradel luitano; biad a cut deal da! Besser ist ein benachbarter Freund für den, der ihn nahe beim Haus hat, als ein ferner Bruder; glücklich, wem Gott ihn gibt! PATEG 361. Vgl. FREUND 4.4.1., GUT (Adj.) 1.10., NACHBAR 1.3.

2.2.3.-2.2.4, s. Inhaltsübersicht 3. Was einen selbst betrifft, liegt einem am nächsten 3.1. Jeder ist (sei) sich selbst der Nächste 4 i l La t. Proxumus sum egomet mihi Ich bin mir selbst der Nächste TER., AN DR. 636. 12 Dapsilis interdum notis et carus amicis, Dum fueris felix, semper tibi proximus esto Sei bisweilen grosszügig zu den Bekannten und lieb zu den Freunden, solange du vom Glück gesegnet bist, (aber) sei dir (selbst) immer der Nächste! PS. CATO, DIST. 1,40. 13 Mlat. Ipsemet unicus est: sibi soli proximus ipse est Er selbst ist einzig in seiner Art: 14 Er ist sich allein der Nächste MSD 27,2,96. Mihimet sum proximus Ich bin mir is selbst der Nächste AMARCIUS 3,526. Nemo (Ausg.: Meno) germanior quam tu, nemo propinquior temetipso Niemand (ist dir) verwandter als du (selbst), niemand dir selbst 16 näher ANS ELM u s (* OTTAVIANO 58). Pectore pessimus et sibi proximus est modo quisque Jeder ist im Herzen grundschlecht und nur sich selbst der Nächste BERN. MORL., 17 CONTEMPT. MUNDi 2,705. Proximum sibi quemque natura constitute Die Natur hat is es so eingerichtet, dass jeder sich selbst der Nächste ist SAXO GRAMM. 36,10. Quolt-

339

i9 20

21 22 23 24

NÄHE

bet in festo semper tibi proximus esto! Auf jedem Fest bleibe dir stets selbst der Nächste! WERNER 2 q225, Fr. Combten que vos soieis bienaüreis, soieis tous jors prochiens a vous me'ismes Wie glücklich Ihr auch sein mögt, seid Euch selbst immer nahe! CATO LOTHR. 76. E« ton eur peuz tu faire largesce, A tes amis carite et leesce; Mais dessur touz bien en soies certains: A toy mesmes dots estre plus prochains In deinem Glück kannst du freigebig sein (und) deinen Freunden fröhliche Bewirtung zuteil werden lassen. Aber sei dir vor allem anderen dessen gewiss: Dir selbst musst du am nächsten sein! J. LEFEVRE, CATO 245. Dt. leder mensch lit im selber aller nehst Jeder Mensch liegt sich selbst am nächsten SEUSE 368,20. leder mensche ist inte selber der nehste Jeder Mensch ist sich selbst der Nächste EBD. 442,12. Oder hat yemant ettwas, das jm näher sy, dann sin eigen person? Oder hat jemand etwas, das ihm naher wäre als seine eigene Person? AMT. v. PFORR, BEISPIELE D. ALT. WEISEN 68,16. Als auch Terencius vermant Ich bin mir aller nahst verwant Wie auch Terenz mahnt: „Ich bin mir (selbst) am allernächsten verwandt" BRANT, NARRENSCHIFF 58,11. -» GLÜCK 705. Vgl. GUT (Adj.) 3.2., LIEBE 7.1.2.

3.2.—6. s. Inhaltsübersicht 7, Der Nächste Vgl. oben 3.1., 6.8. 7.1. Man soll seinen Nächsten Heben wie sich selbst 25 Dt. Du solt dm naecbsten als dich selber han Du sollst deinen Nächsten (lieb)haben wie dich selbst NETZ 1415. -> GLEICH 141, 355, GOTT 1140, 1181-1182, 1201, 1210, 1215, 1234-1237, 1256, 1258, LIEBE 1503-1515, 1517-1538, 1540-1551, 1554, 1792-1793, 795-J797, SORGE 35

7.2. —7.3. s. Inhaltsübersicht 8. Oft sind uns die nahe, von denen wir meinen, dass sie fern seien 26 Ml a t. Sepius existunt prope nos, quos procul esse putamus Oft sind die nahe bei 27 uns, von denen wir meinen, dass sie fern seien PROV. WRATISLAV. 566. Saepius assistant prope, quos procul esse putamus Oft stehen die nahe bei uns, von denen wir meinen, dass sie fern seien WERNER^ s 27, -^WORT 1178

9.—17. s. Inhaltsübersicht

H. U. S. Anmerkungen 1 2

3

4

Bezogen auf Verheiratung der Tochter von Mazzeis Korrespondenten. Vgl. Anm. der Ausg. Sinn: Die Leute achten auf das, was weit weg ist, statt auf das, was in ihrer Nähe ist. Vgl, die Anm. der Ausg. u. WANDER 1,983 s.v. Ferne 10, 15, Die Ausg. zitiert den mlat. Komm, des lacobus Beneventanus Est consartguineis verus proponendtts amicus Ein wahrer Freund ist den Verwandten vorzuziehen. Vgl. OTTO 1479 S. 289 mit weiteren klassischen Belegen.

NAHE s. NAH

NÄHEN

340

NÄHEN / coudre / to sew Hier auch VERNÄHEN Vgl. NAHT 1. Umsonst nähen und nicht einmal den Faden berechnen —· SCHNEIDER l —2 2. Redensarten 2.1. Am Hungertuch nähen — HUNGER 177-179, 181-186 2.2, Geld in einen Wetzstein vernähen —· WETZSTEIN 3. 3. Verschiedenes (1—2)

1. —2. s. Inhaltsübersicht 3. Verschiedenes 1 S p a n , Cose que cosas, y no que rompas Nähe, so gut es geht, damit es nicht zer2 reisst!1 NUNEZ 1,228. Mas vale consuena, que hilerta Nähen ist mehr wert als Spinnen 2 EBD. 11,363.

V.M. Anmerkungen 1

2

Nünez fügt hinzu: Que el buen pano ma$ $e descose que se rotnpe Denn beim guten Tuch trennt sich eher die Naht auf, als dass es zerreisst. Nach CORREAS 429 ist gemeint, man solle sich mit solchem Tuch kleiden.

Vgl. CORREAS 540.

NÄHERN (sich) s. NAHE NÄHREN s. ESSEN NAHRUNG s. ESSEN

NAHT / couture / seam Vgl. NÄHEN Starke Naht, starker Riss i. 2 Fr. De fort couture dure desireüre Von starker Naht harter Riss MORAW. 497, De 3 fort custure fort dedrure CAMBR, SAMML. (+LEROUX 11,475). De forte cousture dure 4 deschirure ET. LEGRIS 177. De forte cousture föne decbirure LEROUX H, 281 (15, Jh.). Vgl, WEBEN 14 V. M, NAME / nom / name Hier auch BEINAME, RUF Vgl. GERÜCHT, RUHM 1. Name als Attribut und Erkennungszeichen eines jeden 1.1. Jeder hat einen Namen (1—2)

341

NAME

1.2. Jeden Menschen erkennt man an seinem Namen (Beinamen) (3 — 9). Vgl. ERKENNEN 13.2,— 13.3., NENNEN 1. 1.3. Man verheimliche seinen Namen nicht (10—12) 1.4. Man frage seinen Begleiter oder Gesprächspartner nach seinem Namen —* FRAGEN 88, 90-92 2. Relativer oder geringer Wert des Namens 2.1. Die Sache ist wesentlicher und schwerer zu haben als der Name {13 — 15} 2.2. Gutes Leben und Glück ist besser als ein guter Name — ADEL 72, 101, GLÜCK 7.2.3., LEBEN 334 2.3. Ohne Reichtum und Gut ist der Name eines Herrschers nichts —» KÖNIG 126, 133 2.4. Verschiedenes (16-17) 3. Hoher Wert des Namens und Rufs 3.1. Guter Name und Ruf ist wertvoll und schön (18-20) 3.2. Guter Name und Ruf leuchtet auch in der Nacht (21 —22) 3.3. Guter Name und Ruf ist das zweite Erhe (23—24) 3.4. Guter Name und Ruf ist besser ais köstliche Salbe (25-28). Vgl. ERINNERN 14 3.5. Guter Name und Ruf ist besser a!s Reichtum und Gut, Geld und Gold (29-50}. Vgl. EHRE 4.8., ERINNERN 15 3.6. Wenn alles verloren ist, bewahre rnan sich den guten Ruf ^51 —52} 3.7. Lieber Geld und Gut verlieren als den guten Namen und Ruf {53—55}. Vgl. EHRE 4.12, 3.8. Lieber sterben als den guten Namen und Ruf verlieren (56). — TOD 72i, 753. Vgl. DIENEN 2.2., EHRE 4.16., TOD 5.3.2.1. 3.9. Wer einen guten Ruf hat, kann sich viel erlauben (57—58) 3.10. Verschiedenes (59-60) 4. Weiterleben des Namens und Rufs 4.1. Guter Ruf ist von langer Dauer (61-62). Vgt. EHRE 4.1. 4.2. Guter Name und Ruf lebt nach dem Tode weiter (63-69}. —· RUHM 35-36, 38. Vgl. GUT (Adj.) 4.3.2., LEBEN 2.5., RUHM 2., SCHÖN 26, 29-30, TUGEND 1.4., TUN 2.5., VERGEHEN 1.1.2., WERK 2,6, 4.3. Vereinzelt (70) 5. Verletzbarkeit des guten Rufs und Namens 5.1, Der gute Ruf verträgt keinen Scherz — GLAUBEN 88-89, 91-92, 96-97 5.2, Wollust und Geiz sind dem guten Ruf abträglich — GEIZ 89, 93, 95 5.3, Der Verlust des guten Rufs ist kaum rückgängig zu machen (71 — 72) 6. Schlechter Ruf 6.1. Weh dem, der einen schlechten Ruferlangt (73 — 76) 6.2. Wer einen schlechten Ruf erlangt hat, erholt sich kaum davon (77—80). Ähnlich (81) 6.3. Der schiechte Ruf tötet (82-89) 6.4. Der schlechte Ruf hängt den Dieb auf (90-92) 7. Mancher hat zu Unrecht einen guten Ruf und mancher ohne Schuld einen schlechten (93 — 95). Vgl. GLÜCK 438 8. Wer einen guten Ruf haben will, verzichte auf falsche Freude — FREUDE 409, 411-417, 419420 9. Verschiedenes (96-100)

1. Name als Attribut und Erkennungszeichen eines jeden 1.1. Jeder hat einen Namen M l a t . Omnibus est nomen, sed non est omnibus omen Alle haben einen Namen, aber nicht alle haben Glück PRO v. WRATISLAV. 422. S p a n . Cada hombre tiene su nombre jeder Mensch hat seinen Namen NUNEZ 1,200.

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3 4 s

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1.2. Jeden Menschen erkennt man an seinem Namen (Beinamen) Fr. N'aiiez longuemant conpeignon, Que vos ne demandiez son non; Le non sachiez a la parsome; Car par le non conoist I'an I'ome Habt nicht lange einen Gefährten, ohne ihn nach dem Namen zu fragen! Wisset den Namen schliesslich; denn am Namen erkennt man den Menschen! CRESTIEN, PERCEVAL 559, Que par le nom connotst-on Tome Denn am Namen erkennt man den Menschen PERCEV. FORTS. 24671, A sornon qonoist len lome. — Nomine cognoui paucos, cognomine notti Multos; cognomen nosco, cognomine nonten Am Beinamen erkennt man den Menschen. — Am Namen erkannte ich wenige, am Beinamen erkannte ich viele; den Beinamen erkenne ich, am Beinamen den Narnen ZACHER 111 (=MoRAW. 198). Que par le nom conoist l'en l'ome Übers, wie 4 THIB., POIRE 2651. Par le sornon connoist on I'ome Am Beinamen erkennt man den Menschen CLARIS 27671. A leur nons connois bien chascun, Quar leur nons et eus sont tout un An seinem Namen erkenne ich sehr wohl einen jeden; denn die Menschen (wörtl.: sie) und ihre Narnen sind ganz ein und dasselbe G, DE DEGUILEVILLE 5325. Au surnom cognoit-on l'homme Übers, wie 7 LEROUX 11,18 {15.JH.)1. Vgl. ERKENNEN 13.2.-l3.3., NENNEN 1.

1.3. Man verheimliche seinen Namen nicht W Fr. Cortoisie me samble del non celui aprendre A cui on velt parier ne nule ratson rendre Es scheint mir höfische Art zu sein, denjenigen seinen Namen wissen zu lassen, mit dem man reden will oder dem man irgendeine Auskunft geben will GAUT. DE 11 COINCY, CHRISTINE 2255. Vos saves bien que nus preudom Ne doit son non celer a autre Ihr wisset sehr wohl, dass kein Ehrenmann seinen Namen vor dem ändern 12 verheimlichen soll JEHAN, RIGOMER 10918. Car n'est mie preudons qui choile le sien non Denn der ist kein Ehrenmann, der seinen Namen verheimlicht BASTARS DE BUILLON 549. 1.4. s. Inhaltsübersicht 2. Relativer oder geringer Wert des Namens 2,1. Die Sache ist wesentlicher und schwerer zu haben als der Name 13 M l a t . Cum de re constat, non sit de nomine pugna Wenn in Bezug auf die Sache Sicherheit besteht, streite man nicht über den Namen IOH. SARESB., POLICRAT, 382 B. 14 Si re priveris, nee nomen habere mereris Wenn du der Sache beraubt wirst, verdienst du auch nicht den (entsprechenden) Narnen zu haben WERNER 2 s 124. u Fr. // est facil davoir le non, la chose a grant peine peuh on Es ist leicht, den Namen zu haben, die Sache kann man nur mit grosser Mühe haben NUNEZ 11,225 (el Frances). 2.2.—2.3. s. Inhaltsübersicht 2.4. Verschiedenes 16 Fr, O« fait par bien povre seurnom A cort connoistre maint preudome Am Hof stellt man manchen Edelmann unter einem ganz armen Namen vor J. RENART, ESCOUFLE 17 9100. Quant muert Sansons, Dist li uilainst si muert ses nons „Wenn Samson stirbt, stirbt sein Name", so sagt der gemeine Mann CHEV. AS DEUS ESP. 8055.

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3. Hoher Wert des Namens und Rufs 3.1. Guter Name und Ruf ist wertvoll und schön1 is Fr. Trestoute gent moult prisent le borne renommee Alle Leute preisen den guten Ruf 19 sehr GILLES LI MUISIS 1,224. C'est trap belle chose d'estre de bon renom Es ist sehr schön, von gutem Ruf zu sein LEROUX 11,264 (15. Jh.). 20 Dt. Wer hie derwirbet ein gut wort, Daz ez im volgt sein tag, Der hab dankch, wer daz beiag Wer hier einen guten Ruf erwirbt, der {wörtl.; so dass er) ihm sein Leben lang folgt, wohl ihm, wer das erreichen kann! SUCHENWIRT 28,352. 3.2. Guter Name und Ruf leuchtet auch in der Nacht 21 La t. Bona fama in tenebris pTOpriunt splendorem tenet Guter Ruf behält auch in der Finsternis seinen eigenen Glanz PUSLILIUS b29. 22 Dt. Bona fama etiam in tenebris micat. - Ein guter nam scheint auch in der nacht Guter Ruf leuchtet auch in der Finsternis, - Ein guter Name leuchtet auch in der Nacht FRANCK 1,66 r. 3.3. Guter Name und Ruf ist das zweite Erbe 23 La t. Honestus rumor alterum est patrimonium Der ehrenvolle Ruf ist das zweite Erbe PUBLILIUS h 15. 24 Dt. Honestus rumor alterum est patrimonium, - Ein guter nam ist auch ein erb oder heyrat gut ... - Ein guter Name ist auch ein Erbe oder Heiratsgut FRANCK 1,69r. i

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3.4. Guter Name und Ruf ist besser als köstliche Salbe Bibl. Meltus est nomen bonum, quam unguenta pretiosa Besser ist ein guter Name als köstliche Salbe VULG., ECCLES. 7,2. Ein gut Gerücht ist besser denn gute Salbe Ein guter Ruf ist besser als gute Salbe LUTHERBIBEL, PRED. 7,2. Dt. Uns seit der wären buoche schrift Von werden Hüten lobesam, Daz ir süezer guoter nam St vil bezzer allenthalp, Denn edel unde tiurez salp Uns sagt die Heilige Schrift (wörtl.: die Schrift der wahren Bücher) von angesehenen, lobenswerten Menschen, dass ihr wohlklingender guter Name überall viel besser sei als köstliche und kostbare Salbe KON R. v. WÜRZ BURG, TROJ. KR. 7652. Ouch als iz geschriben stet, Daz ein erlich leben äne schämen, Da mite zerwerben ein guten namen, Ist bezzer vor türe salben vil, Die man zum lebene haben wil Wie es auch geschrieben steht, dass ein ehrliches Leben ohne Schande, (geführt in der Absicht,} damit einen guten Narnen zu erwerben, besser ist als sehr kostbare Salbe, die man zum Leben haben will LUDWIGS KREUZFAHRT 8130. Vgl. ERINNERN 14 3.5. Guter Name und Ruf ist besser als Reichtum und Gut, Geld und Gold Bibl. Meltus est nomen bonum, quam divitiae multae Besser ist ein guter Name als viel Reichtum VULG., PROV, 22,1. Das Gerücht ist köstlicher denn gros Reichthum Der gute Ruf ist köstlicher als grosser Reichtum LUTHERBIBEL, SPR. 22,1. La t. Bona opinio hominum tutior pecunia est Der gute Ruf der Menschen ist sicherer als Geld PUBLILIUS b 19. Mlat. Dulcius est ere famosum nomen habere; Now gazas plures sed famam querere cures Süsser als Geld ist es, einen berühmten Namen zu haben. Trachte danach, nicht mehr Schätze zu erlangen, sondern Ruhrn! FLOR. GOTTING. 187 (= RUHM 71). Dulcius est aere pretiosum nomen habere Süsser als Geld ist es, einen wertvollen Namen zu haben WERNER 2 d 154.

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34 Fr, IQuar) miex vaut bon non que ricbece Denn ein guter Name ist mehr wert als 35 Reichtum G. DE DEGUILEVILLE 8631. Mieus vaut bonne renommee que richece Mehr 36 wert ist ein guter Ruf als Reichtum AFR. LEBENSREGELN 19. Plus que fin or vault bonne renommee Mehr wert als reines Gold ist ein guter Ruf EUST. DESCH. VII, 139, 8.3 37 It. Meglio vale buona rinomata ehe ricchezza Mehr wert ist ein guter Ruf als Reiches turn TRATTATO DI VIRTU 38 S. 96. Melglo est buono nome ehe ricchezza. Mehr wert 39 ist ein guter Name als Reichtum EBD. App. S. 161. Perocche quegli ehe toglie altrui la fama, si gli mozza un buono metnhro, ch'e meglio ehe non sono tutte le riccbezze Daher schneidet ihm der, welcher einem ändern den guten Ruf wegnimmt, ein gutes Glied ab, welches besser ist als alle Reichtümer GIORD. DA RIVALTO 44. 40 Engl. For Salomon seith that bettre it is and moore it auailleth a man to have a good name than for to have grete richesses Denn Salomon sagt, dass es besser ist und einem Mann mehr nützt, wenn er einen guten Narnen hat, als wenn er grossen Reichtum 41 besitzt CHAUCER, TALE OF MELIBEUS B2828. Ffor a good name ... Ys bet than gold or gret rychesse Denn ein guter Name ist besser als Gold oder grosser Reichtum LYD42 GATE, PILGR. LIFE 15405. Ffor, as the wyse Salomoun In bys proverbys beretb wytnesse, That gold, tresour, and gret Rychesse, A good name doth wel al surmounte, Who that lyst a-ryhte acounte Denn wie der weise Salomon in seinen Sprüchen Zeugnis ablegt, übertrifft ein guter Name Gold, Schätze und grossen Reichtum wohl ganz, wenn einer richtig Bescheid geben will LYDGATE, PILGR. LIFE 15408.4 43 Nl. Qm, en wett-t niet, wat men leest In s-heren Salomons gedichte: Die goet gerucht pri)st beter gichte Dan ri/cheit grot Oheim, wisst Ihr nicht, was man in Herrn Salomons Gedicht liest? Der Spruch taxiert den guten Ruf höher als grossen Reichtum Vos ENDE WOLF 68. 44 Dt. Güd name is bäter mannigfold D'dn eddele steine, suluer, gold Guter Name ist 45 viel besser als Edelsteine, Silber (und) Gold LAIENDOCTR. 189. Guyt name besser dan rijchdom is Guter Name ist besser als Reichtum PETER DE MERODE, PILGERFAHRT 46 8615. Gut gerttchte is b$ter dan gelt of gut. — Candida fama decus, gemmas excellit et aurum Guter Ruf ist besser als Geld oder Gut, - Glänzender Ruf übertrifft Schönheit, 47 Edelsteine und Gold TUNNICIUS 915. Glawb ist besser dan bar gelt. - Meüus est nomen bonum, quam divitiae multae Ein guter Ruf ist besser als Bargeld. — Besser ist 48 ein guter Name als viel Reichtum AGRICOLA Nr. 12, Bona opinio homini tutior pecunia est. — Ein guter glaub ist besser dann bargelt Ein guter Ruf ist für den Menschen 49 sicherer als Geld. - Ein guter Ruf ist besser als Bargeld FRANCK 1,66 r. Im buch der sprüch Salomo spricht: Ein gut gerucht, gottselig frumb, Ist köstlicher denn groß reichthum Im Buch der Sprüche sagt Salomon: „Ein guter, gottseliger, frommer Ruf ist 50 köstlicher als grosser Reichtum" SACHS XIX, 323,4 (1563). Glaub ist besser dann bar gelt Guter Ruf ist besser als Bargeld EGENOLFF 6 r. Vgl. EHRE 4.8., ERINNERN 15 3.6. Wenn alles verloren ist, bewahre man sich den guten Ruf 51 Mlat. Omnia si per dast famam servare memento! Wenn du alles verlieren solltest, 52 dann denke daran, den guten Ruf zu bewahren! WERNER 2 o 62. Omnia si perdas, famam seruare memento; Qua semell amissa, postea nutius erts ... Wenn dieser einmal verlorengegangen ist, wirst du nachher niemand mehr sein HILL 105 b, 20. 3.7. Lieber Geld und Gut verlieren als den guten Namen und Ruf 53 Mlat. Peior est latro uel raptor fame quam pecunie Schlimmer ist der Dieb oder 54 Räuber des guten Rufes als der des Geldes ÖD o CERIT., SERM. 84. Toller abilius est enim amittere possessionem quam famam Denn es ist erträglicher, Besitztum zu verlieren als den guten Ruf IAC. VITRIAC., SERM. VULG. 281.

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55 Span. hacienda me llevaras, mi fama me dexaras Meine Habe wirst du mir nehmen, meinen Ruf wirst du mir lassen NUNEZ II, 388. Vgl. EHRE4.12,

3.8. Lieber sterben als den guten Namen und Ruf verlieren 56 Span. Mas vale perderse el hombre, que si es bueno perder el nombre Besser ist es, wenn der Mensch zugrundegeht, als den Namen zu verlieren, wenn er gut ist NuREZ 11,344. - TOD 721, 753. Vgl. DIENEN 2,2., EHRE 4.16., TOD 5.3.2.1. 3.9. Wer einen guten Ruf hat, kann sich viel erlauben 57 Nl. Op een goet woert mackmen vele doen. — Qut sancte fame, nunquam reprehenditur a me Auf einen guten Ruf hin kann man viel tun. - Wer einen guten Ruf hat, wird niemals von mir getadelt PROV. COMM, 586. ss Dt. Vp en ghud word mach me vele don PROV. COMM. MND. 561.

3.10. Verschiedenes 59 S p a n . Cobra buena fama, y ecbate a dormir Erlange einen guten Ruf und leg dich schlafen! NUNEZ 1,249. 60 Dt. Der hat zwivaltige not Des nam bltbet mit dem libe tot Der hat doppelte Not, dessen Name mit dem Leibe tot bleibt ULR. v. ESCHENBACH, ALEX. 5037.

4. Weiterleben des Namens und Rufs 4.1. Guter Ruf ist von langer Dauer 6l. 62 Fr. Mult dure bon renumee Guter Ruf ist von langer Dauer PET. PHIL. 734. Renon en vertu fonde dure Auf Tugend begründeter Ruf ist von Dauer J, MOLINET 61,80, Vgl. EHRE 4.1.

4.2, Guter Name und Ruf lebt nach dem Tode weiter 5 63 La t, Famae post obitum fingit maiora vetustas: Mains ab exequiis nomen in ora venit Das Weiterleben des Ruhms nach dem Tode lässt ihn noch wachsen. Nach der Beerdigung geht der Name, der noch gewaltiger geworden ist, von Mund zu Mund PROP. 3,1,23 (= RUHM 28). 64 Span. Non murio qui buen nonbre dexo Der starb nicht, welcher einen guten Namen 65 hinterliess PROVERBIOS (KNUST) 15, Murio el omne, mas non murio el su nonbre Es starb der Mensch, aber sein Name starb nicht MANUEL, CONDE LUCANOR 67,2. 66 NL Dine name sal emmer {even Als es dijn lichame doot bleven Dein Name soll immer leben, auch wenn dein Leib gestorben ist JAC. v. MAERLANT, ALEX. 7,707. 67 Dt, Er hat den lop erworben, Ist im der tip erstorben, So lebt doch iemer sin name Er hat den Ruhm erworben: Ist ihm (auch) der Leib gestorben, so lebt doch immer sein 68 Name HARTMANN v, AUE, IWEIN 15. Stt daz dm name von stnem lobe ... immer in der werlde lebt} Wie dir der Up ist erstorben Da dein Name durch seinen Ruhm immer in der Welt lebt, auch wenn dir der Leib gestorben ist ULR. v, ESCHENBACH, ALEX. 69 5005. .., So daz stn name lebet immer. Sin pris enmac verleschen nimmer So dass sein Name immer lebt; sein Ruhm kann nie erlöschen LUDWIGS KREUZFAHRT 5469 {= RUHM 57).

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— RUHM 35-36, 38. Vgl. GUT (Adj.) 4.3.2,, LEBEN 2.5., RUHM 2., SCHÖN 26, 29-30, TUGEND 1.4., TUN 2.5., VERGEHEN 1.1.2., WERK 2.6,

4.3. Vereinzelt 70 Fr.

Le nom ensutt l'ame Der Name folgt der Seele MORAW. 1100.

5. Verletzbarkeit des guten Rufs und Namens 5.1.-5.2. s. Inhaltsübersicht 5.3. Der Verlust des guten Rufs ist kaum rückgängig zu machen 71 E n g t . For fame lost onys can neuer baue bis resort Denn einmal verlorener Ruf kann nie mehr seine Rückkehr erlangen LYDGATE, FALL OF PRINCES 3,1379.6 72 Dt. Eyn gut rucbte is snel vorloren, Mar langsem wert it weder gekoren Ein guter Ruf ist schnell verloren, aber (nur) langsam wird er wiedererlangt STEPHAN, CATO ND. 1460.

6. Schlechter Ruf 6.1. Weh dem, der einen schlechten Ruf erlangt 73 Span. En bora mala nasce, quien mala fama cobra In einer schlechten Stunde ist der geboren, der einen schlechten Ruf erlangt NUNEZ H, 112. 74 N L Wee hem die in een quaet gherucbt come. ~ Infamis vere debet ve semper habere Wehe dem, der in einen schlechten Ruf kommt! — Wer einen schlechten Ruf hat, muss wahrlich immer Leid haben PROV. COMM. 761. 75. 76 Dt. We em de in een quad gheruchte kumpt PROV. COMM. MND. 710. We dqm de in ein quätgeruchte kumt. — Spernitur infamis, multos infamia nigrat ... — Einer mit einem schlechten Ruf wird verachtet; schlechter Ruf schwärzt viele an TUNNICIUS 1042.

6.2. Wer einen schlechten Ruf erlangt hat, erholt sich kaum davon 77 La t. Quem fama semel oppressit, vix restttuitur Wen einmal ein schlechter Ruf niedergedrückt hat, der wird kaum wiederhergestellt PUBLILIUS q 20. 78. 79 Mlat. Quem seme! borrendis maculis infamia nigrat Ad bene tergendum multa laborat aqua Wen der schlechte Ruf einmal mit schrecklichen Flecken geschwärzt hat, um den richtig reinzuwaschen, braucht es viel Wasser (wörtl.: ist viel Wasser im Einsatz} 80 HENRIc. SEPT. 19. WERNER 2 q55. Numquam sanantur deformis vulnera famae Niemals heilen die Wunden eines entehrten Rufes WERNER Z n 315. Ähnlich: si Span. Quien la fama ha perdida, muerto anda en la vida Wer den guten Ruf verloren hat, ist schon zu Lebzeiten tot NUNEZ 111,313. 82 83 84 85

6.3. Der schlechte Ruf tötet Mlat. Fama necat virum Der (schlechte) Ruf tötet den Mann BEBEL, PROV, GERM. 186. Span. La mala llaga sana; la fama mala mata Die böse Wunde heilt, der schlechte Ruf tötet LOPEZ{?), REFRANES 405. La mala llaga sana, la mala fama mata NUNEZ 11,239. Nl. Tgherucht doot den man. — Sic dicunt gentes punit mala fama nocentes Der (schlechte) Ruf tötet den Mann. — So sagen die Leute: „Der schlechte Ruf bestraft die Schuldigen" PROV. COMM. 719.

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86, 87 Dt. Dat ruckte dodet den man PROV. COMM. MND. 672. Dat quade gerächte vordervet den man, — Fama virum perimit, multos infamia tristat Der schlechte Ruf vernichtet den Mann. - Der (schlechte) Ruf tötet den Mann, die Schmach bringt viele in Leid 88. 89 TUNNICIUS 1013. Das gerückt todt den man Übers, wie 82 FRANCK II, 19r. Baser nam, todt den man Schiechter Ruf tötet den Mann EBD. II, 192 v.

6.4. Der schlechte Ruf hängt den Dieb auf 90. 91 Fr. Li criz pent le larron Der schlechte Ruf hängt den Dieb auf MORAW. 1068. Lt mavaise fame pent lo laron. - Fama noverca boni furem fatit in cruce poni, Ut für morte cadat fama uolans mala dat ... - Der dem Guten feindlich gesinnte Ruf macht, dass der Dieb an den Galgen kommt. Der schlechte Ruf, der sich verbreitet, bewirkt, 92 dass der Dieb durch den Tod zugrundegeht ROBERT 40. Le cry pend le larron ET. LEGRIS 381.

7. Mancher hat zu Unrecht einen guten Ruf und mancher ohne Schuld einen schlechten 93 Fr. Tel a bon los qui a tort, tel mauvais qui n'en pent mes Manch einer hat einen guten Ruf, der ihn zu Unrecht hat, manch einer hat einen schlechten, der nichts 94 dafür kann MORAW. 2327. Tel a bon los qui l'a a tort, tel la malvais qui n'en peut 95 mais ET. LEGRIS 731. Tel a bon los qui a tort, tel la' mauvais qui n'en peult mats G. ALEXIS 1,100,541 (Faintes). Vgl. GLÜCK 438

8. s. Inhaltsübersicht 9. Verschiedenes 96 Fr. // est bien sot qui ne scet son nom Der ist wohl ein Narr, welcher seinen Namen 97 nicht kennt LEROUX II, 307 (15. Jh.}. Tant vault bon bruyt que grace acquise Der gute Ruf gilt so lange wie die gewonnene Gunst FR. VILLON, POES. DIV. 2,10. 98 S p a n . A quien mala fama tien, ni acompanes, ni quieras bien Wer einen schlechten Ruf hat, den sollst du nicht begleiten noch für ihn Zuneigung empfinden NUNEZ 1,115. 99 N o r d . Hfsttr er heimskuiör, Nema ser godan geti Unzuverlässig ist der Ruf, den man 100 in der Heimat hat, falls man sich nicht einen guten erwirbt SIGRDRIFUMÄL 25,5. Margir kjosa eigi orö a sik Manche wählen sich ihren Ruf nicht selbst aus NJÄLS SAGA 92,14 { = JONSSON, ARKIV 314. JONSSON 129).

V.M. Anmerkungen 1

2 3

4 5 6

Fälschlicherweise J. Mielot zugeschrieben. Vgl. WHITING N19. Vgl. HASSELLN29.

Vgl. WHITING N 12. Vgl. WHITING N15. Vgl. WHITING N 13.

NAPF s. GEFASS NARBE s. WUNDE

NARR

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NARR / fou / fool Hier auch ALBERN, DUMM{HEIT), DUMMKOPF, EINFÄLTIG, EINFALTSPINSEL, GAUCH(S)BERG, GEISTESVERWIRRUNG, HANSWURST, LAPPENHAUSEN, NARRENBAD, NARRENBERG, NARRENHAUT, NARRENKAPPE, NARRENSCHELLE, NARRENSCHUH, NARRENSEIL, NARRENSPIEL, NARRENWERK, NARRHEIT, NÄRRISCH, RASEND, TOLL, TÖLPEL, TOR(HEIT), TÖRICHT, UNBESONNENHEIT, UNKLUG(HEIT), UNVERNUNFT, UNVERNÜNFTIG, UNVERSTÄNDIG, UN WEISE, VERRÜCKT(HEIT), WAHNSINN(IG) Vgi. AFFE, SCHLECHT, SCHURKE, WEISE 1. Wertung der Torheit 1.1. Torheit ist schlimm 1.1.1. Torheit ist nichtig und schädlich (1—3). Vgl. unten 8.8.2. 1.1.2. Torheit ist nichts Rühmliches {nicht Ritterart) (4-17) 1.1.3. Ein Narr ist, wer närrisch handelt (18-20). Vgl. unten 2.6., 7.1., AFFE 1.10. 1.1.4. Lieber Rom aufgeben als ein Narr sein (21—22) 1.2. Torheit kann gut sein Vgl. unten 9. 1.2.1. Verrücktheit zur rechten Zeit ist gut (23-65). Vgl. JUNG 5.3.1. 1.2.2. Klugheit kann schaden, Dummheit nützen — WEISE 390-391 1.2.3. Keine Weisheit ohne Narrheit — WEISE 8.2. 1.2.4. Keine kühne Tat ohne Narrheit (66). — WAGEN (Vb.) 154, 156. Vgl. WAGEN (Vb.) 2.2.1.-2.2.2. 1.2.5. Torheit, von der man rechtzeitig ablässt, ist gut (nicht schlimm} (67—77). —> UMKEHREN 1,3. Vgl. UMKEHREN 14. Variiert (78-79) 1.2.6. Narrheit bewährt sich eine Zeitlang, aber nicht für immer (80—81) 2. Narren bleiben Narren und können nicht anders als närrisch handeln 2.1. Dummheit ist unheilbar (eine Krankheit) (82-89) 2.2. Narren werden nie gescheit (90-99). -> MÖRSER 19-20, 23-24, TAUFE 3, 8, Vgl. unten 8.6.2. 2.3. Wer als Narr weggeht, kommt als Narr zurück (ist auch anderswo ein Narr) {100—117). Vgl. unten 10.7.1., AFFE 1,8., ÄNDERN 6.-7., BOCK 40, ESEL 11.1., FERN 2.1,, FUCHS 4., GANS 1.4.1., HAUT 22, HUND 1.1.-1.2., KATZE 4.5., NATUR 1.1.1,1,, 1.2,1.1., PARIS (Stadt) 2., PILGER 10., RHEIN 2., RIND 1.2., ROM 14., WOLF 2. 2.4. Der Narr kann nicht von der Torheit lassen (118-120). Vgl. DIEB 1.1., ELSTER 1., FROSCH 1.3., FUCHS 32, 34t GEWOHNHEIT 1.2., 2., HAND 3.I., HUND 7.2., KATZE 4.1., KRÄHE 18., LASSEN 2, NATUR 1.2.1.1., SCHURKE 1.1., SITTE 4.2., TRINKEN 132, TRÜGEN 12,, VERBRECHEN 13, VOGEL 30, WOLF 2,1. 2.5. Narren fallen von einem Laster ins andere (121 — 122) 2.6. Es ist die Bestimmung des Narren, närrisch zu handeln (123 — 134}. Vgl, oben 1.1.3., unten 7.1., AFFE 1.10., WEISE 8.7. 2.7. Vom Narren ist nichts als Torheit (Schlechtes) zu erwarten (135—149) 2.8. Vom Narren Torheit, vom Leder Riemen (150—155) 2.9. Vereinzelt (156) 3. Narren und Torheit sind überall gegenwärtig 3.1. Es gibt viele Narren {mehr Narren als Weise) (157-165). Vgl. ESEL 1.3. 3.2. Überall ist Torheit (166-171) 3.3. Narren und Torheit sind leicht zu finden (172 — 177) 3.4. Die Narren sterben nicht aus (178-179) 3.5. Jeder begeht einmal eine Torheit (180-181) 4. Narren und Weise {Torheit und Weisheit) 4.1. Bedeutung der Weisen für die Narren

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NARR

4.1.1. Weisheit ist den Narren schädlich (182-183) 4.1.2. Die Narren missbilligen die Weisen und deren Rat (184-187). Vgl. WEISE 14.1. 4.1.3. Die Narren lernen von den Weisen (188-189). Ähnlich (190) 4.2. Bedeutung der Narren für die Weisen 4.2.1. Die Weisen brauchen die Narren — WEISE 8.3. 4.2.2. Durch den Schaden des Narren bessert sich der Weise —* BESSERN 46-47, 5 4.2.3. Die Weisen können von den Narren lernen (191—204). Vgl, unten 9. 4.2.4. Vereinzelt (205) 4.3. Unterschiedliches Benehmen von Weisen und Narren 4.3.1. Der Weise redet vernünftig, der Narr dumm —· WEISE 195-198, 204-205 4.3.2. Der Weise redet wenig, der Narr sagt alles, was ihm einfällt (206 — 231). Vgl. unten 7.2., WEISE 7.4. 4.3.3. Die Weisen handeln klug, die Narren dumm -» WEISE 8.7. Vgl. oben 1.1.3., 2.6. 4.3.4. Der Weise lässt sich belehren und tadeln, der Narr nicht — SCHELTEN 126-129, 133138, 140-141, WEISE 460-462, 465. Vgl. unten 8.6.2., 10.6,1. 4.3.5. Der Weise ist beständig, der Narr wandelbar — WEISE 245-247, 249-250. Vgl. unten 8.12.1. 4.3.6. Der Narr schaut zum Fenster herein, der Weise bleibt draussen (232—234) 4.3.7. Der Narr verschwendet, was der Weise erwirbt — FRAU 776, VERSCHWENDEN 75 4.4. Unterschiedliches Schicksal von Weisen und Narren 4.4.1. Der Narr hat die Mühe und der Weise den Genuss (235-243). — RAUPE 3 4.4.2. Die Narren leben sorglos, die Weisen in Sorge -» WEISE 8.10. Vgl. unten 8.2,, 11.2,, WEISE 11.3. 4.5. Mit den Weisen weise, mit den Narren töricht (244-251). — WEISE 425-426, 429. Vgl. unten 10.2.6., 10.3. 4.6. Auch Weise benehmen sich oft wie Narren — WEISE 262-288. Vgl. WEISE 8.13. 4.7. Gegen einen Narren kommen zwei (viele) Weise nicht auf (252-254) 4.8. Der Narr geht zur Vesper und der Weise zur Frühmesse (255-256^ 4.9. Verschiedenes (257-266) 5, Sich selbst zum Narren machen 5.1. Niemand ist so närrisch wie ein freiwilliger Narr (267—269) 5.2. Wer sich selbst zum Narren macht, hat dringend einen nötig {270—275} 6. Selbsteinschatzung des Narren (und des Weisen) Vgl. unten 8.4.1. 6.1. Der Narr hält sich für klug (276-282). Vgi. MEINEN 1.2.1., WEISE 15.2.-15.3., WISSEN 2.15., 4.10. 6.2. Der Narr hält alle ändern für dumm (283-286). — GELD 38. Vgl. ANDER 1.4.1.1., BOCK 1., DIEB 3.3., GUT (Adj.) 106, 108, SCHLECHT 2.2.6., TREUE 2.2., UNTREUE 2.3.1., VERBRECHEN 9, WISSEN 263, WOLF 541 6.3. Wer sich für weise hält, ist ein Narr —» WEISE 15.2. 6.4. Wer sich für dumm halt, ist weise — WEISE 316-317,319-323 6.5. Der Weise hält sich für dumm, der Narr für klug — WEISE 15.3. 6.6. Mancher hält sich für weise und ist dumm — WEISE 539, 521-523 6.7. Der Narr gefällt sich selbst am besten (hält sein Leben für das beste) (287-303. Vgl. 97, 1086). Vgl. unten 8.3., GEFALLEN 4.2., GUT (Adj.) 3.3., SCHÖN 3.4.1. 6.8. Wer sich selbst gefällt, ist ein Narr — GEFALLEN 55-56 6.9. Weil jeder sich selbst gefällt, ist die Welt voller Toren —» GEFALLEN 4.4. 6.10. Dem Narren gefallen seine Attribute (304-313), Vgl. unten 13.3., GEFALLEN 4.2.-4.3., GUT (Adj.) 3,3. 6.11. Der Narr würde sein Leben (seine Attribute) gegen nichts tauschen (314-318). Vgl. unten 8.5.2., 13.3. 6.12. Der Narr lobt sich selbst (319-322). — LOB 110-111, 113, 119, 122-123. Vgl. LOB 1.7. 6.13. Die eigene Dummheit erkennen (323—324) 6.14. Vereinzelt fJ25;

NARR

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7, Narrengeschwätz 7.1. Der Narr redet närrisch (326-334). Vgl. oben 1.1.3., 2.6., AFFE 1.10. 7.2. Der Narr redet viel und unüberlegt (335-355). -* ZUNGE 22-2J. Vgi. oben 4.3.2. 7.3. Der Narr redet so viel, dass man ihm nichts glaubt (356-358) 7.4. Narren (, Kinder und Betrunkene) können nichts für sich behalten (sagen die Wahrheit} (359— 372). — HIRSCH 2, KIND 301 -302, 305-307, 309-311, 314, 316, 318-324, 328-329, TRINKEN 38. Vgl. FRAU 1.9.2.5.-1.9.2.6., KIND 5.2.1.-5.2.2., TRINKEN 1.4.2., WEIN 1.9.1. -1.9.2. Ähnlich (373) 7.5. Der Narr kann nicht schweigen (374—375b) 7.6. Wenn der Narr schwiege, würde er für weise gehalten (376—411). Vgl. SCHWEIGEN 1.6.1. 7.7. Den Narren erkennt man an seinen Worten {, den Esel an den Ohren, den Hafen am Klang) (412-417). — ESEL l, 3~5, 7-8, 10, 12, 18-20, 23-24, GEFÄSS 2, 9. Vgl. unten 13.1.13.2., ERKENNEN 13.2.-13.3., ESEL 1.1., GEFÄSS 1.1., VOGEL 1.1. 7.8. Das Herz des Narren und sein Murren gleichen dem knarrenden Wagenrad —* RAD 29—31, 33,35 7.9. Narren fragen viel (418-430). Vgl. FRAGEN 3.3. 8, Eigenschaften und Verhalten der Narren 8.1. Narren essen und trinken gern (431—439) 8.2. Narren machen S!ch keine Sorgen (440-444). -* WEISE 8.10. Vgl. oben 4.4.2., unten 11.2., WEISE .3., WISSEN 1.2.1. 8.3. Narren sind eigensinnig und selbstgerecht (445-448). Vgl. oben 6.7., SINN 1.1. 8.4. Narren sind eingebildet und ehrgeizig 8.4.1. Narren überschätzen sich (449-453). — MISSFALLEN 1-4. Vgl. oben 6. 8.4.2. Narren sind auf Lob und Anerkennung bedacht (454-459) 8.5. Narren sind einfältig und kritiklos 8.5.1. Narren geben sich mit schönen Worten und leeren Versprechungen zufrieden (460—518). Vgl. FREUND 803, GLAUBEN 4.2. 8.5.2. Narren können nicht Wertvoiles von Wertlosem (Gutes von Bösem) unterscheiden (519— 524). — GUT (Adj.) 766. Vgl. oben 6.11.f ESEL 6.3., KUCKUCK 5., WECHSEL 18 8.5.3. Narren lachen immer (oft) und laut —· LACHEN 5.1.1.-5.1.2., 111-112, 116, 119, 121, 126-127, 5.2.2., 142, 146-150 8.5.4. Narren verstehen alles falsch (525-526) 8.6. Narren sind unverbesserlich 8.6.1. Narren lassen sich nicht beeinflussen (527—531) 8.6.2. Narren lassen sich nicht belehren (hassen den, der sie belehrt) (532 — 562). Vgl. oben 2.2., 4.3.4., unten 10.6.1., LEHRE 1.3., RAT 5.9., WEISE 13.7., WISSEN 2.10. 8.7. Narren sind masslos (563-564). — MASS (Massigkeit) 188, 205, 260, 306 8.8. Narren kommen auf keinen grünen Zweig 8.8.1. Der Narr strebt nach dem, was er nicht (nur mit Mühe) haben kann (56S—568). Vgl. APFEL 13., ARBEIT 2.9.1., DIEB 12., ERLAUBEN 5., FERN 1., FREMD 3., GEFAHR 9., GEWINN 4.13., HABEN 3.3., LEICHT 4.2., MANGEL 3, NEU 1.1., SEHEN 12., SELTEN 1.1., TEUER 1.1., UMSONST 2.1., VERBERGEN 8.7., VERBIETEN 1., WARE 4., WASSER 8.2.3., WISSEN 80 8.8.2. Der Narr schädigt sich selbst (569-587;. -* SCHADEN 8.3., WEISE 182, ZORN 207208, 210-212. Vgl. oben 1.1.1. 8.8.3. Reichtum und Ehre nützen dem Narren nichts (588-604). -» SCHNEE 9-10,12-13 8.8.4. Der Narr verpasst den Termin (605-608) 8.9. Narren sind unbeherrscht und gefährlich 8.9.1. Der Narr provoziert Streit (609-610) 8.9.2. Narren sind jähzornig und aufbrausend (611-616). — ZORN 1.2. Vgl. ZORN 1.3.1. 8.9.3. Der Narr hat die Waffe rasch zur Hand (schlägt drauflos) (617-623). — GESCHOSS 53-55, 57-61 8.9.4. Weisheit im Munde des Narren ist gefährlich (624-626; 8.10. Der Narr ist voreilig (singt vor dem Priester) (627-630). Variiert (631) 8.11. Der Narr reagiert nur auf Handgreifliches

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NARR

8.11.1. Der Narr verlässt sich nur aufs Sehen — GLAUBEN 1.1.1.4., SEHEN 3.6. 8.11.2. Der Narr ist furchtlos und vertrauensselig (merkt nichts}, bis das Unglück eingetreten ist (032-047;. — ESEL 10.6., FURCHT 70-89, GLAUBEN 6.1. Vgt. DEUTSCH 4., GLAUBEN 2.2., SCHADEN 11., TRAUEN 2.2. 8.12. Narren sind unbeständig 8.12.1. Narren sind wankelmütig (648-649). — WEISE 245-247, 249-250 8.12.2. Narren sind nicht zur Freundschaft fähig (650-657). — BUSCH 43 8.13. Narren tragen die eigene Schande zur Schau (658-662) 8.14. Wenn der Narr Geschenke macht, erwartet er Gegengaben (663 — 665) 9, Von Narren kommt manchmal auch Gescheites Vgl. oben 1.2, 9.1. Der Narr spricht manchmal weise Worte (666-677) 9.2. Narren geben oft guten Rat (678-682). Vgl. oben 4,2,3., unten 10.6.2., ARM (Adj.) 356, 361, 363, DIENEN 9.10.10., KLEIN 1.1.7., RAT 6.2. 9.3. Vereinzelt (683) 10. Umgang mit Narren 10.1. Narren sind schwer zu ertragen (684 — 686) 10.2. Man soll den Umgang mit Narren vermeiden 10.2.1. Man soll sich nicht mit Narren abgeben (687-691. Vgl. 756) 10.2.2. Man soll den Narren aus dem Wege gehen und sich vor ihnen hüten (692-701). —* HUND 977, KIND 324, 440, 442-444, 447, 449, 456-457, TRINKEN 24$ 10.2.3. Wer sich einen Narren vom Leibe hält, hat ein gutes Tagewerk verrichtet (702 — 709). Vgl. DRECK 135 10.2.4. Wer sich mit Narren einlässt, wird sie nicht mehr los (710-712). -* HAND 203 10.2.5. Wer sich mit Narren abgibt, kommt zu Schaden (bereut es) (713-719) 10.2.6. Wer mit Narren umgeht, wird selbst ein Narr (720-721). -* HOF 76. Vgl. oben 4.5,, unten 10,3., AUSERWÄHLT 28, GELEHRT 1.2., GROB 3, GUT (Adj.) 2.3.2., HEILIG 14., LEHRE 4.5., REIN 6., SCHLECHT 2,3.1.2., WEISE 12.5. 10.3. Mit den Narren muss man närrisch sein (722-728), Vgt. oben 4.5., 10,2,6., AFFE 41 10.4. Mit Narren soll man sich auf keine Auseinandersetzung einlassen 10.4,t. Man soll dem Toren nicht hart (seiner Torheit entsprechend) antworten (729—736). Vgl. ANTWORT 1.2., WORT 1365 10.4.2. Man soll dem Toren seiner Torheit entsprechend antworten (737—741). Vgl, WORT 32.29. 10.4.3. Wenn man den Narren zum Schweigen bringen will, muss man nach seinem Willen reden f 742-743; 10.4.4. Man soll nicht mit Narren spielen (scherzen) (744-753). — SPIEL 2.2.3, Vgl. unten 25. Ähnlich (754) 10.4.5. Man soll den Narren nicht reizen (755-757. Vgl. 1105) 10.4.6. Man soll nicht mit dem Narren streiten (75S-772;. — KAMPF 128 10.4.7. Es ist sinnlos, gegen den Ofen zu gähnen und mit dem Narren zu streiten —· OFEN 48, 50-53 10.5. Gegen Narren soll man hart sein 10.5.1. Narren muss man schlagen (mit Kolben lausen) (773-816). Vgl. SCHLAGEN 23., SCHURKE 2.2. Ähnlich (817)' 10.5.2. Gegen Narren soll man nicht nachsichtig sein (818-821). Vgl. unten 11.3., SCHURKE 2.2. 10.5.3. Narren soll man nichts Gutes tun (822-827). Vgl. SCHURKE 2.2. 10.6. Mit Narren soll man keine Ratschläge tauschen 10.6.1. Rat an Narren ist verschwendet (828-829). Vgl. oben 4.3.4., 8.6.2., LEHRE 1.3., RAT 5.9., WEISE 13.7. 10.6.2, Man soll nicht Narren um Rat fragen (auf Narren hören) (830). — RAT 6,5,1. Vgl, oben 9.2, 10.7. Man soll sich nicht auf Narren verlassen

NARR

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10.7.1. Der Narr ist kein geeigneter Bote (831-837), Vgl. oben 2.3., BOTE 10., RAUCH 3.1., SCHLECHT 2.3.5. 10.7.2. Es ist sinnlos, dem Narren eine schwierige Aufgabe anzuvertrauen (838—840). —» EI 115— 124, FISCH 6.1. 10.7.3. Vereinzelt (841) 11. Schicksal und Lebensurnstände der Narren 11.1. Gott schützt die Narren — GOTT 26.15., KIND 295 11.2. Den Narren geht es gut (besser als den Klugen) (842-8SO). Vgl. oben 4.4.2., 8.2., WEISE 8.10., 11.3. 11.3. Narren werden mit Nachsicht behandelt (851-854). Vgl. oben 10.5.2. 11.4. Der Narr und das Glück 11.4.1. Narren haben Glück (855-863). — PFAFFE 8.2. Vgl. GLÜCK 5.6.2.1., SCHLECHT 2.5.l,, SCHURKE 2,1. 11.4.2. (Zuviel) Glück macht zum Narren (864-869) 11.4.3. Wenn der Narr Glück hat, braucht er keinen Verstand (870-871) 11.4.4. Glück schadet den Narren (872-87S). Vgl. unten 14.3. 11.5. Narren haben Unglück (876-881) 11.6. Narren werden betrogen (882-889) 11.7. Um Narren wird nicht getrauert (890-891) 11.8. Um einen Toten trauert man sieben Tage, um einen Narren sein Leben iang (892 — 894) 11.9. Verschiedenes (895-897) 12. Narren unter sich 12.1. Ein Narr macht viele Narren (898-909). Vgl. EIN 1.1. 12.2. Narren finden sich zusammen (gefallen einander) "9 -9 5 Vgl. ART 1-2, BÄR 3., BRETONE 3., DIEB 2.1., DOHLE 2., ELSTER 37, GEFALLEN 5.1., GESELLE 2.1., GLEICH 1.1.-1.2., 178, HUND 2.25., HURE 4,2., KRÄHE 4., LIEBE 3.2.2,, LÖWE 8., REIN 6,, SANCHO 1., SCHLECHT 2.2.3., SCHURKE 1.3., STOTTERN 1., TEUFEL 3.4., WOLF 10.2. 12.3. Ein Narr kann vom ändern nichts lernen (916—917) 12.4. Zwei Narren in einem Haus sind zuviel (918-921). — EULE 28. Vgl. EIN 5.4. 12.5. Vereinzelt (922) 13. Der Narr und seine Kennzeichen {äussere Erscheinung) 13.1. Die Narren erkennt man von selbst (ohne Schellen und Narrenausrüstung} (923 — 947). Vgl. oben 7.7. 13.2. Den Narren erkennt (zieht) man an den Ohren (948-951. Vgl. 0 2). VgL oben 7.7. 13.3. Zum Narren gehört die Keule (der Kolben, das Szepter) (952-957). Vgl. oben 6.10.-6.11. Variiert (958-958b). Anders (959-960) 13.4. Narrenschellen und Narrenkappen [961— 967. VgL 304) 13.5. Narrenseil (96S-979. Vgi. 478). — KÖNNEN 139 13.6. Der Narr und sein Haupthaar 13.6.1. Nicht alle Narren sind geschoren {980-986. Vgl. 958-958b). Vgl. ALL 2.2.1., BART 1.1. 13.6.2. Am Bart (Kopf) des Narren lernt man scheren (wird viel, hart geschoren) (987-993), Vgl. SCHEREN l 13.6.3. Wer sich vom Narren scheren lässt, ist selbst ein Narr (994 — 995) 13.6.4. Vereinzelt (996) 13.7. Auf den Kopf des Narren passt keine Mütze (997-998) 13.8. Der Narr und seine Hosen (999-1003) 14. Narren in hoher Stellung 14.1. Wenn kein Weiser da ist, erhöht man den Narren (1004-1020). Vg!. DRECK 3.3.2., SCHURKE 60-61 14.2. Der Narr in hoher Stellung benimmt sich dumm (1021 — 1023). Vgl. unten 14.3. 14.3. Narren in hoher Stellung sind unangenehm und eingebildet (1024 —1027). Vgl, oben 11.4,4., 14.2., ARM (Adj.) 6.9., BAUER 10., BETTELN 3,4., DIENEN 9.1.3.2., 9.10.5., GEMEIN 28, GEWALT 3.2., PFERD 14,2,, SCHLECHT 2.2.10., SCHURKE 3.4.

