Theorien der Populärkultur: Dreißig Positionen von Schiller bis zu den Cultural Studies [2., unveränderte Auflage 2012] 9783839405444

In den zeitgenössischen Theorien zur populären Kultur rücken Bestseller und Unterhaltungsprogramme ebenso ins Blickfeld

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Theorien der Populärkultur: Dreißig Positionen von Schiller bis zu den Cultural Studies [2., unveränderte Auflage 2012]
 9783839405444

Table of contents :
INHALT
Einleitung
1 Popularität als Bildungsaufgabe
2 Die Kultur der demokratischen Mehrheit
3 Massenmensch und moderne Kunst
4 Kulturindustrie und Avantgarde
5 Die demokratische ästhetische Erfahrung
6 Akklamation und Auswahl
7 Mittelschicht, Konsumethos, Massenmedien
8 Die moderne Freizeit des Konsums
9 Muster des Trivialen
10 Im Zeichen der Pop Art
11 Hedonismus, Wert, Abweichung
12 Hegemonie, Arbeiterklasse, Subkulturen (Cultural Studies, Teil I)
13 Karnevaleske Umkehrung (Cultural Studies, Teil II)
14 Rezeptions- und Meinungsforschung
15 Soziologie der populären Ästhetik
16 Kritik der neuen Verhaltenssteuerungen
17 Kulturindustrie und demokratische Öffentlichkeit
Schluss
Literatur

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Thomas Hecken Theorien der Populärkultur

Thomas Hecken (Dr. phil. habil.) ist Privatdozent für Deutsche Philologie an der Ruhr-Universität Bochum. Veröffentlichungen zuletzt: »Populäre Kultur. Mit einem Anhang ›Girl und Popkultur‹« (Bochum 2006); »Gegenkultur und Avantgarde 1950-1970. Situationisten, Beatniks, 68er« (Tübingen 2006).

Thomas Hecken Theorien der Populärkultur. Dreißig Positionen von Schiller bis zu den Cultural Studies

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2007 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung & Innenlayout: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat & Satz: Thomas Hecken Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-89942-544-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

INHALT

Einleitung ........................................................................................ 7 1

Friedrich Schiller: Popularität als Bildungsaufgabe .............................................. 11

2

Alexis de Tocqueville: Die Kultur der demokratischen Mehrheit ............................... 17

3

José Ortega y Gasset und Clement Greenberg: Massenmensch und moderne Kunst ........................................ 27

4

Siegfried Kracauer, Walter Benjamin, Theodor W. Adorno: Kulturindustrie und Avantgarde .............................................. 35

5

John Dewey: Die demokratische ästhetische Erfahrung ............................... 47

6

Carl Schmitt und Joseph Schumpeter: Akklamation und Auswahl ...................................................... 57

7

David Riesman, Helmut Schelsky, C. Wright Mills: Mittelschicht, Konsumethos, Massenmedien .......................... 71

8

Edgar Morin, Guy Debord, Georges Perec: Die moderne Freizeit des Konsums ........................................ 85

9

Walter Killy, Umberto Eco, Helmut Kreuzer: Muster des Trivialen ................................................................ 93

10 Leslie Fiedler, Roland Barthes, Susan Sontag: Im Zeichen der Pop Art ......................................................... 103 11 Daniel Bell und Talcott Parsons: Hedonismus, Wert, Abweichung .......................................... 113 12 Antonio Gramsci, Richard Hoggart, Stuart Hall: Hegemonie, Arbeiterklasse, Subkulturen (Cultural Studies, Teil I) ........................................................ 127 13 Michail Bachtin und John Fiske: Karnevaleske Umkehrung (Cultural Studies, Teil II) ...................................................... 137 14 Paul Lazarsfeld: Rezeptions- und Meinungsforschung .................................... 145 15 Pierre Bourdieu: Soziologie der populären Ästhetik ........................................ 151 16 Herbert Marcuse und Michel Foucault: Kritik der neuen Verhaltenssteuerungen ............................... 161 17 Jürgen Habermas: Kulturindustrie und demokratische Öffentlichkeit ............... 171 Schluss ......................................................................................... 179 Literatur ....................................................................................... 195

EINLEITUNG Dank der ungeheuren technischen Entwicklung im 20. Jahrhundert und ihrer politisch-ökonomischen Ausgestaltung ist die populäre Kultur ein prägender Bestandteil des Lebens in der westlichen Welt geworden. Illustrierte, Radios, Fernseher, Computer bilden ihre Botschaften und bringen sie selbst in abgelegene Regionen; Autos, Textilien, sogar menschliche Gesichter und Leiber stellen oftmals ihre Verkörperungen dar. Ganze Industrien – Medienunternehmen, Marketingfirmen, Konsumgüterkonzerne, Versandhäuser, Softwareentwickler – bringen einen unablässigen Strom von Produkten hervor, die den Inhalt der Populärkultur ausmachen: Romane, Filme, Nachrichten, digitale Bilder, Anzeigen, Sportarten, Musikgenres, Meinungen, Stars, Umfrageergebnisse, Kleidungsstücke, Ferienziele, Innenstädte, Unterhaltungsparks, Designobjekte usf. Mit dem alten Bild einer Volkskultur hat diese Populärkultur offensichtlich wenig gemein. Ihre nicht selten internationale und oft dem zeitlichen, modischen Wechsel unterworfene Wirklichkeit lässt die Idee einer Kultur, die beständigen regionalen, nationalen oder ethnischen Prägungen entspringt, schwerlich zu. Ohne den traditionellen – häufig mythisch befestigten – Grund der populären Kultur bleibt ihre theoretische Bestimmung unvermeidlich unterschiedlichen Beschreibungsansätzen unterworfen. Lange Zeit hat man deshalb Eindeutigkeit auf dem Wege zu erzielen versucht, dass man Merkmale, die man der populären Kultur zuschrieb – z.B. Oberflächlichkeit und Künstlichkeit –, sogleich entschieden verurteilte und abwertete: Populärkultur als Gegensatz, Abfall oder Widersacher der hohen Kultur, als Inbegriff gefährlichen Schunds oder, im etwas besseren Fall, herabgesunkenen, trivialisierten Kulturguts. Seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts hat sich dies allerdings nachhaltig geändert. Zum einen findet eine stetige Umwertung statt; das Künstliche und Oberflächliche gilt einer ganzen Reihe von Feuilletonisten, Akademikern und Rezipienten mittlerweile als posi-

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THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

tive Eigenschaft; hier hatten bereits die Avantgardisten der 10er Jahre, die Futuristen und Dadaisten, bedeutende Vorarbeit geleistet. Zum anderen besteht die intellektuellere Betrachtung der Populärkultur nicht länger durchgängig in einer Debatte über ihren Wert oder Unwert, sondern macht ausführlicheren Analysen oder feinsinnigeren Beobachtungen und Assoziationen Platz. In den Literatur- und Kulturwissenschaften hat dieser Trend vor allem im angloamerikanischen Raum große Wirkung entfaltet, aber auch im deutschsprachigen Raum ist er mit etwas zeitlicher Verzögerung seit ungefähr zehn Jahren mit Händen zu greifen. Nun werden nicht nur Schlegel und Musil – aber auch nicht allein zusätzlich Andy Warhol und William Burroughs –, sondern ebenso Comics, Popstars, das Verhalten von Musikfans, Fernsehserien u.v.a. mehr mit den Methoden, dem Analysewerkzeug und den Einstellungen der Hermeneutik, der Dekonstruktion etc. bearbeitet. In Disziplinen wie der Soziologie, der Politikwissenschaft und den Kommunikationswissenschaften, die im Unterschied zur Philologie nicht zugleich auch Kanonstifter sind, hatte man sich ohnehin bereits länger mit der öffentlichen Meinung, der Mehrheitswahl und den Einschaltquoten, mit Subkulturen oder Boulevardmedien beschäftigt; auch dort jedoch zumeist mit kritischem Unterton oder im Zuge rein empirisch angelegter Studien, die je auf ihre Weise Daten und Einschätzungen für politische oder unternehmerische Auftraggeber oder Interessenten bereitstellten. Angesichts des großen, übergreifenden Gebietes der populären Kultur überrascht es nicht, dass sich viele Disziplinen – nicht selten ohne voneinander zu wissen – mit unterschiedlichen Leitbegriffen ihrem Gegenstand nähern: »Massenkultur«, »Kulturindustrie«, »Unterhaltungskultur«, »Reizüberflutung«, »populäre Kultur«, »Mediendemokratie«, »Populismus«, »Konsumkultur«. Diese Allgemeinbegriffe können auch in der wissenschaftlichen Rede ihren wertenden Charakter keineswegs abstreifen. Tatsächlich sind sie fast immer ausdrücklich negativ gemeint; selbst die »öffentliche Meinung« galt nicht selten als »popular clamour«, als Tyrannei der Mehrheit; auf diese Weise ist allerdings eine Einheitlichkeit der Leitbegriffe gegeben. Darum muss eine Theorie der Populärkultur sich ebenfalls dem Problem stellen, ob solche historisch ›belasteten‹ Begriffe einem sachlicheren Gebrauch wieder zugeführt werden können.

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EINLEITUNG

Ein großer Teil der geläufigen Anschauungen der lange Zeit abwertenden wissenschaftlichen Definitionen zur populären Kultur entstammt Klassifikationen bestimmter Produkte – von Werken (Trivialliteratur), Stilrichtungen (Kitsch) oder Veröffentlichungsformen (Heftchenliteratur) über neue Kunstgattungen (Comics) und Genres (Western) bis hin zu Medien (Film) bzw. deren Kombinationen (pornographische Videos, Computerspiele). Nicht selten geht der Weg auch umgekehrt von bestimmten gesellschaftlichen Gruppen – dem einfachen Volk, der Masse, den Subalternen – zu den Dingen, die ihnen zugehörig erscheinen. Populäre Kultur bestünde danach – in einer auf den ersten Blick neutraleren Bestimmung – in der Summe solcher Produkte und ihrer Käufer oder Betrachter, seien es nun bestimmte Schichten, ihre Schnittmengen oder Massen isolierter Einzelner. Die Frage ist dann, ob sich Theorien der Populärkultur in der Schematisierung solcher Einordnungen und Merkmalslisten erschöpfen müssen. Ein genauerer Blick in die Geschichte verschiedener Disziplinen zeigt jedoch, dass es eine ganze Reihe interessanter theoretischer Ansätze gibt, die solche Klassifikationen mit Herleitungen, Begründungen und Differenzierungen versehen, welche ebenfalls zur Analyse einzelner Werke oder Rezeptionsakte äußerst fruchtbare Beschreibungsmuster und Ansätze zu empirischen Studien liefern – selbst wenn sie manchmal noch einen großen Teil ihrer Energie für die Durchsetzung ästhetischer Vorlieben bzw. elitärer oder manchmal auch angeblich volksnaher Machtansprüche aufwenden und oftmals ohne Abgleich mit anderen, benachbarten Ansätzen entstanden sind.1 Im vorliegenden Band werden darum solche wichtigen, bis heute äußerst lesenswerten Beiträge zu einer Theorie der populären 1 Vorläufer zu diesem Buch gibt es nur im englischsprachigen Raum (Storey 1998; Strinati 1995; Weaver 2005). Zu den Besonderheiten dieser Bücher gehört, dass sie nach der Vorstellung einiger Konzepte der Massenkultur und der Ansätze der Frankfurter Schule sowie der Cultural Studies vornehmlich beschreiben, mit welchen allgemeinen (z.B. strukturalistischen) Methoden man Gegenstände der Populärkultur untersuchen kann. Konzentrierte, sehr lesenswerte Überblicke zum Begriff und zu einer ansehnlichen Reihe von Theorien der Populärkultur findet man bei Jenkins/McPherson/Shattuc 2002; Hügel 2003a; Herlinghaus 2002. – Die Begriffe Populärkultur und populäre Kultur werden im vorliegenden Band bedeutungsgleich gebraucht. – Für ihre Hilfe Dank an Karoline Laarmann und Claire-Marie Jeske. 9

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

Kultur im Zusammenhang vorgestellt, Beiträge etwa von Philosophen und Kulturkritikern wie José Ortega y Gasset, John Dewey, Theodor W. Adorno und Michel Foucault, von Philologen wie Michail Bachtin, Umberto Eco und Walter Killy, von Semiotikern wie Roland Barthes, von Vertretern der Cultural Studies wie Richard Hoggart, Stuart Hall und John Fiske, von Soziologen wie Helmut Schelsky, David Riesman und Pierre Bourdieu, von Zeitdiagnostikern wie Susan Sontag und Leslie Fiedler, von Kommunikationswissenschaftlern wie Paul Lazarsfeld und von Sozialtheoretikern wie Talcott Parsons und Jürgen Habermas.

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1 FRIEDRICH SCHILLER: POPULARITÄT ALS BILDUNGSAUFGABE Nach einer lange vorherrschenden Ansicht ist die populäre Kultur oberflächlich, unoriginell, effekthascherisch. Mit der Beschreibung ist oftmals eine Wertung fest verbunden: Was oberflächlich ist, das gehört der niederen Kultur an. In dieser Form ist populäre Kultur ein Gegenbegriff zur hohen Kultur, die sich folglich durch Tiefe, Originalität und weniger vordergründige Absichten – positiv – auszeichnet. Schaut man jedoch auf die einzelnen Werke, muss sogar bezweifelt werden, ob die trivialen, kitschigen, seichten, standardisierten Produkte überhaupt zur Kunst zählen. Als schlechte oder fehlerhafte Kunstwerke sind sie immerhin noch Kunstwerke; Begriffe wie Unterhaltung oder Vergnügungskultur machen aber zumeist mindestens indirekt deutlich, dass die Produkte der niederen Kultur einem Bereich unterhalb der Kunst angehören. Die Operation, schlechter bewertete Werke zur Unkunst zu erklären, liegt seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach der beginnenden Ablösung fester Regeln des Schönen durch subjektive Geschmacksurteile nahe. Wenn nämlich nicht von vornherein feststeht, was ein gelungenes Kunstwerk ist, dann könnte auch das oberflächliche Kunstprodukt eine positive Wertung erfahren. Die bürgerliche Wendung gegen die ständische Welt schließt eine Befreiung von den überkommenen, recht starren Regeln der Poetik und Rhetorik ein; eine Freisetzung, deren Wirkungen sich aber einmal gegen ihre Urheber richten könnten, wenn das Schöne tatsächlich ganz unabhängig von bürgerlichen Idealen und Verkehrsregeln – also vom Schicklichen, Gebildeten und Nutzbringenden – gedacht werden sollte. Ende des 18. Jahrhunderts jedoch sind Ziel und Zweck der künstlerischen Freisetzung noch unbefangen gegen einen anderen Widersacher gerichtet und dienen unterschwel11

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

lig der eigenen bürgerlichen, allgemein gesetzten Sache. Die entsprechende Devise lautet, dass die Selbstständigkeit der Kunst nicht dadurch beschränkt sein darf, dass sie theologische ›Wahrheiten‹ verkünden muss; auch darin, das höfische Leben adeliger Auftraggeber zu verschönern, soll sie sich keineswegs mehr erschöpfen. In der philosophischen Ästhetik werden diese Absetzbewegungen zum Teil besonders radikal ausgesprochen, auch wenn sie ganz abstrakte Formulierungen erfahren. Da ist vor allem Kants Auffassung zu nennen, nach der die Kunstbetrachtung weder an die Vorgaben des Wahren noch des Guten unmittelbar gebunden sei. Erst einmal unabhängig von Erkenntnissen der Wissenschaften und Anforderungen der Moral, kommt die Aussage, etwas sei schön, dem rein ästhetischen Geschmacksurteil zu, einem durchaus subjektiven Urteil, das keineswegs vom Objekt erzwungen wird. Es gibt nach Kant keine Regeln des Schönen, an die man sich als Geschmacksrichter halten müsste. Zum Teil scheint Kant bei seiner Argumentation sogar das alte Bild des »Geschmacks«-Urteils wörtlich zu nehmen, wenn es darum geht, das Recht der alten Regelpoetik zu bestreiten.1 Doch dabei bleibt es nicht. Der Reiz des sinnlich Angenehmen oder des Trivialen bildet in Kants bedeutender Konzeption ästhetischer Autonomie keineswegs einen möglichen Ausgangspunkt eines positiven Kunst-Urteils. Geschmack bleibt bei Kant lediglich eine Metapher. Die Metapher soll die Regellosigkeit anzeigen, nicht den Sinnengenuss. Sinnlicher Genuss, Vergnügen verhindern in Kants Sicht ganz im Gegenteil jedes ästhetische Urteil. Das ästhetische Urteil unterliegt bei ihm nämlich der regulativen Idee der Allgemeingültigkeit, darum lässt Kant das rein private Gefühl, das ganz besondere sinnliche Interesse als Beweggrund einer Geschmacksdebatte nicht zu. Interessen machen das freie Spiel der Einbildungskräfte unmöglich, deshalb muss für Kant das ästhetische Urteil von ihnen vollkommen gereinigt sein. Eine allzu große Fähigkeit der Selbstdistanz traut Kant dem Menschen offensichtlich nicht zu. Interesselos kann für ihn nur das Wohlgefallen urteilen, welches nicht zu starken Effekten und Ein1 Kant 1974a: 214f. Die Radikalität der Autonomie-Formel hat man in der Forschung auch als Moment einer Gegen- oder Fluchtbewegung vor der Durchsetzung eines kapitalistischen Marktes (auch für literarische Werke) zu erklären versucht. Williams 1972: 58ff.; Ueding 1973: 52f.; Bürger 1982: 18ff. 12

FRIEDRICH SCHILLER

trübungen ausgesetzt ist. Konsequenterweise schließt Kant bestimmte Sujets und Präsentationsweisen aus dem Reich des Ästhetischen kategorisch aus. Bereits bei jenen Wiesen und Gärten, die »von Natur gar zu viel Reiz« haben, hält Kant den Grad des Erträglichen für überschritten (mit der heute einleuchtenderen Klimax »Wiesen, Gärten, Wollust selbst«). Nach Beobachtung Kants verfügt der Künstler sogar über die Möglichkeit, über solche Gegenstände »noch mehr Reiz« zu verbreiten (1974b: 112). Wird diese Möglichkeit genutzt, können die derart künstlich stimulierten Gegenstände nach der Auffassung Kants nur noch einen unästhetischen Eindruck hervorrufen. Die starken Reize des Objekts verhindern seine Aufnahme in den Bezirk ästhetischer Auszeichnung. Solche Reize werden folglich als Schlüsselreize angesehen, die den Betrachter ausweglos fesseln und binden. Kants Konzeption wird sich bei der Abgrenzung von der Populärkultur bis heute hin als enorm wichtig erweisen. Verlässt man Kants zumindest teilweise harmlos klingende Beispiele wirksamer Reize – die Wiesen und Gärten –, wird mit einer langen idealistischen Tradition daraus das Verbot oder zumindest die Abneigung, intime, sexuelle oder vergnügliche, leicht konsumierbare Gegenstände und Meinungen darzustellen.2 Eine bedeutende Möglichkeit, prekäre Sujets zu verwenden, gibt es jedoch. Kant spricht von der verwerflichen Methode, natürliche Gegenstände, die ohnehin schon recht anziehend erscheinen, noch reizender zu machen, im Umkehrschluss darf man wohl darauf hoffen, dass den Menschen ebenfalls ein Weg offen steht, eigentlich Reizendes reizloser zu gestalten. Beim Kantianer Friedrich Schiller findet man eine solche Vorgehensweise mit einer äußerst wirkungsmächtigen Formulierung umschrieben. Die entscheidende künstlerisch erhebende Operation besteht für ihn darin, den »Stoff« durch die »Form« zu vertilgen. Die künstlerische Formgebung zeigt sich nicht zuletzt daran, dass sie die Wirkung, die ein eindrucksvoller Stoff bei einem geneigten Betrachter zweifelsohne ausgelöst hätte, bezähmt (1962: 382). Schiller erteilt darum gerade dem populären Schriftsteller den Rat, sich als »aufgeklärter, verfeinerter Wortführer der Volksgefühle« zum Herrn solcher »Affekte« zu machen; ihren »rohen, gestaltlosen,

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Vgl. dazu etwa Danto: 1993: 30ff.; auch Hecken 1997a: 146ff., 159ff.; Freeland 2003: 27ff. 13

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

oft tierischen Ausbruch« soll der Künstler »noch auf den Lippen des Volks veredeln.«3 Damit ist eine deutliche Leitlinie populärer Literatur ausgesprochen, an deren Maßstab sich die meisten Werke, welche ein großes Publikum erreichen wollen, blamieren müssen. In seiner Rezension zu den viel gelesenen Gedichten Gottfried August Bürgers kritisiert Schiller 1791 zwar auch einige technische Fehler (unechter Reim, harter Vers), solche Abweichungen von einem Perfektionsideal können aber natürlich nicht das ausschlaggebende Merkmal populärer Literatur sein, sonst wäre sie ja nur ein gestaltloser Haufen völlig unterschiedlicher Mängel. Weiter stellt Schiller den Mosaik-Charakter einiger Beschreibungen Bürgers negativ heraus, der sich bei der bloßen Isolierung »einzelner Reiz[e]« besonders deutlich bemerkbar macht. Das Argument mangelhafter »Idealisierkunst« führt dann schnell zum zentralen Vorwurf Schillers: Bürger verwechsle Liebe mit Genuss, Glückseligkeit mit Wohlleben. Ein rein moralisches Urteil ist das schon deshalb nicht, weil Schillers wichtigster Kunstanspruch – die Form müsse den Stoff vertilgen – auch moralische Stoffe betreffen sollte (1958: 254f.). Auch diese poetologische Maßregel – die zugleich eine moralische Norm bestimmter Mäßigung enthält – markiert ein Perfektionsideal. Problematisch erscheint daran wiederum, dass wohl kaum alle Verfehlungen des Ideals populär genannt werden können. Ein nahe liegender Ausweg liegt deshalb darin, graduelle Abstufungen vorzunehmen, etwa besonders starke Verfehlungen auf die Art und Weise negativ auszuzeichnen. Wie so viele andere auch, vollführt Schiller jedoch noch einen anderen Zug, um das zum Ausdruck zu bringen: Er benennt eine bestimmte Gruppe von Rezipienten, von denen aus ein Schlaglicht auf die besondere Schwäche des Produkts (und seines Urhebers) geworfen wird. An der gerade zitierten Stelle führt Schiller aus, dass die benannten Fehler Bürgers besonders Leser fesselten, die »nur für das Sinnliche empfänglich sind und, den Kindern gleich, nur das Bunte bewundern.« Unmittelbar danach spricht er vom »zweideutige[n] Beifall des großen Haufens« (ebd.: 254).

3 Schiller 1958: 249. – Zu Schillers Bürger-Kritik vgl. Berghahn 1974; Dainat 2005. Dem Charakter des vorliegenden Bandes entsprechend werden stets nur sehr wenige ausgewählte Titel der jeweiligen Sekundärliteratur angegeben. 14

FRIEDRICH SCHILLER

Der kindische, sinnlich reizbare Leser bildet offensichtlich die Mehrheit. In Frage steht dann noch, ob der »große Haufen« genauer eingegrenzt werden kann. Tertullian hatte im zweiten Jahrhundert n. Chr. die römischen Heiden deswegen verdammt, weil sie sich den Vergnügungen der Theater- und Zirkus-Spiele hingaben (De spectaculis); mit der Durchsetzung des Christentums verfallen dann die Sünder dem entsprechenden Verdikt (vgl. Jeske 2006). Abseits der religiösen Differenzierung streicht Schiller nun den »Kinderverstand des Volkes« heraus. »Volk« ist dabei keineswegs nur ein Begriff, der eine Einheit bezeichnet, die sich von anderen Völkern abhebt. »Volk« akzentuiert hier eine Differenz innerhalb eines Gemeinwesens. »Volk« setzt Schiller mit dem »großen Haufen« gleich, der Gegenbegriff zu »Volk« ist bei ihm »gebildete Klasse« (ebd.: 248). Ein Zustand wie in der Zeit Homers, »wo alle Glieder der Gesellschaft im Empfinden und Meinen ungefähr dieselbe Stufe einnahmen«, gehört in den Augen Schillers der Vergangenheit an. Jetzt herrsche zwischen der »Auswahl einer Nation und der Masse derselben ein sehr großer Abstand«. Dennoch möchte er mit modernen Mitteln der Kunst eine ähnliche Einheitlichkeit herstellen. »Popularität« ist für ihn ganz in der Tradition der Aufklärung ein hoher Anspruch, der auf allgemeine Verständlichkeit zielt. (Schiller vergisst allerdings zu erwähnen, dass trotz der stark gestiegenen Romanproduktion und einer entsprechenden ›Lesesucht‹ am Ende des 18. Jahrhunderts immer noch eine sehr einheitliche Schicht der Analphabeten existiert, die ungefähr zwei Drittel der Bevölkerung umfasst.) Schillers integrative Botschaft lautet: Durch poetische Anschaulichkeit und natürlichen Sinn würde eine populäre Kunst sowohl die Gebildeten als auch die gemeine Masse anziehen und befriedigen (ebd.: 247f.). An diesem Maßstab der Popularität gemessen, fallen Bürgers Gedichte deutlich ab, so zumindest Schillers Lesart. G.A. Bürger mache sich mit dem Volk gleich, merkt Schiller kritisch an, einen Ausgleich zwischen gebildeter Elite und niederer Masse suche man bei ihm vergeblich. Definition und Urteil stehen darum fest: Sobald der »Popularität« etwas von der »höhern Schönheit« aufgeopfert wird und sie sich nur auf die Klassen unterhalb der gebildeten Spitze bezieht, handelt es sich um eine schlechte Form der Popularität (ebd.: 250).

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THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

Von dieser Konstruktion leben viele Bestimmungen der populären Kultur bis auf den heutigen Tag. Sie gehen von Produkten aus, die durch bestimmte (zumeist schlecht bewertete) ästhetische Eigenschaften charakterisiert sind; den Unterschied zwischen irgendwelchen (schlechten) Kunstprodukten und den Artefakten der (schlechten) populären Kultur erkennen sie endgültig daran, dass Letztere von einem großen Publikum geschätzt werden. Interessant bleibt dann für die historische Beobachtung, welche Eigenschaften erstens als ausschlaggebende Eigenschaften der Werke populärer Kultur benannt werden; und zweitens, wie der Umfang und die Zusammensetzung des Volkes bestimmt wird. Den Status einer entfalteten Theorie gewinnen solche Überlegungen aber erst, wenn sie sich der Frage nach den Gründen solcher Bestimmungen und ihrer unterschiedlichen Zuschnitte stellen.

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2 ALEXIS DIE KULTUR

DE

TOCQUEVILLE:

DER DEMOKRATISCHEN

MEHRHEIT

Eine Fahrt nach Amerika Anfang der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts macht den französischen Aristokraten und künftigen kurzzeitigen republikanischen Außenminister Alexis de Tocqueville zum ersten Theoretiker, der wichtige Züge einer kommenden populären Kultur auch in Europa herausstreicht. Dies liegt nicht allein daran, dass sich die Beobachtungsgabe Tocquevilles und sein Drang zur gehaltvollen Verallgemeinerung an dem ungewöhnlichen, traditionslosen Phänomen der neuen amerikanischen Welt und Gesellschaftsordnung bewähren darf. Zu einem guten Teil liegt dies auch daran, dass Tocqueville sich die Freiheit nimmt, nicht selten von den Tatsachen abzusehen, um im Bilde des zeitgenössischen Amerika seine Vorstellungen vom Zustand einer allseits entfalteten Demokratie zu präsentieren. In dem voluminösen Werk Über die Demokratie in Amerika (De la Démocratie en Amérique, erster Band 1835, zweiter Band 1840 erschienen) stellt Tocqueville gleich in der Einleitung die seiner Meinung nach unabänderliche Entwicklung hin zur demokratischen Veränderung der Gesellschaften heraus. Die Entwicklung ist für ihn keineswegs eine rein politische. Am Vorreiterstaat Amerika erkennt er, in welch starkem Maße die Demokratie auch die Lebensform und die Kultur durchdringt. In Europa sieht er dies Gesetz der Gleichheit ebenfalls bereits am Werk. Die demokratische Revolution ist in seinen Augen nicht mehr aufzuhalten, auch wenn er selbst diese Revolutionierung aller Lebensverhältnisse keinesfalls durchgängig begrüßt. Die Prognose fällt Tocqueville umso leichter, als er in Europa einen langen Vorlauf zur Angleichung der Lebensbedingungen erkennt. Tocqueville gibt dafür eine ganze Reihe unterschiedlicher 17

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

Gründe an: die christliche Botschaft, dass vor Gott alle gleich sind; die Verrechtlichung der Gesellschaft; den Aufstieg des Handels und des Finanzkapitals zu einer Quelle der Macht; die Möglichkeit, Adelstitel zu kaufen; zudem ebnen Feuerwaffen den Unterschied zwischen Anführern und Fußvolk auf dem Schlachtfeld ein; die bürgerliche, kommerzielle Auswertung technischer Erfindungen macht sie allgemeiner verfügbar und schafft auf dem Wege immer weitere Begierden; neue Medien und Verkehrswege ermöglichen eine schnellere und gleichmäßigere Verbreitung von Ideen: »die Post trägt die Aufklärung zur Hütte des Armen wie an das Tor der Paläste«; da Bildungsgaben nicht von der Herkunft abhingen, verstärke die wachsende Bedeutung von Wissenschaft und Geistestätigkeit überhaupt die Entwicklung hin zur Gleichheit (Tocqueville 1976: 6ff.).1 In der bürgerlichen Gesellschaft kommen all diese Entwicklungen und Bestrebungen zur vollen Entfaltung. Die Aufhebung der Stände- und der Zunftordnung öffnet für jeden (Mann) gleichermaßen das ganze Feld. Die revolutionäre Beseitigung der Vorrechte von Geburt und Besitz macht es jedem grundsätzlich möglich, alle Laufbahnen einzuschlagen und über alles mitzubestimmen. An die Stelle einiger weniger jeweils gleichförmiger, voneinander strikt getrennter Klassen treten in der Sicht Tocquevilles nun viele kleine Parteiungen, die in Kontakt zueinander stehen können und deren Zusammensetzung durchaus nicht gleich bleiben muss. Mit dem Bewusstsein eines heutigen Lesers betrachtet, sollten diese Punkte auf eine ausnahmslos positive Einschätzung der modernen egalitären, demokratischen Verhältnisse hinauslaufen. Das ist jedoch bei Tocqueville nicht der Fall. Wie für andere liberalkonservative Kritiker auch, liegt für ihn nämlich die entscheidende Beobachtung darin, dass die unterschiedlichen kleinen Gruppen keineswegs mehr Einzigartigkeit und Eigenständigkeit hervorbringen als zuvor die wenigen großen, isolierten Stände und Gemeinschaften. Die Menschen seien zwar freigesetzt, sich unabhängig von den vielfältigen Konventionen eines Standes als Einzelne überhaupt erst hervorzubringen oder in selbst gewählten Parteien zusammenzuschließen, ein größeres Maß an Unterschiedlichkeit folge daraus

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Alle kommenden Seitenangaben im Kapiteltext beziehen sich auf diese Ausgabe (Tocqueville 1976). Zu Tocquevilles Amerika-Buch vgl. Eisenstadt 1988. 18

ALEXIS DE TOCQUEVILLE

aber gerade nicht; selbst die tatsächliche Ungleichheit des Besitzes und der Geisteskräfte ändere daran keineswegs etwas. Als Grund für diese ebenso überraschende wie wegweisende These gibt Tocqueville die Schwäche der Einzelnen angesichts der großen Menge an. Die bindungslosen Einzelnen, befreit von den Anforderungen ihrer Standesherkunft, gehen nun unterschiedslos in diese große, unförmige Menge ein. Unförmig ist diese Menge allerdings nur wegen ihrer Größe; eine einheitliche Form kommt ihr auf Grund ihrer Homogenität zu. Zur Uniformität trägt der freie Austausch untereinander und die Möglichkeit des Auf- oder Abstiegs entscheidend bei; sie führen auf unterschiedlichsten Feldern zu Anpassungen, Kreuzungen und Angleichungen. »In demokratischen, gebildeten und freien Zeitaltern gibt es nichts«, hält Tocqueville fest, »was die Menschen trennt oder was sie an ihrem Platz festhält; sie steigen und sinken mit einer eigentümlichen Schnelligkeit. Alle Klassen sehen sich unablässig, weil sie einander sehr nahe sind. Sie verkehren und mischen sich täglich, ahmen sich nach und beneiden sich; das flößt dem Volk eine Menge von Vorstellungen, Begriffen, Wünschen ein, die es nicht gehabt hätte, wenn die Rangordnung fest und die Gesellschaft unveränderlich wäre. In diesen Völkern fühlt sich der Diener nie völlig außerhalb der Freuden und Arbeiten des Herrn, der Arme nie außerhalb derer des Reichen; der Bauer bemüht sich, dem Städter, die Provinz der Hauptstadt zu gleichen. Niemand läßt sich gerne von materiellen Daseinssorgen allein einfangen, und der einfachste Handwerker wirft ab und zu einige begierige und verstohlene Blicke in die höhere Welt des Geistes. Man liest nicht im gleichen Geiste und in gleicher Art wie bei den aristokratischen Völkern; aber der Kreis der Leser erweitert sich unaufhörlich, und er umfaßt zuletzt alle Bürger.« (523)

Tocqueville stellt nicht nur solche ›Angleichungen nach oben‹ heraus. Bei seiner Reise durch Amerika fällt ihm auf, in welch starkem Maße sich die Reichen an der Meinung der Besitzlosen orientieren oder es zumindest nicht wagen, ihnen direkt zu widersprechen. Die Ursache liegt für ihn klar auf der Hand: Es ist die amerikanische Demokratie mit ihrem – im Gegensatz zum Europa des 19. Jahrhunderts – durchgesetzten gleichen Stimmrecht für alle (männlichen) Bürger, ungeachtet ihres Besitzes. Die zahlenmäßig kleine Schicht der Reichen ist den vielen Armen bei der politischen Wahl unterlegen: »die Armen [bilden] stets die Mehrheit«, deshalb machen sie 19

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

»das Gesetz allein«, bilanziert Tocqueville (scheinbar) schlüssig (241). Die Aufhebung der Ständeordnung und das demokratische Wahlrecht bilden die beiden Hauptgründe für die – nach Meinung Tocquevilles – erstaunliche Angleichung amerikanischer Lebensverhältnisse. Er sieht eine Zeit heraufziehen, in der Hunderte Millionen Amerikaner von der gleichen Kultur, der gleichen Religion, den gleichen Gewohnheiten und der gleichen Denkweise geprägt sind. Diese Gleichheit bringt er an vielen Stellen seines Buches auf einen Begriff – den der »öffentlichen Meinung«. Sie ist es, die alle existierenden Unterschiede von materiellem Besitz und beruflicher Stellung aufhebt. Sie ist der Motor und das Medium der großen Einheitlichkeit der demokratischen Bürger. Die öffentliche Meinung ist hier eine Meinung unter der Bedingung des allgemeinen und gleichen Stimmrechts. Folgt man Tocqueville, bildet sie genau das, was etwa die meisten Vertreter der englischen middle class, der neuen aufstrebenden Klasse der Fabrikanten und Eigentümer, zur gleichen Zeit in England stets befürchten; für eine öffentliche Meinung, die ihrer zuwiderläuft, reservieren sie deshalb gerade nicht den Ausdruck public opinion, sondern den abwertenden Begriff popular clamour.2 Dass der zahlenmäßig große Druck der niederen Schichten stets über die Meinung der bürgerlich-kapitalistischen Mittelklasse triumphieren würde, falls man ihnen das Stimmrecht gewährte, ist für die Repräsentanten der middle class genauso klar, wie es den Aristokraten zuvor angesichts der Bürger gewesen ist. Die Mehrheit setze sich in der Demokratie immer durch, schreibt Tocqueville, in der Legislative wie in der Exekutive – und auch in der öffentlichen Meinung. Nach seiner Beobachtung nehmen die Amerikaner bereits durchgängig an, dass sich die richtige Einsicht »auf der Seite der größten Zahl« befinde. Darum hätten die Menschen in »Zeiten der Gleichheit« ein »fast unbegrenztes Vertrauen in das Urteil der Öffentlichkeit« (494). Diese Annahme dominiere in so starkem Maße, dass ein Bürger ohne eigene Meinung oder selbst mit einer Minderheitenmeinung die öffentliche Meinung schließlich stets akzeptiere. Vereinsamt und ohnmächtig, beginne er an seiner hoffnungslosen Ansicht zu zweifeln – und da er sich nicht 2

William A. MacKinnon: On the Rise, Progress and Present State of Public Opinion in Great Britain and Other Parts of the World, 1828, zit. n. Hohendahl 2000: 40. 20

ALEXIS DE TOCQUEVILLE

mehr aristokratisch über die anderen erheben könne, stelle sich bei ihm sogar schnell die Überzeugung ein, im Unrecht zu sein: »Die Mehrheit braucht ihn nicht zu nötigen; sie überzeugt ihn«, schreibt Tocqueville, wobei keinem Leser entgehen kann, dass sich diese ›Überzeugung‹ nicht unbedingt der Kraft des besseren Arguments verdankt (753). Die Freiheit sieht Tocqueville darum in allergrößter Gefahr. Nirgendwo gebe es weniger geistige Unabhängigkeit als in Amerika. Beharrliche Verfechter abweichender Meinungen fänden keinerlei Resonanz, der Weg zu öffentlicher Anerkennung, zu Titeln und Ämtern bleibe ihnen kategorisch versperrt. Ihr Leben werde zwar nicht mehr despotisch mit nackter Gewalt oder dem Tode bedroht, dafür aber ihre Seele vernichtet. Der demokratische Herrscher verkünde demjenigen, der sich eine eigene, minoritäre Ansicht vorbehalte, eine gnadenlose Botschaft: »du bist frei, nicht so zu denken wie ich; du behältst dein Leben, deinen Besitz, alles; aber von dem Tage an bist du unter uns ein Fremdling.« Tocqueville lässt keinen Zweifel daran, dass er solch ein ehrenloses Leben für schlimmer hält als den Tod. Ebenfalls lässt er keinen Zweifel aufkommen, dass er die demokratische Meinungsfreiheit unter dem Joch der Mehrheitsentscheidung für eine sehr zweifelhafte Freiheit hält; diese Meinungsfreiheit sei nur Teil der weitgehenden Unterdrückung: »Ketten und Henker sind die groben Werkzeuge, die einst die Tyrannei verwandte; heutzutage hat die Kultur selbst den Despotismus vervollkommnet, der doch scheinbar nichts mehr zu lernen hatte.« (295) Weil Tocqueville an dieser wichtigen Stelle von »Kultur« spricht, ahnt man bereits, dass er keineswegs allein den Mechanismus der Mehrheitsentscheidung für die eklatante Bedrohung der Geistesfreiheit verantwortlich macht. Tatsächlich sieht Tocqueville in der Kultur der Gleichheit, die mit der demokratischen Wahlentscheidung verbunden ist, den Ursprung der Gefahr. Sie führe dazu, dass die Bürger nicht mehr geneigt seien, sich von einer überlegenen Autorität blind leiten zu lassen, sondern dem Urteil der massenhaften öffentlichen Meinung vertrauten (494). Von einer Kultur kann man vor allem deshalb sprechen, weil nach der Ansicht Tocquevilles die Meinung der »Masse« keinesfalls starken Veränderungen unterworfen ist: Mit der (demokratischen) Gleichheit ist für ihn die Abwesenheit der Extreme verbunden; das »Mittelmaß« regiert in allen Bereichen. Verstärkt wird dies durch 21

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institutionelle Zwänge, etwa dadurch, dass jedem Amerikaner die Volksschule, fast niemandem aber höhere Bildung zugänglich sei (äußere Gründe, wie der Reichtum des Landes, der nackte materielle Not bei jedem Bewohner ausschließt, kommen noch hinzu). So gibt es nicht nur ebenso wenig Unwissende wie Gelehrte (60); auch überall sonst meint Tocqueville das Phänomen der breiten Mitte (ohne Ränder) anzutreffen. Das Mittelmaß ist für Tocqueville nicht der Ort des guten Ausgleichs oder gar des idealen Zustands (wie in der aristotelischen Tradition). Das Mittelmaß stellt für ihn aber auch nicht schlicht den momentanen Durchschnittswert einer gegebenen historischen Menge dar. Er ist sich vielmehr sicher, dass ein mittleres Maß unter der Bedingung moderner Gleichheit stets ganz bestimmte Formen annehmen wird: Die Vergnügungen werden weniger ausschweifend, aber allgemeiner sein, notiert er z.B., die Gefühle würden schwächer und das Wissen weniger großartig; Vernunft überwiege das Genie; es werde »mehr Laster und weniger Verbrechen« geben; geistige Tätigkeiten würden an ihrem materiellen Nutzen gemessen; überall herrsche die Vorliebe für »leichte Erfolge und die Genüsse des Augenblicks« (12, 282, 501). Insgesamt wird die demokratische Nation darum »weniger glänzend, weniger ruhmvoll« als eine aristokratische Gesellschaftsform dastehen, dafür wird es aber der »Mehrheit der Bürger«, dem »Volk«, gut gehen, weil es in größerem Wohlstand lebt (12). Zusammen mit der vielfältigen Beteiligung der Bürger an der örtlichen Verwaltung und der allgemein freigesetzten unruhigen ökonomischen Aktivität zur Mehrung des privaten Besitzes ist das nach Ansicht Tocquevilles der entscheidende Vorzug der Demokratie: Sie sorge zwar nicht für das Wohlergehen aller, aber immerhin das der »großen Zahl«; eine planmäßig verfolgte Politik gegen die (materiellen) Interessen der Mehrheit sei in der Demokratie ausgeschlossen (269). Zu dieser grundsätzlichen Diagnose passt auf der anderen Seite Tocquevilles Beobachtung (und Befürchtung), dass der Staat als Hüter des Wohlstands große Befugnisse an sich ziehen kann. Gelöst aus den besonderen ständischen Bindungen, seien die Bürger gleich in ihrer Vereinzelung und Schwäche; deshalb setzten sie dem von ihnen gewählten Volkssouverän mit seinen vielen detaillierten Verordnungen keinen Widerstand entgegen, solange er für Sicherheit und materielle Absicherung sorgt. Die Gleichheit wird dadurch noch 22

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einmal befördert; auch gegenüber der Zentralmacht verkümmere der freie Wille möglicher starker und zu Großem befähigter Einzelner. Die demokratisch legitimierte »gewaltige, bevormundende Macht« sei ebenso »unumschränkt, ins einzelne gehend« wie »vorsorglich und mild«; sie versuche die Menschen »im Zustand der Kindheit festzuhalten; es ist ihr recht, daß die Bürger sich vergnügen, vorausgesetzt, daß sie nichts anderes im Sinne haben, als sich zu belustigen. Sie arbeitet gerne für deren Wohl; sie will aber dessen alleiniger Betreuer und einziger Richter sein [...] Nachdem der Souverän auf diese Weise den einen nach dem andern in seine mächtigen Hände genommen und nach seinem Gutdünken zurechtgeknetet hat, breitet er seine Arme über die Gesellschaft als Ganzes aus; er bedeckt ihre Oberfläche mit einem Netz verwickelter, äußerst genauer und einheitlicher kleiner Vorschriften, die die ursprünglichsten Geister und kräftigsten Seelen nicht zu durchbrechen vermögen, um sich über die Menge hinauszuschwingen; er bricht ihren Willen nicht, aber er weicht ihn auf und beugt und lenkt ihn; er zwingt selten zu einem Tun, aber er wendet sich fortwährend dagegen, daß man etwas tue; er zerstört nicht, er hindert, daß etwas entstehe; er tyrannisiert nicht, er hemmt, er drückt nieder, er zermürbt, er löscht aus, er stumpft ab, und schließlich bringt er jedes Volk soweit herunter, daß es nur noch eine Herde ängstlicher und arbeitsamer Tiere bildet, deren Hirte die Regierung ist.« (814f.)

Wenn man Über die Demokratie in Amerika liest, fragt man sich allerdings, ob es überhaupt notwendig ist, dass von der Seite des Staates entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Folgt man Tocqueville, gehört es doch ohnehin zur Kultur der Gleichheit, dass sich das Mittelmaß in ganz bestimmten Ausprägungen zeigt, die allesamt das verbreitet Annehmliche über das vereinzelt Erhabene stellen. Bereits an den Bemühungen, eine große Zahl an Gütern herzustellen – möglich gemacht durch maschinelle Techniken – kann man dies nach Meinung Tocquevilles ablesen: Habe es in der Aristokratie wenige, aber in vollendeter Weise gearbeitete Luxusgüter gegeben, existierten im zeitgenössischen demokratischen Amerika viele unvollkommene Dinge. »Als nur die Reichen Uhren besaßen, waren diese fast alle ausgezeichnet. Jetzt stellt man nur noch mittelmäßige her, aber alle besitzen welche«, schreibt Tocqueville in seinem typischen, rhetorisch zugespitzten Stil (535). Deutlich zeigt sich das Gesetz auch im Reich der Künste. Entscheidend ist aber, dass es jetzt wieder in seiner grundlegenden Aus23

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formung präsentiert wird, nicht einfach als Angabe eines mittleren Werts. In den demokratischen Gesellschaftsformen dominiere das »Gefällige und Hübsche«, benennt Tocqueville nun eine Eigenschaft der egalitär geprägten Kultur genau, eher gehe man auf den »Schein als auf das Echte aus«. Weitere bereits größtenteils seit Schillers Tagen bis heute hin bekannte Gegensatzpaare schließen sich an: In der Malerei stelle man in erster Linie den Körper, weniger die Seele dar; zudem halte man sich ans Wirkliche, kaum an eine ideale Schönheit (536f.). In der Literatur ziele man mittels eines ungestümen Stils viel stärker darauf ab, Emotionen zu entfesseln als den Geschmack des Lesers zu verfeinern; tatsächlich verlangten die Leser genau danach, nach allem, was unerwartet, neu und aufregend ist, was man leicht versteht, was schnell zur Sache kommt und einen aus dem langweiligen, ganz am Nutzen und der Arbeit ausgerichteten Alltag herausreißt (544f.); im Theater suche das Publikum ebenfalls nicht den »geistigen Genuß«, sondern die »heftigen Erregungen des Gemüts« (568). Besonders im Feld der Presse setzt sich in den Augen Tocquevilles die »oberflächliche« Erziehung und die Denkweise der »breiten Masse«, der »Mehrheit« durch. Die Presseleute versuchten, »grob, ungeschminkt und kunstlos auf die Leidenschaften« der Menschen einzuwirken. Trotz dieser ersten erschreckenden Bestandsaufnahme erfolgt Tocquevilles Bilanz der vereinheitlichenden Kraft der amerikanischen Zeitungen keineswegs allein unter negativem Vorzeichen. Ohne die Zeitungen gäbe es überhaupt keine demokratische Nation, daran lässt Tocqueville wenig Zweifel, nur so können die verschiedenen Gruppen miteinander ›reden‹, ohne sich an einem bestimmten Ort treffen zu müssen, nur so werde ein Bezug unterschiedlich lokalisierter Interessen und Parteien möglich: Die Presse »durchpulst alle Teile des weiten Gebietes mit politischem Leben« (212f.). John Stuart Mill, der Tocquevilles Anschauungen in England Geltung verschafft, bringt diese enge Bindung von demokratischer Öffentlichkeit und modernen Medien auf eine eindrückliche Formel: Die wahren politischen Vereinigungen Englands seien die Zeitungen. Erst die Zeitungen lassen für den bedeutenden Theoretiker des demokratischen Liberalismus Mill die klassische athenische Bürgerherrschaft in der Jetztzeit allgemein Wirklichkeit werden: Die Presse bildet einen virtuellen Platz, auf dem Abstimmungen von körperlicher Präsenz unabhängig bleiben. Zeitungen (und Eisenbah24

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nen) überbrücken aber nicht nur die räumlichen Distanzen zwischen unterschiedlichen Regionen eines Landes, sie bringen auch die verschiedenen Schichten der Bevölkerung einander näher. Ja, in vielen Fällen bringen die Zeitungen den Wahlbürger überhaupt erst hervor, indem sie ihn mit einer Meinung und politischen Bedürfnissen ausstatten: »The real Political Unions of England are the Newspapers. It is these which tell every person what all other persons are feeling, and in what manner they are ready to act: it is by these that the people learn, it may truly be said, their own wishes, and through these that they declare them. The newspapers and the railroads are solving the problem of bringing the democracy of England to vote, like that of Athens, simultaneously in one agora; and the same agencies are rapidly effacing those local distinctions which rendered one part of our population strangers to another; and are making us more than ever (what is the first condition of a powerful public opinion) a homogeneous people.« (1977a: 165)

Ebenso wie Tocqueville steht Mill der Homogenisierung kritisch gegenüber, seine berühmte Verteidigung der individuellen Meinung, die mit den Gewohnheiten eines Standes, einer Klasse, einer Mehrheitsmeinung bricht – On Liberty –, aus dem Jahr 1859 wird davon nachhaltig Zeugnis ablegen.3 Ebenso wie für Tocqueville bleibt für ihn jedoch eine wahrhafte Demokratie ohne die übergreifende Kraft der Presse undenkbar. Tocqueville sieht an einer Stelle die Presse sogar ausdrücklich als das »demokratische Werkzeug der Freiheit« an. Ganz am Ende seines Buches zur amerikanischen Demokratie stellt Tocqueville die Pressefreiheit als Mittel heraus, welches allein die meisten Übel der Gleichheit heilen könne. Ein unterdrückter Bürger besitze nur eine Möglichkeit, sich zu verteidigen – sich mittels der Presse an das ganze Volk zu wenden (820f.). Wieso es helfen soll, angesichts einer überwältigenden Mehrheit auf eine öffentliche Meinung zu hoffen, die doch nur das Organ jener Mehrheit ist, verrät Tocqueville allerdings nicht. Offensichtlich gibt es im Gegensatz zu seiner eigenen Darstellung also in der egalitären Demokratie doch Parteien und Gruppen, die mehr als nur vordergründige Unterschiede zum Ausdruck bringen. Hinter der von 3

Mill 1977b: 268ff. Zu Tocquevilles und vor allem Mills Konzeption der »öffentlichen Meinung« im Zusammenhang der Begriffs- und Theoriegeschichte vgl. Habermas 1962: 112ff.; Hecken 2006a: 37ff. 25

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Tocqueville gezeichneten Einheitlichkeit der mittelmäßigen und oberflächlichen populären Mehrheitskultur müssen sich noch tiefere Risse abzeichnen, sonst wäre Tocquevilles teilweise Verteidigung der amerikanischen Demokratie vollkommen unhaltbar – vorausgesetzt natürlich, dass die neue, angebliche Einheitlichkeit der demokratischen Öffentlichkeit nicht nur durch den alten, mythischen Glauben an den ursprünglichen, echten, von keinen falschen Interessen verfälschten Willen des einen (National-)Volkes ersetzt werden soll.

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3 JOSÉ ORTEGA Y GASSET UND CLEMENT GREENBERG: MASSENMENSCH UND MODERNE KUNST Tocquevilles Beobachtungen zur demokratischen Kultur haben bis in die Gegenwart ihre Bedeutung nicht verloren. Seine These über den Zusammenhang von Vereinzelung und Vermassung – dass die aus ständischen Bindungen freigesetzten Einzelnen sich in einer homogenen Mehrheit wiederfinden –, seine Auffassung vom zentralen Stellenwert der öffentlichen Meinung – dass moderne Medien demokratische Meinungsbildung überhaupt erst möglich machen – und seine Kategorien zur Beschreibung (und Bewertung) der Kultur der »Masse« – Mittelmaß, Orientierung an Erregung und Genuss, Oberflächlichkeit, Kunstlosigkeit – findet man in unzähligen Artikeln, Kommentaren und Büchern der folgenden Jahrzehnte, ja mittlerweile Jahrhunderte wieder. Man kann sogar sagen, dass Tocquevilles Diagnosen umso mehr an Durchschlagskraft gewonnen haben, je stärker demokratische Einstellung und technische Medien sich durchsetzen konnten. In der zweiten Hälfte des 19. und der ersten des 20. Jahrhunderts sind dagegen die Ausführungen zur »Masse« von Gustave Le Bon bis hin zu Elias Canetti häufig noch von einer räumlichen Vorstellung dieser Masse beherrscht. Gespeist werden die fast immer strikt negativen Einschätzungen der Massenphänomene nicht selten vom Bild proletarischer Aufmärsche und aufständischer Bewegungen auf städtischen Straßen und Plätzen, ein Bild, das die Abneigung gegenüber der Gleichberechtigung der ungebildeten unteren Schichten noch einmal angstvoll bestärkt.1 1

Vgl. hierzu die ausgezeichnete Studie von König 1992. Dort auch alle notwendigen Hinweise auf weitere Literatur. Vgl. auch Klein 2001; 27

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Auch der spanische Essayist und Kulturkritiker José Ortega y Gasset beginnt seine berühmte Abhandlung über den Aufstand der Massen aus dem Jahr 1930, indem er die allgegenwärtige Überfüllung einstmals exklusiver Orte durch die ungeheure Menge der »Durchschnittsmenschen« beklagt (1978a: 9). Immerhin räumt er aber nach einigen Seiten ein, dass sich streng genommen die Tatsache des »Masse-Sein[s]« bereits an einer einzelnen Person erkennen lasse. Ein durchschnittlicher Mensch brauche nicht in großen Mengen auftreten, damit einem seine mäßigen Eigenschaften klar werden (ebd.: 10). Masse ist für Ortega der Durchschnitt. Bei dieser Bestimmung kann es sich also nicht um eine bloße Messung handeln. Wenn sich etwa zwei ungefähr gleich große Mengen gegensätzlich gegenüberstehen, kann der durchschnittliche Teil schließlich von sehr kleiner Zahl sein oder tatsächlich überhaupt nicht existieren. Bei Ortega gibt es denn auch nicht zwei Extreme und eine Mitte dazwischen. Bei ihm stehen sich Masse und Elite feindlich gegenüber – und jene von den wenigen großen Einzelnen abgewandte Masse wird von ihm als durchschnittlich (ab)qualifiziert. Zu den Eigenschaften dieses Durchschnittsmenschen zählt Ortega – wie bereits Tocqueville und viele andere vor ihm – die Oberflächlichkeit, den Konformismus, die Ächtung individueller, abweichender Meinungen, die Geistferne und den Drang zum behaglichen Wohlergehen; in anderen Schriften kommt noch die Kritik an der Vorherrschaft der Presse als schlechte Vorherrschaft des »Momentanen« (1978b: 238) hinzu sowie am »Durchschnittsniveau« der Parlamente, die keineswegs eine Auslese des Landes versammelten (1978c: 296f.). Seinerseits recht durchschnittlich ist ebenfalls ein Kritikpunkt, den Ortega besonders stark herausstellt: Die in seinen Augen falsche und verderbliche Gleichsetzung von Wissenschaft mit Spezialistentum und technischem Erfolg. Wie so viele Professoren seit dem Ende des 19. Jahrhunderts leidet er stark unter der schwindenden Bedeutung philosophischer, angeblich grundlegender Bildung. Selbst die meisten Wissenschaftler und Ingenieure sind demnach um 1930 aus dem Blickwinkel Ortegas Teil der Masse, nicht der Elite. Die schlechten Merkmale des Massenmenschen erreichen gerade in diesen »teilweise qualifizierte[n] Menschen ihren Gipfel«, Brantlinger 1983, Letzterer u.a. mit einem Kapitel zu Ortega y Gasset (ebd.: 186ff.). 28

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schreibt Ortega in einem offenbaren Ausbruch an Wut und Verzweiflung (1978a: 91). Bei Le Bon war das Versagen der Elite noch an ihre räumliche Versammlung gebunden – Parlamentsdebatten oder universitäre Gremien machten auch aus Gebildeten irrationale ›Herdenmenschen‹, meint Le Bon (1951: 159ff.) –, für Ortega äußert sich der Defekt sogar unabhängig davon bei den Einzelnen. Trotzdem bleibt die Klage Ortegas deutlich vom Phänomen der großen Zahl und der demokratischen Ermächtigung der ungebildeten Menge bestimmt, auch wenn er keineswegs eine Rückkehr zu aristokratischen Formen verlangt – gibt es doch für ihn in jeder Gesellschaftsschicht »eine echte Masse und eine echte Elite« (1978a: 11). Vielleicht ist das sein Tribut an die Zeit, immerhin steht die Jahreszahl 1918 für die Durchsetzung der allgemeinen und gleichen Wahl und die endgültige Beseitigung des abgestuften Stimmrechts ein, mit dem das Besitz- und Bildungsbügertum bei Abstimmungen die zahlenmäßige Majorität behalten konnte. Freilich, ein wahrer Demokrat ist Ortega bei weitem nicht. Seine Wertschätzung der Demokratie beruht auf der historischen Voraussetzung, dass die Wählermassen lange das ›Richtige‹ wählten. Auch dies ist ein altbekannter konservativer Topos, mit dem die Kritik an der einheitlich oberflächlichen öffentlichen Meinung (und der potentiell sozialistischen Mehrheitsherrschaft der besitzlosen Schichten) in die Absicht und Strategie umgewandelt wird, die Ansichten dieser Mehrheit rhetorisch zu dominieren. Die Wähler würden bestimmt durch »geringe Urteilsfähigkeit«, »Mangel an kritischem Denken«, »Erregbarkeit«, »Einfalt«, »Leichtgläubigkeit« und Führerhörigkeit, hält Le Bon fest (1951: 151) – woraus sich leichterdings die Möglichkeit und das Vorhaben ableiten lässt, die Massen mit der richtigen Führung auszustatten. Mit dem Ton vollen Einverständnisses hält Ortega darum in einem schlagenden Aphorismus fest, das allgemeine Stimmrecht habe der Masse nicht das Recht gegeben zu entscheiden, »sondern die Entscheidung der einen oder anderen Elite gutzuheißen.« (1978a: 17) Den – bereits geglückten – Aufstand der Massen muss Ortega folgerichtig in dem Anspruch des Massenmenschen entdecken, (etwa unter dem Banner des Syndikalismus, Faschismus oder Bolschewismus) selbst die Gesellschaft zu führen (ebd.: 58), ein Anspruch, den die große Menge der Durchschnittsmenschen dank des egalitären demokratischen Wahlrechts leicht verwirklichen kann, besonders wenn sie mit Hilfe des Mehrheitsprinzips und im Sinne 29

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»direkter Akion« die Werte der Rücksichtnahme, der Verhandlung, der vernünftigen unparteiischen Diskussion und des Minderheitenschutzes missachte (ebd.: 60). Am Ende seiner Schrift über das Unbehagen am modernen Massenmenschen, dessen Gefahr in der demokratisch verfassten Gesellschaft eben doch von seiner großen Zahl herrührt, steht eine Untergangsvision Ortegas (für ihn handelt es sich natürlich um eine Gewissheit). Man weiß nicht recht, ob es für Ortega ein letzter Anlass zur Verzweiflung ist oder nicht doch vielleicht ein Quell untergründiger, versteckter Genugtuung: Genau der materielle Wohlstand, den der Massenmensch so schätze und für dessen Sicherung er sich vorbehaltlos der »Verstaatlichung des Lebens« unterwerfe, würde durch die barbarischen Massen unweigerlich schnell wieder zerstört. Die Aufrechterhaltung des einmal erreichten hohen Standes der Zivilisation bleibe nur – hier schließt sich Ortegas Argumentation – unter der Anleitung und durch die Herrschaft einer auserwählten Elite möglich (ebd.: 45f., 97, 53). Von Künstlern als Teil solcher Elite ist im Aufstand der Massen nicht ausdrücklich die Rede. Die Surrealisten – mit ihrer Rhetorik des »Rinnstein[s]« – zählt Ortega sogar genau umgekehrt zur Gattung der »oberflächlichen«, »possenhafte[n]« Massenmenschen (85). Einer Avantgarde im Sinne Ortegas können sie unmöglich angehören. Das hat noch andere Gründe als Ortegas Abscheu vor der Vulgarität. In einer früheren Schrift macht Ortega deutlich, dass die »Unbestimmheit der Grenzen zwischen Lebens- und Kunstdingen« die ästhetische Wahrnehmung störe, und spricht sich darum – gut kantianisch – für ein Kunstwerk aus, das von der Wirklichkeit deutlich getrennt ist (1978d: 213f.) – also vollkommen das Gegenteil von dem, was Gruppen wie die Futuristen, Dadaisten und Surrealisten zur gleichen Zeit in einigen ihrer Manifeste programmatisch anstreben. Als Teil einer möglichen Künstler-Elite können darum nur andere zeitgenössische Vertreter in Frage kommen. In Ortegas neben dem Aufstand der Massen zweiten berühmt gewordenen Essay über Die Vertreibung des Menschen aus der Kunst treten entsprechende Anwärter klar hervor. Ortega definiert die »neue Kunst« kategorisch als »wesentlich volksfremd«, ja »volksfeindlich«. Der »›kompakten Majorität‹« bleibe sie ganz und gar unverständlich und stoße deshalb stets auf tiefe Ablehnung (1978e: 230f.).