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NARR

15. Wenn der Narr auf sich selbst angewiesen ist, sorgt er für sich (1028-1032) 16. Wer einen Narren haben will, muss ihn ernähren (1033—1034) 17. Mancher Narr war nie in Aachen (hat Gott nie gesehen) (103S—1037) 18. Die Pläne (grossen Worte} der Narren gehen selten in Erfüllung 18.1. Der Narr plant und Gott entscheidet — GOTT 437, 439, 442-443 18.2. Viel unterbleibt von dem, was ein Narr denkt (prahlt) (1038). — GEDANKE 9.2., MEINEN 35 19. Alter und Torheit 19.1. Alter schul« vor Torheit nicht (J039;. — ALT 2.4.3.2. 19.2. Je älter, desto dümmer (1040-1044). — ALT 55, BRABANTER l 19.3. Alte Narren sind die besten —· ALT 2.4.3.3. 19.4. Vereinzelt (1045) 20. Frauen, Liebe, Spiel und Wein machen zu Narren — FRAU 981-983, 989, LIEBE 350, 487, 492-494, 498, 508, 511, 513, 515, 517, 519, 523-525. 527-528, 530-531, 534, 539, 543, 550-551, SPIEL 6.5.1., TRINKEN 68, 74-77, 84-85, 94, WEIN 19, 158, 166-167, 178-181, 185, 187-189. Vgl. LIEBE 1,6,2., TRINKEN 1.9., WEIN 1.11.1. 21. Die Narren beeinflussen den Markt -> MARKT 1.3.2., 60-61, 63-75, 5.1.-5.2. 22. Wer eine Torheit begeht, muss sie büssen (1046-1052). Vgl. BUSSE 1.2.1., ESSEN 14.4.1., SCHLECHT 4.3.4,, TRINKEN 8.7.1. Ähnlich (1053) 23. Weltliche Weisheit ist vor Gott Torheit -» WEISE 1-4, 7-14, 16-18, 20-24 24. Das Paradies der Narren (1054). — WEIN 58 25. Narrenspiel (1055-1057). Vgl, oben 10.4.4. 26. Törichte Völker (l058-l059), — BRETONE 1-2,4 27. Fügungen und Redensarten 27.1. Die Narrenhaut (J060-i063. Vgl. 309) 27.2. Das Narrenbad {1062-1063. Vgl. 176-177) 27.3. Gauch(s)berg, Lappenhausen, Narrenberg (1064-1070). — WORT 977, 979-981, 989. Vgl. AFFE 2.3. 27.4. Redensarten 27.4.1. Den Narren schneiden (1071-1074) 27.4.2. Den Narren stechen (1075) 27.4.3. Den Narren bohren, beschwören, giessen, jagen, purgieren (1076 — 1078), —* FRAU 205 28. Verschiedenes (l079-3124)

1. Wertung der Torheit 1.1. Torheit ist schlimm 1.1.1. Torheit ist nichtig und schädlich 1 Ml at. Tu sapiens vives, si stulti crimina vites Du wirst als Weiser ieben, wenn du die Verbrechen des Dummen meidest WERNER 2 151. 2 Fr. Folie emprise ne fu onques bonne faite Ein verrücktes Unternehmen ist noch nie zu etwas Gutem geworden FROISS. (SPEC. 10) 297,40. 3 N o r d . Ok hlytr jafnan illt af athugaleysi Und man erleidet immer Übles (als Folge) von Unbesonnenheit GRETTIS SAGA 39,11 ( = JONSSON, ARKIV 17. JONSSON 6). Vgl. unten 8.8.2. 1.1.2. Torheit ist nichts Rühmliches (nicht Ritterart} 4. 5 Fr. Folie n'est pas vasselages Torheit ist nicht Ritterart CRESTIEN, EREC 231. N'est barnajes de fere folete Es ist nicht Rittertat, eine Torheit zu begehen BERTR. BAR, AY6. 7 MERI 2216. Folie n'est pas vasselage Übers, wie 4 TRISTAN PROSE 82. Et, an dit toz

NARR S. 9 10 u. 12 13 14 15 16.17

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jors: Polte n'est pas vasselages Und man sagt immer: ... PHIL, DE Nov. 134. Folie n'est pas vasselage J, DE MEUN, ROSE 6988. LEROUX 1,235 (13. Jh.), Folie n'est pas vaselages DIT DE LA TREMONTAINE 31. Folie n'est pas vasselage MORAW. 754. Folie n'est pas vasselaige ISOPET DE LYON 11,30. Folie faire n'est pas vasselaiges Eine Torheit begehen ist nicht Ritterart PROV. RUR. 235. Folie n'est pas vasselage bers, wie 4 CAMBR. SAMML. (-»LEROUX 11,476). Folie n'est pas vacelage CHEV. DU PAPEGAU 39,26. Folour n'est pas vasselaige DAME LOYALE 136. Folie n'est pas vassallaige ET. LEGRIS 272.

1.1.3. Ein Narr ist, wer n rrisch handelt 18 Fr. Que eil est fous qui fet folie Denn der ist ein Narr, der sich n rrisch benimmt 19 RAOUL DE HOUDENC, MERAUGIS 4950. Fous est qui croit s fole pense Ein Narr ist, 20 wer dem eigenen n rrischen Gedanken Glauben schenkt REN. 7, l, Fols est qui foloie et folie n'est pas sens Ein Narr ist, wer sich n rrisch benimmt, und Torheit ist nicht Vernunft GERSON 35. Vgl. unten 2.6., 7.1., AFFE 1.10.

1.1.4. Lieber Rom aufgeben als ein Narr sein 21 M l a t . Pro Roma nollem, quod vir stultissimus essem! Nicht um Rom m chte ich, dass ich der d mmste Mann w re Werner2 p l l S . 22 Dt. £ ich ein t re wolle sin, Ich liez e Rome, waere ez min Eher als ein Narr zu sein, g be ich Rom auf, geh rte es mir FREIDANK 85,9.

1.2. Torheit kann gut sein Vgl. unten 9. 1.2.1, Verr cktheit zur rechten Zeit ist gut 2? B i b l . Pretiosior est sapientia et gloria, parva et ad tempus stultitia VULG., ECCLES. 24 10,1. Darumb ists zu weilen besser Torheit, denn Weisheit vnd Ehre LUTHERBIBEL, PRED. 10,1. 25 Gr. Ου πανταχού το φρόνιμον άρμόττει παρόν, Και συμμανήναι δ' evict δει Nicht berall ist es passend, dass Vernunft zugegen ist, und manchmal muss man miteinander verr ckt sein MEN., FRG. 421. 26.27 Lat. Insanire iuvat Verr cktsein ist erfreulich H R., CARM. 3,19,18. Misce stultitiam consiliis brevem: Dulce est desipere in loco Wechsle ab zwischen Vernunft und kurzer Verr cktheit! S ss ist es, am rechten Ort unvern nftig zu sein EBD. 4,12,27. 28 Aristoteles quidem ait omnis ingeniosos melancbolicos esse Aristoteles sagt zwar, alle 29 Begabten seien Melancholiker 1 Cic., Tusc. 1,33,80. Nam sive Graeco poelae credimus: „aliquando et insanire iucundum est" ... sive Aristoteli: „nullum magnum ingenium sine mixtura dementiae fuit" Denn ob wir dem griechischen Dichter 2 glauben wollen: „Manchmal ist auch unvern nftig sein angenehm" oder Aristoteles·1: „Nie gab es einen grossen Geist ohne eine Beimischung von Verr cktheit" SEN., DE TRANQUIL. 30 17,10, Insipiens esto, cum tempus postulat aut res; Stultitiam simulare loco prudentia summa est Sei n rrisch, wenn der Zeitpunkt es verlangt oder der Gegenstand! Zur rechten Zeit Torheit vorzugeben ist h chste Klugheit PS. CATO, DIST. 2,18 (vgl, WEISE 417). 31 Mlat. Te stolidum finge, sicut res postulat; inde Esse loco stultum fit saepius utile multum Gib vor, dumm zu sein, je nachdem wie der Gegenstand es erfordert! Am 32 rechten Ort n rrisch zu sein erweist sich oft als sehr n tzlich WERNER 2 113. Accedit ad haec vulgati proverbii non leve testimonium, quo dictitant, stultitiam unam esse rem, quae et juventam alioqui fugacissimam remoretur et improbam senectam procul

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arceat Dazu kommt das nicht zu unterschätzende Zeugnis des verbreiteten Sprichworts, in dem immer wieder gesagt wird, die Narrheit sei das einzige, was die sonst so flüchtige Jugend aufhalte und das unerwünschte Alter weit hinauszögere ERASM., STULTITIAE LAUS 41. Sine Platoni, inquit (seil. Seneca], credimus, frustra poeticas fores compos sui pepulit: siue Aristoteli, nuilum magnum ingenium sine mixtura dementiae fuit „Ob wir", sagte er (Seneca), „Plato glauben wollen: ,VergebIich hat einer, der seiner Sinne mächtig ist, an die Tore der Dichtung geklopft' 4 oder Aristoteles: ,Nie hat es einen grossen Geist ohne eine Beimischung von Verrücktheit gegeben'5" ERASM., ADAG, CHIL. 3,1,48. Fr. A le foiz doit om foloier Manchmal muss man Torheiten begehen GAUT. D'ARRAS, ERACLE 772. Toi doit horn faire et savoir et folie Alles muss man ausüben, Weisheit und Narrheit HERB. DANM., FOLQUE DE CANDIE 266. Feindre met fol, faire folie; Dune n'est co sen e grant veisdie? Mich verrückt stellen, Verrücktheit(en) begehen, ist das denn nicht vernünftig und grosse Schlauheit? FOLIE TRIST. I 181. Selonc les eures et le tens A bien mestier folie et sens Je nach den Stunden und dem Zeitpunkt ist Verrücktheit oder Vernunft wohl angebracht REN. 21,95, Mainte folie torne a bien Manche Verrücktheit schlägt zum Guten aus YDER 4875. Quar, ainsi l'ai o'i en proverbe retraire. For son ban aconplir doit-l'en folie faire Denn so habe ich es im Sprichwort sagen hören: „Um seinen Willen zu haben, muss man Torheit(en) begehen" CHASTIE-MUSART (» RuTEBEUF III, 382,3). Tu dots bien estre, par mon los, Quant mestiers est, sages et fols. Selon les heures et les temps A grant mestier folie et sens Du sollst, das ist mein Rat, weise oder närrisch sein, wenn es von Nutzen ist. Je nach den Stunden und dem Zeitpunkt ist Verrücktheit oder Vernunft sehr angebracht ADAM DE SUEL, CATO 425. For son bon doit on foler Um seinen Willen (zu haben), muss man Torheiten begehen AFR. Ls. 4,22. Grant sens est, que que nul die, D'jaucjunes fois faindre folie Es ist sehr vernünftig, was man auch einwenden möge, sich manchmal verrückt zu steilen G. DE DEGUILEVILLE 841. Pro v. Qu'en tal luec vos valra foldatz On sens no us poiria valer Denn dort wird Verrücktheit euch nützen, wo Vernunft euch nicht wird nützen können PEIRE ROGIER (+MAHN 1,125). Jovens Ditz qu'onrada folbia Val en luecx mats que sens Die Jungen sagen (mir), dass Verrücktheit in Ehren manchmal· mehr nützt als Vernunft ARNAUT DE MAREUIL 13,18. Et a manh nesci, ab fol parlar, Ai ja vist trop ben son pro far Und manchen Narren habe ich schon mit närrischer Rede mehr als gut seinen Nutzen betreiben sehen G. ADEMAR (-»MAHN 111,187). Fein te fol multas vetz Per tems aid co-t letz; Mult es grantz sav'ieza En Iocs feiner foleza Gib oft vor, dumm zu sein im richtigen Augenblick, wenn du kannst! Es ist eine grosse Weisheit, gelegentlich Torheit vorzugeben CATO PROV. T 183. E no-m par C'om sia cortes Que tot jorn vol esser senatz. Be m'agrada heia foldatz, Lonhad' e retenguda, Si com terns e Iocs muda Und es scheint mir, dass einer nicht höfisch sei, der stets vernünftig sein will. Gut gefällt mir schöne Verrücktheit, die man aufgibt oder festhält, je nachdem wie sich Zeit und Ort ändern GIR. DE BORNEL.H 41,17, Pero sens, pretz e folta Chascus a sas vetz, Qui be-ls assembla ni-ls tria Aber Vernunft, Tugend und Torheit sind alle an ihrem Platz, wenn man sie richtig verbindet und trennt EBD. 49,24. It. Ongn' omo doverta Sauere cd esser falle per stasgione Jedermann sollte abwechselnd vernünftig und verrückt sein MAZZEO DI Ricco DA MESSINA (+ANTICHE RIME 80,23). Ogn omo deueria sauere esser folie per stagione Jedermann sollte zeitweise verrückt sein können MAZZEO DI Ricco DA MESSINA (>RIME VAT. 3214 14 S. 17), No« e in tutto sauio, chi non sä bisognando esser pazzo Der ist nicht in jeder Beziehung weise, der nicht verrückt sein kann, wenn es nötig ist MERBURY 17. Engl. And Catone sayis w$, in bis wryt, To fenybe foly quhile is wyt Und Cato sagt uns in seiner Schrift, zeitweise Verrücktheit vorzugeben sei klug BARBOUR, BRUCE

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53 l, 343. Insipiens esto, cum tempus postulat, aut res: Stulticiam simulare loco prudencia summa est. — Ffol voii qe tu seiez, Solum ceo ke tu veiez, Coment la chose vet; Kar cointise est graunt Defendre sei noun-sauaunt Pur soun esplet. — Ffeyne pe fol, peipou be wys, t>e,r fooles aren beo-deene; A Mon to feynen him on pat wyse Is wismon, als l wene Übers, wie 30. — Ich will, dass du närrisch seist, je nachdem wie du siehst, wie die Sache läuft, Denn es ist eine grosse Klugheit, sich unklug zu stellen um des eigenen Vorteils willen. — Stelle dich töricht, obschon du weise bist, wo Narren zusammen sind! Wenn einer sich so verstellt, ist er ein weiser Mann, wie ich glaube VERNON MS. 50,353. 54 Dt. Swer mit der werlde wi! genesen, Der muoz ein wile ein tore wesen Wenn einer mit der Welt im Einklang leben will, dann rnuss er zeitweise ein Narr sein FREIDANK 55 83,9, Du scalt wesen in dorder here, Wan di te tut tosecht Eder dat ding, so deistu recht. Vnderwilen wisen de dorheit, Dat is de hogeste wisheit Du sollst dich närrisch benehmen, wenn es die Zeit von dir fordert oder die Sache; so tust du recht. Bisweilen 56 die Narrheit zeigen, das ist die höchste Weisheit STEPHAN, CATO ND. 1226. DM soll under wllen sm Unwiser denne ein kindelm: Ez ist dicke ein wisheit, Swer ze tumpheit ist bereit Du sollst bisweilen unvernünftiger als ein kleines Kind sein; es ist oft weise, 57 wenn einer sich dumm stellt CATO 293. Dannocht uns die weisen sagend: Wo die toren bessers habend, Da schalt du dich ze narren machen Listechleich an allen sachen Dennoch sagen uns die Weisen: „Wo es den Toren besser geht, da sollst du dich mit 58 List durchwegs närrisch stellen" WITTENWILER, RING 4534. Der ieuffell hatt ... solche verflucht Sprichwort ertichtet, Es muß eyn mal genarrett seyn LUTHER, WERKE 59-61 H, 356,12 (1522). Die höchst thorheyt, die großt weißheyt FRANCK 1,148 r. Thor62. 63 heyt zu gelegner zeit, ist die großt weißheyt EBD. II, 113 v. EGENOLFF 100 v, Thorheyt 64. 65 ist auch etwa gescheid FRANCK II, 146 v. EGENOLFF 177 v. Zur zeit (Zur rechten Zeit) ein narr sein, ist auch ein kunst FRANCK H, 146 v. EGENOLFF 177 v. Vgl. JUNG 5.3.1.

1,2.2, —1.2.3. s. Inhaltsübersicht 1.2.4. Keine kühne Tat ohne Narrheit 66 It. No« e mai gagliardia ehe non habbia in se qualche ramo di pazzia Es gibt keine Beherztheit, die nicht einen Schuss Narrheit in sich hat POLIZIANO 241 S. 123. -> WAGEN (Vb.} 154, 156. Vgl. WAGEN (Vb.) 2.2.1.-2.2.2.

1.2.5. Torheit, von der man rechtzeitig ablässt, ist gut (nicht schlimm) 67 Fr. Euer se foloie qui apres se chastie Zu seinem Giück ist närrisch, wer sich nachher 68 bessert HERB. DAN M., FOLQUE DE CAN DIE 3973. Mim vaut folie lassie ke folie maintenue Besser ist eine Torheit, von der man ablässt, als eine, an der festgehalten wird 69 Dues DE NORM. 74. Bei foloie qui se chastie Auf gute Art ist närrisch, wer sich 70 (nachher) bessert G. DE LORRIS, ROSE 3015. Sovent ai recorder Que mius valt folie laissie Que maintenue ne hauchie Oft habe ich sagen hören, dass es besser ist, von einer Torheit abzulassen, als an ihr festzuhalten oder sie (sogar) zu erhöhen GERB. DE 71 MONTREUIL, PERC. 12140. Bien foloie qui apres se chatoie Übers, wie 69 Mo RAW. 72 256. Mieuz vault corte folie que longue Eine kurze Verrücktheit ist besser als eine 73 lange EBD. 1256. Folie laissie vault mieuls que maintenue Übers, wie 68 GILLES LI 74 MUISIS 1,306. Les courtes folies sont les meilleures Die kurzen Verrücktheiten sind die besten ET. LEGRIS 386. 75 Pro v, Mais sim, conort c'auzit ai dir soven: C'ades pa$$'om primiers per lo follatge, Mas pois conven c'om s'an reconoissen Aber so tröste ich mich, da ich oft habe sagen

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hören: „Immer macht man zuerst (das Stadium der} Verrücktheit durch, aber dann gehört es sich, dass man wieder zur Vernunft kommt" JORDAN DE L'!SLA DE VENESSI (> PONS DE CPD. 99,30). It. Exttma (seil, il folle) pm valore Buona moneta cambiar ala rta Che ben mutar poi cha presa una via Er (der Narr} hält es für wertvoller, gutes Geld gegen schlechtes zu tauschen, als zum Guten umzukehren, nachdem er einen Weg eingeschlagen hat FRANCESCO DA BARB., Doc. H, 186. Dt. Ich hab allzeit hören sagen, der sei ein Thor, der in seiner Thorheit beharren (verharren} will ELISAB. v. NASSAU, LOHER 263. -* UMKEHREN 1.3. Vgl. UMKEHREN 14 Variiert: Fr. N'est pas, sanz maladie Qui maintient grant folie Der isr nicht frei von Krankheit, der an grosser Torheit festhält COMTE DE BRETAGNE 175. Folie maintenue vault pis que folte commencie Eine Torheic, an der man festhält, ist schlimmer als eine, die man (erst) begonnen hat FROISS, (SPEC. 10) 298,56.

1.2.6, Narrheit bewährt sich eine Zeitlang, aber nicht für immer 80 It. Passasi il folle co la sua follia: passasi un tempo, ma non tuttavia Der Narr kommt mit seiner Torheit davon; er kommt für eine Weile davon, aber nicht für immer PAOLO 81 DA CERTALDO 258 S. 153. £ bene ho sempre udito dire: Passasi il falle con la sua follictf e passa un tempo, ma non tuttavia Und ich habe immer treffend sagen hören: ... SACCHETTI 174,

2. Narren bleiben Narren und können nicht anders als närrisch handeln 2.1. Dummheit ist unheilbar (eine Krankheit) 82 It. Ocus (Ausg.: Oeus) bocus quinque reque, qui nasce mato no guarisce may Hokus Pokus, quinque reque, wer als Narr zur Welt kommt, wird nie gesund NUNEZ 111,89 83 (el Italiano). Chi nasce matto, non guarisce mat MERBURY 8. 84. 85 S p a n , Quien de locura enferma, tarde sana Wer an Dummheit erkrankt, wird spät 86 gesund CAV. CIFAR l, 99 S, 138. LOPEZ(?), REFRANES 599. El emperador le pregunto: Infante, quäl es la dolencia sin sanidad? El infante le respondio: La locura Der Kaiser fragte es: „Kind, welches ist das Leiden ohne (Hoffnung a u f ) Gesundheit?" Das Kind 87 antwortete ihm: „Die Dummheit" ENF, SAGE KASTIL, O 118. El mal que no tiene cura, es locura Das Übel, für das es keine Heilung gibt, ist die Dummheit NUNEZ II, 10. 88 Quien de locura enfermo, tarde sano Wer an Dummheit erkrankt ist, der ist spät gesund 89 geworden EBD. III, 293. Quien enferma de locura, o sana tarde o nunca Wer an Dummheit erkrankt, wird spät oder nie gesund EBD. 111,314.

2.2. Narren werden nie gescheit 90 Fr. Le fol, jamais nassaigist Der Narr wird nie vernünftig NUNEZ 11,293 (el Frances). 91 Span. Quando el nescio es acordado, el mercado es ya pasado Wenn der Narr gescheit geworden ist, ist der Markt schon vorbei NUNEZ 111,203, 92 Nord. Seint er at kenna foli vfsdom Es dauert lange, einem Narren Weisheit beizu93 bringen PARCEVALS SAGA 10,7 (= JONSSON, ARKIV 118. J ON s s ON 47). frat er forn oröskvior, ok er sannr, seint er afglapa at snotra Das ist ein altes Sprichwort und ist wahr: „Einen Narren zu einem Weisen zu machen dauert lange" HÄLFDANAR SAGA 94 BR9NUFOSTRA 13 (*FAS 111,584 [= JONSSON, ARKIV 3. JONSSON 1]). Seintt er heimskan at snotra Lange dauert es, einen Narren zum Weisen zu machen KÄLUND 73 ( = JONSSON, ARKIV 172. JONSSON 68).

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95 Dt. Ein tor wirt dik geleret wol, Doch ist sin herze goucheit vol Ein Narr wird oft 96 gut unterrichtet, doch ist sein Herz voller Torheit BONER 92,67. Simia simia est, etiamsi aurea gestet insignia, — Narren sein narren, und wenn man sy krönet Ein Affe ist ein Affe, auch wenn er goldene Insignien trüge. — Narren sind Narren, auch wenn 97 man sie krönt HAUER 131 (= AFFE 31). Ein narr ist ein narr, und bleibt ein narr, man singe yhm sueß oder sawer, sein weyse ist allzeyt die beste ... man singe ihm süss oder sauer, seine Melodie ist immer die beste AGRICOLA Nr. 34 (vgl. unten 6.7.). 98 Ein Narr bleibt ein narr, leihe jhrn gleich ein pfarr ... auch wenn du ihn mit einer 99 Pfarrstelle belehnst FRANCK 1,141 v. Simla semper simia, etiamsi aurea gestet insignia, — ... Narren seind narren, ob sie gleich ein guldin stuck antragen Übers, wie 96. — Narren sind Narren, auch wenn sie in Goldstoff gekleidet sind EBD. II, 22 r. — MÖRSER 19-20, 23-24, TAUFE 3, 8. Vgl. unten 8.6.2.

100 i03 102 103 104 iQ4a 105 106.107 iOS 109 i/0 3 i1 in 113 4 115 116 lJ7

2.3. Wer ais Narr weggeht, kommt als Narr zurück {ist auch anderswo ein Narr) M l a t . Qui fatuus est, hie fatuus erit ultra mare Wer ein Narr ist, der wird (auch) jenseits des Meeres ein Narr sein ROMULUS TOURS 47. Redit stultior de Parisiis quam ivit Er kommt dümmer von Paris zurück, als er hingegangen ist IAC. LAUS., SERM. 52. Ad fora qui stultus venit, hie stultus redit inde Wer als Narr auf den Markt kommt, kehrt als Narr davon zurück WERNER 2 a 29. Qui stultus exit, stultus revertetur Wer als Narr auszieht, wird als Narr wiederkehren BE B EL, PRO v. GERM. 473. Fr. Qui fol enuoie fol atent Wer einen Narren aussendet, erwartet einen Narren (zurück) VILAIN 100 Var. (-MoRAW. 1948). Qui fol envois fol attent LEROUX 1,243 (13. Jh.). Qui fouz anvie fouz atant. — Qui fatuum misit expectator fatui sit. Stultus regrediens est homo stultus yens ... - Wer einen Narren ausgesendet hat, soll einen Narren erwarten. Ein Dummer, der weggeht, kehrt als Dummer zurück ROBERT 40. Qui fol envoie, fol atent PROV, RUR. 177. Qui fol envoie fol attent ET, LEGRIS 629. Car qui va fol a Romme, Et fol il s'en retourne Denn wer als Narr nach Rom geht, kehrt auch als Narr von dort zurück PROV. EN RIMES 767. It. Comu si soli din cui inuia follu. follu atende Wie man zu sagen pflegt: „Wer einen Narren aussendet, erwartet einen Narren (zurück)" Vizn E VIRTU 201. E n g l . Vor äse me zayjj communliche. buo pet fol zent: fol abyt Denn wie man gewöhnlich sagt: Übers, wie 104 MICHEL, AYENBITE 211. N l. Die eenen ghee wtseyndt hem comt een dwaes weder. — Stultus yens mille leucas stultus redit ille Wer einen Dummen aussendet, dem kommt ein Narr zurück. — Wenn der Dumme tausend Meilen geht, so kehrt er (doch) dumm zurück PROV. COMM. 217. Dt, Ist er ein esel und ein gouch, Daz selb ist er ze Parts oucb Wenn er ein Esel und ein Narr ist, so ist er das auch in Paris BONER 99,71 (= ESEL 264). De enen gheck vth send deme kumpt en dwas wedder Übers, wie 11 PROV. COMM. MND. 216. De einen gek utsendet, dqm kumt ein dar u/edder. - Stultum ableganti stolidus fatuusque redibunt ... — Einem, der einen Narren aussendet, kehren ein Narr und ein Dummköpf wieder TUNNICIUS 325. Wer einn narren weit sendet, dem kompt ein thor herwider Wer einen Narren weit (weg) sendet, dem kommt ein Tor zurück FRANCK II, 24 v. Der einn narren vber meer tregt, wirt jhn an einn thoren tauschen Derjenige, der einen Narren übers Meer trägt, wird ihn gegen einen Toren eintauschen EBD. Schick jn ghen Pariß, biß er wirt greiß, so kompt doch der jung narr außzogen, alt herwider Schicke ihn nach Paris, bis er alt wird, so kommt doch derjenige, der als junger Narr ausgezogen ist, als alter zurück! EBD. II, 25 r, Vgl. unten 10.7.1., AFFE 1.8., ÄNDERN 6.-7., BOCK 40, ESEL 11.1., FERN 2.1., FUCHS 4., GANS 1.4.1,, HAUT 22, HUND 1.1.-1.2., KATZE 4.5., NATUR 1.1.1.1., 1.2.1.1., PARIS (Stadt) 2., PILGER 10., RHEIN 2., RIND 1.2., ROM 14., WOLF 2.

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2.4. Der Narr kann nicht von der Torheit lassen us M l a t . Cum se despidet, tune stultus crimina linquet Wenn er sich selbst verachten wird, dann wird der Narr die Missetaten lassen WERNER 2 c200. 119 It. Si con se uol$e l'usso enl pileng o el sta, Si fal mat en matece, c'altro penser non a Wie sich die Tür in der Angel dreht, an der sie befestigt ist, so [tut] der Narr in der Torheit; denn er hat keinen anderen Gedanken PATEG 213. 120 Dt. Der tore sünde niht verbin, Unz er im selbe unmaere win Der Tor unterlässr die Sünde nicht, bis er seiner selbst überdrüssig wird FREIDANK 84,10. Vgl. DIEB 1.1, ELSTER 1., FROSCH 1,3., FUCHS 32, 34, GEWOHNHEIT 1.2., 2., HAND 3.1., HUND 7.2, KATZE 4.1., KRÄHE 18., LASSEN J, NATUR 1.2.1.1, SCHURKE 1.1, SITTE 4.2, TRINKEN 132, TRÜGEN 12, VERBRECHEN 13, VOGEL 30, WOLF 2.1. 2.5. Narren fallen von einem Laster ins andere 121 La t. Oum vitant stulti vitia, in contrario currunt Indem die Narren die Laster meiden, fallen sie in die entgegengesetzten HÖR, SAT. 1,2,24. 122 Fr. Horaces ditr qui n'est pas nices: Quant li fol eschwent ies vices, Si $e tournent a leur contraires Horaz, der nicht einfältig ist, sagt: „Wenn die Narren die Laster meiden, wenden sie sich den entgegengesetzten zu" ]. DE MEUN, ROSE 5737. 123 324 125 126 127 328 329 130

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2.6. Es ist die Bestimmung des Narren, närrisch zu handeln Fr. Mais dreiz est e costume ke fouz folei Aber es ist Recht und Sitte, dass ein Narr närrisch handelt GIR, DE Ross. 5445. Ja nen iert foils] qui ne folott Nie wird es einen Narren geben, der sich nicht närrisch benimmt AIM, VAR, FLORIM. 736. L'en dit que fols qui ne foloie Perd sä seson Man sagt, dass ein Narr, der sich nicht närrisch benimmt, seine Zeit verliert RUTEBEUF 1,6,22, Fous qui ne foloie si pert sa seson Ein Narr, der sich nicht närrisch benimmt, verliert seine Zeit MORAW. 792. Por ce est li fous qu'il face la folie Dafür ist der Narr da, dass er sich närrisch benehme PROV. RUR. 136 (-MORAW. 1665). Quant fous ne foloie, si pert sa saison Wenn der Narr sich nicht närrisch benimmt, verliert er seine Zeit PROV, RUR. 346. L'en dist que fol qui ne foloye> si pert sa seson Übers, wie 125 HENRI DE FERRIERES, ROI MODUS 193,7. Fol qui ne folloye perd moult sa saison Ein Narr, der sich nicht närrisch benimmt, vertut ganz seine Zeit LEROUX 1,237 (15. Jh.). Pro v, Mas segon drettura Cerca fols sa follatura, Cortes cortez' aventura, E-il vilans ab la vilana Aber zu Recht geht der Narr seiner Narrheh nach, der Höfische einem höfischen Abenteuer und der Bauer (einem) mit der Bäuerin MARCABRU 30,78. Mas costum' es tostems que fols foleya Aber es ist stets Brauch, dass der Narr sich närrisch benimmt BERN. DE VENT. 42,29. Que de fol cove que folei Denn es gehört sich, dass der Narr sich närrisch benehme BERN. DE VENT.(?) 24 Zusatzstrophe 6,6. It. Endarno e mato cbi nol sente Vergeblich ist einer ein Narr, wenn man es nicht merkt GEREMIA DA MONTAGNONE 76. Vgl. oben 1.1.3., unten 7.1., AFFE 1.10, WEISE 8.7. 2.7. Vom Narren ist nichts als Torheit (Schlechtes) zu erwarten Mlat. De stulto stulta procedunt somnia multa Von einem Toren kommen viel törichte Träume S. OMER 59. De stulto stulta procedunt sompnia multa PROV. RUST. 8. Fr. Sa dete paie fox Quant fait folie Seine Schuld bezahlt der Narr, wenn er eine Torheit begeht COMTE DE BRETAGNE 176. sot komme sot songe Zu einem närrisehen Mann (gehört) ein närrischer Traum LEROUX 1,249 (l3. Jh.). Fol home foles

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140 veies tient Ein Tor geht törichte Wege RAWLINSON 271 (= MORAW. 785). De fol home fol sunge Von einem närrischen Mann (kommt) ein närrischer Traurn RAWLINSON 320 14l. 142 (= MORAW. 494). De fol folie Vom Narren (kommt) Torheit MORAW. 492, De sot 143 homme sot songe Übers, wie 140 PROV. RUR. 207, Sa dete paie fous quant il conte folte Seine Schuld bezahlt der Narr, wenn er etwas Dummes erzählt MORAW. 2226. 144 Pour ce que en fol ne doit on querir se folie non Weil man beim Narren nichts anderes 145 als Torheit suchen soll GERSON 38, De sot homme sot songe Übers, wie 140 ET. 146 LEGRIS 198. Bien fol est qui a fol demande sens Der ist wohl verrückt, der von einem 147 Narren Vernunft verlangt LEROUX 1,239 (15. Jh.). De sot homme sot songe Übers. wie HO EBD. 1,251 (15. Jh.). 148 Dt. So der toren wille für sich gät, Son tuont si niht wan missetät Wo sich der Wille 149 der Toren erfüllt, da tun sie nur lauter Böses FREIDANK 85,1. Swa torn wille vür sich gät, Da tuont $i niht denne missetät HUGO v. TRIMBERG 4189.

2.8. Vom Narren Torheit, vom Leder Riemen 150 M l a t . De cute corrigia, de non sapiente folia Vom Leder Riemen, vom Unvernünftigen Torheit MEYER, Doc. MANUSCR. C179. J5i Fr. De fol folie et de cuir corroie Vom Narren Torheit und vorn Leder Riemen VILAIN U2 85. De fol folour, de cuir corroie Vom Narren Torheit, vom Leder Riemen GAUT. DE 153 COINCY (*MEON 11,42,1315}. De fol folie, de cuir coroie. - Stultus stulticiam profert, hoc sepe videmus; De cute corigiam cultro resecare solemus ... — Der Narr äussert Torheit, das sehen wir oft. Vom Leder pflegen wir mit dem Messer einen Riemen 154 abzuschneiden ZACHER 23. De fol folie, de cuir corroie MORAW. 493 (= LEROUX 155 1,240). De fol folies et de quir curreys CAMBR. SAMML. (+ LEROUX 11,474).

2.9. Vereinzelt 156 Fr. De ce di-ge que fox que nices Darum sage ich: Narr ist Narr M EON 1,124,6.

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3. Narren und Torheit sind überall gegenwärtig 3.1. Es gibt viele Narren (mehr Narren als Weise) Bibl. Perversi difficile corriguntur, et stultorum infinitus est numerus Die Schlechten lassen sich nur schwer bessern, und die Zahl der Dummen ist unendlich VULG., ECCLES, 1,156 (= KRUMM ). M l a t . Majori parti ne credas, sed meliori, Stultorum numerus innumerabilis est Glaub nicht dem grösseren Teil, sondern dem besseren; die Zahl der Dummen ist unendlich ABAELARD,, ASTRALAB. 164. Fr. Ei tu scez bien que les fols sont tousjours en plus grant nombre que les sages Und du weisst wohl, dass die Narren immer zahlreicher sind als die Weisen RENAUT DE LOUHANS, MELIBEE 205. En cent folies n'a pas ung sens Unter hundert Verrücktheiten gibt es nicht eine einzige vernünftige Handlung MORAW. 635. Span. En el dezir prouerbiado ... Que de los locos el cuento Infinito es In der sprichwörtlichen Aussage, dass die Zahl der Narren unendlich sei FERNÄN PEREZ DE GUZMAN (+CANCIONERO 1,752 b), Dt. Der toren zal ist äne zal, Der wisen zal ist aber smal Die Zäh! der Toren ist unendlich; die Zahl der Weisen dagegen ist klein HUGO v. TRIMBERG 17435. Die toren beten ie tüsent man Gen siben wisen, da vür ichz hän Die Toren könnten immer tausend Mann gegen sieben Weise stellen, wie ich glaube EBD. 17447. Da hundert tören sint, dö ist ain wiser nit Wo hundert Toren sind, da ist nicht ein Weiser STRASSBURG 22. Der gecken sint grote hopen. — Bardorum numerum quis tarn comprendere

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posset? Von Narren gibt es grosse Haufen. — Wer könnte schon die Zahl der Dummen fassen? TUNNICJUS 1063. Vgl. ESEL 1.3.

3.2. Überall ist Torheit 166 La t. Stultorum plena sunt omnia Alles ist voll von Narren Cic., AD FAM. 9,22,4. 167 It. Stende i suot rami sopra i mortal tutti L'arbor della pazzia Der Baum der Torheit breitet seine Zweige über alle Sterblichen GIOVAMBATTISTA DELL' OTTONAIO (+CANTI CARNASC. B 104). 168 Span. Si: la locura fuesse dolores, en cada casa daria bozes Wenn die Dummheit 169 Schmerz verursachte, würde in jedem Haus geschrien LOPEZ(?), REFRANES 661. locura fuese dolores, en cada casa darian voces NUNEZ 111,386,

Si la

HO Dt. Daz nu diu werit $ toren vol, Daz hat hie vor bewert uns ivol Ein buoch heizet Barlaam Josaphat Dass die Welt jetzt voll Narren sei, das hat uns früher schon ein Buch, welches „Barlaam (und) Josaphat" heisst, klar bewiesen HUGO v. TRIMBERG i/i 23527. Narren werck, das triben alle bant werck Narren werk treiben alle Berufe GEILER, NAV. FAT. I K. 3.3. Narren und Torheit sind leicht zu finden 172 Fr. Et eis proverbes bien le prove: Qui folie chace, il le trove Und dieses Sprichwort beweist es klar: „Wer der Torheit nachjagt, findet sie" GERB. DF. MONTREUIL, PERC.

173 5825. N'estoet chandele alumer por fol trover Man braucht keine Kerze anzuzünden, 174 um einen Narren zu finden RAWLINSON 154 (= MORAW. 1386). Qui chace folie tost 175 V a prise Wer der Torheit nachjagt, hat sie bald gefangen MORAW. 1868. Pols es t qui chace la folie Ein Narr ist, wer der Torheit nachjagt BARBAZ. ET MEON IV, 418,364. 176. 177 S p a n . Otro loco ay enel hano Es gibt noch einen anderen Narren im Bad 7 LOPEZ{?), REFRANES 508. NUNEZ III, 111.

3.4. Die Narren sterben nicht aus 178 Fr. Maus musarz n'est mie morz Der schlimme Narr ist (noch) nicht gestorben8 CRES179 TIEN, PERCEVAL 7149. Pölz cowars n'est mie mors Der närrische Zaghafte ist (noch) nicht gestorben ROM. u. PAST. 2,25,40.

3.5. Jeder begeht einmal eine Torheit ISO M I a t . Qmnis homo debet temeritati ludibrium Jedermann wird zu einem Spielball isoa des blinden Zufalls BEBEL, PROV. GERM. 293. Stultittae calceos cogitur conterere omnis homo Jeder Mensch muss (einmal) die Absätze der Narrheit ablaufen EBD. 294. 181 Dt. £s muß ein ieder ein par narren schuch zerreissen, zerreißt er nit mehr Es muss jeder (mindestens) ein paar Narrenschuhe zerreissen, wenn er nicht mehr zerreisst FRANCK 1,84 r.

4. Narren und Weise {Torheit und Weisheit) 4.1. Bedeutung der Weisen für die Narren 4.1.1. Weisheit ist den Narren schädlich 182 M l a t . Ne committas stultis sapienciam quia eis esset inturiosum; neque sapientibus earn deneges, quia quod suum est eis auferres Du sollst nicht den Narren die Weisheit anvertrauen, denn es würde ihnen schaden, noch sollst du sie den Weisen vorenthalten, 183 denn du würdest ihnen nehmen, was ihnen gehört PETR. ALF., DISC. CLER. 7,26, Saepe fit ingenium stultis plus hoste nocivum Oft wird Geist den Narren schädlicher als ein Feind WERNER 2 s 10.

NARR

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4.1.2. Die Narren missbilligen die Weisen und deren Rat 184 Fr. Costume est que musarz deschante Le bien que li sages U chante Es ist Brauch, dass der Narr das Gute, das der Welse ihm vorsingt, ins Gegenteil verkehrt MEON 11,133,145. IST Dt. Toren schulten ie der wisen rät Die Toren haben immer den Rat der Weisen 1S6 gescholten WALTHER v. D. VOGELWEIDE 13,31. Den tören dunket selten guot, Swaz ein wise man getuot Dem Toren scheint selten gut, was ein Weiser tut FREI DAN 84,14. 187 Toren wären ie den wisen gram Die Toren waren den Weisen immer feind HUGO v. TRIMBERG 14615. Vgl. WEISE 14.1.

4.1.3. Die Narren lernen von den Weisen 188 M l a t . Prudentis verbis regitur mens insipientis Der Geist des Dummen wird durch die Worte des Klugen gelenkt WERNER 2 p 151. 189 Dt. Wyse lüde maken gecken wys. — A prudente datur bardis sapientia cunctis Weise Leute machen Toren klug. — Vom Klugen wird allen Dummen Weisheit gegeben TÜNNIcius 916. Ähnlich: 190 Dt. Die wtsen kunnen manegen list, Der fremede tumben Hüten ist Die Weisen haben manche Kenntnis, die dummen Leuten fremd ist FREIDANK 79,11.

4.2. Bedeutung der Narren für die Weisen 4.2.1.-4.2.2. s. Inhaltsübersicht 4.2.3. Die Weisen können von den Narren lernen 191 192 193 194 195, 196

Fr. One sötte set bien ung sage conseillier Eine Törin kann wohl einen Weisen beraten CHEV. AU CYGNE 10435. Et si va bien ./. sos Ie sage conseillant Und ein Dummer berät wohl den Weisen B, DE SEB, 14,359, Ung fol advise bien ung sage Ein Tor berät wohl einen Weisen ET. LEGRIS 794. Ung fol advise bien un saige LEROUX 1,244 (15. Jh.). Ung foul conseille bien ung saige MORAW. 2450. Un sot satt molt souvent

un sage conseiller Ein Tor kann sehr oft einen Weisen beraten FILS AYMON (BEKKER) 723, 197 S p a n . El cuerdo viene por lumbre, y el nescio se lo purre Der Gescheite sucht nach Licht, und der Dumme gibt 9 es ihm NUNEZ 11,75.

195 Engl. A fool may eek a wis-man ofte gyde Ein Narr kann auch oft einen Weisen 199 leiten CHAUCER, TROILUS 1,630. Of ffotes t herde herby-fore Pat wyse men toke of hem heore lore Über den Narren habe ich früher gehört, dass Weise von ihnen Beleh200 rung empfangen hätten VERNON MS. 30,321. Of fole leris wise Von den Narren 201 lernen die Weisen CATO'S MORALS 48 (·> CURSOR MUNDI App. 4 S. 1669). The wyse can ffynde In folys tales sum-tyme wysdame Der Weise kann in den Worten des Narren 202 manchmal Weisheit finden PARTONOPE ENGL. 53. Yite an olde proverbe seide i$ all day: Of a fole a wyse man may Take witte, pis is with-outen drede Doch wird stets ein altes Sprichwort angeführt; „Von einem Narren kann ein Weiser Klugheit empfangen, 203 das steht ausser Zweifel" EBD. 7981. The wise nowe must learne wit of the ignoraunt Die Weisen müssen nun den Verstand von den Dummen lernen BARCLAY, ECL. 1,284. 204 Dt. Joch gtt der unwtse Dem wisen dicke guoten rät, Des er selbe niht enhät Doch gibt oft der Unkluge dem Klugen guten Rat, den er (für sich) selbst nicht besitzt FLECK, FLORE 932. Vgl, unten 9.

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4,2.4. Vereinzelt 205 N L Ick sie nu wel aaltet waer is, datmen ghemeynlijck seyt, De simpele bedrieghen somtijts wel de aider wijste Ich sehe nun gut, dass es wahr ist, was man allgemein sagt: „Die Einfältigen betrügen manchmal sehr wohl die Allerweisesten" REYNAERT 74 Kap. 44.

4.3. Unterschiedliches Benehmen von Weisen und Narren 4.3.1. s. Inhaltsübersicht 4.3.2. Der Weise redet wenig, der Narr sagt alles, was ihm einfällt 206 B i b l .

Totum spiritum suum profert stultus: sapiens differt,

et reseruat in posterum

207 .,. der Weise schiebt auf und spart auf später auf VULG., PRO v, 29,11. Ein Narr scbütt seinen Geist gar (ganz) aus, Aber ein Weiser helt an sich LUTHERBIBEL, SPR. 29,11. 20S In ore fatuorum cor illorum: et in corde sapientium os illorum VULG., SIRACH 21,29. 209 Die Narren haben jr Hertz im maul, Aber die Weisen haben jren mund im hertzen LUTHERBIBEL, SIRACH 21,28 (vgl. unten 344), 210 M t a t . Attendif sapiens, quid quomodo quando loquatur; Profert insipiens subito quidquid meditatur Der Weise wartet ab, was, wie und wann er reden soll; der Dumme 2 äussert sogleich alles, was er denkt WERNER 2 a 133. Os habet in corde sapiens, cor stultus in ore Der Weise hat seinen Mund im Herzen, der Dumme das Herz im Munde 222 EBD. o 86. Profert insipiens subito quidquid meditatur; Perpendit sapiens, quid quo· modo quando loquatur Der Dumme äussert sogleich alles, was er denkt; der Weise 213 wägt ab, was, wie und wann er reden soll EBD. p 126. Prov. 29, Stultus effundit sptritum suum semel. At sapiens dissimulat ...: Ein Narr schüttet seinen Geist auf einmal aus. Aber ein Weiser verbirgt (ihn) AGRICOLA II Nr. 8 Randgl. 214 Fr. Car sages on sä iangue garde; Ce ne savrait mie fos faire: Nus fos ne set sa langue taire Denn der weise Mann hütet seine Zunge; das könnte der Narr nicht tun: Kein Narr kann seine Zunge hüten J, DE MEUN, ROSE 4732. 215 Prov. Le savis e! cor a La boca, el foyls te Lo cor, c'a Heu et va, En la bocba dese Der Weise hat seinen Mund im Herzen, und der Narr tragt sein Herz, das unbeständig 216 und leichtsinnig ist, unmittelbar im Munde G. DE CERVERA 347. Lo fol te son cor a la bocfhja El(s) savis estujal a la cocha Der Narr trägt sein Herz auf dem Mund, und 227 der Weise verbirgt es, wenn es nötig ist SENEQUA (+BARTSCH, DENKM. 207,33). Fots horn declara tot son cors. Aycel es savis quey met for Ein Narr offenbart sein ganzes Herz; derjenige ist weise, der es richtig bemisst (wortl.: der das rechte Mass hineinlegt) 218 LEYS I, 318. Fols bom declara tot son cor, E-l savis sab y metre for ... und der Weise weiss es richtig zu bemessen EBD. III, 274. 219 Span. La lengua de} sesudo es en su corafon, e el coraqon del loco es en lo alto de la su lengua Die Zunge des Vernünftigen ist in seinem Herzen, und das Herz des Narren ist zuoberst auf seiner Zunge Boc. DE ORO 388. 220 P o r t , Ast he dura cousa ao doudo calar, como ao sesudo mal falar Dem Narren fällt es ebenso schwer zu schweigen wie dem Vernünftigen, Unsinn (wörtl.: schlecht) zu reden NUNEZ 1,129 (el Portugues} (vgL unten 374). 221 Engi. For every wise man, out of drede, Can kepe his tunge til he se nede; And fooles can not holde her tunge - „A fooles belle is soone runge" Denn jeder Weise kann zweifellos seine Zunge huren, bis er eine Notwendigkeit sehen mag; und Narren können ihre Zunge nicht hüten: Eine Narrenschelle ist bald gerührt CHAUCER, ROM. OF THE 222 ROSE 5263 (vgl. unten 961}. A fool tellip forpe alle hts spirite, but a wise man kepip sum to afterwards Ein Narr schüttet seinen ganzen Geist aus, aber ein Weiser behält 223 etwas davon für später zurück DOUCE (MS. 114) 168,13. The tonge of a discrete

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224 225 226 227 228 229 230 231

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man is in his herte and the herte of a foole is in his tonge Die Zunge eines vernünftigen Mannes ist in seinem Herzen, und das Herz eines Narren Ist auf seiner Zunge OXFORD 901 (1477). Dt. Wenne tören herze lit in irem munde, Der wi$en munt in herzen gründe! Denn das Herz der Toren liegt in ihrem Mund, der Mund der Weisen im Herzensgrund HUGO v. TRIMBERG 14115. Tören herze (Das Herz der Toren) lit in irm munde, Der wtsen munt in herzen gründe EBD. 17763. Eyn narr syn geist eyns mols vff schytt Der wts schwigt vnd beit kunfftig zytt Ein Narr schüttet seinen Geist auf einmal auf, der Weise schweigt und wartet die kommende Zeit ab BRANT, NARRENSCHIFF 19,81. Narren wasschen allzeit mehr denn weisen Narren schwatzen immer mehr als Weise LUTHER, WERKE III, 339,26 (1526). Salomon Proverb, xxix. Ein narr schüttet seinen geyst auff ein mal gar (ganz) auß, aber ein weiser man helt an sich AGRICOLA Nr. 220. Salomon sagt, Eyn narr schüt seinen geyst auff ein mal auß} eyn weiser aber hebelt etwas dahinden ... behält etwas zurück EBD. Nr. 429. Dann ain Narr redet was im züfelt, Aber ain Weyser mann redet wa es not ist Denn ein Narr sagt, was ihm einfällt; aber ein weiser Mann spricht, wo es notwendig ist AGRICOLA II Nr. 8. Der narr der hat sein hertz im maul Und redt alles, was im einfeit. Der weiß aber fein an sich helt Und hat im herfzen seynen mund SACHS 111,369,28 (1557). Vgl. unten 7.2., WEISE 7.4.

4.3.3.-4.3.5. s. Inhaltsübersicht 4.3.6. Der Narr schaut zum Fenster herein, der Weise bleibt draussen 232 B i b l . Stultus a fenestra respiciet in domum: vir autem eruditus foris stabil Der Narr wird durch das Fenster ins Haus hineinschauen, ein Gebildeter aber wird draussen 235 stehenbleiben VULG., SIRACH 21,26. Ein Narr kucket frey (schaut unbekümmert) einem zum fenster hinein, Aber ein Vernünfftiger bleibt eraussen (draussen) stehen LUTHERBIBEL, SIRACH 21,25. 234 lt. Lo mat per la fenestra si guarda en l'autrui ca; Mal sauio ua per l'usso, o e! defora sta Der Narr guckt durch das Fenster in ein fremdes Haus, aber der Weise geht durch die Tür, oder er bleibt draussen stehen PATEG 231.

4.3.7. s. Inhaltsübersicht 4.4. Unterschiedliches Schicksal von Weisen und Narren 4.4.1. Der Narr hat die Mühe und der Weise den Genuss 235, 236 Mlat. Auruni, quod repent stultus, discretus habebit Das Gold, das der Dumme gefunden hat, wird der Kluge haben PRO v. WRATISLAV. 45. WERNER 2 a 152. 237 Fr. Les folz fönt les vanquetz aulx saiges Die Narren bereiten den Weisen die Festmähler NUNEZ 11,287 (el Frances). 238 It. / matti fa le feste, i savi le galde Die Narren bereiten die Feste, die Weisen geniessen sie NUNEZ 11,215 (el Italiano) (vgl. ESSEN 14.5., FREUDE 4.I., GASTMAHL 2-3, GENIESSEN 1,). 239 E n g l . Folus lade polys; wisemenn etepe fysshe Die Narren schöpfen die Teiche aus, und die Weisen essen die Fische BABEES BOOK 332,12. 240 Dt. Swie grözen schätz der tore vant, Der was des wisen sä zehant Einen wie grossen Schatz auch der Narr gefunden hatte, der gehörte alsbald dem Weisen FREIDANK 81,9. 241 Raro diu gaudet invento stultus ab ere, Hoc propius modicum sapientem constat habere. — Wo grossen schätz der tore vant, Der wasz der weysin alcze hant Selten freut sich der Narr lange am Geld, das er gefunden hat; es steht fest, dass dieses wenig später

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der Weise hat, - Wo immer der Tor einen grossen Schatz fand, geh rte der alsbald 242 dem Weisen FREIDANK LAT. (G RLITZ) 1472. De perle, de en dore vant, De was des wisen altohant Die Perie, die ein Narr fand, geh rte alsbald dem Weisen G. v. MINDEN 243 1,9. Swas der tor y golds vant, Das was des weissenn so zehant. - Aurum quod repperit stultus, sapiens sibi querit Alles, was der Narr je an Gold fand, geh rte alsbald dem Weisen, — Das Gold, das der Narr gefunden hat, beansprucht der Weise f r sich FREIDANK LAT, (GRAZ) 66. -* RAUPE 3

4.4.2. s. Inhalts bersicht 4.5. Mit den Weisen weise, mit den Narren t richt 244 M l a t . Cum stulto stultus, sapiens sis cum sapiente! Mit dem Narren sollst du n rrisch sein, mit dem Weisen weise WERNER 2 c209. 245 S p a n . Co« los cuerdos estar cuerdo, con locos facerse loco Mit den Vern nftigen vern nftig sein, sich mir Narren zum Narren machen ARCIPRESTE 729. 246 Dt. Er was gewizzen unde guot, Den tumben lump, den wisen vruot Er war verst ndig und gut, n rrisch bei den Narren, klug bei den Weisen WIRNT v. GRAFENBERG 247 1409. Mit tumben tump, mit wisen wis, Daz was ie der werlde pns Mit den Narren t richt, mit den Weisen weise, das verschaffte (worth: war) immer das Lob der Welt 248 FREIDANK 85,13. Mit den wisen was er wis, Den tumben tump Mit den Weisen war 249 er weise, mit den Narren n rrisch RUD. v. EMS, WILLEH. 230, Mit tumben tump, mit wisen wis: Da von so het er lobes pns Mit den Narren n rrisch, mit den Weisen weise: 250 davon empfing er Lob ULR. v. LICHTENSTEIN, FRAUENDIENST 8,27. Mit tummen tump, mit wisen wis Was ie dirre wilden werlde pris ... das verschaffte {w rtl.: war) 251 immer das Lob dieser unsteten Welt HUGO v. TRIMBERG 13955. Reddere persone seit quisquis congrua cuique, Laudibus extolli mundanis debet ubique. — Mit tummen thum, mit weisen weis, Dasz was je der werld preisz Wer auch immer jedermann das Passende zu geben versteht, soll berall vom Lob der Welt erhoben werden, — bers, wie 247 FREIDANK LAT. (G RLITZ) 355. -» WEISE 425-426, 429. Vgl. unten 10.2.6., 10.3.

4.6. s. Inhalts bersicht 4.7. Gegen einen Narren kommen zwei (viele) Weise nicht auf 252 Mgr. Μωρός ρίψει λίθον είς φρέαρ και δέκα φρόνιμοι τούτον ουκ άνελκύσουσι Der Narr wirft einen Stein in den Brunnen, und zehn Weise k nnen ihn nicht wieder herausheben PLANUDES 245 (>KRUMB. S. 242). 253 Fr. Ce esmeut ung fol que .XL, sages ne pourroient apaisier Ein Narr r hrt etwas 254 auf, was vierzig Weise nicht beilegen k nnen ET. LEGRIS 127 {= MORAW. 318). H faut bien deux saiges dessaisir ung fol Es braucht gewiss zwei Weise, um einen Narren besitzlos zu machen LEROUX 1,241 (15. Jh.}.

4.8. Der Narr geht zur Vesper und der Weise zur Fr hmesse 255 Fr. Fous voit au vespre et sage au matin Der Narr geht zur Vesper und der Weise zur 256 Fr hmesse MORAW. 798. Fous vount vespres e sages matines Narren gehen zur Vesper und Weise zur Fr hmesse CAMBR. SAMML. {» LEROUX 11,476}.

4.9. Verschiedenes 257 M l a t . Stulti mirantur, prudentes unde regantur Die Narren wundern sich, woher die 258 Weisen gelenkt werden PROV. RUST. 24. NOK spernas stultum! sapientem dilige mul-

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259 turn Verachte den Dummen nicht! Liebe den Weisen sehr! WERNER 2 n 250. Stulti mirantur, sapientes unde regantur Übers, wie 257 EBD. s 188. 260 Fr. Dire puet l'an Folie aussi tost come san Man kann eine Dummheit ebenso rasch 261 aussprechen wie etwas Vernünftiges CRESTIEN, EREC 5919. Entre fol ei sage a grant devise Zwischen einem Narren und einem Weisen besteht ein grosser Unterschied Vl262 LAIN 251 (= MORAW. 696). On a plus tost fait la folie que ie sen Man hat rascher 263 etwas Verrücktes als etwas Vernünftiges getan MORAW. 1437. Souvent desplaist äs foles cbou que bien plaist as sages Oft miss fällt den Toren, was den Weisen gut gefallt GILLES LI MUISIS H, 197. 264 E n g l . Foole fayne ys of jefte, and wyse man it be wepys Der Narr ist zufrieden mit dem Geschenk, und der Weise weint darüber RYLANDS fo. 12 v. 265 Dt. Swer wil die tumpbeit verjagen, Der sol von wisheit boeren sagen Wenn einer die Dummheit vertreiben will, dann soli er sich von Weisheit erzählen lassen FREIDANK 266 84,17 a. Qui verbis odium stulti factisque meretur, Hie a pmdenti pociori laude tuetur. — Wer dinet desz toren hasz, Den habin dy weisin deste basz Wer sich mit Worten und Taten den Hass des Narren zuzieht, der wird vom Klugen um so mehr gelobt. — Wer sich den Hass des Toren zuzieht, den haben die Weisen um so lieber FREIDANK LAT. (GöRLiiz) 1004 (= WEISE 217). 5. Sich selbst zum Narren machen 5. . Niemand ist so närrisch wie ein freiwilliger Narr 267 Nl. Niemant so dwaes als willens dwaes. — Stultior est fictus fatuus quam non ita dictus Niemand ist so närrisch wie ein freiwilliger Narr. — Ein vorgetäuschter Narr ist närrischer als einer, dem man nicht so sagt PROV. COMM. 548. 268. 269 Dt. Nemand so dwas alze wyldwas PROV. COMM. MND. 525. Nummant so gek als ein willinges gek. — Ultroneo nullus bardo vel stultior extet ... - Keiner ist dümmer als ein freiwilliger Dummkopf TUNNICIUS 801. 270 271 272 273 274 275

5.2. Wer sich selbst zum Narren macht, hat dringend einen nötig Fr. Et dit piece a que il a grant disete de sot qui de Im le fait Und man sagt seit langem, dass der dringend einen Narren braucht, der steh selbst dazu macht MENESTREL DE REIMS 329. Grant mestier a de fol qui de soi me'isme le fait Dringend braucht einen Narren, wer sich selbst dazu macht MORAW. 820. Je dt grant besoing a de fou Qui de lui-meismes le fet Ich sage: ... CLERC DE VAUDOI (*JuB., N, REG. 11,138). Droit dit grant mestier a de fol Qui de soi mesme le fait Zu Recht sagt man: .,. CLERC DE VAUDOI [+LEROUX 11,290). Grant mestier a de fol qi de sä meisnie (lies mit MoRAW., INEDITA S. 421: sei meisme] le fait CAMBR. SAMML. (*LEROUX 11,476). Grant besoing a de fol qui de soy mesmes le fait ET. LEGRIS 290.

6. Selbsteinschätzung des Narren (und des Weisen) Vgl. unten 8.4.1. 6.1. Der Narr halt sich für klug 276 Mlat. Stultus stultitiam semper putat esse sophiam Der Narr hält die (eigene) Dummheit immer für Weisheit WERNER 2 s 196. 277 Fr, Mais fos ne veit en sä folie Fors que sen e raison ensemble Aber ein Narr sieht in 27s der eigenen Torheit nur lauter Vernunft und Klugheit J. DE MEUN, ROSE 6594. Foul ne voit en sä folie $e sen non. - Indpiens „ens, um, fert" non repent nisi sensum Ein Narr sieht in der eigenen Torheit nur lauter Vernunft. - Wer beginnt: „ens, um, fert",

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279 findet (darin) nur lauter Vernunft HILKA 173. Fous ne voit en sä folie se sen non MORAW. 790. 280 It. Vn mat se tten plui sauio e de maior ualer, Qe no fat sete saut con tutol so sauer Ein Narr halt sich für weiser und tüchtiger als sieben Weise mit all ihrem Wissen PATEG 281 217.w Ogni mato en so core e savio Jeder Narr ist seiner eigenen Ansicht nach (wörtl.: in seinem Herzen) weise GEREMIA DA MONTAGNONE 81. 282 Dt. Eyn narr zu allen zytten want Er sy witzig Ein Narr glaubt jederzeit, er sei klug BRANT, NARRENSCHIFF 67,6. Vgl, MEINEN 1.2.1., WEISE 15.2.-15.3., WISSEN 2.15., 4,10.

6.2. Der Narr hält alle ändern für dumm 253 M l a t . Non e$t mirum, si insanus aiios existimet insanire Es ist kein Wunder, wenn 254 der Verrückte glaubt, die ändern seien verrückt PETR. BLES., EP. 10 (1,29). Hoc habet omnis affectus, ut, in qua re ipse tnsanit, in eadem putat omnes furere Das hat jede Leidenschaft, dass sie glaubt, in derselben Angelegenheit, an der sie selbst krankt, seien 285 alle (Leute) verrückt IAC. CESS. 441-442. Credit homo semper, quod vivit stultior alter Der Mensch glaubt immer, der andere lebe närrischer (als er) WERNER 2 c 136, 286 Fr. Teus tent suvent pur fol autrui, Ke asez est plus fol de lui Oft hält einer den ändern für verrückt, der selbst sehr viel verrückter ist als jener HUON DE ROTELANDE, IPOMEDON 7921. -* GELD 38. Vgl. ANDER 1.4.1.1., BOCK 1., DIEB 3.3., GUT (Adj.) 106, 108, SCHLECHT 2.2.6., TREUE 2,2., UNTREUE 2.3.1., VERBRECHEN 9, WISSEN 263, WOLF J4J

6.3.—6.6. s. Inhaltsübersicht 6.7. Der Narr gefällt sich selbst am besten (hält sein Leben für das beste) 287 B i b l. Via stulti recta in oculis eins: qui autem sapiens est, audit consilia Der Weg des Narren ist in dessen eigenen Augen der rechte, wer jedoch weise ist, hört auf Rat VULG., 2S8 PROV. 12,15. Dem Narren gefeit seine weise wol, Aber wer Rat gehorcht der ist Weise LUTHERBIBEL, SPR. 12,15. 289 La t. Homine imperito numquam quicquam iniustius, Qui nisi quod ipse fecit nihil rectum putat Nichts ist jeweils ungerechter als ein unkluger Mensch, der nur das für richtig hält, was er selbst getan hat TER., ADELPH. 98.

290 M l a t . Sola putat fatuus, qu$ cogitat, insita ueris Der Narr glaubt, nur das, was er denke, sei wahr EGBERT,, FEG. RAT, 1,292, 291 Fr. Fol ne voit en sä folie si bien noun. — Stulticiam faciens stultus bene iudicat actum. Nil facit insipiens quod non putat utile factum. Stultus stultiaam putat affore prophetiam Der Narr sieht in der eigenen Torheit nur lauter Gutes. — Wenn der Narr eine Torheit begeht, hält er das für wohlgetan. Der Dumme tut nichts, von dem er nicht glaubte, es sei nützlich. Der Narr glaubt, seine Dummheit sei Weissagung ZACHER 6. 292. 293 Fol ne veyt en sä folie si bien noun CAMBR. SAMML. (+ LEROUX 11,476). Fol ne voit en sä folie se bien non ET, LEGRIS 270. 294 P r o v , La via de foyl es Als sieus oyls dretcbureyra Der Weg des Narren ist in dessen eigenen Augen der richtige G. DE CERVERA 754. 295 Dt, 5d toreht kumt mir nieman zuo, Ern waene, daz er 'z beste tuo Niemand begegnet mir, er kann noch so dumm sein, der nicht glaubte, er tue das Beste FREIDANK 82,24. 296 Ez dunket manegen tumben man Diu kunst diu beste, die er kan Es dünkt manchen 297 dummen Mann diejenige Fertigkeit, die er beherrscht, die beste EBD. 115,6. Im ist als

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298 299, 300 301 302

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dem tor en. den dvnchet nihtes gvt. Wan daz er mit sinem cholben tut Ihm geht es wie dem Narren: Den dünkt nichts gut, ausser was er mit seinem Kolben tut BRUCHSTÜCK (MEYER-BENFEY) 35 S. 20. Der wan wont allen toren bt: Daz ir leben daz beste st Diese trügerische Vorstellung haben alle Narren, dass ihr Leben das beste sei HUGO v. TRIMBERG 5943. Wer waent, daz er der beste si, Dem wont ein goucb vil nähe {82,45: nähen) bt Wer glaubt, er sei der beste, der hat einen Narren ganz nahe bei sich BONER 39,47. 82,45. Mir kumt nteman so lumber zuo, Ern' waene, daz er daz beste tuo Übers, wie 295 SPERVOGELSCHE SPRÜCHE 21,7 (+MSH III,468s). Nunquam perspexit oculus meus insipientem, Quin se prae cunctis meliora putaret agentem. — So tor et körnet mir nymant zcu} Her meine, dasz her dasz peste thu Nie erblickte mein Auge einen Dummen, der nicht glaubte, er tue das Beste vor allen. — ... FREIDANK LAT, (GöRLiTZ) 626. Wer wennet, dcts er der beste sige, Dem wonet fast der narre bye Übers, wie 299 KEMLI (* WERNER, BEITR. 209,7), Vgl. oben 97, unten 8.3., 1086, GEFALLEN 4.2-, GUT (Adj.) 3,3., SCHÖN 3.4.1.

6.8. —6.9. s. Inhaltsübersicht 6.10. Dem Narren gefallen seine Attribute 304 M I a t . Sepe minus salsus plus iusto rem colit unam: Arguitur fatuus sua tintinnabula amare Oft hängt der weniger Gewitzte über Gebühr an einer einzigen Sache: Man hält dem Narren vor, er liebe seine Schellen EGBERT., FEC. RAT. 1,731 (vgl. unten 13.4.). 305 Claua uelut stulto, pellis amata tibi est Wie der Narr seinen Kolben, so liebst du deine 306 Haut NIVARD,, YSENGR. 3,844. Cuilibet fatuo placet sua clava Jedem Narren gefällt sein Kolben BEBEL, PROV. GERM. 12. 307 Span. A cada necio agrada su porrada Jedem Narren gefällt der eigene Keulenschlag NUNEZ 1,10. 308 E n g l . The foole in his bable bath pleasure for to toy Der Narr hat Freude daran, mit seinem Szepter zu spielen BARCLAY, ECL. 4,326. 309 Dt. Manch narr ist der do bettet stat ...zu gott ... Das er kum von der narrenhut Vnd will die kappen doch nit Ion Es gibt manchen Narren, der da beständig zu Gott betet, damit er von der Narrenhaut (los)komme, und (der) doch nicht auf die Kappe 310 verzichten will BRANT, NARRENSCHIFF 45, l (vgl. unten 27.1.). Keyn gut dem narren jn der weit Basz dann syn kolb, vnd pfiff gefeit Kein Besitz auf der Welt gefällt dem 311 Narren besser als sein Kolben und seine Pfeife EBD. 54,9. Dem gecken hangent (lies mit F. Woeste11: haget] syne kuse. — Cuique placet stulto sua vestis sordida quamvis Dem Narren gefällt seine Keule. — Jedem Narren gefällt sein Kleid, auch wenn es 312 schmutzig ist TUNNICIUS 104. Ich kan wol bekennen, das keiner seinen Kolben gern fallen lest? ein jedlicher dem sein Kolb in der Handt erwarmbt, derselbig behalt ihn gern darinn: Das thundt aber allein die Narren Ich kann wohl bejahen, dass keiner seinen Kolben gern fallen lässt. Jeder, dem sein Kolben in der Hand warm wird, behält .31,3 ihn gern darin. Das tun aber einzig die Narren PARACELSUS, PARAGRANUM 89. Eim ieden Narren gefeit sein kolb Übers, wie 306 FRANCK 1,76r. Vgl. unten 13.3., GEFALLEN 4.2.-4.3., GUT (Adj.) 3.3,

6.11. Der Narr würde sein Leben (seine Attribute) gegen nichts tauschen 314 Engl. A fole will not geve bis babill for pe Towr of London. — Pegma valet blati plus turn Londoniarum Ein Narr wird seinen Kolben nicht um den Turm von London geben. — Sein Narrenstab 12 ist dem Narren mehr wert als der Turm von London HILL 105 a, 9.

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315 Dt. Ein tore woke niht sin leben V l'ihte umb eines k neges geben Ein Narr w rde 326 sein Leben sicher nicht gegen das eines K nigs tauschen wollen FREI DAN κ 84,4 . D/s bischaft si geseit Dem toren, der sin kolben treit, Der im ist lieber denn ein rieh Dieses belehrende Beispiel soll dem Narren gelten, der seinen Kolben tr gt, der ihm lieber ist 337 als ein K nigreich BONER 1,24. Cum ducat fatuus sine mentis acumine vitam, Non cupit alterius vitam virtute politam. — Eyn tor wolde nit sein torlichen leben Umb eines reichen kunigis geben Obschon der Narr sein Leben ohne Geistessch rfe f hrt, hat er kein Verlangen nach dem Leben eines ndern, das durch Tugend gl nzt. - Ein Narr w rde sein Narrenleben nicht gegen das eines m chtigen K nigs tauschen FREI318 DANK LAT. (G RLixz) 67. Einen kolben vur einen class goldes ... nimpt ein narre Ein Narr zieht einen Kolben einem Klumpen Gold vor JOH. v. SAAZ 30,1. Vgl. unten 8.5.2., 13.3.

6.12. Der Narr lobt sich selbst 319 L a t . Stultus se ipsum laudat Der Narr lobt sich selbst ROMULUS 46 Prom. {r.v,} (=LOB1IO). 320 Fr. De folie se peut len venter Der Torheit kann man sich r hmen MORAW. 495. 321 Dt. Toren lobent al ir wise Gerne nach der ffen prise, Daz behaget in allez wol, des sie pflegen Narren loben ihre ganze Art und Weise gerne so, wie Narren (eben) loben: 322 Alles, was sie tun, gef llt ihnen gut DER UNVERZAGTE 1,4 (>MSH 111,43 b). R emen, troen und scharrn Sint drey stueck aines narrn Prahlen, Drohen und trotziges Auftreten sind drei Verhaltensweisen eines Narren SACHS XXII, 385,29 (1547). — LOB 110-111, 113, 119, 122-123. Vgl. LOB 1.7.

6.13. Die eigene Dummheit erkennen 323 Fr. Chascuns dit que ge folai, mes nus nel set mielz de moi Jedermann sagt, ich sei n rrisch, aber niemand weiss es besser als ich MORAW. 350. 324 Pro v. Quar, pueys qu'bom ve sas foudatz, Fols es si nos chastia Denn wenn einer seine Torheit einsieht, ist er ein Narr, wenn er sich nicht bessert SORDELLO 29,35.

6.14. Vereinzelt 325 Dt. Wie man gemainlich (allgemein) spr cht: „Kain narr will ein narr sein", so wenig als kein voller vol oder ain hur ein hur ZIMMER. CHRON. IV, 255,29.

7. Narrengeschw tz 326 327 328 329 330 331 332

7.1. Der Narr redet n rrisch Gr, Μώρα γαρ μωρός λέγει Denn ein Narr redet n rrisch (w rtl.: dummes Zeug) EUR,, BAKCH. 369. MIat. Stultus stulta loquitur Ein Narr redet dummes Zeug ERASM., ADAG. CHIL. 1,1,98. Fr. N'avez vus oy cest respit, Ke de fol hume vent fol dit? Habt Ihr dieses Sprichwort nicht geh rt, dass vom n rrischen Menschen ein n rrisches Wort kommt? HUON DE ROTELANDE, IpoMEDON 9505. Li sages dist en son respit: „De fol home sont fol li dit" Der Weise sagt in seinem Sprichwort: „Die Worte eines n rrischen Menschen sind n rrisch" AM ADAS 5999. follie n'est que vent, qui la dit si la prent Verr cktheit ist nur ein Wind, wer t richt redet, wird ein Tor MORAW. 755 (= LEROUX 1,235}. Dt. Stultus stulta loquitur. — Μόρος μόρα (lies: Μωρός μώρα} λέγει. — Eyn nhar redet al eyn nar bers, wie 327. - bers, wie 326. - Ein Narr redet wie ein Narr LUTHER, WA XXXL2,201, 3 5 (1527 - 30). Stultus stulta loquitur, - ... Narren reden

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333 wie narren FRANCK II,54v. Stultus stulta loquitur. — ... Narren reden narren tandt 334 (närrisches Zeug) EBD. II, 88 r. Ein narr redt narren tandt EBD. II, 102 v. VgL oben 1,1.3., 2.6., AFFE 1.10.

7.2. Der Narr redet viel und unüberlegt 335. 336 Bibl. Stultus verba muhipUcat VULG., ECCLES. 10,14. Ein Narr macht viel wort LUTHERBIBEL, PRED. 10,14. 337 Mlat. Insipiens fatur, quidquid subito meditatur Der Narr spricht unmittelbar aus, 335 was er denkt WERNER Z i 101. Insipiens uno sua profert cuncta momento Der Narr sagt in einem Augenblick alles, was er zu sagen hat EBD. i 102, 339 Fr. Fox dit quanques ä la bouche vient Ein Narr sagt alles, was (ihm) in den Mund 340 kommt LEROUX 1,235 (13. Jh.}. Fous dit kenques a la bouche li vient PROV. RUR. 46 341 (= MORAW. 768}. Le fol parle moult Der Narr redet viel CHEV. AU CTGNE 226. 342 It. El vulgär ignorante omni un reprende, E parla piu de quel que meno intende Der gemeine Dummkopf weist jedermann zurecht und redet am meisten von dem, was er am wenigsten versteht NUNEZ 11,29 (el Italiano). 343 Nord, Caude vel capiti non sermo fit hermofroditi. — Halff skratthes tale haffwer hwerken howeth euer hale Die Rede des Hermaphroditen gelangt weder zum Schwanz noch zum Kopf.13 — Die Rede des Halbnarren hat weder Anfang noch Ende (wörtl.: weder Haupt noch Schwanz) LÄLE 131. 344 E n g l . In ore fatuorum cor illorum. - On mupe stuntra heorte hyra Die Narren haben ihr Herz im Munde LIBER SCINTILLARUM 96 (vgl. oben 209). 345 Dt. Nu merket, wat doren unde äffen Vele unnüttes künnen klaffen Jetzt merkt, wie346 viel Unnützes Toren und Narren schwatzen können ZENO 278, Claffen vil sei Narren 347 fuog Viel reden sei Narrenart WITTENWILER, RING 3234. Das decret sagt auch dapei, Das der wort der narren gar vil sei Und die anweisen hassen die chunst Das Dekret 14 sagt dazu auch, dass die Narren gar viel Worte machen und dass die Toren die Kunst 34S hassen VINTLER 2840 (-KÖNNEN 165). Gecken hebben vele worde, - Verbula multiplicat stultus verbosior aequo Narren haben viele Worte. — Der Narr, der redseli349 ger ist, als es sich gehört, vervielfacht seine Worte TUNNICIUS 1125. Wie die narren, was jn (ihnen) fns maul feilt, speyen sie flugs heraus LUTHER, WA XXX.3,313, l 350 (1531). Der ist ein narre, der da redet was im einfellet (einfällt) AGRICOLA Nr. 220. 35l. 352 Narren reden was ynen einfellet EBD. Nr. 429. Das ist eyn narr, der da redet was ybm 353 einfellet EBD. Nr. 430. Der narr der bat sein hertz im maul Und redt alles, was im 354 einfeit SACHS 111,369,28 (1557). Ein narr redet alles was jm einfellet (einfallt} EGE355 NOLFF 115 F. Ein narr macht alle zeit vil won, Und haben weder trumb noch ort Ein Narr macht jederzeit viel Worte, und sie haben kein Ende 15 SACHS XIX, 405, 8 (1567). —> ZUNGE 22-23. Vgl. oben 4.3.2. 7.3. Der Narr redet so viel, dass man ihm nichts glaubt 356 Mlat. Tres sunt stultitiae, quibus insipiens perhibetur: Qui tantum loquitur, quod nulla fides adhibetur; Qui tantum terret, quod nil terrendo veretur; Qui tantum trtbutt, quod mendicare videtur Es gibt drei Torheiten, um derentwillen einer ein Narr genannt wird: Wer so viel redet, dass ihm kein Glaube geschenkt wird; wer so viel droht, dass nichts sich fürchtet wegen seiner Drohungen; wer so viel verschenkt, dass er offensichtlich zum Bettler wird FACETUS 150. 357 Fr. Je veux que vous sachiez, sire quens, que trots folx sont pas le monde. L'un est celluy qui tant menace son ennemy que il ne le doubte ne tant ne quant. L'autre si est eil qui tant parole qu'il n'est creu de vray ne de messonge qu'il die. Le tiers si est eil qui tant donne a aultrui qu'il ne retient riens a son hoir Ich will, dass Ihr wisst, Herr

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Graf, dass es drei Narren gibt auf der Welt: Der eine ist der, der seinen Feind so sehr bedroht, dass dieser ihn kein bisschen f rchtet. Der zweite ist der, der so viel redet, dass man ihm nicht glaubt, ob er nun die Wahrheit oder eine L ge sage. Der dritte ist der, der ndern so viel gibt, dass er nichts f r seinen Erben beh lt CHEV. DU PAPEGAU 41,4. 358 Dt. In der weite da sint dri Da man einen toren merket bi: Der da wil reden also vil Duz man im niht gelouben wil; Der ouch erscbricket also sere, Daz man sin niht ahtet mere; Und wer auch ist so milder man Daz er am lesten mttoz betein gan Auf der Welt gibt es drei Dinge, an denen man einen Toren erkennt: wenn einer so viel redet, dass man ihm nichts glaubt, wenn einer so sehr droht, dass man ihn nicht mehr beachtet, und wenn einer so freigebig ist, dass er zuletzt betteln gehen muss FACETUS DEUTSCH 92 S. 57.

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7.4. Narren {, Kinder und Betrunkene) k nnen nichts f r sich behalten (sagen die Wahrheit) B i b l . Sagitta infixa in femori carnis {Var.: canis), sie verbum in corde stulti (Wie) ein Pfeil im fleischigen Oberschenkel (im Oberschenkel des Hundes), so ist ein Wort im Herzen des Narren 16 VULG., SIRACH 19,12 (vgl. unten 548, S57). Wenn ein wort im Narren steckt, so ists eben, als wenn ein Pfeil in der Hufft steckt LUTHERBIBEL, EBD. Mgr. Από σάλου και μεθυστοΰ την άλήθειαν άκουε! Vernimm die Wahrheit vom Narren und vom Trinker! KRUMB. 7 S. 75. Mlat. Stithus nil celat; quod habet sub corde revelat Der Narr verschweigt nichts; was er im Sinn hat, offenbart er WERNER 2 s 192. Stultus non celat; quod habet sub corde revelat PROV. WRATISLAV. 597. Engl. Sagitta infixa in femore canis. sie »erbum in corde stulti. - Fla onafcestnud on peo hundes swa word on heortan stuntes (Wie) ein Pfeil, der im Schenkel eines Hundes haftet, so ist ein Wort im Herzen des Narren. — Der Pfeil steckt in den Hunden wie das Wort im Herzen des Narren LIBER SCINTILLARUM 96. for fie fool ne can hele noping bot he it out wrie; His hert is as a vessel pat bopome ne bap non; Whan any ping perinne comep it gop out onon Denn der Narr kann nichts verbergen, ohne dass er es preisgibt. Sein Herz ist wie ein Gef ss, das keinen Boden hat; wenn irgend etwas dorthinein ger t, rinnt es alsbald wieder aus BOOK OF WISD. 80 (vgl. unten 534, 561). Dt. Der tore verhilt deheine frist, Swaz in Urne herzen ist Der Narr verbirgt niemals, was in seinem Herzen ist FREIDANK 82,12, Ich iuon recht als die toren, Die da bringent z' ren Swaz in kumet in den muot; Ez st bel oder guot, Si lantz her z snallen Und uz dem munde vallen Als man sis gebeten habe Ich tue ganz wie die Toren, die altes bekanntmachen, was ihnen in den Sinn kommt. Ob es etwas Schlimmes oder etwas Gutes sei, sie lassen es hervorschnellen und aus dem Munde fallen, als ob man sie darum gebeten h tte RUF. v. WIRZBURG 1. Occultare neqttit stultus, quae pectore gestat, Immo, dampnosa quamvis ea sint, manifestat. - Ein tore vorhelt kam lange frist, Was im heimelich zcu wissen ist Der Narr kann nicht verbergen, was er im Herzen tr gt; vielmehr offenbart er es, obschon es Schaden bringt. — Ein Tor beh lt nie lange f r sich, was er im geheimen weiss FREIDANK LAT. (G RLirz) 584, Eyn dore der kan verswigen nicht (Ausg.: nitht) Waz er h ret oder gesteht Ein Narr kann nicht verschweigen, was er h rt oder sieht BAS L. H s s. A V. 23 Bl. 63 v (um 1400). Des Narren mund, Er ffnet seines hertzen grund AGRICOLA II Nr. 11, Auf kam das Sprichwort diese zeit: Die narren sagen die warheit Damals kam das Sprichwort auf: ... SACHS XXIII, 106, l (1556). So wenn ein wort steckt in dem narrn, Kans int ieng nit in im verharrn, Ihm ist, samb steck im in der weil In seiner h fft ein starcker pfeil Wenn ein

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Wort im Narren steckt, kann es auf die Dauer nicht in ihm bleiben; ihm ist, als ob zu der Zeit ein dicker Pfeil in seiner Hüfte steckte EBD. XIX, 78,25 (1562). — HIRSCH 2, KIND 302 -302, 305-307, 309-311, 314, 316, 318-324, 328-329, TRINKEN 38. Vgl, FRAU 1.9.2.5.-1.9.2.6., KIND 5.2.1.-5.2.2., TRINKEN 1.4.2., WEIN 1.9.1. -1.9.2. Ähnlich: 373 Prov. Quar fols es qui vol retraire So que sap que fay a celar; E fols qui vol dir totz sos vers, E fols qui en fol se fia, Fols qui falh e no s castia, E fols qui sec totz sos volers Denn ein Narr ist, wer etwas erzählen will, von dem er weiss, dass es verschwiegen werden sollte, und ein Narr (ist), wer alles sagen will, was er im Sinne hat (wörtl.: all seine Verse), und ein Narr, wer sich auf einen Narren verlässt, ein Narr, wer fehlt und sich nicht bessert, und ein Narr, wer all seinen Wünschen nachgibt PONS FABRE o'UzES (*MAHN 111,298).

7.5. Der Narr kann nicht schweigen 374 Port. As/ he dura cousa ao doudo collar, como ao sesudo mal falar Ebenso schwer fallt es dem Narren zu schweigen wie dem Vernünftigen, dumm zu reden NUNEZ 1,129 (el Portugues) (vgl. oben 220). 375 Engl. But sooth is seyd, „a fool can noght be stille" Aber man sagt richtig: „Ein Narr kann nicht schweigen" CHAUCER, PARI, OF FOULES 574. 37Sa-b Dt. Narren konden (können) nit schweigen FRANCK II, 167r. Narren können nicht schweigen EGENOLFF 212 r.

7.6. Wenn der Narr schwiege, würde er für weise gehalten 376 B i b t , Stultus quoque si tacuerit, sapiens reputabitur: et si compresserit labia sua, 377 intelligens VULG., PROV. 17,28. Ein Narr wenn er schwiege, wurde auch Weise gerechnet (für weise gehalten), Vnd verstendig, wenn er das maul hielte LUTHER BIBEL, S PR. 17,28. 378 La t. Taciturnitas stulto homini pro sapientia est Schweigen wird dem dummen Menschen als Weisheit angerechnet PUBLILIUS t2. J79 M l a t . Sie plerumque stultus, si tacuerit, utrum sapiens sit, an stultus, absconditur So bleibt meistens, wenn der Narr schweigt, verborgen, ob er weise sei oder närrisch GREG. 380 M., MOR. 12,24,35 (970 A). Non ostendisses te stultum, si tacuisses Du hättest dich 3*3 nicht als Narr erwiesen, wenn du geschwiegen hättest FROUMUND. 130,162. Sz' taceat stultus, sapiens reputabitur esse Wenn der Narr schweigt, wird er als weise gelten ABAE382 LARD., AsTRALAB. 180. Tüntum apparet stultus sapiens, quantum tacet So lange er3S3 scheint der Narr weise, als er schweigt EHSTL. KLOSTERL. 88. Stultus si tacitus sit 384 creditur esse peritus Wenn der Narr schweigt, gilt er für klug ROBERT 39. Si taceat 385 stultus, discretus creditur esse PROV. WRATISLAV. 583. Stultus si taceat, sapientia magna putatur Wenn der Narr schweigt, gilt das für grosse Weisheit WERNER 2 s 195. 386 Stultus tacebit? pro sapiente habebitur Der Narr wird schweigen? Dann wird man ihn für weise halten PS. PUBLILIUS (» FREIDANK 80,10 Anm.). 387 Fr. St un fol ne parlast reen, Lern quidereit kil seust molt de ben Wenn ein Narr überhaupt nicht reden würde, glaubte man, er wüsste viei Vernünftiges NICOLE BOZON, 383 PROV. 89, Tant est foul saige comme il se tatst So lange ist der Narr weise, als er 389 schweigt MORAW. 2293. Salemon nos dist que tant est Li fox sages com il se test; S'il n'est sages, si cuide-1'en, For ce qu'il se test, qu'il ait sen; Et qant en parier se deslie, Si fet conoistre sä folie. Qui trap test et qui trop parole, Par l'un et par l'autre s'afole Salomon sagt uns, dass der Narr so lange weise ist, als er schweigt. (Auch) wenn er nicht weise ist, glaubt man, weil er schweigt, er sei vernünftig. Und wenn er sich dann

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im Reden gehen lässt, gibt er seine Torheit zu erkennen. Wer zuviel schweigt und wer

330 391 392 393 394 .i95 396 397 398 399 400 40 J

402 403,404 405. 406 409 410 411

zuviel reder, macht sich durch beides zum Narren MEON 11,293, l (- PROV. D. SAGES 111,137). Tant est le fol saige qu'il se tatst Übers, wie 388 LEROUX 1,274 (15.Jh.). Quand le fol se tatst U est repute sage Wenn der Narr schweigt, wird er für weise gehalten EBD. II, 377 (15. Jh.). It. Mai sei mat omo läse, q'el no diga niente, Sauio ft conputado per gran part de la fente Aber wenn der dumme Mensch schweigt, so dass er nichts sagt, wird er von den meisten Leuten für weise gehalten PATEG 201. E' (seil. // non saggio) fassi tenere sauio tacendo Er (der Unvernünftige) erreicht dadurch, dass er schweigt, dass er für weise gehalten wird GUITTQNE, LETTERE 25,294, II matto, se tade, E tenuto ehe saccia Wenn der Narr schweigt, wird angenommen, er sei vernünftig FRANCESCO DA BARB., REGG, 1,2,47. Tacendo, H matto sarä tenuto savio Wenn er schweigt, wird der Narr für weise gehalten werden POLIZIANO 400 S. 227, Pro v. Per savi es tenguts Le foyls, can caylan Wenn er schweigt, wird der Narr für weise gehalten G. DE CERVERA 348. S p a n . El bovo si es callado, por sesudo es reputado Wenn der Narr verschwiegen isr, wird er für weise gehalten NUNEZ 11,27. Nord. Osnotr maor, er meö aldir k0mr, Pat er batst, at hann pegi; Engt pat veit, at harm ekki kann, Netna hann mxti til mart Wenn ein törichter Mensch zu ändern kommt, schweigt er am besten. Wenn er sich nicht über vieles aussert, weiss niemand, dass er nichts versteht HÄVAMÄL 27,1. Engi er allheimskr, efpegja ma Keiner ist ganz dumm, wenn er schweigen kann GRETTIS SAGA 88,10. Engl. Stultus si tacuent sapiens putabitur. - Stunt gif he suwafä] wis he byÖ geteald Wenn der Narr schweigt, wird er für weise gehalten werden LIBER SCINTILLARUM 95. Stultus si tacuerit, sapiens erit. - Si vn fol ne parlat ren, Len quideroyt ke il scet graunt hen ... — A fol jif he speke no ping, Men wene he beo wys in doyng Wenn der Narr schweigt, wird er weise sein. — Wenn ein Narr nichts sagte, würde man glauben, er sei sehr verständig. — Wenn ein Narr nichts sagt, glaubt man, er benehme sich weise VERNON MS. 49,385. Dt. Ein dor, biz er swigit, So hat man in for wise Solange ein Narr schweigt, hält man ihn für weise IDST, SPR, II 19. Konde der narr schweigen, so were er weiß FRANCK 1,49 r. EGENOLFF 304 v. Wann der Narr schweigt, so tvürt er weiß FRANCK 1,112 v. EGENOLFF 347 v. Wo ein narr schwieg bey jung und alten, So würd er auch für weyß gehalten SACHS III, 365,6 {1541}. Wann der Narr schweigen künde, so were er kluge Wenn der Narr schweigen könnte, so wäre er klug AGRICOLA II Nr. 8 Randgl. Am Narr, wenn er schwige, wurde auch weyse gerechnet, und uerstendig, wenn er das Maul hielte EBD. Nr. 10. Vgl. SCHWEIGEN 1.6,1.

7,7. Den Narren erkennt man an seinen Worten (, den Esel an den Ohren, den Hafen am Klang} 412 Fr. Le fol plus qu'a la karole Est apperceu a la parole Mehr a is am Tanz erkennt man den Narren an seinem Wort CHRISTINE DE PISAN, ENSEIGNEMENS 56, 3. 413 E n g l . By foly wurdys mow men a fole kenne An törichten Worten kann man einen 414 Narren erkennen MANNYNG, HANDLYNG SYNNE 2967, For be his tonge a fole is ofte knowe Denn an seiner Rede wird der Narr oft erkannt LYDGATE, TROY BOOK 2,7022. 415 Dt.