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Wichtig ist dabei zu wissen, dass Ortega 1925 unter Volkskunst keineswegs nur die Erzeugnisse der Illustrierten- und Filmindustrie versteht (den Kult um ältere Produkte des »Volkstümlichen« als echten, ursprünglichen Ausdruck des Volks hält er im Übrigen für naiv [1978f: 516]). Nein, der »volkstümliche Stil par excellence« sei die Romantik, die »Erstgeborene der Demokratie« (1978e: 230). In Absetzung von der klassischen Kunst, weise die Romantik bereits eine realistische Grundhaltung auf, die es dem breiten Publikum ermögliche, sich mit den dargestellten Helden genussvoll zu identifizieren und an ihren Gefühlen teilzuhaben; die Malerei liefere den Leuten in gleicher Weise Porträts von interessanten Menschen oder von Landschaften, die sie gerne aufsuchen würden (ebd.: 233). Die Kunst des 19. Jahrhunderts sei deshalb so »populär« gewesen, weil sie »nicht Kunst, sondern ein Auszug aus dem Leben war.« (Ebd.: 236) Das Gefühl des Realismus verdanke sich vor allem der Technik, den Betrachter gar nicht merken zu lassen, dass er eine Darstellung vor sich habe. Indem die Kunst konventionelle Sichtweisen nicht enttäusche, könne die Mehrzahl der Betrachter zum Kunstwerk eine ähnliche Haltung einnehmen wie zum alltäglichen Leben. Verstöße gegen das aus ihrer Sicht Wahrscheinliche dulden sie deshalb nur insoweit, »als sie dadurch nicht bei der Betrachtung menschlicher Dinge und Schicksale gestört werden. Sowie diese rein ästhetischen Elemente überwiegen und die Geschichte von Hans und Grete nicht klipp und klar zutage liegt, wird das Publikum kopfscheu und weiß sich vor einer Bühne, einem Buch, einem Bild nicht zu helfen.« (Ebd.: 234) Ortega lehnt diese Einstellung selbstverständlich ab. Als Parteigänger der idealistischen Ästhetik muss für ihn der »ästhetische Genuß im eigentlichen Sinne« strikt von einer alltagspraktischen Dimension getrennt bleiben. An der neuen Kunst fasziniert ihn darum deren ›Unwirklichkeit‹. Sie garantiert in besonders hohem Maße, dass der Ausdruck des Gefallens sich an speziellen künstlerischen Darstellungsweisen entzündet und nicht an dem dargestellten Objekt, das man auch außerhalb des Bildes oder der Beschreibung bewundert oder begehrt hätte (ebd.: 234f.). Der Formalist Viktor Sklovskij hatte 1916 das Wesen der Kunst in den Verfremdungsverfahren ausgemacht, welche die automatisierten Wahrnehmungsgewohnheiten erschweren. Ortega schließt sich dem knapp zehn Jahre später offensichtlich an, als er vom 31

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Kunstwerk fordert, dass es eine praktische, alltägliche Einstellung zum Dargestellten verhindern müsse. Die neue Kunst mit ihrem Hang zur Abstraktion und Selbstbezüglichkeit kommt dem fraglos entgegen. Ihre radikale Abkehr von der Zustimmung der »Masse« gründet in den Verfahren der »Entmenschlichung« und der Wendung gegen die vertraute Wirklichkeit, lautet Ortegas Bilanz der Werke von Mallarmé, Debussy, Picasso, Joyce, Proust und Pirandello (ebd.: 238ff.) – die ganze junge Kunst sei »unpopulär«, und das nicht zufällig, sondern »notwendig und wesentlich.« (Ebd.: 230) Trotz ihrer augenfälligen Unpopularität kann Ortega die moderne Kunst nicht einfach zur Kunst der für ihn so entscheidenden Elite erheben, dafür schätzt er zu sehr jenen »Kunstgenuß«, der mit einem »Minimum an Handlung« – und damit an ›Menschlichkeit‹, an Figuration und Identifikation – verbunden ist und deshalb in Widerstreit zu einer ganz »reine[n] Kontemplation« tritt.2 Ein gutes Jahrzehnt später, 1939, hat der amerikanische Kunstkritiker Clement Greenberg jedoch keine Scheu mehr, populäre und moderne Kunst auch auf der Ebene der Wertung in einen vollkommenen Gegensatz zu bringen. In einem kanonischen Essay, der in der New Yorker Zeitschrift links-modernistischer Intellektueller Partisan Review erscheint, stellt Greenberg ein Gedicht von T.S. Eliot und einen Tin Pan Alley-Song, ein Gemälde von Georges Braque und das Cover der Saturday Evening Post hart gegeneinander. Greenberg bezieht sich auf genau dieselben Künstler, die auch Ortega anführte, und genau wie Ortega stellt er als zentrale Merkmale ihrer Werke Abstraktion und Ironie heraus; deren reine Selbstbezüglichkeit ziele sogar darauf ab, sich von der herrschenden Elite – also von der Schicht, welche allein als kultivierter Rezipient und Käufer in Frage käme – einschneidend zu lösen. Ebenfalls genau wie Ortega sieht Greenberg die populäre, kommerzielle Kunst (Hollywood-Filme, Werbung, pulp fiction) als Kunst der neuen Masse an, die von der alten Volkskultur (folk culture) strikt verschieden sei – sie gewähre eine bloße, flüchtige Ersatzbefriedigung, bleibe immer gleich, selbst wenn sie sich stilistisch verändere, und arbeite stets mit Formeln und Klischees. Als weiteres industriell hergestelltes Massenprodukt erobere die westliche Populärkultur nun sogar jedes Land der Erde, um so zur »universellen Kultur« aufzusteigen. 2 Ortega y Gasset 1978g: 283f. – An dem Punkt hat sich Ortegas Anschauung geändert, hielt er doch vier Jahre zuvor die »Haltung reiner Kontemplation« sehr wohl für möglich. Ortega y Gasset 1978d: 213. 32

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Selbst die scheinbar allmächtigen Diktatoren – Hitler, Mussolini und Stalin – müssten dem Wunsch der Massen nach solcher Kultur nachgeben, wenn sie es zum Teil nicht ohnehin bereitwillig täten, um ihre Propaganda auf dem Wege zu verbreiten (1939: 37-41, 47). Es gibt sogar noch eine Gemeinsamkeit zwischen Ortega und Greenberg. Auch Greenberg stellt als zentrale Gemeinsamkeit aller westlichen Kunst, die der Moderne abgewandt bleibt, deren Technik des ›Realismus‹ heraus; sie erlaube es selbst dem ungebildeten Betrachter, sich und seine Welt wiederzufinden und sich in das Abgebildete hineinzuversetzen. In den populären Werken gebe es eine Kontinuität zwischen »Kunst und Leben«, fasst Greenberg die bereits von Ortega bekannte These prägnant zusammen. Im Unterschied zu Ortega jedoch schätzt Greenberg die Diskontinuität, die genau umgekehrt zum Wesen der modernen Kunst gehört, vollkommen. Für die populäre Kunst, die nach seiner Auffassung beim Betrachter das falsche Gefühl unmittelbarer Entdeckung erzeugen wolle, hat er folgerichtig kein lobendes Wort übrig.3 Anders Ortega. Wenn ihn schon nicht im Buch oder im Film die bloße Handlung, das »Abenteuer als solches« interessiert und die beinahe »mechanische Erregung«, die ein routiniert erzählter Roman mit seinen Handlungsmustern und Spannungsbögen auslöse, ihm sogar Ekel bereitet, so lässt er doch andere, mindestens genauso konventionelle Identifikationsmöglichkeiten keineswegs ungenutzt. Die Verneinung radikaler Abstraktion und reiner Kontemplation ermöglicht es ihm, sogar an Hollywood-Filmen manchmal ein »bescheidene[s] Vergnügen« zu empfinden. Ein Film, dessen Hauptdarsteller »sympathische Leute« sind, könne stundenlang dauern, auch wenn die Helden überhaupt nichts Bedeutungsvolles täten, schreibt Ortega an einer Stelle überraschenderweise: »Was sie tun, ist gleichgültig; wir wollen sie nur auf- und abtreten und sich bewegen sehen.« (1978g: 271f.) Angesichts solch eines Geschmacksurteils 3

Greenberg 1939: 43f. – Immerhin argumentiert Greenberg, dass bei der Rezeption moderner Kunst das Wiedererkennbare und Sympathetische auf einer zweiten Stufe wirksam werden könne, so gibt es wenigstens zwischen dem ungebildeten und dem kultivierten Betrachter eine Gemeinsamkeit: »[T]he recognizable, the miraculous and the sympathetic [...] are not immediately or externally present in Picasso’s painting, but must be projected into it by the spectator sensitive enough to react sufficiently to plastic qualities.« Ebd.: 44. – Zu Greenberg und der Position von Partisan Review vgl. Gorman 1996: 146ff.; Pells 1992. 33

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kann man eine etwa zeitgleich formulierte Ansicht aus Reihen der analytischen Philosophie, die Ortega und Greenberg sicherlich abgelehnt hätten, nur bestätigen: Das ästhetische Urteil bildet keine »einmalige Erkenntnisart«, sondern drückt vielmehr »gewisse Empfindungen« aus (Ayer 1970: 150f.). Offen bleibt dann noch, ob der Geschmack an Hollywood-Filmen sich nur aus eher traditionellen Quellen speisen oder doch einem ganz modernen Urteil entspringen kann.

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4 SIEGFRIED KRACAUER, WALTER BENJAMIN, T H E O D O R W. A D O R N O : KULTURINDUSTRIE UND AVANTGARDE Wenn Greenberg von der Avantgarde spricht, dann führt er als Beispiele stets Eliot, Mallarmé, Mondrian oder Picasso an. Den Teil der Avantgarde, der es sich auf die Fahne geschrieben hat, die Werkkunst zugunsten übergreifenderer Verfahren zu vernachlässigen – wie es viele Futuristen, Dadaisten und Surrealisten seit 1909 programmatisch erklärt haben (Bürger 1974) –, lässt Greenberg somit einfach außer Acht. Nur darum kann er die avantgardistische Kunstanstrengung scharf von dem populären Anspruch absetzen, Kontinuität zwischen Kunst und Leben zu wahren. Hätte er Namen wie Marinetti, Huelsenbeck oder Breton erwähnt, wäre ihm wohl selbst aufgefallen, dass sich seine These einem sehr eingeschränkten Blickwinkel verdankt – gehört es doch genau zur Leitlinie dieser Avantgardisten, mittels der Zuschauerprovokation, des totalen Designs oder der Erhebung von zufälligen Fundstücken zu Kunstwerken die Trennung von Kunst und Leben aufzuheben (Hecken 2006b). Selbstverständlich ist auch mit diesem Programm keinesfalls eine Verschmelzung von Avantgarde und populärer Kultur vollzogen. Die Avantgardisten streben ausdrücklich keine ›realistischen‹ Identifikationsmöglichkeiten und auch kein angenehmes Vergnügen an, sondern wollen alle gewöhnlichen Betrachter zu Gestaltern ihres eigenen Alltagslebens erheben oder sie zumindest durch verstörende Wirkungen in das (künstlerische) Geschehen hineinziehen. Trotz dieser tiefgehenden Unterschiede bleiben aber einige Gemeinsamkeiten übrig, die originelle modern-avantgardistische Geschmacksurteile im Hinblick auf die populäre Kultur möglich machen. Im

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Zeichen des Reizes und des Schocks werden mit schöner Regelmäßigkeit diejenigen Schundromane oder reißerischen Filme begrüßt, die den Bürger am stärksten empören (Hecken 1997b). Marinetti etwa proklamiert 1912, dass ein futuristisches Varieté von der »Aktualität« leben und »rein praktischen Zwecken«, etwa dem Lachen und der erotischen Erregung, dienen solle (Marinetti 1972). Die Berliner Dadaisten nehmen einige Jahre später in gleicher Manier den bildungsbürgerlichen Hass gegen die Presse und die Reklame zum Anlass, genau diese »Sensation« zu feiern (Tzara u.a. 1984: 31). Gehaltvoller werden solche – nicht nur ästhetischen – Vorlieben in Deutschland vor allem von den drei miteinander befreundeten oder gut bekannten Theoretikern Siegfried Kracauer, Walter Benjamin und Theodor W. Adorno begründet. Moderne Medien und Techniken – Fotografie, Illustrierte, Schallplatte, Film, Radio – führen bei ihnen zu einer neuen Einschätzung der zuvor fast regelmäßig abgewerteten Seite von Ereignis, Bewegung, Oberflächlichkeit, Sinnferne. Den Anfang macht Siegfried Kracauer. 1926 schreibt er über den Kult der Zerstreuung in den großen Kinos Berlins einen nur scheinbar vertrauten Satz: »Die Erregungen der Sinne folgen sich in ihnen so dicht, daß nicht das schmalste Nachdenken sich zwischen sie einzwängen kann.« Ungewöhnlich ist der Satz, weil die ganz konventionelle Beobachtung Kracauer nicht zum üblichen negativen Kommentar führt, sondern zu dem kalten Diktum: »Der Hang zur Zerstreuung fordert und findet als Antwort die Entfaltung der puren Äußerlichkeit«. Dass Kracauer damit sogar eine positive Wertung verbindet, wird im nächsten Absatz deutlich, in dem er seine Umwertung wenig überraschend mit der Ablehnung des alten Kanons motiviert: »Diese Veräußerlichung hat die Aufrichtigkeit für sich. Nicht durch sie wird die Wahrheit gefährdet. Sie ist es nur durch die naive Behauptung irreal gewordener Kulturwerte, durch den unbedenklichen Mißbrauch von Begriffen wie Persönlichkeit, Innerlichkeit, Tragik usw.« Bedenklich seien diese Begriffe heute aber, weil sie das »Augenmerk von den äußeren Schäden der Gesellschaft mehr als billig ablenken auf die Privatperson.« (1977: 314) Die Abwertung trifft die alten Künste, der Missbrauch die neuen noch nicht, auch wenn etwa im Film natürlich ebenfalls auf Persönlichkeit geachtet und Tragik erzeugt wird; Kracauer vernachlässigt für einen Moment diese überkommenen narrativen, moralischen 36

KRACAUER, BENJAMIN, ADORNO

Muster zugunsten ihrer neuen spektakulären Erscheinung. Das Berliner Publikum handelt in seinen Augen intuitiv angemessen, wenn es die alten Kunstereignisse mit ihrem hohen, jedoch mittlerweile falschen Anspruch meidet und stattdessen »dem Oberflächenglanz der Stars, der Filme, der Revuen, der Ausstattungsstücke den Vorzug erteilt.« Sein Argument, weshalb der Vorzug zu Recht erteilt wird, läuft allerdings nicht auf eine Verteidigung ›reiner‹ Unterhaltung oder sinnlichen Genusses hinaus, sondern steht mit einem politischen Ziel im Bunde. Die Zerstreuung darf kein Selbstzweck sein, und sie ist es auch nicht. Im »reinen Außen«, glaubt Kracauer, treffe das Publikum sich selber an und erkenne seine tatsächliche Lage; nur durch diese neue Art der Selbsterkenntnis würden dem großen Publikum Möglichkeiten zur Veränderung der Lage offenbar: »[D]ie zerstückelte Folge der splendiden Sinneseindrücke bringt seine eigene Wirklichkeit an den Tag. Wäre sie ihm verborgen, es könnte sie nicht angreifen und wandeln; ihr Offenbarwerden in der Zerstreuung hat eine moralische Bedeutung.« Die diskontinuierliche Zerstreuung, die »jedes echten sachlichen Zusammenhangs« entrate, vermittle dem großen Publikum »genau und unverhohlen die Unordnung der Gesellschaft« und rufe so jene Spannung hervor, »die dem notwendigen Umschlag vorangehen« müsse, schreibt Kracauer mit äußerster Anspannung. Nach seinen Eindrücken überfalle einen in den Straßen Berlins »nicht selten für Augenblicke die Erkenntnis, das alles platze unversehens eines Tages entzwei.« Sein Traumgesicht deutet Kracauer zur Wirkungshoffnung, nicht zur Schreckensverheißung um: »Die Vergnügungen auch, zu denen das Publikum drängt, sollten so wirken.«1 Man sieht nicht nur an der katastrophischen Ahnung, der »Oberflächenglanz« soll zu wesentlich mehr taugen als zu einem hellen Effekt. Dessen Maß ist für Kracauer nicht weniger als die Wahrheit, seine Funktion liegt darin, ein getreues formal-strukturelles Abbild der zerrissenen Wirklichkeit zu liefern, über deren gesellschaftliche Unordnung dadurch nicht der Schein künstlerischer, versöhnlicher 1 Kracauer 1977: 315 – Eine abgeschwächte Variante davon bei Bloch 1962: 39f.: »Die Zerstreuten laufen zwar vor dem wirklichen Leben weg, doch die sich bloß musisch gesammelt haben, waren ihm nicht näher. [...] Ein Bewußtsein, das so gebildet vom Alltag wegblickt, ist schlimmer als die Zerstreuung. [...] Der Jahrmarkt der Zerstreuung lenkt ab und betäubt, doch er ist immerhin – ein Jahrmarkt.« 37

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

Sinnstiftung verbreitet wird. Die politische Hoffnung ist es, die hier die Analyse und vor allem Hochwertung ansonsten in der Hierarchie der Künste und der Bildung ganz unten angesiedelter Spektakel fördert. Bei allem sinnlichen Reiz, den der extravagante Theoretiker als Betrachter von Tillergirl-Revuen und Illustrierten auch verspürt haben mag – dies wäre wohl nicht weiter der Rede wert gewesen, wenn sich bei der Bestimmung des Banalen nicht sozialistische Absichten und moderne Ästhetik als elementar bedeutsam herausgestellt hätten. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob es sich bei dem Aufwand der Interpretation um eine Rationalisierung der Schaulust handelt; fest steht, als Ergebnis, dass dadurch bis dahin allenfalls kritisch betrachteten Banalitäten eine politische und philosophische Weihe zukommt. Aber auch Kracauer entfernt sich im ersten Überschwang des neu gestifteten Zusammenhangs keineswegs vom Realitätsprinzip. Dass ausgerechnet in der Zerstreuung eine umstürzlerische Erfahrung stecke, bleibt für ihn zumindest so lange zweifelhaft, als die tatsächlichen Angebote des Divertissements nur in eingeschränktem Maße auf diesen Effekt hinarbeiten. Durchgängige Handlung, ideologische Sinnzumutungen, Zwang zur Ganzheit, leere mythische Formen organisieren dann doch auch wieder das Spiel partikularer Eindrücke. Deshalb »verfehlen« die publikumsträchtigen Vergnügungen schließlich die mögliche schockierende Wirkung. »Die Vorstellungen der großen Lichtspielhäuser«, schreibt Kracauer für jemanden, der auf einen jähen Umbruch im Modus effektheischender Unterhaltung setzt, ausgesprochen nüchtern, »beweisen es exemplarisch. Denn, rufen sie auch zur Zerstreuung auf, so rauben sie ihr doch sogleich wieder dadurch den Sinn, daß sie die Mannigfaltigkeit der Effekte, die ihrem Wesen nach voneinander isoliert zu werden verlangen, zur ›künstlerischen‹ Einheit zusammenschweißen, die bunte Reihe der Äußerlichkeiten in ein gestalthaftes Ganzes pressen möchten.« (1977: 315) Im Werk Kracauers bleibt es aber nicht bei solcher modernistisch-avantgardistischen Kritik. An anderer Stelle verurteilt er die »farbenträchtige Welt« der Filme und Illustrierten einfach als falschen Glanz, der die Menge betäube und von einer politischen Veränderung ihres tristen Alltags ablenke (1971: 97ff.). Der große Gestus, mit dem zumindest im eminenten grundsätzlichen Wurf der »Oberflächenglanz der Stars, der Filme, der Revuen« in politischästhetischer Hinsicht begrüßt wurde, weicht dann wieder dem Fin38

KRACAUER, BENJAMIN, ADORNO

gerzeig, der auf die jeweiligen Erzeugnisse der Filmindustrie als untergründige Anleitungen zum Leben im falschen Ganzen weist. Bei Walter Benjamin trifft man einige Jahre später auf denselben Wertungszusammenhang. Auch Benjamin ist keineswegs ein Anhänger vorgeblich leichter Unterhaltung. Selbst der literarischen Strömung der Neuen Sachlichkeit schreibt er ins Stammbuch, dass sie politische Anliegen »zum Gegenstand des Konsums« herabgewürdigt habe, zu Gegenständen der »Zerstreuung« und des »Amüsements« (1974a: 695). Trotzdem kann er in einer ganz bestimmten Hinsicht der Zerstreuung viel abgewinnen. Wie Kracauer hält er sie beim notwendigen Angriff auf die alten Kunstwerte – »wie Schöpfertum und Genialität, Ewigkeitswert und Geheimnis« (Benjamin 1974b: 473) – für äußerst nützlich. In seinem Mitte der 30er Jahre geschriebenen, aber erst in den 60er Jahren berühmt gewordenen Aufsatz über das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit arbeitet Benjamin heraus, was er unter Zerstreuung im positiven Sinne versteht. Wiederum genau wie Kracauer schätzt er an ihr die ablenkende, auflösende, diskontinuierliche Qualität. Anders als Kracauer macht er diese Qualität nicht (nur) an Oberflächlichkeit und Sinnferne fest, sondern ganz grundsätzlich an der Beschaffenheit der neuen Medien selbst. Der Angriff auf die alten Kunstwerte braucht darum von Benjamin nicht aggressiv vorgetragen zu werden, er weiß ihn bereits durch die massenhafte, etwa fotografische Reproduktion von Werken technisch vorgenommen. Die Aura des Kunstwerks, die an seine Einmaligkeit, das Hier und Jetzt eines bestimmten Ortes gebunden sei, verfalle über der schnellen, problemlosen Vervielfältigung – und mit dem Verfall der Aura werde auf der Seite der Rezeption die kontemplative Versenkung ins Werk unmöglich. Die zerstreute Haltung des Publikums im Kino dient in den Augen Benjamins als hervorragendes Übungsinstrument für die notwendigen Veränderungen der Wahrnehmung. Die Wahrnehmungsweisen müssten sich in Anbetracht der geschichtlichen Lage, die vom Großstadtmenschen eine schnellere und von den proletarisierten Massen eine kollektivere Auffassung verlange, von der Haltung vereinzelter Kontemplation notwendig unterscheiden. Die filmische Isolierung alltäglicher Gegenstände (Großaufnahme, Zeitlupe) und die schnelle Montage von Einzelbildern, die dem Auge keinen unveränderlichen Ruhepunkt gewähren, lösten bei den Zuschauern eine »Chockwirkung« aus, der als geistesgegenwärtiger Haltung die 39

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

Zerstreuung angemessen sei – eine Haltung, die der praktischen Absage an die überholte bildungsbürgerliche Versenkung ins Kunstwerk gleichkommt (ebd.: 498f.). Benjamin nimmt den Befund zerstreuter Aufmerksamkeit zum Anlass, die Ähnlichkeit von filmisch-technischer und dadaistischer (noch mit den Mitteln der Malerei und Literatur erzeugter) Wirkung herauszustellen: Beide zielten nicht nur auf eine Verhinderung von Kontemplation ab, beide zeichne tatsächlich die enorme taktile Qualität eines Geschosses aus. Wo aber die dadaistische Provokation noch die obszöne oder zerstörerische Geste benötige, um moralische Entrüstung hervorzurufen, treffe das technische Medium Film den Betrachter unweigerlich in einer rein »physischen Chockwirkung« (ebd.: 502f.). Die Umwertung einer ganzen Reihe populärer Genres wäre damit komplett – das Medium sicherte schon ihre nicht zu überbietende Hochschätzung. Im Verlauf seiner Argumentation stellt Benjamin dann aber doch einzelne Produkte – als gelungene Kunstwerke, deren Akklamation dem Publikum zum Vorteil gereicht – heraus: »Die technische Reproduzierbarkeit des Kunstwerks verändert das Verhältnis der Masse zur Kunst. Aus dem rückständigsten, z.B. einem Picasso gegenüber, schlägt es in das fortschrittlichste, z.B. angesichts eines Chaplin, um.« (Ebd.: 496f.) Grundsätzlich müsste allerdings, nimmt man Benjamins Argumentation ernst, die technisch erzwungene wahrnehmungspsychologische Leistung, im Kino für das Leben zu lernen, entscheidend für die Favorisierung des massenhaften Reproduktionsmediums sein. Benjamin fasst das Verhältnis der Massen zur Kunst aber nicht nur zur aufnehmenden, zerstreuten Seite neu. Benjamin möchte vor allem die »Konsumenten« zur »Produktion« anleiten, er möchte aus Lesern oder Zuschauern Schreibende oder Mitwirkende machen (1974a: 696). Benjamins wichtigster Gewährsmann dafür ist der sowjetische Theoretiker und Autor Sergej Tretjakov und dessen Modell des »operierenden Schriftstellers«. Von Tretjakov ist nicht nur das Buch Feld-Herrn. Der Kampf um eine Kollektivwirtschaft Anfang der 30er Jahre ins Deutsche übersetzt worden, er hat auch in einem viel beachteten Vortrag 1931 in Berlin seine Auffassungen, die auf die linken Futuristen der 10er und die LEF-Gruppe (Linke Front der Künste) der 20er Jahre zurückgehen, präsentieren können.2 2 Kracauer etwa überzeugen die von Tretjakov in Berlin vorgestellten Dokumente eines »Arbeiter-Autor[s]« überhaupt nicht (Kracauer 40

KRACAUER, BENJAMIN, ADORNO

Tretjakov stellt klar heraus, dass es ihm nicht um die realistische oder propagandistische Darstellung revolutionärer Umbrüche oder Helden geht (1972a: 11). Es bleibt aber nicht bei dieser Absage an solch eine neue ›Volks‹- bzw. ›Klassenkunst‹; die dem entgegengesetzte Methode, die »Kunst des Massenbedarfs« zu modernisieren, indem man etwa Jazzmusik mit Geräuschelementen anreichert oder ein Porträt leicht kubistisch verfremdet, stößt bei ihm ebenso wenig auf Gegenliebe (1972b: 20). In ganz großer Manier verfolgt Tretjakov vielmehr das Projekt, die Arbeitsteilung zwischen den (massenhaft) Werktätigen und den (einzelnen) Künstlern aufzuheben. Darum schlägt er vor, dass sich alle gleichermaßen auf technische Verfahren zur Materialgestaltung konzentrieren (1972a: 14). Neben dem konstruktivistischen Vorschlag steht die speziellere Absicht, die Literatur für den Arbeitsprozess in Betriebszeitungen und Aushängen zu nutzen.3 Die Trennung zwischen Rezipienten und Künstlern wird dadurch tendenziell ebenfalls aufgehoben, weil – wie Benjamin zusammenfasst – alle Arbeiter als Sachverständige ihres Postens einen »Zugang zur Autorschaft« gewinnen könnten.4 Tretjakov weiß natürlich auch, dass solche Projekte keineswegs auf eine begeisterte Aufnahme der »Massen« stoßen – und dass die meisten sowjetischen Offiziellen eine ganz andere Vorstellung von proletarischer Kunst haben. Immerhin, die fundamentale Aufhebungsrhetorik hat auch Lenin benutzt; 1920 hält er als Ziel fest, allgemein die Arbeitsteilung aufzuheben und »allseitig geschulte Menschen« heranzubilden (o.J.: 43). Den utopischen Charakter dieser Zielangabe ermisst man allerdings richtig, wenn man die überragende Bedeutung kennt, die Lenin in kompetenter Führung erblickt. Leuten, die etwa fordern, dass Zeitungen »direkt vom Volke redigiert« werden, hält er darum im Namen des Fachmenschentums eine »primitive Auffassung der Demokratie« vor (1970: 149). In gewisser Weise unterscheidet sich Tretjakovs Antwort auf den Vorwurf, 1990b). Einige Monate später, nach Lektüre von Tretjakovs FeldHerren, leuchtet ihm dessen Methode des »operierenden Schriftstellers« jedoch für die sowjetische Praxis weitgehend ein (Kracauer 1990c). 3 Tretjakov 1972c: 121. Der Aufsatz geht auf den Vortrag zurück, der in Berlin am 21. Januar 1931 in der Gesellschaft der Freunde des Neuen Rußland gehalten wurde. 4 Benjamin 1974b: 493. Als Selbstzitat auch in Benjamin 1974a: 688. Auch die Scheidung zwischen »Popularisator und Forscher« werde so einer Revision unterzogen (ebd.: 689). 41

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

dass die Massen die linken Futuristen überhaupt nicht verstünden, sogar kaum von der traditionellen Einstellung Lenins: Tatsächlich bestreitet Tretjakov gar nicht das Unverständnis der Massen; er ruft aber dazu auf, ihnen jetzt das richtige Verständnis beizubringen. Sozialistisch-avantgardistisch ist an diesem pädagogischen Auftrag noch die Begründung, dass die falsche Auffassung der Massen, »es sei Aufgabe der Kunst, die Mußestunden auf eine möglichst leichte Art und Weise auszufüllen«, sich einem bürgerlichem Erbe verdanke, das es zu überwinden gelte (1972d: 33). Theodor W. Adorno, der Jugendfreund des etwas älteren Kracauer und gute Bekannte Benjamins, teilt diese Ansicht Tretjakovs sicherlich. Bei einer brieflichen Begutachtung des Reproduzierbarkeits-Aufsatzes lässt er Benjamins begeisterte Aufnahme der darauf folgenden avantgardistischen Kunst-Bestimmung Tretjakovs jedoch vollkommen außer Acht. Adorno hängt viel zu stark am Kunstwerk, um die Idee einer entgrenzten Arbeit am Material (oder an einer Betriebszeitung) als operative Kunst überhaupt zuzulassen. Die weiteren wichtigen ästhetisch-politischen Urteile Benjamins (und Kracauers) übernimmt er hingegen. Die »bürgerliche Romantik der Konservierung der Persönlichkeit und all dem Zauber« verfällt seiner Kritik ebenso, wie er bereit ist, den »Kitschfilm gegen den mit ›Niveau‹« zu retten.5 In vielen Schriften seit den späten 30er Jahren bis hin zur kurz nach seinem Tod veröffentlichten Ästhetischen Theorie (1970) wird Adorno an die Sympathie zwischen »Avantgarde und Music Hall« erinnern, um den »mittleren, mit Innerlichkeit abspeisenden Bereich einer Kunst« zu denunzieren, die durch ihre Kulturbeflissenheit sich selbst verrate (1981: 162). In dem äußerst wirkungsmächtigen Kapitel zur »Kulturindustrie« aus der Dialektik der Aufklärung (1944) gesteht Adorno (zusammen mit Max Horkheimer) den älteren Formen der Zerstreuung ein der autonomen Kunst verwandtes Potential zu: Die »Exzentrizität« von Zirkus und Bordell sei der Kulturindustrie so peinlich wie die von Arnold Schönberg und Karl Kraus, heißt es dort unmissverständlich (1988: 144). Mehr noch, auch einige (frühe) Produkte der Kulturindustrie können nach dem Muster vor Adorno/Horkheimer bestehen; in manchen Revuen und Grotesken, bei Slapstick- und Zeichentrickfilmen sehen sie zumindest für Augenblicke das »reine Amuse-

5

Adorno 1974: 1002. Zu Adorno und Horkheimer vgl. den ausgezeichneten Überblick von Honneth 1989. 42

KRACAUER, BENJAMIN, ADORNO

ment«, »bunte Assoziation« und »puren Blödsinn« glücklich gegeben (ebd.: 150f., 146). Entscheidend für solche Urteile ist die Hochwertung von Einzelreiz und sinnlichem Detail. Die Dominanz des Effekts galt dem gebildeten Betrachter lange als untrügliches Zeichen vulgärer Unterhaltung – erst die modernistische Wendung gegen die moralisch sinnstiftende, wohlabgewogene Fabel, gegen jede Behauptung eines naturwüchsigen Zusammenhangs schafft die Möglichkeit, nicht nur romantisch-dekadente und später dadaistisch-fragmentarische Werke begeistert aufzunehmen, sondern auch besondere Schauwerte und Reize unterhaltender Art. Adorno steht in dieser neuen Tradition, er schätzt den partikularen Reiz als Einspruch gegen das falsche Allgemeine und die zwanghafte Identität, er schätzt ihn als »Träger der Opposition gegen das autoritäre Schema«.6 Beschränkten sich Adornos Wertungsgründe auf die genannten Momente, stünde einer rückhaltlosen Zustimmung zu Benjamins Thesen nichts entgegen. Adorno hängt jedoch in viel zu starkem Maße bestimmten Ausprägungen der modernen Kunst an, um Benjamins Verdikt wider die Aura des bürgerlichen Kunstwerks – Geheimnis und Genialität – ganz übernehmen zu können. Er möchte aber nicht nur hervorgehoben wissen, dass gerade Werke wie die Mallarmés, Kafkas oder selbst Valérys jene falsche Aura durch Materialbeherrschung und Arbeit an der autonomen Form zum Schwinden bringen. Die Skepsis gegenüber Benjamins Einschätzungen führt ihn auch zur Kritik an dessen Diagnose, im Kinosaal käme es zu einer begrüßenswerten Zertrümmerung der auratischen Kunst. Vollkommen zu Recht streicht Adorno heraus, dass Benjamin die zerstreuende, entauratisierende Wirkung der Montage und der Reproduktion genauso stark überschätzt wie die unbürgerliche Haltung der proletarischen Zuschauermassen.7 Selbst ohne diese nachhaltige, empirisch leicht zu erhärtende Widerlegung Benjamins könnte Adorno sich ihm nicht annähern. Grundsätzlich schätzt er die Zerstreuung nämlich nur solange, wie sie das Ganze nicht zerstört. Adornos Ideal ist es, das Besondere und das Allgemeine zu versöhnen, bloße »Dekonzentration« lehnt er ab (1973a: 37). Die Erzeugnisse der populären Kultur sind für ihn 6 Adorno 1973a: 18; entsprechende Stelle im »Kulturindustrie«-Kapitel: Adorno/Horkheimer 1988: 133. 7 Adorno 1974: 1002f. – Entsprechende Stelle im Spätwerk Adornos (1981: 89). 43

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

darum gleich zweifach falsch: Einerseits zerfallen sie in Aufmerksamkeit heischende Effekte, die Individualität nur suggerieren, tatsächlich aber ganz stereotyp bleiben;8 andererseits werden jene Effekte zusammengeklammert zu einem Schema (zu einem falschen Ganzen), das sich eben nicht aus einem Zusammenspiel der Teile überraschend ergibt. Mit einem Wort: Die Werke der populären Kultur bestehen aus standardisierten Effekten und starren Handlungs-Konventionen (1941a: 18f.). Seine Bedeutung gewinnt dieses Urteil daraus, dass es weit über ein Geschmacksurteil, aber auch über eine poetologische Feststellung hinausgeht. Mit dem Geschmacksurteil ist untrennbar die Erkenntnis verbunden, dass die zeitgenössischen populären Werke einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Erhalt des Bestehenden liefern. Die Kulturindustrie, welche die standardisierten Produkte der populären Kultur industriell und serienmäßig fertigt, trägt mit ihren schematischen Effekten nach Ansicht Adornos äußerst wirkungsvoll zur Reproduktion der verwalteten Welt und entfremdeten Arbeit bei. Der alte Vorwurf des Eskapismus, der ruhig stellenden Kompensation wird von Adorno beträchtlich gesteigert. Der neue Vorwurf lautet nicht, dass Hollywoodfilme und Schlager noch stärker die Funktion ausfüllten, von der Arbeit wie von gesellschaftlichen Widersprüchen abzulenken, sondern dass ihre Form konditionierter Reflexe sogar der Ordnung der mechanisierten, sinnfreien Arbeit gleiche und sie einzuschärfen diene. »Dem Arbeitsvorgang in Fabrik und Büro ist auszuweichen nur in der Angleichung an ihn in der Muße. Daran krankt unheilbar alles Amusement. Das Vergnügen erstarrt zur Langeweile, weil es, um Vergnügen zu bleiben, nicht wieder Anstrengung kosten soll und daher streng in den ausgefahrenen Assoziationsgeleisen sich bewegt. Der Zuschauer soll keiner eigenen Gedanken bedürfen: das Produkt zeichnet jede Reaktion vor: nicht durch seinen sachlichen Zusammenhang – dieser zerfällt, soweit er Denken beansprucht – sondern durch Signale.« In einem 8

Adorno 1936: 237, 249f.; Adorno 1973b: 191f. – Im Bereich der populären Kultur sind – daran gemessen – feinere Unterschiede für Adorno nicht von größerem Belang; ob zwischen Jazz-Anhängern der Nach-Swing-Ära und der »grölende[n] Gefolgschaft des Elvis Presley« tatsächlich Welten liegen, bezweifelt er (ebd.). Ein unmittelbar verwandtes Argument gebraucht Adorno auch später gegenüber den Beatles: »heruntergekommene Ausdrucksmittel der Tradition [...], die den Umkreis des Festgelegten in gar keiner Weise überschreiten«. Adorno/Haselberg 1965: 494. 44

KRACAUER, BENJAMIN, ADORNO

Satz: »Amusement ist die Verlängerung der Arbeit unterm Spätkapitalismus.« (Adorno/Horkheimer 1988: 145) Hollywood-Filme, als exemplarische Produkte der Kulturindustrie, fasst Adorno entsprechend nicht nur als kitschig verzerrte Widerspiegelung der schlechten Wirklichkeit, sondern ebenfalls als weitere bildnerische Hervorbringung einer ohnehin schon unheilvoll formierten Realität auf. Ideologiekritik wird bis zu einem Punkt getrieben, an dem in den Augen des Ideologiekritikers Unterhaltungsprodukt und Lebensvollzug verhängnisvoll deckungsgleich geraten: »Donald Duck in den Cartoons wie der Unglückliche in der Realität erhalten ihre Prügel, damit die Zuschauer sich an die eigenen gewöhnen.« (Ebd.: 147) Nach der Feststellung müsste die Arbeit des Kritikers eigentlich beendet sein. Denn mit den Mitteln der Kulturindustrie wird diese Gewöhnung, daran lässt Adorno keinen Zweifel, tatsächlich erreicht. Adorno ist noch Marxist bzw. Humanist genug, um zu wissen, dass ein weniger langweiliger und anstrengender Arbeitsalltag die notwendige Bedingung einer »konzentrierten und bewussten Kunsterfahrung« darstellt (Adorno 1941a: 38). Als materialistischer Ideologiekritiker hält er an der Überzeugung fest, dass die Bedürfnisse des großen Publikums, auf die sich die Agenten der Kulturindustrie berufen, bereits von dieser und der rationalisierten Arbeit geschaffen worden sind. Als überaus gebildeter Ästhet vergisst er jedoch manchmal solche Einsichten und sieht dann in den »betrogenen Massen« die wahren Fanatiker eines falschen Glaubens: »Sie [die Massen] haben ihre Wünsche«, schreibt Adorno scheinbar lapidar, um dann herrisch fortzufahren: »Unbeirrbar bestehen sie auf der Ideologie, durch die man sie versklavt.« (Adorno/Horkheimer 1988: 142) Adornos späte Resignation, dass die Kulturindustrie vielleicht nicht einmal falsches Bewusstsein produziere, sondern nur die schlechte Wirklichkeit angestrengt verlängere, indem sie leere Zeit mit Leerem fülle (1981: 365), ist da natürlich überhaupt kein Trost.

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5 JOHN DEWEY: DIE

DEMOKRATISCHE ÄSTHETISCHE

ERFAHRUNG

Ein Übergang von der Frankfurter Schule zum amerikanischen Pragmatismus erscheint auf den ersten Blick unmöglich. Die wenigen Stellungnahmen von Adorno und Horkheimer zum Pragmatismus sind blass oder abwertend, die Ehre einer eingehenderen Darstellung lassen sie William James oder John Dewey nicht zukommen, dabei ist Dewey (geb. 1859) zwar wesentlich älter als die beiden deutschen Sozialphilosophen, trotzdem aber ihr Zeitgenosse; einige wichtige Schriften schreibt er noch in hohem Alter. Auch Deweys Abhandlung Art as Experience gehört zu seinen späten Büchern, sie erscheint 1934. Wirft man nun einen genaueren Blick in Deweys Schrift zur Ästhetik, versteht man die sehr weitgehende Zurückhaltung vonseiten der Frankfurter Schule – ganz zu schweigen von der Ignoranz der deutschen Schulphilosophie, die mit ganz wenigen Ausnahmen bis heute anhält – nicht mehr so recht.1 Wie Adorno lässt Dewey die Erfahrung des Schocks nur als weiterführende Erfahrung gelten; eine »Aufeinanderfolge von vorübergehenden Erregungszuständen« hält er für sinnlos und schädlich.2 Zur Kunst als Erfahrung zählt für Dewey unumgänglich eine besondere Verbindung der Teile zu einem Ganzen. Genau wie Adorno legt Dewey großen Wert darauf, dass die Teile bei ihrer Verbindung zu einem Ganzen aber nicht in ihrer Besonderheit untergehen. Eine ästhetische Erfahrung zeichne sich dadurch aus,

1 Zur Rezeption Deweys vgl. Hinz: 2002; Joas 1992: 114ff. 2 Dewey 1980: 147. Die deutsche Übersetzung ist manchmal bei der Rückübertragung klassischer philosophischer Termini etwas unsicher, im Zweifelsfall sollte man auf das Original zurückgreifen. Zu Deweys Ästhetik vgl. Shusterman 1992; Alexander 1987. 47

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

dass die Bewegung von »an sich zur Zerstreuung verleitende[n] Erregunge[n]« in einen »umfassenden, erfüllten Abschluß« münde; dieser Endpunkt dürfe aber nicht alles Vorhergehende zum Stillstand bringen oder abschneiden; die Bewegung dorthin, der Rhythmus müsse im Schluss deutlich gegenwärtig bleiben.3 Der entscheidende Unterschied zwischen Pragmatismus und Frankfurter Schule muss darum innerhalb des Feldes der Ästhetik woanders liegen. Er besteht vor allem in der ganz unterschiedlichen Einschätzung, ob die angesprochenen ästhetischen Erfahrungen überhaupt noch gemacht werden können. Max Horkheimer zitiert Anfang der 40er Jahre zustimmend Deweys Wort, dass Kunst die freieste Form menschlicher Kommunikation sei – um dann aber anzufügen, dass die Kluft zwischen wahrer Kunst und gesellschaftlicher Kommunikation im Zeitalter der Propaganda und der kommerziellen Literatur unüberbrückbar bleibe. Heutige Kunst müsse sich darum geradezu einkapseln und ungesellig abschneiden, um den Idealen von Individualität und Gemeinschaft überhaupt noch treu bleiben zu können. Jede Idee, dass gelungene Kommunikation und harmonischer Zusammenhang gegenwärtig möglich sei, laufe auf einen Betrug hinaus: »The last substantial works of art, however, abandon the idea that real community exists; they are the monuments of a solitary and despairing life that finds no bridge to any other or even to its own consciousness.« – »The grief and horror such works convey [prose like Joyce’s and paintings like Picasso’s Guernica] are not identical with the feelings of those who, for rational reasons, are turning away from reality or rising against it. The consciousness behind them is rather one cut off from society as it is, and forced into queer, discordant forms. These inhospitable works of 3

Dewey 1980: 70. – In der modern-idealistischeren, zugleich sich nach mehreren Seiten absichernden Konzeption Adornos klingt das so: »Die Wahrheit der Kunstwerke haftet daran, ob es ihnen gelingt, das mit dem Begriff nicht Identische, nach dessen Maß Zufällige in ihrer immanenten Notwendigkeit zu absorbieren.« Adorno 1981: 155. – Adorno äußert sich eingehender zum Pragmatismus selbst innerhalb eines Aufsatzes zu Thorstein Veblen, wobei er den bekannten pragmatistischen Ausgangspunkt, entscheidend sei die Orientierung des Verhaltens an der Problemlösung, welche die jeweilige Situation erfordert, viel zu stark als letztes Wort des Pragmatismus auffasst und dessen Betonung des intermittierenden, die konkrete Situation übersteigenden Charakters von Sprache und Denken übersieht. Adorno 1941b: 408ff. 48

JOHN DEWEY

art, by remaining loyal to the individual as against the infamy of existence, thus retain the true content of previous works of art and are more closely related to Raphael’s madonnas and Mozart’s operas than is anything that harps on the same harmonies today, at a time when the happy countenance has assumed the mask of frenzy and only the melancholy faces of the frenzied remain a sign of hope.« (Horkheimer 1941: 295, 294)

Solche tief pessimistischen Einschätzungen gründen aber nicht nur in der Bedrohung durch die europäischen Diktaturen. Es reichen bereits die Bedingungen der späten Industriegesellschaft und der neuen Massenkultur, um die Diagnose aufrechtzuerhalten. Man sieht das an der Ästhetischen Theorie Adornos, in der man in Deutschland am Ende der 60er Jahre die gleichen Urteile lesen kann wie 30 Jahre zuvor: Im Sinne des großen Publikums zu handeln, heißt es dort, bedeute eben nicht, populär zu sein; die Kunst achte die »Massen« gerade dann, wenn sie sich nicht der »entwürdigten Gestalt« dieser Masse anpasse (1981: 356). Auch für Dewey braucht sich der Künstler keineswegs um unmittelbare Popularität zu kümmern, allerdings stößt bei ihm eine vorsätzliche, elitäre Distanz des Künstlers zum großen Publikum auf Kritik (1980: 132, 12). Dewey ist ausdrücklich kein Optimist, aber ein Meliorist, der Verbesserungen jederzeit für möglich und erstrebenswert hält (1983a: 181f.). Als Darwinist sieht Dewey (1977a) die Zukunft stets für vielfältige Variationen offen, als Demokrat vertraut er auf den Austausch verschiedenster Ansichten und Vorgehensweisen unvergleichbarer Individuen (1982: 50ff.). Ganz grundsätzlich sind nach Deweys Konzeption geglückte vollständige Kommunikationsakte selbst in einer weitgehend zerrissenen Welt gar nicht zu verhindern. Alle menschliche Erfahrung – lautet Deweys Grundsatz – entsteht durch die weiterführende Interaktion des menschlichen Organismus mit seiner Umwelt (1977b: 180f.; 1980: 21f.). Der gelungene Umgang mit der Welt, etwa die Verfeinerung rohen Stoffs zu wertvollen Artefakten, macht erst die umfassende Erfahrung aus. Die strikte Unterscheidung von Theorie und Praxis, von Erkenntnis und instrumentellem Gebrauch, von Handwerk und Kunst, von reiner ästhetischer Kontemplation und sinnlichem Antrieb ist darum nach Dewey nicht aufrechtzuerhalten.4 4

Siehe etwa Dewey 2000: 353f.; Dewey 1983a: 134ff.; Dewey 1984a: 227. 49

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

Aufs Ganze gesehen unvermeidlich ist diese integrierende Erfahrung (am Ende seines Lebens wird Dewey vorschlagen, den Begriff Erfahrung einfach durch den der Kultur zu ersetzen [1995a: 450]), weil sie nicht allein den großen Erfinder oder das künstlerische Genie betrifft. Die Erfahrung in ihrer Intensität kann ebenfalls das alltägliche Handeln spürbar durchdringen. Für eine vorgeblich interesselose Moral, die den Menschen übergestülpt werden soll (1983b: 6ff.), besitzt Dewey deshalb ebenso wenig Verständnis wie für jene Langeweile, die das Ergebnis selbstbezüglicher Phantasien ist (1980: 58, 53). Dewey zeigt an dieser Stelle keine Scheu vor Illustrationen, von denen er sicher weiß, dass sie sein Ansehen bei vielen Intellektuellen und modernen Ästheten beschädigen werden. So führt er als Beispiel der Verbindung von nutzbringender Handlung und einer Erfahrung des Schönen etwa den Kleingärtner an, der mit Freude und Hingabe das Stückchen Rasen vor dem Haus pflegt, er weist auf die Zuschauermenge hin, die fasziniert den geglückten Bewegungen des Ballspielers folgt (ebd.: 11). Eine Ästhetik, die das Band zwischen alltäglichen Handlungen und ihren verfeinerten Ausprägungen zertrennt und dadurch das Kunstwerk in einen exklusiven Sonderbereich bannt, macht Dewey genau für den Verfall des Geschmacks mit verantwortlich, den die Anhänger puritanischer Kunstkonzeptionen selbst immer beklagen (1995b: 340): Das Billige und Vulgäre habe vor allem dann eine Chance, wenn sich die Gebildeten auf eine entrückte Kunst einigten, die für den großen Teil der Menschen ohne Bezug bleibe und ihnen deshalb als Ansammlung lebloser Gegenstände erscheine. Theorien, die den kontemplativen Charakter ästhetischer Wahrnehmung überaus stark betonen, führt Dewey in kritischer Absicht als weiteren Beweis der falschen Trennung an. An Ausdrücken wie ›billig‹ und ›vulgär‹ sieht man allerdings sofort, dass Dewey keinesfalls ein Freund der meisten Filme oder Comics seiner Zeit ist. Wichtig ist auch zu wissen, dass Dewey zu wenig idealistisch gestimmt ist, um die von ihm beklagte Kluft zwischen gegenwärtiger Kunst und populären Vorlieben allein auf einseitige Konzeptionen philosophischer ästhetischer Theorien und modernistischer Geschmacksimperative zurückzuführen. Dewey versucht vielmehr, die aus seiner Sicht missliche Trennung ebenso wie die mäßigen Produkte des täglichen Konsums auch aus technischen und wirtschaftlichen Umständen zu erklären. Die Zerlegung der Arbeit in isolierte Handgriffe beeinträchtigt nach seinem Urteil 50

JOHN DEWEY

die (ästhetische) Erfahrung beim Produzenten wie beim Rezipienten, vor allem wenn die industrielle Produktion mit der ökonomischen Aufteilung in wenige Eigentümer und viele Lohnabhängige einhergeht. Eine Änderung dieses schlechten Zustands hält Dewey nur dann für möglich, wenn die Arbeit nicht nur aus Gründen des Lohnerwerbs verrichtet und zum Zwecke der Gewinnmaximierung von privaten Eigentümern kontrolliert wird. Erst die Mitbestimmung über den Arbeitsplatz schafft darum Abhilfe: »Eine dauernde Lösung ist nur durch eine radikale soziale Veränderung möglich, die auf die Stellung und die Teilhabe der Arbeiter an der Hervorbringung und sozialen Verteilung seiner produzierten Waren wirkt. Nur ein solcher Wechsel wird ernstlich den Inhalt der Erfahrung modifizieren, in den die Erzeugung von Gebrauchsobjekten eintritt. Und diese Umstellung der Natur der Erfahrung ist das letztlich bestimmende Element in der ästhetischen Qualität der Erfahrung produzierter Dinge. Die Vorstellung, daß dieses Grundproblem lediglich durch eine Vermehrung der Freizeit gelöst werden könne, ist absurd. Solche Vorstellung bewahrt bloß die alte dualistische Teilung von Arbeit und Freizeit. Die Hauptsache ist ein Wechsel, der die Kraft äußeren Drucks reduziert und den Sinn für Freiheit und persönliches Interesse an den Verfahrensweisen der Produktion verstärkt. Oligarchische Kontrolle von außerhalb des Produktionsprozesses ist die hauptsächlichste Kraft, die den Arbeiter daran hindert, jenes enge Interesse an dem zu haben, was er tut – eine wesentliche Vorbedingung für ästhetische Befriedigung. Es gibt nichts in der Natur der maschinellen Produktion per se, das ein unüberwindbares Hindernis auf dem Weg des Bewußtseins der Arbeiter von der Bedeutung dessen darstellt, was sie tun, und der Freude an der Zufriedenheit über Kameradschaft und gut getaner, nützlicher Arbeit.« (1980: 396)

Der umfassende Begriff ästhetischer Erfahrung führt Dewey nicht nur aus dem Museum und der Bibliothek in die Handwerkerateliers, sondern auch in die Fabrik hinein. Gerne würde er auch das Museum oder die Galerie verlassen, um – wie er an vielen Stellen seines Buches betont – die Kunst als Teil des menschlichen Alltags erleben zu können. Im Gegensatz zu Benjamin – dessen Beobachtung von der Zerstörung der auratischen Kunst durch die Reproduktionsmedien er um einige Jahre vorwegnimmt – möchte Dewey die Verbindung von Kunstwerken zu besonderen Orten auch in der Gegenwart gewahrt wissen. Nur so, glaubt er, können sie ein wich51

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tiger Bestandteil der »gemeinschaftlichen Erfahrung« sein. Bleiben sie stattdessen im Museum abgelöst von ihren Entstehungsbedingungen, fungieren sie lediglich als Zeugen einer abgesonderten Bildung (ebd.: 16). Dewey schwebt eine Variante der traditionellen Integration der Kunst vor, als sie noch als »Begleitelement von Tempel, Forum und anderen Ausdrucksformen des gesellschaftlichen Lebens in Erscheinung« trat. Eine direkte örtliche, moderne Entsprechung zu Tempel und Forum schlägt Dewey jedoch nicht vor, wenn er sicherlich auch gegen zeitgenössische Versuche, die Architektur mit Malerei und Bildhauerei zu vereinigen, grundsätzlich nichts einzuwenden hätte (ebd.: 15, 14). Dewey ist sich natürlich im Klaren darüber, dass der intime, alles durchdringende Zusammenhang kleinerer Gemeinschaften in der modernen komplexen Gesellschaft nicht aufrechterhalten werden kann. An die Stelle der Verbindung face to face treten unpersönlichere und mechanischere Bezüge und Austauschformen (1996: 90f.). Regelmäßig führt Dewey die Druckerpresse als Ursache der großen, viele entfernte Gebiete umschließenden Demokratien an (zur Druckerpresse tritt dann noch die Eisenbahn, der Telegraph und das Telefon hinzu). Die Möglichkeit, dass weite Teile der Bevölkerung Zeitungen mit hoher Auflage und zum Teil auch Bücher zu erschwinglichen Preisen erwerben können, lässt die Demokratie der großen Zahl und der unterschiedlichen Regionen erst Wirklichkeit werden (1983c: 330). Ungeachtet dieser Einschätzung steht für Dewey aber fest, dass ein weitgehender Bedeutungsverlust der lokalen Gemeinschaft beträchtliche negative Auswirkungen hat (1988a: 176). Innerhalb ihrer nicht selten engen Grenzen besitzt sie in jedem Fall den Vorteil, dass die Urteile und Handlungen ihrer Mitglieder auf direkter, eigener Erfahrung beruhen. Die überregionalen Medien hingegen können zwar im guten Falle den Horizont beträchtlich erweitern, sie bringen ihre Leser jedoch häufig dazu, über fernliegende, eigentlich für sie unwirkliche Ereignisse zu sprechen. Dadurch ziehen sie Aufmerksamkeit von den tatsächlich anstehenden Dingen ab, die bewältigt werden müssen, aber auch bewältigt werden können (1983c: 329f.). Wie Tocqueville sieht Dewey den Zerfall der festen, alten ständischen und regionalen Ordnungen und die gegenläufige Herausbildung der modernen differenzierten Gesellschaft nicht nur mit einer 52

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zunehmenden Beziehungslosigkeit und Unsicherheit verbunden. Die politische Einheit der Nation und die mediale Öffentlichkeit bringen in seinen Augen eine – allerdings fragwürdige – Stabilität hervor. Uniformität, Mittelmaß und Standardisierung sind hier die bekannten kritischen Stichworte. Die Kritiker wie die Befürworter der liberalen Individualisierung haben in Deweys Augen bereits zuvor grundsätzlich Unrecht, weil sie schlicht ausblenden, dass alte Vergemeinschaftungsformen wie vor allem die Institution des Privateigentums von freiheitlichen Neuerungen unberührt geblieben sind. In die Lobeshymnen auf den freien Willen der einzelnen Wahlbürger, die mit ihren eigenen Entscheidungen souverän das politische Geschick bestimmen, kann Dewey darum nicht bedingungslos einstimmen (1996: 104, 93). Unter dem Zeichen der Parteienherrschaft und anderer zwischengeschalteter Gruppen tritt für Dewey der geringe Einfluss der Öffentlichkeit auf die Regierung besonders deutlich hervor (ebd.: 106f.). In einer originellen Bestimmung hatte Karl Salomo Zachariä Mitte des 19. Jahrhunderts die »Meinung der Mehrheit« in zwei Bereiche gespalten: Die öffentliche Meinung schließe man aus den Ansichten von vielen Einzelnen, die »wirkliche« Meinung der Mehrheit lasse sich zuverlässig durch das Zählen von Wählerstimmen ermitteln; diese Meinung der Mehrheit habe darum eine entscheidende, die öffentliche Meinung hingegen nur eine beratende Funktion.5 Dewey nun hält das Mehrheitsprinzip als solches für wenig bedeutend, wenn nicht manchmal sogar für schädlich. Bedeutung gewinnt das Auszählen von Stimmen aus seiner Sicht allein dann, wenn vorher eine gründliche Beratung und Diskussion stattgefunden hat (1996: 172f.). Genau dies sieht Dewey im geschichtlichen Moment nicht gewährleistet. Die punktuellen Wahlkämpfe sind für ihn hauptsächlich geprägt durch Propaganda und Emotionalisierung, die großen Zeitungen und das Radio bieten unablässig belanglose Unterhaltung oder beziehungslose Sensationsmeldungen an (ebd.: 109, 144, 152). Dewey schließt sich bei der Aufzählung und Analyse solcher Defizite an Walter Lippmanns bahnbrechende Bücher über Public Opinion und The Phantom Public an, die sich wiederum in wichtigen theoretischen Abschnitten auf William James und Dewey selbst beziehen. Beide, Dewey und Lippmann, teilen die Auffassung, dass 5 Karl Salomo Zachariä: Vierzig Bücher vom Staate, 1839, S. 208, zit. n. Schiewe 2004: 57. 53

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nicht die offene Lüge oder Falschinformation das Problem der modernen Medien darstellt, sondern grundsätzlich bereits die Auswahl dessen, worüber in welcher Weise berichtet wird (Dewey 1983d, 1984b; Lippmann 1990, 1993). Problematisch an dieser unumgänglichen Auswahl ist, dass sie zumeist auf naive Weise erfolgt: Die Auswählenden haben häufiger weder ein Bewusstsein dafür noch zeigen sie dem Publikum an, dass eine Auswahl stattfindet. Darum herrscht einfach das unbeirrbare Gefühl vor, die Wirklichkeit vor Augen geführt zu bekommen. Fiktionen nennt Lippmann verschiedene Phänomene von der Halluzination bis zum wissenschaftlichen Modell – alles Bilder der Umwelt, die der Mensch sich mehr oder minder selbst schafft. Die Bilder der öffentlichen Meinung sieht Lippmann (1990: 18, 92) nun vorwiegend als »moralisierte und kodifizierte Variante[n] der Tatsachen« an: Die Waage neigt sich also deutlich zur Halluzination, nicht zur wissenschaftlichen Modellkonstruktion. Triviale Vorurteile, stereotype Symbole, traditionelle Schemata, Ansprache an das Gefühl und zusammenhanglose Berichte über isolierte Ereignisse formen für Lippmann die Presse und die politische Auseinandersetzung. Dewey widerspricht dieser Sicht der aktuellen Lage keineswegs. Im Unterschied zu Lippmann setzt Dewey aber nicht auf eine Herrschaft der Experten; eine solche Herrschaft läuft für ihn unvermeidlich auf eine Diktatur von Privatinteresse und -wissen hinaus. Selbst in der schlechtesten Variante der Demokratie sieht Dewey hingegen stets den Bezug auf gemeinsame Interessen am Werk. Einen Zustand, in dem Herrschaft ausgeübt wird, ohne dass auch nur der Versuch unternommen würde, die Wünsche der Beherrschten zu ermitteln, schließe jede Demokratie aus (1996: 153). Ebenfalls schließe jede Form der Demokratie zumindest den Anspruch auf sorgfältige Meinungsbildung und Wahrheitsfindung ein. Durch rechtliche Garantien auf freie Meinungsäußerung und Öffentlichkeit bleibt der Anspruch zudem nicht auf geheime Gedanken und private Ansichten beschränkt. Die Kritik am gegenwärtigen Zustand der Demokratie führt Dewey also zu dem Plädoyer, eine höhere Form der öffentlichen Kommunikation entstehen zu lassen. Dem Expertentum kommt dort auch bei ihm eine entscheidende Rolle zu, wenn es sich nicht darauf erstreckt, politische Programme zu entwickeln und auszuführen, sondern wichtige Sachverhalte bekannt zu machen, die der Öffentlichkeit ein Verständnis der komplexen Zusammenhänge der mo54

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dernen Welt erlauben (ebd.: 173). Trotz der insgesamt vielleicht bedenklichen Bindung demokratischer Entscheidung an manifeste Wahrheiten bleibt der Unterschied von Dewey zu traditionellen Anschauungen, die das Stimmrecht für Gebildete reservieren (vgl. Emden 1962) oder die öffentliche Meinung als reaktionäre Gelehrtenrepublik konzipieren wollen (Tönnies 1981: 573), sehr deutlich. Bei Dewey steht eine stetige Vermittlung sozialwissenschaftlicher Ergebnisse sowie politischer Theorien im Vordergrund. Sie beide eignen sich nach seiner Meinung ausgezeichnet für die öffentliche Debatte, weil sie im besten Fall ohnehin im Zusammenhang mit der Wirklichkeit entstehen, zu deren Interpretation sie anleiten (1996: 22). Abseits von wissenschaftlicher Fachdiskussion müsste solches Material auf populäre Weise verbreitet werden, damit das Ideal einer »Kommunion« als freier Öffentlichkeit keine Utopie bleibt. Weil Dewey vom Begriff des ›Ganzen‹ nicht abrücken will, muss er die einzelnen Teilöffentlichkeiten – wenn sogar die Lösung örtlicher Aufgaben die lokale Gemeinschaft in der modernen arbeitsteiligen, vernetzten Welt übersteigt (1988a: 95) – in einer umfassenden Kommunikationsgemeinschaft zusammenführen (1996: 155). Bindungslos bleiben die Einzelnen oder die Gruppen nach Dewey letztlich nicht, weil sie kein Teil eines Standes, einer Religionsgemeinschaft oder einer Familie mehr sind, sondern weil keine verbindende Kommunikation zwischen ihnen herrscht. Deweys demokratische Ausrichtung erklärt sich dadurch leicht: Die Demokratie ist für ihn die Garantie einer nie abgeschlossenen Diskussion – und folglich einer stetigen kommunikativen Bindung. Zuletzt kommt so bei Dewey die Kunst ins Spiel zurück. Ihr traut er zu, das konventionelle Bewusstsein zum Vorteil der demokratischen Öffentlichkeit verändern und mit neuen Entwicklungen vertraut machen zu können (ebd.) – nicht indem sie Botschaften verkündet oder gar moralische Befehle erteilt, sondern indem sie besondere – lokale – Lebensweisen und unverwirklichte Möglichkeiten auf eine attraktive Weise schildert (1980: 399ff.). Der Umgang mit anderen Menschen hänge von der Fähigkeit des Einzelnen ab, sich in der Vorstellung an die Stelle des anderen zu versetzen, die künstlerische Einbildungskraft und ästhetische Erfahrung aber weite diese Quelle moralischen Verhaltens über den Bereich persönlicher Beziehungen entscheidend aus.

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Werke, deren populäre Anziehungskraft sich auf solche Weise erklärt, bilden für Dewey eine vollkommen unverzichtbare Möglichkeit, die elementare Intimität und Direktheit der lokalen Gemeinschaften auf glückliche Art zur Öffentlichkeit hin zu verlassen, ohne dass Standardisierung oder Weltverlust die Folge sind (1983e: 15f.; 1996: 176; 1980: 401). Imaginative Differenz, nie abgeschlossene Variation und für alle zugängliche, offene Debatten unterscheiden das Bemühen um ›ganzheitliche‹ Kommunikation von totalitärer Einmütigkeit. Dewey stellt ausdrücklich heraus, dass totalitäre Staaten keineswegs allein durch äußeren Zwang bestehen können, sondern durch die Zustimmung und Unterstützung breiter Bevölkerungsschichten. Im Anspruch der zeitgenössischen deutschen und russischen Diktaturen, das ›ganze Volk‹ vereinigt zu haben, sieht Dewey das genaue Gegenteil seiner Leitlinie vollständiger, wiewohl besonderer Erfahrungen.

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6 CARL SCHMITT UND JOSEPH SCHUMPETER: AKKLAMATION UND AUSWAHL Stellt man Carl Schmitt und John Dewey nebeneinander, erkennt man schnell, dass selbst weitreichende Übereinstimmungen bei einzelnen Anschauungen aufs Ganze gesehen so gut wie nichts bedeuten. Zwar heben sowohl der amerikanische Pragmatist als auch der deutsche Jurist und Geistesgeschichtler in den 20er Jahren die Mängel politischer Meinungsbildung deutlich hervor – und berufen sich dabei sogar auf denselben Autor, Walter Lippmann (Schmitt 1961a: 11) –, darüber hinaus gibt es jedoch keine weiteren Gemeinsamkeiten. Deutlicher gesagt: Schmitt gehört genau dem Typus eines totalitären Theoretikers an, von dessen Anschauungen sich Deweys Auffassungen demokratischer Kultur am stärksten unterscheiden.1 Der Unterschied beschränkt sich nicht auf die politische Ausrichtung. Schmitts Methode (ebd.: 7, 13; 1988a: 24), von einer prinzipiellen Definition, einer geistigen Grundlage auszugehen, hätte Dewey besonders im Hinblick auf eine Bestimmung der Demokratie abgelehnt. Schmitts Unbehagen gegenüber dem Argument, das Parlament sei ein nützliches »Instrument sozialer und politischer Tech1 »[T]he very things that seem to us in democratic countries the most obnoxious features of the totalitarian state are the very things for which its advocates recommend it. They are the things for whose absence they denounce democratic countries. For they say that failure to enlist the whole make-up of citizens, emotional as well as ideological, condemns democratic states to employ merely external and mechanical devices to hold the loyal support of its citizens. We may regard all this as a symptom of a collective hallucination, such as at times seems to have captured whole populations. But even so, we must recognize the influence of this factor if we are ourselves to escape collective delusion – that totalitarianism rests upon external coercion alone.« Dewey 1988a: 70f. 57

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nik« (1961a: 12), würde sich bei Dewey in nichts auflösen. Dewey möchte nicht ganz allgemeine Konzepte in den Vordergrund stellen, sondern Begriffe, die in besonderen Situationen zur Klärung konkreter Fragen beitragen (1983a: 188). Gerade an der Demokratie möchte Dewey zeigen, dass tiefgreifende Änderungen das Ergebnis einer großen Zahl unvorbereiteter Anpassungsleistungen – etwa an technologische Umwälzungen wie die Eisenbahn und die Druckerpresse – sind, die keineswegs rein von einer politischen Idee bestimmt werden und deshalb vielfältigen Weiterentwicklungen offen stehen (1996: 80ff., 126). Dewey ist überzeugt, dass neue Vergemeinschaftungsformen auch unvorhersehbare Änderungen der politischen Abläufe nach sich ziehen werden. Trotz des Postulats einer weitgehend offenen Zukunft gibt er seine Hoffnung als sichere Prognose aus, dass die Interessen der Öffentlichkeit in stärkerem Maße die Regierungstätigkeit bestimmen werden (ebd.: 127). Genau darum müssen ihn Ansichten wie die Schmitts besonders interessieren – nicht weil sie Wahrheiten über verborgene Grundlagen enthüllten, sondern weil mit ihnen eine besondere praktische Politik angestrebt oder gerechtfertigt wird. Zuerst scheint es so, als könnte sich Carl Schmitt mit Dewey problemlos verständigen. Auch er weist auf bestimmte bedenkliche Entwicklungen der zeitgenössischen Demokratie hin. Kritisch betrachtet Schmitt die »moderne Massendemokratie«. Der Versuch, in gemeinsamer öffentlicher Diskussion die Wahrheit zu finden, verschwinde in ihr. An die Stelle des Arguments trete die planmäßige Beeinflussung der Masse durch eine Propaganda, die sich an Emotionen und egoistische Interessen richte. Dadurch entfalle die Grundlage der liberalen Demokratie. Das Urteil betrifft nicht nur die Wahlkämpfe, sondern die öffentliche Meinung insgesamt, also auch die Institution des Parlaments. Interessenausgleich und (oftmals geheime) Verhandlungen zwischen verschiedenen Machtgruppen dominierten hier das Geschehen, nicht rationaler Meinungsaustausch (1961a: 9ff.; 1961b: 43ff.). Tatsächlich bedauert Schmitt diesen Zustand aber gar nicht. Wenn er feststellt, dass die parlamentarische Demokratie sich in einer äußerst krisenhaften Lage befinde, dann schwingt bei ihm kein resignativer Ton mit. Schmitt ist nämlich gerade kein Anhänger des Prinzips offener Diskussion. Dem potentiell unendlichen (romanti-

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schen) Gespräch gilt seine tiefe Abneigung.2 Das Politische kann (und will) er nicht von der garantierten Möglichkeit wechselnder, jeweils unterschiedlich begründeter Meinungen und veränderbarer Beschlüsse her denken, sondern einzig von einer definitiven, reinen Entscheidung (1963: 70f., 35; 1988b: 12). Die abschließende Wahrheit stellt für ihn darum zu gegebener Zeit – 1934 – allein das Machtwort des Führers dar.3 Überraschenderweise legt Schmitt jedoch Wert darauf, ein Demokrat zu sein. Die Verblüffung legt sich, wenn man sein Verständnis von Volk und parlamentarischen Wahlen kennt. Zu Recht weist er darauf hin, dass seit dem 19. Jahrhundert das »Volk« immer größer geworden sei. Größer wird das Volk – gemessen am Wahlrecht. Die von den klassischen europäischen Demokratien stets ausgeschlossenen »Masse[n]« gehen nun in seine Bestimmung ein (1988a: 22). 1918, mit der Erteilung des Wahlrechts an die Frauen, findet die Vergrößerung ihren (vorläufigen) Abschluss. (Zuvor ist der Begriff ›Volk‹ zumeist ein Begriff gewesen, mit dem Teilungen und Abtrennungen markiert wurden. Im 19. Jahrhundert dient der Ausdruck noch häufig dazu, Bevölkerungsgruppen zu bezeichnen, die angeblich zu Recht kein Wahlrecht besitzen oder, genau umgekehrt argumentiert, es besitzen sollten.) Die derart hergestellte Einheit des Volks sieht Schmitt durch die individuelle und geheime Wahl aber sofort wieder zerstört. In der Isolation der Wahlkabine triumphiert für ihn das Privatinteresse, da hilft auch die Summierung der einzelnen Stimmen nichts (1988d: 111; 1961a: 22). Immerhin, die allgemeine, gleiche Vereinzelung bringt es mit sich, dass der Staat weniger Gewaltmittel benötigt, um mächtige gesellschaftliche Klassen und Stände zu kontrollieren; darum kann er auch dem Einzelnen weitgehende bürgerliche Freiheiten garantieren, hält Schmitt mit Condorcet fest (1964: 204). Auch nach dem Zerfall der ständischen Ordnung, des familiären Zusammenhalts und anderer traditioneller Gemeinschaftsformen – eine Entwicklung, die Konservative immer beklagt haben – geht Schmitt aber keineswegs von einer atomisierten Gesellschaft aus. 2 Schmitt 1934: 69, 75 u. 80; Schmitt 1919: 110; Schmitt 1961b: 46. – Zu Schmitt vgl. den ausgezeichneten Aufsatz von Habermas 1987a. 3 Schmitt 1988c. – Einige Jahre zuvor hatte Schmitt noch den Reichspräsidenten mit der für ihn entscheidenden Aufgabe versehen, »die Einheit des Volkes als eines politischen Ganzen zu wahren.« Schmitt 1969: 159. 59

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Die liberalen Freiheiten sind für ihn darum gleich wieder gegenstandslos. Interessengruppen – »heterogene Machtklumpen« (1993: 42) –, die sich als Parteien, Verbände, Gewerkschaften organisieren, höhlen nach seiner Beobachtung die Vorherrschaft des Staates aus und machen ihn sich zur Beute. Die politische Macht werde verborgen und unkontrolliert ausgeübt, wenn sich die wirtschaftlichen und propagandistischen Mittel, die Zustimmung der Massen herbeizuführen, in den Händen solcher Organisationen befänden (1988e: 140; 1969: 88f.). An der Stelle führt wiederum ein Vergleich mit Dewey weiter. Der Vergleich wird in diesem Fall sogar direkt von Schmitt angeregt; in seiner Auseinandersetzung mit der pluralistischen Staatstheorie von Harold J. Laski4 weist er auf dessen philosophischen Anknüpfungspunkt, die pluralistische Philosophie William James’, hin, welche sich Einheitsvorstellungen zugunsten eines Multiversums widersetzt (Schmitt 1988e: 135f.). Schmitt hätte hier gleichfalls John Dewey anführen können, der die pragmatistische Tradition James’ in diesem Punkt getreulich weiterführt. Damit ist schon vorweggenommen, dass Schmitt mit Laski auch Dewey ablehnen müsste. Eine Gemeinsamkeit besteht allerdings, wenn auch aus einer vollkommen unterschiedlichen theoretischen Grundhaltung he-raus: Ebenso wie Carl Schmitt geht Dewey nicht von einer atomisierten Gesellschaft aus. Besonders eine Konzeption, die bindungslose Individuen am Werke sieht, kann für Dewey nur unsinnig sein. Menschen könnten gar nicht anders als in wechselseitigem Bezug versuchen, mit ihrer Umgebung zurechtzukommen (1996: 90ff., 131). Die Vereinigten Staaten mit ihrer ganz unterschiedlich zusammengesetzten Bevölkerung stellt Dewey als bedeutendes Beispiel für eine politische Integration vor, die ohne jede Ständeordnung und konservative Tradition auskommt.5 Was wie eine individualistische Abkehr von der Gesellschaft aussehe, sei tatsächlich eine Hinwendung zu unterschiedlichen neuen, weniger rigiden Zusammenschlüssen, eine Hinwendung zu Schulen, Kirchen, Parteien, Gewerkschaften, Sportvereinen, industriellen Korporationen, wissenschaftlichen und künstlerischen Organisationen. Im Unterschied zu 4 Zur politischen Theorie des Pluralismus vgl. die ausgezeichnete, weiterführende Zusammenfassung von Scharpff 1970: 29ff. 5 Dewey 1996: 103f. Dewey vergisst auch nicht, die negativen Seiten des Vereinheitlichungsprozesses zu erwähnen. Ebd. 60

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Schmitt begrüßt Dewey ganz ausdrücklich jede Vielfalt an Assoziationen, die zum Teil als internationale Vereinigungen sogar die Grenzen des Nationalstaates überspringen und innerhalb eines Staatswesens der Exekutive manchmal nur eine vermittelnde Aufgabe überlassen.6 Trotz dieses gewaltigen Unterschieds jedoch reiht sich Dewey in die große Zahl an Kritikern der zeitgenössischen Demokratie ein. Hier trifft er sich sogar für mehr als nur einen Moment mit jemandem wie Schmitt. Auch Dewey kritisiert die Vorherrschaft von Parteien und ökonomischen Machtgruppen, die mit wirklichkeitsabgewandten Parolen über die neuen Medien der Massenkommunikation erfolgreich den Wählerwillen diktierten (1984c: 61). Die Assoziation möchte er darum zu einer umfassenderen Kommunikation ausweiten, immer unter der Voraussetzung, dass sie ihre Wurzeln in den verschiedenen örtlichen, teilweisen Wirklichkeiten findet. Nur wenn das jeweilige Gemeinschaftsleben nicht länger von trennenden, unpersönlichen ökonomischen und technologischen Imperativen bedroht ist, hält Dewey dies für möglich (1988a: 176), sonst dringen nach seiner Einschätzung in die Leere, welche die gefährdete oder bereits zerstörte gemeinschaftliche Kommunikation hinterlässt, die standardisierten Botschaften der Propaganda und der großen Medien ein (1984c: 81f.). Dewey tritt darum einerseits für eigenständige Teilöffentlichkeiten ein, andererseits müssen die Teilöffentlichkeiten ihre Aufsplitterung überwinden und sich sinnvoll aufeinander beziehen. Die Wahlkabine und die Mehrheitsentscheidung stellen für ihn dabei nur Hilfsmittel dar – die besten, die man zur gegebenen Zeit gefunden habe –, welche vor allem die unverzichtbaren Ideen der Meinungsfreiheit und Gleichrangigkeit jedes Individuums zum Ausdruck bringen (1988b: 295f.). Der Idee, dass richtige Ansichten ein rein individueller Besitz seien, kann Dewey allerdings nicht zustimmen, davon trennt ihn ja die Auffassung einer nur gemeinschaftlich möglichen Bewältigung der menschlichen Wirklichkeit. Aber selbst die Diskussion, speziell die Diskussion zwischen gegensätzlichen politischen Parteien, ist nicht das letzte Anliegen Deweys. An ungezählten Stellen seines Werks plädiert er auch (manchmal sogar vor al6

Dewey 1983a: 196f. Auf eine konfliktlösende Funktion möchte Dewey den Staat allerdings keineswegs grundsätzlich festlegen, das trennt ihn teilweise von der pluralistischen Staatskonzeption. John Dewey 1996: 73. 61

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lem) für die Übernahme wissenschaftlich-experimenteller Methoden, um auf planmäßigere Weise weitreichende gesellschaftliche Ziele erst zu bestimmen und dann anzustreben (1987a: 49ff.). Carl Schmitt nun zieht aus seinem Missbehagen gegenüber dem Mehrheitsvotum und den parteiischen Debatten einen ganz anderen Schluss, weil er weder die individuellen Freiheiten noch die Kommunikation unterschiedlicher Teilöffentlichkeiten noch die sozialwissenschaftliche Erprobung und Anleitung schätzt. Demokratie besteht für ihn vielmehr im Wesen aus der Willensbekundung eines unteilbaren, homogenen Volkes. Ohne solch eine »substanzielle Gleichartigkeit« bilde die Demokratie nur eine willkürliche Herrschaft einer beliebigen quantitativen Mehrheit über Minderheiten.7 Der Wille des Volkes entdecke sich nicht in Mehrheiten (1961b: 36f.), sondern in der Einheit von Regierung und Regierten (1988a: 23f.). Diese zeige sich nicht nach gemeinsamer Beratung; auch bei kleineren Versammlungen – auf einem Marktplatz oder an einem anderen Ort – könne sich das Volk nur durch einen zustimmenden oder ablehnenden Ruf äußern. Die moderne Massendemokratie unterbinde wegen der Isolierung des Wählenden aber diese Unmittelbarkeit und Echtheit des Zurufs. Nur dort, wo das Volk einem Führer zustimmt, kann demnach wahre Demokratie herrschen (1927: 33ff.). Damit ist die Verwechslung von wissenschaftlicher Beobachtung mit unheilvoller Phantasie im Denken Schmitts noch nicht an ihr Ende gekommen. Als Voraussetzung dafür, dass dieses cäsaristische Prinzip nicht zu einer bloßen Tyrannei führt, dient bei ihm die bereits zitierte tiefe Gleichartigkeit. In ihrem Namen kann die Tyrannei wahrlich gesteigert werden. 1933 hat Carl Schmitt keinerlei Scheu, die Gleichartigkeit als »Art«- sprich »Rasse«-Gleichheit zwischen »Führer und Gefolgschaft« zu bestimmen (1933: 42). Im Sinne Schmitts ›politisch‹ ausgedrückt: Das Volk trifft stets die richtige Entscheidung (welche ihm allein von einem Führer vorgelegt werden kann), wenn es »Freund und Feind zu unterscheiden weiß« (1927: 35). Die verschiedenartigen Stände eines Staates tragen folgerichtig nur dann nicht zur pluralistischen »Zerreißung« des Volkes bei, wenn alles – wie im nationalsozialistischen Staat – von »dem Gedanken des Führertums beherrscht und durchdrungen ist.« (1933: 33) 7 Schmitt 1993: 29 und 40. Zur »Substanz der Gleichheit« siehe auch Schmitt 1961a: 14ff. 62

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Die Einheit des Volkes ist damit im Angesicht und der Präsenz des Führers unverbrüchlich hergestellt. Selbstverständlich steht Schmitt mit seiner Konzeption nicht allein; der nationalsozialistische Staat wird bis zum Äußersten gehen, den Grundsatz wahr zu machen, indem er alles ihm Widerstrebende zu vernichten versucht. Mit je unterschiedlichen geschichtlichen Konsequenzen bilden die realsozialistische Leitlinie der Einheit von Volk und Partei sowie die nationalistische Parole, keine Parteien, sondern nur noch Patrioten zu kennen, weitere Ausprägungen desselben Prinzips. Dringlich werden die totalitären Grundsätze, weil die demokratischen Staaten spätestens ab 1918 die Bevölkerung auf ganz andere Art und Weise vereinigt haben – als Wahlvolk, das sich aus Bürgern zusammensetzt, die ihre Entscheidung nach eigenen Interessen treffen können. Diese neue Wahlbevölkerung aus Individuen weist keinen Bezug zum alten Volk mehr auf, das häufig als eine große Restmasse bestand, von der sich die jeweils Herrschenden oder Stimmberechtigten abhoben.8 Das neue Wahlvolk weist aber auch keinen Bezug zu den teilweise uralten, teilweise ganz neuen rassistischen, nationalistischen, cäsaristischen und auch vitalistischen, avantgardistischen oder kommunistischen Vorstellungen auf. Außer seiner Zusammensetzung aus stimmberechtigten Bürgern (eines Staates) besitzt es keine weitere Einheit mehr. Zwar werden die Stimmen jeweils zu Mehr- oder Minderheiten addiert, doch muss jeder sein Votum allein abgeben; so verliert die einzelne Entscheidung nie ihre individuelle Form. Allerdings ist sogar in der liberalen Demokratie dieser Modus hoch umstritten, auch wenn er nicht mehr direkt als Institution angegriffen wird. Ohne das individuelle Wahlrecht in Zweifel zu ziehen, werden die Stimmberechtigten von verschiedenster Seite unaufhörlich aufgefordert, sich bei ihrer Wahl am Gemeinwohl oder anderen übergeordneten Zielen zu orientieren. Wie gesehen, kann selbst der Anhänger des offenen demokratischen Experiments John Dewey auf eine entsprechende Konzeption nicht verzichten. Er plädiert für eine Öffentlichkeit, in welcher die zerstreuten Teilöffentlichkeiten zu einem Ganzen vereinigt sind, damit die Folgen der unterschiedlichen sozialen Vorgänge besser abgeschätzt und gesteuert werden können (1996: 120).

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Siehe die Nachweise bei Koselleck u.a. 1992. 63

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Auch wenn man natürlich berücksichtigen muss, dass die angestrebte Öffentlichkeit die demokratische Entscheidung nicht ersetzt: Eine Wahl, die in einer solchen »Großen Gemeinschaft« stattfände, liefe eher auf ein richtiges Urteil als eine beliebige Entscheidung hinaus. Dewey weiß freilich selbst, dass in einer komplexen, vielgestaltigen Welt die integrierte, aufgeklärte Öffentlichkeit ein unerreichbares Ideal bleibt (ebd.: 129). Trotzdem möchte er an dem Ideal festhalten. Offensichtlich hat er an dem Punkt keine Sorge, dass dieses Ideal seinen ureigenen pragmatistischen Grundsätzen zuwider laufen könnte, wie er sie an anderer Stelle präzise formuliert: »[T]here is not enough unity in society; there is not enough common knowledge; and even if there were, action in general is nonsense.« Die Annahme eines gemeinsamen Willens und allgemeiner Handlung – heißt es dort sogar weiter – bringe lediglich Fiktionen hervor, die sich leicht zu propagandistischen Zwecken benutzen ließen (1984b: 215). Es gibt wahrscheinlich nur eine plausible Erklärung, weshalb Dewey trotz dieser Grundeinsicht nicht von dem Ideal der integrierten Öffentlichkeit ablassen will. Die Enttäuschung über den Zustand der gegenwärtigen Öffentlichkeit ist einfach zu groß, als dass sie das letzte Wort einer demokratischen Gesellschaft sein darf. Der beklagten Standardisierung durch parteipolitische Propaganda und kommerzielle Medien möchte Dewey eine ganz andere Version einer umfassenden Öffentlichkeit entgegenhalten. Sie besteht in dem Anspruch, in wesentlich stärkerem Maße an wirklichen, von vielen Menschen und Vereinigungen jeweils geteilten Erfahrungen sowie an gesicherterem Wissen über bestehende Handlungsmöglichkeiten ausgerichtet zu sein. Wenn man von dieser Annahme ausgeht, stellt sich sofort eine weitere Frage, die wieder zu Carl Schmitt zurückführt: Weshalb erfüllt die Lage, wie sie u.a. Dewey darlegt, nicht die Gegner der liberalen Demokratie mit vollkommener Zufriedenheit? Schließlich garantiert doch die seit Tocqueville festgestellte allgemeine Standardisierung und Uniformität genau jene weitreichende Homogenität, die sie von Volk und Nation immer erwarten. Wieso betrachten sie öffentliche Meinung und populäre Kultur geringschätzig, wenn sie doch derart zuverlässig zur Vereinheitlichung führt? Die erste Antwort darauf liegt bei vielen konservativen Verächtern der neuen populären Kultur in ihrer Bindung an die Tradition. Eine oftmals mythische Erinnerung an die alte Volkskultur macht es 64

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ihnen unmöglich, die neue – mechanische, künstliche – Einheit zu schätzen, die über den ländlichen – vorgeblich natürlichen – Boden hinausreicht. Sogar bei Carl Schmitt, dem man keineswegs absprechen kann, sich auf der Höhe der Zeit zu bewegen, scheint dies eine Rolle zu spielen, wenn er die erfolgreichen »psychotechnischen« Mittel der modernen Propaganda kritisch herausstellt, mit denen die Massen dirigiert würden (1988e: 140). Dies liegt auf der Linie seiner Argumentation, dass der »wahre Wille des Volkes« nicht von zufälligen Mehrheiten abhängt (1961b: 36). Dass der Volkswille so leicht durch eine Manipulation der öffentlichen Meinung getäuscht werden kann – wie Schmitt selber voraussetzt –, lässt ihn merkwürdigerweise an der Wahrheit dieses Willens nicht zweifeln. Tatsächlich gibt es aber noch eine zweite Antwort, weshalb Schmitt der öffentlichen Meinung misstraut. An dieser Antwort kann man auch ablesen, dass seine Hochachtung vor dem Volkswillen, der ursprünglich immer auf den ihm artgleichen Führer gerichtet sein sollte, stark begrenzt ist. Schmitt dringt darauf, dass die neuen Medien, Film und Radio, nicht privaten Händen überlassen werden dürfen. Ein möglicher Kampf verschiedener Gruppen einer pluralistischen Gesellschaft um diese technischen Mittel der öffentlichen Meinung muss unterbunden werden. Für Schmitt stellen die neuen Techniken durchschlagende Mittel der »Massensuggestion« dar. Die Bildung der öffentlichen Meinung ist deshalb gleichbedeutend mit der Formierung einer »kollektiven Meinung«. Aus diesem Grund müssen die Massenmedien in die Hände des Staates gelangen, fordert Schmitt entschieden.9 Übersetzt man nun dieses Argument, weshalb konservative oder autoritäre Kräfte der populären Kultur, vor allem der öffentlichen Meinung wenig abgewinnen können, in die Sprache der liberalen Theorie, nimmt die zweite Antwort eine ganz andere Gestalt an. Dann liegt die von den Konservativen bekundete Abneigung der Populärkultur gegenüber darin begründet, dass es keinen Volkswillen gibt, sondern nur unterschiedliche Träger veränderbarer Meinungen und Interessen – dann rührt die autoritäre Abneigung daher, dass der Mehrheitswille nicht vorhersehbar ist. In der Sprache konservativer, reaktionärer, aber auch oftmals kommunistischer Auffassungen müssen deshalb die populären Vorlieben und Wahlentscheidungen, die ihnen zuwiderlaufen, als Ver-

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Schmitt 1988f: 186. Siehe auch Schmitt 1938: 117f. 65

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fehlungen gekennzeichnet werden. Das Volk hat seinen eigentlichen Willen (bzw. die Klasse ihre wahre Bestimmung) nicht zum Ausdruck bringen können, weil es Opfer einer Manipulation geworden ist. Nach ihrer Auffassung hat das Volk keine Wahl, es kann sich nicht zwischen Alternativen frei entscheiden: Entweder setzt sich sein wahrer Wille durch oder es unterliegt einer von anderen inszenierten Täuschung. Einen Zusammenhang zwischen beiden Phänomenen herzustellen ist diesen Volkstheoretikern unmöglich. Das hieße nämlich, aus der Verführbarkeit der Masse den Schluss zu ziehen, der Volkswille sei eine Fiktion, das hieße im nächsten Schritt vielleicht sogar, die Freiheit möglicher wechselnder Wahlentscheidung anzuerkennen. So aber dient die Klage über die Manipulation der Masse dazu, den wahren Willen des Volks bestehen zu lassen. Bei Anhängern der Führerpersönlichkeit dient sie sogar oftmals im nächsten Schritt dazu, auf die eigene Stärke der Massenbeeinflussung zu vertrauen. Wichtig ist im letzten Fall nur, dass die Kraft des Führers, die Masse zu dirigieren, nicht allzu offen seinem technischen, künstlichen Apparat – von der alten Rhetorik bis zu den neuen Medien – zugeschrieben wird, sondern seiner ursprünglichen Einheit mit dem Volkswillen. Die Zustimmung zum Führer ergibt sich demnach keinesfalls aus einer Haltung der Wähler, die vorab nicht wesenhaft festliegt, sondern genau umgekehrt aus ihrer Natur, die sich endlich unverfälscht zur Geltung bringen kann. Bei Carl Schmitt liegt die Sache noch einmal etwas anders. Er trennt demokratische Wahl und den einigen Volkswillen zum wahren Staatslenker auch voneinander, indem er auf die zwischengeschaltete Institution des Parlaments kritisch verweist. Die Ansicht Max Webers, das Parlament bringe eine politische Elite hervor, sei historisch längst widerlegt, meint Schmitt. Keineswegs werde mehr im Parlament von den besten Köpfen in freier, öffentlicher Aussprache um die Wahrheit gerungen. Spätestens seit das Parlament zur bloßen Vorderbühne von Verhandlungen und Kompromissen zwischen verschiedenen Macht- und Interessengruppen in den Hinterzimmern verkommen sei, könne es niemand länger als Ort der Auslese betrachten (1961ba: 8). Aber auch ohne das Parlament taugt die demokratische Wahl nicht zur Führerwahl, folgt man Schmitt. Wie bereits erwähnt, verliert sich seiner Meinung nach der gemeinsame, richtige Volkswille wegen der Isolierung der Wähler, die von der individuellen, gehei66

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men Stimmabgabe hervorgerufen werde. Dieses Argument ist deshalb von so großer Bedeutung, weil es den einzigen Weg versperrt, auf dem Verfechter elitärer oder autoritärer Positionen ihren Frieden mit der liberalen Demokratie machen können. Schon Montesquieu gestand einem größeren Kreis an Stimmberechtigten zwar nicht das Recht zu, die Hohen zu majorisieren, aber immerhin die Fähigkeit, treffliche Abgeordnete auszuwählen: Wenn sie auch nicht angemessene Entscheidungen in speziellen Sachfragen treffen könnten, so besäßen die Wahlbürger doch die Gabe zu erkennen, wer aufgeklärter als sie selber sei (1951: 219f.). Die Ansicht Montesquieus wird Schule machen; viele weitere Politiker und Theoretiker sind ihr gefolgt. Auch Webers charismatischer Führer soll ja nicht nur in parlamentarischen Debatten hervortreten, sondern einer Volksabstimmung entspringen, weil dadurch gesichert ist, dass bestimmende Persönlichkeiten im politischen Machtkampf ausgelesen werden (Weber 1988a: 391ff.; 1988b: 532ff.). Ein Musterbeispiel für eine moderne Demokratietheorie an der Grenze des Zynismus gibt die Schumpeters ab. Der Wirtschaftswissenschaftler und kurzzeitige österreichische Finanzminister des Jahres 1919 Joseph Schumpeter lässt deutlich merken, dass er kein begeisterter Parteigänger der Demokratie ist, wenn er auch anerkennt, dass sie für einige Zeit ein hohes Maß an persönlicher Freiheit gewährte. Als entscheidende Bedingungen für den Erfolg der Demokratie führt er jedoch Faktoren an, die ihr äußerlich seien: Hoch befähigte Politiker, eine funktionierende Verwaltung, eine disziplinierte Wählerschaft, die zwischen den Wahlen nicht jeder populistischen Laune folgt, sowie die Fähigkeit, für die Dauer einer Wahlperiode die regierende Meinung zu tolerieren.10 Vergleicht man dies etwa mit der Auffassung Deweys, nach der die demokratische Freiheit gerade jene Bedingungen hervorbringt, die ihr förderlich sind,11 erkennt man den konservativen Geist Schumpeters sehr gut.

10 Schumpeter 1993: 460ff. Alle weiteren Seitenzahlen im Kapiteltext beziehen sich auf diese Ausgabe. 11 Dewey 1989: 182: »Free communication is a means of developing free mind as well as being the manifestation of such a mind«. Könnte die Demokratie sich nicht weitgehend aus sich selbst hervorbringen, gäbe es keine Möglichkeit zu ihrer Verwirklichung. »But democratic means and the attainment of democratic ends are one and inseparable.« Das ist mehr als eine normative Aussage. »The fundamental principle of democracy is that the ends of freedom and individuality 67

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Einer freiheitlichen demokratischen Richtung sehr zuträglich ist auf der anderen Seite Schumpeters liberale Ansicht, dass es keinen einheitlichen Volkswillen geben kann. Schumpeter richtet diese Ansicht aber nicht gegen nationalistische oder rassistische Weltanschauungen. Er betont, dass unterschiedliche Gruppen notwendigerweise stets verschiedene Auffassungen über das Gemeinwohl haben müssen, um die Theorie zu widerlegen, demokratische Einigkeit sei durch eine allen gemeinsame Vernunft garantiert. Eine Übereinstimmung, die aufgrund rationaler Argumente erzielt würde, hält Schumpeter für ausgeschlossen (399). Diese Widerlegung ist für Schumpeter von höchster Bedeutung. Sie führt ihn gradlinig zum Kernstück seiner demokratischen Bestimmung, der Führerwahl. Weil Schumpeter annimmt, dass die Voraussetzung eines gemeinsamen Willens der entscheidende Punkt (bisheriger) demokratischer Theorien sei, kann er sich selbstbewusst als Realist präsentieren. Ähnlich wie sein angenommener Gegner, der die Vernunft im Individuum erblickt, verlegt er die Unvernünftigkeit in die vielen Einzelnen. Vernunft kann darum nicht als Ergebnis einer Debatte in den Blick kommen. Vom Zusammenhang ist bei Schumpeter nur die Rede, wenn er die irrationalen Bewegungen der zusammengeschweißten Masse brandmarkt – sei es der Mob auf der Straße, die zerstreute Menge der Hörer vor dem Radio oder in abgeschwächter Form die Mehrheit im Parlament (408). Allenfalls auf längere Sicht könne ein Volk merken, dass es verführt worden sei, die politische Geschichte erfordere jedoch richtiges Handeln in der Gegenwart (420). Die an Le Bon orientierte Kritik der irrationalen Masse führt Schumpeter nicht zu einem Lob des rationalen Einzelnen. Auch der Einzelne verhält sich in den meisten Fällen unvernünftig. Er neigt nach dem Urteil Schumpeters besonders angesichts von Fragen, bei denen er über keine beruflichen oder alltäglichen Kenntnisse verfügt, zu leichtfertigen Ansichten; regelmäßig unterliege er in allgemeineren politischen Punkten den Impulsen der Propaganda (409ff.). Die propagandistischen Psychotechniken allein erzeugten oftmals so etwas wie einen Gemeinwillen, der dann freilich nichts als ein künstlicher Wille sei (418). Die Überzeugung, das Wahlvolk verfüge über richtige Einsichten hinsichtlich einzelner Probleme, ist für Schumpeter also vollkommen illusorisch. for all can be attained only by means that accord with those ends.« Dewey 1987b: 299, 298. 68

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Er zieht daraus jedoch nicht die Konsequenz, die Demokratie zu verurteilen, sondern strebt im Rahmen seiner Abhandlung nur eine Neudefinition der Demokratie an. Mit einer gewissen Folgerichtigkeit bestimmt er die Demokratie als eine Ordnung, die den Konkurrenzkampf einzelner Führer um die Gunst des Volks ermöglicht. Eine »lebenswichtige Tatsache« ist für ihn dabei offenkundig die Führung, nicht unbedingt die Auswahl. Demokratisch wirkt der Konkurrenzkampf zumindest insofern, als mit ihm in jedem Fall ein Minimum an Wahlmöglichkeit und Redefreiheit sowie die Anerkennung wechselnder Mehrheitsentscheidungen einhergeht (428ff.). Von einer gewissen Folgerichtigkeit kann man deshalb nur sprechen, weil Schumpeter versäumt anzugeben, warum diese alleinige Wahl zwischen verschiedenen Führern, die dann alle sachlichen Entscheidungen treffen, den Vorzug erhalten soll – schließlich schrumpft bei ihm die öffentliche Meinung auf »politische Reklame« zusammen (419). Was überhaupt noch gegen andere, tyrannischere Staatsformen spricht, wenn z.B. die Parteien aus Schumpeters Sicht unterschiedliche Leitlinien doch nur vorgeben, weil sie sich wie Konsumgüter aus Distinktionsgründen ein Warenzeichen aufprägen wollen (449), bleibt weitgehend im Dunkeln. So triumphiert eben die etwas verächtliche Einschätzung der ahnungslosen Menge, die sich als Realismus ausgibt. Einen großen Vorteil besitzt diese grundlose Anerkennung der Demokratie als garantierte Wahl zwischen Leitfiguren jedoch: Sie kommt ebenfalls ganz ohne eine Begründung aus, weshalb ein bestimmter Führer die Macht erringen soll. Weil keine Einheit von Volk und Führung angenommen wird, kann die Wahl nach erfolgter Führerkonkurrenz für einen Wechsel sorgen. Von der unbedingt richtigen Anschauung des Führers liest man bei Schumpeter gleichfalls kein Wort. Schumpeter spricht lediglich davon, dass der politische Führer manchmal echte (nicht manipulativ hervorgerufene) Willensäußerungen von Gruppen aufgreift, um sie zu verstärken (429f.). Aus den Schriften Schumpeters und anderer Realisten bzw. pessimistischer Massenkritiker die Schlussfolgerung zu ziehen, dass es keine richtige Führung geben kann, wäre aber falsch. Wenigstens eine wahre Leitung, die allerdings (noch) ohne politische Entscheidungsgewalt auskommen muss, offenbart sich in den Büchern und Aufsätzen dieser politischen Theoretiker. An der Rede von den ech69

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ten und den fabrizierten Willensäußerungen, an der Unterscheidung von Reklame und unparteiischem Argument kann man sofort erkennen, dass es zumindest einen gibt, der zwischen all dem genau zu trennen weiß – der jeweilige Massen- oder Ideologiekritiker.

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7 DAVID RIESMAN, HELMUT SCHELSKY, C. W R I G H T M I L L S : MITTELSCHICHT, KONSUMETHOS, MASSENMEDIEN Mit dem amerikanischen Soziologen David Riesman tritt man um 1950 in eine ganze neue Welt ein. Zum ersten Mal erfährt man aus einer wissenschaftlichen Abhandlung mehr, als dass die Produkte und Rezipienten der populären Kultur massenhaft und standardisiert oder reizvoll bzw. konditioniert sind. Fast alle vorherigen Traktate zur Massenkultur haben sich mit summarischen Einschätzungen begnügt, die auf manchmal eigentümliche Weise der herausgestellten Einheitlichkeit entsprachen. Die Feuilletonisten der 20er Jahre ließen im Unterschied dazu zwar kaum eine Gelegenheit aus, ihre Bildung und ihren Stilwillen an verschiedenen Spektakeln vom Boxen über den Film bis zum Tiller-Girl zu beweisen, nicht selten jedoch lief genau dieses Bemühen um Originalität und um pointierte Vergleiche oder Ansichten einer sachlicheren Betrachtung zuwider. Bei Riesman hingegen kann man nun in weniger aufgeregter Form Näheres über Supermärkte, American Football, Diäten, Hollywoodfilme, Jazzhörer und manch anderes lesen. Mehr noch: Riesman lässt ebenfalls erkennen, dass ihm die Gegenstände seiner Analysen zum Teil auch gefallen oder zumindest unbedenklich erscheinen. Riesman ist sich sogar bereits bewusst, dass man sich auf einen solchen Geschmack nicht allzu viel einbilden sollte, weil es nach seiner Beobachtung unter jüngeren, avantgardistisch gestimmten Studenten mittlerweile die Regel darstelle, sich aus Gründen nachhaltiger Abgrenzung eher für einen Comic zu begeistern als für einen unterhaltenden Bestseller mittlerer Klasse (1963a: 264). Ganz grundsätzlich hält er aber die Mög71

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lichkeit, selbst unter nutzlosen oder frivolen Konsumgütern eine Wahl treffen zu können, für eine bemerkenswerte Errungenschaft einer freien Gesellschaft (1963b: 85). Darum ist es sicherlich kein Zufall, wenn Riesman anstelle des mit so vielen abwertenden Assoziationen belegten Begriffs der Massenkultur manchmal den der populären Kultur gebraucht (ohne damit traditionellere Formen der Volkskultur zu bezeichnen). Bei aller Reserve gegenüber Angriffen auf die alte Hochkultur plädiert er dafür, neue populäre Produkte und Vergnügungen nicht vorschnell als vulgär oder kommerziell abzutun. Die selbstzufriedene Sicherheit des guten, überlegenen Geschmacks führe letztlich nur zu einer ausgedünnten, akademischen Kultur (1963c: 180f.). Als Soziologe hat Riesman um 1950 zwei Phänomene vor Augen: Zum einen zeichnet er mit wachem Gespür Geschmackskämpfe nach – wobei er die unter seinesgleichen immer noch dominierende Kulturkritik nicht einfach als Ausdruck eines richtigen Kanons hinnimmt, sondern distanziert als Ausprägung von Elitarismus und Marxismus charakterisiert (1963d: 183). Zum anderen geht er auf verschiedenen Feldern der Angleichung bestimmter materieller Grundlagen des Geschmacks nach, wie sie sich vor allem in der Verbreitung von Konsumgütern zeigt. Technischer Fortschritt, wirtschaftliches Wachstum (einhergehend mit Vollbeschäftigung) und einige Erfolge sozialdemokratischer, gewerkschaftlicher Politik haben dazu geführt, dass in den meisten amerikanischen Haushalten mittlerweile Fernseher, Kühlschränke, Waschmaschinen, Bestseller aus Buchklubs, Autos, industriell gefertigte Möbel, Schallplattenspieler, Radios und Illustrierte vorhanden sind. Beides zusammengenommen, sieht Riesman die Unterschiede zwischen den gesellschaftlichen Schichten verstärkt durch Unterschiede in der behaupteten Einstellung zum Konsum markiert (zwischen kulturkritischer Distanz und begeisterter Aufnahme der neuen technischen Geräte); ein umfangreiches Standardrepertoire an Gegenständen treffe man hingegen bei allen Schichten gleichermaßen an (1966a: 19f., 28). Einander angeglichen habe sich dadurch auch die Haltung zur Arbeit. Dank der beträchtlich angewachsenen Konsummöglichkeiten – aber auch wegen der eintönigen Spezialisierung der Tätigkei-

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ten – nehme die Lust an der Arbeit sowohl bei Arbeitern wie Akademikern spürbar ab.1 Die »breite« amerikanische Mittelklasse gewinnt also insgesamt bei Riesman einen sehr großen Umfang (1966a: 20). Die »Nivellierung« betrifft den Unterschied zwischen den Geschlechtern, den Generationen und den Regionen ebenso wie den zwischen sozialen Schichten (Riesman/Bloomberg 1966: 77). Allerdings ist das nur eine (wenn auch rasch fortschreitende) Entwicklung, kein abgeschlossener Zustand allumfassender Einheit. Natürlich ist Riesman als Soziologe nicht blind gegenüber weiter bestehenden materiellen Ungleichheiten (Riesman/Weiss 1966: 111); auch weist er – um die kulturkritische These der Uniformierung zu widerlegen – auf die verschiedenen Schwerpunkte hin, die innerhalb des Standardrepertoires gebildet werden können (1966a: 45). Bedeutung für eine Theorie der Populärkultur gewinnt er aber vor allem, weil er trotz der von ihm herausgestellten weiten Verbreitung ähnlicher oder gleicher Konsumgüter den Blick ebenfalls auf die unterschiedliche Aneignung solcher Güter lenkt (Riesman/Bloomberg 1966: 69f.). Selbst wenn er bedauert, wie schnell einige alte, vorindustrielle Lebensformen der »Konsummaschinerie« und deren Produkten und Einstellungen eines »neuen Hedonismus« zum Opfer fallen, erkennt er weiter an, dass innerhalb der Massenkultur ein »differenzierteres Konsumverhalten« anzutreffen sei (1966b: 79f.). Riesman möchte deutlich machen, dass Urteile über die ›beschränkten‹ Gegenstände der populären Kultur sehr wohl auf Grenzen der eigenen Wahrnehmungs- und Aneignungsgewohnheiten beruhen könnten, Grenzen, die etwa auf spezifische akademische Interessen oder Klassenvorurteile zurückgingen. Riesman fordert deshalb, in weitaus stärkerem Maße Feldforschung zu betreiben. Seine grundlegende These ist schnell erklärt; übernimmt man sie, verändert sich jedoch die Anschauung populärer Kultur auf nachhaltige Weise. Die These lautet, dass genau dieselben Produkte der Populärkultur auf ganz verschiedene Arten benutzt werden (1963d: 184). Dass Riesmans Hauptwerk den Titel The Lonely Crowd trägt, überrascht angesichts solcher Ansichten. Die einsame Masse eignet sich viel eher als Überschrift zu allen moderneren Theorien der Massenkultur als zu einer Beschreibung einer Gesellschaft individu1

Riesman 1966b: 81, 92. Riesman merkt allerdings zugleich an, dass ab einem bestimmten Grad an freier Zeit vielen auch diese zur langweiligen Last werde (Riesman/Weiss 1966). 73

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eller Freiheiten. Hat Durkheim noch die stark vorangetriebene Arbeitsteilung nicht nur im Zusammenhang mit Kooperation, sondern auch Solidarität gesehen, stellen sehr viele andere Theoretiker um 1900 und danach die Isolierung des modernen Menschen heraus. Herausgefallen aus dem Verbund von Familie oder Stand, die viele Lebensbereiche überwölbten, gehe das Individuum vereinzelt in die Gesellschaft ein bzw. in ihr unter. Für Einheitlichkeit sorgen jetzt in erster Linie – je nach historischem und theoretischem Standpunkt – entweder die Mechanismen unablässiger Konkurrenz, in der die freien, gleichen Bürger sich jeweils als Mittel für eigene Zwecke benutzen,2 und bürokratische Anforderungen, denen alle genügen müssen (Weber 1988: 498f.), oder politische Bewegungen und Führerfiguren, in denen die vereinzelten Subjekte massenhaft aufgehen.3 Unter dem Eindruck der faschistischen und stalinistischen Regime verbreitet sich die letzte Ansicht sehr stark: Die aus übergreifenden sozialen Bindungen freigesetzten Einzelnen sind demnach die Bedingung (das Material) für jene Masse, die sich stets totalitär formen lässt (vgl. Kornhauser 1959: 30ff.; Hecken 2006a: 49ff.). Wesentlich positiver erscheinen die Differenzierungsprozesse der modernen Gesellschaft, wenn sie als Grundlage individueller Freiheit gesehen werden. Der dem Pragmatismus teilweise verbundene Chicagoer Soziologe William I. Thomas spricht frühzeitig von einer stattfindenden »Individualisierung«. Verbliebenen Regeln der Gemeinschaft, die ihre unhinterfragbare Geltung zum Teil längst verloren haben, könne der Einzelne nun seine eigenen Ansichten entgegensetzen. Da grundsätzlich die »Definition einer Situation« bestimme, wie man sich verhalte, trägt jede Abweichung von einer gegebenen Wirklichkeitsauffassung auch zur Änderung der so gefassten Wirklichkeit bei. Deutlich überschattet wird diese plurale Konzeption bei Thomas dadurch, dass er das Individuum zu stark als getrenntes Bündel von Triebenergien bestimmt, welches er nicht selten einfach der unvermittelten Instanz »Gesellschaft« gegenüberstellt (1967: 86, 42, 72, 242f., 231). Riesmans Bezeichnung der Einsamen Masse bringt zweifellos ein einprägsames Bild dieses Gemeinschaftsverlustes hervor. Die zeitdiagnostische These des Buches scheint das Bild auch vollkom2

Grundlegend Tönnies 1963: 52ff.; 1929: 17f., 34f. Für viele weitere Autoren siehe Jaspers 1971: 25. 3 Arendt 2000: 695. Frühe Fassung des Arguments bei Mannheim 1958: 71ff. 74

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men zu bestätigen. Als Idealtypus des modernen Individuums präsentiert Riesman den »außen-geleiteten Charakter«, der sich weder an traditionellen Bräuchen orientiert noch an Idealen, die er in der Kindheit nach dem Vorbild der Eltern fest verinnerlicht hat. Seine Ausrichtung gewinnt der neue Charaktertyp rein an den zeitgenössischen Ansichten, also nicht zuletzt an den Botschaften der Massenmedien. Riesman fügt zwar an, dass dieser Typ in der Wirklichkeit nie in Reinform anzutreffen ist, trotzdem untermauert das ganze Buch die These, dass man mit dieser Typisierung die breite Mitte der amerikanischen Gesellschaft weitgehend erfasst.4 Sein deutscher Kollege Helmut Schelsky nutzt die Botschaft der Einsamen Masse sogar, um eine Übereinstimmung von totalitärer Unterdrückung und demokratischem Ausgleich festzustellen. Sie bestehe in der Angleichung; in beiden Fällen präge Anpassung die Haltung der Menschen. Trotz aller Unterschiede zwischen den politischen Systemen sieht Schelsky darum eine wichtige Gemeinsamkeit zwischen der Ordnung vor und nach 1945; zu beiden Zeiten handele der Deutsche außen-geleitet (1958: 12f.). Schelskys These stellt die am radikalsten verkürzte Lesart von Riesmans Buch dar. Dennoch ist sie nicht ungewöhnlich. Wie sehr viele andere lässt sich Schelsky (wenn auch in unübertroffen extremer Form) vom Titel des Buches täuschen. Tatsächlich ist Riesman aber kein weiterer Theoretiker des Zusammenhangs von durchschlagender Führung und atomisierten Einzelnen. Riesmans Diagnose vom außen-geleiteten Menschen der neuen Mittelschicht, wie er vor allem in den großen Städten anzutreffen sei, ist nämlich unauflöslich verknüpft mit der Auffassung, dass die Außenlenkung zu einem beträchtlichen Teil innerhalb kleinerer Gruppen stattfindet. In peer groups orientiere sich der Einzelne, hier gewinne er im (sensiblen) Bemühen, sich mit den anderen gütlich zu verständigen, seine

4 Riesman 1950: 11ff. – Die deutsche Übersetzung (Riesman 1958) ist an einigen Stellen recht eigenwillig, deshalb wird hier stets das amerikanische Original zitiert. – Die amerikanische Taschenbuchausgabe des ungewöhnlich erfolgreichen Buches bietet nicht nur eine gekürzte, sondern an vielen Stellen umgearbeitete Fassung (Riesman 1961). – Analysen von Interviews mit Protagonisten der entsprechend dominanten Charaktertypen findet man bei Riesman 1952. – Eine äußerst hilfreiche Rekonstruktion von Riesmans Ansatz liefern Parsons/White 1968: 231-243. 75

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Meinungen über das, was falsches und richtiges Verhalten ist.5 Der entscheidende Unterschied zur alten Gemeinschaft mit ihrer allseitigen Befolgung traditioneller Gewohnheiten liegt nun darin, dass die Gruppenidentität nicht ein für alle Mal feststeht. Zum einen fungiert in der Gruppe jeder wechselseitig für den anderen als möglicher Trendsetzer. Zum anderen bringt gerade das außergewöhnlich starke Bemühen, auf die Anschauungen und Empfindungen anderer zu achten, leicht eine Verstärkung kleinerer Abweichungen hervor, so dass die Anpassung allenfalls eine zeitweilige allgemeine Uniformität zur Folge haben könnte (Riesman 1950: 11ff., 22, 47f.). Selbst dies ist jedoch, folgt man Riesman, ausgeschlossen. Wenn man sich nicht länger nur in einem geschlossenen sozialen System bewege, müsse man notwendigerweise wechselnde, momentane Konformitäten annehmen (1963e: 105). Diese Annahme passt offenkundig gut zu Riesmans Überzeugung, dass nicht mehr als eine funktionierende Zusammenarbeit bei spezifischen Problemen notwendig ist, um eine demokratische gesellschaftliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Eine umfassende Übereinstimmung in fundamentalen Fragen hält er weder für nötig noch wünschenswert. Sein – in Amerika längst verwirklichtes – Ideal ist das einer vielfältigen, manchmal verwirrenden Gesellschaft konkurrierender Gruppen, die unter Anerkennung einiger rechtlicher Mindestanforderungen von ihren eigenen Wünschen und Interessen ausgehen (1963f: 36; 1963g: 423). Vielen Lesern der Einsamen Masse – wie etwa Helmut Schelsky – entgeht diese Pointe Riesmans, weil sie selber einer illiberalen Tradition anhängen oder deren Möglichkeit stark fürchten. Wenn Riesman von der (gruppeninternen) unablässigen gegenseitigen Beobachtung und Anpassung spricht, denken sie gleich an die große, alles mit Konformität schlagende Einheit. Zweifellos verfehlen sie damit sowohl die These als auch das Credo Riesmans. Vollkommen unverständlich ist ihre Lesart jedoch nicht. Ihrer Auffassung entgegen kommt, dass Riesman die peer group erheblich ausweitet: Zu den Zeitgenossen, die den modernen außen-geleiteten Menschen beeinflussen, zählen auch all jene, die ihm durch Medien bekannt werden; u.a. deshalb formen die Massenmedien nach Riesman in ei5 Riesman 1950: 23, 131. Riesmans Autonomie-Ideal (ebd.: 285ff.; 1965: 106ff.) besteht darin, dass der Einzelne seine Angst vor der Einsamkeit überwindet und sie nicht stetig in der Menge der peers zu besänftigen versucht (Riesman 1950: 373). 76

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einem nie gekannten Ausmaß die Haltung des Einzelnen (1950: 22f., 99). Auch die massenhaft hergestellten Konsumgüter kommen hier ins Bild. In einer Welt, deren Abläufe in Ökonomie und Produktion mittlerweile zur allgemeinen Routine geworden seien, biete hauptsächlich der Bereich des Konsums noch neue Herausforderungen (1963e: 103f.) (u.a. deshalb widmet Riesman viel Aufmerksamkeit den Kindern und Jugendlichen seiner Zeit, bilden sie doch die erste Generation, die ganz unter diesem neuen Horizont aufwächst). Wechselnde Moden erfordern und erhöhen die Aufmerksamkeit des außen-geleiteten Beobachters, keinen sich abzeichnenden Trend zu verpassen. Immer weitere Bereiche des Alltagslebens werden solchen schwankenden Geschmacksentscheidungen zugänglich, wenn (und weil) die Geltung unabänderlicher Lebensziele oder traditionell vorgegebener Gewohnheiten in Frage steht. Ja, in einer keynesianisch gesteuerten Marktwirtschaft und Wohlstandsgesellschaft sei es – um das Wachstum der Volkswirtschaften zu erhalten – geradezu notwendig, dem überkommenen, asketischeren Pflichtenrigorismus abzusagen. Ausgabefreudigkeit sowie Ausrichtung an Spaß und Sinnengenuss sind die beiden wichtigsten Leitlinien des neuen Konsumgebots: »People must be taught to spend.« (1950: 158f., 151, 149f.) Schelsky schreibt in ähnlicher Manier in einer frühen deutschen Abhandlung, dass die Konsum- und Unterhaltungsgüter erheblich zur Angleichung der Klassen und zur Erzeugung eines »gleichförmigen Sozialbewußtsein[s]« beitrügen (1953: 224). An die Stelle der Klassenspaltung in der industriellen Gesellschaft trete der »verhältnismäßig einheitliche Lebensstil« einer »nivellierten Mittelstandsgesellschaft«. Ursache der neuen Einheit sei der »universale Konsum der industriellen und publizistischen Massenproduktionen« (1965a: 332f.). Direkt im Anschluss an Riesman benennt Schelsky in einem späteren Aufsatz als Grund des ausgeweiteten Konsums die Entwicklung der modernen Herstellungstechniken. Ihre Erfolge machten es unumgänglich, »breiten Schichten eine vergrößerte Freizeit zur Erfüllung ihrer Konsumpflichten zur Verfügung« zu stellen. Die ständig erhöhte Produktion ziehe die Notwendigkeit nach sich, in den Menschen »immer neue Bedürfnisse« und ein »früher als unmoralisch angesehenes Konsumstreben« zu erwecken (1965b: 347). Trotz der einseitigen Annahme hoch abstrakter Wesenheiten als 77