Dem hört man an sin worten an, Was er syg für ein goukelrnann Man hört es

416 seinen Worten an, was er für ein Narr ist FASTNACHTSP. 898,11. Üf den worden kent men den gek. — Ex verbis fatuum, ex sonitu cognoscimus ollas An den Worten erkennt man den Narren. — An den Worten erkennt man den Narren, am Klang die Gefässe

NARR

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417 TUNNICIUS 1260. An viel reden kendt man ein narren Am Vielreden erkennt man einen Narren SACHS 111,364,4 (1541), -* ESEL i, 3-5, 7-8, W, 12, 18-20, 23-24, GEFÄSS 2, 9. Vgl. unten 13.1.-l3.2., ERKENNEN 13.2.-13.3., ESEL 1.1., GEFÄSS 1.1., VOGEL 1.1. 7.8. s. Inhaltsübersicht

7.9. Narren fragen viel 418 Fr. Un fol faict plus de questions, que un saige ne donne de raisons Ein Narr stellt mehr Fragen als ein Weiser Gründe angeben kann NUNEZ III, 465 (2) (el Frances). 419 Span. El prouerbio Castellano En este lugar inxiero, Porque ami pensar es vero Haun que vulgar, gruesso y llano: El hombre loco y liuiano Tantas preguntas far , Que Caton non bastaria Ale dar consejo sano An dieser Steile flechte ich das kastilische Sprichwort ein, weil es meiner Meinung nach wahr ist, wenn auch volkstümlich, grob und trivial: „Der dumme und liederliche Mensch würde so viele Fragen stellen, dass nicht einmal Cato imstande wäre, ihm richtige (wörtl.: vernünftige) Auskunft zu geben" FERNÄN PEREZ DE GUZMÄN (+ CANCIONERO 1,602 a). 420 D t. Ein dore mach mer vragen, wen tein wise lüde berichten mögen Ein Narr kann mehr fragen, als zehn Weise unterrichten können ND. PROSA-TiscHZüCHT (» GERMANIA 421 21,430,8). Vnd fragt der narr von hohen sinnen Me, dann viertzig gelerter kinnen Antwurt geben vnd berichten Und der Narr von hochmütiger Gesinnung fragt mehr, als vierzig Gelehrte beantworten und unterrichten können MURNER, NARRENB. 61,45. 422 Wie wenn ein narr mehr fragen kondte, denn zehen weisen antworten? Wie, wenn ein Narr mehr fragen könnte, als zehn Weise antworten (können)? LUTHER, WA 423 XXVI, 462,19 (1528). Ein narr kan wol mehr plaudern weder zehen weisen berichten 424 mögen ,.. als zehn Weise mitteilen können EBD. XXXVIII, 126,21 (1533). Ein narr kan mehr fragen, denn zehen weisen berichten künnen Übers, wie 420 AGRICOLA Nr. 425 219. Es kan ain Narr mehr fragens, dann zehen Weysen berichten können AGRICOLA 426 II Nr. 8. Derhalb kan ain Narr meer ungereimpts fragens, dann zehen Weysen berichten künden Deshalb kann ein Narr mehr Ungereimtes fragen, als zehn Weise unter427 richten können EBD. Ein narr kan mehr fragens, dann zehen weisen berichten können 428 Übers, wie 420 EGENOLFF 115 r. Es kan ein narr mehr fragens, dann zehen weisen 429 berichten EBD. 269 v. Do haben unsere vorder geantwort, es kund ain thor ein so ungeruempte fragen thon, das zehen weisen im die nit verantworten wissen Da haben unsere Vorfahren geantwortet es könne ein Narr eine so ungereimte Frage tun, dass 430 zehn Weise ihm die nicht zu beantworten wüssten ZIMMER. CHRON. 1,163,11. Wie ain hofman sagt, so kunt ain narr mer fragen, dann zehen die allerweisesten verantworten Wie ein Hofmann sagt, könnte ein Narr mehr fragen, als die zehn Allerweisesten beantworten (könnten) EBD. 1,163,17. Vgl. FRAGEN 3.3.

8. Eigenschaften und Verhalten der Narren 8,1. Narren essen und trinken gern 43l. 432 Fr. Fous ne voit que il boit Der Narr sieht nicht, was er trinkt MORAW. 791. Le fol s'enivre de sä bouteille Der Narr berauscht sich an seiner Flasche LEROUX 1,242 (15. Jh.). 433 N o r d . Artocopi cesi sunt. ore nothi prius esi, — Falsk17 mandz madh (er ferst cedhen (Bevor) die Brote zerschnitten sind, sind sie vom Munde des Bastards 17 gegessen. — 434 Das Essen des dummen Mannes ist zuerst gegessen LÄLE 55. Artauus stolidi fit primitus ambio {lies mit Druck B: ambro] butiri. — Falsk17 mandz kniff cer f0rsth i

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smareth Das Messer des Narren wird zuerst zum Butterfresser. - Das Messer des 435 dummen Mannes ist zuerst in der Butter EBD. 79. Esca solet stoUdi prima consumpta videri. — Faalsk17 manaz madh cer snaresth cedhen Das Essen des Narren erweist sich gewöhnlich zuerst als gegessen, — Das Essen des dummen Mannes ist am schnellsten gegessen EBD. 336. 416 Dt. Der tore sorget alle tage, Wie er brien vil (Var.: brien genuoc) bejage Der Tor macht sich täglich Sorgen, wie er zu viel (genug) Brei komme FREIDANK 58,21. 437 Sivenne ein tore kaese (Var.: brien} hat, Son ruocbet er, wie daz nebe stät "Wenn ein Narr Käse (Brei) hat, so kümmert er sich nicht darum, wie es um das Reich steht EBD. 438 83,27 (vgl. unten 519). En dore achtet vrases mere Dan edeler wisheit böge lere Ein Tor schätzt übermässiges Essen mehr als die erhabene Lehre edier Weisheit G. v. MIN439 DEN l, 11. Thören essent gern mttoß Narren essen gerne Brei QUODLIBET 136.

8.2. Narren machen sich keine Sorgen 440 Mlat. Stuitus sine sollicitudine Der Narr ist ohne Sorge BEBEL, PROV. GERM. 512. 441 Nl. Men vint ghenen dwaes die sorghen can. — Insipiens curam male gestat corde futuram Man findet keinen Narren, der sich sorgen kann. - Ein Narr trägt kaum Sorge um die Zukunft im Herzen PROV. COMM, 474. 442 Dt, Des hat der tore ein bezzer leben. Got hat im slehten sin gegeben, Sin senfter sin ist sorgen fri; Waz senelicher kumber si Daz ist im gar unerkant: Ein stücke brotes in der hant Ist alliu stn minne Da hat der Narr ein besseres Leben: Gott hat ihm ein einfaches Gemüt gegeben. Sein sanfter Sinn ist frei von Sorgen; was sehnsüchtiger Kummer sei, das ist ihm ganz unbekannt. Ein Stück Brot in der Hand ist sein ganzes Verlan443 gen ZWEITES BÜCHLEIN 205. Me vynd nenen dwas dede sorghen kan Übers, wie 441 444 PROV. COMM. MND, 467. Gecken sorgen nicht. — Insipiens nullam curam sub pectore gestat Narren machen sich keine Sorgen. - Ein Narr trägt keine Sorge im Herzen TUNNICIUS 665, -> WEISE 8.10, Vgl, oben 4.4.2., unten 11.2., WEISE 11.3., WISSEN 1.2.1.

8.3. Narren sind eigensinnig und selbstgerecht 445.446 Span, Cada loco con su tema jeder Narr mit seinem Sinn PINAR (-»CANCIONERO II, 566 a). NUNEZ 1,203. 447 Port. Cada louco con sua teima GIL VICENTE 11,328 (Ines Pereira). 448 Dt. Die toren sint so here, St enbietent nieman ere Die Narren sind so hochmütig, dass sie niemandem Ehre erweisen FREIDANK 83,23. Vgl. oben 6.7., SINN 1,1.

8.4. Narren sind eingebildet und ehrgeizig 8.4.1. Narren überschätzen sich 449 Fr. Fous vait a cort sanz mander Der Narr geht an den Hof, ohne dass er aufgeboten 450. 45l wird MORAW. 796. Fox vait ä cors sans mander LEROUX 1,238 (13. Jh.). Fox plaid s'on ne H mande Der Narr geht zur Gerichtsverhandlung, ohne dass man ihn 452 aufbietet EBD. Fous va a plait, s'on ne l'i mande PROV. RUR. 228. 45.? N o r d , Osnotr maör pikkiz allt vita, Ef bann a $er vero Ein törichter Mann glaubt alles zu wissen, wenn er in einem Winkel einen Zufluchtsort hat HÄVAMÄL 26, l (vgl. ALLEIN 1.2.5.). — MISSFALLEN

-4. Vgl. oben 6.

8.4.2. Narren sind auf Lob und Anerkennung bedacht 454 Mlat. Stultum letificas, si fultum dogmate dicas Du erfreust den Narren, wenn du 455 ihm sagst, er sei hochgebildet S. OMER 286. Gaudet stultus dum laudatur Der Narr freut sich, wenn er gelobt wird BEBEL, PROV. GERM. 311.

NARR

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456 Dr. Die torn nikt anders baeten, Swer lobte, swaz si taeten Die Narren hätten keine 457 andere Bitte, als dass man alles lobte, was sie täten FREIDANK 84,22. Ein tore nibt anders bete, Denne daz man lobte swaz er tete Ein Narr hätte keine andere Bitte, als 458 dass man alles lobte, was er täte HUGO v. TRIMBERG 23523. Lob den narren, so 459 gescbwilt er ... so schwillt er auf FRANCK 1,133 r. Lob den narren, so gewint er Esels obrn EBD. 1,133 v.

460 461 462 463 464 465 466. 467 468 469 470 471 472 473 474 475

476 477

478 479. 480

8.5. Narren sind einfältig und kritiklos 8.5,1. Narren geben sich mit schönen Worten und leeren Versprechungen zufrieden 18 Mlat, Promissis uacitis spes luditur irrita follis Die vergebliche Hoffnung des Narren wird von leeren Versprechungen betrogen EGBERT., FEG. RAT. 1,592. Lgttficare solet stuhum promissio diues Ein reiches Versprechen pflegt den Narren zu erfreuen NiVARD., YSENGR. 1,195. Re sine promissa stulto solacia missa Versprechungen, die ohne (nachfolgenden) Inhalt abgegeben werden, gereichen dem Narren zum Trost WERNER 2 r28. Stultum solata re sine verba data Den Narren haben Worte zuversichtlich gemacht, die ohne Gut abgegeben worden sind EBD. s 191. Dat gemeyne verssckel: Letificat stuhum, nil dare, promittere multum Das geläufige Sprüchlein: „Es freut den Narren, wenn nichts gegeben, aber viel versprochen wird" STEINHAUSEN II, 89. Esse facit stultum laetum promittere multum Viel versprechen macht den Narren fröhlich WERNER 2 e20. £sf indiscretus promisso munere laetus Der Unvernünftige freut sich über die (nur) versprochene Gabe EBD. e58. PROV. WRATISLAV. 192. Exhilarat stultum, qui tantum nominal illum Den Narren erfreut, wer ihn auch nur nennt WERNER 2 e 141. Laetificat stultum dare nil, promittere multum Übers, wie 464 EBD. 16, Fr. De bele parole se fait fous tout lie Durch schöne Worte wird der Narr ganz zuversichtlich VILAIN 181. Fos est liez de bele parole Der Narr freut sich an schönen Worten CRESTIEN, YVAIN 2464. Piece a que de bele parole Liez est {lies: et, Red.) joianz est U musarz Seit jeher erfreuen und erheitern schöne Worte den Narren GAUT. DE COINCY (+ 11,42,1306). Et U villains le dist el reprovier: „Belle parole fait le fol eslecier" Und der gemeine Mann sagt es im Sprichwort: „Schöne Worte erfreuen den Narren" RAOUI- DE CAMBRAI 7556. Eel promettre e nient doner fait fol conforter, — Re sine promissa stulto solatia missa, Stultum solata, re sine, verba data Viel (wörtl.: Schön) versprechen und nichts geben macht den Narren zuversichtlich. — Übers, wie 462. Übers, wie 463 MEYER, Doc. MANUSCR. C 176 (= MORAW. 230). De bele promesse se fet fol lie. — Quando promittis quid stulto, letificatur; De re non certa certando glorificatur. Pollicito sensu {lies: censu, Red.) letatur homo sine sensu Durch schöne Versprechungen wird der Narr froh. — Wenn du einem Narren etwas versprichst, freut er sich. Er rühmt sich im Wettstreit einer unsicheren Sache. An (nur) versprochenem Geld freut sich der unvernünftige Mensch ZACHER 246. Beau premettere e poy doner fet le fol conforter. — Solatur stultum dare nil, promittere multum Viel (wörtl.: Schön) versprechen und wenig geben macht den Narren zuversichtlich. — Übers, wie 464 FÖRSTER, ENGL. ST. 31 5. Promesse sanz dan, c'est a foul conforter. — Re sine promissa stulto solacia missa. Si stulto spondes, gaudet, quamvis sibi mordes. Letificat stultum, qui ait promittere stultum {lies mit WALTHER 13410: seit promittere multum) Versprechen, ohne zu geben, bedeutet, einen Narren zuversichtlich zu machen. — Übers, wie 462. Wenn du dem Narren Versprechungen machst, freut er sich, auch wenn du ihm wehtust. Wer viel versprechen kann, erfreut den Narren HILKA 10. N'enteins un fol qui va en lesse Se fet He de bele pramesse Sogar ein Narr, der am Strick geht, freut sich über schöne Versprechungen CLEF D'AM. 731 {vgl. unten 13.5.). Prometre sanz donner est a fol conforter Übers, wie 477 MORAW. 1726. Bei prametre

377

4SI 482 483 484. 485 486

487 488 489 490 491 492 493

494 495 496 497 497'a

498 499

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et neint duner fait fol conforter. — Re(s) sine promissa stulto solacia missa, Stultum solata re sine verba data Übers, wie 474. — Übers, wie 462. Übers, wie 463 RAWLINSON 6. De proumetre sans douner sont servi, Amis, li fol, ch'est dit communaument Mit Versprechen, ohne zu geben, mein Freund, speist man die Narren ab, das sagt man allgemein ADAM DE GIVENCI (-»JEUX-PARTIS 128,33}. De biax parier est fox avers Der Narr ist begierig auf schöne Worte LEROUX 1,240 (13, Jh.). De bele promesse se fet fous tout lie Durch schöne Versprechungen wird der Narr ganz froh MORAW, 459. De be! parier est fous avers Übers, wie 482 EBD. 460. Bele parole fait fol lie Schöne Worte machen den Narren froh ISOPET DE LYON 9,51. £ pur den gardetz vous ent bien, Ke vous ne promettez nen, Si vous ne voilletz doner; Kar ceo fet le fol conforter! Und hütet euch um Gottes Willen gut davor, etwas zu versprechen, wenn ihr es nicht geben wollt! Denn das macht den Narren zuversichtlich COURTOISIE 150. Bele parole fet fol lie Übers, wie 485 MORAW. 225. De fole promesse ce. fait fous tous liez Über ein törichtes Versprechen freut sich ein Narr sehr PROV. RUR. 4. Promettre sans donner, est a fol conforter Übers, wie 477 EBD. 24. De bele parole ce fait fous tous liez Übers, wie 470 EBD. 25, Souvent fait fol reconforter, Sans donner la pramesse en vain Oft macht das leere Versprechen, ohne dass gegeben wird, den Narren zuversichtlich J, ACART, PRISE AMOUREUSE 1516. Le fol fait lie belle parole Schöne Worte machen den Narren froh ISOPET I 61,113. C'est voir que j'ai oy nuncier: „Qui sanz donner a fol promet de noyent en foie le met" Es ist wahr, was ich habe verkünden hören: „Wer einem Narren Versprechungen macht, ohne zu geben, macht ihn ohne Aufwand {wörtl.: mit nichts) froh" MIRACLE DE L'EMPERERIS 680. De bele parole se fet fos toz liez Übers, wie 470 MORAW. 458. De bei promes est li fol en joy Über schöne Versprechungen freut sich der Narr CAMBR. SAMML. (+LEROUX 11,474). Promesse saunz doner est au fol confort Ein Versprechen, ohne dass gegeben wird, macht den Narren zuversichtlich CAMBR, SAMML. (+LEROUX 11,480}, Qui sans donner a fol prommet, De neant en joye le meet Übers, wie 493 PROV. D. SAGES 111,204. Celluy est fol qui sä despense croit Pour promesse d'autruy faicte qu'il croit Der ist ein Narr, der seine Ausgaben erhöht auf ein fremdes Versprechen hin, dem er Glauben schenkt CHRISTINE DE PISAN, PROUV, MOOR. 80. Belle promesse fait fol lye Ein schönes Versprechen macht den Narren froh ET. LEGRIS 101 (- MORAW, 228). Prometre sans donner, c'est a fol reconforter Übers, wie 477 ET, LEGRIS 557.

500 It. Prometer non e dar (Ausg.: edar), ma per muti (lies mit Ausg. Salamanca 1555,98 v: mati) contentar Versprechen ist nicht geben, aber (es genügt), um Narren zufriedenzustellen NUNEZ III, 186 (el Italiano}, 501 N o r d . Verör heitum heimskr maör fegtnn Durch Versprechungen wird der Narr froh

502 ECKSTEINS t>ÄTTR STANGARI^GGS 77 ( = JONSSON, ARKIV 172. JONSSON 68). Letificat stultum qui seit promittere multum, — ¥au>rce ordb frygdhe een daarx Wer viel zu versprechen versteht, erfreut den Narren. — Schöne Worte freuen einen Narren LÄLE 503 569. Mulcent delirum verba polita virum. — Fawra; ordh frygde een daare Höfliche 504 Worte schmeicheln einem unvernünftigen Mann. — ... EBD. 610. Demulcet multum dulcis promissio stultum. — Faghir ordh fr0gdha een dar a Ein schönes Versprechen schmeichelt einem Narren sehr. — ... LÄLE S 241. 505 E n g l . Fayr behestes makythe foles ofte-tyme blythe Schöne Versprechen machen Nar506 ren oft froh LYDGATE, MIN, POEMS II, 594, 826. The faire behestis maken foolis 507 giadde Die schönen Versprechungen machen Narren froh EBD. II, 748, 97, Fayre promys makyth folys fayne Ein schönes Versprechen macht Narren froh OXFORD 241 508 (1471). Pulcrum promissum stultum facit esse gavisum. — A fere be-beyste makyt a 509 fole giadde Ein schönes Versprechen macht einen Narren froh RAWL. ENGL. 11. Faire behestis makith folis fain Übers, wie 507 HILL 104,11,

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510 Nl. Scoen woerden maken sotten blide. — Letatur stultus dum sermo datur sibi cultus Schöne Worte machen Narren froh. — Der Narr freut sich, wenn er höflich angesprochen wird PROV, COMM. 610. 511 Dt. Also t/reut den tumben guotgeheize So freut den Narren ein schönes Versprechen 512 NEIDH. v. REUENTAL 40,5. Swer wil den tören reizen, Der sol im vil geheizen Wenn man den Narren in Schwung bringen will, muss man ihm viel versprechen FREIDANK 5U 84,26. Guede geloifde ivillicbt den doren, Want it tut soisse in synen ore«/ Schönes Versprechen macht den Narren willig, denn es klingt süss in seinen Ohren HAGEN, 514 KÖLNER CHRON. 5478. Do tete ich sam der tumbe und tvas der geheize fro Da tat 515 ich wie der Narr und freute mich am Versprechen WOLFDIETR. B 208, l. Guot gelübde sie ervröut den gouch Schönes Versprechen freut den Narren BONER 63,52. Gut gebaizz freut den torenn. — Letificor stultum si sibi promisceor (sie) multum ... — Ich erfreue 517 den Narren, wenn ich ihm viel verspreche FREIDANK LAT. (GRAz) 255. Schone worde maken19 doren vrowen Schöne Worte freuen die Narren PROV, COMM. MND. 581. 5/s Schone worde vorvrouwen de gecken. — Exhilarant fatuos blandissima verba diserti Schöne Worte erfreuen die Narren. — Die sehr freundlichen Worte des Beredten heitern die Narren auf TUNNICIUS 932, Vgl. FREUND 803, GLAUBEN 4.2.

8.5.2. Narren können nicht Wertvolles von Wertlosem {Gutes von Bösem) unterscheiden 519 Mlat. Despicit imperia, dum stultus habet sua vota Der Narr verschmäht KÖnigreiJ20 ehe, wenn er hat, was er will WERNER 2 d74 (vgl. oben 437), Stultus cuculi vocem cytharis praefert Der Narr zieht die Stimme des Kuckucks den Harfen vor BEBEL, PROV. GERM. 539.

521 It. Attento ehe di st grossa pasta e U gocciolone ehe l'asino dal rosignuolo non dtscerneria In Anbetracht dessen, dass der Narr aus so grobem Holz geschnitzt (wörtl.: Teig) ist, dass er den Esel nicht von der Nachtigall unterscheiden könnte BIBBIENA, CALANDRiA53(2,9). 522 Dt. Ein töre naeme des gouches sanc Für der süezen harpfen klanc Ein Narr würde 523 den Gesang des Kuckucks für den Klang der süssen Harfe halten FREIDANK 84,2. Ein tör des lützel übtet, Nach dem der wise gar swinde trabtet Ein Tor kümmert sich wenig 524 um das, wonach der Weise nach Kräften strebt HUGO v. TR IMBERG 22423. Delectant stultum cuculi plus canüca feda, Quam forsan faciat cithare cantu cithareda. — Ein tor nympt desz gauchsz gesang Für den süsen harphenclanck Den Narren erfreuen die hässlichen Lieder des Kuckucks mehr als etwa der Harfenspieler mit dem Harfenklang. — Ein Narr hält den Gesang des Kuckucks für süssen Harfenklang FREIDANK LAT. {GöRLiTz} 778. — GUT (Adj.) 766. VgL oben 6.11., ESEL 6.3., KUCKUCK 5., WECHSEL 18

8.5.3. s. Inhaltsübersicht 8.5.4. Narren verstehen alles falsch 525. 526 Dt.

Was der narr hört, versteht er letz (falsch) FRANCK II, 54 v. EGENOLFF 53 r.

8.6. Narren sind unverbesserlich 8.6.1. Narren lassen sich nicht beeinflussen 527. 52« Mlat. Nihil intractabilms homine stulto Nichts ist schwerer zu behandeln als ein Dummkopf FRANCK II, 54 v. EGENOLFF 53 r.

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529 Fr. Volunte de folle (LEROUX: Volonte de folie] et vache qui mouche sont trop for s a tenir Der Wille einer Närrin (Der Drang zur Verrücktheit) und eine schnaubende Kuh sind allzu schwer zurückzuhalten MORAW. 2498 (= LEROUX 1,204). 530 Dt. Bey einem narren rieht man nichts aus, weder mit bift noch mit drewen Bei einem Narren richtet man nichts aus, weder mit Bitten noch mit Drohen AGRICOLA Nr. 34. 531 Es ist mit narren nicht auß zurichten (Im Umgang) mit Narren erreicht man nichts FRANCK 11,54 v.

8.6.2. Narren lassen sich nicht belehren (hassen den, der sie belehrt) 532 B i b i . Cum fatuis consilium non habeas: non enim poterunt diligere nisi quae eis 533 placent VULG., SIRACH 8,20. Mit Narren halt keinen Rat, Denn es gehet jnen nicht 534 zu hertzen LUTHERBIBEL, EBD. Cor fatui quasi vas confractum, et omnem sapientiam non tenebit Das Herz des Narren ist wie ein zerbrochenes Gefäss, und es wird alle 535 Weisheit nicht behalten VULG.., SIRACH 21,16 (vgt. oben 365, unten 561). Des Narren hertz ist wie ein Topff, der da rinnet, Vnd kan keine Lere halten LUTHERBIBEL, EBD. 136. 537 Qui docet fatuum, quasi qui conglutinat testam VULG., SIRACH 22,7, Wer einen Narren leret, der flicket Scherben zusamen LUTHERBIBEL, EBD. 538 M l a t . Stultus correctus monitorem protinus odit Ein Narr, der zurechtgewiesen wird, 539 hasst sogleich den Mahner EGBERT,, FEC. RAT. 1,418. Utile suadentem, qui non sapit, efferus odit, Assentatores ut veros stultus atnicos Diligit Der Unverständige hasst den, der nützliche Ratschläge gibt, wild; der Narr liebt die Schmeichler wie aufrichtige 540 Freunde AMARCIUS 2,289. Perferet osorem qui cornptt insipientem Wer einen Unvernünftigen zurechtweist, wird einen Hasser zu ertragen haben ARNULF., DEL. CLER. 137. 541 Qui docet fatuum, quasi qui conglutinat arena testam Wer einen Narren belehrt, ist 542 wie einer, der mit Sand Scherben flickt OTLOH., PROV. 327 A. Offendit multum, qui corrigit ad hona stultum Wer einen Narren zum Guten zurechtweist, beleidigt ihn sehr 543 WERNER 2 o 19. Offendit stultum, qui morum dat sibi cultum Wer dem Narren sittliche Erziehung gibt, beleidigt ihn EBD. o 20. 544 Fr. Mout gries chose est de foi aprandre Eine sehr schwierige Sache ist es, einen 545 Narren zu lehren CRESTIEN, PERCEVAL 1173. Ke son tens pert, ki fol home casiie 546 Denn wer einen Narren zurechtweist, verliert seine Zeit ANSEIS 9985. Bien pert son temps qui fol chastie Wer einen Narren zurechtweist, vertiert wirklich seine Zeit J. 547 BRETEL (+JEUX-PARTIS 95,46). Chasüer fol est cous en yaue Einen Narren zureehtwei548 sen ist ein Schlag ins Wasser MORAW. 367 (= SCHLAGEN 70). Sicut sagitta in fernere cams, sic uerbum in corde stulti. — Sete e conseil accordent ben En quor de fol, en quise de chen Wie ein Pfeil im Schenkel eines Hundes, so (ist) ein Wort im Herzen des Narren. — Ein Pfeil und ein Rat passen gut zusammen, (der eine) im Herzen des Narren, (der andere) im Schenkel des Hundes 20 NICOLE BOZON, PROV. 30 (vgl. oben 359). J49 Forte chose a en fol aprendre Eine schwierige Angelegenheit ist es, einen Narren zu 550 lehren J, DE CONDE II 261,10. Chastier fol est coupe e[n] ewe Übers, wie 547 55! CAMBR. SAMML. (* LEROUX 11,474) (= SCHLAGEN 72). Foul et foulle n'ameront ja qui bien leur conseille Ein Narr und eine Närrin werden den nicht lieben, der ihnen guten Rat gibt MORAW. 783. 552 Pro v. Car tostemps o ai ausit dire Que batres non toi fol consire Denn immer habe ich sagen hören, dass Prügel närrische Gedanken nicht austreiben FLAMENCA 1277, 553 De fol home fai enemic, Qu'el castia de son destric Der macht sich den Narren zum Feind, der ihn über seinen Schaden belehrt SENEQUA (-»BARTSCH, DENKM. 206,37). 554 It. Tanto ual maestrar un om mat, de sen bloto, Con qi uoles mendar un testo tuto roto Ebenso sinnvoll ist es, einen närrischen, vernunftlosen Menschen zu belehren, wie wenn man ein ganz zerschlagenes Tongefäss flicken wollte PATEG 237.

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555 Nord. Stulto dogma dare fit vt aucam fönte rigare. — At $yMSH II, 150a). N« sprechent doch die when daz, Vinde der tore goldes iht, Ez muge in doch gehelfen niht Nun sagen doch die Weisen, wenn der Tor auch Gold finde, so nütze es ihm doch nichts STRICKER 538 598 {+ HAGEN, GA 32). Unt waz doch golt da (lies: tone golt ze, Red.) vinden Dem torent der sich niht uf golt versinnet? Und was nützt es dem Toren, der sich auf Gold nicht 599 versteht, Gold zu finden? ANON. 39,7 (+MSH III, 433 a). Waz toug gold ze finden Dem toren der sich üf gold nicht versinnet? Was nützt es dem Toren, der sich auf Gold 600 nicht versteht, Gold zu finden? MINNERS KLAGE 625,3. Was sol narren das gellt? Sie legens ynn die kacheln vnd verbornens Was nützt Narren das Geld? Sie legen es ins 601 Ofenrohr und verbrennen es LUTHER 462. Was sol dem narrn gelt, so ers nit brauchen kann Was nützt dem Narren Geld, da er es ja nicht brauchen kann? FRANCK 1,19 r,

602. 603 Was sol dem narren gelt, so er s nit brauchen kan EBD. 1,45 r. Was sol den narren ehr, gelt, vnd gut tag (Wohlleben), sie kondens (können es) doch nicht brauchen EBD. 604 II, 157 r. Dem Narren stehts nit wol an, gute tage haben, vil weniger ainem knechte, zu herrschen über Pursten AGRICOLA II Nr. 266.

-» SCHNEE 9-20, 12-13 8.8.4. Der Narr verpasst den Termin 605 Fr. Tant cumme fol dort terme aproche. — Dum dormit stultus et sompno corpora lenit Paulatim, semper terminus ecce venit Während der Narr schläft, kommt der Termin herbei. - Während der Narr schläft und seinen Leib mit Schlaf erquickt, kommt 606 allmählich, (aber) stetig der Termin herbei ZACHER 64. Fous se dort et terme aprouche 607 Der Narr schläft, und der Termin kommt herbei MORAW. 793. Fol se targe e le terme aproche Der Narr säumt, und der Termin kommt herbei CAMBR. SAMML. (*LEROUX 608 11,476). Terme vient et foul s'oblie Der Termin kommt, und der Narr vergisst sich LEROUX 1,244 (= MORAW. 2325).

383

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8.9. Narren sind unbeherrscht und gefährlich 8.9.1. Der Narr provoziert Streit 609 Fr. Fous atme tencon Der Narr liebt Streit MQRAW. 766. 6JO Dt. Eins narren zung gebyeret zanck Die Zunge eines Narren verursacht Zank SACHS 111,350,17(1531). 11l 612 6U 6J4 615 6/6

617 618 619 620 621 622 623

8.9.2. Narren sind jähzornig und aufbrausend Fr. Ung fol vault ung enrage Ein Narr ist gleich viel wie ein Zornentbrannter LEROUX 1,245 (15.Jh.). Dt. Gecken werden bolae quat. — Excandet citius verboque offenditur excors Narren werden rasch böse. — Der Unvernünftige braust rasch auf und wird durch ein Wort beleidigt TUNNICIUS 511. Gecken lassen sich bald entrüsten Narren lassen sich rasch aufbringen FRANCK II, 174 r. Narren wirfft man bald auß der wiegen Narren brüskiert man rasch EBD. Gecken lassen sich bald entrüsten Übers, wie 613 EGENOLFF 220 r. Narren wirfft mann bald auß der wiegen Übers, wie 614 EBD. -> ZORN 1.2. Vgl. ZORN 1.3.1. 8.9.3. Der Narr hat die Waffe rasch zur Hand (schlägt drauflos) M l a t , In manibus stulti vim nuila novacula perdit In den Händen des Narren verliert kein Messer seine Schärfe WERNER 2 i 47. Fr. Li fous ne prent garde, u il fert Der Narr passt nicht auf, wohin er schlägt HUON DE ROTELAN D E, IPOMEDON 8485. S p a n . Del loco porrada, o mala palabra Vom Narren (kommt) ein Keulenschlag oder ein Schimpfwort NUNEZ 1,279. Port. Espada en mao de sandeu, perigo de quem lla deu Das Schwert in der Hand des Narren (ist) eine Gefahr für den, der es gegeben hat NUNEZ II, 127 (el Portugues). Engl. A fole sholde neuer haue a babull in bände. - Pegma manu stultus cuiquam gesture (lies: numquam gestaret) adultus Ein Narr sollte nie einen Kolben in der Hand haben. — Ein ausgewachsener Narr sollte nie einen Narrenstab 24 in der Hand tragen DOUCE (MS. 52) 109. A fool schulde neuer haue babul in honde RYLANDS fo. 17 v. Dt, Narren messer, hüerren prüst Sicht man bleken oft umb süst Narrenmesser und Hurenbrüste sieht man oft vergeblich bloss WITTENWILER, RING 9040. — GESCHOSS 53-55, 57-61

8.9.4. Weisheit im Munde des Narren ist gefährlich 624 Bibl. Quomodo si spina nascatur in manu temulenti: sic parabola in ore stultorum 625 VULG., PROV. 26,9. Ein Spruch in eins Narren mund, Ist wie ein Dornzweig der in eins Truncken band sticht LUTHERBIBEL, SFR. 26,9. 626 D t. Ein Spruch ist in deß narren mund Wie ein dorenzweig, der verwund Ein Spruch im Munde des Narren ist wie ein Dornenzweig, der verwundet SACHS XIX, 344,13 (1563). 627 628 629 630

8.10. Der Narr ist voreilig (singt vor dem Priester) Fr. Ainz chante fol que prestre. — Vidi cantantem stultum nimium properanter, Sepe sacerdotum (lies: sacerdotem, Red.) uidi cantare decenter Der Narr singt vor dem Priester. — Ich habe schon gesehen, wie ein Narr allzu eilig sang, und ich habe oft gesehen, wie der Priester angemessen sang ZACHER 164, Ainz chante fous que prestres MORAW. 36. Atant (lies mit MORAW., INEDITA S. 421: Avant) chant (sic) fol que prestre CAMBR. SAMML. (+LEROUX 11,473}. Avant chante fol que prestre ET. LEGRIS 93.

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Variiert: 63J Fr, Autant cbante fol que prestre Der Narr singt ebensoviel wie der Priester LEROUX 1,239 (15,Jh.).

8.11. Der Narr reagiert nur auf Handgreifliches 8.11.1. s. Inhalts bersicht 8.11.2. Der Narr ist furchtlos und vertrauensselig (merkt nichts), bis das Ungl ck eingetreten ist 632. 633 Gr. 'Ρεχθέν (seil, κακόν} δε τε νήπιος έγνω Wenn es geschehen ist, erkennt der Narr 634 {das Ungl ck) HOM., IL, 17,32, 20,198. Παθών δε τε νήπιος έγνω Durch Erfahrung 635 aber wird ein Narr einsichtig HES., ERG. 218. "A δη και σοι λέγω ... μη κατά την παροιμίαν ώσπερ νήπιο ν παθόντα γνώναι Das sage ich dir auch, dass du nicht entsprechend dem Sprichwort wie ein Narr (erst) durch eigene Erfahrung einsichtig werden 6.36 sollst PLAT., SYMP. 222 b. 'Ρεχθέν δε τε νήπιος έγνω Geschehenes versteht auch der Narr ZENOB. 2,14. 637. 63S Mgr. 'Ρεχθέν δε τε νήπιος έγνω bers, wie 636 GREG. CYP. 3,61. APOSTOLIOS 15,22. 639 Mlat. Stuitus dampnatus maiori cedit honori Wenn der Narr Schaden erlitten hat, weicht er vor dem Kompetenteren zur ck 25 EGBERT., FEG. RAT. l, 286 (- SCHADEN 64 74). Factum $tultu$ cognosdt Der Narr erkennt etwas, wenn es geschehen ist ERASM., 641 ADAG. CHIL. l, l, 30. Malo accepto stultus sapit ... circunfertur et illud nostrati uulgo iactatum: Mortaleis (sie) pudore et lactura doctiores euadere Nachdem er den Schaden erlitten hat, ist der Narr einsichtig. H ufig gebraucht wird auch jenes im Volksmund gel ufige Sprichwort, dass die Menschen durch Schande und Schaden kl ger werden EBD. l, 1,31 (vgl. unten 789). 642 Fr, Fox ne set mot, jusqu'il prent grant colee Der Narr merkt nichts, bis er t chtig 643 Pr gel erh lt HERB. DANM., FOLQUE DE CANDIE 5584. Molt l'ai bien i dire, issi Dex me secorre, Tot jorz atant U fols que la torm[en]te corre Ich habe doch oft sagen h ren, so wahr mir Gott helfe: „Immer wartet der Narr, bis die Folter l uft" FILS AYMON 644 15054. Fol ne quelt devant q'il rayt (lies mit MORAW., INEDITA S. 421: creit devant qil receyt] Der Narr glaubt nicht, bevor er (Pr gel) erh lt CAMBR. SAMML. {+LEROUX 11,476}. 645 Pro v. Mas horns foils leu no· s chastia. Tro q'a pres dan angoissos Aber ein t richter Mensch bessert sich nicht leicht, bis er schlimm zu Schaden gekommen ist ARNAUT CATALAN 5,19. 646 Dt. Factum stultus cognosdt. - Die gecke verneempt ein dinck nych eer, dan wanneer bet geschet of gedain is Der Narr erkennt etwas, wenn es geschehen ist. — Der Narr 647 erkennt etwas nicht eher, als es geschehen oder getan ist MURMELLIUS 7. Wann ein ding geschehen ist, so verstehen es auch die narren FRANCK 1,22 r. -» ESEL 10.6., FURCHT 70-89, GLAUBEN 6.1. Vgl. DEUTSCH 4., GLAUBEN 2.2., SCHADEN 11., TRAUEN 2.2.

8.12. Narren sind unbest ndig 8.12.1. Narren sind wankelm tig 64S La t. Stultus autem sicut luna mutabitur Der Narr aber wird sich ndern wie der Mond CASSIAN., CONL. 6,9,4. 649 Dt. Gecken vorwandelen sik als de mane. — Mutantur stolidi veluti vaga luna quotannis Narren wandeln sich wie der Mond. — Die Dummen verwandeln sich alle Jahre wie der unstete Mond TUNNICIUS 1194. -» WEISE 245-247, 249-250

385

650 651 652 65 3 654 655

656 657

65S 659 660. 66l 662

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8.12,2. Narren sind nicht zur Freundschaft f hig Bibl. Patuo non erit amicus, et non erit gratia bonis illius Der Narr wird keinen Freund haben, und seinen Wohltaten wird keine Dankbarkeit widerfahren VULG., SiR CH 20,17. Der Narr klagt, Mir ist niemand trewe, niemand danckt mir f r meine Wolthat LUTHERBIBEL, EBD. Fr. Fous n'ert ja ames ne aura ami Ein Narr wird nie geliebt werden, noch wird er einen Freund haben A FR. LEB ENS REGELN 2. Accointance de fol ne vault rien Die Freundschaft des Narren ist nichts wert LEROUX 1,239 (15. Jh.). Prov. Fats no sab guasenyar Ni servar amistats Ein Narr kann Freundschaften weder ankn pfen noch bewahren G. DE CERVERA 473. L'amistansa del[s] fats Lieu se pren et lieu frayn; Grieu l'amor del[s] Senats S'apren e grieu remayn Die Freundschaft der Narren gewinnt man leicht, und sie geht leicht in die Br che; mit M he gewinnt man die Liebe der Verst ndigen, und sie bleibt (nur) mit M he erhalten EBD. 1011. It. Unca no sper de mato, qi s'amistat aura; C'amig non e de si, e meu como sera? Nie soll etwas vom Narren erwarten, wer dessen Freundschaft geniesst; denn er ist nicht sein eigener Freund, wie sollte er da meiner sein? PATEG 223. Dt. Doch klagt der narr morgen wie beut: Mir ist niemand trew in der statt, Niemand danckt mir f r mein wolthat SACHS XIX, 82,23 (1562). — BUSCH 43 8.13. Narren tragen die eigene Schande zur Schau M l a t . Est in persona pttdor insipiente corona Die Schande ist ein Kranz auf dem Kopf eines dummen Menschen WERNER 2 e57. Fr. Honte est chapeaus a fol Die Schande ist der Kranz des Narren MORAW. 851. Hunte est chapel fol CAMBR. SAMML. (+ LEROUX 11,476}. Honte est cbappeau a foul LEROUX 1,241 ), REFRANES 46 {= HALLER 208) (vgl. DIENEN 9.10.6.2.). H. R., rev. V. M.

Anmerkungen 1 2

3

Dazu steht in Klammer: adulteris Für Ehebrecher (gilt dieses Sprw.), Für weitere Sachs-Betege s. SACHS IV,24,35 (1534). XXI,290,7 (1548). XXII, 432,33 (1548). XII,73,14 (1550). IX,289,14 (1557). XIII,249,2 (1557). IX, 142,23 (1558). IX,505,24 (1559). IX,511,34 (1559), Dazu SBARBI 1,76: Costosos son los deleytos a su$ amadores Die Vergnügungen sind für den Liebhaber kostspielig. Nach CORREAS entstand das Sprw. in Aragon und mahnt zur Zügelung der Naschsucht.

NASCHEREI s. NASCHEN NASE / nez / nose Hier auch NASEWEIS, RÜSSEL 1. 2. 3. 4. 5.

Die Nase ist zum Riechen da — HUND 40, WEIN 283-284, 2S6 Die Nase hat zwei Locher -» FENSTER 8, MUND 17, ZUNGE 7, 10 Die Nase steht nahe bei den Augen und dem Mund (l -6) Das Fehlen (Abschneiden) der Nase macht hasslich, elend und ehrlos (7—S), Vgj. unten 8.9. Das heftige Schneuzen der Nase bringt sie zum Bluten —» SCHNEUZEN 2, 10-11. Vgl· SCHNEUZEN 1. 6. Vor einem Gastwirt mit krummer Nase hüte man sich (9—11)

413

NASE

7, Die Kuttelnverkäuferin erkennt man an der Nase (12 — 13), Vgl. unten 8,5, 8, Redensarten und Vergleiche 8.1. Eine wächserne Nase haben, wie eine wächserne Nase sein (14—24) 8.2. Eine (wächserne) Nase drehen (machen, ansetzen, geben) (25-52), Vgl. STROH 8.2. 8.3. Die Nase hoch tragen (rümpfen, kräuseln) (53-60). — WORT 622 8.4. An (Bei, mit) der Nase herumführen (herumziehen) (61—95) 8.5. An der Nase ansehen (96-97}. Vgl. oben 7. 8.6. Einem mit dessen Ärmel die Nase reinigen —* ÄRMEL 24-25 8.7. Sich an (bei) der Nase nehmen (fassen, ziehen), sich die Nase schneuzen (98 — 109), Vgl, SEHEN 5.1. 8.8. Sich auf die Nase schlagen — VORSEHEN (sich) 97-98, WEISE 520 8.9. (Sich) die Nase abschneiden (abbeissen), die Nase verlieren (110-138), — KIND 187-188. Vgl. oben 4. 8.10. Die Nase in alles stecken (139-142) 8.11. Die Nase raucht (schnaubt) (143). -* BÄR 17-20 8.12. In die (der) Nase stinken und rauchen — HUNGER 34-36. Vgl. HUNGER 30-31, 33 8.13. Auf die Nase steigen — MÜCKE 6.4. 8.14. Vor (Über) der Nase hängen (144-153). Vgl. AUGE 23.1. 8.15. Der Nase nach (154-157) 8.16. Naseweis (158). — NOT 1.9.2. 8.17. (Wie) ein goldener Ring in der Nase {des Schweines) — RING 2.I., SCHWEIN 3.4. 8.18. Verschiedenes (l59-166}

9, Verschiedenes (167-168) 1.—2. s. Inhaltsübersicht

3. Die Nase steht nahe bei den Augen und dem Mund ! La t. Nasusque ita locatu$ est, ut quasi murus oculis interiectus esse videatur Und die Nase ist so angebracht, dass sie wie eine Mauer zwischen den Augen zu stehen scheint ClC., DE NAT. DEOR. 2, 57, 143.

2 N o r d . Skamt a nefit at kenna or kjaptinum Die Nase hat einen kurzen Weg, um das aus dem Mund zu erkennen E>ORSTEINS EJÄTTR B/EJARMAGNS 7 (-»FMS III, 188 [ = JONS3. 4 SON, ARKIV 290. JONSSON 123]). Ofncer nefi, kvad karl, var skotinn i auga „Allzu nahe der Nase", sagte der Mann, als er im Auge getroffen war SNORRI, HEIMSKRINGLA 619,16 (Uphaf Magnus konungs Erlingssonar 6). HÄKONAR SAGA HERDIBREIDS 27 5 (+FMS VII,288 [= JONSSON, ARKIV 204. JONSSON 89]). Nait er, broöir! nef augum Nahe ist, Bruder, die Nase den Augen 1 NJÄLS SAGA 12,25 { —JONSSON, ARKIV 290. 6 JONSSON 123). f>vi at nait er nef augum Denn die Nase ist nahe den Augen NJÄLS SAGA 112,7 { = JONSSON, ARKIV 290. JONSSON 123).

4. Das Fehlen (Abschneiden) det Nase macht hasslich, elend und ehrlos 7 Fr. Car trap a laide face cilz qui n'a point de nez Denn der hat ein allzu hä'ssliches Antlitz, welcher keine Nase hat CUVELIER, Du GUESCLIN 6806. 8 N o r d . Sagt er fra, bve neflauss narir Davon heisst es, wie einer ohne Nase ein elendes Leben führt MÄLSHÄTTAKWEDI 25,5 { = JONSSON, ARKIV 290. JONSSON 123). Vgl, unten 8.9.

5. s. Inhaltsübersicht

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6. Vor einem Gastwirt mit krummer Nase hüte man sich 9 M l a t . Hoc etiam, facias,, ne quis fiat tuus hospes, Qui curvum nasum fert; sie vivis bene sospes Du sollst auch machen, dass keiner dein Gastwirt wird, der eine krumme Nase trägt; so lebst du ganz sicher FACETUS 158. 10 Dt. Wenne du körnst in daß büß fru adir spot Do der wirt eyne krumme nase hot, Do saltu nicht lange inne ruen, Wiltu ane erbeit widder beym körnen Wenn du früh oder spat in ein solches Haus kommst, wo der Wirt eine krumme Nase hat, dann sollst du da nicht lange verweiten, wenn du ohne Mühe wieder nach Hause gelangen willst u FACETUS DEUTSCH 76 S. 140. Wultu herbergbe myt sekericheyt hart, Sok nicht sodanen man Unde nicht myt vrouwden by em wese Dede he ft ene krumme nese Wenn du sicher beherbergt werden willst, dann suche nicht einen solchen Mann und sei nicht mit Freude bei einem solchen, der eine krumme Nase hat! EBD. 76 S. 258.

7. Die Kutteln verkauf er in erkennt man an der Nase 12 Mlat. Noscitur ad nasum mulier, que vendit omasum Die Frau, welche Kutteln verkauft, wird an der Nase erkannt WALTHER 18818. 13 N o r d . Noscitur ad nasum mulier que vendit omasum. — The k0n& (lies: kona) cer 0dhkcend a n&sum som vamba kluta hawir fala ... — Die Frau ist an der Nase leicht zu erkennen, welche Kutteln feilbietet LALE S 626. Vgl. unten 8.5.