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Grund für etwas, das zu einem bedeutenden Teil Ergebnis gewerkschaftlicher Auseinandersetzungen um eine Verringerung der Arbeitszeit ist, nutzt Schelsky seine Sicht der Dinge nicht zu einer Absage an den herrschenden Konformismus einer allgegenwärtigen Mittelschicht. Unter dem Diktat selbstverordneter Sachlichkeit kann sich Schelsky mit dieser angenommenen Tatsache vor allem abfinden, weil er konkurrierenden Intellektuellen das Recht bestreiten möchte, Ansprüche auf die »Freizeit der anderen« zu erheben.6 Hier scheint Schelsky sich demnach nah an Riesman zu halten. Wenn man diesen Punkt ins Auge fasst – die alles durchdringende Wirkung von Massenproduktion und Massenmedien –, wird zudem die Gleichsetzung des außen-geleiteten Charakters mit einem Objekt totalitärer Manipulation verständlicher. Doch wiederum täuscht der Eindruck. Erneut gibt Schelsky Riesman in allzu verkürzter Weise wieder, erneut skizziert er ein weitgehend einheitliches Bild, dem fast alle Zwischentöne fehlen. Um nicht selber in diesen Fehler zu verfallen, sei angemerkt, dass Schelsky nicht immer so verfährt. In einer anderen Schrift stellt er unter Berufung auf Riesman und Gehlen einmal heraus, dass trotz des waltenden Konformitätszwangs besonders in der Freizeit Möglichkeiten einer »Individualisierung« lägen, wie man an der Vielfalt bereits gegebener Geschmacks- und Wertungsunterschiede erkennen könne – wenn auch solche Abweichungen vom Konformismus der Mehrheit eine Sache von verschwindend kleinen Minderheiten bliebe (1957: 335, 382). Unter dem Eindruck vorübergehender linksliberaler Meinungsführerschaft in den 70er Jahren kehrt Schelsky jedoch wieder ganz seine Fehldeutung Riesmans hervor. Die einsame Masse dient ihm dann als Stichwort, die (manipulierte) Entscheidung der Mehrheit der Wähler mit jener »ideologische[n] Meinungsgemeinschaft« zu vergleichen, die Deutschland nach 1933 geprägt habe; seit jenen Tagen sei »›das Volk‹« stets eine »mediengesteuerte Meinungseinheit« gewesen (1983: 59ff.). Angesichts solcher Zuspitzungen fällt es besonders leicht, den entscheidenden Unterschied zwischen Riesman und den Massentheoretikern zu erkennen. Er liegt darin, dass Riesman nicht allein als Grundelement das einsame Individuum nimmt, welches sich allzu leicht (und ausschließlich!) in der einen großen Masse wiederfin6 Schelsky 1958: 14. Diese Kritik der Kulturkritik wird zum bestimmenden Thema Schelskys, nachdem ab Ende der 60er Jahre linksliberale Intellektuelle großes Gehör finden. Siehe Schelsky 1975. 78

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det. Bei ihm fungieren die peer groups und die Interessengruppen als Mittelglied oder als Filter, in diesem Fall zwischen dem Einzelnen und den Massenmedien (oder zwischen dem Einzelnen und der politischen Führung). Weil Riesmann vom Gruppenkonformismus ausgeht, erkennt er in den Angeboten der Medien sogar nicht selten wertvolle Mittel, die Standards der Gruppe zu verändern oder ihr zu entfliehen (1950: 85, 248, 350f.). Zudem kritisiert er zu Recht das gängige Bild der Massenproduktion, in dem die hohe Stückzahl, die unbegrenzte Reproduzierbarkeit mit der Einheitlichkeit der ganzen Produktion verschränkt ist. Die Tatsache der großen Zahl treffe aber in doppelter Hinsicht zu. Mittlerweile habe die Massenproduktion einen Stand erreicht, der die Herstellung einer großen Menge verschiedener Gegenstände ermögliche; insgesamt gesehen gebe es nun (in potentiell je unendlicher Stückzahl) mehr unterschiedliche und gute Produkte als in der Ära des Handwerks (ebd.: 361). Dass solche Aussagen bei der Rezeption Riesmans manchmal unterschlagen werden, liegt jedoch ebenfalls an Versäumnissen Riesmans selbst. Weil er fast ganz damit beschäftigt ist, den außengeleiteten modernen Menschen von anderen Charaktertypen zu unterscheiden, liest man bei ihm sehr wenig über einzelne peer groups und ihre verschiedenen Aneignungsweisen derselben Produkte. Eine eingehende Verbindung zwischen seiner Anschauung der peer group und seiner ausdrücklichen Bejahung der uneinheitlichen Politik verschiedener Interessengruppen sucht man ebenfalls vergeblich. So dominiert auch bei ihm ein Bild der ›Massenmedien‹, welches nur durch seinen Hinweis abgeschwächt wird, dass sie (wie auch die politischen Entscheidungen) in der demokratischen Realität Amerikas von verschiedenen gesellschaftlichen Verbänden kontrolliert würden (ebd.: 241ff.). Eine Zerstreuung des Bildes durch die Beispiele unterschiedlicher Lesarten fehlt jedoch. Ohne solche entfalteten, aufgezeigten Differenzierungen kann Riesmans zeitgenössisches Panorama sogar sehr einheitliche Züge annehmen. Dies liegt an einer bemerkenswerten Umstellung Riesmans. Bisher hatten die Theoretiker der Massenkultur kaum einen Zusammenhang zwischen der politischen Nachricht und den Unterhaltungsobjekten hergestellt. Die Trennung der Disziplinen blieb insofern gewahrt, als der Feuilletonist oder Philologe von Kitsch und Schund, der politische Kommentator oder Wissenschaftler von Propaganda sprach. Auch wenn Wertungsweise und -grund überein79

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

stimmten – deutlich gemacht durch die verwandten Begriffe Massenkultur und Massendemokratie –, wurden die gleichermaßen abgewerteten Phänomene selten zusammen analysiert. Ein sehr wichtiges Indiz der Annäherung gibt es allerdings bereits seit den Tagen John Stuart Mills. Es besteht darin, das einst teilweise mit großem Anspruch formulierte Konzept der Öffentlichkeit einfach weitgehend mit dem Inhalt der führenden Zeitungen gleichzusetzen. Was um 1800 zuvor als öffentliche Meinung in Sicht einiger demokratischer Theorien ein Ausdruck des allgemeinen Willens war, auf dem die Herrschaft richtigerweise beruhen sollte,7 wird in dieser Sicht dadurch schlicht zu einem Datum allgegenwärtiger (zumeist manipulativer) Medien, welche die neuen technischen Möglichkeiten unbegrenzter Verbreitung auch zur tatsächlichen Durchdringung weiter Bevölkerungskreise mit derselben Botschaft nutzen möchten. Bei Riesman nun verlieren die Massenmedien den Anstrich rein politisch durchschlagender Manipulationsmaschinen, weil er sie direkt als Teil der Populärkultur betrachtet. Die Dimensionen des einheitlichen Zugriffs der Massenmedien steigern sich damit noch einmal beträchtlich. Der Vorrang der Neuheit und des Spektakels (glamour) formt nach Riesmans Urteil spätestens um 1950 alle Bereiche gleichermaßen; Radio, Zeitung und Fernsehen machten in ihrer Berichterstattung keinen Unterschied zwischen politischen Nachrichten und Artikeln über Sport und Kino. Es handele sich bereits um einen Gemeinplatz, schreibt Riesman, dass die Massenmedien über eine internationale Krise und eine neue Zahnpasta in einem ähnlich atemlosen Tonfall berichteten. Entsprechend trete der außen-geleitete Angehörige der breiten Mittelschicht der Politik mit einer vergleichbar wandlungsfähigen, toleranten Haltung gegenüber wie anderen Unterhaltungs- und Freizeitangeboten; die Zeit der moralisch tief verankerten, hoch ideologischen Einstellung sei vorüber. Deshalb verbleibe der außen-geleitete Charakter auch in politischen Angelegenheit in einer abwartenden Zuschauerhaltung. Die politischen Nachrichten aus aller Welt, aber selbst Fragen, die den Zuschauer wesentlich direkter betreffen, stellen für den außengeleiteten Menschen ebenfalls Spiele und Objekte der Freizeitunterhaltung dar; die Präsentierung der politischen Programme und Par-

7

Siehe die Nachweise bei Hölscher 1978: 448ff. 80

RIESMAN, SCHELSKY, MILLS

teiführer nach Marketinggesichtspunkten verstärkt diese Haltung noch (1950: 211f., 214). Es ist sicherlich erneut kein bloßer Zufall, dass Riesman seine Anschauung zur öffentlichen Meinung nicht unter der Bezeichnung Massendemokratie, sondern unter dem Titel der populären Kultur präsentiert: popular culture sieht er ganz allgemein als eine Anleitung zur Konsumtion an.8 Der Vorrang der passiven Aufnahme ist beim derart bestimmten Phänomen popular culture stets festgeschrieben. Was sich jedoch nach Riesmans Beobachtung jederzeit ändern kann, sind die Bewertungsmaßstäbe der peer group, die den Einzelnen zu immer neuen Gegenständen des Konsums leiten. Bezeichnend für Riesmans Haltung ist ebenfalls, dass er den beobachteten Vorrang der Freizeit und des Konsums nicht einfach am traditionellen Arbeitsethos oder an seinem eigenen Ideal des Menschen, der sein Leben selbst gestaltet, negativ bemisst. Für die gängige Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Entspannung hat er sogar ausschließlich milden Spott übrig: Aktivität dürfe man nicht mit Muskelanstrengung verwechseln. Gerade Freizeitbeschäftigungen wie etwa das Fernsehen, denen man üblicherweise eine hohe Passivität nachsagt, könnten zu äußerst aufwühlenden, folgenreichen Erfahrungen führen (1963h: 206). Alle gewöhnlich abwertend vorgetragenen Begriffe und Diagnosen, die man bei Riesman zur Beschreibung der Populärkultur findet – Konformismus, Außen-Lenkung, Massenmedien, Zuschauerhaltung, Verlust fester Ideale –, bekommen dadurch einen neuen Zuschnitt. Sie werden nicht in avantgardistischer Manier einfach umgewertet, sondern zumeist genauer aufgefächert. Auf die Art stellt sich etwa heraus, dass zwischen dem Einzelnen und der gesteuerten Masse zahlreiche Gruppeninteressen und -vorlieben vermitteln; auf solche Weise wird der Blick auf unterschiedliche Aneignungsweisen derselben Produkte gelenkt. Streicht man u.a. diese letzten beiden Punkte wieder, fällt die Beschreibung der modernen Welt folglich erneut ganz mit ihrer vernichtenden Kritik zusammen. Gut studieren kann man das an Riesmans Kollegen und Zeitgenossen C. Wright Mills. Der stärker an Weber als an Marx geschulte Soziologe Mills, der historische Gestalt nicht zuletzt als früher Fürsprecher einer Neuen Linken gewinnt, zeichnet ein weitgehend einförmiges Bild der Massenkultur:

8 Ebd.: 211: »[P]opular culture is in essence a tutor in consumption«. 81

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

Der entfremdeten Arbeit entspricht in seiner Sicht ein passiver Konsum von standardisierten, anspruchslosen Ablenkungen in der Freizeit. Auch Mills gebraucht nach 1950 den Begriff popular culture gleichermaßen für Filme, Schlager, Comics und die politischen Berichte in Zeitung, Radio, Fernsehen. Das alles ist für ihn Teil der Massenbeeinflussung, die nicht in direkter Lüge besteht, sondern darin – wie bereits Lippmann gesehen hat –, die Welt in ewig wiederkehrende Ausschnitte und Formeln zu pressen (als ein Beispiel gibt Mills die Unterhaltung wie Politik dominierende Stereotype des Helden an, der durch individuelle Leistung folgerichtig seinen verdienten Aufstieg bewirkt [1955: 323ff., 442ff.]). Kennt man diese Einschätzungen Mills’, kann man sich sein Urteil über die Öffentlichkeit leicht ausmalen. Das Wort schreibt er nur noch in Anführungsstrichen, so sehr hat sich für ihn dessen Bedeutung gewandelt. Die klassisch liberale Vorstellung der Öffentlichkeit hält er von der Wirklichkeit längst überholt. Der Befund ist von großer Bedeutung, weil es nach dem Urteil Mills’ nicht um eine Auseinandersetzung mit einem historischen Konzept geht; auch das heutige Lob der Demokratie beruhe noch ganz auf der hergebrachten liberalen Doktrin. Alle wichtigen Punkte der liberalen Auffassung taugten aber nicht länger, um die gegenwärtige öffentliche Meinung angemessen zu erfassen; weder könne man weiter von kleineren Vereinigungen ausgehen, die in direkter, rationaler Debatte eine gemeinsame, richtige Ansicht fänden, noch von einer unabhängig gebildeten Mehrheitsmeinung, die von separaten Organen dann in die Tat umgesetzt würde.9 In der zeitgenössischen Gesellschaft, die überwiegend Züge einer Massengesellschaft trage, hat sich die Lage – nach Mills – verkehrt. Öffentlichkeit entstehe nicht aus dem Gespräch von Menschen untereinander; jetzt stehe einzelnen Sprechern eine nach Millionen zählende Menge von Zeitungslesern, Radiohörern, Fernsehzuschauern gegenüber, die Botschaften nur empfangen, nicht aber beantworten können. Angesichts der riesigen Institutionen, die auf 9

Mills 1962: 335ff. Diese Auffassung, die Habermas einige Jahre später übernehmen wird, hat Mills auch in zahlreichen Aufsätzen vertreten, siehe etwa Mills 1963a: 35ff.; 1963b: 578-585. In diesem letzten, 1950 geschriebenen, aber erst 1963 veröffentlichten Aufsatz nennt Mills auf den weiteren Seiten einen Punkt, den er sonst nicht anführt; hier spricht er einmal von den Meinungsführern, welche die Botschaften der Massenmedien an die kleinen Interaktionsgruppen vermitteln; siehe dazu im vorliegenden Buch das Kapitel zu Paul Lazarsfeld. 82

RIESMAN, SCHELSKY, MILLS

dem Wege tatsächlich die Öffentlichkeit beherrschten, sei das Recht auf freie Meinungsäußerung von geringerem Wert. Die Öffentlichkeit bilde lediglich eine abstrakte Gemeinschaft atomisierter Einzelner, die den Einflüsterungen und der Propaganda der Medien hilflos ausgeliefert seien; die öffentliche Meinung erschöpfe sich darum in den Reaktionen des Publikums auf die Vorgaben der Massenkommunikation. Unter den einseitigen ›Kommunikatoren‹ befänden sich nicht nur große wirtschaftliche Konzerne und die Führer politischer Parteien, sondern auch Stellen der staatlichen Exekutive, die damit die Entscheidungen manchmal bereits vorweg- und keineswegs allein die Direktiven der Wahlöffentlichkeit entgegennimmt; zumeist stelle sie die Öffentlichkeit einfach vor vollendete Tatsachen. Seit den Tagen Tocquevilles hat sich demnach das Bild der öffentlichen Meinung – der alles beherrschenden Meinung der Mehrheit – drastisch gewandelt: Die große Menge ist auf dem Weg zur bloßen Steuerungs- und Manipulationsmasse (Mills 1962: 338ff.). Auch die großen Interessenverbände und Parteien können nach Meinung Mills’ an diesem neuen Bild wenig ändern. Zwar stehen sie als Grund dafür, dass es kein ganz eindeutig lokalisierbares Zentrum der Macht gibt; ihre unübersichtliche, bürokratische Organisation verhindere aber (genau wie die Struktur der Massenmedien) eine Einflussnahme des Einzelnen. Die Distanz zwischen der Spitze der jeweiligen Organisation und den Mitgliedern sei mittlerweile unüberbrückbar geworden; auch hier laufe die ›Kommunikation‹ allein von oben nach unten, die entscheidende Verbindung existiere zwischen den Eliten der einzelnen Verbände und Regierungsstellen. Von einer vermittelnden Stellung der Interessengruppen zwischen den einzelnen Bürgern und den Machthabern in Großkonzernen, im Militärapparat und in der (politischen) Verwaltung könne darum kaum mehr die Rede sein. Das pluralistische Bild einer funktionierenden Demokratie, in der viele kleinere Interessengruppen für ein Gleichgewicht der herrschenden Kräfte sorgen, besitzt für Mills in der Gegenwart nur noch ideologische Bedeutung. Unterhalb der Regierungsspitze gebe es nichts als ein »politisches Vakuum«; die letzten verbliebenen kleinen Gruppen und Gesprächszirkel würden schlicht ignoriert oder überrannt. In einer originellen Wendung lässt Mills die Öffentlichkeit auf eine Restgröße zusammenschrumpfen: In ihr befinden sich nach seinem Begriffsgebrauch nur noch die »Nichtidentifizierten« und »Nichtorganisierten« (ebd.: 271, 344ff.; 1963c: 194; 1963d: 83

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

360ff.). Allerdings darf der Begriffsvorschlag nicht überdecken, dass die weit überwiegende Mehrzahl der Organisierten nach Mills’ Bestandsaufnahme ebenfalls keine Möglichkeit demokratischer Mitsprache besitzt. Auch ihnen bleiben ja nur die Botschaften der Elite, die ihnen von alles vereinnahmenden Medienkonzernen geliefert werden, sei es in Form politischer Suggestion oder in Form ruhigstellender, zerstreuender Unterhaltung. Am Ende überrascht, dass Mills angesichts der vollkommen deprimierenden Diagnose die Aufforderung an seine Leser richtet, sich nicht überwältigen zu lassen. Er ruft dazu auf, in genau jenen öffentlichen Diskussionsgruppen, deren Machtlosigkeit er sonst derart stark herausstellt, als »informal leaders« den Zumutungen der Massenmedien abzusagen. Die Analyse, weshalb das liberale Credo in der modernen Gesellschaft keinen Bezug zur Wirklichkeit mehr aufweist, mündet so – in einem liberalen Credo: »For in the end, it is around them [a creative minority] and through them that liberated and liberating publics come to articulate form and democratic action.« (1963d: 372)

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8 EDGAR MORIN, GUY DEBORD, GEORGES PEREC: DIE MODERNE FREIZEIT DES KONSUMS Von den Theoretikern einer Kultur und Politik der großen Zahl hat man bislang wenig Genaues über die populären Gegenstände und ihre Aufnahme erfahren. Man könnte sagen, dies geschehe folgerichtig; gering geschätzte Dinge verführen nicht zu einer eingehenden Betrachtung. Die Überlegung findet zunächst ihre Bestätigung, wenn man auf David Riesman schaut. Riesman stimmt nicht in den Chor derjenigen ein, die in der Massenkultur einen einzigen Alptraum sehen. Kritiker, die sich bereits über kleinere Belästigungen wie z.B. Werbeunterbrechungen im Radio so stark erregen, als handele es sich um bedeutsame gesellschaftliche Probleme, bedenkt er mit Spott. Darum überrascht es nicht, wenn Riesman in vielen Hollywood-Filmen nicht nur wenig Schädliches entdecken kann, sondern in ihnen im Gegenteil auch manches von Wert erblickt; als ein Beispiel nennt er den neuen Typ des good-bad girl, das die einfache Stereotypisierung der Heldin als dämonischer Vamp oder braves Mädchen hinter sich lässt (David und Evelyn T. Riesman 1963: 199). Zur gleichen Zeit kann C. Wright Mills das Bild des ›öffentlichen Mädchens‹ wieder eindeutiger modellieren, indem er einen anderen historischen Vergleich liefert. Mills schildert nachdrücklich, wie die Stellung des städtischen Geldadels im Zentrum der Aufmerksamkeit ab den 20er Jahren durch die neuen Attraktionen der Unterhaltungsindustrie erfolgreich herausgefordert wird. Die gesellschaftliche Debütantin aus angesehener Familie verliert dabei ihren Rang zu einem beträchtlichen Teil an das Starlet und Cover-Girl. Das »amerikanische Ideal-Mädchen« – Sexappeal mit Standardmaßen – sei mittlerweile allgegenwärtig. Im Fernsehen, im Kino, als Mannequin und Werbeträgerin, auf dem Schutzumschlag von Bü85

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

chern, in allen Illustrierten und bei jeder größeren Veranstaltung eines Nachtklubs – überall treffe man auf das von Männern wie jungen Frauen gleichermaßen bewunderte Girl (Mills 1962: 101f.). Die Frage bleibt dann, ob Mills richtige Beobachtung an Eindrücklichkeit verlieren würde, wenn er unterschiedliche Varianten dieses Ideal-Mädchens, wie etwa von Riesman angedeutet, schilderte. Theodor W. Adorno gibt darauf zumindest indirekt eine Antwort. In seinem Aufsatz zum Jazz aus dem Jahr 1936 misst er die populäre Musik jener Tage am Maßstab weitgehend ungebundener Freiheit; die Improvisationen des Jazz beschreibt er zutreffend als Abwandlungen des fest Vorgegebenen und Gewohnten. Weil Adorno vor allem die ganz anders organisierten, je eigenwilligen Stücke der neuen Musik schätzt, sind für ihn die Varianten innerhalb des Jazz ohne jeden Unterscheidungswert. Schlimmer noch: Die Variationen einiger weniger Grundformeln machen für Adorno gerade den vollkommenen Warencharakter der modernen populären Kultur sichtbar; der Markt verlange genau solche Produkte, die stets die Gleichen seien und doch immer das Neue vortäuschten. Wenn man also in kritischer Manier nicht einfach über einen Standard spricht, sondern Abwechslungen anerkennt, ist man (wie Adorno) gezwungen, die kapitalistische Ware (vorschnell) mit einer erfüllten Norm bzw. insgesamt gesehen einigen wenigen Normierungen zu identifizieren – und die Abwandlungen etwas paradox als nur scheinbare Neuerungen abzuwerten. Unter der Voraussetzung ist es wahrlich überflüssig, sich den einzelnen Gegenständen näher zuzuwenden. Andererseits kann man sich unter der Maßgabe jedem Produkt der Populärkultur beruhigt widmen, weil man bereits vorher weiß, wie das Urteil aussehen wird. Selbst wenn Bücher und Filme, die keine direkte politische oder moralische Botschaft aufweisen, mit den Mitteln der Ideologiekritik nicht ihres abträglichen politischen Gehalts überführt werden können, bleibt stets der Nachweis möglich, die vergnügliche Unterhaltung diene (leider erfolgreich) der Ablenkung von den wichtigen Fragen. Angesichts von Filmen, in denen Dienstmädchen am Ende den Unternehmer heiraten, ist es etwa für einen Kritiker wie Siegfried Kracauer (1977b: 280) ebenso leicht wie angemessen, die verzerrte gesellschaftliche Botschaft der Handlung kritisch herauszustellen. Bei einem Film wie der amerikanischen Lubitsch-Komödie One Hour With You hingegen, in der aus der Liebe lediglich eine Liebelei wird, wie Kracauer (1974) pointiert anmerkt, geht das nicht so einfach. Darum bietet es sich an, 86

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solche substanzlosen Filme ganz allgemein als Produkte, in denen die wirklichen, drängenden Probleme keinen Platz fänden, negativ zu charakterisieren. Genau umgekehrt lautet die Sorge, die David Riesman formuliert. Er fragt sich selbstkritisch, ob sein Programm einer differenzierteren oder zumindest detaillierten Betrachtung von HollywoodFilmen nicht deren ohnehin bereits begrenztes Vermögen, zur Ablenkung beizutragen, vermindern würde. Uneingeschränkt positiv bewertet er jedoch die Wirkung des Aufrufs, den amerikanischen Film ernst zu nehmen, auf jene Zuschauer, die jede Freude an populären Produkten gleich mit einem Schuldgefühl überdecken müssten; bei ihnen könnte jene neue, vom Feuilleton oder der wissenschaftlichen Beschäftigung erzeugte Legitimität, die bereits aus der eingehenderen Beschäftigung mit Gegenständen der Populärkultur entspringt, zur Verringerung der Vorurteile beitragen (David und Evelyn T. Riesman 1963: 200). Der französische Intellektuelle Edgar Morin, der um 1960 auf all die hier angeführten Theorien der Massenkommunikation und Kulturkritik zurückschauen kann, teilt Riesmans Maxime. Wie ein Jahrzehnt zuvor etwa der amerikanische Feuilletonist Robert Warshow (2001) merkt Morin sogar ausdrücklich an, dass der Beobachter der Populärkultur dieser Welt nicht fremd oder feindlich gegenüberstehen dürfe, um sie angemessen beschreiben zu können. In seinem Buch L’esprit du temps möchte Morin den neuen Geist der Zeit, wie er sich ihm in der Massenkultur offenbart, folgerichtig nicht ausschließlich an den Werten der älteren humanistischen Kultur messen.1 Im Unterschied zu Warshow jedoch geht Morin keineswegs von einer unmittelbaren Erfahrung aus – und schon gar nicht bleibt er bei ihr stehen (ein Zusammenhang von Sympathie und differenzierter Betrachtung braucht demnach auch beim Gegenstand der Populärkultur nicht zwingend vorausgesetzt zu werden). Morins Abhandlung verknüpft hochgradig verdichtete zeitdiagnostische Anschauungen, deren essayistische Brillanz und umfassende Bildung der Kracauers und Adornos nahe kommt, mit noch abstrakteren Thesen zum Status der Massenkultur. Erstens scheint ihm die neue Form der Industrialisierung – die Industrialisierung des Geistes – von dem 1 Morin 1965: 22, 19. Kommende Seitenangaben im Kapiteltext beziehen sich immer auf diese Ausgabe. Eine Zusammenfassung einiger wichtiger Thesen bei Morin 1968: 4ff. 87

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

Zusammenhang der Standardisierung und Individualisierung beherrscht. Im Gegensatz etwa zu Adorno sieht Morin in einigen Varianten der Kulturindustrie durchaus neue Erfindungen, nicht nur Wiederholungen des Immergleichen (30). Zweitens erkennt er einen Trend zur Stilmischung, um das aus verschiedenen Schichten zusammengesetzte Massenpublikum zu erreichen (41). Hier finde die einzige weitgehende Übereinstimmung zwischen den sozialen Klassen (49) und sogar zwischen den Völkern statt (53). Ein Mischverhältnis zeichne die neue Kultur auch insofern aus, als sie die Informationen mythologisch und narrativ aufbereitet und umgekehrt die Romane und Filmhandlungen mit Fakten durchsetzt (43). Die Darstellungen der neuen Medien erscheinen darum – und vor allem weil sie die ständige Gegenwart der unsichtbaren Welt heraufbeschwören – den Geistern des archaischen Menschen verwandt. Der große Unterschied liege aber nun darin begründet, dass die Phantome in der alten Welt bei den Festen Gestalt annahmen, während die technisch hergestellte Massenkultur die Rezipienten einzeln vor den Apparaten hält und auch im Sportstadion von den Akteuren trennt. Das moderne Spektakel sei zwar nicht länger wie das Fest auf einzelne Tage im Jahr beschränkt, mache aber jede Teilnahme des Publikums, jede zweiseitige Kommunikation, jede kollektive Vereinigung unmöglich (78f.). An die Stelle der Feste trete somit die moderne Freizeit, die nicht nur die Bedeutung des alten Fests, sondern auch die der Familie und des Arbeitsethos zersetze (85). Die Massenkultur komme mit einer übergreifenden »Freizeit-Ethik« überein, sie verlege die »Heilssuche des einzelnen« in die Zeit nach der Arbeit (87) und biete ihm eine Vielzahl an Angeboten, die er zurückgezogen nutzen könne: »Die neuen Techniken erzeugen eine Art reinen Zuschauer, das heißt, er ist physisch vom Spektakulum getrennt, auf eine passive und lediglich voyeuristische Teilnahme beschränkt. Alles spielt sich vor seinen Augen ab, aber er kann das, was er betrachtet, nicht berühren, nicht körperlich festhalten. Dagegen ist das Auge des Zuschauers überall, in Brigitte Bardots Wohnzimmer und in Titows Weltraumkapsel [...] selbst das, was am nächsten liegt, ist nichts als ein Bild, das zwar immer gegenwärtig, aber doch niemals materialisiert ist. Der Zuschauer nimmt an der Sendung teil, doch kommt seine Partizipation allein durch den Pfarrer, Parteiführer, eine Mittelsperson, den Journalisten, Sprecher, Fotografen, Kameramann, Star oder Romanhelden zustande. Ein System von Glas und Scheiben, Film- und Fernsehbildschirme, Glaswände der modernen Wohnungen, 88

MORIN, DEBORD, PEREC

Plexiglasscheiben der Pullman-Wagen, Flugzeugluken, etwas Lichtdurchlässiges, Durchsichtiges oder Reflektierendes trennt uns immer von der physischen Wirklichkeit. [...] Im äußersten Falle könnte man den fernsehenden Menschen als ein abstraktes Wesen in einer abstrakten Welt bezeichnen: Einerseits verflüchtigt sich zum Teil die aktive Substanz der Welt, denn ihre Stofflichkeit hat sich verflüchtigt; andererseits und gleichzeitig entflieht der Geist des Zuschauers und irrt als unsichtbares Phantom unter den Bildern umher.« (88f.)

Genau von diesem äußersten Fall geht eine internationale Gruppierung avantgardistischer Künstler und Theoretiker, die Situationistische Internationale (S.I.), aus. Sie macht ihn nicht allein zur Grundlage ihrer ästhetischen, sondern auch ihrer politischen Vorstellungen. Morin kennt die Gruppe und ihren Pariser Cheftheoretiker Guy Debord gut; den Begriff des Spektakels dürfte er seinen Aufsätzen entnommen haben. Debord übernimmt seinerseits die Befunde der amerikanischen Soziologen von der erheblich zunehmenden Bedeutung des passiven Konsums und der von Unterhaltungsangeboten beherrschten Freizeit.2 Zugleich steigert er (1976b: 27) die Kritik an dieser neuen Welt auf endgültig maßlose Weise. Er setzt die Revolution auf die Tagesordnung, um all diese Formen der »Pseudokommunikation« zu zerstören. Seine Kritik an Entfremdung, Isolierung und Passivität bringt Debord im Begriff des Spektakels zusammen (Situationistische Internationale 1976a: 153). Die Verwandlung der »wirkliche[n] Welt« in »bloße Bilder« gilt Debord in seiner theoretischen Hauptschrift Gesellschaft des Spektakels als Grundmodell aller gegenwärtigen sozialen Verhältnisse.3 Morins Übernahme des Begriffs in Geist der Zeit dürfte Debord darum stark missfallen haben. Morin nämlich nimmt selber nicht den äußersten Fall an. Bereits ganz grundsätzlich sollte für ihn die Festschreibung der Passivität auf Seiten des Zuschauers zumindest in einer Hinsicht ausgeschlossen sein; wie alles 2 Debord 1976a. Vgl. zu den Theorien und Lebensmaximen der Situationisten Hecken 2006c: 27ff. – Wechselseitige Bezüge gibt es in Frankreich zwischen den Situationisten und dem undogmatischen marxistischen Philosophen Henri Lefèbvre, der die Entfremdung nicht nur in Arbeit und Ökonomie, sondern gerade in der modernen Freizeit am Werk sieht, die auf einen (scheinbaren) Bruch mit dem Alltagsleben zielt (Lefèbvre 1974: 41ff.). 3 Debord 1978: 10. In der Tradition Debords steht auch Jameson (1982: 111ff.) sowie das ganze Werk von Jean Baudrillard. 89

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

sein; wie alles Sehen müsste auch das Fernsehen aus Akten des Weglassens, Lesens und Wählens bestehen (Morin 1958: 226). Es bleibt aber nicht bei erkenntnistheoretischen Thesen. Unmittelbar auf den kritischen Gegenstand bezogen, scheut Morin nicht davor zurück, selbst das gemeinsame Gespräch über je vereinzelt betrachtete Fernsehsendungen hervorzuheben. Ebenso wie die Aktivität der Spiele und Träume ist es für ihn ein wichtiger Teil der modernen Freizeitkultur; sie alle gleichen die Passivität des Spektakels wieder aus (90f.). Angesichts solch revisionistischer Anschauungen ist es kein Wunder, dass Morin allgemein in der Zeitschrift der S.I. heftigen Anfeindungen ausgesetzt wird (Situationistische Internationale 1976b). Eine andere Ausdeutung ihrer Vorstellungen könnte die Situationisten vielleicht sogar noch stärker in Rage gebracht haben. Als Alternative zum leeren Konsum hoffen sie auf intensive Situationen, eine moderne Variante des alten Fests mit seiner allseitigen, ekstatischen Beteiligung. Ihr ganzes Wirken gilt dem Ziel, solche Situationen herbeizuführen. Darum erkunden sie etwa die Einflüsse, die Straßen, Räume, Viertel auf die Stimmung ausüben; im Selbstversuch lassen sie sich nach bestimmten Vorgaben durch die Stadt treiben. Die Ergebnisse der »psychogeographischen« Forschungen wollen sie zur Konstruktion interessanter Situationen nutzen. Die Teilnehmer der kommenden situationistischen Feste (oder auch die Bewohner entsprechender »Stimmungsviertel«) sollen nicht wie in einem Unterhaltungspark oder Ferienclub festen Installationen oder den Anweisungen von Animateuren unterliegen, sondern wesentlich größere Freiheitsspielräume genießen (Debord 1980: 43ff.). Die entscheidende Freiheit besteht aber in der »Aneignung der Faktoren unserer Konditionierung durch uns selbst«, wie es in der Zeitschrift der Situationisten konsequenterweise heißt (Lausen 1977: 69). Den Zufall hält man letztlich nicht für wert, Teil der Freiheit zu sein (Debord 1976c: 59f.). Georges Perec nimmt die situationistische Lebenshaltung augenscheinlich zum Vorsatz der Helden seines Romans Die Dinge, der in Frankreich 1965 erscheint. Ein junges Paar durchläuft im Alter von Anfang bzw. Mitte zwanzig genau die Veränderung, welche die Situationisten mit allen Mitteln befördern wollen. Überrascht von sich selbst, erwachen die beiden jungen Hauptpersonen des Romans aus ihrer Unwissenheit und nehmen die Welt erstmals bewusst wahr. Die Bewusstwerdung trägt unverkennbar situationisti90

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sche Züge. Unaufhörlich beobachten sie, heißt es bei Perec, »ob ein Viertel, eine Straße lustig oder traurig ist, still oder laut, einsam oder belebt.« (Perec 1984: 31) Trotz der Übernahme dieses situationistischen Grundprinzips stößt der Roman bei der S.I. aber keineswegs auf Gefallen,4 Perec wird als »Konsument der ›Dinge‹« geschmäht (Situationistische Internationale 1977: 206). Wie im Falle Morins trifft die Abwandlung Debord tiefer als die Ablehnung durch einen Gegner. Debord fühlt sich zu Recht getroffen. Das junge Pariser Paar des Romans ereilt die Bewusstseinsänderung ausgerechnet in dem Moment, als sie den neuen Beruf des Meinungsforschers ergreifen. Ihre psychogeographische Wahrnehmung steht sogar in direktem Zusammenhang mit ihrem Aufstieg. Die situationistischen Avantgardisten gehören zu den Vorreitern der Konsumforschung, lautet demnach die unausgesprochene Botschaft des Romans. Die Entsprechung zur Psychogeographie ist dann die Marktforschung: »[V]ier Jahre lang, vielleicht auch länger stellten sie Untersuchungen an, interviewten, analysierten. Warum verkaufen sich Bodenstaubsauger so schlecht? Was hält man in Mittelstandskreisen vom Chicorée? Ist das Püree aus der Tüte allgemein beliebt und warum? Weil es leicht ist? Weil es sahnig ist? Weil es einfach zuzubereiten ist: eine Handbewegung und fertig? Ist man wirklich der Ansicht, daß die Kinderwagen teuer sind? Ist man nicht immer bereit, für die Behaglichkeit der Kleinen Opfer zu bringen? Wie wird die Französin wählen? Mag man Tubenkäse? Ist man für oder gegen die öffentlichen Verkehrsmittel? Worauf achtet man vor allem, wenn man Joghurt ißt: auf die Farbe? auf die Konsistenz? auf den Geschmack? auf das natürliche Aroma?« (27)

Die gleichen Fragen stellen sich die jungen Marktforscher selbst, wenn auch auf andere Gegenstände bezogen. Die Untersuchung, welche Stimmungen bei ihnen bestimmte Straßen und Stadtviertel erzeugen, weiten sie auf ungewöhnlichere Möbel, Krawatten, Urlaubsorte aus (der Geldmangel führt sie anfänglich besonders zur Ästhetik seltener Objekte der Antiquariate und Flohmärkte). Ganz im Gegensatz zu den Situationisten machen sie keinen Unterschied zwischen Lebensweisen, deren Zustand sich Dingen, und Lebensformen, deren Intensität sich konstruierten Situationen verdankt. 4 Zu Perecs Roman im Kontext seiner Zeit vgl. Ross 1995; zu Perec und der S.I. vgl. Hussey 2001: 198f. 91

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

Den Situationisten erscheint ausschließlich Letzteres wünschenswert, mit dem Konsum von Dingen verbinden sie lediglich Passivität und Entfremdung. Im Roman Perecs erscheint diese Trennung als künstlich. Die bewusste Suche nach geeigneten Reizen, die bestimmte intensive Reaktionen auslösen (sollen), wird hier nicht vom Prinzip des Spektakels geschieden. Im Gegenteil, diese Art der Suche entpuppt sich dadurch genau als treibende Kraft des Konsumismus. Im Roman der Dinge dürfen die beiden Helden aus der neuen Welt der Angestellten (mit ihrem Vorrang der Freizeit- bzw. der Konsumwünsche) aber gleichfalls nicht das Glück finden. Die Illustrierten, Anzeigen, beleuchteten Schaufenster erinnern sie unablässig daran, dass ihnen die finanziellen Mittel fehlen, den begehrten Angeboten nachzukommen. Der Erzähler sieht sie in der Fülle gefangen, in den »faszinierenden Fallen des Glücks« (71). Solche Wendungen lassen aber auch anklingen, dass die Vorstellung Perecs wohl ebenfalls unter der Bedingung des Reichtums keine Erfüllung in der Waren- und Erlebniswelt der Freizeit zulassen würde. Ein Leben, das »den Charme, die Leichtigkeit, die Phantasie der amerikanischen Komödien« hätte, bleibt darum rein auf die Träume der Helden beschränkt (31). Die Wirklichkeit ist reduziert auf Attraktionen, deren Kräfte die Helden ins Leere führen, das ist schon von Anfang an, nach den ersten bescheidenen Ausflügen der beiden jungen Leute ins Reich ausgestellter Reize, klar: »Stundenlang liefen sie durch die großen Warenhäuser, hellauf begeistert und schon erschrocken, doch ohne daß sie wagten, es sich einzugestehen, ohne dieser Art erbärmlicher Gier, die ihr Schicksal, ihr Seinsgrund, ihr Losungswort werden sollte, ins Auge zu sehen, hellauf begeistert und fast schon überrollt von der Fülle ihrer Bedürfnisse, von dem ausgestellten Reichtum, von dem reichhaltigen Angebot.« (32)

Im Namen solch zweifelhafter Bedürfnisse wird natürlich niemand ernstlich Forderungen nach einer anderen Verteilung des präsentierten Reichtums erheben wollen.

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9 WALTER KILLY, UMBERTO ECO, HELMUT KREUZER: MUSTER DES TRIVIALEN Zur gleichen Zeit, da Georges Perec seine jungen Marktforscher die aktuellen Vorlieben und Stimmungen der Verbraucher und Erlebnissucher erkunden lässt, beschäftigt sich der Philologe Walter Killy mit älteren Schriften und deren Wirkungen. Ungewöhnlicherweise handelt es sich um literarische Werke, die nicht zum Kanon gehören. Schreibt Killy sonst wie fast alle anderen seiner Kollegen über Goethe und Trakl, blättert er nun in Ausgaben von Eugenie Marlitt, Karl May und Hedwig Courths-Mahler. Sätze aus solchen Büchern wie »draußen streicht der Nachtwind mit zarten tastenden Händen um das Goldhaus« sieht Killy u.a. durch Häufungen pseudosymbolischer Angaben charakterisiert. Treten diese Merkmale auf, spricht Killy von Kitsch; sein Buch, in dem auch eine ganze Reihe entsprechender Texte dokumentiert ist, heißt ebenso einfach wie erbarmungslos Deutscher Kitsch. Gegen diese Vorgehensweise ist natürlich nichts einzuwenden; dem Wissenschaftler fallen Gemeinsamkeiten auf, er benennt die einzelnen Ausprägungen mit einem allgemeinen Begriff, zu verschiedenen miteinander verknüpften oder zumindest häufig im Zusammenhang erscheinenden Merkmalen bildet er einen weiteren klassifizierenden Titel; nicht nur in den philologischen Disziplinen verläuft ein großer Teil der Arbeit in solchen Bahnen. Im Falle des Kitsches müsste man nur darüber nachdenken, inwieweit der Oberbegriff mit weiteren Bestimmungen des Kitsch-Begriffs zusammenpasst, die zum Teil andere Merkmale – etwa mangelnde Originalität,

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THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

Massenreproduktion oder moralische Defekte – hervorkehren.1 Der Schwierigkeit kann man aber begegnen, z.B. in ganz einfacher bzw. radikaler Weise, indem man eine Neudefinition vorschlägt. Problematisch wird es erst, wenn die Begriffsbestimmung selbst mit erklärungsbedürftigen Variablen arbeitet – wenn etwa Killy den literarischen Kitsch mit einer Ansammlung bestimmter »Reize« identifiziert. Seit Kant ist dieses Argument gut bekannt, man ahnt darum bereits, wie es weitergeht; auch hier kommt die Bestimmung mit einer (negativen) Wertung augenblicklich überein. Problematisch ist aber bereits – vor jedem ausgesprochenen Geschmacksurteil –, dass der Begriff des Reizes recht unbefangen verwendet wird. Der Begriff versteht sich jedoch nicht von selbst, schließlich sehen sich die Sinne fast ständig einer Vielzahl von Reizen ausgesetzt. In der biologischen Forschung ist darum differenzierter vom Schlüsselreiz die Rede. Der Begriff wird dort immer (genau) dann gebraucht, wenn ein Lebewesen auf einen Auslösereiz stets mit einer bestimmten Handlung reagiert, sei der Auslösemechanismus nun ganz und gar angeboren oder durch Erfahrung geformt. Nach Auffassung des Germanisten Killy bewirken die von ihm benannten kitschigen Reize (falsch) erhabene, sentimentale oder süßliche Stimmungen (häufig heißt es auch, dass sie die Wirkung hervorrufen sollen). Viele Autoren, die sich zum Kitsch weiterer künstlerischer Sparten und Epochen äußern, arbeiten auf genau dieselbe Art wie Killy mit dem Begriff des Reizes.2 Offenkundig sprechen sie alle vom Reiz immer im Sinne des Schlüsselreizes, wahrscheinlich meistens orientiert an jenem sexuellen Reiz, der ganz bestimmte Wirkungen zutage bringt. Zum Nachteil dieses Ansatzes funktioniert aber selbst dieser Schlüsselreiz beim Mängel- bzw. Kulturwesen Mensch nicht auf solch zuverlässige Weise. Wenn bereits die primären Geschlechtsmerkmale sogar bei Betrachtern desselben Geschlechts sehr unterschiedliche Reaktionen hervorrufen können, dann wird man bei süßlichen oder sentimentalen Sätzen kaum auf einheitlich kitschige Gemütszustände hoffen dürfen. Man sieht dies bereits an den kritischen Analytikern des Kitsches selbst, die sich dem Reiz sehr erfolgreich entziehen. Es überrascht darum nicht, wenn fast alle Theoretiker des Kitsches zur Ab1 Gute Überblicke findet man bei Putz 1994; Braungart 2002. 2 Siehe etwa Broch 1955: 344; Giesz 1971: 141; Dorfles 1969: 16; Moles 1972: 36; Mongardini 1985: 86; Pütz 1994: 141. 94

KILLY, ECO, KREUZER

sicherung ihrer Argumentation sehr schnell auch von ganz bestimmten Kreisen reden, in denen man die Kitsch-Rezipienten finde – selbstverständlich in den niederen oder mittleren Schichten, bei den Kleinbürgern und Massen (dies gilt auch für jene Theoretiker, die, wie Adorno, von konditionierten Reflexen ausgehen, welche auf den künstlichen Reizen der Kulturindustrie beruhen). Die eigenen Formulierungen oder solche, die ihm gefallen, bezeichnet der Kritiker des schlechten Geschmacks nie als Reiz, weil er mit dem Begriff des Reizes eine automatisch durchschlagende, ferngesteuerte Wirkung verbindet; die eigenen Anschauungen jedoch sieht er als Produkt und Medium selbstständiger Überlegungen an. Besitzt er außerdem ein genügend großes Bewusstsein der eigenen Exklusivität, muss er folgerichtig von einer großen Zahl derjenigen ausgehen, die dem (stets schlechten) Reiz automatisch unterliegen. Deshalb steckt bei jeder derartigen Rede vom Reiz (des Kitsches, der Trivialliteratur, des Unterhaltungsfilms, des Videospiels usf.) bereits in der Analysekategorie der Unterschied, den sie später als Ergebnis präsentiert. Vom Reiz des Rätselhaften, Intellektuellen, Zerrissenen oder Depressiven etwa liest man bei Feuilletonisten oder Wissenschaftlern, die sich zu modernen Künstlern äußern, nur äußerst selten. Die Rede vom Reiz geht zumeist mit einer bestimmten Verfahrensweise einher, der Inhalts-, Wirkungs- oder Funktionsanalyse. Sie setzt man fast ausschließlich bei den Werken der populären Kultur ein. Werkimmanente oder geistesgeschichtlich angeregte Interpretationen, die zum Renommee eines Stücks oder Buchs stark beitragen könnten, reserviert man im Gegenzug für die von vornherein als würdiger erachteten Gegenstände.3 Eine erste bedeutende Ausnahme von der bis dahin sehr zuverlässig geltenden Regel findet man bei Umberto Eco. Der italienische Zeichentheoretiker traktiert in Aufsätzen aus der ersten Hälfte der 60er Jahre Superman und James Bond mit denselben analytischen Mitteln, die er auch der modernen Kunst angedeihen lässt. Sichtliche Freude bereitet es Eco besonders, erzählerische Kombinationsregeln von Bestsellern und Comic Strips eingehend zu rekonstruieren.4 Er kann dabei überzeugend nachweisen, dass etwa im Werk Ian Flemings, bei Kriminalromanen oder amerikanischen Comics die Vertrautheit des narrativen Musters die Sensationen überra3 4

Vgl. dazu den ausgezeichneten Aufsatz von Vogt 1994. Siehe die verschiedenen Aufsätze, die Eco in einem italienischen Sammelband 1964 publiziert hat. Eco 1994a; 1994b; 1994c: 206ff. 95

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

schend packender Reize weitgehend ausschließt. Jedem Leser sind die Strukturen der jeweiligen Handlungsabläufe und Genres schnell geläufig, er genießt darum eher deren vertraute variierte Auffüllung, als dass er sich von der jeweiligen neuen Auskleidung überwältigen lassen könnte (Eco 1994a: 294). Trotzdem steht auch diese Argumentation den Kritikern der Massenkultur kaum entgegen. Schließlich weisen sie selber ständig darauf hin, wie wenig originell und in welch starkem Maße standardisiert die Produkte der populären Kultur seien;5 gerade die Vertrautheit der Strukturen mache eine eigenständige Aufnahme seitens des Publikums unmöglich; seine Reaktion ähnelt in dieser Sicht einem durch viele Wiederholungen konditionierten Reflex. Obwohl Eco (1994d; 1994e) in vielfältiger Weise versucht, die kritischen Gründe gegen die Massenkultur zu widerlegen, stellt er in dem Punkt keinerlei Ausnahme dar. Ganz im Einklang mit vielen modernen Literaturtheoretikern übernimmt er (1994f: 78f., 94ff.) die formalistische Definition einer poetischen Botschaft – die Poesie mit Mehrdeutigkeit und einer Verfremdung alltäglicher Wahrnehmung gleichsetzt –, um solche Poesie dann auch noch mit hoher Kunst zu identifizieren. Auf umgekehrte Weise als minderwertig eingeschätzten Kunstwerken kann im Reich der Wissenschaften darum nur auf ebenso banale wie radikale Art Rettung zukommen. Der deutsche Literaturwissenschaftler Helmut Kreuzer nennt die entscheidende Voraussetzung dieser Rettung in einer sehr einflussreichen Abhandlung zur Trivialliteratur Mitte der 60er Jahre. Kreuzer dringt in seinem Aufsatz Trivialliteratur als Forschungsproblem darauf, dass sich die Wissenschaften der Vermengung von Klassifikation und Wertung enthalten. Ausdrücke wie Trivialliteratur und Kitsch, mit denen auch in der Philologie bislang unterstellt wurde, es gebe objektive Kriterien ästhetischer Minderwertigkeit, hält Kreuzer für hochgradig problematisch. Einem mit der Praxis der Geisteswissenschaften wenig vertrauten Leser dürfte diese Feststellung Kreuzers banal vorkommen, weil sie auf nichts anderes als die Devise hinausläuft, der Wissenschaftler solle analysieren, nicht Geschmacksurteile liefern. Radikal ist die Devise Kreuzers aber tatsächlich, weil sie ganz mit der Auffassung der Philologie als wichtigster Kanonstifterin bricht. Aufgegeben ist den Literaturwissenschaften nun (mit Kreuzer), die 5

Kitsch sei eine Kunst, die feststehende Regeln habe, definiert etwa der Kunsttheoretiker Rosenberg 1965: 266. 96

KILLY, ECO, KREUZER

historisch unterschiedlichen Ansichten, was trivial ist und was nicht, zu ermitteln. Auch der behauptete Vorrang ästhetischer Autonomie und poetischer Verfremdung ist darum ausschließlich ein Werturteil; das wissenschaftliche Ziel liegt nicht darin, es zu bekräftigen, sondern aufzuzeigen, wie es sich innerhalb bestimmter Gruppen zu gegebener Zeit durchgesetzt hat. Originalität und Individualität bilden in dieser Sicht nur einen von vielen anderen möglichen Maßstäben zur Beurteilung von Kunstwerken. Darum muss mit der Feststellung, dass ein Werk originell sei, nicht bereits die Wertung feststehen (vgl. Cawelti 1976). Wer die Beachtung von Regeln, die Variation von Vorbildern schätzt, dem werden stark unkonventionelle Werke als schlechte Kunst erscheinen – und Aufgabe der Wissenschaft ist es nicht, diese Anhänger des Musters (oder auch jene des starken Reizes) zu widerlegen. Besser gesagt: Eine Widerlegung ist überhaupt nicht möglich. Grundlage von Kreuzers Haltung ist natürlich, dass Geschmacksurteile subjektive Einschätzungen sind, denen die Wissenschaft keinen Wahrheitswert zuordnen kann. Kein Philologe, aber auch kein Biologe oder Soziologe, kann ein ästhetisches Urteil als wahr oder falsch einstufen. Akzeptiert man diese Position, an der moderne Objektivisten wie Adorno selbstverständlich heftige Kritik üben müssen,6 bleiben ihre Konsequenzen nicht allein auf den wissenschaftlichen Bereich beschränkt. Auch bei den Auseinandersetzungen um den richtigen Geschmack wird dann jeder, der die beschriebene Position teilt, gewahr sein, dass zum eigenen Kunsturteil stets abweichende Meinungen vertretbar sind. Das Wort vom ›richtigen Geschmack‹ besitzt darum nur noch metaphorischen Charakter, der anzeigt, wie wichtig einem bestimmte ästhetische Einschätzungen sind, auch wenn man weiß, dass es sich nicht um wissenschaftlich bekräftigte Aussagen handelt. Das Wort vom ›richtigen Geschmack‹ macht dann deutlich, in welch starkem Maße es einem unverständlich erscheint, dass jemandem etwas hässlich vorkommt, das einem selbst so viel bedeutet. Tatsächliche Debatten um schöne oder hässliche Gegenstände sehen allerdings zumeist ganz anders aus. Auch unter denjenigen, die – wie heutzutage in der westlichen Welt üblich – keineswegs mehr in platonischer oder religiöser Manier das Schöne mit dem 6

Adorno (1981: 394) legt die Kunstrezeption auf die Erkenntnis der immanenten »Objektivität« der einzelnen Werke fest. 97

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

Guten gleichsetzen, erledigt sich die Debatte oftmals nicht mit dem Hinweis, das sei nun einmal Geschmackssache. Um weiterzustreiten und vor allem den anderen regelrecht überzeugen zu können, wird der Abtausch ästhetischer Urteile mit weiteren Ansichten angereichert und verknüpft. Die Erweiterung besteht im Regelfalle darin, gute oder schlechte Folgen des als schön (als künstlerisch beachtenswert) oder als hässlich (als künstlerisch wertlos) beurteilten Gegenstands zu behaupten. Wer diese Sonate hört, wird sein Konzentrationsvermögen verbessern, heißt es dann z.B., wer diesen Film sieht, leichter zur Gewalt greifen, usf. Die Autonomie des künstlerischen Werks (bzw. des ästhetischen Urteils) wird mit solchen Argumenten nicht von vornherein in Frage gestellt; es wird nur die Prognose aufgestellt, dass bestimmte Werke (bzw. Urteile, die sie verstärken), missliche oder begrüßenswerte moralische, psychische, soziale Folgen nach sich ziehen werden. An dem Umstand, dass höchst selten auf mögliche schlechte Folgen eines schönen Werks, sondern fast ausschließlich auf die bösen Wirkungen von als hässlich erachteten Objekten hingewiesen wird, kann man allerdings den Angriff auf das Autonomie-Postulat häufig erahnen (jedoch eben nicht sicher erkennen). Auch viele Verfechter moderner Kunst, die sie von allen ökonomischen, politischen oder moralischen Anforderungen freihalten wollen, kommen häufig an einen Punkt, an dem sie die positiven Folgen bestimmter Werke hell beleuchten, es sind zumeist die positiven Folgen origineller Werke für eine eigenständige Entwicklung des Individuums. Dagegen wäre rein gar nichts einzuwenden, wenn aus der Abschätzung guter Folgen nicht unter der Hand eine neue ästhetische oder poetologische Regel entstünde. Man kann aber nicht auf der einen Seite künstlerische Freiheit fordern bzw. die Regellosigkeit des ästhetischen Urteils herausstellen und auf der anderen Seite Werke, die deutlich nach wiederholten Mustern gearbeitet sind, grundsätzlich künstlerisch abwerten. Etwas anderes wäre es, wenn man die klare Regel formulierte, dass nur weitgehend eigenartige Werke schön seien (und sich zudem daran machte, auch die Werke der Moderne konsequent auf ihre wiederkehrenden Topoi und Muster hin zu untersuchen, nicht nur die Produkte Hollywoods oder anderer Medienindustrien). Die Einhaltung des selbst aufgestellten Prinzips künstlerischer Autonomie fällt den meisten der bisher behandelten Autoren überaus schwer, wenn ihnen bestimmte Produkte geistfern vorkommen. 98

KILLY, ECO, KREUZER

Dann möchten sie doch wieder jene zweifelhaften Werke aus dem Reich der Kunst verbannen und nicht lediglich einem negativen subjektiven Geschmacksurteil aussetzen. Ganz offen aussprechen kann man dies jedoch nicht, ohne anderen heteronomen Kunsturteilen, die wieder einfach moralische oder religiöse Kriterien in Anschlag bringen, Tür und Tor zu öffnen. Auch kann man sich nicht mehr ganz direkt auf die Bildung berufen, weil man sonst das Kunstwerk mit den alten Maßstäben des stets übel beleumundeten Philisters bemessen würde.7 Aus dieser Schwierigkeit heraus erklären sich die häufig äußerst zugespitzten Urteile über die vermuteten Wirkungen der abschätzig beurteilten Werke; so kann man seinen Bildungsansprüchen Raum verschaffen, ohne der Kunst bestimmte intellektuelle Pflichten als Norm zu verordnen. Das Vorbild der historischen Avantgarden mit ihrer ausgesprochenen Verachtung des Bildungsbürgers macht es vielen Anhängern der modernen, verfremdeten Kunst unmöglich, einfach solche Niveauansprüche an das Kunstwerk zu richten, wie sie etwa noch in den je nach Schultypen unterschiedlichen Kanonlisten der Curricula zum Ausdruck kommen. Trotzdem zeigt sich das Kriterium der Bildung, an dem Kunstwerke gemessen werden, indirekt überaus deutlich an dem theoretischen Aufwand, mit dem Intellektuelle auch über minimalistische, sinnabweisende, primitivistische u.a. Werke sprechen. Umberto Eco nun ist liberal genug, um einen Vorschlag zu unterbreiten, der ganz unterschiedlich beschaffenen Kunstwerken gleichermaßen Geltung verschaffen könnte. Den »Niveauunterschied« zwischen verschiedenen Werken möchte er in erster Linie als einen Unterschied des Gebrauchs fassen. Zu einer Zeit des Tages oder der Woche suche ein und derselbe Rezipient eben nach Zerstreuung und Unterhaltung, zu einer anderen Zeit ganz anders geartete Anregungen; als Beispiel führt Eco einen Leser an, der sowohl Kriminalromane als auch Gedichtausgaben von Ezra Pound im Regal stehen hat. Den Bildungsanspruch wahrt Eco insofern, als er den Leser, der nur nach Zerstreuung sucht, auch zur Lektüre moderner Dichtung führen möchte. Hier denkt er (mindestens) sozialdemokratisch genug, um zu glauben, dass eine demokratischere Organisation der Arbeit auch für die Freizeit einen ganz anderen Gestaltungsspielraum eröffnete, der weit über die Notwendigkeit bloßer Erholung und Ablenkung hinausginge (Eco 1994e: 54f.). Adornos Vor7 Eine entsprechend differenziertere, dennoch harte Argumentation wider die Bildungsangebote der Kulturindustrie etwa bei Adorno 1972a. 99

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

wurf an die Verteidiger liberaler Wahlfreiheit, dass die Vorliebe für unterhaltende Werke schlicht der Reflex einer Gesellschaft sei, deren »Zwangsmitglieder Last und Monotonie ihres Daseins anders schwer ertrügen«, wird dadurch von Eco bereits berücksichtigt. Problematisch an Ecos Konzept bleibt allerdings, dass er an dieser Stelle die unterhaltende Funktion ganz unmittelbar mit dem Werk verknüpft – als sei es ausgeschlossen, dass sich ein Leser bei der Lektüre von Kriminalromanen zutiefst langweilte und bei einem Gedicht Pounds Zerstreuung fände. Dies passt überhaupt nicht zu Ecos grundsätzlicher Position, stellt er doch immer wieder heraus, dass jedes Werk auf ganz verschiedene Rezeptionsweisen stoßen kann (Eco 1994b: 145). Der Widerspruch besitzt seinen Grund wahrscheinlich darin, dass es schwer möglich erscheint, etwa dem Superman-Comic bildende Funktionen zuzuschreiben. Der untergründige Vorrang der Bildung bei der Bewertung von Kunstwerken zeigt sich wieder unverhohlen bei Ecos Definition des Kitsches. Wie so viele andere auch sieht er im Kitsch herabgesunkene, abgenutzte Formen der (früheren) Hochkultur.8 In Anlehnung an Killy (1966: 32) hält er äußerst kritisch fest, dass im Kitsch die Gefühlsreize als höheres (sentimental idealisiertes) Kulturgut verbrämt werden. Im Gegensatz zu Killy macht Eco sogar deutlich, dass er eine offene Reizstimulierung nicht an sich verurteilen würde; nur die Reizstimulierung, die sich wie der Kitsch als Kunst ausgibt, verfällt seinem kritischen Urteil. Ganz in der Tradition vorwiegend amerikanischer Intellektueller ist Ecos Urteil besonders scharf, wenn es darum geht, die Produkte der sog. mid-brow culture zu bewerten (Eco 1994f: 64ff.). Der Bildungsanspruch des ›mittleren Niveaus‹, wie er sich in den Artikeln der Illustrierten zu geschichtlichen oder naturwissenschaftlichen Fragen, in Biographien großer Männer oder in Romanen mit Botschaften zeige,9 stößt auf eine viel härtere Kritik, wohl weil er im Gegensatz zum Comic oder Genrefilm mit dem anders gearteten Bildungsanspruch des Fachwissenschaftlers und des intellektuellen Theoretikers direkter konkurriert. Eco bezichtigt den Kitsch geradewegs der »Lüge«, weil er sich zu Unrecht mit dem Gehalt fremder Erfahrungen und dem Nimbus 8

Für viele andere siehe etwa die Ansicht von Dahlhaus (1984: 23), dass die »U-Musik« historisch gesehen ein »Derivat vergangener EMusik« sei. 9 Nachweise zu dieser beliebten Rubrizierung bei Hecken 2006a: 74. 100

KILLY, ECO, KREUZER

der Kunst schmücke bzw. diese Gehalte tatsächlich nur in verstümmelter, äußerlicher Manier aufweise. Auch dieses Urteil ist aber nur möglich, wenn man das wissenschaftliche Urteil (oder das Urteil im Namen größerer Abstraktion) mit einem ästhetischen Urteil gleichsetzt. Nimmt man hingegen den Standpunkt künstlerisch-ästhetischer Autonomie ein, wie auch Eco im Einklang mit den meisten anderen modernistischen Kritikern der Massenkultur sonst verfährt, dann sagt der Vorwurf der Lüge nicht auf automatische Weise etwas über den künstlerischen Wert des lügenhaften Gebildes aus. Auf keinen Fall kann eine wissenschaftlich fundierte Aussage darüber getroffen werden, wie der definitive Maßstab des künstlerisch Wertvollen beschaffen ist.

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10 LESLIE FIEDLER, ROLAND BARTHES, SUSAN SONTAG: IM ZEICHEN DER POP ART Die Festsetzung, dass es keine objektive, wissenschaftliche Leitlinie ästhetischer Wertung und künstlerischer Klasse geben kann, bedeutet natürlich nicht zwangsläufig, dass eine friedliche Vielfalt unterschiedlichster Vorlieben herrscht. Fällt die ästhetische Regel, kann die Auseinandersetzung um den richtigen Geschmack erst mit ganzer Härte beginnen. Jeder besitzt nun die Möglichkeit, zur Auseinandersetzung einen konfliktträchtigen Beitrag zu leisten. Eine Hierarchie der Meinungen wird dadurch jedoch keineswegs von vornherein ausgeschlossen. Die Feuilletons großer Zeitungen sowie verschiedene musische Fachzeitschriften bilden den Ort, an dem die wichtigsten Vorentscheidungen darüber fallen, was zur hohen Kunst zählt (Verlagslektoren, Galeristen, Rundfunkredakteure u.a. treffen ebenfalls eine wichtige Auswahl). Zwischen unterschiedlichen Organen variieren in der modernen Welt ästhetischer Regellosigkeit zwar viele Urteile beträchtlich, trotzdem lassen sich zumeist einige deutliche Favoriten und klar vorherrschende Wertungsweisen feststellen. Selbstverständlich werden auch außerhalb des Feuilletons ästhetische Urteile gefällt. Boulevardzeitungen geben Hinweise auf Filmpremieren, Popmusikzeitschriften berichten über aktuelle Stars, Modeblätter über kommende Kollektionen. Urteile, die hier geäußert werden, beziehen sich allerdings fast ausschließlich auf gegenwärtige Dinge und Ereignisse. Selbst wenn die Wertungen solcher Journale beim akademischen Publikum ein größeres Ansehen genössen, bliebe ihre Wirkung über den Moment hinaus relativ gering, da das nächste Produkt sofort alle publizistische Aufmerksamkeit

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THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

absorbiert. Im umfangreichen Feuilleton anderer Fachzeitschriften und einiger Tageszeitungen hingegen kommt zur längeren Begründung immer eine größere historische Aufmerksamkeit hinzu. Werke, über die hier überhaupt kein Geschmacksurteil ergeht (nicht einmal, von summarischen Ausnahmen abgesehen, ein schlechtes), haben darum kaum eine Chance, in das Archiv und den dann definitiven Kanon der Schulbücher, Seminarlisten, Museen, Wiederauflagen und Bibliotheken einzugehen. Deshalb handelt es sich um geschichtlich bedeutsame, vorwärtsweisende Momente, wenn im Feuilleton etwa über Kriminalromane oder Genrefilme ausführlich berichtet wird. Eine wichtige Vorarbeit zu solcher Aufnahme haben stets Kreise avantgardistischer Künstler und ihnen verbundene Essayisten und Theoretiker geleistet (Calinescu 1977: 230). Die Begeisterung des amerikanischen Hipsters und der französischen Existentialisten für den BeBop oder der Anhänger der Nouvelle Vague für die Schwarze Serie Hollywoods geben dafür klassische Beispiele ab. Ganz ausgeprägt findet man solche Vorlieben bei den englischen Künstlern und Theoretikern der kleinen Londoner Independent Group Mitte der 50er Jahre wieder. Sie stimmen in das Lob der amerikanischen Filme, Commercials, Science Fiction-Hefte und des Designs amerikanischer Gebrauchsgüter ein. Ihre Annahme, es gebe ein Kontinuum zwischen den hohen und den populären Künsten (Alloway 1988: 31), führt sie sogar so weit, dass sie nicht nur in bereits wieder klassisch avantgardistischer Manier die Extreme schätzen (den Kubismus und den Comic Strip), sondern auch verschiedene Produkte des middlebrow-Geschmacks (etwa Illustrierte wie das Time-Magazin). (Alloway 1990: 165) In eine mittlerweile wiederum längst kanonisierte Form wird diese Geschmacksausrichtung in den 60er Jahren durch den amerikanischen Literaturwissenschaftler Leslie Fiedler gebracht. Fiedler fordert mit großem Nachdruck, die Kluft zwischen hoher und niederer Kultur zu überwinden. Sein Essay, in dem er dazu aufruft, bildet selbst ein gutes Beispiel für die Forderung. Im Anschluss an eine Debatte in Freiburg arbeitet Fiedler 1968 seinen mündlichen Vortrag zu einem Artikel der deutschen Wochenzeitung Christ und Welt aus; eine weitere Variante erscheint unter dem richtungsweisenden Titel Cross the Border, Close the Gap im amerikanischen Playboy, der in den 60er Jahren mit seinen Kurzgeschichten und ausführlichen Interviews ein typisches middlebrow-Produkt darstellt. Natür104

FIEDLER, BARTHES, SONTAG

lich passt auch die Absicht des Playboy, erotisch zu reizen, gut zu Fiedlers Ansichten (ein deutscher Kunstprofessor [Wyss 2004: 22] lässt es sich nicht nehmen, dem Leser vor Augen zu führen, dass Fiedlers Zeilen 1964 »neben der Playmate des Monats April zu lesen waren«; tatsächlich erscheint der Aufsatz im Dezember 1969).1 In seinem Aufsatz präsentiert sich Fiedler als ebenso unbarmherziger wie origineller Geschmacksrichter. Dem modernen Roman eines Proust oder Joyce erteilt er – für einen Literaturwissenschaftler höchst ungewöhnlich – eine scharfe Absage (1994: 14). Der neue Roman muss nach Fiedlers Auffassung genau gegen deren Ernsthaftigkeit gerichtet sein (20). Den angeblichen Tod der Klassiker der modernen Avantgarde stellt Fiedler bereits im Jahr 1964 fest.2 Jenem middle-brow-Geschmack, der sich aus Gründen des Anstands und eines sentimentalen Realismus sowohl gegen die unverständliche, elitäre Avantgarde als auch gegen die vulgäre Direktheit etwa der Comics ausspricht, ist Fiedler (1957: 544ff.) aber ebenfalls vollkommen abgeneigt. Diese Einschätzungen scheinen insgesamt auf eine eher »unseriöse« Kunst hinauszulaufen, eben auf das »Playmate des Monats«. Fiedler setzt sich jedoch nicht in erster Linie für »Formen des Pop« ein, sondern für eine neue Version der Mitte. Sein erklärtes Anliegen ist vielmehr, die Lücke zwischen »belles-lettres und pop art« zu schließen. In einer Vielzahl von Formulierungen variiert Fiedler diese Grundhaltung. Im Laufe des Aufsatzes dringt er u.a. darauf, die Kluft zwischen Elite- und Massenkultur zu überbrücken (21), die Kluft zwischen der Kunst unterschiedlicher Klassen und Generationen (31), zwischen Erwachsenen- und Jugendliteratur (25), Kritikern und Publikum, Profis und Amateuren (32), dem Wirklichen und dem Mythischen (34). 1

Übersetzung abgedruckt in Fiedler 1994 (Seitenangaben in den nächsten Absätzen beziehen sich immer auf diese Ausgabe.) In diesem Band mit der deutschen Übersetzung steht die Jahresangabe 1968 bei Fiedlers Aufsatz. Sie ist ebenso wie in einem anderen deutschen Sammelband (Welsch 1994) falsch, denn es handelt sich eben jeweils um Übersetzungen von Fiedlers Playboy-Aufsatz (Fiedler 1969). Er stellt eine leicht veränderte Version eines in deutscher Sprache veröffentlichten Aufsatzes dar, der in zwei Teilen erschienen ist (Fiedler 1968a, 1968b). Eine wiederum leicht veränderte Fassung findet sich bei Fiedler 1972a. Zu Fiedlers Aufsatz vgl. Bertens 1987. 2 Bereits der Titel seines Aufsatzes bekundet »The Death of AvantGarde Literature« (Fiedler 1972b). 105

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

Erreicht werden soll diese allumfassende Mitte einerseits durch die Travestie der klassischen Kunst, andererseits durch die Abwandlung und Neuaneignung populärer Genres wie vor allem Western, Science Fiction und Pornographie (22ff.). Die jüngeren Schriftsteller übernehmen etwa bereits die in der Sicht Fiedlers bedeutende Aufgabe, die von der Presse mythologisierten Personen des öffentlichen Lebens (John F. Kennedy, Stalin, Marilyn Monroe) oder archetypische Gestalten (der Lone Ranger, Frankensteins Braut) mit weiterem (mythologischem) Leben zu versehen (35f.). Seine poetologische Grundregel kann Fiedler an einer Reihe aktueller Beispiele illustrieren, etwa an Ken Keseys Einer flog über das Kuckucksnest, Philip Roths Portnoys Beschwerden oder William S. Burroughs’ Nova Express. Wissenschaftlichen Ehrgeiz beweist der Philologe Fiedler – über das versuchte Geschmacksdiktat hinaus – aber ebenfalls noch, indem er mit dem Argument der Angemessenheit operiert. Eine Massengesellschaft, welche die Spaltung der alten Klassengesellschaft überwunden habe, verlangt geradezu nach seinem Modell einer Kultur, die gleich eine ganze Reihe an Gegensätzen einebnet (31). Auch die moderne Literatur gehört für ihn der Geschichte an; ihre Betonung des Rationalen und Intellektuellen hält er für überholt (15); gerade die stetig fortschreitende technologische Entwicklung bringe ungeahnte Formen der Ekstase und des Traums hervor (37f.). Zeitgemäß – also modern – ist für Fiedler folglich sein Entdifferenzierungsprogramm, das er unter dem Titel der Postmoderne präsentiert. Auch die Independent Group hat sich auf der Höhe der Zeit, im Bunde mit der technisch avancierten Industrie- und Mediengesellschaft gesehen. Den Begriff ›Kultur‹ möchte sie darum nicht länger für die hohe Kunst und die großen abendländischen Ideen reservieren, sondern darunter ebenfalls die massenhaft hergestellten Objekte und Zeichen fassen (Alloway 1959: 165). Der Begriff ›Pop Art‹, den die Mitglieder der IG prägen, bezeichnet bei ihnen entsprechend die populäre Kultur Hollywoods und Chryslers (Hamilton 1990: 181f.), nicht ihre eigenen Gemälde und Ausstellungen. Zur postmodernen Kunst im Sinne Fiedlers tragen die Werke der bildenden Künstler der Independent Group (etwa von Richard Hamilton) gleichwohl bei, werden doch bei ihnen nicht selten etwa Ausrisse aus Illustrierten zur Vorlage oder zum Bestandteil ihrer Bilder. Am Gegenstand amerikanischer Künstler wie Andy Warhol, die ähnlich verfahren wie die Engländer, einigt sich die Kunstkritik eini106

FIEDLER, BARTHES, SONTAG

ge Jahre später erneut auf den Titel ›Pop Art‹, der seitdem bekanntermaßen ausschließlich gebraucht wird, um die Werke jener Kunstrichtung zu bezeichnen (und nicht die Produkte der Kulturindustrie). Oft sind die Adaptionen dieser Pop Art durch die Bearbeitung oder Serialisierung ihrer Vorbilder (Helden aus Marvel-Comics, Werbetypographien, Pressefotografien u.a.) ausgezeichnet. Die Aneignung kann aber auch auf dem Wege vollzogen werden, dass man einfach Waren aus dem Supermarkt nimmt und sie in eine Galerie stellt. Mit dem anderen Kontext gewinnt das Produkt jeweils einen anderen Status, hier eben den eines Kunstwerks, vorausgesetzt es finden sich, wie um 1960 herum, Galeristen, die ihre Räume dafür zur Verfügung stellen, und Besucher und Kritiker, welche die einzelnen Produkte als Ausstellungsobjekte (an)erkennen.3 Ein solcher Kritiker ist z.B. Umberto Eco. Er sieht in der Pop Art eine Lektion für den »Kitschproduzenten«, der hier demonstriert bekomme, wie man auf künstlerische, geschmackvolle Art »ein fremdes Stilmittel in einen neuen Kontext einfügen kann« (1994f: 102). Klammert man die Einschätzung aus, dass die Pop Art eine kritische, satirische Präsentation der Konsumkultur sei oder vielleicht doch umgekehrt eine neue, affirmative Sicht auf deren artifizielle Schönheit darstelle, dann bleibt die ganz abstrakte Beschreibung übrig, dass die Pop Art u.a. dem jeweiligen Objekt der Populärkultur eine neue Bedeutung abgewinnt, indem sie es aus seinem gewöhnlichen Verwendungs- und Verwertungszusammenhang herauslöst (Eco 1975: 9f.). Eco unterscheidet innerhalb seines Modells folgerichtig primäre und sekundäre Bedeutungen (ebd.: 9), eine Unterscheidung, die seit Roland Barthes’ Buch über die Mythen des Alltags auch einem größeren Publikum außerhalb der Sprachwissenschaften bekannt ist. Barthes’ Buch erscheint im französischen Original 1957; der Band ist also einige Zeit vor den Anfängen der amerikanischen Pop Art geschrieben worden, auf die Eco jene Unterscheidung anwendet. Barthes selber verfasst erst 1980 einen größeren Beitrag zur Pop Art. Auch dieser Beitrag hätte aber in Barthes’ frühen Büchern stehen können, sein Ansatz ist in dem Fall der Gleiche geblieben. Wie so viele andere geht Barthes in seinem Katalogtext zu einer Pop Art-Retrospektive vom Unterschied zwischen Pop Art und Populärkultur aus (Barthes 1990). Die herkömmlich als ästhetisch 3

Siehe etwa die versammelten Kritiken in Madoff 1997. Vgl. dazu Mahsun 1987. 107

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

minderwertig erachteten Massenprodukte erführen durch die neue Kunstrichtung eine beträchtliche Aufwertung, selbst wenn die Pop Art in avantgardistischer Manier gerade die Aura der (alten) Kunst tilgen möchte. Als ein Beispiel dafür nennt Barthes die Freude an der Wiederholung, die der westlichen Kunst bislang fremd gewesen sei; nicht nur in der Populärkultur, etwa in der Disco-Musik, sondern auch dank der Pop Art ändere sich das. An dem Beispiel kann man aber bereits ebenfalls erkennen, dass die Pop Art die Objekte und Bilder der Populärkultur nicht einfach übernimmt (Warhols Serien identischer Zeitungsfotografien sind schon durch ihre Wiederholung von dem Pressebild verschieden). Besonderen Wert legt Barthes auf die Feststellung, dass die Pop Art unter anderem durch solche Serialisierung auf radikale Weise mit dem üblichen, alltäglichen Gebrauch ihrer Vorlagen bricht. Pop Art reduziere und entpersonalisiere. Es bleibe nur die Oberfläche übrig, ohne symbolische Funktion. Das Bild des Filmstars, eines elektrischen Stuhls oder einer Postkartenidylle schrumpfe in der Pop Art zu einem bloßen ausgestellten Stereotyp; bedeutet werde, dass es nichts bedeute. Die neue, künstliche Natur, auf die sich die Pop Art beziehe (die Objekte und Zeichen der Populärkultur), werde darum durch die Pop Art einer nachhaltigen Distanzierung ausgesetzt. Barthes sieht darin nicht nur ganz in der Tradition der Moderne ein deutliches Indiz der (großen) Kunst. Er schätzt daran auch eine politische Qualität. Im Gegensatz zu Leslie Fiedler erhofft er sich von den Pop-Künstlern keine weitergeführte Mythologie. Barthes stellt Andy Warhol neben Bertolt Brecht; alle Pop Art arbeite am Verfremdungseffekt, auch wenn sie im Gegensatz zum Kommunisten Brecht nicht über ein Ziel verfüge, weshalb das scheinbar natürlich Gegebene aus einer kritischen Distanz betrachtet werden solle. Diese Einschätzung führt direkt zum Barthes der Mythen des Alltags zurück. Barthes selber möchte mit den Mitteln der Analyse den Natürlichkeitsanschein der Mythen zugleich aufzeigen und zerstören. Alle »›normalisierten‹ Formen« sollen wieder als änderbare kenntlich werden.4 Bedeutungen, die den Gebrauch und die Einordnung der Dinge auf eine ganz bestimmte Weise festlegen, sieht Barthes im Zeitalter der »Massenkommunikation« besonders wirkmächtig gegeben (1988a: 183). Im Werk des Zeichentheoretikers lösen sie sich jedoch in nichts auf. Ein »Sinn« lässt sich niemals isoliert analysieren,

4 Barthes 1964: 127. Vgl. dazu Ette 1998: 107ff. 108

FIEDLER, BARTHES, SONTAG

so lautet die Grundeinsicht Barthes’; das Bedeutende stehe nie für sich fest. Äußere man etwa selbstgewiss, dass »die Bluejeans das Zeichen eines gewissen jugendlichen Dandytums ist«, habe man rein gar nichts entdeckt, schreibt Barthes unnachgiebig. Zeichen entstünden durch Unterschiede; nur der Zusammenhang mit bzw. die Abgrenzung von allen anderen Hosenformen und -arten erkläre die Bedeutung der Jeans (1988b: 166). Die Häufigkeit der jeweiligen Gegenstände findet bei dieser Betrachtung keine Berücksichtigung; die »faktische Bevorzugung« gibt, so führt Barthes in einem anderen Aufsatz aus, »keinerlei Auskunft über die Struktur, sondern über die besondere Weise, in der sich eine soziale Gruppe (die Käufer dieses Modells) dieser Struktur bedient.« (1988c: 171) Dass die Struktur der sozialen Gruppen aber sehr wohl für die Bedeutungszuweisung wichtig ist, zeigt sich deutlich an Susan Sontags Anmerkungen zu »Camp«. Der Aufsatz aus dem Jahr 1964 gehört zu den Essays, die Sontags Ruhm als Kritikerin weit über die Landesgrenzen Amerikas hinaus begründet haben. Sontag profitiert dabei insofern von der Welle eines neuen Geschmacks, als sie ihn erläutert und auf den Begriff bringt. Die Ausprägung dessen, was man Camp nennt, ist darum stark mit ihrem Namen verknüpft. Zwar stellt sie gegen Ende ihres Aufsatzes heraus, dass (bislang) die Träger des Camp-Geschmacks hauptsächlich Homosexuelle seien, trotzdem situiert sie Camp in der traditionelleren Klassenordnung.5 Camp definiert Sontag nämlich als »Dandyismus im Zeitalter der Massenkultur«. Camp sei eine aristokratische Methode, sich von der Masse abzuheben. Neu an dieser sonst altbekannten Methode ist, dass sie die Überlegenheit nicht an einzigartigen Gegenständen beweist, sondern an massenhaft reproduzierten Objekten. Der moderne Dandy delektiere sich nicht an ungewöhnlichen, seltenen Gegenständen, sondern an den »derbsten und gemeinsten Vergnügungen, den Künsten der Massen«, hält Sontag in einer allgemeinen Aussage fest, was sie sicherlich in ihren Kreisen zu Beginn der 60er Jahre häufig beobachtet hat. Die große Frage bleibt dann jedoch, wie die überlegene Abgrenzung zustande kommen soll, wenn doch alle das Gleiche schätzen. Wieso gibt es in Sontags Welt des Camp Massen und Dandys (und nicht ausschließlich massenhaft Dandys)? Sontags Antwort darauf besteht in dem knappen Hinweis, dass der zeitgenössische Dandy 5 Sontag 1982a: 338f. Zu Sontags Camp-Auffassung vgl. die kritische Analyse von Ross 1989: 144ff. 109

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

sich die Produkte der Massenkultur auf »ausgefallene Weise« aneigne (337). Es ist demnach nicht die Tatsache, dass sich Intellektuelle oder avantgardistische Bildungsbürger und Künstler neuerdings ebenfalls für vulgäre Vergnügungen begeistern, welche anfänglich den Unterschied ausmacht. Der Unterschied bleibt, folgt man Sontag, durchgehend bestehen, da der Camp-Dandy die gleichen Dinge ganz anders wahrnimmt. Die Wertschätzung, die er empfindet, sei distanziert, reflexiv gebrochen. Sie liege in der ästhetischen Auffassung, dass etwas so übertrieben, manchmal auch so misslungen sei, dass man es bereits wieder gut finden müsse (325). Sontag verlässt an dem Punkt immer wieder ihr Differenz-Schema und identifiziert als Gegenstände des Camp einfach alles Manierierte und Frivole, alles Antiklassizistische vom Barock über das Rokoko, die Präraffaeliten und den Jugendstil bis hin zum extravaganten Musical oder grotesken Schauerroman und B-Movie. Von den verbreiteten Massengütern ihrer Zeit ist das fast alles weit entfernt. Dadurch wird zusätzlich deutlich, was Sontag nie direkt ausspricht: Die unmittelbarere Begeisterung der Massen wird durch den Dandy, der sich lediglich darüber amüsiert, ins Unrecht gesetzt. Die ästhetizistische Ausrichtung des Camp-Geschmacks am Stil, nicht an Inhalten, die zur (moralischen) Identifikation oder Entrüstung herhalten, fällt in Sontags Konzeption allerdings nicht mit einem ganz distanzierten Gestus zusammen. Dem Amüsement des Dandys ist ein hedonistisches Moment beigegeben. Sehr gut kommt das an Sontags Abgrenzung von Camp und Pop Art zum Ausdruck: Die Pop Art sei zwar zu einem großen Teil Camp verwandt, aber insgesamt stark verschieden, weil sie wesentlich »fader und trockener, ernster und gleichgültiger, letztlich nihilistisch« sei (340). Sontag greift damit die Bekundung manches Pop-Künstlers (besonders Warhols) zur Indifferenz und Maschinenhaftigkeit auf, die in den Bilder-Serien oder den vollkommen glatten, unnuancierten und hart voneinander abgesetzten Farbflächen ihren Niederschlag finden soll. Die geistreiche Lust des Camp-Dandys steht so in deutlichem Kontrast zu der kalten Aufnahme zeitgenössischer Produkte der Populärkultur durch den Pop-Artisten. Bezeichnend ist an Sontags Gegenüberstellung aber wiederum, dass sie sich zur Rezeption durch ein breiteres Publikum gar nicht äußert. Hätte sie die Aufnahme der Pop Art-Bilder genauer beobachtet, wäre ihr wohl aufgefallen, dass einige Bilder häufig auf ein Gefallen stoßen, das sich nicht einem interesselosen Wohlgefallen bzw. einer bewussten In110

FIEDLER, BARTHES, SONTAG

differenz verdankt, sondern gerade der Freude, etwas Reizvolles oder Bekanntes (das Gesicht von Marilyn Monroe, Ausrisse aus Comics) wiederzufinden. Auf eine umstandslose Verteidigung gewöhnlicher Reizauslöser muss man demnach in der ersten Hochphase der Pop Art noch vergeblich warten. Sogar Leslie Fiedler bildet keine Ausnahme davon, obwohl er selbst kein Anhänger des Camp-Geschmacks sein dürfte, da er die ironische Haltung der (unzeitgemäßen) Moderne zurechnet. Bei seiner Angabe, wie postmoderne Literatur zu erreichen ist, verweist er aber neben der grotesken Übertreibung klassischer Vorbilder auf die »Übernahme und Verfeinerung von Pop-Formen«, wie es in der deutschen Übersetzung heißt (1994: 31). Im Original ist von »adaption and camping of pop forms« die Rede (1969: 256). Die neue Mitte, die Fiedler mit seinem Versuch anstrebt, den Graben zwischen hoher und niederer Kultur zu überwinden, befindet sich darum noch in Sichtweite der alten Höhen. Erst Fiedlers deutscher Parteigänger, der Schriftsteller Rolf Dieter Brinkmann, spricht sich an einigen Stellen direkt für jene Stimulation aus, die er für eine Konsequenz der zeitgenössischen Populärkultur hält. Rockmusik definiert Brinkmann etwa in seinem Nachwort zu der einflussreichen Anthologie Acid Ende der 60er Jahre als ein »durch Handhabung hochtechnischer Geräte provoziertes sinnliches Erleben«; die »Glätte« der »Vogue-Beauties« erscheint ihm wegen ihrer Absage an Erinnerung und Ausdeutung ebenso positiv (1983: 393, 388). Gegen die Sinndeutung, gegen die Manier, ein Kunstwerk vornehmlich auf tiefere Botschaften hin zu befragen, hatte sich bereits 1964 in einem erneut wegweisenden Aufsatz – unter dem programmatischen Titel Against Interpretation – Susan Sontag (1982b) ausgesprochen. Eine befreiende Wirkung – hin zu einer »Erotik der Kunst« – sah sie jedoch im Reich der populären Kultur ausschließlich bei alten Hollywoodfilmen wie denen von Howard Hawks gegeben (als Beispiele für aktuelle Werke, die sich der hermeneutischen Interpretation versperren, nennt sie unter anderem ausgerechnet Filme von Resnais und Antonioni). Mit dem zeitweiligen Einklang von neuen Formen jugendlicher Populärkultur und avantgardistischer Gesellschaftskritik ändert sich das. Dank der Hoffnung von Leuten wie Rolf Dieter Brinkmann auf eine durchschlagende Unmittelbarkeit der Pop- und Subkultur ist die intellektuelle Begeisterung für populäre Reize einige Jahre später wieder in der Gegenwart angekommen. 111

11 DANIEL BELL UND TALCOTT PARSONS: HEDONISMUS, WERT, ABWEICHUNG Kaum wird die Möglichkeit, die intensiven Reize von Werken der Populärkultur im Geschmacksurteil anzuerkennen, von Schriftstellern und Intellektuellen genutzt, eröffnet sich vielen Zeitgeistdiagnostikern eine ganz neue Welt. Avantgardistische Strategien des Schocks verbinden sich stark mit einer subkulturellen Lebensweise, die nicht länger Teil der Boheme bleibt, sondern über die Illustrierten und andere Medien der Kulturindustrie eine schnelle Verbreitung erfährt. Die Utopie der Situationisten – ein Leben voll intensiver Spiele – scheint Wirklichkeit geworden in einer Welt des Überflusses, der gelockerten Sexualmoral und der in den 60er Jahren sich allseits ausbreitenden Popkultur. Was Leslie Fiedler 1965 noch als Kennzeichen der Beatniks und der aufkommenden Hippie-Bewegung herausstellt – die Absage an die bürgerlichen Werte von Rationalität, Pflicht, Reife, Erfolg und die Hinwendung zu Phantasie, Feminität, Authentizität, Lust1 –, prägt immer weitere Kreise. Ab Ende der 60er Jahre gehört es jedoch bereits zum Standardrepertoire der meisten Neuen Linken, die augenscheinliche Liberalisierung der Verhaltensregeln einfach erneut als bürgerliches Symptom abzutun, da sie nicht zwangsläufig mit einer Änderung der Eigentumsverhältnisse einhergeht. Die Entbindung individueller Wünsche und Phantasien wird zumeist nur noch im Zusammenhang einer expandierenden Kreditwirtschaft, Werbebranche und Konsumgüterindustrie gesehen; unter der Bezeichnung »Pop« werden nun oftmals in kritischer Manier die neuen kommerziellen Unterhaltungsangebote und Spaß-Anforderungen gefasst. 1

In deutscher Übersetzung erscheint der Aufsatz 1969 in Brinkmanns Acid-Anthologie (Fiedler 1983: 20ff.). 113

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

Darum bleibt es rasch konservativeren Beobachtern vorbehalten, die gefährlichen Auswirkungen der neuen Produkte und Botschaften der Populärkultur hervorzuheben. Ihren fundiertesten Ausdruck hat diese Einschätzung in den Aufsätzen und Büchern des amerikanischen Soziologen Daniel Bell gefunden. Dies mag überraschen, wenn man nur die frühen Werke Bells – etwa den berühmten Titel The End of Ideology – kennt, präsentiert sich Bell dort doch als Liberaler, der die damals gängige Form der Kulturkritik (die Kritik der Masse) im Namen tatsächlich gegebener Freiheiten und Differenzierungen zurückweist (Bell 2000a). In seiner Diagnose über Das Ende der Ideologie rechnet Bell 1960 allerdings bereits mit dem Aufkommen neuer intellektueller Doktrinen (2000b: 404ff.). Spätestens zehn Jahre später ist er davon überzeugt, dass sich seine Prognose bewahrheitet hat; die Befreiungsbewegungen der 60er Jahre und ihre Folgen deutet er als neuen Aufschwung, der die entstandene Lücke intellektueller Radikalität füllt; den Charakter einer neuen politischen oder ökonomischen Ideologie spricht er den Lehren der Studentenbewegung aber ab; mehr als die längst vertrauten sozialistischen Ideen mag er bei ihnen nicht erkennen; er sieht sie darum in erster Linie als kulturelle Bewegung, als romantische Reaktion gegen die rationale Organisation der modernen Gesellschaft (2000c: 425ff.). Eines hat Bell jedoch mit den linken Kritikern gemein. Wie sie bringt er die Pop- und Underground-Imperative der 60er Jahre mit der kapitalistischen Expansion zusammen. Im Unterschied zu ihnen sieht er darin aber eine Gefahr für den Bestand der (amerikanischen) Gesellschaft. Gerade weil Bell die moderne Gesellschaft nicht als ein einheitliches System betrachtet, das von einem Prinzip dominiert wird, kommt er zu diesem Schluss. Für die linken Kritiker des neuen liberalen Stils, den sie dank ihrer Attacken auf autoritäre Strukturen und repressive Moral selbst befördert haben, verhält sich die Sache genau umgekehrt. Sie ziehen aus dem Umstand, dass die Liberalisierung ein hervorragender Anlass kapitalistischer Güterproduktion ist, gleich die Schlussfolgerung, dass es sich um eine bedeutungslose Änderung handelt. Bell hingegen, der von einer Eigenentwicklung des ökonomischen, politischen und kulturellen Bereichs ausgeht, hält die kulturelle Veränderung für so bedeutsam, dass sie mittelfristig auch die Funktionsabläufe innerhalb der technologisch-ökonomischen Ordnung entscheidend stören könnte.

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BELL UND PARSONS

Um solch ein Szenario zu entwerfen, muss Bell natürlich zuerst einmal den kulturellen Umbruch als umfassendes Phänomen herausstellen. Bell greift dazu historisch sehr weit aus. Für ihn hängt der neue Hedonismus, wie er sich im unablässigen Konsum oder zumindest in den unbegrenzten Konsumwünschen zeigt, direkt mit den Erwartungen und Haltungen der modernen und später postmodernen Kunst und Kultur zusammen.2 Sein Buch über Die kulturellen Widersprüche des Kapitalismus beginnt deshalb nicht mit Andy Warhol oder gar Walt Disney, sondern mit Byron, Baudelaire, Marinetti und Virginia Woolf. Der Vorrang des Neuen, Originellen und einer grenzenlosen Einbildungskraft kennzeichnet diese künstlerische Avantgarde, deren Prinzipien spätestens ab den 1960er Jahren nach der Einschätzung Bells auch das Verhalten der Mittelschicht stark prägen (Bell 1991: 50). Die Absage an ästhetische Distanz und eine regelgerecht nachgeahmte und geordnete Wirklichkeit geht für Bell mit der Bejahung des unmittelbaren Selbstausdrucks einher (134ff.). Dass zwischen experimenteller Kunst und dem Bemühen, das eigene Selbst zum Ausdruck zu bringen, oftmals ein gravierender Unterschied besteht, unterschlägt Bell somit. Hier wird wohl eher eine Vorliebe Bells deutlich als ein zentrales Moment der modernen Kunst, die doch häufig gerade ihr Ziel darin sucht, den Anschein von Authentizität durch bewusst hervorgekehrte Künstlichkeit zu zerstören. Das Wertungsprinzip Bells tritt unverkennbar heraus, wenn er davon spricht, dass die experimentellen Formen der Moderne zur »Syntax und Semiotik von Werbung und Haute Couture verkommen« seien (29).

2 Bells zentrale Schrift dazu ist ein Buch, das sich aus einer Reihe umgearbeiteter Aufsätze der 60er und 70er Jahre zusammensetzt (Bell 1991; Seitenzahlen in Klammern ohne weitere Angabe beziehen sich in diesem Kapitel immer auf diese Ausgabe; eine erste deutsche Übersetzung ist 1976 unter dem Titel Die Zukunft der Welt erschienen). Dort heißt es ganz im Sinne der Neuen Linken: »Das System wurde durch Massenproduktion und Massenkonsumption, durch Weckung neuer Wünsche und Schaffung neuer Mittel zu ihrer Befriedigung grundlegend verändert. Die protestantische Ethik hatte dazu gedient, die Luxusakkumulation – nicht jedoch die Akkumulation des Kapitals – zu begrenzen. Als die protestantische Ethik aus der bürgerlichen Gesellschaft verdrängt wurde, blieb nichts als Hedonismus zurück [...]« (30). Zusammenfassungen und Weiterführungen finden sich in Bell 1975, 1980 und 1990. Vgl. dazu die kritische Analyse von Habermas 1985a. 115

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

In der neuen Sensibilität der 60er Jahre, dem Aufschwung von Pop und Underground, erblickt Bell gleichermaßen den Endpunkt der modernen Entwicklung. Die verbliebenen Ordnungsprinzipien und asketischen Gehalte der modernen Kunst würden innerhalb der Postmoderne auch noch verabschiedet; das avantgardistische Prinzip, die Kluft zwischen Leben und Kunst aufzuheben, gehe in »Massenbesitz« über (68f.). Bell hält nicht nur die Grenze zwischen Ästhetizismus, Avantgarde und Subkultur für sehr durchlässig. Eine überragende Bedeutung kommt dem unterstellten Phänomen der modernen/postmodernen Kunst besonders deshalb zu, weil Bell ebenfalls kaum einen Unterschied zwischen dem neuen kapitalistischen Konsumethos und den kulturrevolutionären Projekten der 60er Jahre annimmt. Die »psychedelischen Auswüchse« seien lediglich eine Variante des Lustprinzips, das sich seit den 50er Jahren machtvoll an die Stelle des traditionellen puritanischen Arbeitsethos gesetzt habe (92). In der Welt der Werbung, der Mode, des Fernsehens, aber auch in den alltäglichen Vorstellungen sei ab den 50er Jahren weitgehend die Tugend- durch eine Spaß-Moral abgelöst worden (88). Bell erkennt darum in der Gegenwart der westlichen Welt eine einheitliche Kultur: Die (einstmals) antibürgerliche Kultur des Hedonismus triumphiert durchgehend, ungeachtet ihrer unterschiedlichen liberalen, linksradikalen oder ganz unpolitischen Berufung. Bell hält diese Diagnose auch aufrecht, als die spektakulären Ereignisse rund um das Jahr 1968 bereits wieder der Vergangenheit angehören. In den 80er Jahren präsentiert er seine Zustandsbeschreibung eher noch zugespitzter. Die wichtigsten Merkmale und Ansprüche der modernen Kunst – sinnliche Sensation, Simultaneität der Ereignisse, Unmittelbarkeit und intensive Wirkung – seien mittlerweile so standardisiert, dass sie zu den Grundbestandteilen des zeitgenössischen Fernsehens gehörten (1990: 50f.). Die derart geprägte Kultur bilde geradezu die Basis der gegenwärtigen Gesellschaft; das Produktionssystem sei weitgehend umorganisiert worden, um die nie abreißenden Konsumwünsche zu erfüllen – »das betrifft das Material, die Erotik und die Ästhetik, oben, die Mitte und unten, Punk und Rock, Hollywood-Spießer und Fernseh-Knallerei.« (Ebd.: 48) Die Diagnose einer einheitlichen hedonistischen Kultur scheint Bell damit sogar zum Bild einer vollständigen Einheitlichkeit zu führen. Der Eindruck sollte allerdings insofern täuschen, als Bell 116

BELL UND PARSONS

das Produktionssystem prinzipiell deutlich von der Kultur trennt, für die es Güter herstellt. Er geht innerhalb der Moderne nicht von einem System aus, sondern von drei unterschiedlichen Bereichen, der Sozialstruktur (in erster Linie gefasst als technisch-ökonomische Ordnung), der politischen Ordnung und der Kultur. Die drei verschiedenen Bereiche sieht er jeweils von eigenen Prinzipien beherrscht; in der Wirtschaft regiere das Prinzip der Effizienz, in der Politik das Gleichheitsprinzip und in der Kultur momentan die Idee der Selbstverwirklichung oder -befriedigung (9f.). Nimmt man die Teilung zum Ausgangspunkt der Beschreibung, sollte Bell die Unabhängigkeit der drei Bereiche anhand der gegenwärtigen Lage besonders gut illustrieren können, steht doch die hedonistische Ausrichtung der Kultur in klarem Widerspruch zu den Anforderungen innerhalb wirtschaftlicher Betriebe, deren Imperativ der Effizienz eine stärker puritanische Haltung erfordert, die den Regungen des Lustprinzips enge Grenzen setzt. Letztlich wird Bell seiner Auffassung, dass man die moderne Gesellschaft nicht als integrales System ansehen dürfe, jedoch untreu. Sein eigener Hang zum Ganzen und zur Einheitlichkeit zeigt sich daran, dass er Unterschiede der Bereiche als unlösbaren Widerspruch entdeckt. Zwar spricht er lediglich von den »kulturellen Widersprüchen des Kapitalismus«, tatsächlich geht es aber um mehr. Der Bereich der Kultur unterliegt ja nach seiner Diagnose gerade keinen gegensätzlichen Tendenzen, sondern ganz dem Prinzip des Hedonismus. Der Widerspruch öffnet sich vielmehr zwischen zwei eigenständigen Sektoren, dem der Kultur und dem der Ökonomie. Diesen »Widerspruch« stellt Bell sogar als eminente Bedrohung für den Fortbestand der kapitalistischen Gesellschaft heraus. Die Wirtschaft könne nicht länger auf den protestantischen Charakter mit seinen kulturellen Leitvorstellungen der Selbstdisziplin, Triebunterdrückung und Arbeitsaskese vertrauen (53). Der Widerspruch zwischen hedonistischer Konsumkultur und den rational-funktionalen Erfordernissen der ökonomischen Produktion ruft bei ihm die Ahnung einer tiefen gesellschaftlichen Erschütterung hervor (30). Die Frage, was die Gesellschaft noch zusammenhalten könne (103), hat darum im Werk Bells der 70er und 80er Jahre einen eindeutig resignativen Grundton. Eine Kultur, die im Bilde einer einheitlich hedonistischen Popkultur aufgeht, ist für ihn bereits auf kürzere Sicht mit den ökonomischen Leistungsanforderungen unvereinbar.

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THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

Das Zusammenspiel von Moderne und Postmoderne, von kapitalistischer Konsumkultur und den moralischen Entgrenzungen der Gegenkultur lässt in den Augen Bells eine einheitliche Kultur entstehen, die ihre eigene materielle Grundlage rasch untergräbt. Weil er bereits im Bereich der Kultur keine entscheidenden Unterschiede mehr machen möchte, sondern Avantgarde, Underground, Hollywood zu einer hedonistischen Popkultur zusammenzieht, ist für ihn die Voraussage unvermeidlich, dass die Kluft zwischen hedonistischer Kultur und den Anforderungen des Produktionssystems Letzteres zutiefst beschädigen wird. Trotz aller momentanen Dramatisierung des Unterschieds zwischen der Sphäre der Kultur und dem technologisch-ökonomischen Bereich zum unlösbaren Widerspruch kann Bell jedoch prinzipiell seinen Anspruch aufrechterhalten, eine moderne Gesellschaftstheorie zu konzipieren, die sich von dem veralteten Modell einer einheitlichen Basis verschiedenster sozialer Phänomene verabschiedet. Dabei hat er nicht nur die marxistische Auffassung im Sinn, nach der die Produktionsverhältnisse den politischen und kulturellen Zustand einer Gesellschaft bestimmen. Bell wendet sich ebenfalls kritisch gegen seinen Kollegen Talcott Parsons, der in der amerikanischen Soziologie um 1960 eine beherrschende Stellung einnimmt. Parsons Ordnungsprinzip oberster Werte hält Bell mit der Realität der differenzierten modernen Gesellschaft für unvereinbar (1975: 362f.; 1986: 96f.). Träfe Bells Kritik zu, wäre sie für Parsons allerdings verheerend. Im Rahmen seines groß angelegten systemtheoretischen Entwurfs, der einen Analyserahmen für alle geschichtlichen Gesellschaftstypen bieten soll, beschäftigt sich Parsons nämlich besonders eingehend mit der amerikanischen Gesellschaft der 50er Jahre. Ganz allgemein weist er die utilitaristische Konzeption, die beim einzelnen Handelnden und seiner Verfolgung individueller Ziele ansetzt, zurück; gesellschaftliches Handeln würde nur verständlich bzw. erst möglich, wenn man von übergeordneten Werten ausgehe, welche die einzelnen Wünsche formen (1964a: 60ff.) und die Institutionen, in denen sie ihren Niederschlag finden, kulturell legitimieren.3 Innerhalb seiner besonderen Analyse der amerikanischen Gesellschaft der Gegenwart identifiziert Parsons als zentralen Wert nun den der individuellen Leistung im Dienste einer guten, das ein3 Parsons 1972. Zu Parsons Systemtheorie vgl. den Überblick von Schimank 2000: 80ff. 118

BELL UND PARSONS

zelne Individuum weit übersteigenden Ordnung. Genau wie Bell sieht Parsons diesen Wert in der Nachfolge Max Webers als entscheidenden Bestandteil der protestantischen Tradition an (1968a: 198f.). Als den von ihr hervorgebrachten kapitalistischen Geist macht Parsons mit Weber nicht die Besitzgier aus, sondern die unablässige, rational organisierte Aktivität (1964a: 505ff.). Von der unmittelbaren religiösen Quelle gelöst, bleibe die selbstständige, aktiv erbrachte Leistung stark zielorientiert; das Ziel werde aber nicht durch den Wert genau vorgegeben, es bestehe stattdessen in der Steigerung und Verbesserung der als lohnend erachteten Leistung (Parsons/White 1968: 246ff.). Aufgrund der strukturellen Veränderungen der amerikanischen Gesellschaft erhält der Wert einen je neuen Zuschnitt; als entscheidende Voraussetzung nennt Parsons etwa den Wandel hin zu großen, komplexen Organisationen, zu einem beträchtlich erhöhten technologischen Niveau und zur ausschlaggebenden Bedeutung der Schullaufbahn für die spätere Karriere. Die Anforderungen an die Verantwortung und Kompetenz des Einzelnen steigen dadurch unabhängig von seiner sozialen Herkunft enorm (ebd.: 258ff.). Mit einer hedonistischen Einstellung, deren Ziel der vergleichsweise schnell zu erlangende, passive, in jedem Fall individuelle Genuss ist, verträgt sich die amerikanische Leistungsgesellschaft nach Parsons offensichtlich nicht direkt. Folgerichtig fasst Parsons die hedonistischen Freiheiten der amerikanischen Kultur als begrenzten Ausgleich zur Disziplin auf, die nötig ist, um die Leistungsanforderungen zu erfüllen. Jene Unterhaltung, die Fernsehen, Filme, Romane, Magazine, Comics gewähren, steht für Parsons nicht im Widerspruch zu den Kriterien und dem Druck der Berufswelt, sondern bildet deren notwendige Ergänzung (ebd.: 288; Parsons 1979: 512). Parsons kann sich insofern glänzend bestätigt sehen, als die amerikanische Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft trotz ihres beträchtlich ausgeweiteten Entertainmentmarktes bis heute reibungslos funktioniert (auch wenn das natürlich nicht notwendigerweise an einem durchgesetzten integralen Wertmuster liegen muss). Nicht einmal in den 70er Jahren, mit der zeitweilig starken Popularisierung gegenkultureller Werte, hat Bells Widerspruch zwischen kulturellem Hedonismus und wirtschaftlicher Effizienz einen tieferen, krisenhaften Ausdruck gefunden. Über das Urteil der Empirie hinaus (das vielleicht nur eine Momentaufnahme darstellt) lässt sich zusätzlich ein wichtiger Grund anführen, der Parsons Konzeption 119

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

stützt: Im Unterschied zu Bell berücksichtigt Parsons immerhin in hohem Maß die Instanzen, die den Leistungswert und die auf ihn bezogenen variableren Normen einüben und verinnerlichen helfen. Hier ist besonders die Schule zu nennen. Sie durchschneidet in der modernen Gesellschaft bei allen Kindern gleichermaßen die besondere, emotionale Bindung zur Familie und misst sie ungeachtet des sozialen Standes ihrer Eltern an allgemeinen Leistungsmaßstäben (Parsons 1968b: 179f.). Mit der in den 60er Jahren nachhaltig betriebenen Öffnung der Universität für breite Schichten erhöht sich das durchschnittliche Bildungsniveau noch weiter. Die Bildungsrevolution, von der Parsons eindrücklich spricht, bietet prinzipiell allen die Chance aufzusteigen, da die schulische Konkurrenz ihnen ermöglicht, durch eine »Auslese, die ungewöhnlich stark durch universalistische Normen reguliert wird, zum Erfolg [zu] kommen.« (1972: 123) Bell könnte an der Stelle einwenden, dass die postmoderne Kultur ganz andere Ansprüche hervorbringt. Bereits in der modernen Kunst – auch dies passt zu Bells Diagnose – gibt es vielfältige Bestrebungen, den Wert eines Kunstwerks von seinem Bildungsgehalt radikal zu trennen. Entscheidend ist jedoch (im Sinne Parsons), dass sowohl in der Schule als auch in der Universität selbst jene Werke, die sich jedem Bedeutungsgehalt verweigern oder auf starke Sinnenreize setzen, analytisch behandelt und interpretativ oder stilgeschichtlich eingeordnet werden. Die Anforderungen an den Schüler haben nichts mit dem Ziel gemein, sich einer besonderen Erotik der Rezeption, wie sie etwa Susan Sontag vorschwebte, hinzugeben. Man versteht darum, weshalb der teenager ab den 50er Jahren für lange Zeit das Bild der Populärkultur gerade bei ihren Kritikern geprägt hat. Die Populärkultur erscheint als Jugendkultur so machtvoll, weil sie nicht als Ausgleich derjenigen verbucht werden kann, die in der Arbeitszeit trotzdem routiniert ganz anderen Anforderungen nachkommen. Die Jugendkultur gewinnt ihre Bedeutung daher, dass sie die entscheidende, zuverlässig nachwirkende Einübung der Leistungswerte in der Schulzeit durchkreuzen könnte. Ohne dieses Sozialisationsergebnis stünde auch die erwachsene Trennung zwischen kontinuierlicher Arbeitsanstrengung und hedonistischer Freizeit in Frage – und das in einer Epoche, in der bei vielen Berufen eine akademische Ausbildung zur Voraussetzung zählt. Die Sorge, eine große Zahl von Jugendlichen könne den Verführungen durch Comics, Filme, Rockstars, Computerspiele erliegen und die Ord120

BELL UND PARSONS

nung der Schule nicht mehr bewältigen oder gar ablehnen, ist der notwendige Vorläufer von Bells These des verhängnisvollen Widerspruchs zwischen lustbetonter Kultur und den rationalen Anforderungen bürokratischer und technisch avancierter Arbeit. Parsons selber sieht jedoch in der Jugendkultur seiner Zeit ein Ventil, das den Schülern erlaubt, ein mehr oder minder symbolisches Gegenwicht zur geforderten rationalen Disziplin aufzubauen und dadurch auf kanalisierte Weise Druck abzubauen. Die Jugendkultur erfüllt für ihn deshalb eine wichtige Funktion im Dienste des Bestehenden. Die Abgrenzung von den Erwachsenen erscheint ihm sogar unumgänglich, um der später benötigten Selbstständigkeit in der Berufswelt nachkommen zu können. Um diese Funktion zu erfüllen, muss die Jugendkultur freilich in gewissen Grenzen verbleiben, sei es etwa, dass die starke körperliche Bewegung in den institutionellen Formen des Schulsports und der Tanzschule erfolgt (1979: 304f.). Eine vollkommene Trennung der Kultur von dem Wert rationaler Leistung ist nach Parsons unmöglich; schon eine stärker vorangeschrittene Ausbildung einer solchen Trennung läuft für ihn auf einen Systemwandel hinaus, an dessen Ende andere Werte stünden. Innerhalb eines gegebenen Systems sind solche Bestrebungen zur Trennung darum konsequent als Abweichung zu beschreiben. Für die gegenwärtige amerikanische Gesellschaft heißt dies, dass bestimmte Ausprägungen der Jugendkultur oder des Hedonismus im Sinne des Systemerhalts unterbunden oder reintegriert werden müssten. Bells Gefährdungsvision ist für Parsons bereits grundsätzlich früher Wirklichkeit; er äußert sich zu ihr im Rahmen der Debatte um Riesmans Thesen zur Ablösung der protestantischen Ethik. Zwar räumt Parsons ein, dass man teilweise eine Verringerung des beruflichen Engagements und eine Hinwendung zu anderen, passiveren Formen der Suche nach Anerkennung beobachten könne, grundsätzlich gehe die Entwicklung aber in die entgegengesetzte Richtung; die Lage sieht Parsons auch in absehbarer Zukunft nur in einem geringerem Maße durch Abweichungen vom Prinzip der eigenständigen Arbeitsanstrengung geprägt (Parsons/White 1968: 296). In den Bereich der Tatsachen gehört für Parsons ebenfalls, dass die amerikanische Gesellschaft keine Massengesellschaft ist. Er hält die Rede vom atomisierten Individuum gegenwärtig für verfehlt; deutlich werde dies am Beispiel der politischen Wahl, bei der das 121

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Abstimmungsverhalten oftmals von der Bindung an unterschiedliche Gemeinschaftsformen abhänge, seien es Gewerkschaften, Landsmannschaften, religiöse oder ethnische Gruppen (1960/61: 124; 1959: 94ff.). Andererseits bleibt die Möglichkeit einer recht weitgehend unstrukturierten Massengesellschaft nach Parsons grundsätzlich bestehen, harmoniert doch die gesetzlich garantierte Freiheit der individuellen Wahl vorzüglich mit der Organisation einer hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaft, in der die Verteilung der Berufe nach allgemeinen Leistungsmaßstäben, nicht nach der Abstammung oder nach Beziehungen geschieht. Parsons erscheint die Beobachtung vom Ende der alten Gemeinschaft mit ihren unübersteigbaren Normen und festgeschriebenen Laufbahnen genauso bedeutsam, wie sie es für die Theoretiker der Massengesellschaft ist. Er erachtet lediglich die Gleichsetzung einer Wahl, die jedem Einzelnen möglich ist, mit faktischer Bindungslosigkeit als falsch. Ein Differenzierungstheoretiker wie Parsons muss demnach auch bei Betrachtungen zum gegenwärtigen Stand der Massenkultur von der Überwindung der Gemeinschaftskultur ausgehen. Ebenso wie der ökonomische und politische Bereich zeichnet sich für ihn die Massenkommunikation durch eine nachhaltige Entfremdung von Produzenten und Konsumenten aus: Die Anbieter produzieren jeweils nicht für einen festen, ihnen gemeinschaftlich verbundenen Abnehmerkreis, sondern für den anonymen Markt; die Konsumenten verfügen entsprechend über die Möglichkeit, unter den Angeboten jederzeit frei zu wählen. Das Angebot, ein Auto zu verkaufen, kommt für Parsons darum mit der politischen Werbung um Wählerstimmen und dem Bemühen, Zuhörer etwa für soap operas oder Symphoniekonzerte zu gewinnen, überein (Parsons/White 1960: 71). Die Kritik an einer derart beschaffenen Ökonomie, Politik und Massenkultur fasst Parsons unter vier Gesichtspunkten zusammen. Erstens: die Tendenz zur Monopolisierung verengt die Wahlmöglichkeiten entscheidend; zweitens: die Freiheit der Wahl ist angesichts der gleichmäßig sinkenden Qualität der Produkte ohne Bedeutung; drittens: Wahlfreiheit bleibt wegen der begrenzten Möglichkeiten der Konsumenten, sich die Angebote anzueignen, weitgehend eine Illusion; viertens: die Freiheit, ein Angebot jederzeit, also nicht nur momentan, sondern erst in der Zukunft wahrzunehmen, werde durch die notwendig fortschreitende Inflation entwertet. Speziell auf den Bereich der Kultur bezogen, lauteten die Vorwürfe 122

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dann erstens: die Konzentration im Medienbereich führe zu einem gleichförmigen Angebot; zweitens: Kitsch überwiege Qualitätsangebote bei weitem; drittens und viertens: die Massenmedien manipulieren den Rezipienten so, dass er stets nach gleichbleibenden Produkten verlange. Ungeachtet seiner trefflichen Zusammenfassung hält Parsons selbst jedoch alle Kritikpunkte nicht für stichhaltig, allesamt erscheinen sie ihm empirisch widerlegt: In der pluralen amerikanischen Gesellschaft gebe es unterschiedlichste lokale und themenspezifische Angebote für je verschiedene Rezipientengruppen; auch hier habe sich der Trend zur Differenzierung eindrucksvoll durchgesetzt, nachdem es der Bruch mit der Ständeordnung überhaupt möglich gemacht habe, dass kulturelle Angebote potentiell jeden Menschen (und nicht allein adelige Auftraggeber) erreichen können. Zur Differenzierung gehört für Parsons freilich gleichfalls eine Differenzierung der Qualität. Wenn er auch den niedrigen Standard des amerikanischen Fernsehens gegenwärtig durch andere Medienangebote mehr als ausgeglichen sieht, könnte daraus folglich einmal bei veränderter Konstellation ein Problem erwachsen (ebd.: 72ff.). Andere Abweichungen, die potentiell die Integrität des amerikanischen (Werte-)Systems gefährden könnten, treten Parsons allerdings wesentlich deutlicher vor Augen. Ausdrücklich hebt er all jene Ideologien hervor, deren kognitiver Gehalt einer allzu stark verzerrten Wertung unterliegt und die gerade dadurch eine große Zahl an Leuten vereinigen sollen. Botschaften, die Widersprüche durch Idealisierung verdecken, stehen nicht nur im Dienst der bestehenden main culture. Als utopische Verzerrung gilt Parsons besonders die Idee, die gegenwärtige Gesellschaft könne ohne Macht oder soziale Ungleichheit auskommen. Die Ansicht, dass die Werte solcher Ideologien keinesfalls in einer Industriegesellschaft institutionalisierbar seien, betrachtet Parsons deshalb nicht als eine bloße Meinung, sondern als eine wissenschaftliche Tatsache (1979: 349, 357, 166, 534). Den Begriff der Subkultur (sub-culture) reserviert Parsons nicht ausschließlich für Gruppen, die utopische Ideologien teilen; er gebraucht ihn in einem weiten Sinne, auch kriminelle Banden und Bohemien-Gruppen fallen bei ihm unter den Begriff: Subkulturen weichen von den Leitwerten ab; sie sind deviant movements, in denen die einzelnen Abweichler ihre Haltung gegenseitig bestärken. Die Nonkonformisten gegenüber der main culture verhalten sich darum innerhalb ihrer subkulturellen Gruppe konform (ebd.: 286). 123

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

Große Wirksamkeit kann solch eine abweichende Kultur nach Parsons vor allem dann erlangen, wenn sie sich nicht darauf beschränkt, eine »Gegenkultur« auszubilden. Um breitere Kreise anzusprechen, müsse die subkulturelle Ideologie ihre Ansprüche so artikulieren, dass sie einen starken Bezug zu den vorherrschenden Werten aufweise. Weil die oberen Werte in der modernen Gesellschaft notwendigerweise hoch abstrakt blieben, um vielfältigen, veränderbaren Varianten institutionalisierter, je angemessener Normen Raum zu geben, sei es leicht möglich, abweichende Ideologien im Rahmen legitimierter, allgemeiner Werte – der Gerechtigkeit oder der Gleichheit – vorzubringen (ebd.: 522, 293). Angesichts des von Parsons für das amerikanische System als zentral herausgestellten Werts einer Leistung, die zur ökonomischen Produktivitätssteigerung beiträgt, stellt sich noch die Frage, ob die Wirtschaft dann nach dem Prinzip des privaten Eigentums organisiert werden muss. Parsons selbst hält ebenso lapidar wie unbestimmt fest, angesichts weniger interessanter Berufe sei es wichtig, dass es eine Verpflichtung gebe zu arbeiten, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dass die Bedeutung der kapitalistischen Ordnung darin liegt, weite Teile der Bevölkerung zu Lohnabhängigen zu machen, schreibt Parsons aber nicht; knapp merkt er stattdessen an, dass die freie Verfügung über den privaten Besitz wichtig sei, um ein flexibles Tauschsystem zu schaffen (ebd.: 184f.), wenn ihm auch die liberale Absage an staatliche Eingriffe ebenso unrealistisch erscheint wie der Versuch einer zentralen, staatssozialistischen Lenkung der Ökonomie (1972: 136). Viel mehr Worte verliert Parsons darüber, dass dem Leistungswert Berufsrollen entsprechen müssen, die individuell nach universellen Maßstäben vergeben werden; soll heißen: Positionen beruhen nicht auf Herkunft, sondern stets auf allgemein vergleichbarer Qualifikation. Als Garantie eines derart funktionierenden Systems reicht Parsons die Chancengleichheit aus; sie stelle sicher, dass die jeweils leistungsstärksten Personen in der hochgradig arbeitsteilig organisierten Berufswelt die richtige Stelle einnehmen (Parsons/White 1968: 260ff.; Parsons 1968b: 162ff.). Dass soziale Schichten unterschiedliche »Kulturen« entwickeln (1964b: 216f.), ist für ihn offenkundig kein Grund, die Wirksamkeit der individuellen Chancengleichheit bei der funktional gelungenen Zuordnung von Berufen zu bezweifeln. Zwar fänden immer noch Kinder aus höheren Schichten in überdurchschnittlichem Maße Zugang zu Universitäten und an124

BELL UND PARSONS

spruchsvolleren bzw. besser bezahlten Berufen, wegen der weitreichenden Verbindung von Bildungserfolg und beruflichem Status stehe aber in Zeiten allgemeiner Schulpflicht prinzipiell allen der Weg nach oben offen (Parsons/White 1968). Ideologien, die eine stärkere soziale Gleichheit bei der tatsächlichen Besetzung der verschiedenen Berufe einfordern, können darum nach Parsons in der Gegenwart nur abweichende Meinungen sein.