8. Redensarten und Vergleiche 8.1. Eine wächserne Nase haben, wie eine wächserne Nase sein2 14 Mlat. Sed quia auctoritas cereum habet nasum, id est in diversum potest flecti sensum, rattonibus roborandum est Aber weil ihre Lehre3 eine wächserne Nase hat, d. h. dem Sinn nach verschieden gedeutet werden kann, muss man (sie) mit Beweisführungen 15 festigen ALANUS 223 (contra haereticos l, 30). Legibus et nasus cereus esse solet Die Gesetze pflegen auch eine wächserne Nase zu haben FILIPPO VAGNONE (+POLIZIANO 383 Anm. S. 201). 16 It. Ora si suole intorno a queste esposizioni spesse volte dire per i laid, La Scrittura avere il naso dt cera Nun pflegt von den Laien über diese Auslegungen oft gesagt zu werden, die Schrift habe eine Nase aus Wachs Bocc., COM. II, 172. 17, 18 Dt. Die schrift hat eine wechsene nesen BRUN v. SCHÖNEBECK 961. Die geschrift lat sich biegen als das wachs und dar umbe spricht man, si habe ein wechsin nasen Die Schrift lässt sich wie das Wachs biegen, und daher sagt man, sie habe eine wächserne 19 Nase ENGELBERG. PRED. 220. Das recht hat gar am wächsein nas, Es lat sich piegen als der has Das Recht hat ganz und gar eine wächserne Nase, es lässt sich biegen wie 20 der Hase OSWALD v, WOLKENSTEIN 118,123. Hutt uch vor etlich der gelertten dukken! Sie hannd ein wechsen nasen Hütet euch vor manchen Gelehrtentücken! Sie haben 21 eine wächserne Nase MINNEREDEN II 13,84. Verlossend steh, das sie das recht Wol bitgen, das es nit blib schlecht, Als ob es wer eyn wachsin naß Sie verlassen sich darauf, dass sie das Recht wohl biegen würden, so dass es nicht gerade bliebe, wie wenn es 22 eine wächserne Nase wäre BRANT, NARRENSCHIFF 71,9. Also sehen wir wie fein die Romanisten mit der schrifft handeln, machen drauß was sie nur wollen, als were sie ein wechsern nasen, die man hyn und her zihen mocht So sehen wir, wie fein die Römischen mit der Schrift umgehen (und) daraus machen, was sie nur wollen, als ob sie eine wächserne Nase wäre, die man hin und her ziehen könnte LUTHER, WERKE

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23, 24 1,343,28 (1520). Das Recht bat ein wachsin nasen AGRICOLA II Nr. 122. EGENOLFF 32 v.

8.2, Eine (wächserne) Nase drehen (machen, ansetzen, geben) 4 25 Dt, Vnde hadde alsus eynen flassen hard Oeme konnynge maket tor suluen vard, Nicht alleyne eynen bard van fta$se, Men ock eyne neze angheseth van wasse Und so hatte er dem König mit dieser Fahrt einen Bart aus Flachs gemacht; nicht nur einen flächsernen Bart, sondern auch eine Nase von Wachs hatte er (ihm) angesetzt REINKE 26 Vos 2783 (— FLACHS 9). Vnde heft em eyne wassene neze angesath Und hat ihm 27 eine wächserne Nase angesetzt EBD. 5591. Ein wecbsen nasen machen MURNER, NAR28 RENB, 3 Überschr, Der gschrifft mach ich ein wachsen naß Der Schrift mache ich eine 29 wächserne Nase EBD. 3,63. Das man eynem eyn nasen macht LUTHER, WA V, 341,3 30 (1519 — 21). Wie die gauckeler den dingen eyn ander nasen und ansehen geben EBD. 31 VII, 341,4 (1521). N/i das ich rew, beicht unnd straffe leugne, szondern das ablasz vornichtige, das unsz ein naszen macht Nicht dass ich Reue, Beichte und Strafe verneine, aber den Ablass erkläre ich für nichtig, der uns eine Nase macht EBD. VII, 353,26 32 (1521). Warumb sollt nicht auch jemand dem Spruch S. Pauli eyn solche naßen stellen 33 künden (andrehen können) EBD. X.2,141,3 (1522). Wil man aber dem Spruch ein nasen drehen ... Wenn man aber dem Spruch eine Nase andrehen will SACHS 34 XXII, 57,15 (1524). Der Spruch war yhm nicht zu leyden, und kund yhm doch nicht weren, Darumb ehe er yhn so liesse, dachte er: Es ist besser, ich mache yhm eyne nasen, wie ich kan Der Spruch war ihm unerträglich, und er konnte ihm doch nicht Einhalt gebieten. Bevor er ihn darum so liesse, dachte er: „Es ist besser, ich mache ihm (so 35 gut), wie ich kann, eine Nase" LUTHER, WA XVIII, 169, 8 (1525). ... Damit du den 36 Albern ein Nasen drehest, und sie effest (äffst) EBD. XVIII, 264,6 (1525). ... das man greyfft, wie sie nicht wissen, was sie sagen odder wie sie sollen den leuten eine nasen machen So dass man begreift, wie sie nicht wissen, was sie sagen oder wie sie den 37 Leuten eine Nase machen sollen EBD. XXIII, 88,27 (1527). Denn weil sie sonst widder wunder noch ettwas guts thun, werden sie geuckler, den leuten solche nasen zu machen mit klugen Worten, das sie essen vnd trincken für eins halten sollen vnd also auch ein mal wunder zeichen sehen Denn weil sie sonst weder Wunder (bewirken) noch etwas Gutes tun, werden sie zu Gauklern, um den Leuten mit klugen Worten eine solche Nase zu machen, dass sie das Essen und Trinken für dasselbe halten werden und 38 ebenso auch einmal Wunderzeichen sehen EBD. XXVI, 604,10 (1528). Weil sie jhm solch eine feine nasen drehen, und einen solchen schonen stroern hart (Bart aus Stroh) 39 flechten EBD. XXXI.l, 122,24 (1530). Fieng herr Caiphas an, und machte Gott auch 40 eine nasen und stroern hart EBD. XXXI.l, 122, 30 (1530). Und kan im feyn ein nasen 41 dreen Und (sie) kann ihm fein eine Nase drehen SACHS 111,348,15 (1531). Ein nasen 42. 43 treen (drehen), oder eim ding ein strain hart (Strohbart) flechten FRANCK 1,18 v. Ein 44-46 nasen treen EBD. 1,27 v. EGENOLFF 294 r. Ein nasen machen FRANCK 1,51 v. Ein 47 wechsin nasen traen Eine wächserne Nase drehen EBD. II, 11 v. II, 92 r. So thu ich ir 48 ein nasen drehen So drehe ich ihr eine Nase SACHS 111,276,23 (1544). O« das der Bapst ... den Konigen vnd Herren gerne walte eine nase drehen, vnd stroern Bart flechten Ohne das (seil, das Wort und den Glauben) der Papst den Königen und Herren gerne eine Nase drehen und einen Bart aus Stroh flechten möchte LUTHER, WERKE 49. 50 IV, 415,22 (1545). Ich wil ir wol ein nasen drehen SACHS VII, 100,11 (1548). Der 51 prophet dreht dir wol ein nasen EBD. X,458,14 (1552). Dem schuldtherren (Glaubi52 ger) ein nasen drehen EBD. X,436,25 (1556}. Ei« wachsin nasen draen Übers, wie 45 EGENOLFF 14 v. Vgi. STROH 8.2.

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8.3. Die Nase hoch tragen (r mpfen, kr useln) 5 53 Lat. Naso suspendis adunco Du tr gst die ger mpfte Nase hoch H R., SAT. 1,6,5. 54. 55 Suspendens omnia naso ber alles die Nase r mpfend EBD. 2, 8,64. Ad haec ego naribus uti Formido Ich scheue mich, dar ber die Nase zu r mpfen H R,, ER l, 19,45. 56 ,Rides' ait ,et nimis uncis Naribus indulges' „Du lachst", sagte er, „und zeigst dich mit 57 ger mpfter Nase allzu nachsichtig" PERSIUS, SAT. l, 40. Nare detorta magistmm suum uarie cauillantur Mit ger mpfter Nase spotten sie auf alle m glichen Arten ber ihren 58 Meister APUL., MET. 8,26. Nare suspendit Er tr gt die Nase hoch AMBROS., HEL. 9,32. 59 M l a t . Rides equidem, et nimis uncis naribus indulges Du lachst freilich und zeigst 60 dich mit ger mpfter Nase allzu nachsichtig IOH. SARESB., POLICRAT, 460 A, Nasum micbi crispat iniquus Der belgesinnte r mpft ber mich die Nase6 IOH. GARL., M OR. SCOL. 54. -> WORT 622

8.4. An (Bei, mit) der Nase herumf hren (herumziehen) 7 61 Gr. Ευ ΐσθι ως ουδέν κωλύσει σε τη"ς ρινός έλκεσθαι 6φ* εκάστων Wisse wohl, dass nichts es verhindern wird, dass du von allen an der Nase herumgezogen wirst! LUKIAN., HERM. 68. 62 Mgr. Της ρινός έλκτ) Du wirst an der Nase herumgezogen APOSTOLIOS 16,44d. 63 Mlat. ... Si non patiamur nos tanquam ur&um duci naribus Wenn wir nicht dulden wollen, dass wir wie ein B r an der Nase herumgezogen werden LUTHER, WA XLII, 457,12 (1535-45). 64 It. Tu mi meni per lo Naso Du f hrst mich an der Nase (herum) CARO, OPUSC. 175. 65 Dt. 5i ziebent daz rebt um bi der nasen Sie ziehen das Recht an der Nase herum 66 HUGO v. TRIMBERG 8407. Den puren by der nasen fieren Den Bauern an der Nase 67 herumf hren MURNER, NARRENB. 23,28. By der nasen fieren An der Nase herumf h68 ren EBD. 54 berschr. Die edle Nation o gr blich mit der na en umb zufuren Die edle Nation so plump an der Nase herumzuf hren LUTHER, WERKE 1,424,37 (1520). 69 Da wirt sie mit der nasen gef ret Da wird sie an der Nase herumgef hrt LUTHER, WA 70 VI,260,7 (1520). ... f ren uns also mit der nasen Sie f hren uns so an der Nase 7l. 72 herum EBD. VI, 615,11 (1520). Bej der nasen f ren LUTHER 394. Wer kan solcbs grob narrn spie! yn solchen ernsten sacken dulden, damit sie doch die leutt furnebmen bey der na en zufuren Wer kann bei so ernsten Dingen solch ein grobes Narrenspiel dulden, mit dem sie es sich vornehmen, die Leute an der Nase herumzuf hren LUTHER, 73 WA VII,637,10 (1521} (vgl. MUND 273). ... unnd schlipffern hynr wo man sie hynn f rt mit der na en Und sie gleiten dahin, wohin man sie an der Nase f hrt EBD. 74 VIII, 228,24 (1521). Yhr habt den gemeynen man so lange bey der na en umbfuret (herumgef hrt) ... das er nymmer leyden kann, will, noch soll EBD. VIII,293,19 75 (1521). £5 gillt nicht, seynen nehisten ynn solchen grossen hohen Sachen, die leyb, gutt, ehre und seligkeyt betreffen, o leychtfertig mit der na en umbf ren Es geht nicht, dass man bei so grossen, hohen Dingen, die Leib, Gut, Ehre und Seligkeit betreffen, 76 seinen N chsten so leichtfertig an der Nase herumf hrt EBD. X.2,279,3 (1522). Denn wenn man falsche Propheten in der weit bat gehabt, welche die leute mit der Nasen 77 umbgefuret (herumgef hrt haben) ... EBD. XVI, 255,25 (1525). Gar ein feiner, iveidlicher tyrann ... der sich mit werten nicht wolt abweisen lassen noch bey der nasen f ren Ein gar feiner, t chtiger Tyrann, der sich nicht mit Worten wollte abweisen noch 78 an der Nase herumf hren lassen EBD. XIX,416,22 (1526). Die bey der nasen in 79 umbf rt Welche ihn an der Nase herumf hrt SACHS V, 207, 8 (1531). Ich hab auch

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manchen mann betrogen Bey der nasn am recht umbzogen ... in seinem Recht genas80 führt EBD. VII, 146,17 (1531). Wie sichs bisher mit groben greifflichen lugen und unverschampter triegerey bat lassen effen und bey der nasen füren Wie es sich bisher mit groben, greifbaren Lügen und unverschämter Trügerei hat äffen und an der Nase 81 herumführen lassen LUTHER, WA XXXII, 532,11 (1532). Sie Werdens an jhenem tage wohl gewahr werden, wer den ändern mit der nasen hab umbgeftmret Sie werden es an jenem Tag wohl wahrnehmen, wer den ändern an der Nase herumgeführt hat EBD. 82 XLVII, 438,42 (1538). Sihe, wen auch ein solcher narr hihehr kerne und fhurete auch die gelertten mit der Nasen umb ... Siehe, wenn auch ein solcher Narr hierher käme 83 und die Gelehrten an der Nase herumführte EBD. XLVII, 595,37 (1539). So wehe so! mir sein, wen ich sehe, das man die Christen also betreuget und sie mit der nasen umbfhuret mit dem namen kirche So weh soll mir sein, wenn ich sehe, dass man die Christen dermassen betrügt und sie im Namen der Kirche an der Nase herumführt EBD. 84.85 XLVII, 166,18 (1538-40). Bei der nasen füren FRANCK II, 11 v. EGENOLFF 14 v. 86 Hab in of ft bey der nasn umbzogn Ich habe ihn oft an der Nase herumgezogen SACHS 87 XIV, 304,12 (1553), Führt uns also umb bey der Nasen (Sie) führt uns so an der Nase 88 herum EBD. XII, 348,30 (1555). So wirdt noch mancher man betrogen Und bey der nasen umbherzogen Von den landffarern und zawherern So wird noch mancher von den Landstreichern und Zauberern betrogen und an der Nase herumgezogen EBD. 89 IX, 275,24 (1556). Ziehen die lewt einfeltig frumb Gar listig bey der nasen umb Sie ziehen die Leute auf einfältige (und) biedere Art ganz listig an der Nase herum EBD. 90. 91 IX, 311,7 (1557). Bey der nasen umbher zogen EBD. V, 88,10 (1558). VIII,655,9 92 (1558). Die voller lüg und listen steckten Und doch mit solcher fantasey Umb führten bey der nasen frey Welche voller Lügen und Listen steckten und doch mit solcher

93 Gaukelei frei an der Nase herumführten EBD. IX,423,9 (1558). Wie schendtlich habt 94 ir mich betrogen Und bey der nasen umbherzogen EBD. XI, 77,17 (1559). Wie führt 95 in das weih bey der nasen EBD. XX, 202,26 (1560). Die frommen werdn betrogen Und mit der nasen herumb-zogen EBD. XIX, 278,5 (1563).

8.5. An der Nase ansehen 8 96. 97 Dt. Man sihet dir an der nasen wol an, wie alt du bist FRANCK II, 18 v. EGENOLFF 23 v. Vgl. oben 7.

8.6. s. Inhaltsübersicht 8.7. Sich an (bei) der Nase nehmen (fassen, ziehen), sich die Nase schneuzen 9 98 M l a t . Accipe per nasum te, cum me diets iniquam Nimm dich selbst an der Nase, wenn du mich böse nennst! PROBRA MULIERUM 193, 99 It. Tu ehe se' ripreso da »no dt quella cosa ehe tu non hat fatto, e halla fatta lui, dilli: — forbeti U naso Du, der du von einem wegen einer solchen Sache, die du nicht begangen hast, getadelt wirst — und er hat sie selbst begangen —, sage ihm: „Schneuz dir (selbst) die Nase!" BERNARDINO 1,234 (Pred. 9). 100 Dt, Der vah sich selbe bider nase Der fasse sich selbst an der Nase HELBLING 2, 516. 101 Ich muß mich selber auch bei der nasen herfür ziehen Ich muss mich selbst auch an 102 der Nase hervorziehen GEILER, EMEIS 26 b. Te ipsum inspice, — Zuch dich selbs bey der nasen Betrachte dich selbst! — Zieh dich selbst an der Nase! HAUER 133 (vgl. 103 SEHEN 120). Und wolt sie gerne bringen zu jrer selber erkentnis, das sie sich bey der Nasen ziehen solten Und er (seil. Moses) möchte sie gerne zur Selbsterkenntnis bringen, 104 dass sie sich (selbst) bei der Nase zögen LUTHER, WA XXVIII, 758,26 (1529). Da

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los 106 107. 108 i09

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solten sich selbs solche klugelinge und lesterer bey der nasen nemen EBD. XXX,3,351,18 (1531). Es heisst: bruder Hans, nim dich bey der nasen EBD. XXX.3,378,27(1531). Hans, nimb dich bey der nasen EBD. XXXIV1, 116,5 (1531). Hie solten die Papisten sich bey der nasen nemen EBD. XXXVIII, 208,5 (1533). Hans nim dich selbs bey der nasen EBD. L, 530,5 (1539). Und damit ich mich selbs auch bey der nasen neme und meiner narrheit nicht so undanckbarlich vergesse ... EBD. L, 596,27 (1539). Vgl. SEHEN 5.1.

8.8. s. Inhaltsübersicht 8.9. (Sich) die Nase abschneiden (abbeissen), die Nase verlieren 10 111 112 113 114, us 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128.129

130 131 132

La t. Et truncas inhonesto volnere naris Und du verstümmelst die Nase mit einer entehrenden Wunde VERG., AEN. 6,497. M l a t. Proverbium vulgäre est: Male ulciscitur dedecus sibi illatum, qui amputat nasum suum Es ist ein allbekanntes Sprichwort: „Schlecht rächt der die ihm zugefügte Schande, welcher seine Nase abschneidet" PETR. BLES., PEREGR. VII. Non trunces nares, faciem quia dedecorares Schneide nicht die Nase ab, weil du dadurch das Gesicht verunstalten würdest! S. OMER 170. Fr. Le nes vus en deüst trencher ... Que hunie en fusez tuz dis Die Nase sollte er Euch daher abschneiden, so dass Ihr für immer entehrt wäret THOMAS, TRISTAN 1545. Qui son nes coupe, sa face desenoure (MARQUES: deshenore) Wer seine Nase abschneidet, entehrt sein Antlitz VILAIN 258. MARQUES 61 a 4. Mout en ledist sa face qui son nez fet trenchier Der beschädigt sein Antlitz sehr, welcher seine Nase absehneiden lässt ALEX. DE PARIS, ROM. ALIX. 1,817. Qui son ne coupe il deserte son vis Wer seine Nase abschneidet, der verdirbt sein Antlitz GARIN LE LOHERAIN 1,160. Qui son nez coupe il deserte son vis EBD. 1,280. Qui son nes coupe il deserte son vis EBD. II, 133. Qui son nez coupe, desonore son vis Übers, wie 114 GIRB. DE METZ (TAYLOR) 290. Poi H menbre del reprovier ,..; Ki sun nes trenche, sei honnist e sa face de tot ledist Er erinnert sich kaum an das Sprichwort: „Wer seine Nase abschneidet, entehrt sich selbst und verdirbt sein Antlitz ganz" ROB. DE Ho 1074. Cil qui tranche son nes, il uergonge sa fache Wer seine Nase abschneidet, schändet sein Gesicht ELIE 1565. Ki soun nes trenche sa face deshonure Übers, wie 114 COURTEIS ET VILAIN 21. Trop fait son honte eil qui colpe son nes Der fügt sich allzusehr Schande zu, welcher seine Nase abschneidet BOEVE FESTL. III 7842. Cis a sa face, prevos, desfigure, De son viaire qui son nes a cope Der hat sein Antlitz verunstaltet, Vogt, welcher die Nase von seinem Gesicht abgetrennt hat HERVIS DE METZ 2106. Ei eil cunchie sa baulevre Ki son nes trence Und der besudelt seine Lippe(n), welcher seine Nase abschneidet PHIL. MOUSK. 9289. L'en seaut dire, e veirs est senz faille: Qui tant est fos que son nes faille, Sa face a toujourz deseneure Man pflegt zu sagen, und es ist unfehlbar wahr: „Wer so töricht ist, dass er seine Nase abschneidet, entehrt sein Antlitz für immer" J. DE MEUN, ROSE 16531. Qui son nes trenche, sa face desonore Übers, wie 114 RAW LINS ON 328. Qui son nes taille, sa fache conchie. — Si nasum cedat aiiquis, faciem sibi fedat. Dum nasum ledor, her et in ore pudor Wer seine Nase abschneidet, besudelt sein Antlitz. — Wenn einer die Nase abhaut, besudelt er sich das Antlitz. Wenn ich an der Nase geschädigt werde, bleibt Schande im Gesicht zurück HILKA 42 (-MoRAW. 2149). Qui son nes cope sa face enledist ... macht sein Antlitz hässlich MORAW. 2148. Ki son nez tranehe, sa face desfigure ... verunstaltet sein Antlitz PROV. RUR. 248. Uns proverbes nous est donnes; C'est que eil qui coupe son nes Trop laidement sa face empire Uns wird ein Sprichwort überliefert, nämlich dass der, welcher seine Nase abschneidet, sein

419

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133 Antlitz allzu übel zurichtet J. LEFEVRE, LEESCE 1031. Car qui cope son nes, sa face est despechie Denn wenn einer seine Nase abschneidet, wird sein Antlitz verletzt BAS134 TARS DE BUILLON 4094. Q/ son neez coupe enledist sa face Übers, wie 130 CAMBR. SAMML. (+LEROUX 11,482). 135 It. Ed oggi i Siciliani dicono, ehe perduto il Naso si perde l'onore Und heute sagen die Sizilianer, dass man, wenn man die Nase verloren hat, die Ehre verliert CARO, OPUSC. 175. 136 Dt. Denn wer sich die Nase abschneidet, entstellt sein Angesicht ELISAB. v. NASSAU, 137 LOH ER 232. Darumb ich sy gar fründtlich bit, Das sy verschwörent, ire naß Ab zu byssen, kürtzen baß; Das selbig mogent sy doch halten Deshalb bitte ich sie gar freundlich, dass sie schwören, ihre Nase nicht abzubeissen (und) kürzer zu machen; das wenig13S stens können sie halten MURNER, NARREN B. 85,64. Wenn du weyßlich geloben wilt, ßo gelobe, die naßen dyr selb nicht ab beyssen, das kanstu halten Wenn du mit kluger Vorsicht geloben willst, so gelobe, dass du dir selbst die Nase nicht abbeissen willst, das kannst du halten» LUTHER, WA X.2,284,22 (1522). -» KIND 87-188. Vgl. oben 4.

8.10. Die Nase in alles stecken11 139 Ml at. Nihil enim quisqttam cacare potest, quin tu nasum tuum imponere velis! Denn keiner kann etwas scheissen, ohne dass du deine Nase dareinstecken willst BEBEL, FAC. 2,146. 140 It. Tu metti il Naso per tutto Du steckst deine Nase in alles CARO, OPUSC. 175. 141 Dt. Ach ja, das wir sie nit erschrecken, Must jr die naß in all dreck stecken Ach ja, damit wir sie nicht aufschrecken, fühlt ihr euch bemüssigt, die Nase in jeden Dreck zu 242 stecken GENGENBACH 17,211. Wer die nasen ynn alle winckel steckt, der klemmet sieb gerne Wer die Nase in alle Winkel steckt, der klemmt sich leicht LUTHER 149.

8.11. Die Nase raucht 343 It, // Naso gli fuma Die Nase raucht ihm 12 CARO, OPUSC. 175. -* BÄR 17-20

8.12.-8.13. S.Inhaltsübersicht 8.14. Vor (Über) der Nase hängen 13 144 Fr. Ne sevent U dolent Que devant lur nes pent Die Unglücklichen wissen nicht, was 145 ihnen bevorsteht (wörtl.: was vor ihrer Nase hängt) PHIL, DE THAON, BEST. 145. Mais il ne sevent que lor pent a lor nes Aber sie wissen nicht, was ihnen bevorsteht (wörtl.: 146 vor ihrer Nase hängt) MON. GUILL. 2,3624. Autel lor pent devant le nes Dasselbe 147 steht ihnen bevor (wörtl.; hangt ihnen vor der Nase) B. DE CONDE 251,168. Chascuns ne scet que au nes It pent Nicht jeder weiss, was ihm bevorsteht (wörtl,: vor der Nase 148 hängt) EBD. 263,552. Que autretant nous en pent sor le nes Denn ebensoviel steht 149 uns bevor {wörtl.: hängt uns über der Nase) HUON DE BORDEAUX 2275. Chascun ne iso set qui U pens au nes Übers, wie 147 LEROUX 11,268 (13. Jh.). Chascuns ne set que 51 au nes li pent Mo RAW. 355 An m. // ne sait mie qui au nez li pendi Er weiss überhaupt 152 nicht, was ihm bevorsteht (wörtl.: vor der Nase hing) MORT DE GARIN 3121. Car otant vous en pent ... au nes! Denn ebensoviel steht Euch bevor (wörtl.; hängt Euch 153 vor der Nase) B. DE SEB. 21,187. Car autant lor en pent au nez ou au menton Denn ebensoviel steht ihnen bevor (wörtl.: hängt ihnen vor der Nase oder vor dem Kinn) CUVELIER, Du GUESCLIN 10667. Vgl. AUGE 23,l,

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8.15. Der Nasenach 1 4 154 155 156 157

Dt. Nu gang nach der nasen Nun gehe der Nase nach! SIBOTE v. ERFURT, FRAUENZUCHT 51—54 Zus. (*HAGEN, GA 3 [l,488]). So körnen wir der nase na So kommen wir der Nase nach LIEDERSAAL 187,62, Hur als fern Cat du weit der nasen nach In diesem wie im vergangenen Jahr gehen die Leute der Nase nach EBD. 248,134. Der nasen ymer nach Immer der Nase nach LUTHER 284.

8.16. Naseweis15 158 Dt. Er ist nase weis LUTHER 389. -» NOT 1.9.2.

8.17. s. Inhaltsübersicht 159 260 Hl 162 163. 64 165.166

8.18. Verschiedenes Pro v. Car iou n'ay ja enflat lo nas Per so, {gentilj donzel, ehe m'aves dich D'aquel Seraxin tant ardit Denn ich habe die Nase nie dessentwegen aufgebläht 16 , edler Herr, was Ihr mir über jenen so vermessenen Sarazenen gesagt habt BLANDIN 1438. I t , Si dice, tu mi dai nel Naso Man sagt: „Du gibst mir auf die Nase" 17 CARD, OPUSC. 175. N o r d . A t s/u ma&r hefir allmjqk dregit hast or nefi oss Dass dieser Mann uns gar sehr die Borsten aus der Nase gezogen hat 1 8 QLKOFRA PATTR 71,12. At bann scei jafnlangt nefi ser eöa lengra Dass er so weit wie seine Nase sehe oder weiter QRVARODDS SAGA 43,2. Dt. Er hat fynn yn der nasen Er hat Finnwürmer in der Nase19 LUTHER 109. Es geht yhm säur ynn die nasen20 EBD. 283 (vgi. SAUER 4.1.). Er hat ein gute naß, das garn gerochen2* FRANCK H, 73 v. EGENOLFF 62 v (vgl. RIECHEN 8.2.).

9. Verschiedenes 167 Fr. P au puet li nes iestre defais Quant li visages est plus lais Die Nase kann kaum verunstaltet werden, wenn das Gesicht hässlicher ist COUR. REN. 401. 168 It. Ben savei ehe cht menaza Andar a atri tochar lo naso, Quanta dor g'e poi romaso Quando aotri lo so gi straza Ihr wisst wohi, ein wie grosser Schmerz dem entsteht, der droht, einen ändern bei der Nase zu nehmen, wenn ihm (dann) der andere die seine misshandelt MONACI 443,205 (Rime genovesi}.

V.M.

Anmerkungen 1 2

3 4

3

6

D.h., was den nahen Verwandten trifft, trifft einen selbst. Vgl. NJÄLS SAGA 12,25 Anm.; BAETKE 437 s.v. näinn, Die wächserne Nase soll die Unbestimmtheit und die geschmeidige, biegsame Natur des Rechts, des Geset7.es und der Schrift anzeigen, die nach jeder beliebigen Richtung gedreht werden können. Vgl. GRIMM, DWs. VII, 407 f. XIII, 131; POLIZIANO 383 S. 200 f. Mit der auctoritas sind hier die Schriften und Lehren der Philosophen gemeint, Eine Person zum besten haben, verspotten, zu täuschen suchen (vgl. RÖHRICH II, 675 b; GRIMM, DWü. VII, 408 f, XIII, 130 f.), sie tadeln oder beschämen (vgl. WANDER 111,955 s.v. Nase 200) oder eine Sache (z. B. einen Spruch) verdrehen oder verschieden bzw. falsch auslegen {vgl. SACHS [HANDSCHIN] 97; GRIMM, DWß. a.a.O.). Als Zeichen des Spottes, der Verachtung und des Hochmuts. Vgl. RÖHRICH II, 675 a; GRIMM, DWa, VII, 400. Dazu steht in der Gl.: Id est, contempnit me per crispationem nasi sui D.h., er drückt durch Kräuseln seiner Nase seine Verachtung mir gegenüber aus.

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NASS

Einen nach eigenem Vergnügen Senken, seinen Scherz mit ihm treiben, ihm absichtlich falsche Hoffnungen machen, ihn narren und anführen oder, wie man verkürzt sagt, ihn nasführen, Vgl. RÖHRICH II, 675 a f.; GRIMM, DWa, VII, 404, Beurteilung einer Person nach dem ersten Eindruck. Selbsterkenntnis üben, sich Selbstvorwürfe machen, sich seine Schuld eingestehen. Vgl. RÖHRICH II, 678 a. ,Sich selber die Nase abschneiden' heisst: seinen eigenen Verwandten und Landsleuten etwas Schlechtes nachsagen, sie in Schande bringen und somit sich selbst Schaden zufügen und der Ehre berauben. Das Abschneiden der Nase war ursprünglich auch eine Rechtsstrafe, durch die einer seine Ehre verlor. Vgl. RÖHRICH II,674b; GRIMM, DWs. VII,402; WANDER 111,963 s.v. Nase 398; SINGER, SPRW, D. MA II, 148 ff.; HASSELL N18. Sich unbefugter- oder neugierigerweise um alles bekümmern. Vgl. RÖHRICH 11,677a. Es folgt die Erklärung: Si vuol significare uno, ehe si risenta dell' onor suo Damit will man einen bezeichnen, der sich in der Ehre gekränkt fühlt. Nach CRöscA 5 VI, 596 a § XIV sagt man das von einem, der von jähzorniger Art ist, der sich leicht zu jähzornigem Handeln hinreissen lässt und der sich von Beleidigungen, Ungerechtigkeiten und Ähnlichem sehr gekränkt zu fühlen pflegt. D.h. bevorstehen. Vgl. TOBI.F.R - LOMMATZSCH VI,611,3 ff.; HASSELL N 17. Bedeutet: nach der Richtung der Nase, geradeaus (GRIMM, DWs. VII, 405). Es kann aber auch heissen: ins Blaue hinein, den Weg nicht wissend (WANDER 111,957 s.v. Nase 231). Vgl. LUTHER 389 Anm.: „Den ursprünglichen Sinn ,mit feinem Geruch begabt' hat das Wort beim Spürhunde (KONRAD v. WÜRZBURG, LIED. u. SPR. 32,251). Vom Menschen wird der Ausdruck nur ironisch und in tadelndem Sinne gebraucht von einem, der alles wissen und verstehen will." Weitere Stellen, bei denen Luther diesen Ausdruck verwendet, sind in derselben Anm. aufgezählt. Als Zeichen der Angst. Es folgt die Erklärung: Idest tu mi tocchi nell' onore D, h., du greifst mir an die Ehre. Nach CRUSCA S XI, 24 a XXXV bedeutet der Ausdruck dare rtei naso a uno jmdm. Verdruss, Mühe und Umstände bereiten, bei jmdm. Missbehagen auslösen und Anstoss erregen. Bedeutet dasselbe wie: an der Nase herumführen. Nach CLEASBY s.v. burst bedeutet draga bust or neft (eine Borste aus der Nase von jmdm, ziehen} jmdn. betrügen, täuschen. So nach dem Vorschlag des Hrsg. Die Bed. von fynn scheint nicht ganz klar zu sein. Finn kann auch Geschwür oder Gesichtsblatter heissen. MND. WB. V, 258 weist Finne nach in der Bed, von garstigem Wesen, Der Sinn der Rda. wird wohl etwa sein: nicht ganz richtig im Kopf sein, ein toller und gefährlicher Mensch sein. Vgl. GRIMM, DWa. VIII, 1863: „Das kommt ihm übel an, ist ihm sehr unangenehm". Etwas richtig ahnen, einen feinen Spürsinn haben. Vgl, RÖHRICH II, 674 a.

NASEWEIS s. FRECH, NASE NASS / mouille / wet

Hier auch DURCHNÄSST, FEUCHT, NÄSSE, NETZEN 1. Wo es schon nass ist, da regnet es gerne —» REGEN 1.1. Ähnlich (1—2) 2. Wo es schon nass ist, da pissen Pferd und Esel gern — BAUER 5, PISSEN 7, 14- 15 3. Nach Trockenheit kommt Nässe und nach Nässe Trockenheit —· TROCKEN 1. 4. Warmer Sonnensttahl (Weg) macht nassen Mantel —> WARM 5.4. 5. Wo es regnet, wird es nass —* REGEN 6.1. 6. Wo gespuckt wird, wird es nass —· SPUCKEN 3.1. 7. Unter Blattern wird man zweimal nass (3 —4)

NASS

422

8. Wer Fische liebt und fischen will, muss nass werden — FISCH 63-65, 67, 69, 71, FISCHEN -102, KATZE 244-246, 249, 253-254, 256-257, 259-260, 262-267, 273-275 9. Nasses brennt nicht (5-11) 10. Nasses Gefäss lässt sich nicht pichen —> PECH 45-50 11. Nass pichen -» PECH 5J -52 12. Sich selbst feucht halten (12-1 S) 13. Nasser Knabe (Kunde) (16-23) 14. Nasse Katze - KATZE 6.2, 15. Noch nass hinter den Ohren sein -» OHR 7.11. 16. Verschiedenes (24-27;

l. Wo es schon nass ist, da regnet es gerne — REGEN 1.1. Ähnlich: 1 Dt. ... wie es denn pflegt zu gehen, daß ... der Teufel ... wo es zuvor naß ist, mehr 2 zugeußt (hinzugiesst) LUTHER, WA BR. 1866,4 (1531 [VI, 196]}. Wo es naß ist, do mag man leichtlich gissen Wo es nass ist, da kann man leicht giessen LUTHER, WA TR. 2840h (1532 [111,19,181).

2.-6. s. Inhaltsübersicht 7. Unter Blättern wird man zweimal nass 3 Mlat. Bis madefactaris, si sub foliis latitaris Zweimal wirst du nass, wenn du dich unter den Blättern versteckst S. OMER 30. 4 S p a n . Quien debaxo de la hoja se posa, dos veces se moja Wer sich unter den Blättern niederlässt, wird zweimal nass NUNEZ III, 300.

8. s. Inhaltsübersicht 9. Nasses brennt nicht 5 Mgr. Feuer brennt im nassen Holz nicht KLIMAX 68 (+KRUMB. S. 232). 6 Prov. La candela muylada No s'ensien lieu en loch Die nasse Kerze lässt sich nirgends leicht anzünden G. DE CERVERA 210. 7 D t. Ez ist verloren arebeit, Swer viures flamme enzünden wil mit etme nazzen zunder Es ist verlorene Mühe, wenn einer eine Feuerflamme mit nassem Zunder entfachen will s MARNER S. 160. Mit nazzen schouben liuhtet man e und vazzet mänen schm In secken Eher macht man mit nassen Strohbündeln ein Licht und fängt das Mondlicht in Säcken 9 ein REINFRIED 5072. Swer mit nazzen schouben Ein snellez viur enzünden wil, der darf wol spaeher hitze Wer mit nassen Strohbündeln ein schnelles Feuer anzünden will, 10 bedarf wohl kunstvoller Hitze FRAUENLOB, SPR, 121,5. Daß nieman burne mit naßen schouben Dass niemand mit nassen Strohbündeln ein Feuer entfacht WENEELS LAND11 FRIEDE 77 {* LILIENCR., HIST. VOLKSL. 41). Fules wasser süffig holtz Tuot von für

423

NATUR

{lies mit der Hs.: ¥awl wasser sewffig holtz Tut von fewr) nicht brinnen Faules, nasses {worth: wassereinsaugendes) Holz lässt sich vom Feuer nicht entzünden HUGO v. MONTFORT 38,73.

10.—11. S.Inhaltsübersicht 12. Sich selbst feucht halten 1 12-is Dt. Er belt sich selbs feucht FRANCK 1,122v. EGENOLFF 350r. sieb selbs feucht FRANCK II, 13 r. EGENOLFF 15 v.

Wir sagen: Er belt

13. Nasser Knabe (Kunde) 2 16. 17 Dt. Darumb ist er ein nasser knah MURNER, NARRENB. 60,48. Ir mögt wol syn der 18 nassen künden Ihr mögt wohl zu den nassen Kunden gehören EBD. 81,40. Man findt yetzundt wol nasse knaben, Die weder müntz noch gülden haben Man findet jetzt wohl 19 nasse Knaben, die weder Kleingeld noch Gulden haben EBD. 82, 7. Das sindt myr freylich nasse knaben, Die den schalk (Betrug) beschlossen haben ,.. Das sindt myr freylich nasse knaben, Die fill (vie!) verzeren vnd wenig haben MURNER, SCHELMEN20 ZUNFT 23,1. Vier menner, gar naße knaben LILIENCR., HIST. VOLKSL. 282,26 21.22 (1513-14). Ein ... naßer knab FRANCK II, 99 r. Die procken schlicket der naß knab 23 Diese Brocken schluckte der nasse Knabe SACHS 1^396,10 (1554). O du untrewer nasser knab! EBD. XI, 232,32 (1556).

14. —15. s. Inhaltsübersicht 16. Verschiedenes 24 S p a n . Bien estais de ropa si no se os moja Ihr seid gut gekleidet, wenn es (seil, das Kleid) euch nicht nass, wird NUNEZ 1,169. 25 N o r d . Engi tekkr sa t tjornina at eigi verdi vatr af Niemand greift in den See, ohne dass er davon nass wird BISKUPA SCEGUR 1,578 (+JONSSON, ARKIV 410 [ = JONSSON 167]). 26 Nl. Doch si en eijn niet ghelike nat, Die men mit enen water beghiet Doch die sind nicht gleich nass, welche man mit demselben Wasser begiesst POTTER, MINNENLOEP 4,1320. 27 Dt. Er hat sein gut an nassen war gelegt, das Ihm nit verbrenn Er hat sein Vermögen an nasse Ware·3 gelegt, damit es ihm nicht verbrenne FRANCK 1,42 v. V. M.

Anmerkungen 1 2

Eingebildet sein, Schlemmer, Trunkenbold, Abenteurer, verschlagener Geselle. Vgl, GRIMM, DWß. VII, 423; RÖHKICH H, 679 a. Gemeint sind Getränke. Vgt. GRIMM, DWs. VII, 421. XIII, 2002 f.

NÄSSE s. NASS NATTER s. SCHLANGE NATUR / nature Hier auch ART (angeborene Natur), NATÜRLICH, VERANLAGUNG Vgl. ART

NATUR

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1. Macht und Gehung der Natur 1.1. Die Natur ist unwandelbar und unantastbar 1.1.1. Ailg. 1.1.1.1. Die Natur kann man nicht ändern (1-4). Vgl. unten 1.2.1.1., AFFE 1.8., ÄNDERN 6.-7., BOCK 40, ESEL .1., 443, FEDER 27, FERN 2.1,, FUCHS 4., GANS 1.4.1., HAUT 22, HUND 1., KATZE 4.5., NARR 2.3., PARIS (Stadt) 2,, PILGER 10., RHEIN 2., RIND 1.2., ROM 14., WOLF 2. 1.1.1.2. Gegen die Natur kommt man nicht an (i-8). Vgl. HERR 14.4., KAMPF 1.7., SIEG 10.1. 1.1.2. Spez. 1.1.2.1. Erziehung, Kunst und Geld ändern die Natur nicht (9—13. Vgl. 55), Vgl, unten 1,3,2.1, 1.1.2.2. Schlechte Natur wird nicht gut (14-16) 1.1.2.3. Die Rechte der Natur sind unauflöslich (17-19) 1.1.2.4. Vereinzelt (20) 1.2. Die Natur ist unveräusseriich und verbindlich 1.2.1. Allg. 1.2.1.1. Die Natur kann man nicht aufgeben (21-42,1, — BAUER 147. Vgt, oben 1.1.1.1,, DIEB 1.1,, ELSTER 1., FUCHS 4,, GEWOHNHEIT 2., HAND 3.1,, HUND 7,2., KATZE 4.1., KRÄHE 18., LASSEN J, NARR 2.4., SCHURKE 1.1., SITTE 4.2., TRINKEN 132, TRÜGEN 12., VERBRECHEN 13, VOGEL 30, WOLF 2,1. Ähnlich (43) 1.2.1.2. Der Natur folgt alles (44-53). — KÖNNEN 208, WURZEL 13. Vgl, KÖNNEN 207, 209. Ähnlich (54) 1.2.2. Spez. 1.2.2.1. Schlechte Natur bleibt (trotz Erziehung) erhalten (55-61) 1.2.2.2. Was die Natur gibt, behält man (62-67). Ähnlich (68) 1.2.2.3. Was die Natur verweigert, bleibt einem versagt (69—82) 1.2.2.4. Wer die Natur verleugnet, schadet sich selbst (83-85) 1.2.2.5. Verschiedenes (86-87) 1.3. Die Natur setzt sich immer und überall (wieder) durch 1.3.1. Allg, 1.3.1.1. Die Natur kehrt immer zurück (88-98). Vgl. ART 3.3. 1.3.1.2. Alles kehrt zu seiner Natur zurück (99-108). Vgl. ART 3,3. 1.3.2. Spez. 1.3.2.1. Die Natur gewinnt die Oberhand über Erziehung, Gewohnheit und Kunst {109—148. Vgl. 55). Vgl. oben 1.1.2.1,, KATZE 4.3. 1.3.2.2. Naturrecht steht vor dem Menschenrecht (149-150) 1.3.2.3. Die Natur kriecht, wo sie nicht gehen kann (151-154. Vgl. 47). Vgl. BLUT 7. 1.4. Die Natur zieht mehr als viele Zugtiere (155—170) 1.5. Die Natur ist unverkennbar und offen 1.5.1. Die Natur kommt zum Vorschein (171—173) 1.5.2. Die Natur lügt nicht (174-179) 1.6. Die Natur ist gut und einwandfrei (180-183) 1.7. Die Natur allein ist heilkräftig— ARZT 1.2.1. 1.8. Verschiedenes (184-188) 2. Überwindung und Beeinflussung der Natur 2.1. Gewohnheit ist stärker als Natur — GEWOHNHEIT 3.3.2. Vgl, GEWOHNHEIT 133 2.2. Gewohnheit verändert die Natur — GEWOHNHEIT 3.3.1. 2.3. Gewohnheit wird zur (zweiten) Natur — GEWOHNHEIT 3.3.3., LASTER 17. Vgl. GEWOHNHEIT 171 -172 2.4. Erziehung ist stärker als Natur (189). — ERZIEHEN 4.2. Vgl. ERZIEHEN 4.3. 2.5. Erziehung (Kunst) kann der Natur nachhelfen — ERZIEHEN 4.1., KÖNNEN 12.2. 2.6. Zorn setzt sich gegenüber der Natur durch —* ZORN 2.4. 3. Naturgegebenheiten 3.1. Von Natur aus ist man mit wenig zufrieden — ESSEN 20J, GEIZ 137, 151, 180, WENIG , 4-6

425 3.2. Von Natur aus sind wir alle frei (gleich) -^ FREI l, 3, GLEICH 221 3.3. Von Natur aus hat man nur einen Mund (eine Zunge) —' MUND 3-4, /, 6 3.4. Von Natur aus jagt der Hund — HUND 10.1,

NATUR

9, I J - H , ZUNGE

4, Verschiedenes (l90-196)

l, Macht und Geltung der Natur 1.1. Die Natur ist unwandelbar und unantastbar 1.1.1. Allg. 1.1.1.1, Die Natur kann man nicht ändern 1 1 La t. Naturam quidem mutare difficile est Es ist wahrlich schwer, die Natur zu ändern SEN., DE iRA2,20,2. 2 Fr. On dist que moult fort est de cangier se nature Man sagt, dass es sehr schwer sei, seine Natur zu ändern GILLES LI MUISIS II, 3. 3 Prov. Noirimen pot camiar Horn e non ges natura Das Benehmen kann der Mensch ändern, aber keineswegs die Natur GIR. RIQUIER 81,417 (+MAHN IV,200). 4 I t , Come voi sapete ... e difficile mutarsi di natura "Wie Ihr wisst, ist es schwierig, die Natur zu ändern FRANCESCO VETTORI {1513 [+MACHIAV, LETTERE 126 S, 246]). Vgl. unten 1.2.1.1., AFFE 1.8., ÄNDERN 6-7,, BOCK 40} ESEL 11.1., 443, FEDER 27, FERN 2.1„ FUCHS 4„ GANS 1.4.1., HAUT 22, HUND 1., KATZE 4.5., NARR 2.3, PARIS (Stadt) 2., PILGER 10„ RHEIN 2, RIND 1.2, ROM 14, WOLF 2.

1.1.1.2. Gegen die Natur kommt man nicht an 5 M l a t . Res est arduissima, vincere naturam Es ist äusserst schwer, die Natur zu über6 winden ARCHIPOETA 3,7,1. Natura vim non patttur Die Natur erträgt keine Gewalt CARM. BUR. 218,4,7. 7 Dt. Swer wider die nature Wtl ungewonltch kriegen, Daz wirt im dicke sure, Wil er nature nach gewonbeit biegen Dem, welcher auf ungewohnte Weise gegen die Natur kämpfen will, wird das oft sauer, wenn er die Natur nach der Gewohnheit biegen will 8 HAD. v. LABER, JAGD 382,1. Waz diu natür hat gegeben, Detn mag der mensch kam wider streben Was die Natur gegeben hat, dem kann der Mensch kaum Widerstand leisten BONER 20,55. Vgl. HERR 14.4, KAMPF 1.7, SIEG 10.1.

1.1.2. Spez. 1.1.2.1. Erziehung, Kunst und Geld ändern die Natur nicht 9 La t. Quia naturam mutare pecunia nescit Denn das Geld kann die Natur nicht ändern HÖR, EP. l, 12,10. 10 M l a t , Nescit naturam mutare pecunia puram Das Geld kann die wahre Natur nicht ändern WERNER Z n 54. i3 Fr. Mais nequedent pur nureture Ne change l'em pa$ sa nature Aber trotzdem ändert man seine Natur urn der Erziehung willen nicht HUON DE ROTELANDE, PROTHES, 6730. 12 Salemons dit que ja par noureture Ne changera nule riens sa nature Salomon sagt, dass kein Wesen jemals um der Erziehung willen seine Natur ändern wird GONTIER DE U SOIGNIES 9,29 (+TROUV. BELGES II 21). Hay, nature, con t'iez fors, Muer ne te puet drois ne tors, Ne te puet muer noureture Ach Natur, wie bist du stark! Weder Recht

NATUR

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noch Unrecht können dich ändern. Es ändert dich auch nicht die Erziehung REQUIS, RICHARS LI BIAUS 1977, Vgl. unten 55, 1.3.2.1.

1.1.2.2. Schlechte Natur wird nicht gut 14 Dt. Ez hat diu werlt vür eine lüge, Daz iemer unart garten müge Die Welt betrachtet es als eine Lüge, dass jemals schlechte Art in gute umschlagen könnte GOTTFR. v. 15 STRASSBURG, TRISTAN 11637. Rehte art nit vnertet, Vnart nit artlich zertet Rechte Art entartet nicht, schlechte Art ist nicht nach rechter Art zärtlich BEHEIM, BUCH v. D. 16 WIENERN 49,24. Wan unart von rechte nyt arten sol. Vnard geyn ard gear a nummer wol, Wan falscher syn hot böse ducke Denn schiechte Art wird ihrer Natur nach nicht in gute umschlagen. Schlechte Art schlägt nie richtig in gute Art um, denn falscher Sinn hat böse Tücke KELLER, ERZ, 372,17.

1.1.2.3. Die Rechte der Natur sind unauflöslich 17. is Mlat. Nemo potest dura naturg soluere iura Niemand kann die harten Gesetze der Natur aufheben MSD 27,2,116 (= MONES ANZ. 7,505,102). PROV. WRATISLAV. 349, 19 Nemo potest cura naturae solvere iura Niemand kann mit Fleiss die Rechte der Natur aufheben WERNER 2 n 33.