125

12 ANTONIO GRAMSCI, RICHARD HOGGART, STUART HALL: HEGEMONIE, ARBEITERKLASSE, SUBKULTUREN (C U L T U R A L S T U D I E S , T E I L I) Als deutliches Gegengewicht zu Ansichten wie denen Talcott Parsons fungieren die ursprünglich englischen Cultural Studies, die seit den 80er Jahren gerade in Amerika einen Sitz an vielen Universitäten einnehmen können. Die meisten Vertreter der Cultural Studies machen es sich zur Aufgabe, immer wieder auf die Beschränkungen einer formalen Chancengleichheit hinzuweisen. Nicht wenige von ihnen halten an sozialistischen Ideen fest, wenn sie in kritischer Absicht die Auswirkungen des ungleich verteilten privaten Eigentums analysieren. Trotzdem ist der Gegensatz zu Parsons nicht total. Wie dieser interessieren sich die Autoren der Cultural Studies stark für die Sphäre der Kultur. Parsons bestimmt die Aufgabe des kulturellen Systems als Erhaltung der Normen und deren schöpferische Abwandlung. Innerhalb der Cultural Studies setzt man radikaler auf den kulturellen Bereich als Ort viel weitergehenderer Veränderungen. Um traditionelle Marxisten, für die Kultur ein bloßer Reflex der ökonomischen Bedingungen ist, handelt es sich bei diesen Vertretern der Cultural Studies also nicht. Der Ahnherr ihrer Bestrebungen kann darum nur ein originellerer Kommunist wie Antonio Gramsci sein. Die Beobachtung, dass auch in Zeiten der wirtschaftlichen Krise die Arbeiter und ihre möglichen Verbündeten keineswegs zwangsläufig geschlossen den Umsturz des herrschenden kapitalistischen Systems betreiben, führt ihn dazu, die Bedeutung des kulturellen Überbaus anzuerkennen. Ohne auf diesem Feld eine entscheidende Position einzunehmen, ist es nach der Einsicht Gramscis un127

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

möglich, in einer entwickelten bürgerlichen Gesellschaft eine Änderung der Eigentumsverhältnisse anzustreben. Die herrschende Hegemonie, der Konsens, der darin besteht, dass auch die benachteiligten Gruppen ihren eigentlichen Unterdrückern zustimmen, muss auf dem Feld der Kultur und öffentlichen Meinung durchbrochen werden (Gramsci 1991ff.: 1502).1 Von großer Bedeutung ist darum für Gramsci z.B. das Studium der kommerziell erfolgreichen Literatur. Sie biete den oftmals einzigen zuverlässigen Anzeiger, welche Anschauungen und Gefühle die sonst schweigende Mehrheit beherrsche (619), sie gewähre aber auch Aufschlüsse über den Zustand unterschiedlicher kultureller Schichten (2046f.), etwa über die mittlerweile äußerst unsichere, bedrängte Existenz der Mittelklasse, die sie zur Lektüre von Abenteuergeschichten führt, in denen Helden ihre eigenen Geschicke bestimmen können (2057f.). An solchen Strömungen – ebenso wie an der volkstümlichen Folklore, die zum Teil der »offiziellen ›Moral‹« widerspreche (2216) – muss der Kommunist folglich ansetzen, um auf dem Gebiet der Kultur ein Gegengewicht zu erlangen. Unvermittelt darf dieser Gegensatz aber keineswegs sein, sonst könnte man keine eigene hegemoniale Zustimmung erringen. Hegemonie schließt hier ein, dass auch klein- und großbürgerliche Kreise antikapitalistische Wünsche und Ansichten mit ihren Überzeugungen verbinden können. Ganz charakteristisch für die Bildungsbemühungen vieler führender Kommunisten ist in dem Zusammenhang, dass selbst Gramsci, der in seiner Jugend Sympathien für den Zerstörungseifer der Futuristen hatte, an eine Nutzung der populären Literatur denkt, die auch bürgerlichen Kreisen nicht gleich missfallen würde. Er strebt zwar eine erneuerte Literatur an, avantgardistische Züge, die wie bei den Futuristen oder Dadaisten direkt gegen das Bildungsbürgertum gerichtet wären, besitzt diese Literaturkonzeption jedoch nicht. Gramsci schweben etwa viel gelesene Fortsetzungsromane vor, deren Autoren sich von der gegenwärtigen Produktion so abheben wie Chesterton von Edgar Wallace (1777). Ein gravierender Unterschied ergibt sich deshalb zumindest insofern zu den Auffassungen der künstlerischen Moderne, als Gramsci mit den Vorlieben und Haltungen des Volks (von Gramsci definiert als »Ensemble der subalternen und instrumentellen Klas1

Die hier und im nächsten Absatz angegebenen Stellen aus Gramscis Gefängnisheften (Gramsci 1991ff.) stammen alle aus den Jahren 1930-1935. 128

GRAMSCI, HOGGART, HALL

sen« aller bisherigen Gesellschaftsformen) nicht brechen, sondern an sie anknüpfen möchte (2215), um sie zu verändern und anzuheben. Eine nachhaltige Popularität ist dann für ihn sogar ein untrügliches Anzeichen, dass eine Ideologie sich auf der Höhe der Zeit, auf der Höhe der geschichtlichen Anforderungen befindet (1391). Folgte man den Ansichten von Richard Hoggart, die er Mitte der 50er Jahre in seiner Studie The Uses of Literacy entwickelt, müsste man von Gramscis Hoffnungen auf eine kulturelle Hegemonie im sozialistischen Sinne wohl für lange Zeit Abschied nehmen. Der Begründer der Cultural Studies sieht nämlich die Kultur der common people (der Arbeiter und Kleinbürger) Veränderungen ausgesetzt, die mit einer Anhebung wenig zu tun haben. Die treibende Kraft dieser Veränderung bildet für ihn die immer stärker aufkommende Massenkultur. Diese Diagnose ist natürlich keineswegs neu; originell an ihr ist jedoch, dass Hoggart als Widerpart zur Massenkultur nicht die Kunstautonomie der Moderne oder die romantische Volkskultur, sondern das Alltagsleben der englischen Arbeiterklasse herausstellt. Bei aller Anerkennung für die eigenständige Kultur der Arbeiter – auch ihrer mitunter sprachlichen Kreativität – ist Hoggart aber weit davon entfernt, sie in der radikal antibürgerlichen Manier einiger kommender sozialistischer Intellektueller gegen eine gebildetere Form des Ausdrucks auszuspielen. Das hohe Ideal einer allgemeinen Schulbildung, die das Beste der humanistischen Tradition vermittelt, ist auch Hoggarts Zielpunkt (1982b: 81ff.). Mit diesem Ideal ist wohl ebenfalls verbunden, dass Hoggart die eigenständige Klassenkultur der Industriearbeiter, wie sie sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts herausgebildet hat, nicht von ihrer politischen Seite her präsentiert. Von Parteien, Gewerkschaften, Streiks liest man in The Uses of Literacy überhaupt nichts, noch nicht einmal die Fabrik rückt in den Blick. Stattdessen ist viel von Familie und Nachbarschaft, vom Sinn fürs Konkrete und Lokale, von spezifischen Verhaltens- und Sprechweisen die Rede. Sie sieht Hoggart dem falschen Allgemeinen der Massenkultur ausgesetzt, den künstlichen Mustern fernliegender Sensationen und einem hedonistischen, relativistischen Materialismus.2 In Hoggarts Sicht stellen die entsprechenden Produkte der Massenkultur eine ernsthafte Bedrohung der von ihm hoch geschätzten Werte der Arbeiterklas-

2 Hoggart 1992. Zur Entstehung des Buchs siehe Hoggart 1991: 140ff. Zu Hoggart vgl. Winter 2001: 35ff. 129

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

se wie etwa Loyalität und Eigenwilligkeit dar (1971a: 33; 1971b: 150). Die Ahnung der Bedrohung wird sich im Laufe der Jahrzehnte bei Hoggart zur Gewissheit der Niederlage wandeln. Zwar stimmt auch er in die zentrale, methodische Aussage aller Cultural StudiesAutoren ein – dass man selbst bei Massenprodukten nicht einfach unbesehen von einer uniformen, konditionierten Reaktion und Aneignungsweise des Publikums ausgehen dürfe –,3 dennoch bietet sich ihm spätestens angesichts von Privatfernsehen, Boulevardzeitungen, politischen PR-Wahlkämpfen usf. die zeitgenössische Kultur der Massengesellschaft keineswegs nur auf der Angebotsseite als ziemlich einheitliche, ästhetisch und moralisch minderwertige Veranstaltung dar (1993: 268f.; 2005), unter der die alten Klassenschranken materieller Ungleichheit freilich weiter Bestand haben (2003: 100ff.). So kommt es, dass der institutionelle Begründer der Cultural Studies ein Bild zeichnet, dessen Eintönigkeit nahezu alle Anhänger der neuen Disziplin stets widersprochen haben. Dies gilt auch für Stuart Hall,4 den ersten Forscher, den Hoggart an sein zuerst weitgehend aus Spenden finanziertes, der Birminghamer Universität angegliedertes Centre for Contemporary Cultural Studies beruft. Ganz zu Beginn seiner Laufbahn stimmt Hall, der 1972 Hoggarts Direktorenposten am Centre übernimmt, zwar in jene wertende Unterscheidung Hoggarts zwischen (schlechter) Massenkultur und (besserer) populärer Kultur ein; bei Hall beruht sie sogar ganz konventionell im Sinne moderner Kunstauffassung auf der Differenz zwischen standardisierter mass art und individuellerer popular art; der pop music etwa (der Musik der teenager von Elvis Presley bis zu den frühen Beatles) gesteht Hall 1964 nur Lebendigkeit und die schiere physische Qualität des rhythmisch stark akzentuierten drive zu, gemessen am Jazz erscheint sie ihm als variantenarm, wenig authentisch, spieltechnisch stark begrenzt und darum insgesamt von geringem Wert, da hilft es auch nichts, dass die teenager vor allem dank ihrer Kleidung eine rebellische Haltung signalisieren (Hoggart 1995, 113; Hall/Whannel 1969: 68f., 303ff., 296, 282f.). 3 Hoggart 1982a: 127. Ausgearbeitet dann etwa von Hall 2004a. Einen sehr guten Überblick zur zentralen Cultural Studies-Position des kreativen Rezipienten bietet Hinz 1997: 176ff. 4 Siehe die Kritik an Hoggart durch Clarke/Hall/Jefferson/Roberts 1979: 54. 130

GRAMSCI, HOGGART, HALL

Das Urteil Halls wird jedoch nicht lange von Bestand bleiben. Es ändert sich im Zuge einer Neuausrichtung der Perspektive und des Analyserahmens. Wichtig ist hier zum einen die genauere soziologische Betrachtung der Gruppe der teenager. Gilt Hall 1964 der Teddy Boy Style als typisch nonkonformer look der teenager (ebd.: 282f.), wird er später im Zuge seiner Arbeit am Centre for Contemporary Cultural Studies wesentlich stärker auf der Bedeutung der Klassenherkunft für die Analyse subkultureller Stile bestehen. Die Verhaltens- und Präsentationsweisen der Rocker, Mods, Teds gelten den Birminghamer Forschern um Stuart Hall dann als besonderer Versuch von Arbeiterkindern, auf die Bedingungen ihrer Klassenlage zu reagieren. Der Bruch mit dem ökonomistischen Modell des Marxismus tritt dabei deutlich hervor – kein sozialistischer Theoretiker oder Politiker hat sich zuvor für das eigentümliche Gebaren Jugendlicher in der Sphäre kapitalistischer Freizeit interessiert. Andererseits ist der sozialistische Impetus bei den Wissenschaftlern des Centres aber stark zu spüren – auch wenn die untersuchten Subkulturen über kein traditionelles Klassenbewusstsein verfügen und sie ihre Abgrenzungen noch nicht einmal über bestimmte politische Aussagen vornehmen, sondern durch Kleidung und andere, zum Teil abgewandelte Gebrauchsgüter symbolisch markieren, wird ihnen doch ein beträchtliches widerständiges Potential zugestanden.5 Diese Auffassung hat einen genau umrissenen Hintergrund; die Birminghamer sind ab den 70er Jahren erklärte Anhänger Gramscis; das Feld der Kultur sehen sie nicht als bloßes Überbauphänomen an, das von der ökonomischen Basis bestimmt wird, sondern als einen teilweise eigenständigen, wichtigen Bereich, innerhalb dessen u.a. der zur Aufrechterhaltung des Systems notwendige Konsens hergestellt wird. Unter sozialistische Politik fällt nach Ansicht von Hall darum auch die subkulturelle Praxis der auffallenden Arbeiterjugendlichen, da sie die gegenwärtige Hegemonie herausfordert und so vielleicht zu Veränderungen innerhalb der wechselnden Konstellationen der herrschenden Koalition führt; wahrscheinlich kann sie durch ihre stilisierten, unnormalen Aneignungen der Produkte der Konsumgüterindustrie zumindest zu Verletzungen

5 Clarke/Hall/Jefferson/Roberts 1979: 54. Vgl. die kritische Zusammenfassung durch A. Bennett 1999. 131

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

weiterer Diskurse des auch politisch oder ökonomisch scheinbar Selbstverständlichen beitragen.6 Auch die Verweigerung gegenüber den Ansprüchen des Schulunterrichts – weit über ungewöhnliche Kleidung und Frisur hinaus – erscheint Hall und seinen Mitarbeitern subversiv. Allgemeine Schulpflicht und für alle geltende Standards der Benotung garantieren ihnen noch lange keine Erfüllung des Gleichheitsprinzips. Die gegenwärtige Schule sei vielmehr eine Institution zur Behauptung der Klassenunterschiede. Weil der Unterricht Erfahrungen außerhalb der formalen (mittelständischen) Bildung ignoriere, stelle die Weigerung, an der allgemeinen, schulisch veranstalteten Bildungskonkurrenz teilzunehmen, wie sie sich in Teilnahmslosigkeit, Späßen und Aggressionen ausdrückt, einen mehr oder minder bewussten Akt dar, gegen die tatsächliche Ungleichheit zu rebellieren (Clarke/Hall/Jefferson/Roberts 1979: 90; Willis 1979: 199). Stuart Hall hält nichts von dem Argument, der Kapitalismus trage entscheidend zur Gleichheit bei, da es in ihm allgemein auf Leistungsfähigkeit ankomme, nicht auf die besondere Herkunft des Arbeiters oder Käufers. Hall glaubt vielmehr, dass die kapitalistische Expansion sich aus Unterschieden (gerade auch aus den Unterschieden der ethnisch und nach Geschlechtszugehörigkeit gespaltenen Arbeitskräfte) speise (1994: 54f.). Der Unterschied zu Parsons wird an der Stelle überaus deutlich. Interessant ist dabei, dass an beide Positionen eine ganze Reihe weiterer unterschiedlicher Einschätzungen und Bewertungen geknüpft sind. Parsons schätzt die Orientierung an allgemeinen Leistungsmaßstäben als kulturelle Errungenschaft. Die amerikanische Gesellschaft erscheint ihm nach dieser Maßgabe nicht nur gut gefügt; er glaubt sogar, dass diejenigen, die dagegen opponieren oder abseits stehen, das Wertsystem weitgehend anerkennen. Ihr abweichendes Verhalten rührt für ihn von ihrem gescheiterten Versuch her, dem Druck der allgemeinen, rationalen Anforderungen Stand zu halten (1964c: 245f.). Selbst in der delinquent gang erkennt er noch die verkehrte Erfüllung von Ansprüchen, die in einer komplexen, hoch arbeitsteiligen Gesellschaft bedeutsam sind: Einerseits Risiken einzugehen und ein hohes Maß an Energie aufzubringen, andererseits sich einzufügen und mit anderen in einer Gruppe gut zurecht zu kommen (1961: 281). Die 6

Clarke/Hall/Jefferson/Roberts 1979: 81ff. Die Bedeutung Gramscis hat Hall in zahlreichen Aufsätzen erklärt; siehe etwa Hall 1999: 36ff.; 1989a; 2004b. 132

GRAMSCI, HOGGART, HALL

Jugendkultur hält er abgesehen von radikal hedonistischen oder aggressiven Abweichungen folgerichtig für einen Bereich, in dem die später benötigten Verhaltensweisen der Eigenständigkeit und der Leistungsbereitschaft eingeübt werden; Eigenständigkeit erwirbt der Jugendliche, indem er sich deutlich von den Erwachsenen abgrenzt; Leistungsbereitschaft zeigt sich bei den Bemühungen um Meinungsführerschaft innerhalb der peer group; sie zeigt sich ebenfalls an der Kritik, mit der die längst nicht abgeschlossene Durchsetzung allgemeiner Werte idealistisch eingefordert wird (Parsons 1968a: 217ff.; Parsons/White 1968: 278f.). Auch die studentischen Proteste am Ende der 60er Jahre kann Parsons darum als Teil des amerikanischen Wertmusters einordnen. Die heftige Kritik an der mangelnden Chancengleichheit in der amerikanischen Gesellschaft lässt aus seiner Sicht den zentralen Wert der aktiven, nützlichen Leistung vollkommen intakt (1972: 158, 153). Parsons sieht ja selber einen gewissen Zusammenhang zwischen Schulleistungen und sozialer Herkunft; er ruft darum frühzeitig zu einer verstärkten Hilfe für benachteiligte Kinder niederer Schichten auf (1961: 283), wenn er auch im Gegensatz zu den linken Kritikern bereits unter den gegebenen kapitalistischen Umständen die allgemeinen, leistungsbedingten Aufstiegsmöglichkeiten und damit das Egalitätsprinzip weitgehend verwirklicht sieht. Parsons entgeht dabei allerdings, dass eine ganze Reihe der linken Kritiker nicht nur seine Einschätzungen über die weitreichenden Auswirkungen der schichtenunabhängigen, von individuellen Qualifikationen gesteuerten Auswahl der Schüler und Posteninhaber ablehnt; erst spät hebt er den gegenkulturellen Anteil der Neuen Linken hervor.7 Auch von Stuart Hall trennt ihn darum keineswegs allein die unterschiedliche Bewertung der Bedeutung von Jugendkulturen. Es geht Hall nicht ausschließlich darum, die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse als Fessel der enorm ausgeweiteten Produktivkräfte zu kritisieren; Hall ist im Unterschied zu traditionellen Sozialisten die Kritik an den Arbeits- und Organisationsformen, welche die Entfaltung der technisch-wissenschaftlichen Möglichkeiten mit sich bringt, keinesfalls fremd. In einem Aufsatz über die amerikanische Hippie-Bewegung, mit der er zum Teil sympathisiert, stellt Hall prägnant heraus, in welch 7 Talcott Parsons: »The Problem of Balancing Rational Efficiency with Communal Solidarity in Modern Society«, 1973, zit. n. Alexander 1983: 271. 133

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

starkem Maße diese Subkultur all die Werte, die Parsons als entscheidend für die westliche Welt ansieht, flieht. Ihre Betonung des Passiven, Irrationalen, diffus Lustvollen, Unmittelbaren, Spontanen steht in genauem Widerspruch zu den Werten einer Gesellschaft, die in Ausbildung und Arbeit auf Selbstkontrolle und instrumentelle Aktivität baut. Wie total ihre Ablehnung des vorherrschenden Wertmusters ist, zeigt sich eindrucksvoll daran, dass die Hippies der Schule und Universität absagen, obwohl sie als Abkömmlinge der Mittelschicht deren Ansprüche recht unproblematisch hätten erfüllen können. Natürlich bestehen zwischen den Hippies und den Anhängern einer Neuen Linken beträchtliche Unterschiede. Hall weist jedoch darauf hin, dass Letztere viele neue Aktionsformen und Arten des direkt körperlich-expressiven wie auch des symbolischen Protests von jenen übernehmen oder mit ihnen teilen: Das Verdienst der Hippies sei es, »Fragen des Stils« zu einem politischen Anliegen gemacht zu haben. Gemäß seiner marxistischen Ausrichtung muss Hall allerdings anfügen, dass viele Verhaltensweisen der Hippies in das »System« eingefügt werden könnten, falls das alternative Leben nicht Teil einer politischer organisierten Bewegung würde (1969: 183, 174, 194 und 199ff.). An der grundsätzlichen Bedeutung symbolischer Politik ändert diese Einschränkung jedoch nichts. Später wird Hall sogar noch den strikten Bezug der Sub- bzw. Gegenkulturen auf eine Klasse (auf die Arbeiterklasse bzw. Mittelschicht) zurücknehmen (2000a: 123). Im größeren Rahmen tritt entsprechend an die Stelle des Klassenkampf-Konzepts die Idee, dass sich die Auseinandersetzungen zwischen hegemonialen und gegenhegemonialen Bündnissen abspielen, welche die Klassengrenzen übersteigen. Wiederum in Anlehnung an Gramsci gewinnt darum das Populäre (oder auch, wie bei dem für Hall wichtigen Gramscianer Ernesto Laclau, das Populistische8) einen neuen, wichtigen Platz im Gefüge der Theorie und Politik britischer Cultural Studies-Anhänger. Das Populäre ist nun nicht mehr einfach, wie in den hergebrachten Konzeptionen sozialistischer Parteien und Gewerkschaften, eine Eigenschaft der Arbeiterklasse oder Ausdruck der grundlegenden Gemeinsamkeiten des Volks vor seiner Manipulation und Spaltung 8 Siehe vor allem Laclau 1977 und 2005. Stärker als Hall kritisiert Laclau Gramscis zweigeteiltes Modell und geht stattdessen allgemein von pluralen Auseinandersetzungen aus (Laclau/Mouffe 1991: 179). 134

GRAMSCI, HOGGART, HALL

durch bürgerliche Ideologien (T. Bennett 1986). Eine Liste von Dingen oder Verhaltensweisen, die populär sind, wird dadurch gegenstandslos oder irreführend, wenn sie als Wesensbestimmung angelegt ist (Hall 1980: 40; 1989b: 93f.). Für Stuart Hall bildet das Populäre immer nur einen Teil eines umkämpften Gegensatzpaares, dessen anderer Teil die elitäre, dominierende Kultur ist. In der fortwährenden Spannung zwischen beiden Polen können im Laufe der Zeit einige derselben Objekte mal auf der einen, mal auf der anderen Seite auftauchen (die Änderung der hegemonialen Kulturdefinition seit dem Zweiten Weltkrieg – die teilweise Bewegung weg von der alten Hochkultur hin zur Anerkennung amerikanischer Ausprägungen des Jazz, Rock, Kinos und Designs [Hall 2000a: 99] – liefert in unserer Zeit zahlreiche Beispiele dafür). Ebenso bleibt danach offen, ob die populäre Kultur – der Gegensatz zur legitimen, auch staatlich-institutionell anerkannten Kultur – als Motor der Zustimmung oder Ablehnung gegenüber den herrschenden Klassen fungiert. Die populäre Kultur gerät für Hall wie für einen Anhänger der freiheitlichen, pluralen Demokratie zu einem entscheidenden Platz, auf dem sich die wichtigen Entscheidungen, Formierungen und Haltungen innerhalb einer Gesellschaft bilden, auch wenn Hall im Unterschied zu einem Liberalen keineswegs von einer Gleichrangigkeit der Akteure und ihrer institutionellen Mittel ausgeht. Die herrschende Hegemonie manifestiert sich für ihn bereits nachhaltig in der staatlichen und privaten Verfügungsmacht über die Medien, aber auch über die Schule. Trotz dieser bedeutenden Einschränkung sieht Hall jedoch die populäre Kultur als möglichen erfolgreichen Ort des Kampfes der popular classes gegen die Allianzen des power-blocs an; er sieht sie aber gleichfalls als Ort an, innerhalb dessen ein Höchstmaß an nationalistischer oder sozialdarwinistischer Zustimmung erreicht werden kann (1981: 235f., 238f.; 1989c: 180ff.).

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13 MICHAIL BACHTIN UND JOHN FISKE: KARNEVALESKE UMKEHRUNG (C U L T U R A L S T U D I E S , T E I L II) Neben Antonio Gramsci ist Michail Bachtin der zweite wichtige theoretische Bezugspunkt der Cultural Studies. Stuart Hall beruft sich ausdrücklich auf Bachtin, wenn es ihm darum geht, den positiven Klang des Begriffs der populären Kultur hervorzuheben. Das Populäre als Moment der lokalen Alltagserfahrungen der »gewöhnlichen Leute«, als Ensemble der authentischen Genüsse und Traditionen des »Volkes« kann Hall als Konzept gebrauchen, weil Bachtin ihm eine historische Ausprägung gegeben hat, die sich von einer naiven oder reaktionären Idee völkischer Ursprünglichkeit oder einem realsozialistischen Populismus deutlich unterscheidet (Hall 2000b: 103). Ablesen kann man diese Differenz bereits an Daten von Bachtins Veröffentlichungsgeschichte. Bachtins Hauptwerk über Rabelais und seine Welt aus den 30er Jahren konnte erst ein Jahrzehnt nach dem Tod Stalins 1965 erscheinen.1 Vom Volk im stalinistischen Sinne ist Bachtin weit entfernt, man bemerkt es rasch, obwohl es sich bei Bachtins Werk um das Buch eines Philologen handelt, der ein historisch entlegenes Thema zum Forschungsgegenstand nimmt. Die Volkskultur, als wirkliche Grundlage von Rabelais’ Renaissance-Roman Gargantua und Pantagruel, konzipiert Bachtin auf eine Art und Weise, die gleich von Beginn an entschieden ab1 Bachtin 1995. Seitenzahlen im Text beziehen sich auf den folgenden Seiten immer auf diese Ausgabe. Andere Schriften Bachtins, in denen Thesen des Rabelais-Buches neu formuliert werden, sind Bachtin 1979a: 325ff.; 1989: 183ff. Zu Bachtin in Sicht der Cultural Studies vgl. Stallybrass/White 1986: 6ff. 137

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

weichlerische Züge trägt. Diese Volkskultur ist für ihn eine Kultur des Gelächters und des Karnevals. Bachtin trennt sie (und mit ihr Rabelais) ausdrücklich von allen herrschenden literarischen Kanonbildungen nach dem 16. Jahrhundert. Das geht nicht nur gegen den Klassizismus, auch die Wertschätzung der Romantik für Folklore und Volkslieder ist daran gemessen nur eine stark verkümmerte Form der Wiederaufnahme (1995: 51). Wenn Bachtin als wichtiges Merkmal des Karnevals hervorhebt, dass er die Unterscheidung zwischen Zuschauern und Darstellern aufhebe (55), meint man neben einer historischen Beschreibung deutlich einen Bezug auf avantgardistische, linksfuturistische Ansprüche der 20er Jahre herauszuhören. Dass die »volkstümliche Lachkultur« nicht nur im Widerspruch zur bürgerlichen Ästhetik steht, sondern ebenfalls zur stalinistischen Kunst und Politik, sagt Bachtin freilich nicht. Trotzdem formuliert er immer wieder Zeilen, die ihre Vergangenheitsform zu leugnen scheinen. Die offenkundige Sympathie Bachtins für seinen Untersuchungsgegenstand verstärkt den Eindruck noch; das gilt nicht allein für Detailstudien, sondern ebenso für zusammenfassende Partien: Den Karneval bestimmt er grundsätzlich als festliche Befreiung von den offiziellen, herrschenden, ernsten Wahrheiten, Zwängen und Tabus der feudal-klerikalen Gesellschaftsordnung, er bestimmt (und preist) ihn als eine zeitweise Aufhebung der hierarchischen Verhältnisse, die alles Bestehende und vorgeblich Vollendete im Namen des unablässigen Werdens und Vergehens verkehrt, bricht und auflöst. Zu den karnevalesken Methoden gehört u.a. die sprachliche Unsinnskomik, nur durch Reime und Lautähnlichkeiten geordnet (468), dazu gehört die Verfremdungstechnik, die Benutzung von Dingen ganz gegen ihren üblichen Gebrauch (419), zu ihnen gehören vor allem Parodien und Herabwürdigungen, Verwünschungen, Flüche und Obszönitäten. Das befreiende Lachen, das auf sie folgt und dem sie entwachsen, ist keineswegs nur ein aggressives Verlachen, es ist spöttisch und heiter, es wirkt zerstörerisch und belebt zugleich (61). Dieser Doppelaspekt ist Bachtin besonders wichtig. Die Rückführung und Erniedrigung des Ernsten und Hohen auf das Vulgäre und Geschlechtliche besitzt nach seinem Urteil in der volkstümlichen Lachkultur auch eine eminent positive Bedeutung, weil sie die herabgesetzten Dinge dadurch wieder ihrer »fruchtbaren Basis« annähere, wo sich alles erneuere und im Überfluss wachse (71). 138

BACHTIN UND FISKE

Überfluss meint hier in starkem Maße auch Überfließen, eine Bewegung über die Körpergrenzen hinaus. Dieser »groteske Körper« (wie ihn Bachtin bezeichnet) verletzt alle Regeln klassizistischer Perfektion und Abgeschlossenheit, indem er ständig diejenigen Körperteile betont, »die entweder für die äußere Welt geöffnet sind, d. h. durch die die Welt in den Körper eindringen oder aus ihm heraustreten kann, oder mit denen er selbst in die Welt vordringt, also die Öffnungen, die Wölbungen, die Verzweigungen und Auswüchse: der aufgesperrte Mund, die Scheide, die Brüste, der Phallus, der dicke Bauch, die Nase. Das Wesen des Körpers als das Prinzip des Wachstums und Über-sich-hinaus-Wachsenden enthüllt sich nur in Momenten wie dem Koitus, der Schwangerschaft, der Geburt, dem Todeskampf, dem Essen, Trinken und Sich-Entleeren. Er ist das ewig Unfertige, ewig Entstehende und Erschaffende, ein Glied in der genetischen Entwicklung, genauer gesagt zwei Glieder an dem Punkt, an dem sie sich vereinen, ineinander übergehen.« (76)

Das Prinzip der Überschreitung darf hier freilich nicht als individuelles aufgefasst werden. In einer weiteren eindrucksvollen Passage hebt Bachtin hervor, dass der groteske Realismus als karnevaleske Form sich keineswegs auf den einzelnen Leib oder gar den egoistischen Bürger richtet, sondern auf das Volk, auf ein »sich stets entwickelndes und erneuerndes Volk. Daher ist hier alles Körperliche so grandios, hyperbolisiert und maßlos. [...] Überfluß und der Bezug aufs ganze Volk prägen auch den besonderen heiteren und festlichen, bewußt nichtalltäglichen Charakter aller Motive des materiellleiblichen Lebens. Das materiell-leibliche Prinzip hat etwas von einem Fest, Gelage, Triumph, von einem ›Gastmahl für die ganze Welt‹.« (69)

Auch an allen anderen Stellen seines Werkes nennt Bachtin den Träger jenes Widerspruchs gegen die Trennung und Unterordnung immer »Volk«; die karnevaleske Tradition des Volkes reiche Jahrtausende zurück und sei stets auf eine sich fortpflanzende Zukunft gerichtet: »Der Volkskörper auf dem Karnevalsplatz fühlt seine Einheit vor allem in der Zeit, fühlt in ihr seine eigene ununterbrochene Existenz, seine relative historische Unsterblichkeit. Das Volk hat folglich nicht ein statisches Bild seiner Einheit (›eine Gestalt‹), sondern die dynamische Vorstellung von 139

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

Einheit und Ununterbrochenheit im Wachsen und Werden. Deshalb halten alle volkstümlich-festlichen Motive eben das Moment des Werdens fest, das Moment der unvollendeten Metamorphose, der Erneuerung im Tod. All diese Motive sind (latent) zweileibig: überall ist das Gattungsmoment unterstrichen, Schwangerschaft, Entbindung, Zeugungskraft [...]. Der Karneval inszeniert in all seinen Motiven und Szenen, den Obszönitäten und bestätigenden Verwünschungen diese Unsterblichkeit und Unzerstörbarkeit, und in ihm verbindet sich das Gefühl für die Unsterblichkeit des Volkes mit dem Gefühl für die Relativität der realen Machtverhältnisse und der herrschenden Wahrheit.« (296f.)

Weniger direkt auf den Körper, sondern auf die soziale Ordnung bezogen, bestehen die Volksmassen dann aus den Niederen, die den hohen Herren, unter den gegebenen Machtverhältnissen um 1500 den Adeligen und Bischöfen, entgegenstehen. Wenn man genauer hinschaut, bleibt es jedoch nicht bei dieser Bestimmung des Volkes als unterdrückte Klasse, die sich während einiger Tage der Karnevalsfeste jene Handlungsfreiheit und Redehoheit verschafft, die ihr nach Bachtins kryptomythologischer Deutung grundsätzlich innewohnt. Das Volk, das sind die Karnevalsteilnehmer, richtig – da aber Bachtin in die lokalisierbare Menge auf dem festlichen Marktplatz auch die Angehörigen der hohen Stände einschließt, welche sich ihrer gewohnten Schicklichkeitspflichten entkleiden, umfasst das Volk dort alle Menschen, die sich zu dem ungewöhnlichen Anlass einmal ohne Ansehen von Rang und Besitz familiär begegnen (59). Ebenfalls nicht vollständig ins Bild der grotesken Lachkultur des (niederen) Volkes passt Bachtins Nachweis, dass in der Renaissance für einige Jahrzehnte diese vulgäre Volkssprache in die hohe Literatur vordringt. Der mittelalterliche Mensch sei strikt zwiegespalten gewesen, tiefer religiöser Ernst habe ihn nicht davon abgehalten, an einigen Tagen des Jahres närrisch dagegen zu verstoßen (144); in der Renaissance hingegen vermischten sich in der Kultur der Gebildeten offizielle und nichtoffizielle Sprache und Haltung, während sie in den Jahrhunderten danach wieder strikt voneinander geschieden würden; sie überlebten in erster Linie in der familiären, nichtoffiziellen Rede sowie in der neuen Gattung des Romans (mit seiner Mischform der Mehrsprachigkeit [Bachtin 1979b]). Umso mehr rückt Bachtin die Zeit der Renaissance in ein helles Licht: In der Renaissance habe die karnevaleske Volkstümlichkeit den »Zustand künstlerischer Bewußtheit« erreicht (1995: 122f.). 140

BACHTIN UND FISKE

Stuart Hall nun dürfte die Gleichsetzung von materiell-sinnlicher Volkskultur mit vorbewusster Natürlichkeit kaum gefallen, wenn ihm auch die Verknüpfung des Volkstümlich-Populären mit dem Informellen und Grotesken grundsätzlich zusagt. Wie gesehen, akzeptiert Hall die Bedeutung des Populären als authentischen Ausdruck einer Kultur der Unterseite, wenn sie als Mittel des Widerstands dagegen benutzt wird, als niedere Kultur abgestempelt zu werden. Von besonderem Interesse ist jedoch für Hall Bachtins Hinweis auf die karnevaleske Vermischung, solange sie nicht im Bilde des einen (nicht entfremdeten) Menschen aufgeht, sondern in der Leitvorstellung einer unreinen und hybriden Praxis. Solch eine Konzeption der Vermischung darf folgerichtig nicht mehr darauf abzielen, das Niedere an die Stelle des Hohen zu setzen. An die Stelle der bloßen Umkehrung muss der Versuch treten, die Grenze, die von dem starren Gegensatz behauptet wird, nach beiden Seiten zu überqueren. Tatsächlich, schreibt Hall, sei die Vermischung selbst bei ihrer Leugnung bereits häufig anzutreffen; sein bevorzugtes Beispiel dafür ist die Ambivalenz, die in der Darstellung der karnevalesken unteren Schichten oft anzutreffen ist, eine Ambivalenz, die in den fasziniert-abgestoßenen erotischen Phantasien über deren vorgeblich zügelloses Leben am deutlichsten zum Ausdruck kommt (2000a: 119f.). Bei aller grundsätzlichen Wertschätzung für die Arbeit Bachtins innerhalb der angloamerikanischen Cultural Studies bleibt Halls Zusammenfassung aber nicht unangefochten. Zu einer anderen Einschätzung im Zuge der Lektüre Bachtins kommt ein weiterer wichtiger Vertreter der Cultural Studies, John Fiske. Der Unterschied liegt genau darin, dass Fiske viel stärker als die Vermischung die Umkehrung positiv betont. Die karnevalesken Elemente preist er durchgehend, weil sie dem offiziellen Kode widerstreben. Als Beispiele dafür führt er in der Gegenwart etwa die Wrestling-Shows an.2 Solche Beispiele zählt er stets (und ausschließlich) zur populären Kultur, obwohl sie, wie er zu Recht herausstellt, von der Volks2 Fiske 1993a: 241ff. – Eine ähnliche Wertung, hier wesentlich stärker hinter einer Beschreibung verborgen, von einem anderen einflussreichen Vertreter der Cultural Studies: »Popular Culture often inscribes its effects directly upon the body: tears, laughter, hair-tingling, screams, spine-chilling, eye-closing, erections, etc. These visceral responses, which often seem beyond our conscious control, are the first mark of the work of popular culture: it is sentimental, emotional, moody, exciting, prurient, carnivalesque, etc.« Grossberg 1982: 79. 141

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kultur, die Bachtin beschreibt, wesentlich unterschieden sind, da sie keineswegs insgesamt direkt der Volkskultur entstammen, sondern als Produkte fast immer von der Kulturindustrie hergestellt und vertrieben werden.3 Trotzdem spricht Fiske stets von der populären Kultur als einer Kultur der Unterdrückten. Ihre Lust an den Produkten der Kulturindustrie sei immer eine politisch bedeutende Empfindung, die den Imperativen der Herrschaft zuwiderlaufe oder ihnen ausweiche. Fiske hält diese Behauptung unverändert aufrecht, obwohl er die Gegenstände der populären Kultur selbst nicht allein als Produkte der Kulturindustrie kennzeichnet, sondern auch als solche der hegemonialen, disziplinierenden Ideologie (1989: 49ff., 28). Hybride ist die Populärkultur aber nur deshalb, weil sie mit solchen Quellen, die ihr fremd sind, umgehen muss (2001: 302). Rein bleibt sie in der definitiven Sicht Fiskes, da sie diese Ressourcen subversiv nutze, ihre vorgegebenen Bedeutungen vervielfältige, breche oder ignoriere. Nach dieser Logik ist die populäre Kultur eben eine Kultur des Widerstands. Innerhalb der gewählten Voraussetzungen schlüssig ist ebenfalls, dass Fiske darauf dringt, die Untersuchung des populären »Texts« nie auf die angebotene Ware zu beschränken, sondern immer auf deren Gebrauch auszuweiten; nur so bekommt man die populäre Kultur in seinem Sinne überhaupt in den Blick, nur so erkennt man die populäre Gegenmacht (1989: 123ff.). Die Akte des Widerstands, auf die man dann stößt, sind äußerst vielfältig. Fiske redet von der Herrschaft nicht in einem marxistischen Sinne, es geht ihm nicht allein um die Beteiligung an den Produktionsmitteln. In seinen kritischen Begriff der Herrschaft gehen kapitalistische und patriarchalische Züge ein, auch jede Form des Leistungsgebots und der strikten Arbeitsteilung fällt darunter. Die populäre Kultur (also die Kultur des Widerstands) zeigt sich darum für ihn bereits, wenn sich Frauen durch romantische soap operas ermutigt fühlen, eigenständiger gegenüber ihren rationalistischen Ehemännern aufzutreten, oder wenn Jugendliche sich der schulischen Zeitordnung entziehen, indem sie Stunde um Stunde an Spielautomaten stehen. All dies sind für Fiske zwar kleine, aber dennoch bedeutende Abweichungen von der herrschenden Macht und nicht einfach Handlungsmöglichkeiten in einer liberalen Gesellschaft, die dem Einzel3 Fiske 1989: 27. Zu Fiske vgl. die kritische Zusammenfassung von McGuigan 1992: 70ff. 142

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nen beträchtliche Spielräume zur individuellen Entfaltung bietet (2000a: 57). Konsequenterweise unterzieht Fiske auch das Objektivitätsgebot, wie es in Teilen der Publizistik und im nahezu gesamten Bereich der Wissenschaften vertreten wird, einer scharfen Kritik; es erscheint ihm sogar repressiver zu wirken als die Gegenstände der Kulturindustrie. Ganz eigenständig kann die populäre Kultur ihre Kraft des Widerstands nach dieser zweiten Argumentationslinie Fiskes offensichtlich doch nicht entfalten; als Bedingung nennt Fiske an der Stelle, dass die subversive Populärkultur an kulturindustriellen Produkten ansetzen kann, die, wie widerstrebend oder unfreiwillig auch immer, keine ganz eindeutige Botschaft oder erzählerische Geschlossenheit aufweisen. Populäre Texte sind darum Texte, die man abwandelnd gebrauchen kann (ebd.: 103ff.), das Populäre ist nach Fiskes Auffassung vieldeutig und deshalb »funktional« (2000b: 57). Die seriösen Nachrichten wie die wissenschaftlichen Verlautbarungen seien dagegen auf eine Lesart festgelegt; tatsächlich lasse ihr unpersönlicher, offizieller Ton, der die Ansichten des power-blocs aus den Institutionen der Exekutive, Industrie, Schule und Universität als interesselose, objektive Wahrheit ausgebe, schwerlich einen populären Gebrauch zu. Fiske (1992) scheut sich nicht, als deren Widerpart die Boulevardpresse positiv hervorzuheben. Ihre Vermischung aus Fakten und Fiktionen, ihre Übertreibungen und Elemente spielerischer Rhetorik, ihr Bemühen, Entscheidungen in ihrer Wirkung auf den moralischen oder finanziellen Haushalt der gewöhnlichen Leute darzustellen, ermögliche eine eigenständige Rezeption und sogar ein skeptisches Gelächter. Fiske schließt den Anspruch auf Rationalität und Objektivität, den die Wissenschaften erheben, mit dem politökonomischen Anspruch des herrschenden Blocks kurz, nicht nur zu bestimmen, sondern auch alternativlos zu wissen, was für alle (nicht allein für die Unternehmer und Organisationsleiter selbst) das Beste sei. Darum kann er selbst phantastische, grotesk übertriebene oder abergläubische Sensationsberichte als Einspruch gegen die herrschende Definitionsmacht schätzen. Die postmoderne, poststrukturalistische Leitlinie, essentielle Wahrheiten bzw. die Korrespondenz von Aussagen und Sachverhalten zu negieren, indem man sie als trügerischen Effekt stillgestellter Sprachspiele oder abgeblendeter Kontexte auffasst, erfährt dadurch bei Fiskes Apologie des Populären eine ver143

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blüffende Bedeutung. Bleibt die poststrukturalistische Leitlinie im Wissenschaftsbereich oder gehobenen Feuilleton ohne Konsequenz (außer der für den Autor, sich als philosophischer Kopf präsentiert zu haben), erlauben nicht zuletzt die Berichte über paranormale Phänomene in Fiskes Sicht eine wirkliche Herausforderung der vorgeblich unpolitischen und universellen offiziellen Wahrheiten (1989: 182f.; 1999a; 1993b: 181ff.). Mit dieser Volte dreht Fiske die gängige Kritik an der Populärkultur vollständig um: Er verteidigt sie keineswegs im Namen bloßer Unterhaltung, sondern bezieht auch die Sphäre der Meinungsbildung in sein Lob ein. Die öffentliche Meinung wiederum lässt er nur als Teil der populären Kultur gelten, wenn sie anhand offener, inoffizieller Texte zustande kommt. Dass Fiske in solchen populären Lesarten und lustvollen Aneignungen (in der Lust an der Übertreibung, den sinnlichen Sensationen, den grotesken Abweichungen) ein im positiven Sinne bedeutendes, widerständiges Potential gegen die kapitalistisch-rationalistischen Mächte erblickt, macht die Umdrehung perfekt.

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14 PAUL LAZARSFELD: REZEPTIONS- UND MEINUNGSFORSCHUNG Zu Beginn seiner theoretischen Grundschrift Understanding Popular Culture weist Fiske darauf hin, dass es sich bei den populären Kräften nicht um eine soziologische Einheit handele, die man in der Wirklichkeit identifizieren und dann einer empirischen Studie unterziehen könne. Das Populäre sei ein wechselnder set unterschiedlich zusammengesetzter Anhängerschaften, man könne es nicht auf soziale Faktoren wie Klasse, Geschlecht, Alter etc. zurückführen (1989: 24). Es fragt sich dann nur, weshalb man etwas, das wechselt, nicht empirisch untersuchen sollte; schließlich lässt Fiske doch selber keinen Zweifel daran, dass beispielsweise ein populärer, sprich: nicht-hegemonialer Gebrauch von Boulevard-Zeitungen oder Madonna-Videos zu einer gegebenen Zeit wirklich stattfindet. Wogegen er sich lediglich richten müsste, ist bloß die prinzipielle Identifizierung des Populären mit dem Pöbel, den niederen Klassen oder der ferngesteuerten Masse, wie sie lange von vielen Autoren vorgenommen worden ist. Auch diese Autoren verlangen nicht nach einer empirischen Untersuchung; die einzige Angabe, welche sie benötigen, ist eine Mengenangabe, der sie aber natürlich ohne genaue Überprüfung stets gewiss sind: Der populäre, also minderwertige Geschmack ist immer der Geschmack der großen Mehrheit. Gleiches gilt auch, wenn das Volk oder die unterdrückten Klassen zum Inbegriff einer wesenhaften, authentischen oder widerständigen Kultur erklärt werden; in diesem Fall wird ebenfalls regelmäßig von einer großen Zahl, von einer manchmal schweigenden, aber untergründig stets vorhandenen Mehrheit ausgegangen. Je tiefer diese Überzeugung reicht, desto belangloser erscheint ihren Verfechtern eine Überprüfung nach Zahl und Zusammensetzung; im Unterschied

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THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

zu Fiske glauben sie eben an das eine Volk, an die einheitliche kulturelle Tradition, die sich ohne Unterlass fortsetzt. Um genauere Daten kümmern sich die Wissenschaften erst seit den 30er Jahren. Die treibende Kraft dafür in der amerikanischen Soziologie ist Paul Lazarsfeld. Bereits vor seiner Auswanderung 1935 in die USA hat der Österreicher Lazarsfeld neben Untersuchungen über die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auf die dörfliche Bevölkerung erste Marktstudien angestellt (und dabei etwa herausgefunden, dass der proletarische Konsument süße anstatt bitterer Schokolade bevorzugt [1975: 152, 157]). In Amerika wird er solche Erhebungen innerhalb der soziologischen Fakultät verankern und auf diese Weise erheblich zur Umgestaltung des Faches von einer theoretischen zu einer vornehmlich empirischen Wissenschaft beitragen. Lazarsfeld kann dabei auf das Interesse einiger Teile der amerikanischen Industrie zurückgreifen, die exakte Zahlen über Käufer und Rezipienten benötigt. Eine bedeutende Rolle spielt hier das neue Medium Radio. Im Gegensatz zu den Zeitungen, die sich an ihrer verkauften Auflage orientieren, mussten die Radiosender die Größe ihres Publikums erst ermitteln lassen. Wie Lazarsfeld berichtet, zogen die Zeitungsverlage (nicht zuletzt im Interesse ihrer Werbekunden) schnell nach, um dann über Daten zur Reichweite ihrer Publikationen (also über die Menge der Leser, nicht der Käufer) zu verfügen (1968a: 163f.). Zu solchen Untersuchungen, wie etwa vom Gallup-Institut, das über viele Jahrzehnte innerhalb der kommerziellen Meinungsforschung eine führende Position einnehmen wird, zählen aber auch Angaben zum Lektürevorgang, die den Redakteuren neue Einsichten vermitteln, etwa dass die meisten Zeitungsleser zuerst anfangen, den Comic auf der letzten Seite zu lesen und nicht den Leitartikel; eine Erkenntnis, welche die Zeitungsmacher in zweifacher Hinsicht überrascht, hatten sie doch im Comic Strip eine Beigabe für die Kinder der Leser gesehen. Andere Ergebnisse im Rahmen der Forschungen zum Radio, mit denen Lazarsfeld die wissenschaftlich institutionalisierten Untersuchungen beginnt, überraschen weniger, etwa dass die Musikverlage eine recht große Kontrolle darüber besitzen, einen Hit zu produzieren; Lazarsfeld spricht hier von der »formation of public taste« (1941: IX). Dieser Geschmack ist jedoch keineswegs unendlich formbar; mit Robert K. Merton weist Lazarsfeld darauf hin, dass die versuchte Anhebung des Geschmacks durch die Entscheidung von 146

PAUL LAZARSFELD

Radiosendern, anstelle von soap operas klassische Musik zu senden, erfolglos blieb; die Einschaltquote zeigt es bereits an. Eingehendere Untersuchungen liefern zudem den Nachweis, dass die relativ wenigen Hörer der Sendungen bereits zuvor mit klassischer Musik vertraut waren, neue Hörerschichten also trotz des weitverbreiteten Mediums Radio nicht hinzukamen (Lazarsfeld/Merton 1973: 463f.). Ein weiteres Ergebnis aus Lazarsfelds Forschungsprojekt klingt zunächst weniger vertraut: Leute mit einem College- oder High School-Abschluss hören die amerikanische Hitparade (45 Millionen Zuhörer insgesamt!) lieber als diejenigen ohne ein solches Zertifikat; die Zahl belegt jedoch nur, dass die aktuellen Hits lieber von jüngeren als alten Menschen gehört werden (Peatman 1944: 356). Ohne weiter ins Detail zu gehen, gilt es zwei Dinge festzuhalten: Zu einer Aufschlüsselung nach Hörertypen gehört im Zuge der empirischen Erhebung zumeist die Angabe, aus welchen sozialen Schichten, Altersgruppen etc. sie sich zusammensetzen. Noch grundsätzlicher: Die amerikanische Rezeptions- und Meinungsforschung beschäftigt sich vorwiegend »with public opinion, with mass beliefs, with what has come to be called ›popular culture‹«, wie Merton Ende der 50er Jahre festhält (an den Anführungsstrichen um »populäre Kultur« kann man ersehen, wie neuartig dieser Begriff in dem Zusammenhang noch ist [1967: 441]). Ein derartiger Begriffsgebrauch lässt bereits erahnen, dass die öffentliche Meinung keineswegs mehr mit dem Ergebnis rationaler Diskussion unter (gebildeten) Bürgern gleichgesetzt wird. Angesichts der »Wirklichkeit der Meinungsbefragung« spricht Lazarsfeld von der öffentlichen Meinung als einer »gut analysierten Einstellungsverbreitung«, die öffentliche Meinung ist also das, was die Meinungsforschung ergibt. Zu deren Ergebnissen zählt wiederum zumeist, dass bestimmte Meinungen, bestimmte Sendungen oder bestimmte Parteien in der Mehrzahl von bestimmten Schichten vertreten oder gewählt werden. Eine öffentliche Meinung gibt es folglich nicht, sondern nur je unterschiedlich stark gewichtete Äußerungen verschiedener Bevölkerungsgruppen. Da die meisten Menschen aber verschiedenen sozialen Bindungen zugleich unterliegen (Schichtzugehörigkeit, Herkunft, Konfession usw.), muss es nicht immer zu gleichen Mehrheiten kommen (Lazarsfeld 1968b: 16; Lazarsfeld/Berelson/Gaudet 1969: 27). Die Auffassung von der Masse atomisierter, bindungsloser Einzelner verliert dadurch ebenso stark an Gewicht wie das behaviou147

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ristische Kommunikationsmodell, nach dem sich die gesendeten Reize in gewünschten Reaktionen niederschlagen: Nicht alle Rezipienten nehmen die Aussagen der Medien, der Propaganda, der Werbung etc. als eine Botschaft wahr, geschweige denn, dass sie ihnen immer willfahren. Die jeweilige Schicht- oder Religionszugehörigkeit etwa steht dem entgegen – und selbst wenn die Sendung sich an eine homogene Gruppe wendet, muss immer berücksichtigt werden, ob sie den Ansprüchen und üblichen Verarbeitungsweisen der Gruppe entgegenkommt, sonst bleibt sie ohne jede positive Resonanz (Lazarsfeld/Merton 1967). Gegenüber vielen anderen Modellierungen der Populärkultur weist Lazarsfelds empirischer Ansatz darum einen entscheidenden Vorteil auf: Die Behauptungen über die Einheitlichkeit einer Volksoder Klassenkultur und über die durchschlagende Steuerungskraft der kulturindustriellen Medien lassen sich nach genauerer Untersuchung (bzw. Messung) nicht mehr einfach aufrechterhalten.1 Auch John Fiske (2001) etwa zitiert deshalb ausführlich Erhebungen (selbst wenn sie von der Werbewirtschaft durchgeführt worden sind), um gegenüber konservativen Zuschreibungen zu belegen, dass es beispielsweise den Hispano nicht gibt. »Postfordistische Kapitalisten« sähen über Unterschiede eben nicht hinweg, ihre Umfragen zeigten ihnen, dass die Hälfte der spanisch sprechenden Einwanderer in San Francisco zur Kirche gingen, in Phoenix dagegen nur ein Viertel – und viele andere Besonderheiten mehr. Selbst Adorno erkennt lobend an, dass die empirischen Erhebungen dazu beitragen, gängige Annahmen und Ressentiments zu den Vorlieben und Bewusstseinsformen der ›niederen Schichten‹ zu widerlegen (1972b: 208). Trotzdem zählt er insgesamt zu den schärfsten Kritikern der neuen soziologischen Richtung in den 50er und 60er Jahren. Ebenso wie C. Wright Mills (1959: 51) bemängelt er, dass sie nur den Umfang subjektiver Meinungen ermittle (Adorno 1972c: 51). Das verwundert, die beiden ehemaligen, zeitweiligen Mitarbeiter Lazarsfelds, Adorno und Mills, sollten es besser wissen,2 legt doch Lazarsfeld (1973: 77) großen Wert darauf, nicht bloß 1 Siehe etwa Lazarsfelds Untersuchung aus dem Jahr 1944 darüber, wer Radio hört oder eben aus welchen Gründen bewusst nicht hört (Lazarsfeld/Dinerman 1949). Zu Lazarsfelds Erhebungen vgl. den kritischen Überblick von Böckelmann 1975: 109ff. 2 Zum Verhältnis von Lazarsfeld und Adorno vgl. Jay 1976: 226ff., 264ff. Von Lazarsfeld (1975: 199ff.) liegt ein eigener Bericht zur Zu148

PAUL LAZARSFELD

Ansichten zu protokollieren und statistisch aufzubereiten, sondern mit Hilfe immer versuchsweise verfeinerter Befragungs- und Beobachtungsmethoden die Gründe nachzuweisen, weshalb Meinungen und Vorlieben gehalten und geteilt werden, welchen Einfluss sie ausüben und wie sie verbreitet werden (auf besonders starke Beachtung ist sein Nachweis gestoßen, dass die amerikanischen Wähler um 1950 ihre Stimme vornehmlich nicht auf Grund eingehender, individueller Überlegung abgeben, sondern sich an den Meinungen für sie wichtiger Vertrauenspersonen und opinion leader aus ihrem Nahbereich orientieren [Berelson/Lazarsfeld/McPhee 1954: 308f.; Katz/Lazarsfeld 1955]). Der Grund für die Kontroverse dürfte darum woanders liegen. Gerade für Adorno steht nämlich trotz der grundrechtlich einigermaßen weit gefassten Meinungsfreiheit und der Existenz verschieden ausgerichteter Presseorgane immer schon fest, welche gesellschaftlichen Verhältnisse und Institutionen die subjektiven Meinungen bedingen: Es ist die Kulturindustrie, es sind die Massenmedien innerhalb einer kapitalistischen Tauschgesellschaft, die den einzelnen Menschen formen. Dessen frei geäußerte Meinung braucht deshalb gar nicht erst ermittelt zu werden, da sie ohnehin nur Ausdruck seines Zustands als »Zwangskonsument« ist (1972b: 199, 202). Eine Öffentlichkeit im Sinne der Dokumentation und des Austausches vielfältiger Meinungen »lebendiger Subjekte« muss in Adornos Augen erst noch geschaffen werden, jetzt seien die Menschen lediglich Objekte der kulturindustriellen Maschinerie (1972d: 534ff.). Anders, gegen Adorno, pointiert: Weil er seine Hoffnung auf eine alternative Gesellschaftsordnung enttäuscht sieht, gelten ihm jene innerhalb der bestehenden Gesellschaft vorgebrachten unterschiedlichen Meinungsäußerungen, die freilich darin übereinkommen, keine radikale Abkehr von ihr zu unterstützen, als ebenso uniform wie unfrei. Argumentiert man derart undifferenziert, braucht man tatsächlich keine empirischen Erhebungen mehr. Ein wichtiges, nuancierteres (wiewohl grundsätzliches) Argument gegen Lazarsfelds Untersuchungsmethode findet sich jedoch ebenfalls in Adornos kritischen Notizen wider die Meinungsforschung. Adorno weist zu Recht darauf hin, dass viele Kategorien auf den Fragebögen, die den Testpersonen vorgelegt werden, bereits sammenarbeit mit Adorno vor. Zum Verhältnis von Lazarsfeld und Mills vgl. die zum Teil auf unveröffentlichtem Archivmaterial beruhenden Ausführungen von Kellner 1982: 491ff. 149

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

die Wahrnehmungsweise (bzw. die Antwort) anleiten, da die meisten Klassifikationen in hohem Maße jene Unterscheidungen darstellen, nach denen erst gesucht wird. Erkundige sich etwa die Meinungsforschung nach dem musikalischen Geschmack und stelle dabei die Kategorien »klassisch« und »populär« zur Auswahl, so schaffe oder verlängere sie die keineswegs naturgegebene Spaltung des musikalischen Feldes nach Maßgabe dieses Gegensatzpaares (1972b: 203). In wesentlich stärker ausgearbeiteterer Form wird Stuart Hall diese Kritik zwanzig Jahre später neu fassen, wenn er in seinem einflussreichen Aufsatz Encoding/Decoding ausführt, in welch hohem Maße positivistisch festgestellte Einschätzungen und Wirkungen bereits von dem sinntragenden Diskurs, innerhalb dessen sie gemessen werden, abhängen können.3 Die Kritik an der Meinungs- und Rezeptionsforschung innerhalb der Frankfurter Schule und der Cultural Studies ist darum immer auch eine Kritik an den herrschenden Diskursen, die sich durch ihre Daten bestätigt sehen.

3 Hall 2004a: 69. Zur Entwicklung der Massenkommunikationstheorie und Rezeptionsforschung sowie des Einflusses der Cultural Studies auf sie vgl. Bonfadelli 2001; Hasebrink 2003. 150

15 PIERRE BOURDIEU: SOZIOLOGIE

DER POPULÄREN

ÄSTHETIK

Bereits in den 50er Jahren hat David Riesman (zusammen mit Nathan Glazer [1963]) nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die Meinungsforschung eher in der Produktion denn der Dokumentation von Antworten bestehe. Die Meinungsforschung unterstelle fälschlich, dass sich jeder wie ein verantwortungsvoller Bürger verhalte (bzw. verhalten solle), indem er auch zu Fragen, die mit seinem Alltag wenig zu tun haben, eine Antwort bereithalte. Der machtlose Teil der Bevölkerung gebe darum in den Umfragen Meinungen an, die er sonst wohl nie geäußert hätte. Ohne Riesmans Aufsatz zu nennen (oder zu kennen), baut der französische Soziologe Pierre Bourdieu zwei Jahrzehnte später solche kritischen analytischen Einschätzungen zur Meinungsforschung in sein voluminöses Werk über die soziale Bestimmtheit moralischer, ästhetischer und politischer Urteile ein: La distinction.1 Die feinen Unterschiede, so die deutsche Übersetzung des Titels, zeigen sich für Bourdieu auch am Werk, wenn es um die scheinbar eigenständige, spontane Beantwortung einer politischen Fragestellung geht. Die Kompetenz, auf eine politische Frage, die im »Feld der Ideologieproduktion« (etwa von Politikern, Intellektuellen oder Meinungsforschungsinstituten) vorgegeben wird, politisch (nicht moralisch oder alltagspraktisch) zu antworten, variiere individuell

1 Im folgenden Kapitel beziehen sich Seitenzahlen in Klammern ohne weitere Angaben immer auf die deutsche Ausgabe dieses Buchs (Bourdieu 1982). In diesen fast 900 Seiten umfassenden Band gehen zahlreiche vorhergehende Aufsätze und Studien Bourdieus ein, siehe etwa Bourdieu/Passeron 1971; Bourdieu u.a. 1981; Bourdieu 1993b. 151

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keineswegs zufällig, sondern nehme mit sinkendem ökonomischen und kulturellen Kapital ab (1982: 623f.). Bourdieu legt dabei großen Wert auf die Feststellung, dass diese mangelnde Kompetenz keineswegs auf mangelnde Intelligenz zurückzuführen sei, sondern auf fehlende Vertrautheit mit dem herrschenden politischen Diskurs (bzw. manchmal auch auf den Widerwillen, ihn zu übernehmen). Um in diesen Diskurs einzustimmen, benötige man das durch Herkunft und Bildungsgang geförderte Gefühl, überhaupt berechtigt oder geradezu aufgerufen zu sein, sich etwa auch zu fernliegenden Problemen der Finanz- oder Außenpolitik zu äußern (639). Die öffentliche Meinung, wie sie die Meinungsforschung im Verbund mit den Medien entdecke, sei demnach ein Kunstprodukt, dessen formierende Kraft so stark sei wie die Gruppe, welche die anstehenden Fragen der Zeit diskursiv bestimme (647). Der Verweis auf Marktanalysen, Einschaltquoten und Popularitäts-Barometer stellt für Bourdieu deshalb eine sozialtechnokratische Form der Demagogie dar (1997: 824). Ebenso wie die politische Wahl verdecke die Meinungsforschung nachhaltig die Prägung durch Machtverhältnisse, indem sie die öffentliche Meinung schlicht als Summe einzelner, isolierter Meinungen präsentiere (1993c: 221). Die Existenz von Tageszeitungen und Magazinen verschiedener politischer Färbung beirrt Bourdieu nicht in seinem Urteil. Auch diese Form der Öffentlichkeit sieht er tiefgreifend von anderen Unterschieden geprägt als denen sich gleichrangig gegenüberstehender Ansichten gesellschaftlicher Gruppen. Nur die Fraktionen der herrschenden Klasse sähen nämlich in der Zeitung eine Art politischen Führer und nicht eine Sammlung von Neuigkeiten, die einen in anderer Hinsicht direkter betreffen (Neuigkeiten über das Wetter, Sportergebnisse, Schicksale von Rollenvorbildern und Stars, lokale Ereignisse usf.). Im Gegensatz zu Fiske erkennt Bourdieu in den wenig staatstragenden Berichten über bunte und vermischte Themen jedoch keine möglichen Auslöser des Widerstands, sondern eher entpolitisierende, mäßigende Angebote. Er vergisst allerdings nicht, darauf hinzuweisen, dass die scheinbar informativeren Artikel der Qualitätspresse in ganz ähnlicher Weise der Unterhaltung und dem persönlichen Interesse dienen: Nachrichten über Fraktionskämpfe, ministerielle Beschlüsse, wechselnde Parteiämter, Tagungen, Quartalsergebnisse, Managerwechsel etc. sind für die Angehörigen der herrschenden Klasse Nachrichten über Bekannte und über Phäno152

PIERRE BOURDIEU

mene, die direkt ihre Laufbahn oder ihren Kontostand betreffen. Das besondere Interesse der Mitglieder der führenden Schichten an sog. Angelegenheiten allgemeinen Interesses findet für Bourdieu folgerichtig seinen Grund darin, dass deren besondere Interessen ganz unmittelbar mit solchen ›wichtigen Angelegenheiten‹ verbunden sind (1982: 694). Die Trennung der Presse in seriöse Zeitungen und Boulevardblätter gemäß der Unterscheidung von »Verstand und Sinnlichkeit, Reflexion und Sensation« lässt Bourdieu darum nur bedingt gelten. Er hält sie für angemessen, sofern sie auf den Unterschied zwischen denjenigen, welche die Politik lediglich passiv hinnehmen müssen, und jenen, die sich dank ihrer Machtposition einen distanzierteren Überblick erlauben können, zurückgeführt wird. Er hält sie für gänzlich verfehlt, wenn diese Möglichkeit eines distanzierten Blicks mit einem interesselosen Standpunkt gleichgesetzt wird (699). Nach dem bislang Gesagten mag vielleicht überraschen, dass Bourdieu dennoch die weiterreichende Maßnahme der Meinungsforschung, Ansichten nicht nur zu zählen, sondern sie auf Faktoren wie berufliche Stellung oder Einkommen rückzubeziehen, kritisiert. Sogar einer Summe solcher Faktoren spricht er den Erkenntniswert ab (686), obwohl er doch selbst zur Erklärung viel härter von Herrschenden und Beherrschten spricht. Es liegt deshalb sicher nahe, dass Bourdieu auch die ältere These der Massenkommunikationsforschung vom atomisierten Publikum verwerfen muss, ohne jedoch die Annahme, es gebe lediglich eine Anzahl diverser homogen zusammengesetzter Spezialpublika oder Bezugsgruppen,2 zu übernehmen. Wenig überraschen dürfte darum aber ebenso, dass er die Auffassung, das Publikum der populären Kultur setze sich nicht aus einer Schicht, sondern je nach Produkt aus unterschiedlichen, je verschiedenen Publika zusammen (Cantor/Cantor 1986: 216f.), gleichfalls ablehnt. Erklärungsbedürftig ist hingegen, dass Bourdieu etwa Herbert Gans’ Rückführung von taste cultures auf sozioökonomische Lagen nicht einfach übernehmen kann, obwohl Gans genau wie Bourdieu 2 Siehe etwa Tarde 1989: 41ff.; Bauer/Bauer 1960: 18. Interessanterweise übernimmt die Kulturindustrie dieses Konzept in dem Moment, da sie sich darum bemüht, für ihre Produkte nicht einfach eine große Menge an Rezipienten, sondern bestimmte Zielgruppen zu gewinnen, um der Werbung passgenaue Marketingstrategien zu ermöglichen. Vgl. Fiske 1999b: 239. 153

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von einem jeweils geteilten Geschmack ausgeht, der vom Essen über Sportarten bis zu künstlerischen und politischen Vorlieben alles gleichermaßen erfasst.3 Bourdieu nennt mehrere Gründe für seine Zurückhaltung, einen Faktor als unabhängige Variable herauszustellen; so hebt er u.a. hervor, man könne eine soziale Klasse nicht durch ein oder mehrere Merkmale definieren, sondern nur durch die Struktur der Beziehungen zwischen solchen Merkmalen (1982: 182); auch weist er an vielen Beispielen nach, dass die aktuell gleiche soziale Stellung eben nicht geradewegs zu demselben Geschmack führt; nur wenn man die unterschiedlichen Arten und Weisen berücksichtige, mit denen die Einzelnen ihre soziale Stellung erreicht haben, könne man diese Ungleichheiten innerhalb einer homogenen sozioökonomischen Klasse erkennen und verstehen (188). Trotzdem hält Bourdieu aber daran fest, dass individuelle Laufbahnen im sozialen Raum nicht auf zufällige Weise zustande kommen – und Geschmack dient ihm bei der Bestimmung solcher Bedingtheiten sogar als hervorragendes Merkmal von sozialer Klasse. Dadurch drängt sich förmlich die Frage auf, wie das alles zusammen passen soll, Bourdieus Reserve gegenüber der statistischen Korrelation von aktueller sozialer Lage und Lebensstil auf der einen und seine Verklammerung von Geschmack mit Klasse auf der anderen Seite. Messen lassen muss sich Bourdieus Antwort auf diese Frage an seinem ausdrücklich vorgetragenen Anspruch, sowohl den Fallstricken des Materialismus wie des Idealismus zu entgehen, indem man eine »Theorie der Praxis als Praxis« betreibe. Solche Theorie erinnere »gegen den positivistischen Materialismus daran, daß Objekte der Erkenntnis konstruiert und nicht passiv registriert werden«, ohne jedoch zu vernachlässigen, dass entsprechende Konstruktionen und Klassifikationen nicht bloße subjektive Setzungen sind, sondern aus einem praktischen Verhältnis zur Welt hervorgehen. Um den selbst gestellten Anforderungen zu genügen, geht Bourdieu nun von etwas aus, das er »Habitus« nennt, ein Erzeugungsschema zur nie abreißenden, kreativen Produktion von Gedanken und Handlungen, die trotz aller möglichen Verschiedenheit und Umwandlungsprozesse gleichwohl in den Grenzen der Genese dieses Schemas liegen (1987: 97, 102). 3 Gans (1999: 91ff.) geht von fünf solcher Geschmackskulturen aus: »high culture, upper-middle culture, lower-middle culture, low culture and quasi-folk low culture«. 154

PIERRE BOURDIEU

Dies klingt äußerst kompliziert, ist es aber nicht. Der jeweilige Habitus bildet sich nämlich nach Auffassung Bourdieus im Rahmen der individuellen Sozialisation heraus. Deren entscheidende Bedingung wiederum lässt sich (nach Auffassung Bourdieus) ganz unmissverständlich benennen: Ausschlaggebend sei die jeweilige Nähe oder Ferne zur materiellen Not. Der dadurch geprägte Habitus mache sich später in den Handlungen, Einstellungen, Geschmacksvorlieben auch dann noch bemerkbar, wenn sein Träger inzwischen unter besseren oder schlechteren Bedingungen lebe (1982: 686),4 4

Bourdieus Konzeption steht darum im Widerstreit mit Individualisierungsthesen wie denen Becks, der nach der verlorenen Prägekraft der Stände nun auch die verlorene Prägekraft der Sozialmilieus der Zweiten Moderne konstatiert und etwa in Deutschland keinen deutlichen Zusammenhang von Lebensstil und materieller Lage mehr erkennen kann (Beck 1986: 115ff.; vgl. dazu und zu anderen Lebensstilanalysen wie etwa denen Thorstein Veblens oder Gerhard Schulzes: Georg 1998). Bourdieu stellt hingegen trotz einer von bewussten Gemeinschafts- oder Klassennormen befreiten Wahl die Existenz bloß individuell zurechenbarer ästhetischer Vorlieben in Abrede. Den Begriff »Individualisierung« gebraucht er allein, wenn er die gegenwärtige »Individualisierung der Beschäftigungsverhältnisse« kritisch herausstellt: Die »letzte Grundlage dieser ganzen wirtschaftlichen Ordnung, die sich auf die Freiheit des Einzelnen beruft«, sei »tatsächlich die strukturale Gewalt der Arbeitslosigkeit, der Verunsicherung, der Angst vor Entlassung: die Bedingungen des ›harmonischen‹ Funktionierens des individualistischen Modells der Mikroökonomie und die individuelle ›Motivation‹ zur Arbeit beruhen ganz auf einem Massenphänomen, der Existenz einer Reservearmee von Arbeitslosen. Einer Armee, die keine ist, weil Arbeitslosigkeit isoliert, atomisiert, individualisiert, demobilisiert und entsolidarisiert.« So taucht die klassische Definition der Masse hier wieder auf – als Bestimmung der Gesamtheit der Arbeitslosen (Bourdieu 1998a: 112f.). Angesichts solch einer ökonomischen Lage »dem Mythos von der Verwandlung aller Lohnabhängigen in dynamische Kleinunternehmer das Wort [zu] reden«, wie Beck zusammen mit Anthony Giddens es täte (merkt Bourdieu an anderer Stelle in einer polemisch zugespitzten Notiz an [2001a: 55]), heiße letztlich nur »Normen für die Regeln formulieren, die den Beherrschten und ihrem Verhalten durch wirtschaftliche Zwänge auferlegt werden und denen sich die Herrschenden wohlweislich entziehen.« Die Kritik ist insofern übertrieben, als Beck (1986: 236) der »Flexibilisierung der arbeitszeitlichen Beschäftigungsverhältnisse« ein »rechtlich abgesichertes Mindesteinkommen für alle« zur Seite stellen möchte, um durch den »Ausbau des sozialen Sicherungssystems« der Entwicklung hin zur Flexibilisierung »ein Stück Freiheit« abzugewinnen. 155

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wenn er es vermocht (oder nicht vermocht hat), beispielsweise kulturelles in ökonomisches oder schulisches in kulturelles Kapital umzutauschen. Eine Einstellung wie etwa die der legitimen, bürgerlichen Ästhetik entstehe frühzeitig aus Lebensbedingungen, die nicht dem täglichen Druck ökonomischer Knappheit unterliegen, ihr Gegenpart hingegen, der populäre Geschmack, sei durch genau diese Notwendigkeiten unmittelbarer Verwendung gekennzeichnet; offene Freude an bestimmten Reizen oder an der Moral der Geschichte steht so gegen das bekundete interesselose Wohlgefallen an letztlich beliebigen Gegenständen (die distanzierte Delektation des Sontag’schen Camp-Dandys an vulgären Objekten ist ein gutes Beispiel dieses unbeschränkten Vermögens); ein Gegensatz, der nach Bourdieu keineswegs nur als Verteilung von mehr oder minder zufälligen Geschmacksvorlieben aufzufassen ist: »Die ästhetische Einstellung, die zur Ausklammerung von Natur wie Funktion des Dargestellten tendiert, zur Ausschaltung wie aller rein ethischen so auch jeder ›naiven‹ Reaktion – Grauen vor dem Grauenhaften, Begehren nach dem Begehrenswerten, gläubiger Kniefall vor dem Heiligen –, um ausschließlich die Darstellungsweise, den Stil, erfaßt und bewertet im Vergleich zu anderen Stilen, in Betracht zu ziehen, ist integraler Bestandteil eines umfassenden Verhältnisses zur Welt und zu den Menschen. Sie bildet eine Dimension eines Lebensstils, worin, wenn auch in verstellter Form, spezifische Existenzbedingungen zur Wirkung kommen: Voraussetzung für jede Form des Lernens von legitimer Kultur, sei es implizit und diffus wie gemeinhin innerhalb der Familie, oder explizit und spezifisch ausgerichtet wie im Rahmen der Schule, zeichnen sich diese Existenzbedingungen aus durch den Aufschub und die Suspendierung des ökonomischen Zwangs und zugleich durch objektive wie subjektive Distanz zum Drängenden der Praxis, dem Fundament der objektiven wie subjektiven Distanz zu den diesen Determinismen unterworfenen Gruppen.« (100f.)

Die Klassifikation von Objekten als populär ist demnach aus Sicht der legitimen, reinen Ästhetik zumeist ein Urteil, mit dem man sich von ihren Rezipienten absetzt. Umgekehrt gilt zwar das Gleiche, allerdings mit dem bedeutenden Unterschied, dass die Wertschätzungen des populären Geschmacks sich weder auf dem schulischen noch einem anderen Papier wiederfinden, sondern fast immer allein in Form von Einschaltquoten und anderen Zahlenangaben allenfalls mittelbar registriert werden. Die Grundzüge einer populären Ästhe156

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tik zu skizzieren, konturiert am Vorrang der Distanzlosigkeit, bleibt deshalb dem soziologischen Beobachter Bourdieu vorbehalten: »Tatsächlich scheint alles dafür zu sprechen, daß die ›populäre Ästhetik‹ (die Anführungszeichen sollen zum Ausdruck bringen, daß es sich hier um eine Ästhetik an-sich und nicht für-sich handelt) auf dem Postulat eines bruchlosen Zusammenhangs von Kunst und Leben gründet, das die Unterordnung der Form unter die Funktion beinhaltet. Bei Roman und Theater wird dies augenscheinlich: in beiden Fällen sperrt sich das Publikum aus den unteren Klassen gegen jede Art formalen Experimentierens und gegen alle Effekte, die dadurch, daß sie gegenüber den einschlägigen Konventionen (in bezug auf Ausstattung oder Handlung, etc.) eine Distanz einführen, auch zum Zuschauer oder Leser auf Distanz gehen, diesen damit den Zutritt zum Spiel und die volle Identifizierung mit den Gestalten verwehren (ich denke an die Brechtsche ›Verfremdung‹ wie an die Auflösung der traditionellen Romanhandlung im Nouveau Roman). Anders als die ästhetische Theorie, der Detachement, Interesselosigkeit, innere Teilnahmslosigkeit als einzige Weisen der Anerkennung des Kunstwerks in seiner Besonderheit – als selbständiges – gelten, ignoriert oder verweigert die populäre ›Ästhetik‹ die Ablehnung des Verhaftetseins ans ›Triviale‹ und ›Vulgäre‹, auf dem der Geschmack für das formal Experimentelle basiert.« (23)

Solche Einschätzungen stellen natürlich nichts Neues dar. Man kennt sie in Ansätzen bereits seit Schiller und Kant, in ihrer modernen Version dann vor allem seit Ortega y Gasset, wie Bourdieu selbst anmerkt. Populäre Kultur ist eben bis dahin immer ein relativer Begriff gewesen, stets bestimmt durch das, was (von der Warte der definitionsmächtigen legitimen Kultur her betrachtet) »ausgeschlossen« gehört (Bourdieu 1993a: 72). Bei Bourdieu, der dies erkennt und analysiert, erfährt die populäre Ästhetik allerdings, wie gesehen, eine neutrale Formulierung. Es scheint sogar fast so, als wolle Bourdieu das Verhältnis umdrehen, wenn er in einer Passage gegen das distanzierende Formengepräge der legitimen Kultur die Körperlichkeit und die Lebhaftigkeit des populären Fests ausspielt (1982: 67). Über diese Begeisterung im Sinne Bachtins geht Bourdieu jedoch nie hinaus;5 an den Stellen seines Werks, die sich den 5 Bordieus Äußerungen in dieser Hinsicht müssen ohnehin von größter Vorsicht und Zurückhaltung geprägt sein, weist er doch selber eindringlich darauf hin, dass »der Kult des ›Volkstümlichen‹« oft genug nichts anderes darstelle »als eine verbale und wirkungslose, also 157

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moderneren Phänomenen der populären Kultur widmen, macht Bourdieu aus seiner abfälligen Einschätzung ohnehin kein Geheimnis; dort denunziert er die ausdruckslose Schönheit der HollywoodStars und die faden, geschmacklosen Bestseller und Unterhaltungsfilme (692). Gerade in seinen späteren politischen Schriften, wenn es ihm um die Abwehr des Neoliberalismus geht, setzt Bourdieu zu einer durchgehenden Verurteilung der vorausgesetzt einheitlichen Wirkung jener »Massenkultur« auf ein infantilisiertes Publikum an. Leider versäumt er es dabei auszuführen, ob die massenhaft durchgesetzte »Popkultur« zumindest im Musterland des kapitalistischen Neoliberalismus, der amerikanischen Weltmacht, die Bedeutung der auf Distanz und Exklusivität bedachten ästhetischen Haltung bei der Erringung führender Plätze im Management und in den Abteilungen für technische Entwicklung und Forschung verkleinert. So bleibt es auch in den Schriften Bourdieus bei der altbekannten undifferenzierten Ablehnung der sentimentalen soap operas und der »einfach gestrickten Popmusik« als Zeichen einer kommerziellen Macht, als bedrohlich sich ausbreitende, uniformierende Produkte der Kulturindustrie, durch die das mühsam erworbene europäische Erbe künstlerischer Autonomie der Zerstörung preisgegeben werde (Bourdieu 1998b: 46; 1998c: 91; 2001c: 85ff.). Im Gegensatz zu Adorno hält Bourdieu jedoch die direkte Analogie zwischen den Formen und Rezeptionsweisen der kulturellen Massenprodukte und der Welt der automatisierten, entfremdeten Arbeit für verfehlt. Zur Passivität würden die Arbeiter und Teile der Angestellten nicht durch repetitive, dem monotonen Rhythmus der taylorisierten Arbeit ähnliche Musik oder Filme gedrängt, sondern durch die Entwertung praktischen Wissens:

scheinrevolutionäre Umkehrung des Klassenrassismus, der die Praktiken der niederen Volksschichten auf Barbarisches oder Vulgäres reduziert. Wie ein gewisses Zelebrieren der Weiblichkeit die männliche Dominanz bloß bestätigt, so verschafft diese letzten Endes sehr bequeme Art, dem ›Volk‹ Respekt zu erweisen – indem man es scheinbar bewundert, durch die Verwechslung einer entbehrungsreichen Situation mit freier Selbstbestimmung aber dazu beiträgt, es in seiner Lage zu belassen oder tiefer in sie hineinzutreiben –, alle mit dem Zurschaustellen subversiven und paradoxen Großmuts verbundenen Vorteile und beläßt doch alles beim alten«. Bourdieu 2001b: 97f. 158

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»In der Fabrik wie in der Schule – die den Respekt vor unnützem und zweckfreiem Wissen lehrt und die sowohl mit- als untereinander hierarchisch verbundene Beziehungen zwischen Individuen und Tätigkeiten herstellt, die von der ›natürlichen‹ Autorität wissenschaftlicher und pädagogischer Vernunft geweiht sind – begegnen die Arbeiter der legitimen Kultur als einem Ordnungsprinzip, das nicht durch praktische Nützlichkeit erst gerechtfertigt zu werden braucht. Die wenig kulturelles Kapital besitzen, können mit Werken der legitimen Kultur (und auch mit vielen Fließbandprodukten des show business) nur Erfahrungen machen, die Spielarten einer grundsätzlicheren und alltäglicheren Erfahrung sind: die der Zäsur zwischen praktischer, partieller und stummer Kompetenz und theoretischen, systematischen und expliziten Kenntnissen (dies verlängert sich bis in den Bereich der Politik), der Kluft also zwischen Wissenschaft und Technik, Theorie und Praxis, ›Konzeption‹ und ›Ausführung‹, zwischen dem ›Intellektuellen‹ oder ›Schöpfer‹, der seinen Namen einem ›originellen‹ und ›persönlichen‹ Werk verleiht und es damit zu seinem Besitz erklärt, und dem ›Handarbeiter‹, dem ausführenden Organ einer Intention, die er nicht kennt, und dem das Nachdenken über seine Tätigkeit verwehrt ist.« (1982: 604f.)

Der ästhetisch geforderte Vorrang interesselosen Wohlgefallens und die damit verbundene Geringschätzung sinnlich reizender oder zur unmittelbaren Identifikation einladender Kunst ist darum in der Sicht Bourdieus (wenigstens in Europa) ein wichtiges Mittel zur Legitimation jener gesellschaftlichen Hierarchie, die auf der unterschiedlichen Wertschätzung und Entlohnung verschiedener Tätigkeiten beruht. Eine entscheidende Rolle kommt dabei der Institution Schule zu; sie, die doch gerade für das Gleichheitsprinzip einstehen soll, trägt nach Bourdieu gegenwärtig nur zur Verlängerung und Naturalisierung der Ungleichheit bei. Dadurch, dass sie dem Habitus der Distanz und Interesselosigkeit, wie er sich der Sozialisation innerhalb gesicherter Verhältnisse verdankt, im Namen universeller Aufklärungsprinzipien besonders entgegenkommt, erscheinen der ganz unterschiedliche Ausbildungserfolg (bei vorgeblich für alle gleichen Startbedingungen) und die mit ihm verbundenen Karrieren als Ergebnis individueller Intelligenz bzw. intellektueller Inkompetenz oder Ignoranz. Den Versuch, jene populäre Kultur zu rehabilitieren, die einen Gegensatz zur Ästhetik der Interesselosigkeit verkörpert, kann Bourdieu deshalb nur dann begrüßen, wenn der Versuch nicht allein ein wiederum distanzierendes Geschmacksurteil im Feuilleton der 159

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Hochkultur darstellt, sondern damit verbunden ist, deren Anerkennung ebenfalls in der sozialen Welt durchzusetzen, sprich: die bestehenden gesellschaftlichen Unterschiede und die sie tragenden und legitimierenden Maßstäbe anzugreifen. Alle anderen Geschmackskämpfe – etwa das Bemühen der innerhalb der herrschenden Schicht dominierten Klasse der Intellektuellen, gegen den distinguierten Luxus der dominanten Kapitaleigner modernistisch-asketischere Formen ins Feld zu führen, oder die Manier der aufsteigenden Mittelschichten, gegen den traditionellen Kanon der bürgerlichen Künstlerpersönlichkeiten aus den kollektiveren Kunstformen wie dem Film oder der Rockmusik Regisseure oder Singer/Songwriter als eigenständige ›Autoren‹ herauszupräparieren – bilden für Bourdieu folgerichtig nur Distinktionsweisen, die im Erfolgsfall lediglich eine geringfügig erneuerte Herrschaft über die ›populären‹ Schichten etablieren würden.

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16 HERBERT MARCUSE UND MICHEL FOUCAULT: KRITIK DER NEUEN VERHALTENSSTEUERUNGEN Herbert Marcuse stimmt im Urteil mit Bourdieu darin überein, dass die fortschreitende Mechanisierung der Produktion innerhalb der kapitalistischen Wirtschaft weder zu einem Abbau der sozialen Ungleichheit noch zu einer nachhaltigen Entlastung der Lohnarbeiter führt: Zwar nähmen die Belastungen der Muskeln ab, an ihre Stelle treten nach dem Urteil Marcuses aus den frühen 60er Jahren jedoch Stress und allgemeinere Angespanntheit, Isolation und größere, automatisierte Kontrolle; dieser neuen Form der Abnutzung unterliegen nicht allein die Arbeiter, sondern in großem Maße auch die in standardisierte Abläufe eingezwängten Angestellten. Die Konzentration der Unternehmen und ihre Verflechtung innerhalb staatlich organisierter militärisch-technologischer Bündnisse perfektioniert die oftmals wissenschaftlich unterstützten Rationalisierungsprozesse. In der großen industriellen Maschinerie, zu der auch der umfangreiche Verwaltungsapparat zu zählen ist, nimmt darum nach Einschätzung Marcuses die allgemeine Integration (als Standardisierung) ihren Ausgang. Trotz dieser Einsicht erklärt Marcuse den Eindimensionalen Menschen – wie der Titel seines für die Studentenbewegung und die Neue Linke der 60er Jahre hoch einflussreichen Buches lautet1 – bevorzugt aus Daten der Konsum- und Kultursphäre. Ganz im Gegensatz etwa zu Bourdieu sieht er dort keine bedeutenden Unterschiede mehr gegeben. Die Eindimensionalität offenbart sich ihm 1 Marcuse 1989. Seitenzahlen im Text ohne weitere Angaben beziehen sich im Verlauf des Kapitels immer auf dieses Buch. Die Passagen über die Angleichung durch Automatisierung finden sich dort auf den Seiten 45 bis 53. Zu Marcuse vgl. Breuer 1977. 161

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immer wieder daran, dass die verschiedenen sozialen Klassen, gemessen an ihren Wünschen und Freizeitvorlieben, kaum mehr voneinander zu unterscheiden seien (1989: 39): Der Arbeiter und der Unternehmer fänden am selben Fernsehprogramm Vergnügen, die Stenotypistin richte sich nach der gleichen attraktiven Mode her wie die Tochter ihres Chefs, selbst die Schwarzen führen einen Cadillac, alle läsen ein und dieselbe Zeitung (28). Den kommerziellen Kulturwaren könne (und wolle!) sich mittlerweile ebenso wenig mehr jemand entziehen wie den Botschaften der Massenmedien; die öffentliche Meinung herrsche allgegenwärtig, der Rückzug in eine Privatsphäre, die es ermögliche, eine eigenständige Haltung hervorzubringen, sei unmöglich geworden (256). Einen Unterschied nach Information und Unterhaltung gibt es folglich nicht. Von echtem Pluralismus könne grundsätzlich keine Rede mehr sein, verschiedene Ausprägungen dienten alle auf ihre Weise der Bejahung des Bestehenden, harmlose Abweichungen wie Zen, Existenzialismus oder die Beatniks stünden keineswegs im Widerspruch zum Status quo (34). Nicht nur innerhalb der Produktion gelingt demnach offensichtlich die rückhaltlose Integration der »Menschenatome« (46). Spätestens an dem Gebrauch dieses Begriffs zeigt sich, dass auch Marcuse an dem konservativen Topos der Kritik der Massengesellschaft und -kultur hängt. Marcuse übernimmt das Konzept, obwohl er natürlich selbst zu den entschiedenen Gegnern der antiliberalen, totalitären Auffassungen gehört; 1934 hat er bereits den Anteil jener Weltanschauung zur Errichtung des autoritären Staates hervorgehoben, die gegen den Einzelmenschen und die aus ihm zusammengesetzte Masse das organische Leben und natürliche Volk setzt (1979a: 7ff.). Als (entfremdungskritischen) Marxisten scheint es ihm um 1960 aber wohl angeraten, sich zumindest teilweise wieder als HeideggerSchüler zu erweisen, da er die Gefahr weder im individualistischen Materialismus noch im faschistisch gesteuerten Volksganzen ausmacht, sondern eben in dem totalen, technologisch durchorganisierten »Welfare« und »Warfare«-Staat. Marxistisch genug kann ihm die Diagnose von der Massenkultur vor allem deshalb erscheinen, weil sie es ihm ermöglicht, die Einbindung der Arbeiterklasse in das moderne kapitalistische System zu erklären. Ganz allgemein könnten die Menschen ihre »wahren Bedürfnisse« nicht mehr erkennen, da ihre Fähigkeit, sich dem Bestehenden zu verweigern, durch den enormen Fortschritt der Wa162

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renproduktion überspielt werde (1989: 16); besonders die Arbeiter verlören angesichts des auch für sie relativ gehobenen Lebensstandards jegliches Klassenbewusstsein. Die Überwindung unmittelbarer materieller Not innerhalb der verwalteten Welt steigender Arbeitsproduktivität gehe darum nicht mit einer – dank der Automatisierung möglichen – beträchtlichen Verringerung der Arbeitszeit zu Lasten privatwirtschaftlicher Bereicherung einher (36). Das vergleichsweise gute Leben führe lediglich dazu, jeden Gedanken an Selbstbestimmung und an niveauvollere Produkte vergessen zu machen (69f.). Die hochtechnologisch entfalteten Produktivkräfte und die von ihnen hervorgebrachten Konsumgüter bestimmen nach Ansicht Marcuses die individuellen Bedürfnisse in einem derartig hohen, negativen Maße, dass er von einer zwar angenehmen, aber dennoch totalitären »sozialen Kontrolle« spricht (18). Sog. Freiheit bestehe lediglich in der vom Konsumzwang betriebenen Auswahl zwischen gleichwertigen Marken und unterschiedlich designten Gütern – sowie zwischen verschiedenen Meinungen, die jedoch alle im Namen eines angeblichen Sachzwangs, also im Zeichen des Bestehenden, vorgebracht werden. Das System ist in den Augen Marcuses aber auch zur Seite der Rezeption hin lückenlos geschlossen: Die Menschen finden sich und ihr Innerstes in den Waren, nach denen sie verlangen, wieder (29), in Autos, Kleidungsstücken, Fernsehsendungen, welche die im Sinne des vorherrschenden Systems verträglichen Einstellungen und Reaktionen mit sich bringen und einprägen (31f.). Diese Argumentation ermöglicht es Marcuse, ein vernichtendes Urteil über die kapitalistischen Gesellschaften der westlichen Welt beizubehalten, obwohl elende Arbeitsbedingungen, tägliche Unsicherheit und nackte Repression durch Polizei- und Justizapparat in ihnen das Leben der Lohnabhängigen nicht mehr bestimmen. Die vergrößerte Beteiligung am produzierten gesellschaftlichen Reichtum und die verstärkte Liberalisierung sieht Marcuse aber keineswegs durchgängig als Fortschritt an. Für ihn handelt es sich letztlich nur um eine neue, raffiniertere und sogar umfassendere Form der Unterdrückung; das berühmte Wort der »repressiven Entsublimierung« steht dafür ein (92). Marcuse erläutert dieses etwas rätselhaft benannte Phänomen u.a. anhand von Beispielen aus dem Bereich der Kunst. Innerhalb der Massenkultur der modernen Industriegesellschaft werde die 163

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Kunst ein Teil der »materiellen«, der gegebenen Kultur, schreibt Marcuse, um mit dieser Feststellung sogleich eine Wertung zu verbinden. Einerseits sei es zwar zu begrüßen, dass sich in der populären Kultur – Marcuse gebraucht den Begriff gleichbedeutend mit dem der Massenkultur (91) – die Möglichkeit zeige, wie Ideale Wirklichkeit werden können. Andererseits jedoch – und diese zweite Einschätzung wiegt viel schwerer – habe in der Distanz der Hochkultur zum alltäglichen Geschäft eine Art und Weise der »Entfremdung« bestanden, die zumindest das Bild einer besseren Gesellschaft bewahrte, wenn auch exklusiv innerhalb einer Sonderzone künstlerischen Scheins, abgeschoben in außeralltägliche künstlerische Höhen, strikt getrennt von jenen Bereichen, deren Änderung handgreiflich Not täte. Was jetzt hingegen im Alltagsleben künstlerisch direkt Platz fände, trage bloß zur Verlängerung des schlechten Bestehenden bei. Aus den Figuren der großen Dichtung etwa wie dem Narren, der Ehebrecherin, den Geächteten, dem rebellischen Dichter seien jetzt der Beatnik, der Vamp, die neurotische Hausfrau, der Star geworden, »keine Bilder einer anderen Lebensweise mehr, sondern eher Launen oder Typen desselben Lebens, die mehr als Affirmation denn als Negation der bestehenden Ordnung dienen.« (77ff.) Die falsche Aufhebung der Sublimation zeige sich auch innerhalb des Bereichs der Sexualität. Ebenso wie in der Kunst werde hier vermittelter, umgelenkter durch direkten Genuss ersetzt. Die gegenwärtige Befreiung der Sexualität von den Verboten, sie offen auszuleben, unterliegt darum einer scharfen Kritik Marcuses, obwohl er doch selbst (1979b: 170ff.) ein entschiedener Gegner sexueller Repression ist. Der Widerspruch löst sich zum einen auf, wenn man weiß, dass nach Ansicht Marcuses die traditionellen sexuellen Tabus zumindest indirekt dazu beigetragen haben, in den von ihr erzwungenen Formen der Sublimation sexueller Triebe ein Moment der Abweichung und Weigerung bewusst zu halten. Verständlich wird Marcuses vehemente Ablehnung der in den modernen kapitalistischen Gesellschaften nun erlaubten sexuellen Entsublimierung jedoch erst, wenn man ein zweites Argument berücksichtigt. Marcuses zentrale Einschätzung lautet nämlich, dass die freigegebene Sexualität in ganz bestimmte Bahnen gelenkt werde: Die Libido werde mobilisiert, um die individuelle Leistungskonkurrenz und die Konsumlust zu steigern. Die Erweiterung der Freiheit fungiere darum als Intensivierung der technologisch-kapitalistischen 164

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Herrschaft; äußerst wirksam sei diese Methode sozialer Kontrolle, weil sie den Individuen, die bloß ihren (wenigstens teilweisen) Genuss verspüren, im Unterschied zu den Versagungsmechanismen und Gewaltmitteln der alten Form der Repression als solche gar nicht erscheine (1989: 92ff.). Michel Foucaults Urteil (2002a: 937), Marcuse gehöre zu denjenigen Kritikern, welche die Macht auf die Funktion reduzierten, zu unterdrücken, zu zensieren und auszuschließen, ist darum nicht zutreffend. Das gilt nicht nur für Marcuse. Auch die Neue Linke am Ende der 60er Jahre bringt immer wieder eine scharfe Kritik an dem aus ihrer Sicht gegebenen Zusammenhang von Liberalität und Repression hervor, zumeist vorgetragen im Namen der Konsumkritik.2 Diese Kritik weist ihrerseits eine beträchtliche Tradition auf, weit über Marcuse hinaus, der freilich in der zweiten Hälfte der 60er Jahre als der wichtigste theoretische Stichwortgeber für sie fungiert. Den bindenden Zusammenhang von sexueller Liberalisierung und konsumistischem Charakter haben zuvor nicht nur linksliberale Kritiker wie C. Wright Mills, sondern auch stärker konservative Beobachter herausgestellt. Zu Letzteren gehört etwa Helmut Schelsky. Seine Kritik entzündet sich an den Kinsey-Studien, die Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre ungeheures Aufsehen erregen. Mit seinen empirischen Erhebungen zum Sexualverhalten der Amerikaner verknüpft Kinsey die deutliche Botschaft, dass sexuelle Triebentäußerungen, auch vormals als unnormal abgestempelte, natürlich seien. Die »Idee des Normalen« wird allerdings, wie Lionel Trilling bereits 1948 anmerkt, von Kinsey nur im Sinne des alten moralisch Richtigen zurückgewiesen; ihre Stelle nehme jedoch (unausgesprochen) das ein, was tatsächlich in größerer Zahl vorkomme: Kinsey schließe von dem, was unter guten Bedingungen physisch möglich ist, auf die moralische Normalität (Trilling 1970: 234). In Deutschland wird Schelsky den Befund Trillings Mitte der 50er Jahre aufnehmen und ihn noch kritischer akzentuieren. Zwar gesteht Schelsky Kinsey durchaus zu, dass die von ihm in Amerika nachgewiesene »hohe Variabilität der sexuellen Verhaltensabläufe keineswegs krankhaft« sei, sondern »in der biologischen Spannwei2 Bernardine Dohrn, eine der Wortführerinnen des amerikanischen SDS, schreibt etwa: »The more we realize ourselves through consumption the greater the power of commodities to define and delimit us.« Der Slogan der modernen Marktforschung laute, »›Women must be liberated to desire new products.‹« (Jaffe/Dohrn 1970: 356) 165

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te der menschlichen Natur« liege. Starken Einspruch legt Schelsky jedoch gegen Kinseys Ansicht ein, dass man diese Variabilität sexueller Handlungen auf Grund ihrer biologischen Natürlichkeit nicht durch kulturelle Normen eindämmen dürfe. In einem ersten Schritt fordert Schelsky deshalb dazu auf, sich bewusst zu machen, dass die Berufung auf Natürlichkeit eine neue Normierung darstellt. In einem zweiten Schritt stellt Schelsky dann dem neuen Dogma des Natürlichen recht frontal die traditionelle Sexualmoral entgegen. Die (jeweilige) Kultur ruht in der Sicht Schelskys nicht zuletzt auf solchen (relativen) normativen Setzungen. Würden diese Normen erschüttert, würde man die bestehende Kultur grundlegend angreifen (1955: 51f., 49). Schelsky redet damit nicht einer unbedingten Askese oder einer durchgehenden repressiven Sexualmoral das Wort. Viele sexuelle Varianten möchte er einfach beschwiegen wissen; als Teil privater Intimität liegen sie so unterhalb der »Normierungsschwelle«. Auch dieses verschwiegene private Sexualverhalten sieht er durch Kinseys Veröffentlichung empfindlich gestört. Was bei Kinsey freilich noch im Gewand wissenschaftlicher Sprache daher kommt, dient durch dessen Behauptung des Vorrangs natürlicher Sexualität in Schelskys Sicht leider ebenso manchen Illustrierten, Filmen etc. als Legitimation dazu, den Konsumenten dauerhaft mit erotischen Angeboten zu reizen. Die »Sexualisierung des modernen Menschen von außen« geht nach der Auffassung Schelskys nicht nur mit einem Verlust wichtiger moralischer Normen einher, sondern führt zudem zu einer systematischen Lenkung des Menschen durch Medienkonzerne und Konsumgüterindustrie. Wie Herbert Marcuse einige Jahre später erkennt Schelsky die Modernität dieser Lenkung gerade darin, dass sie nicht durch Zwang und offene Unterdrückung erfolge (ebd.: 52, 125f.). Zwar unterscheiden sich Schelsky und Marcuse hinsichtlich ihres Ziels grundlegend voneinander; Marcuse will nicht zu den alten Tabus zurück, sondern strebt ganz im Gegenteil eine Entgrenzung der Libido über den genitalen Bereich und damit eine umfassende Erotisierung an, welche die Arbeit dem Spiel ähnlich machen würde (1989: 93; 1979b: 183). Die Kritik an der trügerischen, wenig freiheitlichen Liberalisierung, die sich in ihren Augen als zeitgenössische Variante sozialer Lenkung entpuppt, eint sie jedoch, eine Einheit, die sich, wie gerade gezeigt, nicht nur auf einzelne Theoretiker beschränkt, sondern auf große Teile der älteren zivilisationskri166

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tischen Rechten und der konsumkritischen Neuen Linken. Auch Michel Foucault steht keineswegs außerhalb dieser umfassenden Tradition, wenn er etwa im Sinne Marcuses ausführt, dass die Macht auf die »Revolte des geschlechtlichen Körpers« mit einer »ökonomischen (und vielleicht auch ideologischen) Ausbeutung der Erotisierung« reagiere. »›Zeige dich nackt ... aber sei schlank, schön und gebräunt!‹«, heiße der neue Imperativ, bemerkt Foucault in einem Interview; an die Stelle der repressiven trete eine stimulierende Kontrolle, die in Produkten zur Hauttönung bis hin zu pornographischen Filmen ihren warenförmigen Ausdruck finde (2002a: 934f.). Foucaults Aufruf (2003a: 120), sich endlich von der Auffassung Marcuses zu lösen, die Sexualität werde innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft zutiefst unterdrückt, zielt demnach nicht gerade ins Schwarze. Trotzdem besteht Foucaults Abgrenzung von Marcuse insgesamt zu Recht. In allen weiteren Punkten der Analyse moderner Machtausübung geht Foucault in den 70er Jahren tatsächlich weit über Marcuse hinaus. Den Diskurs der Sexualität sieht er historisch weder von einem Schweigegebot noch in jüngster Zeit vornehmlich von kommerzieller Manipulation bestimmt, sondern von vielfältigen Formen – angefangen bei der Beichte über den bürgerlichen Bildungsroman bis hin zum psychiatrischen Gutachten und zur psychoanalytischen Sitzung –, in der unablässigen Suche nach den vorgeblichen Geheimnissen der Lüste ein ›authentisches‹ Selbst zu schaffen, das innerhalb eines kontinuierlichen Feldes von Normalität und Perversion angesiedelt ist und darum eine unaufhörliche (Selbst-)Kontrolle nach sich zieht (1977: 20ff.). An einem derart geschaffenen Subjekt könnten in hervorragender Manier verschiedene Regierungsweisen – christliche pastorale Aufsicht, Disziplinierungsapparate der Kriminologie, Pädagogik und Medizin, Wachstums- und Wohlfahrtsstaat – ihre Machttechniken entfalten. Nach dem Muster der Repression dürfe man diese Machtausübung nicht konzipieren, weil sie keineswegs ausschließlich auf das juristische Verbot beschränkt sei, sondern sich an dem ausrichte, was sie als normal ansieht (und folglich an dem, was sie als pathologisch betrachtet und darum nicht bestraft, sondern einer beständigen Umerziehung und zusätzlichen Betreuung aussetzt, welche die Disziplinierung, Versorgung und Lebenssteigerung durch Schulen, Kran-

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kenhäuser, Versicherungen und Sozialstaatsprogramme noch einmal verlängere).3 Einen ersten Aufschwung solcher Ideen findet man bereits bei liberalen Kritikern der Mehrheitsmacht, etwa in Tocquevilles Anklage, dass der demokratische Souverän der »alleinige Betreuer« des Bürgers sein möchte (1976: 814). Um zwei weitere Theoretiker anzuführen, die im Laufe dieses Buches bereits eine Rolle gespielt haben: Carl Schmitt (1969: 69) spricht von der Tendenz der bürgerlichen Gesellschaft, in einen »totalen Staat« überzugehen; dieser Staat ergreife und forme als »Wirtschaftsstaat, Kulturstaat, Fürsorgestaat, Wohlfahrtsstaat, Versorgungsstaat« den Menschen in jeder Hinsicht. Auch Helmut Schelsky (1981: 310f.) erblickt in den sozialen Sicherungssystemen eine weitgehende staatliche Lebensplanung für den Einzelnen und damit dessen Entmündigung. Bei Schelsky schließt diese Kritik sogar die Kritik an den Maßnahmen ein, die in Verstößen gegen geltende Gesetzesnormen sogleich einen Anlass zur Normalisierung, nicht nur zur negativen Sanktion erkennen. Der Rechtsbrecher werde gleich doppelt bestraft, weil man in ihm nicht nur den »Normbrecher«, sondern zugleich den »sozial und psychisch Kranke[n]« sehe, der zusätzlich zur Haft der sog. Resozialisierung und verschiedenen pädagogischen und psychotherapeutischen Betreuungstechniken unterworfen werde (ebd.: 312). Diese Nähe eines liberal-konservativen Kritikers zu Foucault bleibt allerdings die Ausnahme, da jene sich selten für das Schicksal der Internierten interessieren und am Wohlfahrtsstaat vorzugsweise mit der materiellen Absicherung der niederen Schichten die angebliche allgemeine politische, kulturelle Nivellierung kritisieren. In dieser letzteren Hinsicht herrscht allerdings eine große Einmütigkeit. Auch von Foucault hört man kein positives Wort zum Sozialstaat. Allgemeine materielle Sicherheit scheint ihm überhaupt keine nähere Betrachtung wert zu sein. Für diese Annahme spricht einiges, vor allem vor dem Hintergrund der freimütig geäußerten Konsumkritik Foucaults gewinnt sie an Plausibilität. »Das Prestige des Autos, die Politik der Einrichtungen oder der Anreiz zum Kon3 Siehe dazu Foucault 1976: 229ff.; Foucault 1977: 161ff. In vollständigem Umriss treten diese Auffassungen und Analyseerträge Foucaults jedoch erst seit der postumen Veröffentlichung seiner Vorlesungen hervor: Foucault: 2005: 76ff.; 1999: 276ff.; 2003b: 44ff., 70ff.; 2004a und 2004b. Vgl. dazu Lemke 1997; Schroer 2000: 81ff. 168

MARCUSE UND FOUCAULT

sum« ermöglichen in seinen Augen genauso wirkungsvolle »Verhaltensnormierungen« wie das »Einhämmern moralischer Gebote« früher (2002b: 891). Dass es als normal erscheine, beständig zu konsumieren, halte das Regime der Arbeit aufrecht, merkt Foucault in einer anderen, sicherlich mindestens genauso wichtigen Pointierung an (2002c: 537). Auch an der Stelle dürften sich wahrscheinlich erneut Bedenken melden, ob Foucaults Abgrenzung gegenüber Marcuse gerechtfertigt ist. Foucault selbst lässt daran keinen Zweifel, die Kritik an der Massengesellschaft hält er ausdrücklich für überholt – und er rechnet dazu die Kritik Marcuses an der Gesellschaft des eindimensionalen Menschen ebenso wie die Kritik der Neuen Linken an der autoritären Gesellschaft, die situationistische Kritik an der Gesellschaft des Spektakels und die viele politische Lager übergreifende Ablehnung der Konsumgesellschaft. Tatsächlich besteht die Abgrenzung hier insofern zu Recht, als Foucaults ihrerseits gängige Konsumkritik zumindest nicht mit der kritischen Diagnose der Vereinheitlichung einhergeht. Nach Ansicht Foucaults werden die westlichen Gesellschaften spätestens seit 1960 nicht mehr durch die Vermassung isolierter Menschenatome über standardisierte Konsumgüter und vermittelte, kulturindustriell vorgefertigte Kommunikationsformeln geprägt. Statt an den uniformen Waren richte sich das Programm der neoliberalen Regierung nun an der Vielzahl und der Verschiedenheit der individuellen Klein-›Unternehmer‹ aus, die jeweils ihr Humankapital einsetzen (2004b: 164, 211). Die gewährte Freiheit für die Aktivitäten der Einzelnen werde darum nicht von einer fixen Norm oder einem standardisierten Muster beschränkt. Das Konzept der »Öffentlichkeit« stehe vielmehr dafür ein, dass die Festlegung, was normal ist und was nicht, aus veränderlichen, zu bestimmten Zeitpunkten erhobenen Daten hervorgehen kann, die z.B. das Ergebnis von Meinungsumfragen sind und auf welche die Machtapparate wiederum steuernd, aber eben nicht repressiv beschneidend eingehen.4 Diese Bestandsaufnahme führt Foucault aber keineswegs zu einer liberalen Apologie moderner Wahlmöglichkeiten und reichhaltiger Konsumchancen, hier trifft er sich auf der Ebene der Wer4 Foucault 2004a: 78, 98, 115. Sehr interessante Anwendungen der Normalitätstheorie Foucaults auf Phänomene der populären Kultur finden sich bei Link 1998: 61, 114, 144f., 318f., 338, 443; und Bublitz 2005. 169

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

tung sogar wieder mit den Kritikern konservativer und Frankfurter Schule. Vollkommen vertraut klingen seine Einschätzungen besonders dann, wenn er sich in Interviews zu Phänomenen der modernen Medien- und Freizeitkultur äußert. Historisch erklärt er die »Trivialliteratur«, die »›populäre Literatur‹« (ebenso wie die Schulpflicht) als Bestandteile des erfolgreichen Versuchs, das subalterne Wissen (das »populäre Gedächtnis« des Widerstands und der Kämpfe) zu blockieren und aufzulösen (2002d: 795). Die gegenwärtige »kommerzielle Massenliteratur« hält er folgerichtig ebenso wie das Fernsehen schlicht und einfach für arm und leer (2003c: 849). Dass man gerade in einigen ›oberflächlichen‹ Erzeugnissen dieser Populärkultur eine deutliche Absage an den Diskurs tiefgründig bedeutender Sexualität und an jedwede pädagogische Kontrolle erkennen kann, entgeht Foucault. Der scharfsinnige Kritiker der Macht, die er in den unterschiedlichsten Zusammenhängen und individuellsten Konstellationen am Werke sieht, argumentiert angesichts der populären Produkte ganz uniform.

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17 JÜRGEN HABERMAS: KULTURINDUSTRIE UND DEMOKRATISCHE ÖFFENTLICHKEIT Es bietet sich an, Jürgen Habermas an den Schluss dieses Buches zu setzen. Habermas hat sich nicht nur zu vielen der bislang diskutierten Autoren geäußert, er ist auch derjenige, der in seiner über 50jährigen Veröffentlichungsgeschichte einige der hier vorgestellten Positionen selbst eingenommen hat, ohne einfach nur jeweiligen Moden zu unterliegen. Möglich ist das gewesen, weil Habermas’ frühe Versuche, Marxismus und Kulturkritik zu verbinden, nicht allein in der gewohnten Tradition der kontinentaleuropäischen idealistischen Philosophie vorgenommen werden, sondern verstärkt unter dem Eindruck angloamerikanischer Demokratie- und Wissenschaftstheorien stehen. Die Kulturkritik (angesichts der deutschen Vorliebe für die Sphäre der Kultur wäre es eigentlich treffender, von Zivilisationskritik zu sprechen) tritt darüber bei Habermas zunehmend in den Hintergrund. Bereits ganz zu Beginn seiner Laufbahn als wissenschaftlicher Publizist kritisiert Habermas 1954 die Unselbstständigkeit des modernen Arbeiters, dem jede Übersicht und Verantwortung von der Mechanisierung und den Rationalisierungsprozessen innerhalb der Fabrik beschnitten werde. Diese Kritik steht allerdings nicht für sich selbst, sondern wird überwölbt von einer allgemeinen Verfallsdiagnose. Gegen Marx wendet Habermas ein, dieser habe nie begriffen, dass nicht eine bestimmte (also auch nicht die kapitalistische) Wirtschaftsordnung, sondern die Technik selbst solche Entfremdungszustände hervorrufe (1955: 1183). Unmarxistisch gedacht ist ebenfalls, dass Habermas das erreichte materielle Niveau der Güterversorgung, das nun auch den Arbeitern allgemein zuge-

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THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

standen wird, trotzdem weiterhin unter der Bezeichnung »Pauperismus« fasst. Die neue Armut sieht Habermas direkt mit dem Wohlstand, wie er sich in Kino, Radio, Auto, Fernsehen, Kühlschrank niederschlägt, verbunden. Wiederum direkt gegen Marx gerichtet, schreibt Habermas, dass die Entfremdung am gefährlichsten sei, wenn an Lebensmitteln gerade kein Mangel herrsche. Der schwindenden Arbeitsfreude entspreche auf schlechte Weise der steigende Konsum; beide seien auf eine mangelnde Vertrautheit mit den Dingen zurückzuführen; wie die Maschine den Arbeiter verbraucht, konsumiert der moderne Verbraucher die ihm offerierten reibungslosen Angebote, deren technische Zurichtung ihm keinen eigenen Zugang mehr erlaubt (1954: 703, 718f.). Das Urteil ist darum ebenso klar wie bekannt: Ihre Leere und Bedeutungslosigkeit überspielten die zeitgenössischen Konsumwaren erfolgreich durch sensationelle Aufmachungen und graduell variierte flüchtige Reize (1956: 225). In seiner Habilitationsschrift wird Habermas diese Diagnose auf den Bereich der öffentlichen Meinung übertragen. Den Strukturwandel der Öffentlichkeit sieht er genau darin beschlossen, dass der Zusammenhang eines freien Austausches unter selbstständigen Privatleuten von Institutionen der Massenkommunikation abgelöst wird. An die Stelle der recht homogenen Schicht autonomer bürgerlicher Individuen, die sich in Klubs und literarischen Gesellschaften um verallgemeinerbare Gründe argumentativ bemühen, trete sowohl im Parlament als auch in der Presse die Behauptung von Einzelinteressen und die Manipulation der formbaren Reaktion abhängiger, ihrer Privatsphäre enthobener Massen. Statt eines vernünftigen, öffentlich erzielten Konsenses würden Kompromisse (zumeist in nicht-öffentlichen Verhandlungen) durchgesetzt. Kommerzielle Interessen oder die Verlautbarungen von staatlichen Organisationen und den Public-Relations-Abteilungen der Verbände, Parteien, Firmen dominierten nun den Bezirk der Öffentlichkeit. Dem Publikum werde besonders von den neuen Medien die Möglichkeit entzogen, mitzureden, es könne sich nur noch als Konsument verhalten, aufnehmen, was ihm an Informationen und Meinungen vorbereitet worden sei. Die dabei präsentierte Mischung aus willkürlichen Daten und unterhaltender Stereotypisierung macht für Habermas die Fiktion einer kritischen demokratischen Öffentlichkeit endgültig offenbar:

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JÜRGEN HABERMAS

»[D]as ›allgemeine Interesse‹, auf dessen Basis allein eine rationale Übereinstimmung öffentlich konkurrierender Meinungen zwanglos sich einspielen konnte, ist genau in dem Maße geschwunden, in dem die publizistischen Selbstdarstellungen privilegierter Privatinteressen es für sich adoptieren. [...] Dem im Zeichen eines fingierten public interest durch raffinierte opinion-molding services erzeugten Konsensus fehlen Kriterien des Räsonablen überhaupt. Die verständige Kritik an öffentlich diskutierten Sachverhalten weicht einer stimmungshaften Konformität mit öffentlich präsentierten Personen oder Personifikationen; consent fällt mit dem good will zusammen, den publicity hervorruft. Publizität hieß einst die Entblößung politischer Herrschaft vor dem öffentlichen Räsonnement; publicity summiert die Reaktionen eines unverbindlichen Wohlwollens. Die bürgerliche Öffentlichkeit nimmt im Maße ihrer Gestaltung durch public relations wieder feudale Züge an: die ›Angebotsträger‹ entfalten repräsentativen Aufwand vor folgebereiten Kunden.« (1962: 232f.)