1.1.2.4. Vereinzelt 20 Dt. Wä diu natür verirret ist, Wäz schikt da höher phaffen list? Was nützt da hoher Pfaffen Kunst, wo die Natur sich verirrt hat? BONER 99,73, 1.2. Die Natur ist unveräusserlich und verbindlich

1.2.1. Aug. 1.2.1.1. Die Natur kann man nicht aufgeben 21 Fr. Sa nature puet hum guenchir, Mes nuls n'en puet del tut eisstr Seiner Natur kann man ausweichen, aber niemand kann ganz aus ihr herausgehen MARIE DE FRANCE, 22 FABLES 79,39. „Nate que nate,"2 li quenz Fromons a dit, „De sä nature ne se puet nus partir" „Art schlägt nicht aus der Art", hat der Graf Fromont gesagt. „Von seiner Natur kann sich niemand entfernen" GIRB. DE METZ (TAYLOR) 802 {vgL ARSCH 116). 23 De sä nature ne se puet nus tenir Seiner Natur kann sich keiner enthalten GIRB. DE 24 METZ (Loh. B. 46 f, 21 [+EBERT S. 32]). Nate que nate2· Art schlägt nicht aus der Art REQUIS, RICHARS LI BIAUS 4571 (vgl. ARSCH 116). 25 E n g l . For from his stok kynde may nat fle Denn die Natur kann sich nicht von ihrer Anlage entfernen LYDGATE, FALL OF PRINCES 2,243. 3 26 Dt. Art en wil van ärde nicht. — Non ursus general leporem neque cerva leonem Art lässt nicht von Art. — Der Bär bringt keinen Hasen hervor noch die Hindin einen 27 Löwen TUNNICIUS 1291. Arf lest (lässt) von art nicht LUTHER, WA XIX, 224,7 28 (1526).4 Art lest von art nicht, die Katze leßt yhres mausens nicht ... lässt ihr Mau29 sen nicht AGRICOLA Nr. 131. Die krawe geet yhres hupffens nicht ab. Diser Spruch bestetigt, daß art von art nicht lest Die Krähe gibt ihr Hüpfen nicht auf ... EBD. Nr. 132. 30 Art wil von arde nicht, dat unkrüt wil üt dem garden nicht Art lässt nicht von Art, 31-34 Das Unkraut will nicht aus dem Garten hinaus TAPPIUS 3 (= KRAUT 39). Art laßt 35 von art nit FRANCK 1,68 v. 1,75 r. 11,6 r. EGENOLFF 10 v, Art laßt nit von art FRANCK 36 1,104 r, Man saget: art laß nit von art Man sagt, Art lasse nicht von Art SACHS 37 XIII, 77,15 (1556). Wann das alt Sprichwort feiet hart, Das saget: art laß nit von art 3$ Denn das alte Sprichwort geht kaum fehl ... EBD. XIII, 82,8 (1556). Wie man spricht, 39 art laß nicht von an EBD. IX, 473,11 (1559). Wann (Denn) art die lest selten von art,

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NATUR

40 Wie das alt Sprichwort sagen thut EBD. XXI, 90,18 (1559). Wie das alt Sprichwort 41 sagen thut, Das saget: Art lest nicht von art EBD. XVI, 318,27 (1563). Art laßt von art nit, die Katz laßt jhres mausens, vnd die Atzel jres hupffem nicht ... lässt ihr 42 Mausen und die Elster ihr Hüpfen nicht EGENOLFF 76 v, Art der last von arte nit, Unkraut will auß dem garten nit Übers, wie 30 UMLAND, VL 50,5 (Hs. 16. Jh.). - BAUER 347. Vgi. oben 1.1.1.1., DIEB 1.1., ELSTER l, FUCHS 4, GEWOHNHEIT 2, HAND 3.1., HUND 7.2., KATZE 4.1., KRÄHE 18., LASSEN , NARR 2.4., SCHURKE 1.1, SITTE 4.2, TRINKEN 332, TRÜGEN 12., VERBRECHEN 33, VOGEL 30, WOLF 2.1. Ähnlich: 43 It. Malagevole e a trarre uno d'etade matura, fuor di sua natura Es ist schwierig, einen im reifen Alter von seiner Natur abzubringen MAZZEI, LETTERE 1,316 (1400) (vgl. GEWOHNHEIT 89).

1.2.1.2. Der Natur folgt alles 44 45 46 47

48. 49 50 5l. 52 53

54

Fr. Tonte riens tant a sä nature Alles strebt seiner Natur nach HERB., DOLOR 9S09. Mais chascuns trait h sä nature Aber jeder neigt seiner Natur zu EBD. 9848. N o r d . Pvtat sinni natturu er hverr fusastr at fylgja Denn seiner Natur folgt jeder äusserst willig SVERRIS SAGA Prol. {+ FMS VIII, 4). Pat er satt er mcelt er, at hvatvetna dregr t stna cett ok at krjupa skal, ef ekki mä ganga Es ist wahr, was man sagt, dass alles seiner Art zustrebt und kriechen muss, wenn es nicht gehen kann PARCEVALS SAGA 4,18 { = JONSSON, ARKIV 489, JONSSON 193) (vgl. unten 1.3.2.3.}. Dt. Wir tun ot (eben) alle nach der art STRICKER {»HEIDELB. Hs. 147,138). Ein mensch tuot gerne nach stner art, Als im angeboren wart Ein Mensch handelt gerne nach seiner Art, wie (sie) ihm angeboren [worden] ist SPIEL v. JGST. TAG 715. Ich sagen fernt und hure Alle ding ubent ir nature Ich sage immer (wortl.i im vorigen und in diesem Jahr): „Alles ist nach seiner Natur tätig" SAL. u. MARK. 289 (vgl. unten 300). Eyn ielich tyr lebet nach siner art Jedes Tier lebt nach seiner Art PROV. FRID. 50. Eyn yedes düt noch (handelt nach) syner art BRANT, NARRENSCHIFF 111,45, Alle deirte volgen der natür. — Omnia naturae parent anirnantia passim Alle Tiere folgen der Natur. — Alle Lebewesen gehorchen überall der Natur TUNNICIUS 1350. -» KÖNNEN 20S, WURZEL 33. Vgl. KÖNNEN 207, 209 Ähnlich: Mlat. Sed quia natura quemuis trahit ad sua iura ... Aber da die Natur jeden zu ihren Rechten zieht LUPUS B 103.

1.2.2. Spez, 1.2.2.1. Schlechte Natur bleibt (trotz Erziehung) erhalten 55 Fr. Ne ja pour nourreture Li cuers fei et vilains Ne au plus ne au mains Ne lairoit sä nature Nie würde das schlechte und gemeine Herz um der Erziehung willen im geringsten seine Natur aufgeben VILAIN 41,3 (vgl. oben 1.1.2.1., unten 1.3,2.1.). 56 Nord. Caude dedecora dilatat stirps inhonora. — Wanarth haffwer een langher stierth Ehrloses Geschlecht verbreitet die Schande des Schwanzes. — Schlechte Art hat einen langen Schwanz LÄLE 132. 57 Dt. Der swache der muoz alle frist Of sin geslehte warten Und iemer nach dem arten, Von dem sin krankez leben kam Der Mann von niedrigem Stand muss stets seinem Geschlecht gehorchen und immer die Art desjenigen übernehmen, von dem sein gerin58 ges Leben gekommen ist KONR. v. WÜRZBURG, PARTONOP. 4690. Unartik vogel koppet in sin art nach rehte ... Ouch tuot nach sime künne der wolf Ein schlecht gearteter Vogel fallt natürlicherweise in seine angeborene Art. Auch der Wolf handelt nach seiner

NATUR

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59 Art MEISSNER 1,5 (*MSH III, 86 b). Unart choppet in sein art Schlechte Art verfällt 60. 6l in die angeborene Art VINTLER 6754. So tuet unart nach seiner art EBD. 6791. Wer in unard ist geborn, Der let seiner falschen ducke nicht Wer von schiechter Art ist, der gibt seine falsche Tücke nicht auf KELLER, ERZ, 372,10.

1.2.2.2. "Was die Natur gibt, behält man 62 Mlar. Quod natura dedit, nunquam uel raro recedit Was die Natur gegeben hat, 63 weicht nie oder selten TEBERTUS 85. Quod natura dedit tollere nemo potest, Quod natura dedit vix a quocumque recedit. Res naturales vix removere potes Was die Natur gegeben hat, kann niemand nehmen. Was die Natur gegeben hat, weicht kaum von 64 irgendeinem zurück. Du kannst kaum das Natürliche entfernen ROBERT 43. Quod natura dedit, nemo tollere potest GESTA ROM. (DICK) 57. 65 It. Che tor non puossi quel ehe da natura Denn man kann nicht nehmen, was die Natur gibt PULCI 20,23. 66 Engl. That natwre gewetb, no man can tak awai Was die Natur gibt, kann keiner wegnehmen HILL 104,29. 5 67 Dt. Swaz nature git, wer mac dem menschen daz genemen? Wer kann dem Menschen das nehmen, was die Natur gibt? MARNER 15,31. Ähnlich: 68 It. Chi ha il vitio de natura, fin a la sepultura dura Wenn einer einen Fehler von Natur aus hat, dauert dies bis zum Begräbnis NUNEZ 1,222 (el Italiano). 69-72 73. 74 75 76 77 78. 79 so S3 82

1.2.2.3. "Was die Natur verweigert, bleibt einem versagt MIat. Quod natura negat, reddere nemo potest Was die Natur versagt, kann niemand zurückgeben MAXIMIAN. 5,54. NIGEL. WIREK., STULT. 17. ALBERT, STAD., TROILUS 5, 802. BRIEFWECHSEL DES LEBENS M. D. TODE 518. Quod natura negat, nemo feliciter audet ... wagt niemand mit Erfolg GUALT. ANGL. 17. GUALT. CAST., CARM. II 6,18 f. Quod natura negat nunquam, nisi desipis, optes ... sollst du nicht wünschen, wenn du nicht ohne Verstand bist AVIAN. FLOR. 475 (=HAUREAU IV,301). Quod natura vetat sumere nemo petat Was die Natur verbietet, wünsche niemand zu nehmen AVIAN, MORAL. 492. Quod natura negat discere nemo potest ... kann niemand lernen FACETUS (MOREL) 90. Quod natura negat, tollere nemo potest Was die Natur verweigert, kann niemand nehmen RAIM, BIT., KALILA 539. WERNER 2 q209. Span. Lo que Dios e natura han vedado e negado, De lo facer et euer do no debe ser osado Was Gott und die Natur verboten und verweigert haben, das zu tun soll sich der Kluge nicht unterstehen ARCIPRESTE 1407. Onke dise el proverbio, que la natura niega que ninguno non lo deve acometer Daher sagt das Sprichwort, dass niemand das tun soll, was die Natur verbietet CAV. CIFAR 1,53 S. 83. Dt. Waz nature nit en wil Daz mag man kom gelernen Was die Natur nicht will, kann man kaum lernen LIEDERSAAL 204,2.

1.2.2.4. Wer die Natur verleugnet, schadet sich selbst 83 Fr. Qui vuet contre nature faire, Bien tost empire son es faire Wer gegen seine Natur handeln will, schädigt sehr früh seine Sache ROB. DE BLOIS, ENSEIGNEMENT DES PRINCES 1143. 84 Span. El que encubre su natural, hace de su mal Wer seine Eigenart verbirgt, fügt sich selbst Schaden zu 6 NUNEZ 11,75. 85 Dt. Ich hän gehoeret unde gelesen, S wer uz sinr nature körnen wil, Daz ez im schadet dicke vil Ich habe gehört und gelesen, dass es einem gar sehr schadet, wenn er seine Natur aufgeben will THOM, v. ZIRCLARIA 3100.

429

NATUR

1.2.2.5. Verschiedenes 86 M l a t , Quid natura daret, quid ei natura negaret, St pensaret homo, viveret absque malo! Wenn der Mensch erwägen würde, was ihm die Narur gibt und was sie ihm verweigert, würde er ohne Schaden leben WERNER 2 q 161. 87 Nl. Want aert es een vast deet Denn Art ist ein festes Kleid HEINR. v. AKEN, LIMBORCH 11,364.

1.3. Die Natur setzt sich immer und überall (wieder) durch 1.3.1. Allg. 1.3.1.1. Die Natur kehrt immer zurück 88 La t. Natur am expelles furca, tarnen usque recurret Magst du auch die Natur mir einer 89 Gabel vertreiben, sie wird dennoch stets zurückkehren HÖR., EP. l, 10,24. Tarnen ad mores natura recurrit Dennoch kehrt die Natur zu ihren Gewohnheiten zurück luv., SAT. 13,239. 90 M l a t . Naturam expelles furca, tarnen usque recurret Übers, wie 88 GUALT. CAST., 9l. 92 CARM. II 3,22. Naturam expellas furca, tarnen usque recurret ALEX. NECK., NAT. 93 RER. 2,132 S. 213. VINC. BELL., ERUD. 23,127. Expulsa semper natura recurrit Die vertriebene Natur kehrt immer zurück GUIARDINDS Anh. l, 1. 94 Fr. Qui voudrait une fourche prendre Pour set de Nature defendre, E la bouterait hors de sei, Revendrait ele, bien le sai Wenn einer eine Gabel nehmen wollte, um sich gegen die Natur zu verteidigen, und sie von sich triebe, würde sie zurückkehren, wie ich 95 wohl weiss }. DE MEUN, ROSE 14021. Nature reverture Natur kehrt zurück (wörtl,: 96 Rückkehr} 7 MORAW. 1329. Se tu veulx debouter Nature, El te menera guerre dure; E! reviendra furtivement Wenn du die Natur vertreiben willst, wird sie dir einen harten Kampf liefern. Verstohlen wird sie zurückkehren G, ALEXIS II, 135,747 (Contemptus mundi). 97 Span. Natura revertura, el gato a la asadura Die Natur kehrt zurück, die Katze zu den Eingeweiden NUNEZ III, 7. 98 Dt. Uns scbnbet meister Oräcius In slner briefe buoche alsus: „Trip die natür mit einer gabeln Von dir daz sie beginne zabeln, St laufet doch sän zuo dir bin wider, Swenne du die gabeln legest nider" Uns schreibt Meister Horaz in seinem Buch der Briefe folgendermassen: „Treib die Natur mit einer Gabel von dir, so dass sie zu zappeln beginnt: Sie läuft doch alsbald wieder zu dir zurück, wenn du die Gabel niederlegst" HUGO v. TRIM BERG 4559. Vgl. ART 3.3.

1.3.1.2. Alles kehrt zu seiner Natur zurück 99 M l a t . Cito ad naturam ficta rectdertnt suarn Angenommenes ist bald zu seiner natür300 liehen Art zurückgekehrt PS. PUBLILIUS (ORELLI) 122 (vgl. ART 3.3.}. Omne genus ad suarn naturam reuertitur Alles kehrt zu seiner Natur zurück SAL. ET M ARC. 37 a (vgl. oben 50), 101. 102 Fr. A sa nature doit toute rien repairier Alles rnuss zu seiner Natur zurückkehren GIRB. DE METZ (BN FR. 1622} 378, YON 5966. 103 Pro v. Tozö, tota creatura Revertis a sa natura Mädchen, jedes Lebewesen kehrt zu seiner Natur zurück MARCABRU 30,71. 104 I t , Ogni cosa torna in sua natura Übers, wie JOO SAL. E MARC. 14. 105 S p a n . Ca toda criatura torna a su natura Denn jedes Lebewesen kehrt zu seiner 306 Natur zurück CAV. CIFAR l, 117 S. 168. For mucho que desmienta cada quäl, siernpre vuelve al natural So sehr auch jeder sich verleugnet, immer kehrt er zu seiner Veranlagung zurück NUNEZ III, 165.

NATUR 107 Engl. Alle thyng repeirynge kehrt freudig zu seiner Art zur 108 Nl. Alreleide dinghen keren ersten Natur zur ck SAL. ENDE Vgl. ART 3.3.

430 to his kynde Gladeth hymself, thus seyn men "Alles ck", so sagt man CHAUCER, SQUIRE'S T. F 60S.8 weder tot haer eerster natueren Alles kehrt zu seiner MARC. 7.

1.3.2. Spez. 1.3.2.1. Die Natur gewinnt die Oberhand ber Erziehung, Gewohnheit und Kunst 9 109 Gr. Ή φύσις απάντων των διδαγμάτων κρατεί Die Natur ist st rker als alle Lehren MEN., MONOST. 298. 110 Miat. Penso plus valere naturam quam nutrituram Ich denke, dass die Natur mehr 111 wert ist als Erziehung SAL. ET MARC. 27,9. Et quare dixisti melius valere naturam quam nutrituram? Und warum hast du gesagt, dass die Natur mehr wert ist als die 312 Erziehung? EBD. 30,14. Dat Studium mores, sed dat natura prior es Das Lernen be113 wirkt Gewohnheiten, aber die Natur gibt ihre vorher WERNER 2 d23. Mos est convictus per te, natura, relictus Die Gewohnheit ist durch dich, Natur, besiegt und ausser acht gelassen EBD. m49. 114 Fr. Pur co mielz valt nature Que ne fait nureture Deshalb ist Natur mehr wert als 115 Erziehung PHIL. DE THAON, BEST. 1977. Mieuz vaut nature que nourreture Mehr wert 216 ist Natur als Erziehung VILAIN 262. Bone nature qui tant vaut Que por norreture ne faut Die gute Natur, welche so viel wert ist, dass sie trotz Erziehung nicht versagt 117 CRESTIEN, G. D'ANGL. 1363. Nature et norreture demainent grant tendon, Mais au hing vaint nature, ce dist en la lecon „Natur und Erziehung unterhalten einen grossen Kampf. Aber auf die L nge siegt die Natur", so heisst es im Sprichwort ALEX. DE PARIS, 118 ROM. ALIX, 4,1661. Meulz vaut nature que nunsture. - Mos est convictus parte natura relictus. Dat Studium mores, sed dat natura priores bers, wie 115. — Die Natur ist zum Teil durch die Natur besiegt und aufgegeben worden. Das Lernen bewirkt Gewohnheiten, aber die Natur gibt ihre vorher MEYER, Doc. MANUSCR. C175 (= Mo119 RAW. 1273). Bien oevre selonc nature, Que passe a s noreture Er handelt wohl nach 120 seiner Natur, welche seine Erziehung besiegt hat ENF. GAUVAIN 2,157. Nature sormonte et trespasse Tout se ke norreture amasse Natur bertrifft und berwindet alles, 121. 122 was die Erziehung verschafft HERB., DOLOP. 1373. Nature passe norriture (MoRAW.: 123 norreture} Natur bertrifft die Erziehung MONTAIGL. 111,401. MORAW. 1328. Quar de linage et de nature Li venoit plus qu'en noureture Denn von der Herkunft und der 124 Natur kam ihm mehr als durch die Erziehung PHIL, MOUSK. 17162. On dist et voirs est: De nature: Suel[tj ades passer norreture Man sagt von der Natur, und es ist w hn „Sie pflegt immer die Erziehung zu bertreffen" ROB. DE BLOIS, ENSEIGNEMENT DES 125 PRINCES 1145, Trop est fort chose que Nature, El passe net's nourreture Die Natur ist 126 allzu stark. Sie bertrifft sogar die Erziehung J. DE ME N, ROSE 14037. Mielz valt nature que nureture. - Mos est convinctus parte natura relictus. Dat Studium mores, 127 sed dat natura priores bers, wie 118 RAWLINSON 2. Besoins ne tient fianche ne couvent, Nature met noureture en oubli, Et besoins a tost le sente salt Not h lt weder Versprechen noch Vertrag. Natur l sst Erziehung vergessen, und Not hat schnell den 128 Weg bersprungen G. LE VINIER (-»JEUX-PARTIS 129,30) {- NOT 75). Et par tant, ce dist l'escripture. Nature passe nourreture „Und demgem ss", so sagt die Schrift, „ ber129 trifft Natur die Erziehung" J. DE CONDE II 265,115. Car nourreture, Si com on dit, veint et passe nature Denn die Natur besiegt und bertrifft, wie man sagt, die Erziehung 130 G. DE MACHAUT, ROY DE BEHAINGNE 1000. Et on dist que nature sourmonte noreture

431

NATUR

131 Und man sagt, dass Natur die Erziehung übertrifft GILLES u MUISIS 1,332. Mais pour ce que la norriture Ne puit apatsier ma nature ... Aber da die Erziehung meine 132 Natur nicht beschwichtigen kann OTON DE GRANDSON 317,244. Nature passe nur133 ture Übers, wie 121 CAMBR. SAMML. (+LEROUX 11,479). Salomon demonstra de quoy Nature passe nourreture Salomon zeigte, worin Natur die Erziehung übertrifft FROISS. {SPEC. 10)317,338. 134 It. Pensa ehe sforza piu la natura ehe la consuetudine Denke daran, dass die Natur 135 mächtiger ist als die Gewohnheit! SAL. E MARC. 43. Ei percbe hai tu dito ehe la natura sforza piu ehe la consuetudine? Und warum hast du gesagt, dass die Natur mächtiger 136 ist als die Gewohnheit? EBD. 50. Perch' egii e impossible ehe arte possa piu ehe la natura Denn es ist unmöglich, dass die Kunst mehr vermag als die Natur MACHIAV., DISCORSO 18. 137 N L Men heeft geseit te menegher ure: Dat vore leringhe gaet nature, Ende daer bi wanie oppenbaer, Dat die meneghe seit dats waer Man hat zu mancher Zeit gesagt, dass Natur über Lehre geht, und hierin halte ich es für klar, dass wahr ist, was die 138 Menge sagt HEINR. v. AKEN, LIMBORCH 11,375. Natuere gaet bauen leere. - Ariern natura dant hee superant (lies: superat, dant bee] sua iura Natur geht über Lehre. — Die Natur übertrifft die Kunst; das bringen ihre Gesetze mit sich PROV. COMM. 542. 139 le peynse boe dat die nature gaet voer leere Ich denke, dass die Natur stärker ist als 140 die Lehre SAL. ENDE MARC. 20. Ende waer omme hebstu geseit dat aert oft nature gaet voer leere Und warum hast du gesagt, dass Art und Natur stärker ist als Lehre? EBD. 23.

141 Dt. Gewonbait so starck nit {lies: nie, Red.) wart, Gerner treffe für die art Nie hat es eine so starke Gewohnheit gegeben, dass die Natur sie nicht leicht hätte übertreffen 142 können LIEDERSAAL 94,1. Die nature gewonheit verdribet Die Natur vertreibt Ge143 wohnheit SAL. u. MARK. 805. Wan du hast gesprochen ee, Nature ge vor gewonheit H4 Denn du hast vorher gesagt, Natur sei stärker als Gewohnheit EBD. 904. Nature gheyd 145 bauen lere Übers, wie l38 PROV. COMM. MHD. 520. Natur geit boven lere. - Insita devineit artes natura vel omnis ... — Die angeborene Natur besiegt sogar alle Künste 146. 147 TUNNICIUS 793. Art gehet vber künst LUTHER 1. Consuetudinem superat natura. Natur geht für Die Natur behält die Oberhand über die Gewohnheit. — Die Natur ist 148 stärker FRANCK II, 6 r. Natur gehet für lehre Natur übertrifft Lehre EGENOLFF 10 v. Vgl. oben 1.1.2.1., 55, KATZE 4.3.

1.3.2.2. Naturrecht steht vor dem Menschenrecht 149 Pro v. Dregz de natura fo·! premiers, E dregz de gens fo lo derriers Das Recht der Natur war das erste und das der Menschen das letzte MATFRE ERM,, BREV, D'AM. 313. 150 Natura ae .U. eff ans gens: Dreg de natura, dreg de gens; Dreg de natura es l'annat Die Natur hat zwei edle Kinder gehabt: das Recht der Natur und das Recht der Menschen. Das Recht der Natur ist das ältere EBD. 8881.

1.3.2.3. Die Natur kriecht, wo sie nicht gehen kann 151 E n g l . Kynde crepes, there it may not goo. — Rustica natura semper querit sua iura Die Natur kriecht, wo sie nicht gehen kann. — Die bäurische Art sucht immer ihre 152 Rechte RYLANDS fo. 14 v (vgl, BAUER 8.2.1.). Kynde crepus, ther hit may no go l S3 DOUCE (MS. 52) 85. / trow, kynde will crepe Where it may not go Ich glaube, die 154 Natur wird kriechen ... TOWNELEY PLAYS 13,591. For kynde wyll crepe where it may not go Denn die Natur wird kriechen ... EVERYMAN 316 (*MIRACLE PLAYS 86).10 Vgl. oben 47, BLUT 7.

NATUR

432

1.4. Die Natur zieht mehr als viele Zugtiere 155 M J a t . Plus vi nature septem bobus trabe iure Ziehe mit Recht mehr mit der Kraft 156 der Natur als mit Ochsen! WALTHER 21815. Natura plus trahit septem bobus Die Natur zieht mehr als sieben Ochsen BEBEL, PROV. GERM, 360. 157 Fr. Asses plus que cent buef puet traire U nature Viel mehr als hundert Ochsen kann 158 die Natur ziehen GILLES LI MUISIS 1,229. Plus trait bonne nature que chevaus ne 359 pou ains Gute Natur zieht mehr als ein Pferd oder ein Fohlen B, DE SEB. 9,680, Et nature It trait plus que .c. boes passes Und die Natur zieht ihn mehr als ber hundert 160 Ochsen EBD. 14,904, Plus trait bonne nature que .c. boef a le fie Mehr zieht gute loi Natur als hundert Ochsen auf einmal EBD. 16,336. lib est l proverbe qu'i dist: Nature trait plus que cent buef Es gibt ein Sprichwort, welches sagt: „Natur zieht mehr als 162.163 hundert Ochsen" J. DES PREIS, MYREUR III, 167. Plus trait nature que cent beufs (Ετ. 164 LEGRIS: boeufs) MORAW. 1655. ET. LEGRIS 552. Plus trait Nature aux champs que cent cbevaux Die Natur zieht im Feld mehr als hundert Pferde J. MOLINET 281,88. 165 Nl, Nature trect meer dan hondert stiere Natur zieht mehr als hundert Stiere FERGUUT 166 2099. Nature trect meer dan seuen ossen. - Plus vi nature septem bobus trahe iure Natur zieht mehr als sieben Ochsen. - bers, wie 155 PROV. COMM. 543. 167. 168 Dt. Nature t tb meer wen Vll ossen PROV. COMM. MND. 521, Natur trekt mer dan seven pqrde. — Plus validis septem tractat natura caballis Natur zieht mehr als sieben 169. 170 Pferde. - Natur zieht mehr als sieben starke Pferde TUNNICIUS 795. Die natur zeucht stercker dann siben ochsen FRANCK I, 85 v. EGENOLFF 327 v. 1.5. Die Natur ist unverkennbar und offen 1.5.1. Die Natur kommt zum Vorschein 171 Fr. Li sa[g)es dit en s'escripture: Li francs hom prove sa nature Der Weise sagt in seiner Schrift; „Der Gute zeigt seine Natur" HUON DE ROTELANDE, PROTHES. 803. 172 Nature pert; moult souvant Γα-οη dit Die Natur kommt zum Vorschein, sehr oft hat man es gesagt GARIN LE LOHERAIN 1,171. 173 Dt. Ich wene ney deir so zam en wart, Id en zoinde by wilen synen art Ich glaube, dass kein Tier jemals so zahm geworden ist, dass es nicht bisweilen seine Art gezeigt h tte HAGEN, K LNER CHRQN. 1788. 1.5.2. Die Natur l gt nicht 11 174 Fr. Nature est teus qu'onques ne fausset Toz jorz porte avuec U s sausse Die Natur ist so, dass sie nie betr gt. Immer tr gt sie ihren Geschmack (w rtl.; ihre Sauce) bei 375 sich12 CRESTIEN, G. D'ANGL. 1365. Mes Nature ne puet mentir Aber die Natur kann 176 nicht l gen LAI DU CONSEIL 480. Mais Nature ne peut mentir J. DE MEUN, ROSE 177. 178 14017. Nature ne puet mentir MORAW. 1327. Nature ne putt mentir CAMBR. SAMML. {*Leroux 11,479). 179 E n g l . For nature maye not lie Denn die Natur kann nicht l gen CAXTON, SONNES OF AYMON 424,13. 1.6. Die Natur ist gut und einwandfrei 180 Gr. Δεινον γαρ ουδέν των αναγκαίων βροτοΐς Denn nichts von den nat rlichen Dingen ist f r die Menschen schrecklich EUR., FRG. 757,9, 131 Lat. Omnia autem, quae secundum naturam fiunt, sunt habenda in bonis Alles aber, was der Natur gem ss geschieht, ist zum Guten zu rechnen Cic., DE SEN. 19, 71.

433

NATUR

182 Fr. C'est certain que en nature n'y a riens lait Es ist gewiss, dass es in der Natur nichts Hässliches gibt GERSON 33. 1S3 It. A me pare si possa poco biasimare quello ehe e naturale Mir scheint, man kann das, was natürlich ist, kaum tadeln LORENZO DE' MEDICI 1,16 (Cornento).

1.7. s. Inhaltsübersicht 1.8. Verschiedenes 184 Pro v. Leys de natura que naturalmens es escricha el cor de cascun Das Gesetz der Natur, welches von Natur aus in das Herz eines jeden geschrieben ist VICES ET VERTUS (+ RAYNOUARD IV, 303 b). 185 Engl. Ffor ,kynde woll have his cours' Denn „Natur will ihren Lauf haben" BERYN 86. 186.187 Dt. Die nalur ist der ander (zweite) Got STRICKER (-»HEIDELB. Hs. 147,124}. Natur ir geleich gewonhait dick behauset Die Natur nimmt oft Gewohnheiten an, die ihr ISS entsprechen MINNE FALKNER 84,5. Wann die natur die feyret nicht Denn die Natur ist nicht müssig SACHS XX, 184,22 (1560) (vgl. MENSCH 1.8.1., WELT 2.2.2.),

2. Überwindung und Beeinflussung der Natur 2.1.-2.3. s. Inhaltsübersicht 2.4. Erziehung ist stärker als Natur 189 Nord. Ok nam kennir fleira en nattura Und Unterricht lehrt mehr als die Natur PARCEVALS SAGA 4,16 (= GERING 94). — ERZIEHEN 4.2. Vgl. ERZIEHEN 4.3.

2.5.—3. s. Inhaltsübersicht 4, Verschiedenes 39 M l a t . Unicuique proprium dat natura munus Jedem einzelnen gibt die Natur die ihm 19l eigene Gabe ARCHIPOETA 3,16, l {= CARM. BUR, 172,18). Minister Nature est, qui$quis fafo confinia fundit, Et sternitf quod stare nequit Ein Diener der Natur ist jeder, der vernichter, was dem Ende nahe ist, und niederstreckt, was nicht mehr stehen kann SAXO GRAMM. 273,23, 192-194 Fr. // fault que nature S'aquite Die Natur muss sich freimachen MIRACLE D'UN PREVOST 352. MIRACLE DE BERTHE 2067. MISTERE DU VIEL TESTAM. 35043. 195 It. Noj imitiamo la natura, ehe e varia Wir ahmen die Natur nach, welche verschiedenartig ist MACHIAV., LETTERE 159 S. 393 (1515) (vgl. KÖNNEN 12.3.). 196 Dt. Ein heidenischer meister sprichet, daz nature über nature niht enmac Ein heidnischer Lehrer sagt, dass die Natur nicht über die Natur (hinaus) kann ECKHART 182,37.

V.M. Anmerkungen 1 2

Vgl. WHITING A257. K26.

Vgl. V, Väänänen, Recherches et recreations latino-romanes, Neapel 1981, S. 305 ff.; TOBLER LOMMATZSCH VI, 510,37 ff. -1 Vgl. WHITING K 30. * Für weitere Luther-Belege s. LUTHER, WA XXVI, 531,34 (1528), XXXI.1,141,21 (1530). XLI,6,20 (1535). XLV,068,18 (1537). XLVII.168,39 (1539). Vgl. WHITING N 31. 6 Nach CORREAS 101 kann mit natural auch die geographische Herkunft gemeint sein. 7 Vgl. auch die Var. in der Anm. bei Moraw. u. GoDEFROY VII, 174 a.

NATÜRLICH 8 9 10 11 12

434

Vgl. WHITING T115. Vgl. HASSELL N6 ; WHITING N25. Vgl. WHITING K 34. Vgl. HASSELL N 5; WHITING N 29. In den folgenden V. wird gesagt, dass die sauce beim einen douce (süss), beim ändern amere (bitter) sei.

NATÜRLICH s. NATUR

NEBEL / brouillard / fog Hier auch NEBLIG 1. Nebel jähr, Garbenjahr - JAHR 81,84 2. Nebel ist mit Regen (Schnee) verbunden (l ~3). — WINTER 42. Vgl. BERG 8.2.

3. Nach Nebel kommt klares und sonniges Wetter und nach klarem Wetter Nebel (4—5). —» MORGEN (Subst.) 35. Vgl, DUNKEL 2.-3„ HEUTE 2.1.2.9., HONIG 114, MORGEN (Subst.) 6.1., 6.4., NACHT 2.1„ REGEN 2,1.-2.2., SONNE 11.1., TAG 7.1., TROCKEN 1.-2., UNWETTER 2., WARM 5.3., WETTER 2.1.-2.2., WOLKE 4. 4. Redensarten 4.1. Den Nebel schlagen (entflechten) (6-1 S)

4.2. Einen Nebel machen (l6-18). Vgl. DUNST i-16 5. Verschiedenes (l 9—21) 1. s. Inhaltsübersicht 2. Nebel ist mit Regen (Schnee) verbunden 1 S p a n . Neblina, del agua es madrina Nebel ist die Gevatterin des Regens LOPEZ{?), 2 REFRANES 484. Le neblina del agua es maarina, y del sol mas ayna ... und noch . eher der Sonne NUNEZ 11,238. Nieblas en alto, aguas en baxo Nebel in der Höhe, unten Regen EBD. HI, 43. -» WINTER 42. Vgl. BERG 8.2.

3. Nach Nebel kommt klares und sonniges Wetter und nach klarem Wetter Nebel 4 E n g l . And after my sty s Pbebus scbyneth bright Und nach dem Nebel scheint die Sonne hell LYDGATE, MIN. POEMS II, 520, 84. 5 Dt. Clarior esse solet post nubila maxima Phebus. — Die sun zimbt schon und an mail Nach nebels ein michel tail Heller pflegt die Sonne nach ganz grossen Wolken zu sein. - Die Sonne dünkt (einen) schön und makellos nach vielem Nebel INNSBRUCK 83. -* MORGEN (Subst.) 35. Vgl. DUNKEL 2.-3., HEUTE 2.1.2.9., HONIG 114, MORGEN {Subst.} 6.1., 6.4., NACHT 2.1., REGEN 2.1.-2.2.» SONNE 11.1., TAG 7.1., TROCKEN 1.-2., UNWETTER 2., WARM 5,3., WETTER 2.1.-2.2., WOLKE 4.

435

6. 7 8-11 12. 13 14. is 16-18

NEFFE

4. Redensarten 4.1. Den Nebel schlagen (entflechten) 1 Mgr. Νεφέλας ξαίνειν Den Nebel schlagen PS. DIOGENIAN. 6,83. PS. DIOGENIAN. VINDOB, 3,35. Νεφέλας ξαίνεις Du schl gst den Nebel PS. DIOGENIAN. VINDOB. 2,61. GREG, OP, 3,13. GREG. CYP. MOSQ. 4,48. APOSTOLIOS 12,5. Mlat. Nebulas detexis Du entflichtst den Nebel ERASM., ADAG. COLL. 46 r. Nebulas diuerberare Den Nebel durchwalken ERASM., ADAG. CHIL. 3,6,38. Dt. Die Nebe! balgen (schlagen) FRANCK 1,27r. EGENOLFF 293 v. 4.2, Einen Nebel machen Dt. Eyn nebel machen LUTHER, WA X.1.1,184,19 (1522). Einn nebel vnd blaen (blauen) dunst vorn (vor den) ugen machen FRANCK 1,27 v (= DUNST 3). EGENOLFF

294 r. Vgl. DUNST 1-16 5. Verschiedenes 19 Span. Con la niebla no ve el ruin lo que lleva Bei Nebei sieht der erb rmliche Kerl nicht, was er mitnimmt 2 NUNEZ 1,227. 20 Dt. A Is daz dicke gescbiht, Daz ein nebel ein michel Hht Mit siner vinstere umbe stet, Daz der scbin da von verget, Unz er aber brichst z Wie dies oft geschieht, dass ein Nebel ein grosses Licht mit seiner Dunkelheit umgibt, so dass das Licht davon ver21 schwindet, bis es wieder hervorbricht HEINR. v. D. T RLIN 2018. Der nebel f llet wttiu lant, Und enwirt sin ntemer vol ein bant Der Nebel f llt weite Landstriche, und doch wird davon nie eine Hand voll FREIDANK 18,8. V.M. Anmerkungen 1 2

D. h. vergebliche Arbeit verrichten. Gem ss dem Doppelsinn von ruin (,bedauernswert' und ,gemein*} bezieht sich das Sprw. nach CORREAS 424 auf denjenigen, der sich mit einer unpassenden Frau verheiraten l sst, oder auf Menschen, die sich wenig um Verpflichtungen k mmern.

NEBENWEG s. WEG NEBLIG s. NEBEL NECKAR -» WASSER 316

NEFFE / neveu / nephew 1. Eher r cht einen der Neffe als der Bruder (der Sohn} (1-2). Vgl. VERWANDT 9 2. Nur zu, wessen Neffe es ist (3 — 6) 3. Verschiedenes (7-8)

l. Eher r cht einen der Neffe als der Bruder (der Sohn}1 1 Fr. Toz jors l'ot dire: ainz venge nies que fraire Immer habe ich es sagen h ren: „Eher 2 r cht (einen) der Neffe als der Bruder" HERB. DANM., FOLQUE DE CANDIE 537. For

NEGER

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ce dit on encore: Ainz venge niez que fiz Deshalb sagt man noch-, „Eher rächt (einen) der Neffe als der Sohn" AYE D'AVIGNON 2670. Vgl. VERWANDT 9

2. Nur zu, wessen Neffe es ist 3-6 Dt. Nü zuo, des der neve st! Nur zu, wessen Neffe es ist!2 WERNHER D. GÄRTNER 426. OTTOKAR 4666. 61668. 72361. 3. Verschiedenes 7 Fr. Par mainte fois l'ai oi regehir, Mieus uaut bons nies, ce dist on sans mentir, Que tel enfant pitet on souuent nourir Viele Male habe ich es verkünden hören: „Besser ist ein guter Neffe, das sagt man ohne zu lügen, den man oft wie ein (eigenes) Kind aufziehen kann" AUBERI (TOBLER) 54,17. 8 S p a n . Hacienda de sobrino, quemela el fuego, o üevela el rio Vermögen des Neffen: Das Feuer soll es verzehren oder der Fluss mitreissen 3 NUNEZ II, 174.

H. U. S.

Anmerkungen 1

2

3

Da im mittelalterlichen Familien verband dein Neffen eine besondere Rolle zukommt. Vgl. W, O. Farnsworth, Uncle and Nephew in the Old French chanson des geste, New York 1966 (19131), bes. 190 ff. Grimms Erklärung der Formel aus den Verhältnissen der Blutrache (vgl. ZroA 55,278), die das Sprw. in die Nähe unserer Gruppe l rückt, ergibt an der Stelle keinen rechten Sinn, vgl. die von H. Brackert u, a. besorgte Ausg. des Helmbrecht, Frankfurt a. M. 1972, S. 143 zu der Formel und Grimms Deutung. Die Hrsg. übersetzen Vers 426 mit „Mag das Unheil denn seinen Lauf nehmen", Nufiez erklärt, der Vormund gebe das Vermögen des Neffen aus. CORREAS 584 meint, der Onkel vertue es, wobei die Schuld auf den Vormund falle. Ähnlich AUTORIDA DES VI, 132,

NEGER s. MOHR

NEHMEN / prendre / to take Hier auch ANNEHMEN, BEKOMMEN, EMPFANGEN, ENTREISSEN, ERGREIFEN, ERHALTEN, GREIFEN (nach), HERAUSNEHMEN, HINNEHMEN, KRIEGEN (bekommen), MITNEHMEN, PACKEN, RAFFEN, TEILHAFTIG WERDEN, WEGNEHMEN, ZURÜCKBEKOMMEN, ZUTEIL WERDEN Vgl. DIEB, FANGEN, GEWINN, SAMMELN, WAHL 1. Bedeutung des Nehmens Vgl. unten 3.3. 1.1. Nehmen gegen den Willen des ändern bedeutet rauben —* DIEB 18. 1.2. Wenn eine Frau nimmt, heisst dies, dass sie sich verkauft —* FRAU 1629—1638, 1644 2, Positive Aspekte des Nehmens 2.1. Nehmen iüt angenehm (1-3). Vgl. unten 9.1., 11.1. 2.2. Nehmen ist angenehmer als geben s. unten 9.1. 2.3. Nehmen ist angenehmer als zurückgeben s. unten 11.1.

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NEHMEN

2.4. Nehmen und geben machen Mutter und Tochter zu Freundinnen —» GEBEN 141, 146-149, 151-158 3. Negative Aspekte des Nehmens 3.1. Nehmen ist weniger gut als geben —* GEBEN 10.2. 3.2. Nehmen bindet und verpflichtet 3.2.1. Allg. (4-9) 3.2.2, Spez, (10-11) 3.3. Nehmen bedeutet Verlust der Freiheit (12-20) 3.4. Verschiedenes (21-22) 4. Voraussetzungen des Nehmens 4.1. Geben - GEBEN 578-579 4.2. Zurückerstatten s. unten 11.2.-l 1.3. 4.3. Bitten — BITTEN 3-4, 6-7, 14-15, 17-18, 20, 22, 25 4.4. Danach streben — STREBEN 4-7 4.5. Warten — WARTEN 45, 54, 56. Vg!. EILE 61, WARTEN 44, 47-49 4.6. Festhalten - HALTEN 38, 43 4.7. Vorhandensein von etwas — NICHTS 5.2, 4.8. Finden — FINDEN 9.2. 5. Zeit des Nehmens Vgl, unten 13.4. 5.1. Man nehme, wenn die Gelegenheit da ist 5.1.1. Allg. (23. Vgl. 103} 5.1.2. Spez. 5.1.2.1. Man nehme das Gute, wenn es kommt — GUT (Adj.) 830, WOLLEN 132, ZEIT i07 5.1.2.2. Vereinzelt (24) 5.2. Wer als erster nimmt, bereut es nicht (ist gut versorgt) (25-37) 5.3. Wer auf fremde Börse (Habe) hofft, empfängt zu spät (38—39) 6. Art des Nehmens 6.1. Man nehme etwas so, wie es kommt 6.1.1. Allg. (40) 6.1.2. Spez. — ZEIT 390, 406, 417-421, 423-425, 42S-432, 434-435, 444, 447-448 6.2. Man nehme eine Gabe freundlich und dankbar an —· GEBEN 791, 793-796, 801-802, 804-805, 808, 810-812, 816-818, 820 7. Was und wieviel man nehme 7.1. Man nehme, was einem zuteil wird (41—42), Vgl, GENUG 1.3. 7.2. Man nehme wenig -> GEBEN 345, 412 7.3. Man nehme das Kleine, um das Grosse zu erlangen — KLEIN 98-99, 02, 105, 109-1 , 113-114, 117-118, 120-121, 130-131, 133 7.4. Man ergreife von zwei Stellungnahmen eine —» ZWEI 2—3 7.5. Man nehme das Bessere und nicht das Schiechtere — GUT {Adj.} 830, 835, 839, 841, SCHLECHT 646, TEIL 2.3.3. 8. Wer was oder wieviel nimmt (bekommt) Vgl. unten 10.6.-10.7,, 12.3.-12.5,, 13.5. 8.1. Wer mehr bedarf, nimmt mehr — BEDÜRFEN 2-3 8.2. Wer teilt, nimmt den grössten Teil —* TEIL 2.3.2. 8.3. Wer das Eigene verschwendet, nimmt gerne das Fremde —* EIGEN 108, 112, 115 8.4. Wer Böses will, empfängt Böses -* SCHLECHT 425. Vgl. SCHLECHT 4.3.1. 8.5. Einer schlägt die Büsche, ein anderer nimmt die Vögel —· BUSCH 20, 25, 29, 33, 36—37 8.6. Der Wolf nimmt auch von den gezählten Schafen — WOLF 356-359, 363 8.7. Verschiedenes (43-46) 9. Geben und (an)nehmen (bekommen, empfangen) Vgl. oben 2.4. 9.1. Nehmen ist üblicher und beliebter als geben (47—54}. VgL oben 2.1., unten 11.1.

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9.2. Nehmen ist schlechter als geben — GEBEN S83-588, 590-606 9.3. Nur nehmen und nichts geben ist schändlich und von Nachteil (55-60) 9.4. Wer dem Würdigen gibt, empfängt (61-65). Ähnlich (66) 9.5. Man muss sowohl geben als auch nehmen (67—68) 9.6. Man muss auch geben, wenn man nehmen will 9.6.1. Allg. ^69-72; 9.6.2. Spez,; Wer nicht gibt, was er liebt (hat), bekommt nicht, was er begehrt —> GEBEN 610-613, 615-637, 639-642, 644-648 9.7. Wie (Wieviel) man gibt, so (soviel) bekommt man (73-77) 9.8. Wo man gibt, da empfängt man auch (78-79) 9.9. Wer schlecht empfängt, gibt noch schlechter (80-81) 9.tO. Wer nicht nehmen will, braucht nicht zu geben (82-84) 9.11. Was das Schicksal gibt, nehme man an -» GLÜCK 653 -653, ZEIT 418 9.12, Verschiedenes (85-87) 10, Geben und (weg)nehmen (entreissen) 10.1. Was gegeben wird, kann auch wieder genommen werden —» GEBEN 11.1. 10.2. Die Zeit gibt und nimmt alles — ZEIT 159, 162, 213 10.3. Das Gluck gibt und nimmt wieder -> GLÜCK 171, 173, 192, 209, 297, 299, 302-303, 306-307, 309-311 10.4. Die Welt gibt und nimmt wieder - WELT 38-40, 227 10.5. Gott gibt und nimmt wieder 10.5.1. Allg. — GOTT 981-982, 986, 28,18. 10.5.2. Spez. — SEELE 1.1. 10.6. Gott gibt das Mehl, der Teufel nimmt den Sack — TEUFEL 127-132 10.7. Was Gott gibt, nimmt niemand — GOTT 980-985 10.8. Was die Natur gibt, kann niemand nehmen — NATUR 63-67 10.9. Wer mir alles gibt, nimmt mir alles — ALL 94, 97, 10.10. Wer nichts gibt, dem nimmt man (Gott) — GEBEN 11.11. 10.11. Wem man etwas gibt, der nimmt sich mehr— HAND 199, 209-214, 216-218, 220-222 10.12. Es ist nicht gut, den Kindern das Brot zu nehmen und es den Hunden zu geben —* BROT 96-99, 103-105, 07-109, 111, 113-115, 118-119 10.13. Vereinzelt^ 11. Nehmen und zurückgeben 11.1. Nehmen ist angenehmer als zurückgeben (89-93). — BORGEN 65-66, 68, 72. Vgl. oben 2.1., 9.1., BORGEN 4.3., UNDANK 2. Ähnlich (94-95) 11.2. Nehmen, was man nicht zurückgeben kann, ist ein Betrug (96—99) 11.3. Man muss zurückgeben, was man genommen hat — ZURÜCKGEBEN 1—4. Vgl. GEBEN 9.6. 12. Bitten (Begehren, streben) und bekommen 12.1. Wer bittet, bekommt — BITTEN 3-4, 6-7, 14-15, 17-18 12.2. Wer nicht bittet, bekommt nicht — BITTEN 20, 22, 25 12.3. Wer zuviel begehrt, bekommt wenig — BEGEHREN 132, 135, 152, 154-156, 15S-159, 161-162, 166-168, BITTEN i 16, 119, WENIG 72. Vgl. ALL 87 12.4. Wer wartet, bekommt, was er begehrt — WARTEN 45, 54, 56. Vgl. EILE 61, WARTEN 44, 47-49 12.5. Wonach man strebt, das bekommt man — STREBEN 4-7 12.6. Was man nicht bekommen kann, danach strebe man nicht —» BEGEHREN 81, STREBEN 16-20, 22, 25 12.7. Vereinzelt (100) 13, Haben (Halten, vorhanden sein) und nehmen Vgl. unten 104 13.1. Wo nichts ist, kann man nichts nehmen —· NICHTS 5.2, 13.2. Wer nichts hat, dem wird genommen — HABEN 20-29, 33, 41-43, 48-49, 53, 63 13.3. Was man hat, weiss man, nicht aber, was man nimmt — HABEN 7,5,

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13.4. Wer behält, was er will, bekommt, wann er will — HALTEN 38, 43 13.5. Wer am meisten rafft, hat am meisten (101-102) 13.6. Vereinzelt (103) 14. Finden und nehmen 14.1. Wer nicht findet, nimmt nicht — FINDEN 9.2. 14.2. Wo man findet, nimmt man — EIGEN 12, FINDEN 21 14.3. Wie (Was) man findet, nimmt man (104-109) 15. Manch einer glaubt zu nehmen und erreicht dann nichts (110-113). Vgl. GEWINN 2.2. 16. Redensarten 16.1. An den Hörnern packen — HÖRN 5.5. 16.2. Kein Blatt vor den Mund nehmen — BLATT 13, 17-26 16.3. Sich zu Tode nehmen (,114-117. Vgl. 125) 17. Verschiedenes (118-125)

1. s. Inhaltsübersicht 2. Positive Aspekte des Nehmens 2,1. Nehmen ist angenehm 1 M l a t , „Accipe! sume! cape!" sunt verba placentia cuique „Empfange, nimm, ergreife!" Das sind Worte, die jedem gefallen WERNER 2 a 23. 2 Dt. Omnium est dulcissimum accipere. — Dat aller genuychste is ontfangen gyften of gaven Empfangen ist von allem das Süsseste. — Das AHerbefriedigendste ist Gaben 3 und Geschenke empfangen MURMELLIUS 39. Nemen ist das sussest handwerck FRANCS 1,33 r. Vgl. unten 9.1., 11.1.