Der langjährige Gegenspieler von Habermas, Niklas Luhmann, wird dem in einer Hinsicht gar nicht widersprechen. Auch für Luhmann weist die heutige Öffentlichkeit keinen Zusammenhang mit den kleinen, diskutierenden Kreisen bürgerlicher Privateigentümer auf. Unter öffentlicher Meinung fasst er nun die durchgesetzte Auswahl bestimmter Themenkomplexe, über die sich dann das Publikum eine Ansicht bilden kann, ohne dass daraus bindend etwas folgte. Institutionalisiert ist lediglich diese Themenselektion; sie kennzeichnet das Funktionssystem der Massenmedien. Zeitungen, Fernsehsender etc. wählen nach ganz bestimmten Gesichtspunkten aus, worüber berichtet wird, sie bilden Schemata aus, die den Rahmen der Beobachtung und der Debatte setzen; maßgeblich ist dabei (nach Luhmann) der Gesichtspunkt der Neuheit von Ereignissen, aber auch der Rang des Absenders einer Kommunikation oder etwa die Verletzung von Werten.1 1 Luhmann 1971. Weitere Ausführungen, einige begriffliche Umstellungen und vor allem immer neue Umformulierungen des bereits Gesagten etwa in Luhmann 1975: 315ff.; 1996; 1997: 1096ff.; 2000: 274ff. Eine interessante Ausarbeitung des Luhmann’schen Ansatzes findet sich in dem leider viel zu wenig rezipierten Buch von Böckelmann 1975; vgl. auch Marcinkowski 1993. Zur Populärkultur (er benutzt den Begriff nicht, sondern spricht von massenmedialer Unterhaltung) äußert Luhmann sich konventionell, indem er sie scharf von der Formästhetik moderner Kunst absetzt (1996: 107ff.; 1995: 300, 475). Bemühungen von Anhängern Luhmanns, dem abzuhelfen, stecken noch in den Anfängen, siehe etwa Stäheli 2005 und die Aufsätze in 173

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

Eine so verstandene Öffentlichkeit unterscheidet sich offenkundig wenig von Habermas’ gesteuerter Publizität. Ganz im Gegensatz zu Habermas jedoch hält Luhmann diese Variante der Öffentlichkeit in Form massenmedialer Selektivität einer funktional differenzierten Gesellschaft für angemessen. Zu einer gesellschaftlich entscheidenden Kommunikation unter Anwesenden gibt es ohnehin kein Zurück mehr, aber auch die Annahme, dass der Prozess öffentlicher Meinung eine allgemeingültige, vernünftige Lösung erbringt, hält Luhmann für eine Illusion, die noch mit einem Zentrum, mit einer Wahrheit rechnet und nicht mit vielgestaltigen ›Realitäts‹-Konstruktionen. Habermas verwendet folglich einen Großteil seiner Arbeit darauf, umgekehrt den Nachweis zu erbringen, dass sowohl vernünftige, wahre Erkenntnisse als auch die Funktionstüchtigkeit der modernen Gesellschaft von einer demokratischeren Form der öffentlichen Verständigung abhängen; legale Entscheidungen benötigten die Legitimität öffentlicher, diskursiver Begründungen; reine Legalität reiche nicht aus, um Gesetzesnormen Geltung zu verschaffen (1971a: 243f.). In seinen früheren Schriften bringt Habermas diese Überlegungen stets im Zusammenhang einer scharfen Kritik vor: Die Anforderungen einer wahren öffentlichen Meinung seien mit den Imperativen des kapitalistischen Wirtschaftssystems unvereinbar; der Widerspruch zwischen formaler Gleichheit und materialer Ungleichheit werde still gestellt, indem die gewährten demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten eine weitgehende Teilnahme der Wahlbürger gerade verhinderten und Beteiligung auf die Rezeption medialer Botschaften beschränkt bleibe (1973: 55). Die elektronischen Massenmedien böten zwar technisch gesehen die Möglichkeit einer umfassenden freien Kommunikation, seien aber tatsächlich so organisiert, dass sie in erster Linie die »Loyalität einer entpolitisierten Bevölkerung« kontrollierten (1971b: 11f.). Weil jedoch besonders hier die Lösung spätkapitalistischer Legitimationsprobleme stattfinde, könne in der durch die Massenmedien instrumentierten Öffentlichkeit auch am ehesten der Konflikt ausgetragen werden (1968a: 100).

Soziale Systeme 10 (2004), S. 292ff. – Zum Forschungsstand beim Thema »Öffentliche Meinung« vgl. die Beiträge in Neidhardt 1994. Speziell zu Habermas’ Beitrag vgl. Calhoun 1992 und die kritische Analyse von Thompson 1990: 109ff. 174

JÜRGEN HABERMAS

Ein beständiges, großes Konfliktpotential sieht Habermas darum gegeben, weil er annimmt, dass wichtige integrative Funktionen von der »Lebenswelt« gestiftet würden, jener Sphäre zwangloser Sozialisation und Verständigung, die aber momentan von anonymen Marktkräften und Verwaltungsentscheidungen immer stärker durchdrungen und dadurch beschädigt werde. In der (freilich bedrohten) kommunikativen Alltagspraxis sieht Habermas ein Vorbild für das von ihm ausgezeichnete Verfahren einer diskursiven, demokratischen Willensbildung, in der Wahrheits- und Richtigkeitsansprüche eingelöst werden könnten, ohne dass die Geltung der so etablierten Normen auf etwas anderem als geteilten Argumenten und verallgemeinerungsfähigen Interessen beruhte (1973: 148f.). Dieses Ideal einer Kommunikationsgemeinschaft kommt sogar – obwohl sonst stark an Dewey orientiert – ganz ohne Anklänge an wissenschaftliche Expertisen und Prüfverfahren aus (abgesehen vom übergreifenden Prinzip des Fallibilismus); stattdessen wird die Einigung streitender Parteien unter den Bedingungen des durchgesetzten weltanschaulichen Pluralismus und vergrößerter individueller Optionsspielräume der gegenseitigen Perspektivenübernahme überverantwortet (1968b: 126ff.; 1988: 236ff.; 2004a: 298; 2001: 158f.). Vor dem Hintergrund eines solchen demokratietheoretischen Ansatzes können Habermas’ Positionen nun klingen, als seien sie durchgehend einem modernen Grundgesetzkommentar entnommen worden: »Die Diskurstheorie rechnet mit der höherstufigen Intersubjektivität von Verständigungsprozessen, die sich über demokratische Verfahren oder im Kommunikationsnetz politischer Öffentlichkeiten vollziehen. Diese subjektlosen Kommunikationen, innerhalb und außerhalb des parlamentarischen Komplexes und ihrer auf Beschlußfassung programmierten Körperschaften, bilden Arenen, in denen eine mehr oder weniger rationale Meinungs- und Willensbildung über gesamtgesellschaftlich relevante und regelungsbedürftige Materien stattfinden kann. [...] Wenn man die subjektphilosophische Begriffsbildung preisgibt, braucht die Souveränität weder konkretistisch im Volk konzentriert, noch in die Anonymität der verfassungsrechtlichen Kompetenzen verbannt zu werden. Das ›Selbst‹ der in sich selbst organisierenden Rechtsgemeinschaft verschwindet in den subjektlosen Kommunikationsformen, die den Fluß der diskursiven Meinungs- und Willensbildung so regulieren, daß ihre falliblen Ergebnisse die Vermutung der Vernünftigkeit für sich haben. [...] Gerade die deliberativ gefilterten politischen Kommunikationen sind auf Ressourcen der Le175

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

benswelt – auf eine freiheitliche politische Kultur und eine aufgeklärte politische Sozialisation, vor allem auf die Initiativen meinungsbildender Assoziationen – angewiesen, die sich weitgehend spontan bilden und regenerieren, jedenfalls direkten Zugriffen des politischen Apparats nur schwer zugänglich sind. [...] Verfahren und Kommunikationsvoraussetzungen der demokratischen Meinungs- und Willensbildung funktionieren als wichtigste Schleuse für die diskursive Rationalisierung der Entscheidungen einer an Recht und Gesetz gebundenen Regierung und Verwaltung. Rationalisierung bedeutet mehr als bloße Legitimation, aber weniger als Konstituierung der Macht. Die administrativ verfügbare Macht verändert ihren Aggregatszustand, solange sie mit einer demokratischen Meinungs- und Willensbildung rückgekoppelt bleibt, welche die Ausübung politischer Macht nicht nur nachträglich kontrolliert, sondern mehr oder weniger auch programmiert. Unbeschadet dessen kann nur das politische System ›handeln‹. Es ist ein auf kollektiv bindende Entscheidungen spezialisiertes Teilsystem, während die Kommunikationsstrukturen der Öffentlichkeit ein weitgespanntes Netz von Sensoren bildet, die auf den Druck gesamtgesellschaftlicher Problemlagen reagieren und einflußreiche Meinungen stimulieren. Die nach demokratischen Verfahren zu kommunikativer Macht verarbeitete öffentliche Meinung kann nicht selber ›herrschen‹, sondern nur den Gebrauch der administrativen Macht in bestimmte Richtungen lenken.« (1994a: 362, 365, 366, 364)

Auch Mehrheitsentscheidungen können unter diesen Voraussetzungen in Habermas’ Sicht als vernünftig gelten. Sie stellen dann nicht ein für alle Mal die Wahrheit (oder den allgemeinen Willen) fest, welche sich die überstimmte Minderheit zu Eigen machen muss, sondern geben den momentanen Stand der Suche nach richtigen Gesetzen, aber auch (in durchaus vergleichbarer Manier2) nach wahren Sätzen wieder.3 Die Vermutung der Richtigkeit, die auf der Bedingung und dem Verfahren für alle offener, herrschaftsfreier Argumentation und Debatte beruht, muss in der Zukunft weiteren oder erneuten Überprüfungen und Diskussionen offen stehen, aus denen 2 Zur Nähe (aber nicht Identität) von moralischer und WahrheitsGeltung siehe Habermas 2004b: 312ff. 3 Luhmanns Ansicht, die richtige Meinung werde demnach »als Ergebnis von vernünftig argumentierender Kommunikation erwartet, also in eine unbekannte Zukunft ausgelagert« (1990: 634, Fn. 30), trifft deshalb so nicht zu; angesichts von Habermas’ Anerkennung der Mehrheitsregel ist auch seine Kritik, Habermas’ Insistenz auf Vernunft als Quelle der Legitimität rechtlicher Normen sei weltfremd und schwärmerisch (Luhmann 1993a: 24; 1993b: 99; 2000: 12), überzogen. 176

JÜRGEN HABERMAS

vielleicht andere, mehrheitlich geteilte Ergebnisse hervorgehen (ebd.: 220f.); die jetzige Einlösung von Wahrheits- und Geltungsbedingungen ist nach Habermas nicht identisch mit zukünftiger Bewährung (2004c: 259ff.). Im Rahmen dieser Überlegungen ist von Habermas’ früherer Einschätzung, zwischen kapitalistischer Wirtschaft und demokratischer Öffentlichkeit bestehe ein unauflösbarer Widerspruch, nichts mehr zu hören. Sogar zur medial hergestellten Öffentlichkeit, die Habermas seit Beginn seiner Publikationen äußerst kritisch beurteilt hat, äußert er sich mittlerweile moderater (1990: 27ff.): Die Massenmedien würden zwar durch ihre spezifischen selektiven Mechanismen Verständigungsprozesse steuern und überformen, Interaktionen aber nur in erster Instanz von kritisch-diskursiven Geltungsansprüchen entlasten. In zweiter Instanz blieben selbst die gebündelten, einseitigen Kommunikationen der Massenmedien Material, an dem sich Widerspruchsmöglichkeiten entzünden könnten; Überzeugungsversuche – und seien es solche mit den ungeheuren Verbreitungs- und Stilisierungsmöglichkeiten der Kulturindustrie – zielen eben anders als Gewalt auf (breite) Zustimmung und dezentralisieren somit zumindest das Potential der Ablehnung; im Gegensatz zu seinem Lehrer Adorno bestreitet Habermas demnach, dass die Schemata der Kulturindustrie die lebensweltlichen Verständigungsprozesse vollkommen durchdringen können (1987b: 573). Dieses Urteil ist auch insofern verständlich, als Habermas’ Demokratietheorie ansonsten einen vollkommen utopisch-normativen Charakter bekäme, für den es keinen Anhalt in der Wirklichkeit moderner Gesellschaften gäbe. Andererseits versteht Habermas seine späteren Ausführungen zur demokratisch-diskursiven Meinungsund Willensbildung keineswegs als rein deskriptive Sätze. Nach dem Wegfall der grundsätzlichen Kapitalismuskritik muss folglich (wenn auch in teilweise abgeschwächter Art) die Kritik an der bestehenden abstrakten, kulturindustriell geprägten Öffentlichkeit, an der vorherrschenden Themensetzung, Propaganda und Werbung großer Medienkonzerne, politischer Parteien und Verbände weiterlaufen. Tatsächlich findet man sie nach wie vor in allen einschlägigen Schriften und Interviews Habermas’ (ausführlich 1994a: 455ff.). Das einzig bedeutende Gegengewicht dazu sieht Habermas in einer Vielzahl weiterer Teilöffentlichkeiten, die aus lokalen, konkreter problembezogenen Szenen, Diskussionsgemeinschaften, Organi177

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

sationen bestehen und wiederum die Existenz einer intakten Privatsphäre und Lebenswelt voraussetzen, deren kommunikative Alltagspraxis noch nicht durch systemisch etablierte zweckrationale Imperative eingenommen worden ist – eine Alltagspraxis also, die nach Habermas’ Worten weder durch »Konsumismus« noch durch das Leistungsprinzip geprägt wird (1987b: 480). Nach all dem Gesagten fragt man sich zuletzt, welche Rolle Habermas nun jenen Spielarten der Populärkultur abseits von Nachrichten, Talkshows und Wahlkämpfen zuweist. Hier sucht man lange vergeblich nach einer Antwort in dem umfangreichen Werk des Zeitdiagnostikers. Erst spät (1990: 17f.) findet man bei ihm ein Lob der »Volkskultur«; dies bezieht sich allerdings auf die vergangene Festkultur, wie sie Bachtin vorgestellt hat. Als Ausdruck und Stifter der Gemeinsamkeiten einer unbefragten Lebenswelt dient die populäre Kultur bei Habermas heute ebenfalls nicht. Ganz im Gegenteil schließt sich an der Stelle der Kreis, und man sieht sich zurückverwiesen auf seine frühe Kritik an der neuen Entfremdung der bedeutungslosen Reizfülle.4 Schließlich muss es für Habermas offensichtlich doch noch etwas über kommunikative Alltagsverständigung und öffentliche, rational gestaltete Prozesse, die zu revidierbaren Mehrheitsentscheidungen führen, hinaus geben. Dann genügt sogar »jenes Moment Unabdingbarkeit, das in den transzendierenden Geltungsansprüchen der Alltagskommunikation beharrlich zur Sprache kommt«, Habermas nicht mehr. Der »egalitären Massenkultur« verordnet er deshalb die »Negativität der modernen Kunst«. »Das Triviale muß sich brechen können am schlechthin Fremden, Abgründigen, Unheimlichen«, schreibt Habermas am Ende einer seiner Aufsätze (1994b: 630f.). Angesichts einer solchen Forderung liegt aber auch ein anderer Schluss nahe – der Umkehrschluss, die populäre Kultur sei der demokratischen Rationalität unheimlich.

4 Dem avantgardistischen postmodernen Versuch, »Hoch- und Trivialkultur« zu vereinigen, bescheinigt Habermas in vergleichbarer Manier, er habe sein Ziel verfehlt: »Die entsublimierte Massenkunst greift ja nicht etwa verändernd, erhellend und befreiend in die kapitalistisch verdinglichten, konsumistisch-bürokratisch verformten und entstellten Lebensformen ein, sondern befördert ihrerseits diese Tendenzen. Nicht die Hoffnung der Surrealisten war falsch, sondern der Weg, die Aufhebung des ästhetischen Scheins kontraproduktiv.« Habermas 1985b: 240. 178

SCHLUSS Der Begriff der populären Kultur ist oftmals ein wertender Begriff, der hohen Kultur entgegengesetzt. Die Gegenstände der populären Kultur gelten zumeist als oberflächlich, standardisiert, vulgär, trivial oder allzu reizvoll; in mittlerweile schon wieder klassischer Form findet man diese Wertung etwa bei Schiller entfaltet, im Namen der modernen Kunst später von Greenberg oder mit Abstrichen von Ortega y Gasset. Gegner der Hochkultur können das wertende Vorzeichen aber auch umkehren; wichtige Fingerzeige in diese Richtung findet man bereits bei Autoren wie Kracauer und Benjamin, teilweise auch bei Adorno, argumentativ wesentlich weniger subtile Weiterführungen bei Sontag und besonders bei Fiedler. Avantgardisten schätzen manchmal gerade die Oberfläche, die exakte Standardisierung oder den besonders starken Reiz, ihr Gefallen an Camp, Trash, Splatter, seriellem Techno, modischen Zeichen, Pornographie prägt längst in Form verfremdeter, antipsychologisch zugespitzter, entsubstantialisierter Zitate weite Teile des Kunstmarkts (zu Beginn mussten dabei Theoretiker wie Barthes oder Eco häufig als Gewährsleute herhalten). Auch eine ganze Reihe politischer Feinde einer selbst ernannten Elite eignet sich einige Momente der von bildungsbürgerlicher Warte aus traditionell abgewerteten Populärkultur gerne an; im Unterschied zu den avantgardistischen Künstlern verzichten die Populisten (wie z.B. Fiske) aber auf jede Distanzierungsgeste, um gegen den vorgeblichen Dünkel und die Blässe der hohen Kultur sinnlichere, handgreiflichere, egalitärere Freuden ins Feld zu führen. Solche Urteile finden im 20. Jahrhundert selbst in den Organen der Hochkultur Gehör (an der Auswahl der hier vorgestellten Wissenschaftler und Essayisten erkennt man dies sofort). Unter dem Zeichen der Genie-Ästhetik und nach der prinzipiellen Verneinung fester, gültiger poetologischer Regeln kann das Gefallen an der Populärkultur nicht einfach mehr ignoriert oder diskussionslos als

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THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

Ausdruck der Geschmacklosigkeit abgetan werden. Die Autonomie der Kunst (und die regellose Subjektivität des ästhetischen Urteils) lässt es nicht länger zu, Werke der populären Kultur zur Unkunst zu erklären. Gehören sie nun zum Reich der Kunst, kann man sie als schlechte Kunst betrachten, das gegenteilige Urteil ist jedoch nicht kategorisch ausgeschlossen. Auch moderatere Positionen lassen sich somit angreifen. Hannah Arendt (1964) etwa gesteht der Unterhaltung ein großes Eigenrecht zu, hebt aber die Meisterwerke der Kunst entschieden davon ab; Letztere zeichneten sich dadurch aus, der Zeit enthoben zu sein, darum dürften sie nicht einem momentanen Verbrauch ausgesetzt werden – eine Trennung, die von anderer Seite genauso scharf bestritten wird (Shusterman 1993: 107f.). Wie dem auch sei, grundsätzlich bedeutsam an solchen Debatten ist nun, dass sie argumentativ nicht beschlossen werden können. Sie müssen sich auch keineswegs von den ›neuesten Ergebnissen der Unterhaltungsforschung‹ (Zillmann/Vorderer 2000; Wirth u.a. 2006) bestimmen lassen – oder von Adornos historischer Einsicht (1981: 466), das Bedürfnis nach Unterhaltung sei die Reaktion auf eine »Gesellschaft, deren Zwangsmitglieder Last und Monotonie ihres Daseins anders schwer ertrügen«. Natürlich gehen die Bemühungen, die anderen zu überzeugen, trotzdem immer weiter: Postmoderne Vertreter, die gleichermaßen Picasso und beliebige Comics schätzen, müssen sich dann z.B. den Vorwurf gefallen lassen, für sie zähle nur noch das Kriterium der Unterhaltsamkeit, des bloßen Zeitvertreibs (Hermand 2004: 119). Solange aber alle Beteiligten letztlich die Idee von der Regellosigkeit des Schönen akzeptieren, können sie die Möglichkeiten, entweder nur Picasso-Gemälde oder Comic-Bilder (bzw. beide zugleich – oder auch keins von beiden) als gelungene Kunstwerke zu feiern, nicht mit Gründen widerlegen. Den Kernpunkt der modernen Auffassung autonomer Kunst bildet die Ansicht, dass sowohl die moralische Qualität als auch der Bildungsgehalt eines Kunstwerks keineswegs gleichbedeutend mit seinem ästhetischen Rang ist. Ins Reich begründbarer Urteile tritt man umgekehrt sofort wieder ein, wenn man kein ästhetisches Geschmacksurteil äußert, sondern Artefakte an ihren Folgen misst. Nicht zufällig sind Mutmaßungen über ihre Wirkungen ein Hauptbestandteil der Auseinandersetzung mit populärer Kultur. Dass ihre Produkte einen verdummen, abstumpfen, abhängig machen, verro180

SCHLUSS

hen, zur Gewalt anstacheln, an Schlüsselreize binden, von Wichtigem abhalten oder lediglich auf leere Weise die Langeweile füllen – solche Wirkungsannahmen liegen der kritischen Beschreibung der Populärkultur stets zugrunde (in unzähligen Versuchsanordnungen hat sich die psychologische Forschung bemüht, einen empirischen Nachweis dafür zu erbringen; vgl. Hecken 1997a: 71ff.; Böckelmann 1975: 207ff.). Verbunden damit ist zumeist unausgesprochen die Ansicht, dass derjenige, der diese Kritik formuliert, auf der anderen Seite steht; die Lektüre von Goethe, Musil oder Jelinek hat ihn zu einem gebildeteren oder mündigeren, die Kenntnis von Mozart- oder Free Jazz-Platten zu einem freieren Menschen gemacht. Im Curriculum der Schule kommen solche Annahmen deutlich zur Geltung, auch wenn die Benotung der Schüler auf deren kritischer, analytischer Reflexion der nicht allein aus ästhetischen Gründen zum Unterrichtsstoff erhobenen Werke beruhen soll. Zur Leitvorstellung all dieser Theorien und Praktiken gehört, dass auch als solche klassifizierte Unterhaltungsobjekte keineswegs nur zerstreuend wirken: Die stilistische Gleichförmigkeit der Kulturindustrieprodukte, schreiben Horkheimer/Adorno (1988: 140ff.), führe zum aggressiven Konformismus ihrer Rezipienten; zudem steckten auch scheinbar banale Inhalte voll ideologischer Gehalte; noch die leichte Komödie »gibt dem Zuschauer zu verstehen: wenn du Humor hast, gutmütig bist, rasch-geistig und charmant, brauchst du dich nicht allzusehr über deinen Hungerlohn aufzuregen; du bleibst doch immer noch, was du bist.« (Adorno 1963: 84) Umgekehrt, so eine sich ständig verdichtende Diagnose des letzten Jahrhunderts, sind auch die traditionell als Information angesehenen Meldungen und Berichte stark von narrativ-literarischen und Unterhaltungselementen durchsetzt; gerade die Massenmedien seien von ihnen in hohem Maße geprägt (Dörner 2000). Bereits die im Laufe des 18. Jahrhunderts schnell Popularität erlangende Gattung Roman, die von der humanistischen (lateinischen) Bildung und ihrem alten Regelwerk nicht erfasst wird, sei an der Grenze von Fakten und Fiktionen angesiedelt (Fluck 1998: 20). Ihr Vorläufer und zeitweiliger Begleiter, die sog. Neue Zeitung, ist nicht zufällig von den Gebildeten als vulgär eingeordnet worden (vgl. Davis 1983; Werber 1997). Die Schwierigkeit, zwischen einer populären Kultur, die evtl. nur der Freizeitunterhaltung dient, und einer öffentlichen Meinung, die Sachverhalte klären und über wichtige Entscheidungen verhan181

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

deln soll, zu unterscheiden, gewinnt in dem Moment enorm an Bedeutung, als das gleiche Wahlrecht für alle erwachsenen Bürger erst mit Nachdruck gefordert und dann schließlich nach langen Debatten und politischen Kämpfen auch durchgesetzt wird. Der Begriff »Massenkultur« (im Zusammenhang mit »Massengesellschaft«) wird häufig gebraucht, um auf die Gefahren hinzuweisen, die entstünden, wenn man sich den Vorlieben und Voten der großen Zahl überließe. Aus den traditionell bewährten ständischen Ordnungen herausgelöst, nun gar zur individuellen Entscheidung aufgefordert, unterlägen die Einzelnen (wie schon von Tocqueville befürchtet) der festen Tendenz bzw. der rasch erfolgreichen Manipulation, sich zur Masse zusammenzuballen. Ihre moderne Vereinzelung, ihre Haltlosigkeit treibe die »menschlichen Atome« dahin, sich durch »Radio, Zeitung, Kino, Massenausflüge, Massensport« und deren »wie Rauschgifte wirkenden Erregungen« zu betäuben und durch ihre Vermittlung gleichzeitig in eine neue integrierende Gemeinschaft einzugehen; dadurch entstünden kulturell wertlose Formen oder, im noch schlimmeren Fall, die fanatischen »Sozialreligionen«, die Zusammenhalt durch »Völkerhaß, Klassenhaß und Rassenhaß« erzeugten (Röpke 1957: 22). In Ländern mit einer wesentlich stabileren Herrschaftsschicht als in Deutschland kann dieselbe Massentheorie in der Mitte des letzten Jahrhunderts mit unendlich selbstgewisserem Ton vorgebracht werden. Der englische Philosoph Oakeshott etwa (der die Position Schumpeters weiter zuspitzt) sieht in der Demokratie ein vorzügliches Mittel, den »Massenmenschen« zu führen. Das plebiszitäre Mandat sei schon immer eine Illusion gewesen; weil der »Massenmensch« von Stimmungen und Trieben gesteuert werde, sei er nicht in der Lage, seinen Vertretern Ziele und Vorschriften aufzuerlegen: »Was sich in Wirklichkeit jedesmal ereignet hat, wenn die ›Volksregierung‹ die Macht ergriffen hat, ist, daß der zu wählende Vertreter sein Programm selbst aufgestellt und es dann mit dem bekannten Trick des Bauchredners seinen Wählern in den Mund gelegt hat« (1957: 210). Anhänger der diskursiv, in alltäglicher Praxis hervorgebrachten Demokratie (wie Dewey oder Habermas) halten dem entgegen, dass eine solche Auffassung von der Masse in starkem Maße erst den schlechten Zustand schafft, den sie als gegebene Konsequenz der Massenkultur und -gesellschaft unterstellt. Notwendig sei nicht der Versuch, die Massen zu beherrschen, sondern Kommunikation zu 182

SCHLUSS

ermöglichen, sicherzustellen, dass alle tatsächliche Mitspracherechte bekommen: »Aktive Aufnahme und lebendiges Reagieren hängen von einer wirksamen Gemeinsamkeit der Erfahrungen ab, und ihr Wert basiert ebenso gewiß auf der Anerkennung praktischer Gleichheit.« Auch die massenhaft rezipierten Werke dürften darum nicht einfach als minderwertig abgestempelt werden und ohne Gehör bleiben; am Beispiel des in der Mitte des 18. Jahrhunderts zunächst als vulgär abgewerteten Romans könne man gut erkennen, dass die hochkulturellen Aburteilungen zu undifferenziert seien (Williams 1972: 379, 366). Es ist sicher kein Zufall, dass solche Ansichten oftmals mit einem Begriffswechsel einher gehen; ab 1970 tritt auch in Europa der Begriff »populäre Kultur« zunehmend an die Stelle von »Massenkultur«, bis er ihn seit zwanzig Jahren weitgehend ersetzt hat. In diese Jahrzehnte fallen entsprechend verstärkt Ansätze, im Bereich des Hollywoodfilms, der Popmusik, der Comics, des Werbedesigns usf. wie zuvor um 1800 innerhalb der Gattung des Romans Beispiele zu präsentieren, deren Lob man in intellektueller, feuilletonistischer Manier ausarbeiten kann. Auch eine ganze Reihe linker Kritiker sieht nun in der Nachfolge Ernst Blochs in den Traumwelten der massenmedialen Kultur lebendige, teilweise utopisch vorwärts weisende Momente (Prokop 1973: 35f.) oder imaginäre Lösungen wirklicher Probleme (Jameson 1982: 130). Trotzdem ist das Wort »Populärkultur« bis heute keineswegs ein durchweg positiv besetzter Begriff. Auch in seinem Zeichen kann die Diagnose (oft als scharfe Kritik formuliert) weiterbestehen, dass die meisten populären Phänomene moralisch, ästhetisch oder (bildungs-)politisch bedenklich seien. Offene Kritik an der Demokratie als »Massengesellschaft« hört man hingegen kaum mehr. Die Vermutung liegt darum nahe, dass die über viele Jahrzehnte so überaus entschieden vorgetragene Kritik an der Herrschaft der Mehrheit nun wenigstens noch im Bereich der Kultur ihren viel versteckteren Ausdruck findet – die populäre Kultur erscheint dann als der manchmal ›unheimliche‹ Schatten der Demokratie. Tatsächlich steht ja auch in den westlichen Demokratien institutionell der weisungsungebundene Abgeordnete einem direkten Zugriff von Mehrheitsmeinungen auf gesetzlich bindende Entscheidungen entgegen; in der nur mäßig zutreffenden Ansicht, die Themen und Entscheidungen der parlamentarischen Beschlüsse würden häufig von medial erzeugten oder bekräftigten populistischen Stimmungen dominiert, 183

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

findet man eine zeitgemäße (eigentümlich resignativ vorgetragene) Begründung dieser Vorkehrung (vgl. jedoch Beyme 1997). Zumeist gibt sich die Kritik an der Populärkultur oder an der öffentlichen Meinung aber als Kritik an der ungenügenden Durchsetzung demokratischer Verhältnisse aus. Ansichten oder Vorlieben großer oder sogar überwiegender Teile der Bevölkerung, die aus Sicht der Kritiker falsch oder misslich sind, werden von ihnen konsequent auf Einschränkungen der Freiheit zurückgeführt, nicht auf die unabänderliche Niedrigkeit der Menge. Darum brauchen diese Kritiker die Bilanzen über Mehrheitsentscheidungen oder weitverbreitete Vorlieben – also Wahlergebnisse, Einschaltquoten, Verkaufszahlen, Ergebnisse von Meinungsumfragen1 – nicht als Ausdruck authentischer Überlegungen oder Bedürfnisse annehmen. Konservative Autoren haben mit dem Befund insofern wenig Probleme, als sie auf Entäußerungen massenhafter Subjekte wenig Wert legen. Wahlentscheidungen seien von Willkür und äußerlichen Zufällen bestimmt, kaum von individuell bewusster Meinungsbildung, meint etwa Niklas Luhmann (2000: 283). Darum können Intellektuelle seiner Couleur die öffentliche Meinung kühl als uneinheitliches Ergebnis der Publikationsmittel verschiedener organisierter Gruppen (Schelsky 1965c) oder, etwas umformuliert, als »Resultat der Dauerwirksamkeit von Massenmedien« beschreiben (Luhmann 1997: 1102). Linke Autoren wollen genau dies nicht hinnehmen; sie wollen aber oftmals ebenso wenig die Ergebnisse von Entscheidungen akzeptieren, die auf einer demokratischen Wahl egalitärer Einzelner beruhen. Als Gründe dafür geben sie etwa an, dass Charts und Bestsellerlisten nur Angaben zu Teilbereichen des potentiellen Gesamtpublikums lieferten und dass die Fragen von repräsentativen Meinungserhebungen zumeist lediglich auf Stimmungsauskünfte zielten (Prokop 2000: 161; Prokop 2005: 128). Ihr wichtigstes Argument ist jedoch viel umfassender: Es hebt negativ die demokratisch nicht legitimierte, sondern privatwirtschaftlich errungene Macht der Medienkonzerne hervor, die Aufmerksamkeit des großen Publikums auf bestimmte Meinungs- und Konsumgüterangebote zu lenken, die Beiträge sozialer Bewegungen zu beschneiden und den Austausch 1 Das Konzept einer Populärkultur als Verfahren, Wahlergebnisse zu ermitteln und zu präsentieren, habe ich in essayistischer Form ausführlich in dem Band Populäre Kultur beschrieben (Hecken 2006a: 85ff.). 184

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zwischen den gesellschaftlichen Gruppen mit Hilfe allgemeiner Themen- und Kommunikationsschemata zu unterbinden. Die Ergebnisse der Meinungs- und Rezeptionsforschung lieferten deshalb nur vordergründig empirische Daten über die Vorlieben der Einzelnen, tatsächlich handele es sich nicht um freie Entscheidungen, sondern um Reflexe; richtigerweise müssten also die Konditionierungen des dominierenden, fest institutionalisierten Apparats der Kulturindustrie herausgestellt werden (Horkheimer/Adorno 1988: 131) oder, noch grundsätzlicher, die vorgängige Struktur der »Massenkommunikation«, die sich gerade dadurch einseitig auszeichne, dass die »Massen« nicht an ihr teilhaben. Der Meinungsforschung erschienen die Verhaltensdispositionen und die aus ihnen abgeleiteten selektiven Wahrnehmungen der einzelnen Rezipienten fälschlich als eigenständige Momente, ohne zu erkennen, in welch hohem Maße diese Dispositionen bereits durch die Themen- und Formenselektivität der Massenkommunikation sozialisatorisch eingeprägt worden seien (Böckelmann 1975: 124). Es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb die Addition einzelner Voten auf scharfe Kritik stößt. Die Berufung auf Einschaltquoten und Meinungsumfragen könne keineswegs als Ausdruck einer demokratischen, vernünftigen öffentlichen Meinung gelten, meint etwa Bourdieu (1998: 96). Zu den gerade benannten Gründen tritt bei ihm noch ein weiterer: Isolierte, einsame Wahlakte wie das Kreuz in der Wahlkabine oder der Kauf im Supermarkt reduzierten Politik und menschliches Verhalten auf eine »Summe individueller Akte« (2001d: 32). Genau die gleiche negativ gefasste Beschreibung der Isolation in der Wahlkabine haben wir bereits bei Carl Schmitt kennen gelernt. Dies stimmt äußerst bedenklich, wenn auch Bourdieu im Unterschied zu Schmitt, der die Einheit des Volks in der ihm wesensgemäßen Akklamation des Führers anstrebt, den Blick auf die Bedeutung kollektiven Handelns und solidarischer Vergemeinschaftungsformen abseits cäsaristischer Gefolgschaft lenken möchte. Durch das Prinzip der individuellen Wahl (und ihrer Anerkennung als summierte Grundlage überindividueller Entscheidungen) sieht Bourdieu die ganz anders gearteten Formen sozialer Organisation und Politik verborgen oder entwertet. In einer Hinsicht ergibt sich dadurch eine Umkehr der alten Massen-Auffassung. Galt den Theoretikern der Massengesellschaft der Einzelne als bindungsloses Atom, das leicht manipuliert und standardisiert werden kann, weisen die vielen Kritiker der Massen185

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

Theorie auf das Faktum der zwar nicht mehr ständisch gegliederten, aber nach sozialen Schichten und Interessengruppen aufgeteilten Gesellschaft hin (Wilensky 1973: 117; bei Bourdieu mit der besonderen Pointe versehen, dass die Herauspräparierung der individuellen Wahl durch Meinungsforschung, Charts, Einschaltquoten dem Konzept einer egoistisch-liberalen Politik diene, deren Freiheitseffekte sich in erster Linie für die herrschende Schicht bezahlt machten). Einschätzungen, dass sich die populäre Kultur besonders durch schichtenunabhängige Angebote auszeichne bzw. an einen durchschnittlichen Geschmack richte, rücken darum ins Zwielicht, ebenso die Überzeugung, dass eine klassenübergreifende Hegemonie (Hall) oder ein übereinstimmendes, integrierendes Werte-Muster (Parsons) zur Stabilität der gesellschaftlichen Strukturen notwendig sei. Auch die höchstwahrscheinlich zutreffende Ansicht, dass eine demokratische Gesellschaft nicht existieren könnte, wenn das Bild der Bürger voneinander »vom postmodernen Code einer reflexiven Pluralität einander fremder Stämme und Subkulturen« geprägt würde (Offe 2003: 149), führt sofort in die Irre, wenn sie unterschlägt, welch ein großes Maß an Unterschieden und Teilungen die zeitgenössische Gesellschaft durchzieht, ohne ihren Bestand auch nur annähernd zu gefährden. Eine überzeugende Kritik an solchen Annahmen besteht in der zum Teil empirisch erhärteten These, zur gesicherten Reproduktion der gegenwärtigen westlichen Gesellschaften reiche bereits weitgehend der materielle Druck auf die Lohnabhängigen aus, ohne Befolgung bestimmter Leistungsimperative und ohne Eingliederung in die bestehende Arbeitsorganisation nur ein dürftiges Dasein fristen zu müssen (Abercrombie/Hill/Turner 1980 u. 1990). Trotzdem bleibt aber die Beobachtung richtig, dass große Einheitlichkeit (eine populäre Kultur in hohem Maße) bislang vor allem dann gegeben ist, wenn nationalistische Kräfte – bislang auch noch unter den Bedingungen international produzierter und verbreiteter Konsumgüter und Medienangebote (Hepp 2004) – erfolgreich ihr Land als ein Volk oder eine Kulturgemeinschaft gegen andere Nationen oder auswärtige Gruppen im politisch-militärischen Kampf oder der ökonomischen Konkurrenz mobilisieren. Von einer populären Kultur im Sinne geteilter musischer Güter kann hingegen kaum eine Rede sein. Auch wenn die Diagnose, dass die Bedeutung der traditionellen bildungsbürgerlichen Kultur für die oberen Schichten abgenommen hat, sicherlich zutrifft (Maase 1994), ist Bourdieus 186

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Nachweis über die enorme Distinktionsqualität unterschiedlicher Aneignungsweisen keineswegs außer Kraft gesetzt. Jene Exklusivität, die sich ebenfalls im distanzierten Zugriff auf sinnlich reizvolle Gegenstände beweist, hängt nicht an bestimmten Objekten; sie zeigt sich nicht, wie Veblen (1986: 158) dies noch hervorgehoben hat, ausschließlich an dem Abstand zu allen maschinell hergestellten Erzeugnissen und deren damit verbundener ›Gemeinheit‹ (Riesman 1994: 170). Dennoch hat die Aneignung seltenerer bildungsbürgerlicher Güter insgesamt höchstwahrscheinlich nicht nachgelassen, schon allein wegen der gestiegenen Zahl geisteswissenschaftlicher Studenten, die zu ihren (Zwangs-)Abnehmern gehören. Ihr Bedeutungsverlust dürfte vielmehr daher rühren, dass ihre eingehende oder behauptete Kenntnis nicht (mehr) obligatorisch ist, um eine Laufbahn anzutreten, die in höchste Verwaltungs- oder Firmenränge führt. Darum ist es momentan aufs Ganze gesehen etwas angemessener, auf die prägende Kraft der neuen technischen Medien (McLuhan 1962; Giesecke 2002) bzw. ihrer bestimmten politisch-rechtlichen oder ökonomischen Ausgestaltung und Durchsetzung hinzuweisen (Williams 1975; Dröge/Kopper 1991) – etwa auf die Einseitigkeit des ›Kommunikations‹-Weges (Enzensberger 1970) – als auf die relative Gleichförmigkeit der durch sie verbreiteten Inhalte; in Zeiten des Internets gibt nun es sogar immerhin einige Versuche in spezifischen Nutzergemeinschaften großer Zahl, dezentralere Verbindungen zu schaffen. Hinzu kommt, dass in einer teilweise nachfordistischen Ökonomie der große ökonomische Erfolg nicht unbedingt an dem massenhaften Vertrieb weniger Güter hängt, die untereinander einen hohen Grad an Übereinstimmung (also leichte Variationen eines standardisierten Musters) aufweisen (Amin 1994; Fine 1995: 136ff.; Ritzer 2006). Die zunehmende Angebotsfülle, deren einzelne Produkte sich oftmals gezielt an unterschiedliche Publikumsschichten wenden, muss freilich nicht mit zunehmender Konkurrenz der Unternehmen oder gar mit einer Verringerung der Konzentrationsprozesse einhergehen; experimentierfreudige kleine Firmen, die ›Marktlücken‹ entdecken bzw. Popularität in (vorerst) kleinen Szenen erringen, werden rasch aufgekauft; im Filmsektor gehören sogar einige der sog. Independent-Firmen den Oligopolisten von vornherein als Tochterfirmen an (Mossig 2006: 156); im Sinne einer längerfristigen Planung fungieren ohnehin wenigstens einige Produktentwick187

THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

lungen, die aktuell nur kleinere Käufergruppen bedienen, innerhalb des Kalküls eines Konzerns als Anzahlung auf die Zukunft, da sie als potentielle Erfolgsmodelle angesehen werden, falls sich sozialdemographische Daten verändern oder Moden wandeln. Subkulturelle Szenen (und ihnen nahe stehende Theoretiker), die auf dem Wege eine weitere Verbreitung ihrer Lebensgewohnheiten, Symbole und bevorzugten Konsumobjekte erleben müssen, beschreiben den Prozess häufig (negativ) als ›Kommerzialisierung‹; eine größere Distribution der von ihnen bevorzugten Güter können sie sich nur so erklären, dass diese eingängiger gemacht und domestiziert worden sind. Die Erklärung trifft aber keinesfalls immer zu, die zeitweiligen Überschneidungen von »Pop« und »Underground« innerhalb der Jugendkultur zeigen dies beispielhaft an; die eigentliche Funktion der Erklärung liegt deshalb darin, die Wandlungsfähigkeit oder Liberalität der angenommenen Gegner zu bestreiten. Umgekehrt wäre es aber genauso falsch, aus soziologischen Beobachtungen, dass eine bestimmte Sorte unangepasster Jugendlicher später größere Karrierechancen besitzt (Bielby 2004), Thesen über einen allseits geforderten und geförderten Nonkonformismus zu verfertigen. Ein gewisser Pluralismus von Verhaltensweisen, wie er auch innerhalb vieler Länder der westlichen Welt in der größer gewordenen Distanz jugendlicher Subkulturen zu ihren Herkunftsschichten zum Ausdruck kommt (Bennett/Kahn-Harris 2004; Müller-Bachmann 2002), läuft nicht auf eine entgrenzte Freiheit der Wahlmöglichkeiten hinaus (Clarke 1990; Hinz 1998). Hier hilft nur eine detailliertere, nach gesellschaftlichen Bereichen differenzierte Analyse, wo jeweils die Grenzen des Tolerierbaren gezogen werden – und welche Grenzen im Sinne von Mehrheitsmeinungen verlaufen oder weitgehend unabhängig von ihnen bestehen. Um einen zentralen Wert kann es dabei nicht mehr gehen. Wenn man aber das große Bild nicht aus den Augen verlieren möchte, bieten sich einige interessante Kandidaten an, um die Lücke gleichzeitig zu füllen und in der zeitlichen Dimension zu öffnen. Populäre Kultur und öffentliche Meinung, in deren Namen fast alle wichtigen Debatten über die Verfassung demokratischer Gesellschaften und ihre Alternativen geführt werden, stellen, wie gesehen, die großen Begriffe und Konzepte dafür dar. Sie werden durch Zuschreibungen und Bilanzierungsversuche zumeist intellektueller oder politischer Beobachter gebildet; seit einigen Jahrzehnten treten Erhebungen über Einschaltquoten und Kaufakte sowie Meinungsumfragen hin188

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zu; ihre stetige, tägliche Weiterführung hält die Möglichkeit der Erkenntnis offen, dass auch die populäre Kultur – deren je aktuelle Ausprägungen sich auf den vorderen Plätzen dieser Bilanzen finden – nicht aus den unwandelbaren Merkmalen und Neigungen der völkischen Herkunft, der beschränkten niederen Schichten oder des durchschnittlichen Menschen (des Massenmenschen nach Ortega y Gasset) besteht. In vergleichbarer Weise wird der punktuelle, partielle Zustand der öffentlichen Meinung, wenn sie nicht als einmütige Auffassung erscheint, durch die Mehrheitsregel festgestellt – evtl. im Anschluss an allseitig geführte Debatten oder im Zuge politisch-publizistischer Machtkonzentration. Es gibt aber noch zwei weitere hoch interessante Modellierungen, wie vorherrschende Gemeinsamkeiten zustande gebracht werden können. Ulrich K. Preuß (1979) verweist auf das verfassungsrechtlich niederlegte und in korporatistisch zusammengesetzten Gremien institutionalisierte Prinzip des Pluralismus, durch das richtige Entscheidungen mit ›ausgewogenen‹ Beschlüssen gleichgesetzt würden. Durch die dort etablierte Parität sozialer Gruppen werde das Mehrheitsprinzip zugunsten »einer den Gruppen vorgeordneten Gleichgewichtsordnung geopfert« – und in Universitäten, Schulen, im ganzen Bereich der kulturellen Produktion trete dementsprechend das »Ordnungsmodell einer pluralistischen Kultur an die Stelle eines konsequent auf der Autonomie des Subjekts beruhenden Prinzips der geistigen Freiheit.« Im Anschluss an Althusser (1973: 68) und Foucault stellt hingegen Étienne Balibar (2006: 299f.) die Dialektik der Aufklärung wieder konsequent an den Freiheitsrechten, wie sie dem bürgerlichen Individuum prinzipiell zu Eigen sind, heraus: Für seine Befreiung vom Status des Untertanen, für seine individuellen Freiheiten müsse das bürgerliche Subjekt den Preis der Normalität bezahlen. Seine universellen Rechte seien an eine »Identifikation mit dem Allgemeinen« gebunden, das in Gestalt des Normalen auftrete. »›Frei‹« sei das Individuum jetzt nur in dem Maße, wie es »›normal‹« sei: »›im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten‹ oder ›geistig gesund‹, insofern es denjenigen Denk- und Verhaltensmustern gehorcht, die den anerkannten Verkehrsformen entsprechen; geschlechtlich ›normal‹, insofern es den herrschenden Sexualitätsmodellen folgt (oder, wenn dem nicht so ist, zumindest dazu bereit ist, seine sexuellen Vorlieben und Praktiken zu verbergen, um sie in schizophrener Form oder aber im ›besten‹ Fall in einer stigmatisier189

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ten ›Minderheit‹ oder in einer ghettoisierten Subkultur auszuleben).« Zweifellos trifft diese Beschreibung zu, sie unterschlägt allerdings im Bild des ›herrschenden Allgemeinen‹ den je unterschiedlichen Zuschnitt dessen, was als normal bestimmt wird. Die Wandelbarkeit des Normalen, wie sie etwa nach Ansicht Foucaults unter dem Zeichen der Öffentlichkeit angezeigt wird, ist ein Effekt jener populären Kultur, die mit einem möglichen festen Bestand gemeinschaftlicher Gebote und Sagen nicht übereinkommt – zu nennen sind hier vor allem Meinungsumfragen und andere empirische Erhebungen, die statistisch fließende Übergänge zwischen dem Normalen und dem Unnormalen modellieren (zu nennen ist aber wohl ebenfalls das viel traditionellere Phänomen intensiver medialer Aufmerksamkeit für ›abweichende‹ Handlungen, eine Aufmerksamkeit, die, selbst wenn sie auf moralische Panik oder Abscheu zielt, in jedem Fall Publizität herstellt). Zum Schluss bleibt ein Moment der Unsicherheit, ob man solche faszinierenden Beschreibungen von Strukturen und Bereichen der modernen Welt, wie sie die hier versammelten Autoren zu einem großen Teil geliefert haben, unter dem Titel »Theorien der Populärkultur« versammeln sollte. Nun ist die reine Namensgebung zumindest aus wissenschaftlicher Sicht in vielen Fällen ein vergleichsweise belangloser Punkt. Problematisch scheint aber in unserem speziellen Fall zu sein, dass so viele verschiedene Ansätze unter dem einen Titel kursieren. Um über die bereits in diesem Buch angeführten noch einige Bestimmungen weiterer Autoren sowie zusätzliche Definitionen zu nennen: »Popular culture« als Kultur, die direkt mit den Alltagserfahrungen des großen Teils des Volkes in Verbindung steht (Handlin 1964); das »wahrhaft Populäre«, entstanden aus der Lebensweise von »actual communities«, als Gegensatz einer synthetischen »AntiKultur« (Williams 1976: 115); oder »popular culture« als eine Kultur, die ganz im Unterschied zur sog. »folk culture« auf einem »concept of mass and a mode of commodity production built around a division of labour and the mechanical reproduction of cultural objects« gründet (Swingewood 1977: 107); oder »popular culture« als eine Kultur, »which regardless of where or by whom it is produced, speaks to a large public audience that cannot be simply described by a single social variable, such as class or gender or age« (Grossberg/Wartella/Whitney 1998: 37); »popular culture« als »forms of 190

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expression that attract the largest audiences« (Gorman 1996: 7); »popular culture« als eine Kultur alltäglicher Handlungen (Miller/McHoul 1998); »popular culture« als Kultur, die »high and low forms« miteinander kreuzt und sich u.a. darüber in eine Vielzahl »of forms, genres, audiences, tones, styles and purposes« aufgegliedert hat (During 2005: 199); »Popularkultur« als demokratische Kultur, die ohne Zugangsschranken der Bildung für alle verständlich ist (Nutz 1999: 322ff.); »Populärkultur« als klassenübergreifende, herrschende Kultur der »Massendemokratie« (Maase 1997); »populäre Kultur« als »unterhaltende Kultur« im Sinne »ästhetischer Zweideutigkeit«, einem beständigen »Sowohl-als-Auch von Ernst und Unernst im Angebot, das das Artefakt macht und die Rezeption realisiert« (Hügel 2003a: 17); oder »populäre Kultur« als »Prozess der kulturellen Regulierung und Veränderung des Alltags, der jederzeit von sozialen Subjekten und Gruppen angestoßen wird, indem sie sich die von der Kulturindustrie vorgegebenen Ressourcen im Horizont ihrer Interessen und Phantasien aneignen« (Göttlich 2002: 46); »popular culture« als »the whole swirl of a nation’s various mixes of attitudes and actions«, als »everyday, vernacular culture«, als »the voice of the people« (Browne/Ambrosetti 1993: 3; Browne/Browne 1991: 1; Browne 2005: 11; zur Popular Culture Association vgl. Fluck 1979: 11ff.); Werke der populären Kultur als »cultural artifacts which reach and are recognized by a significant percentage of the population« (Lohof 1973: 458), als standardisierte, »manipulierte Konsumgüter« (Löwenthal 1957: 55), als »triviale Formen populärer Unterhaltung« (Habermas 1987b: 574) usw. usf. Das Problem der Fülle erscheint jedoch nur im Rahmen einer derartigen Aneinanderreihung. Solange man in den einzelnen Büchern und Aufsätzen knapp darüber in Kenntnis gesetzt wird, was jeweils mit dem Begriff »populäre Kultur« an Sachverhalten angesprochen werden soll, löst sich die Schwierigkeit rasch auf; eine Nomenklatur sagt noch nichts über einen gelungenen klassifikatorischen Zugriff aus, der bedeutende Perspektiven etabliert, dadurch Unterschiede setzt und zugleich vertiefende oder abweichende Handlungen ermöglicht. Wissenschaftlich entscheidend ist, ob interessante, neue Daten oder verlässliche historische Erklärungen zu der auf diese Weise benannten populären Kultur angeboten werden, bestehe sie nun kategorisch aus trivialen Werken, gemeinschaftlichen Praktiken, der Kultur der Mehrheit, hegemonialer Ideologie oder ambivalenter Unterhaltung. 191

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Ein anderes Problem bleibt jedoch. In dem durch eine lange Geschichte geprägten Begriff des Populären ist die Bezugnahme auf Bevölkerungsklassen oder -gruppen eingeschlossen. Lange ist das Volk vornehmlich im Ausgang von seinem Widerpart, den höheren Schichten (negativ) bestimmt worden (Dubiel 1986: 34), bevor sich die Wertung demokratisch oder später sozialistisch verkehren kann; nationalistisch muss es sich vor allem seit dem 19. Jahrhundert anderen Rassen und Nationen entgegensetzen lassen. Im Begriff der populären Kultur (Hügel 2003b; Ruchatz 2005) schwingen diese Traditionen unvermeidlich heute noch schnell mit, wenn man auch nur ansatzweise zugleich beschreibende und wertende Aussagen mit ihm verknüpfen möchte. Der Begriff der Populärkultur muss deshalb nicht gleich aufgegeben werden, wie es einige Autoren raten (Frow 1995), zumal vorgeschlagene Ersatzbegriffe wie »mass art« (Carroll 1998: 187f.) oder »media culture« (Kellner 1995: 33ff.) ihrerseits Probleme aufwerfen oder eher zusätzlich verwendet werden sollten. Es empfiehlt sich aber dringend, auf die gerade angesprochenen Fusionierungen zu verzichten, es also zu unterlassen, das Populäre mit dem ästhetisch Minderwertigen (oder Höherwertigen) prinzipiell zu identifizieren (Levine 1988). Weil mit dem Begriff des Populären bis heute im Sprachgebrauch stets der Bezug auf eine große Zahl an Menschen verbunden ist (auch noch bzw. sogar manchmal eher wegen des teilweisen Wegfalls ständischer, klassenkämpferischer oder völkischer Mobilisierungsrhetorik), stellt es bereits einen Verstoß gegen diese Maxime dar, wenn man Popularität unbesehen bestimmten Artefakten, Meinungen, Handlungen zuschreibt, nur weil man weiß, dass zu einem bestimmten geschichtlichen Zeitpunkt ähnliche Verhaltensweisen oder Werke weitverbreitet gewesen sind. Die Einschätzung, etwas sei populär, läuft in dem Fall auf eine unausgesprochene Wesensannahme hinaus: Wenn man etwa kitschige Gegenstände per se (oder besser gesagt: gewohnheitsmäßig) als Objekte eines populären Geschmacks bezeichnet, dann enthebt man sich auf dem Wege jeder Notwendigkeit (oder Chance), eingehender zu studieren, wer tatsächlich einer entsprechenden Meinung oder Vorliebe anhängt. Darum ist es zumindest innerhalb der wissenschaftlichen Rede sinnvoll, die populäre Kultur von einer Betrachtung des Zuschnitts ihrer Rezipienten oder Produzenten her anzugehen. Nach dieser quantitativen Bestimmung und ihrer Aufschlüsselung unter Maßgabe anderer Klassifikationssysteme (Herkunft, Alter etc.) kann dann 192

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die weitere Arbeit beginnen. Sobald geklärt ist, bei welcher Gruppe oder welchen Schichten ein bestimmtes Produkt oder eine Handlungsweise Popularität besitzt, können die entsprechend populäre Tat, die Meinung bzw. der Gegenstand und seine Hervorbringung oder Aneignungsweise nach allen weiteren Regeln und Methoden der einzelnen Wissenschaften und politischen Analyse besprochen und untersucht werden. Das Wort von der populären Kultur wird darüber gegenwärtig wenigstens in den Ländern der westlichen Welt oftmals in den Plural treten. Auch die Versuche, populäre Kultur begrifflich und wesensmäßig festzulegen, tragen momentan, ganz gegen ihre eigene Absicht, dazu bei. Die Versuche und zum Teil bereits etablierten Leitlinien setzen sehr verschieden an, sie rufen in unterschiedlicher Weise ihr (ideales) Volk oder einen gewünschten großen, zusammenhängenden Kreis von Leuten auf. Konservative sehen die Populärkultur entweder negativ als verführerisches, blendendes Medienereignis an oder positiv als gewachsene, tief verwurzelte Tradition; sie kritisieren die Masse und loben die regionale oder nationale Einstellung bzw. das ›gesunde Volksempfinden‹ oder den Gemeinsinn. Linke Strömungen äußern zu einem großen Teil eine ganz ähnliche Kritik der Medien- und Kulturindustrie, sie appellieren aber an den Sinn der ›einfachen Leute‹, an die Solidarität der Entrechteten oder das Bewusstsein der (internationalen) Arbeiterklasse. In ›populistischeren‹ Varianten fordern Parteiführer, Bestsellerautoren, Boulevardzeitungen im Namen der ›ehrlich arbeitenden‹ Menschen gegen ›die da oben‹ eine bessere Führung ein. Moderne Demokraten zielen bei aller grundsätzlich gewährten Liberalität mit Nachdruck auf einen ganz bestimmten Konsens der ›breiten Mitte‹ (vgl. Hecken 2006a: 35ff.). Avantgardistisch gestimmte oder subkulturell interessierte Intellektuelle hoffen seit einigen Jahrzehnten im Zeichen von »Pop« auf gegenkulturelle, hedonistische, ›subversive‹ Lebensweisen und Stile (vgl. ebd.: 18ff.; Hecken 2006c: 165ff.). Zumindest im engeren Bereich der Kultur – abseits der Eigentumsfrage, des Leistungsprinzips und des Grundsatzes politischer Repräsentation – kann sich jedoch augenblicklich keine Konzeption so weit durchsetzen, dass ihr Inbegriff des Populären Wirklichkeit würde. Deshalb bleiben verschiedene Meinungen und Direktiven, was populär ist und was nicht bzw. was man als populär einschätzen, bezeichnen und anstreben sollte, im Umlauf. Auch wenn sie über ganz unterschiedlich starke Machtmittel und Anhängerschaften 193

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verfügen, verhindern diese voneinander abweichenden Auffassungen und Kräfte gegenwärtig – teilweise sogar über den Bereich der Konzepte hinaus – jene homogene Form populärer Kultur, die sie einzeln alle anstreben.

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THEORIEN DER POPULÄRKULTUR

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Ramón Reichert Im Kino der Humanwissenschaften Studien zur Medialisierung wissenschaftlichen Wissens Juli 2007, 220 Seiten, kart., ca. 24,80 €, ISBN: 978-3-89942-647-2

Meike Kröncke, Kerstin Mey, Yvonne Spielmann (Hg.) Kultureller Umbau Räume, Identitäten und Re/Präsentationen Juni 2007, 208 Seiten, kart., 21,80 €, ISBN: 978-3-89942-556-7

Marc Ries, Hildegard Fraueneder, Karin Mairitsch (Hg.) dating.21 Liebesorganisation und Verabredungskulturen Juni 2007, ca. 248 Seiten, kart., ca. 25,80 €, ISBN: 978-3-89942-611-3

Marcus Krause, Nicolas Pethes (Hg.) Mr. Münsterberg und Dr. Hyde Zur Filmgeschichte des Menschenexperiments

Thomas Hecken Theorien der Populärkultur Dreißig Positionen von Schiller bis zu den Cultural Studies

Juli 2007, ca. 300 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN: 978-3-89942-640-3

Juni 2007, 232 Seiten, kart., 22,80 €, ISBN: 978-3-89942-544-4

Annett Zinsmeister (Hg.) welt[stadt]raum mediale inszenierungen

Nic Leonhardt Piktoral-Dramaturgie Visuelle Kultur und Theater im 19. Jahrhundert (1869-1899)

Juni 2007, ca. 160 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 16,80 €, ISBN: 978-3-89942-419-5

Mai 2007, 392 Seiten, kart., zahlr. Abb., 33,80 €, ISBN: 978-3-89942-596-3

Lars Koch (Hg.) Modernisierung als Amerikanisierung? Entwicklungslinien der westdeutschen Kultur 1945-1960

Kai Lehmann, Michael Schetsche (Hg.) Die Google-Gesellschaft Vom digitalen Wandel des Wissens (2. Auflage)

Juni 2007, ca. 350 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN: 978-3-89942-615-1

Mai 2007, 410 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN: 978-3-89942-780-6

Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de

Kultur- und Medientheorie Michael Charlton, Tilmann Sutter Lese-Kommunikation Mediensozialisation in Gesprächen über mehrdeutige Texte

Henry Keazor, Thorsten Wübbena Video thrills the Radio Star Musikvideos: Geschichte, Themen, Analysen (2., überarbeitete Auflage)

April 2007, 176 Seiten, kart., 18,80 €, ISBN: 978-3-89942-601-4

Februar 2007, 478 Seiten, kart., ca. 250 Abb., 31,80 €, ISBN: 978-3-89942-728-8

Georg Stauth, Faruk Birtek (Hg.) ›Istanbul‹ Geistige Wanderungen aus der ›Welt in Scherben‹

vidc (Wiener Institut für Entwicklungsfragen und Zusammenarbeit) / kulturen in bewegung (Hg.) Blickwechsel Lateinamerika in der zeitgenössischen Kunst

März 2007, 292 Seiten, kart., 33,80 €, ISBN: 978-3-89942-474-4

Andreas Böhn, Christine Mielke (Hg.) Die zerstörte Stadt Mediale Repräsentationen urbaner Räume von Troja bis SimCity Februar 2007, 392 Seiten, kart., zahlr. Abb., 32,80 €, ISBN: 978-3-89942-614-4

Februar 2007, 198 Seiten, kart., 20,80 €, ISBN: 978-3-89942-660-1

Karin Knop Comedy in Serie Medienwissenschaftliche Perspektiven auf ein TV-Format Januar 2007, 364 Seiten, kart., 31,80 €, ISBN: 978-3-89942-527-7

Florian Werner Rapocalypse Der Anfang des Rap und das Ende der Welt Februar 2007, 282 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN: 978-3-89942-608-3

Björn Bollhöfer Geographien des Fernsehens Der Kölner Tatort als mediale Verortung kultureller Praktiken Februar 2007, 258 Seiten, kart., zahlr. Abb., 25,80 €, ISBN: 978-3-89942-621-2

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