2.2.—2.4. s. Inhaltsübersicht 3. Negative Aspekte des Nehmens 3.1. s. Inhaltsübersicht 3.2. Nehmen bindet und verpflichtet 3.2.1. Allg. 4, 5 M l a t . Commater dantis manui manus accipientis Die Hand des Nehmenden ist der Hand des Gebenden Gevatterin MSD 27,2,25. WERNER 2 c66. 6 Fr. Lf don qu'on prent lient la gent Die Gaben, die man nimmt, binden die Leute 7 LEROUX II, 329 (13. Jh.}. Li don c'on prant iie[m] la gent PROV. RUR, 247 (= MORAW. 8 1076). Don receu obleige le prenant Die empfangene Gabe verpflichtet den Empfänger ALAIN CHARTIER, BREV. DES NOBLES 330. 9 Dt. Wer gäbe enpfät, der bindet sich Dem, der si git .,. Nieman sol dur kleinez gftot Uf geben stnen vrtgen rnuot Wer eine Gabe empfängt, der bindet sich an den, der sie gibt. Niemand soll urn eines kleinen Gutes willen seinen freien Sinn aufgeben BONER 27,32.

3.2.2. Spez. 10 Fr. Qui plus prent et plus coste. — Qui plura beneficia habet plus obligafur Wer mehr nimmt, den kostet es auch mehr. — Wer mehr Wohltaten empfängt, wird mehr verpflichtet NICOLAS DE BIARD 270. U It- Chi piü riceve, piU e tenuto Wer mehr empfängt, ist mehr verpflichtet TAV. RIT. 1,431 Kap. 109.

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3.3. Nehmen bedeutet Verlust der Freiheit 12 La t. Beneficium accipere libertatem est vendere Eine Wohltat annehmen heisst die Freiheit verkaufen PUBLILIUS b5. 13 M l a t . Beneficium accipere est vendere libertatem IOH, SARESB.., POLICRAT. 565 A. 14 Si capio munus, fueram pro munere servus Wenn ich eine Gabe annehme, bin (wörtl.: war) ich wegen einer Gabe Diener gewesen WERNER 2 s 70. 15 Fr. Don donent los aus doneeurs Et empirent les preneeurs, Quant il leur nature} franchise Obligent a autrui servise Gaben verschaffen den Spendern Lob und schädigen die Empfänger, weil sie ihre angestammte Freiheit zu fremdem Dienst verpflichten J. 16 DE MEUN, ROSE 8239. Beneficium accipere, libertatem est uendere. - Cil est franc a fere dreit Ke doun ne present ne receit. Ky doun receit saunz desert Sa franchise e vent e pert Übers, wie 12. - Der ist frei, das Rechte zu tun, welcher keine Gabe oder Spende annimmt. Wer ohne Verdienst eine Gabe annimmt, verkauft und verliert seine Freiheit NICOLE BOZON, PROV. 23. 17 Engl. Beneficium accipere est libertatem vendere. — Cil est franc pur fere dreyt Ki doun ne present ne receyt; Ky doun receit sanz soun desert, Sa fraunchise vent e pert. - Ffreo he is to do men riht Pat jtft ne present takep of no wiht; He pat jiftes [takep] wip-outen decert, His freodam he sullep and leosep apert Übers, wie 12, — Übers, wie 16. - Frei ist der, das Rechte zu tun, welcher von niemandem eine Gabe oder Spende annimmt. Wer ohne Verdienst Gaben annimmt, verkauft und verliert offensichtlich seine Freiheit VERNON MS. 49,101. 18 Dt. Wer gaben nymbt, der ist nit fry Wer Gaben annimmt, der ist nicht frei BRANT, 19 NARRENSCHIFF 46,83. Beneficium accipere, libertatem est uendere. - Der ein guthat empfahet, verkaufft sein freiheyt Übers, wie 12. — Wer eine Wohltat empfängt, verkauft 20 seine Freiheit FRANCK 1,65 v. Wolthat annemen ist freihett verkauffen EGENOLFF 291 r. 3.4. Verschiedenes 21 Fr. Plus est pire Le retolir que l'escondire Schlimmer ist das Wegnehmen als das Verweigern ALEXI 827. 22 N o r d . Gott er peim ecki pa Wohl dem, der nichts angenommen hat! KÄLUND 33 ( = JONSSON, ARKIV 473. JONSSON 188).

4. s. Inhaltsübersicht 5. Zeit des Nehmens Vgl. unten 13.4. 5.1. Man nehme, wenn die Gelegenheit da ist 5.1.1. Aug. 23 Engl. Tyme is to take, whan men profere and beede Es ist Zeit zu nehmen, wenn man anbietet und darreicht BURGH, CATO 1157 (-»-FÖRSTER, ANGLIA 42 206). Vgl. unten 103

5.1.2. Spez. 5.1.2.1. s. Inhaltsübersicht 5.1.2.2. Vereinzelt 24 K a t , Le savis dits: En corts reyal Qui so que desira no pren Cant pot, apres pauc s'en repen Der Weise sagt: „Wer am Königshof das, was er begehrt, nicht nimmt, wenn er kann, bereut es kurz danach" FRAIRE DE JOY 290.

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25 26 27 28

29 30 31 32 33 . is 36 37

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5.2. Wer als erster nimmt, bereut es nicht (ist gut versorgt)1 M l a t . Capientem Primo piget raro Wer zuerst nimmt, bereut es selten CLER. ET RUST. 35. Fr. Qui avant prent, ne s'en repent Wer zuerst nimmt, bereut es nicht VILAJN 53. Qui premer prent, ne sen repent. — Vtilius fit quando prius bona percipiuntur, Deterius fit cum citius mala suscipiuntur ... — Es wird nützlicher, wenn man das Gute zuerst nimmt. Es wird schlechter, wenn man das Schlechte zuerst nimmt ZACHER 145. Ci7 e&t molt sougis Au jeu qui donne le de, Et dl qui premiers a pris Ne se repent, c'est prouve Wer den Würfel gibt, ist beim Spiel in sehr ungünstiger Lage, und der, welcher ihn zuerst genommen hat, bereut es nicht, das ist erwiesen 2 J. BRETEL (-»JEUX-PARTIS 69,41) {= SPIEL 137). C'ancbois prent ne s'en repent Übers, wie 26 ADAM DE LA HALLE (+JEUX-PARTIS 108,48). Ne se repent ki premiers a saisi Der bereut es nicht, weicher als erster genommen hat ADAM DE GIVENCI (+JEUX-PARTIS 128,37). Qui premiers prent ne se repent Übers, wie 26 MORAW, 2103. Qui premier pren ne s'en repend LEROUX 11,403 (13. Jh.). Qui premier prent, ne se repent. — Primo $umpsi$se nullum puto penituisse ... — Ich glaube, dass keiner es bereut hat, zuerst genommen zu haben HILKA 106. Ki premiers prent, ne s'en repent PROV. RUR. 3. Qui prent premierement, premier est assene Wer zuerst nimmt, ist als erster versorgt CUVELIER, Du GuESCLiN 20648. Qi primes prent ne se repent CAMBR. SAMML. {*LEROUX 11,482). Qui premier prend ne s'en repent ET. LEGRIS 677.

5.3. Wer auf fremde Börse (Habe) hofft, empfängt zu spät 38 Fr. A tart prent, qui en autrui bourse s'atent Zu spät empfängt (etwas), wer auf den 39 Beutel eines ändern wartet VILAIN 103. tart prent qui a autrui s'atent ... wer auf eines ändern Gut wartet PROV. RUR, 110 (= MORAW. 153. LEROUX II, 195). 6. Art des Nehmens 6.1. Man nehme etwas so, wie es kommt 6.1.1. Allg. 40 Dt. Mann muß nemen wie es kompt Man muss (es) nehmen, wie es kommt EGENOLFF 101 r.

6.1.2.—6.2. s. Inhaltsübersicht 7. Was und wieviel man nehme 7.1. Man nehme, was einem zuteil wird 41 Dt. Nimm, was man dir verert; Auch dy haut ist dankeswerth Nimm, was man dir 42 verehrt! Auch die Haut ist dankenswert K LAGEN FURT 57. Nim was dir werden mag, vnd laß das ander faren FRANCK II, 114 r. Vgl. GENÜG 1.3. 7.2. —7.5. s. Inhaltsübersicht 8. Wer was oder wieviel nimmt (bekommt) Vgl. unten 10.6.-10.7., 12.3.-12.5., 13.5. 8.1.—8.6. s. Inhaltsübersicht 8.7. Verschiedenes 43 Pro v. Qui mats pot, mats pren Wer mehr kann, nimmt mehr PONS SANTOLH {-> APPEL, lNEDiTA260,38).

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44 S p a n . LG que no lleva Christo, Ueva el fisco Was Christus nicht nimmt, nimmt der Fiskus NUNEZ 11,315. 45 Nord. Ad nutum raper et quiuis nisi lex prohiberet. - Wore ey laaw i landhe thaa toghe hwer som finghe Jeder würde nach Belieben nehmen, wenn das Gesetz es nicht verbieten würde. — Wäre kein Gesetz im Land, nähme jeder, was er ergattern könnte 3 46 LALE 2. Quäle quis asportet quod tale reportet oportet. — Tbet cer tijl bar light ar hu/er faar som han forticen (Var. Druck B: Det tilber ath hwer hender som han sender) Es gehört sich, dass einer solches heimträgt, wie er bringt. — Es gehört sich, dass jeder bekommt, was er verdient (sendet) EBD. 869.

9, Geben und (an)nehmen (bekommen, empfangen) Vgl. oben 2.4. 47 48 49 50 51 52 53

54

9.1. Nehmen ist üblicher und beliebter als geben M l a t . Sumere lex media est, regula rara dare Nehmen ist halbes Gesetz, geben eine Ausnahme NIVARD., YSENGR. 1,202. „Accipio, non do"; ntos est talis modo mundo „Ich nehme, ich gebe nicht!" Einen solchen Brauch hat nun die Weit WERNER a21. Amis/i mores ,do, das'·, periere datores; ,Acctpio, non do!' talis mos est modo mundo „Ich gebe, du gibst!" hat seinen Brauch aufgegeben. Die Spender gibt es nicht mehr; ... WERNER 2 a 76. ,Do' perdit mores; omnes periere datores: ,Accipio, non do' talis mos est modo mundo „Ich gebe!" gibt seinen Brauch auf; alle Spender sind verschwunden; ... EBD. d 134. Fr. Car j'ai o't retraire K'envis doune (seil, la ferne) qant prent Denn ich habe mit einem Sprichwort sagen hören, dass sie (die Frau) ungern gibt, wenn sie bekommt JEHAN (+JEUX-PARTIS 87,20}. Envis donne qui a apris a penre Ungern gibt, wer zu nehmen gelernt hat PROV. RUH. 245 (= MORAW. 706). Quant len dyt ,ten', dount le oy je ben. Quant len dyt donez', dount ne oy je soner Wenn man sagt: „Nimm!", dann höre ich es sogleich. Wenn man sagt; „Gebt!", dann höre ich kein Wort MORAW., INEDITA I q 55/56. Port. Cansa quetn da, e naon cansa quem toma Es ermüdet, wer gibt, und es ermüdet nicht, wer nimmt NUNEZ 1,194 (el Portugues). Vgl, oben 2.1., unten 11.1.

9.2. s. Inhaltsübersicht 9.3. Nur nehmen und nichts geben ist schändlich und von Nachteil 55 Bib l. No« sit porrecta manus tua ad acdpiendum, et ad dandum collecta Deine Hand sei nicht ausgestreckt zum Nehmen und zum Geben geschlossen VULG., SIRACH 4,36. 56 Deine Hand sol nicht auffgethan sein, jmer zu nemen, Vnd zugeschlossen nimer zu geben Deine Hand soll nicht geöffnet sein, um immer zu nehmen, und geschlossen, um nie zu geben LUTHERBIBEL, EBD. 57 M l a t . Dedecus est semper sumere nilque dare Es ist eine Schande, immer zu nehmen und nichts zu geben ANTHOLOG. LAT, 1.2 S. 391 (Hs. 13. Jh.). 58 Fr. Qui tousjours prend et riens ne soult, S'amour (lies: L'amour, Red.) de son amy le (lies: se, Red.) tont Wer immer nimmt und nichts bezahlt, beraubt sich der Liebe 59 seines Freundes ET. LEGRIS 694. Qui tousfours prent et rien ne soult L'amour de son amy se toult MORAW. 2171. 60 Dt, Altes nemen unde geven nigt Is grot shande — we des pligt Stets nehmen und nichts geben ist eine grosse Schande, wenn das einer zum Brauch hat LAIENDOCTR. 187.

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9.4. Wer dem Würdigen gibt, empfängt 61 La t. Beneficium dando accepit, qui digno dedit Wer dem Würdigen eine gute Gabe gegeben hat, hat beim Geben empfangen PUBLILIUS b 12. 62 Fr. ... qui dtgno dedit beneficium dando accepit, — ... Ky a prodonhome doune doun Mout receit $anz autre guerdon Wer dem Würdigen eine gute Gabe gegolten hat, hat beim Geben empfangen. — Wer einem Ehrenmann eine Gabe gibt, empfängt viel ohne einen ändern Lohn NICOLE BOZON, PROV. 32. 6. Dt. He entfenkt, de dem werdigen gift. — Accepit donum, tribuit qui munera digno Der empfängt, welcher dem Würdigen gibt. — Der hat eine Gabe bekommen, welcher 64 dem Würdigen Gaben gegeben hat TUNNICIUS 641. Der sein gab wol anlegt, der nimpt so er gibt Wer seine Gabe gut anlegt, der nimmt, wenn er gibt FRANCK i, 117 v. 65 Der gewint mit geben, der wirdigen (Würdigen) gibt EBD. II, 136 r. Ähnlich: 66 Dt. Beneficium dando, qui digno dat, accipit. - Hülff in der not, ist nemen in got Wer dem Würdigen eine gute Gabe gibt, empfängt beim Geben. — Hilfe in der Not (leisten) ist im Hinblick auf Gott nehmen FRANCK I, 66 r.

9.5. Man muss sowohl geben als auch nehmen 67 S p a n .

A quien da: y no toma: dicha es: que le falta Wer gibt und nicht nimmt, dem

68 fehlt Glück HALLER 287. A quien da, y toma, nacele vna corona Wer gibt und nimmt, dem erwächst eine Krone EBD. 325. 9.6. Man muss auch geben, wenn man nehmen will 9.6.1. Aug. 69 Ml a t. Seneca: Prima docendi sunt, qui libenter accipiunt, libenter reddere Seneca: „Zuerst müssen die, welche gerne empfangen, belehrt werden, (auch) gerne zurückzugeben" IAC. CESS. 551-552. 70 S p a n . Quien quiere tomar, convienele dar Wer nehmen will, muss auch geben NUNEZ 111,275. 7 Eng L What man that scars is of his good And wol noght yive, he schal noght take Der, welcher sparsam ist mit seinem Gut und nichts geben will, soll nichts nehmen GOWER, CONF. AM. 5,4788. 72 Dt. Dii gtt er (seil. Seneca) menglichem den rät Und spricht: ,des ersten man leren sol, Die gerne empfänt, das si ouch wol Und gerne lernen gelten' Da gibt er (Seneca) jedermann den Rat und sagt; „Zuerst soll man lehren, dass die, welche gerne empfangen, auch gut und gerne vergelten lernen sollen" KONR. v. AMMENHAUSEN 13714.

9.6.2. s. Inhaltsübersicht 9.7. Wie (Wieviel) man gibt, so (soviel) bekommt man 73 Fr. P or cen dit l'en (or l'apr endras): ,Tel li dorras, tel li prendras' Daher sagt man, du wirst es jetzt vernehmen: „Wie du ihm geben wirst, so wirst du von ihm bekommen"

74 CLEF D'AM. 1075. Teu li durras tel le prendra$ So wie du ihm geben wirst, so wirst du es empfangen CAMBR. SAMML. (»LEROUX 11,483 [— MORAW. 2320]). 75 It. Pi« receve larghezza chi ptu dona Wer mehr gibt, der wird grosszügiger beschenkt {wörtl.: empfängt mehr Freigebigkeit} NICCOLÖ MALPIGLI (+RiM. HOL. 59,26). 76 Dt. Als men ütgift, so kricht men vake wedder. — Qui pravum tribuit, cur accepisse recuset? Wie man ausgibt, so bekommt man oft zurück. — Wer Schlechtes erweist, 77 warum sollte der sich weigern, (solches) zu empfangen? TUNNICIUS 71. Als du ütgifst, so krichstu wedder, — Qualia praestiteris, tibi talia reddet amicus Wie du ausgibst, so

NEHMEN

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bekommst du wieder. - "Was du erwiesen hast, solches wird dir dein Freund zurückgeben EBD. 111.

9.8. Wo man gibt, da empfängt man auch 78 S p a n . Donde las dan ahilas toman Wo man gibt, da empfängt man (auch) 4 NUNEZ 79 1,343. Adonde las dan, alii las toman HALLER 47.

9.9. Wer schlecht empfängt, gibt noch schlechter «0 It. Chi male accepta, pegio dona Wer schlecht empfängt, gibt noch schlechter 81 ARIENTI, PORRETANE 125. Chi mal acetta, pegio dona NUNEZ 1,222 (el Italiano).

9.10. Wer nicht nehmen will, braucht nicht zu geben 82 Nj. Die niet nemen en wil en darf niet gheuen. - Nolens accipere nil solet ille dare Wer nicht nehmen will, braucht nicht zu geben. — Wer nicht nehmen will, pflegt nicht zu geben PRO v. COMM. 305. 83. 84 Dt. De nycht nemen wyl darf nycht geuen PROV. COMM. MND. 303. De nicht entfenkt, de darf nicht weddergeven. - Qui nihil accepit, non restituisse coactus Wer nicht empfängt, braucht nicht zurückzugeben. - Wer nichts empfangen hat, ist nicht gezwungen zurückzugeben TUNNICIUS 458.

9.11. s. Inhaltsübersicht 9.12. Verschiedenes $5 Fr. Qui de prandre est amenevis De donner doit estre bardis Wer flink ist im Nehmen, $6 soll kühn sein im Geben PROV. D. SAGES III, 55. Quar qui de prandre n'est hardiz, De doner est acouardiz Denn wer nicht kühn ist im Nehmen, ist feige im Geben BARBAZ. ETMEONlII,277,139. 87 Dt. Du solt nibt empfähen me, Denn als vil du wilt üsgeben Du sollst nicht mehr empfangen als soviel, wie du ausgeben willst KONR. v. AMMENHAUSEN 14650.

10. Geben und (weg)nehmen (entreissen) 10,1.-10.12. s. Inhaltsübersicht 10.13. Vereinzelt SS Fr. Malement dürr a le soen qi autri tout Kaum wird der das Seinige geben, der (das des} ändern nimmt CAMBR. SAMML. (*LEROUX 11,478 [= MORAW. 1166]).

11. Nehmen und zurückgeben 11.1. Nehmen ist angenehmer als zurückgeben $9 Fr. Kant il receit il baise ta mein, Kant rendre deit te apele vilein Wenn er bekommt, küsst er deine Hand; wenn er zurückgeben muss, nennt er dich gemein NICOLE BOZON, 90 PROV. 24. Dieu est au prendre et le diable au rendre Gott ist beim Nehmen und der Teufel beim Zurückgeben LEROUX 1,15 (15. Jh.). 91 Pro v. El penre es dossors El rendre trop amars Das Nehmen ist süss (wörtl.: Süsse), das Zurückgeben allzu bitter GIR. RIQUIER 83,152 (-»MAHN IV,208). 92 It. Voice (lies: Dolce] e l'altru apprendere et amaro parer (lies: pare] a rendere Süss ist es, das des ändern zu empfangen, und bitter erscheint es beim Zurückgeben GEREDA MONTAGNONE 60. 93 D t. Is ist schir genomen adir is ist langsam wedir zu gebin Es ist schnell genommen, aber zurückgeben geht langsam PROV, FRID. 363. — BORGEN 65-66, 68, 72, Vgl. oben 2.1.s 9.1., BORGEN 4.3., UNDANK 2.

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NEHMEN

Ähnlich: 94 Fr. N'est si bei randre com laissier a prendre Zurückgeben ist nicht so schon wie aufhören zu nehmen PRO v, RUR. 343. 95 It. Perche chi ha pre$os sä mal lasciare Denn wer genommen hat, kann kaum wieder loslassen SACCHETH 203.

11.2, Nehmen, was man nicht zurückgeben kann, ist ein Betrug 96 La t. Fr aus est accipere, quod non possis r edder e Es ist ein Betrug, das anzunehmen, was du nicht zurückgeben kannst PÜBLILIUS f 7. 97 M l a t . Ex Proverbiis sapientum: Fraus est accipere, quod non possis readers Aus den Sprichwörtern der Weisen: ... IAC. CESS. 551-552. 98 Dt. Von Den ist gesprochen ein altes wort, Das man dike hat gebort Von den when, die sprechend ,der mensche begat Untruwe, der wissentlich empfät Das guot, das er niht mag widergeben' Von denen gibt es ein altes Sprichwort, das man oft von den Weisen gehört hat, die sagen: „Der Mensch begeht einen Betrug, der wissentlich das Gut empfängt, das er nicht zurückgeben kann" KONR. v. AMMENHAUSEN 13705. 99 Fraus est accipere, quod non possis reddere. - Es ist ein trüg einnemen, das du nit magst wider geben Übers, wie 96 FRANCK 1,68 r.

11.3. s. Inhaltsübersicht 12. Bitten (Begehren, streben) und bekommen 12.1.-12.6. s. Inhaltsübersicht 12.7. Vereinzelt 100 Mlat. Qui tollit modicum, bene vellet tollere multuni Wer wenig nimmt, möchte wohl viel nehmen WERNER 2 q 147 (vgi. DIEB 1.4., LAST 93).

13. Haben (Halten, vorhanden sein) und nehmen Vgl. unten 104 13.1. —13.4. s. Inhaltsübersicht 13.5. Wer am meisten rafft, hat am meisten Nl. Meest grabd meest heeft. — Qui plus seit rapere solet is nam (lies: iam) plus reünere Am meisten gerafft, am meisten gehabt. — Wer mehr zu rauben versteht, pflegt nun auch mehr festzuhatten PROV. COMM. 505. 102 Dt. De meist grabbet, de heft meist. - Plurima diripiens sibi plus observat in arcis Wer am meisten rafft, hat am meisten. — Wer am meisten für sich zusammenrafft, bewahrt mehr in den Kästen TUNNICIUS 710.

13.6. Vereinzelt 103 Fr. Qui en puet avoir si en preingne Wer davon haben kann, nehme davon MORAW. 1916 PFERD 400. Vgl. ERKENNEN 13.2.-13.3., TIER 4. 2. Grosse Vögel haben grosse Nester —» VOGEL 4,2. 3. Kleine Vöglein haben (bauen) kleine Nestchen —* VOGEL 4.3. 4. Jedem Vogel gefällt sein eigenes Nest am besten —· VOGEL 4.4. 5. Ins eigene Nest scheissen (Das eigene Nest beschmutzen) (12 — 72). Variiert (73—74) 6. Die Flügel über das Nest hinausstrecken (75-78). Variiert (79-81) 7. Zu früh aus dem Nest fliegen — FLIEGEN l-7, 9-W, 13, 19, 60, 62, VOGEL 47-48, 51 8. Alle Jahre geht den Vögeln ein Nest verloren —* VOGEL 4.5. 9. Das Nest tst gemacht und die Elster tot — ELSTER 24-25, 27 10. Der Kuckuck legt seine Eier in fremde Nester — KUCKUCK 40, 44-46, 48 11. Die Krähe im Nest liefert dem Raubvogel einen harten Kampf—* KRÄHE 2.2. 12. Verschiedenes ^2-55;

1 2 3 4 s 6

7 8 9

1. Wie das Nest, so der Vogel; wie der Vogel, so das Nest Ml at. Talts nidus bonas aves decet Ein solches Nest passt zu guten Vögeln EKKEH. IV., CAS. 10 S. 128,34. Ex nido avem iudicamus Nach dem Nest beurteilen wir den Vogel BEBEL, PROV. GERM. 498. S p a n . El ruin paxarillo, descubre su nidillo Das schlechte Vöglein verrät sein Nestlein NUNEZ II, 14. N l. Tes goet te sien aen den neste wat uoghel datier in woent. — Nidus testatttr tbi qualis auis dominatur Es ist an dem Nest gut zu sehen, was für ein Vogel darin wohnt. — Das Nest verrät, was für ein Vogel dort Herr ist PROV. COMM. 676. Dt. Man sihet bt dem neste wol, Wie man den vogel loben sol Man sieht am Nest gut, wie man den Vogel loben muss J FREIDANK 145,22 a. In stmctura nidi vel compositura Laude notare potes dignus erit quis ales. — Man sith bey dem neste wol> Wy man den vogel lobin sol Am Bau und an der Ausführung des Nestes kannst du feststellen, ob ein Vogel des Lobes würdig sein wird. — Man sieht am Nest gut, wie man den Vogel loben muss FREIDANK LAT. (GöRLiTz) 1275. Tys ghud to seende an dem neste wat vaghels dar inne wand Übers, wie 4 PROV. COMM. MND. 641. Men 5wi wol an dem neste, wat vogel dat dar inne is. — Ostendit nidus volucrum quae fecerit tpsum Man sieht an dem Nest gut, was für ein Vogel darin ist. — Das Nest zeigt, welcher von den Vögeln es gemacht hat TUNNICIUS 951. Es ist eben vogel als nest, Vihe als stal Der

NEST

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/O Vogei ist gleich wie das Nest, das Vieh wie der Stall FRANCK 1,162 v (= TIER 29). Ich sibe am nest wol was für ein vogel drinn wonet Ich sehe am Nest gut, was für ein Vogel U darin wohnt EBD. II, 72 r. £5 sindt die vögel wie das nest SACHS XIV, 122,15 (1550), - PFERD 400. Vgl. unten 83, ERKENNEN 13.2.-l3.3., TIER 4.

2.-4. s. Inhaltsübersicht 5. Ins eigene Nest scheissen {Das eigene Nest beschmutzen) 12 Ml at. Nidos commaculans inmundus bahebitur ales Man wird den Vogel, der die 3 Nester befleckt, für unrein haken EGBERT., FEC. RAT. l, 148. Turpe e$t quodproprium violas, onocrotale, nidum Es ist schändlich, dass du, Gans, das eigene Nest entehrst 14 AMARCIUS 3,762. Progenies auium mala fedat stercore nidum Ein schlechter Schlag 15 von Vögeln verunreinigt mit Kot das Nest MSD 27,2,173. Est mala quae proprium demerdat avicuia nidum Es ist ein schlechtes Vögelchen, das ins eigene Nest scheisst 16 WERNER 2 e66. No« est illa ualens quq nidum stercorat ales Jener Vogel taugt nichts, 17 der ins Nest scheisst MSD 27,2,125. Ericus se ad astandum fratri natura pertrahi dixit, probrosum referens alitem, qui proprium polluat nidum Erik sagte, er sei von Natur dazu hingezogen, dem Bruder beizustehen, und er sagte, es sei ein schändlicher 18 Vogel, der das eigene Nest beschmutze SAXO GRAMM. 130,17. Nidum, quo residet, sordida foedat avis Ein schmutziger Vogel verunreinigt das Nest, auf dem er sitzt AL19 BERT. STAD., TROILUS 5,940. Turpis auis, proprium qu% fedat stercore nidum Es ist ein schändlicher Vogel, der sein eigenes Nest mit Kot verunreinigt MSD 27,2,236. 20 Turpiter errat auis, proprium que stercore nidum, Cuius ent custos, contaminare studet Der Vogel irrt schmahlich, der das eigene Nest, dessen Wächter er sein wird, mit Kot 21-23 zu beschmutzen sucht COWER, vox CLAMANTIS 5,835. Est avis ingrata, que defedat sua strata Es ist ein unliebsamer Vogel, der sein Nest verunreinigt PRO v. WRATISLAV. 24 176. WERNER 2 e 29, PROV. FRID, 425. Est avis ingrata, que stercorat in sua strata ... 25 der in sein Nest scheisst PROV. WRATISLAV. 177. Turpis avts proprium defedat stercore 26 nidum Ein schändlicher Vogel verunreinigt sein eigenes Nest mit Kot EBD. 617. Est avibus proprium fedis corrumpere nidum Es ist den schmutzigen Vögeln eigen, ihr Nest 27 zu verunstalten WERNER e28. Exspuis in barbam, si membra domestica laedis; Est avibus proprium nidos corrumpere foedis Du spuckst in den Bart, wenn du die eigenen Glieder verletzest. Es ist den schmutzigen Vögeln eigen, ihre Nester zu verunstalten 28 WERNER 2 e 156 (= SPUCKEN 2). Mos est cornicum, quod foedant stercore nidum Es 29 ist die Sitte der Krähen, dass sie das Nest mit Kot verunreinigen EBD, m 50. Mos est corvorum nidum foedare nigrorum Es ist Sitte der schwarzen Raben, das Nest zu 30 verunreinigen EBD. m 51. No« est illa valens, nidum quae stercorat ales Jener Vogel 31 taugt nichts, der ins Nest scheisst EBD. n 157. Turpis avis, proprium quae foedat stercore nidum Es ist ein schändlicher Vogel, der sein eigenes Nest mit Kot verunreinigt 32 EBD. 157. Turpis avis nidum defedat stercore suum Ein schändlicher Vogel verunrei33 nigt sein Nest mit Kot PROV. FRID. 425 Anm. Pessima est avis, quae proprium nidum defoedat Es ist ein sehr schlechter Vogel, der das eigene Nest verunreinigt BEBEL, PROV. GERM. 44. 34 Fr. Con H otxel qui conch'iet son nit Wie der Vogel, der in sein Nest scheisst CONON 35 DE BETHUNE 5,38. Tuit les oiseaul soient hont, Qui suelent conch'ier lor ni Alle Vögel sollen in Schande sein, die in ihr Nest zu scheissen pflegen ROB. DE BLOIS, ENSEIGNE36 MENT DES PRINCES 339. Qe vilein dist en reprover: Cele oysel eit mal encumbrer Qe soule {Ausg.: foule] sonn demeine nye Denn der gemeine Mann sagt im Sprichwort: „Der Vogel soll schlimmen Schaden haben, der sein eigenes Nest besudelt" BONTE DES

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NEST

37 FEMMES 146 (13. Jh. [> ROMANIA 15,318]). Dehe ait U oisiaus qui concbie son ! Der Vogel sei verwünscht, der in sein Nest scheisst! JOÖRN. D. SAV. 1890 S. 567, 38 S p a n , Aquella aue es mala: que su nido estraga (o: caga] Derjenige ist ein schlechter Vogel, der sein Nest beschädigt (oder: bescheisst) HALLER 266. 39 N o r d , lllir picki mer allir peir fuglar, er i sitt hreiör skita Schlecht scheinen mir alle 40 die Vögel (zu sein), die in ihr Nest scheissen STURLUNGA SAGA 11,244, 32. Degenerans olidum facit ales stercore nidum. — Thet aer een ont ftugell som skidher i si/n eghen rcedbe Der entartete Vogel macht das Nest von Kot stinken. - Das ist ein schlimmer Vogel, der in sein eigenes Nest scheisst LÄLE 231. 4t Engl. Dahet habbepat tike best t>at fuleb his owe nest Das Tier sei verwünscht, das 42 sein eigenes Nest beschmutzt EULE u. NACHT. 99. l holde pat Brid muche to blame Pat defouleb his oune nest Ich bin der Meinung, dass der Vogel sehr zu rügen ist, der 43 sein eigenes Nest beschmutzt LYRICS XIVTH CENT. 110,73 S. 176. Hyt ys a fowle brydde that fylyjth hys owne neste Es ist ein schmutziger Vogel, der sein eigenes Nest 44 verunreinigt NICOLE BOZON, CONTES 205. An olde proverbe seyde ys in englissh: Men seyn ,that brid or foule ys dyshonest ... that vseth to de foule his ovne neste' Ein altes Sprichwort lautet im Englischen: „Die Leute sagen, dass der Vogel ehrlos ist, der 45 sein eigenes Nest zu beschmutzen pflegt" HOCCLEVE, MIN. POEMS I 19,183. // i's neyther wurshipful ne honest On-to mankeende to foule $00 his nest Es ist weder ehrwürdig noch sittlich für die Menschen, derart ihr eigenes Nest zu verunreinigen 46 CAPGRAVE, ST, . 391,1593. It is an vndene birde defouleth his neste Es ist ein unsauberer Vogel, der sein Nest beschmutzt IDLEY, INSTRUCTIONS l, 89. 2 47 Nl. Tes een vuyl voghel die sinen nest onreynt. - Vilis et ingrata volucris fedans sua strata Es ist ein schmutziger Vogel, der sein Nest verunreinigt. - Es ist ein lumpiger und unangenehmer Vogel, der sein Nest verunreinigt PROV. COMM. 677. 4& Dt. Same der böse uogil tut: Den zagil er uf wendit, Sin selbis nest giscendit Wie der schlechte Vogel tut: Den Schwanz hebt er auf (und) tut seinem eigenen Nest Schande 49 an SCOPF 321,19. Vnd schisset in sin aigen nest Und (er) scheisst in sein eigenes Nest so LIEDERSAAL 155,78, Düstu selbe in din eigen nest Du glighest wol dem wedeboppen Machst du selbst in dein eigenes Nest, (dann) gleichst du wohl dem Wiedehopf Mus51 KATBLUT 44,67. Daz wispel müsz ich jehen, Wan der widehop düt synen knop In syme eigen gehüse Da in er selber sitzen müsz, im wirt zu büsz Sin eigen mist Das Sprichwort muss ich zitieren: „Wenn der Wiedehopf seinen Kot in sein eigenes Nest macht, worin er selbst sitzen muss, dann wird ihm sein eigener Mist zur Strafe" EBD. 52 78,55. Es ist ein ungenemer vogel, der do we fleckt sein eygen nest Es ist ein unliebsa53 mer Vogel, der sein eigenes Nest befleckt SCHWABACH 73 (= PROV. FRID. 425). Befleckt habn sie ir eigen nest, Und seind darauß geflogen Sie haben ihr eigenes Nest befleckt und sind daraus hinausgeflogen MAGDEB. STIFTSFEHDE 8,4 (+LILIENCR., HIST. 5-f VOLKSL. 69). Ich scbyß nun in mein eiges nest Ich scheisse nun in mein eigenes Nest 55 FOLZ, SPR. 2,134. Tis en vul vaghel de syn nest vnreyneghet Übers, wie 47 PROV. 56 COMM. MND. 642. Nemo sue patrie confingat scandala, nidum Defedans proprium pessima fertur auis. — Nymand schendt seyn vaterlandt Das er nicht werde genant Eyn vogel der do vnreyn ist Vnnd schmeyst ym selber in seyn genist Niemand soll seinem Vaterland Schande bereiten; es heisst, der Vogel sei sehr schlecht, der sein eigenes Nest verunreinigt. — Niemand soll sein Vaterland in Schande bringen, damit er nicht ein Vogel genannt wird, der nicht reinlich ist und sich selbst in das Nest scheisst FABRI 57 B 8 v. ... Gy [en] heaaen myt my dat erlike nest Vorscheten, dar wy sint ynne west Ihr hättet nicht mit mir das vornehme Nest beschissen, worin wir gewesen sind 3 IMMES58 SEN 695. Wer ... sagt von seim weyb was er west, Der selb schis in sein eigen nest Wer von seiner Frau sagte, was er wüsste, derjenige würde in sein eigenes Nest scheissen

NEST

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59 WÖLFEN B ÜTTLER Hs. 167,1. Der vogel batt eyn böse art, Der seym eigen nest nit spart, Sunder selber scheisset dreyn Der Vogel hat eine schlechte Natur, der sein eigenes Nest nicht verschont, sondern selber hineinscheisst MURNER, SCHELMENZUNFT 30,1. 60 Der vogel kan nit seyn der best, Der scheisset in seyn eigen nest Der Vogel, der in sein 61 eigenes Nest scheisst, kann nicht der beste sein EBD. 30,7. Das mag eyn oder fogel seyn, Der in seyn nest selbs scheißt eyn Das wird ein schlechter Vogel sein, der selbst 62 in sein eigenes Nest hineinscheisst EBD. 30,38. It is ein vul vogel, de syn eigen nest beschit. - Foeda suum volucris defoedans stercore nidum Es ist ein schmutziger Vogel, der in sein eigenes Nest scheisst. - Es ist ein schmutziger Vogel, der sein Nest mit Kot 63 verunreinigt TUNNICIUS 952. Welcher selb in sin eigen nest schisst, Den gerüwt es, e es trocken wirt Wer selbst in sein eigenes Nest scheisst, den reut es, bevor es trocken 64 wird MANUEL 277 (Elsli 533). Keyn vogel thut inn sein eygens nest, alleyn der Widbopff Kein Vogel macht in sein eigenes Nest, nur der Wiedehopf AGRICOLA Nr. 264 65 S. 209,15. Wer in sein eygen nest scheißt, der ligt unsanfft {unbequem), und ist nit 66 ehren werdt EBD. Nr. 665. Es ist ein böser vogel, der jm selbst in sein nest hofiert Es 67. 68 ist ein schlechter Vogel, der sich selbs: in sein Nest scheisst FRANCK 1,78 r. In sein eygen nest hofieren, wie ein widhopffln sein eigenes Nest scheissen wie ein Wiedehopf 69- 7] EBD. II, 50 v. EGENOLFF 51 v. £5 ist ein baser (EGENOLFF: schnöder] vogel, der in sein eygen nest hofiert Es ist ein schlechter (erbärmlicher) Vogel, der in sein eigenes Nest 72 scheisst FRANCK II, 50 v. H, 119 v. EGENOLFF 51 v. Wer sein eygen nast verunreinigt, der ligt vnsanfft, vnd ist nit ehren werdt EGENOLFF 242 r. Variiert: 73 Fr. Meinte feiz äs suillie sun ni E sur ses oisels esmelti Oft hast du sein (seil, des Hähers) Nest besudelt und auf seine Vögel geschissen4 MARIE DE FRANCE, FABLES 74 86,13. Trop est l'oisel de mesprisure Q'au son ny propre fait lesure Der Vogel ist zu sehr im Fehler, der seinem eigenen Nest Schaden zufügt GOWER, MIR. DE L'OMME 23413.

6. Die Flügel über das Nest hinausstrecken 5 75 La t. Maiores pinnas nido extendisse Die Flügel über das Nest hinausgestreckt haben HÖR., EP. 1,20,21. 76 M l a t . Pennas ultra nidum extendere Die Flügel über das Nest hinausstrecken ERAS.M., 77 ADAG. COLL. 14 r. Pennas nido maiores extendere ERASM., ADAG. CHIL. 1,6,93, 78 Dt. Die flügel über das nest ausstrecken (hinausstrecken) FRANCK 1,32r. Variiert: 79-81 Dt. Den schwantz über das nest außstrecken (hinausstrecken) FRANCK 1,121 v. Er reckt den schwantz vber das nest auß Er streckt den Schwanz über das Nest hinaus FRANCK 1,122 v. EGENOLFF 350 r.

7. —11. s. Inhaltsübersicht 12. Verschiedenes 82 S p a n . En los nidos de antano, no hay paxaros ogano In den Nestern des Vorjahres ha: es dieses Jahr keine Vögel NUNEZ , 112 (vgl. VOGEL 4.5.). S3 P o r t . De tal nino, tal paxarino Von solch einem Nest solch ein Sperling EBD. 1,282 (ei Gallego) 6 (vgl. oben 1.). 84, 85 D t , Eygen nest helt wie ein maur fest Das eigene Nest hält sicher wie eine Mauer FRANCK II, 99 v. EGENOLFF 91 v.

H. R., rev. V, M.

469

NETZ

Anmerkungen 1

2 3 4 s 6

VgL SINGER, SPRW. D. MA 111,39.

VgL WHITING B 306, Lucifer zu den Teufeln, Zum Weih gesagt. Über seinen Stand hinausstreben, sich überheben. Der Hinweis et Gallego fehlt in unserer Ausg., findet sich aber in derjenigen von Salamanca 1555,31r.

NESTEL / iacet / lace l Dt. Mti den nesteln fahet man an zuspiien Mit den Nesteln fängt man zu spielen an' EGENOLFF 83 v.

V.M. Anmerkung 1

Nach Singer erotisch. Nestel steht aber wohl eher für etwas Geringes, Wertloses; vgl. GRIMM, DWß. VII, 628, An der entsprechenden Stelle bei FRANCK II, 83 r steht: Mit dem pfenning (Pfennig) fahet märt an zu spilen.

NETZ / filet / net Hier auch GARN Vgl. FALLE, GRUBE, LEIM, REUSE, SIEB, SPINNE 1. Sich im eigenen Netz fangen (1-6). — GRUBE 6, 68. Vgl. BAD 30, FALL 3.13., FALLE L, GRUBE 1., HÄNGEN 14. 2. Das offen gespannte Netz 2.1. Vor dem, der sein Netz ganz offen spannt, braucht man keine Angst zu haben —* OFFEN 10, 12-13 2.2. Vor den Augen der Vögel spannt man die Netze vergeblich — VOGEL 108-121, 123-130. Vgl, VOGEL 61 3. Eine alte Krähe (Ein alter Fuchs, Sperling) geht nicht ins Netz— FUCHS 64, KRÄHE 112-114, SPERLING 52. Vg!. KRÄHE 115 4. Man soll nicht Hase rufen, bevor er im Netz ist —·· HASE 3.4. 5. Das Netz des Schlafenden fängt von selbst -» SCHLAFEN 7g-79, 81-83 6. Redensarten 6.1. Jemandem ein Netz legen (stellen) (7). —· GRUBE 68 6.2. Vor dem Netz fischen — FISCHEN 2, 6.3. Ins Garn führen (8). — MALEN 8-9 6.4. Das Garn riechen — NASE 165-166. Vgl. RIECHEN 8.2. 6.5. Den Wind mit einem Netz fangen wollen — EILE 118, HÖREN 140, SCHATTEN 22, WIND 96-103, 108 7. Verschiedenes (9-15}

l. Sich im eigenen Netz fangen 1 B i b l . In laqueo isto, queni absconderunt, comprehensus est pes eorum In jenem Netz, das sie im Verborgenen gespannt haben, ist ihr FUSS gefangen VÜLG,, PSALM. 9(1), 16. 2 Ir fus {Fuss} ist gefangen im Netz, das sie gestellet hatten LUTHERBIBEL, PS. 9,16.

NETZ

470

3 Mlat. Hosttbus bine intenta lupus sibi retia tendit, Et fodiens aim incidit ipse lacum Daher spannt der Wolf das den Feinden zugedachte Netz für sich selbst und fällt selbst in die Grube, die er für andere gräbt NIVARD., YSENGR. 3,128 a, 4 Fr. Tendeur se prent bien a sä roix Ein Jäger fängt sich oft in seinem eigenen Netz J. 5 MOLINET 70,160. Tendeur se prent bien a sä rais MISTERE DU VIEL TESTAM. 44212. 6 It. Che tesseva la rete nella quäle avea lui a rimanere preso Denn er wob das Netz, in welchem er selbst gefangen werden sollte Nov. DI GIACOPPO 13. -* GRUBE 6, 68. Vgl. BAD 30, FALL 3.13., FALLE 1., GRUBE 1., HÄNGEN 14.

2. —5. s. Inhaltsübersicht 6. Redensarten 6.1. Jemandem ein Netz legen (stellen) 7 Dt. Eim ein netz legen Einem ein Netz legen1 FRANCK II,92r. -» GRUBE 68 6.2. s. Inhaltsübersicht 6.3. Ins Garn führen S Dt. In ein garn oder kefich füren In ein Netz oder (einen) Käfig führen FRANCK 1,27 v. — MALEN 8-9

6.4. —6.5. s. Inhaltsübersicht 7. Verschiedenes 9 M l a t. Rete parat nummis, qui piscem captat m undis Wer den Fisch im Wasser fangen will, kauft sich für Geld ein Netz 2 WERNER 2 r67, 10 Fr. Ki de rei[njsol se covre, de lius en lius ad freit Wer sich mit einem kleinen Netz bedeckt, friert hier und da RAWLINSON 81 (= MORAW. 1904. MORAW., ROMANIA 50 511} (vgl. KNÄUEL 1.). n It. ... ehe sapeste ... mettergli la rete innanzt, quando vedete ehe st buono pesee vi viene incontro Damit Ihr versteht, ihm das Netz entgegenzuwerfen, wenn Ihr seht, dass n ein so guter Fisch auf Euch zukommt MAZZEI, LETTERE 1,26 (1392). Ben ehe st diea: Chi e senza roba, e fora de la rete Obwohl man sagt: „Wer ohne Gut ist, ist ausserhalb des Netzes" BOIARDO, POESIE 358 (Timone 2, l, 186). 13 S p a n . En el rio que no hay peces, por demas es eehar redes In dem Fluss, in dem es keine Fische gibt, ist es nutzlos, Netze auszuwerfen NUNEZ H, 111. 14 Nord. Ok erbvilanga not at at draga Und deshalb ist ein langes Netz heranzuziehen 3 NJÄLS SAGA 91,10 ( = JONSSON, ARKiv 294. JONSSON 125). 15 Dt. Swer die locker an dem netze vergarnet. Ger mag frevde enpfahen an den vischen Wer die Löcher irn Netz stopft, der kann an den Fischen Freude haben ALBR. v. SCHARFENBERG, J. TlTUREL 3359.

H. U. S.

Anmerkungen 1

Vgl. ERASM., ADAG. CHIL. 1,10,5 u, 4,5,70 In laqueum (transennam) inducere In die Schlinge (ins Netz) führen. In der Antike ist das Bild u.a. bei THEOPHIL., FRG. 11 u. FLAUT., AsiN. 215 ff. belegt. Vgl. GRIMM, DWß. IV.I.1,1366 zur Obers, von laqueus mit ,Garn' u. ,Netz* in mittelalterlichen Glossen.

471 2 3

NEU

VgL SEILER, DT. SPRICHWÖRTER LAX. 50 u. dazu unsere Nr. 15. D, h., es bedarf sorgfältiger Vorbereitungen,

NETZEN s. NASS NEU / nouveau / new Hier auch NEUHEIT 1. Reiz und Vorzug des Neuen 1.1. Ailg. 1.1.1. Das Neue gefällt und erfreut {mehr als das Alte) (1-28). Vgt. APFEL 13., ARBEIT 2.9.1., DIEB 12., ERLAUBEN 5., FERN 1., FREMD 3., GEFAHR 9., GEWINN 4.13., HABEN 3.3., LEICHT 4.2., MANGEL 3, NARR 8.8.1., SEHEN 12., SELTEN 1.1., TEUER 1.1., UMSONST 2.1,, VERBERGEN 8.7., VERBIETEN l,, WARE 4,, WASSER 8.2,3., WISSEN 80 1.1.2. Alle begehren etwas Neues (zu sehen, zu hören und zu wissen) (29—38) 1.1.3. Verschiedenes (39-42) 1.2. Spez. 1.2.1. Neue Schuhe und neue Fürsten zieht man den alten vor (43—45) 1.2.2. Neue Ärzte, Huren und Melodien gefallen sehr (46—47) 1.2.3. Neue Liedlein singt man gern (48—49) 1.2.4. Neuer Rat scheint am vielversprechendsten zu sein (SO—52) 1.2.5. Neue Mode und Dinge bezaubern die Narren (S3-54). -» NARR 913-914 1.2.6. Neuen Schild hängt man an die Wand —> SCHILD 3. 1.2.7. Neue Besen kehren gut — BESEN 3. 1.2.8. Neue Diener sind tüchtig (55-57;. -* BESEN IS 1.2.9. Neues klingt, Altes klappert (58-59) 1.2.10. Verschiedenes (60-62) 2. Unberechenbarkeit des Neuen 2.1. Aug. (63-70) 2.2, Spez. — FREUND 1091, 1114-1115, 1122, 1131, 1142, 1144-1146 3. Negative Aspekte des Neuen —· FREUND 2.2.11. 4. Relativer Wert des Neuen — BAUCH 103, 106, 108-110 5. Folge und Wirkung des Neuen 5.1. Neue Zeiten, neue Sitten und Tatsachen (71-72). Vgl. ANDER 4.1.2., ÄNDERN 4. 5.2. Neue Herrscher, neue Gesetze (73 — 76) 5.3. Neue Tatsache, neuer Rat (77-78) 5.4. Neues Geschäft, neuer Rat (79-81) 5.5. Neue Krankheiten, neue Arzneien — ARZNEI 56-58, HEILEN 2 5.6. Verschiedenes (82-84)

6. Neu und ait Vg!, oben 1.1,1., 1.2,1. 6,1. Altes ist besser als Neues 6.1.1. Allg. -* ALT 451, 453, HALTEN 78, 81. Vgl. FREUND 1124-1126, 1129 6.1.2. Spez, 6.1.2.1. Alte Herren und Diener sind besser als neue —* ALT 7.1.2.1. 6.1.2.2. Alte Freunde sind besser als neue — FREUND 1090-1092, 1114-1116, 1120, 1122, 1131-1132, 1135-1136, 1138, 1142, 1144-1146. Vgl. FREUND 1117, 1121. 1130, 1143 6.1.23. Alte Wege sind besser als neue — WEG 131-138,141-142,147-149

NEU

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6.1.2.4. Alte Schwerter sind besser als neue -» SCHWERT 30 6.1.2.5. Alter Wein ist besser als neuer -» FREUND 5.8.2., WEIN 289-290 6.1.2.6. Alte Schuld ist weniger schlimm als neues Geschwür (neue Sünde) —· SCHULD 1.2. 6.2. Neues ist besser als Altes s. oben 1,1,1., 1.2.1. 6.3. Aus Altem kommt Neues Vgl. ALT 7.3.1. 6.3.1. Alte Sünde, neue Schande -» SCHANDE 26-40, 42-60 6.3.2. Alte Sünde, neue Busse —· SÜNDE 3.3.4.2.2. 6.3.3. Alte Sünde, neues Leid — SÜNDE 126 6.3.4. Altes Unrecht, neuer Schaden — UNRECHT 6. 6.3.5. Alte Rechnung, neuer Zank — RECHNEN 5. 6.3.6. Alter Hass, neuer Tod — HASS 10-11 6.4. Neues bessert Altes aus — HAUS 117-119, MAULTIER 50, RIND 15.2., SCHIFF 47 6.5. Neues vertreibt Altes -» LIEBE 808 6.6. Neues passt nicht zu Altem 6.6.1. Neuer Wem gehört nicht in alte Schläuche -> SCHLAUCH 1-3,5,8-11 6.6.2. Altes Kleid flickt man nicht mit neuen Lappen —* KLEID 5.3. 6.7. Neulinge werden mehr geschätzt und besser behandelt als Alte (85 — 86). —· DIENEN 642-643 7, Es gibt nichts Neues unter der Sonne (87-93), Vgl. WORT 4,2. 8. Verschiedenes (94-96)

1. Reiz und Vorzug des Neuen

1.1. Allg. 1.1.1. Das Neue gefällt und erfreut (mehr als das Alte) 1 La t. Nam gaudere novis rebus debere videtur Cut veteres obsunt Denn der scheint sich an neuen Dingen erfreuen zu müssen, dem die alten zuwider sind LUCRET. 5,170. 2 Es/ qitoque cunctarum novitas cartsstma rerum Auch ist die Neuheit bei allen Dingen sehr angenehm OVID., EX Po 3,4,51.

3. 4 M l a t . Quia omnia nova placent Denn alles Neue gefällt SACCHETTI 157. Congaudere novis rebus solet, ut puto, quivis Jeder pflegt sich, wie ich glaube, an neuen Dingen 5 mitzufreuen WERNER 2 c 81. Est nova res grata; vilet res inveterata Das Neue ist ange-

6 nehm, das Veraltete ist werdos EBD. e 84. Fertur cunctarum novitas gratissima rerum 7 „Die Neuheit", sagt man, „ist bei allen Dingen sehr angenehm" EBD. f33. Omne novum pulchrunt; fit vilius inveteratum Alles Neue ist schön, das Veraltete wird wertlo8 ser EBD. o 33. Quando novae veniunt res, tune nova gaudia ftunt Wenn neue Dinge kommen, dann entstehen neue Freuden EBD. q 39. 9 Fr. Je l'ai mainte fots oft dire Que tel chose est de novel A un home et boen et bei Que puels li tornet a anui Ich habe es oft sagen hören, dass manch Neues für einen Menschen sowohl gut als auch schön ist, das ihm dann zum Überdruss wird AIM. VAR., W FLORIM. 10950. De novel tout est bei, et de viez entre piez Solange es neu ist, ist alles n schön, und sobald es alt wird, (gerät es) zwischen die Füsse VILAIN 212. De nouel tot est bei, de uieut entre piez. — Res noua fit grata, pedibus teris inueterata. Res noua queque placet, inueterata iacet Solange es neu ist, ist alles schön; sobald es alt wird, (gerät es) zwischen die Füsse. — Neues ist angenehm, Veraltetes trittst du mit den

12 Füssen. Alles Neue gefällt, das Veraltete liegt darnieder ZACHER 256. Pour ce que l'en dit communement et en proverbs: „de nouvel toutm'est bei" Daher sagt man allgemein 13 und im Sprichwort: „Alles Neue ist für mich angenehm" TRISTAN PROSE 185. De 14.25 nouvel tout m'est bei LEROUX II, 285 (13. Jh.). De novel tout m'e$t bei MORAW. 533. 16 PROV. RUR. 441. Car chose plaist qui nouvele est Denn etwas, was neu ist, gefällt G.

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17 DE MACHAUT, REM. DE FORTUNE 1976. Car on dist que nouvielles coses plaisent au vir Denn man sagt, dass neue Dinge gefallen, wenn man sie sieht GILLES LI MUISIS IS 1,104. DM novel semble bei e de veuz entre peez Das Neue scheint schön, und das 19 Alte (gerät) unter die Füsse CAMBR, SAMML. (+LEROUX 11,475). De nouvel tout bei, et de viel entrepies Alles Neue ist schön, und das Alte (gerät) unter die Füsse ET. LEGRIS 189. 20 It. Le cose nuove piacdono con piü forza ehe le molto vedute Die neuen Dinge 21 gefallen stärker als die häufig gesehenen Bocc., FIAMMETTA 4 S, 82. Per dö ehe (e cose moderne e nove deletiano sempre e piacdono piü ehe le antique e le veccbie, le quäle, per longo uso, sogliano sapere dt vieto Weil die modernen und neuen Dinge immer mehr erfreuen und gefallen als die antiken und die alten, welche durch den 22 langen Gebrauch ranzig zu schmecken pflegen BIBBIENA, CALANDRIA Pro!, l, Piacendo sempre le cose nuove, come tu $ai... Da das Neue immer gefällt, wie du weisst 23 ARETIN, RAGIONAMENTI 1,96. Di nouello ogni cosa e bella Alles Neue ist schön MERBURY 28. 24 Span. Lo novel, todo es bei Alles Neue ist schön NUNEZ 11,310. 25 Dt, Men plecht to seggen, und tis en öltgbesproken word: Wat nye is, dat is leefM&n pflegt zu sagen, und es ist ein altes Sprichwort: „Was neu ist, ist lieb" VEGHE 307,34. 26 Niuwer dinge fröuwet sich Ein ieglich man: so tuon ouch ich. Man fröut sich maneger niuwe, Diu schiere zergät mit riutve An neuen Dingen freut sich jedermann; so ergeht es auch mir. Man freut sich über manche Neuheit, die unter Reue schnell vergeht FREI27 DANK 119,2. Pectora de rebus cujmque novis hylarescunt, Sic mihi cum teneo nova gaudia plurima crescunt. - Newer ding frewet sich Ein ichlich man: alzo thu ich Die Gemüter aller freuen sich über neue Dinge; so wächst auch in mir die grösste Freude, 28 wenn ich Neues habe. — ... FREIDANK LAT. (GöRLiTz) 1700. Und man hat allzeit das Neue lieber als das Alte ELISAB. v. NASSAU, LOH ER 47. Vgl. APFEL 13., ARBEIT 2.9.1., DIEB 12., ERLAUBEN 5„ FERN 1., FREMD 3., GEFAHR 9., GEWINN 4.13.s HABEN 3.3., LEICHT 4.2., MANGEL 3, NARR 8.8.1., SEHEN 12., SELTEN 1.1., TEUER 1.1., UMSONST 2.1., VERBERGEN 8.7., VERBIETEN 1., WARE 4., WASSER 8.2.3., WISSEN 80 29 30

31

32 33 34 35

1.1.2. Alle begehren etwas Neues (zu sehen, zu hören und zu wissen) Bibl. Athenienses autem omnes ...ad nihil aliud vacabant, nisi aut dicere aut audire aliquid novt VULG., ACT. 17,21. Die Athener aber alle ... waren gerichi auff nichts anders, denn etwas newes zu sagen oder zu hören Die Athener aber waren alle auf nichts anderes eingestellt als darauf, etwas Neues zu sagen oder zu hören LUTHERBIBEL, APOST. 17,21. M l a t , Quia unusquisque appetit scire naturaltter et audire novitates. Vnde legitur de Atheniensibus, quod ad hoc studebant, ut scirent vel audirent aliquid novi Weil jeder von Natur aus Verlangen hat, Neues zu wissen und zu hören. Daher sagt man von den Athenern, dass sie danach trachteten, etwas Neues zu wissen oder zu hören IAC. CESS. 71-72. Fr. Le cueur humain doit tousjours tendre A veoir quelque nouvettete Das menschliche Herz trachtet immer danach, etwas Neues zu sehen NICOLAS DE LA CHESNAYE, BANCQUET 277. It. Come sono gli uomini sempre cupidi di novitä Wie sind doch die Menschen immer begierig auf Neues CASTIGLIONE, CORTEGIANO pref. S. 17. N o r d . &vi at alpydan er giornn til nyiungarinnar Denn die Leute sind erpicht auf das Neue SNORRI, OLAFS SAGA HELGA 35 S. 33. Pvtat alpyöan er gjorn til nyjungarmnar SNORRI, HEIMSKRINGLA 201,14 (Olafs saga heiga 35}.

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36 Eng l. For men seyn all weys pat newe thinges and newe tydynges ben plesant to here Denn man sagt immer, dass es angenehm ist, neue Dinge und neue Nachrichten zu 37 hören MANDEV., TRAV. 209,25. As the philosopher, in the fyrst booke of hys metaphysyqm, sayth, that every man naturally desireth to know and to con newe thynges Wie der Philosoph im ersten Buch seiner Metaphysik sagt, dass jedermann von Natur aus wünscht, neue Dinge kennenzulernen und zu wissen CAXTON, SONNES OF AYMON 3,l,i 38 Dt. Wan eins ieklichen menschen kint Begert der dinge, da nuwe sint Und vrömde, ze wissen ze aller zit Denn ein jeder Mensch (wörtl,: eines jeden Menschen Kind) ist stets begierig, Dinge, die neu sind und fremd, zu wissen KONR. v. AMMENHAUSEN 1741.

1.1.3. Verschiedenes 39 Ml at. Res nova solUcitos invitat semper ocellos Das Neue zieht immer die wachsamen Augen auf sich ALBERT. STAD., TROILUS 6,615. 40 Dt. Wan daz ist der werlde site, Daz st der niuwe volget Denn es ist die Art der Welt, 41. 42 dass sie dem Neuen folgt HEINR. v. D. TÜRLIN 2269. Das new das trew Das Neue, das Zuverlässige FRANCK H, 7 r. EGENOLFF 11 r.

1.2. Spez. 1.2.1. Neue Schuhe und neue Fürsten zieht man den alten vor 43 Fr. Et d'autre part valent miex, ce sachiez, Uns nues sollers que .II. paire de viez Und andererseits, wisset dies, ist ein neuer Schuh mehr wert als zwei Paar alte J. BRETEL HEUX-PARTIS 69,49). 44. 45 Dt. New schüch vnnd fürsten hat mann lieber dann (als) alt FRANCK H, 85 r. EGENOLFF 85 v.

1.2.2. Neue Ärzte, Huren und Melodien gefallen sehr 46 Mla t. Sunt nova grata tria: meretrix, medicus, melodia; Quae satis ingratat dum sunt haec inveterata Drei Dinge sind angenehm, wenn sie neu sind: eine Hure, ein Arzt, eine 4? Melodie. Wenn sie aber alt sind, sind sie einem ziemlich zuwider WERNER Z s 217. Sunt noua grata tria. Medicus, meretrix, melodia EGENOLFF 11 r.

1.2.3. Neue Liedlein singt man gern 48. 49 Dt. New Hedlin singt man gern Neue Liedlein singt man gerne FRANCK II, 7r. EGENOLFF 11 r.

1.2.4. Neuer Rat scheint am vielversprechendsten zu sein 50 Nord. Pvi ai sua er bvondom gefit, at pat raö er pa er nyiast. pat er pa avllvm kerst Denn die Bauern haben die Art, dass derjenige Rat, der da der neuste ist, allen am 53 liebsten ist SNORRI, OLAFS SAGA HELGA 201 S. 205. Pviat sva er bondum gefit, at pat raö, er pa er nyjast, pat er pa ollum kxrst SNORRI, HEIMSKRINGLA 387,18 (Olafs saga 52 helga 205). Ok pikir pat v&nast raö, er pa er nygjört Und derjenige Rat gilt als der vielversprechendste, der neu gegeben (word.: gemacht) worden ist OLÄFR PORDARSON(?), KNYTLINGA SAGA 44 (+FMS XI,250).

1.2.5. Neue Mode und Dinge bezaubern die Narren 53 Dt. Neuwer sitt die narren reit Neue Mode reitet die Narren WITTENWILER, RING 54 5058. Was nuw ist, allzyt doren glust Narren gelüstet es stets nach dem, was neu ist BRANT, NARRENSCHIFF 34,8. — NARR 913-914

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1.2.6. —1.2,7, S.Inhaltsübersicht 1.2.8. Neue Diener sind tüchtig 55 M l a t . Dum noui sunt multa reuerenter agunt, necligentur autem postea Solange sie (seil, die Dienenden) neu sind, tun sie alles voll Ehrerbietung, nachher aber werden sie 56 nachlässig GUALT. MAP,, NUG. CUR, 12,10. Est omnis servus in novitate probus Jeder Diener ist gut, wenn er neu ist WERNER 2 e 88. 57 Dt. New ebehelten machen sich den ersten tag ...so maußig und rüstig, das die hern wünschen, es so/ keyner kein ehehalten vber acht tag haben Neue Dienstboten sind den ersten Tag so nützlich und einsatzfreudig, dass die Herren wünschen, dass keiner einen Dienstboten länger als acht Tage haben sollte FRANCK I, 84 r. -> BESEN 15

1.2.9. Neues klingt, Altes klappert 58. 59 Dt. Das new klingt, das ah klappen FRANCK II, 7r. Das alt klappert, das new klinget EGENOLFF 11 r.

1.2.10. Verschiedenes 60 M l a t . Optat inexpertum novitatis arnica voluptas Die Wollust, die das Neue liebt, wünscht Ungewohntes WERNER, BEITR. 79,172e. 63 Nord. Vasa nouella placent in face prisca iacent. - Ee cere ny kcer hyon oc gamblce flyde t illcen Neue Gefässe gefallen, die alten liegen im Feuer. — Immer sind die neuen Gefässe den Eheleuten wert, und die alten wandern ins Feuer LÄLE 1110. 62 Dt. Wann nüwe bulen vnd nüwe pferd Haltet man gern im guotem werd Denn neue Geliebte und neue Pferde schätzt man gerne hoch ein H. v. BÜHEL, KÖNIGSTOCHTER 6902.

2. Unberechenbarkeit des Neuen 2.1. Aug. 63-65 Mlat. Euentus uarios res noua semper habet Neues hat immer einen Ungewissen 66. 67 Ausgang MAXIMIAN. 2,54. ALBERT. STAD., TROILUS 6,36. WERNER 2 ellS. Caües antiquos serua ueteres et arnicas; Res incauta satis est affectus nouitatis Behalte die alten Wege und die alten Freunde bei! Die Vorliebe für Neues ist eine sehr unsichere es Sache FLOR. GOTTING. 29 (-FREUND 1124). WERNER 2 c 5 {= FREUND 1125). Expedit antiquos calles teneas et amicos! Res incauta satis est effectus (lies mit Hs. Ba: affectus}2 novitatis Es ist gut, wenn du die alten Wege und Freunde beibehältst ... 69 WERNER 2 e 148 (= FREUND 3 129). Res incauta satis est affectus novitatis WERNER r 56. 70 It. Che dubitosa e cosa nova Denn ungewiss ist etwas Neues GUITTONE, SON. 149,18.

2.2.—4. s. Inhaltsübersicht 5. Folge und Wirkung des Neuen Vgl. oben 3.2.-3.3, 5.1. Neue Zeiten, neue Sitten und Tatsachen 71 Mlat. Adduxere nouos semper noua sqcula ritus Neue Zeiten haben immer neue Sitten herbeigeführt NIVARD., YSENGR. 3,339. 72 Fr. De nouvel tens, nouvelle chose Von neuer Zeit neue Gegebenheit CHRON. DE S. MAGLOIRE 282. Vgl. ANDER 4.1.2., ÄNDERN 4.

NEU

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5.2. Neue Herrscher, neue Gesetze 73 M l a t . Novus Rex, Novus (!) Lex Neuer König, neues Gesetz LUTHER, WA LI, 209,22 {1534-35}. 74 Fr. Vous s$avez que c'est commun dit: Nouveau prince, nouvel esdit Ihr wisst, dass dies ein verbreiteter Spruch ist: „Neuer Fürst, neues Edikt" MISTERE DU VIEL TESTAM. 75 23053. Nouveau prince, nouvette loy Neuer Fürst, neues Gesetz GRINGORE 11,90 (S. Loys 1945). 76 Span. Nuevo rey, nueva ley Neuer König, neues Gesetz NUNEZ III, 84.

5.3. Neue Tatsache, neuer Rat 77 Fr. De novelle chousse novel conseiL — Consilium renova re vemente nova Von neuer Gegebenheit neuer Rat. - Erneuere den Rat, wenn etwas Neues kommt! HILKA 87. 78 A nouveau fait nouveau conseil Bei neuer Tatsache neuer Rat J. DE BUEIL, JOUVENCEL 2,16 S. 36.

5.4. Neues Geschäft, neuer Rat 79 Span. nueuo negocio, nueuo consejo se requiere Für ein neues Geschäft ist ein so. 8l neuer Rat erforderlich CELESTINA 108 (5). A nuevo negocio nuevo consejo Für ein neues Geschärt ein neuer Rat NUNEZ 1,94. HALLER 230,

5.5. s. Inhaltsübersicht 5.6. Verschiedenes 82 Fr. De nouele parole nouias consal, — De sermone nouo tibi consilium renouetur. Consilium renoua statim, si sermo nouetur Von neuem Wort neuer Rat. — Bei einer neuen Rede werde von dir der Rat erneuert. Erneuere sogleich den Rat, wenn die Rede S3 erneuert wird! ZACHER 186 (= MORAW. 531). Nouveau maistre, nouvel argent Neuer Herr, neues Geld MISTERE DU VIEL TESTAM. 21949. 84 It. E per do si dice: Li nuovi itomeni le nuove cose Und daher sagt man: „Neue Menschen, neue Dinge" SACCHETTI 200.

6. Neu und alt Vgl. oben 1.1.1., 1.2.1. 6.1. —6.6. s. Inhaltsübersicht 6.7. Neulinge werden mehr geschätzt und besser behandelt als Alte 85 S p a n . AI que es nueuo, dale vn hueuo: al ques vtejo, den le odemo {lies: a o detno, Red.) Dem, der neu ist, gib ein Ei; den, der alt ist, jage man zum Teufel! HALLER 172. 86 Port. Quando fueres novo, darte han huun hovo, si vello, a o demo Wenn du neu bist, wird man dir ein Ei geben, wenn alt, dann zum Teufel mit dir NUREZ III, 224 (ei Portugues). — DIENEN 642-643

7. Es gibt nichts Neues unter der Sonne 87 Bibl. Nihil sub sole novum Unter der Sonne gibt es nichts Neues VULG., ECCLES. ss l, 10. Vnd geschieht nichts newes vnter der Sonnen Und es geschieht nichts Neues unter der Sonne LUTHERBIBEL, FRED, l, 9. 89 M l a t . Nil sub sole novum Es gibt nichts Neues unter der Sonne Bocc., BUCC. 9,138. 90 Fr. Car ou monde {lies: mont}, se Dien me doint joye, Soubz le del n'a riens de nouvel Denn in der Welt gibt es, so wahr mir Gott Freude geben möge, unter dem

477

NEUIGKEIT

91 Himmel nichts Neues ROMANIA 40,18 {Hs, um 1480). Salomon dit qu'i n'est chose nouveile Soubz le souleil qu'aultrefoys ne soyt eu Salomon sagt, dass es nichts Neues unter der Sonne gibt, das es nicht früher schon gegeben habe JACQUES DE BUGNIN 53. 92 Dt. Salomon spricht „nüt ist vnder der sonnen das neüwe sey" Salomon sagt: „Nichts 93 gibt es unter der Sonne, das neu ist" TAULER(?) (-»SCHULZE 111)3. Da spricht nu her salamon Das wir nicht nüwes hon Daher sagt nun Herr Salonion, dass wir nichts Neues haben HEINR, D. TEICHNER (* LIEDERSAAL 151,47). Vgl. WORT 4.2.

8. Verschiedenes 94 Mlat. No« auscultator, non sis novitatis amator Sei kein Zuhörer und Liebhaber von Neuheiten! WERNER 2 n 114. 95 Fr. // n'est nuls qui puist faire cose nulle si hielte Que tous les jours ne viegne sur chou cose nouf teile Es gibt niemanden, der etwas noch so Schönes tun kann, ohne dass alle Tage darauf etwas Neues folgt GILLES LI MUISIS H, 9. 96 It. Chi vuole del fresco, non vadi ä cercarlo Wer Neues will, ziehe nicht aus, um es zu suchen MERBURY 15. V.M.

Anmerkungen 1

Vgl. WHITING T142.

2

Auch bei WERNER 2 c5 (= NEU 67) ist mit der Hs, Ba affectus zu lesen statt effecius, Schulze zitiert vermutlich nach der Ausg. Basel 1521, wo aas allerdings fehlt.

3

NEUGEBOREN s. GEBÄREN NEUGEWINN s. ZURÜCKGEWINNEN NEUGIER / curiosite / curiosity Hier auch NEUGIERIG

Neugier ist schlecht Lat. Nam curiosus nemo est quin sit malevolus Denn alle Neugierigen sind bösartig FLAUT., STICH. 208. Dt. Niugerne grozen schaden tuot, Si velschet manegen staeten muot Neugier richtet grossen Schaden an, sie verdirbt manch standhaftes Gernüt FREIDANK 133,25 a, Mens, que miratrix rerum studet esse novarum, Inconstans studio fieri cogetur earum. — Neügerne grossin schadin thut, Sie feiset manchen steten mut Ein Sinn, der voll Eifer Neues bewundert, wird zwangsläufig durch sein Streben danach unbeständig [werden]. - ... FREIDANK LAT. (GÖRLITZ) 1444. V.M.

NEUGIERIG s. NEUGIER NEUHEIT s. NEU NEUIGKEIT s. GERÜCHT

NEUJAHR

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NEUJAHR / nouvel an / New Year / F r , A Van neuf les jours croissent le repas d'un boeuf Am Neujahr nehmen die Tage um das Futter eines Ochsen zu LEROUX 1,118 (15. Jh.) (vgl, LUCIA ).

v; M.

NEUN / neuf / nine 1. Viele Frauen haben neun Häute — HAUT 12-13 2. Der Mensch hat neun Fenster —· FENSTER 5. 3. Ein junger Mann kann neunmal verderben und dennoch wieder genesen —* JUNG 34, 37

H. V. S. NEUNUNDNEUNZIG / quatre-vingt-dix-neuf / ninety-nine Im Himmel ist mehr Freude über einen reuigen Sünder als über neunundneunzig Gerechte Pro v. Quelh sank d'un aital peneden Fan mat de festa sus el ceh Que de .LXXXXIX, fizels Denn die Heiligen freuen sich über einen solchen Reuigen unter dem Himmel mehr als über neunundneunzig Getreue MATFRE ERM., BREV. D'AM. 20041. I t . Che piü gloria e nel regno degli eletti D'un spirito converso, e piü s'estima, Che di novantanove altri perfetti Denn im Reich der Auserwählten wird einer bekehrten Seele mehr Ruhm zuteil und sie wird mehr geschätzt als neunundneunzig [andere] Vollkommene PETRARCA 4 Son. 5 (S. 420). £ chi s'emenda, e scritto nel Vangelo, Che maggior festa fa d'un solo Iddio, Che di novantanove altri su in cielo Und im Evangelium steht geschrieben, dass Gott sich über einen einzigen, der steh bessert, mehr freut als über neunundneunzig andere im Himmel oben PULCI 1,59. -» SCHAF 103-104, SÜNDE 401-402, 406, 408, 411-412, 414, 416, 420-421, 424-425 H. U. S. NEUNZIG / quatre-vingt-dix / ninety Mit neunzig Jahren ist man der Spott der Kinder (der Welt) —* JAHR 5.1.

NICANOR — WILDBRET l, 3

NICHTS / rien / nothing 1. Nichts ist nichts {1-2} 2. Alles (Der Mensch) ist nichts {3-8). Vgl, EITEL 1. 3. Alles kehrt ins Nichts zurück (9-12). Vgl, ASCHE 9.1,, DAUER 1.1., DRECK 6.4., ENDE 1,1.1., ERDE 9.1., EWIG 1., KOMMEN 1.3.-1.4., NACKT 1.1., STAUB 1., TOD 1.2.-1.3., VERGEHEN 1.1.1.

479

NICHTS

4. Aus nichts wird nichts

4.1. Allg, (13-26) 4.2. Spez.: Aus nichts kann man keinen Gem sebrei machen —* GEM SE 5. 5. Wo nichts ist, kann man nichts erwarten

5.1. Wo nichts drin ist, kommt nichts heraus (27-29), Vg]. INNEN 4.1. 5.2, Wo nichts ist, kann man nichts nehmen (30-38). — K NIG 7-8. Vgl. unten 6. 6. Wo nichts ist, geht nichts verloren (39-67). Vgl, oben 5,2., ARM (Adj.) 3,5.2., DIEB 13.1., GEHEN 8.8., GUT (Sufast.) 3.9., HABEN 6.3.1.2., NACKT 3.1., REICH 66, SCHLAFEN 4.2.3., SINGEN 12. 7. Wer nichts tut, kommt zu nichts 7.1. Wer nichts wagt, gewinnt nichts — WAGEN (Vb.) 112-116, 121-123 7.2. Wer nichts unternimmt, bringt nichts zustande —* ANFANG 36-38, 43-44, 46 8. Um nichts erh lt man nichts (68-72). Vgl. UMSONST 1,1. 9. Aus nichts eine grosse Sache machen (73 — 74)

1. Nichts ist nichts 1.2 Fr. Rien n'est rien Nichts ist nichts Mo RAW. 2214. Uns nienz es d'autre compratz Ein Nichts wird vom anderen aufgewogen ALBERTET 19,16.

2. Alles (Det Mensch) ist nichts 3 M l a t . Quid nisi terra sumus? et terra nihil nisi fimus; Sed nihil esi fimus; nos nihil ergo sumus Was sind wir anderes als Erde? Und die Erde ist nichts anderes als Kot. Kot aber ist nichts, also sind wir nichts WERNER 2 q 162. 4 P r o v . Toi es niens Alles ist nichts GUILLAUME IX 7,18. 5. 6 Span. Todo es nada, sino irigo y feuada (N NEZ: cebada] Alles ist nichts, ausser 7 Weizen und Getreide LOPEZ(?), REFRANES 676. NUNEZ 111,438, Ma todo e nada, dice la (lies: /o, Red.) Spagnardo „Aber alles ist nichts", sagt der Spanier ARETIN, s RAGIONAMENTI H, 112. Todo es nada ARETIN, CARTE 50. Vgl. EITEL 1.

3. Alles kehrt ins Nichts zur ck1 9 M l a t . Nam prope sunt hominis similes occasus et onus, Qui velut ex nihilo jvitamj procedit in istam, Et velut in nihilum vita discedit ab ista Denn fast gleich sind Anfang und Ende des Menschen, der gleichsam aus dem Nichts in dieses Leben eintritt und 10 gleichsam ins Nichts aus diesem Leben weggeht MARBOD. 1696 B. Ortus cuncta suos repetunt matremque requirunt, Et redit in nichilum, quod fuit ante nichii Alles strebt wieder seinem Ursprung zu und sucht die Mutter, und es kehrt ins Nichts zur ck, was vorher nichts war FLOR. GOTTING. 233. ι ί Fr. Toi est nient, nient revert Alles ist nichts und kehrt ins Nichts zur ck CHAST. 23,123. 12 EngL That erst was no thing, into nought it torneth Was vorher nichts war, kehrt ins Nichts zur ck CHAUCER, TROILUS 2,798. Vgl. ASCHE 9.1., DAUER 1.1., DRECK 6.4., ENDE 1.1.1., ERDE 9.1., EWIG 1„ KOMMEN 1.3.-1.4., NACKT 1.1., STAUB 1., TOD 1.2.-1.3., VERGEHEN 1.1.1.

4. Aus nichts wird nichts2 4.1. Allg. 13 Gr. Καί κ' ουδέν εκ δένος γένοιτο Aus nichts k nnte nie etwas entstehen ALK. 23 D 14 S. 76.3 Ούδαμά αν γένοιτο ουδέν εκ μηδενός Unter keinen Umst nden k nnte etwas

NICHTS

480

15 aus nichts entstehen MELISS. 1. Το γαρ μηθέν εκ μη οντος γίγνεσθαι παν δ* ες δντος, σχεδόν απάντων έστϊ κοινόν δόγμα των περί φύσεως Dass nichts aus dem Nichtsetenden entsteht, vielmehr alles aus dem Seienden, ist die gemeinsame Lehre fast aller Naturphi16 iosophen ARISTOT., METAPH. 10,6,2. Μηδέν τε εκ του μη οντος γίνεσθαι μηδέ εις το μη ον φθείρεσθαι Nichts entsteht aus dem Nichtseienden, und nichts vergeht ins 17 Nichtseiende DIOG. LAERT. 9,44 (Demokritos). Πρώτον μεν {seil, δει συνοραν) cm ούθέν γίνεται εκ του μη οντος Zun chst muss man erkennen, dass nichts aus dem Nichtseienden entsteht EBD. 10,38 (Epikuros). IS La t. Nullam rem e nihilo gigni divinitus umquam Es ist g ttliche Ordnung, dass 19 niemals etwas aus dem Nichts entsteht LUCRET. 1,150. ... gigni De nihilo nihtlum Dass nichts aus nichts entsteht PERSIUS, SAT. 3,83, 20 Mlat. Nam nihil ex nibilo exsistere vera sententia est Denn es ist ein wahrer Spruch, 21 dass ... BOETH. 5,1,20. Sicut vox omnium est quia nihil de nihilo Wie alle sagen, dass nichts aus nichts wird ANSELMUS, MONOLOGIUM 155 C. 22 Engl. For this sentence is y erray and soth, that »no thing hath his beynge of naught" Denn dieser Spruch ist richtig und wahr, dass nichts seine Existenz von nichts hat CHAUCER, BOECE 5 Prosa l S. 423. 23 Nl. Van niet en comt niet. — Ex nihilo nihil summis (lies: summus) philozophus inquit Von nichts kommt nichts. - ... sagt der gr sste Philosoph PROV, COMM. 733. 24 Dt. Sprich, u nickte werde nicht, Als miner k nste meister spricht Sag, dass aus 25 nichts nichts wird, wie mein Lehrer sagt! HEINR. v. M GELN, MEIDE KRANZ 133. Van 26 nycht en kumpt nycht bers, wie 23 PROV. COMM. MND. 685. Van nicht kumt nicht. — Fit nihil ex nihilo turba referents sophorum Von nichts kommt nichts. — ... wie die Schar der Weisen sagt TUNNICIUS 1082.

4.2. s. Inhalts bersicht 5. Wo nichts ist, kann man nichts erwarten 5.1. Wo nichts drin ist, kommt nichts heraus 27 Mlat. In quo nihil honi est, ex eo nihil boni exit Wo nichts Gutes drin ist, kommt auch nichts Gutes heraus 4 BEBEL, PROV. GERM. 576. 28 Nl. Daer niet en is daer rijst niet. — Est vbi res nulla scio quo res non cadit vlla Wo nichts ist, da f llt nichts ab. — Wo nichts ist, da weiss ich, dass nichts abf llt PROV. COMM. 176. 29 Dt. Dar nycht en is ryst nycht PROV. COMM. MND. 176. Vgl. INNEN 4.1.

5.2. Wo nichts ist, kann man nichts nehmen 30 Fr. Len ne pent rien prendre ou rien n'a Man kann nichts nehmen, wo nichts ist 31 MORAW. 1522. Homme ne peut rien prendre l o n'a rien LEROUX 1,248 (15. Jh.). 32. 33 L'en ne pent rien prendre l o rien n'a EBD. 11,338 (15. Jh.). Ei qui n'a riens, nul ne ly oste Und wenn einer nichts hat, nimmt ihm keiner etwas J. MOLINET 660,97. 34 Dt. Swer nien hat, dem nimt man niht Wer nichts hat, dem nimmt man nichts THOM. 35 v. ZIRCLARIA 2689.

Wat kan me dar vele nemen, Dar nichts nicht ts myt allen Was

36 kann man da viel nehmen, wo berhaupt nichts ist BOTE, KOKER 1763. Dar nicht en is, dar kan men nicht nemen, — A corylo malum, crines quis tollet ab ovo? Wo nichts ist, da kann man nichts nehmen. — Wer wird vom Haselstrauch einen Apfel, vom Ei 37. 38 Haare nehmen? TUNNICIUS 1177. Wo nicht (EGENOLFF; nichts} ist, da nemen auch

481

NICHTS

tausent gewapneter mann nicht Wo nichts ist, da nehmen auch tausend bewaffnete Männer nichts FRANCK II, 97 r. EGENOLFF 90 r. — KÖNIG 7-8. Vgl. unten 6.

6. Wo nichts ist, geht nichts verloren 39 Mlat. Qui nil possedtt, nichil hie se perdere credit Wer nichts besitzt, der glaubt 40 nicht, dass er etwas verliert PROV. RUST. 39. Qui sine re (Van: vacuus) vadit, res sibi nulla cadit Wer ohne etwas (leer) dahingeht, dem fällt nichts zu Boden WERNER 2 q 133. 41. 42 Qui nil pos$edit, nihilum sibi perdere credit Übers, wie 39 EBD. q 100. Qui nihil habet, nihil perdit Wer nichts hat, verliert nichts BEB E L, PROV. GERM. 344. 43 Fr. Qui riens ne portera, ]ä riens ne U cbierra Wer nichts mit sich tragen wird, dem 44 wird auch nichts zu Boden fallen MARC. ET SAL. 190. Qui rienz ne porte, rienz ne li chiet Wer nichts trägt, dem fällt auch nichts zu Boden FAITS DES ROMAINS (* ROMANIA 45 14,18}. Qui riens n'a, rien ne pert, ne ses amis nel plaignent Wer nichts hat, verliert nichts, und seine Freunde beklagen ihn auch nicht RAWLINSON 362 {= MORAW. 2114). 46 Qui rien n'o luy porte, riens ne luy cheit. — Qui sine re vadit, res sibi nulla cadit Wer nichts mit sich trägt, dem fällt auch nichts zu Boden. - Übers, wie 40 HILKA 131. 47-49 Qui riens ne porte riens ne li chiet Übers, wie 44 MORAW. 2117. PROV. RUR. 178. J. .50 MIELOT 272. Car qui riens n'a, riens ne li chiet Denn wer nichts hat, dem fällt auch 51 nichts zu Boden G. DE MACHAUT, ROY DE NAVARRE 81. Car riens n'amporte, riens ne li chiet Denn er trägt nichts mit sich und verliert (darum) auch nichts G. DE S, 52 ANDRE, J. DE BRETAGNE 606, Qi rien ne port rien ne lui chet Übers, wie 44 CAMBR. 53. 54 SAMML. (»LEROUX 11,482). Qui rien ne porte rien ne lui chiet ET. LEGRIS 669.5 LE55, 56 ROUX 11,405 (15. Jh.). Riens ne lui chiet qui riens ne porte J. MIELOT 285. Qui n'a rien il ne perd rien Übers, wie 42 LEROUX II, 398 (15, Jh.). 57 Pro v. Äug dir e contendre: „Qui ren non a, ren non pot per are" Ich habe sagen und behaupten hören: „Wer nichts hat, kann nichts verlieren" RAMB. BUVALELLI 4,7. 58 N l. Die niet en heeft en ontfalt niet. - Abs re qui vadit res sibi nulla cadit Wer nichts hat, dem geht nichts verloren. — Wer nichts hat, denn fällt nichts zu Boden PROV. 59 coMM. 238. Die niet en heeft wat can hi Verliesen. — Perdere quid valeo dum nichil obtineo ... was kann der verlieren? — Was kann ich verlieren, wenn ich nichts erhalte? EBD.

239.

60 61 62 63

Dt. Nu hon ich nicht so enphelt mir nicht Jetzt habe ich nichts, so geht mir nichts verloren ROSENPLÜT {+ FASTNACHTSP. 1137,129 b). De nycht en heft deme entfold nycht Übers, wie 58 PROV. COMM. MND. 237, De nycht en heft wat kan de vorlesen Übers, wie 59 EBD. 238. Vnd das der nüt verlieren magk Der vor nüt hat jn synem sack Und dass der nichts verlieren kann, der vorher nichts in seinem Sack hat BRANT, 64 NARRENSCHIFF 83,49. De nicht en heft, de.m entfeit ök nicht. - Qui nihil aeris habet, nihil aeris perdere possit Wer nichts hat, dem geht auch nichts verloren. — Wer kein 65 Geld hat, kann kein Geld verlieren TUNNICIUS 395. Wo nicht ist, da final man nicht, da reert auch nicht Wo nichts ist, da findet man nichts, da geht auch nichts verloren 66. 67 FRANCK II, 97r. Wer nicht hat, dem entpfelt auch nicht Übers, wie 64 EBD. EGENOLFF 90 r. Vgl. oben 5.2., ARM (Adj.) 3.5.2., DIEB 13.1., GEHEN 8.8., GUT (Subst.) 3.9., HABEN 6.3.1.2., NACKT 3.1., NICHTS 6., REICH 66, SCHLAFEN 4.2.3., SINGEN 12.

7. s. Inhaltsübersicht

NICHTSTUN

68 69 70 71, 72

482

8. Um nichts erh lt man nichts Fr. On ne puet mte avoir auques por noiant Man kann nicht etwas um nichts haben MORAW. 1519. Onn'a nyent pour nyent Man erh lt nichts um nichts ET. LEGRIS 491 (= MORAW. 1476). On n'a rien pour rien LEROUX 11,361 (15. Jh.). Dt. Mit nicht fahet man nicht Mit nichts f ngt man nichts FRANCK l, 74v, 1,84 r. Vgi. UMSONST 1.1,

9. Aus nichts eine grosse Sache machen 73 Fr. // fait d'un neant une grant chose Er macht aus einem Nichts eine grosse Sache J. 74 MIELOT 172. De neant, faire grand chose Aus nichts eine grosse Sache machen NUNEZ 1,277 (el Frances). R. L., rev. E. D.

Anmerkungen 1 2

3

4 5

Anders in der Antike: .,, in tiihilum nil posse reverti Dass nichts ins Nichts zur ckkehren kann PERS., SAT. 3,84. W hrend in der Antike der Gedanke ist: „Nichts entsteht aus dem Nichts - alles Sein ist ewig", verschiebt sich im Mittelalter der Sinn des Sprw. (auch dort, wo eine antike Formulierung zitiert wird) auf das heutige „Aus nichts wird nichts" zu, d.h. „Wo nichts ist, darf man nichts erwarten". Vgl. unten Ziff. 5. Der gleiche Gedanke spezifisch bei Anaxagoras (Frg. 10, Ausg. H. Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker II, 1935, S. 37): Πώς γαρ αν ... εκ μη τριχος γένοιτο θρίξ και σαρξ εκ μη σαρκός Denn wie k nnte Haar aus etwas anderem als Haar und Fleisch aus etwas anderem als Fleisch entstehen? Dazu steht die Erkl rung: In detractores dicttur Das sagt man in bezug auf die Verleumder. Dazu die Anm,: Qui sine re vadit, res sibi non cadit bers, wie 40.

NICHTSTUN s. FAUL (tr ge) NIE / jamais / never 1. Besser sp t als nie — EHE 18, LASTER 23, REUE 92 -93, SCHEIDEN 48, SP T 1. 2. Besser berhaupt nie — EHE 24, FEIND 119, 136, 139-140, 143-144, 149-150, SCHELTEN 9.1.

V M.

NIEDERBEUGEN s. BEUGEN NIEDERBIEGEN s. BIEGEN NIEDERB CKEN s. B CKEN NIEDERFALLEN s. FALL NIEDERGEHEN s. UNTERGEHEN NIEDERGESCHLAGENHEIT) s. LEID NIEDERSETZEN s. SITZEN NIEDERSINKEN s. FALL NIEDERSITZEN s. SITZEN NIEDERSTEIGEN s. FALL

483

NIEMAND

NIEDERWERFEN s. FALL NIEDRIG (lokal) s. TIEF NIEDRIG (sozial) s. ARM (Adj.)

NIEMAND / personne (pron.) / nobody Hier auch KEINER Vgt. KEIN 1. Allgemeine Aussagen zu „niemand" 1.1. „Niemand" als Subjekt Vgl, unten 3.1.-3.2., 4.8., 5. 1.1.1. Niemand ist vollkommen — VOLLKOMMEN 7-8,10-12 1.1.2. Niemand ist ohne Fehler - SCHELTEN 78, S3, 102, SÜNDE 18, 43, 46-47, SO-51, 53-54 1.1.3. Niemand ist ohne Laster — LASTER l-3, 5, 7, 9 . .4. Niemand ist ohne Sünde — SCHELTEN 69, 74-75, 81, 96, SÜNDE 11-13, 15, 21-22, 27-29, 36-38, 40 1.1.5. Niemand ist ohne ein Das — DAS 1-3 1.1.6. Niemand ist ohne eine Missetat — SCHLECHT 4.1.1. 1.1.7. Niemand kann und weiss alles -* KÖNNEN 13, WISSEN 117, 125-126, 130 1.1.8. Niemand ist als Meister geboren -> MEISTER 4, 8-9 1.1.9. Niemand gilt als Prophet in seiner Heimat — PROPHET 5, 9, 13, I S , 21, 23, 26 1.1.10. Niemand isr so stark, dass er nicht noch einen Stärkeren findet —' STARK 36~38

1.1.11. Niemand will der Schlechteste sein -+ GUT (Adj.) 3.5. 1.1.12. 1.1.13. 1.1.14. 1.1.15.

Niemand genügt sjch selbst-» GENUG 98-102, 104 Niemand hat je genug — GENUG 106-108, 110-111 Niemand ist mit seinem Los zufrieden und fühlt sich glücklich —>· GLÜCK 7.1,1. Niemand ist vor seinem Tod glücklich (zu nennen) — GLÜCK 588-589, 591. Vgl. LOB 6.8. 1.1.16. Niemand kann sich vor Verrat hüten — VERRAT 1-3, 6-8, 10-11, 13-1 S, 17-28, 30-32, 36-39, 44-46, 48 1.1.17. Niemand lebt ohne Sorgen — LEBEN 113-115, MEINEN 48, SORGE 5 1.1.18. Niemand kommt gegen das Unglück an -* UNGLÜCK 51-54 1.1.19. Niemand kommt gegen den Tod an — TOD 310, 313, 319, 369-370, 496 1.1.20. Niemand entrinnt dem Tod — TOD 93, 127-135, 222, 372, 1149 1.1.21. Niemand überlebt seinen Todestag —* TOD 1.4.1. 1.1.22. Niemand stirbt vor der festgesetzten Zeit —» TOD 601-604 1.1.23. Niemand will jung sterben noch alt werden —» ALT 6—9, 19 1.1.24. Niemand will etwas umsonst tun — UMSONST 18-21 1.2, „Niemand" als Objekt Vgl. unten 3.3,-3.4., 4,1.-4.7. 1.2.1. Das Scherzwort schont niemanden —* SCHERZ 1.2. 1.2.2. Der Tote beisst niemanden — TOD 948-953 1.2.3. Die Nacht ist niemandem gut gesinnt —· NACHT 5.1. 1.2.4. Der Tod schont niemanden — TOD 32, 76,111-113,115-116, 119-120, 163,168, 170, 191 2. Verhaltensregeln bezüglich „niemand" 2.1. Man glaube und traue niemandem — GLAUBEN 181-182, TRAUEN 79-81, 84 2.2. Man sage niemandem, was man allein wissen will —* WORT 17.6. 2.3. Man verspreche niemandem weiter, was einem versprochen ist —* VERSPRECHEN 158—159 2.4. Man verachte niemanden — VERACHTEN 11, 14-20, 22

NIERE

484

2.5. Man verurteile und richte niemanden - RICHTEN 159, 161, 167. Vgl. RICHTEN 12.2. 2.6. Man schade niemandem — SCHADEN 9,3. 3. Niemand - alle (viele) 3.1. Niemand gefällt allen - GEFALLEN 10,15-16,18,30, 32-33, 37-40, 47 3.2. Niemand wird von allen geliebt oder gehasst -» LIEBE 1015, 1019 3.3. Wer Freund von allen (vielen) ist, ist niemandes Freund — FREUND J079-J OSO, JEDER S3, LIEBE 1043 3.4. Wer allen (vielen) dient, dient niemandem - DIENEN 237-238, GEMEINSAM 25-28, 36-37. Vgl. ALL 137, GEMEINSAM 4 4. Selbst — niemand 4.1. Wer mit sich selbst nicht einig ist, ist mit niemandem einig -* EINIGKEIT 27-28, 37 4.2. Wer sich selbst tadelt, gefällt niemandem - SCHELTEN 22, 24 4.3. Wer zu sich selbst schlecht ist, Jsr zu niemandem gut —· GUT (Adj.) 269-270, 278, 280, HELFEN 131,137 4.4. Wer mit sich kein Erbarmen hat, hat mit niemandem Erbarmen —* GNADE 148, 150- IS l 4.5. Was man für sich selbst nicht will, tue man niemandem an —» TUN 212, 276, 279, 312, 314, 321, 324 4.6. Man sage niemandem, wer er ist; dann sagt einem niemand, wer man ist —* WORT 885, 887-888, 890-891 4.7. Wer in sich selbst sieht, der sagt über niemanden Schlechtes — SCHLECHT 540-541 4.8. Was man liebt, das macht einem niemand verhasst —* LIEBE 4.3.1. 5. Gott - niemand 5.1. Wem Gott helfen will, dem kann niemand schaden — GOTT 720-721, 725-727, 731-732, 735, 737-738, 740, 744, 746, 750, 752-753, 755-758, 765, 776-778, 780-781, 784, 789-790, 797-798, 803 5.2. Niemand kann sich vor Gott verbergen —» GOTT 224, 243 5.3. Ausser Gott ist niemand gut — GOTT 63-65, 69, 72 V.M.

NIERE — WEISE 548